Das Bürgerliche Gesetzbuch mit Nebengesetzen und einem Gesammtregister [Reprint 2021 ed.] 9783112600566, 9783112600559

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Das Bürgerliche Gesetzbuch mit Nebengesetzen und einem Gesammtregister [Reprint 2021 ed.]
 9783112600566, 9783112600559

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In gleichem Verlage ist erschienen:

Allfeld, vr. ph^ ordentl. Professor in Erlangen. Die Strafgesetzgebung des Deutschen Reichs. Sammlung aller Reichsgesetze straf­ rechtlichen und strafprozessualen Inhalts mit einem Gefammtschiftete 1900. 58 Bogen. In Halbfranz gebd. M. 8.—.

I. Theil: Strafgesetze. I. Abschnitt.

Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich nebst den Linführnngsnnd Abänderungsgesetzen. Seite

I. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich 1—68 II. Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch 69—70 III. Gesetz betr. die Redaktion des Strafgesetzbuchs für den Nord­ deutschen Bund als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich . 70 4a. IVa. Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch für Elsaß-Lothringen 70—72 4b. IVb. Gesetz über die Auslegung des Artikels II des Gesetzes vom 30. August 1871, betr.' die Einführung des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich in Elsaß-Lothringen..................... 72 5. V. Verordnung betr. die Einführung v. Reichsgesetzen i. Helgoland * 73 6. VI. Gesetz betr. die Abänderungen von Bestimmungen des Straf­ gesetzbuchs für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 und die Ergänzung desselben.............................................................. 73—74 7. VII. Einführungsgesetz zum Bürgert. Gesetzbuche* 74

1. 2. 3.

II. Abschnitt.

Das Militärstrafgesetzbuch sammt Linführungsgesetz. 8. 9.

I. Militärstrasgesetzbuch für das Deutsche Reich II. Einführungsgesetz z. Militärstrafgesetzbuch s. d. Deutsche Reich

75—100 100—101

III. Abschnitt.

Die übrigen strafrechtlichen Reichsgesetze. 10. 11.

12. 13.

A. Gesetze betr. das persönliche und räumliche Geltungsgebiet der Strafgesetz«. 1. Verfassung des Deutschen Reiches* 101 2. Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit* (abgedruckt in alter Fassung S. 743—748; in neuer Fassung S. 901—910) 102 3. Gesetz betr. die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete* (abgedruckt S. 748—750).............................................................. 102 4. Verordnung betr. die Einführung der deutschen Militärstraf­ gesetze in den afrikanischen Schutzgebieten.................................... 102 B. Gesetze zum Schutze von Gütern der Gesammtheit. I. Gesetze betr. das Militärwesen und den Schutz der Staatssicherheit.

14. 15.

16.

1. Preußisches Gesetz über den Belagerungszustand** .... 103 2. Gesetz betr. die Beschränkungen des Grundeigentums in der Umgebung von Festungen* .................................................... 104—113 3. Gesetz über die Kriegsleistungen * 113—114 * Nur Auszug der einschlägigen Bestimmungen. ** Für Bayern nicht in Geltung.

Jnhaltsverzeichniß zu Allfeld, Strafgesetzgebung. Seite

17. 18. 19. 20. 21. 22.

4. Reichsmilitärgesetz* 114—120 5< Gesetz betr. Aenderungen der Wehrpflicht* 120—125 6. Gesetz betr. die Reichskriegshäfen und die Feststellung eines Nachtrages zum Reichshaushalts-Etat für das Eiaisjahr 1883/84 125—127 7. Gesetz gegen den Verrath militärischer Geheimnisse .... 128—129 8. Gesetz betr. den Schutz der Brieftauben und den Brieftauben­ verkehr im Kxiege..............................................................................130 9. Gesetz betr. die unter Ausschluß der Oesfentlichkeit stattsindenden Gerichtsverhandlungen*...................................................................

II. Gesetze betr. daS Finanzwesen. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34.

35. 36.

1. Gesetz betr. die Erhebung einer Abgabe von Salz .... 131—137 2. Gesetz betr. die Besteuerungen des Branntweins in verschiedenen zum Norddeutschen Bunde gehörenden Staaten u. Landestheilen 138—153 3. Gesetz betr. die Wechselstempelsteuer im Norddeutschen Bunde . 154—158 4. Bereinszollgesetz* 159—196 5. Gesetz betr. die Sicherung der Zollvereinsgrenze in den vom Zollgebiete ansgeschlossenen Hamburgischen Gebietstheilen . 197—201 6. Gesetz wegen Erhebung der Brausteuer..................................... 202—214 7. Gesetz betr. die Steuerfreiheit des Branntweins zu gewerblichen Zwecken ...»............................................... 215 8. Gesetz betr. den Spielkartenstempel 216—220 9. Gesetz betr. die Besteuerung des Tabacks . * 220—234 10. Gesetz betr. die Besteuerung des Branntweins 234—255 11. Reichsstempelgesetz .................................................................... 255—271 12. Gesetz betr. die Ausführung des mit Oesterreich-Ungarn ab­ geschlossenen Zollkartells...............................................................272 13. Zuckersteuergesetz.............................................................................. 273—296 14. Gesetz betr. die Gebühren für die Benutzung des Kaiser WilhelmKanals .............................................................................................. 296—299

III. Gesetze betr. das Pretzwefen. 37. 38. 39.

40. 41.

1. Gesetz über die Presse 2. Gesetz betr. die Stimmzettel für öffentliche Wahlen

....

IV. Gesetz über daS Auswanderungswefen. V. Gesetze betr. das Seewesen.

299—304 305

305—312

313—328

42. 43.

1. Seemannsordnuna* 2. Gesetz betr. die Verpflichtung deutscher Kauffahrteischiffe zur Mitnahme hülfsbedürftiger Seeleute* .................................... 3. Strandungsordnung * 4. Gesetz betr. die Schiffsmeldungen bei den Konsulaten 'des

44. 45.

Deutschen Reichs .........................................................................332 5. Gesetz betr. die Küstenfrachtsahrt 333 6. Gesetz betr. die Ausführung des internationalen Vertrages vom

46.

den Nordseefischern auf hoher See 7. Gesetz betr. das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe

....

328—329 329—332

333—334 334—339

VI. Gesetze betr. das Verkehrswesen. 47. 48.

49. 50. 51. 52.

1. Gesetz über das Postwesen des Deutschen Reichs* .... 2. Gesetz betr.. einige Aenderungen von Bestimmungen über das Postwesen*......................................................................................... 3. Gesetz zur Ausführung des internationalen Vertrages zum Schutze der unterseeischen Telegraphenkabel vom 14. März 1884 4. Gesetz über das Telegraphenwesen des Deutschen Reichs . . 5. Bekanntmachung betr. die Betriebsordnung für die Haupt­ eisenbahnen Deutschlands* ...... ^........................... 6. Bekanntmachung betr. die Bahnordnung für die Nebeneisen­ bahnen Deutschlands*....................................................................

340—346 346—347

347 348—350

350—355

355—359

131

Inhaltsverzeichnis; zu Allfeld, Strafgesetzgebung.

VII. Gesetze tetr, den Geldverkehr.

58. 59.

Gesetz tetr, die In Haberpapiere mit Prämien Münzgesetz* Bankgesetz* Gesetz betr. Abänderung des Bankgesetzes vom 14. Mürz 1875* Gesetz betr. den Schutz des zur Anfertigung Vvn Reichskassenscheincn verwendeten Papiers gegen unbefugte Nachahmung . 6. Börsengesetz* 7. Hypothekenbankgesetz *

60. 61. 62. 63. 64.

1. 2. 3. 4. 5.

53. 54. 55. 56. 57.

1 2. 3. 4. 5.

©eite 360—361 361 362—369 370—371 371 372—381 381—388

VIII. Gesetze tetr, das Versicherungswesen.

65. 66. 67.

Gesetz über die eingeschriebenen Hülfskassen Krankenversicherungsgesetz ............................... . Unfallversicherungsgesetz * Gesetz über die Ausdehnung der Unfall- und Krankenversicherung * Gesetz betr. die Unfall- und Krankenversicherung der in landund forstwirthschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen* . 6. Gesetz betr. die Unfallversicherung der bei Bauten beschäftigten Personen* 7. Gesetz tetr, die Unfallversicherung der Seeleute und anderer bei der Seeschiffahrt betheiligten Personen* 8. Jnvalidenversicherungsgesetz' ..........................

389—397 397—438 439—443 443—446 446—450

450—454

455^-457 457—485

IX. Gesetze tetr, das Handels- und Gewerbewesen. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77.

1. Gewerbeordnung für das Deutsche Reich (abgedruckt im Nach­ trage, Seite 840) 2. Gesetz betr. die Statistik des Waarenverkehrs des deutschen Zollgebiets mit dem Auslande 3. Gesetz betr. die Bezeichnung des Raumgehaltes der Schankgefäße 4. Gesetz über den Feingehalt der Gold- und Silberwaaren . . 5. Gesetz betr. die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften* . 6. Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung* . . 7. Gesetz betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt* 8. Gesetz betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Flößerei* 9. Handelsgesetzbuch* 10. Gesetz betr. die elektrischen Maßeinheiten

486

486—490 490—491 491—493 493—509 509—518 519 520 520—529 529—531

X. Gesetze betr. Jagd und Fischerei. 78. 79. 80.

1. Gesetz betr. die Schonzeit für den Fang von Robben . . . 2. Gesetz zur Ausführung der Internationalen Konvention vom 6. Mai 1882, betr. die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee außerhalb der Küstengewäffer 3. Gesetz betr. den Schutz von Vögeln

531

531—532 532—534

C. Gesetze zum Schutze von Gütern der Einzelnen. I. Gesetze zum Schutze van Leben, Gesundheit und Vermögen. 81. 82. 83. 84. 85. 86.

87. 88.

1. Jmpfgesetz . . 2. Gesetz betr. den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen 3. Gesetz betr. die Anfertigung und Verzollung von Zündhölzern* 4. Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Ge­ brauch von Sprengstoffen 5. Gesetz betr. den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen 6. Gesetz betr. die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Ge­ brauchsgegenständen 7. Gesetz betr. die Prüfung der Läufe und Verschlüsse der Hand­ feuerwaffen 8. Gesetz betr. den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und wein­ ähnlichen Getränken

535—537 538—540 541

542—544 545—546 547—549 550—551

552—554

Jnhaltsverzeichniß zu Allfeld, Strafgesetzgebung. 89 90. 91. 92. 93. 94. 95. 96. 97 98. 99.

ICO

Seite 9 Gesetz betr den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren 554—559 Ersatzmitteln ............................... 559— 560 10. Gesetz betr. den Verkehr mit künstlichen Süßstoffen 560— 561 etz, Maßregeln gegen die Rinderpest betr * . . . 11. Gesetz, 12. Gesetz betr. Zuwiderhandlungen gegen die zur Abwehr der 561— 562 Rinderpest erlassenen Vieheinfuhrverboie 13. Gesetz betr die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Vieh­ 562— 563 beförderungen auf Eisenbahnen 14. Gesetz betr die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen 563— 575 15. Gesetz zur Abwehr und Unterdrückung der Reblauskrankheit* 575—576 576— 578 16. Konkursordnung * 17 Gesetz betr. Ergänzung der Bestimmungen über den Wucher* -578 579 18. Gesetz betr. die Abzahlungsgeschäfte * . . 19. Gesetz betr. die Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Werthpapiere* . . . 579—582 20. Gesetz betr die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuld­ 583—585 verschreibungen *

II. Gesetze zum Schutze des Persoueustandes und der persönliche« Freiheit. 101.

102.

1. Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung * . . . .................................... 2. Gesetz betr. die Bestrafung des Sklavenraubes und des Sklavenhandels.............................................................................

585—588 588—589

III. Gesetze zum Schutze sog. Individualrechte. 103. 104.

105. 106. 107 108. 109.

1. Gesetz tetr das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste 2. Gesetz betr. den Schutz der Photographien gegen unbefugte Nachbildung .... ... . . . 3. Gesetz betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen^ 4. Patentgesetz ..................... 5. Gesetz betr. den Schutz von Gebrauchsmustern 6. Gesetz zum Schutz der Waarenbezeichnungen . 7 Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes

589—597

597—599 599—602 602—612 612—614 615—621 621—625

n. Theil: Strafprozeßgesrhe. 110, 111. 112 113. 114.

I. II. III. IV V.

115. 116. 117. 118.

VI. VII. VIII. IX.

119. 120. 121.

X XI. XII.

626—656 Gerichtsverfassungsgesetz ... Einführungsgesetz hiezu 657—660 661—738 Strafprozeßordnung. 739—740 Einführungsgesetz hiezu . . Gesetz betr. die Entschädigung der im Wiederaufnahme­ 741—742 verfahren freigesprochenen Personen.................................... 742 Verfassung des Deutschen Reichs* Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879* 743—748 Gesetz betr. die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete * 748—750 Gesetz über den Beistand bei Einziehung von Abgaben und 750—752 Vollstreckung von Bermögensstrasen 752—832 Militärstrafgerichtsordnung . 832—838 Einsührungsgesetz zur Militärstrafgerichtsordnung Gesetz betr. die Einrichtung eines besonderen Senates für das bayerische Heer bei dem Reichsmilitärgericht in Berlin 838—839

Bachtriige und Berichtigungen. 122. 123. 124. 125.

Gewerbeordnung für das Deutsche Reich* Gesetz betr die anderweite Festsetzung des Gesammtkontingents der Brennereien Gesetz betr. die Bestrafung der Entziehung elektr. Arbeit . Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 7. April 1900* Gesammtregister........................................................................

840—899

899—900 900 901—910 911—924

In gleichem Verlage ist erschienen:

Sichert, K.,

Rath des k. b. Verwaltungsgerichtshofes.

Sammlung in der Praxis

oft angewandter verwaltungsgefetze nebst einer Anzahl derartiger Ver­ ordnungen etc. für das Königreich Vayern. 1900. 74 Bogen. In Halbfranz gebunden. M. 9.50.

I. Grundlagen der Verfassung und Verwaltung. Verfassung des Deutschen Reichs - . - . Reichstagswahlgesetz......................................................................................... Bundes- und Staatsangehörigkeits-Gesetz ....................... Gothaer Vertrag über die Ausnahme Ausgewiejcner . . . Freizügiakeitsgesetz......................................................................................... Bayerische Verfassungsurkunde Religionsedikt mit Anhängen Landtagswahlgesetz......................................................................................... Gesetz über den Geschäftsgang des Landtags . . : Landrathsgesetz............................................................................................... Gesetz über die Ausscheidung der Kreislasten .....

Rechtsrheinische Gemeindeordnung

Pfälzische Gemeindeordnung......................................................................... Schulbedarfsgesetz Gesetz über die gemeindlichen Besitzveründerungsabgaben . . Heimatgesetz.................................................................................................... Armengesetz Eisenacher Uebereinkunst Personenstandsgesetz und Vollzugsvorschrijt dazu Bayerisches Vereinsgefetz.............................................................................. Reichspreßgejetz............................................................................................... Bayerisches Gesetz über die Zwangsabtretung Erlaß über die Abtretung zu Kiesgruben oder Steinbrüchen Verwaltungsgerichtshofgesetz......................................................................... Bayerisches Gesetz über die Entscheidung der Kompelenzkonflikte . . Zuständigkeitsverordnung..............................................................................

Seite 697-715 694-696 751-755 352-354 186-189 774-790 715-741 551—556 543-550 535-542 532-534 74-82 249-311 978-1012 745-748 41 367-384 1-15 109 622-641 769-774 680-686 936-944 469-470 791-809 483-487 931-935

II. Vorschriften über die Venutzung, Ausbeutung und Verwerthung des Grund und Vodens. Nachbarrecht 609—613 Wegerecht 910—912 Flurbereinigung 132—147 Bauordnung für die Landestheile r. d. Rh 15—40 Bauvorschriften für die Pfalz................................................................................946—952 Vorschriften über die Baukontrole 1026—1032 Kaminkehrerordnung......................................................................................... 463—468 Gesetz über die Fortsetzung der Grundenitastung 355—361 Sand- und Steinabfuhr.................................................................................... 742—744

Weidegesetz 912—922 Forstgesetz für die Landestheile r. d. Rh 148—186 Forststrafgeseh für die Pfalz . . . . 953—977 Jagdgesetz............................................................ 391—395 Jagdpolizeiliche Vorschriften 396—399 Vogelschutzgesetz..................................................................................................... 884—886 Verordnung über den Vogelschutz 887, 888 Fischereiordnung............................................................................................................124—132 Wasserbenützungsgesetz 890—910 Vorschriften über die Aichpfahlsetzuug 1021—1026 Gesetz über die Unternehmungen zur Bewässerung und Entwässerung . 42—54 Uferschutzgesetz.......................................................................................................... 764—768

Jnhaltsverzeichniß zu Buchert, Verwaltungsgesetze.

III. Vorschriften über dar Gewerderecht.

Seite

1049-1141 Gewerbeordnung für das Deutsche Reich 1141-1154 Vollzugsvorschristen zur Gewerbeordnung Vorschriften über die Gründung und Leitung von Erziehungs­ 121-124 und Untertichtsanstalten............................................................... 385-391 Vorschriften für das Hufbeschlaggewerbe

IV. Polizei. Polizeivorschriften des Reichsstrafgesetzbuchs 686—693 Bayerisches Polizeistrafgesetzbuch ............................................................... 641—678 Vorschriften über die correctionelle Nachhaft 614—618 Vorschriften über die Führung von Waffen 889—890 Sonn- und Festtagsfeier............................................................................... 749—751 Einhaltung der Polizeistunde 679— 680 Vorschrift über Tanzmusik.............................................................................. 760—763 Oeffentttche Sammlungen 741—742 Lotterien und Ausspielungen 601, 602

Reichs-Jmpfgesetz 399—401 Vorschriften über die Leichenbeschau 597—600 Vorschriften über die Beförderung von Leichen 593—596 Nahrungsmittelgesetz ..................................................................... 619—622 Vorschriften über den Verkehr mit Giften 340—351 Medizinaltaxordnung.................................................................................... 602—606 Viehseuchengesetz . . . ................................................................................828—842 Verwaltungsvorschriften dazu 809—827, 842—879 Milzbrandgesetz und Vollzugsvorschristen dazu.......................................... 606—609 Körordnung 482-483 Vorschriften über die Zuchtstierhaltung ' 927—930

V. verficherungsrecht. Reichs-Krankenversicherunasgesetz............................................................... 487—528 Bayerisches Aussührungsgesetz dazu ................................ 528—530 Vollzugsvorschristen dazu ............................................................... 530, 531 Reichsgesetz über die Hülfskassen 1041—1049 Reichsgesetze über die Unfallversicherung a) bei gewerblichen Bretieben 1036—1041 b) bei Bauten....................................................... 1032—1036 c) bei land- undforstwirtschaftlichen Betrieben 557—593 Jnvalidenversicherungsgesetz.............. 402—462

54-73 362-366 879-884 1154-1159

Brandversicherungsgesetz Hagelversicherungsgesetz

Viehversicherungsgesetz Pferdeversicherungsgesetz

VI. Linanzrecht.

Einkommensteuergesetz .................................................................... 82—108 Kapitalrentensteuergesetz 470—482 Gewerbsteuergesetz................................................................................................312—340 Erbschaftssteuergesetz 110—121 Gesetz über die Erhebung einer Abgabe für das Halten von Hunden . 389—391 Gesetz über die Ablösung der Steuerfreiheit der Standesherren. . . . 756—757 Gesetz über die Steuernachläsie................................................ 757—760 Gebührengesetz.......................................................................... 189—248 Gesetz über die örtlichen Besitzveränderungsabgaben 41 Vorschriften über die Zeugengebühren..................................... 923—926 a) Zeugengebüyrengesetz 923—925 b) . Zeugengebührenverordnuug 925—926 Advokatengebührenordnung........................................................1013—1020 Medizinaltaxordnung................................................................ 602—606 Gesammtregister.............................................................................1160—1180

Dr. es Pfandrechts durch die Rückgabe der Sache die Vorschriften des 8 1253 entsprechende Anwendung. § 1279. Für das Pfandrecht an einer Forderung gelten die besonderen Vorschriften der 88 1280 bis 1290.

K 1280. Die Verpfändung einer Forderung, zu deren Ueber­ tragung der Abtretungsvertrag genügt, ist nur wirksam, wenn der Gläubiger sie dem Schuldner anzeigt.

Drittes Buch.

Sachenrecht.

187

§ 1281. Der Schuldner kann nur an den Pfandgläubiger und den Gläubiger gemeinschaftlich leisten. Jeder von beiden sann verlangen, daß an sie gemeinschaftlich geleistet wird; jeder kann statt der Leistung verlangen, daß die geschuldete Sache für beide hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Ver­ wahrer abgeliefert wird.

§ 1282. Sind die Voraussetzungen des § 1228 Ms. 2 eingetreten, so ist oer Pfandgläubiger zur Einziehung der Forderung berechtigt und kann der Schuldner nur an ihn leisten. Die Einziehung einer Geldforderung steht dem Pfandgläubiger nur insoweit zu, als sie zu seiner Befriedigung erforderlich ist. Soweit er zur Einziehung berechtigt ist, kann er auch verlangen, daß ihm die Geldforderung an Zahlungsstatt abgetreten wird. Zu anderen Verfügungen über die Forderung ist der Pfandgläubiger nicht berechtigt; das Recht, die Befriedigung aus der Forderung nach 8 1277 zu suchen, bleibt unberührt. § 1283. Hängt die Fälligkeit der verpfändeten Forderung von ein r Kündigung ab, so bedarf der Gläubiger zur Kündigung der Zustimmung oes Pfandgläubigers nur, wenn dieser berechtigt ist, die Nutzungen zu ziehen. Die Kündigung des Schuldners ist nur wirksam, wenn sie dem Pfandgläubiger und dem Gläubiger erklärt wird. Sind die Voraussetzungen des §' 1228 Abs. 2 eingetreten, so ist auch der Pfandgläubiger zur Kündigung berechtigt; für die Kündigung des Schuldners genügt die Erklärung gegenüber dem Pfandgläubiger. § 1284. Die Vorschriften der 88 1281 bis 1283 finden keine Anwendung, soweit der Pfandgläubiger und der Gläubiger ein Anderes vereinbaren. § 1285. Hat die Leistung an den Pfandgläubiger und den Gläubiger gemeinschaftlich zu erfolgen, so sind beide einander verpflichtet, zur Ein­ ziehung mitzuwirken, wenn die Forderung fällig ist. Soweit der Pfandgläubiger berechtigt ist, die Forderung ohne Mitwirkung des Gläubigers einzuziehen, hat er für die ordnungsmäßige Einziehung zu sorgen. Von der Einziehung hat er den Gläubiger unver­ züglich zu benachrichtigen, sofern nicht die Benachrichtigung unthunlich ist. § 1286. Hängt die Fälligkeit der verpfändeten Forderung von einer Kündigung ab, so kann der Pfandgläubiger, sofern nicht dasKündigungsrecht ihm zusteht, von dem Gläubiger die Kündigung verlangen, wenn die Einziehung der Forderung wegen Gefährdung ihrer Sicherheit nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Vermögensverwaltung geboten ist. Unter der gleichen Voraussetzung kann der Gläubiger von dem Pfandgläubiger die Zustimmung zur Kündigung verlangen, sofern die Zustimmung er­ forderlich ist.

§ 1287. Leistet der Schuldner in Gemäßheit der 88 1 281,1282, so erwirbt mit der Leistung der Gläubiger den geleisteten Gegenstand und der Pfandgläubiger ein Pfandrecht an dem Gegenstände. Besteht die Leistung in der Uebertragung des Eigenthums an einem Grundstücke, so erwirbt der Pfandgläubiger eine Sicherungshypothek.

188

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

K 1288. Wird eine Geldforderung in Gemäßheit des § 1281 eingezogen, so sind der Pfandgläubiger und der Gläubiger einander ver­ pflichtet, dazu mitzuwirken, daß der eingezogene Betrag, soweit es ohne Beeinträchtigung des Interesses des Pfandgläubigers thunlich ist, nach den für die Anlegung von Mündelgeld geltenden Vorschriften verzinslich angelegt und gleichzeitig dem Pfandgläubiger das Pfandrecht bestellt wird. Die Art der Anlegung bestimmt der Gläubiger. Erfolgt die Einziehung in Gemäßheit des § 1282, so gilt die Forderung des Pfandgläubigers, soweit ihm der eingezogene Betrag zu seiner Befriedigung gebührt, als von dem Gläubiger berichtigt.

§ 1289. Das Pfandrecht an einer Forderung erstreckt sich auf die Zinsen der Forderung. Die Vorschriften des § 1123 Abs. 2 und der §§ 1124,1125 finden entsprechende Anwendung; an die Stelle der Beschlag­ nahme tritt die Anzeige des Pfandgläubigers an den Schuldner, daß er von dem Einziehungsrechte Gebrauch mache. § 1290. Bestehen mehrere Pfandrechte an einer Forderung, so ist zur Einziehung nur derjenige Pfandgläubiger berechtigt, deffen Pfand­ recht den übrigen Pfandrechten vorgeht.

§ 1291. Die Vorschriften über das Pfandrecht an einer Forderung gelten auch für das Pfandrecht an einer Grundschuld und an einer Rentenschuld.

§ 1292. Zur Verpfändung eines Wechsels oder eines anderen Papiers, das durch Jndosiament übertragen werden kann, genügt die Einigung des Gläubigers und des Pfandgläubigers und die Uebergabe des indossirten Papiers.

§ 1293. Für das Pfandrecht an einem Jnhaberpapiere gelten die Vorfchristm über das Pfandrecht an beweglichen Sachen. § 1294. Ist ein Wechsel, ein anderes Papier, das durch Jndoflament übertragen werden kann, oder ein Jnhaberpapier Gegenstand des Pfandrechts, so ist, auch wenn die Voraussetzungen des § 1228 Abs. 2 noch nicht eingetreten find, der Pfandgläubiger zur Einziehung und, falls Kündigung erforderlich ist, zur Kündigung berechtigt und kann der Schuldner nur an ihn leisten. § 1295. Hat ein verpfändetes Papier, das durch Indossament übertragen werdm kann, einen Börsen- oder Marktpreis, so ist der Gläubiger nach dem Eintritte der Voraussetzungen des § 1228 Abs. 2 berechtigt, das Papier nach § 1221 verkaufen zu lassen.

§ 1296. Das Pfandrecht an einem Werthpapier erstreckt sich aus die zu dem Papiere gehörenden Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine nur dann, wenn sie dem Pfandgläubiger übergeben sind. Der Verpfänder kann, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist, die Herausgabe der Scheine verlangen, soweit sie vor dem Eintritte der Voraussetzungen des § 1228 Abs. 2 fällig werden.

Viertes Buch.

Familienrecht-

189

Viertes Buch.

Jamilltnrecht. Erster Abschnitt.

Bürgerliche Ehe. Erster Titel,

»erlöbniß. K 1297. Aus einem Verlöbnisse kann nicht auf Eingehung der Ehe geklagt werden. Das Versprechen einer Strafe für den Fall, daß die Eingehung der Ehe unterbleibt, ist nichtig.

§ 1298. Tritt ein Verlobter von dem Verlöbnisse zurück, so hat er dem anderen Verlobten und dessen Eltern sowie dritten Personen, welche an Stelle der Eltern gehandelt haben, den Schaden zu ersetzen, der daraus entstanden ist, daß sie in Erwartung der Ehe Aufwendungen gemacht haben oder Verbindlichkeiten eingegangen find. Dem anderen Verlobten hat er auch den Schaden zu ersetzen, den dieser dadurch erleidet, daß er in Erwartung der Ehe sonstige sein Vermögen oder seine Erwerbs­ stellung berührende Maßnahmen getroffen hat. Der Schaden ist nur insoweit zu ersetzen, als die Aufwendungen, die Eingehung der Verbindlichkeiten und die sonstigen Maßnahmen den Umstünden nach angemessen waren. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn ein wichtiger Grund für den Rücktritt vorliegt. K 1299. Veranlaßt ein Verlobter den Rücktritt des anderen durch ein Verschulden, das einen wichtigen Grund für den Rücktritt bildet, so ist er nach Maßgabe des § 1298 Abs. 1, 2 zum Schadensersätze verpflichtet. K 1300. Hat eine unbescholtene Verlobte ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet, so kann sie, wenn die Voraussetzungen des § 1298 oder des § 1299 vorliegen, auch wegen des Schadens, der nicht Ver­ mögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen. Der Anspruch ist nicht übertragbar und geht nicht aus die Erben über, es sei denn, daß er durch Vertrag anerkannt oder daß er rechts­ hängig geworden ist.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1301» Unterbleibt die Eheschließung, so kann jeder Verlobte von dem anderen die Herausgabe desjenigen, was er ihm geschenkt oder zum Zeichen des Verlöbnisses gegeben hat, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Im Zweifel ist anzunehmen, daß die Rückforderung ausgeschlossen sein soll, wenn das Verlöbniß durch den Tod eines der Verlobten aufgelöst wird. § 1302. Die in den §§ 1298 bis 1301 bestimmten Ansprüche verjähren in zwei Jahren von der Auslösung des Verlöbnisses an. Zweiter Titel.

Eingehung der Ehe. § 1303. Ein Mann darf nicht vor dem Eintritte der Volljährig­ keit, eine Frau darf nicht vor der Vollendung des sechzehnten Lebensjahrs eine Ehe eingehen. Einer Frau kann Befreiung von dieser Vorschrift bewilligt werden. § 1304. Wer in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, bedarf zur Eingehung einer Ehe der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. Ist der gesetzliche Vertreter ein Vormund, so kann die Einwilligung, wenn sie von ihm verweigert wird, auf Antrag des Mündels durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden. Das Vormundschastsgericht hat die Einwilligung zu ersetzen, wenn die Eingehung der Ehe im Interesse des Mündels liegt. § 1305. Ein eheliches Kind bedarf bis zur Vollendung des ein­ undzwanzigsten Lebensjahrs zur Eingehung einer Ehe der Einwilligung des Vaters, ein uneheliches Kind bedarf bis zum gleichen Lebensalter der Einwilligung der Mutter. An die Stelle des Vaters tritt die Mutter, wenn der Vater gestorben ist oder wenn ihm die sich aus der Vaterschaft ergebenden Rechte Nach § 1701 nicht zustehen. Ein für ehelich erklärtes Kind bedarf der Einwilligung der Mutter auch dann nicht, wenn der Vater gestorben ist. Dem Tode des Vaters oder der Mutter steht es gleich, wenn sie zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande sind oder wenn ihr Aufenthalt dauernd unbekannt ist.

§ 1306. Einem an Kindesstatt angenommenen Kinde gegenüber steht die Einwilligung zur Eingehung einer Ehe an Stelle der leiblichen Eltern demjenigen zu, welcher das Kind angenommen hat. Hat ein Ehe­ paar das Kind gemeinschaftlich oder hat ein Ehegatte das Kind des anderen Ehegatten angenommen, so finden die Vorschriften des § 1305 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 Anwendung. Die leiblichen Eltern erlangen dM Recht znr Einwilligung auch dann nicht wieder, wenn das durch die Annahme an Kindesstatt begründete Rechtsverhältniß aufgehoben wird. § 1307. Die elterliche Einwilligung kann nicht durch einen Ver­ treter ertheilt werden. Ist der Vater oder die Mutter in der Geschäfts-

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Familienrecht.

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fähigkeit beschränkt, so ist die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nicht erforderlich.

§ 1308. Wird die elterliche Einwilligung einem volljährigen Kinde verweigert, so kann sie auf dessen Antrag durch das Vormundschafts­ gericht ersetzt werden. Das Dormundschaftsgericht hat die Einwilligung zu ersetzen, wenn sie ohne wichtigen Grund verweigert wird. Vor der Entscheidung soll das Vormundschaftsgericht Verwandte oder Verschwägerte des Kindes hören, wenn es ohne erhebliche Verzögerung und ohne unverhältnißmäßige Kosten geschehen kann. Für den Ersatz der Auslagen gilt die Vorschrift des § 1847 Abs. 2. § 1309. Niemand darf eine Ehe eingehen, bevor seine frühere Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt worden ist. Wollen Ehegatten die Eheschließung wiederholen, so ist die vorgängige Nichtigkeitserklärung nicht erforderlich. Wird gegen ein Urtheil, durch das die frühere Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt worden ist, die Nichtigkeitsklage oder die Restitutions­ klage erhoben, so dürfen die Ehegatten nicht vor der Erledigung des Rechtsstreits eine neue Ehe eingehen, es sei denn, daß die Klage erst nach dem Ablaufe der vorgeschriebenen fünfjährigen Frist erhoben worden ist. § 1310. Eine Ehe darf nicht geschlossen werden zwischen Ver­ wandten t.i gerader Linie, zwischen vollbürtigen oder halbbürtigen Ge­ schwistern sowie zwischen Verschwägerten in gerader Linie. Eine Ehe darf nicht geschlossen werden zwischen Personen, von denen die eine mit Eltern, Voreltern oder Abkömmlingen der anderen Geschlechts­ gemeinschaft gepflogen hat. Verwandtschaft im Sinne dieser Vorschriften besteht auch zwischen einem unehelichen Kinde und dessen Abkömmlingen einerseits und dem Vater und dessen Verwandten andererseits. § 1311. Wer einen Anderen an Kindesstatt angenommen hat, darf mit ihm oder besten Abkömmlingen eine Ehe nicht eingehen, solange das durch die Annahme begründete Rechtsverhältniß besteht.

§ 1312. Eine Ehe darf nicht geschlossen werden zwischen einem wegen Ehebruchs geschiedenen Ehegatten und demjenigen, mit welchem der geschiedene Ehegatte den Ehebruch begangen hat, wenn dieser Ehebruch in dem Scheidungsurtheil als Grund der Scheidung festgestellt ist. Don dieser Vorschrift kann Befreiung bewilligt werden. § 1313. Eine Frau darf erst zehn Monate nach der Auflösung oder Nichtigkeitserklärung ihrer früheren Ehe eine neue Ehe eingehen, es sei denn, daß sie inzwischen geboren hat. Von dieser Vorschrift kann Befreiung bewilligt werden. § 1314. Wer ein eheliches Kind hat, das minderjährig ist oderunter seiner Vormundschaft steht, darf eine Ehe erst eingehen, nachdem ihm das Vormundschaftsgericht ein Zeugniß darüber ertheilt hat, daß er die im § 1669 bezeichneten Verpflichtungen erfüllt hat oder daß sie ihm nicht obliegen.

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Ist im Falle der fortgesetzten Gütergemeinschaft ein antheilsberechtigter Abkömmling minderjährig oder bevormundet, so darf der überlebende Ehe­ gatte eine Ehe erst 'eingehen, nachdem ihm das Vormundschaftsgericht ein Zeugniß darüber ertheilt hat, daß er die im § 1493 Abs. 2 bezeichneten Verpflichtungen erfüllt hat oder daß sie ihm nicht obliegen.

8 1315. Militärpersonen und solche Landesbeamte, für die nach den Landesgesetzen zur Eingehung einer Ehe eine besondere Erlaubniß er­ forderlich ist, dürfen nicht ohne die vorgeschriebene Erlaubniß eine Ehe eingehen. Ausländer, für die nach den Landesgesetzen zur Eingehung einer Ehe eine Erlaubniß oder ein Zeugniß erforderlich ist, dürfen nicht ohne diese Erlaubniß oder ohne dieses Zeugniß eine Ehe eingehen.

8 1316. Der Eheschließung soll ein Aufgebot vorhergehen. Das Aufgebot verliert seine Kraft, wenn die Ehe nicht binnen sechs Monaten nach der Vollziehung des Aufgebots geschlossen wird. Das Aufgebot darf unterbleiben, wenn die lebensgefährliche Er­ krankung eines der Verlobten den Aufschub der Eheschließung nicht gestattet. Don dem Aufgebote kann Befteiung bewilligt werden. 8 1317. Die Ehe wird dadurch geschlossen, daß die Verlobten vor einem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe mit einander eingehen zu wollen. Der Standesbeamte muß zur Entgegennahme der Erklärungen bereit sein. Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben werden.

8 1318. Der Standesbeamte soll bei der Eheschließung in Gegen­ wart von zwei Zeugen an die Verlobten einzeln und nach einander die Frage richten, ob sie die Ehe mit einander eingehen wollen, und, nachdem die Verlobten die Frage bejaht haben, aussprechen, daß sie kraft dieses Gesetzes nunmehr rechtmäßig verbundene Eheleute seien. Als Zeugen sollen Personen, die der bürgerlichen Ehrenrechte für verlustig erklärt sind, während der Zeit, für welche die Aberkennung der Ehrenrechte erfolgt ist, sowie Minderjährige nicht zugezogen werden. Per­ sonen, die mit einem der Verlobten, mit dem Standesbeamten oder mit einander verwandt oder verschwägert sind, dürfen als Zeugen zugezogen werden. Der Standesbeamte soll die Eheschließung in das Heirathsregister

eintragen.

8 1319. Als Standesbeamter im Sinne des § 1317 gilt auch derjenige, welcher, ohne Standesbeamter zu sein, das Amt eines Standes­ beamten öffentlich ausübt, es sei denn, daß die Verlobten den Mangel der amtlichen Befugniß bei der Eheschließung kennen. 8 1320. Die Ehe soll vor dem zuständigen Standesbeamten ge­ schloffen werden. Zuständig ist der Standesbeamte, in deffen Bezirk einer der Verlobten seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

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Familienrecht.

Hat keiner der Verlobten feinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und ist auch nur einer von ihnen ein Deutscher, so wird der zuständige Standesbeamte von der obersten Aufsichtsbehörde des Bundesstaats, dem der Deutsche angehört, und, wenn dieser keinem Bundesstaat angehört, von dein Reichskanzler bestimmt. Unter mehreren zuständigen Standesbeamten haben die Verlobten die Wahl.

§ 1321. Auf Grund einer schriftlichen Ermächtigung des zuständigen Standesbeamten darf die Ehe auch vor dem Standesbeamten eines anderen Bezirkes geschlossen werden.

§ 1322. Die Bewilligung einer nach den §§ 1303, 1313 zu­ lässigen Befreiung steht dem Bundesstaate zu, dem die Frau, die Bewilligung einer nach 8 1312 zulässigen Befreiung steht dem Bundesstaate zu, dem der geschiedene Ehegatte angehört. Für Deutsche, die keiner,l Bundesstaat angehören, steht die Bewilligung dem Reichskanzler zu. Die Bewilligung einer nach § 1316 zulässigen Befreiung steht dem Bundesstaate zu, in dessen Gebiete die Ehe geschlossen werden soll. Ueber die Ertheilung der einem Bundesstaate zustehenden Bewilligung hat die Landesregierung zu bestimmen. Dritter Titel.

Nichtigkeit «nd Anfechtbarkeit der Khe. § 1323.

Eine Ehe ist

nur in

den Fällen

der 88 1324

bis

1328 nichtig.

§ 1324. Eine Ehe ist nichtig, wenn bei der Eheschließung die im 8 1317 vorgeschriebene Form nicht beobachtet worden ist. Ist die Ehe in das Heirathsregister eingetragen worden und haben die Ehegatten nach der Eheschließung zehn Jahre oder, falls einer von ihnen vorher gestorben ist, bis zu dessen Tode, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten mit einander gelebt, so ist die Ehe als von Anfang an gültig anzusehen. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn bei dem Ablaufe der zehn Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten die Nichtigkeitsklage erhoben ist. 8 1325. Eine Ehe ist nichtig, wenn einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung geschäftsunfähig war oder sich im Zustande der Bewußtlofigkeit oder vorübergehender Störung der Geistesthätigkeit befand. Die Ehe ist als von Anfang an gültig anzusehen, wenn der Ehegatte sie nach dem Wegfalle der Geschäftsunfähigkeit, der Bewußtlosigkeit oder der Störung der Geistesthätigkeit bestätigt, bevor sie für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist. Die Bestätigung bedarf nicht der für die Ehe­ schließung vorgeschriebenen Form. § 1326. Eine Ehe ist nichtig, wenn einer der Ehegatten zur Zett der Eheschließung mit einem Dritten in einer gültigen Ehe lebte. § 1327. Eine Ehe ist nichtig, wenn sie zwischen Verwandten oder Verschwägerten dem Verbote des 8 1310 Abs. 1 zuwider geschlossen worden ist. Bürgerliches Besetzlmch und Rrdengesetz«.

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Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1328. Eine Ehe ist nichtig, wenn sie wegen Ehebruchs nach 8 1312 verboten war. Wird nachträglich Befreiung von der Vorschrift des § 1312 be­ willigt, so ist die Ehe als von Anfang an gültig anzusehen. § 1329. Die Nichtigkeit einer nach den §8 1325 bis 1328 nichtigen Ehe kann, solange nicht die Ehe für nichtig erklärt oder aufgelöst ist, nur im Wege der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden. Das Gleiche gilt von einer nach 8 1324 nichtigen Ehe, wenn sie in das Heirathsregister eingetragen worden ist. K 1330. Eine Ehe kann nur in den Fällen der 88 1331 bis 1335 und des 8 1350 angefochten werden.

§ 1331* Eine Ehe kann von dem Ehegatten angefochten werden, der zur Zeit der Eheschließung oder im Falle des 8 1325 zur Zeit der Bestätigung in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war, wenn die Eheschließung oder die Bestätigung ohne Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters er­ folgt ist. § 1332. Eine Ehe kann von dem Ehegatten angefochten werden, der bei der Eheschließung nicht gewußt hat, daß es sich um eine Ehe­ schließung handle, oder dies zwar gewußt hat, aber eine Erklärung, die Ehe eingehen zu wollen, nicht hat abgeben wollen.

§ 1333 Eine Ehe kann von dem Ehegatten angefochten werden, der sich bei der Eheschließung in der Person des anderen Ehegatten oder über solche persönliche Eigenschaften des anderen Ehegatten geirrt hat, die ihn bei Kenntniß der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten haben würden. § 1334. Eine Ehe kann von dem Ehegatten angefochten werden, der zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Um­ stände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntniß der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten haben würden. Ist die Täuschung nicht von dem änderen Ehegatten verübt worden, so ist die Ehe nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung bei der Eheschließung gekannt hat. Auf Grund einer Täuschung über Vermögensverhältnisse findet die Anfechtung nicht statt. § 1335. Eine Ehe kann von dem Ehegatten angefochten werden, der zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. § 1336. Die Anfechtung der Ehe kann nicht durch einen Vertreter erfolgen. Ist der anfechtungsberechtigte Ehegatte in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Für einen geschäftsunfähigen Ehegatten kann sein gesetzlicher Vertreter mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts die Ehe ansechten. In den Fällen des 8 1331 kann, solange der anfechtungsberechtigte Ehegatte in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, nur sein gesetzlicher Vertreter die Ehe anfechten.

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Familienrecht.

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§ 1337. Die Anfechtung der Ehe ist in den Fällen des § 1331 ausgeschlossen, wenn der gesetzliche Vertreter die Ehe genehmigt oder der anfechtungsberechtigte Ehegatte, nachdem er unbeschränkt geschäftsfähig geworden ist, die Ehe bestätigt. Ist der gesetzliche Vertreter ein Vormund, so kann die Genehmigung, wenn sie von ihm verweigert wird, auf Antrag des Ehegatten durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden; das Vor­ mundschaftsgericht hat die Genehmigung zu ersetzen, wenn die Aufrecht­ erhaltung der Ehe im Interesse des Ehegatten liegt. In den Fällen der §§ 1332 bis 1335 ist die Anfechtung aus­ geschlossen, wenn der anfechtungsberechtigte Ehegatte nach der Entdeckung des Irrthums oder der Täuschung oder nach dem Aufhören der Zwangs­ lage die Ehe bestätigt. Die Vorschriften des § 1336 Abs. 1 gelten auch für die Bestätigung. § 1338. Die Anfechtung .ist nach der Auflösung der Ehe aus­ geschlossen, es sei denn, daß die Auflösung durch den Tod des zur An­ fechtung nicht berechtigten Ehegatten herbeigeführt worden ist. § 1339.

Die Anfechtung kann nur binnen sechs Monaten erfolgen. Die Frist beginnt in den Fällen des § 1331 mit dem Zeitpunkt, in welchem die Eingehung oder die Bestätigung der Ehe dem gesetzlichen Vertreter bekannt wird oder der Ehegatte die unbeschränkte Geschäftsfähig­ keit erlangt, in den Fällen der §§ 1332 bis 1334 mit dem Zeitpunkt, in welchem der Ehegatte den Irrthum oder die Täuschung entdeckt, in dem Falle des § 1335 mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf die Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der 88 203, 206 entsprechende Anwendung.

§ 1340. Hat der gesetzliche Vertreter eines geschäftsunfähigen Ehegatten die Ehe nicht rechtzeitig angefochten, so kann nach dem Weg­ fälle der Geschäftsunfähigkeit der Ehegatte selbst die Ehe in gleicher Weise anfechten, wie wenn er ohne gesetzlichen Vertreter gewesen wäre. § 1341. Die Anfechtung erfolgt, solange nicht die Ehe aufgelöst ist, durch Erhebung der Anfechtungsklage. Wird die Klage zurückgenommen, so ist die Anfechtung als nicht erfolgt anzusehen. Das Gleiche gill, wenn die angefochtene Ehe, bevor sie für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist, nach Maßgabe des 8 1337 genehmigt oder bestätigt wird. § 1342. Ist die Ehe durch den Tod des zur Anfechtung nicht berechtigten Ehegatten aufgelöst worden, so erfolgt die Anfechtung durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgerichte; die Erklärung ist in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Das Nachlaßgericht soll die Erklärung sowohl demjenigen miltheilen, welcher im Falle der Gültigkeit der Ehe, als auch demjenigen, welcher im Falle der Nichtigkeit der Ehe Erbe des verstorbenen Ehegatten ist. Es hat die Einsicht der Erklärung Jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

1343.

§ Wird eine anfechtbare Ehe angefochten, so ist sie als von Anfang an nichtig anzusehen. Die Vorschrift des § 142 Abs. 2 findet Anwendung. Die Nichtigkeit einer anfechtbaren Ehe, die im Wege der Klage angefochten worden ist, kann, solange nicht die Ehe für nichtig erklärt oder aufgelöst ist, nicht anderweit geltend gemacht werden.

§

1344. Einem Dritten gegenüber können aus der Nichtigkeit der Ehe Einwendungen gegen ein zwischen ihm und einem der Ehegatten vorgenommenes Rechtsgeschäft oder gegen ein zwischen ihnen ergangenes rechtskräftiges Urtheil nur hergeleitet werden, wenn zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts oder zur Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit die Ehe für nichtig erklärt oder die Nichtigkeit dem Dritten bekannt war. Die Nichtigkeit kann ohne diese Beschränkung geltend gemacht werden, wenn sie auf einem Formmangel beruht und die Ehe nicht in das Heirathsregister eingetragen worden ist.

1345.

K War dem einen Ehegatten die Nichtigkeit der Ehe bei der Eheschließung bekannt, so kann der andere Ehegatte, sofern nicht auch ihm die Nichtigkeit bekannt war, nach der Nichtigkeitserklärung oder der Auflösung der Ehe verlangen, daß ihr Verhältniß in vermögensrechtlicher Beziehung, insbesondere auch in Ansehung der Unterhaltspflicht, so behandelt wird, wie wenn die Ehe zur Zeit der Nichtigkeitserklärung oder der Auf­ lösung geschieden und der Ehegatte, dem die Mchtigkeit bekannt war, für allein schuldig erklärt worden wäre. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die Mchtigkeit auf einem Formmangel beruht und die Ehe nicht in das Heirathsregister eingetragen worden ist.

1346.

8 Wird eine wegen Drohung anfechtbare Ehe für nichtig erklärt, so steht das im § 1345 Abs. 1 bestimmte Recht dem anfechtungs­ berechtigten Ehegatten zu. Wird eine wegen Irrthums anfechtbare Ehe für nichtig erklärt, so steht dieses Recht dem zur Anfechtung nicht berech­ tigten Ehegatten zu, eS sei denn, daß dieser den Jinühum bei der Ein­ gehung der Ehe kannte oder kennen mußte.

1347.

8 Erklärt der Ehegatte, dem das im § 1345 Abs. 1 be­ stimmte Recht zusteht, dem anderen Ehegatten, daß er von dem Rechte Gebrauch mache, so kann er die Folgen der Nichtigkeit der Ehe nicht mehr geltend machen; erklärt er dem anderen Ehegatten, daß es bei diesen Folgen bewenden solle, so erlischt das im § 1345 Abs. 1 bestimmte Recht. Der andere Ehegatte kann den berechtigten Ehegatten unter Be­ stimmung einer angemesienen Frist zur Erklärung darüber auffordern, ob er von dem Rechte Gebrauch mache. Das Recht kann in diesem Falle nur bis zum Ablaufe der Frist ausgeübt werden.

Viertes Buch.

Familienrecht.

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vierter Titel.

Niederverheirathilng im Falle der Todeserklärung. § 1348. Geht ein Ehegatte, nachdem der andere Ehegatte

für todt erklärt worden ist, eine neue Ehe ein, so ist die neue Ehe nicht des­ halb nichtig, weil der für todt erklärte Ehegatte noch lebt, es sei denn, daß beide Ehegatten bei der Eheschließung wissen, daß er die Todeserklärung überlebt hat. Mit der Schließung der neuen Ehe wird die frühere Ehe aufgelöst. Sie bleibt auch dann aufgelöst, wenn die Todeserklärung in Folge einer Anfechtungsklage aufgehoben wird.

K 1349.

Ist das Urtheil, durch erkärt worden ist, im Wege der Klage Ehegatte nicht vor der Erledigung des aeben. es lei denn, daß die Anfechtung kündung des Urtheils erfolgt ist.

das einer der Ehegatten für todt angefochten, so darf der andere Rechtsstreits eine neue Ehe einerst zehn Jahre nach der Ver­

§ 1350.

Jeder Ehegatte der neuen Ehe kann, wenn der für todt erklärte Ehegatte noch lebt, die neue Ehe anfechten, es sei denn, daß er bei der Eheschließung von dessen Leben Kenntniß hatte. Die Anfechtung kann nur binnen sechs Monaten von dem Zeitpunkt an erfolgen, in welchem der anfechtende Ehegatte erfährt, daß der für todt erklärte Ehegatte noch lebt. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der anfechtungsberechtigte Ehegatte die Ehe bestätigt, nachdem et von dem Leben des für todt er­ klärten Ehegatten Kenntniß erlangt hat, oder wenn die neue Ehe durch den Tod eines der Ehegatten aufgelöst worden ist.

§ 1351.

Wird die Ehe nach § 1350 von dem Ehegatten der früheren Ehe angefochten, so hat dieser dem anderen Ehegatten nach den für die Scheidung geltenden Vorschriften der 88 1578 bis 1582 Unterhalt zu gewähren, wenn nicht der andere Ehegatte bei der Eheschließung wußte, daß der für todt erklärte Ehegatte die Todeserklärung überlebt hat.

§ 1352.

Wird die frühere Ehe nach § 1348 Abs. 2 aufgelöst, so bestimmt sich die Verpflichtung der Frau, dem Manne zur Bestreitung des Unterhalts eines gemeinschaftlichen Kindes einen Beitrag zu leisten, nach den für die Scheidung geltenden Vorschriften des § 1585.

Fünfter Titel.

Kirk««gen der Che im Allgemeine«.

§ 1353.

Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemein­ schaft verpflichtet. Stellt sich das Verlangen eines Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft als Mißbrauch seines Rechtes dar, so ist der andere Ehegatte nicht verpflichtet, dem Verlangen Folge zu leisten. Das Gleiche gilt, wenn der andere Ehegatte berechtigt ist, auf Scheidung zu fragen.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1354.

Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemein­

schaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu; er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung. Die Frau ist nicht verpflichtet, der Entscheidung des Mannes Folge zu leisten, wenn sich die Entscheidung als Mißbrauch seines Rechtes darstellt. K 1355.

Die Frau erhält den Familiennamen des Mannes.

K 1356.

Die Frau ist, unbeschadet der Vorschriften des § 1354,

berechtigt und verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten. Zu Arbeiten im Hauswesen und im Geschäfte des Mannes ist die Frau verpflichtet, soweit eine solche Thätigkeit nach den Verhältnisien, in denen die Ehegatten leben, üblich ist. K 1357. Die Frau ist berechtigt, innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises die Geschäfte des Mannes für ihn zu besorgen und ihn zu vertreten. Rechtsgeschäfte, die sie innerhalb dieses Wirkungskreises vor­ nimmt, gelten als im Namen des Mannes vorgenommen, wenn nicht aus den Umständen sich ein Anderes ergiebt. Der Mann kann das Recht der Frau beschränken oder ausschließen. Stellt sich die Beschränkung oder die Ausschließung als Mißbrauch des Rechtes des Mannes dar, so kann sie auf Antrag der Frau durch das Dormundsckaftsgericht aufgehoben werden. Dritten gegenüber ist die Beschränkung oder die Ausschließung nur nach Maßgabe des 8 1435 wirksam. K 1358. Hat sich die Frau einem Dritten gegenüber zu einer von ihr in Person zu bewirkenden Leistung verpflichtet, so kann der Mann das Rechtsverhältniß ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn er auf seinen Antrag von dem Vormundschaftsgerichte dazu ermächtigt worden ist. Das Vorinundschaftsgericht hat die Ermächtigung zu Urtheilen, wenn sich ergiebt, daß die Thätigkeit der Frau die ehelichen Jntereffen beeinträchtigt. Das Kündigungsrecht ist ausgeschlosien, wenn der Mann der Ver­ pflichtung zugestimmt hat oder seine Zustimmung auf Antrag der Frau durch das Vormundschaftsgericht ersetzt worden ist. Das Vormundschafts­ gericht kann die Zustimmung ersetzen, wenn der Mann durch Krankheit oder durch Abwesenheit an bft Abgabe einer Erklärung verhindert und mit dem Aufschübe Gefahr verbunden ist oder wenn sich die Verweigerung, der Zustimmung als Mißbrauch seines Rechtes darstellt. Solange die häusliche, Gemeinschaft aufgehoben ist, steht das Kündigungsrecht dem Manne nicht zu. Die Zustimmung sowie die Kündigung kann nicht durch einen Vertreter des Mannes erfolgen; ist der Mann in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. K 1359. Die Ehegatten haben bei der Erfüllung der sich aus dem ehelichen Verhältniß ergebenden Verpflichtungen einander nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche sie in eigenen Angelegenheiten an­ zuwenden pflegen.

Viertes Buch.

Familienrecht.

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§ 1360. Tcr Mann hat der Fran nach Maßgabe seiner Lebens­ stellung, seines Bernlögcns und seiner Erwerbsfähigkeit Unterhalt zu gewähren. Die Frau hat dein Manne, wenn er außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten, den seiner Lebensstellung entsprechenden Unterhalt nach Maßgabe ihres Vermögens und ihrer Erwerbsfähigkeit zu gewähren. Der Unterhalt ist in der durch die eheliche Lebensgemeinschaft ge­ botenen Weise zu gewähren. Die für die Unterhaltspflicht der Verwandten geltenden Vorschriften der §§ 1605, 1613 bis 1615 finden entsprechende Anwendung. K 1361. Leben die Ehegatten getrennt, so ist, solange einer von ihnen die Herstellung des ehelichen Lebens verweigern darf und verweigert, der Uliterhalt durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren; auf die Rente finden die Vorschriften des § 760 Anwendung. Der Mann hat der Frau auch die zur Führung eines abgesonderten Haushalts erforder­ lichen Sachen aus dem gemeinschaftlichen Haushalte zum Gebrauche heraus­ zugeben, es sei denn, daß die Sachen für ihn unentbehrlich sind oder daß sich solche Sachen in dem der Verfügung der Frau unterliegenden Vermögen befinden. Die Unterhaltspflicht des Mannes fällt weg oder beschränkt sich auf die Zahlung eines Beitrags, wenn der Wegfall oder die Beschränkung mit Rücksicht auf die Bedürfnisse sowie auf die Vermögens- und Erwerbs­ verhältnisse der Ehegatten der Billigkeit entspricht.

§ 1362. Zu Gunsten der Gläubiger des Mannes wird ver­ muthet, daß die im Besitz eines der Ehegatten oder beider Ehegatten be­ findlichen beweglichen Sachen dem Manne gehören. Dies gilt insbesondere auch für Jnhaberpapiere und für Orderpapiere, die mit Blankoindossament versehen sind. Für die ausschließlich zum persönlichen Gebrauche der Frau be­ stimmten Sachen, insbesondere für Kleider, Schmucksachen und Arbeitsgeräthe, gilt im Verhältnisse der Ehegatten zu einander und zu den Gläubigern die Vermuthung, daß die Sachen der Frau gehören. Sechster Titel.

Eheliches Güterrecht. I. Gesetzliches Gitterrecht. 1. Allgemeine Vorschriften.

§ 1363. Das Vermögen der Frau wird durch die Eheschließung der Verwaltung und Nutznießung des Mannes unterworfen (eingebrachtes Gut). Zum eingebrachten Gute gehört auch das Vermögen, das die Frau während der Ehe erwirbt.

§ 1364. Die Verwaltung und Nutznießung des Mannes tritt nicht ein, wenn er die Ehe mit einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Frau ohne Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters eingeht

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I. Bürgerliches Gesetzbuch

§ 1365» Die Verwaltung und Nutznießung des Mannes erstreckt sich nicht auf das Dorbehaltsgut der Frau. § 1366. Vorbehaltsgut sind die ausschließlich zum persönlichen Gebrauche der Frau bestimmten Sachen, insbesondere Kleider, Schmucksachen und Arbeitsgeräte.

§ 1367. Vorbehaltsgut ist, was die Frau durch ihre Arbeit oder durch den selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts erwirbt. § 1368. Vorbehaltsgut ist, behaltsgut erklärt ist.

was

durch Ehevertrag

für Vor­

§ 1369. Vorbehaltsgut ist, was die Frau durch Erbfolge, durch Vermächtniß oder als Pflichttheil erwirbt (Erwerb von Todeswegen) oder was ihr unter Lebenden von einem Dritten unentgeltlich zugewendet wird, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Dritte bei der Zu­ wendung bestimmt hat, daß der Erwerb Vorbehaltsgut sein soll. § 1370. Vorbehaltsgut ist, was die Frau aus Grund eines zu ihrem Vorbehaltsgute gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zer­ störung, Beschädigung oder Entziehung eines zu dem Vorbehaltsgute gehörenden Gegenstandes oder durch ein Rechtsgeschäft erwirbt, das sich auf das Vorbehaltsgut bezieht. § 1371. Auf das Vorbehaltsgut finden die bei der Gütertrennung für das Vermögen der Frau geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung; die Frau hat jedoch einen Beitrag zur Bestreitung des ehelichen Aufwandes nur insoweit zu leisten, als der Mann nicht schon durch die Nutzungen des eingebrachten Gutes einen angemessenen Beitrag erhält. § 1372. Jeder Ehegatte kann verlangen, daß der Bestand des eingebrachten Gutes durch Aufnahme eines Verzeichnisies unter Mitwirkung des änderen Ehegatten festgestellt wird. Auf die Aufnahme des Ver­ zeichnisses finden die für den Nießbrauch geltenden Vorschriften des § 1035 Anwendung. Jeder Ehegatte kann den Zustand der zuin eingebrachten Gute gehörenden Sachen auf seine Kosten durch Sachverständige feststellen lassen. 2. Verwaltung und Nutznießung.

§ 1373. Der Mann ist berechtigt, die zum eingebrachten Gute gehörenden Sachen in Besitz zu nehmen. § 1374. Der Mann hat das eingebrachte Gut ordnungsmäßig zu verwalten. Ueber den Stand der Verwaltung hat er der Frau auf Verlangen Auskunft zu ertheilen.

§ 1375. Das Verwaltungsrecht des Mannes umfaßt nicht die Befugniß, die Frau durch Rechtsgeschäfte zu verpflichten oder über ein­ gebrachtes Gut ohne ihre Zustimmung zu verfügen.

Viertes Buch.

Familienrecht.

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§ 1376. Ohne Zustimmung der Frau kann der Mann: 1. über Geld und andere verbrauchbare Sachen der Frau verfügen; 2. Forderungen der Frau gegen solche Forderungen an die Frau, deren Berichtigung aus dem eingebrachten Gute verlangt werden kann, aufrcchnen; 3. Verbindlichkeiten der Frau zur Leistung eines zum eingebrachten Gute gehörenden Gegenstandes durch Leistung des Gegenstandes erfüllen. K 1377. Der Mann soll Verfügungen, zu denen er nach § 1376 ohne Zustimmung der Frau berechtigt ist, nur zum Zwecke ordnungs­ mäßiger Verwaltung des eingebrachten Gutes vornehmen. Das zum eingebrachten Gute gehörende Geld hat der Mann nach den für die Anlegung von Mündelgeld geltenden Vorschriften für die Frau verzinslich anzulegen, soweit es nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereit zu halten ist. Andere verbrauchbare Sachen darf der Mann auch für sich veräußern oder verbrauchen. Macht er von dieser Befugniß Gebrauch, so hat er den Werth der Sachen nach der Beendigung der Verwaltung und Nutz­ nießung zu ersetzen; der Ersatz ist schon vorher zu leisten, soweit die ordnungsmäßige Verwaltung des eingebrachten Gutes es erfordert.

§ 1378. Gehört zum eingebrachten Gute ein Grundstück sammt Inventar, so bestimmen sich die Rechte und die Pflichten des Mannes in Ansehung des Inventars nach den für den Nießbrauch geltenden Vor­ schriften des § 1048 Abs. 1.

§ 1379. Ist zur ordnungsmäßigen Verwaltung des eingebrachten Gutes ein Rechtsgeschäft erforderlich, zu dem der Mann der Zustimmung der Frau bedarf, so kann die Zustimmung auf Antrag des Mannes durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden, wenn die Frau sie ohne aus­ reichenden Grund verweigert. Das Gleiche gilt, wenn die Frau durch Krankheit oder durch Ab­ wesenheit an der Abgabe einer Erklärung verhindert und mit dem Auf­ schübe Gefahr verbunden ist. § 1380. Der Mann kann ein zum eingebrachten Gute gehörendes Recht im eigenen Namen gerichtlich geltend machen. Ist er befugt, über das Recht ohne Zustimmung der Frau zu verfügen, so wirkt das Urtheil auch für und gegen die Frau. ß 1381. Erwirbt der Mann mit Mitteln deS eingebrachten Gutes bewegliche Sachen, so geht mit dem Erwerbe das Eigenthum auf die Frau über, es sei denn, daß der Mann nicht für Rechnung des ein­ gebrachten Gutes erwerben will. Dies gilt insbesondere auch von Jnhaberpapieren und von Orderpapieren, die mit Blankoindossament ver­ sehen sind. Die Vorschriften des Abs. 1 finden entsprechende Anwendung, wenn der Mann mit Mitteln des eingebrachten Gutes ein Recht an Sachen der bezeichneten Art oder ein anderes Recht erwirbt, zu besten Uebertragung der Abtretungsvertrag genügt.

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§ 1382. Haushaltsgegenstände, die der Mann an Stelle der von der Frau eingebrachten, nicht mehr vorhandenen oder werthlos ge­ wordenen Stücke anschafft, werden eingebrachtes Gut. § 1383. Der Mann erwirbt die Nutzungen des eingebrachten Gutes in derselben Weise und in demselben Umfange wie ein Nießbraucher.

§ 1384. Der Mann hat außer den Kosten, welche durch die Gewinnung der Nutzungen entstehen, die Kosten der Erhaltung der zum eingebrachten Gute gehörenden Gegenstände nach den für den Nießbrauch geltenden Vorschriften zu tragen. § 1385. Der Mann ist der Frau gegenüber verpflichtet, für die Dauer der Verwaltung und Nutznießung zu tragen: 1. die der Frau obliegenden öffentlichen Lasten mit Ausschluß der aus dem Vorbehaltsgute ruhenden Lasten und der außerordentlichen Lasten, die als auf den Stammwerth des eingebrachten Gutes gelegt anzu­ sehen sind; 2. die privatrechtlichen Lasten, die auf den zum eingebrachten Gute ge­ hörenden Gegenständen ruhen; 3. die Zahlungen, die für die Versicherung der zum eingebrachten Gute gehörenden Gegenstände zu leisten sind.

§ 1386. Der Mann ist der Frau gegenüber verpflichtet, für die Dauer der Verwaltung und Nutznießung die Zinsen derjenigen Verbind­ lichkeiten der Frau zu tragen, deren Berichtigung aus dem eingebrachten Gute verlangt werden kann. Das Gleiche gilt von wiederkehrenden Leist­ ungen anderer Art, einschließlich der von der Frau auf Grund ihrer ge­ setzlichen Unterhaltspflicht geschuldeten Leistungen, sofern sie bei ordnungs­ mäßiger Verwaltung aus den Einkünften des Vermögens bestritten werden. Die Verpflichtung des Mannes tritt nicht ein, wenn die Verbind­ lichkeiten oder die Leistungen im Verhältnisse der Ehegatten zu einander dem Vorbehaltsgute der Frau zur Last fallen. § 1387. Der Mann ist der Frau gegenüber verpflichtet, zu tragen: 1. die Kosten eines Rechtsstreits, in welchem er ein zum eingebrachten Gute gehörendes Recht geltend macht, sowie die Kosten eines Rechts­ streits, den die Frau führt, sofern nicht die Kosten dem Vorbehalts­ gute zur Last fallen; 2. die Kosten der Vertheidigung der Frau in einem gegen sie gerichteten Strafverfahren, sofern die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist oder mit Zustimmung des Mannes erfolgt, vor­ behaltlich der Ersatzpflicht der Frau im Falle ihrer Verurtheilung. § 1388. Soweit der Mann nach den §§ 1385 bis 1387 der Frau gegenüber deren Verbindlichkeiten zu tragen hat, haftet er den Gläubigern neben der Frau als Gesammtschuldner.

§ 1389.

Der Mann hat den ehelichen Aufwand zu tragen. Die Frau kann verlangen, daß der Mann den Reinertrag des eingebrachten Gutes, soweit dieser zur Bestreitung des eigenen und des

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der Frau und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen zu gewährenden Unterhalts erforderlich ist, ohne Rücksicht auf seine sonstigen Verpflichtungen zu diesem Zwecke verwendet.

§ 1390. Macht der Mann zunr Zwecke der Verwaltung des eingebrachten Gutes Aufwendungen, die er den Umständen nach für er­ forderlich halten darf, so kann er von der Frau Ersatz verlangen, sofern nicht die Aufwendungen ihm selbst zur Last fallen.

§ 1391. Wird durch das Verhalten des Mannes die Besorgniß begründet, daß die Rechte der Frau in einer das eingebrachte Gut er­ heblich gefährdenden Weise verletzt werden, so kann die Frau von dem Manne Sicherheitsleistung verlangen. Das Gleiche gilt, wenn die der Frau aus der Verwaltung und Nutznießung des Mannes zustehenden Ansprüche auf Ersatz des Werthes verbrauchbarer Sachen erheblich gefährdet sind. § 1392. Liegen die Voraussetzungen vor, unter denen der Mann zur Sicherheitsleistung verpflichtet ist, so kann die Frau auch verlangen, daß der Mann die zum eingebrachten Gute gehörenden Jnhaberpapiere nebst den Erneuerungsscheinen bei einer Hinterlegungsstelle oder bei der Reichsbank mit der Bestimmung hinterlegt, daß die Herausgabe von dem Manne nur mit Zustimmung der Frau verlangt werden kann. Die Hinterlegung von Jnhaberpapieren, die nach § 92 zu den verbrauchbaren Sachen gehören, sowie von Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheinen kann nicht verlangt werden. Den Jnhaberpapieren stehen Orderpapiere gleich, die mit Blankoindossament versehen sind. Ueber die hinterlegten Papiere kann der Mann auch eine Ver­ fügung, zu der er nach § 1376 berechtigt ist, nur mit Zustimmung der Frau treffen. § 1393. Der Mann kann die Jnhaberpapiere, statt sie nach 8 1392 zu hinterlegen, auf den Namen der Frau umschreiben oder, wenn sie von dem Reiche oder einem Bundesstaat ausgestellt sind, in Buch­ forderungen gegen das Reich oder den Bundesstaat umwandeln lassen.

§ 1394. Die Frau kann Ansprüche, die ihr auf Grund der Verwaltung und Nutznießung gegen den Mann zustehen, erst nach der Beendigung der Verwaltung und Nutznießung gerichtlich geltend machen, es sei denn, daß die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Frau nach § 1391 Sicherheitsleistung verlangen kann. Der im § 1389 Abs. 2 bestimmte Anspruch unterliegt dieser Beschränkung nicht. § 1395. Die Frau bedarf zur Verfügung über eingebrachtes Gut der Einwilligung des Mannes. § 1396. Verfügt die Frau durch Vertrag ohne Einwilligung des Mannes über eingebrachtes Gut, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Mannes ab. Fordert der andere Theil den Mann zur Erklärung über die Ge­ nehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung der Frau gegenüber erklärte Genehmigung oder

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Verweigerung der Genehmigling wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach dem Empfange der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als ver­ weigert. Verweigert der Mann die Genehmigung, so wird der Vertrag nicht dadurch wirksam, daß die Verwaltung und Nutznießung aufhört.

8 1397. Bis zur Genehmigung des Vertrags ist der andere Theil zum Widerrufe berechtigt. Der Widerruf kann auch der Frau gegenüber erklärt werden. Hat der andere Theil gewußt, daß die Frau Ehefrau ist, so kann er nur widerrufen, wenn die Frau der Wahrheit zuwider die Einwilligung des Mannes behauptet hat; er kann auch in diesem Falle nicht wider­ rufen, wenn ihm das Fehlen der Einwillignng bei dem Abschluffe des Vertrags bekannt war. § 1398. Ein einseitiges Rechtsgeschäft, durch das die Frau ohne Einwilligung des Mannes über eingebrachtes Gut verfügt, ist unwirffam.

8 1399. Zu Rechtsgeschäften, durch die sich die Frau zu einer Leistung verpflichtet, ist die Zustimmung des Mannes nicht erforderlich. Stimmt der Mann einem solchen Rechtsgeschäfte zu, so ist es in Ansehung des eingebrachten Gutes ihm gegenüber wirksam. Stimm) er nicht zu, so muß er das Rechtsgeschäft, soweit das eingebrachte Gut be­ reichert wird, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerecht­ fertigten Bereicherung gegen sich gelten lassen.

8 1400. Führt die Frau einen Rechtsstreit ohne Zustimmung des Mannes, so ist das Urtheil dem Manne gegenüber in Ansehung des eingebrachten Gutes unwirksam. Ein zum eingebrachten Gute gehörendes Recht kann die Frau im Wege der Klage nur mit Zustimmung des Mannes geltend machen.

8 1401. Die Zustimmung des Mannes ist in den Fällen der §§ 1395 bis 1398, des § 1399 Abs. 2 und des § 1400 nicht erforder­ lich, wenn der Mann durch Krankheit oder durch Abwesenheit an der Abgabe einer Erklärung verhindert und mit dem Aufschübe Gefahr ver­ bunden ist. 8 1402. Ist zur ordnungsmäßigen Besorgung der persönlichen Angelegenheiten der Frau ein Rechtsgeschäft erforderlich, zu dem die Frau der Zustimmung des Mannes bedarf, so kann die Zustimmung auf Antrag der Frau durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden, wenn der Mann sie ohne ausreichenden Grund verweigert. 8 1403. Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das sich auf das ein­ gebrachte Gut bezieht, ist dem Manne gegenüber vorzunehmen. Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das sich auf eine Verbindlichkeit der Frau bezieht, ist der Frau gegenüber vorzunehmen; das Rechtsgeschäft muß jedoch auch dem Manne gegenüber vorgenommen werden, wenn es in Ansehung des eingebrachten Gutes ihm gegenüber wirksam sein soll.

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§ 1404. Die Beschränkungen, denen die Frau nach den §§ 1395 bis 1403 unterliegt, muß ein Dritter auch dann gegen sich gelten lassen, wenn er nicht gewußt hat, daß die Frau eine Ehefrau ist. § 1405. Ertheilt der Mann der Frau die Einwilligung zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, so ist seine Zustimmung zu solchen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten nicht erforderlich, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt. Einseitige Rechtsgeschäfte, die sich auf das Erwerbsgeschäft beziehen, sind der Frau gegenüber vorzunehmen. Der Einwilligung des Mannes in den Geschäftsbetrieb steht es gleich, wenn die Frau mit Wissen und ohne Einspruch des Mannes das Erwerbsgeschäft betreibt. Dritten gegenüber ist ein Einspruch und der Widerruf der Ein­ willigung nur nach Maßgabe des § 1435 wirksam. § 1406. Die Frau bedarf nicht der Zustimmung des Mannes: 1. zur Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Ver­ mächtnisses, zum Verzicht auf den Pflichttheil sowie zur Errichtung des Inventars über eine angefallene Erbschaft; 2. zur Ablehnung eines Vertragsantrags oder einer Schenkung; 3. zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts gegenüber dem Manne. 8 1407. Die Frau bedarf nicht der Zustimmung des Mannes: 1. zur Fortsetzung eines zur Zeit der Eheschließung anhängigen Rechts­ streits ; 2. zur gerichtlichen Geltendmachung eines zum eingebrachten Gute ge­ hörenden Rechtes gegen den Mann; 3. zur gerichllichen Geltendmachung eines zum eingebrachten Gute ge­ hörenden Rechtes gegen einen Dritten, wenn der Mann ohne die erforderliche Zustimmung der Frau über das Recht verfügt hat; 4. zur gerichtlichen Geltendmachung eines Widerspruchrechts gegenüber einer Zwangsvollstreckung. K 1408. Das Recht, das dem Manne an dem eingebrachten Gute kraft seiner Verwaltung und Nutznießung zusteht, ist nicht übertragbar.

8 1400. Steht der Mann unter Vormundschaft, so hat ihn der Vormund in den Rechten und Pflichten zu vertreten, die sich aus der Verwaltung und Nutznießung des eingebrachten Gutes ergeben. Dies gilt auch dann, wenn die Frau Vormund des Mannes ist. 3. Schuldenhaftung.

8 1410. Die Gläubiger des Mannes können nicht Befriedigung aus dem eingebrachten Gute verlangen. 8 1411. Die Gläubiger der Frau können ohne Rücksicht auf die Verwaltung und Nutznießung des Mannes Befriedigung aus dem ein­ gebrachten Gute verlangen, soweit sich nicht aus den §§ 1412 bis 1414 ein Anderes ergiebt. Sie unterliegen bei der Geltendmachung der Ansprüche der Frau nicht der im § 1394 bestimmten Beschränkung.

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Hat der Mann verbrauchbare Sachen nach § 1377 Abs. 3 ver­ äußert oder verbraucht, so ist er den Gläubigern gegenüber zum sofortigen Ersätze verpflichtet.

K 1412. Das eingebrachte Gut haftet für eine Verbindlichkeit der Frau, die aus einem nach der Eingehung der Ehe vorgenommenen Rechts­ geschäft entsteht, nur dann, wenn der Mann seine Zustimmung zu dem Rechtsgeschäft ertheilt oder wenn das Rechtsgeschäft ohne seine Zustimmung ihm gegenüber wirksam ist. Für die Kosten eines Rechtsstreits der Frau haftet das eingebrachte Gut auch dann, wenn das Urtheil dem Manne gegenüber in Ansehung des eingebrachten Gutes nicht wirksam ist. § 1413. Das eingebrachte Gut haftet nicht für eine Verbindlich­ keit der Frau, die in Folge des Erwerbes einer Erbschaft oder eines Ver­ mächtnisses entsteht, wenn die Frau die Erbschaft oder das Vermächtniß nach der Eingehung der Ehe als Vorbehaltsgut erwirbt.

§ 1414. Das eingebrachte Gut haftet nicht für eine Verbindlich­ keit der Frau, die nach der Eingehung der Ehe in Folge eines zu dem Dorbehaltsgute gehörenden Rechtes oder des Besitzes einer dazu gehörenden Sache entsteht, es sei denn, daß das Recht oder die Sache zu einem Erwerbsgeschäfte gehört, das die Frau mit Einwilligung des Mannes selbständig betreibt. K 1415. Im Verhältnisse der Ehegatten zu einander fallen dem Vorbehaltsgute zur Last: 1. die Verbindlichkeiten der Frau aus einer unerlaubten Handlung, die sie während der Ehe begeht, oder aus einem Strafverfahren, das wegen einer solchen Handlung gegen sie gerichtet wird; 2. die Verbindlichkeiten der Frau aus einem sich auf das Vorbehalts­ gut beziehenden Rechtsverhältniß, auch wenn sie vor der Eingehung der Ehe oder vor der Zeit entstanden sind, zu der das Gut Vor­ behaltsgut geworden ist; 3. die Kosten eines Rechtsstreits, den die Frau über eine der in Nr. 1, 2 bezeichneten Verbindlichkeiten führt.

§ 1416. Im Verhältnisse der Ehegatten zu einander fallen die Kosten eines Rechtsstreits zwischen ihnen dem Vorbehaltsgute zur Last, soweit nicht der Mann sie zu tragen hat. Das Gleiche gilt von den Kosten eines Rechtsstreits zwischen der Frau Und einem Dritten, es sei denn, daß das Urtheil dem Manne gegenüber in Ansehung des eingebrachten Gutes wirksam ist. Betrifft jedoch der Rechtsstreit eine persönliche Angelegenheit der Frau oder eine nicht unter die Vorschriften des § 1415 Nr. 1, 2 fallende Verbindlichkeit, für die das eingebrachte Gut haftet, so findet diese Vorschrift keine An­ wendung, wenn die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist. § 1417. Wird eine Verbindlichkeit, die nach den §§ 1415, 1416 dem Vorbehaltsgute zur Last fällt, aus dem eingebrachten Gute berichtigt, so hat die Frau aus dem Vorbehaltsgute, soweit dieses reicht, zu dem eingebrachten Gute Ersatz zu leisten.

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Wird eine Verbindlichkeit der Frau, die im Verhältnisse der Ehe­ gatten zu einander nicht dem Vorbehaltsgute zur Last fällt, aus dem Vorbehaltsgute berichtigt, so hat der Mann aus dem eingebrachten Gute, soweit dieses reicht, zu dem Vorbehaltsgut Ersatz zu leisten.

4. Beendigung der Verwaltung und Nutznießung.

§ 1418. Die Frau kann auf Aufhebung der Verwaltung und Nutznießung klagen: 1. wenn die Voraussetzungen vorliegcn, unter denen die Frau nach § 1391 Sicherheitsleistung verlangen kann; 2. wenn der Mann seine Verpflichtung, der Frau und den gemein­ schaftlichen Abkömmlingen Unterhalt zu gewähren, verletzt hat und für die Zukunft eine erhebliche Gefährdung des Unterhalts zu besorgen ist. Eine Verletzung der Unterhaltspflicht liegt schon dann vor, wenn der Frau und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen nicht mindestens der Unterhalt gewährt wird, welcher ihnen bei ordnungsmäßiger Ver­ waltung und Nutznießung des eingebrachten Gutes zukommen würde; 3. wenn der Mann entmündigt ist; 4. wenn der Mann nach § 1910 zur Besorgung seiner Vermögens­ angelegenheiten einen Pfleger erhalten hat; 5. wenn für den Mann ein Abwesenheitspfleger bestellt und die baldige Aufhebung der Pflegschaft nicht zu erwarten ist. Die Aufhebung der Verwaltung und Nutznießung tritt mit der Rechtskraft des Urtheils ein.

§ 1419. Die Verwaltung und Nutznießung endigt mit der Rechts­ kraft des Beschlusses, durch den der Konkurs über das Vermögen des Mannes eröffnet wird.

§ 1420. Die Verwaltung und Nutznießung endigt, wenn der Mann für todt erklärt wird, mit dem Zeitpunkte, der als Zeitpunkt des Todes gilt. § 1421. Nach der Beendigung der Verwaltung und Nutznießung hat der Mann das eingebrachte Gut der Frau herauszugeben und ihr über die Verwaltung Rechenschaft abzulegen. Auf die Herausgabe eines landwirthschaftlichen Grundstücks findet die Vorschrift des § 592, auf die Herausgabe eines Landguts finden die Vorschriften der §§ 592, 593 ent­ sprechende Anwendung. § 1422. Wird die Verwaltung und Nutznießung auf Grund des § 1418 durch Urtheil aufgehoben, so ist der Mann zur Herausgabe des eingebrachten Gutes so verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Heraus­ gabe mit der Erhebung der Klage auf Aufhebung der Verwaltung und Nutznießung rechtshängig geworden wäre. § 1423. Hat der Mann ein zum eingebrachten Gute gehörendes Grundstück vermiethet oder verpachtet, so finden, wenn das Mieth- oder Pachtverhältniß bei der Beendigung der Verwaltung und Nutznießung noch besteht, die Vorschriften des § 1056 entsprechende Anwendung.

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§ 1424. Der Mann ist auch nach der Beendigung der Verwaltung und Nutznießung zur Fortführung der Verwaltung berechtigt, bis er von der Beendigung Kenntniß erlangt oder sie kennen muß. Ein Dritter kann sich auf diese Berechtigung nicht berufen, wenn er bei der Vor­ nahme eines Rechtsgeschäfts die Beendigung der Verwaltung und Nutz­ nießung kennt oder kennen muß. Endigt die Verwaltung und Nutznießung in Folge des Todes der Frau, so hat der Mann diejenigen zur Verwaltung gehörenden Geschäfte, mit deren Aufschübe Gefahr verbunden ist, zu besorgen, bis der Erbe anderweit Fürsorge treffen kann.

§ 1425. Wird die Entmündigung oder Pflegschaft, wegen deren die Aufhebung der Verwaltung und Nutznießung erfolgt, wiederaufgehoben oder wird der die Entmündigung aussprechende Beschluß mit Erfolg an­ gefochten, so kann der Mann auf Wiederherstellung seiner Rechte klagen. Das Gleiche gilt, wenn der für todt erklärte Mann noch lebt. Die Wiederherstellung der Rechte des Mannes tritt mit der Rechts­ kraft des Urthells ein. Die Vorschrift des § 1422 findet entsprechende Anwendung. Im Falle der Wiederherstellung wird Vorbehaltsgut, was ohne die Aufhebung der Rechte des Mannes Vorbehaltsgut geblieben oder geworden sein würde. 5. Gütertrennung.

$ 1426. Tritt nach § 1364 die Verwaltung und Nutznießung des Mannes nicht ein oder endigt sie auf Grund der §§ 1418 bis 1420, so tritt Gütertrennung ein. Für die Gütertrennung gelten die Vorschriften der §§ 1427 bis 1431. § 1427. Der Mann hat den ehelichen Aufwand zu tragen. Zur Bestreitung des ehelichen Aufwandes hat die Frau dem Manne einen angemessenen Beitrag aus den Einkünften ihres Vermögens und dem Ertrag ihrer Arbeit oder eines von ihr selbständig betriebenen Erwerbs­ geschäfts zu leisten. Für die Vergangenheit kann der Mann die Leistung nur insoweit verlangen, als die Frau ungeachtet seiner Aufforderung mit der Leistung im Rückstände geblieben ist. Der Anspruch des Mannes ist nicht übertragbar.

K 1428. Ist eine erhebliche Gefährdung des Unterhalts zu besorgen, den der Mann der Frau und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen zu gewähren hat, so kann die Frau den Beitrag zu dem ehelichen Aufwand insoweit zur eigenen Verwendung zurückbehalten, als er zur Bestreitung des Unterhalts erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn der Mann entmündigt ist oder wenn er nach § 1910 zur Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten einen Pfleger erhalten hat oder wenn für ihn ein Abwesenheitspfleger bestellt ist. K 1429. Macht die Frau zur Bestreitung des ehelichen Aufwandes aus ihrem Vermögen eine Aufwendung oder überläßt sie dem Manne zu

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diesem Zwecke etwas aus ihrem Vermögen, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die Absicht fehlt, Ersatz zu verlangen.

§ 1430» Ueberläßt die Frau ihr Vermögen ganz oder theilweise der Verwaltung des Mannes, so kann der Mann die Einkünfte, die er während seiner Verwaltung bezieht, nach freiem Ermessen verwenden, soweit nicht ihre Verwendung zur Bestreitung der Kosten der ordnungsmäßigen Verwaltung und zur Erfüllung solcher Verpflichtungen der Frau erforderlich ist, die bei ordnungsmäßiger Verwaltung aus den Einkünften des Vermögms bestritten werden. Die Frau kann eine abweichende Bestimmung treffen. § 1431. Die Gütertrennung ist Dritten gegenüber nur nach Maßgabe des § 1435 wirksam. Das Gleiche gilt im Falle des § 1425 von der Wiederherstellung der Verwaltung und Nutznießung, wenn die Aufhebung in das Güter­ rechtsregister eingetragen worden ist.

II. BertragMätziges Güterrecht. 1.

Allgemeine Vorschriften.

§ 1432. Die Ehegatten können ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch Vertrag (Ehevertrag) regeln, insbesondere auch nach der Eingehung der Ehe den Güterstnnd aufheben oder ändern. § 1433. Der Güterstand kann nicht durch Verweisung auf ein nicht mehr geltendes oder auf ein ausländisches Gesetz bestimmt werden. Hat der Mann zur Zeit der Eingehung der Ehe oder, falls der Vertrag nach der Eingehung der Ehe geschlossen wird, zur Zeit des Ver­ tragsabschlusses seinen Wohnsitz im Auslande, so ist die Verweisung aus ein an diesem Wohnsitze geltendes Güterrecht zulässig.

§ 1434. Der Ehevertrag muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Theile vor Gericht oder vor einem Notar geschlossen werden. § 1435. Wird durch Ehevertrag die Verwaltung und Nutznießung des Mannes ausgeschlossen oder geändert, so können einem Dritten gegenüber aus der Ausschließung oder der Aenderung Einwendungen gegen ein zwischen ihm und einem der Ehegatten vorgenommenes Rechtsgeschäft oder gegen ein zwischen ihnen ergangenes rechtskräftiges Urtheil nur hergeleitet werden, wenn zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts oder zur Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit die Ausschließung oder die Aenderung in dem Güter­ rechtsregister des zuständigen Amtsgerichts eingetragen oder dem Dritten bekannt war. Das Gleiche gilt, wenn eine in dem Güterrechtsregister eingetragene Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse durch Ehevertrag aufgehoben oder geändert wird. § 1436. Wird durch Ehevertrag die Verwaltung und Nutznießung des Mannes ausgeschlossen oder die allgemeine Gütergemeinschaft, die Errungenschaftsgemeinschaft oder die Fahrnißgemeinschaft aufgehoben, so tritt Gütertrennung ein, sofern sich nicht aus dem Vertrag ein Anderes erzielt. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

2.

Allgemeine Gütergemeinschaft.

§ 1437. Ein Ehevertrag, durch den die allgemeine Gütergemein­ schaft vereinbart oder aufgehoben wird, kann nicht durch einen gesetzlichen Vertreter geschlossen werden. Ist einer der Vertragschließenden in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Ist der gesetzliche Vertreter ein Vormund, so ist die Genehmigung des Dormundschastsgerichts erforderlich. § 1438. Das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau werden durch die allgemeine Gütergemeinschaft gemeinschaftliches Vermögen beider Ehegatten (Gesammtgut). Zu dem Gesammtgute gehört auch das Vermögen, das der Mann oder die Frau während der Güter­ gemeinschaft erwirbt. Die einzelnen Gegenstände werden gemeinschaftlich, ohne daß es einer Uebertragung durch Rechtsgeschäft bedarf. Wird ein Recht gemeinschaftlich, das im Grundbuch eingetragen ist oder in das Grundbuch eingetragen werden kann, so kann jeder Ehegatte von dem anderen die Mitwirkung zur Berichtigung des Grundbuchs verlangen.

§ 1439. Von dem Gesammtgut ausgeschlossen sind Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden sönnest. Auf solche Gegen­ stände finden die bei der Errungenschastsgemeinschast für das eingebrachte Gut geltenden Vorschriften, mit Ausnahme des § 1524, entsprechende Anwendung. § 1440.

Von dem Gesammtgut ausgeschlossen ist das Dorbehaltsgut. Vorbehaltsgut. ist, was durch Ehevertrag für Vorbehaltsgut eines der Ehegatten erklärt ist oder von einem der Ehegatten nach § 1369 oder § 1370 erworben wird.

§ 1441. Auf das Vorbehaltsgut der Frau finden die bei der Gütertrennung für das Vermögen der Frau geltenden Vorschriften ent­ sprechende Anwendung ; die Frau hat jedoch dem Manne zur Bestreitung des ehelichen Aufwandes einen Beitrag nur insoweit zu leisten, als die in das Gesammtgut fallenden Einkünfte zur Bestreitung des Aufwandes nicht ausreichen.

§ 1442. Ein Ehegatte kann nicht über seinen Antheil Gesammtgut und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen er ist nicht berechtigt, Theilung zu verlangen. Gegen eine Forderung, die zu dem Gesammtgute gehört, Schuldner nur eine Forderung aufrechnen, deren Berichtigung Gesammtgute verlangt werden kann.

an dem verfügen;

kann der aus dem

§ 1443. Das Gesammtgut unterliegt der Verwaltung des Mannes. Der Mann ist insbesondere berechtigt, die zu dem Gesammtgute gehörenden Sachen in Besitz zu nehmen, über das Gesammtgut zu verfügen sowie Rechtsstreitigkeiten, die sich aus das Gesammtgut beziehen, im eigenen Namen zu führen.

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Die Frau wird durch die Verwaltungshandlungen des Mannes weder Dritten noch dem Manne gegenüber persönlich verpflichtet.

§ 1444. Der Mann bedarf der Einwilligung der Frau zu einem Rechtsgeschäfte, durch das er sich zu einer Verfügung über das Gesammtgut im Ganzen verpflichtet, sowie zu einer Verfügung über Gesammtgut, durch die eine ohne Zustimmung der Frau eingegangene Verpflichtung dieser Art erfüllt werden soll.

§ 1445. Der Manu bedarf der Einwilligung der Frau zur Ver­ fügung über ein zu dem Gesammtgute gehörendes Grundstück sowie zur Eingehung der Verpflichtung zu einer solchen Verfügung.

§ 1446. Der Mann bedarf der Einwilligung der Frau zu einer Schenkung aus dem Gesammtgute sowie zu einer Verfügung über Gesammtgut, durch welche das ohne Zustimmung der Frau ertheilte Versprechen einer solchen Schenkung erfüllt werden soll. Das Gleiche gilt von einem Schenkungs­ versprechen, das sich nicht auf das Gesammtgut bezieht. Ausgenommen sind Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird. § 1447. Ist zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Gesammtguts ein Rechtsgeschäft der in den §§ 1444, 1445 bezeichneten Art erforderlich, so kann die Zustimmung der Frau auf Antrag des Mannes durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden, wenn die Frau sie ohne ausreichenden Grund verweigert. Das Gleiche gilt, wenn die Frau durch Krankheit oder durch Ab­ wesenheit an der Abgabe einer Erklärung verhindert und mit dem Aufschübe Gefahr verbunden ist. § 1448. Nimmt der Mann ohne Einwilligung der Frau ein Rechtsgeschäft der in den §§ 1444 bis 1446 bezeichneten Art vor, so finden die für eine Verfügung der Frau über eingebrachtes Gut geltenden Vorschriften des § 1396 Abs. 1, 3 und der §§ 1397, 1398 entsprechende Anwendung. Fordert bei einem Vertrage der andere Theil den Mann auf, die Genehmigung der Frau zu beschaffen, so kann die Erklärung über die Genehmigung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Manne gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach dem Empfange der Aufforderung erklärt werden; wird fie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert.

Wird die Genehmigung der Frau durch das Vormundschaftsgericht ersetzt, so ist im Falle einer Aufforderung nach Abs. 2 der Beschluß nur wirksam, wenn der Mann ihn dem anderen Theile mittheilt; die Vor­ schriften des Abs. 2 Satz 2 finden entsprechende Anwendung.

§ 1449. Verfügt der Mann ohne die erforderliche Zustimmung der Frau über ein zu dem Gesammtgute gehörendes Rlcht, so kann die Frau das Recht ohne Mitwirkung des Mannes gegen Dritte gerichtlich geltend machen.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1450. Ist der Mann durch Krankheit oder durch Abwesenheit verhindert, ein sich auf das Gesammtgut beziehendes Rechtsgeschäft vor­ zunehmen oder einen sich auf das Gesammtgut beziehenden Rechtsstreit zu führen, so kann die Frau im eigenen Namen oder im Namen des Mannes das Rechtsgeschäft vornehmen oder den Rechtsstreit führen, wenn mit dem Aufschübe Gefahr verbunden ist.

§ 1451. Ist zur ordnungsmäßigen Besorgung der persönlichen Angelegenheiten der Frau ein Rechtsgeschäft erforderlich, das die Frau mit Wirkung für das Gesammtgut nicht ohne Zustimmung des Mannes vornehmen kann, so kann die Zustimmung auf Antrag der Frau durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden, wenn der Mann sie ohne ausreichenden Grund verweigert. § 1452. Auf den selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts durch die Frau finden die Vorschriften des § 1405 entsprechende Anwendung. § 1453. Zur Annahme oder Ausschlagung einer der Frau an­ gefallenen Erbschaft oder eines ihr angefallenen Vermächtnisses ist nur die Frau berechtigt; die Zustimmung des Mannes ist nicht erforderlich. Das Gleiche gilt von dem Verzicht auf den Pflichttheil sowie von der Ablehnung eines der Frau gemachten Vertragsantrags oder einer Schenkung. Zur Errichtung des Inventars über eine der Frau angefallene Erbschaft bedarf die Frau nicht der Zustimmung des Mannes. § 1454. Zur Fortsetzung eines bei dem Eintritte der Güter­ gemeinschaft anhängigen Rechtsstreits bedarf die Frau nicht der Zustimmung des Mannes. § 1455. Wird durch ein Rechtsgeschäft, das der Mann oder die Frau ohne die erforderliche Zustimmung des anderen Ehegatten vornimmt, das Gesammtgut bereichert, so kann die Herausgabe der Bereicherung aus dem Gesammtgute nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gefordert werden. § 1456. Der Mann ist der Frau für die Verwaltung des Gesammtguts nicht verantwortlich. Er hat jedoch für eine Verminderung des Gesammtguts zu diesem Ersatz zu leisten, wenn er die Verminderung in der Absicht, die Frau zu benachtheiligen, oder durch ein Rechtsgeschäft herbeiführt, das er ohne die erforderliche Zustimmung der Frau vornimmt. § 1457. Steht der Mann unter Vormundschaft, so hat ihn der Vormund in den Rechten und Pflichten zu vertreten, die sich aus der Verwaltung des Gesammtguts ergeben. Dies gilt auch dann, wenn die Frau Vormund des Mannes ist. § 1458.

Der eheliche Aufwand fällt dein Gesammtgute zur Last.

§ 1459. Aus dem Gesammtgute können die Gläubiger des Mannes und, soweit sich nicht ans den §§ 1460 bis 1462 ein Anderes ergiebt, auch die Gläubiger der Frau Befriedigung verlangen (Gesammtgutsverbindlichkeiten).

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Für Verbindlichkeiten der Frau, die Gesammtgutsverbindlichkeiten sind, haftet der Mann auch persönlich als Gesammtschuldner. Die Haftung erlischt mit der Beendigung der Gütergemeinschaft, wenn die Verbind­ lichkeiten im Verhältnisse der Ehegatten zu einander nicht dem Gesammtgute zur Last fallen.

§ 1460. Das Gesammtgut haftet für eine Verbindlichkeit der Frau, die aus einem nach dem Eintritte der Gütergemeinschaft vor­ genommenen Rechtsgeschäft entsteht, nur dann, wenn der Mann seine Zustimmung zu dem Rechtsgeschäft ertheilt oder wenn das Rechtsgeschäft ohne seine Zustimmung für das Gesammtgut wirksam ist. Für die Kosten eines Rechtsstreits der Frau hastet das Gesammtgut auch dann, wenn das Urtheil dem Gesammtgute gegenüber nicht wirksam ist. § 1461. Das Gesammtgut haftet nicht für Verbindlichkeiten der Frau, die in Folge des Erwerbes einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses entstehen, wenn die Frau die Erbschaft oder das Vermächtniß nach dem Eintritte der Gütergemeinschaft als Vorbehaltsgut erwirbt. § 1462. Das Gesammtgut haftet nicht für eine Verbindlichkeit der Frau, die nach dem Eintritte der Gütergemeinschaft in Folge eines zu dem Vorbehaltsgute gehörenden Rechtes oder des Besitzes einer dazu gehörenden Sache entsteht, es sei denn, daß das Recht oder die Sache zu einem Erwerbsgeschäste gehört, das die Frau mit Einwilligung des Mannes selbständig betreibt. § 1463. Im Verhältnisse der Ehegatten zu einander fallen folgende Gesammtgutsverbindlichkeiten dem Ehegatten zur Last, in dessen Person sie entstehen: 1. die Verbindlichkeiten aus einer unerlaubten Handlung, die er nach dem Eintritte der Gütergemeinschaft begeht, oder aus einem Straf­ verfahren, das wegen einer solchen Handlung gegen ihn gerichtet wird; 2. die Verbindlichkeiten aus einem sich auf sein Vorbehaltsgut beziehenden Rechtsverhältniß, auch wenn sie vor dem Eintritte der Gütergemeinschaft oder vor der Zeit entstanden sind, zu der das Gut Vorbehaltsgut geworden ist ; 3. die Kosten eines Rechtsstreits über eine der in Nr. 1, 2 bezeichneten Verbindlichkeiten. § 1464. Im Verhältnisse der Ehegatten zu einander fallen die Kosten eines Rechtsstreits zwischen ihnen der Frau zur Last, soweit nicht der Mann sie zu tragen hat. Das Gleiche gilt von den Kosten eines Rechtsstreits zwischen der Frau und einem Dritten, es sei denn, daß das Urtheil dem Gesammtgute gegenüber wirksam ist. Betrifft jedoch der Rechtsstreit eine persönliche Angelegenheit der Frau oder eine nicht unter die Vorschriften des § 1463 Nr. 1, 2 fallende Gesammtgutsverbindlichkeit der Frau, so findet diese Vorschrift keine Anwendung, wenn die Aufwendung der Kosten den Um­ ständen nach geboten ist.

§ 1465. Im Verhältnisse der Ehegatten zu einander fällt eine Ausstattung, die der Mann einem gemeinschaftlichen Kinde aus dem

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Gesammtgute verspricht oder gewährt, dem Manne insoweit zur Last, als sie das dem Gesammtgut entsprechende Maß übersteigt. Verspricht oder gewährt der Mann einem nicht gemeinschaftlichen Kinde eine Ausstattung aus dem Gesammtgute, so fällt sie im Verhältnisse der Ehegatten zu einander dem Vater oder der Mutter des Kindes zur Last, der Mutter jedoch nur insoweit, als sie zustimmt oder die Aus­ stattung nicht das dem Gesammtgut entsprechende Maß übersteigt.

§ 1466. Verwendet der Mann Gesammtgut in sein Vorbehalts­ gut, so hat er den Werth des Verwendeten zu dem Gesammtgute zu ersetzen. Verwendet der Mann Vorbehaltsgut in das Gesammtgut, so kann er Ersatz aus dem Gesammtgute verlangen.

8 1467. Was ein Ehegatte zu dem Gesammtgut oder die Fran zu dem Vorbehaltsgute des Mannes schuldet, ist erst nach der Beendigung der Gütergemeinschaft zu leisten; soweit jedoch zur Berichtigung einer Schuld der Frau derön Vorbehaltsgut ausreicht, hat sie die Schuld schon vorher zu berichtigen. Was der Mann aus dem Gesammtgute zu fordem hat, kann er erst nach der Beendigung der Gütergemeinschaft fordem.

8 1468. Die Frau kann auf Aufhebung der Gütergemeinschaft klagen: 1. wenn der Mann ein Rechtsgeschäft der in den 88 1444 bis 1446 bezeichneten Art ohne Zustimmung der Frau vorgenommen hat und für die Zukunft eine erhebliche Gefährdung der Frau zu besorgen ist; 2. wenn der Mann das Gesammtgut in der Absicht, die Frau zu benachtheiligen, vermindert hat; 3. wenn der Mann seine Verpflichtung, der Frau und den gemein­ schaftlichen Abkömmlingen Unterhalt zu gewähren, verletzt hat und für die Zukunft eine erhebliche Gefährdung des Unterhalts zu besorgen ist; 4. wenn der Mann wegen Verschwendung entmündigt ist oder wenn er das Gesammtgut durch Verschwendung 5. wenn das Gesammtgut in Folge von Person des Mannes entstanden sind, ist, daß ein späterer Erwerb der Frau

erheblich gefährdet; Verbindlichkeiten, die in der in solchem Maße überschuldet erheblich gefährdet wird.

8 1469. Der Mann kann auf Aufhebung der Gütergemeinschaft klagen, wenn das Gesammtgut in Folge von Verbindlichkeiten der Frau, die im Verhältnisse der Ehegatten zu einander nicht dem Gesammtgute zur Last fallen, in solchem Maße überschuldet ist, daß ein späterer Eftverb des Mannes erheblich gefährdet wird.

8 1470. Die Aufhebung der Gütergemeinschaft tritt in den Fällen der 88 1468, 1469 mit der Rechtskraft des Urtheils ein. Für die Zukunft gilt Gütertrennung. Dritten gegenüber ist die Aufhebung der Gütergemeinschaft nur nach Maßgabe des 8 1435 wirksam.

8 1471. Nach der Beendigung der Gütergemeinschaft findet in Ansehung des Gesammtguts die Auseinandersetzung statt.

Viertes Buch.

Familienrechl.

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Bis zur Auseinandersetzung gelten für das Gesammtgut die Vor­ schriften des § 1442.

§ 1472. Die Verwaltung des Gesammtguts steht bis zur Aus­ einandersetzung beiden Ehegatten gemeinschaftlich zu. Die Vorschriften des § 1424 finden entsprechende Anwendung. Jeder Ehegatte ist dem anderen gegenüber verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich sind; die zur Erhaltung nothwendigen Maßregeln kann jeder Ehegatte ohne Mit­ wirkung des anderen treffen.

§ 1473. Was auf Grund eines zu dem Gesammtgute gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zu dem Gesammtgute gehörenden Gegenstandes oder durch ein Rechtsaeschäft erworben wird, das sich aus das Gesammtgut bezieht, wird Gesammtgut. Die Zugehörigkeit einer durch Rechtsgeschäft erworbenen Forderung zum Gesammtgute hat der Schuldner erst dann gegen sich gelten zu kaffen, wenn er von der Zugehörigkeit Kenntniß erlangt; die Vorschriften der 88 406 bis 408 finden entsprechende Anwendung.

§ 1474. Die Auseinandersetzung erfolgt, soweit nicht eine andere Vereinbarung getroffen wird, nach den 88 1475 bis 1481. § 1475. Aus dem Gesammtgute sind zunächst die Gesammtgutsverbindlichkeiten zu berichtigen. Ist eine Gesammtgutsverbindlichkeit noch nicht fällig oder ist sie streitig, so ist das zur Berichtigung Erforderliche zurückzubehalten. Fällt eine Gesammtgutsverbindlichkeit im Derhältniffe der Ehegatten zu einander einem der Ehegatten allein zur Last, so kann tiefer die Berichtigung aus dem Gesammtgute nicht verlangen. Zur Berichtigung der Gesammtgutsverbindlichkeiten ist das Gesammt­ gut, soweit erforderlich, in Geld umzusetzen. K 1476. Der nach der Berichtigung der Gesammtgutsverbindlich­ keiten verbleibende Ueberschuß gebührt den Ehegatten zu gleichen Theilm. Was einer der Ehegatten zu dem Gesammtgute zu ersetzen verpflichtet ist, muß er sich auf seinen Theil anrechnen lasten. Soweit die Ersatz­ leistung nicht durch Anrechnung erfolgt, bleibt er dem anderen Ehegatten verpflichtet. K 1477. Die Theilung des Ueberschuffes erfolgt nach den Vor­ schriften über die Gemeinschaft. Jeder Ehegatte kann gegen Ersatz des Werthes die ausschließlich zu seinem persönlichen Gebrauche bestimmten Sachen, insbesondere Kleider, Schmucksachen und Arbeitsgeräthe, sowie diejenigen Gegenstände über­ nehmen, welche er in die Gütergemeinschaft eingebracht oder während der Gütergemeinschaft durch Erbfolge, durch Vermächtniß oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erworben hat.

216

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

8 1478. Sind die Ehegatten geschieden und ist einer von ihnen allein für schuldig erklärt, so kann der andere verlangen, daß jedem von ihnen der Werth desjenigen zurückerstattet wird, was er in die Güter­ gemeinschaft eingebracht hat; reicht der Werth des Gesammtguts zur Rück­ erstattung nicht aus, so hat jeder Ehegatte die Hälfte des Fehlbetrags zu tragen. Als eingebracht ist anzusehen, was eingebrachtes Gut gewesen sein, würde, wenn Errungenschastsgemeinschaft bestanden hätte. Der Werth des Eingebrachten bestimmt sich nach der Zeit der Einbringung. , Das im Abs. 1 bestimmte Recht steht auch dem Ehegatten zu, dessen Ehe wegen seiner Geisteskrankheit geschieden worden ist. 8 1479. Wird die Gütergemeinschaft auf Grund des § 1468 oder des 8 1469 durch Urtheil aufgehoben, so kann der Ehegatte, welches das Urtheil erwirkt hat, verlangen, daß die Auseinandersetzung so erfolgt, wie wenn der Anspruch auf Auseinandersetzung mit der Erhebung der Klage auf Aufhebung der Gütergemeinschaft rechtshängig geworden wäre. K 1480. Wird eine Gesammtgutsverbindlichkeit nicht vor der Theilung des Gesammtguts berichtigt, so hastet dem Gläubiger auch der Ehegatte persönlich als Gesammtschuldner, für den zur Zeit der Theilung eine solche Haftung nicht besteht. Seine Haftung beschränkt sich auf die ihm zugetheilten Gegenstände; die für die Haftung des Erben geltenden Vorschriften der 88 1990, 1991 finden entsprechende Anwendung. 8 1481. Unterbleibt bei der Auseinandersetzung die Berichtigung einer Gesammtgutsverbindlichkeit, die im Verhältnisse der Ehegatten zu einander dem Gesammtgut oder dem Manne zur Last fällt, so hat der Mann dafür einzustehen, daß die Frau von dem Gläubiger nicht in Anspruch genommen wird. Die gleiche Verpflichtung hat die Frau dem Manne gegenüber, wenn die Berichtigung einer Gesammtgutsverbindlichkeit unter­ bleibt, die im Verhältnisse der Ehegatten zu einander der Frau zur Last fällt.

8 1482. Wird die Ehe durch den Tod eines der Ehegatten auf­ gelöst und ist ein gemeinschaftlicher Abkömmling nicht vorhanden, so gehört der Antheil des verstorbenen Ehegatten am Gesammtgute zum Nachlasse. Die Beerbung des Ehegatten erfolgt nach den allgemeinen Vorschriften. 8 1483. Sind bei dem Tode eines Ehegatten gemeinschaftliche Abkömmlinge vorhanden, so wird zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen, die im Falle der gesetzlichen Erbfolge als Erben berufen sind, die Gütergemeinschaft fortgesetzt. Der Antheil des verstorbenen Ehegatten am Gesammtgute gehött in diesem Falle nicht zum Nachlasie; im Uebrigen erfolgt die Beerbung des Ehegatten nach den allgemeinen Vorschriften. Sind neben den gemeinschaftlichen Abkömmlingen andere Abkömm­ linge vorhanden, so bestimmen sich ihr Erbrecht und ihre Erbtheile so, wie wenn fortgesetzte Gütergemeinschaft nicht eingetreten wäre. 8 1484. Der überlebende Ehegatte Gütergemeinschaft ablehnen.

kann

die

Fortsetzung

der

Viertes Buch.

Familienrecht.

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Auf die Ablehnung finden die für die Ausschlagung einer Erbschaft geltenden Vorschriften der 88 1943 bis 1947, 1950, 1952, 1954 bis 1957, 1959 entsprechende Anwendung. Steht der überlebende Ehegatte unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft, so ist zur Ablehnung die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich. Lehnt der Ehegatte die Fortsetzung der Gütergemeinschaft ab, so gilt das Gleiche wie im Falle des § 1482.

§ 1485. Das Gesammtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft besteht aus dem ehelichen Gesammtgute, soweit es nicht nach § 1483 Abs. 2 einem nicht antheilsberechtigten Abkömmlinge zufällt, und aus dem Ver­ mögen, das der überlebende Ehegatte aus dem Nachlasse des verstorbenen Ehegatten oder nach dem Eintritte der fortgesetzten Gütergemeinschaft erwirbt. Das Vermögen, das ein gemeinschaftlicher Abkömmling zur Zeit des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft hat oder später erwirbt, gehört nicht zu dem Gesammtgute. Auf das Gesammtgut finden die für die eheliche Gütergemeinschaft geltenden Vorschriften des § 1438 Abs. 2, 3 entsprechende Anwendung. K 1486. Vorbehaltsgut des überlebenden Ehegatten ist, was er bisher als Vorbehaltsgut gehabt hat oder nach § 1369 oder § 1370 erwirbt. Gehören zu dem Vermögen de^ überlebenden Ehegatten Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können, so finden auf sie die bei der Errungenschastsgemeinschast für das eingebrachte Gut des Mannes geltenden Vorschriften, mit Ausnahme des § 1524, entsprechende Anwendung. § 1487. Die Rechte und Verbindlichkeiten des überlebenden Ehe­ gatten sowie der antheilsberechtigten Abkömmlinge in Ansehung des Gesammtguts der fortgesetzten Gütergemeinschaft bestimmen sich nach den für die eheliche Gütergemeinschaft geltenden Vorschriften der §§ 1442 bis 1449, 1455 bis 1457, 1466; der überlebende Ehegatte hat die rechtliche Stellung des Mannes, die antheilsberechtigten Abkömmlinge haben die rechtliche Stellung der Frau. Was der überlebende Ehegatte zu dem Gesammtgute schuldet oder aus dem Gesammtgute zu fordern hat, ist erst nach der Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft zu leisten.

K 1488. Gesammtgutsverbindlichkeiten der fortgesetzten Güter­ gemeinschaft sind die Verbindlichkeiten des überlebenden Ehegatten sowie solche Verbindlichkeiten des verstorbenen Ehegatten, die Gesammtguts­ verbindlichkeiten der ehelichen Gütergemeinschaft waren.

§ 1489. Für die Gesammtgutsverbindlichkeiten der fortgesetzten Gütergemeinschaft haftet der überlebende Ehegatte persönlich. Soweit die persönliche Haftung den überlebenden Ehegatten nur in Folge des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft trifft, finden die für die Haftung des Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung; an die Stelle des Nachlasses tritt das Gesammt­ gut in dem Bestände, den es zur Zeit des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft hat.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Eine persönliche Haftung der antheilsberechtigten Abkömmlinge für die Verbindlichkeiten des verstorbenen oder des überlebenden Ehegatten wird durch die fortgesetzte Gütergemeinschaft nicht begründet.

§ 1490. Stirbt ein antheilsberechtigter Abkömmling, so gehört sein Antheil an dem Gesammtgute nicht zu seinem Nachlasse. Hinterläßt er Abkömmlinge, die antheilsberechtigt sein würden, wenn er den ver­ storbenen Ehegatten, nicht überlebt hätte, so treten die Abkömmlinge an seine Stelle. Hinterläßt er solche Abkömmlinge nicht, so wächst sein Antheil den übrigen antheilsberechtigten Abkömmlingen und, wenn solche nicht vorhanden sind, dem überlebenden Ehegatten an. § 1491. Ein antheilsberechtigter Abkömmling kann auf seinen An­ theil an dem Gesammtgute verzichten. Der Verzicht erfolgt durch Erklärung gegenüber dem für den Nachlaß des verstorbenen Ehegatten zuständigen Gerichte; die Erklärung ist in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Das Nachlaßgericht soll die Erklärung dem überlebenden Ehegatten und den übrigen antheilsberechtigten Abkömmlingen mittheilen. Der Belicht kann auch durch Vertrag mit dem überlebenden Ehe­ gatten und den übrigen antheilsberechtigten Abkömmlingen erfolgen. Der Vertrag bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Steht der Abkömmling unter elterlicher Gewalt oder unter Vormund­ schaft, so ist zu dem Verzichte die Genehmigung des Vormundschastsgerichts erforderlich. Der Verzicht hat die gleichen Wirkungen, wie wenn der Verzichtende zur Zeit des Verzichts ohne Hinterlaffung von Abkömmlingen gestorben wäre.

$ 1492. Der überlebende Ehegatte kann die fortgesetzte Güter­ gemeinschaft jederzeit aufheben. Die Aufhebung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem für den Nachlaß des verstorbenen Ehegatten zuständigen Gerichte; die Erklärung ist in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Das Nachlaßgericht soll die Erklärung den antheilsberechtigten Abkömm­ lingen und, wenn der überlebende Ehegatte gesetzlicher Vertreter eines der Abkömmlinge ist, dem Vormundschaftsgerichte milthellen. Die Aufhebung kann auch durch Vertrag zwischen dem überlebenden Ehegatten und den antheilsberechtigten Abkömmlingen erfolgen. Der Ver­ trag bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Steht der überlebende Ehegatte unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft, so ist zu der Aufhebung die Genehmigung des Vormund­ schastsgerichts erforderlich. § 1493. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft endigt mit der Wiederverheirathung des überlebenden Ehegatten. Der überlebende Ehegatte hat, wenn ein antheilsberechtigter Ab­ kömmling minderjährig ist oder bevormundet wird, die Absicht der Wiederverheirathung dem Vormundschaftsgericht anzuzeigen, ein Verzeichniß des Gesammtguts einzureichen, die Gütergemeinschaft aufzuheben und die Aus­ einandersetzung herbeizuführen. Das Vormundschaftsgericht kann gestatten, daß die Aufhebung der Gütergemeinschaft bis zur Eheschließung unterbleibt und daß die Auseinandersetzung erst später erfolgt.

Viertes Buch.

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Familienrecht.

§ 1494. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft endigt mit dem Tode des überlebenden Ehegatten. Wird der überlebende Ehegatte für todt erklärt, so endigt die fort­ gesetzte Gütergemeinschaft mit dem Zeitpunkte, der als Zeitpunkt des Todes gilt.

§ 1495. Ein antheilsberechtigter Abkömmling kann gegen den überlebenden Ehegatten auf Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft klagen: 1. wenn der überlebende Ehegatte ein Rechtsgeschäft der in den §§ 1444 bis 1446 bezeichneten Art ohne Zustimmung des Abkömmlinges vor­ genommen hat und für die Zukunft eine erhebliche Gefährdung des Abkömmlinges zu besorgen ist; 2. wenn der überlebende Ehegatte das Gesammtgut in der Absicht, den Abkömmling zu benachtheiligen, vermindert hat; 3. wenn der überlebende Ehegatte seine Verpflichtung, dem Abkömmling Unterhalt zu gewähren, verletzt hat und für die Zukunst eine er­ hebliche Gefährdung des Unterhalts zu besorgen ist; 4. wenn der überlebende Ehegatte wegen Verschwendung entmündigt ist oder wenn er das Gesammtgut durch Verschwendung erheblich gefährdet; 5. wenn der überlebende Ehegatte die elterliche Gewalt über den Ab­ kömmling verwirkt hat oder, falls sie ihm zugestanden hätte, verwirkt haben würde..

§ 1496. Die Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft tritt in den Fällen des § 1495 mit der Rechtskraft des Urtheils ein. Sie tritt für alle Abkömmlinge ein, auch wenn das Urtheil auf die Klage eines der Abkömmlinge ergangen ist. § 1497. Nach der Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft findet in Ansehung des Gesammtguts die Auseinandersetzung statt. Bis zur Auseinandersetzung bestimmt sich das Rechtsverhältniß der Theilhaber am Gesammtgute nach den §§ 1442, 1472, 1473. § 1498. Auf die Auseinandersetzung finden die Vorschriften der 88 1475, 1476, des 8 1477 Abs. 1 und der 88 1479 bis 1481 An­ wendung ; an die Stelle des Mannes tritt der überlebende Ehegatte, an die Stelle der Frau treten die antheilsberechtigten Abkömmlinge. Die im 8 1476 Abs. 2 Satz 2 bezeichnete Verpflichtung besteht nur für den überlebenden Ehegatten.

§ 1499. Bei Ehegatten zur Last:

der Auseinandersetzung

fallen

dem

überlebenden

1. die ihm bei dem Eintritte der fortgesetzten Gütergemeinschaft obliegenden Gesammtgutsverbindlichkeiten, für die das eheliche Gesammtgut nicht haftete oder die im Verhältnisse der Ehegatten zu einander ihm zur Last fielen; 2. die nach dem Eintritte der fortgesetzten Gütergemeinschaft entstandenen Gesammtgutsverbindlichkeiten, die, wenn sie während der ehelichen

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I

Bürgerliches Gesetzbuch.

Gütergemeinschaft in seiner Person entstanden wären, im Verhältnisse der Ehegatten zu einander ihm zur Last gefallen sein würden; 3. eine Ausstattung, die er einem antheilsberechtigten Abkömmling über das dem Gesammtgut entsprechende Maß hinaus oder die er einem nicht antheilsberechtigten Abkömmlinge versprochen oder gewährt hat.

§ 1500« Die antheilsberechtigten Abkömmlinge müssen sich Ver­ bindlichkeiten des verstorbenen Ehegatten, die diesem im Verhältnisse der Ehegatten zu einander zur Last fielen, bei der Auseinandersetzung auf ihren Antheil insoweit anrechnen lassen, als der überlebende Ehegatte nicht von dem Erben des verstorbenen Ehegatten Deckung hat erlangen können. In gleicher Weise haben sich die antheilsberechtigten Abkömmlinge anrechnen zu lassen, was der verstorbene Ehegatte zu dem Gesammtgute zu ersetzen hatte.

§ 1501. Ist einem antheilsberechtigten Abkömmlinge für den Verzicht auf seinen Antheil eine Abfindung aus dem Gesammtgute gewährt worden, so wird sie bei der Auseinandersetzung in das Gesammtgut ein­ gerechnet und auf die den Abkömmlingen gebührende Hälfte angerechnet. Der überlebende Ehegatte kann mit den übrigen antheilsberechtigten Abkömmlingen schon vor der Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft eine abweichende Vereinbarung treffen. Die Vereinbarung bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung; sie ist auch denjenigen Ab­ kömmlingen gegenüber wirksam, welche erst später in die fortgesetzte Güter­ gemeinschaft eintreten. K 1502. Der überlebende Ehegatte ist berechtigt, das Gesammt­ gut oder einzelne dazu gehörende Gegenstände gegen Ersatz des Werthes zu übernehmen. Das Recht geht nicht auf den Erben über. Wird die fortgesetzte Gütergemeinschaft auf Grund des § 1495 durch Urtheil aufgehoben, so steht dem überlebenden Ehegatten das im Abs. 1 bestimmte Recht nicht zu. Die antheilsberechtigten Abkömmlinge können in diesem Falle diejenigen Gegenstände gegen Ersatz des Werthes über­ nehmen, welche der verstorbene Ehegatte nach § 1477 Abs. 2 zu über­ nehmen berechtigt sein würde. Das Recht kann von ihnen nur gemein­ schaftlich ausgeübt werden.

§ 1503. Mehrere antheilsberechtigte Abkömmlinge theilen die ihnen zufallende Hälfte des Gesammtguts nach dem Verhältnisse der An­ theile, zu denen sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge als Erben des ver­ storbenen Ehegatten berufen sein würden, wenn dieser erst zur Zeit der Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft gestorben wäre. Das Vorempsangene kommt nach den für die Ausgleichung unter Abkömmlingen geltenden Vorschriften zur Ausgleichung, soweit nicht eine solche bereits bei der Theilung des Nachlasses des verstorbenen Ehegatten erfolgt ist. Ist einem Abkömmlinge, der auf seinen Antheil verzichtet hat, eine Abfindung aus dem Gesammtgute gewährt worden, so fällt sie den Ab­ kömmlingen zur Last, denen der Verzicht zu Statten kommt.

Viertes Buch.

Familienrechl.

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§ 1504« Soweit die antheilsberechtigten Abkömmlinge nach § 1480 den Gesanimtgutsgläubigern haften, sind sie im Verhältnisse zu einander nach der Größe ihres Antheils an dem Gesammtgute verpflichtet. Die Verpflichtung beschränkt sich auf die ihnen zugetheilten Gegenstände; die für die Haftung des Erben geltenden Vorschriften der §§ 1990, 1991 finden entsprechende Anwendung. § 1505. Die Vorschriften über das Recht auf Ergänzung des Pflichttheils finden zu Gunsten eines antheilsberechtigten Abkömmlinges entspreche,lde Anwendung; an die Stelle des Erbfalls tritt die Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft, als gesetzlicher Erbtheil gilt der dem Abkömmlinge zur Zeit der Beendigung gebührende Antheil an dem Gesammtgut, als Pflichttheil gilt die Hälfte des Werthes dieses Antheils. § 1506. Ist ein gemeinschaftlicher Abkömmling erbunwürdig, so ist er auch des Antheils an dem Gesammtgut unwürdig. Die Vor­ schriften über die Erbunwürdigkeit finden entsprechende Anwendung. § 1507. Das Nachlaßgericht hat dem überlebenden Ehegatten auf Antrag ein Zeugniß über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft zu ertheilen. Die Vorschriften über den Erbschein finden entsprechende Anwendung. § 1508. Die Ehegatten können die Fortsetzung der Güter­ gemeinschaft durch Ehevertrag ausschließen. Auf einen Ehevertrag, durch welchen die Fortsetzung der Güter­ gemeinschaft ausgeschlossen, oder die Ausschließung aufgehoben wird, finden die Vorschriften des § 1437 Anwendung.

§ 1509. Jeder Ehegatte kann für den Fall, daß die Ehe durch seinen Tod aufgelöst wird, die Fortsetzung der Gütergemeinschaft durch letztwillige Verfügung ausschließen, wenn er berechtigt ist, dem anderen Ehegatten den Pflichttheil zu entziehen oder auf Aufhebung der Güter­ gemeinschaft zu klagen. Auf die Ausschließung finden die Vorschriften über die Entziehung des Pflichttheils entsprechende Anwendung. § 1510. Wird die Fortsetzung der Gütergemeinschaft ausgeschlossen, so gilt das Gleiche wie im Falle des § 1482. § 1511. Jeder Ehegatte kann für den Fall, daß die Ehe durch seinen Tod aufgelöst wird, einen gemeinschaftlichen Abkömmling von der fortgesetzten Gütergemeinschaft durch letztwillige Verfügung ausschließen. Der ausgeschlossene Abkömmling kann, unbeschadet seines Erbrechts, aus dem Gesammtgute der fortgesetzten Gütergemeinschaft die Zahlung des Betrags verlangen, der ihm von dem Gesammtgute der ehelichen Gütergemeinschaft als Pflichttheil gebühren würde, wenn die fortgesetzte Gütergemeinschaft nicht eingetreten wäre. Die für den Pflichttheilsanspruch geltenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung. Der dem ausgeschlossenen Abkömmlinge gezahlte Betrag toiib bei

der Auseinandersetzung den antheilsberechtigten Abkömmlingen nach Maßgabe des § 1500 angerechnet. Im Verhältnisse der Abkömmlinge zu einander füllt er den Abkömmlingen zur Last, denen die Ausschließung zu Statten kommt.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1512. Jeder Ehegatte kann für den Fall, daß mit seinem Tode die fortgesetzte Gütergemeinschaft eintritt, den einem antheilsberechtigten Abkömmlinge nach der Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft ge­ bührenden Antheil an dem Gesammtgute durch letztwillige Verfügung bis auf die Hälfte herabsetzen.

§ 1513. Jeder Ehegatte kann für den Fall, daß mit seinem Tode die fortgesetzte Gütergemeinschaft eintritt, einem antheilsberechtigten Abkömmlinge den diesem nach der Beendigung der fortgesetzten Güter­ gemeinschaft gebührenden Antheil an dem Gesammtgute durch letztwillige Verfügung entziehen, wenn er berechtigt ist, dem Abkömmlinge den Pflicht­ theil zu entziehen. Die Vorschriften des § 2336 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung. Der Ehegatte kann, wenn er nach § 2338 berechtigt ist, das Pflicht­ theilsrecht des Abkömmlinges zu beschränken, den Antheil des Abkömmlinges am Gesammtgut einer entsprechenden Beschränkung unterwerfen. 8 1514. Jeder Ehegatte kann den Betrag, den er nach § 1512 oder nach § 1513 Abs. 1 einem Abkömmling entzieht, auch einem Dritten durch letztwillige Verfügung zuwenden. § 1515. Jeder Ehegatte kann für den Fall, daß mit seinem Tode die fortgesetzte Gütergemeinschaft eintritt, durch letztwillige Verfügung anordnen, daß ein antheilsberechtigter Abkömmling das Recht haben soll, bei der Theilung das Gesammtgut oder einzelne dazu gehörende Gegen­ stände gegen Ersatz des Werthes zu übernehmen. Gehört za dem Gesammtgut ein Landgut, so kann angeordnet werden, daß das Landgut mit dem Ertragswerth oder mit einem Preise, der den Ertragswerth mindestens erreicht, angesetzt werden soll. Die für die Erbfolge geltenden Vorschriften des § 2049 finden Anwendung. Das Recht, das Landgut zu dem im Abs. 2 bezeichneten Werthe oder Preise zu übernehmen, kann auch dem überlebenden Ehegatten ein­ geräumt werden.

§ 1516. Zur Wirksamkeit der in den §§ 1511 bis 1515 bezeich­ neten Verfügungen eines Ehegatten ist die Zustimmung des anderen Ehe­ gatten erforderlich. Die Zustimmung kann nicht durch einen Vertreter ertheilt werden. Ist der Ehegatte in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters nicht erforderlich. Die Zustimmungserklärung bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Die Zustimmung ist unwiderruflich. Die Ehegatten können die in den §§ 1511 bis 1515 bezeichneten Verfügungen auch in einem gemeinschaftlichen Testamente treffen. § 1517. Zur Wirksamkeit eines Vertrags, durch den ein gemein­ schaftlicher Abkömmling einem der Ehegatten gegenüber für den Fall, daß die Ehe durch dessen Tod aufgelöst wird, auf seinen Antheil am Gesammt­ gute der fortgesetzten Gütergemeinschaft verzichtet oder durch den ein solcher Verzicht aufgehoben wird, ist die Zustimmung des anderen Ehegatten er-

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Familienrecht.

forderlich. Für die Zustimmung gelten die Vorschriften des § 1516 Abs. 2 Satz 3, 4. Die für den Erbverzicht geltenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung.

§ 1518. Anordnungen, die mit den Vorschriften der §§ 1483 bis 1517 in Widerspruch stehen, können von den Ehegatten weder durch letztwillige Verfügung noch durch Vertrag getroffen werden. 3. Errungenschaftsgemeinschaft.

§ 1519. Was der Mann oder die Frau während der Errungenschaftsgemeinschast erwirbt, wird gemeinschaftliches Vermögen beider Ehe­ gatten (Gesammtgut). Auf das Gesammtgut finden die für die allgeineine Gütergeinein­ schaft geltenden Vorschriften des § 1438 Abs. 2, 3 und der §§ 1442 bis 1453, 1455 bis 1457 Anwendung.

§ 1520. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten ist, dem Eintritte der Errungenschaftsgemeinschaft gehört.

was ihm

bei

§ 1521. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten ist, was er von. Todeswegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt. Ausgenommen ist ein Erwerb, der den Umständen nach zu den Einkünften zu rechnen ist. K 1522. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten siild Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können, sowie Rechte, die mit seinem Tode erlöschen oder deren Erwerb durch den Tod eines der Ehegatten bedingt ist.

§ 1523. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten ist, was durch Ehe­ vertrag sür eingebrachtes Gut erklärt ist. § 1524. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten ist, was er auf Grund eines zu seinem eingebrachten Gute gehörenden Rechtes oder alsErsatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zum ein­ gebrachten Gute gehörenden Gegenstandes oder durch ein Rechtsgeschäft erwirbt, das sich auf das eingebrachte Gut bezieht. Ausgenommen ist der Erwerb aus dem Betrieb eines Erwerbsgeschäfts. Die Zugehörigkeit einer durch Rechtsgeschäft erworbenen Forderung, zum eingebrachten Gute hat der Schuldner erst dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er von der Zugehörigkeit Kenntniß erlangt; die Vorschriften der 88 406 bis 408 finden entsprechende Anwendung.

§ 1525. Das eingebrachte Gut wird für Rechnung des Gesammtguts in der Weise verwaltet, daß die Nutzungen, welche nach den für den Güterstand der Verwaltung und Nutznießung geltenden Vorschriften dem Manne zufallen, zu dem Gesammtgute gehören. Auf das eingebrachte Gut der Frau finden im Uebrigen die Vor­ schriften der 88 1373 bis 1383, 1390 bis 1417 entsprechende Anwendung.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1526. Vorbehaltsgut der Frau ist, was durch Ehevertrag für Vorbehaltsgut erklärt ist oder von der Frau nach § 1369 oder § 1370 erworben wird. Vorbehaltsgnt des Mannes ist ausgeschlossen. Für das Vorbehaltsgut der Frau gilt das Gleiche wie für das Vorbehaltsgut bei der allgemeinen Gütergemeinschaft. § 1527,

Es wird vermuthet,

daß

das vorhandene Vermögen

Gesammtgut sei.

§ 1528. Jeder Ehegatte kann verlangen, daß der Bestand seines eigenen und des dem anderen Ehegatten gehörenden eingebrachten Gutes durch Aufnahme eines Verzeichnifses unter Mitwirkung des anderen Ehe­ gatten festgestellt wird. Auf die Aufnahme des Verzeichnisses finden die für den Nießbrauch geltenden Vorschriften des § 1035 Anwendung. Jeder Ehegatte kann den Zustand der zum eingebrachten Gute ge­ hörenden Sachen auf seine Kosteil durch Sachverständige feststellen laffen.

§ 1529.

Der eheliche Aufwand fällt dem Gesammtgute zur Last. Das Gesammtgut trägt auch die Lasten des eingebrachten Gutes beider Ehegatten; der Umfang der Lasten bestimmt fich nach den bei dem Güterstande der Verwaltung und Nutznießung für das eingebrachte Gut der Frau geltenden Vorschriften der 88 1384 bis 1387.

§ 1530. Das Gesammtgut haftet für die Verbindlichkeiten des Mannes und für die in den §§ 1531 bis 1534 bezeichneten Verbindlich­ keiten der Frau (Gesammtgutsverbindlichkeiten). . Für Verbindlichkeiten der Frau, die Gesammtgutsverbindlichkeiten sind, haftet der Mann auch persönlich als Gesammtschuldner. Die Haftung erlischt mit der Beendigung der Errungenschaftsgemeinschaft, wenn die Verbindlichkeiten im Verhältnisse der Ehegatten zu einander nicht dem Gesammtgute zur Last fallen. § 1531. Das Gesammtgut haftet für Verbindlichkeiten der Frau, die zu den im § 1529 Abs. 2 bezeichneten Lasten des eingebrachten Gutes gehören.

* § 1532. Das Gesammtgut haftet für eine Verbindlichkeit der Frau, die aus einem nach dem Eintritte der Errungenschaftsgemeinschaft vorgenommenen Rechtsge ch ift entsteht, sowie für die Kosten eines Rechts­ treits, den die Frau ncch dem Eintritte der Errungenschaftsgemeinschaft ührt, wenn die Vornahme des Rechtsgeschäfts oder die Führung des Rechtsstreits mit Zustimmung des Mannes erfolgt oder ohne seine Zntimmung für das Gesammtgut wirksam ist.

§ 1533 Das Gesammtgut hastet für eine Verbindlichkeit der Frau, die nach dem Eintritte der Errungenschaftsgemeinschast in Folge eines ihr zustehenden Rechtes oder des-Besitzes einer ihr gehörenden Sache entsteht, wenn das Recht oder die Sache zu einem Erwerbsgeschäfte gehört, das die Frau mit Einwilligung des Mannes selbständig betreibt.

§ 1534. Das Gesammtgut haftet für Verbindlichkeiten der Frau, die ihr auf Grund der gesetzlichen Unterhaltspflicht obliegen.

Viertes Buch.

225

Familienrecht.

§ 1535, Im Verhältnisse der Ehegatten zu einander fallen folgende Gesammtgutsverbindlichkeiten dem Ehegatten zur Last, in besten Person sie entstehen: 1. die Verbindlichkeiten aus einem sich auf sein eingebrachtes Gut oder sein Dorbehältsgut beziehenden Rechtsverhältniß, auch wenn sie vor dem Eintritte der Errungenschaftsgemeinschaft oder vor der Zeit ent­ standen sind, zu der das Gut eingebrachtes Gut oder Vorbehaltsgut geworden ist; 2. die Kosten eines Rechtstreits, den der Ehegatte über eine der in Nr. 1 bezeichneten Verbindlichkeiten führt. § 1536. Im Verhältnisse der Ehegatten zu einander fallen dem Manne zur Last: 1. die vor dem Eintritte der Errungenschaftsgemeinschaft entstandenen Verbindlichkeiten des Mannes; 2. die Verbindlichkeiten des Mannes, die der Frau gegenüber aus der Verwaltung ihres eingebrachten Gutes entstehen, soweit nicht das Gesammtgut zur Zeit der Beendigung der Errungenschaftsgemeinschast bereichert ist; 3. die Verbindlichkeiten des Mannes aus einer unerlaubten Handlung, ' die er nach dem Eintritte der Errungenschaftsgemeinschast begeht, oder aus einem Strafverfahren, das wegen einer unerlaubten Hand­ lung gegen ihn gerichtet wird; 4. die Kosten eines Rechtsstreits, den der Mann über eine der in Nr. 1 bis 3 bezeichneten Verbindlichkeiten führt. § 1537. Die Vorschriften des § 1535 und des § 1536 Nr. 1, 4 finden insoweit keine Anwendung, als die Verbindlichkeiten nach § 1529 Abs. 2 von dem Gesammtgute zu tragen sind. Das Gleiche gilt von den Vorschriften des § 1535 insoweit, als die Verbindlichkeiten durch den Betrieb eines Erwerbsgeschästs, der für Rech­ nung des Gesammtguts geführt wird, oder in Folge eines zu einem solchen Erwerbsgeschäfte gehörenden Rechtes oder des Besitzes einer dazu gehörenden Sache entstehen. § 1538. Verspricht oder gewährt der Mann einem Kinde eine Ausstattung, so finden die Vorschriften des § 1465 Anwendung.

§ 1539. Soweit das eingebrachte Gut eines Ehegatten auf Kosten des Gesammtguts oder das Gesammtgut auf Kosten des eiügebrachten Gutes eines Ehegatten zur Zeit der Beendigung der Errungenschastsgemeinschast bereichert ist, muß aus dem bereicherten Gute zu dem anderen Gute Ersatz geleistet werden. Weitergehende, auf besonderen Gründen be­ ruhende Ansprüche bleiben unberührt. § 1540. Sind verbrauchbare Sachen, die zum eingebrachten Gute eines Ehegatten gehört haben, nicht mehr vorhanden, so wird zu Gunsten des Ehegatten vermuthet, daß die Sachen in das Gesammtgut verwendet worden seien nnd dieses um den Werth der Sachen bereichert sei. § 1541. Was ein Ehegatte zu dem Gesammtgut oder die Frau zu dem eingebrachten Gute des Mannes schuldet, ist erst nach der Beendigung Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

15

der Errungenschastsgemeinschaft zu leisten; soweit jedoch zur Berichtigung einer Schuld der Frau ihr eingebrachtes Gut und ihr Vorbehaltsgut ausreichen, hat sie die Schuld schon vorher zu berichtigen. Was der Mann aus dem Gesammtgute zu fordern hat, kann er erst nach der Beendigung der Errungenschaftsgemeinschaft fordern.

8 1542. Die Frau kann unter den Voraussetzungen des § 1418 Nr. 1, 3 bis 5 und des § 1468, der Mann kann unter den Voraussetzungen des 8 1469 auf Aufhebung der Errungenschaftsgemeinschaft klagen. Die Aufhebung tritt mit der Rechtskraft des Urtheils ein. 8 1543. Die Errungenschaftsgemeinschaft endigt mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den der Konkurs über das Vermögen des Mannes eröffnet wird.

8 1544. Die Errungenschaftsgemeinschaft endigt, wenn ein Ehegatte für todt erklärt wird, mit dem Zeitpunkte, der als Zeitpunkt des Todes gilt. § 1545. Endigt die Errungenschaftsgemeinschaft nach den §§ 1542 bis 1544, so gilt für die Zukunft Gütertrennung. Dritten gegenüber ist die Beendigung der Gemeinschaft nur nach Maßgabe des § 1435 wirksam.

8 1546. Nach der Beendigung der Errungenschaftsgemeinschaft findet in Ansehung des Gesammtguts die Auseinandersetzung statt. Bis zur Auseinandersetzung bestimmt sich das Rechtsverhältniß der Ehegatten nach den §§ 1442, 1472, 1473. Die Auseinandersetzung erfolgt, soweit nicht eine andere Vereinbarung getroffen wird, nach den für die allgemeine Gütergemeinschaft geltenden Vorschriften der 88 1475 bis 1477, 1479 bis 1481. Auf das eingebrachte Gut der Frau finden die für den Güterstand der Verwaltung und Nutznießung geltenden Vorschriften der 88 1421 bis 1424 Anwendung. 8 1547. Endigt die Errungenschaftsgemeinschaft durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Mannes, so kann die Frau auf Wiederherstellung der Gemeinschaft klagen. Das gleiche Recht steht, wenn die Gemeinschaft in Folge einer Todeserklärung endigt, dem für todt erklärten Ehegatten zu, falls er noch lebt. Wird die Gemeinschaft auf Grund des § 1418 Nr. 3 bis 5 aufgehoben, so kann der Mann unter den Voraussetzungen des § 1425 Abs. 1 auf Wiederherstellung der Gemeinschaft klagen.

8 1548. Die Wiederherstellung der Errungenschaftsgemeinschaft tritt in den Fällen des § 1547 mit der Rechtskraft des Urtheils ein. Die Vorschrift des 8 1422 findet entsprechende Anwendung. Dritten gegenüber ist die Wiederherstellung, wenn die Beendigung in das Güterrechtsregister eingetragen worden ist, nur nach Maßgabe des 8 1435 wirksam. Im Falle der Wiederherstellung wird Vorbehaltsgut der Frau, was ohne die Beendigung der Gemeinschaft Dorbehaltsgut geblieben oder geworden sein würde.

Viertes Buch.

4.

227

Familienrecht.

Fahrnißgemeinschaft.

§ 1549, Auf die Gemeinschaft des beweglichen Vermögens und der Errungenschaft (Fahrnißgemeinschaft) finden die für die allgemeine Gütergemeinschaft geltenden Vorschriften Anwendung, soweit sich nicht aus den 88 1550 bis 1557 ein Anderes ergiebt. § 1550, Von dem Gesammtgut ausgeschlossen ist das eingebrachte Gut eines Ehegatten. Auf das eingebrachte Gut finden die bei der Errungenschaftsgemein­ schaft für das eingebrachte Gut geltenden Vorschriften Anwendung.

§ 1551, Eingebrachtes Gut eines Ehegatten ist das unbewegliche Ver­ mögen, das er bei dem Eintritte der Fahrnißgemeinschaft hat oder Währmd der Gemeinschaft durch Erbfolge, durch Vermächtniß oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrechts durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt. Zum unbeweglichen Vermögen im Sinne dieser Vorschrift gehören Grundstücke nebst Zubehör, Rechte an Grundstücken, mit Ausnahme der Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden, sowie Forderungen, die auf die Uebertragung des Eigenthums an Grundstücken oder auf die Begründung oder Uebertragung eines der bezeichneten Rechte oder auf die Befreiung eines Grundstücks von einem solchen Rechte gerichtet sind.

§ 1552. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten sind die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können.

Gegenstände,

§ 1553, Eingebrachtes Gut eines Ehegatten ist: 1. was durch Ehevertrag für eingebrachtes Gut erklärt ist; 2. was er nach § 1369 erwirbt, sofern die Bestimmung dahin getroffen ist, daß der Erwerb eingebrachtes Gut sein soll.

§ 1554. Eingebrachtes Gut eines Ehegatten ist, was er in der im 8 1524 bezeichneten Weise erwirbt. Ausgenommm ist, was an Stelle von Gegenständen erworben wird, die nur deshalb eingebrachtes Gut sind, weil sie nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können. § 1555. § 1556.

Vorbehaltsgut des Mannes ist ausgeschloffen.

Erwirbt ein Ehegatte während der Fahrnißgemeinschaft durch Erbfolge, durch Vermächtniß oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung Gegenstände, die theils Gesammtgut, theils eingebrachtes Gut werden, so fallen die in Folge des Erwerbes entstehenden Verbindlichkeiten im Verhältniffe der Ehegatten zu einander dem Gesammtgut und dem Ehegatten, der dm Erwerb macht, verhältnißmäßig zur Last.

K 1557. Fortgesetzte Gütergemeinschaft tritt nur ein, wenn sie durch Ehevertrag vereinbart ist.

III. Gnterrechtsregister. § 1558.

Die Eintragungen in das Güterrechtsregister haben bei dem Amtsgerichte zu geschehen, in dessen Bezirke der Mann seinen Wohnsitz hat. Durch Anordnung der Landesjustizverwaltung kann die Führung des Registers für mehrere Amtsgerichtsbezirke einem Amtsgericht übertragen werden. 15*

228

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1559. Verlegt der Mann nach der Eintragung seinen Wohnsitz in einen anderen Bezirk, so muß die Eintragung im Register dieses Bezirkes wiederholt werden. Die frühere Eintragung gilt als von neuem erfolgt, wenn der Mann den Wohnsitz in den früheren Bezirk zurückverlegt. § 1560. Eine Eintragung in das Register soll nur auf Antrag und nur insoweit erfolgen, als sie beantragt ist. Der Antrag ist in öffentlich beglaubigter Form zu stellen. § 1561. Die Eintragung erfolgt in den Fällen des § 1357 Abs. 2 und des 8 1405 Abs. 3 auf Antrag des Mannes. In den anderen Fällen ist der Antrag beider Ehegatten erforderlich; jeder Ehegatte ist dem anderen gegenüber zur Mitwirkung verpflichtet. Der Antrag eines der Ehegatten genügt: 1. zur Eintragung eines EhevertragS oder einer auf gerichtlicher Ent­ scheidung beruhenden Aenderung der güterrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten, wenn mit dem Anträge der Ehevertrag oder die mit dem Zeugnisse der Rechtskraft versehene Entscheidung vorgelegt wird; 2. zur Wiederholung einer Eintragung in dem Register eines anderen Bezirkes, wenn mit dem Antrag eine nach der Aufhebung des bisherigen Wohnsitzes ertheilte, öffentlich beglaubigte Abschrift der früheren Ein­ tragung vorgelegt wird.

8 1562. Das Amtsgericht hat die Eintragung durch das für seine Bekanntmachungen bestimmte Blatt zu veröffentlichen. Wird eine Aenderung des Güterstandes eingetragen, so hat sich die Bekanntmachung auf die Bezeichnung des Güterstandes und, wenn dieser abweichend von dem Gesetze geregelt ist, auf eine allgemeine Bezeichnung der Abweichung zu beschränken. § 1563. Die Einsicht des Registers ist Jedem gestattet. Von den Eintragungen kann eine Abschrift gefordert werden; die Abschrift ist auf Verlangen zu beglaubigen.

Siebentee Titel.

Scheidung der Che. 8 1564. Die Ehe kann aus den in den §§ 1565 bis 1569 bestimmten Gründen geschieden werden. Die Scheidung erfolgt durch Urtheil. Die Auflösung der Ehe tritt mit der Rechtskraft des Urtheils ein. 8 1565. Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen, wenn der andere Ehegatte sich des Ehebruchs oder einer nach den §§ 171, 175 des Strafgesetzbuchs strafbaren Handlung schuldig macht. Das Recht des Ehegatten auf Scheidung ist ausgeschlossen, wenn er dem Ehebruch oder der strafbaren Handlung zustimmt oder sich der Theil­ nahme schuldig macht. 8 1566. Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen, andere Ehegatte ihm nach dem Leben trachtet.

wenn der

Viertes Buch.

Familienrecht.

§ 1567. Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen, andere Ehegatte ihn böslich verlassen hat.

229 wenn der

Bösliche Derlassung liegt nur vor:

1. wenn ein Ehegatte, nachdem er zur Herstellung der häuslichen Gemein­ schaft rechtskräftig verurtheilt worden ist, ein Jahr lang gegen den Willen des anderen Ehegatten in böslicher Absicht dem Urtheile nicht Folge geleistet hat; 2. wenn ein Ehegatte sich ein Jahr lang gegen den Willen des anderen Ehegatten in böslicher Absicht von der häuslichen Gemeinschaft fern gehalten hat und die Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung seit Jahresfrist gegen ihn bestanden haben.

Die Scheidung ist im Falle des Abs. 2 Nr. 2 unzulässig, wenn die Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung am Schluffe der mündlichen Verhandlung, auf die das Urtheil ergeht, nicht mehr bestehen.

§ 1568. Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen, wenn der andere Ehegatte durch schwere Verletzung der durch die Ehe begründeten Pflichten oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten eine so tiefe Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses verschuldet hat, daß dem Ehegatten die Fortsetzung der Ehe nicht zugemuthet werden kann. Ms schwere Verletzung der Pflichten gilt auch grobe Mißhandlung. § 1569. Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen, wenn der andere Ehegatte in Geisteskrankheit verfallen ist, die Krankheit während der Ehe mindestens drei Jahre gedauert und einen solchen Grad erreicht hat, daß die geistige Gemeinschaft zwischen den Ehegatten aufgehoben, auch jede Aussicht auf Wiederherstellung dieser Gemeinschaft ausgeschlossen ist. § 1570. Das Recht auf Scheidung erlischt in den Fällen der §§ 1565 bis 1568 durch Verzeihung. § 1571. Die Scheidungsklage muß in den Fällen der §§ 1565 bis 1568 binnen sechs Monaten von dem Zeitpunkt an erhoben werden, in dem der Ehegatte von dem Scheidungsgrunde Kenntniß erlangt. Die Klage ist ausgeschlossen, wenn seit dem Eintritte des Scheidungsgrundes zehn Jahre verstrichen sind. Die Frist läuft nicht, solange die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten aufgehoben ist. Wird der zur Klage berechtigte Ehegatte von dem anderen Ehegatten aufgefordert, entweder die häusliche Gemeinschaft herzustellen oder die Klage zu erheben, so läuft die Frist von dem Empfange der Aufforderung an. Der Erhebung der Klage steht die Ladung zum Sühnetermine gleich. Die Ladung verliert ihre Wirkung, wenn der zur Klage berechtigte Ehegatte im Sühnetermine nicht erscheint oder wenn drei Monate nach der Beendigung des Sühneverfahrens verstrichen sind und nicht vorher die Klage erhoben worden ist. Auf den Lauf der sechsmonatigen und der dreimonatigen Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 203, 206 entsprechende Anwendung.

230

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1572. Ein Scheidungsgrund kann, auch wenn die für seine Geltendmachung im § 1571 bestimmte Frist verstrichen ist, im Laufe des Rechtsstreits geltend gemacht werden, sofern die Frist zur Zeit der Erhebung der Klage noch nicht verstrichen war. § 1573. Thatsachen, auf die eine Scheidungsklage nicht mehr gegründet werden kann, dürfen zur Unterstützung einer auf andere That­ sachen gegründeten Scheidungsklage geltend gemacht werden. § 1574. Wird die Ehe aus einem der in den §§ 1565 bis 1568 bestimmten Gründe geschieden, so ist in dem Urtheil auszusprechen, daß der Beklagte die Schuld an der Scheidung trügt. Hat der Beklagte Widerklage erhoben und wird auch diese für begründet erkannt, so sind beide Ehegatten für schuldig zu erklären. Ohne Erhebung einer Widerklage ist auf Antrag des Beklagten auch der Kläger für schuldig zu erklären, wenn Thatsachen vorliegen, wegen deren der Beklagte auf Scheidung klagen könnte oder, falls sein Recht auf Scheidung durch Verzeihung oder durch Zeitablauf ausgeschlossen ist, zur Zea des Eintritts des von dem Kläger geltend gemachten Scheidungs­ grundes berechtigt war, auf Scheidung zu Lagen.

5 1575. Der Ehegatte, der auf Scheidung zu klagen berechtigt ist, kann statt auf Scheidung auf Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft klagen. Beantragt der andere Ehegatte, daß die Ehe, falls die Klage begründet ist, geschieden wird, so ist auf Scheidung zu erkennen. Für die Klage auf Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft gelten die Vorschriften der 88 1573, 1574. 5 1576. Ist auf Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft erkannt, so kann jeder der Ehegatten aus Grund des Urtheils die Scheidung beantragen, eS sei denn, daß nach der Erlaffung des Urtheils die eheliche Gemeinschaft wieder hergestellt worden ist; Die Vorschriften der §§ 1570 bis 1574 finden keine Anwendung; wird die Ehe geschieden, so ist der für schuldig erklärte Ehegatte auch im Scheidungsurtheile für schuldig zu erklären. § 1577. Die geschiedene Frau behält den Familiennamen des Mannes. Die Frau kann ihren Familiennamen wieder annehmen. War sie vor der Eingehung der geschiedenen Ehe verheirathet, so kann sie auch den Namen wiederannehmen, den sie zur Zeit der Eingehung dieser Ehe hatte, es sei denn, daß sie allein für schuldig erklärt ist. Die Wieder­ annahme -es Namens erfolgt durch Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde; die Erklärung ist in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Ist die Frau allein für schuldig erklärt, so kann der Mann ihr die Führung seines Namens untersagen. Die Untersagung erfolgt durch Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde; die Erklärung ist in öffent­ lich beglaubigter Form abzugeben. Die Behörde soll der Frau die Erklärung mittheilen. Mit dem Verluste des Namens des Mannes erhält die Frau ihren Familiennamen wieder.

Viertes Buch.

Familienrecht.

231

§ 1578. Der allein für schuldig erklärte Mann hat der geschiedenen Frau den standesmäßigen Unterhalt insoweit zu gewähren, als sie ihn nicht aus den Einkünften ihres Vermögens und, sofern nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten gelebt haben, Erwerb durch Arbeit der Frau üblich ist, aus dem Ertrag ihrer Arbeit bestreiten kann. Die allein für schuldig erklärte Frau hat dem geschiedenen Manne den standesmäßigen Unterhalt insoweit zu gewähren, als er außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten.

§ 1579. Soweit der allein für schuldig erklärte Ehegatte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, ohne Gefährdung seines standesmäßigen Unterhalts dem anderen Ehegatten Unterhalt zu gewähren, ist er berechtigt, von den zu seinem Unterhalte verfügbaren Einkünften zwei Drittheile oder, wenn diese zu seinem nothdürftigen Unterhalte nicht ausreichen, so viel zurückzubehalten, als zu dessen Bestreitung erforderlich ist. Hat er einem minderjährigen unverheiratheten Kinde oder in Folge seiner Wiederverheirathung dem neuen Ehegatten Unterhalt zu gewähren, so beschränkt sich seine Verpstichtung dem geschiedenen Ehegatten gegenüber auf dasjenige, was mit Rücksicht auf die Bedürfniffe sowie auf die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der Betheiligten der Billigkeit entspricht. Der Mann ist der Frau gegenüber unter den Voraussetzungen des Abs. 1 von der Unterhaltspflicht ganz befreit, wenn die Frau den Unter­ halt aus dem Stamme ihres Vermögens bestreiten kann. § 1580. Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer Geldrente nach Maßgabe des § 760 zu gewähren. Ob, in welcher Art und für welchen Betrag der Unterhaltspflichtige Sicherheit zu leisten hat, bestimmt sich nach den Umständen. Statt der Rente kann der Berechtigte eine Abfindung in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Im Uebrigen finden die für die Unterhaltspflicht der Verwandten geltenden Vorschriften der §§ 1607, 1610, des § 1611 Abs. 1, des § 1613 und für den Fall des Todes des Berechtigten die Vorschriften des § 1615 entsprechende Anwendung.

§ 1581. Die Unterhaltspflicht erlischt mit der Wiederverheirathung des Berechtigten. Im Falle der Wiederverheirathung des Verpflichteten finden die Vorschriften des § 1604 entsprechende Anwendung. § 1582. Die Unterhaltspflicht erlischt nicht mit dem Tode des Verpflichteten. Die Verpflichtung des Erben unterliegt nicht den Beschränkungen des § 1579. Der Berechtigte muß sich jedoch die Herabsetzung der Rente bis auf die Hälfte der Einkünfte gefallen laffen, die der Verpflichtete zur Zeit des Todes aus seinem Vermögen bezogen hat. Einkünfte aus einem Rechte, das mit dem Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses erlischt, bleiben von dem Eintritte des Zeitpunkts oder des Ereignisses an außer Betracht.

232

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Sind mehrere Berechtigte vorhanden, so kann der Erbe die Renten nach dem Verhältniß ihrer Höhe soweit herabsetzen, daß sie zusammen der Hälfte der Einkünfte gleichkommen.

8 1583. Ist die Ehe wegen Geisteskrankheit eines Ehegatten geschieden, so hat ihm der andere Ehegatte Unterhalt in gleicher Weise zu gewähren wie ein allein für schuldig erklärter Ehegatte. § 1584. Ist ein Ehegatte allein für schuldig erklärt, so kann der andere Ehegatte Schenkungen, die er ihm während des Brautstandes oder während der Ehe gemacht hat, widerrufen. Die Vorschriften des § 531 finden Anwendung. Der Widerruf ist ausgeschlossen, wenn seit der Rechtskraft des Scheidungsurtheils ein Jahr verstrichen oder wenn der Schenker oder der Beschenkte gestorben ist. § 1585. Hat der Mann einem gemeinschaftlichen Kinde Unterhalt zu gewähren, so ist die Frau verpflichtet, ihm aus den Einkünften ihres Vermögens und dem Ertrag ihrer Arbeit oder eines von ihr selbständig betriebenen Erwerbsgeschäfts einen angemessenen Beitrag zu den Kosten des Unterhalts zu leisten, soweit nicht diese durch die dem Männe an dem Vermögen des Kindes zustehende Nutznießung gedeckt werden. Der Anspruch des Mannes ist nicht übertragbar. Steht der Frau die Sorge für die Person des Kindes zu und ist eine erhebliche Gefährdung des Unterhalts des'Kindes zu besorgen, so kann die Frau den Beitrag zur eigenen Verwendung für den Unterhalt des Kindes 'zurückbehalten.

8 1586. Wird nach § 1575 die eheliche Gemeinschaft aufgehoben, so treten die mit der Scheidung verbundenen Wirkungen ein; die Ein­ gehung einer neuen Ehe ist jedoch ausgeschlossen. Die Vorschriften über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe finden Anwendung, wie wenn das Urtheil nicht ergangen wäre. 8 1587. Wird die eheliche Genieinschaft nach der Aufhebung wiederhergestellt, so fallen die mit der Aufhebung verbundenen Wirkungen weg und tritt Gütertrennung ein. Achter Titel.

Kirchliche Verpflichtungen. 8 1588. Die kirchlichen Verpflichtungen in Ansehung der Ehe werden durch die Vorschriften dieses Abschnitts nicht berührt.

Viertes Buch.

Familienrecht.

233

Zweiter Abschnitt.

Verwandtschaft. Erster Titel.

Allgemeine Vorschriften. § 1589. Personen, deren eine von der anderen abstammt, sind in gerader Linie verwandt. Personen, die nicht in gerader Linie verwandt sind, aber von derselben dritten Person abstammen, sind in der Seitenlinie verwandt. Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten. Ein uneheliches Kind und dessen Vater gelten nicht als verwandt. § 1590. Die Verwandten eines Ehegatten sind mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Die Linie und der Grad der Schwägerschaft bestimmen sich nach der Linie und dem Grade der sie vermittelnden Ver­ wandtschaft. Die Schwägerschast dauert fort, auch wenn die Ehe, durch die sie begründet wurde, aufgelöst ist.

Zweiter Titel.

Eheliche Abstammung. § 1591. Ein Kind, das nach der Eingehung der Ehe geboren wird, ist ehelich, wenn die Frau es vor oder während der Ehe empfangen und der Mann innerhalb der Empfängnißzeit der Frau beigewohnt hat. Das Kind ist nicht ehelich, wenn es den Umstünden nach offenbar unmöglich ist, daß die Frau das Kind von dem Manne empfangen hat. Es wird vermuthet, daß der Mann innerhalb der Empfängnißzeit der Frau beigewohnt habe. Soweit lb Empfängnißzeit in die Zeit vor der Ehe fällt, gilt die Vermuthung nur, wenn der Mann gestorben ist, ohne die Ehelichkeit des Kindes angefochten zu haben.

§ 1592. Als Empfängnißzeit gilt die Zeit von dem einhundert­ einundachtzigsten bis zu dem dreihundertundzweiten Tage vor dem Tage der Geburt des Kindes, mit Einschluß sowohl des einhunderteinundachtzigsten als des dreihundertundzweiten Tages. Steht fest, daß das Kind innerhalb eines Zeitraums empfangen worden ist, der weiter als dreihundertundzwei Tage vor dem Tage der Geburt zurückliegt, so gilt zu Gunsten der Ehelichkeit des Kindes dieser Zeitraum als Empfängnißzeit. § 1593. Die Unehelichkeit eines Kindes, das während der Ehe oder innerhalb dreihundertundzwei Tagen nach der Auflösung der Ehe geboren ist, kann nur geltend gemacht werden, wenn der Mann die Ehe­ lichkeit angefochten hat oder, ohne das Anfechtigungsrecht verloren zu haben, gestorben ist. § 1594. frist erfolgen.

Die Anfechtung der Ehelichkeit kann nur binnen Jahres­

234

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Mann die Geburt des Kindes erfährt. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 203, 206 entsprechende Anwendung.

§ 1595. Die Anfechtung der Ehelichkeit kann nicht durch einen Vertreter erfolgm. Ist der Manu in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Für einen geschäftsunfähigen Mann kann sein gesetzlicher Vertreter mit Genehmigung.des Vormundschaftsgerichts die Ehelichkeit anfechten. Hat der gesetzliche Vertreter die Ehelichkeit nicht rechtzeitig angefochten, so kann nach dem Wegfalle der Geschäftsunfähigkeit der Mann selbst die Ehelichkeit in gleicher Weise anfechten, wie wenn er ohne gesetzlichen Ver­ treter gewesen wäre.

§ 1596. Die Anfechtung der Ehelichkeit erfolgt bei Lebzeiten des Kindes durch Erhebung der Anfechtungsklage. Die Klage ist gegen das Kind zu richten. Wird die Klage zurückgenommen, so ist die Anfechtung als nicht erfolgt anzusehen. Das Gleiche gilt, wenn der Mann vor der Erledigung des Rechtsstreits das Kind als das seinige anerkennt. Vor der Erledigung des Rechtsstreits kann die Unehelichkeit nicht anderweit geltend gemacht werden. § 1597. Nach dem Tode des Kindes erfolgt die Anfechtung der Ehelichkeit durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgerichte; die Erklärung ist in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Das Nachlatzgericht soll die Erklärung sowohl demjenigen mittheilen, welcher im Falle der Ehelichkeit, als auch demjenigen, welcher im Falle der Unehelichkeit Erbe des Kindes ist. Es hat die Einsicht der Erklärung Jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht. § 1598. Die Anfechtung der Ehelichkeit ist ausgeschloffen, wenn der Mann das Kind nach der Geburt als das seinige anerkennt. Die Anerkennung kann nicht unter einer Bedingung oder einer Zeit­ bestimmung erfolgen. Für die Anerkennung gelten die Vorschriften des § 1595 Abs. 1. Die Anerkennung kann auch in einer Verfügung von Todeswegen erfolgen.

§ 1599. Ist die Anerkennung der Ehelichkeit anfechtbar, so finden die Vorschriften der §§ 1595 bis 1597 und, wenn die Anfechtbarkeit ihren Grund in arglistiger Täuschung oder in Drohung hat, neben den Vorschriften des 8 203 Abs. 2 und des § 206 auch sdie Vorschrift des § 203 Abs. 1 entsprechende Anwendung. § 1600. Wird von einer Frau, die sich nach der Auflösung ihrer Ehe wieder verheirathet hat, ein Kind geboren, das nach den 88 1591 bis 1599 ein eheliches Kind sowohl des ersten als des zweiten Mannes sein würde, so gilt das Kind, wenn es innerhalb zweihundertundsiebzig Tagen nach der Auflösung der früheren Ehe geboren wird, als Kind des ersten Mannes,

Mannes.

wenn

es

später geboren wird,

als Kind

des

zweiten

Viertes Buch.

Familienrecht.

235

Dritter Titel.

Ilnterhalttpllicht. § 1601. Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. § 1602. Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten. Ein minderjähriges unverheirathetes Kind kann von seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalte nicht ausreichen. § 1603. Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, ohne Gefährdung seines standesmäßigen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minder­ jährigen unverheiratheten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalte gleichmäßig zu verwenden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kinde, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

§ 1604. Soweit die Unterhaltspflicht einer Frau ihren Ver­ wandten gegenüber davon abhängt, daß sie zur Gewährung des Unterhalts im Stande ist, kommt die dem Manne an dem eingebrachten Gute zustehende Verwaltung und Nutznießung nicht in Betracht. Besteht allgemeine Gütergemeinschaft, Errungenschastsgemeinschast oder Fahrnißgemeinschaft, so bestimmt sich die Unterhaltspflicht des Mannes oder der Frau Verwandten gegenüber so, wie wenn das Gesammtgut dem unterhaltspflichtigen Ehegatten gehörte. Sind bedürftige Verwandte beider Ehegatten vorhanden, so ist der Unterhalt aus dem Gesammtgute so zu gewähren, wie wenn die Bedürftigen zu beiden Ehegatten in dem Verwandtschaftsverhältnisse ständen, auf dem die Unterhaltspflicht des verpflichteten Ehegatten bericht. K 1605. Soweit die Unterhaltspflicht eines minderjährigen Kindes seinen Verwandten gegenüber davon abhängt, daß es zur Gewährung des Unterhalts im Stande ist, kommt die elterliche Nutznießung an dem Ver­ mögen des Kindes nicht in Betracht.

§ 1606. Die Abkömmlinge sind vor den Verwandten der auf­ steigenden Linie unterhaltspflichtig. Die Unterhaltspflicht der Abkömmlinge bestimmt sich nach der gesetzlichen Erbfolgeordnung und dem Verhältnisse der Erbtheile. Unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften die näheren vor den entfernteren, mehrere gleich nahe zu gleichen Theilen. Der Vater haftet jedoch vor der Mutter; steht die Nutznießung an dem Vermögen des Kindes der Mutter zu, so haftet die Mutter vor dem Vater.

236

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1607» Soweit ein Verwandter aus Grund des § 1603 nicht unterhaltspflichtig ist, hat der nach ihm haftende Verwandte den Unterhalt zu gewähren. Das Gleiche gilt, wenn die Rechtsverfolgung gegen einen Verwandten im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. Der Anspruch gegen einen solchen Verwandten geht, soweit ein anderer Verwandter den Unterhalt gewährt, auf diesen über. Der Uebergang kann nicht zum Nachtheile des Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden. § 1608. Der Ehegatte des Bedürftigen haftet vor dessen Ver­ wandten. Soweit jedoch der Ehegatte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, ohne Gefährdung seines standesmäßigen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren, hasten die Verwandten vor dem Ehegatten. Die Vorschriften des § 1607 Abs. 2 finden entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt von einem geschiedenen unterhaltspflichtigen Ehe­ gatten, sowie von einem Ehegatten, der nach § 1351 unterhaltspflichtig ist. § 1609. Sind mehrere Bedürftige vorhanden und ist der Unter­ haltspflichtige außer Stande, allen Unterhalt zu gewähren, so gehen unter ihnen die Abkömmlinge den Verwandten der aufsteigenden Linie, unter den Abkömmlingen diejenigen, welche im Falle der gesetzlichen Erbfolge als Erben berufen sein würden, den übrigen Abkömmlingen, unter den Ver­ wandten der aufsteigenden Linie die näheren den entfernteren vor. Der Ehegatte steht den minderjährigen unverheiratheten Kindern gleich; er geht anderen Kindern und den übrigen Verwandten vor. Ein geschiedener Ehegatte, sowie ein Ehegatte, der nach § 1351 unterhalts­ berechtigt ist, geht den volljährigen oder verheiratheten Kindern und den übrigen Verwandten vor.

§ 1610. Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (standesmäßiger Unterhalt). Der Unterhalt umfaßt den gesammten Lebensbedarf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung und der Vorbildung zu einem Berufe. § 1611. Wer durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden ist, kann nur den nothdürftigen Unterhalt verlangen. Der gleichen Beschränkung unterliegt der Unterhaltsanspruch der Abkömmlinge, der Eltern und des Ehegatten, wenn sie sich einer Ver­ fehlung schuldig machen, die den Unterhaltspflichtigen berechtigt, ihnen den Pflichttheil zu entziehen, sowie der Unterhaltsanspruch der Großeltern und der weiteren Voreltern, wenn ihnen gegenüber die Voraussetzungen vor­ liegen, unter denen Kinder berechtigt sind, ihren Eltern den Pflichttheil zu entziehen. Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in An­ spruch nehmen.

§ 1612. gewähren.

Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer Geldrente zu Der Verpflichtete kann verlangen, daß ihm die Gewährung des

Viertes Buch.

Familienrecht.

237

Unterhalts in anderer Art gestattet wird, wenn besondere Gründe es rechtfertigen. Haben Eltern einem unverheiratheten Kinde Unterhalt zu gewähren, so können sie bestimmen, in welcher Art und für welche Zeit im voraus der Unterhalt gewährt werden soll. Aus besonderen Gründen kann das Vormundschaftsgericht auf Antrag des Kindes die Bestimmung der Eltern ändern. Im Uebrigen finden die Vorschriften des § 760 Anwendung.

§ 1613. Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von der Zeit an fordern, zu welcher der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist.

§ 1614. Für die Zukunft kann auf den Unterhalt nicht ver­ zichtet werden. Durch eine Vorausleistung wird der Verpflichtete bei erneuter Bedürftig­ keit des Berechtigten nur für den im § 760 Abs. 2 bestimmten Zeitabschnitt oder, wenn er selbst den Zeitabschnitt zu bestimmen hatte, für einen den Umständen nach angemessenen Zeitabschnitt befreit. § 1615. Der Unterhaltsanspruch erlischt mit dem Tode des Berechtigten oder des Verpflichteten, soweit er nicht auf Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung für die Vergangenheit oder auf solche im voraus zu bewirkende Leistungen gerichtet ist, die zur Zeit des Todes des Berechtigten oder des Verpflichteten fällig sind. Im Falle des Todes des Berechtigten hat der Verpflichtete die Kosten der Beerdigung zu tragen, soweit ihre Bezahlung nicht von dem Erben zu erlangen ist.

vierter Titel.

Sichtliche Stellung der ehelichen Sinder. I. Rechtsverhältnitz zwischen dm Atem und dem Kinde im Allgemeinen. § 1616.

Das Kind erhält den Familiennamen des Vaters.

§ 1617. Das Kind ist, solange es dem elterlichen Hausstand an­ gehört und von den Eltern erzogen und unterhalten wird, verpflichtet, in einer seinen Kräften und seiner Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäfte Dienste zu leisten.

§ 1618. Macht ein dem elterlichen Hausstand angehörendes voll­ jähriges Kind zur Bestreitung der Kosten des Haushalts aus seinem Ver­ mögen eine Aufwendung oder überläßt es den Eltern zu diesem Zwecke etwas aus seinem Vermögen, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die Ab­ ficht fehlt, Ersatz zu verlangen. § 1619. fleberläßt ein dem elterlichen Hausstand angehörendes volljähriges Kind sein Vermögen ganz oder theilweise der Verwaltung des

238

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Vaters, so kann der Vater die Einkünfte, die er während seiner Ver­ waltung bezieht, nach freiem Ermessen verwenden, soweit nicht ihre Ver­ wendung zur Bestreitung der Kosten der ordnungsmäßigen Verwaltung und zur Erfüllung solcher Verpflichtungen des Kindes erforderlich ist, die bei ordnungsmäßiger Verwaltung aus den Einkünften des Vermögens bestritten werden. Das Kind kann eine abweichende Bestimmung treffen. Das gleiche Recht steht der Mutter zu, wenn das Kind ihr die Verwaltung seines Vermögens überläßt.

K 1620, Der Vater ist verpflichtet, einer Tochter im Falle ihrer Verheirathung zur Einrichtung des Haushalts eine angemessene Aussteuer zu gewähren, soweit er bei der Berücksichtigung seiner sonstigen Ver­ pflichtungen ohne Gefährdung seines standesmäßigen Unterhalts dazu im Stande ist und nicht die Tochter ein zur Beschaffung der Aussteuer aus­ reichendes Vermögen hat. Die gleiche Verpflichtung trifft die Mutter, wenn der Vater zur Gewährung der Aussteuer außer Stande oder wenn er gestorben ist. Die Vorschriften des § 1604 und des § 1607 Abs. 2 finden ent­ sprechende Anwendung. § 1621. Der Vater und die Mutter können die Aussteuer ver­ weigern, wenn sich die Tochter ohne die erforderliche elterliche Einwilligung verheirathet. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tochter einer Verfehlung schuldig gemacht hat, die den Verpflichteten berechtigt, ihr den Pflichttheil zu entziehen.

K 1622. Die Tochter kann eine Aussteuer nicht verlangen, wenn sie für eine frühere Ehe von dem Vater oder der Mutter eine Aussteuer erhalten hat.

§ 1623. Der Anspruch auf die Aussteuer ist nicht übertragbar. Er verjährt in einem Jahre von der Eingehung der Ehe an. K 1624. Was einem Kinde mit Rücksicht aus seine Verheirathung oder auf die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zur Begründung oder zur Erhaltung der Wirthschaft oder der Lebensstellung von dem Vater oder der Mutter zugewendet wird (Ausstattung), gilt, auch wenn eine Verpflichtung nicht besteht, nur insoweit als Schenkung, als die Ausstattung das den Umständen, insbesondere den Vermögensverhältnissen des Vaters oder der Mutter, entsprechende Maß übersteigt. Die Verpflichtung des Ausstattenden zur Gewährleistung wegen eiues Mangels im Rechte oder wegen eines Fehlers der Sache bestimmt sich, auch soweit die Ausstattung nicht als Schenkung gilt, nach den für die Gewährleistungspflicht des Schenkers geltenden Vorschriften.

§ 1625. Gewährt der Vater einem Kinde, dessen Vermögen seiner elterlichen oder vormundschaftlichen Verwaltung unterliegt, eine Ausstattung, so ist im Zweifel anzunehmen, daß er sie aus diesem Vermögen gewährt. Diese Vorschrift findet auf die Mutter entsprechende Anwendung.

Viertes Buch.

Familienrecht.

239

II. Elterliche Gewalt. § 1626.

Das Kind steht,

so

lange es minderjährig ist, unter

elterlicher Gewalt.

1.

Elterliche Gewalt des Vaters.

§ 1627. Der Vater hat kraft der elterlichen Gewalt das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Kindes zu sorgen.

§ 1628. Das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Kindes zu sorgen, erstreckt sich nicht auf Angelegenheiten des Kindes, für die ein Pfleger bestellt ist. § 1629. Steht die Sorge für die Person oder die Sorge für das Vermögen des Kindes einem Pfleger zu, so entscheidet bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem Vater und dem Pfleger über die Vornahme einer sowohl die Person als das Vermögen des Kindes be­ treffenden Handlung das Vormundschaftsgericht.

§ 1630. Die Sorge für die Person und das Vermögen umfaßt die Vertretung des Kindes. Die Vertretung steht dem Vater insoweit nicht zu, als nach § 1795 ein Vormund von der Vertretung des Mündels ausgeschloffen ist. Das Vormundschaftsgericht kann dem Vater nach §1796 die Vertretung entziehen. § 1631. Die Sorge für die Person des Kindes umfaßt das Recht und die Pflicht, das Kind zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Auf­ enthalt zu bestimmen. Der Vater kann kraft des Erziehungsrechts angemeffene Zuchtmittel gegen das Kind anwenden. Auf seinen Antrag hat das Vormundschafts­ gericht ihn durch Anwendung geeigneter Zuchtmittel zu unterstützen. § 1632. Die Sorge für die Person des Kindes umfaßt das Recht, die Herausgabe des Kindes von Jedem zu verlangen, der es dem Vater widerrechtlich vorenthält. § 1633. Ist eine Tochter verheirathet, so beschränkt sich die Sorge für ihre Person auf die Vertretung in den die Person betreffenden Angelegenheiten.

§ 1634. Neben dem Vater hat während der Dauer der Ehe die Mutter das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen; zur Vertretung des Kindes ist sie nicht berechtigt, unbeschadet der Vor­ schrift des § 1685 Abs. 1. Bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen den Eltern geht die Meinung des Vaters vor. § 1635. Ist die Ehe aus einem der in den §§ 1565 bis 1568 bestimmten Gründe geschieden, so steht, solange die geschiedenen Ehegatten leben, die Sorge für die Person des Kindes, wenn ein Ehegatte allein für schuldig erklärt ist, dem anderen Ehegatten zu; sind beide Ehegatten für schuldig erklärt, |o steht die Sorge für einen Sohn unter sechs Jahren oder für eine Tochter der Mutter, für einen Sohn, der über sechs Jahre alt ist, dem Vater zu. Das Vormundschaftsgericht kann eine abweichende

240

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Anordnung treffen, wenn eine solche aus besonderen Gründen im Interesse des Kindes geboten ist; es kann die Anordnung ausheben, wenn sie nicht mehr erforderlich ist. Das Recht des Vaters zur Vertretung des Kindes bleibt unberührt.

§ 1636. Der Ehegatte, dem nach § 1635 die Sorge für die Person des Kindes nicht zusteht, behält die Befugniß, mit dem Kinde persönlich zu verkehren. Das Vormundschaftsgericht kann den Verkehr näher regeln. § 1637. Ist die Ehe nach § 1348 Abs. 2 aufgelöst, so gilt in Ansehung der Sorge für die Person des Kindes das Gleiche, wie wenn die Ehe geschieden ist und beide Ehegatten für schuldig erklärt sind. § 1638. Das Recht und die Pflicht, für das Vermögen des Kindes zu sorgen (Vermögensverwaltung), erstreckt sich nicht auf das Vermögen, welches das Kind von Todeswegen erwirbt oder welches ihm unter Lebenden von einem Dritten unentgeltlich zugewendet wird, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Dritte bei der Zuwendung bestimmt hat, daß der Erwerb der Verwaltung des Vaters entzogen sein soll. Was das Kind auf Grund eines zu einem solchen Vermögen ge­ hörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zu dem Vermögen gehörenden Gegenstandes oder durch ein Rechtsgeschäft erwirbt, das sich auf das Vermögen bezieht, ist gleich­ falls der Verwaltung des Vaters entzogen.

§ 1639. Was das Kind von Todeswegen erwirbt oder was ihm unter Lebenden von einem Dritten unentgeltlich zugewendet wird, hat der Vater nach den Anordnungen des Erblassers oder des Dritten zu ver­ walten, wenn die Anordnungen von dem Erblasser durch letztwillige Ver­ fügung, von dem Dritten bei der Zuwendung getroffen worden sind. Kommt der Vater den Anordnungen nicht nach, so hat das Vormundschafts­ gericht die zu ihrer Durchführung erförderlichen Maßregeln zu treffen. Der Vater darf von den Anordnungen insoweit abweichen, als es nach § 1803 Abs. 2, 3 einem Vormunde gestattet ist.

§ 1640. Der Vater hat das seiner Verwaltung unterliegende Vermögen des Kindes, welches bei dem Tode der Mutter vorhanden ist oder dem Kinde später zufällt, zu verzeichnen und das Verzeichnis, nachdem er es mit der Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit versehen hat, dem Vormundschaftsgericht einzureichen. Bei Haushaltsgegenständen genügt die Angabe des Gesammtwerths. Ist das eingereichte Verzeichniß ungenügend, so kann das Vormundschastsgericht anordnen, daß das Verzeichniß durch eine zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar ausgenommen wird. Die Anordnung ist für das in Folge des Todes der Mutter dem Kinde zusallende Vermögen unzulässig, wenn die Mutter sie durch letzt­ willige Verfügung ausgeschlossen hat.

§ 1641. Der Vater kann nicht in Vertretung des Kindes Schenkungen machen. Ausgenommen sind Schenkungen, durch die einer

Viertes Buch

sittlichen Pflicht

oder

241

Familienrecht.

einer auf den Anstand

zu

nehmenden Rücksicht

entsprochen wird.

§ 1642. Der Vater hat das seiner Verwaltung unterliegende Geld des Kindes, unbeschadet der Vorschrift des § 1653, nach den für die Anlegung von Mündelgeld geltenden Vorschriften der §§ 1807, 1808 verzinslich anzulegen, soweit es nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereit zu halten ist. Das Dormundschaftsgericht kann dem Vater aus besonderen Gründen eine andere Anlegung gestatten.

§ 1643. Zu Rechtsgeschäften für das Kind bedarf der Vater der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts in den Fällen, in denen nach § 1821 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 und nach § 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 bis 11 ein Vormund der Genehmigung bedarf. Das Gleiche gilt für die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Ver­ mächtnisses sowie für den Verzicht auf einen Pflichttheil. Tritt der Anfall an das Kind erst in Folge der Ausschlagung des Vaters ein, so ist die Genehmigung nur erforderlich, wenn der Vater neben dem Kinde berufen war. Die Vorschriften der §§ 1825, 1828 bis 1831 finden entsprechende Anwendung. § 1644. Der Vater kann Gegenstände, zu deren Veräußerung die Genehmigung des Dormundschaftsgerichts erforderlich ist, dem Kinde nicht ohne diese Genehrnigung zur Erfüllung eines von dem Kinde geschlossenen Vertrags oder zu freier Verfügung überlasien. § 1645. Der Vater soll nicht ohne Genehmigung des Vormund­ schaftsgerichts ein neues Erwerbsgeschäft im Namen des Kindes beginnen.

§ 1646. Erwirbt der Vater mit Mitteln des Kindes bewegliche Sachen, so geht mit dem Erwerbe das Eigenthum auf das Kind über, es sei denn, daß der Vater nicht für Rechnung des Kindes erwerben will. Dies gilt insbesondere auch von Jnhaberpapieren und von Order­ papieren, die mit Blankoindossament versehen sind. Die Vorschriften des Abs. 1 finden entsprechende Anwendung, wenn der Vater mit Mitteln des Kindes ein Recht an Sachen der bezeichneten Art oder ein anderes Recht erwirbt, zu dessen Uebertragung der Ab­ tretungsvertrag genügt. § 1647. Die Vermögensverwaltung des Vaters endigt mit der Rechtskraft des Beschlußes, durch den der Konkurs über das Vermögen des Vaters eröffnet wird. Nach der Aufhebung des Konkurses kann das Vormundschastsgericht die Verwaltung dem Vater wiederübertragen. K 1648. Macht der Vater bei der Sorge für die Person oder das Vermögen des Kindes Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so kann er von dem Kinde Ersatz verlangen, sofern nicht die Aufwendungen ihm selbst zur Last fallen.

§ 1649. Dem Vater steht kraft der elterlichen Gewalt die Nutz­ nießung an dem Vermögen des Kindes zu. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

16

242

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1650. Von der Nutznießung ausgeschlossen (freies Vermögen) sind die ausschließlich zum persönlichen Gebrauche des Kindes bestimmten Sachen, insbesondere Kleider, Schmucksachen und Arbeitsgeräthe. § 1651. Freies Vermögen ist: 1. was das Kind durch seine Arbeit oder durch den ihm nach § 112 gestatteten selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschästs erwirbt; 2. was das Kind von Todeswegen erwirbt oder was ihm unter Lebenden von einem Dritten unentgeltlich zugewendet wird, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Dritte bei der Zuwendung bestimmt hat, daß das Vermögen der Nutznießung entzogen sein soll. Die Vorschriften des § 1638 Abs. 2 finden entsprechende Anwendung.

§ 1652. Der Vater erwirbt die Nutzungen des seiner Nutznießung unterliegenden Vermögens in derselben Weise und in demselben Umfange wie ein Nießbraucher. § 1653. Der Vater darf verbrauchbare Sachen, die zu dem seiner Nutznießung unterliegenden Vermögen gehören, für sich veräußern oder verbrauchen, Geld jedoch nur mit'Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Macht der Vater von dieser Befugniß Gebrauch, so hat er den Werth der Sachen nach der Beendigung der Nutznießung zu ersetzen; der Ersatz ist schon vorher zu leisten, wenn die ordnungsmäßige Verwaltung des Vermögens es erfordert. § 1654. Der Vater hat die Lasten des seiner Nutznießung unter­ liegenden Vermögens zu tragen. Seine Haftung bestimmt sich nach den für den Güterstand der Verwaltung und Nutznießung geltenden Vorschriften der 88 1384 bis 1386, 1388. Zu den Lasten gehören auch die Kosten eines Rechtsstreits, der für das Kind geführt wird, sofern sie nicht dem freien Vermögen zur Last fallen, sowie die Kosten der Vertheidigung des Kindes in einem gegen das Kind gerichteten Strafverfahren, vorbehaltlich der Ersatzpflicht des Kindes im Falle seiner Verurtheilung. K 1655. Gehört zu dem der Nutznießung unterliegenden Ver­ mögen ein Erwerbsgeschäft, das von dem Vater im Namen des Kindes betrieben wird, so gebührt dem Vater nur der sich aus dem Betrieb er­ gebende jährliche Reingewinn. Ergiebt sich in einem Jahre ein Verlust, so verbleibt der Gewinn späterer Jahre bis zur Ausgleichung des Verlustes dem Kinde.

§ 1656. Steht dem Vater die Verwaltung des seiner Nutznießung unterliegenden Vermögens nicht zu, so kann er auch die Nutznießung nicht ausüben; er kann jedoch die Herausgabe der Nutzungen verlangen, soweit nicht ihre Verwendung zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Vermögens und zur Bestreitung der Lasten der Nutznießung erforderlich ist. Ruht die elterliche Gewalt des Vaters oder ist dem Vater die Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes durch das Vormund­ schaftsgericht entzogen, so können die Kosten des Unterhalts des Kindes aus den Nutzungen insoweit vorweg entnommen werden, als sie dem Vater zur Last fallen.

Viertes Tuch.

Familienrecht.

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§ 1657. Ist der Vater von der Ausübung der Nutznießung aus­ geschlossen, so hat er eine ihm dem Kinde gegenüber obliegende Ver­ bindlichkeit, die in Folge der Nutznießung erst nach deren Beendigung zu erfüllen sein würde, sofort zu erfüllen. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die elterliche Gewalt ruht. § 1658. Das Recht, das dem Vater kraft seiner Nutznießung an dem Vermögen des Kindes zusteht, ist nicht übertragbar. Das Gleiche gilt von den nach den 88 1655, 1656 dem Vater zustehenden Ansprüchen, solange sie nicht fällig sind. § 1659. Die Gläubiger des Kindes können ohne Rücksicht auf die elterliche Nutznießung Befriedigung aus dem Vermögen des Kindes verlangen. Hat der Vater verbrauchbare Sachen nach 8 1653 veräußert oder verbraucht, so ist er den Gläubigern gegenüber zum sofortigen Ersätze verpflichtet. § 1660. Im Verhältnisse des Vaters und des Kindes zu einander finden in Ansehung der Verbindlichkeiten des Kindes die für den Güterstand der Verwaltung und Nutznießung geltenden Vorschriften des 8 1415, des 8 1416 Abs. 1 und des § 1417 entsprechende Anwendung.

§ 1661. Die Nutznießung endigt, wenn sich das Kind verheirathet. Die Nutznießung verbleibt jedoch dem Vater, wenn die Ehe ohne die erforderliche elterliche Einwilligung geschlossen wird. § 1662. Der Vater kann auf die Nutznießung verzichten. Der Verzicht erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Vormundschaftsgerichte; die Erklärung ist in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. 8 1668. Hat der Vater kraft seiner Nutznießung ein zu dem Vermögen des Kindes gehörendes Grundstück vermiethet oder verpachtet, so finden, wenn das Mieth- oder Pachtverhältniß bei der Beendigung der Nutz­ nießung noch besteht, die Vorschriften des 8 1056 entsprechende Anwendung. Gehört zu dem der Nutznießung unterliegenden Vermögen einlandwirthschastliches Grundstück, so findet die Vorschrift des 8 592, gehört zu dem Vermögen ein Landgut, so finden die Vorschriften der 88 592, 593 entsprechende Anwendung. § 1664. Der Vater hat bei der Ausübung der elterlichen Gewalt dem Kinde gegenüber nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. § 1665. Ist der Vater verhindert, die elterliche Gewalt auszuüben, so hat das Vormundschaftsgericht, sofern nicht die elterliche Gewalt nach 8 1685 von der Mutter ausgeübt wird, die im Jnteresie des Kindes erforderlichen Maßregeln zu treffen. § 1666. Wird das geistige oder leibliche Wohl des Kindes dadurch gefährdet, daß der Vater das Recht der Sorge für die Person des Kindes mißbraucht, das Kind vernachlässigt oder sich eines ehrlosen oder unsittlichen Verhaltens schuldig macht, so hat das Vormundschaftsgericht die zur 16*

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßregeln zu treffen. Das Vormundschaftsgericht kann insbesondere anordnen, daß 'das Kind zum Zwecke der Erziehung in einer geeigneten Familie oder in einer Erziehungsanstalt oder einer Besserungsanstalt untergebracht wird. Hat der Vater das Recht des Kindes auf Gewährung des Unterhalts verletzt und ist für die Zukunft eine erhebliche Gefährdung des Unterhalts zu besorgen, so kann dem Vater auch die Vermögensverwaltung sowie die Nutznießung entzogen werden.

8 1667. Wird das Vermögen des Kindes dadurch gefährdet, daß der Vater die mit der Vermögensverwaltung oder die mit der Nutznießung verbundenen Pflichten verletzt öder daß er in Vermögensversall geräth, so hat das Vormundschaftsgericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßregeln zu treffen. Das Vormundschaftsgericht kann insbesondere anordnen, daß der Vater ein Verzeichniß des Vermögens einreicht und über seine Verwaltung Rechnung legt. Der Vater hat das Verzeichniß mit der Versicherung der ' Richtigkeit und Vollständigkeit zu versehen. Ist das eingereichte Verzeichniß ungenügend, so findet die Vorschrift des § 1640 Abs. 2 Satz 1 Anwendung. Das Vormundschaftsgericht kann auch, wenn Werthpapiere, Kostbarkeiten oder Buchforderungen gegen das Reich oder einen Bundesstaat zu dem Vermögen des Kindes gehören, dem Vater die gleichen Verpflichtungen auferlegen, welche nach den §§ 1814 bis 1816, 1818 einem Vormund obliegen; dieVorschriften der §§ 1819,1820 finhen entsprechende Anwendung. Die Kosten der angeordneten Maßregeln fallen dem Vater zur Last. 8 1668. Sind die nach § 1667 Abs. 2 zulässigen Maßregeln nicht ausreichend, so kann das Vormundschaftsgericht dem Vater Sicherheits­ leistung für das seiner Verwaltung unterliegende Vermögen auferlegen. Die Art und den Umfang der Sicherheitsleistung bestimmt das Bormund­ schaftsgericht nach seinem Ermessen. K 1669. Will der Vater eine neue Ehe eingehen, so hat er seine Absicht dem Vormundschastsgericht anzuzeigen, auf seine Kosten ein Berzeichniß des seiner Verwaltung unterliegenden Vermögens einzureichen und, soweit in Ansehung dieses Vermögens eine Gemeinschaft zwischen ihm und dem Kinde besteht, die Auseinandersetzung herbeizuführen. Das Vormund­ schaftsgericht kann gestatten, daß die Auseinandersetzung erst nach der Eheschließung erfolgt.

8 1670. Kommt der Vater den nach den 88 1667,1668 getroffenen Anordnungen nicht nach oder erfüllt er die ihm nach den §§ 1640, 1669 obliegenden Verpflichtungen nicht, so kann ihm das Vormundschaftsgericht die Permögensverwaltung entziehen. ZurErzwingung der Sicherheitsleistung sind andere Maßregeln nicht zuläffig. 8 1671. Das Vormundschastsgericht kann während der Dauer der elterlichen Gewalt die von ihm getroffenen Anordnungen jederzeit ändern, insbesondere die Erhöhung, Minderung oder Aufhebung der geleisteten Sicherheit anordnen.

Viertes Buch.

§ 1672. die Mitwirkung

Familienrecht.

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Bei der Bestellung und Aufhebung der Sicherheit wird des Kindes durch die Anordnung des Vormundschafts­

gerichts ersetzt. Die Kosten der Bestellung und Aufhebung der Sicherheit fallen dem Vater zur Last.

§ 1673. Das Vormundschaftsgericht soll vor einer Entscheidung, durch welche die Sorge für die Person oder das Vermögen des Kindes oder die Nutznießung dem Vater entzogen oder beschränkt wird, den Vater hören, es sei denn, daß die Anhörung unthunlich ist. Vor der Entscheidung sollen auch Verwandte, insbesondere die Mutter, oder Verschwägerte des Kindes gehört werden, wenn es ohne erhebliche Verzögerung und ohne unverhältnißmäßige Kosten geschehen kann. Für den Ersatz der Auslagen gilt die Vorschrift des § 1847 Abs. 2. § 1674. Verletzt der Vormundschaftsrichter vorsätzlich oder fahr­ lässig die ihm obliegenden Pflichten, so ist er dem Kinde nach § 839 Abs. 1, 3 verantwortlich.

§ 1675. Der Gemeindewaisenrath hat dem Vormundschaftsgericht Anzeige zu machen, wenn ein Fall zu seiner Kenntniß gelangt, in welchem das Vormundschaftsgericht zum Einschreiten berufen ist. § 1676. Die elterliche Gewalt des Vaters ruht, wenn er geschäfts­ unfähig ist. Das Gleiche gilt, wenn der Vater in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist oder wenn er nach § 1910 Abs. 1 einen Pfleger für seine Person und fein Vermögen erhalten hat. Die Sorge für die Person des Kindes steht ihm neben dem gesetzlichen Vertreter des Kindes zu; zur Vertretung des Kindes ist er nicht berechtigt. Bei einer Meinungsverschiedenheit zwifchen dem Vater und dem gesetzlichen Vertreter geht die Meinung des gesetzlichen Vertreters vor. K 1677. Die elterliche Gewalt des Vaters ruht, wenn von dem Vormundschastsgerichte festgestellt wird, daß der Vater auf längere Zeit an der Ausübung der elterlichen Gewalt thatsächlich verhindert ist. Das Ruhen endigt, wenn von dem Vormundschaftsgerichte festgestellt wird, daß der Grund nicht mehr besteht. K 1678. Solange die elterliche Gewalt des Vaters ruht, ist der Väter nicht berechtigt, sie auszuüben; es verbleibt ihm jedoch die Nutznießung an dem Vermögen des Kindes, unbeschadet der Vorschrift des § 1685 Abs. 2.

§ 1679. Die elterliche Gewalt des Vaters endigt, wenn er für tobt erklärt wird, mit dem Zeitpunkte, der als Zeitpunkt des Todes gilt. Lebt der Vater noch, so erlangt er die elterliche Gewalt dadurch wieder, daß er dem Vormundschaftsgerichte gegenüber seinen hierauf gerichteten Willen erklärt. § 1680. Der Vater verwirkt die elterliche Gewalt, wenn er wegen ' eines an dem Kinde verübten Verbrechens oder vorsätzlich verübten Ver­ gehens zu Zuchthausstrafe oder zu einer Gefängnißstrafe von mindestens sechs Monaten verurtheilt wird. Wird wegen des Zusammentreffens mit

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

einer anderen strafbaren Handlung auf eine Gesammtstrafe erkannt, so entscheidet die Einzelstrafe, welche für das an dem Kinde verübte Verbrechen oder Vergehen verwirkt ist. Die Verwirkung der elterlichen Gewalt tritt mit der Rechtskraft des Urtheils ein.

§ 1681« Endigt oder ruht die elterliche Gewalt des Vaters oder hört aus einem anderen Grunde seine Vermögensverwaltung auf, so hat er dem Kinde das Vermögen herauszugeben und über die Verwaltung Rechenschaft abzulegen.

8 1682. Der Vater ist auch nach der Beendigung seiner elterlichen Gewalt zur Fortführung der mit der Sorge für die Person und das Ver­ mögen des Kindes verbundenen Geschäfte berechtigt, bis er von der Beendigung Kenntniß erlangt oder sie kennen muß. Ein Dritter kann sich aus diese Berechtigung nicht berufen, wenn er bei der Vornahme eines Rechtsgeschäfts die Beendigung der elterlichen Gewalt kennt oder kennen muß. Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung, wenn die elterliche Gewalt des Vaters ruht oder aus einem anderen Grunde seine Vermögensverwaltung aufhört. § 1683« Endigt die elterliche Gewalt in Folge des Todes des Kindes, so hat der Vater diejenigen Geschäfte, mit deren Aufschübe Gefahr verbunden ist, zu besorgen, bis der Erbe anderweit Fürsorge treffen kann. 2. Elterliche Gewalt der Mutter.

8 1684. Der Mutter steht die elterliche Gewalt zu: 1. wenn der Vater gestorben oder für todt erklärt ist; 2. wenn der Vater die elterliche Gewalt verwirkt hat und die Ehe auf­ gelöst ist. Im Falle der Todeserklärung beginnt die elterliche Gewalt der Mutter mit dem Zeitpunkte, der als Zeitpunkt des Todes des Vaters gilt. § 1685. Ist der Vater an der Ausübung der elterlichen Gewalt thatsächlich verhindert oder ruht seine elterliche Gewalt, so übt während der Dauer der Ehe die Mutier die elterliche Gewalt mit Ausnahme der Nutznießung aus. Ist die Ehe aufgelöst, so hat das Vormundschaftsgericht der Mutter auf ihren Antrag die Ausübung zu übertragen, wenn die elterliche Gewalt des Paters ruht und keine Aussicht besteht, daß der Grund des Ruhens -wegfallen werde. Die Mutter erlangt in diesem Falle auch die Nutz­ nießung an dem Vermögen des Kindes.

§ 1686. Auf die elterliche Gewalt der Mutter finden die für die elterliche Gewalt des Vaters geltenden Vorschriften Anwendung, soweit sich nicht aus den §§ 1687 bis 1697 ein Anderes ergiebt. K 1687« Das Vormundschaftsgericht hat der Mutter einen Bei­ stand zu bestellen: 1. wenn der Vater die Bestellung nach Maßgabe des § 1777 an­ geordnet hat;

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2. wenn die Mutter die Bestellung beantragt; 3. wenn das Vormundschaftsgericht aus besonderen Gründen, insbesondere wegen des Umfanges oder der Schwierigkeit der Vermögensverwaltung, oder in den Fällen der §§ 1666, 1667 die Bestellung im Interesse des Kindes für nöthig erachtet.

§ 1688. Der Beistand kann für alle Angelegenheiten, für gewisse Arten von Angelegenheiten oder für einzelne Angelegenheiten bestellt werden. Ueber den Umfang seines Wirkungskreises entscheidet die Bestellung. Ist der Umfang nicht bestimmt, so fallen alle Angelegenheiten in seinen Wirkungskreis. Hat der Vater die Bestellung angeordnet, so hat das Vormund­ schaftsgericht Bestimmungen, die er nach Maßgabe des § 1777 über den Umfang des Wirkungskreises getroffen hat, bei der Bestellung zu befolgen. § 1689. Der Beistand hat innerhalb seines Wirkungskreises die Mutter bei der Ausübung der elterlichen Gewalt zu unterstützen und zil überwachen; er hat dem Vormundschaftsgerichte jeden Fall, in welchem cs zum Einschreiten berufen ist, unverzüglich anzuzeigen. § 1690. Die Genehmigung des Beistandes ist innerhalb seines Wirkungskreises zu jedem Rechtsgeschäft erforderlich, zu dem ein Vormund der Genehmigung des Vormundschastsgerichts oder des Gegenvormundes bedarf. Ausgenommen sind Rechtsgeschäfte, welche die Mutter nicht ohne die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts vornehmen kann. Die Vor­ schriften der §§ 1828 bis 1831 finden entsprechende Anwendung. Die Genehmigung des Beistandes wird durch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ersetzt. Das Vormundschaftsgericht soll vor der Enffcheidung über die Genehmigung in allen Fällen, in denen das Rechtsgeschäft zu dem Wirkungskreise des Beistandes gehört, den Beistand hören, sofern ein solcher vorhanden und die Anhörung thunlich ist.

§ 1691. Soweit die Anlegung des zu dem Vermögen des Kindes gehörenden Geldes in den Wirkungskreis des Beistandes fällt, finden die für die Anlegung von Mündelgeld geltenden Vorschriften der § 1809, 1810 entsprechende Anwendung, § 1692. Hat die Mutter ein Vermögensverzeichniß einzureichen, so ist bei der Aufnahme des Verzeichniffes der Beistand zuzuziehen; das Verzeichniß ist auch von dem Beistände mit der Versicherung der Richtig­ keit und Vollständigkeit zu versehen. Ist das Verzeichniß ungenügend, so finden, sofern nicht die Voraussetzungen des § 1667 vorliegen, die Vor­ schriften des § 1640 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

§ 1693. Das Vormundschaftsgericht kann auf Antrag der Mutter dem Beistände die Vermögensverwaltung ganz oder theilweise übertragen; soweit dies geschieht, hat der Beistand die Rechte und Pflichten eines Pflegers. § 1694. Beistandes,

Für die Berufung, Bestellung und Beaufsichtigung des für seine Haftung und seine Ansprüche, für die ihm zu

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

bewilligende Vergütung und für die Beendigung seines Amtes gelten die gleichen Vorschriften wie bei dem Gegenvormunde. Das Amt des Beistandes endigt auch dann, wenn die elterliche Gewalt der Mutter ruht.

§ 1695. Das Vormundschaftsgericht kann in den Fällen des § 1687 Nr. 2, 3 die Bestellung des Beistandes und im Falle des § 1693 die Uebertragung der Vermögensverwaltung aus den Beistand jederzeit aufheben. Ist die Bestellung des Beistandes nach § 1687 Nr. 2 erfolgt, so soll sie nur mit Zustimmung der Mutter aufgehoben werden. Das Gleiche gilt für die Uebertragung der Vermögensverwaltung auf den Beistand.

§ 1696. Ruht die elterliche Gewalt der Mutter wegen Minder­ jährigkeit, so hat die Mutter das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen ; zur Vertretung des Kindes ist sie nicht berechtigt. Der Vormund des Kindes hat, soweit der Mutter die Sorge zusteht, die rechtliche Stellung eines Beistandes. § 1697. Die Mutter verliert die elterliche Gewalt, wenn sie eine neue Ehe eingeht. Sie behält jedoch unter den im § 1696 bestimmten Beschränkungen das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen.

§ 1698. Wird für das Kind ein Vormund bestellt, weil die elterliche Gewalt des Vaters ruht oder verwirkt ist oder weil die Vertretung des Kindes dem Vater entzogen ist, oder wird für die Erziehung des Kindes an Stelle des Vaters ein Pfleger bestellt, so steht der Mutter die Sorge für die Person des Kindes neben dem Vormund oder dem Pfleger in gleicher Weise zu wie nach § 1634 neben dem Vater. fünfter Titel.

Aechtliche Stellung der Kinder ans nichtigen Ehen. § 1699. Ein Kind aus einer nichtigen Ehe, das im Falle der Gültigkeit der Ehe ehelich sein würde, gilt als ehelich, sofern nicht beide Ehegatten die Nichtigkeit der Ehe bei der Eheschließung gekannt haben. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die Nichtigkeit der Ehe auf einem Formmangel beruht und die Ehe nicht in das Heirathsregister eingetragen worden ist. § 1700. Das Rechtsverhältniß zwischen den Eltern und einem Kinde, das nach § 1699 als ehelich gilt, bestimmt sich, soweit sich nicht aus den 88 1701, 1702 ein Anderes ergiebt, nach den Vorschriften, die für ein Kind aus einer geschiedenen Ehe gelten, wenn beide Ehegatten für schuldig erklärt sind.

§ 1701. War dem Vater die Nichtigkeit der Ehe bei der Ehe­ schließung bekannt, so hat er nicht die sich aus der Vaterschaft ergebenden Rechte. Die elterliche Gewalt steht der Mutter zu.

Viertes Buch

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Familienrecht.

§ 1702. War der Mutter die Nichtigkeit der Ehe bei der Ehe­ schließung bekannt, so hat sie in Ansehung des Kindes nur diejenigen Rechte, welche im Falle der Scheidung der allein für schuldig erklärten Frau zustehen. Stirbt der Vater oder endigt seine elterliche Gewalt aus einem anderen Grunde, so hat die Mutter nur das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen; zur Vertretung des Kindes ist sie nicht berechtigt. Der Vormund des Kindes hat, soweit der Mutter die Sorge zusteht, die rechtliche Stellung eines Beistandes. Die Vorschriften des Abs. 2 finden auch dann Anwendung, wenn die elterliche Gewalt des Vaters wegen seiner Geschäftsunfähigkeit oder nach § 1677 ruht.

§ 1703. Gilt das die Nichtigkeit der Ehe bei gleichwohl von dem Vater, Kind verlangen. Das im Vater nicht zu.

Kind nicht als ehelich, weil der Eheschließung bekannt solange er lebt, Unterhalt § 1612 Abs. 2 bestimmte

beiden Ehegatten war, so kann es wie ein eheliches Recht steht dem

§ 1704. Ist die Ehe wegen Drohung anfechtbar und angefochten, so steht der anfechtungsberechtigte Ehegatte einem Ehegatten gleich, dem die Nichtigkeit der Ehe bei der Eheschließung unbekannt war.

Sechster Titel.

Rechtliche Stellung der unehelichen Kinder. § 1705. Das uneheliche Kind hat im Verhältnisse zu der Mutter und zu den Verwandten der Mutter die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes. § 1706.

Das uneheliche Kind erhält den Familiennamen der Mutter. Führt die Mutter in Folge ihrer Verheirathung einen anderen Namen, so erhält das Kind den Familiennamen, den die Mutter vor der Verheirathung geführt hat. Der Ehemann der Mutter kann durch Er­ klärung gegenüber der zuständigen Behörde dem Kinde mit Einwilligung des Kindes und der Mutter seinen Namen ertheilen; die Erklärung des Ehemanns sowie die Einwilligungserklärungen des Kindes und der Mutter find in öffentlich beglaubigter Form abzugeben.

§ 1707. Der Mutter steht nicht die elterliche Gewalt über das uneheliche Kind zu. Sie hat das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen; zur Vertretung des Kindes ist sie nicht berechtigt. Der Vormund des Kindes hat, soweit der Mutter die Sorge zusteht, die rechtliche Stellung eines Beistandes.

§ 1708. Der Vater des unehelichen Kindes ist verpflichtet, dem Kinde bis zur Vollendung des sechzehnten Lebensjahrs den der Lebensstellung der Mutter entsprechenden Unterhalt zu gewähren. Der Unterhalt umfaßt den gesummten Lebensbedarf sowie die Kosten der Erziehung und der Vorbildung zu einem Berufe.

250

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Ist das Kind zur Zeit der Vollendung des sechzehnten Lebensjahrs in Folge körperlicher oder geistiger Gebrechen außer Stande, sich selbst zu unterhalten, so hat ihm der Vater auch über diese Zeit hinaus Unterhalt zu gewähren; die Vorschrift des § 1603 Abs. 1 findet Anwendung.

8 1709» Der Vater ist vor der Mutter und den mütterlichen Verwandten des Kindes unterhaltspflichtig. Soweit die Mutter oderein unterhaltspflichtiger mütterlicher Verwandter dem Kinde dm Unterhalt gewährt, geht der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den Vater auf die Mutter oder den Verwandten über. Der Uebergang kann nicht zum Nachtheile des Kindes geltend gemacht werden. 8 1710« Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. Die Rente jst für drei Monate vorauszuzahlen. Durch eine Voraus­ leistung für eine spätere Zeit wird der Vater nicht befteit. Hat das Kind den Beginn des Vierteljahrs erlebt, so gebührt ihm der volle auf das Vierteljahr entfallende Betrag.

8 1711.

Der Unterhalt kann auch für die Vergangenheit verlangt

werden.

8 1712. Der Unterhaltsanspruch erlischt nicht mit dem Tode des Vaters; er steht dem Kinde auch dann zu, wenn der Vater vor der Geburt des Kindes gestorben ist. Der Erbe des Vaters ist berechtigt, das Kind mit dem Betrag abzufinden, der dem Kinde als Pflichttheil gebühren würde, wenn es ehelich wäre. Sind mehrere uneheliche Kinder vorhanden, so wird die Abfindung so berechnet, wie wenn sie alle ehelich wären.

8 1713. Der Unterhaltsanspruch erlischt mit dem Tode des Kindes, soweit er nicht nuf Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung für die Vergangenheit oder auf solche im voraus zu bewirkende Leistungen gerichtet ist, die zur Zeit des Todes des Kindes fällig sind Die Kosten der Beerdigung hat der Vater zu tragen, soweit ihre Bezahlung nicht vom dem Erben des Kindes zu erlangen ist. 8 1714. Eine Vereinbarung zwischen dem Vater und dem Kinde über den Unterhalt für die Zukunft oder über eine an Stelle des Unterhalts zu gewährende Abfindung bedarf der Genehmigung des Vormundschastsgerichts. Ein unentgeltlicher Verzicht auf den Unterhalt für die Zukunft ist nichtig. 8 1715. Der Vater ist verpflichtet, der Mutter die Kosten der Entbindung sowie die Kosten des Unterhalts für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung und, falls in Folge der Schwangerschaft oder der Entbindung weitere Aufwendungen nothwendig werden, auch die dadurch entstehenden Kosten zu ersetzen. Den gewöhnlichen Betrag der zu ersetzenden Kosten ten kann die Mutter ohne Rücksicht auf den wirklichen Aufwand verlangen. Der Anspruch steht der Mutter auch dann zu, wenn der Vater vor der Geburt des Kindes gestorben oder wenn das Kind todt geboren ist. Der Anspruch verjährt in vier Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablaufe von sechs Wochen nach der Geburt des Kindes.

Viertes Buch.

Familienrecht

251

§ 1716. Schon vor der Geburt des Kindes kann auf Antrag der Mutter durch einstweilige Verfügung angeordnet werden, daß der Vater den für die ersten drei Monate dem Kinde zu gewährenden Unterhalt alsbald nach der Geburt an die Mutter oder an den Vormund zu zahlen und den erforderlichen Betrag angemessene Zeit vor der Geburt zu hinter­ legen hat. In gleicher Weise kann auf Antrag der Mutter die Zahlung des gewöhnlichen Betrags der nach § 1715 Abs. 1 zu ersetzenden Kosten an die Mutter und die Hinterlegung des erforderlichen Betrags angeordnet werden. Zur Erlassung der einstweiligen Verfügung ist nicht erforderlich, daß eine Gefährdung des Anspruchs glaubhaft gemacht wird. § 1717. Als Vater des unehelichen Kindes im Sinne der §§ 1708 bis 1716 gilt, wer der Mutter innerhalb der Empfängnißzeit beigewohnt hat, es sei denn, daß auch ein Anderer ihr innerhalb dieser Zeit beigewohnt hat. Eine Beiwohnung bleibt jedoch außer Betracht, wenn es den Umständen noch offenbar unmöglich ist, daß die Mutter das Kind aus dieser Bei­ wohnung empfangen hat. Als Empfängnißzeit gilt die Zeit von dem einhunderteinundachtzigsten bis zu dem dreihundertundzweiten Tage vor dem Tage der Gebutt des Kindes, mit Einschluß sowohl des einhunderteinundachtzigsten als des dreihundertundzweiten Tages. § 1718. Wer seine Vaterschaft nach der Geburt des Kindes in einer öffentlichen Urkunde anerkennt, kann sich nicht darauf berufen, daß ein Anderer der Mutter innerhalb der Empfängnißzeit beigewohnt habe,

siebenter Diel.

Legitimation unehelicher Sinder.

I. Legitimation durch nachfolgende Ehe. § 1719. Ein uneheliches Kind erlangt dadurch, daß sich der Vater mit der Mutter verheirathet, mit der Eheschließung die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes. § 1720. Der Ehemann der Mutter gilt als Vater des Kindes, wenn er ihr innerhalb der im § 1717 Abs. 2 bestimmten Empfängnißzeit beigewohnt hat, es sei denn, daß es den Umständen nach offenbar unmöglich ist, daß die Mutter das Kiud aus dieser Beiwohnung empfangen hat. Erkennt der Ehemann seine Vaterschaft nach der Geburt des Kindes in einer öffentlichen Urkunde an, so wird verinuthet, daß er der Mutter innerhalb der Empfängnißzeit beigewohut habe. § 1721. Ist die Ehe der Eltern nichtig, so finden die Vorschriften der §§ 1699 bis 1704 entsprechende Anwendung. § 1722. Die Eheschließung zwischen den Eltern hat für die Abkömm­ linge des unehelichen Kindes die Wirkungen der Legitimation auch dann, wenn das Kind vor der Eheschließung gestorben ist.

252

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

II. Ehelichkeitserklärung. 8 1723. Ein uneheliches Kind kann auf Antrag seines Vaters durch eine Verfügung der Staatsgewalt für ehelich erklärt werden. Die Ehelichkeitserklärung steht dem Bundesstaate zu, dem der Vater angehört; ist der Vater ein Deutscher, der keinem Bundesstaat angehört, so steht sie dem Reichskanzler zu. Ueber die Ertheilung der einem Bundesstaate zustehenden Ehelichkeits­ erklärung hat die Landesregierung zu bestimmen. § 1724. Die Ehelichkeitserklärung kann nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgen.

§ 1725. Der Antrag muß die Erklärung des Vaters enthalten, daß er das Kind als das {einige anerkenne. § 1726. Zur Ehelichkeitserklärung ist die Einwilligung des Kindes und, wenn das Kind nicht das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, die Einwilligung der Mutter erforderlich. Ist der Vater verheirathet, so bedarf er auch der Einwilligung seiner Frau. Die Einwilligung hat dem Vater oder der Behörde gegenüber zu erfolgen, bei welcher der Antrag einzureichen ist; sie ist unwiderruflich. Die Einwilligung der Mutter ist nicht erforderlich, wenn die Mutter zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande oder ihr Aufenthalt dauernd unbekannt ist. Das Gleiche gilt von der Einwilligung der Frau des Vaters.

§ 1727. Wird die Einwilligung von der Mutter verweigert, so kann sie auf Antrag des Kindes durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden, wenn das Unterbleiben der Ehelichkeitserklärung dem Kinde zu unverhältnißmäßigem Nachtheile gereichen würde. 8 1728. Der Antrag auf Ehelichkeitserklärung sowie die Einwilligung der im § 1726 bezeichneten Personen kann nicht durch einen Vertreter erfolgen. Ist das Kind geschäftsunfähig oder hat es nicht das vierzehnte Lebensjahr vollendet, so kann sein gesetzlicher Vertreter die Einwilligung mit Genehmigung des Vormundschastsgerichts ertheilen. 8 1729. Ist der Vater in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er zu dem Antrag, außer der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Ist das Kind in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so gilt das Gleiche für die Ertheilung seiner Einwilligung. Ist die Mutter des Kindes oder die Frau des Vaters in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist zur Ertheilung ihrer Einwilligung die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nicht erforderlich. 8 1730. Der Antrag sowie die Einwilligungserklärung der im § 1726 bezeichneten Personen bedarf der gerichtlichen oder notarielle» Beurkundung. 8 1731. § 1726

Ist der Antrag oder die Einwilligung einer der im bezeichneten Personen anfechtbar, so gelten für die Anfechtung

Viertes Buch.

Familienrecht.

253

und für die Bestätigung der anfechtbaren Erklärung die Vorschriften der 88 1728, 1729.

§ 1732. Die Ehelichkeitserklärung ist nicht zulässig, wenn zur Zeit der Erzeugung des Kindes die Ehe zwischen den Eltern nach 8 1310 Abs. 1 wegen Verwandtschaft oder Schwägerschaft verboten war.

§ 1733. Die Ehelichkeitserklärung kann nicht nach dem Tode des Kindes erfolgen. Nach dem Tode des Vaters ist die Ehelichkeitserklärung nur zulässig, wenn der Vater den Antrag bei der zuständigen Behörde eingereicht oder bei oder nach der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung des Antrags das Gericht oder den Notar mit der Einreichung betraut hat. Die nach dem Tode des Vaters erfolgte Ehelichkeitserklärung hat die gleiche Wirkung, wie wenn sie vor dem Tode des Vaters erfolgt wäre. § 1734. Die Ehelichkeitserklärung kann versagt werden, auch wenn ihr ein gesetzliches Hinderniß nicht entgegensteht. § 1735. Auf die Wirksamkeit der Ehelichkeitserklärung ist es ohne Einfluß, wenn der Antragsteller nicht der Vater des Kindes ist oder wenn mit Unrecht angenommen worden ist, daß die Mutter des Kindes oder die Frau des Vaters zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande oder ihr Aufenthalt dauernd unbekannt sei. § 1736. Durch die Ehelichkeitserklärung rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes.

erlangt das Kind die

§ 1737. Die Wirkungen der Ehelichkeitserklärung erstrecken sich auf die Abkömmlinge des Kindes; sie erstrecken sich nicht auf die Ver­ wandten des Vaters. Die Frau des Vaters wird nicht mit dem Kinde, der Ehegatte des Kindes wird nicht mit dem Vater verschwägert. Die Rechte und Pflichten, die sich aus dem Verwandtschaftsver­ hältnisse zwischen dem Kinde und seinen Verwandten ergeben, bleiben unberührt, soweit nicht das Gese^ ein Anderes vorschreibt. § 1738. Mit der Ehelichkeitserklärung verliert die Mutter das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen. Hat sie dem Kinde Unterhalt zu gewähren, so treten Recht und Pflicht wieder ein, wenn die elterliche Gewalt des Vaters endigt oder wenn sie wegen Geschäftsunfähigkeit des Vaters oder nach 8 1677 ruht. 8 1739. Der Vater ist dem Kinde und dessen Abkömmlingen vor der Mutter und den mütterlichen Verwandten zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet. 8 1740. Will der Vater eine Ehe eingehen, während er die elterliche Gewalt über das Kind hat, so finden die Vorschriften der 88 1669 bis 1671 Anwendung.

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1. Bürgerliches Gesetzbuch.

Achter Titel. Ännohme an ZindeSstatt. K 1741. Wer keine ehelichen Abkömmlinge hat, kann durch Vertrag mit einem Anderen diesen an Kindesstatt annehmen. Der Vertrag bedarf der Bestätigung durch das zuständige Gericht.

§ 1742. Die Annahme an Kindesstatt kann nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgen. § 1743. Das Vorhandensein eines angenommenen Kindes steht einer weiteren Annahme an Kindesstatt nicht entgegen. § 1744. Der Annehmende muß das fünfzigste Lebensjahr voll­ endet haben und mindestens achtzehn Jahre älter sein als das Kind. § 1745. Von den Erfordernissen des § 1744 kann Befreiung bewilligt werden, von der Vollendung des fünfzigsten Lebensjahrs jedoch nur, wenn der Annehmende volljährig ist. Die Bewilligung steht dem Bundesstaate zu, dem der Annehmende angehört; ist der Annehmende ein Deutscher, der keinem Bundesstaat angehört, so steht die Bewilligung dem Reichskanzler zu. Ueber die Ertheilung der einem Bundesstaate zustehenden Bewilli­ gung hat die Landesregierung zu bestimmen.

§ 1746. Wer verheirathet ist, kann nur mit Einwilligung seines Ehegatten an Kindesstatt annehmen oder angenommen werden. Die Einwilligung ist nicht erforderlich, wenn der Ehegatte zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist. § 1747. Ein eheliches Kind kann bis zur Vollendung des ein­ undzwanzigsten Lebensjahrs nur mit Einwilligung der Eltern, ein unehe­ liches Kind kann bis zum gleichen Lebensalter nur mit Einwilligung der Mutter an Kindesstatt angenommen werden. Die Vorschrift des § 1746 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. % 1748. Die Einwilligung der in den §§ 1746, 1747 bezeich­ neten Personen hat dem Annehmenden oder dem Kinde oder dem für die Bestätigung des Annahmevertrags zuständigen Gerichte gegenüber zu er­ folgen; sie ist unwiderruflich. Die Einwilligung kann nicht durch einen Vertreter ertheilt werden. Ist der Einwilligende in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Die Einwilligungserklärung bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung.

§ 1749. Als gemeinschaftliches Kind kann ein Kind nur vou einem Ehepaar angenommen werden. Ein angenommenes Kind kann, solange das durch die Annahme begründete Rechtsverhältniß besteht, nur von dem Ehegatten des An­ nehmenden an Kindesstatt angenommen werden.

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Familienrecht.

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§ 1750. Der Annahmevertrag kann nicht durch einen Vertreter geschlossen werden. Hat das Kind nicht das vierzehnte Lebensjahr vollendet, so kann sein gesetzlicher Vertreter den Vertrag mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts schließen. Der Annahmevertrag muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Theile vor Gericht oder vor einem Notar geschlossen werden. § 1751. Ist der Annehmende in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er zur Eingehung des Vertrags, außer der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Das Gleiche gilt für das Kind, wenn es in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. § 1752. Will ein Vormund seinen Mündel an Kindesstatt an­ nehmen, so soll das Vormundschaftsgericht die Genehmigung nicht ertheilen, solange der Vormund im Amte ist. Will Jemand seinen früheren Mündel an Kindesstatt annehmen, so soll das Vormundschaftsgericht die Genehmi­ gung nicht ertheilen, bevor er über seine Verwaltung Rechnung gelegt und das Vorhandensein des Mündelvermögens nachgewiesen hat. Das Gleiche gilt, wenn ein zur Vermögensverwaltung bestellter Pfleger seinen Pflegling oder seinen früheren Pflegling an Kindesstatt annehmen will.

§ 1753. Die Bestätigung des Annahmevertrags kann nicht nach dem Tode des Kindes erfolgen. Nach dem Tode des Annehmenden ist die Bestätigung nur zulässig, wenn der Annehmende oder das Kind den Antrag auf Bestätigung bei dem zuständigen Gericht eingereicht oder bei oder nach der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung des Vertrags das Gericht oder den Notar mit der Einreichung betraut hat. Die nach dem Tode des Annehmenden erfolgte Bestätigung hat die gleiche Wirkung, wie wenn sie vor dem Tode erfolgt wäre. 8 1754. Die Annahme an Kindesstatt tritt mit der Bestätigung in Kraft. Die Vertragschließenden sind schon vor der Bestätigung gebunden. Die Bestätigung ist nur zu versagen, wenn ein gesetzliches Erforderniß der Annahme an Kindesstatt fehlt. Wird die Bestätigung mdgültig ver­ sagt, so verliert der Vertrag seine Kraft.

8 1755. Ist der Annahmevertrag oder die Einwilligung einer der in den §§ 1746, 1747 bezeichneten Personen anfechtbar, so gelten für die Anfechtung und für die Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts die Vorschriften des § 1748 Abs. 2, des § 1750 Abs. 1 und des § 1751. 8 1756. Auf die Wirksamkeit der Annahme an Kindesstatt ist es ohne Einfluß , wenn bei der Bestätigung des Annahmevertrags mit Unrecht angenommen worden ist, daß eine der in den 88 1746, 1747 bezeichneten Personen zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande oder ihr Aufenthalt dauernd unbekannt sei. 8 1757. Durch die Annahme an Kindesstatt erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Annehmenden.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Wird von einem Ehepaare gemeinschaftlich ein Kind angenommen oder nimmt ein Ehegatte ein Kind des anderen Ehegatten an, so erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen ehelichen Kindes der Ehegatten.

§ 1758. Das Kind erhält den Familiennamen des Annehmenden. Wird das Kind von einer Frau angenommen, die in Folge ihrer Verheirathung einen anderen Namen führt, so erhält es den Familiennamen, den die Frau vor der Verheirathung geführt hat. In den Fällen des § 1757 Abs. 2 erhält das Kind den Familiennamen des Mannes. Das Kind darf dem neuen Namen seinen früheren Familiennamen hinzufügen, sofern nicht in dem Annahmevertrag ein Anderes bestimmt ist. § 1759. Durch die Annahme an Kindesstatt wird ein Erbrecht für den Annehmenden nicht begründet.

§ 1769. Der Annehmende hat über das Vermögen des Kindes, soweit es auf Grund der elterlichen Gewalt seiner Verwaltung unterliegt, auf seine Kosten ein Verzeichniß aufzunehmen und dem Vormundschafts­ gericht einzureichen; er hat das Verzeichniß mit der Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit zu versehen. Ist das eingereichte Ver­ zeichniß ungenügend, so findet die Vorschrift des § 1640 Abs. 2 Satz 1 Anwendung. Erfüllt der Annehmende die ihm nach Abs. 1 obliegende Verpflichtung nicht, so kann ihm das Vormundschaftsgericht die Vermögensverwaltung entziehen. Die Entziehung kann jederzeit wiederaufgehoben werden. § 1761. Will der Annehmende eine Ehe eingehen, während er die elterliche Gewalt über das Kind hat, so finden die Vorschriften der §§ 1669 bis 1671 Anwendung. § 1762. Die Wirkungen der Annahme an Kindesstatt erstrecken sich auf die Abkömmlinge des Kindes. Auf einen zur Zeit des Vertrags­ abschlusses schon vorhandenen Abkömmling und dessen später geborene Ab­ kömmlinge erstrecken sich die Wirkungen nur, wenn der Vertrag auch mit dem schon vorhandenen Abkömmlinge geschlossen wird. § 1763. Die Wirkungen der Annahme an Kindesstatt erstrecken sich nicht auf die Verwandten des Annehmenden. Der Ehegatte des Annehmenden wird nicht mit dem Kinde, der Ehegatte des Kindes wird nicht mit dem Annehmenden verschwägert. § 1764. Die Rechte und Pflichten, die sich aus dem Verwandtschafts­ verhältnisse zwischen dem Kinde und seinen Verwandten ergeben, werden durch die Annahme an Kindesstatt nicht berührt, soweit nicht das Gesetz ein Anderes vorschreibt. § 1765. Mit der Annahme an Kindesstatt verlieren die leiblichen Eltern die elterliche Gewalt über das Kind, die uneheliche Mutter das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen. Hat der Vater oder die Mutter dem Kinde Unterhalt zu gewähren, so treten das Recht und die Pflicht, sür die Person des Kindes zu sorgen,

Viertes Buch.

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Familienrecht.

wieder ein, wenn die elterliche Gewalt des Annehmenden endigt oder wenn sie wegen Geschäftsunfähigkeit des Annehmenden oder nach § 1677 ruht. Das Recht zur Vertretung des Kindes tritt nicht wieder ein.

§ 1766. Der Annehmende ist dem Kinde und denjenigen Ab­ kömmlingen des Kindes, auf welche sich die Wirkungen der Annahme erstrecken, vor den leiblichen Verwandten des Kindes zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet. Der Annehmende steht im Falle des § 1611 Abs. 2 den leiblichen Verwandten der aufsteigenden Linie gleich.

§ 1767. In dem Annahmevertrage kann die Nutznießung deS Annehmenden an dem Vermögen des Kindes sowie das Erbrecht des Kindes dem Annehmenden gegenüber ausgeschloflen werden. Im Uebrigen können die Wirkungen der Annahme an Kindesstatt in dem Annahmevertrage nicht geändert werden.

§ 1768. Das durch die Annahme an Kindesstatt begründete Rechtsverhältniß kann wiederaufgehoben werden. Die Aufhebung kann nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgen. Die Aufhebung erfolgt durch Vertrag zwischen dem Annehmenden, dem Kinde und denjenigen Abkömmlingen des Kindes, auf welche sich die Wirkungen der Annahme erstrecken. Hat ein Ehepaar gemeinschaftlich ein Kind angenommen oder hat ein Ehegatte ein Kind des anderen Ehegatten angenommen, so ist zu der Aufhebung die Mitwirkung beider Ehegatten erforderlich. § 1769. Nach dem Tode des Kindes können die übrigen Be­ theiligten das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältniß durch Vertrag aufheben. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 1757 Abs. 2 nach dem Tode eines der Ehegatten. 8 1770. Die für die Annahme an Kindesstatt geltenden Vorschriften des § 1741 Satz 2 und der §§ 1750, 1751, 1753 bis 1755 gelten auch für die Aufhebung. 8 1771. Schließen Personen, die durch Annahme an Kindesstatt verbunden find, der Vorschrift des § 1311 zuwider eine Ehe, so tritt mit der Eheschließung die Aufhebung des durch die Annahme zwischen ihnen begründeten Rechtsverhältnisses ein. Ist die Ehe nichtig, so wird, wenn dem einen Ehegatten die elterliche Gewalt über den anderen zusteht, diese mit der Eheschließung verwirkt. Die Verwirkung tritt nicht ein, wenn die Nichtigkeit der Ehe auf einem Formmangel beruht und die Ehe nicht in das Heiratsregister eingetragen worden ist. 8 1772. Mit der Aufhebung der Annahme an Kindesstatt ver­ lieren das Kind und diejenigen Abkömmlinge des Kindes, auf welche sich die Aufhebung erstreckt, das Recht, den Familiennamen des Annehmenden zu führen. Diese Vorschrift findet in den Fällen des § 1757 Abs. 2 keine Anwendung, wenn die Aufhebung nach dem Tode eines der Ehe­ gatten erfolgt. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

17

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Dritter Abschnitt.

Vormundschaft. Erster Titel.

Kormundschast über Minderjährig. I. Anordnung der Vormundschaft. K 1773. Ein Minderjähriger erhält einen Vormund, wenn er nicht unter elterlicher Gewalt steht oder wenn die Eltern weder in den die Person noch in den das Vermögen betreffenden Angelegenheiten zur Vertretung des Minderjährigen berechtigt sind. Ein Minderjähriger erhält einen Vormund auch dann, wenn sein Familienstand nicht zu ermitteln ist.

K 1774. Das Vormundschaftsgericht hat die Vormundschaft von Amtswegen anzuordnen.

§ 1775. Das Vormundschaftsgericht soll, sofern nicht besondere Gründe für die Bestellung mehrerer Vormünder vorliegen, für den Mündel und, wenn mehrere Geschwister zu bevormunden sind, für alle Mündel nur einen Vormund bestellen. § 1776. Als Vormünder sind in nachstehender Reihenfolge berufen: wer von dem Vater des Mündels als Vormund benannt ist; wer von der ehelichen Mutter des Mündels als Vormund benannt ist; der Großvater des Mündels von väterlicher Seite; der Großvater des Mündels von mütterlicher Seite. Die Großväter sind nicht berufen, wenn der Mündel von einem Anderen als dem Ehegatten seines Vaters oder seiner Mutter an Kindes­ statt angenommen ist. Das Gleiche gilt, wenn derjenige, von welchem der Mündel abstammt, von einem Anderen als dem Ehegatten seines Vaters oder seiner Mutter an Kindesstatt angenommen ist und die Wirkungen der Annahme sich auf den Mündel erstrecken. 1. 2. 3. 4.

$ 1777. Der Vater kann einen Vormund nur benennen, wenn ihm zur Zeit seines Todes die elterliche Gewalt über das Kind zusteht; er hat dieses Recht nicht, wenn er in den die Person oder in den das Vermögen betreffenden Angelegenheiten nicht zur Vertretung des Kindes berechtigt ist. Das Gleiche gilt für die Mutter. Der Vater kann für ein Kind, das erst nach seinem Tode geboren wird, einen Vormund benennen, wenn er dazu berechtigt sein würde, falls das Kind vor seinem Tode geboren wäre. Die Benennung des Vormundes erfolgt durch letztwillige Verfügung. K 1778. Wer nach § 1776 als Vormund berufen ist, darf ohne seine Zustimmung nur übergangen werden, wenn er nach den §§ 1780 bis 1784 nicht zum Vormunde bestellt werden kann oder soll oder wenn

Vicrtks Buch.

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Familienrecht.

er an der Uebernahnic der Vormundschaft verhindert ist oder die Ueber­ nahme verzögert oder wenn seine Bestellung das Interesse des Mündels gefährden würde. Ist der Berufene nur vorübergehend verhiildert, so hat ihn das Vormundschaftsgericht nach dem Wegfalle des Hindemisses auf seinen Antrag an Stelle des bisherigen Vormundes zum Vormunde zu bestellen. Für eine Ehefrau darf der Mann vor den nach § 1776 Berufenen, für ein uneheliches Kind darf die Mutter vor dem Großvater zum Vorinunde bestellt werden. Neben dem Berufenen darf nur mit dessen Zustimmung ein Mit­ vormund bestellt werden.

§ 1779. Ist die Vormundschaft nicht einem nach § 1776 Be­ rufenen zu übertragen, so hat das Vormundschaftsgericht nach Anhörung des Gemeindewaisenraths den Vormund auszuwählen. Das Vormundschaftsgericht soll eine Person auswählen, die nach ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie nach den sonstigen Umständen zur Führung der Vormundschaft geeignet ist. Bei der Auswahl ist auf das religiöse Bekenntniß des Mündels Rücksicht zu nehmen. Verwandte und Verschwägerte des Mündels sind zunächst jii berücksichtigen.

§ 1780. Zum Vormunde kann nicht bestellt werden, wer geschäfts­ unfähig oder wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht entmündigt ist. § 1781. Zum Vormunde soll nicht bestellt werden: 1. wer minderjährig oder nach § 1906 unter vorläufige Vormundschaft gestellt ist; 2. wer nach § 1910 zur Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten einen Pfleger erhalten hat; 3. wer in Konkurs gerathen ist, während der Dauer des Konkurses; 4. wer der bürgerlichen Ehrenrechte für verlustig erklärt ist, soweit sich nicht aus den Vorschriften des Strafgesetzbuchs ein Anderes ergiebt. § 1782. Zum Vormunde soll nicht bestellt werden, wer durch Anordnung des Vaters oder der ehelichen Mutter des Mündels von der Vormundschaft ausgeschlossen ist. Die Mutter kann den von dem Vater als Vormund Benannten nicht ausschließen. Auf die Ausschließung finden die Vorschriften des § 1777 Anwendung.

8 1783. Eine Frau, die mit einem Anderen als dem Vater des Mündels verheirathet ist, soll nur mit Zustimmung ihres Mannes zum Vormunde bestellt werden. 8 1784. Ein Beamter oder Religionsdieuer, der nach den Landes­ gesetzen einer besonderen Erlaubniß zur Uebernahme einer Vormundschaft bedarf, soll nicht ohne die vorgeschriebene Erlaubniß zum Vormunde be­ stellt werden. 8 1785. Jeder Deutsche hat die Vormundschaft, für die er von dem Dormundschaftsgericht ausgewählt wird, zu übernehmen, sofern nicht 17»

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

seiner Bestellung zum Vormund einer der in den §§ 1780 bis 1784 bestimmten Gründe entgegensteht.

§ 1786. Die Uebernahme der Vormundschaft kann ablehnen: 1. eine Frau; 2. wer das sechzigste Lebensjahr vollendet hat; 3. wer mehr als vier minderjährige eheliche Kinder hat; ein von einem Anderen an Kindesstatt angenommenes Kind wird nicht gerechnet; 4. wer durch Krankheit oder durch Gebrechen verhindert ist, die Vor­ mundschaft ordnungsmäßig zu führen; 5. wer wegen Entfernung seines Wohnsitzes von dem Sitze des Vormundschastsgerichts die Vormundschaft nicht ohne besondere Belästigung führen kann; 6. wer nach § 1844 zur Sicherheitsleistung angehalten wird; 7. wer mit einem Anderen zur gemeinschaftlichen Führung der Vormund­ schaft bestellt werden soll; 8. wer mehr als eine Vormundschaft oder Pflegschaft führt; die Vor­ mundschaft oder Pflegschaft über mehrere Geschwister gilt nur als eine; die Führung von zwei Gegenvormundschasten steht der Führung einer Vormundschaft gleich. Das Ablehnungsrecht erlischt, wenn es nicht vor der Bestellung bei dem Vormundschaftsgerichte geltend gemacht wird. § 1787. Wer die Uebernahme der Vormundschaft ohne Grund ablehnt, ist, wenn ihm ein Verschulden zur Last fällt, für den Schaden verantwortlich, der dem Mündel dadurch entsteht, daß sich die Bestellung des Vormundes verzögert. Erklärt das Vormundschaftsgericht die Ablehnung für unbegründet, so hat der Ablehnende, unbeschadet der ihm zustehenden Rechtsmittel, die Vormundschaft auf Erfordern des Vormundschaftsgerichts vorläufig zu übernehmen. § 1788. Das Dormundschaftsgericht kann den zum Vormund Ausgewählten durch Ordnungsstrafen zur Uebernahme der Vormundschaft anhalten. Die einzelne Strafe darf den Betrag von dreihundert Mark nicht übersteigen. Die Strafen dürfen nur in Zwischenräumen von mindestens einer Woche verhängt werden. Mehr als drei Strafen dürfen nicht ver­ hängt werden. § 1789. Der Vormund wird von dem Vormundschaftsgerichte durch Verpflichtung zu treuer und gewissenhafter Führung der Vor­ mundschaft bestellt. Die Verpflichtung soll mittelst Handschlags an Eides­ statt erfolgen.

§ 1796. Bei der Bestellung des Vormundes kann die Entlastung für den Fall vorbehaltm werden, daß ein bestimmtes Ereigniß eintritt oder nicht eintritt. § 1791.

Der Vormund erhält eine Bestallung. Die Bestallung soll enthalten den Namen und die Zeit der Geburt des Mündels, die Namen des Vormundes, des Gegenvormundes und der

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Familienrecht

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Mitvormünder sowie im Falle der Theilung der Vormundschaft die Art der Theilung. Ist ein Familienrath eingesetzt, so ist auch dies anzugeben.

§ 1792.

Neben dem Vormunde kann ein Gegenvormund bestellt werden. Ein Gegenvormund soll bestellt werden, wenn mit der Vormundschaft eine Vermögensverwaltung verbunden ist, es sei denn, daß die Verwaltung nicht erheblich oder daß die Vormundschaft von mehreren Vormündern gemeinschaftlich zu führen ist. Ist die Vormundschaft von mehreren Vormündern nicht gemeinschaftlich zu führen, so kann der eine Vormund zum Gegenvormunde des anderen bestellt werden. Auf die Berufung und Bestellung des Gegenvormundes finden die für die Berufung und Bestellung des Vormundes geltenden Vorschriften Anwendung.

II. Führung -er Vormundschaft.

§ 1793. Der Vormund hat das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Mündels zu sorgen, insbesondere den Mündel zu vertreten. § 1794. Das Recht und die Pflicht des Vormundes, für die Person und das Vermögen des Mündels zu sorgen, erstreckt sich nicht aus Angelegenheiten des Mündels, für die ein Pfleger bestellt ist. § 1795. Der Vormund kann den Mündel nicht vertreten: 1. bei einem Rechtsgeschäfte zwischen seinem Ehegatten oder einem seiner Verwandten in gerader Linie einerseits und dem Mündel andererseits, es sei denn, daß das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht; 2. bei einem Rechtsgeschäfte, das die Uebertragung oder Belastung einer durch Pfandrecht, Hypothek oder Bürgschaft gesicherten Forderung des Mündels gegen den Vormund oder die Aufhebung oder Minderung dieser Sicherheit zum Gegenstände hat oder die Verpflichtung des Mündels zu einer solchen Uebertragung, Belastung, Aufhebung oder Minderung begründet; 3. bei einem Rechtsstreite zwischen den in Nr. 1 bezeichneten Personen sowie bei einem Rechtsstreit über eine Angelegenheit der in Nr.'2 bezeichneten Art. Die Vorschrift des § 181 bleibt unberührt. K 1799. Das Vormundschaftsgericht kann dem Vormunde die Vertretung für einzelne Angelegenheiten oder für einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten entziehen. Die Entziehung soll nur erfolgen, wenn das Interesse des Mündels zu dem Interesse des Vormundes oder eines von diesem vertretenen Dritten oder einer der im § 1795 Nr. 1 bezeichneten Personen in erheblichem Gegensatze steht.

§ 1797. Mehrere Vormünder führen die Vormundschaft gemein­ schaftlich. Bei einer Meinungsverschiedenheit entscheidet das Vormundschafts­ gericht, sofern nicht bei der Bestellung ein Anderes bestimmt wird.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Das Vormundschaftsgericht kann die Führung der Vormundschaft unter mehrere Vormünder nach bestimmten Wirkungskreisen vertheilen. Innerhalb des ihm überwiesenen Wirkungskreises führt jeder Vormund die Vormundschaft selbständig. Bestimmungen, die der Vater oder die Mutter für die Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den von ihnen benannten Vor­ mündern und für die Vertheilung der Geschäfte unter diese nach Maßgabe des § 1777 getroffen hat, sind von dem Vormundschaftsgerichte zu befolgen, sofern nicht ihre Befolgung das Interesse des Mündels gefährden würde.

§ 1798« * Steht die Sorge für die Person und die Sorge für das Vermögen des Mündels verschiedenen Vormündern zu, so entscheidet bei einer Meinungsverschiedenheit über die Vornahme einer sowohl die Person als das Vermögen des Mündels betreffenden Handlung das Vormundschaftsgericht.

§ 1799, Der Gegenvormund hat darauf zu achten, daß der Vormund die Vormundschaft pflichtmäßig führt. Er hat dem Vormundschastsgerichte Pflichtwidrigkeiten des Vormundes sowie jeden Fall unver­ züglich anzuzeigen, in welchem das Vormundschaftsgericht zum Einschreiten berufen ist, insbesondere den Tod des Vormundes oder den Eintritt eines anderen Umstandes, in Folge deffen das Amt des Vormundes endigt oder die Entlassung des Vormundes erforderlich wird. Der Vormund hat dem Gegenvormund auf Verlangen über die Führung der Vormundschaft Auskunft zu erthellen und die Einsicht der sich auf die Vormundschaft beziehenden Papiere zu gestatten. K 1890. Das Recht und die Pflicht des Vormundes, für die Person des Mündels zu sorgen, bestimmt sich nach den für die elterliche Gewalt geltenden Vorschriften der §§ 1631 bis 1633. § 1801« Die Sorge für die religiöse Erziehung des Mündels kann dem Vormunde von dem Dormundschaftsgericht entzogen werden, wenn der Vormund nicht dem Bekenntniß angehört, m dem der Mündel zu erziehen ist. § 1802. Der Vormund hat das Vermögen, das bei der An­ ordnung der Vormundschaft vorhanden ist oder später dem Mündel zufällt, zu verzeichnen und das Verzeichniß, nachdem er es mit der Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit versehen hat, dem Vormundschaftsgericht einzureichen. Ist ein Gegenvormund vorhanden, so hat ihn der Vormund bei der Aufnahme des Verzeichniffes zuzuziehen; das Verzeichniß ist auch von dem Gegenvormunde mit der Versicherung der Richtigkeit und Voll-ständigkeit zu versehen. Der Vormund kann sich bei der Aufnahme des Verzeichniffes der Hülfe eines Beamten, eines Notars oder eines anderen-Sachverständigen bedienen. Ist das eingereichte Verzeichniß ungenügend, so kann das Vormundfchaftsgericht anordnen, daß das Verzeichniß durch eine zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar ausgenommen wird.

Viertes Buch.

Familienrecht.

263

§ 1803. Was der Mündel von Todeswegen erwirbt oder was ihm unter Lebenden von einem Dritten unentgeltlich zugewendet wird, hat der Bormund nach den Anordnungen des Erblassers oder des Dritten zu verwalten, wenn die Anordnungen von dem Erblasser durch letztwillige Verfügung, von dem Dritten bei der Zuwendung getroffen worden sind. Der Vormund darf mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts von den Anordnungen abweichen, wenn ihre Befolgung das Interesse des Mündels gefährden würde. Zu einer Abweichung von den Anordnungen, die ein Dritter bei einer Zuwendung unter Lebenden getroffen hat, ist, solange er lebt, seine Zustimmung erforderlich und genügend. Die Zustimmung des Dritten kann durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden, wenn der Dritte zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist. § 1804. Der Vormund kann nicht in Vertretung des Mündels Schenkungen machen. Ausgenommen sind Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht ent­ sprochen wird. § 1805.

Der Vormund darf Vermögen des Mündels nicht für

sich verwenden.

§ 1806. Der Vormund hat das zum Vermögen des Mündels gehörende Geld verzinslich anzulegen, soweit es nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereit zu halten ist. § 1807. Die im § 1806 vorgeschriebene Anlegung von Mündel­ geld soll nur erfolgen: 1. in Forderungen, für die eine sichere Hypothek an einem inländischen Grundstücke besteht, oder in sicheren Grundschulden oder Renten­ schulden an inländischen Grundstücken; 2. in verbrieften Forderungen gegen das Reich oder einen Bundesstaat sowie in Forderungen, die in das Reichsschuldbuch oder in das Staatsschuldbuch eines Bundesstaats eingetragen sind; 3. in verbrieften Forderungen, deren Verzinsung von dem Reiche oder einem Bundesstaate gewährleistet ist; 4. in Wertpapieren, insbesondere Pfandbriefen, sowie in verbrieften Forderungen jeder Art gegen eine inländische kommunale Körperschaft oder die Kreditanstalt einer solchen Körperschaft, sofern die Werth­ papiere oder die Forderungen von dem Bundesrathe zur Anlegung von Mündelgeld für geeignet erklärt sind; 5. bei einer inländischen öffentlichen Sparkasse, wenn sie von der zu­ ständigen Behörde des Bundesstaats, in welchem sie ihren Sitz hat, zur Anlegung von Mündelgeld für geeignet erklärt ist. Die Landesgesetze können für die innerhalb ihres Geltungsbereichs belegenen Grundstücke die Grundsätze bestimmen, nach denen die Sicherheit einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld festzustellen ist.

§ 1808. Kann die Anlegung den Umständen nach nicht in der im 8 1807 bezeichneten Weise erfolgen, so ist das Geld bei der Reichs-

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

bank, bei einer Staatsbank oder bei einer anderen durch Landesgesetz dazu für geeignet erklärten inländischen Bank oder bei einer Hinterlegungsstelle anzulegen.

§ 1809. Der Vormund soll Mündelgeld nach § 1807 Abs. 1 Nr. 5 ober nach § 1808 nur mit der Bestimmung anlegen, daß zur Er­ hebung des Geldes die Genehmigung des Gegenvormundes oder des Dormundschastsgerichts erforderlich ist. § 1810. Der Vormund soll die in den 88 1806 bis 1808 vor­ geschriebene Anlegung nur mit Genehmigung des Gegenvormundes bewirken; die Genehmigung des Gegenvormundes wird durch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ersetzt. Ist ein Gegenvormund nicht vorhanden, so soll die Anlegung nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erfolgen, sofern nicht die Vormundschaft von mehreren Vormündern gemeinschaftlich geführt wird. K 1811» Das Vormundschaftsgericht kann aus besonderen Gründen dem Vormund eine andere Anlegung als die in den §§ 1807, 1808 vorgeschriebene gestatten.

§ 1812. Der Vormund kann über eine Forderung oder über ein anderes Recht, kraft dessen der Mündel eine Leistung verlangen kann, sowie über ein Werthpapier des Mündels nur mit Genehmigung des Gegenvormundes verfügen, sofern nicht nach den §§ 1819 bis 1822 die Genehmigung des Dormundschastsgerichts erforderlich ist. Das Gleiche gilt von der Eingehung der Verpflichtung zu einer solchen Verfügung. Die Genehmigung des Gegenvormundes wird durch die Genehmigung des Vormundschastsgerichts ersetzt. Ist ein Gegenvormund nicht vorhanden, so tritt an die Stelle der Genehmigung des Gegenvormundes die Genehmigung des Vormundschafts­ gerichts, sofern nicht die Vormundschaft von mehreren Vormündern ge­ meinschaftlich geführt wird. § 1813. Der Vormund bedarf nicht der Genehmigung des Gegenvormundes zur Annahme einer geschuldeten Leistung: 1. wenn der Gegenstand der Leistung nicht in Geld oder Werthpapieren besteht; 2. wenn der Anspruch nicht mehr als dreihundert Mark beträgt; 3. wenn Geld zurückgezahlt wird, das der Vormund angelegt hat; 4. wenn der Anspruch zu den Nutzungen des Mündelvermögens gehört; 5. wenn der Anspruch auf Erstattung von Kosten der Kündigung ober der Rechtsverfolgung oder auf sonstige Nebenleistungen gerichtet ist. Die Befreiung nach Abs. 1 Nr. 2, 3 erstreckt sich nicht auf die Er­ hebung von Geld, bei besten Anlegung ein Anderes bestimmt worden ist. Die Befreiung nach Abs. 1 Nr. 3 gilt auch nicht für die Erhebung von Geld, das nach § 1807 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 angelegt ist. § 1814. Der Vormund hat die zu dem Vermögen des Mündels gehörenden Jnhaberpapiere nebst den Erneuerungsscheine.l bei einer Hinter­ legungsstelle oder bei der Reichsbank mit der Bestimmung zu hinterlegen, daß die Herausgabe der Papiere nur mit Genehmigung des Vormund-

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Familienrecht.

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schastsgerichts verlangt werden kann. Die Hinterlegung Don Inhaber­ papieren , die nach § 92 zu den verbrauchbaren Sachen gehören, sowie von Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheinen ist nicht erforderlich. Den Jnhaberpapieren stehen Orderpapiere gleich, die mit Blankoindossament versehen sind.

§ 1815. Der Vormund kann die Jnhaberpapiere, statt sie nach 8 1814 zu hinterlegen, auf den Namen des Mündels mit der Bestimmung umschreiben lassen, daß er über sie nur mit Genehmigung des Vormund­ schaftsgerichts verfügen kann. Sind die Papiere von dem Reiche oder einem Bundesstaat ausgestellt, so kann er sie mit der gleichen Bestimmung in Buchforderungen gegen das Reich oder den Bundesstaat umwandeln lassen. Sind Jnhaberpapiere zu hinterlegen, die in Buchforderungen gegen das Reich oder einen Bundesstaat umgewandelt werden können, so kann das Vormundschaftsgericht anordnen, daß sie nach Abs. 1 in Buch­ forderungen umgewandelt werden. K 1816. Gehören Buchforderungen gegen das Reich oder gegen einen Bundesstaat bei der Anordnung der Vormundschaft zu dem Ver­ mögen des Mündels oder erwirbt der Mündel später solche Forderungen, so hat der Vormund in das Schuldbuch den Vermerk eintragen zu lasten, daß er über die Forderungen nur mit Genehmigung des Vormundschafts­ gerichts verfügen kann. § 1817. Das Vormundschaftsgericht kann aus besonderen Gründen den Vormund von den ihm nach den §§ 1814, 1816 obliegenden Ver­ pflichtungen entbinden. § 1818. Das Vormundschaftsgericht kann aus besonderen Grün­ den anordnen, daß der Vormund auch solche zu dem Vermögen des Mündels gehörende Werthpapiere, zu deren Hinterlegung er nach § 1814 nicht verpflichtet ist, sowie Kostbarkeiten des Mündels in der im § 1814 bezeichneten Weise zu hinterlegen hat; auf Antrag des Vormundes kann die Hinterlegung von Zins-, Renten- und Gewinnantheilscheinen angeordnet werden, auch wenn ein besonderer Grund nicht vorliegt. § 1819. Solange die nach § 1814 oder nach § 1818 hinter­ legten Werthpapiere oder Kostbarkeiten nicht zurückgenommen sind, bedar, der Vormund zu einer Verfügung über sie und, wenn Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuldbriefe hinterlegt sind, zu einer Verfügung über die Hypothekenforderung, die Grundschuld oder die Rentenschuld der Ge­ nehmigung des Vormundschaftsgerichts. Das Gleiche gilt von der Ein­ gehung der Verpflichtung zu einer solchen Verfügung.

§ 1820. Sind Jnhaberpapiere nach § 1815 auf den Namen des Mündels umgeschrieben oder in Buchforderungen umgewandelt, so bedarf der Vormund auch zur Eingehung der Verpflichtung zu einer Ver­ fügung über die sich aus der Umschreibung oder der Umwandlung er­ gebenden Stammsorderungen der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Das Gleiche gilt, wenn bei einer Buchforderung des Mündels der im § 1816 bezeichnete Vermerk eingetragen ist.

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I. Bürgerliches Geschbuch.

§ 1821. Der Vormund bedarf der Genehmigung des Vormundschastsgerichts: 1. zur Verfügung über ein Grundstück oder über ein Recht an einem Grundstücke; 2. zur Verfügung über eine Forderung, die auf Uebertragung des Eigenthums an einem Grundstück oder auf Begründung oder Uebertragung eines Rechtes an einem Grundstück oder auf Befreiung eines Grundstücks von einem solchen Rechte gerichtet ist; 3. zur Eingehung der Verpflichtung zu einer der in Nr. 1, 2 bezeich­ neten Verfügungen; 4. zu einem Vertrage, der aut den entgeltlichen Erwerb eines Grund­ stücks oder eines Rechtes an einem Grundstücke gerichtet ist. Zu den Rechten an einem Grundstück im Sinne dieser Vorschriften gehören nicht Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden.

§ 1822.

Der Vormund bedarf der Genehmigung des Vormund­

schaftsgerichts: 1. zu einem Rechtsgeschäfte, durch das der Mündel zu einer Verfügung über sein Vermögen im Ganzen oder über eine ihm angefallene Erbschaft oder über seinen künftigen gesetzlichen Erbtheil oder seinen künftigen Pstichttheil verpflichtet wird, sowie zu einer Verfügung über den Antheil des Mündels an einer Erbschaft; 2 zur Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses, zum Verzicht auf einen Pflichttheil sowie zu einem Erbtheilungsvertrage; 3. zu einem Vertrage, der auf den entgeltlichen Erwerb oder die Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts gerichtet ist, sowie zu einem Gesellschastsvertrage, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschästs ein­ gegangen wird; 4. zu einem Pachtvertrag über ein Landgut oder einen gewerblichen Betrieb; 5. zu einem Mieth- oder Pachtvertrag oder einem anderen Vertrage, durch den der Mündel zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet wird, wenn das Vertragsverhältniß länger als ein Jahr nach der Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahrs des Mündels fort­ dauern soll; 6. zu einen: Lehrvertrage, der für längere Zeit als ein Jahr geschloßen wird; 7. zu einem auf die Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses gerichteten Vertrage, wenn der Mündel zu persönlichen Leistungen für längere Zeit als ein Jahr verpflichtet werden soll; 8. zur Aufnahme von Geld auf den Kredit des Mündels; 9. zur Ausstellung einer Schuldverschreibung auf den Inhaber oder zur Eingehung einer Verbindlichkeit aus einem Wechsel oder einem anderen Papiere, das durch Indossament übertragen werden kann; 10. zur Uebernahme einer fremden Verbindlichkeit, insbesondere zur Ein­ gehung einer Bürgschaft; 11. zur Ertheilung einer Prokura; 12. zu einem Vergleich oder einem Schiedsvertrag, es sei denn, daß der Gegenstand des Streites oder der Ungewißheit in Geld schätzbar ist und den Werth von dreihundert Mark nicht übersteigt;

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13. zu

einem Rechtsgeschäfte, durch das die für eine Forderung des Mündels bestehende Sicherheit aufgehoben oder gemindert oder die Verpflichtung dazu begründet wird.

§ 1823. Der Vormund soll nicht ohne Genehmigung des Vor­ mundschaftsgerichts ein neues Erwerbsgeschäft im Namen des Mündels beginnen oder ein bestehendes Erwerbsgeschäft des Mündels auflösen. § 1824. Ter Vormund kann Gegenstände, zu deren Veräußerung die Genehmigung des Gegenvormundes oder des Vormundschaftsgerichts erforderlich ist, dem Mündel nicht ohne diese Genehmigung zur Erfüllung eines von diesem geschlossenen Vertrags oder zu freier Verfügung überlassen. § 1825. Das Vormundschaftsgericht kann dem Dormunde zu Rechtsgeschäften, zu denen nach § 1812 die Genehmigung des Gegen­ vormundes erforderlich ist, sowie zu den im § 1822 Nr. 8 bis 10 be­ zeichneten Rechtsgeschäften eine allgemeine Ermächtigung ertheilen. Die Ermächtigung soll nur ertheilt werden, wenn sie zum Zwecke der Vermögensverwaltung, insbesondere zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, erforderlich ist.

§ 1826. Das Vormundschaftsgericht soll vor der Entscheidung über die zu einer Handlung des Vormundes erforderliche Genehmigung den Gegenvormund hören, sofern ein solcher vorhanden und die Anhörung thunlich ist. H 1827. Das Vormundschaftsgericht soll den Mündel hören vor der Entscheidung über die Genehmigung eines Lehrvertrags oder eines auf die Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses gerichteten Ver­ trags und, wenn der Mündel das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat, über die Entlastung aus dem Staatsverbande. Hat der Mündel das achtzehnte Lebensjahr vollendet, so soll ihn das Vormundschaftsgericht, soweit thunlich, auch hören vor der Entscheidung über die Genehmigung eines der im § 1821 und im § 1822 Nr. 3 be­ zeichneten Rechtsgeschäfte sowie vor der Entscheidung über die Genehmigung des Beginns oder der Auflösung eines Erwerbsgeschäfts. K 1828. Das Vormundschaftsgericht kann die Genehmigung zu einem Rechtsgeschäfte nur dem Vormunde gegenüber erklären.

§ 1829. Schließt der Vormund einen Vertrag ohne die erforder­ liche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der nachträglichen Genehmigung des Vormundschafts­ gerichts ab. Die Genehmigung sowie deren Verweigerung wird dem anderen Theile gegenüber erst wirksam, wenn sie ihm durch den Vormund mit­ getheilt wird. Fordert der andere Theil den Vormund zur Mittheilung darüber auf, ob die Genehmigung ertheilt sei, so kann die Mittheilung der Genehmigung nur bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach dem Empfange der Aufforderung erfolgen; erfolgt sie nicht, so gilt die Genehmigung als verweigert.

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I

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Ist der Mündel volljährig geworden, so tritt seine Genehmigung an die Stelle der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.

§ 1830. Hat der Vormund dem anderen Theile gegenüber der Wahrheit zuwider die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts behauptet, so ist der andere Theil bis zur Mittheilung der nachträglichen Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zum Widerrufe berechtigt, es sei denn, daß ihm das Fehlen der Genehmigung bei dem Abschlüße des Vertrags bekannt war. § 1831. Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das der Vormund ohne die erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts vornimmt, ist unwirksam. Nimmt der Vormund mit dieser Genehmigung ein solches Rechtsgeschäft einem Anderen gegenüber vor, so ist das Rechtsgeschäft unwirksam, wenn der Vormund die Genehmigung nicht in schriftlicher Form vorlegt und der Andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. K 1832. Soweit der Vormund zu einem Rechtsgeschäfte der Genehmigung des Gegenvormundes bedarf, finden die Vorschriften der §§ 1828 bis 1831 entsprechende Anwendung. K 1833. Der Vormund ist dem Mündel für den aus einer Pflichtverletzung entstehenden Schaden verantwortlich, wenn ihm ein Ver­ schulden zur Last fällt. Das Gleiche gilt von dem Gegenvormunde. Sind für den Schaden Mehrere neben einander verantwortlich, so haften sie als Gesammtschuldner. Ist neben dem Vormunde für den von diesem verursachten Schaden der Gegenvormund oder ein Mitvormund nur wegen Verletzung seiner Aufsichtspflicht verantwortlich, so ist in ihrem Verhältniffe zu einander der Vormund allein verpflichtet. K 1834. Verwendet der Vormund Geld des Mündels für sich, so hat er es von der Zeit der Verwendung an zu verzinsen.

§ 1835. Macht der Vormund zum Zwecke der Führung der Vormundschaft Aufwendungen, so kann er nach den für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 669, 670 von dem Mündel Vorschuß oder Ersatz verlangen. Das gleiche Recht steht dem Gegenvormunde zu. Als Aufwendungen gelten auch solche Dienste des Vormundes oder des Gegenvormundes, die zu seinem Gewerbe oder seinem Berufe gehören. § 1836. Die Vormundschaft wird unentgeltlich geführt. Das Vormundschaftsgericht kann jedoch dem Vormund und aus besonderen Gründen auch dem Gegenvormund eine angemessene Vergütung bewilligen. Die Bewilligung soll nur erfolgen, wenn das Vermögen des Mündels sowie der Umfang und die Bedeutung der vormundschaftlichen Geschäfte es rechtfertigen. Die Vergütung kann jederzeit für die Zukunft geändert oder entzogen werden. Vor der Bewilligung, Aenderung oder Entziehung soll der Vormund und, wenn ein Gegeuvormund vorhanden oder zu bestellen ist, auch dieser gehört werden.

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III. Fürsorge iiub Aussicht des Vormnndschaftsgerichts.

§ 1837. Das Vormundschaftsgericht hat über die gesammte Thätigkeit des Vormundes und des Gegenvormundes die Aufsicht zu führen und gegen Pflichtwidrigkeiten durch geeignete Gebote und Verbote einzuschreiten. Das Dormundschaftsgericht kann den Vormund und den Gegen­ vormund zur Befolgung seiner Anordnungen durch Ordnungsstrafen an­ halten. Die einzelne Strafe darf den Betrag von dreihundert Mark nicht übersteigen.

§ 1838. Das Vormundschaftsgericht kann anordnen, daß der Mündel zum Zwecke der Erziehung in einer geeigneten Familie oder in einer Erziehungsanstalt oder einer Besserungsanstalt untergebracht. wird. Steht dem Vater oder der Mutter die Sorge für die Person des Mündels zu, so ist eine solche Anordnung nur unter den Voraussetzungen des § 1666 zulässig.

§ 1839. Der Vormund sowie der Gegenvormund hat dem Vor­ mundschaftsgericht auf Verlangen jederzeit über die Führung der Vor­ mundschaft und über die persönlichen Verhältnisse des Mündels Auskunft zu ertheilen. § 1840. Der Vormund hat über seine Vermögensverwaltung dem Vormundschaftsgerichte Rechnung zu legen. Die Rechnung ist jährlich zu legen. Das Rechnungsjahr wird von dem Vormundschastsgerichte bestimmt. Ist die Verwaltung von geringem Umfange, so kann das Vormund­ schaftsgericht, nachdem die Rechnung für das erste Jahr gelegt worden ist, auordnen, daß die Rechnung für längere, höchstens dreijährige Zeitabschnitte zu legen ist. § 1841. Die Rechnung soll eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalten, über den Ab- und Zugang des Vermögens Auskunft geben und, soweit Belege ertheilt zu werden pflegen, mit Belegen versehen sein. Wird ein Erwerbsgeschäft mit kaufmännischer Buchführung betrieben, so genügt als Rechnung eine aus den Büchern gezogene Bilanz. Das Vormundschaftsgericht kann jedoch die Vorlegung der Bücher und sonstigen Belege verlangen. § 1842. Ist ein Gegenvormund vorhanden oder zu bestellen, so hat ihm der Vormund die Rechnung unter Nachweisung des Vermögens­ bestandes vorzulegen. Der Gegenvormund hat die Rechnung mit den. Bemerkungen zu versehen, zu denen die Prüfung ihm Anlaß giebt.

K 1843. Das Vormundschaftsgericht hat die Rechnung rechnungs­ mäßig und sachlich zu prüfen und, soweit erforderlich, ihre Berichtigung und Ergänzung herbeizusühren. Ansprüche, die zwischen dem Vormund und dem Mündel streitig bleiben, können schon vor der Beendignng des Vormundschaftsverhältnifses im Rechtswege geltend gemacht werden.

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K 1844. Das Vormundschaftsgericht kann aus besonderen Gründen den Vormund anhalten, für das seiner Verwaltung unterliegende Ver­ mögen Sicherheit zu leisten. Die Art und den Umfang der Sicherheitsleistung bestimmt das Dormundschastsgericht nach seinem Ermessen. Das Vormundschaftsgericht kann, solange das Amt des Vormundes dauert, jederzeit die Erhöhung, Minderung oder Aufhebung der Sicherheit anordnen. Bei der Bestellung, Aenderung oder Aufhebung der Sicherheit wird die Mitwirkung des Mündels durch die Anordnung des Vormundschafts­ gerichts ersetzt. Die Kosten der Sicherheitsleistung sowie der Aenderung oder der Aufhebung fallen dem Mündel zur Last.

§ 1845. Will der zum Vormunde bestellte Vater oder die zum Vormunde bestellte eheliche Mutter des Mündels eine Ehe eingehen, so liegen ihnen die im § 1669 bestimmten Verpflichtungen ob. § 1846. Ist ein Vormund noch nicht bestellt oder ist der Vor­ mund an der Erfüllung seiner Pflichten verhindert, so hat das Vormund­ schaftsgericht die im Interesse des Mündels erforderlichen Maßregeln zu treffen. § 1847. Das Vormundschaftsgericht soll vor einer von ihm zu treffenden Entscheidung auf Antrag des Vormundes oder des Gegen­ vormundes Verwandte oder Verschwägerte des Mündels hören, wenn es ohne erhebliche Verzögerung und ohne unverhältnißmäßige Kosten geschehen kann. In wichtigen Angelegenheiten soll die Anhörung auch ohne Antrag erfolgen; wichtige Angelegenheiten sind insbesondere die Volljährigkeits­ erklärung, die Ersetzung der Einwilligung zur Eheschließung im Falle des 8 1304, die Ersetzung der Genehmigung im Falle des § 1337, die Ent­ lassung aus dem Staatsverband und die Todeserklärung. Die Verwandten und Verschwägerten können von dem Mündel Ersatz ihrer Auslagen verlangen; der Betrag der Auslagen wird von dem Vormundschaftsgerichte festgesetzt. § 1848. Verletzt der Vormundschaftsrichter vorsätzlich oder fahr­ lässig die ihm obliegenden Pflichten, so ist er dem Mündel nach § 839 Abs. 1, 3 verantwortlich.

IV. Mitwirkung des Gemeindewaisenraths. § 1849.

Der Gemeindewaisenrath hat dem Vormundschastsgerichte die Personen vorzuschlagen, die sich im einzelnen Falle zum Vormunde, Gegenvormund oder Mitglied eines Familienraths eignen.

§ 1856. Der Gemeindewaisenrath hat in Unterstützung des Vormundschaftsgerichts darüber zu wachen, daß die Vormünder der sich in seinem Bezirk aufhaltende» Mündel für die Person der Mündel, ins­ besondere für ihre Erziehung und ihre körperliche Pflege, pflichtmäßig Sorge tragen. Er hat dem Vormundschaftsgerichte Mängel und Pflicht­ widrigkeiten, die er in dieser Hinsicht wahrnimmt, anzuzeigen und auf Erfordern über das persönliche Ergehen und das Verhalten eines Mündels Auskunft aii ertheilen.

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Erlangt der Gemeindewaisenrath Kenntniß von einer Gefährdung des Vermögens eines Mündels, so hat er dem Vormundschaftsgericht Anzeige zu machen.

§ 1851. Das Vormundschaftsgericht hat dem Gcmeindewaisenrathe die Anordnung der Vormundschaft über einen sich in dessen Bezirk aufhältenden Mündel unter Bezeichnung des Vormundes und des Gegen­ vormundes sowie einen in der Person des Vormundes oder des Gegen­ vormundes eintretenden Wechsel mitzutheilen. Wird der Aufenthalt eines Mündels in den Bezirk eines anderen Gemeindewaisenraths verlegt, so hat der Vormund dem Gemeindewaisenrathe des bisherigen Aufenthaltsorts und dieser dem Gemeindewaisenrathe des neuen Aufenthaltsorts die Verlegung mitzutheilen.

V. Befreite Vormundschaft. § 1852.

Der Vater kann, wenn er einen Vormund benennt, die Bestellung eines Gegenvormundes ausschließen. Der Vater kann anordnen, daß der von ihm benannte Vormlind bei der Anlegung von Geld den in den §§ 1809, 1810 bestimmten Beschränkungen nicht unterliegen und zu den im § 1812 bezeichneten Rechts­ geschäften der Genehmigung des Gegenvormundes oder des Vormundschafts­ gerichts nicht bedürfen soll. Diese Anordnungen sind als getroffen anzu­ sehen, wenn der Vater die Bestellung eines Gegenvormundes ausgeschlossen hat.

8 1853. Der Vater kann den von ihm benannten Vormund von der Verpflichtung entbinden, Inhaber- und Orderpapiere zu hinter­ legen und den im 8 1816 bezeichneten Vermerk in das Reichsschuldbuch oder das Staatsschuldbuch eintragen zu lassen. 8 1854. Der Vater kann den von ihm benannten Vormund von der Verpflichtung entbinden, während der Dauer seines Amtes Rechnung zu legen. Der Vormund hat in einem solchen Falle nach dem Ablaufe von je zwei Jahren eine Uebersicht über den Bestand des seiner Verwaltung unterliegenden Vermögens dem Vormundschaftsgericht einzureichen. Das Vormundschaftsgericht kann anordnen, daß die Uebersicht in längeren, höchstens fünfjährigen Zwischenräumen einzureichen ist. Ist ein Gegenvormund vorhanden oder zu bestellen, so hat ihm der Vormund die Uebersicht unter Nachweisung des Vermögensbestandes vor­ zulegen. Der Gegenvormund hat die Uebersicht mit den Bemerkungeil zu versehen, zu denen die Prüfung ihm Anlaß giebt. 8 1855. Benennt die eheliche Mutter einen Vormund, so kann sie die gleichen Anordnungen treffen wie nach den §§ 1852 bis 1854 der Vater.

8 1856. Auf die nach den §§ 1852 bis 1855 zulässigen An­ ordnungen finden die Vorschriften des 8 1777 Anwendung. 8 1857. Die Anordnungen des Vaters oder der Mutter können von dem Vormundschaftsgericht außer Kraft gesetzt werden, wenn ihre Befolgung das Jntereffe des Mündels gefährden würde.

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VI. Familienrath. § 1858» Ein Familienrath soll von dem Dormundschaftsgericht eingesetzt werden, wenn der Vater oder die eheliche Mutter des Mündels die Einsetzung angeordnet hat. Der Vater oder die Mutter kann die Einsetzung des Familienraths von dem Eintritt oder Nichteintritt eines bestimmten Ereignisses ab­ hängig machen. Die Einsetzung unterbleibt, wenn die erforderliche Zahl geeigneter Personen nicht vorhanden ist.

§ 1859» Ein Familienrath soll von dem Dormundschaftsgericht eingesetzt werden, wenn ein Verwandter oder Verschwägerter des Mündels oder der Vormund oder der Gegenvormund die Einsetzung beantragt und das Vormundschastsgericht sie im Interesse des Mündels für angemessen erachtet. Die Einsetzung unterbleibt, wenn der Vater oder die eheliche Mutter des Mündels sie untersagt hat. § 1860» Der Familienrath besteht aus dem Vormundschafts­ richter als Vorsitzendem und aus mindestens zwei, höchstens sechs Mitgliedern.

K 1861. Als Mitglied des Familienraths ist berufen, wer von dem Vater oder der ehelichen Mutter des Mündels als Mitglied benannt ist. Die Vorschriften des § 1778 Abs. 1, 2 finden entsprechende An­ wendung. H 1862. Soweit eine Berufung nach § 1861 nicht vorliegt oder die Berufenen die Uebernahme des Amtes ablehnen, hat das Vormund­ schastsgericht die zur Beschlußfähigkeit des Familienraths erforderlichen Mitglieder auszuwählen. Vor der Auswahl sollen der Gemeindewäisenrath und nach Maßgabe des § 1847 Verwandte oder Verschwägerte des Mündels gehört werden. Die Bestimmung der Zahl weiterer Mitglieder und ihre Auswahl steht dem Familienrathe zu.

K 1863. Sind neben dem Vorsitzenden nur die zur Beschluß­ fähigkeit des Familienraths erforderlichen Mitglieder vorhanden, so sind ein oder zwei Ersatzmitglieder zu bestellen. Der Familienrath wählt die Ersatzmitglieder aus und bestimmt die Reihenfolge, in der sie bei der Verhinderung oder dem Wegfall eines Mitglieds in den Familienrath einzutreten haben. Hat der Vater oder die eheliche Mutter Ersatzmitglieder benannt und die Reihenfolge ihres Eintritts bestimmt, so ist diese Anordnung zu befolgen. % 1864. Wird der Familienrath durch vorübergehende Ver­ hinderung eines Mitglieds beschlußunfähig und ist ein Ersatzmitglied nicht vorhanden, so ist für die Dauer der Verhinderung ein Ersatzmitglied zu bestellen. Die Auswahl steht dem Vorsitzenden zu. § 1865. Zum Mitglieds des Familienraths kann nicht bestellt werden, wer geschäftsunfähig oder wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht entmündigt ist.

Vintes Buch.

§ 1866.

Zum

273

Familienrecht.

Mitglied« des Familienraths soll nicht bestellt

werden:

1. der Vormund des Mündels; 2. wer nach § 1781 oder nach § 1782 nicht zum Vormunde bestellt werden soll; 3. wer durch Anordnung des Vaters oder der ehelichen Mutter des Mündels von der Mitgliedschaft ausgeschlossen ist.

§ 1867. Zum Mitgliede des Familienraths soll nicht bestellt werden, wer mit dem Mündel weder verwandt noch verschwägert ist, es sei denn, daß er von dem Vater oder der ehelichen Mutter des Mündels benannt oder von dem Familienrath oder nach § 1864 von dem Vor­ sitzenden ausgewählt worden ist.

§ 1868. Für die nach den §§ 1858, 1859, 1861, 1863, 1866 zulässigen Anordnungen des Vaters oder der Mutter gelten die Vorschriften des § 1777. Die Anordnungen des Vaters gehen den Anordnungen der Mutter vor.

§ 1869. Niemand ist verpflichtet, das Amt eines Mitglieds des Familienraths zu übernehmen. § 1876. Die Mitglieder des Familienraths werden von dem Vorsitzenden durch Verpflichtung zu treuer und gewissenhafter Führung des Amtes bestellt. Die Verpflichtung soll mittelst Handschlags an Eidesstatt erfolgen.

§ 1871. Bei der Bestellung eines Mitglieds des Familienraths kann die Entlassung für den Fall Vorbehalten werden, daß ein bestimmtes Ereigniß eintritt oder nicht eintritt. § 1872. Der Familienrath hat die Rechte und Pflichten des Vormundschaftsgerichts. Die Leitung der Geschäfte liegt dem Vorsitzenden ob. Die Mitglieder des Familienraths können ihr Amt nur persönlich ausüben. Sie sind in gleicher Weise verantwortlich wie der Vormundschafts­ richter. § 1873. Der Familienrath wird von dem Vorsitzenden einberufen. Die Einberufung hat zu erfolgen, wenn zwei Mitglieder, der Vormund oder der Gegenvormund sie beantragen oder wenn das Interesse des Mündels sie erfordert. Die Mitglieder können mündlich oder schriftlich eingeladen werden. § 1874. Zur Beschlußfähigkeit des Familienraths ist die Anwesenheit des Vorsitzenden und mindestens zweier Mitglieder erforderlich. Der Familienrath faßt seine Beschlüsse nach der Mehrheit der Stimmen der Anwesenden. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Steht in einer Angelegenheit das Interesse des Mündels zu dem Jnterefle eines Mitglieds in erheblichem Gegensatze, so ist das Mitglied von der Theilnahme an der Beschlußfassung ausgefchlossen. Ueber die Ausschließung entscheidet der Vorsitzende. Bürgerliches Gesetzbuch unb Nebengesetze.

18

274

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1875* Ein Mitglied des Familienraths, das ohne genügende Entschuldigung der Einberufung nicht Folge leistet oder die rechtzeitige Anzeige seiner Verhinderung unterläßt oder sich der Theilnahme an der Beschlußfassung enthält, ist von dem Vorsitzenden in die dadurch verur­ sachten Kosten zu verurtheilen. Der Vorsitzende kann gegen das Mitglied eine Ordnungsstrafe bis zu einhundert Mark verhängen. Erfolgt nachträglich genügende Entschuldigung, so sind die getroffenen Verfügungen aufzuheben.

§ 1876« Wird ein sofortiges Einschreiten nöthig, so hat der Vor­ sitzende die erforderlichen Anordnungen zu treffen, den Familienrath einzuberufen, ihn von den Anordnungen in Kenntniß zu setzen und einen Beschluß über die etwa weiter erforderlichen Maßregeln herbeizuführen. K 1877* Die Mitglieder des Familienraths können von dem Mündel Ersatz ihrer Auslagen verlangen; der Betrag der Auslagen wird von dem Vorsitzenden festgesetzt.

§ 1878. Das Amt eines Mitglieds des Familienraths endigt aus denselben Gründen, aus denen nach den §§ 1885, 1886, 1889 das Amt eines Vormundes endigt. Ein Mitglied kann gegen seinen Willen nur durch das dem Vor­ mundschaftsgericht im Jnstanzenzuge vorgeordnete Gericht entlassen werden. K 1879* Das Vormundschaftsgericht hat den Familienrath aufzu­ heben, wenn es an der zur Beschlußfähigkeit erforderlichen Zahl von Mit­ gliedern fehlt und geeignete Personen zur Ergänzung nicht vorhanden sind.

§ 1880. Der Vater des Mündels kann die Aushebung des von ihm angeordneten Familienraths für den Fall des Eintritts oder Nicht­ eintritts eines künftigen Ereignisses nach Maßgabe des § 1777 anordnen. Das gleiche Recht steht der ehelichen Mutter des Mündels für den von ihr angeordneten Familienrath zu. Tritt der Fall ein, so hat daS Vormundschaftsgericht den Familienrath aufzuheben. § 1881. Don der Aufhebung des Familienraths hat das Vormund­ schaftsgericht die bisherigen Mitglieder, den Vormund und den Gegenvormund in Kenntniß zu setzen. Der Vormund und der Gegenvormund erhalten neue Bestallungen. Die früheren Bestallungen sind dem Vormundschaftsgerichte zurückzugeben.

VII. Beendigung der Vormundschaft. § 1882* Die Vormundschaft endigt mit dem Wegfalle der im § 1773 für die Anordnung der Vormundschaft bestimmten Voraussetzungen.

§ 1883. Wird der Mündel durch nachfolgende Ehe legitimirt, so endigt die Vormundschaft erst dann, wenn die Vaterschaft des Ehemanns durch ein zwischen ihm und dem Mündel ergangenes Urtheil rechtskräftig festgestellt ist oder die Aufhebung der Vormundschaft von dem Vormundschastsgericht angeordnct wird.

Viertes Buch.

Famrlieurecht.

275

Das Bormilndschaftsgericht hat die Aufhebtlilg anzuordnen, wenn es die Voraussetzungen der Legitimation für vorhanden erachtet. Solange der Ehemann lebt, soll die Aushebung nur ungeordnet werden, wenn er die Vaterschaft anerkannt hat oder wenn er an der Abgabe einer Erklärung dauernd verhindert oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist.

§ 1884. Ist der Mündel verschollen, so endigt die Vormundschaft erst mit der Aufhebung durch das Vormundichastsgericht. Das Vormund­ schaftsgericht hat die Vormundschaft aufzuheben, wenn ihm der Tod des Mündels bekannt wird. Wird der Mündel für todt erklärt, so endigt die Vormundschaft mit der Erlassung des die Todeserklärung aussprechenden Urtheils.

K 1885.

Das Amt des Vormundes endigt mit seiner Entmündigung. Wird der Vormund für todt erklärt, so endigt sein Amt mit der Erlassung des die Todeserklärung aussprechenden Urtheils.

§ 1886. Tas Vormundschaftsgericht hat den Vormund zu entlassen, wenn die Fortführung des Amtes, insbesondere wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Vormundes, das Interesse des Mündels gefährden würde oder wenn in der Person des Vormundes einer der im § 1781 bestimmten Gründe vorliegt. § 1887. Das Vormundschaftsgericht kann eine Frau, die zum Vormunde bestellt ist, entlassen, wenn sie sich verheirathet. Das Vormundschaftsgericht hat eine verheirathete Frau, die zum Vormunde bestellt ist, zu entlassen, wenn der Mann seine Zustimniung zur Uebernahme oder zur Fortführung der Vormundschaft versagt oder die Zustimmung widerruft. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn der Mann der Vater des Mündels ist. § 1888. Ist ein Beamter oder ein Neligivnsdiener zum Vormunde bestellt, so hat ihn das Vormundschaftsgericht zu entlassen, wenn die Erlaubniß, die nach den Landesgesetzen zur Uebernahme der Vormundschaft oder zur Fortführung der vor dem Eintritt in das Amts- oder Dienst­ verhältniß übernommenen Vormundschaft erforderlich ist, versagt oder zurückgenommen wird oder wenn die nach den Landesgesetzen zulässige Untersagung der Fortführung der Vormundschaft erfolgt.

§ 1889. Das Vormundschaftsgericht hat den Vormund auf seinen Antrag zu entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein wichtiger Grund ist insbesondere der Eintritt eines Umstandes, der den Vormund nach 8 1786 Ms. 1 Nr. 2 bis 7 berechtigen würde, die Uebernahme der Vormundschaft abzulehnen. § 1890. Der Vormund hat nach der Beendigung feines Amtes dem Mündel das verwaltete Vermögen herauszugeben und über die Ver­ waltung Rechenschaft abzulegen. Soweit er dem Dormundschaftsgerichte Rechnung gelegt hat, genügt die Bezugnahme auf diese Rechnung. § 1891. Ist ein Gegenvormund vorhanden, so hat ihm der Vormund die Rechnung vorzulegen. Ter Gegenvormund hat die Rechnung mit den Bemerkungen zu versehen, zu denen die Prüfung ihm Anlaß giebt. 18«

276

I

Bürgerliches Gesetzbuch.

Der Gegenvormund hat über die Führung der Gegenvormundschaft und, soweit er dazu im Stande ist, über das von dem Vormunde verwaltete Vermögen auf Verlangen Auskunft zu ertheilen.

§ 1892. Der Vormund hat die Rechnung, nachdem er sie dem Gegenvormunde vorgelegt hat, dem Dormundschaftsgericht einzureichen. Das Vormundschaftsgericht hat die Rechnung rechnungsmäßig und sachlich zu prüfen und deren Abnahme durch Verhandlung mit den Betheiligten unter Zuziehung des Gegenvormundes zu vermitteln. Soweit die Rechnung als richtig anerkannt wird, hat das Vormundschaftsgericht das Anerkenntniß zu beurkunden. § 1893. Im Falle der Beendigung der Vormundschast oder bc3 vormundschaftlichen Amtes finden die Vorschriften der §§ 1682, 1683 entsprechende Anwendung. Der Vormund hat nach der Beendigung seines Amtes die Bestallung dem Dormundschaftsgerichte zurückzugeben. § 1894. Den Tod des Vormundes hat dessen Erbe dem Vormund­ schaftsgericht unverzüglich anzuzeigen. Den Tod des Gegenvormundes oder eines Mitvormundes hat der Vormund unverzüglich anzuzeigen. § 1895. Die Vorschriften der §§ 1885 bis 1889, 1893, 1894 finden auf den Gegenvormund entsprechende Anwendung. Zweiter Titel.

Sormuvdschast «her Volljährige. § 1896.

Ein

Volljähriger

erhält

einen

Vormund, wenn er

entmündigt ist.

§ 1897. Auf die Vormundschaft über einen Volljährigen finden die für die Vormundschaft über einen Minderjährigen geltenden Vorschriften Anwendung, soweit sich nicht aus den §§ 1898 bis 1908 ein Anderes ergießt. § 1898. Der Vater und die Mutter des Mündels sind nicht berechtigt, einen Vormund zu beuennen oder Jemand von der Vormund­ schaft auszuschließen.

§ 1899. Vor den Großvätern ist der Vater und nach ihm die eheliche Mutter des Mündels als Vormund berufen. Die Eltern sind nicht berufen, wenn der Mündel von einem Anderen als dem Ehegatten seines Vaters oder seiner Mutter an Kindesstatt angenommen ist. Stammt der Mündel aus einer nichtigen Ehe, so ist der Vater im Falle des § 1701, die Mutter im Falle des § 1702 nicht berufen. §1900. Eine Ehefrau darf zum Vormund ihres Mannes auch ohne dessen Zustimmung bestellt werden. Der Ehegatte des Mündels darf vor den Eltern und den Groß­ vätern, die eheliche Mutter darf im Falle des § 1702 vor den Großvätern zum Vormunde bestellt werden.

Viertes Buch.

Familienrecht.

277

Die uneheliche Mutter darf vor dem Großvater zum Dorinunde bestellt werden.

§ 1901. Der Vormund hat für die Person des Mündels nur insoweit zu sorgen, als der Zweck der Vormundschaft es erfordert. Steht eine Ehefrau unter Vormundschaft, so tritt die im § 1633 bestimmte Beschränkung nicht ein. § 1902. Der Vormund kann eine Ausstattung aus dem Vermögen des Mündels nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts versprechen oder gewähren. Zu einem Mieth- oder Pachtverträge sowie zu einem anderen Vertrage, diwch den der Mündel zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet wird, bedarf der Vormund der Genehmigung des Dormundschastsgerichts, wenn das Vertragsverhältniß länger als vier Jahre dauern soll. Die Vorschrift des § 1822 Nr. 4 bleibt unberührt. § 1903* Wird der Vater des Mündels zum Vormunde bestellt, so unterbleibt die Bestellung eines Gegenvormundes. Dem Vater stehen die Befreiungen zu, die nach den §§ 1852 bis 1854 angeordnet werden können. Das Dormundschaftsgericht kann die Befreiungen außer Kraft setzen, wmn sie das Interesse des Mündels gefährden. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn der Vater im Falle der Minderjährigkeit des Mündels zur Vermögensverwaltung nicht berechtigt sein würde. § 1904. Ist die eheliche Mutter des Mündels zum Vormunde bestellt, so gilt für sie das Gleiche wie nach § 1903 für den Vater. Der Mutter ist jedoch ein Gegenvorinund zu bestellen, wenn sie die Bestellung beantragt oder wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen ihr nach § 1687 Nr. 3 ein Beistand zu bestellen sein würde. Wird ein Gegen­ vormund bestellt, so stehen der Mutter die im § 1852 bezeichneten Be­ freiungen nicht zu.

§ 1905. Ein Familienrath kann nur nach § 1859 Abs. 1 ein­ gesetzt werden. Der Vater und die Mutter des Mündels sind nicht berechtigt, Anordnungen über die Einsetzung und Aufhebung eines Familienraths oder über die Mitgliedschaft zu treffen. § 1906. Ein Volljähriger, dessen Entmündigung beantragt ist, kann unter vorläufige Vormundschaft gestellt werden, wenn das Vormund­ schaftsgericht es zur Abwendung einer erheblichen Gefährdung der Person oder des Vermögens des Volljährigen für erforderlich erachtet.

§ 1907. Die Vorschriften über die Berufung zur Vormundschaft gelten nicht für die vorläufige Vormundschaft. § 1908. Die vorläufige Vormundschaft endigt mit der Rücknahme oder der rechtskräftigen Abweisung des Antrags auf Entmündigung. Erfolgt die Entmündigung, so endigt die vorläufige Vormundschaft, wenn auf Grund der Entmimdigung ein Vormund bestellt wird.

I. Bürgerliches Gesetzbuch. Tie vorläufige Vormundschaft ist von dem Dormundschaftsgericht aufzuheben, wenn der Mündel des vorläufigen vormundschaftlichen Schutzes nicht mehr bedürftig ist.

strittet Titel.

Pflegschaft. § 1909, Wer unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, erhält für Angelegenheiten, an deren Besorgung der Gewalthaber oder der Vormund verhindert ist, einen Pfleger. Er erhält insbesondere einen Pfleger zur Verwaltung des Vermögens, das er von Todeswegen erwirbt oder das ihm unter Lebenden von einem Dritten unentgeltlich zugewendet wird, wenn- der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Dritte bei der Zuwendung bestimmt hat, daß dem Gewalthaber oder dem Vormunde die Verwaltung nicht zustehen soll. Tritt das Bedürfniß einer Pflegschaft ein, so hat der Gewalthaber oder der Vormund dem Vormundschastsgericht unverzüglich Anzeige zu machen. Die Pflegschaft ist auch dann anzuordnen, wenn die Voraussetzungen für die Anordnung einer Vormundschaft vorliegen, ein Vormund aber noch nicht bestellt ist. § 1910, Ein Volljähriger, der nicht unter Vormundschaft steht, kann einen Pfleger für seine Person und sein Vermögen erhalten, wenn er in Folge körperlicher Gebrechen, insbesondere weil er taub, blind oder stumm ist, seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag. Vermag ein Volljähriger, der nicht unter Vormundschaft steht, in Folge geistiger oder körperlicher Gebrechen einzelne seiner Angelegenheiten oder einen bestimmten Kreis seiner Angelegenheiten, insbesondere seine Vermögensangelegenheiten, nicht zu besorgen, so kann er für diese An­ gelegenheiten einen Pfleger erhalten. Die Pflegschaft darf nur mit Einwilligung des Gebrechlichen an­ geordnet werden, es sei denn, daß eine Verständigung mit ihm nicht möglich ist.

ist,

K 1911. Ein abwesender Volljähriger, dessen Aufenthalt unbekannt erhält für seine Vermögensangelegenheiten, soweit sie der Fürsorge

bedürfen, einen Abwesenheitspfleger. Ein solcher Pfleger ist ihm ins­ besondere auch dann zu bestellen, wenn er durch Ertheilung eines Auftrags oder einer Vollmacht Fürsorge getroffen hat, aber Umstände eingetreten sind, die zum Widerrufe des Auftrags oder der Vollmacht Anlaß geben. Das Gleiche gilt von einem Abwesenden, dessen Aufenthalt bekannt, der aber an der Rückkehr und der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten verhindert ist. § 1912. Eine Leibesfrucht erhält zur Wahrung ihrer künftigen Rechte, soweit diese einer Fürsorge bedürfen, einen Pfleger. Die Fürsorge steht jedoch dem Vater oder der Mutter zu, wenn das Kind, falls es bereits geboren wäre, unter elterlicher Gewalt stehen würde.

Viertes Buch.

Familienrecht.

279

K 1913. Ist unbekannt oder ungewiß, wer bei einer Angelegenheit der Betheiligte ift, so kann dem Betheiligten für diese Angelegenheit, soweit eine Fürsorge erforderlich ist, ein Pfleger bestellt werden. Insbesondere kann einen! Nacherben, der noch nicht erzeugt ist oder dessen Persönlichkeit erst durch ein künftiges Ereigniß bestimmt wird, für die Zeit bis zum Eintritte der Nacherbsolge ein Pfleger bestellt werden.

§ 1914. Ist durch öffentliche Sanunlung Vermögen für einen vorübergehende» Zweck zusammengebracht worden, so kann zum Zwecke der Verwaltung und Verwendung des Vermögens ein Pfleger bestellt werden, wenn die zn der Verwaltung und Verwendung berufenen Personen weggefallen sind. K 1915. Auf die Pflegschaft finden die für die Vormundschaft gellenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit fich nicht aus dem Gesetz ein Anderes ergiebt. Die Bestellung eines Gegenvormundes ist nicht erforderlich. § 1916. Für die nach § 1909 anzuordnende Pflegschaft gelten die Vorschriften über die Berufung zur Vormundschaft nicht.

K 1917. Wird die Anordnung einer Pflegschaft nach § 1909 Abs. 1 Satz 2 erforderlich, so ist als Pfleger berufen, wer als solcher von dem Erblasser durch letztwillige Verfügung, von dem Dritten bei der Zuwendung benannt worden ist; die Vorschriften des § 1778 finden entsprechende Anwendung. Für den benannten Pfleger kann der Erblaffer durch letztwillige Verfügung, der Dritte bei der Zuwendung die in den 88 1852 bis 1854 bezeichneten Befreiungen anordnen. Das Vormundschastsgericht kann die Anordnungen außer Kraft setzen, wenn sie das Jntereffe des Pflege­ befohlenen gefährden. Zu einer Abweichung von den Anordnungen des Dritten ist, so­ lange er lebt, seine Zustimmung erforderlich und genügend. Die Zu­ stimmung des Dritten kann durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden, wenn der Dritte zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist. § 1918. Die Pflegschaft für eine unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft stehende Person endigt mit der Beendigung der elterlichen Gewalt oder der Vormundschaft. Die Pflegschaft für eine Leibesfrucht endigt mit der Geburt des Kindes. Die Pflegschaft zur Besorgung einer einzelnen Angelegenheit endigt mit deren Erledigung.

§ 1919. Die Pflegschaft ist von dem Vormundschastsgericht auf­ zuheben, wenn der Grund für die Anordnung der Pflegschaft weggesallen ist. § 1920. Eine nach § 1910 angeordnete Pflegschaft ist von dem Vormundschastsgericht auszuheben, wenn der Pflegebefohlene die Aufhebung beantragt.

280

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1921. Die Pflegschaft für einen Abwesenden ist von dem Bormundschaftsgericht aufzuheben, wenn der Abwesende an der Besorgung seiner Dermögensangelegenheiten nicht mehr verhindert ist. Stirbt der Abwesende, so endigt die Pflegschaft erst mit der Auf­ hebung durch das Vormundschaftsgericht. Das Dormundschaftsgericht hat die Pflegschaft aufzuheben, wenn ihm der Tod des Abwesenden bekannt wird. Wird der Abwesende für todt erklärt, so endigt die Pflegschaft mit der Erlassung des die Todeserklärung aussprechenden Urtheils

Fünftes Buch.

Erbrecht.

281

Fünftes Buch. € r b r e ch t.

Erster Abschnitt.

Erbfolge mögen

§ 1922. Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Ver­ (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen

(Erbeut über. Auf den Antheil eines Miterben (Erbtheil) finden die sich auf die

Erbschaft beziehenden Vorschriften Anwendung. § 1923. Erbe kann nur werden, wer zur Zeit des Erbfalls lebt. Wer zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte, aber bereits erzeugt war, gilt als vor dem Erbfalle geboren. K 1924. Gesetzliche Erben der ersten Ordnung sind die Abkömm­ linge des Erblassers. Ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling schließt die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge von der Erbfolge aus. An die Stelle eines zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebenden Abkömmlinges treten die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömm­ linge (Erbfolge nach Stämmen). Kinder erben zu gleichen Theilen.

8 1925. Gesetzliche Erben der zweiten Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Leben zur Zeit des Erbfalls die Eltern, so erben sie allein und zu gleichen Theilen. Lebt zur Zeit des Erbfalls der Vater oder die Mutter nicht mehr, so treten an die Stelle des Verstorbenen desien Abkömmlinge nach den für die Beerbung in der ersten Ordnung geltenden Vorschriften. Sind Abkömmlinge nicht vorhanden, so erbt der überlebende Theil allein. § 1926. Gesetzliche Erben der dritten Ordnung sind die Groß­ eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Leben zur Zeit des Erbfalls die Großeltern, so erben sie allein und zu gleichen Theilen. Lebt zur Zeit des Erbfalls von den väterlichen oder von den mütterlichen Großeltern der Großvater oder die Großmutter nicht mehr, so treten an die Stelle des Verstorbenen dessen Abkömmlinge. Sind Ab­ kömmlinge nicht vorhanden, so fäßt der Antheil des Verstorbenen dem

282

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

anderen Theile des Großclternpaars und, wenn dieser nicht mehr lebt, dessen Abkömmlingen zu. Leben zur Zeit des Erbfalls die väterlichen oder die mütterlichen Großeltern nicht mehr und sind Abkömmlinge der Verstorbenen nicht vor­ handen, so erben die anderen Großeltern oder ihre Abkömmlinge allein. Soweit Abkömmlinge an die Stelle ihrer Eltern oder ihrer Voreltern treten, finden die für die Beerbung in der ersten Ordnung geltenden Vorschriften Anwendung.

§ 1927* Wer in der ersten, der zweiten oder der dritten Ordnung verschiedenen Stämmen angehört, erhält den in jedem dieser Stämme ihm zufallenden Antheil. Jeder Antheil gilt als besonderer Erbtheil.

§ 1928. Gesetzliche Erben der vierten Ordnung sind die Urgroßeltem des Erblassers und deren Abkömmlinge. Leben zur Zeit des Erbfalls Urgroßeltern, so erben fie allein; mehrere erben zu gleichen Theilen, ohne Unterschied, ob fie derselben Linie oder verschiedenen Linien angehören. Leben zur Zeit des Erbfalls Urgroßeltern nicht mehr, so erbt von ihren Abkömmlingen derjenige, welcher mit dem Erblasser dem Grade nach am nächsten verwandt ist; mehrere gleich nahe Verwandte erben zu gleichen Theilen. § 1929. Gesetzliche Erben der fünften Ordnung und der ferneren Ordnungen sind die entfernteren Voreltern des Erblassers und deren Ab­ kömmlinge. Die Vorschriften des § 1928 Abs. 2, 3 finden entsprechende An­ wendung.

§ 1930. Ein Verwandter ist nicht zur Erbfolge berufen, solange ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung vorhanden ist. § 1931. Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist. neben Ver­ wandten der ersten Ordnung zu einem Viertheile, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen. Treffen mit Großeltern Abkömmlinge von Groß­ eltern zusammen, so erhält der Ehegatte auch von der anderen Hälfte den Antheil, der nach § 1926 den Abkömmlingen zufallen würde. Sind weder Verwandte der ersten oder der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden, so erhält der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft. § 1932. Ist der überlebende Ehegatte neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern gesetzlicher Erbe, so gebühren ihm außer dem Erbtheile die zum ehelichen Haushalte gehörenden Gegenstände, soweit sie nicht Zubehör eines Grundstücks sind, und die Hochzeitsgeschcnke als Voraus. Auf den Voraus finden die für Vermächtnisse geltenden Vorschriften Anwendung.

§ 1933. Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten sowie das Recht auf den Voraus ist ausgeschlossen, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes aus Scheidung wegen Verschuldens des Ehegatten zu klagen berechtigt

Fünftes Buch.

Erbrecht.

283

war und die Klage auf Scheidung oder auf Aufhebung der ehelichen Ge­

meinschaft erhoben hatte.

§ 1934, Gehört der überlebende Ehegatte zu den erbberechtigten Verwandten, so erbt er zugleich als Verwandter. Der Erbtheil, der ihm auf Grund der Verwandtschaft zufällt, gilt als besonderer Erbtheil. § 1935. Fällt ein gesetzlicher Erbe vor oder nach dem Erbfalle weg und erhöht sich in Folge dessen der Erbtheil eines anderen gesetzlichen Erben, so gilt der Theil, um welchen sich der Erbtheil erhöht, in Ansehung der Vermächtnisse und Auflagen, mit denen dieser Erbe oder der weg­ fallende Erbe beschwert ist, sowie in Ansehung der Ausgleichungspflicht als besonderer Erbtheil.

§ 1936. Ist zur Zeit des Erbfalls weder ein Verwandter noch ein Ehegatte des Erblassers vorhanden, so ist der Fiskus des Bundesstaats, dem der Erblasser zur Zeit des Todes angehört hat, gesetzlicher Erbe. Hat der Erblasser mehreren Bundesstaaten angehört, so ist der Fiskus eines jeden dieser Staaten zu gleichem Antheile zur Erbfolge berufen. War der Erblasser ein Deutscher, der keinem Bundesstaat angehörte, so ist der Reichsfiskus gesetzlicher Erbe. § 1937. Der Erblasser kann durch einseitige Verfügung von Todeswegen (Testament, letztwillige Verfügung) den Erben bestimmen. § 1938. Der Erblasser kann durch Testament einen Verwandten oder den Ehegattm von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen, ohne einen Erben einzusetzen.

§ 1939. Der Erblasser kann durch Testament einem Anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Dermögensvortheil zuwenden (Vermächtniß).

§ 1949. Der Erblasser kann durch Testament den Erben oder einen Vermächtnißnehmer zu einer Leistung verpflichten, ohne einem Anderen ein Recht auf die Leistung zuzuwenden (Auslage). § 1941. Dor Erblasser kann durch Vertrag einen Erben einsetzen sowie Vermächtnisse und Auflagen anordnen (Erbvertrag). Als Erbe (Vertragserbe) oder als Vermächtnißnehmer kann sowohl der andere Vertragschließende als ein Dritter bedacht werden. Zweiter Abschnitt.

Rechtliche Stellung deS Erben.

Erster Titel. Annahme und Ausschlagung der Erbschaft. Mrsorge deSAachlaßgenchtS. § 1942. Die Erbschaft geht auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechtes über, sie auszuschlagen (Anfall der Erbschaft). Der Fiskus kann die ihm als gesetzlichem Erben angefallene Erbschaft nicht ausschlagen.

284

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1943. Der Erbe kann die Erbschaft nicht mehr ausschlagen, wenn er sie angenommen hat oder wenn die für die Ausschlagung vor­ geschriebene Frist verstrichen ist; mit den? Ablaufe der Frist gilt die Erbschaft als angenommen. 8 1944. Die Ausschlagung kann nur binnen sechs Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Berufung Kenntniß erlangt. Ist der Erbe durch Verfügung von Todeswegen berufen, so beginnt die Frist nicht vor der Verkündung der Verfügung. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 203, 206 entsprechende Anwendung. Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblaffer seinen letzten Wohnsitz nur im Auslande gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginne der Frist im Ausland aufhält.

8 1945. Die Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgerichte; die Erklärung ist in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Ein Bevollmächtigter bedarf einer öffentlich beglaubigten Vollmacht. Tie Vollmacht muß der Erklärung beigefügt oder innerhalb der Aus­ schlagungsfrist nachgebracht werden.

8 1946. Der Erbe kann die Erbschaft schlagen, sobald der Erbfall eingetreten ist.

annehmen

oder aus­

8 1947. Die Annahme und die Ausschlagung können nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgen. 8 1948. Wer durch Verfügung von Todeswegen als Erbe be­ rufen ist, kann, wenn er ohne die Verfügung als gesetzlicher Erbe berufen sein würde, die Erbschaft als eingesetzter Erbe ausschlagen und als ge­ setzlicher Erbe annehmen. Wer durch Testament und durch Erbvertrag als Erbe berufen ist, kann die Erbschaft aus dem einen Berufungsgrund annehmen und aus dem anderen ausschlagen. 8 1949. Die Annahme gilt als nicht erfolgt, wenn der Erbe über den Berufungsgrund im Irrthume war. Die Ausschlagung erstreckt sich im Zweifel auf alle Berufungsgründe, die dem Erben zur Zeit der Erklärung bekannt sind. 8 1950. Die Annahme und die Ausschlagung können nicht auf einen Theil der Erbschaft beschränkt werden. Die Annahme oder Aus­ schlagung eines Theiles ist unwirksam.

8 1951. Wer zu mehreren Erbtheilen berufen ist, kann, wenn die Berufung auf verschiedenen Gründen beruht, den einen Erbtheil an­ nehmen und den anderen ausschlagen. Beruht die Berufung auf demselben Grunde, so gilt die Annahme oder Ausschlagung des einen Erbtheils auch für den anderen, selbst wenn

Fünftes Buch.

Erbrecht.

285

der andere erst später anfällt. Die Berufung beruht auf demselben Grunde auch dann, wenn sie in verschiedenen Testamenten oder vertragsmäßig in verschiedenen zwischen denselben Personen geschlossenen Erbverträgen an­ geordnet ist. Setzt der Erblasser einen Erben ans mehrere Erbtheile ein, so kann er ihm durch Verfügung von Todeswegen gestatten, den einen Erbtheil anzunehmen und den anderen auszuschlagcn.

§ 1952. Das Recht des Erben, die Erbschaft auszuschlagen, ist vererblich. Stirbt der Erbe vor dem Ablaufe der Ausschlagungsfrist, so endigt die Frist nicht vor dem Ablaufe der für die Erbschaft des Erben vor­ geschriebenen Ausschlagungsfrist. Von mehreren Erben des Erben kann jeder den seinem Erbtheil entsprechenden Theil der Erbschaft ausschlagen. § 1953. Wird die Erbschaft ausgeschlagen, so gilt oer Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt. Die Erbschaft fällt demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte; der Anfall gilt als mit dem Erbfall erfolgt. Das Nachlaßgericht soll die Ausschlagung demjenigen mittheilen, welchem die Erbschaft in Folge der Ausschlagung angefallen ist. Es hat die Einsicht der Erklärung Jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht. § 1954. Ist die Annahme oder die Ausschlagung anfechtbar, so kann die Anfechtung nur binnen sechs Wochen erfolgen. Die Frist beginnt im Falle der Anfechtbarkeit wegen Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört, in den übrigen Fällen mit dem Zeitpunkt, in welchem der Ansechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrunde Kenntniß erlangt. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 203, 206, 207 ent­ sprechende Anwendung. Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Auslande gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginne der Frist im Ausland aufhält. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Annahme oder der Ausschlagung dreißig Jahre verstrichen sind.

§ 1955. Die Anfechtung der Annahme oder der Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgerichte. Für die Er­ klärung gelten die Vorschriften des § 1945.

§ 1956. Die Versäumung der Ausschlagungsfrist kann in gleicher Weise wie die Annahme angefochten werden. § 1957. Die Anfechtung der Annahme gilt als Ausschlagung, die Anfechtung der Ausschlagung gilt als Annahme. Das Nachlaßgericht soll die Anfechtung der Ausschlagung demjenigen mittheilen, welchem die Erbschaft in Folge der Ausschlagung angefallen war. Die Vorschrift des § 1953 Abs. 3 Sah 2 findet Anwendung.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1958« Vor der Annahme der Erbschaft kann ein Anspruch, der sich gegen den Nachlaß richtet, nicht gegen den Erben gerichtlich geltend gemacht werden.

§ 1959« Besorgt der Erbe vor der Ausschlagung erbschaftliche Ge­ schäfte, so ist er demjenigen gegenüber, welcher Erbe wird, wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag berechtigt und verpflichtet. Verfügt der Erbe vor der Ausschlagung über einen Nachlaßgegen­ stand, so wird die Wirksamkeit der Verfügung durch die Ausschlagung nicht berührt, wenn die Verfügung nicht ohne Nachtheil für den Nachlaß verschoben werden konnte. Ein Rechtsgeschäft, das gegenüber dem Erben als solchem vor­ genommen werden muß, bleibt, wenn es vor der Ausschlagung dem Aus­ schlagenden gegenüber vorgenommen wird, auch nach der Ausschlagung wirksam. § 1960. Bis zur Annahme der Erbschaft hat das Nachlaßgericht für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfniß besteht. Das Gleiche gilt, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiß ist, ob er die Erbschaft angenommen hat. Das Nachlaßgericht kann insbesondere die Anlegung von Siegeln, die Hinterlegung von Geld, Werthpapieren und Kostbarkeiten sowie die Aufnahme eines Nachlaßverzcichnisses anordnen und für denjenigen, welcher Erbe wird, einen Pfleger (Nachlaßpfleger) bestellen. Die Vorschrift des § 1958 findet auf den Nachlaßpfleger keine Anwendung. § 1961« Das Nachlaßgericht hat in den Fällen des § 1960 Ws. 1 einen Nachlaßpfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlaß richtet, von dem Berechtigten beantragt wird. § 1962. Für die Nachlaßpflegschaft Dormundschaftsgerichts das Nachlaßgericht.

tritt

an die Stelle deS

§ 1963. Ist zur Zeit des Erbfalls die Geburt eines Erben zu erwarten, so kann die Mutter, falls sie außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten, bis zur Entbindung standesmüßigen Unterhalt aus dem Nachlaß oder, wenn noch andere Personen als Erben berufen sind, aus dem Erbtheile des Kindes verlangen. Bei der Bemessung des Erbtheils ist anzunehmen, daß nur ein Kind geboren wird. § 1964. Wird der Erbe nicht innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist ermittelt, so hat das Nachlaßgericht festzustellen, daß ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist. Die Feststellung begründet die Vermuthung, daß der Fiskus gesetzlicher Erbe sei. § 1965. Der Feststellung hat eine öffentliche Aufforderung zur Anmeldung der Erbrechte unter Bestimmung einer Anmeldungsfrist vorauszugehen; die Art der Bekanntmachung und die Dauer der Anmeldungsfrist bestimmen sich nach den für das Aufgebotsverfahren geltenden

Fünftes Buch.

Erbrecht.

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Vorschriften. Die Aufforderung darf unterbleiben, wenn die Kosten dem Bestände des Nachlasses gegenüber unverhältnißmäßig groß sind. Ein Erbrecht bleibt unberücksichtigt, wenn nicht dem Nachlaßgerichte binnen drei Monaten nach dem Ablatife der Anmeldungsfrist nachgewiesen wird, daß das Erbrecht besteht oder daß es gegen den Fiskus im Wege der Klage geltend gemacht ist. Ist eine öffentliche Aufforderung nicht ergangen, so beginnt die dreimonatige Frist mit der gerichtlichen Auf­ forderung, das Erbrecht oder die Erhebung der Klage nachzuweisen. § 1966» Von dem Fiskus als gesetzlichem Erben und gegen den Fiskus als gesetzlichen Erben kamt ein Recht erst geltend gemacht werden, nachdem von dem Nachlaßgerichte festgestellt worden ist, daß ein anderer Erbe nicht vorhanden ist.

Zweiter Titel. Haftung des Crben für die Aachlaßverdindlichkeiten. I. Nachlaßverbindlichkeiten. § 1967, Der Erbe hattet für die Nachlaßverbindlichkeiten. Zu den Nachlaßverbindlichkeiten gehören außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlich­ keiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichttheilsrechten, Ver­ mächtnissen und Auflagen.

§ 1968, Der Erbe trägt die Kosten der standesmäßigen Be­ erdigung des Erblassers. § 1969. Der Erbe ist verpflichtet, Familienangehörigen des Erblassers, die zur Zeit des Todes des Erblassers zu dessen Hausstande gehört und von ihm Unterhalt bezogen haben, in den ersten dreißig Tagen nach dem Eintritte des Erbialls in demselben Uinfange, wie der Erblasser es gethan hat, Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der Wohnung und der Haushaltsgegcnstände zu gestatten. Der Erblasser kann durch letztwillige Verfügung eine abweichende Anordnung treffen. Die Vorschriften über Vermächtnisse finden entsprechende Anwendung.

II. Aufgebot der Nachlatzgläubiger. § 1970. Die Nachlaßgläubiger können im Wege des Ausgebots­ verfahrens zur Amneldnng ihrer Forderungen aufgefordert werden.

§ 1971. Pfandgläubiger und Gläubiger, die im Konkurse den Pfandgläubigern gleichstehen, sowie Gläubiger, die bei der Zwangsvoll­ streckung in das unbewegliche Vermögen ein Recht auf Befriedigung aus diesem Vermögen haben, werden, soweit es sich um die Befriedigung aus den ihnen haftenden Gegenständen handelt, durch das Aufgebot nicht be­ troffen. Das Gleiche gilt von Gläubigern, deren Ansprüche durch eine Vormerkung gesichert sind oder denen im Konkurs ein Aussonderuugsrecht zusteht, in Ansehung des Gegenstandes ihres Rechtes.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1872. Pflichtthcilsrcchte, Vermächtnisse und Auflagen werden durch das Aufgebot nicht betroffen, unbeschadet der Vorschrift des 8 2060 Nr. 1. § 1973. Der Erbe kann die Befriedigung eines im Aufgebots­ verfahren ausgeschlossenen Nachlaßgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlaß durch die Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger erschöpft wird. Der Erbe hat jedoch den ausgeschlossenen Gläubiger vor den Verbindlichkeiten aus Pflichttheilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen zu befriedigen, es sei denn, daß der Gläubiger seine Forderung erst nach der Berichtigung dieser Verbindlichkeiten geltend macht. Einen Ueberschuß hat der Erbe zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. Er kann die Herausgabe der noch vorhandenen Nachlaßgegenstände durch Zahlung des Werthes abwenden. Die rechtskräftige Verurtheilung des Erben zur Befriedigung eines ausgeschlossenen Gläubigers wirkt einem anderen Gläubiger gegenüber wie die Befriedigung. § 1974. Ein Nachlaßgläubiger, der seine Forderung später als fünf Jahre nach dem Erbfalle dem Erben gegenüber geltend macht, steht einem ausgeschlossenen Gläubiger gleich, es sei denn, daß die Forderung dem Erben vor dem Ablaufe der fünf Jahre bekannt geworden oder im Aufgebotsverfahren angemeldet worden ist. Wird der Erblasser für todt erklärt, so beginnt die Frist nicht vor der Erlassung des die Todeserklärung aussprechenden Urtheils. Die dem Erben nach § 1973 Abs. 1 Satz 2 obliegende Verpflichtung tritt im Verhältnisse von Verbindlichkeiten aus Pflichttheilsrechten, Ver­ mächtnissen und Auflagen zu einander nur insoweit ein, als der Gläubiger im Falle des Nachlaßkonkurjes im Range vorgehen würde. Soweit ein Gläubiger nach § 1971 von dem Aufgebote nicht be­ troffen wird, finden die Vorschriften des Abs. 1 auf ihn keine Anwendung. III. Beschränkung der Haftung des Erde«. K 1975. Die Haftung des Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten beschränkt sich auf den Nachlaß, wenn eine Nachlaßpflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlaßgläubiger (Nachlaßverwaltung) angeordnet oder der Nachlaßkonkurs eröffnet ist.

§ 1976. Ist die Nachlaßverwaltung angeordnet oder der Nach­ laßkonkurs eröffnet, so gelten die in Folge des Erbfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen. K 1977. Hat ein Nachlaßg'äubiger vor der Anordnung der Nachlaßverwaltiing oder vor der Eröffnung des Nachlaßkonkurses seine Forderung gegen eine nicht zum Nachlasse gehörende Forderung des Erben ohne desien Zustimmung aufgerechnet, so ist nach der Anordnung der Nachlaßverwaltung oder der Eröffnung des Nachlaßkonkurses die Auf­ rechnung als nicht erfolgt anzusehen.

Fünftes Buch.

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Erbrecht.

Das Gleiche gilt, wenn ein Gläubiger, der nicht Nachlaßgläubiger ist, die ihm gegen den Erben zustchende Forderung gegen eine zum Nach­ lasse gehörende Forderung aufgerechnet hat. § 1978. Ist die Nachlaßverwaltung angeordnet oder der Nachlaß­ konkurs eröffnet, so ist der Erbe den Nachlaßgläubigern für die bisherige Verwaltung des Nachlasses so verantwortlich, wie wenn er von der An­ nahme der Erbschaft an die Verwaltung für sie als Beauftragter zu führen gehabt hätte. Auf die vor der Annahme der Erbschaft von dem Erben besorgten erbschaftlichen Geschäfte finden die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag entsprechende Anwendung. Die den Nachlaßgläubigern nach Abs. 1 zustehenden Ansprüche gelten als zum Nachlasse gehörend. Aufwendungen sind dem Erben aus dem Nachlaffe zu ersetzen, soweit er nach den Vorschriften über den Auftrag oder über die Geschäftsführung ohne Auftrag Ersatz verlangen könnte.

K 1979. Die Berichtigung einer Nachlaßverbindlichkeit durch den Erben müssen die Nachlaßgläubiger als für Rechnung des Nachlasses erfolgt gelten lassen, wenn der Erbe den Umständen nach annehmen durfte, daß der Nachlaß zur Berichtigung aller Nachlaßverbindlichkeiten ausreiche. § 1980. Beantragt der Erbe nicht unverzüglich, nachdem er von der Ueberschuldung des Nachlasses Kenntniß erlangt hat, die Eröffnung des Nachlaßkonkurses, so ist er den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich. Bei der Bemeffung der Zulänglichkeit des Nach­ lasses bleiben die Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen und Auflagen außer Betracht. Der Kenntniß der Ueberschuldung steht die auf Fahrlässigkeit be­ ruhende Unkenntniß gleich. Als Fahrlässigkeit gilt es insbesondere, wenn der Erbe das Aufgebot der Nachlaßgläubiger nicht beantragt, obwohl er Grund hat, das Vorhandensein unbekannter Nachlaßverbindlichkeiten anzu­ nehmen ; das Aufgebot ist nicht erforderlich, wenn die Kosten des Verfahrens dem Bestände des Nachlasses gegenüber unverhältnißmäßig groß sind.

§ 1981. Die Nachlaßverwaltung ist von dem Nachlaßgericht anzu­ ordnen, wenn der Erbe die Anordnung beantragt. Auf Antrag eines Nachlaßgläubigers ist die Nachlaßverwaltung anzu­ ordnen, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß die Befriedigung der Nachlaßgläubiger aus dem Nachlaffe durch das Verhalten oder die Ver­ mögenslage des Erben gefährdet wird. Der Antrag kann nicht mehr gestellt werden, wenn seit der Annahme der Erbschaft zwei Jahre verstrichen sind. Die Vorschriften des § 1785 finden keine Anwendung.

§ 1982. Die Anordnung der Nachlaßverwaltung kann abgelehnt werden, wenn eine den Kosten entsprechende Masse nicht vorhanden ist. § 1983. Das Nachlaßgericht hat die Anordnung der Nachlaß­ verwaltung durch das für seine Bekanntmachungen bestimmte Blatt zu veröffentlichen. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebcngesetze.

19

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1. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1984« Mit der Anordnung der Nachlaßverwaltung verliert der Erbe die Besugniß, den Nachlaß zu verwalten und über ihn zu verfügen. Die Vorschriften der 88 6, 7*) der Konkursordnung finden entsprechende Anwendung. Ein Anspruch, der fich gegen den Nachlaß richtet, kann nur gegen den Nachlaßverwalter geltend gemacht werden. Zwangsvollstreckungen und Arreste.in den Nachlaß zu Gunsten eines Gläubigers, der nicht Nachlaßglüubiger ist, sind ausgeschlossen. 8 1985« Der Nachlaßverwalter hat den Nachlaß zu verwalten und die Nachlaßverbindlichkeiten aus dem Nachlasse zu berichtigen. Der Nachlaßverwalter ist für die Verwaltung des Nachlasses auch den Nachlaßgläubigem verantwortlich. Die Vorschriften des § 1978 Abs. 2 und der 88 1979, 1980 finden entsprechende Anwendung. § 1986« Der Nachlaßverwalter darf den Nachlaß dem Erben erst ausantworten, wenn die bekannten Nachlaßverbindlichkeiten berichtigt sind. Ist die Berichtigung einer Verbindlichkeit zur Zeit nicht ausführbar oder ist eine Verbindlichkeit streitig, so darf die Ausantwortung des Nach­ lasses nur erfolgen, wenn dem Gläubiger Sicherheit geleistet wird. Für eine bedingte Fordemng ist Sicherheitsleistung nicht erforderlich, wenn die Möglichkeit des Eintritts der Bedingung eine so entfeinte ist, daß die Forderung einen gegenwärtigen Vermögenswerth nicht hat.

8 1987, Der Nachlaßverwalter kann für die Führung seines Amtes eine angemessene Vergütung verlangen. $ 1988. Die Nachlaßverwaltung endigt mit der Eröffnung des Nachlaßkonkurses. Die Nachlaßverwaltung kann aufgehoben werden, wenn sich ergießt, daß eine den Kosten entsprechende Masse nicht vorhanden ist. § 1989. Ist der Nachlaßkonkurs durch Vertheilung der Maffe oder durch Zwangsvergleich beendigt, so finden auf die Haftung des Erben die Vorschriften des 8 1973 entsprechende Anwendung. 8 1990« Ist die Anordnung der Nachlaßverwaltung oder die Eröffnung des Nachlaßkonkurses wegen Mangels einer den Kosten entsprechendm Maffe nicht thunlich oder wird aus diesem Grunde die Nachlaßverwaltung aufgehoben oder das Konkursverfahren eingestellt, so kann der Erbe die Befriedigung eines Nachlaßgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlaß nicht ausreicht. Der Erbe ist in diesem Falle verpstichtet, den Nachlaß zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben. Das Recht des Erben wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Gläubiger nach dem Eintritte des Erbfalls im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung ein Pfandrecht oder eine Hypothek oder im Wege der einstweiligen Verfügung eine Vormerkung erlangt hat. 8 1991. Macht der Erbe von dem ihm nach 8 1990 zustehenden Rechte Gebrauch, so finden aus seine Verantwortlichkeit und den Ersatz seiner Aufwendungen die Vorschriften der 88 1978, 1979 Anwendung. •) Jetzt §§ 7, 8 K.O.

Fünftes Buch.

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Erbreche.

Die in Folge des Erbfalls durch Vereinigung von Recht und Ver­ bindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse gelten im Verhältnisse zwischen dem Gläubiger und dem Erben als nicht erloschen. Die rechtskräftige Vemrtheilung des Erben zur Befriedigung eines Gläubigers wirkt einem anderen Gläubiger gegenüber wie die Befriedigung. Die Verbindlichkeiten aus Pflichttheilsrechten, Vermächtnissen und Auslagen hat der Erbe so zu berichtigen, wie sie im Falle des Konkurses zur Berichtigung kommen würden.

§ 1982. Beruht die Ueberschuldung des Nachlasses auf Vermächt­ nissen und Auflagen, so ist der Erbe, auch wenn die Boraussetzungendes § 1990 nicht vorliegen, berechtigt, die Berichtigung dieser Verbindlichkeiten nach den Vorschriften der §§ 1990, 1991 zu bewirken. Er kann die Herausgabe der noch vorhandenen Nachlaßgegenstände durch Zahlung des Werthes abwenden. IV. Jnveutarerrichtung.

Unbeschränkte Haftung deS Erve«.

§ 1993. Der Erbe ist berechtigt, ein Verzeichniß des Nachlaffes (Inventar) bei dem Nachlaßgericht einzureichen (Jnventarerrichtung). § 1994. Das Nachlaßgericht hat dem Erben auf Antrag eines Nachlaßgläubigers zur Errichtung des Inventars eine Frist (Jnventarfrist) zu bestimmen. Nach dem Ablaufe der Frist hastet der Erbe für die Nachlaß­ verbindlichkeiten unbeschränkt, wenn nicht vorher das Inventar errichtet wird. Der Antragsteller hat seine Forderung glaubhaft zu machen. Auf die Wirksamkeit der Fristbestimmung ist es ohne Einfluß, wenn die Forderung nicht besteht.

§ 1995. Die Jnventarfrist soll mindestens einen Monat, höchstens drei Monate betragen. Sie beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, durch den die Frist bestimmt wird. Wird die Frist vor der Annahme der Erbschaft bestimmt, so beginnt sie erst mit der Annahme der Erbschaft. Aus Antrag des Erben kann das Nachlaßgericht die Frist nach seinem Ermeffen verlängern. § 1996. Ist der Erbe durch höhere Gewalt verhindert worden, das Inventar rechtzeitig zu errichten oder die nach den Umständen gerecht­ fertigte Verlängerung der Jnventarfrist zu beantragen, so hat ihm aus seinen Antrag das Nachlaßgericht eine neue Jnventarfrist zu bestimmen. Das Gleiche gilt, wenn der Erbe von der Zustellung des Beschlusses, durch den die Jnventarfrist bestimmt worden ist, ohne sein Verschulden Kenntniß nicht erlangt hat. Der Antrag muß binnen zwei Wochen nach der Beseitigung deS Hinderniffes und spätestens vor dem Ablauf eines Jahres nach dem Ende der zuerst bestimmten Frist gestellt werden. Vor der Entscheidung soll der Nachlaßgläubiger, auf dessen Antrag die erste Frist bestimmt worden ist, wenn thunlich gehört werden. 19*

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 1997. Auf den Lauf der Jnventarfrist und der im § 1996 Abs. 2 bestimmten Frist von zwei Wochen finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften des § 203 Abs. 1 und des § 206 entsprechende Anwendung. § 1998. Stirbt der Erbe vor dem Ablaufe der Jnventarfrist oder der im § 1996 Abs. 2 bestimntten Frist von zwei Wochen, so endigt die Frist nicht vor dem Ablaufe der für die Erbschaft des Erben vorgefchriebenen Ausschlagungsfrist.

§ 1999. Steht der Erbe unier elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft, so soll das Nachlaßgericht dem Vormundschastsgerichte von der Bestimmung der Jnventarfrist Mittheilung machen. § 2000. Die Bestimmung einer Jnventarfrist wird unwirksam, wenn eine Nachlaßverwaltung angeordnet oder der Nachlaßkonkurs eröffnet wird. Während der Dauer der Nachlaßverwaltung oder des Nachlaß­ konkurses kann eine Jnventarfrist nicht bestimmt werden. Ist der Nachlaß­ konkurs durch Vertheilung der Masse oder durch Zwangsvergleich beendigt, so bedarf es zur Abwendung der unbeschränkten Haftung der Inventar­ errichtung nicht.

K 2001. In dem Inventar sollen die bei dem Eintritte des Erbfalls vorhandenen Nachlaßgegenstände und die Nachlaßverbindlichkeiten vollständig angegeben werden. Das Inventar soll außerdem eine Beschreibung der Nachlaßgegenstände, soweit eine solche zur Bestimmung des Werthes erforderlich ist, und die Angabe des Werthes enthalten.

§ 2002. Der Erbe muß zu der Aufnahme des Inventars eine zuständige Behörde oder einen zuständigen Beamten oder Notar zuziehen. § 2003. Auf Antrag des Erben hat das Nachlaßgericht entweder das Inventar selbst aufzunehmen oder die Aufnahme einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten oder Notar zu übertragen. Durch die Stellung des Antrags wird die Jnventarfrist gewahrt. Der Erbe ist verpflichtet, die zur Aufnahme des Inventars erforderliche Auskunft zu ertheilen. Das Inventar ist von der Behörde, dem Beamten oder dem Notar bei dem Nachlaßgericht einzureichen.

§ 2004. Befindet sich bei dem Nachlaßgerichte schon ein den Vorschrifteii der 88 2002, 2003 entsprechendes Inventar, so genügt es, wenn der Erbe vor dem Ablaufe der Jnventarfrist dem Nachlaßgerichte gegenüber erklärt, daß das Inventar als von ihm eingereicht gelten soll.

K 2005. Führt der Erbe absichtlich eine erhebliche Unvollständigkeit der im Inventar enthaltenen Angabe der Nachlaßgegenstände herbei oder bewirkt er in der Absicht, die Nachlaßgläubiger zu benachtheiligen, die Aufnahme einer nicht bestehenden Nachlaßverbindlichkeit, so hastet er für die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt. Das Gleiche gilt, wenn er im Falle des § 2003 die Ertheilung der Auskunft verweigert oder absichtlich in erheblichem Maße verzögert.

Fünftes Buch.

Erbrecht.

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Ist die Angabe der Nachlaßgegenstände unvollständig, ohne daß ein Fall des Abs. 1 vorliegt, so kann dein Erben zur Ergänzung eine neue Jnventarfrist bestimmt werben.

§ 2006. Der Erbe hat aus Verlangen eines Nachlaßgläubigers vor dem Nachlaßgerichte den Lffenbarungseid dahin zu leisten: daß er nach bestem Wissen die Nachlaßgegenstände so vollständig angegeben habe, als er dazu im Stande sei. Der Erbe kann vor der Leistung des Eides das Inventar vervollständigen. Verweigert der Erbe die Leistung des Eides, so haftet er dem Gläubiger, der den Antrag gestellt hat, unbeschränkt. Das Gleiche gilt, wenn er weder in dem Termine noch in einem auf Antrag des Gläubigers bestimmten neuen Termin erscheint, es sei denn, daß ein Grund vorliegt, durch den das Nichterscheinen in diesem Termine genügend entschuldigt wird. Eine wiederholte Leistung des Eides kann derselbe Gläubiger oder ein anderer Gläubiger nur verlangen, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß dem Erben nach der Eidesleistung weitere Nachlaßgegenstände bekannt geworden sind.

§ 2007. Ist ein Erbe zu mehreren Erbtheilen berufen, so bestimmt sich seine Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten in Ansehung eines jeden der Erbtheile so, wie wenn die Erbtheile verschiedenen Erben gehörten. In den Fällen der Anwachsung und des § 1935 gilt dies nur dann, wenn die Erbtheile verschieden beschwert find. § 2008. Ist eine Ehefrau die Erbin und gehört die Erbschaft zum eingebrachten Gute oder zum Gesammtgute, so ist die Bestimmung der Jnventarfrist nur wirksam, wenn sie auch dem Manne gegenüber erfolgt. Solange nicht die Frist dem Manne gegenüber verstrichen ist, endigt sie auch nicht der Frau gegenüber. Die Errichtung des Inventars durch den Mann kymmt der Frau zu Statten. Gehört die Erbschaft zum Gesammtgute, so gelten diese Vorschriften auch nach der Beendigung der Gütergemeinschaft. § 2009. Ist das Inventar rechtzeitig errichtet worden, so wird im Verhältnisse zwischen dem Erben und den Nachlaßgläubigern vermuthet, daß zur Zeit des Erbfalls weitere Nachlaßgegenstände als die angegebenen nicht vorhanden gewesen seien. § 2010. Das Nachlaßgericht hat die Einsicht des Inventars Jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht. § 2011. Dem Fiskus als gesetzlichem Erben kann eine Jnventar­ frist nicht bestimmt werden. Der Fiskus ist den Nachläßgläubigern gegenüber verpflichtet, über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu ertheilen. K 2012. Einem nach den 88 1960,1961 bestellten Nachlaßpfleger kann eine Jnventarfrist nicht bestimmt werden. Der Nachlaßpfleger ist den Nachlaßgläubigern gegenüber verpflichtet, über den Bestand des Nachlaffes Auskunft zu ertheilen. Der Nachlaßpfleger kann nicht auf die Beschränkung der Haftung des Erben verzichten. Diese Vorschriften gelten auch für den Nachlaßverwalter

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 3013« Haftet der Erbe für die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt, io finden die Vorschriften der §§ 1973 bis 1975, 1977 bis 1980, 1989 bis 1992 keine Anwendung; der Erbe ist nicht berechtigt, die Anordnung einer Nachlaßverw^tung zu beantragen. Auf eine nach 8 1973 oder nach 8 1974 eingetretene Beschränkung der Haftung kann sich der Erbe jedoch berufen, wenn später der Fall des § 1994 Abs. 1 Satz 2 oder des § 2005 Abs. 1 eintritt. Die Vorschriften der 88 1977 bis 1980 und das Recht des Erben, die Anordnung einer Nachlaßverwaltung zu beantragen, werden nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Erbe einzelnen Nachlaßgläubigern gegenüber unbeschränkt haftet. V.

Aufschiebende Einreden.

K 2014. Der Erbe ist berechtigt, die Berichtigung einer Nachlaß­ verbindlichkeit bis zum Abläufe der ersten drei Monate nach der Annahme der Erbschaft, jedoch nicht über die Errichtung des Inventars hinaus, zu verweigern.

§ 2015. Hat der Erbe den Antrag auf Erlaffung des Aufgebots der Nachlaßgläubiger innerhalb eines Jahres nach der Annahme der Erb­ schaft gestellt und ist der Antrag zugelassen, so ist der Erbe berechtigt, die Berichtigung einer Nachlaßverbindlichkeit bis zur Beendigung des Aufgebots­ verfahrens zu verweigern. Der Beendigung des Aufgebotsverfahrens steht es gleich, wenn der Erbe in dem Aufgebotstermine nicht erschienen ist und nicht binnen zwei Wochen die Bestimmung eines neuen Termins beantragt oder wenn er auch in dem neuen Termine nicht erscheint. Wird das Ausschlußurtheil erlassen oder der Antrag auf Erlassung des Urtheils zurückgewiesen, so ist das Verfahren nicht vor dem Ablauf einer mit der Verkündung der Entscheidung beginnenden Frist von zwei Wochen und nicht vor der Erledigung einer rechtzeitig eingelegten Beschwerde als beendigt anzusehen. § 2016. Die Vorschriften der 88 2014,. 2015 finden keine Anwendung, wenn der Erbe unbeschränkt hastet. Das Gleiche gilt, soweit ein Gläubiger nach § 1971 von dem Auf­ gebote der Nachlaßgläubiger nicht betroffen wird, mit der Maßgabe, daß eilt erst nach dem Eintritte des Erbfalls' im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung erlangtes Recht sowie eine erst nach diesem Zeitpunft im Wege der einstweiligen Verfügung erlangte Vormerkung außer Betracht bleibt. K 2017. Wird vor der Annahme der Erbschaft zur Verwaltung des Nachlaffes ein Nachlaßpfleger bestellt, so beginnen die im 8 2014 und im 8 2015 Abs. 1 bestimmten Fristen mit der Bestellung.

Fünftes Buch.

Erbrecht.

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Dritter Titel.

CrbschastSanspruch. K 2018. Der Erbe kann von Jedem, der auf Grund eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Erbrechts etwas aus der Erbschaft erlangt hat (Erbschastsbesitzer), die Herausgabe des Erlangten verlangen.

§ 2019. Als aus der Erbschaft erlangt gilt auch, was der Erbschaftsbesitzer durch Rechtsgeschäft mit Mitteln der Erbschaft erwirbt. Die Zugehörigkeit einer in solcher Weise erworbenen Forderung zur Erbschaft hat der Schuldner erst dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er von der Zugehörigkeit Kenntniß erlangt; die Vorschriften der §§ 406 bis 408 finden entsprechende Anwendung. § 2020. Der Erbschaftsbesitzer hat dem Erben die gezogenen Nutzungen herauszugeben; die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auch auf Früchte, an denen er das Eigenthum erworben hat. § 2021. Soweit der Erbschaftsbesitzer zur Herausgabe außer Stande ist, bestimmt sich seine Verpflichtung nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. § 2022. Der Erbschaftsbesitzer ist zur Herausgabe der zur Erb­ schaft gehörenden Sachen nur gegen Ersatz aller Verwendungen verpflichtet, soweit nicht die Verwendungen durch Anrechnung aus die nach § 2021 herauszugebende Bereicherung gedeckt werden. Die für den Eigenthums­ anspruch geltenden Vorschriften der §§ 1000 bis 1003 finden Anwendung. Zu den Verwendungen gehören auch die Aufwendungen, die der Erbschaftsbesitzer zur Bestreitung von Lasten der Erbschaft oder zur Berichtigung von Nachlaßverbindlichkeiten macht. Soweit der Erbe für Aufwendungen, die nicht auf einzelne Sachen gemacht worden sind, insbesondere für die im Abs. 2 bezeichneten Auf­ wendungen, nach den allgemeinen Vorschriften in weiterem Umfang Ersatz zu leisten hat, bleibt der Anspruch des Erbschaftsbesitzers unberührt. § 2023. Hat der Erbschaftsbesitzer zur Erbschaft gehörende Sachen herauszugeben, so bestimmt sich von dem Eintritte der Rechtshängigkeit an der Anspruch des Erben auf Schadensersatz wegen Verschlechterung, Unterganges oder einer aus einem anderen Grunde einttetenden Unmöglichkeit der Herausgabe nach den Vorschriften, die für das Verhältniß zwischen dem Eigenthümer und dem Besitzer von dem Eintritte der Rechtshängigkeit des Eigenthümsanspruchs an gelten. Das Gleiche gilt von dem Ansprüche des Erben auf Herausgabe oder Vergütung von Nutzungen und von dem Ansprüche des Erbschafts­ besitzers auf Ersatz von Verwendungen.

§ 2024. Ist der Erbschaftsbesitzer bei dem Beginne des Erbschafts­ besitzes nicht in gutem Glauben, so haftet er so, wie wenn der Anspruch des Erben zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre. Erfährt der Erbschaftsbesitzer später, daß er nicht Erbe ist, so hastet er in gleicher

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Weise von 8er Erlangung der Kenntniß an. wegen Verzugs bleibt unberührt.

Eine weitergehende Haftung

§ 2025. Hat der Erbschaftsbesitzer einen Erbschastsgegenstand durch eine strafbare Handlung oder eine zur Erbschaft gehörende Sache durch verbotene Eigenmacht erlangt, so haftet er nach den Vorschriften über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen. Ein gutgläubiger Erbschastsbesitzer haftet jedoch wegen verbotener Eigenmacht nach diesen Vorschriften nur, wenn der Erbe den Besitz der Sache bereits thatsächlich ergriffen hatte. § 2026. Der Erbschaftsbesitzer kann sich dem Erben gegenüber, solange nicht der Erbschaftsanspruch verjährt ist, nicht auf die Ersitzung einer Sache berufen, die er als zur Erbschaft gehörend im Besitze hat.

§ 2027. Der Erbschaftsbesitzer ist verpflichtet, dem Erben über den Bestand der Erbschaft und über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände Auskunft zu ertheilen. Die gleiche Verpflichtung hat, wer, ohne Erbschaftsbesitzer zu sein, eine Sache aus dem Nachlaß in Besitz nimmt, bevor der Erbe den Besitz thatsächlich ergriffen hat. § 2028. Wer sich zur Zeit des Erbfalls mit dem Erblasser in häuslicher Gemeinschaft befunden hat, ist verpflichtet, dem Erben auf Verlangen Auskunft darüber zu ertheilen, welche erbschastliche Geschäfte er geführt hat und was ihm über- den Verbleib der Erbfchaftsgegenstände bekannt ist. Besteht Grund zu der Annahme, daß die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt ertheilt worden ist, so hat der Verpflichtete auf Verlangen des Erben den Offenbarungseid dahin zu leisten: daß er seine Angaben nach bestem Wissen so vollständig gemacht habe, als er dazu im Stande sei. Die Vorschriften des § 259 Abs. 3 und des § 261 finden An­ wendung.

§ 2029. Die Haftung des Erbschaftsbesitzers bestimmt sich auch gegenüber den Ansprüchen, die dem Erben in Ansehung der einzelnen Erbschaftsgegenstände zustehen, nach den Vorschriften über den Erbschafts­ anspruch.

§ 2080. besitzer erwirbt,

Wer die Erbschaft durch Vertrag von einem Erbschafts­ steht im Verhältnisse zu dem Erben einem Erbschafts­

besitzer gleich.

§ 2031. Ueberlebt eine für todt erklärte Person den Zeitpunkt, der als Zeitpunkt ihres Todes gilt, 'so kann sie die Herausgabe ihres Vermögens nach den für den Erbschaftsanspruch geltenden Vorschriften verlangen. Solange der für todt Erklärte noch lebt, wird die Verjährung seines Anspruchs nicht vor dem Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkte vollendet, in welchem er von der Todeserklärung Kenntniß erlangt. Das Gleiche gilt, wenn der Tod einer Person ohne Todeserklärung mit Unrecht angenommen worden ist.

Fünftes Buch.

Erbrecht.

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vierter Titel.

Mehrheit vou Erben. I. Rechtsverhältniß der Erbe» unter einander. § 2032. Hinterläßt der Erblasser mehrere Erben, so wird der Nachlaß gemeinschaftliches Vermögen der Erben. Bis zur Auseinandersetzung gelten die Vorschriften der §§ 2033 bis 2041.

§ 2033. Jeder Miterbe kann über seinen Antheil an dem Nachlasse verfügen. Der Vertrag, durch den ein Miterbe über seinen Antheil verfügt, bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Ueber seinen Antheil an den einzelnen Nachlaßgegenständen kann ein Miterbe nicht verfügen. § 2034. Verkauft ein Miterbe seinen Antheil an einen Dritten, so sind die übrigen Miterben zum Vorkaufe berechtigt. Die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts beträgt zwei Monate. Das Vorkaufsrecht ist vererblich. § 2035. Ist der verkaufte Antheil auf den Käufer übertragen, so können die Miterben das ihnen nach § 2034 dem Verkäufer gegenüber zustehende Vorkaufsrecht dem Käufer gegenüber ausüben. Dem Verkäufer gegenüber erlischt das Vorkaufsrecht mit der Uebertragung des Antheils. Der Verkäufer hat die Miterben von der Uebertragung unverzüglich zu benachrichtigen. § 2036. Mit der Uebertragung des Antheils auf die Miterben wird der Käufer von der Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten frei. Seine Haftung bleibt jedoch bestehen, soweit er den Nachlaßgläubigern nach den §§ 1978 bis 1980 verantwortlich ist; die Vorschriften der §§ 1990, 1991 finden entsprechende Anwendung. § 2037. Ueberträgt der Käufer den Antheil auf einen Anderen, so finden die Vorschriften der §§ 2033, 2035, 2036 entsprechende An­ wendung. § 2038. Die Verwaltung des Nachlasses steht den Erben gemeinschaftlich zu. Jeder Miterbe ist den anderen gegenüber verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung ersorderlich sind; die zur Erhaltung nothwendigen Maßregeln kann jeder Miterbe ohne Mitwirkung der anderen treffen. Die Vorschriften der §§ 743, 745, 746, ,748 finden Anwendung. Die Theilung der Früchte erfolgt erst bei der Auseinandersetzung. Ist die Auseinandersetzung auf längere Zeit als ein Jahr ausgeschlossen, so kann jeder Miterbe am Schluffe jedes Jahres die Theilung des Rein­ ertrags verlangen. § 2039. Gehört ein Anspruch zum Nachlasse, so kann der Ver­ pflichtete nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten und jeder Miterbe nur die Leistung an alle Erben fordern. Jeder Miterbe kann verlangen,

298

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

daß der Verpflichtete die zu leistende Sache für alle Erben hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.

8 2040, Die Erben können über einen Nachlaßgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen. Gegen eine zum-Nachlasse gehörende Forderung kann der Schuldner nicht eine ihm gegen einen einzelnen Miterben zustehende Forderung aufrechnen. 8 2041. Was auf Grund eines zum Nachlasse gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Nachlaßgegenstandes oder durch ein Rechtsgeschäft erworben wird, das sich auf den Nachlaß bezieht, gehört zum Nachlaße. Auf eine durch ein solches Rechtsgeschäft erworbene Forderung findet die Vorschrift des § 2019 Abs. 2 Anwendung.

8 2042. Jeder Miterbe kann jederzeit die Auseinandersetzung verlangen, soweit sich nicht aus den §§ 2043 bis 2045 ein Anderes ergiebt. Die Vorschriften des § 749 Abs. 2, 3 und der 88 750 bis 758 finden Anwendung. 8 2048. Soweit die Erbtheile wegen der zu erwartenden Geburt eines Miterben noch unbestimmt sind, ist die Auseinandersetzung bis zur Hebung der Unbestimmtheit ausgeschlossen. Das Gleiche gilt, soweit die Erbtheile deshalb noch unbestimmt sind, weil die Entscheidung über eine Ehelichkeitserklärung, über die Bestätigung einer Annahme an Kindesstatt oder über die Gemhmigung einer vom Erblasser errichteten Stiftung noch aussteht.

8 2044. Der Erblasser kann durch letztwillige Verfügung die Auseinandersetzung in Ansehung des Nachlasses oder einzelner Nachlaß­ gegenstände ausschließen oder von der Einhaltung einer Kündigungsfrist abhängig machen. Die Vorschriften des § 749 Abs. 2, 3, der §§ 750, 751 und des § 1010 Abs. 1 finden entsprechende Anwendung. Die Verfügung wird unwirksam, wenn dreißig Jahre seit dem Ein­ tritte des Erbfalls verstrichen sind. Der Erblasser kann jedoch anordnen, daß die Verfügung bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses in der Person eines Miterben oder, falls er eine Nacherbfolge oder ein Vermächtniß anordnet, bis zum Eintritte der Nacherbfolge oder bis zum Anfalle des Vermächtnisses gelten soll. Ist der Miterbe, in deffen Person das Ereigniß eintreten soll, eine juristische Person, so bewendet es bei der dreißigjährigen Frist. 8 2045. Jeder Miterbe kann verlangen, daß die Auseinander­ setzung bis zur Beendigung des nach 8 1970 zulässigen Aufgebotsver­ fahrens oder bis zum Ablaufe der im 8 2061 bestimmten Anmeldungs­ frist aufgeschoben wird. Ist das Aufgebot noch nicht beantragt oder die öffentliche Aufforderung nach 8 2061 noch nicht erlassen, so kann der Aufschub nur verlangt werden, wenn unverzüglich der Antrag gestellt oder die Aufforderung erlassen wird.

Fünftes Buch.

Erbrecht.

299

§ 2046, Aus dem Nachlasse sind zunächst die Nachlaßverbindlichkeiten zu berichtigen. Ist eine Nachlaßverbindlichkeit noch nicht fällig oder ist sie streitig, so ist das zur Berichtigung Erforderliche zurückzubehalten. Fällt eine Nachlaßverbindlichkeit nur einigen Miterben zur Last, so können diese die Berichtigung nur aus dem verlangen, was ihnen bei der Auseinandersetzung zukommt. Zur Berichtigung ist der Nachlaß, soweit erforderlich, in Geld umzusetzen. § 2047, Der nach der Berichtigung der Nachlaßverbindlichkeiten verbleibende Ueberschuß gebührt den Erben nach dem Verhältnisse der Erbtheile. Schriftstücke, die sich auf die persönlichen Verhältnisse des Erb­ lassers, auf dessen Familie oder auf den ganzen Nachlaß beziehen, bleiben gemeinschaftlich. § 2048, Der Erblasser kann durch letztwillige Verfügung An­ ordnungen für die Auseinandersetzung treffen. Er kann insbesondere an­ ordnen, daß die Auseinandersetzung nach dem billigen Ermessen eines Dritten erfolgen soll. Die von dem Dritten auf Grund der Anordnung getroffene Bestimmung ist für die Erben nicht verbindlich, wenn sie offen­ bar unbillig ist; die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urtheil. § 2040, Hat der Erblasser angeordnet, daß einer der Miterben das Recht haben soll, ein zum Nachlasse gehörendes Landgut zu über­ nehmen, so ist im Zweifel anzunehmen, daß das Landgut zu dem Ertrags­ werth angesetzt werden soll. Der Ertragswerth bestimmt sich nach dem Reinerträge, den das Landgut nach seiner bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungs­ mäßiger Bewirthschastung nachhaltig gewähren kann.

K 2050, Abkömmlinge, die als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen, sind verpflichtet, dasjenige, was sie von dem Erblasser bei dessen Lebzeiten als Ausstattung erhalten haben, bei der Auseinandersetzung unter einander zur Ausgleichung zu bringen, soweit nicht der Erblaffer bei der Zuwendung ein Anderes angeordnet hat. Zuschüsse, die zu dem Zwecke gegeben worden sind, als Einkünfte verwendet zu werden, sowie Aufwendungen für die Vorbildung zu einem Berufe sind insoweit zur Ausgleichung zu bringen, als sie das den Vermögensverhältniffen des Erblaffers ensprechende Maß überstiegen haben. Andere Zuwendungen unter Lebenden find zur Ausgleichung zu bringen, wenn der Erblaffer bei der Zuwendung die Ausgleichung an­ geordnet hat.

§ 2051, Fällt ein Abkömmling, der als Erbe zur Ausgleichung verpflichtet sein würde, vor oder nach dem Erbfalle weg, so ist wegen der ihm gemachten Zuwendungen der an seine Stelle tretende Abkömmling zur Ausgleichung verpflichtet. Hat der Erblaffer für den Wegsallenden Abkömmling einen Ersatz­ erben eingesetzt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß dieser nicht mehr

300

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

erhalten soll, als der Abkömmling unter Berücksichtigung der Ausgleichungs­ pflicht erhalten würde.

§ 2053. Hat der Erblasser die Abkömmlinge auf dasjenige als Erben eingesetzt, was sie als gesetzliche Erben erhalten würden, oder hat er ihre Erbtheile so bestimmt, daß sie zu einander in demselben Verhält­ nisse stehen wie die gesetzlichen Erbtheile, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die Abkömmlinge nach den §§ 2050, 2051 zur Ausgleichung ver­ pflichtet sein sollen. § 2053. Eine Zuwendung, die ein entfernterer Abkömmling vor dem Wegfalle des ihn von der Erbfolge ausschließenden näheren Abkömmlinges oder ein an die Stelle eines Abkömmlinges als Ersatzerbe tretender Abkömmling von dem Erblasser erhalten hat, ist nicht zur Aus­ gleichung zu bringen, es sei denn, daß der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung angeordnet hat. Das Gleiche gilt, wenn ein Abkömmling, bevor er die rechtliche Stellung eines solchen erlangt hatte, eine Zuwendung von dem Erblasser erhalten hat. K 2054. Eine Zuwendung, die aus dem Gesammtgute der all­ gemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschaft oder der Fahrnißgemeinschaft erfolgt, gilt als von jedem der Ehegatten zur Hälfte gemacht. Die Zuwendung gilt jedoch, wenn sie an einen Abkönimling erfolgt, der nur von einem der Ehegatten abstammt, oder wenn einer der Ehegatten wegen der Zuwendung zu dem Gesammtgut Ersatz zu leisten hat, als von diesem Ehegatten gemacht. Diese Vorschriften finden auf eine Zuwendung aus dem Gesammt­ gute der fortgesetzten Gütergemeinschaft entsprechende Anwendung.

§ 2055. Bei der Auseinandersetzung wird jedem Miterben der Werth der Zuwendung, die er zur Ausgleichung zu.bringen hat, auf seinen Erbtheil angerechnet. Der Werth der sämmtlichen Zuwendungen, die zur Ausgleichung zu bringen sind, wird dem Nachlaße hinzugerechnet, soweit dieser den Miterben zukommt, unter denen die Ausgleichung stattfindet. Der Werth bestimmt sich nach der Zeit, zu der die Zuwendung erfolgt ist. 8 2058. Hat ein Miterbe durch die Zuwendung mehr erhalten, als ihm bei der Auseinandersetzung zukommen würde, so ist er zur Heraus­ zahlung des Mehrbetrags nicht verpflichtet. Der Nachlaß wird in einem solchen Falle unter die übrigen Erben in der Weise getheilt, daß der Werth der Zuwendung und der Erbtheil des Miterben außer Ansatz bleiben.

§ 2057. Jeder Miterbe ist verpflichtet, den übrigen Erben auf Verlangen Auskunft über die Zuwendungen zu ertheilen, die er nach den 88 2050 bis 2053 zur Ausgleichung zu bringen hat. Die Vorschriften der 88 260, 261 über dir Verpflichtung zur Leistung des Offenbarungs­ eids finden entsprechende Anwendung.

Fünktes Buch.

Erbrecht.

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II. RechtSverhöltmtz zwischen den Erben «nd den Nachlaßgläubigern.

§ 2058. Tie Erben haften für die gemeinschaftlichen Nachlaß­ verbindlichkeiten als Gesammtschuldner. § 2059. Bis zur Theilung des Nachlasses kann jeder Miterbe die Berichtigung der Nachlaßverbindlichkeiten aus dem Vermögen, das er außer feinem Antheil an dem Nachlasse hat, verweigern. Haftet er für eine Nachlaßverbindlichkeit unbeschränkt, so steht ihm dieses Recht in An­ sehung des seinem Erbtheil entsprechenden Theiles der Verbindlichkeit nicht zu. Tas Recht der Nachlaßgläubiger, die Befriedigung aus dem ungetheilten Nachlasse von sämmtlichen Miterben zu verlangen, bleibt unberührt. § 2060. Nach der Theilung des Nachlasses haftet jeder Miterbe nur für den seinem Erbtheil entsprechenden Theil einer Nachlaßver­ bindlichkeit : 1. wenn der Gläubiger im Aufgebotsverfahren ausgeschlossen ist; das Aufgebot erstreckt sich insoweit auch auf die im § 1972 bezeichneten Gläubiger sowie auf die Gläubiger, denen der Miterbe unbeschränkt hattet: 2. wenn der Gläubiger seine Fordungg später als fünf Jahre nach dem im §.1974 Abs. 1 bestimmten Zeitpunkte geltend macht, es sei denn, daß hie Forderung vor dem Ablaufe der fünf Jahre dem Miterben bekannt geworden oder im Aufgebotsverfahren angemeldet worden ist; die Vorschrift findet keine Anwendung, soweit der Gläubiger nach § 1971 von dem Aufgebote nicht betroffen wird; 3. wenn der Nachlaßkonkurs eröffnet und durch Vertheilung der Masse oder durch Zwangsvergleich beendigt worden ist.

§ 2061. Jeder Miterbe kann die Nachlaßgläubiger öffentlich auffordern, ihre Forderungen binnen sechs Monaten bei ihm oder bei dem Nachlaßgericht anzumelden. Ist die Aufforderung erfolgt, so haftet nach der Theilung jeder Miterbe nur für den seinem Erbtheil entsprechenden Theil einer Forderung, soweit nicht vor dem Ablaufe der Frist die Anmeldung, erfolgt oder die Forderung ihm zur Zeit der Theilung bekannt ist. Die Aufforderung ist durch den Deutschen Reichsanzeiger und durch das für die Bekanntmachungen des Nachlaßgerichts bestimmte Blatt zu veröffentlichen. Die Frist beginnt mit der letzten Einrückung. Die Kosten fallen dem Erben zur Last, der die Aufforderung erläßt. § 2062. Die Anordnung einer Nachlaßverwaltung kann von den Erben nur gemeinschaftlich beantragt werden; sie ist ausgeschlossen, wenn der Nachlaß getheilt ist. §. 2063. Die Errichtung des Inventars durch einen Miterben ko nmt auch den übrigen Erben zu Statten, soweit nicht ihre Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt ist. Ein Miterbe kann sich den übrigen Erben gegenüber auf die Be­ schränkung seiner Haftung auch dann berufen, wenn er den anderen Nachlaßgläubigern gegenüber unbeschränkt haftet.

302

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Dritter Abschnitt.

Testament. Erster Titel.

Allgemeine Vorschriften. 8 2064.

Der Erblasser kann ein Testament nur persönlich errichten.

§ 2065. Der Erblasser kann eine letztwillige Verfügung nicht in der Weise treffen, daß ein Anderer zu bestimmen hat, ob sie gelten oder nicht gelten soll. Der Erblasser kann die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstandes der Zuwendung nicht einem Anderen überlassen.

§ 2066. Hat der Erblasser seine gesetzlichen Erben ohne nähere Bestimmung bedacht, so sind diejenigen, welche zur Zeit des Erbfalls seine gesetzlichen Erben sein würden, nach dem Verhältniß ihrer gesetzlichen Erbtheile bedacht. Ist die Zuwendung unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins gemacht und tritt die Bedingung oder der Termin erst nach dem Erbfall ein, so sind im Zweifel diejenigen als bedacht anzusehen, welche die gesetzlichen Erben sein würden, wenn der Erblasser zur Zeit des Eintritts der Bedingung oder des Termins gestorben wäre.

8 2067. Hat der Erblasser seine Verwandten oder seine nächsten Verwandten ohne nähere Bestimmung bedacht, so find im Zweifel diejenigen Verwandten, welche zur Zeit des Erbfalls seine gesetzlichen Erben sein würden, als nach dem Verhältniß ihrer gesetzlichen Erbtheile bedacht anzusehen. Die Vorschrift des § 2066 Satz 2 findet Anwendung. 8 2068. Hat der Erblaffer seine Kinder ohne nähere Bestimmung bedacht und ist ein Kind vor der Errichtung des Testaments mit Hinterlassung von Abkömmlingen gestorben, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an die Stelle des Kindes treten würden.

8 2069. Hat der Erblaffer einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, daß deffm Abkömmlinge infoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an deffm Stelle treten würden.

8 2070. Hat der Erblasser die Abkömmlinge eines Dritten ohne nähere Bestimmung bedacht, so ist im Zweifel anzunehmen, daß diejenigen Abkömmlinge nicht bedacht sind, welche zur Zeit des Erbfalls oder, wenn die Zuwendung unter einer auffchiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins gemacht ist und die Bedingung oder der Termin

Fünftes Buch.

Erbrecht.

303

erst nach dem Erbfall eintritt, zur Zeit des Eintritts der Bedingung oder des Termins noch nicht erzeugt sind.

§ 2071» Hat der Erblasser ohne nähere Bestimmung eine Klasse von Personen oder Personen bedacht, die zu ihm in einem Dienst- oder Geschäftsverhältniste stehen, so ist im Zweifel anzunehmen, daß diejenigen bedacht sind, welche zur Zeit des Erbfalls der bezeichneten Klasse angehören oder in dem bezeichneten Verhältnisse stehen. § 2072. Hat der Erblasser die Armen ohne nähere Bestimmung bedacht, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die öffentliche Armenkasse der Gemeinde, in deren Bezirk er seinen letzten Wohnsitz gehabt hat, unter der Auflage bedacht ist, das Zugewendete unter Arme zu Vertheilen.

§ 2073. Hat der Erblasser den Bedachten in einer Weise be­ zeichnet, die auf mehrere Personen paßt, und läßt sich nicht ermitteln, wer von ihnen bedacht werden sollte, so gelten sie als zu gleichen Theilen bedacht. § 2074. Hat der Erblasser eine letztwillige Zuwendung unter einer auffchiebenden Bedingung gemacht, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die Zuwendung nur gelten soll, wenn der Bedachte den Eintritt der Bedingung erlebt. § 2075. Hat der Erblasser eine letztwillige Zuwendung unter der Bedingung gemacht, daß der Bedachte während eines Zeitraums von unbestimmter Dauer etwas unterläßt oder fortgesetzt thut, so ist, wenn das Unterlaffen oder das Thun lediglich in der Willkür des Bedachten liegt, im Zweifel anzunehmen, daß die Zuwendung von der auflösenden Bedingung abhängig sein soll, daß der Bedachte die Handlung vornimmt oder das Thun unterläßt.

§ 2076. Bezweckt die Bedingung, unter der eine letztwillige Zu­ wendung gemacht ist, den Vortheil eines Dritten, so gilt sie im Zweifel als eingetreten, wenn der Dritte die zum Eintritte der Bedingung erforderliche Mitwirkung verweigert.

§ 2077. Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblaffer seinen Ehegatten bedacht hat, ist unwirksam, wenn die Ehe nichtig oder wenn fie vor dem Tode des Erblaffers aufgelöst worden ist. Der Auflösung der Ehe steht es gleich, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes auf Scheidung wegen Verschuldens des Ehegatten zu klagen berechtigt war und die Klage auf Scheidung oder auf Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft erhoben hatte. Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblaffer feinen Verlobten bedacht hat, ist unwirksam, wenn das Verlöbniß vor dem Tode des Erb­ lassers aufgelöst worden ist. Die Verfügung ist nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, daß der Erblaffer sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde. § 2078. Eine letztwillige Verfügung kann angefochten werden, soweit der Erblaffer über den Inhalt seiner Erklärung im Irrthume war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte und

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1. Bürgerliches Gesetzbuch

anzunehmen ist, daß er die Erklärung bei Kenntniß der Sachlage nicht abgegeben haben würde. Das Gleiche gilt, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Die Vorschriften des § 122 finden keine Anwendung.

8 2079. Eine letztwillige Verfügung kann angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichttheilsberechtigten übergangen hat, dessen Vorhandensein ihm bei der Errichtung der Verfügung nicht bekannt war oder der erst nach der Errichtung geboren oder pflichtthellsberechtigt geworden ist. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, soweit anzunehmen ist, daß der Erblasser auch bei Kenntniß der Sachlage die Verfügung getroffen haben würde. 8 2080. „ Zur Anfechtung ist derjenige berechtigt, welchem die Auf­ hebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zu Statten kommen würde. Bezieht sich in den Fällen des § 2078 der Irrthum nur auf eine bestimmte. Person und ist diese anfechtungsberechtigt oder würde sie anfecht­ ungsberechtigt sein, wenn sie zur Zeit des Erbfalls gelebt hätte, so ist ein Anderer zur Anfechtung nicht berechtigt. Im Falle des § 2079 steht das Anfechtungsrecht nur dem Pflichttheilsberechtigten zu.

8 2081. Die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung, durch die ein Erbe eingesetzt, ein gesetzlicher Erbe von der Erbfolge ausgeschloffen, ein Testamentsvollstrecker ernannt oder eine Verfügung solcher Art auf­ gehoben wird, erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgerichte. Das Nachlaßgericht soll die Anfechtungserklärung demjenigen mittheilen, welchem die angefochtene Verfügung unmittelbar zu Statten kommt. Es hat die Einsicht der Erklärung Jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht. Die Vorschrift des Abs. 1 gilt auch für die Anfechtung einer letzt­ willigen Verfügung, durch die ein Recht für einen Anderen nicht begründet wird, insbesondere für die Anfechtung einer Auflage. 8 2082.

Die Anfechtung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungs­ berechtigte von dem Anfechtungsgrunde Kenntniß erlangt. Auf den Laus der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 203, 206, 207 entsprechende Anwendung. Die Anfechtung ist ausgeschloffen, wenn seit dem Erbfalle dreißig Jahre verstrichen find.

8 2083. Ist eine letztwillige Verfügung, durch die eine Ver­ pflichtung zu einer Leistung begründet wird, anfechtbar, so kann der Beschwerte die Leistung verweigern, auch wenn die Anfechtung nach § 2082 ausgeschlossen ist. 8 2084. Läßt der Inhalt einer letztwilligen Verfügung ver­ schiedene Auslegungen zu, so ist im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, bei welcher die Verfügung Erfolg haben kann.

Fünftes Buch.

Erbrecht.

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§ 2085» Die Unwirksamkeit einer von mehreren in einem Testament enthaltenen Verfügungen hat die Unwirksamkeit der übrigen Verfügungen nur zur Folg«, wenn anzunehmen ist, daß der Erblasser diese ohne die unwirksame Verfügung nicht getroffen haben würde. § 2086» Ist einer letztwilligen Verfügung der Vorbehalt einer Ergänzung beigeßügt, die Ergänzung aber unterblieben, so ist die Ver­ fügung wirksam, sofern nicht anzunehmen ist, daß die Wirksamkeit von der Ergänzung abhängig sein sollte. Zweiter Titel.

Erbeinsetzung.

§ 2087» Hat der Erblasser sein Vermögen oder einen Bruchtheil seines Vermögens dem Bedachten zugewendet, so ist die Verfügung als Erbeinsetzung anzusehen, auch wenn der Bedachte nicht als Erbe bezeichnet ist. Sind dem Bedachten nur einzelne Gegenstände zugewendet, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, daß er Erbe sein soll, auch wenn er als Erbe bezeichnet ist. § 2088. Hat der Erblasser nur einen Erben eingesetzt und die Einsetzung auf einen Bruchtheil der Erbschaft beschränkt, so tritt in Ansehung des übrigen Theiles die gesetzliche Erbfolge ein. Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser mehrere Erben unter Be­ schränkung eines jeden auf einen Bruchtheil eingesetzt hat und die Bruch­ theile das Ganze nicht erschöpfen. § 2089. Sollen die eingesetzten Erben nach dem Willen des Erblaffers die alleinigen Erben sein, so tritt, wenn jeder von ihnen °au' einen Bruchtheil der Erbschaft eingesetzt ist und die Bruchtheile das Ganze nicht erschöpfen, eine verhältnißmäßige Erhöhung der Bruchtheile ein. § 2090. Ist jeder der eingesetzten Erben auf einen Bruchtheil der Erbschaft eingesetzt und übersteigen die Bruchtheile das Ganze, so tritt eine verhältnißmäßige Minderung der Bruchtheile ein.

§ 2091. Sind mehrere Erben eingesetzt, ohne daß die Erbtheile bestimmt sind, so find sie zu gleichen Theilen eingesetzt, soweit sich nicht aus den §§ 2066 bis 2069 ein Anderes ergiebt. § 2092. Sind von mehreren Erben die einen auf Bruchtheile, die anderen ohne Bruchtheile eingesetzt, so erhalten die letzteren den frei­ gebliebenen Theil der Erbschaft. Erschöpfen die bestimmten Bruchtheile die Erbschaft, so tritt eine verhältnißmäßige Minderung der Bruchtheile in der Weise ein, daß jeder der ohne Bruchtheile eingesetzten Erben so viel erhält wie der mit dem geringsten Bruchtheile bedachte Erbe. § 2093. Sind einige von mehreren Erben auf einen und denselben Bruchtheil der Erbschaft eingesetzt (gemeinschaftlicher Erbtheil), so finden in Ansehung des gemeinschaftlichen Erbtheils die Vorschriften der §§ 2089 bis 2092 entsprechende Anwendung. Bürgerlichls Gesetzbuch und Nebcngcsche.

306

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 2094. Sind mehrere Erben in der Weise eingesetzt, daß sie die gesetzliche Erbfolge ausschließen, und fällt einer der Erben vor oder nach dem Eintritte des Erbfalls weg, so wächst dessen Erbtheil den übrigen Erben nach dem Verhältniß ihrer Erbtheile an. Sind einige der Erben auf einen gemeinschaftlichen Erbtheil eingesetzt, so tritt die Anwachsung zunächst unter ihnen ein. Ist durch die Erbeinsetzung nur über einen Theil der Erbschaft verfügt und findet in Ansehung des übrigen Theiles die gesetzliche Erb­ folge statt, so tritt die Anwachsung unter den eingesetzten Erben nur ein, soweit sie- auf einen gemeinschaftlichen Erbtheil eingesetzt sind. Der Erblasser kann die Anwachsung ausschließen. § 2095. Der durch Anwachsung einem Erben anfallende Erbtheil gilt in Ansehung der Vermächtnisse und Auflagen, mit denen dieser Erbe oder der wegfallende Erbe beschwert ist, sowie in Ansehung der Aus­ gleichungspflicht als besonderer Erbtheil. § 2096. Der Erblasser kann für den Fall, daß ein Erbe vor oder nach dem Eintritte des Erbfalls wegfällt, einen Anderen als Erben einsetzen (Ersatzerbe). § 2097. Ist Jemand für den Fall, daß der zunächst berufene Erbe nicht Erbe sein kann, oder für den Fall, daß er nicht Erbe sein will, als Ersatzerbe eingesetzt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß er für beide Fälle eingesetzt ist. § 2098. Sind die Erben gegenseitig oder sind für einen von ihnen die übrigen als Ersatzerben eingesetzt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß sie nach dem Verhältniß ihrer Erbtheile als Ersatzerben eingesetzt sind. Sind die Erben gegenseitig als Ersatzerben eingesetzt, so gehen Erben, die auf einen gemeinschaftlichen Erbtheil eingesetzt sind, im Zweifel als Ersatzerben für diesen Erbtheil den anderen vor.

§ 2099. Das Recht des Ersatzerben geht dem Anwachsungsrechte vor.

Dritter Titel.

Einsetzung eines Nacherben. § 2100. Der Erblasser kann einen Erben in der Weise einsxtzeu, daß dieser erst Erbe wird, nachdem zunächst ein Anderer Erbe geworden ist (Nacherbe). § 2101. Ist eine zur Zeit des Erbfalls noch nicht erzeugte Person als Erbe eingesetzt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß sie als Nacherbe eingesetzt ist. Entspricht es nicht dem Willen des Erblassers, daß der Eingesetzte Nacherbe werden soll, so ist die Einsetzung unwirksam. Das Gleiche gilt von der Einsetzung einer juristischen Person, die erst nach dem Erbfalle zur Entstehung gelangt; die Vorschrift des § 84 bleibt unberührt. § 2102. Die Einsetzung als Nacherbe enthält im Zweifel auch die Einsetzung als Ersatzerbe.

Fünftes Buch.

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Erbrecht.

Ist zweifelhaft, ob Jemand als Ersatzerbe oder als Nacherbe ein­ gesetzt ist, so gilt er als Ersatzerbe.

H 2103. Hat der Erblasser angeordnet, daß der Erbe mit dem Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses die Erbschaft einem Anderen herausgeben soll, so ist anzunehmen, daß der Andere als Nacherbe eingesetzt ist.

§ 2104. Hat der Erblasser angeordnet, daß der Erbe nur bis zu dem Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses Erbe sein soll, ohne zu bestimmen, wer alsdann die Erbschaft erhalten soll, so ist anzunehmen, daß als Nacherben diejenigen eingesetzt sind, welche die gesetzlichen Erben des Erblassers sein würden, wenn er zur Zeit des Eintritts des Zeitpunkts oder des Ereignisses gestorben wäre. Ter Fiskus gehört nicht zu den gesetzlichen Erben im Sinne dieser Vorschrift. § 2105. Hat der Erblasser angeordnet, daß der eingesetzte Erbe die Erbschaft erst mit dem Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses erhalten soll, ohne zu bestimmen, wer bis dahin Erbe sein soll, so sind die gesetzlichen Erben des Erblassers die Vorerben. Das Gleiche gilt, wenn die Persönlichkeit des Erben durch ein erst nach dem Erbfall eintretendes Ereigniß bestimmt werden soll oder wenn die Einsetzung einer zur Zeit des Erbfalls noch nicht erzeugten Person oder einer zu dieser Zeit noch nicht entstandenen juristischen Person als Erbe nach § 2101 als Nacherbeinsetzung anzusehen ist. § 2106. Hat der Erblasser einen Nacherben eingesetzt, ohne den Zeitpunkt oder das Ereigniß zu bestimmen, mit dem die Nacherbfolge eintreten soll, so fällt die Erbschaft dem Nacherben mit dem Tode des Vorerben an. Ist die Einsetzung einer noch nicht erzeugten Person als Erbe nach § 2101 Abs. 1 als Nacherbeinsetzung anzusehen, so fällt die Erbschaft dem Nacherben mit dessen Geburt an. Im Falle des § 2101 Abs. 2 tritt der Anfall mit der Entstehung der juristischen Person ein. § 2107* Hat der Erblasser einem Abkömmlinge, der zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung keinen Abkömmling hat oder von dem der Erblasser zu dieser Zeit nicht weiß, daß er einen Abkömmling hat, für die Zeit nach dessen Tode einen Nacherben bestimmt, so ist anzunehmen, daß der Nacherbe nur für den Fall eingesetzt ist, daß der Abkömmling ohne Nachkommenschaft stirbt. § 2108. Die Vorschriften des § 1923 finden auf die Nach­ erbfolge entsprechende Anwendung. Stirbt der eingesetzte Nacherbe vor dem Eintritte des Falles der Nacherbfolge, aber nach dem Eintritte des Erbfalls, so geht sein Recht auf seine Erben über, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist. Ist der Nacherbe unter einer auftchiebenden Bedingung eingesetzt, so bewendet es bei der Vorschrift des § 2074.

§ 2109. Die Einsetzung eines Nacherben wird mit dem Ablaufe von dreißig Jahren nach dem Erbfall unwirksam, wenn nicht vorher der 20'

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Fall der Nacherbfolge eingetrcten ist. Sie bleibt auch nach dieser Zeit wirksam: 1. wenn die Nacherbfolge für den Fall angeordnet ist, daß in der Person des Vorerben oder des Nacherben ein bestimmtes Ereigniß emtritt, und derjenige, in besten Person das Ereigniß eintreten soll, zur Zeit des Erbfalls lebt; 2. wenn dem Vorerben oder einem Nacherben kür den Fall, daß ihm ein Bruder oder eine Schwester geboren wird, der Bruder oder die Schwester als Nacherbe bestimmt ist. Ist der Vorerbe oder der Nacherbe, in dessen Person das Ereigniß eintreten soll, eine juristische Person, so bewendet es bei der dreißig­ jährigen Frist.

§ 2110. Das Recht des Nacherben erstreckt sich im Zweifel auf einen Erbtheil, der dem Vorerben in Folge des Wegfalls eines Miterben anfällt. Das Recht des Nacherben erstreckt sich im Zweifel nicht auf ein dem Vorerben zugewendetes Vorausvermächtniß. K 2111. Zur Erbschaft gehört, was der Vorerbe auf Grund eines zur Erbschaft gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Erbschaftsgegenstandes oder durch Rechtsgeschäft mit Mitteln der Erbschaft erwirbt, sofern nicht der Erwarb ihm als Nutzung gebührt. Die Zugehörigkeit einer durch Rechtsgeschäft erworbenen Forderung zur Erbschaft hat der Schuldner erst dann gegen sich gelten zu lasten, wenn er von der Zugehörigkeit Kenntniß erlangt; die Vorschriften der §§ 406 bis 408 finden entsprechende Anwendung. Zur Erbschaft gehört auch, was der Vorerbe dem Inventar eines erbschaftlichen Grundstücks einverleib.

§ 2112. Der Vorerbe kann über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände verfügen, soweit sich nicht aus den Vorschriften der §§ 2113 bis 2115 ein Anderes ergiebt. § 2113. Die Verfügung des Vorerben über ein zur Erbschaft ge­ hörendes Grundstück oder über ein zur Erbschaft gehörendes Recht an einem Grundstück ist im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Das Gleiche gilt von der Verfügung über einen Erbschastsgegenstand, die unentgeltlich oder zum Zwecke der Erfüllung eines von dem Vorerben ertheilten Schenkungsversprechens erfolgt. Ausgenommen sind Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird. Die Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung. § 2114. Gehört zur Erbschaft eine Hypothekenforderung , eine Grundschuld oder eine Rentenschuld, so steht die Kündigung und die Ein­ ziehung dem Vorerben zu. Der Vorerbe kann jedoch nur verlangen, daß das Kapital an ihn nach Beibringung der Einwilligung der Nacherben gezahlt oder daß es für ihn und den Nacherben hinterlegt wird. Auf andere Verfügungen

Fünftes Buch.

Erbrecht.

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über die Hypothekenforderung, die Grundschuld oder die Neutenschuld finden die Vorschriften des § 2113 Anwendung.

8 2115« Eine Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand, die ini Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Konkursverwalter erfolgt, ist im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Richt des Nacherben vereiteln oder beein­ trächtigen würde. Die Verfügung ist unbeschränkt wirksam, wenn der Anspruch eines Nachlaßgläubigers oder ein an einem Erbschastsgegenstande bestehendes Recht geltend geniacht wird, das im Falle des Eintritts der Nacherbfolge dem Nacherben gegenüber wirksam ist. 8 2116. Der Vorerbe hat auf Verlangen des Nacherben die zur Erbschaft gehörenden Jnhaberpapiere nebst den Erneuerungsscheinen bei einer Hinterlegungsstelle oder bei der Reichsbank mit der Bestimmung zu hinterlegen, daß die Herausgabe nur mit Zustimmung des Nacherben ver­ langt werden kann. Die Hinterlegung von Jnhaberpapieren, die nach § 92 zu den verbrauchbaren Sachen gehören, sowie von Zins-, Renten- oder Gewinnantheilfcheinen kann nicht verlangt werden. Den Jnhaberpapieren stehen Orderpapiere gleich, die mit Blankoindossament versehen sind. Ueber die hinterlegten Papiere kann der Vorerbe nur mit Zustimmung des Nacherben verfügen.

8 2117. Der Vorerbe kann die Jnhaberpapiere, statt fie nach § 2116 zu hinterlegen, auf seinen Namm mit der Bestimmung umschreiben lassen, daß er über fie nur mit Zustimmung des Nacherben verfügen kann. Sind die Papiere von dem Reiche oder einem Bundesstaat ausgestellt, so kann er sie mit der gleichen Bestimmung in Buchforderungen gegen das Reich oder den Bundesstaat umwandeln lassem 8 2118. Gehören zur Erbschaft Buchforderungen gegen das Reich oder, einen Bundesstaat, so ist der Vorerbe auf Verlangen des Nacherben verpflichtet, in das Schuldbuch den Vermerk eintragen zu lassen, daß er über die Forderungen nur mit Zustimmung des Nacherben verfügen kann. 8 2119. Geld, das nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft dauernd anzulegen ist, darf der Vorerbe nur nach den für die Anlegung von Mündelgeld geltenden Vorschriften anlegen.

8 2120. Ist zur ordnungsmäßigen Verwaltung, insbesondere zur Berichtigung von Nachlaßverbindlichkeiten, eine Verfügung erforderlich, die der Vorerbe nicht mit Wirkung gegen den Nacherben vornehmen kann, so ist der Nacherbe dem Vorerben gegenüber verpflichtet, seine Einwilligung zu der Verfügung zu ertheilen. Die Einwilligung ist auf Verlangen in öffentlich beglaubigter Form zu erklären. Die Kosten der Beglaubigung fallen dem Vorerben zur Last. 8 2121. Der Vorerbe hat dem Nacherben auf Verlangen ein Verzeichniß der zur Erbschaft gehörmden Gegenstände nutz, theilen. Das Verzeichniß ist mit der Angabe des Tages der Aufnahme zu versehen und von dem Vorerben zu unterzeichnen; der Vorerbe hat auf Verlangen die Unterzeichnung öffentlich beglaubigen zu lassen.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Der Nacherbe kann verlangen, daß er bei der Aufnahme des Ver­ zeichnisses zugezogen wird. Der Borerbe ist berechtigt und auf Verlangen des Nacherben ver­ pflichtet, das Verzeichniß durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufnehmen zu lassen. Die Kosten der Aufnahme und der Beglaubigung fallen der Erb­ schaft zur Last.

§ 2122. Der Borerbe kann den Zustand der zur Erbschaft ge­ hörenden Sachen auf seine Kosten durch Sachverständige feststellen lassen. Das gleiche Recht steht dem Nacherben zu. § 2123. Gehört ein Wald zur Erbschaft, so kann sowohl der Vorerbe als der Nacherbe verlangen, daß das Maß der Nutzung und die Art der wirchschaftlichen Behandlung durch einen Wirthschastsplan fest­ gestellt werden. Tritt eine erhebliche Aenderung der Umstände ein, so kann jeder Theil eine entsprechende Aenderung des Wirthschaftsplans verlangen. Die Kosten fallen der Erbschaft zur Last. Das Gleiche gilt, wenn ein Bergwerk oder eine andere auf Ge­ winnung von Bodenbestandtheilen gerichtete Anlage zur Erbschaft gehört.

§ 2124. Der Vorerbe trägt dem Nacherben gegenüber die ge­ wöhnlichen Erhaltungskosten. Andere Aufwendungen, die der Vorerbe zum Zwecke der Erhaltung von Erbschastsgegenständen den Umständen nach für erforderlich halten darf, kann er aus der Erbschaft bestreiten. Bestreitet er sie aus seinem Ver­ mögen, so ist der Nacherbe im Falle des Eintritts der Nacherbfolge zunl Ersätze verpflichtet.

§ 2125. Macht der Vorerbe Verwendungen auf die Erbschaft, die nicht unter die Vorschrift des § 2124 fallen, so ist der Nacherbe im Falle des Eintritts der Nacherbfolge nach den Vorschriften über die Ge­ schäftsführung ohne Auftrag zum Ersätze verpflichtet. Der Vorerbe ist berechtigt, eine Einrichtung, mit der er eine zur Erbschaft gehörende Sache versehen hat, wegzunehmen. § 2126. Der Vorerbe hat im Verhältnisse zu dem Nacherbeu nicht die außerordentlichen Lasten zu tragen, die als auf den Stammwerth der Erbschastsgegenstände gelegt anzusehen sind. Auf diese Lasten finden die Vorschriften des § 2124 Abs. 2 Anwendung. § 2127. Der Nacherbe ist berechtigt, von dem Vorerben Aus­ kunft über den Bestand der Erbschaft zu verlangen, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß der Vorerbe durch seine Verwaltung die Rechte des Nacherben erheblich verletzt. § 2128. Wird durch das Verhalten des Vorerben oder durch seine ungünstige Vermögenslage die Besorgniß einer erheblichen Verletzung der Rechte des Nacherben begründet, so kann der Nacherbe Sicherheits­ leistung verlangen. Die für die Verpflichtung des Nießbrauchers zur Sicherheitsleistung geltenden Vorschriften des § 1052 finden entsprechende Anwendung.

Fünftes Buch.

Erbrecht.

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§ 2129. Wird dem Vvrerbcu die Verwaltung nach den Vor­ schriften des § 1052 entzogen, so verliert er das Recht, über Erbschafts­ gegenstände zu verfügen. Die Vorschrrften zu Gunsten derjenigen , welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung. Für die zur Erbschaft gehörenden Forderungen ist die Entziehung der Verwaltung dem Schuldner gegenüber erst wirksam, wenn er von der getroffenen Anordnung Kenntniß erlangt oder wenn ihm eine Mittheilung von der Anordnung zilgestellt wird. Das Gleiche gilt von der Aufhebung der Entziehung, § 2130. Der Vorerbe ist nach dem Eintritte der Nacherbfolge ver­ pflichtet, dem Nacherben die Erbschaft in dem Zustande herauszugeben, der sich bei einer bis zur Herausgabe fortgesetzten ordnungsmäßigen Verwaltung ergiebt. Aus die.Herausgabe eines landwirthschaftlichen Grundstücks findet die Vorschrift des § 592, auf die Herausgabe eines Landguts finden die Vorschristen der §§ 592, 593 entsprechende Anwendung. Der Vorerbe hat auf Verlangen Rechenschaft abzulegen. § 2131. Der Vorerbe hat dem Nacherben gegenüber in Ansehung der Verwaltung nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.

§ 2132. Veränderungen oder Verschlechterungen von Erbschafts­ sachen, die durch ordnungsmäßige Benutzung herbeigeführt werden, hat der Vorerbe nicht zu vertreten. § 2133. Zieht der Vorerbe Früchte den Regeln einer ordnungs­ mäßigen Wirthschaft zuwider oder zieht er Früchte deshalb im Uebermaße, weil dies in Folge eines besonderen Ereignisies nothwendig geworden ist. so gebührt ihm der Werth der Früchte nur insoweit, als durch den ordnungswidrigen oder den übermäßigen Fruchtbezug die ihm gebührenden Nutzungen beeinträchtigt werden und nicht der Werth der Früchte nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft zur Wiederherstellung der Sache zu verwenden ist. K 2134. Hat der Vorerbe einen Erbschaftsgegenstand für sich verwendet, so ist er nach dem Eintritte der Nacherbfolge dem Nacherben gegenüber zum Ersätze des Werthes verpflichtet. Eine weitergehende Haftung wegen Verschuldens bleibt unberührt.

§ 2135. Hat der Vorerbe ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück vermiethet oder verpachtet, so finden, wenn das Mieth- oder Pachtverhältniß bei dem Eintritte der Nacherbfolge noch besteht, die Vorschriften des § 1056 entsprechende Anwendung. § 2136. Der Erblasser kann den Vorerben von den Beschränkungen und Verpflichtungen des § 2113 Abs. 1 und der §§ 2114, 2116 bis 2119, 2123, 2127 bis 2131, 2133, 2134 befreien. § 2137. Hat der Erblasser den Nacherben auf dasjenige eingesetzt, was von der Erbschaft bei dem Eintritte der Nacherbfolge übrig sein wird, so gilt die Befreiung von allen im § 2136 bezeichneten Beschränkungen und Verpflichtungen als angeordnet.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Das Gleiche ist int Zweifel anzunehmen, wenn der Erblasser bestimmt hat, daß der Vorerbe zur freien Verfügung über die Erbschaft berechtigt sein soll.

§ 2138. Die Herausgabepflicht des Vorerben beschränkt sich in den Fällen des § 2137 auf die bei ihm noch vorhandenen Erbschafts­ gegenstände. Mr Verwendungen auf Gegenstände, die er in Folge dieser Beschränkung nicht herauszugeben hat, kann er nicht Ersatz verlangen. Hat der Vorerbe der Vorschrift des § 2113 Abs. 2 zuwider über einen Erbschaftsgegenstand verfügt oder hat er die Erbschaft in der Absicht, den Nacherben zu benachtheiligen, vermindert, so ist er dem Nacherben zum Schadeitsersatze verpflichtet.

§ 2139. Mit dem Eintritte des Falles der Nacherbfolge hört der Vorerbe auf, Erbe zu sein, und fällt die Erbschaft dem Nacherben an. K 2149. Der Vorerbe ist auch nach dem Eintritte des Falles der Nacherbfolge zur Verfügung über Nachlaßgegenstande in dem gleichen Umfange wie vorher berechtigt, bis er von dem Eintntte Kenntniß erlangt oder ihn kennen muß. Ein Dritter kann sich auf diese Berechtigung nicht berufen, wenn er bei der Vornahme eines Rechtsgeschäfts den Eintritt kennt oder kennen muß. K 2141. Ist bei dem Eintritte des Falles der Nacherbfolge die Geburt eines Nacherben zu erwarten, so sinden auf den Unterhaltsanspruch der Mutter die Vorschriften des § 1963 entsprechende Anwendung. K 2142. Der Nacherbe kann die Erbschaft ausschlagen, sobald der Erbfall eingetreten ist. Schlägt der Nacherbe die Erbschaft aus, so verbleibt sie dem Vor­ erben, soweit nicht der Erblasser ein Anderes bestimmt hat. § 2143. Tritt die Nacherbsolge ein, so gelten die in Folge des Erbfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen.

K 2144. Die Vorschriften über die Beschränkung der Haftung des Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten gelten auch für den Nacherben; an die Stelle des Nachlasses tritt dasjenige, was der Nacherbe aus der Erbschaft erlangt, mit Einschluß der ihm gegen den Vorerben als solchen zustehenden Ansprüche. Das von dem Vorerben errichtete Inventar kommt auch dem Nach­ erben zu Statten. Der Nacherbe kann sich dem Vorerben gegenüber auf die Beschränkung seiner Haftung auch dann berufen, wenn er den übrigen Nachlaßgläubigern gegenüber unbeschränkt haftet.

§ 2145. Der Vorerbe haftet nach dem Eintritte der. Nacherbfolge für die Nachlaßverbindlichkeiten noch insoweit, als der Nacherbe nicht haftet. Die Haftung bleibt auch für diejenigen Nachlaßverbindlichkeiten bestehen, welche im Verhältnisse zwischen dem Vorerben und -em Nach­ erben dem Vorerben zur Last fallen.

Fünftes Buch.

Erbrecht.

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Der Vorerbe kann nach dem Eintritte der Nacherbfolge die Be­ richtigung der Nachlaßverbindlichkeiten, sofern nicht seine Haftung unbe­ schränkt ist, insoweit verweigern, als dasjenige nicht ausreicht, was ihm von der Erbschaft gebührt. Die Vorschriften der §§ 1990, 1991 finden entsprechende Anwendung.

§ 2146. Der Vorerbe ist den Nachlaßgläubigern gegenüber ver­ pflichtet, den Eintritt der Nacherbfolge unverzüglich dem Nachlaßgericht anzuzeigen. Die Anzeige des Vorerben wird durch die Anzeige des Nach­ erben ersetzt. Das Nachlaßgericht hat die Einsicht der Anzeige Jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht.

Vkticr Titel. Ktkllliichtuiß.

§ 2147* Mit einem Vermächtnisse kann der Erbe oder ein Vermächtnißnehmer beschwert werden. Soweit nicht der Erblasser ein Anderes bestimmt hat, ist der Erbe beschwert. § 2148. Sind mehrere Erben oder mehrere Vermächtnißnehmer mit demselben Vermächtnisse beschwert, so sind im Zweifel die Erben nach dem Verhältnisse der Erbtheile, die Vermächtnißnehmer nach dem Ver­ hältnisse des Werthes der Vermächtnisse beschwert.

8 2149. Hat der Erblasser bestimmt, daß dem eingesetzten Erben ein Erbschastsgegenstand nicht zufallen soll, so gilt der Gegenstand als den gesetzlichen Erben vermacht. Der Fiskus gehört nicht zu den gesetzlichen Erben im Sinne dieser Vorschrift. 8 2150. Das einem Erben zugewendete Vermächtniß (Vorausvermächtniß) gilt als Verniächtniß auch insoweit, als der Erbe selbst be­ schwert ist. 8 2151. Der Erblasser kann Mehrere mit einem Vermächtniß in der Weise bedenken, daß der Beschwerte oder ein Dritter zu bestimmen hat, wer von den Mehreren das Vermächtniß erhalten soll. Die Bestimmung des Beschwerten erfolgt durch Erklärung gegenüber demjenigen, welcher das Vermächtniß erhalten soll; die Bestimmung des Dritten erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten. Kann der Beschwerte oder der Dritte die Bestimmung nicht treffen, so sind die Bedachten Gesammtgläubiger. Das Gleiche gilt, wenn das Nachlaßgericht dem Beschwerten oder dem Dritten auf Antrag eines der Betheiligten eine Frist zur Abgabe der Erklärung bestimmt hat und die Frist verstrichen ist, sofern nicht vorher die Erklärung erfolgt. Der Be­ dachte, der das Vermächtniß erhält, ist im Zweifel nicht zur Theilung verpflichtet.

8 2152. Hat der Erblasser Mehrere mit einem Vermächtniß in der Weise bedacht, daß nur der Eine oder der Andere das Verniächtniß

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

erhalten soll, so ist anzunehmen, daß der Beschwerte bestimmen soll, wer von ihnen das Vermächtniß erhält.

§ 2153, Der Erblasser kann Mehrere mit einem Vermächtniß in der Weise bedenken, daß der Beschwerte oder ein Dritter zu bestimmen hat, was jeder von dem vermachten Gegenstand erhalten soll. Die Be­ stimmung erfolgt nach § 2151 Abs. 2. Kann der Beschwerte oder der Dritte die Bestimmung nicht treffen, so sind die Bedachten zu gleichen Theilen berechtigt. Die Vorschrift des 8 2151 Abs. 3 Satz 2 findet entsprechende Anwendung. § 2154. Der Erblasser kann ein Vermächtniß in der Art an­ ordnen, daß der Bedachte von mehreren Gegenständen nur den einen oder den anderen erhalten soll. Ist in einem solchen Falle die Wahl einem Dritten übertragen, so erfolgt sie durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten. Kann der Dritte die Wahl nicht treffen, so geht das Wahlrecht aus den Beschwerten über. Die Vorschrift des § 2151 Abs. 3 Satz 2 findet entsprechende Anwendung. K 2155. Hat der Erblasser die vermachte Sache nur der Gattung nach bestimmt, so ist eine den Verhältnissen des Bedachten entsprechende Sache zu leisten. Ist die Bestimmung der Sache dem Bedachten oder einem Dritten übertragen, so finden die nach § 2154 für die Wahl des Dritten geltenden Vorschriften Anwendung. Entspricht die von dem Bedachten oder dem Dritten getroffene Be­ stimmung den Verhältnissen des Bedachten offenbar nicht, so hat der Beschwerte so zu leisten, wie wenn der Erblasser über die Bestimmung der Sache keine Anordnung getroffen hätte.

§ 2156. Der Erblasser kann bei der Anordnung eines Vermächtnifses, dessen Zweck er bestimmt hat, die Bestimmung der Leistung dem billigen Ermessen des Beschwerten oder eines Dritten überlassen. Auf ein solches Vermächtniß finden die Vorschriften der §§ 315 bis 319 entsprechende Anwendung. K 2157. Ist Mehreren derselbe Gegenstand vermacht, so finden die Vorschriften der §§ 2089 bis 2093 entsprechende Anwendung. § 2158. Ist Mehreren derselbe Gegenstand vermacht, so wächst, wenn einer von ihnen vor oder nach dem Erbfalle wegfällt, dessen Antheil den übrigen Bedachten nach dem Verhältniß ihrer Antheile an. Dies gilt auch dann, wenn der Erblasser die Antheile der Bedachten bestimmt hat. Sind einige der Bedachten zu demselben Antheile berufen, so tritt die Anwachsung zunächst unter ihnen ein. Der Erblasser kann die Anwachsung ausschließen.

§ 2159. Der durch Anwachsung einem Vermächtnißnehmer ansällende Antheil gilt in Ansehung der Vermächtnisse und Auflagen, mit denen dieser oder der wegfallende Vermächtnißnehmer beschwert ist, als besonderes Vermächtniß.

Fünftes Buch.

Erbrecht.

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§ 2160. Ein Vermächtniß ist unwirksam, wenn der Bedachte zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebt.

§ 2161. Ein Vermächtniß bleibt, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist, wirksam, wenn der Beschwerte nicht Erbe oder Vermächtnißnehmer wird. Beschwert ist in diesem Falle derjenige, welchem der Wegfall des zunächst Beschwerten unmittelbar zu Statten kommt.

§ 2162. Ein Vermächtniß, das unter einer aufschiebenden Be­ dingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins angeordnet ist, wird mit dem Ablaufe von dreißig Jahren nach dem Erbfall unwirksam, wenn nicht vorher die Bedingung oder der Termin eingetreten ist. Ist der Bedachte zur Zeit des Erbfalls noch nicht erzeugt oder wird seine Persönlichkeit durch ein erst nach dem Erbfall eintretendes Ereigniß bestimmt, so wird das Vermächtniß mit dem Ablaufe von dreißig Jahren nach dem Erbfall unwirksam, wenn nicht vorher der Bedachte erzeugt oder das Ereigniß eingetreten ist, durch das seine Persönlichkeit bestimmt wird. § 2163. Das Vermächtniß bleibt in den Fällen des § 2162 auch nach dem Ablaufe von dreißig Jahren wirksam: 1. wenn es für den Fall angeordnet ist, daß in der Person des Be­ schwerten oder des Bedachten ein bestimmtes Ereigniß eintritt, und derjenige, in dessen Person das Ereigniß eintreten soll, zur Zeit des Erbfalls lebt; 2. wenn ein Erbe, ein Nacherbe oder ein Vermächtnißnehmer für den Fall, daß ihm ein Bruder oder eine Schwester geboren wird, mit einem Vermächtnisse zu Gunsten des Bniders oder der Schwester beschwert ist. Ist der Beschwerte oder der Bedachte, in dessen Person das Ereig­ niß eintreten soll, eine juristische Person, so bewendet es bei der dreißig­ jährigen Frist.'

§ 2164. Das Vermächtniß einer Sache erstreckt sich im Zweifel auf das zur Zeit des Erbfalls vorhandene Zubehör. Hat der Erblasser wegen einer nach der Anordnung des Vermächt­ nisses erfolgten Beschädigung der Sache einen Anspruch auf Ersatz der Minderung des Werthes, so erstreckt sich im Zweifel das Vermächtniß auf diesen Anspruch. § 2165. Ist ein zur Erbschaft gehörender Gegenstand vermacht, so kann der Vermächtnißnehmer im Zweifel nicht die Beseitigung der Rechte verlangen, mit denen der Gegenstand belastet ist. Steht dem Erb­ lasser ein Anspruch aus die Beseitigung zu, so erstreckt sich im Zweifel das Vermächtniß auf diesen Anspruch. Ruht auf einem vermachten Grundstück eine Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, die dem Erblasser selbst zusteht, so ist aus den Um­ ständen zu entnehmen, ob die Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld als mitvermacht zu gelten hat. § 2166. Ist ein vermachtes Grundstück, das zur Erbschaft gehört, mit einer Hypothek für eine Schuld des Erblassers oder für eine Schuld belastet, zu deren Berichtigung der Erblasser dem Schuldner gegenüber

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verpflichtet ist, so ist der Vermächtnißnehmer im Zweifel dem Erben gegen­ über zur rechtzeitigen Befriedigung des Gläubigers insoweit verpflichtet, als die Schuld durch den Werth des Grundstücks gedeckt wird. Der Werth bestimmt sich nach der Zeit, zu welcher das Eigenthum auf den Ver­ mächtnißnehmer übergeht; er wird unter Abzug der Belastungen berechnet, die der Hypothek im Range vorgehen. Ist dem Erblasser gegenüber ein Dritter zur Berichtigung der Schuld verpflichtet, so besteht die Verpflichtung des Vermächtnißnehmers im Zweifel nur insoweit, als der Erbe die Berichtigung nicht von dem Dritten er­ langen kann. Auf eine Hypothek der im § 1190 bezeichneten Art finden diese Vorschriften keine Anwendung.

§ 2167. Sind neben dem vermachten Grundstück andere zur Erb­ schaft gehörende Grundstücke mit der Hypothek belastet, so beschränkt sich die im 8 2166 bestimmte Verpflichtung des Vermächtnißnehmers im Zweifel auf den Theil der Schuld, der dem Verhältnisse des Werthes des vermachten Grundstücks zu dem Werthe der sämmtlichen Grundstücke ent­ spricht. Der Werth wird nach § 2166 Abs. 1 Satz 2 berechnet. K 2168. Besteht an mehreren zur Erbschaft gehörenden Grund­ stücken eine Gesammtgrundschuld oder eine Gesammtrentenschuld und ist eines dieser Grunstücke vermacht, so ist der Vermächtnißnehmer im Zweifel dem Erben gegenüber zur Befriedigung des Gläubigers in Höhe des Theiles der Grundschuld oder der Rentenschuld verpflichtet, der dem Verhältniffe des Werthes des vermachten Grundstücks zu dem Werthe der sämmtlichen Grundstücke entspricht. Der Werth wird nach § 2166 Abs., 1 Satz 2 berechnet. Ist neben dem vermachten Grundstück ein nicht zur Erbschaft gehörendes Grundstück mit einer Gesammtgrundschuld oder einer Gesammt­ rentenschuld belastet, so finden, wenn der Erblasser zur Zeit des Erbfalls gegenüber dem Eigenthümer des anderen Grundstücks oder einem Rechts­ vorgänger des Eigenthümers zur Befriedigung des Gläubigers verpflichtet ist, die Vorschriften des § 2166 Abs. 1 Anwendung.

und des § 2167 entsprechende

K 2169. Das Vermächtniß eines bestimmten Gegenstandes ist unwirksam, soweit der Gegenstand zur Zeit des Erbfalls nicht zur Erb­ schaft gehört, es sei denn, daß der Gegenstand dem Bedachten auch für den Fall zugewendet sein soll, daß er nicht zur Erbschaft gehört. Hat der Erblasser nur den Besitz der vermachten Sache, so gilt im Zweifel der Besitz als vermacht, es sei denn, daß er dem Bedachten keinen rechtlichen Vortheil gewährt. Steht dem Erblasser ein Anspruch auf Leistung des vermachten Gegenstandes oder, falls der Gegenstand nach der Awrdnung des Ver­ mächtnisses untergegangen oder dem Erblasser entzogen worden ist, ein Anspruch aus Ersatz des Werthes zu, so gilt im Zweifel der Anspruch als vermacht. Zur Eichschaft gehört im Sinne des Abs. 1 ein Gegenstand nicht, wenn der Erblasser zu dessen Veräußerung verpflichtet ist.

Fünftes Buch

Erbrecht.

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§ 2170. Ist das Vermächtniß eines Gegenstandes, der zur Zeit des Erbfalls nicht zur Erbschaft gehört, nach § 2169 Abs. 1 wirksam, so hat der Beschwerte den Gegenstand dem Bedachten zu verschaffen. Ist der Beschwerte zur Verschaffung außer Stande, so hat er den Werth zu entrichten. Ist die Verschaffung nur mit unverhältnißmäßigen Aufwendungen möglich, so kann sich der Beschwerte durch Entrichtung des Werthes befreien. § 2171. Ein Vermächtmß, das auf eine zur Zeit des Erbfalls unmögliche Leistung gerichtet ist oder gegen ein zu dieser Zeit bestehendes gesetzliches Verbot verstößt, ist unwirffam. Die Vorschriften des § 308 finden entsprechende Anwendung. § 2172. Die Leistung einer vermachten Sache gilt auch dann als unmöglich, wenn die Sache mit einer anderen Sache in solcher Weise verbunden, vermischt oder vermengt worden ist, daß nach den §§ 946 bis 948 das Eigenthum an der anderen Sache sich auf sie erstreckt oder Miteigenthum eingetreten ist, oder wenn sie in solcher Weise verarbeitet oder umgebildet worden ist, daß nach § 950 derjenige, welcher die neue Sache hergestellt hat, Eigenthümer geworden ist. Ist die Verbindung, Vermischung oder Vermengung durch einen Anderen als den Erblasser erfolgt und hat der Erblasser dadurch Miteigenthum erworben, so gilt im Zweitel das Miteigenthum als vermacht; steht dem Erblasser ein Recht zur Wegnahme der verbundenen Sache zu, so gilt im Zweifel dieses Recht als vermacht. Im Falle der Verarbeitung oder Umbildung durch einen Anderen als den Erblasser bewendet es bei der Vorschrift des § 2169 Abs. 3. § 2173. Hat der Erblasser eine ihm zustehende Forderung ver­ macht, so ist, wenn vor dem Erbfalle die Leistung erfolgt und der geleistete Gegenstand noch in der Erbschaft vorhanden ist, im Zweifel anzunehmen, daß dem Bedachten dieser Gegenstand zugewendet sein soll. War die Forderung auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtet, so' gilt im Zweifel die entsprechende Geldsumme als vermacht, auch wenn sich eine solche in der Erbschaft nicht vorfindet. § 2174. Durch das Vermächtniß wird für den Bedachten .das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegen­ standes zu fordern.

§ 2175. Hat der Erblasser eine ihm gegen den Erben zustehende Forderung oder hat er ein Recht vermacht, mit dem eine Sache oder ein Recht des Erben belastet ist, so gelten die in Folge des Erbfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältniffe in Ansehung des Vermächtnisses als nicht erloschen.

§ 2176. Die Forderung des Vermächtnißnehmers kommt, un­ beschadet des Rechtes, das Vermächtniß auszuschlagen, zur Entstehung (Anfall des Vermächtnifses) mit dem Erbfalle.

§ 2177. Ist das Vermächtniß unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins .angeordnet und tritt die

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Bedingung oder der Termin erst nach dem Erbfall ein, so erfolgt der An­ fall des Vermächtnisses mit dem Eintritte der Bedingung oder des Termins.

§ 2178. Ist der Bedachte zur Zeit des Erbfalls noch nicht er­ zeugt oder wird seine Persönlichkeit durch ein erst nach dem Erbiall ein­ tretendes Ereigniß bestimmt, so erfolgt der Anfall des Vermächtnisses im ersteren Falle mit der Geburt, im letzteren Falle mit dem Eintritte des Ereignisses. § 2179. Für die Zeit zwischen dem Erbfall und dem Anfalle des Vermächtnisses finden in den Fällen der §§ 2177, 2178 die Vor­ schriften Anwendung, die für den Fall gelten, daß eine Leistung unter einer aufschiebenden Bedingung geschuldet wird. § 2180. Der Vermächtnißnehmer kann das Vermächtniß nicht mehr ausschlagen, wenn er es angenommen hat. Die Annahme sowie die Ausschlagung des Vermächtnisses erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten. Die Erklärung kann erst nach dem Eintritte des Erbfalls abgegeben werden; sie ist unwirksam, wenn sie unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird. Die für die Annahme und die Ausschlagung einer Erbschaft geltenden Vorschriften des § 1950, des § 1952 Abs. 1, 3 und des § 1953 Abs. 1, 2 finden entsprechende Anwendung. § 2181. Ist die Zeit der Erfüllung eines Vermächtnisses dem freien Belieben des Beschwerten überlassen, so wird die Leistung im Zweifel mit dem Tode des Beschwerten fällig. § 2182. Ist eine nur der Gattung nach bestimmte Sache vermacht, so hat der Beschwerte die gleichen Verpflichtungen wie ein Verkäufer nach den Vorschriften des § 433 Abs. 1, der §§ 434 bis 437, des § 440 Abs. 2 bis 4 und der §§ 441 bis 444. Dasselbe gilt im Zweifel, wenn ein bestimmter nicht zur Erbschaft gehörender Gegenstand vermacht ist, unbeschadet der sich aus dem § 2170 ergebenden Beschränkung der Haftung. Ist ein Grundstück Gegenstand des Vermächtnisses, so haftet der Beschwerte im Zweifel nicht für die Freiheit des Grundstücks von Grund­ dienstbarkeiten, beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten und Reallasten. § 2183. Ist eine nur der Gattung nach bestimmte Sache vermacht, so kann der Vermächtnißnehmer, wenn die geleistete Sache mangelhaft ist, verlangen, daß ihm an Stelle der mangelhaften Sache eine mangelfreie geliefert wird. Hat der Beschwerte einen. Fehler arglistig verschwiegen, so kann der Vermächtnißnehmer statt der Lieferung einer mangelfreien Sache Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Aui diese Ansprüche finden die für die Gewährleistung wegen Mängel einer verkauften Sache geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.

§ 2184. Ist ein bestimmter zur Erbschaft gehörender Gegenstand vermacht, so hat der Beschwerte dem Vermächtnißnehmer auch die seit dem Anfälle des Vermächtnisses gezogenen Früchte sowie das sonst auf Grund

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des vermachten Rechtes Erlangte herauszugeben. Für Nutzungen, die nicht zu den Früchten gehören, hat der Beschwerte nicht Ersatz zu leisten.

§ 2185. Ist eine bestimmte zur Erbschaft gehörende Sache vermacht, io kann der Beschwerte für die nach dem Erbfall auf die Sache gemachten Verwendungen sowie für Aufwendungen, die er nach dem Erbfalle zur Bestreitung von Lasten der Sache gemacht hat, Ersatz nach den Norschriften verlangen, die für das Verhältniß zwischen dem Besitzer und dem Eigen­ thümer gelten. § 2186. Ist ein Vermächtnißnehmer mit einem Dermächtniß oder einer Auflage beschwert, so ist er zur Erfüllung erst dann verpflichtet, wenn er die Erfüllung des ihm zugewendeten Vermächtnisses zu verlangen berechtigt ist.

§ 2187. Ein Vermächtnißnehmer, der mit einem Vermächtniß oder einer Auflage beschwert ist, kann die Erfüllung auch nach der Annahme des ihm zugewendeten Vermächtnisses insoweit verweigern, als dasjenige, was er aus dem Vermächtniß erhält, zur Erfüllung nicht ausreicht. Tritt nach § 2161 ein Anderer an die Stelle des beschwerten Vermächtnißnehmers, so haftet er nicht weiter, als der Vermächtnißnehmer haften würde. Die für die Haftung des Erben- geltenden Vorschriften des § 1992 finden entsprechende Anwendung. § 2188. Wird die einem Vermächtnißnehmer gebührende Leistung auf Grund der Beschränkung der Haftung des Erben, wegen eines Pflicht­ theilsauspruchs oder in Gemäßheit des § 2187 gekürzt, so kann der Vermächtnißnehmer, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist, die ihm auferlegten Beschwerungen verhältnißmäßig kürzen.

§ 2189. Der Erblasser kann für den Fall, daß die dem Erben oder einem Vermächtnißnehmer auferlegten Vermächtnisse und Auflagen auf Grund der Beschränkung der Haftung des Erben, wegen eines Pflicht­ theilsanspruchs oder in Gemäßheit der §§ 2187, 2188 gekürzt werden, durch Verfügung von Todeswegen anordnen, daß ein Vermächtniß oder eine Auflage den Vorrang vor den übrigen Beschwerungen haben soll. § 2190. Hat der Erblasser für den Fall, daß der zunächst Bedachte das Vermächtniß nicht erwirbt, den Gegenstand des Vermächtnisses einem Anderen zugewendet, so finden die für die Einsetzung eines Ersatzerben geltenden Vorschriften der §§ 2097 bis 2099 entsprechende Anwendung. § 2191. Hat der Erblasser den vermachten Gegenstand von einem nach dem Anfalle des Vermächtnifies eintretenden bestimmten Zeitpunkt oder Ereigniß an einem Dritten zugewendet, so gilt der erste Vermächtniß­ nehmer als beschwert. Auf das Vermächtniß finden die für die Einsetzung eines Nacherben geltenden Vorschriften des § 2102, des § 2106 Abs. 1, des § 2107 und des § 2110 Abs. 1 entsprechende Anwendung.

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Auflage § 2192. Auf eine Auflage finden die für letztwillige Zuwmdungen geltenden Borschriften der §§ 2065, 2147, 2148, 2154 bis 2156, 2161, 2171, 2181 entsprechende Anwendung. § 2193. Der Erblasser kann bei der Anordnung einer Auflage, deren Zweck er bestimmt hat, die Bestimmung der Person, an welche die Leistung erfolgen soll, dem Beschwerten oder einem Dritten überlassen. Steht die Bestimmung dem Beschwerten zu, so kann ihm, wenn er zur Vollziehung der Auflage rechtskräftig verurtheilt ist, von dem Kläger eine angemessene Frist zur Vollziehung bestimmt werden; nach dem Ablaufe der Frist ist der Kläger berechtigt, die Bestimmung zu treffen, wenn nicht die Vollziehung rechtzeitig erfolgt. Steht die Bestimmung einem Dritten zu, so erfolgt sie durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten. Kann der Dritte die Bestimmung nicht treffen, so geht das Bestimmungsrecht auf den Beschwerten über. Die Vorschrift des § 2151 Abs. 3 Satz 2 findet entsprechende Anwendung; zu den Betheiligten im Sinne dieser Vorschrift gehören der Beschwerte und diejenigen, welche die Vollziehung der Auslage zu verlangen berechtigt find.

K 2194. Die Vollziehung einer Auflage können der Erbe, der Miterbe und derjenige verlangen, welchem der Wegfall des mit der Auflage zunächst Beschwerten unmittelbar zu Statten kommen würde. Liegt die Vollziehung im öffentlichen Jntereffe, so kann auch die zuständige Behörde die Vollziehung verlangen.

§ 2195. Die Unwirksamkeit einer Auflage hat die Unwirksamkeit der unter der Auflage gemachten Zuwendung nur zur Folge, wenn anzu­ nehmen ist, daß der Erblasser die Zuwendung nicht ohne die Auflage gemacht haben würde. § 2196. Wird die Vollziehung einer Auflage in Folge eines von deni Beschwerten zu vertretenden Umstandes unmöglich, so kann derjenige, welchem der Wegfall des zunächst Beschwerten unmittelbar zu Statten kommen würde, die Herausgabe der Zuwendung nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung insoweit fordern, als die Zuwendung zur Vollziehung der Auflage hätte verwendet werden müssen. Das Gleiche gilt, wenn der Beschwerte zur Vollziehung einer Auflage, die nicht durch einen Dritten vollzogen werden kann, rechtskräftig verurtheilt ist und die zuläffigen Zwangsmittel erfolglos gegen ihn angewendet worden sind.

Fünftes Buch.

321

Erbrecht.

Sechster Titel.

Testamentsvollstrecker. K 2197. Der Erblasser kann durch Testament einen oder mehrere Testamentsvollstrecker ernennen. Der Erblasser kann für den Fall, daß der ernannte Testamentsvoll­ strecker vor oder nach der Annahme des Amtes wegfällt, einen anderen Testamentsvollstrecker ernennen.

§ 2198. Der Erblasser kann die Bestimmung der Person des Testamentsvollstreckers einem Dritten überlassen. Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgerichte; die Erklärung ist in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Das Bestimmungsrecht des Dritten erlischt mit dem Ablauf einer ihm auf Antrag eines der Betheiligten von dem Nachlaßgerichte bestimmten Frist. § 2199. einen oder Der Nachfolger Die

Der Erblasser kann den Testamentsvollstrecker ermächtigen, mehrere Mitvollstrecker zu ernennen. Erblasser kann den Testamentsvollstrecker ermächtigen, einen zu ernennen. Ernennung erfolgt nach § 2198 Abs. 1 Satz 2.

§ 2200. Hat der Erblasser in dem Testamente das Nachlaßgericht ersucht, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen, so kann das Nachlaßgericht die Ernennung vornehmen. Das Nachlaßgericht soll vor der Ernmnung die Bethelligten hören, wenn es ohne erhebliche Verzögerung und ohne unverhältnißmäßige Kosten geschehen kann. § 2201. Die Ernennung des Testamentsvollstreckers ist unwirksam, wenn er zu der Zeit, zu welcher er das Amt anzutreten hat, geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist oder nach § 1910 zur Besorgung seiner Vermögensangelegenheitm einen Pfleger erhalten hat. § 2202. Das Amt des Testamentsvollstreckers beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Ernannte das Amt annimmt. Die Annahme sowie die Ablehnung des Amtes erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgerichte. Die Erklärung kann erst nach dem Eintritte des Erbfalls abgegeben werden; sie ist unwirksam, wenn sie unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird. Das Nachlaßgericht kann dem Ernannten auf Antrag eines der Betheiligten eine Frist zur Erklärung über die Annahme bestimmen. Mit dem Ablaufe der Frist gilt das Amt als abgelehnt, wmn nicht die Annahme vorher erklärt wird. § 2203. Der Testamentsvollstrecker hat die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen. § 2204. Der Testamentsvollstrecker hat, wenn mehrere Erben vorhanden sind, die Auseinandersetzung unter ihnen nach Maßgabe der §§ 2042 bis 2056 zu bewirken. Bürgerliches Gesetzbuch und Nedengesetze.

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322

L Bürgerliches Gesetzbuch.

Der Testamentsvollstrecker hat die Erben über den Auseinander­ setzungsplan vor der Ausführung zu hören.

§ 2205. Der Testamentsvollstrecker hat den Nachlaß zu verwalten. Er ist insbesondere berechtigt, den Nachlaß in Besitz zu nehmen und über die Nachlaßgegenstände zu verfügen. Zu unentgeltlichen Verfügungen ist er nur berechtigt, soweit sie einer sittlichen Pflicht oder einer aus den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen.

§ 2206. Der Testamentsvollstrecker ist berechtigt, Verbindlichkeiten für den Nachlaß einzugehen, soweit die Eingehung zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich ist. Die Verbindlichkeit zu einer Verfügung über einen Nachlaßgegenstand kann der Testamentsvollstrecker für den Nachlaß auch dann eingehen, wenn er zu der Verfügung berechtigt ist. Der Erbe ist verpflichtet, zur Eingehung solcher Verbindlichkeiten seine Einwilligung zu ertheilen, unbeschadet des Rechtes, die Beschränkung seiner Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten geltend zu machen. § 2207. Der Erblasser kann anordnen, daß der Testaments­ vollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlaß nicht beschränkt sein soll. Der Testamentsvollstrecker ist auch in einem solchen Falle zu einem Schenkungsversprechen nur nach Maßgabe des § 2205 Satz 3 berechtigt. § 2208. Der Testamentsvollstrecker hat die in den §§ 2203 bis 2206 bestimmten Rechte nicht, soweit anzunehmen ist, daß sie chm nach dem Willen des Erblassers nicht zustehen sollen. Unterliegen der Ver­ waltung des Testamentsvollstreckers nur einzelne Nachlaßgegenstände, so stehen chm die im § 2205 Satz 2 bestimmten Befugnisse nur in Ansehung dieser Gegenstände zu. Hat der Testamentsvollstrecker Verfügungen des Erblassers nicht selbst zur Ausführung zu bringen, so kann er die Ausführung von dem Erben verlangen, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzu­ nehmen ist. § 2209. Der Erblasser kann einem Testamentsvollstrecker die Verwaltung des Nachlasses übertragen, ohne chm andere Aufgaben als die Verwaltung zuzuweisen; er kann auch anordnen, daß der Testaments­ vollstrecker die Verwaltung nach der Erledigung der chm sonst zugewiesenen Aufgaben fortzuführen hat. Im Zweifel ist anzunehmen, daß einem solchen Testamentsvollstrecker die im § 2207 bezeichnete Ermächtigung ertheilt ist. § 2210. Eine nach § 2209 getroffene Anordnung wird unwirksam, wenn seit dem Erbfalle dreißig Jahre verstrichen sind. Der Erblasser kann jedoch anordnen, daß die Verwaltung bis zum Tode des Erben oder des Testamentsvollstreckers oder bis zum Eintritt eines anderen Ereignisses in der Person des einen oder des anderen fortdauern soll. Die Vorschrift des § 2163 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

§ 2211. Ueber einen der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlaßgezenstand kann der Erbe nicht verfügen.

Fünftes Buch.

323

Erbrecht.

Tie Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung.

§ 2212.

Ein der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unter­

liegendes Recht kann nur von dem Testamentsvollstrecker gerichtlich geltend gemacht werden.

§ 2213. Ein Anspruch, der sich gegen den Nachlaß richtet, kann sowohl gegen den Erben als gegen den Testamentsvollstrecker gerichtlich geltend gemacht werden. Steht dem Testamentsvollstrecker nicht die Ver­ waltung des Nachlasses zu, so ist die Geltendmachung nur gegen den Erben zulässig. Ein Pflichttheilsanspruch kann, auch wenn dem Testaments­ vollstrecker die Verwaltung des Nachlasses zusteht, nur gegen den Erben geltend gemacht werden. Die Vorschrift des § 1958 findet auf den Testamentsvollstrecker keine Anwendung. Ein Nachlaßgläubiger, der seinen Anspruch gegen den Erben geltend macht, kann den Anspruch auch gegen den Testamentsvollstrecker dahin geltend machen, daß dieser die Zwangsvollstreckung in die seiner Verwaltung unterliegenden Nachlaßgegenstände dulde.

§ 2214. Gläubiger des Erben, die nicht zu den Nachlaßgläubigern gehören, können sich nicht an die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlaßgegenstände halten. § 2215. Der Testamentsvollstrecker hat dem Erben unverzüglich nach der Annahme des Amtes ein Verzeichniß der seiner Verwaltung unterliegenden Nachlaßgegenstände und der bekannten Nachlaßverbindlichkeiten mitzutheilen und ihm die zur Aufnahme des Inventars sonst erforderliche Beihülfe zu leisten.

Das Verzeichniß ist mit der Angabe des Tages der Aufnahme zu versehen und von dem Testamentsvollstrecker zu unterzeichnen; der Testaments­ vollstrecker hat aus Verlangen die Unterzeichnung öffentlich beglaubigen zu lassen. Der Erbe kann verlangen, daß er bei der Aufnahme des Verzeichnisses zugezogen wird. Der Testamentsvollstrecker ist berechtigt und auf Verlangen des Erben verpflichtet, das Verzeichniß durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufnehmen zu lassen. Die Kosten der Aufnahme und der Beglaubigung fallen dem Nach­ lasse zur Last. § 2216. Der Testamentsvollstrecker ist zur ordnungsmäßigen Ver­ waltung des Nachlasses verpflichtet. Anordnungen, die der Erblasser für die Verwaltung durch letzt­ willige Verfügung getroffen hat, sind von dem Testamentsvollstrecker zu befolgen. Sie können jedoch auf Antrag des Testamentsvollstreckers oder eines anderen Betheiligten von dem Nachlaßgericht außer Kraft gesetzt werden, wenn ihre Befolgung den Nachlaß erheblich gefährden würde. Das Gericht soll vor der Entscheidung soweit thunlich die Betheiligten hören. 21*

324

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

K 2217. Der Testamentsvollstrecker hat Nachlaßgegenstände, deren er zur Erfüllung seiner Obliegenheiten offenbar nicht bedarf, dem Erben auf Verlangen zur freien Verfügung zu überlasien. Mit der Ueberlasfung erlischt sein Recht zur Verwaltung der Gegenstände. Wegen Nachlaßverbindlichkeiten, die nicht auf einem Vermächtniß oder einer Auflage beruhen, sowie wegen bedingter und betagter Ver­ mächtnisse oder Auflagen kann der Testamentsvollstrecker die Ueberlassung der Gegenstände nicht verweigern, wenn der Erbe für die Berichtigung der Verbindlichkeiten oder für die Vollziehung der Vermächtniffe oder Auflagen Sicherheit leistet. § 2218. Auf das Rechtsverhältniß zwischen dem Testaments­ vollstrecker und dem Erben finden die für den Auftrag geltenden Vor­ schriften der 88 664, 666 bis 668, 670, des 8 673 Satz 2 und des 8 674 entsprechende Anwendung. Bei einer länger dauernden Verwaltung kann der Erbe jährlich Rechnungslegung verlangen. § 2219. Verletzt der Testamentsvollstrecker die ihm obliegenden Verpflichtungen, so ist er, wenn ihm ein Verschulden zur Last fällt, für den daraus entstehenden Schaden dem Erben und, soweit ein Vermächtniß zu vollziehen ist, auch dem Vermächtnißnehmer verantwortlich. Mehrere Testamentsvollstrecker, denen ein Verschulden zur Last fällt, haften als Gesammtschuldner.

§ 2220. Der Erblasser kann den Testamentsvollstrecker nicht von den ihm nach den 88 2215, 2216, 2218, 2219 obliegenden Verpflichtungen befreien. § 2221. Der Testamentsvollstrecker kann für die Führung seines Amtes eine angemessene Vergütung verlangen, sofern nicht der Erblasser ein Anderes bestimmt hat.

§ 2222. Der Erblasser kann einen Testamentsvollstrecker auch zu dem Zwecke ernennen, daß dieser bis zu dem Eintritt einer angeordneten Nacherbfolge die Rechte des Nacherben ausübt und dessen Pflichten erfüllt. § 2228. Der Erblasser kann einen Testamentsvollstrecker auch zu dem Zwecke ernennen, daß dieser für die Ausführung der einem Ver­ mächtnißnehmer auferlegten Beschwerungen sorgt.

K 2224. Mehrere Testamentsvollstrecker führen das Amt ge­ meinschaftlich; bei einer Meinungsverschiedenheit entscheidet das Nachlaß­ gericht. Fällt einer von ihnen weg, so führen die übrigen das Amt allein. Der Erblaffer kann abweichende Anordnungen treffen. Jeder Testamentsvollstrecker ist berechtigt, ohne Zustimmung der anderen Testamentsvollstrecker diejenigen Maßregeln zu treffen, welche zur Erhaltung eines der gemeinschaftlichen Verwaltung unterliegenden Nachlaß­ gegenstandes nothwendig sind.

§ 2225. Das Amt des Testamentsvollstreckers erlischt, wenn er stirbt oder wenn ein Fall eintritt, in welchem die Ernennung nach 8 2201 umvirksam fein würde.

Fünftes Buch.

Erbrecht.

825

§ 2226. Der Testamentsvollstrecker kann das Amt jederzeit kündigen. Die Kündigung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nach­ laßgerichte. Die Vorschriften des § 671 Abs. 2, 3 finden entsprechende Anwendung. § 2227. Das Nachlaßgericht kann den Testanlentsvollstrecker auf Antrag eines der Betheiligten entlasten, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung. Der Testamentsvollstrecker soll vor der Entlassung wenn thunlich gehört werden. § 2228. Das Nachlaßgericht hat die Einsicht der nach § 2198 Abs. 1 Satz 2, § 2199 Abs. 3, § 2202 Abs. 2, § 2226 Satz 2 ab­ gegebenen Erklärungen Jedem zu gestatten, der ein rechtliche Jntereste glaubhaft macht. Siebenter Titel.

Errichtung und Aushebung eines Testaments. § 2229. Wer in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, bedarf zur Errichtung eines Testaments nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Ein Minderjähriger kann ein Testament erst errichten, wenn er das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat. Wer wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht ent­ mündigt ist, kann ein Testament nicht errichten. Die Unfähigkeit tritt schon mit der Stellung des Antrags ein, auf Grund besten die Entmündigung erfolgt.

K 2230. Hat ein Entmündigter ein Testament errichtet, bevor der die Entmündigung aussprechende Beschluß unanfechtbar geworden ist, so steht die Entmündigung der Gültigkeit des Testaments nicht entgegen, wenn dyr Entmündigte noch vor dem Eintritte der Unanfechtbarkeit stirbt. Das -Gleiche gilt, wenn der Entmündigte nach der Stellung des Antrags auf Wiederaufhebung der Entmündigung ein Testament errichtet und die Entmündigung dem Anträge gemäß wieoeraufgehoben wird.

K 2231. Ein Testament kann in ordentlicher Form errichtet werden: 1. vor einem Richter oder vor einem Notar; 2. durch eine von dem Erblasser unter Angabe des Ortes und Tages eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung. § 2232. Für die Errichtung eines Testaments vor einem Richter oder vor einem Notar gelten die Vorschriften der §§ 2233 bis 2246.

§ 2233. Zur Errichtung des Testaments muß der Richter einen Gerichtsschreiber oder zwei Zeugen, der Notar einen zweiten Notar oder zwei Zeugen zuziehen.

326

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 2234. Als Richter, Notar, Gerichtsschreiber oder Zmge kann bei der Errichtung des Testaments nicht mitwirken: 1. der Ehegatte des Erblassers, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; 2. wer mit dem Erblasser in gerader Linie oder im zweiten Grade der Seitenlinie verwandt oder verschwägert ist.

§ 2235. Als Richter, Notar, Gerichtsschreiber oder Zeuge kann bei der Errichtung des Testaments nicht mitwirken, wer in dem Testamente bedacht wird oder wer zu einem Bedachten in einem Verhältnisse der im § 2234 bezeichneten Art steht. Die Mitwirkung einer hiernach ausgeschlossenen Person hat mit zur Folge, daß die Zuwendung an den Bedachten nichtig ist. § 2236. Als Gerichtsschreiber oder zweiter Notar oder Zeuge kann bei der Errichtung des Testaments nicht mitwirken, wer zu dem Richter oder dem beurkundenden Notar in einem Verhältnisse der im § 2234 bezeichneten Art steht. § 2237. Als Zeuge soll bei der Errichtung des Testaments nicht mitwirken: 1. ein Minderjähriger; 2. wer der bürgerlichen Ehrenrechte für verlustig erklärt ist, während der Zeit, für welche die Aberkennung der Ehrenrechte erfolgt ist; 3. wer nach den Vorschriften der Strafgesetze unfähig ist, als Zeuge eidlich vernommen zu werden;

4.

wer als Gesinde oder Gehülfe im Dienste des Richters oder des beurkundenden Notars steht.

§ 2238. Die Errichtung des Testaments erfolgt in der Weise, daß der Erblasser dem Richter oder dem Notar seinen letzten Willen mündlich erklärt oder eine Schrift mit der mündlichen Erklärung übergiebt, daß die Schrift seinen letzten Willen enthalte. Die Schrift kann offen oder verschlossen übergeben werden. Sie kann von dem Erblasser oder von einer anderen Person geschrieben sein. Wer minderjährig ist oder Geschriebenes nicht zu lesen vermag, kann daS Testament nur durch mündliche Erklärung errichten.

§ 2239. Die bei der Errichtung des Testaments mitwirkenden Personen müssen während der ganzen Verhandlung zugegen fein. § 2240. Ueber die Errichtung des Testaments muß ein Protokoll in deutscher Sprache ausgenommen werden. § 2241. Das Protokoll muß enthalten: 1. Ort und Tag der Verhandlung; 2.

die Bezeichnung des Erblassers und der bei der Verhandlung mitwirktzndeu Personen; 8. die nach § 2238 erforderlichen Erklärungen des Erblassers und im Falle der Uebergabe einer Schrift die Feststellung der Uebergabe.

§ 2242. Das Protokoll muß vorgelesen, von genehmigt und von ihm eigenhändig unterschrieben werden.

dem Erblasser Im Protokolle

Fünftes Buch.

Erbrecht.

327

muß festgestellt werden, daß dies geschehen ist. Das Protokoll soll dem Erblasser auf Verlangen auch zur Durchsicht vorgelegt werden. Erklärt der Erblasser, daß er nicht schreiben könne, so wird seine Unterschrift durch die Feststellung dieser Erklärung im Protokoll ersetzt. Das Protokoll muß von den mitwirkenden Personen unterschrieben

werden.

§ 2243. Wer nach der Ueberzeugung des Richters oder deS Notars stumm oder sonst am Sprechen verhindert ist, kann das Testament nur durch Uebergabe einer Schrift errichten. Er muß die Erklärung, daß die Schrift seinen letzten Willen enthalte, bei der Verhandlung eigen­ händig in das Protokoll oder auf ein besonderes Blatt schreiben, das dem Protokoll als Anlage beigefügt werden muß. Das eigenhändige Niederschreiben der Erklärung sowie die Ueber­ zeugung des Richters ober des Notars, daß der Erblasser am Sprechen verhindert ist, muß im Protokolle festgestellt werden. Das Protokoll braucht von dem Erblasser nicht besonders genehmigt zu werden. § 2244. Erklärt der Erblasser, daß er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, so muß bei der Errichtung des Testaments ein ver­ eideter Dolmetscher zugezogen werden. Auf den Dolmetscher finden die nach den §§ 2234 bis 2237 für einen Zeugen geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Das Protokoll muß in die Sprache, in der sich bei Erblasser erklärt, übersetzt werden. Die Uebersetzung muß von dem Dolmetscher angefertigt oder beglaubigt und vorgelesen werden; die Uebersetzung mich dem Protokoll als Anlage beigefügt werden. Das Protokoll muß die Erklärung des Erblassers, daß er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, sowie den Namen des Dolmetschers und die Feststellung enthalten, daß der Dolmetscher die Uebersetzung angefertigt oder beglaubigt und sie vorgelesen hat. Der Dolmetscher muß das Protokoll unterschreiben.

§ 2245. Sind sämmtliche mitwirkende Personen ihrer Ver­ sicherung nach der Sprache, in der sich der Erblasser erklärt, mächtig, so ist die Zuziehung eines Dolmetschers nicht erforderlich. Unterbleibt die Zuziehung eines Dolmetschers, so muß das Protokoll in der fremden Sprache ausgenommen werden und die Erklärung des Erblassers, daß er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, sowie die Versicherung der mitwirkenden Personen, daß sie der fremden Sprache mächtig seien, enthalten. Eine deutsche Uebersetzung soll als Anlage beigefügt werden. § 2246. Das über die Errichtung des Testaments aufgenommene Protokoll soll nebst Anlagen, insbesondere im Falle der Errichtung durch Uebergabe einer Schrift nebst dieser Schrift, von dem Richter oder dem Notar in Gegenwart der übrigen mitwirkenden Personen und des Erb­ lassers mit dem Amtssiegel verschlossen, mit einer das Testament näher bezeichnenden Aufschrift, die von dem Richter oder dem Notar zu unter­ schreiben ist, versehen und in besondere amtliche Verwahrung gebracht Werder.

828

L Bürgerliches Gesetzbuch.

Dem Erblasser soll über das in amtliche Verwahrung genommene Testament ein Hinterlegnngsschein ertheilt werden.

§ 2247. Wer minderjährig ist oder Geschriebenes nicht zu lesen vermag, kann ein Testament nicht nach § 2231 Nr. 2 errichten. § 2248. Ein nach § 2231 Nr. 2 errichtetes Testament ist auf Verlangen des Erblassers in amtliche Verwährung zu nehmen. Die Vorschrift des § 2246 Abs. 2 findet Anwendung. § 2249. Ist zu besorgen, daß der Erblasser früher sterben werde, als die Errichtung eines Testaments vor einem Richter oder vor einem Notar möglich ist, so kann er das Testament vor dem Vorsteher der Gemeinde, in der er sich aufhält, oder, falls er sich in dem Bereich eines durch Landesgesetz einer Gemeinde gleichgestellten Verbandes oder Gutsbezirkes aufhält, vor dem Vorsteher dieses Verbandes oder Bezirkes errichten. Der Vorsteher muß zwei Zeugen zuziehen. Die Vorschriften der 88 2234 bis 2246 finden Anwendung; der Vorsteher tritt an die Stelle des Richters oder des Notars. Die Besorgniß, daß die Errichtung eines Testaments vor einem Richter oder vor einem Notar nicht mehr möglich fein werde, muß im Protokolle festgestellt werden. Der Gültigkeit des Testaments steht nicht entgegen, daß die Besorgniß nicht begründet war.

§ 2250. Wer sich an einem Orte aufhält, der in Folge des Ausbruchs einer Krankheit oder in Folge sonstiger außerordentlicher Umstände dergestalt abgesperrt ist, daß die Errichtung eines Testaments vor einem Richter oder vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist, kann das Testament in der durch den 8 2249 Abs. 1 bestimmten Form oder durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichten. Wird die mündliche Erklärung vor drei Zeugen gewühlt, so muß über die Errichtung des Testaments ein Protokoll ausgenommen werden. Auf die Zeugen finden die Vorschriften der 88 2234, 2235 und des 8 2237 Nr. 1 bis 3, auf das Protokoll finden die Vorschriften der 88 2240 bis 2242, 2245 Anwendung. Unter Zuziehung eines Dolmetschers kann ein Testament in dieser Form nicht errichtet werden. § 2251. Wer sich während einer Seereise an Bord eines deutschen, nicht zur Kaiserlichen Marine gehörenden Fahrzeugs außerhalb eines inländischen Hafens befindet, kann ein Testament durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen nach 8 2250 errichten. § 2252. Ein nach 8 2249, 8 2250 oder 8 2251 errichtetes Testament gilt als nicht errichtet, wenn seit der Errichtung drei Monate verstrichen sind und der Erblasser noch lebt. Beginn und Lauf der Frist sind gehemmt, solange der Erblaffer außer Stande ist, ein Testament vor einem Richter oder vor einem Notar zu errichten. Tritt im Falle des 8 2251 der Erblasser vor dem Ablaufe der Frist eine neue Seereise an, so wird die Frist dergestalt unterbrochen, daß

Fünftes Buch.

Erbrecht.

nach der Beendigung der neuen Reise die volle Frist von laufen beginnt. Wird der Erblasser nach dem Ablaufe der Frist für todt behält das Testament seine Kratt, wenn die Frist zu der Zeit, der Erblasser den vorhandenen Nachrichten zufolge noch gelebt nicht verstrichen war.

329 neuem zu erklärt, so zu welcher hat, noch

§ 2253. Ein Testament sowie eine einzelne in einem Testament enthaltene Verfügung kann von dem Erblasser jederzeit widerrufen werden. Die Entmündigung des Erblassers wegen Geistesschwäche, Ver­ schwendung oder Trunksucht steht dem Widerruf eines vor der Entmündigung errichteten Testaments nicht entgegen. K 2254.

Der Widerruf erfolgt durch Testament.

§ 2255. Ein Testament kann auch dadurch widerrufen werden, daß der Erblaffer in der Absicht, es aufzuheben, die Testamentsurkunde vernichtet oder an ihr Veränderungen vornimmt, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflegt. Hat der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet oder in der be­ zeichneten Weise verändert, so wird vermuthet, daß er die Aufhebung des Testaments beabsichtigt habe. § 2256. Ein vor einem Richter oder vor einem Notar oder nach

8 2249 errichtetes

Testament gilt als widerrufen, wenn die in amtliche Verwahrung genommene Urkunde dem Erblasser zurückgegeben wird. Der Erblasser kann die Rückgabe jederzeit verlangen. Die Rückgabe darf nur an den Erblasser persönlich erfolgen. Die Vorschriften des Abs. 2 gelten auch für ein nach 8 2248 hinterlegtes Testament; die Rückgabe ist auf die Wirksamkeit des Testaments ohne Einfluß.

K 2257. Wird der durch Testament erfolgte Widerruf einer letztwilligen Verfügung widerrufen, so ist die Verfügung wirksam, wie wenn sie nicht widerrufen worden wäre.

§ 2258. Durch die Errichtung eines Testaments wird ein früheres Testament insoweit aufgehoben, als das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht. Wird das spätere Testament widerrufen, so ist das frühere Testament in gleicher Weise wirksam, wie wenn es nicht aufgehoben worden wäre. K 2259. Wer ein Testament, das nicht in amtliche Verwahrung gebracht ist, im Besitze hat, ist verpflichtet, es unverzüglich, nachdem er von dem Tode des Erblassers Kenntniß erlangt hat, an das Nachlaßgericht abzuliefern. Befindet sich ein Testament bei einer anderen Behörde als einem Gericht oder befindet es sich bei einem Notar in amtlicher Verwahrung, so ist es nach dem Tode des Erblassers an das Nachlaßgericht abzuliefern. Das Nachlaßgericht hat, ivenn es von dem Testamente Kenntniß erlangt, die Ablieferung zu veranlassen.

330

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 2260, Das Nachlaßgericht hat, sobald es von dem Tode des Erblassers Kenntniß erlangt, zur Eröffnung eines in seiner Verwahrung befindlichen Testaments einen Termin zu bestimmen. Zu dem Termine sollen die gesetzlichen Erben des Erblassers und die sonstigen Betheiligten soweit thunlich geladen werden. In dem Termin ist das Testament zu öffnen, den Betheiligten zu verkünden und ihnen auf Verlangen vorzulegen. Die Verkündung darf im Falle der Vorlegung unterbleiben. Ueber die Eröffnung ist ein Protokoll aufzunehmen. War das Testament verschlossen, so ist in dem Protokolle festzustellen, ob der Verschluß unver­ sehrt war. § 2261. Hat ein anderes Gericht als das Nachlaßgericht das Testament in amtlicher Verwahrung, so liegt dem anderen Gerichte die Eröffnung des Testaments ob. Das Testament ist nebst einer beglaubigten Abschrift des über die Eröffnung aufgenommenen Protokolls dem Nach­ laßgerichte zu übersenden; eine beglaubigte Abschrift des Testaments ist zurückzubehalten. § 2262. Das Nachlaßgericht hat die Betheiligten, welche bei der Eröffnung des Testaments nicht zugegen gewesen sind, von dem sie be­ treffenden Inhalte des Testaments in Kenntniß zu setzen.

daS

§ 2263. Eine Anordnung des Erblassers, durch die er verbietet, Testament alsbald nach seinem Tode zu eröffnen, ist nichtig.

§ 2264. Wer ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, ist be­ rechtigt, von einem eröffneten Testament Einsicht zu nehmen sowie eine Abschrift des Testaments oder einzelner Theile zu fordern; die Abschrift ist auf Verlangen zu beglaubigen. Achter Titel.

Gemeinschaftliches Testament.

§ 2265. Ein gemeinschaftliches Testament kann nur von Ehe­ gatten errichtet werden. § 2266. Ein gemeinschaftliches Testament kann nach § 2249 auch dann errichtet werden, wenn die Voraussetzung des § 2249 nur auf Seiten eines der Ehegatten vorliegt.

§ 2267. Zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments nach § 2231 Nr. 2 genügt es, wenn einer der Ehegatten das Testament in der dort vorgeschriebenen Form errichtet und der andere Ehegatte die Er­ kürung beifügt, daß das Testament auch als sein Testament gelten solle. Die Erklärung muß unter Angabe des Ortes und Tages eigenhändig ge­ schrieben und unterschrieben werden. § 2268. Ein gemeinschaftliches Testament ist in den Fällen des § 2077 seinem ganzen Inhalte nach unwirksam. Wird die Ehe vor dem Tode eines der Ehegatten aufgelöst oder liegen die Voraussetzungen des § 2077 Abs. 1. Satz 2 vor, so bleiben

Fünftes Buch.

Erbrecht.

331

die Verfügungen insoweit wirksam, als anzunehmen ist, daß sie auch für diesen Fall getroffen sein würden.

§ 2269, Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testamente, durch das sie sich gegenseitig als Erben einsetzen, bestimmt, daß nach dem Tode des Ueberlebenden der beiderseitige Nachlaß an einen Dritten fallen soll, so ist im Zweifel anzunehmen, daß der Dritte für den gesummten Nachlaß als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt ist. Haben die Ehegatten in einem solchen Testament ein Vermächtniß angeordnet, das nach dem Tode des Ueberlebenden erfüllt werden soll, so ist im Zweifel anzunehmen, daß das Vermächtniß dem Bedachten erst mit dem Tode des Ueberlebenden anfallen soll. § 2270, Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testamente Verfügungen getrosten, von denen anzunehmen ist, daß die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge. Ein solches Verhältniß der Verfügungen zu einander ist im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Ueberlebens des Bedachten eine Verfügung zu Gunsten einer Person getrosten wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht. Auf andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse oder Auflagen findet die Vorschrift des Abs. 1 keine Anwendung. § 2271, Der Widerruf einer Verfügung, die mit einer Verfügung des anderen Ehegatten in dem im § 2270 bezeichneten Verhältnisse steht, erfolgt bei Lebzeiten der Ehegatten nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrage geltenden Vorschriften des § 2296. Durch eine neue Ver­ fügung von Todeswegen kann ein Ehegatte bei Lebzeiten des anderen seine Verfügung nicht einseitig aufheben. Das Recht zum Widerruf erlischt mit dem Tode des anderen Ehe­ gatten; der Ueberlebende kann jedoch seine Verfügung ausheben, wenn er das ihm Zugewendete ausschlägt. Auch nach der Annahme der Zuwendung ist der Ueberlebende zur Aufhebung nach Maßgabe des § 2294 und des § 2336 berechtigt. Ist ein pflichttheilsberechtigter Abkömmling der Ehegatten oder eines der Ehegatten bedacht, so findet die Vorschrift des § 2289 Abs. 2 ent­ sprechende Anwendung.

§ 2272. Ein gemeinschaftliches Testament kann nach § 2256 nur von beiden Ehegatten zurückgenommen werden. § 2273. Bei der Eröstnung eines gemeinschaftlichen Testaments find die Verfügungen des überlebenden Ehegatten, soweit sie sich sondern lassen, weder zu verkünden noch sonst zur Kenntniß der Betheiligten zu bringen. Von den Verfügungen des verstorbenen Ehegatten ist eine be­ glaubigte Abschrift anzufertigen. Das Testament ist wieder zu verschließen und in die besondere amtliche Verwahrung zurückzubringen.

332

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

vierter Abschnitt.

Erbvertrag.

§ 2274.

Der Erblasser

kann einen

Erbvertrag

nur

persönlich

schließen.

§ 2275. Einen Erbvertrag kann als Erblasser nur schließen, wer unbeschränkt geschäftsfähig ist. Ein Ehegatte kann als Erblasser mit seinem Ehegatten einen Erb­ vertrag schließen, auch wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Er bedarf in diesem Falle der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters; ist der gesetzliche Vertreter ein Vormund, so ist auch die Genehmigung des Dormundschastsgerichts erforderlich. Die Vorschriften des Abs. 2 gelten auch für Verlobte. § 2276 Ein Erbvertrag kann nur vor einem Richter oder vor einem Notar bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Theile geschlossen werden. Die Vorschriften der 88 2233 bis 2245 finden Anwendung; was nach diesen Vorschriften für den Erblaffer gilt, gilt für jeden der-Vertrag­ schließenden. Für einen Erbvertrag zwischen Ehegatten oder zwischen Verlobten, der mit einem Ehevertrag in derselben Urkunde verbunden wird, genügt die für den Ehevertrag vorgeschriebene Form. § 2277. Die über einen Erbvertrag aufgenommene Urkunde soll nach Maßgabe des § 2246 verschlossen, ntit einer Aufschrift versehen und in besondere amtliche Verwahrung gebracht werden, sofern nicht die Parteien das Gegentheil verlangen. Das Gegentheil gilt im Zweifel als verlangt, wenn der Erbvertrag mit einem anderen Vertrag in derselben Urkunde verbunden wird. Ueber einen in besondere amtliche Verwahrung genommenen Erbver­ trag soll jedem der Vertragschließenden ein Hinterlegungsschein ertheilt werden. § 22-«. In einem Erbvertrage kann jeder der Vertragschließenden vertragsmäßige Verfügungen von Todeswegen treffen. Andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen können vertragsmäßig nicht getroffen werden. § 2279. Auf vertragsmäßige Zuwendungen und Auflagen finden die für letztwillige Zuwendungen und Auflagen geltenden Vorfchriften ent­ sprechende Anwendung. Die Vorschriften des § 2077 gelten für einen Erbvertrag zwischen Ehegatten oder Verlobten auch insoweit, als ein Dritter bedacht ist. sich

§ 2280.

gegenseitig

Haben Ehegatten in einem Erbvertrage, durch den fie als Erben einsetzen, bestimmt, daß nach dem Tode des

Ueberlebenden der beiderseitige Nachlaß an einen Dritten fallen soll, oder ein Vermächtniß angeordnet, das nach dem Tode des Ueberlebenden zu er­ füllen ist, so finden die Vorschriften des § 2269 entsprechende Anwendung.

Fünftes Buch.

333

Erbrecht.

§ 2281. Der Erbvertrag kann auf Grund der 88 2078, 2079 auch von dem Erblasser angefochten werden; zur Anfechtung auf Grund des 8 2079 ist erforderlich, daß der Pslichttheilsberechtigte zur Zeit der Anfechtung vorhanden ist. Soll nach dem Tode des anderen Vertragschließenden eine zu Gunsten eines Dritten getroffene Verfügung von dem Erblasser angefochten werden, so iss die Anfechtung dem Nachlaßgerichte gegenüber zu erklären. Das Nachlaßgericht soll die Erklärung dem Dritten mittheilen. § 2282. Die Anfechtung kann nicht durch einen Vertreter des Erblaffers erfolgen. Ist der Erblasser in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er zur Anfechtung nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Ver­ treters. Für einen geschäftsunfähigen Erblasser kann sein gesetzlicher Vertreter mit Genehmigung des Vormundfchastsgerichts den Erbvertrag anfechten. Die Anfechtungserklärung bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. K 2283. Die Anfechtung durch den Erblasser kann nur binnen Jahresfrist erfolgen. Die Frist beginnt im Falle der Anfechtbarkeit wegen Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört, in den übrigen Fällen mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erblaffer von dem Anfechtungsgrunde Kenntniß erlangt. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der 88 203, 206 entsprechende Anwendung. Hat im Falle des 8 2282 Abs. 2 der gesetzliche Vertreter den Erb­ vertrag nicht rechtzeitig angefochten, so kann nach dem Wegfalle der Geschäftsunfähigkeit der Erblaffer selbst den Erbvertrag in gleicher Weise anfechten, wie wenn er ohne gesetzlichen Vertreter gewesen wäre.

§ 2284. Die Bestätigung eines anfechtbaren Erbvertrags kann nur durch den Erblaffer persönlich erfolgen. Ist der Erblaffer in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist die Bestätigung ausgeschlossen.

§ 2285. Die im 8 2080 bezeichneten Personen können den Erb­ vertrag auf Grund der 88 2078, 2079 nicht mehr anfechten, wenn das Anfechtungsrecht des Erblassers zur Zeit des Erbfalls erloschen ist. § 2286. Durch den Erbvertrag wird das Recht des Erblassers, über sein Vermögen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu verfügen, nicht beschränkt. § 2287. Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerecht­ fertigten Bereicherung fordern. Der Anspruch Erbschaft an.

verjährt

in

drei Jahren

von

dem Anfalle der

334

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 2288. Hat der Erblasser den Gegenstand eines vertragsmäßig angeordneten Vermächtnisses in der Absicht, den Bedachten zu beein­ trächtigen, zerstört, bei Seite geschafft ober beschädigt, so tritt, soweit der Erbe dadurch außer Stand gesetzt ist, die Leistung zu bewirken, an die Stelle des Gegenstandes der Werth. Hat der Erblasser den Gegenstand in der Absicht, den Bedachten zu beeinträchtigen, veräußert oder belastet, so ist der Erbe verpflichtet, dem Bedachten den Gegenstand zu verschaffen oder die Belastung zu beseitigen; auf diese Verpflichtung finden die Vorschriften des § 2170 Abs. 2 ent­ sprechende Anwendung. Ist die Veräußerung oder die Belastung schenk­ weise erfolgt, so steht dem Bedachten, soweit er "Ersatz nicht von dem Erben erlangen kann, der im § 2287 bestimmte Anspruch gegen den Beschenkten zu. § 2289. Durch den Erbvertrag wird eine frühere letztwillige Verfitgung des Erblassers ausgehoben, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde. In jeetn gleichen Umfang ist eine spätere Verfügung von Todeswegen unwirksam, unbeschadet der Vorschrift des § 2297. Ist der Bedachte ein pflichttheilsberechtigter Abkömmling des Erb­ lassers, so kann der Erblaffer durch eine spätere letztwillige Verfügung die nach § 2338 zulässigen Anordnungen treffen. § 2290. Ein Erbvertrag sowie eine einzelne vertragsmäßige Ver­ fügung kann durch Vertrag von den Personen ausgehoben werden, die den Erbvertrag geschlossen haben. Nach dem Tode einer dieser Personen kann die Aufhebung nicht mehr erfolgen. Der Erblasser kann den Vertrag nur persönlich schließen. Ist er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Steht der andere Theil unter Vormundschaft, so ist die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich. Das Gleiche gilt, wenn er unter elterlicher Gewalt steht, es sei denn, daß der Vertrag unter Ehegatten oder unter Verlobten geschloffen wird. Der Vertrag bedarf der im § 2276 für den Erbvertrag vor­ geschriebenen Form. § 2291. Eine vertragsmäßige Verfügung, durch die ein Vermächtniß oder eine Auslage angeordnet ist, kann von dem Erblaffer durch Testament aufgehoben werden. Zur Wirksamkeit der Aufhebung ist die Zustimmung des anderen Vertragschließenden erforderlich; die Vorschriften des § 2290 Abs. 3 finden Anwendung. Die Zustimmungserklärung bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung; die Zustimmung ist unwiderruflich.

§ 2292. Ein zwischen Ehegatten geschloffener Erbvertrag kann auch durch ein gemeinschaftliches Testament der Ehegatten aufgehoben werden; die Vorschriften des § 2290 Abs. 3 finden Anwendung. § 2293. Der Erblasser kann von dem Erbvertrage zurücktreten, Wenn er sich den Rücktritt im Vertrage Vorbehalten hat.

Fünftes Buch.

Erbrecht.

335

§ 2294. Der Erblasser kann von einer vertragsmäßigen Ver­ fügung zurücktreten, wenn sich der Bedachte einer Verfehlung schuldig macht, die den Erblasser zur Entziehung des Pflichttheils berechtigt oder, falls der Bedachte nicht zu den Pflichttheilsberechtigten gehört, zu der Ent­ ziehung berechtigen würde, wenn der Bedachte ein Abkömmling des Erb­ lassers wäre,

§ 2295. Der Erblasser kann von einer vertragsmäßigen Verfügung zurücktreten, wenn die Verfügung mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäMche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wieder­ kehrende Leistungen zu entrichten, insbesondere Unterhalt zu gewähren, getroffen ist und die Derpllichtung vor dem Tode des Erblassers auf­ gehoben wird. § 2296. Der Rücktritt kann nicht durch einen Vertreter erfolgen. Ist der Erblasser in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Der Rücktritt erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Ver­ tragschließenden. Die Erklärung bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. § 2297. Soweit der Erblasser zum Rücktritte berechtigt ist, kann er nach dem Tode des anderen Vertragschließenden die vertragsmäßige Verfügung durch Testament aufheben. In den Fällen des § 2294 finden die Vorschriften des § 2336 Abs. 2 bis 4 entsprechende Anwendung. § 2298. Sind in einem Erbvertrage von beiden Theilen vertrags­ mäßige Verfügungen getroffen, so hat die Nichtigkeit einer dieser Ver­ fügungen die Unwirksamkeit des ganzen Vertrags zur Folge. Ist in einem solchen Vertrage der Rücktritt Vorbehalten, so wird durch den Rücktritt eines der Vertragschließenden der ganze Vertrag auf­ gehoben. Das Rücktrittsrecht erlischt mit dem Tode des anderen Vertrag­ schließenden. Der Ueberlebende kann jedoch, wenn er das ihm durch den Vertrag Zugewendete ausschlägt, seine Verfügung durch Testament aufheben. Die Vorschriften des Abs. 1 und des Abs. 2 Satz 1,. 2 finden keine Anwendung, wenn ein anderer Wille der Vertragschließenden anzu­ nehmen ist. § 2299. Jeder der Vertragschließenden kann in dem Erbvertrag einseitig jede Verfügung treffen, die durch Testament getroffen werden kann. Für eine Verfügung dieser Art gilt das Gleiche, wie wenn sie durch Testament getroffen worden wäre. Die Verfügung kann auch in einem Vertrag aufgehoben werden, durch den eine vertragsmäßige Verfügung aufgehoben wird. Wird der Erbvertrag durch Ausübung des Rücktrittsrechts oder durch Vertrag aufgehoben, so tritt die Verfügung außer Kraft, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist. § 2300. Die für die Eröffnung eines Testaments geltenden Vorschriften der §§ 2259 bis 2263, 2273 finden aus den Erbvertrag entsprechende Anwendung, die Vorschriften des § 2273 Satz 2, 3 jedoch

336

1. Bürgerliches Gesetzbuch.

nur dann, wenn sich der Erbvertrag in besonderer amtlicher Verwahrung befindet.

§ 2301. Auf ein Schenkungsversprechen, welches unter der Be­ dingung ertheilt wird, daß der Beschenkte den Schenker überlebt, finden die Vorschriften über Verfügungen von Todeswegen Anwendung. Das Gleiche gilt für ein schenkweise unter dieser Bedingung ertheiltes Schuld­ versprechen oder Schuldanerkenntniß der in den §§ 780, 781 bezeichneten Art. Vollzieht der Schenker die Schenkung durch Leistung des zugewmdeten Gegenstandes, so finden die Vorschriften über Schenkungen unter Lebenden Anwendung. § 2302. Ein Vertrag, durch den sich Jemand verpflichtet, eine Verfügung von Todeswegen zu errichten oder nicht zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben, ist nichtig. fünfter Abschnitt.

Vfltchtthetl. § 2303. Ist ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügung von Todeswegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem Erben den Pflichttheil verlangen. Der Pflichttheil besteht in der Hälfte des Werthes des gesetzlichen. Erbtheils. Das gleiche Recht steht den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers zu, wenn sie durch Verfügung von Todeswegen von der Erbfolge aus­ geschloffen sind. K 2304. Die Zuwendung des Pflichttheils ist im Zweifel nicht als Erbeinsetzung anzusehen. K 2305. Ist einem Pflichttheilsberechtigten ein Erbtheil hinter­ lassen, der geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbtheils, so kann der Pflichttheilsberechtigte von den Miterben als Pflichttheil den Werth des an der Hälfte fehlenden Theiles verlangen. K 2306. Ist ein als Erbe berufener Pflichttheilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Theilungsanordnung beschränkt oder ist er mit einem Vermächtniß oder einer Auflage beschwert, so gilt die Beschränkung oder die Beschwerung als nicht angeordnet, wenn der ihm hinterlaffene Erbtheil die Hälfte des gesetzlichen Erbtheils nicht übersteigt. Ist der hinterlaffene Erbtheil größer, so kann der Pflichttheilsberechtigte den Pflichttheil verlangen, wenn er den Erbtheil ausschlägt; die Ausschlagungs rist beginnt erst, wenn der Pflicht­ theilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntniß erlangt. Einer Beschränkung der Erbeinsetzung steht es gleich, wenn der Pflichttheilsberechtigte als Nacherbe eingesetzt ist.

§ 2307. Ist ein Pflichttheilsberechtigter mit einem Vermächtnisse bedacht, so kann er den Pflichttheil verlangen, wenn er das Vermächtniß ausschlägt. Schlägt er nicht aus, so steht ihm ein Recht auf den Pflichtteil

Fünftes Buch.

337

Erbrecht.

nicht zu, soweit der Werth des Vermächtnisses reicht; bei der Berechnung des Werthes bleiben Beschränkungen und Beschwerungen der im § 2306 bezeichneten Art außer Betracht. Ter mit dem Vermächtnisse beschwerte Erbe kann den Pflichttheilsberechtigten unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung über die Annahme des Vermächtnisses auffordern. Mit dem Ablaufe der Frist gilt das Vermächtniß als ausgeschlagen, wenn nicht vorher die Annahme erklärt wird.

§ 2308. Hat ein Pflichttheilsberechtigter, der als Erbe oder als Vermächtnißnehmer in der im § 2306 bezeichneten Art beschränkt oder beschwert tft, die Erbschaft oder das Vermächtniß ausgeschlagen, so kann er die Ausschlagung anfechten, wenn die Beschränkung oder die Beschwerung zur Zeit der Ausschlagung weggefallen und der Wegfall ihm nicht be­ kannt war. Auf die Anfechtung der Ausschlagung eines Vermächtnisses finden die für die Anfechtung der Ausschlagung einer Erbschaft geltenden Vor­ schriften entsprechende Anwendung. Die Anfechtung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten. § 2309. Entferntere Abkömmlinge und die Eltern des Erblassers sind insoweit nicht pflichttheilsberechtigt, als ein Abkömmling, der sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichttheil verlangen kann oder das ihm Hinterlassene annimmt. § 2310. Bei der Feststellung des für die Berechnung des Pflicht­ theils maßgebenden Erbtheils werden diejenigen mitgezählt, welche durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen sind oder die Erb­ schaft ausgeschlagen haben oder für erbunwürdig erklärt sind. Wer durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlofien ist, wird nicht mitgezählt.

K 2311. Der Berechnung des Pflichttheils wird der Bestand und der Werth des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zu Grunde gelegt. Bei der Berechnung, des Pflichttheils der Eltern des Erblassers bleibt der dem überlebenden Ehegatten gebührende Voraus außer Ansatz. Der Werth ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln. Eine vom Erblasser getroffene Werthbestimmung ist nicht maßgebend.

K 2312. Hat der Erblasser angeordnet oder ist nach § 2049 anzunehmen, daß einer von mehreren Erben das Recht haben soll, ein zum Nachlasse gehörendes Landgut zu dem Ertragswerthe zu übernehmen, so ist, wenn von dem Rechte Gebrauch gemacht wird, der Ertragswerth auch für die Berechnung des Pflichttheils maßgebend. Hat der Erblaffer einen anderen Uebernahmepreis bestimmt, so ist dieser maßgebend, wenn er den Ertragswerth erreicht und den Schätzungswerth nicht übersteigt. Hinterläßt der Erblaffer nur einen Erben, so. kann er anordnen, daß der Berechnung des Pflichttheils der Ertragswerth oder ein nach Abs. 1 Satz 2 bestimmter Werth zu Grunde gelegt werden soll. Diese Vorschriften finden nur Anwendung, wenn der Erbe, der das Landgut erwirbt, zu den im § 2303 bezeichneten pflichttheilsberechtigten Personen gehört. Bürgerliche» Gesetzbuch und Nebengesetz»,

22

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 2313. Bei der Feststellung des Werthes des Nachlasses bleiben Rechte und Verbindlichkeiten, die von einer aufschiebenden Bedingung ab­ hängig sind, außer Ansatz. Rechte und Verbindlichkeiten, die von einer ouflösenden Bedingung abhängig sind, kommen als unbedingte in Ansatz. Tritt die Bedingung ein, so hat die der veränderten Rechtslage entsprechende Ausgleichung zu erfolgen. Für ungewisse oder unsichere Rechte sowie für zweifelhafte Ver­ bindlichkeiten gilt.das Gleiche wie für Rechte und Verbindlichkeiten, die Don einer aufschiebenden Bedingung abhängig sind. Der Erbe ist dem Pflichttheilsberechtigten gegenüber verpflichtet, für die Feststellung eines ungewissen und für die Verfolgung eines unsicheren Rechtes zu sorgen, soweit es einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht. K 2314. Ist. der Pflichttheilsberechtigte nicht Erbe, so hat ihm der Erbe auf Verlangen über den Bestand des Nachlasies Auskunft zu ertheilen. Der Pflichttheilsberechtigte kann verlangen, daß er bei der Aufnahme des ihm nach § 260 vorzulegenden Verzeichnisses der Nachlaßgegenstände zugezogen und daß der Werth der Nachlaßgegenstände ermittelt wird. Er kann auch verlangen, daß das Verzeichniß durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar ausgenommen wird. Die Kosten fallen dem Nachlafle zur Last. § 2315. Der Pflichttheilsberechtigte hat sich auf den Pflichttheil anrechnen zu lassen, was ihm von dem Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet worden ist, daß es auf den Pflichttheil angerechnet werden soll. Der Werth der Zuwendung wird bei der Bestimmung des Pflicht­ theils dem Nachlasse hinzugerechnet. Der Werth bestimmt sich nach der Zeit, zu welcher die Zuwendung erfolgt ist. Ist der Pflichttheilsberechtigte ein Abkömmling des Erblassers, so findet die Vorschrift des § 2051 Abs. 1 entsprechende Anwendung.

§ 2316. Der Pflichttheil eines Abkömmlinges bestimmt sich, wenn mehrere Abkömmlinge vorhanden sind und unter ihnen im Falle der ge­ setzlichen Erbfolge eine Zuwendung des Erblassers zur Ausgleichung zu bringen sein würde, nach demjenigen, was auf den gesetzlichen Erbtheil unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflicht bei der Theilung entfallen würde. Ein Abkömmling, der durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erb­ folge ausgeschlossen ist, bleibt bei der Berechnung außer Betracht. Ist der Pflichttheilsberechtigte Erbe und beträgt der Pflichttheil nach Ms. 1 mehr als der Werth des hinterlassenen Erbtheils, so kann der Pflichttheilsberechtigte von den Miterben den Mehrbetrag als Pflichttheil verlangen, auch wenn der hinterlassene Erbtheil die Hälfte des gesetzlichen Erbtheils erreicht oder übersteigt. Eine Zuwendung der im § 2050 Abs. 1 bezeichneten' Art kann der Erblasser nicht zum Nachtheil eines Pflichttheilsberechtigten von der Be­ rücksichtigung ausschließen. Ist eine nach Abs. 1 zu berücksichtigende Zuwendung zugleich nach § 2315 auf den Pflichttheil anzurechnen, so kommt sie ans diesen nur mit der Hälfte des Werthes zur Anrechnung.

Fünftes Buch.

Erbrecht.

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§ 2317. Der Anspruch auf den Pllichttheil entsteht mit dem Erbfalle. Der Anspruch ist vererblich und übertragbar. § 2318. Der Erbe kann die Erfüllung eines ihm auferlegten Vermächtnisses soweit verweigern, daß die Pflichttheilslast von ihm und dem Bermächtnißnehmer verhältnißmäßig getragen wird. Das Gleiche gilt von einer Auflage. Einem pflichttheilsberechtigten Bermächtnißnehmer gegenüber ist die Kürzung nur soweit zulässig, daß ihm der Pflichttheil verbleibt. Ist der Erbe selbst pflichttheilsberechtigt, so kann er wegen der Pflichttheilslast das Vermächtniß und die Auflage soweit kürzen, daß ihnr sein eigener Pflichttheil verbleibt. § 2319. Ist einer von mehreren Erben selbst pflichttheilsberechtigt, so kann er nach der Theilung die Befriedigung eines anderen Pflichttheilsberechtigten soweit verweigern, daß ihm fein eigener Pflichttheil verbleibt. Für den Ausfall hasten die übrigen Erben.

§ 2320. Wer an Stelle des Pflichttheilsberechtigten gesetzlicher Erbe wird, hat im Verhältnisse zu Miterben die Pflichttheilslast und, wenn der Pllichttheilsberechtigte ein ihm zugewcndetes Vermächtniß annimmt, das Vermächtniß in Höhe des erlangten Vortheils zu tragen. Tas Gleiche gilt im Zweifel von demjenigen, welchem der Erblafler den Erbtheil des Pflichttheilsberechtigten durch Verfügung von Todeswegen zugewendet hat. § 2321. Schlägt der Pllichttheilsberechtigte ein ihm zugewendctes Vermächtniß aus, so hat im Verhältnisse der Erben und der Vermächtnißnehmer zu einander derjenige, welchem die Ausschlagung zu Statten kommt, die Pflichttheilslast in Höhe des erlangten Vortheils zu tragen.

§ 2322. Ist eine von dem Pflichttheilsberechtigten ausgeschlagene Erbschaft oder ein von ihm ausgeschlagenes Vermächtniß mit einem Ver­ mächtniß oder einer Allflage beschwert, so kann derjenige, welchem die Ausschlagung zu Statten kommt, das Vermächtniß-oder die Auflage soweit kürzen, daß ihm der zur Deckung der Pflichttheilslast erforderliche Betrag verbleibt. § 2323. Der Erbe kann die Erfüllung eines Vermächtnisses oder einer Auflage auf Grund des § 2318 Abs. 1 insoweit nicht verweigern, als er die Pflichttheilslast nach den 88 2320 bis 2322 nicht zu tragen hat. § 2324. Der Erblasser kann durch Verfügung von Todeswegen die Pflichttheilslast im Verhältnisse der Erben zu einander einzelnen Erben auferlegen und von den Vorschriften des § 2318 Abs. 1 und der 88 2320 bis 2323 abweichende Anordnungen treffen. § 2325. Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pllichttheilsberechtigte als -Ergänzung des Pflichttheils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichttheil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlasse hinzugerechnet wird.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Eine verbrauchbare Sache kommt mit dem Werthe in Ansatz, den sie zur . Zeit der Schenkung hatte. Ein anderer Gegenstand kommt mit dem Werthe in Ansatz, den er zur Zeit des Erbfalls hat; hatte er zur Zeit der Schenkung einen geringeren Werth, so wird nur dieser in Ansatz gebracht. Die Schenkung bleibt unberücksichtigt, wenn zur Zeit des Erbfalls zehn Jahre seit der Leistung des verschenken Gegenstandes verstrichen sind; ist die Schenkung an den Ehegatten des Erblassers erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.

8 2326. Der Pflichttheilsberechtigte kann die Ergänzung des Pflichttheils auch dann verlangen, wenn ihm die Hälfte des gesetzlichen Erbtheils hinterlassen ist. Ist dem Pflichttheilsberechtigten mehr als die Hälfte hinterlassen, so ist der Anspruch ausgeschlossen, soweit der Werth des mehr Hinterlassenen reicht.

§ 2327. Hat der Pflichttheilsberechtigte selbst ein Geschenk von dem Erblasser erhalten, so ist das Geschenk in gleicher Weise wie das dem ©ritten gemachte Geschenk dem Nachlasse hinzuzurechnen und zugleich dem Pflichttheilsberechtigten auf die Ergänzung anzurechnen. Ein nach § 2315 anzurechnendes Geschenk ist auf den Gesammtbetrag des Pflichttheils und der Ergänzung anzurechnen. Ist der Pflichttheilsberechtigte ein Abkömmling des Erblassers, so findet die Vorschrift des § 2051 Abs. 1 entsprechende Anwendung.

8 2328. Ist der Erbe selbst pflichttheilsberechtigt, so kann er die Ergänzung des Pflichttheils soweit verweigern, daß ihm sein eigener Pflicht­ theil mit Einschluß dessen verbleibt, was ihm zur Ergänzung des Pflichttheils gebühren würde.

8 2329. Soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichttheils nicht verpflichtet ist, kann der Pflichttheilsberechtigte von dem Beschenken die Herausgabe des Geschenkes zum Zwecke der Befriedigung wegen des fehlenden Bettags nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Ist der Pflichttheilsberechttgte der alleinige Erbe, so steht ihm das gleiche Recht zu. Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des fehlenden Bettags abwendm. Unter mehreren Beschenkten hastet der früher Beschenkte nur insoweit, als der später Beschenkte nicht verpflichtet ist.

8 2330. Die Vorschriften der §§ 2325 bis 2329 finden keine Anwendung auf Schenkungm, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird. 8 2331. Eine Zuwendung, die aus dem Gesammtgute der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenfchastsgemeinschast oder der Fahrnißgemeinschaft erfolgt, gilt als von jedem der Ehegatten zur Hälfte gemacht. Die Zuwendung gilt jedoch, wenn sie an einen Abkömmling, der nur von einem der Ehegatten abstammt, oder an eine Person, von der nur einer der Ehegatten abstammt, erfolgt oder wmn einer der Ehegatten

Fünftes Buch.

Erbrech».

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Wegen der Zuwendung zu dem Gesammtgut Ersatz zu leisten hat, als von diesem Ehegatten gemacht. Diese Vorschriften finden auf eine Zuwendung aus dem Gesammtgute der fortgesetzten Gütergemeinschaft entsprechende Anwendung.

§ 2332. Der Pflichttheilsanspruch verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichttheilsberechtigte von dem Eintritte des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntniß erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntniß in dreißig Jahren von dem Eintritte des Erbfalls an. Der nach § 2329 dem Pflichttheilsberechtigten gegen den Beschenkten zustehende Anspruch verjährt in drei Jahren von dem Eintritte des Erbfalls an. Die Verjährung wird nicht dadurch gehemmt, daß die Ansprüche erst nach der Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses geltend gemacht werden können.

§ 2333. Der Erblasser kann einem Abkömmlinge den Pflichttheil entziehen: 1. wenn der Abkömmling dem Erblasser, dem Ehegatten oder einem anderen Abkömmlinge des Erblaffers nach dem Leben trachtet; 2. wenn der Abkömmling sich einer vorsätzlichen körperlichen Mißhandlung des Erblassers oder des Ehegatten des Erblassers schuldig macht, im Falle , der Mißhandlung des Ehegatten jedoch nur, wenn der Abkömm­ ling von diesem abstammt; 3. wenn der Abkömmling sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser oder dessen Ehegatten schuldig macht; 4. wenn, der Abkömmling die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt; 5. wenn der Abkömmling einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel wider den Willen des Erblaffers führt. K 2334. Der Erblasser kann dem Vater den Pflichttheil entziehen, wenn dieser sich einer der im § 2333 Nr. 1, 3, 4 bezeichneten Verfehlungen schuldig macht. Das gleiche Recht steht dem Erblaffer der Mutter gegenüber zu, toenn diese sich einer solchen Verfehlung schuldig macht. § 2335. Der Erblasser kann dem Ehegatten den Pflichttheil entziehen, wenn der Ehegatte sich einer Verfehlung schuldig macht, auf Grund deren der Erblaffer nach den 88 1565 bis 1568 auf Scheidung zu klagen berechtigt ist. Das Recht zur Entziehung erlischt nicht durch den Ablauf der für die Geltendmachung des Scheidungsgrundes im § 1571 bestimmten Frist.

$ 2336. Die Entziehung des Pflichttheils erfolgt durch letztwillige Verfügung. Der Grund der Entziehung muß zur Zeit der Errichtung bestehen und in der Verfügung angegeben werden. Der Beweis des Grundes liegt demjenigen ob, welcher die Entziehung geltend macht.

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I. Bürgerliches Gesetzbuch.

Im Falle des § 2333 Nr. 5 ist die Entziehung unwirksam, wenn sich der Abkömmling zur Zeit des Erbfalls von dem ehrlosen oder unsitt­ lichen Lebenswandel dauernd abgewendet hat.

§ 2337. Das Recht zur Entziehung das Psiichttheils erlischt durch Verzeihung. Eine Verfügung, durch die der Erblasser die Entziehung an­ geordnet hat, wird durch die Verzeihung unwirksam. § 2338. Hat sich ein Abkömmling in solchem Maße der Ver­ schwendung ergeben oder ist er in solchem Maße überschuldet, daß sein späterer Erwerb erheblich gefährdet wird, so kann der Erblasser das Pflichttheilsrecht des Abkömmlinges durch die Anordnung beschränken, daß nach dem Tode des Abkömmlinges dellen gesetzliche Erben das ihm Hinter­ laßene oder den ihm gebührenden Pflichtteil als Nacherben oder als Nachvermächtnißnehmer nach dem Verhältniß ihrer gesetzlichen Erbtheile erhalten sollen. Der Erblasser kann auch für die Lebenszeit des Abkömmlinges die Verwaltung einem Testamentsvollstrecker übertragen; der Abkömmling hat in einem solchen Falle Anspruch auf den jährlichen Reinertrag. Auf Anordnungen dieser Art finden die Vorschriften des § 2336 Abs. 1 bis 3 entsprechende Anwendung. Die Anordnungen find unwirksam, wenn znr Zeit des Erbfalls der Abkömmling sich dauernd von dem ver­ schwenderischen Leben abgewendet hat oder die den Grund der Anordnung bildende Ueberschuldung nicht mehr besteht. Sechster Abschnitt.

ErbuntvürdigKelt.

§ 2339. Erbunwürdig ist: 1. wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getödtet oder zu tödten versucht oder in einen Zustand versetzt hat, in Folge dessen der Erblasser bis zu seinem Tode unfähig war, eine Verfügung von Todeswegen zu errichten oder aufzuheben; 2. wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich verhindert hat, eine Verfügung von Todeswegen zu errichten oder aufzuheben; 3. wer den Erblasser durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt hat, eine Verfügung von Todeswegen zu errichten oder aufzuheben; 4. wer sich in Ansehung einer Verfügung des Erblassers von Tadeswegen einer nach den Vorschriften der §§ 267 bis 274 des Strafgesetzbuchs strafbaren Handlung schuldig gemacht hat. Die Erbunwürdigkeit tritt in den Fällen des Abs. 1 Nr. 3, 4 nicht ein, wenn vor dem Eintritte des Erbfalls die Verfügung, zu deren Errichtung der Erblasser bestimmt oder in Ansehung deren die strafbare Handlung begangen worden ist, unwirksam geworden ist, oder die Verfügung, zu deren Aufhebung er bestimmt worden ist, unwirksam geworden sein würde.

K 2340. Die Erbunwürdigkeit wird durch Anfechtung des Erbschafts­ erwerbes geltend gemacht.

Fünftes Buch.

Erbrecht.

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Die Anfechtung ist erst nach dem Anfalle der Erbschaft zulässig. Einem Nacherben gegenüber kann die Anfechtung erfolgen, sobald die Erbschaft dem Vorerben angefallen ist. Die Anfechtung kann nur innerhalb der im § 2082 bestimmten Fristen erfolgen.

§ 2341. Anfechtungsberechtigt ist Jeder, dem der Wegfall des Erbunwürdigen, sei es auch nur bei dem Wegfall eines Anderen, zu Statten kommt. § 2342. Die Anfechtung erfolgt durch Erhebung bet Anfechtungs­ klage. Die Klage ist darauf zu richten, daß der Erbe für erbunwürdig erklärt wird. Tie Wirkllng der Anfechtung tritt erst mit der Rechtskraft des Urtheils ein. § 2343. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Erblasser dem Erbunwürdigen verziehen hat.

K 2344. Ist ein Erbe für erbunwürdig erklärt, so gilt der Anfall an ihn als nicht erfolgt. Die Erbschaft fällt demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Erbunwürdige zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte; der Anfall gilt als mit dem Eintritte des Erbfalls erfolgt. § 2345. Hat sich ein Vermächtnißnehmer einer der im § 2339 Abs. 1 bezeichneten Verfehlungen schuldig gemacht, so ist der Anspruch aus dem Vermächtniß anfechtbar. Die Vorschriften der §§ 2082, 2083, des § 2339 Abs. 2 und der §§ 2341, 2343 finden Anwendung. Das Gleiche gilt für einen Pflichttheilsanspruch, wenn der Pflichttheilsberechtigte sich einer solchen Verfehlung schuldig gemacht hat. Siebenter Abschnitt.

Erbverzicht. K 2346. Verwandte sowie der Ehegatte des Erblassers können durch Vertrag mit dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten. Der Verzichtende ist von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte; er hat kein Pflichttheilsrecht. Der Verzicht kann auf das Pflichttheilsrecht beschränkt werden. § 2347. Zu dem Erbverzicht ist, wenn der Verzichtende unter Vormundschaft steht, die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts er­ forderlich; steht er unter elterlicher Gewalt, so gilt das Gleiche, sofern nicht der Vertrag unter Ehegatten oder unter Verlobten geschloffen wird. Der Erblasser kann den Vertrag nur persönlich schließen; ist er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Ist der Erblasser geschäftsunfähig, so kann der Vertrag durch den gesetzlichen Vertreter geschloffen werden; die Genehmigung

344

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

des Vormundschaftsgerichts erforderlich.

ist

in gleichem Umfange

wie nach Abs. 1

8 2348. Der Erbverzichtsvertrag bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung.

8 2349. Verzichtet ein Abkömmling oder ein Seitenverwandter des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht, so erstreckt sich die Wirkung des Verzichts auf seine Abkömmlinge, sofern nicht ein Anderes bestimmt wird. 8 2350. Verzichtet Jemand zu Gunsten eines Anderen auf das gesetzliche Erbrecht, so ist im Zweifel anzunehmen, daß der Verzicht nur für den Fall gelten soll, daß der Andere Erbe wird. Verzichtet ein Abkömmling des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht, so ist im Zweifel anzunehmen, daß der Verzicht nur zu Gunsten der anderen Abkömmlinge und des Ehegatten des Erblassers gelten soll. 8 2351. Auf einen Vertrag, durch den ein Erbverzicht auf­ gehoben wird, findet die Vorschrift des § 2348 und in Ansehung des Erblassers auch die Vorschrift des § 2347 Abs. 2 Anwendung. 8 2352. Wer durch Testament als Erbe eingesetzt oder mit einem Vermächtniffe bedacht ist, kann durch Vertrag mit dem Erblasier auf die Zuwendung verzichten. Das Gleiche gilt für eine Zuwendung, die in einem Erbvertrag einem Dritten gemacht ist. Die Vorschriften der 88 2347, 2348 finden Anwendung. Achter Abschnitt.

Erbschein.

8 2353. Das Nachlaßgericht hat dem Erben auf Antrag ein Zeugniß über sein Erbrecht und, wenn er nur zu einem Theile der Erb­ schaft berufen ist, über die Größe des Erbtheils zu ertheilen (Erbschein). 8 2354. Wer die Ertheilung des Erbscheins als gesetzlicher Erbtz beantragt, hat anzugeben: 1. die Zeit des Todes des Erblassers; 2. das Verhältniß, auf dem sein Erbrecht beruht; 3. ob und welche Personen vorhanden sind oder vorhanden waren, durch die er von der Erbfolge ausgeschlossen oder sein Erbtheil gemindert werden würde; 4. ob und welche Verfügungen des Erblassers von Todeswcgen vor­ handen sind; 5. ob ein Rechtsstreit über sein Erbrecht anhängig ist. Ist eine Person weggefallen, durch die der Antragsteller von der Erbfolge ausgeschlossen oder sein Erbtheil gemindert werden würde, so hat der Antragsteller anzugeben, in welcher Weise die Person weggefallen ist.

8 2355. Wer die Ertheilung des Erbscheins auf Grund einer Verfügung von Todeswegen beantragt, hat die Verfügung zu bezeichnen,

Fünftes Buch.

Erbrecht.

345

auf der sein Erbrecht beruht, anzugeben, ob und welche sonstigen Ver­ fügungen des Erblassers von Todeswegen vorhanden sind, und die im § 2354 Abs. 1 Nr. 1, 5, Abs. 2 vorgeschriebenen Angaben zu machen.

§ 2356, Der Antragsteller hat die Richtigkeit der in Gemäßheit des § 2354 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 gemachten Angaben durch öffentliche Urkunden nachzuweisen und im Falle des § 2355 die Urkunde vorzulegen, auf der sein Erbrecht beruht. Sind die Urkunden nicht oder nur mit unverhältnißmäßigen Schwierigkeiten zu beschaffen, so genügt die Angabe anderer Beweismittel. In Ansehung der übrigen nach deil §§ 2354, 2355 erforderlichen Angaben hat der Antragsteller vor Gericht oder vor einem Notar an Eidesstatt zu versichern, daß ihm nichts bekannt sei, was der Richtigkeit seiner Angaben entgegensteht. Das Nachlaßgericht kann die Versicherung erfassen, wenn es sie für nicht erforderlich erachtet. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, soweit die Thatsachen bei dem Nachlaßgericht offenkundig sind. K 2357. Sind mehrere Erben vorhanden, so ist auf Antrag ein gemeinschaftlicher Erbschein zu ertheilen. Der Antrag kann von jedem der Erben gestellt werden. In dem Anträge sind die Erben und ihre Erbtheile anzugeben. Wird der Antrag nicht von allen Erben gestellt, so hat er die Angabe zu enthalten, daß die übrigen Erben die Erbschaft angenommen haben. Die Vorschriften des § 2356 gelten auch für die sich auf die übrigen Erben beziehenden Angaben des Antragstellers. Die Verficherung an Eidesstatt ist von allen Erben abzugeben, sofern nicht das Nachlaßgericht die Versicherung eines oder einiger von ihnen für ausreichend erachtet.

§ 2358. Das Nachlaßgericht hat unter Benutzung der von dem Antragsteller angegebenen Beweismittel von Amtswegen die zur Feststellung der Thatsachen erforderlichen Ermittelungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Das Nachlaßgericht kann eine öffentliche Aufforderung zur An­ meldung der anderen Personen zustehenden Erbrechte erfassen; die Art der Bekanntmachung und die Dauer der Anmeldungsfrist bestimmen sich nach den für das Aufgebotsverfahren geltenden Vorschriften. § 2359. Der Erbschein ist nur zu ertheilen, wenn das Nachlaß­ gericht die zur Begründung des Antrags erforderlichen Thatsachen für festgestellt erachtet. § 2360. Ist ein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig, so soll vor der Ertheilung des Erbscheins der Gegner des Antragstellers gehört werden. Ist die Verfügung, auf der das Erbrecht beruht, nicht in einer dem Nachlaßgerichte vorliegenden öffentlichen Urkunde enthalten, so soll vor der Ertheilung des Erbscheins derjenige über die Gültigkeit der Verfügung gehört werden, welcher im Falle der Unwirksamkeit der Verfügung Erbe sein würde. Die Anhörung ist nicht erforderlich, wenn sie unthunlich ist.

346

L Bürgerliches Gesetzbuch.

§ 2361. Ergiebt sich,, daß dcr ertheilte Erbschein unrichtig ist, so hat ihn das Nachlaßgericht einzuziehen. Mit der Einziehung wird der Erbschein kraftlos. Kann der Erbschein ncht sofort erlangt werden, so hat ihn das Nachlaßgericht durch Beschluß für kraftlos zu erklären. Der Beschluß ist nach den für die öffentliche Zustellung einer Ladung geltenden Borschriften der Civilprozeßordnung bekannt zu machen. Mit dem Ablauf eines Monats nach der letzten Einrückung des Beschlusses in die öffentlichen Blätter wird die Kraftloserklärung wirksam. Das Nachlaßgericht kann von Amtswegen über die Richtigkeit eines ertheilten Erbscheins Ermittelungen veranstalten. § 2362. Ter wirkliche Erbe kann von dem Besitzer eines un­ richtigen Erbscheins die Herausgabe an das Nachlaßgericht verlangen. Derjenige, welchem ein unrichtiger Erbschein ertheilt worden ist, hat dem wirklichen Erben über den Bestand der Erbschaft und über den Ver­ bleib der Erbschaftsgegenstände Auskunft zu ertheilen. 8 2363. In dem Erbscheine, der einem Vorerben ertheilt wird, ist anzugeben, daß eine Nacherbfolge angeordnet ist, unter welchen Voraus­ setzungen sie eintritt und wer der Nacherbe ist. Hat der Erblasser den Nacherben auf dasjenige eingesetzt, was von der Erbschaft bei dem Eintritte der Nacherbfolge übrig sein wird, oder hat er bestimmt, daß der Dorerbe zur freien Verfügung über die Erbschaft berechtigt sein soll, so ist auch dies anzugeben. Dem Nacherben steht das im § 2362 Abs. 1 bestimmte Recht zn. § 2364. Hat der Erblasser einen Testamentsvollstrecker ernannt, so ist die Ernennung in dem Erbschein anzugeben. Dem Testamentsvollstrecker steht das im § 2362 Abs. 1 bestimmte Recht zu. § 2365. Es wird vermuthet, daß demjenigen, welcher in dem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, das in dem Erbschein angegebene Erb­ recht zustehe und daß er nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen beschränkt sei. § 2366. Erwirbt Jemand von demjenigen, welcher in einem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, durch Rechtsgeschäft einen Erbschafts­ gegenstand, ein Recht an einem solchen Gegenstand oder die Befreiung von einem zur Erbschaft gehörenden Rechte, so gilt zu seinen Gunsten der Inhalt des Erbscheins, soweit die Vermuthung des § 2365 reicht, als richtig, es sei denn, daß er die Unrichtigkeit kennt oder weiß, daß das Nachlaßgericht die Rückgabe des Erbscheins wegen Unrichtigkeit verlangt hat. 8 2367. Die Vorschriften des § 2366 finden entsprechende An­ wendung, wenn an denjenigen, welcher in einem Erbschein als Erbe be­ zeichnet ist, auf Grund eines zur Erbschaft gehörenden Rechtes eine Leistung bewirkt oder wenn zwischen ihm und einem Anderen in Ansehung eines solchen Rechtes ein nicht unter die Vorschrift des § 2366 fallendes Rechts­ geschäft vorgenommen wird, das eine Verfügung über das Recht enthält.

Fünftes Buch.

Erbrecht.

347

§ 2368. Einem Testamentsvollstrecker hat das Nachlaßgericht ans Alttrag ein Zeugiriß über die Ernennnng zu ertheilen. Ist der Testaments­ vollstrecker in der Verwaltung des Nachlasses beschränkt oder hat der Erb­ lasser angeordnet, daß der Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlaß nicht beschränkt sein soll, so ist dies in dem Zeugniß anzugeben. Ist die Ernennung nicht in einer dem Nachlaßgerichte vorliegenden öffentlichen Urkunde enthalten, so soll vor der Ertheilung des Zeugnisses der Erbe wenn thunlich über die Gültigkeit der Ernennung gehört werden. Die Vorschriften über den Erbschein finden auf das Zeugniß ent­ sprechende Anwendung; mit der Beendigung des Amtes des Testamentsvollstreckers wird das Zeugniß kraftlos. § 2369. Gehören zu einer Erbschaft, für die es an einem zur Ertheilung des Erbscheins zuständigen deutschen Nachlaßgerichte fehlt, Gegen­ stände, die sich im Jnlande befinden, so kann die Ertheilung eines Erb­ scheins für diese Gegenstände verlangt werden. Ein Gegenstand, für den von einer tragung des Berechtigten bestimmtes Buch als im Jnlande befindlich. Eiil Anspruch wenn für die Klage ein deutsches Gericht

deutscheil Behörde ein znr Ein­ oder Register geführt wird, gilt gilt als im Jnlande befindlich, zuständig ist.

§ 2370. Hat eine für todt erklärte Person den Zeitpunkt über­ lebt, der als Zeitpunkt ihres Todes gilt, oder ist sie vor diesein Zeitpmckte gestorben, so gilt derjenige, welcher auf Grund der Todeserklärung Erbe sein würde, in Ansehung der in den §§ 2366, 2367 bezeichneten Rechts­ geschäfte zu Gunsten des Dritten auch ohne Ertheilung eines Erbscheins als Erbe, es sei denn, daß der Dritte die Unrichtigkeit der Todeserklärung kennt oder weiß, daß die Todeserklärung in Folge einer Anfechtungsklage aufgehoben worden ist. Ist ein Erbschein ertheilt worden, so stehen dem für todt Erklärten, wenn er noch lebt, die im § 2362 bestimmten Rechte zu. Die gleichen Rechte hat eine Person, deren Tod ohne Todeserklärung mit Unrecht an­ genommen worden ist. Neunter Abschnitt.

ErbfchsftDauf. 8 2371. Ein Vertrag, durch den der Erbe die ihm angefallene Erbschaft verkauft, bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. 8 2372. Die Vortheile, welche sich aus dem Wegfall eines Ver­ mächtnisses oder einer Auflage oder aus der Ausgleichungspflicht eines Miterben ergeben, gebühren dem Käufer. 8 2373. Ein Erbtheil, der dem Verkäufer nach dem Abschlüsse des Kaufes durch Nacherbfolge oder in Folge des Wegfalls eines Miterben anfällt, sowie ein dem Verkäufer zugewendetes Vorausvermächtniß ist im Zweifel nicht als mitverkauft anzusehen. Das Gleiche gilt von Familien­ papieren und Familienbildern.

348

I. Bürgerliches Gesetzbuch.

K 2374. Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer die zur Zeit des Verkaufs vorhandenen Erbschaftsgegenstände mit Einschluß dessen heraus­ zugeben, was er vor dem Vexkauf auf Grund eines zur Erbschaft gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Erbschaftsgegenstandes oder durch ein Rechtsgeschäft erlangt hat, das sich auf die Erbschaft bezog.

§ 2375. Hat der Verkäufer vor dem Verkauf einen Erbschafts­ gegenstand verbraucht, unentgeltlich veräußert oder unentgeltlich belastet, so ist er verpflichtet, dem Käufer den Werth des verbrauchten oder ver­ äußerten Gegenstandes, im Falle der Belastung die Werthminderung zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Käufer den Verbrauch oder die unentgeltliche Verfügung bei dem Abschlüsse des Kaufes kennt.

Im Uebrigen kann der Käufer wegen Verschlechterung, Unterganges oder einer aus einem anderen Grunde eingetretenen Unmöglichkeit der Herausgabe eines Erbschaftsgegenstandes nicht Ersatz verlangen.

K 2376. Die Verpflichtung des Verkäufers zur Gewährleistung wegen eines Mangels im Rechte beschränkt sich auf die Haftung dafür, daß ihm das Erbrecht zusteht, daß es nicht durch das Recht eines Nacherbm oder durch die Ernennung eines Testamentsvollstreckers beschränkt ist, daß nicht Vermächtnisse, Auflagen, Pflichttheilslasten, Ausgleichungspflichten oder Theilungsanordnnngen bestehen uno daß nicht unbeschränkte Haftung gegenüber den Nachlaßgläubigem oder einzelnen von ihnen eingetreten ist. Fehler einer zur Erbschaft gehörenden Sache hat der Verkäufer nicht zu vertreten.

$ 2377. Die in Folge des Erbfalls durch Vereinigung,von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsververhältnifse gelten im Verhältnisie zwischen dem Käufer und dem Ver­ käufer als nicht erloschen. hültniß wiederherzustellen.

Erforderlichen Falles ist ein solches Rechtsver-

§ 2378» Der Käufer ist dem Verkäufer gegenüber verpflichtet, die Nachlaßverbindlichkeiten zu erfüllen,, soweit nicht der Verkäufer nach-8 2376 dafür haftet, daß sie nicht bestehen. Hat der Verkäufer vor dem Verkauf eine Nachlaßverbindlichkeit er­ füllt, so kann er von dem Käufer Ersatz verlangen.

§ 2379. Dem Verkäufer verbleiben die auf die Zeit vor dem Verkaufe fallenden Nutzungen. Er trägt für diese Zeit die Lasten, mit Einschluß der Zinsen der Nachlaßverbindlichkeiten. Den Käufer treffen jedoch die von der Erbschaft zu entrichtenden Abgaben sowie die außer­ ordentlichen Lasten, welche als auf den Stammwerth der Erbschastsgegenstände gelegt anzusehen sind. § 2380. Der Käufer trägt von dem Abschlüsse des Kaufes an die Gefahr des zufälligen Unterganges und einer zufälligen Verschlechterung der Erbfchastsgegenstände. Von diesem Zeitpunkt an gebühren ihm die Nutzungen und trägt er die Lasten.

Fünftes Buch.

349

Erbrecht.

8 2381. Der Käufer hat dem Verkäufer die nothwendigen Ver­ wendungen zu ersetzen, die der Verkäufer vor dem Verkauf auf die Erb­ schaft gemacht hat. Für andere vor dem Verkaufe gemachte Aufwendungen hat der Käufer insoweit Ersatz zu leisten, als durch sie der Werth der Erbschaft zur Zeit des Verkaufs erhöht ist. 8 2382. Der Käufer hastet von dem Abschlüsse des Kaufes an den Nachlaßgläubigern, unbeschadet der Fortdauer der Haftung des Verkäufers. Dies gilt auch von den Verbindlichkeiten, zu deren Erfüllung der Käufer dem Verkäufer gegenüber nach den §§ 2378, 2379 nicht verpflichtet ist. Die Haftung des Käufers den Gläubigern gegenüber kann nicht durch Vereinbarung zwischen dem Käufer und dem Verkäufer ausgeschloffen oder beschränkt werden. 8 2383. Für die Haftung des Käufers gelten die Vorschriften über die Beschränkung der Haftung des Erben. Er haftet unbeschränkt, soweit der Verkäufer zur Zeit des Verkaufs unbeschränkt hastet. Beschränkt sich die Haftung des Käufers auf die Erbschaft, so gelten seine Ansprüche aus dem Kaufe als zur Erbschaft gehörend. Die Errichtung des Inventars durch den Verkäufer oder den Käufer kommt auch dem anderen Theile zu Statten, es sei denn, daß dieser un­ beschränkt hastet.

8 2384.

Der Verkäufer

ist

den Nachlaßgläubigern gegenüber

verpflichtet, den Verkauf der Erbschaft und den Namen des Käufers unverzüglich dem Nachlaßgericht anzuzeigen. Die Anzeige des Verkäufers

wird durch die Anzeige des Käufers ersetzt. Das Nachlaßgericht hat die Einsicht der Anzeige Jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht.

8 2385. Die Vorschriften über den Erbschaftskauf finden ent­ sprechende Anwendung auf den Kauf einer von dem Verkäufer durch Vertrag erworbenen Erbschaft sowie auf andere Verträge, die auf die Veräußerung einer dem Veräußerer angefallenen oder anderweit von ihm erworbenen Erbschaft gerichtet sind. Im Falle einer Schenkung ist der Schenker nicht verpflichtet, für die vor der Schenkung verbrauchten oder unentgeltlich veräußerten Erbschafts­ gegenstände oder für eine vor der Schenkung unentgeltlich vorgenommene Belastung dieser Gegenstände Ersatz zu leisten. Die im § 3376 bestimmte Verpflichtung zur Gewährleistung wegen eines Mangels im Rechte trifft den Schenker nicht; hat der Schenker den Mangel arglistig verschwiegen, so ist er verpflichtet, dem Beschenkten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei­ gedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben Neues Palais, den 18. August 1896.

(L 8.)

Wilhelm. Fürst zu Hohenlohe

II. €inführung$ge$etz zum Bürgerlichen ßesetzbuche. Vom 18. August 1896. (Reichsgesetzblatt 1896 S 604—650.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Prenßen rc. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bnndesraths und des Reichstags, was folgt:

Erster Abschnitt.

Allgemeine Vorschriften. Art. 1. Das Bürgerliche Gesetzbuch tritt am 1. Januar 1900 gleich­ zeitig mit einem Gesetze, betreffend Aenderungen des Gerichtsverfassungs­ gesetzes, der Civilprozeßordnung und der Konkursordnung, einem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, einer Grundbuchordnung und einem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Kraft.

Art. 2. Gesetz im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs und dieses Gesetzes ist jede Rechtsnorm. Art. 3. Soweit in dem Bürgerlichen Gesetzbuch oder in diesem Gesetze die Regelung den Landesgesetzen Vorbehalten oder bestimmt ist, daß landesgesetzliche Vorschriften unberührt bleiben oder erlassen werden können, bleiben die bestehenden landesgesetzlichen Vorschriften in Kraft und können neue landesgesetzliche Vorschriften erlassen werden.

Art. 4. Soweit in Reichsgesetzen oder in Landesgesetzen auf Vor­ schriften verwiesen ist, welche durch das Bürgerliche Gesetzbuch oder durch dieses Gesetz außer Kraft gesetzt werden, treten an deren Stelle die ent­ sprechenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder dieses Gesetzes. Art. 5. Als Bundesstaat im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs und dieses Gesetzes gilt auch das Reichsland Elsaß-Lothringen. Art. 6. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Grund des Bürgerlichen Gesetz­ buchs geltend gemacht ist, wird die Verhandlung und Entscheidung letzter Instanz im Sinne des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfaffungsgesetze dem Reichsgericht» zugewiesen.

Art. 7. Die Geschäftsfähigkeit einer Person wird nach den Gesetzen des Staates benrtheilt, dem die Person angehört. Erwirbt ein Ausländer, der volljährig ist oder die rechtliche Stellung eines Volljährigen hat, die Reichsangehörigkeit, so behält er die rechtliche Stellnng eines Volljährigen, auch wenn er nach den dentschen Gesetzen nicht volljährig ist. Nimmt ein Ausländer im Inland ein Rechtsgeschäft vor, für das er geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, so gilt er für dieses Rechtsgeschäft insoweit als geschäftsfähig, als er nach den deutschen Gesetzen geschäftsfähig sein würde. Ans familienrechtliche nnd erbrechtliche Rechtsgeschäfte sowie auf Rechtsgeschäfte, durch die über ein ausländisches Grundstück verfügt wird, findet diese Vorschrift keine Anwendnng. Art. 8. Ein Ausländer kann im Jnlande nach den deutschen Gesetzen entmündigt werden,, wenn er feinen Wohnsitz ober, falls er keinen Wohnsitz hat, seinen Anfenthalt im Jnlande hat. Art. 9. Ein Verschollener kann im Jnlande nach den dentschen Gesetzen für todt erllärt werden, wenn er bei dem Beginne der Ver­ schollenheit ein Deutscher war. Gehörte der Verschollene bei dem Beginne der Verschollenheit einem fremden Staate an, so kann er im Jnlande nach den deutschen Gesetzen mit Wirkung für diejenigen Rechtsverhältnisse, welche sich nach den deutschen Gesetzen bestimmen, sowie mit Wirkung für das im Jnlande befindliche Vermögen für todt erklärt werden; die Vorschriften des § 2369 Abf. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung. Hatte ein verschollener ansländischer Ehemann seinen letzten Wohn­ sitz im Inland und ist die im Jnlande zurückgebliebene oder dahin zurück­ gekehrte Ehefrau Deutsche oder bis zu ihrer Verheirathung mit dem Ver­ schollenen Deutsche gewesen, so kann auf ihren Antrag der Verschollene im Jnlande nach den dentschen Gesetzen ohne die im Abs. 2 bestimmte Beschränkung für todt erklärt werden. Art. 10. Ein einem fremden Staate angehörender und nach dessen Gesetzen rechtsfähiger Verein, der die Rechtsfähigkeit im Jnlande nur nach den Vorschriften der 88 21, 22 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erlangen könnte, gilt als rechtsfähig, wenn seine Rechtsfähigkeit durch Beschluß des Bundesraths anerkannt ist. Auf nicht anerkannte ausländische Vereine der bezeichneten Art finden die Vorschriften über die Gesellschaft sowie die Vorschrift des 8 54 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Anwendnng. Art. 11. Die Form eines Rechtsgeschäfts bestimmt sich nach den Gesetzen, welche für das den Gegenstand des Rechtsgeschäfts bildende Rechts­ verhältniß maßgebend sind. Es genügt jedoch die Beobachtung der Gesetze des Ortes, an dem das Rechtsgeschäft vorgenommen wird. Die. Vorschrift des Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Rechtsgeschäft, durch das ein Recht an s-s.*) (Reichsgesetzblatt 1877 S. 83—243; 1898 S. 256—331, 410-611.)

Erstes Buch.

Allgemeine Bestimmungen. Erster Abschnitt.

Gerichte. Erster Titel.

Sachliche Zuständigkeit der Gerichte. 5 1 Die sachliche Zuständigkeit der Gesetz über die Gerichtsverfassung bestimmt.

Gerichte wird

durch

das

§ 2. Insoweit nach dem Gesetze über die Gerichtsverfassung die Zuständigkeit der Gerichte von dem Werthe des Streitgegenstandes abhängt, kommen die nachfolgenden Vorschriften zur Anwendllng. *) Durch das Gesetz, betr. Aenderungen der Civilprozeßordnung vom 17 Mai 1898 (R.-G.-Bl. 1898 S. 256) sind 1. gestrichen die früheren §§ 15, 17, 199, 238, 244, 484, 619, 588, 594, 658, 694, 755, 756, 849. 2. abgeändert die jetzigen §§ 4,14,15,17,20,22,24,25,27,28,44, 52, 56, 75, 76, 89, 91, 92, 99, 100, 101, 105, 108,110, 145, 157, 166, 168, 170, 178, 179, 183, 188, 190, 191, 194, 198, 203, 204, 207, 219, 222,235, 236, 239, 241, 243, 246, 260, 261, 262, 263, 265, 266, 270, 272, 274, 294, 302, 311, 313,316, 320, 322, 375, 377, 380, 381, 406, 422, 426, 465, 469, 473, 479, 482, 497, 501, 506, 508,509, 518, 527, 528, 529, 538, 541, 546, 553, 556, 565, 566, 567, 568, 572, 578, 577, 592, 593,600, 604, 606, 608, 609, 610, 615, 616, 617, 618, 620, 622, 625, 627, 632, 633, 639, 645, 646,653, 654, 660, 663, 664, 665, 666, 670, 672, 675, 676, 679, 680, 685, 686, 687, 688, 689, 692,704, 706, 708, 709, 717, 723, 726, 727, 730, 731, 750, 751, 761, 763, 768, 779, 780, 781, 794,795, 796, 797, 801, 807, 808, 810, 811, 814, 816, 817, 826, 830, 835, 836, 845, 848, 850, 857,864, 873, 886, 888, 892, 899, 900, 903, 914, 916, 929, 932, 933, 942, 943, 950, 952, 954, 1003, 1004, 1005, 1007, 1009, 1010, 1011, 1013, 1015, 101? .018, 1045. 3. neu hinzugefügt die §§ 19, 50, 53, 58, 77, 94, 103, 107, 109, 116, 151, 152, 153, 154,

Erstes Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

429

§ 3. Der Werth des Streitgegenstandes wird von dem Gerichte nach freiem Ermessen festgesetzt; dasselbe kann eine beantragte Beweis­ aufnahme sowie von Amtswegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. § 4. Für die Werthsberechnung ist der Zeitpunkt der Erhebung der Klage entscheidend; Früchte, Nutzungen, Zinsen, Schäden und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.

Bei Ansprüchen aus Wechseln im Sinne der Wechselordnung find Zinsen, Kosten und Provision, welche außer der Wechselsumme gefordert werden, als Nebenforderungen anzusehen. § 5* Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; eine Zusammenrechnung des Gegenstandes der Klage und der Widerklage findet nicht statt. § 6. Der Werth des Streitgegenstandes wird bestimmt: durch dm Werth einer Sache, wenn deren Besitz, und durch den Betrag einer For^ derung, wenn deren Sicherstellung oder ein Pfandrecht Gegenstand des Streits ist. Hat der Gegenstand des Pfandrechts einen geringeren Werth, so ist dieser maßgebend

Diesem Abanderungsgesetze ist ein besonderes „Einführungsgesetz zu dem Gesetze, betr. Aenderungen der Clvllprozeßordnung", vom 17. Mai 1898 (R.-G.-BI. S. 332) belgegebcn worden. Dasselbe bestimmt:

Art. I. Das Gesetz, betreffend Aenderungen der Clvllprozeßordmmg, tritt gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch in Kraft. Art. II. enthält Aenderungen des Einführungsgesetzes zur Civilprozeßordnung, eingestellt unten in Nr. VH. Art. m. Im § 4 des Gesetzes, betreffend die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohnes, vom 21. Juni 1869 (Bundes-Gesetzbl. S. 242) wird die Nr. 4 dahin geändert: 4. insoweit der Gesammtbetrag der Vergütung (§§ 1, 3) die Summe von fünf» zehnhundert Mark für das Jahr übersteigt Art. IV. enthält Aenderungen des Gerichtskostengefehes. Art. V. enthält Aenderungen der Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher. Art. VI. enthält eine Aenderung der Gebührenordnung für Zeugen und Sach­ verständige. Art. VH. enthält Aenderungen der Gebührenordnung für Rechtsanwälte. Art. VHI. Die landesgefetzlichen Vorschriften über die Vollstreckbarkeit von Hypothekenurkunden bleiben in Ansehung der Hypotheken in Kraft, welche schon zu der Zeit bestehen, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist. Art. IX. Eine Frist, die zur Zeit des Inkrafttreten- des Gesetzes, betreffend Aenderungen der Civilprozeßordnung, läuft, wird nach den bisherigen Dorfchristen berechnet. Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen einen Zahlungsbefehl richtet sich nach den bisherigen Vorschriften, wenn der Zahlungsbefehl vor dem Inkrafttreten des im Abs. 1 bezeichneten Gesetzes erlassen ist. Art. X. Für die zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs gemäß § 114 der Reichsanwaltsordnunq bei einem Oberlandesgerichte zugelassenen Rechtsanwälte kann diese Zulassung mit Zustimmung des Bundesraths von der Landes­ justizverwaltung über den bezeichneten Zeltpunkt hmaus erstreckt werden.

430

VI. Cwilprozeßordnung.

§

7. Der Werth einer Grunddienstbarkeit wird dilrch den Werth, welchen dieselbe für das herrschende Grundstück hat, und wenn der Betrag, um welchen sich der Werth des dienenden Grundstücks durch die Dienst­ barkeit mindert, größer ist, durch diesen Betrag bestimmt.

K 8. Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Miethverhältnisses streitig, so ist der Betrag des auf die gesammte streitige Zeit fallenden Zinses und, wenn der fünfundzwanzigfache Betrag des einjährigen Zinses geringer ist, dieser Betrag für die Werthsberechnung entscheidend. § 9. Der Werth des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem Welche des einjährigen Bezugs berechnet und zwar: auf den zwölfundeinhalbfachen Betrag, wenn der künftige Weg­ fall des Bezugsrechts gewiß, die Zeit des Wegfalls aber un­ gewiß ist; auf den fünfundzwanzigsachen Betrag, bei unbeschränkter oder bestimmter Dauer des Bezugsrechts. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesammtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist. § 10. Das Urtheil eines Landgerichts kann nicht aus dem Grunde angefochten werden, weil die ZustäMgkeit des Amtsgerichts begründet gewesen sei.

K

11. Ist die Unzuständigkeit eines Gerichts auf Grund der Be­ stimmungen über die sachliche Zuständigkeit der Gerichte rechtskräftig aus­ gesprochen, so ist diese Entscheidung für das Gericht bindend, bei welchem die Sache später anhängig wird. Zweiter Titel. Gerichtsstand.

§ 12.

Das Gericht, bei welchem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, ist für alle gegen dieselbe zu erhebenden Klagen zuständig, sofern nicht für eine Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist.

H 13. Der allgemeine Gerichtsstand einer Person wird durch den Wohnsitz bestimmt.

14.

K Ist der für den Wohnsitz einer Militärperson maßgebende Garnisonort in mehrere Gerichtsbezirke getheilt, so wird der als Wohnsitz geltende Bezirk von der Landesjustizverwaltung durch allgemeine Anordnung bestimmt. § 15. Deutsche, welche das Recht der Exterritorialität genießen, sowie die im Auslande angestellten Beamten des Reichs oder eines Bundes­ staates behalten in Ansehung des Gerichtsstandes den Wohnsitz, welchen sie in dem Heimathstaate hatten. In Ermangelung eines solchen Wohnsitzes gilt die Hauptstadt des Heimathstaates als ihr Wohnsitz; ist die Hauptstadt in mehrere Gerichtsbezirke getheilt, so wird der als Wohnsitz geltende Bezirk von der Landesjustizverwaltung durch allgemeine Anordnung bestimmt.

Erstes Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

431

Gehört ein Deutscher einem Bundesstaate nicht an, so gilt als sein Wohnsitz die Stadt Berlin; ist die Stadt Berlin in mehrere Gecichtsbezirke getheilt, so wird der als Wohnsitz geltende Bezirk von dem Reichskanzler durch allgemeine Anordnung bestimmt. Auf Wahlkonsuln finden diese Bestimmungen keine Anwendung.

§ 16. Der allgemeine Gerichtsstand einer Person, welche keinen Wohnsitz hat, wird durch den Aufenthaltsort im Deutschen Reich und, wenn ein solcher nicht bekannt ist, durch den letzten Wohnsitz bestimmt. § 17. Der allgemeine Gerichtsstand der Gemeinden, der Kor­ porationen, sowie derjenigen Gesellschaften, Genossenschaften oder anderen Dereine und derjenigen Stiftungen, Anstalten und Vermögensmafsen, welche als solche verklagt werden können, wird durch den Sitz derselben bestimmt. MS Sitz gilt, wenn nicht ein Anderes erhellt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird. Gewerkschaften haben den allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gerichte, in dessen Bezirke das Bergwerk liegt, Behörden, wenn sie als solche verklagt werden können, bei dem Gerichte ihres Amtssitzes. Neben dem durch die Vorschriften dieses Paragraphen bestimmten Gerichtsstände ist ein durch Statut oder in anderer Weise besonders ge­ regelter Gerichtsstand Mässig. § 18. Der allgemeine Gerichtsstand des Fiskus wird durch den Sitz der Behörde bestimmt, welche berufen ist, den Fiskus in dem Rechts­ streite zu vertreten.

§ 19. Ist der Ort, an welchem eine Behörde ihren Sitz hat, in mehrere Gerichtsbezirke getheilt, so wird der Bezirk, welcher im Sinne der 88 17, 18 als Sitz der Behörde gilt, für die Reichsbehörden von dem Reichskanzler, im Uebrigen von der Landesjustizverwaltung durch allgemeine Anordnung bestimmt. § 20. Wenn Personen an einem Orte unter Verhältnissen, welche ihrer Natur nach auf einen Aufenthalt von längerer Dauer Hinweisen, ins­ besondere als Dienstboten, Hand- und Fabrikarbeiter, Gewerbegehülfen, Studirende, Schüler oder Lehrlinge sich aufhalten, so ist das Gericht des Aufenthaltsorts für alle Klagen zuständig, welche gegen diese Personen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche erhoben werden. Diese Bestimmung findet auf Militärpersonen, welche nur zur Er­ füllung der Wehrpflicht dienen oder welche selbständig einen Wohnsitz nicht begründen können, in der Art Anwendung, daß an die Stelle des Gerichts des Aufenthaltsorts das Gericht des Garnisonorts tritt. Die Vorschrift des 8 14 findet entsprechende Anwendung.

§ 21. Hat Jemand zum Betriebe einer Fabrik, einer Handlung oder eines anderen Gewerbes eine Niederlassung, von welcher aus unmittelbare Geschäfte geschlossen werden, so können gegen ihn alle Klagen, welche aus den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben, bei dem Gerichte des Orts erhoben werden, wo die Niederlassung sich befindet.

432

VI Civllprozeßordnung.

Der Gerichtsstand der Niederlassung ist auch für Klagen gegen Personen begründet, welche ein mit Wohn- und Wirthschaftsgebäuden ver­ sehenes Gut als Eigenthümer, Nutznießer oder Pächter bewirthschaften, soweit diese Klagen die auf die Bewirthschaftung des Guts sich beziehenden Rechtsverhältnisse betreffen.

§ 22. Das Gericht, bei welchem Gemeinden, Korporationen, Gesellschaften, Genoffenschaften oder andere Vereine den allgemeinen Gerichts­ stand haben, ist für die Klagen zuständig, welche von denselben gegen ihre Mitglieder als solche oder von den Mitgliedern in dieser Eigenschaft gegen einander erhoben werden.

§ 23. Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, welche im Deutschen Reich keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirke sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Bei Forderungen gilt als der Ort, wo das Vermögen sich befindet, der Wohnsitz des Schuldners und, wenn für die Forderung eine Sache zur Sicherheit hastet, auch der Ort, wo die Sache sich befindet.

§ 24. Für Klagen, durch welche das Eigenthum, eine dingliche Belastung oder die Freiheit von einer solchen geltend gemacht wird, für Grenzscheidungs-, Theilungs- und Besitzklagen ist, sofern es sich um unbe­ wegliche Sachen handelt, das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirke die Sache belegen ist. Bei den eine Grunddienstbarkeit, eine Reallast oder ein Vorkaufsrecht betreffenden Klagen ist die Lage des dienenden oder belasteten Grundstücks entscheidend. § 25. In dem dinglichen Gerichtsstände kann mit der Klage aus einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld die Schuldklage, mit der Klage auf Umschreibung oder Löschung einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld die Klage auf Befreiung von der persönlichen Verbindlichkeit, mit der Klage auf Anerkennung einer Reallast die Klage auf rückständige Leistungen erhoben werden, wenn die verbundenen Klagen gegen denselben Beklagten gerichtet sind.

§ 26. In dem dinglichen Gerichtsstände können persönliche Klagen, welche gegen den Eigenthümer oder Besitzer einer unbeweglichen Sache als solchen gerichtet werden, sowie Klagen wegen Beschädigung eines Grund­ stücks oder in Betreff der Entschädigung wegen Enteignung eines Grundstücks erhoben werden. § 27. Klagen, welche die Feststellung des Erbrechts, Ansprüche des Erben gegen einen Erbschaftsbesitzer, Ansprüche aus Vermächtnissen oder sonstigen Verfügungen von Todeswegen, Pflichttheilsansprüche oder die Theilung der Erbschaft zum Gegenstände haben, können vor dem Gericht erhoben werden, bei welchem der Erblasser zur Zeit seines Todes den allgemeinen Gerichtsstand gehabt hat. Ist der Erblaffer ein Deutscher und hatte er zur Zeit seines Todes im Jnlande keinen allgemeinen Gerichtsstand, so können die im Abs. 1

Erstes Buch.

433

Allgemeine Bestimmungen.

bezeichnete!'. Klagen vor dem Gericht erhoben werden, in dessen Bezirke der Erblasser seinen letzten inländischen Wohnsitz hatte; in Ermangelung eines solchen Wohnsitzes finden die Vorschriften des § 15 Abs. 1 Satz 2, 3 entsprechende Anwendung.

§ 28. In dem Gerichtsstände wegen anderer Nachlaßverbindlichkeiten Nachlaß noch ganz oder theilwcise int die vorhandenen mehreren Erben noch

der Erbschaft können auch Klagen erhoben werden, solange sich der Bezirke des Gerichts befindet oder als Gesammtschuldner haften.

§ 29. Für Klagen aus Feststellung des Bestehens oder Nicht­ bestehens eines Vertrags, auf Erfüllung oder Aufhebung eines solchen, sowie auf Entschädigung wegen Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung ist das Gericht des Orts zuständig, wo die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.

§ 30. Für Klagen aus den auf Messen und Märkten, mit Aus­ nahme der Jahr- und der Wochenmärkte, geschlossenen Handelsgeschäften (Meß- und Marktsachen) ist das Gericht des Meß- oder Marktorts zuständig, wenn die Erhebung der Klage erfolgt, während der Beklagte oder ein zur Prozeßführung berechtigter Vertreter desselben am Orte oder im Bezirke des Gerichts sich aufhält. § 31. Für dem Geschäftsherrn den Geschäftsherrn wo die Verwaltung

Klagen, welche aus einer Vermögensverwaltung von gegen den Verwalter oder von dem Verwalter gegen erhoben werden, ist das Gericht des Orts zuständig, geführt ist.

§ 32. Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in deffen Bezirke die Handlung begangen ist. § 33. Bei dem Gerichte der Klage kann eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Ansprüche oder mit den gegen denselben vorgebrachten Vertheidigungsmitteln in Zusammenhang steht. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Zuständigkeit des Gerichts für eine Klage wegen des Gegenanspruchs auch durch Verein­ barung nicht würde begründet werden können. § 34. Für Klagen der Prozeßbevollmüchtigten, der Beistände, der Zustellungsbevollmächtigten und der Gerichtsvollzieher wegen Gebühren und Auslagen ist das Gericht des Hauptprozesses zuständig. § 35.

Unter

mehreren

zuständigen

Gerichten

hat

der Kläger

die Wahl.

§ 36. Die Bestimmung des zuständigen das im Jnstanzenzuge zunächst höhere Gericht:

Gerichts erfolgt

durch

1. wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Falle an der Ausübung des Richteramts rechtlich oder thatsächlich verhindert ist; 2. wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiß ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; SBiugciüdjcs Gesetzbuch und Ncbengesetze.

28

434

VI Civilprozeßmdnung.

3. wenn mehrere Personen, welche bei verschiedene" Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstände verklagt werden sollen und sür den Rechtsstreit »in gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; 4. wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstände erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; 5. wenn in einem Rechtsstreite verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;

6.

wenn verschiedene Gerichte, von welchen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

8 37. Die Entscheidung über das Gesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Eine Anfechtung des Beschlusses, welcher das zuständige Gericht bestimmt, findet nicht statt. Dritter Titel.

Aereinbüruug über die Zuständigkeit der Gerichte. § 38. Ein an sich unzuständiges Gericht erster Instanz wird durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien zuständig. 8 39. Stillschweigende Vereinbarung ist anzunehmen, wenn der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt hat.

§ 40. Die Vereinbarung hat keine rechtliche Wirkung, wenn sie nicht auf ein bestimmtes Rechtsverhältniß upd die aus demselben ent­ springenden Rechtsstreitigkeiten sich bezieht. Die Vereinbarung ist unzulässig, wenn der Rechtsstreit andere als vermögensrechtliche Ansprüche betrifft, oder wenn für die Klage ein aus­ schließlicher Gerichtsstand begründet ist. vierter Titel.

Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen. 8 41. Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschloffen: 1.

in Sachen, in welchen er selbst Partei ist, oder in Ansehung welcher er zu einer Partei in dem Verhältnisse eines Mitberechtigten, Mit­ verpflichteten oder Regreßpflichtigen steht;

2. in Sachen seiner Ehefrau, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; 3. in Sachen einer Person, mit welcher er in gerader Linie verwandt, verschwägert oder durch Adoption verbunden, in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verschwägert ist, auch wenn' die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet ist, nicht mehr besteht;

Erstes Buch

435

Allgemeine Bestimmungen.

4. in Sachen, in welchen er als Prozeßbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei auf­ zutreten berechtigt ist oder gewesen ist;

5. in Sachen, in welchen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist; 6. in Sachen, in welchen er in einer früheren Instanz oder im schieds­ richterlichen Verfahren bei der Erlassung der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Thätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt. § 42. Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in welchen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgniß der Befangenheit abgelehnt werden. Wegen Besorgniß der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unpartei­ lichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Das Ablehnungsrecht steht in jedem Falle beiden Parteien zu.

§ 43. Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgniß der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie bei demselben, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung sich eingelassen oder Anträge gestellt hat.

§ 44. Das Ablehnungsgesuch ist bei dem Gerichte, welchem der Richter angehört, anzubringen; es kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden. Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eidesstatt darf die Partei nicht zugelassen werden. Zur Glaubhaft­ machung kann auf das Zeugniß des abgelehnten Richters Bezug genommen werden. Der abgelehnte Richter hat sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern. Wird ein Richter, bei welchem die Partei in eine Verhandlung sich eingelassen oder Anträge gestellt hat, wegen Besorgniß der Befangenheit abgelehnt, so ist glaubhaft zu machen, daß der Ablehnungsgrund erst später entstanden oder der Partei bekannt geworden sei.

§ 45. Ueber das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, welchem der Abgelehnte angehört; wenn dasselbe durch Ausscheiden des abgelehnten Mitgliedes beschlußunfähig wird, das im Jnstanzenzuge zunächst höhere Gericht. Wird ein Amtsrichter abgelehnt, so entscheidet das Landgericht. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der Amtsrichter das Ablehnungsgesuch für begründet hält.

§ 46. Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Gegen den Beschluß, durch welchen das Gesuch für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel; gegen den Beschluß, durch welchen das Gesuch für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt. 28*

436

VI Civllprozetzordnung.

§ 47.

Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungs­ gesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, welche keinen Aufschub gestatten.

§ 48.

Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnisse Anzeige macht, welches seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen sei. Die Entscheidung erfolgt ohne vorgängiges Gehör der Parteien.

49.

§ Die Bestimmungen dieses Titels finden auf den Gerichts­ schreiber entsprechende Anwendung; die Entscheidung erfolgt durch das Gericht, bei welchem der Gerichtsschreiber angestellt ist. Zweiter Abschnitt.

Parteien* Erster Titel.

Parteisiihigkeit. Prozeßfähigkeit. § 50.

Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist. Ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, kann verklagt werden; in dem Rechtsstreite hat der Verein die Stellung eines rechtsfähigen Vereins.

51.

K Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht prozeßfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Nothwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozeßsührmtg bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Bestimmungen enthalten.

§

52 Eine Person ist insoweit prozeßfähig, als sie sich durch Ver­ träge verpflichten kann. Die Prozeßfähigkeit einer Frau wird dadurch, daß sie Ehefrau ist. nicht beschränkt.

§ 53.

Wird in einem Rechtsstreit eine prozeßfähige Person durch einen Pfleger vertreten, so steht sie für den Rechtsstreit einer nicht prozeß­ fähigen Person gleich.

§ 54.

Einzelne Prozeßhandlungen, zu welchen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts eine besondere Ermächtigung erforderlich ist, sind ohne dieselbe gültig, wenn die Ermächtigung zur Prozeßführung im All­

gemeinen ertheilt oder die Prozeßführung auch ohne eine solche Ermäch­

tigung im Allgemeinen statthaft ist.

§ 55.

Ein Ausländer, welchem nach dem Rechte seines Landes die Prozeßfähigkeit mangelt, gilt als prozeßfähig, wenn ihm nach dem

Rechte des Prozeßgerichts die Prozeßsähigkeit zusteht.

Erstes Buch

Allgemeine Bestimmungen.

437

§ 56. Das Gericht hat den Mangel der Parteifähigkeit, der Prozeß­ fähigkeit, der Legitimation eines gesetzlichen Vertreters und der erforderlichen Ermächtigung zur Prozeßführung von Amtswegen zu berücksichtigen. Die Partei oder deren gesetzlicher Vertreter kann zur Prozeßführung mit Vorbehalt der Beseitigung des Mangels zugelafsen werden, wenn mit dem Verzüge Gefahr für die Partei verbunden ist. Das Endurtheil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Beseitigung des Mangels zu bestimmende Frist abgelaufen ist. § 57. Soll eine nicht prozeßfühige Partei verklagt werden, welche ohne gesetzlichen Vertreter ist, so hat der Vorsitzende des Prozeßgerichts derselben, falls mit dem Verzüge Gefahr verbunden ist, auf Antrag bis zu dem Eintritte des gesetzlichen Vertreters einen besonderen Vertreter zu bestellen. Der Vorsitzende kann einen solchen Vertreter auch bestellen, wenn in den Fällen des § 20 eine nicht prozeßfähige Person bei dem Gericht ihres Aufenthaltsorts oder Garnisonorts verklagt werden soll. § 58. Soll ein Recht an einem Grundstücke, das von dem bis­ herigen Eigenthümer nach § 928 des Bürgerlichen Gesetzbuchs aufgegeben und von dem Aneignungsberechtigten noch nicht erworben worden ist, im Wege der Klage geltend gemacht werden, so hat der Vorsitzende des Prozeß­ gerichts auf Antrag einen Vertreter zu bestellen, welchem bis zur Ein­ tragung eines neuen Eigenthümers die Wahrnehmung der sich aus dem Eigenthum ergebenden Rechte und Verpflichtungen im Rechtsstreit obliegt.

Zweiter Titel.

Ttreitgeuossenschaft.

§ 59. Mehrere Personen können als Streitgenoffen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn sie in Ansehung des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen, oder wenn sie aus demselben thatsächlichen und rechtlichen Grunde berechtigt oder verpflichtet sind.

§ 60. Mehrere Personen können auch dann als Streitgenofsen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen thatsächlichen und rechtlichen Grunde beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden.

§ 61. Streitgenossen stehen, soweit nicht aus den Vorschriften dts bürgerlichen Rechts oder dieses Gesetzes sich ein Anderes ergießt, dem Gegner dergestalt als Einzelne gegenüber, daß die Handlungen des einen Streit­ genossen dem anderen weder zum Vortheile noch zum Nachtheile gereichen. § 62.

Kann das streitige Rechtsverhältniß allen Streitgenossen

gegenüber nur einheitlich festgestellt werden, oder ist die Streitgenossenschast aus einem sonstigen Grunde eine nothwendige, so werden, wenn ein Termin oder eine Frist nur von einzelnen Streitgenossen versäumt wird, die säumigen Streitgenoffen als durch die nicht säumigen vertreten angesehen.

438

VI Clvilprozetzordnung.

Die säumigen Streitgenossen sind auch in dem späteren Verfahren zuzuziehen.

§ 83. Das Recht zur Betreibung des Prozesses steht jedem Streit­ genossen zu; er muß, wenn er den Gegner zu einem Termine ladet, auch die übrigen Streitgenossen laden.

Dritter Titel.

Netheiligung Triller am Rechtsstreite. § 64. Wer die Sache oder das Recht, worüber zwischen anderen Personen ein Rechtsstreit anhängig geworden ist, ganz oder theilweise für sich in Anspruch nimmt, ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreits berechtigt, seinen Anspruch durch eine gegen beide Parteien gerichtete Klage bei demjenigen Gerichte geltend zu machen, vor welchem der Rechtsstreit in erster Instanz anhängig wurde. § 65. Der Hauptprozeß kann auf Antrag einer Partei bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Hauptintervention ausgesetzt werden. § 66. Wer ein rechtliches Interesse daran hat, daß in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreite die eine Partei obsiege, kann dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten. Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung desselben, auch in Verbindung mit der Ein­ legung eines Rechtsmittels erfolgen. § 67. Der Nebenintervenient muß den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in welcher sich dieser zur Zeit seines Beitritts befindet; er ist berechtigt, Angriffs- und Vertheidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozeßhandlungen wirksam vorzunehmen, insoweit nicht seine Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen. § 68. Der Nebenintervenient wird im Verhältnisse zu der Haupt­ partei mit der Behauptung nicht gehört, daß der Rechtsstreit, wie derselbe dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei; er wird mit der Behauptung, daß die Hauptpartei den Rechtsstreit mangelhaft geführt habe, nur insoweit gehört, als er durch die Lage des Rechtsstreits zur Zeit seines Beitritts oder durch Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei verhindert worden ist, Angriffs- oder Vertheidigungsmittel geltend zu machen, oder als Angriffs- oder Vertheidigungsmittel, welche ihm unbekannt waren, von der Hauptpartei absichtlich oder durch grobes Verschulden nicht geltend gemacht sind.

§ 69. Insofern nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Rechtskraft der in dem Hauptprozesse erlassenen Entscheidung auf das Rechtsverhältniß des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit ist, gilt der Nebenintervenient im Sinne des § 61 als Streitgenosse der Hauptpartei.

Erstes Buch

Allgemeine Bestimmungen.

439

§ 70. Der Beitritt des Nebenintervenienten erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes. Derselbe inuß enthalten: 1 die Bezeichnung der Parteien uni) des Rechtsstreits; 2 die bestimmte Angabe des Interesses, welches der Nebenintervenient hat; 3. die Erklärung des Beitritts. Außerdem finden die allgemeinen Bestimmungen über die vor­ bereitenden Schriftsätze Anwendung. § 71. Ueber den Antrag auf Zurückweisung einer Nebenintervention wird nach vorgängiger mündlicher Verhandlung unter den Parteien und dem Nebenintervenienten entschieden. Der Nebenintervenient ist zuzulasfen, wenn er sein Interesse glaubhaft macht. Gegen das Zwischenurtheil findet sofortige Beschwerde statt. Solange nicht die Unzulässigkeit der Intervention rechtskräftig aus­ gesprochen ist, wird der Intervenient im Hauptverfahren zugezogen.

K 72. Eine Partei, welche für den Fall des ihr ungünstigen Aus­ ganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadlos­ haltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechts­ streits dem Dritten gerichtlich den Streit verbinden. Der Dritte ist zu einer weiteren Streitverkündung berechtigt.

§ 73. Die Streitverkündung erfolgt durch Zustellung eines Schrift­ satzes, in welchem der Grund der Streitverkündung und die Lage des Rechtsstreits anzugeben ist. Abschrift des Schriftsatzes ist dem Gegner mitzutheilen. § 74. Wenn der Dritte dem Streitverkünder beitritt, so bestimmt sich sein Verhältniß zu den Parteien nach den Grundsätzen über die Neben­ intervention. Lehnt der Dritte den Beitritt ab, oder erklärt er sich nicht, so wird der Rechtsstreit ohne Rücksicht auf ihn fortgesetzt. In allen Fällen dieses Paragraphen kommen gegen den Dritten die Vorschriften des § 68 mit der Abweichung zur Anwendung, daß statt der Zeit des Beltritts diejenige Zeit entscheidet, zu welcher der Beitritt in Folge der Streitverkündung möglich war.

§ 75. Wird von dem verklagten Schuldner einem Dritten, welcher die geltend gemachte Forderung für sich in Anspruch nimmt, der Streit verkündet, und tritt der Dritte in den Streit ein, so ist der Beklagte, wenn er den Bettag der Forderung zu Gunsten der streitenden Gläubiger unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme hinterlegt, auf seinen Anttag aus dem Rechtsstreit unter Verurtheilung in die durch seinen unbegründeten Widerspruch veranlaßten Kosten zu entlassen und der Rechtsstreit über die Berechtigung an der Forderung zwischen den streitenden Gläubigern allein fortzusetzen. Dem Obsiegenden ist der hinterlegte Bettag zuzusprechen und der Unterliegende auch zur Erstattung der dem Bellagten entstandenen,

nicht durch dessen unbegründeten Widerspruch veranlaßten Kosten, schließlich der Kosten der Hinterlegung, zu verurtheilen.

ein­

440

VI. Civilprvzeszordiiung

§ 76. Wer als Besitzer einer Sache verklagt ist, die er auf Grund eines Rechtsverhältnisses der im § 868 des Bürgerlichen Gesetzbuchs be­ zeichneten Art zu besitzen behauptet, kann, wenn er dem mittelbaren Be­ sitzer vor der Verhandlung zur Hauptsache den Streit verkündet und ihn unter Benennung an den Kläger zur Erklärung ladet, bis zu dieser Er­ klärung oder bis zum Schlüsse des Termins, in welchem sich der Benannte zu erklären hat, die Verhandlung zur Hauptsache verweigern. Bestreitet der Benannte die Behauptung des Beklagten oder erklärt er sich nicht, so ist der Beklagte berechtigt, dem Klagantrage zu genügen. Wird die Behauptung des Beklagten von dem Benannten als richtig anerkannt, so ist dieser berechtigt, mit Zustimmung des Beklagten an dessen Stelle den Prozeß zu übernehmen. Die Zustimmung des Klägers ist nur insoweit erforderlich, als derselbe Ansprüche geltend macht, welche unabhängig davon sind, daß der Beklagte auf Grund eines Rechtsverhält­ nisses der im Abs. 1 bezeichneten Art besitzt.

Hat der Benannte den Prozeß übernommen, so ist der Beklagte auf seinen Antrag von der Klage zu entbinden. Die Entscheidung ist in Ansehung der Sache selbst auch gegen den Beklagten wirksam und voll­ streckbar.

§ 77. Ist von dem Eigenthümer einer Sache oder von dem­ jenigen, dem ein Recht an einer Sache zusteht, wegen einer Beeinträch­ tigung des Eigenthums oder seines Rechts Klage aus Beseitigung der Beeinträchtigung oder auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen erhoben, so finden die Vorschriften des § 76 entsprechende Anwendung, sofern der Beklagte die- Beeinträchtigung in Ausübung des Rechts eines Dritten vorgenonlmen zu haben behauptet. vierter Titel.

ProzeßbevollmLchtigte und Neistande. § 78. Vor den Landgerichten und vor allen Gerichten höherer Instanz müssen die Parteien sich durch einen bei dem Prozeßgerichte zu­ gelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen (Anwalts­ prozeß). Diese Vorschrift findet auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozeßhandlungen, welche vor dem Ge­ richtsschreiber vorgenommen werden können, keine Anwendung. Ein bei dem Prozeßgerichte zugelassener Rechtsanwalt kann sich selbst vertreten. § 79. Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, können die Parteien den Rechtsstreit selbst oder durch jede prozeßfähige Person als Bevollmächtigten führen. § 80. Der Bevollmächtigte hat die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten abzugeben.

Erstes Buch. Allgemeine Bestimmungen.

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Eine Privaturkunde muß auf Verlangen des Gegners gerichtlich oder notariell beglaubigt werden. Bei der Beglaubigung bedarf cs weder der Zuziehung von Zeugen noch der Aufnahme eines Protokolls.

§ 81. Die Prozeßvollmacht ermächtigt zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen, einschließlich derjenigen, welche durch eine Widerklage, eine Wiederaufnahme des Verfahrens und die Zwangsvoll­ streckung veranlaßt werden; zur Bestellung eines Vertreters sowie eines Bevollniachtigten für die höheren Instanzen; zur Beseitigung des Rechts­ streits durch Vergleich, Verzichtleistung aus den Streitgegenstand oder Anerkennting des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs; zur Empfang­ nahme der von dem Gegner zu erstattenden Kosten. § 82. Die Vollmacht für den Hauptprozeß umfaßt die Vollmacht für das eine Hauptintervcntion, einen Arrest oder eine einstweilige Ver­ fügung betreffende Verfahren. § «3. Eine Beschränkung des gesetzlichen Umfangs der Vollmacht hat dem Gegner gegenüber nur insoweit rechtliche Wirkung, als diese Be­ schränkung die Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs betrifft. Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, kann eine Vollmacht für einzelne Prozeßhundlungen ertheilt werden. § 84. Mehrere Bevollmächtigte sind berechtigt, sowohl gemein­ schaftlich als einzeln die Partei zu vertreten. Eine abweichende Bestimmung der Vollmacht hat dem Gegner gegenüber keine rechtliche Wirkung. § 85. Die von dem Bevollmächtigten vorgenommcnen Prozeß­ handlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständniffen und anderen thatsächlichen Erklärungen, insoweit nicht dieselben von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

§ 86. Die Vollmacht wird weder durch den Tod des Vollmacht­ gebers, noch dnrch eine Veränderung in Betreff seiner Prozeßfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben; der Bevollmächtigte hat jedoch, wenn er nach Aussetzung des Rechtsstreits für den Nachfolger im Rechts­ streit auftritt, eine Vollmacht desselben beizubringen. § 87. Dem Gegner gegenüber erlangt die Kündigung des Voll­ machtvertrags erst durch die Anzeige des Erlöschens der Vollmacht, in Anwaltsvrozessen erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit. Der Bevollmächtigte wird durch die von seiner Seite erfolgte Kündigung nicht gehindert, für den Vollmachtgeber so lange zu handeln, bis dieser für Wahrnehmung seiner Rechte in anderer Weise gesorgt hat.

§ 88. Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden.

442

Vs Cwilprozeßordnung

Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amtswcgen zu berücksichtigen, insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist.

§ 89.

Handelt Jemand für eine Partei als Geschäftsführer ohne

Auftrag oder als Bevollmächtigter ohne Beibringung einer Vollmacht, so kann er gegen oder ohne Sicherheitsleistung für Kosten und Schäden zur Prozeßführung einstweilen zugelassen werden. Das Endurtheil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Beibringung der Genehmigung zu be­ stimmende Frist abgelaufen ist. Ist zu der Zeit, zu welcher das Endurtheil erlassen wird, die Genehmigung nicht beigebracht, so ist der einstweilen zur Prozeßsührung Zugelassene zum Ersätze der dem Gegner in Folge der Zulassung erwachsenen Kosten zu verurtheilen; auch hat er dem Gegner die in Folge der Zulassung entstandenen Schäden zu ersetzen. Die Partei muß die Prozeßführung gegen sich gelten lassen, wenn sie auch nur mündlich Vollmacht ertheilt oder wenn sie die Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

§ 90. Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, kann eine Partei mit jeder prozeßfähigen Person als Beistand erscheinen. Das von dem Beistände Vorgetragene gilt als von der Partei vor­ gebracht, insoweit es nicht von dieser sofort widerrufen oder berichtigt wird.

Liinfter Titel.

Prozeßkosten. 8 91. Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit dieselben nach freiem Ermessen des Gerichts zur zweckentsprechenden Rechts­ verfolgung oder Rechtsvkrthkidigiing nothwendig waren. Die Kosten­ erstattung umfaßt auch die Entschädigung des Gegners für die durch noth­ wendige Reisen oder durch die nothwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumniß; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung. Die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts jedoch nur insoweit, als die Zuziehung nach dem Ermessen des Gerichts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsver­ theidigung nothwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen, oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel ein­ treten mußte. § 92. Wenn jede Partei theils obsiegt, theils unterliegt, so sind die Kosten gegen einander aufzuheben oder verhältnißmäßig zu theilen. Sind die Kosten gegen einander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. Das Gericht kann der einen Partei die gejammten Prozeßkosten auferlegen, wenn die Zuvielforderung der anderen Partei eine Verhältniß-

Erstes Buch

Allgemeine Bestimmungen.

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mäßig geringfügige war und keine besonderen Kosten veranlaßt hat, oder wenn der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ausmittelung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war. § 93. Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Klüger die Prozeßkosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt. § 94. Macht der Kläger einen auf ihn übergegangenen Anspruch geltend, ohne daß er vor der Erhebung der Klage dem Beklagten den Uebergang mitgetheilt und auf Verlangen nachgewiesen hat, so fallen ihm die Prozeßkosten insoweit zur Last, als sie dadurch entstanden sind, daß der Beklagte durch die Unterlassung der Mittheilung oder des Nachweises veranlaßt worden ist, den Anspruch zu bestreiten. § 95. Die Partei, welche einen Termin oder eine Frist versäumt, oder die Verlegung eines Termins, die Vertagung einer Verhandlung, die Anberaumung eines Termins zur Fortsetzung der Verhandlung oder die Verlängerung einer Frist durch ihr Verschulden veranlaßt, hat die dadurch verursachten Kosten zu tragen.

§ 96. Die Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen Angriffs- oder Vertheidigungsmittels können der Partei auferlegt werden, welche dasselbe geltend gemacht hat, auch wenn sie in der Hauptsache obsiegt. § 97. Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, welche dasselbe eingelegt hat.

Die Kosten der Berufungsinstanz können der obsiegenden Partei ganz oder theilweise auferlegt werden, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, welches sie nach freiem Ermessen des Gerichts in erster Instanz geltend zu machen im Stande war. Die Kosten der Revisionsinstanz in Rechtsstreitigkeiten über An­ sprüche, für welche die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig sind, hat auch im Falle des Obsiegens die Reichs- oder die Staatskasse zu tragen, wenn der Werth des Streitgegenstandes die Summe von dreihundert Mark nicht übersteigt und der Vertreter des Reichs oder des Staates die Revision eingelegt hat.

§ 98. Die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs sind als gegen einander aufgehoben anzusehen, wenn nicht die Parteien ein Anderes ver­ einbart haben. Dasselbe gilt von den Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits, soweit nicht über dieselben bereits rechtskräftig erkannt ist. § 99. Die Anfechtung der Entscheidung über den Kostenpunkt ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Ist die Hauptsache durch eine auf Grund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurtheilung erledigt, so kann die Entscheidung über den Kostenpunkt selbständig angefochten werden.

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VI. Clvilprozeßordnung.

Ist eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen, so findet gegen die Entscheidung über den Kostenpunkt sofortige Beschwerde statt. Bor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

§ 100. Besteht der unterliegende Theil aus mehreren Personen, so haften dieselben für die Kostenerstattung nach Kopftheilen. Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Betheiligung am Rechts­ streite kann nach dem Ermessen des Gerichts die Betheiligung zum Maß­ stabe genommen werden. Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Vertheidigungsmittel geltend gemacht, so sind die übrigen Streitgenossen für die durch dasselbe veranlaßten Kosten nicht verhaftet. Werden mehrere Beklagte als Gesammtschuldner verurtheilt, so hasten sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Abs. 3, als Gesammtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Abs. 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

§ 101. Die durch eine Nebeninterventton verursachten Kosten find dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlcgen, soweit derselbe nach den Be­ stimmungen der §§ 91—98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aus­ zuerlegen. Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.

§ 102. Gerichtsschreibcr, gesetzliche Vertreter, andere Bevollmächtigte sowie Gerichtsvollzieher können gericht auch von Amtswcgen zur Tragung derjenigen werden, welche sie durch grobes Verschulden veranlaßt

Rechtsanwälte und durch das Prozeß­ Kosten verurtheilt haben.

Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung erfolgen. der Entscheidung ist der Betheiligte zu hören.

Vor

Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt.

§ 103. Im Verfahren vor den Amtsgerichten kann der Betrag der zu erstattenden Prozeßkosten, wenn er sofort zu ermitteln ist, in dem Urtheile festgesetzt werden. Gegen diese Festsetzung findet ausschließlich die sofortige Beschwerde statt. Im Uebrigen erfolgt die Festsetzung der zu erstattenden Prozeßkosten im besonderen Verfahren nach Maßgabe der §§ 104—106.

§ 104. Der Anspruch auf Erstattung der Prozeßkosten kann nur auf Grund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. Das Gesuch um Festsetzung des zu erstattenden Betrags ist bei dem Gericht erster Instanz anzubringen; es kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden. Die Kostenberechnung, die zur Mittheilung an den Gegner bestimmte Abschrift derselben und die zur Rechtfertigung der einzelnen Ansätze dienenden Belege sind beizufügen.

Erstes Buch

Allgemeine Bestimmungen

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§ 105. Die Entscheidung über das Festsehungsgesuch kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen.

Das Gericht kann sich bei der Prüfung des Gesuchs der Hülse des Gerichtsschreibers bedienen.

Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, daß derselbe glaubhaft gemacht ist. Gegen den Festsetzungsbeschlnß findet sofortige Beschwerde statt. § 106. Sind die Prozeßtosten ganz oder theilweise nach Quoten vertheilt, so hat die Partei den Gegner vor Anbringung des Festsetzungs­ gesuchs aufzufordern, die Berechnung seiner Kosten binnen einer einwöchigen Frist bei dem Gerichte einzureichen. Nach fruchtlosem Ablaufe der Frist erfolgt die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Kosten des Gegners, un­ beschadet des Rechts des letzteren, den Anspruch aus Erstattung nachträglich geltend zu machen. Der Gegner hastet für die Mehrkosten, welche durch das nachträgliche Verfahren entstehen. § 107. Ergeht nach der ötostenfestsetzung eine Entscheidung, durch welche der Werth des Streitgegenstandes festgesetzt wird, so ist, salls diese Entscheidung von der Werthsberechnung abweicht, welche der Kostenfest­ setzung zu Grunde liegt, auf Antrag die Kostenfestsetzung entsprechend ab­ zuändern. Ueber den Antrag entscheidet das Gericht erster Instanz. Der Antrag ist binnen der Frist von einein Monate bei dem Gericht anzubringen; er kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden. Die Frist beginnt mit der Zustellung und, wenn es einer solchen nicht bedarf, mit der Verkündung des den Werth des Streitgegenstandes fest­ setzenden Beschlusses. Die Entscheidung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Gegen die Entscheidung findet sosortige Beschwerde statt.

Sechster Titel.

Sicherheitsleistung. § 108. Die Bestellung einer prozessualischen Sicherheit ist, sofern nicht die Parteien ein Anderes vereinbart haben oder dieses Gesetz eine nach freiem Ermessen des Gerichts zu bestimmende Sicherheit zuläßt, durch Hinterlegung von Geld oder solchen Werthpapieren zu bewirken, welche nach § 234 Abs. 1, 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Sicherheitsleistung geeignet sind oder nach richterlichem Ermessen eine genügende Deckung gewähren.

Die Vorschriften des § 234 Abs. 2 und des § 235 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung. § 109. Ist die Veranlassung für eine Sicherheitsleistung weg­ gefallen, so hat auf Antrag das Gericht, welches die Bestellung der Sicher­ heit angeordnet oder zugelassen hat, eine Frist zu bestimmen, binnen welcher

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VI Civilprozetzordnung

ihm die Partei, zu deren Gunsten die Sicherheit geleistet ist, die Ein­ willigung in die Rückgabe der Sicherheit zu erklären oder die Erhebung Her Klage wegen ihrer Ansprüche nachzuweisen hat. Nach Ablauf der Frist hat das Gericht auf Antrag die Rückgabe Her Sicherheit anzuordnen, wenn nicht inzwischen die Erhebung der Klage nachgewiesen ist. Die Anträge und die Einwilligung in die Rückgabe der Sicherheit können vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden. Die Ent­ scheidungen können ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Gegen den Beschluß, durch welchen der im Abs. 1 vorgesehene Antrag

abgelehnt wird, steht dem Antragsteller, gegen die im Abs. 2 bezeichnete Entscheidung steht beiden Theilen die sofortige Beschwerde zu.

§ 110, Ausländer, welche als Kläger auftreten, haben dem Be­ klagten auf dessen Verlangen wegen der Prozeßkosten Sicherheit zu leisten. Diese Verpflichtung tritt nicht ein: 1. wenn nach den Gesetzen des Staates, welchem der Kläger angehört, ein Deutscher in gleichem Falle zur Sicherheitsleistung nicht ver­ pflichtet ist; "2. im Urkunden- oder Wechselprozesse;

3. bei Widerllagen; 4. bei Klagen, welche in Folge einer öffentlichen Aufforderung angestellt

werden; 5. bei Klagen aus Rechten, welche im Grundbuch eingetragen sind.

8 111, Der Beklagte kann auch dann Sicherheitsleistung verlangen, wenn im Laufe des Rechtsstreits der Kläger die Eigenschaft eines Deutschen verliert oder die Voraussetzung, unter welcher der Ausländer von der Sicher­ heitsleistung befreit war, wegfällt und nicht ein zur Deckung ausreichender Theil des erhobenen Anspruchs unbestritten ist. 8112. Die Höhe der zu leistenden Sicherheit wird von dem Gerichte «ach freiem Ermessen festgesetzt. Bei der Festsetzung ist derjenige Betrag der Prozeßkosten zu Grunde zu legen, welchen der Beklagte wahrscheinlich aufzuwenden haben wird. Die dem Besagten durch eine Widerklage erwachsenden Kosten sind hierbei nicht

zu berücksichtigen. Ergiebt sich im Laufe des Rechtsstreits, daß die geleistete Sicherheit nicht hinreicht, so kann der Beklagte die Leistung einer weiteren Sicherheit verlangen, sofern nicht ein zur Deckung ausreichender Theil des erhobenen Anspruchs unbestritten ist. 8 113. Das Gericht hat dem Kläger bei Anordnung der Sicher­ heitsleistung eine Frist zu bestimmen, binnen welcher die Sicherheit zu leisten sei. Nach Ablauf der Frist ist auf Antrag des Beklagten, wenn die Sicherheit bis zur Entscheidung nicht geleistet ist, die Klage für zurück­ genommen zu erklären oder, wenn über ein Rechtsmittel des Klägers zu verhandeln ist, dasselbe zu verwerfe».

Erstes Buch

Allgemeine Bestimmungen.

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Siebenter Titel.

Armenrecht. § 114. Wer außer Stande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie nothwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, hat auf Bewilligung des Armenrechts Anspruch, wenn die beab­ sichtigte Rechtsverfolgung oder Rcchtsvertheidigung nicht muthwillig oder aussichtslos erscheint. Ausländer haben auf das Armenrecht nur insoweit Anspruch, als die Gegenseitigkeit verbürgt ist. § 115. Durch die Bewilligung des Armenrechts erlangt die Partei: 1. die einstweilige Befreiung von der Berichtigung der rückständigen und künftig erwachsenden Gerichtskosten, einschließlich der Gebühren der Beamten, der den Zeugen und den Sachverständigen zu ge­ währenden Vergütung uitb der sonstigen baaren Auslagen, sowie der Stempelsteuer;

2. die Befreiung von der Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten; 8. das Recht, daß ihr zur vorläufig unentgeltlichen Bewirkung von Zustellungen und von Vollstrcckungshandlungen ein Gerichtsvollzieher und, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, zur vor­ läufig unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte ein Rechtsanwalt beigeordnet werde. § 110. Insoweit nicht eine Vertretung durch Anwälte geboten oder ein Anwalt gemäß § 34 der Rechtsanwaltsordnung beigeordnet ist, kann einer armen Partei, welche nicht im Bezirte des Prozeßgerichts wohnt, zur unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte in der mündlichen Ver­ handlung ein Justizbeamtcr, der nicht als Richter angestellt ist, oder ein Rechtskundiger, der die vorgeschriebene erste Prüfung für den Justizdienst bestanden hat, auf Antrag beigeordnet werben. Die in Folge dessen er­ wachsenden baaren Auslagen werden von der Staatskasse bestritten und als Gerichtskosten in Ansatz gebracht. § 117. Die Bewilligung des Armcnrechts hat auf die Verpflichtung zur Erstattung der dem Gegner erwachsenden Kosten keinen Einfluß. § 118. Das Gesuch um Bewilligung des Armenrechts ist bei dem Prozeßgericht anzubringen; es kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden. Dem Gesuch ist ein von der obrigkeitlichen Behörde der Partei aus­ gestelltes Zeugniß beizufügen, in welchem unter Angabe des Standes oder Gewerbes, der Vermögens- und Familienverhältnisse der Partei sowie des Betrags der von dieser zu entrichtenden direkten Staatssteuern das Un­ vermögen zur Bestreitung der Prozeßkosten ausdrücklich bezeugt wird. Für Personen, welche unter Vormundschaft oder Kuratel stehen, kann das Zeug­ niß auch von der vormundschaftlichen Behörde ausgestellt werden. In dem Gesuche ist das Streitverhältniß unter Angabe der Beweis­ mittel darzulegen.

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VI Civilprozchordmmg

§ 119. Die Bewilligung des Armenrechts erfolgt für jede Instanz besonders, für die erste Instanz einschließlich der Zwangsvollstreckung. In der höheren Instanz bedarf es des Nachweises des Unvermögens nicht, wenn das Armenrecht in der vorherigen Instanz bewilligt war. Hat der Gegner das Rechtsmittel eingelegt, so ist in der höheren Instanz nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsvertheidigung der Partei muthwillig oder aussichtslos erscheint.

§ 120. Die Bewilligung des Armenrechts für den Kläger, den Berufungskläger und den Revisionskläger hat zugleich für den Gegner die einstweilige Befreiung von den im § 115 Nr. 1 bezeichneten Kosten zur Folge. § 121. Das Armenrecht sann zu jeder Zeit entzogen werden, wenn sich ergiebt, daß eine Voraussetzung der Bewilligung nicht vorhanden war oder nicht mehr vorhanden ist. § 122.

Das Armenrecht erlischt mit dem Tode der Person, welcher

es bewilligt ist.

§ 123. Die Gerichtskosten, von deren Berichtigung die arme Partei einstweilen befreit ist, können von dem in die Prozeßkosten verurtheilten Gegner nach Maßgabe der für die Beitreibung rückständiger Gerichtskosten geltenden Vorschriften eingezogen werden. Die Gerichtskosten, von deren Berichtigung der Gegner der armen Partei einstweilen befreit ist, sind von demselben einzuziehen, soweit er in die Prozeßkosten verurtheilt oder der Rechtsstreit ohne Urtheil über die Kosten beendigt ist.

§ 124. Die für die arme Partei bestellten Gerichtsvollzieher und Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozeßkosten verurtheilten Gegner beizutreiben. Eine Einrede aus der Person der armen Partei ist nur insoweit zulässig, als die Aufrechnung von Kosten verlangt wird, welche nach der in demselben Rechtsstreite über die Kosten erlassenen Entscheidung von der armen Partei zu erstatten sind.

§ 125. Die zum Armenrechte zugelassene Partei ist zur Nachzahlung der Beträge, von bereit Berichtigung sie einstweilen befreit war, verpflichtet, sobald sie ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie nothwendigen Unterhalts dazu im Stande ist. Dasselbe gilt in Betreff derjenigen Beträge, voit deren Berichtigung der Gegner einstweilen befreit war, soweit die arme Partei in die Prozeß­

kosten verurtheilt ist.

§ 126. Ueber das Gesuch um Bewilligtmg des Armenrechts, über die Entziehung desselben und über die Verpflichtung zur Nachzahlung der Beträge, von deren Berichtigung die zum Armenrechte zugelassene Partei oder der Gegner einstweile i befreit ist, kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden.

Erstes Buch.

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Allgemeine Bestimmungen.

§ 127. Gegen den Beschluß, durch welchen das Arnrenrecht bewilligt wird, findet kein Rechtsmittel; gegen den Beschluß, durch welchen das Armenrecht verweigert oder entzogen oder die Nachzahlung von Kosten angeordnet wird, findet die Beschwerde statt.

Dritter Abschnitt.

Verfahre n. Erster Titel.

Mündliche Verhandlung. § 128. Die Verhandlung der Parteien über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gerichte ist eine mündliche. § 129. In Anwaltsprozessen wird die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet; die Nichtbeachtung dieser Vorschrift hat Rechts­ nachtheile in der Sache selbst nicht zur Folge. In anderen Prozessen können vorbereitende Schriftsätze gewechselt werden. § 130.

Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten:

1. die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stai d oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen; 2. die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt; 3. die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden thatsächlichen Verhältnisse; 4. die Erklärung über die thatsächlichen Behauptungen des Gegners; 5. die Bezeichnung der Beweismittel, welcher sich die Partei zum Nachweise oder zur Widerlegung thatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel; 6. tn Anwaltsprozessen die Unterschrift des Anwalts, in anderen Prozessen die Unterschrift der Partei selbst oder desjenigen, welcher für dieselbe als Bevollmächtigter oder als Geschäftsführer ohne Auftrag handelt. § 131. Dem vorbereitenden Schriftsätze find die in den Händen der Partei befindlichen Urkunden, auf welche in dem Schriftsätze Bezug genommen wird, in Urschrift oder in Abschrift beizufügen. Kommen nur einzelne Theile einer Urkunde in Betracht, so genügt die Beifügung eines Auszugs, welcher den Eingang, die zur Sache ge­ hörende Stelle, den Schluß, das Datum und die Unterschrift enthält. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder von bedeuten­ dem Umfange, so genügt die genaue Bezeichnung derselben mit dem Er­ bieten, Einsicht zu gewähren.

Bürgerliches Gesetzbuch unb Nebengesetze.

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VI. Civilprozeßordiiung.

§ 132. Der vorbereitende Schriftsatz, welcher neue Thatsachen oder ein anderes neues Vorbringen enthält, ist mindestens eine Woche, wenn er einen Zwischenstreit betrifft, mindestens drei Tage vor der mündlichen Verhandlung zuzustcllen. Der vorbereitende Schriftsatz, welcher eine Gegenerklärung aus neues Vorbringen enthält, ist mindestens drei Tage vor der mündlichen Ver­ handlung zuzustellen. Die Zustellung einer schriftlichen Gegenerklärung ist nicht erforderlich, wenn es sich um einen Zwischenstreit handelt.

§ 133. Die Parteien haben eine für das Prozeßgericht bestimmte Abschrift ihrer vorbereitenden Schriftsätze und der Anlagen auf der Gerichts­ schreiberei niederzulegen. Diese Niederlegung erfolgt zugleich mit der Ueberreichung der Ur­ schrift, wenn eine Terminsbestimmung oder wenn die Zustellung unter Vermittelung des Gerichtsschreibers erwirkt werden soll, anderenfalls sofort nach erfolgter Zustellung des Schriftsatzes. § 134. Die Partei ist, wenn sie rechtzeitig aufgefordert wird, verpflichtet, die in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf welche fie in einem vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen hat, vor der münd­ lichen Verhandlung auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen und den Gegner von der Niederlegung zu benachrichtigen. Der Gegner hat zur Einsicht der Urkunden eine Frist von drei Tagen. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert oder abgekürzt werden. § 135. Den Rechtsanwälten steht es frei, die Mittheilung von Urkunden von Hand zu Hand gegen Empfangsbescheinigung zu bewirken. Giebt ein Rechtsanwalt die ihm eingehändigte Urkunde nicht binnen der bestimmten Frist zurück, so ist er auf Antrag nach vorgängiger münd­ licher Verhandlung zur unverzüglichen Zurückgabe zu verurtheilen.

Gegen das Zwischenurtheil findet sofortige Beschwerde statt.

§ 136. Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Ver­ handlung. Er ertheilt das Wort und kann es demjenigen, welcher seinen An­ ordnungen nicht Folge leistet, entziehen. Er hat Sorge zu tragen, daß die Sache erschöpfende Erörterung finde und die Verhandlung ohne Unterbrechung zu Ende geführt werde; erforderlichenfalls hat er die Sitzung zur Fortsetzung der Verhandlung sofort zu bestimmen. Er schließt die Verhandlung, wenn nach Ansicht des Gerichts die Sache vollständig erörtert ist, und verkündet die Urtheile und Beschlüsse des Gerichts. § 137. Die mündliche Verhandlung wird dadurch eingeleitet, daß die Parteien ihre Anträge stellen. Die Vorträge der Parteien sind in freier Rede zu halten; sie haben das Streitverhältniß in thatsächlicher und rechtlicher Beziehung zu umfassen.

Erstes Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

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Eine Bezugnahme aus Schriftstücke statt mündlicher Verhandlung ist unzulässig. Die Vorlesung von Schriftstücken findet nur insoweit statt, als es auf den wörtlichen Inhalt derselben ankommt. In Anwaltsprozessen ist neben dem Anwalt auch der Partei selbst aus Antrag das Wort zu gestatten.

§ 138. Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaup­ teten Thatsachen zu erklären. Thatsachen, welche nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zu­ gestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. Eine Erklärung mit Nichtwifien ist nur über Thatsachen zuläffig, welche weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. § 139. Der Vorsitzende hat durch Fragen darauf hinzuwirken, daß unklare Anträge erläutert, ungenügende Angaben der geltend gemachten Thatsachen ergänzt und die Beweismittel bezeichnet, überhaupt alle für die Feststellung des Sachverhältnisses erheblichen Erklärungen abgegeben werden. Der Vorsitzende hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, welche in Ansehung der von Amtswegen zu beritcksichtigenden Punkte obwalten. Er hat jedem Mitgliede des Gerichts aus Verlangen zu gestatten, Fragen zu stellen. § 149. Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden oder eine von dem Vorsitzenden oder einem Gerichtsmitgliede gestellte Frage von einer bei der Verhandlung betheiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht. § 141. Das Gericht kann das persönliche Erscheinen einer Partei zur Aufklärung des Sachverhültnisses anordnen. § 142. Das Gericht kann anordnen, daß eine Partei die in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf welche sie sich bezogen hat, sowie Stammbäume, Pläne, Risse und sonstige Zeichnungen.vorlege. Das Gericht kann anordnen, daß die vorgelegten' Schriftstücke während einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Gerichtsfchreiberei verbleiben. Das Gericht kann anordnen, daß von den in fremder Sprache abgefaßten Urkunden eine durch einen beeidigten Dolmetscher angefertigte Uebersetzung beigebracht werde. § 143. Das Gericht kann anordnen, daß die Parteim die in ihrem Besitze befindlichen Akten vorlegen, soweit dieselben aus Schriftstücken bestehen, welche die Verhandlung und Entscheidung der Sache betreffen. § 144. Das Gericht kann die Einnahme des Augenscheins, sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, welche eine auf Antrag angeordnete Einnahme des Augenscheins oder Begutachtung durch Sachverständige zum Gegenstände haben.

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VI Civilprozeßordniing

§ 145. Das Gericht kann anordnen, daß mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden. Dasselbe gilt, wenn der Betagte eine Widerklage erhoben hat und der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Ansprüche nicht in rechtlichem Zusammenhänge steht. Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, welche mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhänge steht, so kann das Gericht anordnen, daß über die Klage und über die Aufrechnung getrennt verhandelt werde; die Borschristen des § 302 finden Anwendung. § 146. Das Gericht kann anordnen, daß bei mehreren auf denselben Anspruch sich beziehenden selbständigen Angriffs- oder Ver­ theidigungsmitteln (Klagegründen, Einreden, Repliken rc.) die Verhandlung zunächst auf eines oder einige dieser Angriffs- oder Vertheidigungsmittel zu beschränken sei.

§ 147. Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm an­ hängiger Prozeffe derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleich­ zeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, welche den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhänge stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können. § 148. Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Theil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts­ verhältnisses abhängt, welches den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, aiwrdnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechts­ streits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. $ 149. Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer strasbaren Handlung ergiebt, deren Ermittelung auf die Entscheidung von Einfluß ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.

§ 150. Das Gericht kann die von ihm erlassenen, eine Trennung, Verbindung oder Aussetzung betreffenden Anordnungen wieder aufheben. § 151. Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine Ehe nichtig ist, so hat das Gericht, wenn die Nichtigkeit nur im Wege der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden kann, auf Antrag das Verfahren auszusetzen und, falls die Nichtigkeitsklage noch nicht erhoben ist, eine Frist zur Erhebung der Klage zu bestimmen. Ist die Nichtigkeits­ klage erledigt oder wird sie nicht vor dem Ablaufe der bestimmten Frist erhoben, so ist die Ausnahme des ausgesetzten Verfahrens zulässig. § 152. Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine im Wege der Anfechtungsklage angefochtene Ehe anfechtbar ist, so hat das Gericht auf Antrag das Verfahren auszusctzen. Ist der Rechtsstreit über die Anfechtungsklage erledigt, so findet die Änsnahme des ausgesetzten Verfahrens statt.

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Allgemeine Bestimmungen.

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§ 153. Hängt die Entscheidnng eines Rechtsstreits davon ab, ob ein Kind, dessen Ehelichkeit nm Wege der Anfechtungsklage angefochten worden ist, unehelich ist, so finden die Vorschriften des § 152 entsprechende Anwendung.

§ 154. Wird im Laufe eines Rechtsstreits streitig, ob zwischen den Parteien eine Ehe bestehe oder nicht bestehe, und hängt von der Entscheidung dieser Frage die Entscheidung des Rechtsstreits ab, so hat das Gericht auf Antrag das Verfahren auszusetzen, bis der Streit über das Bestehen oder Nichtbestchen der Ehe im Wege der Feststellungsklage er­ ledigt ist. Diese Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn im Laufe eines Rechtsstreits streitig wird, ob zwischen den Parteien ein Eltern- und Kindesverhältniß bestehe oder nicht bestehe oder ob der einen Partei die elterliche Gewalt über die andere zustehe oder nicht zustehe, und von der Entscheidung dieser Fragen die Entscheidung der Rechtsstreits abhängt. § 155. In den Fällen der §§ 151—153 kann das Gericht auf Antrag die Anordnung, durch welche das Verfahren ausgesetzt ist, aufheben, wenn die Betreibung des Rechtsstreits verzögert wird, welcher die Nichtig­ keit oder die Anfechtung der Ehe oder die Anfechtung der Ehelichkeit zum Gegenstände hat. § 156. Das Gericht sann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, welche geschlossen war, anordnen. § 157. Das Gericht kann Parteien, Bevollmächtigten und Bei­ ständen, denen die Fähigkeit zum geeigneten Vortrage mangelt, den weiteren Vortrag untersagen. Das Gericht kann Bevollmächtigte und Beistände, welche das münd­ liche Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben, zurückweisen. Eine Anfechtung dieser Anordnungen findet nicht statt.' Die Vorschriften der Abs. 1, 2 finden auf Rechtsanwälte, die Vor­ schrift des Abs. 2 findet auf Personen, denen das mündliche Verhandeln vor Gericht durch eine seitens der Justizverwaltung getroffene Anordnung gestattet ist, keine Anwendung.

§ 158. Ist eine bei der Verhandlung betheiligte Person zur Auf­ rechthaltung der Ordnung von dem Orte der Verhandlung entfernt worden, so kann aus Antrag gegen sie in gleicher Weise. verfahren, werden, als wenn sie freiwillig sich entfernt hätte. Dasselbe gilt in den Fällen des vorhergehenden Paragraphen, sofern die Untersagung oder Zurückweisung bereits bei einer früheren Verhandlung geschehen war. § 159. Ueber die mündliche Verhandlung vor dem Gerichte ist ein Protokoll aufzunehmen. Das Protokoll enthält: 1. den Ort und den Tag der Verhandlung;

2. die Namen der Richter, des Gerichtsschreibers und des etwa zugezogenen Dolmetschers;

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VI Cttiilpi ozejjordnung

3. die Bezeichnung des Rechtsstreits; 4. die Namen der erschienenen Parteien, gesetzlichen Vertreter, Bevoll­ mächtigten und Beistände; 5. die Angabe, daß öffentlich verhandelt oder die Oeffentlichkeit aus­ geschlossen ist.

§ 160.

Der Gang der Verhandlung ist nur im Allgemeinen an­

zugeben. Durch Aufnahme in das Protokoll sind festzustellen:

1. die Anerkenntnisse, Verzichtleistungen und Vergleiche, durch welche der geltend gemachte Anspruch ganz oder theilweise erledigt wird; 2. die Anträge und Erklärungen, deren Feststellung vorgeschrieben ist; 3. die Aussagen der Zeugen und Sachverständigen, sofem dieselben früher nicht abgehört waren oder von ihrer früheren Aussage abweichen; 4. das Ergebniß eines Augenscheins; 5. die Entscheidungen (Urtheile, Beschlüsse und Verfügungen) des Gerichts, sofern sie nicht dem Protokolle schriftlich beigefügt sind;

6. die Verkündung der Entscheidungen. Der Aufnahme in das Protokoll steht die Aufnahme in eine Schrift gleich, welche dem Protokolle als Anlage beigefügt und als solche in dem­ selben bezeichnet ist.

§ 161. Die Feststellung der Aussagen der Zeugen und Sachver­ ständigen kann unterbleiben, wenn die Vernehmung vor dem Prozeßgericht erfolgt und das Endurtheil der Berufung nicht unterliegt. In diesem Falle ist in dem Protokolle nur zu bemerken, daß die Vernehmung statt­ gefunden habe.

§ 162. Das Protokoll ist insoweit, als es die Nr. 1—4 des §160 betrifft, den Betheiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. In dem Protokolle ist zu bemerken, das dies geschehen und die Genehmigung erfolgt sei oder welche Einwendungen erhoben sind. § 163. Das Protokoll ist von dem Vorsitzenden und dem Gerichts­ schreiber zu unterschreiben. Ist der Vorsitzende verhindert, so unterschreibt für ihn der älteste beisitzende Richter. Im Falle der Verhinderung des Amtsrichters genügt die Unterschrift des Gerichtsschreibcrs.

§ 164. Die Beobachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt desselben ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig. § 165. Zu den Verhandlungen, welche außerhalb der Sitzung vor Amtsrichtern oder vor beauftragten oder ersuchten Richtern stattfinden, ist der Gerichtsschreiber gleichfalls zuzuziehen.

(SifteS Buch

Allgemeine Bcstuiinulngen

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Zweiter Titel.

Zustellungen. I. Zustellungen aus Betreibe« der Parteien. § 166. Die von den Parteien zu betreibenden Zustellungen er­ folgen durch Gerichtsvollzieher. In dem Verfahren vor den Amtsgerichten kann die Partei den Gerichtsvollzieher unter Verniittelung des Gerichtsschreibers des Prozeß­ gerichts mit der Zustellung beauftragen. Das Gleiche gilt für Anwalts­ prozesse in Ansehung der Zustellungen, durch welche eine Nothfrist gewahrt werden soll.

§ 167. Die mündliche Erklärung einer Partei genügt, um den Gerichtsvollzieher zur Vornahme der Zustellung, den Gerichtsschreiber zur Beauftragung eines Gerichtsvollziehers mit der Zustellung zu ermächtigen. Ist eine Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher bewirkt, so wird bis zum Beweise des Gegentheils angenommen, daß dieselbe im Auftrage der Partei erfolgt sei. § 168. Insoweit eine Zustellung unter Vermittelung des Gerichts­ schreibers zulässig ist, hat dieser einen Gerichtsvollzieher mit der erforder­ lichen Zustellung zu beauftragen, sofern nicht die Partei erklärt hat, daß sie selbst einen Gerichtsvollzieher beauftragen wolle; in Anwaltsprozessen ist die Erklärung nur zu berücksichtigen, wenn sie in dem zuzustellenden Schriftsatz enthalten ist. K 169. Die Partei hat dem Gerichtsvollzieher und, wenn unter Vermittelung des Gerichtsschreibcrs zuzustellen ist, diesem neben der Ur­ schrift des zuzustellenden Schriftstücks eine der Zahl der Personen, welchen zuzustellen ist, entsprechende Zahl von Abschriften zu übergeben. Die Zeit der Uebergabe ist auf der Urschrift und den Abschriften zu vermerken und der Partei auf Verlangen zu bescheinigen.

§ 170. Die Zustellung besteht, wenn eine Ausfertigung zugestellt werden soll, in deren Uebergabe, in den übrigen Fällen in der Uebergabe einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks. Die Beglaubigung geschieht durch den Gerichtsvollzieher, bei den aus Betreiben von Rechtsanwälten oder in Anwaltsprozefsen zuzustellenden Schriftstücken durch den Anwalt. § 171. Die Zustellungen, welche an eine Partei bewirkt werden sollen, erfolgen für die nicht prozeßfähigen Personen an die gesetzlichen Vertreter derselben. Bei Behörden, Gemeinden und Korporationen, sowie bei Vereinen, welche als solche klagen und verklagt werden können, genügt die Zu­ stellung an die Vorsteher.

Bei mehreren gesetzlichen Vertretern, sowie bei mehreren Vorstehern genügt die Zustellung an einen derselben.

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VI Civilprozeßordnung

§ 172. Die Zustellung für einen Unteroffizier oder einen Gemeinen des aktiven Heeres oder der aktiven Marine erfolgt an den Chef der zunächst vorgesetzten Kommandobehörde (Chef der Kompagnie, Eskadron, Batterie u. s. w.). § 173. Die Zustellung erfolgt an den Generalbevollmächtigten, sowie in den durch den Betrieb eines Handelsgewerbes hervorgerufenen Rechtsstreitigkeiten an den Prokuristen mit gleicher Wirkung, wie an die Partei selbst.

§ 174.

Wohnt eine Partei weder am Orte des Prozeßgerichts

noch innerhalb des Amtsgerichtsbezirks, in welchem das Prozeßgericht seinen Sitz hat, so kann das Gericht, falls fie nicht einen in diesem Orte oder Bezirke wohnhaften Prozeßbevollmächtigten bestellt hat, auf Antrag an­ ordnen, daß sie eine daselbst wohnhafte Person zum Empfange der für sie bestimmten Schriftstücke bevollmächtige. Diese Anordnung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Eine Anfechtung des Be­ schlusses findet nicht statt. Wohnt die Partei nicht im Deutschen Reiche, so ist sie auch ohne vorgängige Anordnung des Gerichts zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten verpflichtet, falls sie nicht einen in dem durch den ersten a bezeichneten Orte oder Bezirke wohnhaften Prozeßbevollmächtigten hat.

K 175. Der Zustellungsbevollmachtigte ist bei der nächsten gericht­ lichen Verhandlung oder, wenn die Partei vorher dem Gegner einen Schriftsatz zustellen läßt, in diesem zu benennen. Geschieht dies nicht, so können alle späteren Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung in der Art bewirkt werden, daß der Gerichtsvollzieher das zu übergebende Schriftstück unter der Adresse der Partei nach ihrem Wohnorte zur Post giebt. Die Zustellung wird mit der Aufgabe zur Post als bewirkt an­ gesehen, selbst wenn die Sendung als unbestellbar zurückkommt. Die Postsendungen sind mit der Bezeichnung „Einschreiben" zu ver­ sehen, wenn die Partei c§ verlangt und zur Zahlung der Mehrkosten sich bereit erklärt.

§ 176. Zustellungen, welche in einem anhängigen Rechtsstreite geschehen sollen, müssen an den für die Instanz bestellten Prozeßbevollmächtigten erfolgen. K 177. Ist der Aufenthalt eines Prozeßbevollmächtigten unbekannt, so hat das Prozeßgericht auf Antrag die Zustellung an den Zustellungs­ bevollmächtigten, in Ermangelung eines solchen an den Gegner selbst zu bewilligen. Die Entscheidung über den Antrag kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erlassen werden. Eine Anfechtung der die Zustellung be­ willigenden Entscheidung findet nicht statt.

§ 178. Als zu der Instanz gehörig sind im Sinne des § 176 auch diejenigen Prozeßhandlungen anzusehen, welche das Verfahren vor dem Jnstanzgerichte in Folge eines Einspruchs, einer Aufhebung des

Erstes Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

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Urtheils des Justanzgerichts, einer Wiederaufnahme des Verfahrens oder eines neuen Vorbringens in der Zwangsvollstreckungsinstanz zum Gegen­ stände haben. Das Verfahren vor dem Vollstreckungsgerichte ist als zur ersten Instanz gehörig anzusehen.

»179. Die Zustellung eines Schriftsatzes, durch welche ein Rechts­ mittel eingelegt wird, erfolgt an den Prozeßbevollmächtigten derjenigen Instanz, deren Entscheidung angefochten wird, in Ermangelung eines solchen an den Prozeßbevollmächtigten erster Instanz. Ist von dem Gegner bereits ein Prozeßbevollmächtigter für die höhere, zur Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel zuständige Instanz bestellt, so kann die Zustellung auch an diesen Prozeßbevollmächtigten erfolgen.

Ist ein Prozeßbevollmächtigter, welchem nach Maßgabe des Abs. 1 zugestellt werden kann, nicht vorhanden, so erfolgt die Zustellung an den von dem Gegner, wenngleich nur für die erste Instanz, bestellten Zustellungsbevollmächtigten, in Ermangelung eines solchen an den Gegner selbst, und zwar an diesen durch Aufgabe zur Post, wenn er einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen hatte, die Bestellung aber Unter­ lasten hat. Ist der Aufenthalt des Prozeßbevollmächtigten, welchem zuzustellen ist, unbekannt, so finden die Vorschriften des § 177 entsprechende An­ wendung.

K 180. Die Zustellungen können an jedem Orte erfolgen, wo die Person, welcher zugestellt werden soll, angetroffen wird. Hat die Person an diesem Orte eine Wohnung oder ein Geschäfts­ lokal, so ist die außerhalb der Wohnung oder des Geschäftslokals an sie erfolgte Zustellung nur gültig, wenn die Annahme nicht verweigert ist. »181.

Wird die Person, welcher zugestellt werden soll, in ihrer

Wohnung nicht angetroffen, so kann die Zustellung in der Wohnung an einen zu der Familie gehörenden erwachsenen Hausgenoffen oder an eine in der Familie dienende erwachsene Person erfolgen.

Wird eine solche Person nicht angetroffen, so kann die Zustellung an den in demselben Hause wohnenden Hauswirth oder Vermiether erfolgen, wenn diese zur Annahme des Schriftstücks bereit sind.

§ 182. Ist die Zustellung nach diesen Bestimmungen nicht aus­ führbar, so kann sie dadurch erfolgen, daß das zu übergebende Schriftstück auf der Gerichtsschreiberei des Amtsgerichts, in dessen Bezirke der Ort der Zustellung gelegen ist, oder an diesem Orte bei der Postanstalt oder dem Gemeindevorsteher oder dem Polizeivorsteher niedergelegt und die Nieder­ legung sowohl durch eine an der Thür der Wohnung zu befestigende schrift­ liche Anzeige, als auch, soweit thunlich, durch mündliche Mittheilung an zwei in der Nachbarschaft wohnende Personen bekannt gemacht wird. K 183. Für Gewerbetreibende, welche ein besonderes Geschäfts­ lokal haben, kann, wenn sie in dem Geschäftslokale nicht angetroffen werden, die Anstellung an einen darin anwesenden Gewerbegehülfen erfolgen.

458

VI. Civilprozeßordmmg

Wird ein Rechtsanwalt, ein Notar oder ein Gerichtsvollzieher in seinem Geschästslokale nicht angetroffen, so kann die Zustellung an einen darin anwesenden Gehülfen oder Schreiber erfolgen.

§ 184. Wird der gesetzliche Vertreter oder der Vorsteher einer Behörde, einer Gemeinde, einer Korporation oder eines Vereins, welchem zugestellt werden soll, in dem Geschäftslokale während der gewöhnlichen Geschäftsstunden nicht angetroffen, oder ist er an der Annahme verhindert, so kann die Zustellung an einen anderen in dem Geschäftslokale anwesenden Beamten oder Bediensteten bewirkt werden. Wird der gesetzliche Vertreter oder der Vorsteher in seiner Wohnung nicht angetroffen, so finden die Bestimmungen der §§ 181,182 nur An­ wendung, wenn ein besonderes Geschäftslokal nicht vorhanden ist. § 185. Die Zustellung an eine der in den §§ 181,183 und im § 184 Abs. 1 bezeichneten Personen hat zu unterbleiben, wenn die Person an dem Rechtsstreit als Gegner der Partei, an welche die Zustellung er­ folgen soll, betheiligt ist. § 188. Wird die Annahme der Zustellung ohne gesetzlichen Grund verweigert, so ist das zu übergebende Schriftstück am Orte der Zustellung zurückzulassen.

§ 187. Ergiebt sich aus den Erklärungen einer Partei, daß eine ihr unter Verletzung der Vorschriften der §§ 181—186 zugestellte Ladung in ihre Hände gelangt ist, so ist die Zustellung als mit dem Zeitpunkte bewirkt anzusehen, in welchem die Partei nach ihren Erklärungen die Ladung erhalten hat. K 188. Zur Nachtzeit, sowie an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen darf eine Zustellung, sofern sie nicht durch Aufgabe zur Post bewirkt wird, nur mit richterlicher Erlaubniß erfolgen. Die Nachtzeit umfaßt in dem Zeitraume vom 1. April bis 30. September die Stunden von neun Uhr Abends bis vier Uhr Morgens und in dem Zeitraume vom 1. Oktober bis 31. März die Stunden von neun Uhr Abends bis sechs Uhr Morgens. Die Erlaubniß wird von dem Vorsitzenden des Prozeßgerichts ertheilt; sie kann auch von dem Amtsrichter, in dessen Bezirke die Zustellung erfolgen soll, und in Angelegenheiten, welche durch einen beauftragten oder ersuchten Richter zu erledigen sind, von diesem ertheilt werden. Die Verfügung, durch welche die Erlaubniß ertheilt wird, ist bei der Zustellung abschriftlich mitzutheilen. Eine Zustellung, bei welcher die Bestimmungen dieses Paragraphen nicht beobachtet sind, ist gültig, wenn die Annahme nicht verweigert ist.

§ 189. Ist bei einer Zustellung an den Vertreter mehrerer Be­ theiligter oder an einen von mehreren Vertretern die Uebergabe der Aus­ fertigung oder Abschrift eines Schriftstücks erforderlich, so genügt die Ueber­ gabe nur einer Ausfertigung oder Abschrift. Einem Zustellungsbevollmächtigten mehrerer Betheiligter sind so viele Ausfertigungen oder Abschriften zu übergeben, als Betheiligte vorhanden sind.

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Allgemeine Bestimmungen

459

§ 190.

Ueber die Zustellung ist eine Urkunde aufzunehmen. Dieselbe ist auf die Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks oder auf einen mit derselben zu verbindenden Bogen zu setzen. Eine durch den Gerichtsvollzieher beglaubigte Abschrift der Zustellungs­ urkunde ist auf das bei der Zustellung zu übergebende Schriftstück oder auf einen mit demselben zu verbindenden Bogen zu setzen. Die Zustellungsurkunde ist der Partei, für welche die Zustellung erfolgt, zu übermitteln.

§ 191. Die Zustellungsurkunde muß enthalten: Ort und Zeit der Zustellung; 2. die Bezeichnung der Person, für welche zugestellt werden soll; 3. die Bezeichnung der Person, an welche zugestellt werden soll; 1.

4.

die Bezeichnung der Person, welcher zugestellt ist; in den Fällen der §§ 181, 183, 184die Angabe des Grundes, durch welchen die Zustellung an die bezeichnete Person gerechtfertigt wird; wenn nach § 182 verfahren ist, die Bemerkung, wie die darin enthaltenen Vor­ schriften befolgt sind;

5.

im Falle der Verweigerung der Annahme die Erwähnung, daß die Annahme verweigert und das zu übergebende Schriftstück am Orte der Zustellung zurückgelassen ist;

6.

die Bemerkung, daß eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks und daß eine beglaubigte Abschrift der Zustellungsurkunde übergeben ist; 7. die Unterschrift des die Zustellung vollziehenden Beamten.

§ 192. Ist die Zustellung durch Aufgabe zur Post (§ 175) erfolgt, so muß die Zustellungsurkundc den Bestimmungen des vorstehenden Paragrchrhen unter Nr. 2, 3, 7 entsprechen und außerdem ergeben, zu welcher Zeit, unter welcher Adresse und bei welcher Postanstalt die Aufgabe geschehen ist. § 193. § 194.

Zustellungen können auch durch die Post erfolgen.

Wird durch die Post zugestellt, so hat der Gerichts­ vollzieher einen durch sein Dienstsiegel verschlossenen, mit der Adresse der Person, an welche zugestellt werden soll, versehenen und mit einer Geschäfts­ nummer bezeichneten Briefumschlag, in welchem die zuzustellende Ausfertigung oder die beglaubigte Abschrift des zuzustellendcn Schriftstücks enthalten ist, der Post mit dem Ersuchen zu übergeben, die Zustellnng einem Postboten des Bestimmungsorts aufzutragen. Der Gerichtsvollzieher hat auf dem bei der Zustellung zu über­ gebenden Schriftstücke zu vermerken, für welche Person er dasselbe der Post übergiebt, und auf der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks oder auf einem mit derselben zu verbindenden Bogen zu bezeugen, daß die Uebergabe in der im Abs. 1 bezeichneten Art und für wen sie geschehen ist.

§ 195. Die Zustellung durch den Postboten erfolgt in Gemäßheit der Bestimmungen der §§ 180—186. Ueber die Zustellung ist von dem Postboten eine Urkunde aus­ zunehmen, welche den Bestimmungen des § 191 Nr. 1,3—5, 7 entsprechen

460

VI Cwilprozeßordnung.

und außerdem die Uebergabe des seinem Verschlüsse, seiner Adresse und seiner Geschäftsnummer nach bezeichneten Briefumschlags, sowie der Abschrift der Zustellungsurkunde bezeugen muß. Die Urkunde ist von dem Postboten der Postanstalt und von dieser dem Gerichtsvollzieher zu überliefern, welcher mit derselben in Gemäßheit der Bestimmung des § 190 Abs. 4 zu verfahren hat.

§ 196. Insoweit eine Zustellung unter Vermittelung des Gerichts­ schreibers zulässig ist, kann derselbe unmittelbar die Post um Bewirkung der Zustellung ersuchen. In diesem Falle finden die Vorschriften der 88 194, 195 auf den Gerichtsschreiber entsprechende Anwendung; die erforderliche Beglaubigung erfolgt durch den Gerichtsschreiber. § 197. Ist eine Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher bewirkt, obgleich sie durch die Post hätte erfolgen können, so hat die zur Erstattung der Prozeßkosten verurtheilte Partei die Mehrkosten nicht zu tragen.

8 198. Sind die Parteien durch Anwälte vertreten, so kann die Zustellung von Anwalt zu Anwalt erfolgen. Zum Nachweise der Zustellung genügt das mit Datum und Unter­ schrift versehene schriftliche Empfangsbekenntniß des Anwalts, welchem zu­ gestellt worden ist. Der Anwalt, welcher zustellt, hat dem anderen Anwalt auf Verlangen eine Bescheinigung über die Zustellung zu erthellcn. 8 199. Eine im Auslande zu bewirtende Zustellung erfolgt mittels Ersuchens der zuständigen Behörde des fremden Staates oder des in diesem Staate refidirenden Konsuls oder Gesandten des Reichs.

8 300. Zustellungen an Deutsche, welche das Recht der Exterritorialität genießen, erfolgen, wenn dieselben zur Mission des Reichs gehören, mittels Ersuchens des Reichskanzlers; wenn dieselben zur Mission eines Bundesstaates gehören, mittels Ersuchens des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten dieses Bundesstaates. Zustellungen an die Vorsteher der Reichskonsulate erfolgen mittels Ersuchens des Reichskanzlers. § 301. befindlichen

Zustellungen an Personen, welche zu einem im Auslande oder zu einem mobilen Truppenteile oder zur Besatzung

eines in Dienst gestritten Kriegsfahrzeuges gehören, können mittels Ersuchens der vorgesetzten Kommaudobehvrde erfolgen.

8 303. Die erforderlichen Ersuchungsschreiben werden von dem Vorsitzenden des Prozeßgerichts erlassen. Die Zustellung wird durch das schriftliche Zeugniß der ersuchten Be­ hörden oder Beamten, daß die Zustellung erfolgt sei, nachgewiesen. 8 303. Ist der Aufenthalt einer Partei unbekannt, so kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. Die öffentliche Zustellung ist auch dann zulässig, wenn bei einer im Auslande zu bewirkenden Zustellung die Befolgung der für diese bestehenden Vorschriften unausführbar ist oder keinen Erfolg verspricht.

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Allgemeine Bestimmungen.

461

Das Gleiche gilt, wenn die Zustellung aus dem Grunde nicht bewirkt werden kann, weil die Wohnung einer nach den §§ 18, 19 des Gerichts­ verfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterworfenen Person der Ort der Zustellung ist. § 204. Die öffentliche Zustellung wird, nachdem sie auf ein Gesuch der Partei vom Prozeßgerichte bewilligt ist, durch den Gerichts­ schreiber von Amtswegen besorgt. Die Entscheidung über das Gesuch kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erlassen werden.

Die öffentliche Zustellung erfolgt durch Anheftung der zuzustellenden Ausfertigung oder einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schrift­ stücks an die Gerichtstafel. Enthält das Schriftstück eine Ladung, so ist außerdem die zweimalige Einrückung eines Auszugs des Schriftstücks in dasjenige Batt, welches für den Sitz des Prozeßgerichts zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen bestimmt ist, sowie die einmalige Ein­ rückung des Auszugs in den Deutschen Reichsanzeiger erforderlich.

Das Prozeßgericht kann anordnen, daß der Auszug noch in andere Blätter und zu mehreren Malen eingerückt werde. § 205. In dem Auszuge des Schriftstücks müssen das Prozeß­ gericht, die Parteien, der Gegenstand des Prozesses, der Antrag, der Zweck der Ladung und die Zeit, jit welcher der Geladene erscheinen soll, bezeichnet werden.

§ 206. Das eine Ladung enthaltende Schriftstück gilt als an dem Tage zugestellt, an welchem seit der letzten Einrückung des Auszugs in die öffentlichen Blätter ein Monat verstrichen ist. Das Prozeßgericht kann bei Bewilligung der öffentlichen Zustellung den Ablauf einer längeren Frist für erforderlich erklären.

Enthält das Schriftstück keine Ladung, so ist dasselbe als zugestellt anzusehen, wenn seit der Anheftung des Schriftstücks an die Gerichtstafel zwei Wochen verstrichen sind.

Auf die Gültigkeit der Zustellung hat es keinen Einfluß, wenn das anzuheftende Schriftstück von dem Orte der Anheftung zu früh ent­ fernt wird. § 207. Wird auf ein Gesuch, welches die Zustellung eines demselben beigefügten Schriftstücks mittels Ersuchens anderer Behörden oder Beamten oder mittels öffentlicher Bekanntmachung betrifft, die Zu­ stellung demnächst bewirkt, so treten, insoweit durch die Zustellung eine Frist gewahrt und der Lauf der Verjährung oder einer Frist unterbrochen wird, die Wirkungen der Zustellung bereits mit der Ueberreichung des

Gesuchs ein. Wird ein Schriftsatz, dessen Zustellung Gerichtsschrcibers erfolgen soll, innerhalb einer nach der Einreichung bei dem Gerichtsschreiber durch die Zustellung eine Nothfrist gewahrt Zustellung bereits mit der Einreichung ein.

unter Vermittelung des Frist von zwei Wochen zugestellt, so tritt, sofern wird, die Wirkung der

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VI. Cwilprozcßordnung

n. Zustellungen von Amtswegen. § 208.

Auf die von Amtswegen zu bewirkenden Zustellungen finden die Vorschriften über die Zustellungen auf Betreiben der Parteien entsprechende Anwendung, soweit nicht aus den nachfolgenden Bestimmungen sich Abweichungen ergeben.

S 209. Für die Bewirkung schreiber Sorge zu tragen.

der Zustellung

hat der Gerichts­

§ 210. Die Beglaubigung der bei der Zustellung zu übergebenden Abschrift geschieht durch den Gerichtsschreiber.

§ 211. Der Gerichtsschreiber hat das zu übergebende Schriftstück in einem durch das Gerichtssiegel verschlossenen, mit der Adresse der Person, an welche zugestellt werden soll, versehenen und mit einer Geschäfts­ nummer bezeichneten Briefumschlag einem Gerichtsdiener oder der Post zur Zustellung auszuhändigen. Auf den Briefumschlag ist der Vermerk zu setzen: Vereinfachte Zustellung. Die auf dem Briefumschlag angegebene Geschäftsnummer ist in den Akten zu vermerken. Die Vorschrift des § 194 Abs. 2 findet keine Anwendung.

§ 212". Die Beurkundung der Zustellung durch den Gerichtsdiener oder den Postboten erfolgt nach den Vorschriften des § 195 Abs. 2 mit der Maßgabe, daß eine Abschrift der Zustellungsurkunde nicht zu übergeben, der Tag der Zustellung jedoch auf dem Briefumschläge zu vermerken ist. Die Zustellungsurkunde ist dem Gerichtsschreiber zu überliefem. § 213. Ist die Zustellung durch Aufgabe zur Post (§ 175) erfolgt, so hat der Gerichtsschreiber in den Akten zu vermerken, zu welcher Zeit und unter welcher Adresse die Aufgabe geschehen ist. Der Aufnahme einer Zustellungsurkunde bedarf es nicht.

Dritter Titel. Ladungen, Termine und Fristen. § 214. Die Ladung zu einem Termin erfolgt durch die Partei, welche über die Hauptsache oder über einen Zwischenstreit mündlich ver­ handeln will. Ist mit der Ladung zugleich eine Klageschrift oder ein anderer Schriftsatz zuzustellen, so ist die Ladung in den Schriftsatz aufzunehmen.

§ 215. In Auwaltsprozefsen muß die Ladung zur mündlichen Verhandlung, sofern die Zustellung nicht an einen Rechtsanwalt erfolgt, die Aufforderung an den Gegner enthalten, einen bei dem Prozeßgerichte zugelafsenen Anwalt zu bestellen.

§ 216. Die Ladung ist zum Zwecke der Terminsbestimmung bei dem Gerichtsschreiber einzureichen. Die Bestimmung der Termine erfolgt binnen vierundzwanzig Stunden durch den Vorsitzenden.

Erstes Buch

Allgemeine Bestimmungen.

463

Auf Sonntage und allgemeine Feiertage sind Termine nur in Nothfällen anzuberaumen.

§ 217. Die Frist, welche in einer anhängigen Sache zwischen der Zu­ stellung der Ladung und dem Terminstage liegen soll (Ladungsfrist), beträgt in Anwaltsprozessen mindestens eine Woche, in anderen Prozessen mindestens drei Tage, in Meß- und Marktsachen mindestens vierundzwanzig Stunden. § 218. Zu Terminen, welche in verkündeteil Entscheidungen be­ stimmt sind, ist eine Ladung der Parteien nicht erforderlich. § 219. Die Termine werden an der Gerichtsstelle abgehalten, sofern nicht die Einnahme eines Augenscheins an Ort und Stelle, die Verhandlung mit einer am Erscheinen vor Gericht verhinderten Persoil oder eine sonstige Handlung erforderlich ist, welche an der Gerichtsstelle nicht vorgenommen werden sann. Die Landesherren und die Mitglieder der landesherrlichen Familien sowie die Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern sind nicht ver­ pflichtet, persönlich an der Gerichtsstelle zu erscheinen. Das Gleiche gilt in Ansehung der Mitglieder des vormaligen Hannoverschen Königshauses, des vormaligen Knrhessischen und des vormaligen Herzoglich Nassauischen Fürstenhauses. § 220. Der Termin beginnt mit dem Aufrufe der Sache. Der Termin ist von einer Partei versäumt, wenn sie bis zum Schlüsse desselben nicht verhandelt. § 221. Der Lauf einer richterlichen Frist beginnt, sofern nicht bei Festsetzung derselben ein Anderes bestimmt wird, mit der Zustellung des Schriftstücks, in welchem die Frist festgesetzt ist, und, wenn es einer solchen Zustellung nicht bedarf, mit der Verkündung der Frist. Der Lauf einer gesetzlichen oder richterlichen Frist, deren Beginn von einer Zustellung abhängig ist, beginnt mit dieser auch gegen diejenige Partei, welche die Zustellung hat bewirken lassen. § 222. Für die Berechnung der Fristenx) gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Fällt das Ende einer Frist ans einen Sonntag oder allgemeinen Feiertag, so endigt die Frist mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages. Bei der Berechnung einer Frist, welche nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage und allgemeine Feiertage nicht mitgerechnet.

§ 223. Der Lauf einer Frist wird durch die Gerichtsferien gehemmt. Der noch übrige Theil der Frist beginnt mit dem Ende der Ferien zu laufen. Fällt der Anfang der Frist in die Ferien, so beginnt der Laus der Frist mit dem Ende derselben. Die vorstehenden Bestimmungen finden auf Nothfristen und Fristen in Feriensachen keine Anwendung. Nothfristen sind nur diejenigen Fristen, welche in diesem Gesetz als solche bezeichnet werden. *) Nach dem Gesetze, betreffend die Einführung einer einheitlichen Zeit­ bestimmung, vom 12 Marz 1893/31. Juli 1895 (R G.Bl 1893 S. 93, 1895 S 426) ist „die gesetzliche Zelt tu Deutschland die mittlere Sonnenzeit des fünfzehnten Längengrades östlich von Greenwich" (sog mitteleuropäische Zeit).

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VI. Cwilprozehordnnng.

H 224 Durch Vereinbarung der Parteien können Fristen, mit Ausnahme der Nothfristen, verlängert oder abgekürzt werden. Auf Antrag können richterliche und gesetzliche Fristen abgekürzt oder verlängert werden, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind, gesetzliche Fristen jedoch nur in den besonders bestimmten Fällen. Im Falle der Verlängerung wird die neue Frist von dem Ablaufe der vorigen Frist an berechnet, wenn nicht im einzelnen Falle ein Anderes bestimmt ist. K 225. Ueber das Gesuch um Abkürzung oder Verlängerung einer Frist kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Abkürzung oder wiederholte Verlängerung darf nur nach vor­ gängigem Gehör des Gegners bewilligt werden. Eine Anfechtung des Beschlusses, durch welchen das Gesuch um Ver­ längerung einer Frist zurückgewiesen ist, findet nicht statt. 8 226. Einlassungssristen, Ladungsfristen sowie diejenigen Fristen, welche für die Zustellung vorbereitender Schriftsätze bestimmt sind, können auf Antrag abgekürzt werden. Die Abkürzung der Einlassuugs- und der Ladungsfristen wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß in Folge der Abkürzung die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze nicht vorbereitet werden kann. Der Vorsitzende kann bei Bestimmung des Termins die Abkürzung ohne vorgängiges Gehör des Gegners und des sonst Betheiligten verfügen; diese Verfügung ist dem Betheiligten abschriftlich mitzutheilen.

K 227. Die Parteien können die Aufhebung eines Termins ver­ einbaren. Wird die Verlegung eines Termins beantragt, so finden die Be­ stimmungen über Verlängerung einer Frist entsprechende Anwendung. § 228. Die Verlegung eines Termins, die Vertagung einer Ver­ handlung und die Anberaumung eines Termins zur Fortsetzung der Ver­ handlung kann auch von Amtswegen erfolgen.

K 229. Die in diesem Titel dem Gericht und dem Vorsitzenden beigelegten Befugnisse stehen dem beauftragten oder ersuchten Richter in Bezug auf die von diesen zu bestimmenden Termine und Fristen zu. vierter Titel.

Folgen der Versäumung.

Hiedereinsetzung in den vorige» Stand.

§ 230. Die Versäumung einer Prozeßhandlung hat zur allgemeinen Folge, daß die Partei mit der vorzunehmenden Prozeßhandlung aus­ geschlossen wird.

§ 231. Einer Androhung der gesetzlichen Folgen der Versäumung bedarf es nicht; dieselben treten von selbst ein, sofern nicht dieses Gesetz einen auf Verwirklichung des Rechtsnachtheils gerichteten Antrag erfordert.

Erstes Buch.

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Allgemeine Bestimmungen.

Im letzteren Falle kann, solange nicht der Antrag gestellt und die mündliche Verhandlung über denselben geschlossen ist, die versäumte Prozeß­ handlung nachgeholt werden.

K 232. Auf Grund der den Minderjährigen und den ihnen gleich­ gestellten Personen als solchen zustehenden Rechte findet die Aufhebung der Folgen einer Versäumung nicht statt. Insofern die Aufhebung der Folgen einer unverschuldeten Versäumung zulässig ist, wird eine Versäumung, welche in der Verschuldung eines Ver­ treters ihren Grund hat, als eine unverschuldete nicht angesehen. § 233. Einer Partei, welche durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle verhindert worden ist, eine Nothfrist einzuhalten, ist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ertheile». Hat eine Partei die Einspruchsfrist versäumt, so ist ihr die Wieder­ einsetzung auch dann zu ertheilen, wenn sie von der Zustellung des Versäumnißurtheils ohne ihr Verschulden keine Kenntniß erlangt hat. § 234. Die Wiedereinsetzung muß innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hinderniß gehoben ist; sie kann durch Vereinbarung der Parteien nicht verlängert werden. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Nothsrist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. K 235. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Nothfrist ist der Partei auf Antrag auch dann zu er­ theilen, wenn spätestens am dritten Tage vor Ablauf der Nothfrist das zur Wahrung derselben zuzustellende Schriftstück dem Gerichtsvollzieher oder, sofern die Zustellung unter Vermittelung des Gerichtsschreibers er­ folgen soll, dem Gerichtsschreiber zum Zwecke der Zustellung übergeben ist. Das Gleiche gilt, wenn die Versäumung der Nothfrist dadurch ver­ anlaßt worden ist, daß das angefochtene Urtheil den Prozeßbevollmächtigten des Gegners unrichtig bezeichnet. In den Fällen des Abs. 1 muß die Wiedereinsetzung innerhalb einer einmonatigen Frist nach Ablauf der versäumten Nothfrist beantragt werden.

8 238. Die Wiedereinsetzung wird durch Zustellung eines Schrift­ satzes beantragt. Derselbe muß enthalten: 1. die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Thatsachen; 2. die Angabe der Mittel für deren Glaubhaftmachung; 3. die Nachholung der versäumten Prozeßhandlung oder, wenn diese bereits nachgeholt ist, die Bezugnahme hierauf; im Falle der Ver­ säumung der im § 466 bezeichneten Nothfrist auch die Ladung des Gegners zur Eidesleistung und zur weiteren mündlichen Verhandlung. Ist die Einlegung der sofortigen Beschwerde versäumt worden, so wird der Antrag auf Wiedereinsetzung durch Einreichung des Schriftsatzes bei Gericht gestellt. Die Einreichung kann sowohl bei dem Gerichte, von welchem die angefochtene Entscheidung erlassen ist, als auch bei dem Befchwerdegericht erfolgen. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

30

466

VI. Civilprozeßordnung.

Im Falle des § 235 Abs. 1 kann die Wiedereinsetzung auch in dem für die mündliche Verhandlung bestimmten Termine ohne vorgängige Zu­ stellung eines Schriftsatzes beantragt werden, wenn die Zustellung der Ladung zu dem Termin innerhalb der einmonatigen Frist nach Ablauf der versäumten Nothfrist erfolgt ist.

§ 237. Ueber den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, welchem die Entscheidung über die nachgeholte Prozeßhandlung zusteht.

§ 238. Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozeßhandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung finden die Vorschriften Anwendung, welche in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozeßhandlung gelten. Der Partei, welche den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu. Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners ent­ standen sind. Fünfter Titel.

Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens.

§ 239. Im Falle des Todes einer Partei tritt eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein. Wird die Aufnahme verzögert, so können die Rechtsnachfolger zur Aufnahme und zugleich zur Verhandlung der Hauptsache geladen werden. Der die Ladung enthaltende Schriftsatz ist den Rechtsnachfolgern selbst zuzustellen. Die Ladungsfrist wird von dem Vorsitzenden bestimmt. Erscheinen die Rechtsnachfolger in dem Termine nicht, so ist auf Antrag die behauptete Rechtsnachfolge als zugestanden anzunehmen und zur Hauptsache zu verhandeln. Der Erbe ist vor der Annahme der Erbschaft zur Fortsetzung des Rechtsstreits nicht verpflichtet.

§ 240. Im Falle der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Konkurmaffe betrifft, unter­ brochen, bis dasselbe nach den für den Konkurs geltenden Bestimmungen ausgenommen oder das Konkursverfahren aufgehoben wird.

§ 241. Verliert eine Partei die Prozeßfähigkeit oder stirbt der gesetzliche Vertreter einer Partei oder hört die Vertretungsbefugniß desselben auf, ohne daß die Partei prozeßfähig geworden ist, so wird das Verfahren unterbrochen, bis der gesetzliche Vertreter oder der neue gesetzliche Vertreter von seiner Bestellung dem Gegner Anzeige macht, oder bis der Gegner seine Absicht, das Verfahren fortzusetzen, dem Vertreter anzeigt.

Erstes Buch

Allgemeine Bestimmungen.

467

Diese Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn eine Nachlaß­ verwaltung angeordnet wird.

§ 242. Tritt während des Rechtsstreits zwischen einem Vorerben und einem Dritten über einen der Nacherbfolge unterliegenden Gegenstand der Fall der Nacherbfolge ein, so finden, sofern der Vorerbe befugt war, ohne Zustimmung des Nacherben über den Gegenstand zu verfügen, hin­ sichtlich der Unterbrechung und der Aufnahme des Verfahrens die Vorschriften des 8 239 entsprechende Anwendung.

§ 243. Wird im Falle der Unterbrechung des Verfahrens durch den Tod einer Partei ein Nachlaßpfleger bestellt oder ist ein zur Führung des Rechtsstreits berechtigter Testamentsvollstrecker vorhanden, so kommen die Vorschriften des § 241 und, wenn über den Nachlaß der Kontur-; eröffnet wird, die Vorschriften des § 240 in Betreff der Aufnahme des Verfahrens zur Anwendung. § 244. Stirbt in Anwaltsprozessen der Anwalt einer Partei oder wird derselbe unfähig, die Vertretung der Partei fortzuführen, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens ein, bis der bestellte neue Anwalt von seiner Bestellung dem Gegner Anzeige macht. Wird diese Anzeige verzögert, so kann die Partei selbst zur Verhand­ lung der Hauptsache geladen oder zur Bestellung eines neuen Anwalts binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist aufgefordert werden. Wird dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, so ist das Verfahren als ausgenommen anzusehen. Bis zur nachträglichen Anzeige der Bestellung eines neuen Anwalts können alle Zustellungen an die zur Anzeige verpflichtete Partei, sofern diese weder am Orte des Prozeßgerichts noch innerhalb des Amtsgerichtsbezirks wohnt, in welchem das Prozeßgericht seinen Sitz hat, durch Aufgabe zur Post (8 175) erfolgen.

§ 245. Hört in Folge eines Krieges oder eines anderen Ereignisses die Thätigkeit des Gerichts auf, so wird für die Dauer dieses Zustandes das Verfahren unterbrochen. § 246. Fand in den Fällen des Todes, des Verlustes der Prozeß­ fähigkeit, des Wegfalls des gesetzlichen Vertreters, der Anordnung einer Nachlaßverwaltung oder des Eintritts der Nacherbfolge (88 239, 241, 242) eine Vertretung durch einen Prozeßbevollmächtigten statt, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens nicht ein; das Prozeßgericht hat jedoch auf Antrag des Bevollmächtigten, in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge auch auf Antrag des Gegners die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen. . Die Dauer der Aussetzung und die Aufnahme des Verfahrens richtet sich nach den Vorschriften der 88 239, 241—243; in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge ist der die Ladung enthaltende Schriftsatz auch dem Bevollmächtigten zuzustellen. § 247. Befindet sich eine Partei zu Kriegszeiten im Militär­ dienste oder hält sich eine Partei an einem Orte auf, welcher durch obrig­ keitliche Anordnung oder durch Krieg oder durch andere Zufälle von bcnt 30*

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VI. Zivilprozeßordnung.

Verkehre mit dem Prozeßgericht abgeschnitten ist, so kann dasselbe auch von Amtswegen die Aussetzung des Verfahrens bis zur Beseitigung des Hinder» nisses anordnen.

8 248. Das Gesuch um Aussetzung des Verfahrens ist bei dem Prozeßgericht anzubringen; es kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden. Die Entscheidung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. 8 249. Die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens hat die Wirkung, daß der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung die volle Frist von neuem zu laufen beginnt. Die während der Unterbrechung oder Aussetzung von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozeßhandlungen sind der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung. Durch die nach dem Schluffe einer mündlichen Verhandlung einKetende Unterbrechung wird die Verkündung der auf Grund dieser Ver­ handlung zu erlassenden Entscheidung nicht gehindert.

8 250. Die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens und die in diesem Titel erwähnten Anzeigen erfolgen durch Zustellung eines Schriftsatzes. 8 251. Die Parteien können vereinbaren, daß das Verfahren ruhen solle. Die Vereinbarung hat auf den Lauf der Nothfristen keinen Einfluß. Erscheinen in einem Termine zur mündlichen Verhandlung beide Parteien nicht, so ruht das Verfahren, bis eine Partei eine neue Ladung zustellen läßt. 8 252. Gegen die Entscheidung, durch welche auf Grund der Vorschriften dieses Titels oder auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder abgelehnt wird, flndet Beschwerde, im Falle der Ablehnung sofortige Beschwerde statt.

Zweites Buch.

Verfahren in erster Instanz.

469

Zweites Buch.

verfahren in erster Instanz. Erster Abschnitt.

Verfahren bar den Mandgertchten. Erker Titel.

Verfahren bis zum Urtheil. 8 253.

Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines

Schriftsatzes.

Derselbe muß enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; 2. die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag; 3. die Ladung des Beklagten vor das Prozeßgericht zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits. In der Klageschrift soll ferner der Werth des nicht in einer be­ stimmten Geldsumme bestehenden Streitgegenstandes angegeben werden, wenn die Zuständigkeit des Gerichts von diesem Werthe abhängt. Außerdem finden die allgemeinen Bestimmungen über die vor­ bereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift Anwendung.

8 254.

Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Borlegung eines Bermögensverzeichniffes oder aus Leistung des Offenbarungs­ eides die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältniffe schuldet, so kann die bestimmte Angabe der Leistungen, welche der Kläger beansprucht, Vor­ behalten werden, bis die Rechnung mitgetheilt, das Bermögensverzeichniß vorgelegt oder der Offenbarungseid geleistet ist.

8 255.

Hat der Kläger für den Fall, daß der Beklagte nicht vor dem Ablauf einer ihm zu bestimmenden Frist den erhobenen Anspruch befriedigt, das Recht, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu fordern oder die Aufhebung eines Vertrags herbeizuführen, so kann er verlangen, daß die Frist im Urtheile bestimmt wird. Das Gleiche gilt, wenn dem Kläger das Recht, die Anordnung einer Verwaltung zu verlangen, für den Fall zusteht, daß der Beklagte nicht vor dem Ablauf einer ihm zu bestimmenden Frist die beanspruchte Sicherheit leistet, sowie im Falle des § 2193 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die Bestimmung einer Frist zur Vollziehung der Auftage.

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VI Civilprozeßordnung

§ 256. Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung der Unechtheit derselben kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältniß oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald fcstgestellt werde.

8 257. Ist die Geltendmachung einer nicht von einer Gegenleistung abhängigen Geldforderung oder die Geltendmachung des Anspruchs auf Räumung eines Grundstücks, eines Wohnraums oder eines anderen Raumes an den Eintritt eines Kalendertags geknüpft, so kann Klage auf künftige Zahlung oder Räumung erhoben werden. § 258. Bei wiederkehrenden Leistungen kann auch wegen der erst nach Erlassung des Urtheils fällig werdenden Leistungen Klage aus künftige Entrichtung erhoben werden. 8 259. Klage auf künftige Leistung kann außer den Fällen der 88 257, 258 erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgniß gerechtfertigt ist, daß der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung ent­ ziehen werde. § 260. Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämmtliche Ansprüche das Prozeßgericht zuständig und dieselbe Prozeßart zulässig ist. 8 261. Die Klageschrift ist zum Zwecke der Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung bei dem Gerichtsschreiber des Prozeß­ gerichts einzureichen. Der Termin soll nur soweit hinausgerückt werden, als es zur Wahrung der Einlassungsfrist geboten erscheint. Nach erfolgter Bestimmung des Termins hat der Kläger für die Zustellung der Klageschrift Sorge zu tragen. 8 262. Zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Termine zur mündlichen Verhandlung muß ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen liegen (Einlassungsfrist). In Meß- und Marktsachen beträgt die Einlassungsfrist mindestens vierundzwanzig Stunden. Ist die Zustellung im Auslande vorzunehmen, so hat der Vorsitzende bei Festsetzung des Termins die Einlassungsfrist zu bestimmen.

8 263. Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet. Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen: 1. wenn während der Dauer der Rechtshängigkeit von einer Partei die Streitsache anderweitig anhängig gemacht wird, so kann der Gegner die Einrede der Rechtshängigkeit erheben; 2. die Zuständigkeit des Prozeßgerichts wird durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt.

Zweites Buch

Verfahren in erster Instanz.

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§ 264. Nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit ist eine Aenderung der Klage nur zuzulassen, wenn der Beklagte einwilligt oder wenn nach dem Ermessen des Gerichts durch die Aenderung die Vertheidigung des Beklagten nicht wesentlich erschwert wird. § 265. Die Rechtshängigkeit schließt das Recht der einen oder der anderen Partei nicht aus, die in Streit befangene Sache zu veräußern oder den geltend gemachten Anspruch abzutreten. Die Veräußerung oder Abtretung hat auf den Prozeß keinen Einfluß. Der Rechtsnachfolger ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners den Prozeß als Hauptpartei an Stelle des Rechtsvorgängers zu über­ nehmen oder eine Hauptintervention zu erheben. Tritt der Rechtsnachfolger als Nebenintervenient auf, so findet der § 69 keine Anwendung. Hat der Kläger veräußert oder abgetreten, so kann ihm, sofern das Urtheil nach § 325 gegen den Rechtsnachfolger nicht wirksam sein würde, der Einwand entgegengesetzt werden, daß er zur Geltendmachung des Anspruchs nicht mehr befugt sei. § 266. Ist über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts, welches für ein Grundstück in Anspruch genommen wird, oder einer Ver­ pflichtung, welche auf einem Grundstücke ruhen soll, zwischen dem Besitzer und einem Dritten ein Rechtsstreit anhängig, so ist im Falle der Ver­ äußerung des Grundstücks der Rechtsnachfolger berechtigt und auf Antrag des Gegners verpflichtet, den Rechtsstreit in der Lage, in welcher er sich befindet, als Hauptpartei zu übernehmen. Diese Bestimmung kommt insoweit nicht zur Anwendung, als ihr Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, entgegenstehen. In einem solchen Falle findet, wenn der Kläger veräußert hat, die Vorschrift des § 265 Abs. 3 Anwendung. § 267. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die sonstigen Wirkungen der Rechtshängigkeit bleiben unberührt. Diese Wirkungen, sowie alle Wirkungen, welche durch die Vorschriften des bürgerlichen Rechts an die Anstellung, Mittheilung oder gerichtliche Anmeldung der Klage, an die Ladung, oder Einlassung des Beklagten geknüpft werden, treten unbeschadet der Vorschrift des § 207 mit der Erhebung der Klage ein. § 268. Als eine Aenderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Aenderung des Klagegrundes 1. die thatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; 2. der Klagantrag in der Hauptsache oder in Bezug aus Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; 3. statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später ein­ getretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

§ 269. Die Einwilligung des Beklagten in die Aenderung der Klage ist anzunehmen, wenn derselbe, ohne der Aenderung zu widersprechen,

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VI Civilprozeßordnung.

sich in einer mündlichen Verhandlung gelassen hat.

auf die abgeänderte Klage ein­

§ 270. Eine Anfechtung der Entscheidung, daß eine Aenderung der Klage nicht vorliege oder daß die Aenderung zuzulassen sei, findet nicht statt.

8 271. Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginne der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Haupt­ sache zurückgenommen werden. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn fie nicht bei der münd­ lichen Verhandlung erllärt wird, durch Zustellung eines Schriftsatzes. Ab­ schrift desselben ist sofort nach erfolgter Zustellung auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen. Die Zurücknahme der Klage hat zur Folge, daß der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist; sie verpflichtet den Kläger, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, sofern nicht über dieselben bereits rechtskräftig erkannt ist. Auf Antrag des Beklagten ist diese Verpflichtung durch Urtheil auszusprechen. Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kostenerstattung erfolgt ist. § 272. Jede Partei hat dem Gegner solche thatsächliche Be­ hauptungen, Beweismittel und Anträge, auf welche derselbe voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, vor der mündlichen Verhandlung mittels vorbereitenden Schriftsatzes so zeitig mitzutheilen, daß der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag. Tritt eine Vertagung der mündlichen Verhandlung ein, so kann das Gericht die Fristen bestimmen, binnen welcher die noch erforderlichen vor­ bereitenden Schriftsätze mitzutheilen sind. K 273. Vorschriften.

Die mündliche Verhandlung erfolgt nach den allgemeinen

8 274. Prozeßhindernde Einreden sind gleichzeitig und vor der Verhandlung des Besagten zur Hauptsache vorzubringen. Als solche Einreden sind nur anzusehen:

1. die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts, 2. die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs, 3. die Einrede, daß die Entscheidung des Rechtsstreits durch Schieds­ richter zu erfolgen habe, 4. die Einrede der Rechtshängigkeit, 5. die Einrede der mangelnden Sicherheit für die Prozeßkosten, 6. die Einrede, daß die zur Erneuerung des Rechtsstreits erforderliche Erstattung der Kosten des früheren Verfahrens noch nicht erfolgt sei, 7. die Einrede der mangelnden Parteifähigkeit, der mangelnden Prozeß­ fähigkeit oder der mangelnden gesetzlichen Vertretung. Nach dem Beginne der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache können prozeßhindernde Einreden nur geltend gemacht werden,

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Verfahren in erster Instanz.

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wenn dieselben entweder solche sind, auf welche der Beklagte wirksam nicht verzichten kann, oder wenn der Beklagte glaubhaft macht, daß er ohne sein Verschulden nicht im Stande gewesen sei, dieselben vor der VerhaMung zur Hauptsache geltend zu machen.

§ 275. Ueber prozeßhindernde Einreden ist besonders zu verhandeln imb durch Urtheil zu entscheiden, wenn der Beklagte auf Grund derselben die Verhandlung zur Hauptsache verweigert, oder wenn das Gericht auf Antrag oder von Amtswegen die abgesonderte Verhandlung anordnet. Das Urtheil, durch welches die prozeßhindernde Einrede verworfen wird, ist im Betreff der Rechtsmittel als Endurtheil anzusehen; das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, daß zur Hauptsache zu verhandeln sei.

§ 276. Wird die Unzuständigkeit des Gerichts auf Grund der Bestimmungen über die sachliche Zuständigkeit der Gerichte ausgesprochen, so ist zugleich auf Antrag des Klägers der Rechtsstreit an ein bestimmtes Amtsgericht des Bezirks zu verweisen. Ist das Urtheil rechtskräftig, so gilt der Rechtsstreit als bei dem Amtsgerichte anhängig. § 277. Nach Erledigung der prozeßhindernden Einreden kann das Gericht in Prozessen, welche die Richtigkeit einer Rechnung, eine Vermögensanseinandersetzung oder ähnliche Verhältnisse zum Gegenstände haben, unter Vertagung der mündlichen Verhandlung ein vorbereitendes Verfahren an­ ordnen. § 278. Angriffs- und Vertheidigungsmittel (Einreden, Widerklage, Repliken u. s. w.) können bis zum Schluffe derjenigen mündlichen Verhand­ lung, auf welche das Urtheil ergeht, geltend gemacht werden. Das Gericht kann, wenn durch das nachträgliche Vorbringen eines Angriffs- oder Vertheidigungsmittels die Erledigung des Rechtsstreits ver­ zögert wird, der obsiegenden Partei, welche nach freier richterlicher Ueber­ zeugung im Stande war, das Angriffs- oder Vertheidigungsmittel zeittger geltend zu machen, die Prozeßkosten ganz oder theilweise auferlegen. § 279. Vertheidigungsmittel, welche von dem Beklagten nach­ träglich vorgebracht werden, können auf Antrag zurückgewiesen werden, wenn durch deren Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde, und das Gericht die Ueberzeugung gewinnt, daß der Beklagte in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit die Vertheidigungsmittel nicht früher vorgebracht hat. § 280. Bis zum Schluffe derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klagantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, daß ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältniß, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Theile abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde. § 281. Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozeffes erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkte ein, in welchem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht wird.

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VI. Civilprozetzordnung.

§ 282. Jede Partei hat unter Bezeichnung der Beweismittel, deren fie sich zum Nachweise oder zur Widerlegung thatsächlicher Behaupt­ ungen bedienen will, den Beweis anzutreten und über die von der Gegenpartei angegebenen Beweismittel sich zu erklären. In Betreff der einzelnen Beweismittel wird die Beweisantretung und die Erklärung auf dieselbe durch die Vorschriften des sechsten bis zehnten Titels bestimmt. § 283. Beweismittel und Beweiseinreden können bis zum Schluffe derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil ergeht, geltend gemacht werden. Auf das nachträgliche Vorbringen von Beweismitteln und Beweis­ einreden findet die Vorschrift des § 278 Abs. 2 entsprechende Anwendung. § 284. Die Beweisaufnahme und die Anordnung eines besonderen Beweisausnahmeverfahrens durch Beweisbeschluß wird durch die Vorschriften des fünften bis elften Titels bestimmt.

§ 285. Ueber das Ergebniß der Beweisaufnahme haben die Parteien unter Darlegung des Streitverhältnisses zu verhandeln. Ist die Beweisaufnahme nicht vor dem Prozeßgericht erfolgt, so haben die Parteien das Ergebniß derselben auf Grund der Beweisver­ handlungen vorzutragen. § 286. Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesammten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweis­ aufnahme nach freier Ueberzeugung zu entscheiden, ob eine thatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urtheile sind die Gründe anzugeben, welche für die richterliche Ueberzeugung leitend gewesen sind. An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden. § 287. Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei, und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Ueberzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amtswegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlaffen. Das Gericht kann an­ ordnen, daß der Beweisführer den Schaden oder das Jntereffe eidlich schätze. In diesem Falle hat das Gericht zugleich den Betrag zu bestimmen, welchen die eidliche Schätzung nicht übersteigen darf. Die Vorschriften über den Schätzungseid werden aufgehoben.

§ 288. Die von einer Partei behaupteten Thatsachen bedürfen insoweit keines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Protokolle eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind. Zur Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses ist deffen Annahme nicht erforderlich.

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Verfahren in erster Instanz.

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§ 289. Die Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses wird da­ durch nicht beeinträchtigt, daß demselben eine Behauptung hinzugefügt wird, welche ein selbständiges Angriffs- oder Vertheidigungsmittel enthält. Inwiefern eine vor Gericht erfolgte einräumende Erklärung ungeachtet anderer zusätzlicher oder einschränkender Behauptungen als ein Geständniß anzusehen sei, bestimmt sich nach der Beschaffenheit des einzelnen Falles.

§ 290. Der Widerruf hat auf die Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses nur dann Einfluß, wenn die widerrufende Partei beweist, daß das Geständniß der Wahrheit nicht entspreche und durch einen Irrthum veranlaßt sei. In diesem Falle verliert das Geständniß seine Wirksamkeit. § 291. Thätsachen, welche bei dem Gericht offenkundig find, bedürfen keines Beweises. § 292. Stellt das Gesetz für das Vorhandensein einer Thatsache eine Vermuthung auf, so ist der Beweis des Gegentheils zulässig, sofern nicht das Gesetz ein Anderes vorschreibt. Dieser Beweis kann auch durch Eideszuschiebung nach Maßgabe der §§ 445 ff. geführt werden. § 293. Das in einem anderen Staate geltende Recht, die Gewohn­ heitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. Bei Ermittelung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnißquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen. § 294. Wer eine thatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel, mit Ausnahme der Eideszuschiebung, bedienen, auch zur Versicherung an Eidesstatt zugelaffen werden. Eine Beweisaufnahme, welche nicht sofort erfolgen kann, ist un­ statthaft. § 295. Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozeßhandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift ver­ zichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, welche aus Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in welcher aus dasselbe Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienm und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein mußte. Die vorstehende Bestimmung kommt nicht zur Anwendung, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht verzichten kann.

§ 296. Das Gericht kann in jeder Lage des Rechtsstreits gütliche Beilegung desselben oder einzelner Streitpunkte versuchen oder Parteien zum Zwecke des Sühneversuchs vor einen beauftragten oder suchten Richter verweisen. Zum Zwecke des Sühneversuchs kann das persönliche Erscheinen Parteien angeordnet werden.

die die er­

der

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K 297. Die Anträge müssen aus den vorbereitenden Schriftsätzen verlesen werden. Soweit vorbereitende Schriftsätze nicht mitgetheilt oder die Anträge in solchen nicht enthalten sind, muß die Verlesung aus einem dem Protokolle als Anlage beizufügenden Schriftsätze erfolgen. Dasselbe gilt von Anträgen, welche von früher verlesenen in wesentlichen Punkten abweichen. Die Nichtbeachtung dieser Vorschriften hat die Nichtberücksichtigung der Anträge zur Folge. § 298. Soweit es sich nicht um Anträge (§ 297) handelt, sind wesentliche Erklärungen, welche in vorbereitenden Schriftsätzen nicht ent­ halten sind, oder wesentliche Abweichungen von dem Inhalte solcher Schrift­ sätze, mögen die Abweichungen in Zusätzen, Weglassungen oder sonstigen Abänderungen bestehen, auf Antrag durch Schriftsätze, welche dem Protokolle als Anlage beizufügen sind, festzustellen. In gleicher Weise sind auf Antrag auch Geständnisse sowie die Erklärungen über Annahme oder Zurückschiebung zugeschobener Eide fest­ zustellen.

K 299. Die Parteien können von den Prozeßakten Einsicht nehmen und sich aus denselben durch den Gerichtsschreiber Ausfertigungen, Aus­ züge und Abschriften ertheilen lassen. Dritten Personen kann der Vorstand des Gerichts ohne Einwilligung der Parteien die Einsicht der Akten nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Die Entwürfe zu Urtheilen, Beschlüssen und Verfügungen, die zur Vorbereitung derselben gelieferten Arbeiten, sowie die Schriftstücke, welche Abstimmungen oder Strafverfügungen betreffen, werden weder vorgelegt noch abschriftlich mitgethellt. Zweiter Titel.

Urtheil. § 300. Ist der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht dieselbe durch Endurtheü zu erfassen. Dasselbe gilt, wenn von mehreren zum Zwecke gleichzeitiger Ver­ handlung und Entscheidung verbundenen Prozeffen nur der eine zur End­ entscheidung reif ist.

K 301. Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine, oder ist nur ein Theil eines Anspruchs, oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur End­ entscheidung reif, so hat das Gericht dieselbe durch Endurtheil (Theilurtheil) zu erfassen. Die Erlassung eines Theilurtheils kann unterbleiben, wenn das Gericht sie nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

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Verfahren in erster Instanz.

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§ 302. Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenfordemng geltend gemacht, welche mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichen! Zusammenhänge steht, so kann, wenn nur die Ver­ handlung über die Forderung zur Entscheidung reif ist, diese unter Vor­ behalt der Entscheidung über die Aufrechnung erfolgen. Enthält das Urtheil keinen Vorbehalt, so kann die Ergänzung des Urtheils nach Vorschrift der § 321 beantragt werden. Das Urtheil, welches unter Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung ergeht, ist in Betreff der Rechtsmittel und der Zwangs­ vollstreckung als Endurtheil anzusehen. In Betreff der Aufrechnung, über welche die Entscheidung Vor­ behalten ist, bleibt der Rechtsstreit anhängig. Soweit sich in dem weiteren Verfahren ergiebt, daß der Anspruch des Klägers unbegründet war, ist das frühere Urtheil aufzuheben, der Kläger mit dem Anspruch abzuweisen und über die Kosten anderweit zu entscheiden. Der Kläger ist zum Ersätze des Schadens verpflichtet, der dem Bellagten durch die Voll­ streckung des Urtheils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist. Der Beklagte kann den Anspruch auf Schadensersatz in dem anhängigen Rechtsstreite geltend machen; wird der Anspruch geltend gemacht, so ist er als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen.

8 303. Ist ein einzelnes selbständiges Angriffs- oder Vertheidigungs­ mittel oder ein Zwischenstreit zur Entscheidung reif, so kann die Entscheidung durch Zwischenurtheil erfolgen. 8 304. Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden. Das Urtheil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurtheil anzu­ sehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt ist, auf Antrag anordnen, daß über den Betrag zu verhandeln sei.

8 305. Durch die Geltendmachung der dem Erben nach den 88 2014, 2015 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zustehenden Einreden wird eine unter dem Vorbehalte der beschränkten Haftung ergehende Verurtheilung des Erben nicht ausgeschloffen. Das Gleiche gilt für die Geltendmachung der Einreden, die im Falle der fortgesetzten Gütergemeinschaft dem überlebenden Ehegatten nach dem 8 1489 Abs. 2 und den 88 2014, 2015 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zustehen. 8 306. Verzichtet der Kläger bei der mündlichen Verhandlung auf den geltend gemachten Anspruch, so ist er aus Grund des Verzichts mit dem Anspruch abzuweisen, wenn der Beklagte die Abweisung beantragt.

8 307. Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch bei der mündlichen Verhandlung ganz oder zum Theil an, so ist sie auf Antrag dem Anerkenntniffe gemäß zu verurtheilen. 8 308. Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzu­ sprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

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Ueber die Verpflichtung, die Prozeßkosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

8 309. Das Urtheil kann nur von denjenigen Richtern gefällt werden, welche der dem Urtheile zu Grunde liegenden Verhandlung bei­ gewohnt haben. 8 310. Die Verkündung des Urtheils erfolgt in dem Termine, in welchem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, oder in einem sofort anzuberaumenden Termine, welcher nicht über eine Woche hinaus angesetzt werden soll. 8 311. Die Verkündung des Urtheils erfolgt durch Vorlesung der Urtheilsformel. Versäumnißurtheile, Urtheile, welche auf Grund eines Anerkenntnisses erlassen werden, sowie Urtheile, welche die Folge der Zurücknahme der Klage oder des Verzichts auf den Klaganspruch oder welche den Eintritt der in einem bedingten Endurtheil ausgedrückten Folgen aussprechen, können verkündet werden, auch wenn die Urtheilsformel noch nicht schriftlich abgefaßt ist. Wird die Verkündung der Entscheidungsgründe für angemessen erachtet, so erfolgt sie durch Vorlesung der Gründe oder durch mündliche Mittheilung des wesentlichen Inhalts. 8 312. Die Wirksamkeit der Verkündung eines Urtheils ist von der Anwesenheit der Parteien nicht abhängig. Die Verkündung gilt auch derjenigen Partei gegenüber als bewirkt, welche den Termin versäumt hat. Die Befugniß einer Partei, auf Grund eines verkündeten Urtheils das Verfahren fortzusetzen oder von dem Urtheil in anderer Weise Gebrauch zu machen, ist von der Zustellung an den Gegner nicht abhängig, soweit nicht dieses Gesetz ein Anderes bestimmt. 8 313. Das Urtheil enthält: 1. die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozeßbevollmächtigten nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; '2. die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, welche bei der Entscheidung mitgewirkt haben; 3. eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf Grund­ lage der mündlichen Vorträge der Parteien unter Hervorhebung der gestellten Anträge (Thatbestand); 4. die Entscheidungsgründe; 5. die von der Darstellung des Thatbestandes und der Entscheidungs­ gründe äußerlich zu sondernde Urtheilsformel. Bei der Darstellung des Thatbestandes ist eine Bezugnahme ans den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zum Sitzungsprotokoll erfolgten Feststellungen nicht ausgeschlossen.

8 314. Der Thatbestand des Urtheils liefert rücksichtlich des münd­ lichen Parteivorbringens Beweis. Dieser Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

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§ 315. Das Urtheil ist von den Richtern, welche bei der Ent­ scheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter Angabe des Verhinderungs­ grundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urtheile bemerkt. Ein Urtheil, welches bei der Verkündung noch nicht in vollständiger Form abgefaßt war, ist vor Ablauf einer Woche, vom Tage der Ver­ kündung an gerechnet, in vollständiger Abfassung dem Gerichtsschreiber zu übergeben. Der Gerichtsschreiber hat auf dem Urtheile den Tag der Verkündung zu bemerken und diese Bemerkung zu unterschreiben. § 316. Der Gerichtsschreiber hat die verkündeten und unter­ schriebenen Urtheile in ein Verzeichniß zu bringen. Das Verzeichniß wird an bestimmten, von dem Vorsitzenden im voraus festzusetzenden Wochen­ tagen mindestens auf die Dauer einer Woche in der Gerichtsschreiberei ausgehängt. Der Gerichtsschreiber hat auf dem Urtheile den Tag des Aushangs zu bemerken und diese Bemerkung zu unterschreiben.

§ 317. Die Zustellung der Urtheile erfolgt auf Betreiben der Parteien. Solange das Urtheil nicht verkündet und nicht unterschrieben ist, dürfen Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften desselben nicht ertheilt werden Die Ausfertigungen und Auszüge der Urtheile sind von dem Gerichts­ schreiber zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. § 318. Das Gericht ist an die Entscheidung, welche in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurtheilen enthalten ist, gebunden. § 319. Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Un­ richtigkeiten, welche in dem Urtheile vorkommen, sind jederzeit von dem Gerichte auch von Amtswegen zu berichtigen. Ueber die Berichtigung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden. Der Beschluß, welcher eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urtheil und den Ausfertigungen bemerkt. Gegen den Beschluß, durch welchen der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel; gegen den Beschluß, welcher eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt. § 320. Enthält der Thatbestand des Urtheils Unrichtigkeiten, welche nicht unter die Bestimmung des vorstehenden Paragraphen fallen, Aus­ lassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer einwöchigen Frist durch Zustellung eines Schriftsatzes beantragt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage des Aushangs des Verzeichnisses, in welches das Urtheil eingetragen ist, falls jedoch das Urtheil innerhalb zweier Monate seit diesem Tage zugestellt wird, mit der Zustellung des Urtheils. Der Antrag kann schon vor dem Beginne der Frist gestellt werden. Der Schriftsatz muß den Antrag auf Berichtigung und die Ladung des Gegners zur mündlichen Verhandlung enthalten.

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Das Gericht entscheidet ohne vorgängige Beweisaufnahme. Bei der Entscheidung wirken nur diejenigen Richter mit, welche bei dem Urtheil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so giebt bei Stimmengleichheit die Stimme des Borsitzenden und bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters den Ausschlag. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluß, welcher eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urtheil und den Ausfertigungen bemerkt. Die Berichtigung des Thatbestandes hat eine Aenderung des übrigen Theils des Urtheils nicht zur Folge.

K 321. Wenn ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nach­ träglich berichtigten Thatbestände von einer Paäei geltend gemachter Haupt­ oder Nebenanspruch, oder wenn der Kostenpunkt bei der Endentscheidung ganz oder theilweise übergangen ist, so ist auf Antrag das Urtheil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen. Die nachträgliche Entscheidung muß binnen einer einwöchigen Frist, welche mit der Zustellung des Urthells beginnt, durch Zustellung eims Schriftsatzes beantragt werden. Der Schriftsatz muß den Antrag auf Ergänzung und die Ladung des Gegners zur mündlichen Verhandlung enthalten. Die mündliche Verhandlung hat nur den nicht erledigten Theil des Rechtsstreits zum Gegenstände.

K 322. Urtheile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als übcr den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch ent­ schieden ist. Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, daß die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrags, für welchen die Ausrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.

K 323. Tritt im Falle der Verurtheilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen eine wesentliche Aenderung derjenigen Verhältnisse ein, welche für die Verurtheilung zur Entrichtung der Leistungen, für die Bestimmung der Höhe der Leistungen oder der Dauer ihrer Ent­ richtung maßgebend waren, so ist jeder Theil berechtigt, im Wege der Klage eine entsprechende Abänderung des Urtheils zu verlangen. Die Klage ist nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf welche sie gestützt wird, erst nach dem Schlüsse der mündlichen Verhandlung, in der eine Erweiterung des Klagantrags oder die Geltendmachung von Ein­ wendungen spätestens hätte erfolgen müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. Die Abänderung des Urtheils darf nur für die Zeit nach Erhebung der Klage erfolgen. § 324. Ist bei einer nach den 88 843—845 oder nach dcn 88 1578—1582 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erfolgten Verurtheilung zur Entrichtung einer Geldrente nicht auf Sicherheitsleistung erkannt, so kann der Berechtigte gleichwohl Sicherheitsleistung verlangen, wenn sich die

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Verfahren in erster Instanz.

Vermögensverhältnisse des Verpflichteten erheblich verschlechtert haben; unter der gleichen Voraussetzung kann er eine Erhöhung der in dem Urtheile bestimmten Sicherheit verlangen.

§ 325. Das rechtskräftige Urtheil wirkt für und gegen die Parteien und diejenigen Personen, welche nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, daß eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung. Betrifft das Urtheil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangs­ versteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urtheil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermine vor der Auf­ forderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist. 8 326. Ein Urtheil, das zwischen einem Borerben und einem Dritten über einen gegen den Vorerben als Erben gerichteten Anspruch oder über einen der Nacherbfolge unterliegenden Gegenstand ergeht, wirkt, sofern es vor dem Eintritte der Nacherbfolge rechtskräftig wird, für den Nacherben. Ein Urtheil, das zwischen einem Vorerben und einem Dritten über einen der Nacherbfolge unterliegenden Gegenstand ergeht, wirkt auch gegen den Nacherben, sofern der Vorerbe befugt ist, ohne Zustimmung des Nach­ erben über den Gegenstand zu verfügen. 8 327. Ein Urtheil, das zwischen einem Testamentsvollstrecker und einem Dritten über ein der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegendes Recht ergeht, wirkt für und gegen den Erben. Das Gleiche gilt von einem llrthelle, welches zwischen einem Testaments­ vollstrecker und einem Dritten über einen gegen dm Nachlaß gerichteten Anspruch ergeht, wenn der Testamentsvollstrecker zur Führung des Rechts­ streits berechtigt ist. 8 328.

Die Anerkennung des Urthells eines ausländischen Gerichts

ist ausgeschloffen:

1. wenn die Gerichte des Staates, dem das ausländische Gericht an­ gehört, nach den deuffchen Gesetzen nicht zuständig sind; 2. wenn der unterlegene Beklagte ein Deutscher ist und sich auf den Prozeß nicht eingelaffen hat, sofern die den Prozeß einleitende Ladung oder Verfügung ihm weder in dem Staate des Prozeßgerichts in Person noch durch Gewährung deutscher Rechtshülfe zugestellt ist; 3. wenn in dem Urtheile zum Nachtheil einer deutschen Partei von den Vorschriften des Artikel 13 Abs. 1, 3 oder der Artikel 17, 18, 22 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch oder von der Bürgerllches Gesetzbuch und Nebengesetze.

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VI Civilprozeßordnung.

Vorschrift des auf den Artikel 13 Abs. 1 bezüglichen Theiles des Artikel 27 desselben Gesetzes oder im Falle des Artikel 9 Abs. 3 zum Nachtheile der Ehefrau eines für todt erklärten Ausländers von der Vorschrift des Artikel 13 Abs. 2 abgewichen ist; 4. wenn die Anerkennung des Urtheils gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde; 5. wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist. Die Vorschrift der Nr. 5 steht der Anerkennung des Urtheils nicht entgegen, wenn das Urtheil einen nicht vermögensrechtlichen Anspruch betrifft und nach den deutschen Gesetzen ein Gerichtsstand im Jnlande nicht begründet war.

§ 329. Die auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Beschlüffe des Gerichts müssen verkündet werden. Die Vorschriften der §§ 309, 310 finden auf Beschlüsse des Gerichts, die Vorschriften der §§ 312, 317 auf Beschlüsse des Gerichts und aus Verfügungen des Vorsitzenden, sowie eines beauftragten oder ersuchten Richters entsprechende Anwendung. Nicht verkündete Beschlüffe des Gerichts und nicht verkündete Ver­ fügungen des Vorsitzenden und eines beauftragten oder ersuchten Richters sind den Parteien von Amtswegen zuzustellen. Dritter Titel.

Versäumnißurtheil. § 330. Erscheint der Kläger im Termine zur mündlichen Ver­ handlung nicht, so ist auf Antrag das Versäumnißurtheil dahin zu erlassen, daß der Kläger mit der Klage abzuweisen sei. 8 331. Beantragt der Kläger gegen den im Termine zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten das Versäumnißurtheil, so ist das thatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzu­ nehmen. Soweit dasselbe den Klaganträg rechtfertigt, ist nach dem Anträge zu erkennen; soweit dies nicht der Fall, ist die Klage abzuweisen.

8 332. Als Verhandlungstermine im Sinne der vorstehenden Paragraphen sind auch diejenigen Termine anzusehen, auf welche die mündliche Verhandlung vertagt ist, oder welche zur Fortsetzung derselben vor oder nach dem Erlaffe eines Beweisbeschlusses bestimmt find.

8 333. Als nicht erschienen ist auch diejenige Partei anzusehen, welche in dem Termine zwar erscheint, aber nicht verhandelt. § 334. Wenn eine Partei in dem Termine verhandelt, sich jedoch über Thatsachen, Urkunden oder Eideszuschiebungen nicht erklärt, so finden die Vorschriften dieses Titels keine Anwendung.

K 335. Der Antrag auf Erlassung eines Versäumnißurtheil? «st zurückzuweisen, unbeschadet des Rechts der erschienenen Partei, die Ver­ tagung der mündlichen Verhandlung zu beantragen:

Zweites Buch.

Verfahren in erster Instanz.

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1. wenn die erschienene Partei die vom Gerichte wegen eines von Amts­ wegen zu berücksichtigenden Umstandes erforderte Nachweisung nicht zu beschaffen vermag; 2. wenn die nicht erschienene Partei nicht ordnungsmäßig, insbesondere nicht rechtzeitig geladen war; 3. wenn der nicht erschienenen Partei ein thatsächliches mündliches Vor­ bringen oder ein Antrag nicht rechtzeitig mittels Schriftsatzes mit­ getheilt war. Wird die Verhandlung vertagt, so ist die nicht erschienene Partei zu dem neuen Termine zu laden.

§ 336. Gegen den Beschluß, durch welchen' der Antrag aus Erlassung des Versäumnißurtheils zurückgewiesen wird, findet sofortige Beschwerde statt. Wird der Beschluß aufgehoben, so ist die nicht erschienene Partei zu dem neuen Termine nicht zu laden. 8 337. Das Gericht kann von Amtswegen die Verhandlung über den Antrag auf Erlassung des Versäumnißurtheils vertagen, wenn es dafür hält, daß die von dem Vorsitzenden bestimmte Einlassungs- oder Ladungs­ frist zu kurz bemessen, oder daß die Partei durch Naturereignisse oder durch andere unabwendbare Zufälle am Erscheinen verhindert worden sei. Die nicht erschienene Partei ist zu dem neuen Termine zu laden.

§ 338. Der Partei, gegen welche ein Versäumnißurtheil erlassen ist, steht gegen dasselbe der Einspruch zu.

§ 339. Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen; sie ist eine Nothfrist und beginnt mit der Zustellung des Versäumnißurtheils. Muß die Zustellung im Ausland oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, so hat das Gericht die Einspruchsfrist im Versäumnißurtheile oder nachträglich durch besonderen Beschluß, welcher ohne vorgängige mündliche Verhandlung erlaßen werden kann, zu bestimmen. 8 346» Schriftsatzes.

Die Einlegung des Einspruchs erfolgt durch Zustellung eines Derselbe muß enthalten:

1. die Bezeichnung des Urtheils, gegen welches der Einspruch gerichtet wird; 2. die Erklärung, daß gegen dieses Urtheil Einspruch eingelegt werde; 3. die Ladung des Gegners zur mündlichen Verhandlung über dir

Hauptsache. Der Schriftsatz soll zugleich dasjenige enthalten, was zur Vorbereikun der Verhandlung über die Hauptsache erforderlich ist.

8 341. Das Gericht hat von Amtswegen zu prüfen, ob der Einspruch an sich statthaft und ob er in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sei. Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, so ist der Einspruch als unzulässig zu verwerfen. 8 342. Ist der Einspruch zulässig, so wird der Prozeß in die Lage zurückversetzt, in welcher er sich vor Eintritt der Versäumniß befand. 8 343. Insoweit die Entscheidung, welche auf Grund der neuen Verhandlung zu erlassen ist, mit der in dem Versäumnißurtheil enthaltenen 81*

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VI Civilprozeßordnung

Entscheidung übereinstimmt, ist auszusprechen, daß diese Entscheidung auf­ recht zu erhalten sei. Insoweit diese Voraussetzung nicht zutrifft, wirb

das Versäumnißurtheil in dem neuen Urtheil aufgehoben. K 344. Ist das Versäumnißurtheil in gesetzlicher Weise ergangen, so sind die durch die Versäumniß veranlaßten Kosten, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind, der säumigen Partei auch dann aufzuerlegen, wenn in Folge des Einspruchs eine abändernde Entscheidung erlaffen wird. K 345. Einer Partei, die den Einspruch eingelegt hat, aber in der zur mündlichen. Verhandlung bestimmten Sitzung oder in derjenigen Sitzung, auf welche die Verhandlung vertagt ist, nicht erscheint oder nicht zur Hauptsache verhandelt, steht gegen das Versäumnißurtheil, durch welches der Einspruch verworfen wird, ein weiterer Einspruch nicht zu.

§ 346. In Betreff des Verzichts auf den Einspruch und der Zurücknahme desselben finden die Vorschriften über den Verzicht auf die Berufung und über die Zurücknahme derselben entsprechende Anwendung. § 347. Die Vorschriften dieses Titels finden auf daß Verfahren, welches eine Widerklage oder die Bestimmung des Betrags eines dem Grunde nach bereits festgestellten Anspruchs zum Gegenstände hat, ent­ sprechende Anwendung. War ein Termin lediglich zur Verhandlung über einen Zwifchenstreit bestimmt, so beschränkt sich das Versüumnißverfahren und das Versäumniß­ urtheil auf die Erledigung dieses Zwischenstreits. Die Vorschriften dieses Titels finden entsprechende Anwendung.

vierter Titel.

Vorbereitendes Verfahren in «echmngssachen, AnSeivandersetznager und ähnlichen Prozessen. K 348. Stellt sich in Prozessen, welche die Richtigkeit einer Rechnung, eine Vermögensauseinandersetzung oder ähnliche Verhältnisse zum Gegenstände haben, eine erhebliche Zahl von streitigen Ansprüchen oder von streitigen Erinnerungen gegen eine Rechnung oder gegen ein Inventar heraus, so kann das Prozeßgericht em vorbereitendes Verfahren vor einem beauftragten Richter anordnen.

K 349. Bei der Verkündung des Beschluffes, durch welchen das vorbereitende Verfahren angeordnet wird, ist durch den Vorsitzenden der beauftragte Richter zu bezeichnen und der Termin zur Erledigung des Beschluffes zu bestimmen. Ist die Terminsbestimmung unterblieben, so er­ folgt sie durch den beauftragten Richter; wird dieser verhindert, den Auftrag zu vollziehen, so ernennt der Vorsitzende ein anderes Mitglied. § 350. zustellen :

In dem vorbereitenden Verfahren ist zu Protokoll fest­

Zweites Buch.

Verfahren in erster Instanz.

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1. welche Ansprüche erhoben und welche Angriffs- und Vertheidigungsm ittel geltend gemacht werden; 2. welche Ansprüche und welche Angriffs- und Vertheidigungsmittel streitig oder unstreitig find; Z. in Ansehung der bestrittenen Ansprüche und der bestrittenen Angriffs­ und Vertheidigungsmittel das Sachverhältniß nebst den von den Parteien bezeichneten Beweismitteln, den geltend gemachten Beweis­ einreden, den abgegebenen Erklärungen über Beweismittel und Beweis­ einreden und den gestellten Anträgen. Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, welche zur Anwendung kommen würden, wenn der Rechtsstreit vor einem Amtsgerichte anhängig wäre; dasselbe ist fortzusetzen, bis der Rechtsstreit selbst oder ein Zwischenstreit zur Erlaffung eines Urtheils oder eines Beweisbeschlufses reif erscheint.

§ 351, Erscheint eine Partei in einem Termine vor dem beauftragten Richter nicht, so hat dieser das Vorbringen der erschienenen Partei in Gemäßheit der Bestimmungen des vorstehenden Paragraphen zu Protokoll sestzustellen und einen neuen Termin anzuberaumen. Die nicht erschienene Partei ist zu dem neuen Termine unter Mittheilung einer Abschrift des Protokolls zu laden. Erscheint die Partei auch in dem neuen Termine nicht, so gelten die in Sem zugestellten Protokolle enthaltenen thatsächlichen Behauptungen des Gegners als zugestanden und ist das vorbereitende Verfahren bezüglich der­ selben nicht weiter fortzusetzen. K 352. Nach dem Schluffe des vorbereitenden Verfahrens ist der Termin zur müMichen Verhandlung vor dem Prozeßgerichte von Amts wegen zu bestimmen und den Parteien bekannt zu machen.

§ 353. Bei der mündlichen Verhandlung haben die Parteien das Ergebniß des vorbereitenden Verfahrens auf Grund des Protokolls vorzutragen. Ist eine Partei nicht erschienen, so sind Ansprüche, welche sich in dem vorbereitenden Verfahren als unstreitig ergeben haben, durch Theil­ urtheil zu erledigen. Im Uebrigen ist auf Antrag ein Versäumnißurtheil zu. erlassen. § 354. Eine vor dem beauftragten Richter unterbliebene oder verweigerte Erklärung über Thatsachen, Urkunden oder Eideszuschiebungen kann in der mündlichen Verhandlung nicht mehr nachgeholt werden Erklärungen einer vor dem beauftragten Richter erschienenen Partei sind nur insoweit als unterblieben anzusehen, als die Partei von dem Richter zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert worden ist. Ansprüche, Angriffs- und Vertheidigungsmittel, Beweismittel und Deweiseinreden, welche zum Protokolle des beauftragten Richters nicht festgestellt find, können in der mündlichen Verhandlung nur geltend gemacht werden, wenn glaubhaft gemacht wird, daß dieselben erst später entstanden oder der Partei bekannt geworden seien.

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VI. Civilprozeßordnung.

Sünster Titel.

Allgemeine Bestimmungen über die BeweiSauftahme. § 355. Die Beweisaufnahme erfolgt vor dem Prozeßgerichte. Sie ist nur in den durch dieses Gesetz bestimmten Fällen einem Mitglieds des Prozeßgerichts oder einem anderen Gerichte zu übertragen. Eine Anfechtung des Beschlusses, durch welchen die eine oder die andere Art der Beweisaufnahme angeordnet wird, findet nicht statt.

K 356. Steht der Aufnahme des Beweises ein Hinderniß von ungewisser Dauer entgegen, so ist auf Antrag eine Frist zu bestimmen, nach deren fruchtlosem Ablaufe das Beweismittel nur benutzt werden kann, wenn dadurch das Verfahren nicht verzögert wird. § 357* zuwohnen.

Den Parteien ist gestattet,

der

Beweisaufnahme

bei­

§ 358. Erfordert die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren, so ist dasselbe durch Beweisbeschluß anzuordnen. § 359. Der Beweisbeschluß enthält: 1. die Bezeichnung der streitigen Thatsachen, über welche der Beweis zu erheben ist; 2. die Bezeichnung der Beweismittel unter Benennung der zu ver­ nehmenden Zeugen und Sachverständigen; 3. die Bezeichnung der Partei, welche sich zum Nachweise oder zur Widerlegung thatsächlicher Behauptungen auf das Beweismittel be­ rufen hat; 4. die Eidesnorm, wenn die Abnahme eines zugeschobenen oder zurückgeschobtznen Eides angeordnet wird.

K 360. Vor Erledigung des Beweisbeschlusses kann von keiner Partei eine Aenderung desselben auf Grund der früheren Verhandlungen beantragt werdm.

U 361. Soll die Beweisaufnahme durch ein Mitglied des Prozeß­ gerichts erfolgen, so wird bei der Verkündung des Beweisbeschlusses durch den Vorsitzenden der beauftragte Richter bezeichnet und der Termin zur Beweisaufnahme bestimmt. Ist die Terminsbestimmung unterblieben, so erfolgt sie durch den beauftragten Richter; wird derselbe verhindert, den Auftrag zu vollziehen, so ernennt der Vorsitzende ein anderes Mitglied.

K 362. Soll die Beweisaufnahme durch ein anderes Gericht erfolgen, so ist das Ersuchungsschreiben von dem Vorsitzenden zu erlassen. Die auf die Beweisaufnahme sich beziehenden Verhandlungen werden in Urschrift von dem ersuchten Richter dem Gerichtsschreiber des Prozeß­ gerichts übersendet, welcher die Parteien von dem Eingänge benachrichtigt. § 363. Soll die Beweisaufnahme im Ausland erfolgen, so hat der Vorsitzende die zuständige. Behörde um Aufnahme des Beweises zu ersuchen.

Zweites Buch.

Verfahren in erster Instanz.

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Kann die Beweisaufnahme durch einen Reichskonsul erfolgen, so ist das Ersuchen an diesen zu richten.

§ 364. Wird eine ausländische Behörde ersucht, den Beweis auf­ zunehmen, so kann das Gericht anordnen, daß der Beweisführer das Ersuchungsschreiben zu besorgen und die Erledigung des Ersuchens zu betreiben habe. Das Gericht kann sich auf die Anordnung beschränken, daß der Beweisführer eine den Gesetzen des fremden Staates entsprechende öffentliche Urkunde über die Beweisaufnahme beizubringen habe. In beiden Fällen ist in dem Beweisbeschlusse eine Frist zu be­ stimmen, binnen welcher von dem Beweisführer die Urkunde auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen ist. Nach fruchtlosem Ablaufe dieser Frist kann die Urkunde nur benutzt werden, wenn dadurch das Verfahren nicht verzögert wird. Der Beweisführer hat den Gegner, wenn möglich, von dem Orte und der Zeit der Beweisaufnahme so zeitig in Kenntniß zu setzen, daß derselbe seine Rechte in geeigneter Weise wahrzunehmen vermag. Ist die Benachrichtigung unterblieben, so hat das Gericht zu ermessen, ob und inwieweit der Beweisführer zur Benutzung der Beweisverhandlung be­ rechtigt sei.

§ 365. Der beauftragte oder ersuchte Richter ist ermächtigt, falls sich später Gründe ergeben, welche die Beweisaufnahme durch ein anderes Gericht sachgemäß erscheinen lassen, dieses Gericht um die Aufnahme des Beweises zu ersuchen. Die Parteien sind von dieser Verfügung in Kenntniß zu setzen. § 366. Erhebt sich bei der Beweisaufnahme vor einem beauf­ tragten oder ersuchten Richter ein Streit, von desien Erledigung die Fort­ setzung der Beweisaufnahme abhängig und zu deffen Entscheidung der Richter nicht berechtigt ist, so erfolgt die Erledigung durch das Prozeßgericht. Der Termin zur mündlichen Verhandlung über den Zwischenstreit ist von Amtswegen zu bestimmen und den Parteien bekannt zu machen.

§ 367. Erscheint eine Partei oder erscheinen beide Parteien in dem Termine zur Beweisaufnahme nicht, so ist die Beweisaufnahme gleich­ wohl insoweit zu bewirken, als dies nach Lage der Sache geschehen kann. Eine nachträgliche Beweisaufnahme oder eine Vervollständigung der Beweisaufnahme ist bis zum-Schluffe derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil ergeht, auf Antrag anzuordnen, wenn das Ver­ fahren dadurch nicht verzögert wird oder wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie ohne ihr Verschulden außer Stande gewesen sei, in dem früheren Termine zu erscheinen, und im Falle des Antrags auf Vervollständigung, daß durch ihr Nichterscheinen eine wesentliche Unvollständigkeit der Beweis ausnahme veranlaßt sei. § 368. Wird ein neuer Termin zur Beweisaufnahme oder zur Fortsetzung derselben erforderlich, so ist dieser Termin, auch wenn der Beweisführer oder beide Parteien in dem früheren Termine nicht erschienen waren, von Amtswegen zu bestimmen.

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VI. Zivilprozeßordnung.

§ 389. Entspricht die von einer ausländischen Behörde vorgenommene Beweisaufnahme den für das Prozeßgericht geltenden Gesetzen, so kann daraus, daß sie nach den ausländischen Gesetzen mangelhaft ist, kein Ein­ wand entnommen werden. § 370.

Erfolgt die Beweisaufnahme vor dem Prozeßgerichte, so

ist der Termin, in welchem die Beweisaufnahme stattfindet, zugleich zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestimmt.

In dem Beweisbeschlufse, welcher anordnet, daß die Beweisaufnahme vor einem beauftragten oder ersuchten Richter erfolgen solle, kann zugleich der Termin zur Forschung der mündlichen Verhandlung vor dem Prozeß­ gerichte .bestimmt werden. Ist dies nicht geschehen, so wird nach Be­ endigung der Beweisaufnahme dieser Termin von Amtswegen bestimmt und den Parteien bekannt gemacht.

Sechster Titel.

Velvets durch Augenschkill. § 371.

Die Antretung des Beweises durch Augenschein erfolgt

durch die Bezeichnung des Gegenstandes des Augenscheins und durch die Angabe der zu beweisenden Thatsachen.

K 372. Das Prozeßgericht kann anordnen, daß bei der Ein­ nahme des Augenscheins ein oder mehrere Sachverständige zuzuziehen seien. Es kann einem Mitgliede des Prozeßgerichts oder einem anderen Gerichte die Einnahme des Augenscheins übertragen, auch die Ernennung der zuzuziehenden Sachverständigen überlasten.

Siebenter Titel.

Zellgenbeweis. 5 373. Die Antretung des Zeugenbeweises erfolgt durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Thatsachen, über welche die Vemehmung der Zeugen stattfinden soll.

§ 374. Die Vernehmung neuer Zeugen, welche nach Erlassung eines Beweisbeschlustes bezüglich der in demselben bezeichneten streitigen Thatsachen benannt werden, ist auf Antrag zurückzuweisen, wenn durch die Vemehmung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und das Gericht die Ueberzeugung gewinnt, daß die Partei in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit die Zeugen nicht früher benannt hat. § 375. Die Aufnahme des Zeugenbeweises kann einem Mitgliede des Prozeßgerichts oder einem anderen Gericht übertragen werden:

Zweites Buch.

Verfahren in erster Instanz.

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1. wenn zur Ausmittelung der Wahrheit die Vernehmung des Zeugen an Ort und Stelle dienlich erscheint; 2. wenn die Beweisaufnahme vor dem Prozeßgericht erheblichen Schwierig­ keiten unterliegen würde; 3. wenn der Zeuge verhindert ist, vor dem Prozeßgerichte zu erscheinen; 4. wenn der Zeuge in großer Entfernung von dem Sitze des Prozeß­ gerichts sich aufhält.

Die Landesherren und die Mitglieder der landesherrlichen Familien sowie die Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern sind durch ein Mitglied des Prozeßgerichts oder durch ein anderes Gericht in ihrer Wohnung zu vernehmen. Das Gleiche gilt in Ansehung der Mitglieder des vornialigen Hannoverschen Königshauses, des vormaligen Kurhessischen und des vormaligen Herzoglich Naffauischen Fürstenhauses.

§ 376. Oeffentliche Beamte, auch wenn sie nicht mehr im Dienste sind, dürfen über Umstände, aus welche sich ihre Pflicht zur Amtsver­ schwiegenheit bezieht, als Zeugen nur mit Genehmigung ihrer vorgesetzten Dienstbehörde oder der ihnen zuletzt vorgesetzt gewesenen Dienstbehörde ver­ nommen werden. Für den Reichskanzler bedarf es der Genehmigung des Kaisers, für die Minister der Genehmigung des Landesherrn, für die Mit­ glieder der Senate der freien Hansestädte der Genehmigung des Senats. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die Ablegung des Zeugnisses dem Wohle des Reichs oder eines Bundesstaates Rachtheil be­

reiten würde. Die Genehmigung ist durch das Prozeßgericht einzuholen und dem Zeugen bekannt zu machen.

§ 377. Die Ladung der Zeugen ist von dem Gerichtsschreiber unter Bezugnahme auf den Beweisbeschluß auszufertigen und von Amts­ wegen zuzustellen. Die Ladung muß enthalten:

1. die Bezeichnung der Parteien; 2. den Gegenstand der Vernehmung; 3. die Anweisung, zur Ablegung des Zeugniffes bei Vermeidung der durch das Gesetz angedrohten Strafen in dem nach Zeit und Ort zu bezeichnenden Termine zu erscheinen.

$ 378. Die Ladung einer dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörenden Person des Soldatenstandes als Zeuge erfolgt durch daS Ersuchen der Militärbehörde. § 379. Das Gericht kann die Ladung davon abhängig machen, daß der Beweisführer einen Vorschuß zur Deckung der Staatskasse wegen der durch die Vernehmung des Zeugen erwachsenden Auslagen hinterlegt. Erfolgt die Hinterlegung nicht binnen der bestimmten Frist, so unter­ bleibt die Ladung, wenn die Hinterlegung nicht so zeitig nachgeholt wird, daß die Vernehmung ohne Verzögerung des Verfahrens erfolgen kann.

§ 380. Ein ordnungsmäßig geladener Zeuge, welcher nicht er­ scheint, ist, ohne daß es eines Antrags bedarf, in die durch das Aus-

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VI. Civilprozeßordnung.

bleiben verursachten Kosten sowie zu einer Geldstrafe bis zu dreihundert Mark und für den Fall, daß diese nicht beigetrieben werden kann, zur Strafe der Haft bis zu sechs Wochen zu verurtheilen. Im Falle wiederholten Ausbleibens ist die Strafe noch einmal zu erkennen, auch kann die zwangsweise Vorführung des Zeugen angeordnet werden. Gegen diese Beschlüße findet die Beschwerde statt. Die Festsetzung und die Vollstreckung der Strafe gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Militärperson erfolgt auf Er­ suchen durch das Mllitärgericht, die Vorführung einer solchen Person durch Ersuchen der Militärbehörde. § 381. Die Verurtheilung in Strafe und Kosten sowie die Anvrdnung der zwangsweisen Vorführung unterbleiben, wenn das Ausbleiben des Zeugen genügend entschuldigt ist. Erfolgt nachträglich genügende Ent­ schuldigung, so werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen wieder aufgehoben. Die Anzeigen und Gesuche des Zeugen können schriftlich oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers oder mündlich in dem zur Vernehmung bestimmten neuen Termine angebracht werden.

§ 382. Der Reichskanzler, die Minister eines Bundesstaates, die Mitglieder der Senate der freien Hansestädte, die Vorstände der obersten Reichsbehörden und die Vorstände der Ministerien find an ihrem Amts­ sitze oder, wenn sie sich außerhalb desselben aufhalten, an ihrem Auf­ enthaltsorte zu vernehmen. Die Mitglieder des Bundesraths sind während ihres Aufenthalts am Sitze des Bundesraths an diesem Sitze, die Mitglieder einer deutschen gesetzgebenden Versammlung während der Sitzungsperiode und ihres Auf­ enthalts am Orte der Versammlung an diesem Orte zu vernehmen. Zu einer Abweichung von den vorstehenden Bestimmungen bedarf es: in Betreff des Reichskanzlers der Genehmigung des Kaisers, in Betreff der Minister und der Mitglieder des Bundesraths der Genehmigung des Landesherrn, in Betreff der Mitglieder der Senate der freien Hansestädte der Genehmigung des Senats, in Betreff der übrigen vorbezeichneten Beamten der Genehmigung ihres unmittelbaren Vorgesetzten, in Betreff der Mitglieder einer gesetzgebenden Versammlung der Genehmigung.der letzteren. § 383. Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt: 1. der Verlobte einer Partei; 2. der Ehegatte einer Partei, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; 3. diejenigen, welche mit einer Partei in gerader Linie verwandt, ver­ schwägert oder durch Adoption verbunden, oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade ver­ schwägert find, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschast begründet ist, nicht mehr besteht; 4. Geistliche in Ansehung desjenigen, was ihnen bei der Ausübung der Seelsorge anvertraut ist;

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Verfahren in erster Instanz.

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5. Personen, welchm kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes That­ sachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch die Natur derselben oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der Thatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht. Die unter Nr. 1 — 3 bezeichneten Personen sind vor der Vernehmung über ihr Recht zur Verweigerung des Zeugnisses zu belehren. Die Vernehmung der Nr. 4, 5 bezeichneten Personen ist, auch wenn das Zeugniß nicht verweigert wird, auf Thatsachen nicht zu richten, in Ansehung welcher erhellt, daß ohne Verletzung der Verpflichtung zur Verschwiegenheit ein Zeugniß nicht abgelegt werden kann.

§ 384. Das Zeugniß kann verweigert werden: 1. über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer Person, zu welcher derselbe in einem der im § 383 Nr. 1—3 bezeichneten Verhältnisse steht, einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde; 2. über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einem der im § 383 Nr. 1—3 bezeichneten Angehörigen desselben zur Unehre ge­ reichen oder die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung zuziehen würde; 3. über Fragen, welche der Zeuge nicht würde beantworten können, ohne ein Kunst- oder Gewerbegeheimniß zu offenbaren.

§ 385. In den Fällen des § 883 Nr. 1 — 3 und des § 384 Nr. 1 darf der Zeuge das Zeugniß nicht verweigern: 1. über die Errichtung und den Inhalt eines Rechtsgeschäfts, bei dessen Errichtung er als Zeuge zugezogen war; 2. über Geburten, Verheiratungen oder Sterbefälle von Familiengliedern; 3. über Thatsachen, welche die durch das Familienverhältniß bedingten Vermögensangelegenheiten betreffen; 4. über diejenigen auf das streitige Rechtsverhältniß sich beziehenden Handlungen, welche von ihm selbst als Rechtsvorgänger oder Vertreter einer Partei vorgenommen sein sollen. Die im 8 383 Nr. 4, 5 bezeichneten Personen dürfen das Zeugniß nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind.

§ 386. Der Zeuge, welcher das Zeugniß verweigert, hat vor dem zu seiner Vernehmung bestimmten Termine schriftlich oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers oder in diesem Termine die Thatsachen, auf welche er die Weigerung gründet, anzugeben und glaubhaft zu machen. Zur Glaubhaftmachung genügt in den Fällen des § 383 Nr. 4, 5 die mit Berufung auf einen geleisteten Diensteid abgegebene Versicherung. Hat der Zeuge seine Weigerung schriftlich oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers erklärt,, so ist er nicht verpflichtet, in dem zu seiner Vernehmung bestimmten Termine zu erscheinen. Von dem Eingänge einer Erklärung des Zeugen oder von der Aufnahme einer solchen zum Protokolle hat der Gerichtsschreiber die Parteien zu benachrichtigen.

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VI. Civilprozetzordnung.

8 387* Ueber die Rechtmäßigkeit der Weigerung wird von dem Prozeßgerichte nach Anhörung der Parteien entschieden. Der Zeuge ist nicht verpflichtet, sich durch einen Anwalt vertreten zu lassen. Gegen daS Zwischenurtheil findet sofortige Beschwerde statt. 8 388. Hat der Zeuge seine Weigerung schriftlich oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers erklärt und ist er in dem Termine nicht erschienm, so hat auf Grund seiner Erklärungen ein Mitglied des Prozeßgerichts Bericht zu erstatten.

8 389. Erfolgt die Weigerung vor einem beauftragten oder er­ suchten Richter, so sind die Erklärungen des Zeugen, wenn sie nicht schriftlich odtzr zum Protokolle des Gerichtsschreibers abgegeben sind, nebst den Erklärungen der Parteien in das Protokoll aufzunehmen. Zur mündlichen Verhandlung vor dem Prozeßgerichte werden der Zeuge und' die Parteien von Amtswegen geladen. Auf Grund der von dem Zeugen und den Parteien abgegebenen Erklärungen hat ein Mitglied des ProzeßgeÄchts Bericht zu erstatten. Nach dem Bortrage des Berichterstatters können der Zeuge und die Parteien zur Begründung ihrer Anträge das Wort nehmen; neue Thatsachen oder Beweismittel dürfen nicht geltend gemacht werden. 8 390. Wird das Zeugniß oder die Eidesleistung ohne Angabe eines Grundes oder, nachdem der vorgeschützte Grund rechtskräftig für unerheblich erklärt ist, verweigert, so ist der Zeuge, ohne daß es eines Antrags bedarf, in die durch die Weigerung verursachten Kosten sowie zu einer Geldstrafe bis zu dreihundert Mark und für den Fall, daß diese nicht beigetrieben werden kann, zur Strafe der Haft bis zu sechs Wochen zu verurtheilen. Im Falle wiederholter Weigerung ist auf Antrag zur Erzwingung des Zeugnisses die Haft anzuordnen, jedoch nicht über den Zeitpunkt der Beendigung des Prozesses in der Instanz hinaus. Die Vorschriften über die Hast im Zwangsvollstreckungsverfahren finden entsprechende Anwendung. Gegen diese Beschlüsse findet die Beschwerde statt. Die Festsetzung und die Vollstreckung der Strafe gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende. Militärperson erfolgt auf Ersuchen durch das Militärgericht. 8 391.

Jeder Zeuge ist einzeln und vor seiner Vernehmung zu

beeidigen; die Beeidigung kann jedoch aus besonderen Gründen, namentlich wenn Bedenken gegen ihre Zulässigkeit obwalten, bis nach Abschluß der Vernehmung äusgesetzt werden. Die Parteien können auf die Beeidigung verzichten.

8 392. Der vor der Vemehmung zu leistende Eid lautet: daß Zeuge nach bestem Wissen die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde; der nach der Vernehmung zu leistende Eid lautet: daß Zeuge nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt, nichts verschwiegen und nichts hinzugesetzt habe.

Aweiks Buch.

Verfahren in erster Instanz.

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§ 393, Unbeeidigt sind zu vernehmen: 1. Personen, welche zur Zeit der Vernehmung das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet oder wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen Verstandesschwäche von dem Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben; 2. Personen, welche nach den Bestimmungen der Strafgesetze unfähig sind, als Zeugen eidlich vernommen zu werden; 3. die nach § 383 Nr. 1—3 und § 384 Nr. 1, 2 zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, sofern sie von diesem Rechte keinen Gebrauch machen, die int § 384 Nr. 1, 2 bezeichneten Personen jedoch nur dann, wenn sie lediglich über solche Thatsachen vorgeschlagen sind, auf welche sich das Recht zur Verweigerung des Zeugnisses bezieht; 4. Personen, welche bei dem Ausgange des Rechtsstreits unmittelbar betheiligt sind. Das Prozeßgericht kann die nachträgliche Beeidigung' der unter den beiden letzten Nummern bezeichneten Personen anordnen. § 394. Jeder Zeuge ist einzeln und in Abwesenheit der später abzuhörenden Zeugen zu vernehmen. Zeugen, deren Aussagen sich widersprechen, können einander gegenüber gestellt werden. § 395. Die Vernehmung beginnt damit, daß der Zeuge über Vornamen und Zunamen, Alter, Religionsbekenntniß, Stand oder Gewerbe und Wohnort befragt wird. Erforderlichenfalls sind ihm Fragen über solche Umstände, welche seine Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Sache betreffen, insbesondere über feine Beziehungen zu den Parteien vorzulegen. § 396. Der Zeuge ist zu veranlassen, dasjenige,. was ihm von dem Gegenstände seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhänge an­ zugeben. Zur Aufklärung und zur Vervollständigung der Aussage, sowie zur Erforschung des Grundes, auf welchem die Wiffenschast des Zeugen beruht, sind nöthigenfalls weitere Fragen zu stellen. Der Vorsitzende hat jedem Mitgliede des Gerichts auf Verlangen zu gestatten, Fragen zu stellen. § 397. Die Parteien sind berechtigt, dem Zeugen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, welche sie zur Aufklärung der Sache oder der Verhältnisse des Zeugen für dienlich erachten. Der Vorsitzende kann den Parteien gestatten, und hat ihren An­ wälten auf Verlangen zu gestatten, an den Zeugen unmittelbar Fragen zu richten. Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet das Gericht.

§ 398. Das Prozeßgericht kann nach seinem Ermessen die wieder­ holte Vernehmung eines Zeugen anordnen. Hat ein beauftragter oder ersuchter Richter bei der Vernehmung die Stellung der von einer Partei angeregten Frage verweigert, so kann das Prozeßgericht die nachträgliche Vernehmung des Zeugen über diese Frage anordnen.

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VI. Civilprozebordnung.

Bei der wiederholten oder der nachträglichen Vernehnnmg kann der Richter statt der nochmaligen Beeidigung den Zeugen die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid versichern lasten.

§ 399. Die Partei kann auf einen Zeugen, welchen sie vor­ geschlagen hat, verzichten, der Gegner kann aber verlangen, daß der er­ schienene Zeuge vernommen und, wenn die Vernehmung bereits begonnen hat, daß dieselbe fortgesetzt werde.

§ 400. Der mit der Beweisaufnahme betraute Richter ist ermächtiA, im Falle deS Nichterscheinens oder der Zeugnißverweigerung die gesetzlichen Verfügungen zu treffen, auch dieselben, soweit dieses überhaupt zulässig ist, selbst nach Erledigung des Auftrags wieder aufzuheben, über die Zulässigkeit einer dem Zeugen vorgelegten Frage vorläufig zu entscheiden und die nochmalige Vernehmung eines Zeugen vorzunehmen.

8 401. Jeder Zeuge hat nach Maßgabe der Gebührenordnung auf Entschädigung für Zeitversäumniß und, wenn sein Erscheinen eine Reise erforderlich macht, auf Erstattung der Kosten Anspruch, welche durch die Reise und den Aufenthalt am Orte der Vernehmung verursacht werden.

Achter Titel,

Beweis durch Sachverständige. 8 402. Auf den Beweis durch Sachverständige finden die Vor­ schriften über den Beweis durch Zeugen entsprechende Anwendung, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Bestimmungen ent­ halten find.

8 403.

Die Antretung des Beweises erfolgt durch die Bezeichnung

der zu begutachtenden Punkte.

8 404. Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt durch das Prozeßgericht. Dasselbe kann sich auf die Ernennung eines einzigen Sachverständigen beschränken. Es kann an Stelle der zuerst ernannten Sachverständigen andere ernennen. Sind für gewiffe Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es erfordern. Das Gericht kann die Parteien auffordern, Personen zu bezeichnen, welche geeignet sind, als Sachverständige vernommen zu werden. Einigen- sich die Parteien über bestimmte Personen als Sachver­ ständige, so hat das Gericht dieser Einigung Folge zu geben; das Gericht kann jedoch die Wahl der Parteien auf eine bestimmte Anzahl beschränken. 8 405. Das Prozeßgericht kann den mit der Beweisaufnahme betrauten Richter zur Ernennung der Sachverständigen ermächtigen. Der­ selbe hat in diesem Falle die in dem vorstehenden Paragraphen dem Prozeßgerichte beigelegten Befugnisse auszuüben.

Zweites Buch.

Verfahren in erster Instanz.

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§ 406. Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, welche zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ab­ lehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, daß der Sach­ verständige als Zeuge vernommen worden ist. Das Ablehnungsgesuch ist bei demjenigen Gericht oder Richter, von welchem die Ernennung des Sachverständigen erfolgt ist, vor der Ver­ nehmung desselben, bei schriftlicher Begutachtung vor erfolgter Einreichung des Gutachtens anzubringen. Nach diesem Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, daß der Ablehnungsgrund vorher nicht geltend gemacht werden konnte. Das Ablehnungsgesuch kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden.

Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eidesstatt darf die Partei nicht zugelassen werden. Die Entscheidung erfolgt von beut im zweiten Absätze bezeichneten Gericht oder Richter; eine vorgängige mündliche Verhandlung der Be­ theiligten ist nicht erforderlich.

Gegen den Beschluß, durch welchen die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel; gegen den Beschluß, durch welchen dieselbe für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

§ 407. Der zum Sachverständigen Ernannte hat der Ernennung Folge zu leisten, wenn er zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wenn er die Wiffenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntniß Voraussetzung der Begutachtung ist, öffentlich zum Erwerbe ausübt oder wenn er zur Ausübung derselben öffentlich bestellt oder ermächtigt ist.

Zur Erstattung des Gutachtens ist auch derjenige verpflichtet, welcher sich zu derselben vor Gericht bereit erklärt hat. § 408. Dieselben Gründe, welche einen Zeugen berechtigen, das Zeugniß zu verweigern, berechtigen einen Sachverständigen zur Verweigerung des Gutachtens. Das Gericht kann auch aus anderen Gründen einen Sachverständigen von der Verpflichtung zur Erstattung des Gutachtens entbinden.

Die Vernehmung eines öffentlichen Beamten als Sachverständigen findet nicht statt, wenn die vorgesetzte Behörde des Beamten erklärt, daß die Vernehmung den dienstlichen Interessen Nachtheile bereiten würde. § 409. Im Falle des Nichterscheinens oder der Weigerung eines zur Erstattung des Gutachtens verpflichteten Sachverständigen wird dieser zum Ersätze der Kosten und zu einer Geldstrafe bis zu dreihundert Mark verurtheilt. Im Falle wiederholten Ungehorsams kann noch einmal eine Geldstrafe bis zu sechshundert Mark erkannt werden.

Gegen den Beschluß findet Beschwerde statt. Die Festsetzung und die Vollstreckung der Strafe gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Militärperson erfolgt auf Ersuchen durch das Militärgericht.

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VI. Civilprozeßordnung.

§ 410. Der Sachverständige hat, wenn nicht beide Parteien auf seine Beeidigung verzichten, vor Erstattung des Gutachtens einen Eid dahin zu leisten: daß er das von ihm geforderte Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstatten werde. Ist der Sachverständige für die Erstattung von Gutachten der betreffenden Art im Allgemeinen beeidigt, so genügt die Berufung aus den geleisteten Eid. 8 411. Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, so hat der Sachverständige das von ihm unterschriebene Gutachten auf der Gerichts­ schreiberei niederzulegen. Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit derselbe das schriftliche Gutachten erläutere. 8 412. Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, tottm es das Gutachten für ungenügend erachtet. Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sach­ verständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.

8 418. Der Sachverständige hat nach Maßgabe der Gebühren­ ordnung auf Entschädigung für Zeitversäumniß, auf Erstattung der ihm verursachten Kosten und außerdem auf angemeffene Vergütung seiner Mühe­ waltung Anspruch. 8 414. Insoweit zum Beweise vergangener Thatsachen oder Zustände, zur deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war, sach­ kundige Personen zu vernehmen sind, kommen die Vorschriften über den Zeugenbeweis zur Anwendung.

Kennte» Diel. Netzeis durch UrkllRden.

8 415. Urkunden, welche von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugniffe oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form ausgenommen sind (öffentliche Urkunden), begründen, wenn sie über eine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet sind, vollen Beweis des durch die Behörde oder die Urkundsperson beurkundeten Vorganges. Der Beweis, daß der Vorgang unrichtig beurkundet sei, ist zuläffig. 8 416. Privaturkundcn begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, daß die in denselben enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

Zweites Buch

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Verfahren in erster Instanz.

§ 417. Die von einer Behörde ausgestellten, eine amtliche An­ ordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltenden öffentlichen Urkunden begründen vollen Beweis ihres Inhalts. § 418. Oeffentliche Urkunden, welche einen anderen als den in den 88 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Thatsachen. Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Thatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

Beruht das Zeugniß nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so findet die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann Anwendung, wenn sich aus den Landesgesetzen ergiebt, daß die Beweis­ kraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

§ 419. Inwiefern Durchstreichungen, Radirungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde ganz oder theilweise aufheben oder mindern, entscheidet das Gericht nach freier Ueber­ zeugung.

§ 420.

Die Antretung des Beweises erfolgt durch die Vorlegung

der Ur'unde.

§ 421. Befindet sich die Urkunde nach der Behauptung des Beweis­ führers in den Händen des Gegners, so erfolgt die Antretung des Beweises durch den Antrag, dem Gegner die Vorlegung der Urkunde aufzugeben. § 422. Der Gegner ist zur Vorlegung der Urkunde verpflichtet, wenn der Beweisführer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Herausgabe oder die Vorlegung der Urkunde verlangen kann. K 423. Der Gegner ist auch zur Vorlegung derjenigen in seinen Händen befindlichen Urkunden verpflichtet, auf welche er im Prozeffe zur Beweisführung Bezug genommen hat, selbst wenn dieses nur in einem vorbereitenden Schriftsätze geschehen ist.

§ 424.

Ter Antrag soll enthalten:

1. die Bezeichnung der Urkunde; 2. die Bezeichnung der Thatsachen, welche durch die Urkunde bewiesen werden sollen; 3. die möglichst vollständige Bezeichnung des Inhalts der Urkunde; 4. die Angabe der Umstände, auf welche die Behauptung sich stützt, daß die Uihmbe sich in dem Besitze des Gegners befindet; 5. die Bezeichnung des Grundes, welcher die Verpflichtung zur Vorlegung der Urkunde ergiebt. Der Grund ist glaubhaft zu machen.

8 425. Erachtet das Gericht die Thatsache, welche durch die Urkunde bewiesen werden soll, für erheblich und den Antrag für begründet, so ordnet es, wenn der Gegner zugesteht, daß die Urkunde sich in seinen Händen befinde, oder wenn der Gegner sich über den Antrag nicht erllärt, die Vorlegung der Urkunde an. Bürgerliches Gesetzbuch und 8 »)engesetze>

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VI. Civilprozeßordnung.

§ 426. Bestreitet der Gegner, daß die Urkunde Besitze befinde, so hat er einen Eid dahin zu leisten:

sich in seinem

daß er nach sorgfältiger Nachforschung die Ueberzeugung erlangt habe, daß die Urkunde in seinem Besitze sich nicht befinde, daß er die Urkunde nicht in der Absicht abhanden gebracht habe, deren Benutzung dem Beweisführer zu entziehen, daß er auch nicht wisie, wo die Urkunde sich befinde.

Das Gericht kann eine der Lage der Sache entsprechende Aenderung der vorstehenden Eidesnorm beschließen. Auf die Leistung des Eides durch Streitgenossen, gesetzliche Vertreter und die im § 473 Abs. 2, 3 bezeichneten Personen finden die Vorschriften der 88 472—474 entsprechende Anwendung. Hat eine öffentliche Behörde Urkunden vorzulegen, so wird der Eid von dem Beamten geleistet, welchem die Verwahrung der Urkunden über­ tragen ist.

K 427. Kommt der Gegner der Anordnung, die Urkunde vorzulezen oder den Eid zu leisten, nicht nach, so ist, wenn der Beweisführer eine Abschrift der Urkunde beigebracht hat, diese Abschrift als richtig anzusehen. Ist eine Abschrift der Urkunde nicht beigebracht, so können die Behauptungen des Beweisführers über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde als bewiesen angenommen werden.

§ 428. Befindet sich die Urkunde nach der Behauptung des Beweis­ führers in den Händen eines Dritten, so erfolgt die Antretung des Beweises durch den Antrag, zur Herbeischaffung der Urkunde eine Frist zu bestimmen. § 429. Der Dritte ist aus denselben Gründen wie der Gegner des Beweisführers zur Vorlegung einer Urkunde verpflichtet; er kann zur Vorlegung nur im Wege der Klage genöthigt werden. § 430. Zur Begründung des nach § 428 zu stellenden Antrags hat der Beweisführer den Erfordernissen des § 424 Nr. 1—3, 5 zu genügen und außerdem glaubhaft' zu machen, daß die Urkunde sich in den Händen des Dritten befinde. § 431. Ist die Thatsache, welche durch die Urkunde bewiesen werden soll, erheblich, und der Antrag den Bestimmungen des vor­ stehenden Paragraphen entsprechend, so hat das Gericht eine Frist zur Vorlegung der Urkunde in einem von dem Beweisführer zu erwirkenden Termine zu bestimmen. Der Gegner kann die Fortsetzung des Verfahrens vor dem Ablaufe der Frist beantragen, wenn die Klage gegen den Dritten erledigt ist oder wenn der Beweisführer die Erhebung der Klage oder die Betreibung des Prozeffes oder der Zwangsvollstreckung verzögert.

K 432. Befindet sich die Urkunde nach der Behauptung des Beweisführers in den Händen einer öffentlichen Behörde oder eines öffentlichen Beamten, so erfolgt die Antretung des Beweises durch den Antrag, die Behörde oder den Beamten um die Mittheilung der Urkunde zu ersuchen.

Zweites Buch

Verfahren in erster Instanz.

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Diese Vorschrift findet auf Urkunden, welche die Parteien nach den gesetzlichen Vorschriften ohne Mitwirkung des Gerichts zu beschaffen im Stande sind, keine Anwendung. Verweigert die Behörde oder der Beamte die Mittheilung der Urkunde in Fällen, in welchen eine Verpflichtung zur Vorlegung auf § 422 gestützt wird, so finden die Bestimmungen der §§ 428—431 Anwendung.

§ 433. Wird nach Erlassung eines Beweisbeschlusses über die in demselben bezeichneten streitigen Thatsachen Beweis in Gemäßheit der §§ 428, 432 angetreten, so ist die Beweisantretung auf Antrag zurück­ zuweisen, wenn durch das zur Herbeischaffung der Urkunden erforderliche Verfahren die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und das Gericht die Ueberzeugung gewinnt, daß die Partei in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit den Beweis nicht früher angetreten hat. § 434. Wenn die Vorlegung einer Urkunde bei der mündlichen Verhandlung wegen erheblicher Hindernisse nicht erfolgen kann oder wegen der Wichtigkeit der Urkunde und der Besorgniß des Verlustes oder der Beschädigung bedenklich erscheint, so kann das Prozeßgericht anordnen, daß die Vorlegung vor einem seiner Mitglieder oder vor einem anderen Gerichte geschehe.

§ 435. Eine öffentliche Urkunde kann in Urschrift oder in einer beglaubigten Abschrift, welche hinsichtlich der Beglaubigung die Erfordernisse einer öffentlichen Urkunde an sich trägt, vorgelegt werden; das Gericht kann jedoch anordnen, daß der Beweisführer die Urschrift vorlege oder die Thatsachen angebe und glaubhaft mache, welche ihn an der Vorlegung der Urschrift verhindern. Bleibt die Anordnung erfolglos, so entscheidet das Gericht nach freier Ueberzeugung, welche Beweiskraft der beglaubigten Abschrift beizulegen sei. § 436. Urkunde nur verzichten.

Der Beweisführer kann nach erfolgter Vorlegung einer mit Zustimmung des Gegners auf dieses Beweismittel

§ 437. Urkunden, welche nach Form und Inhalt als von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person errichtet sich darstellen, haben die Vermuthung der Echtheit für sich. Das Gericht kann, wenn es die Echtheit für zweifelhaft hält, auch von Amtswegen die Behörde oder die Person, von welcher die Urkunde errichtet sein soll, zu einer Erklärung über die Echtheit veranlassen. § 438. Ob eine Urkunde, welche als von einer ausländischen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person des Auslandes errichtet sich darstellt, ohne näheren Nachweis als echt anzusehen sei, hat das Gericht nach den Umständen des Falles zu ermessen. Zum Beweise der Echtheit einer solchen Urkunde genügt die Legalisation durch einen Konsul oder Gesandten des Reichs. § 439. Ueber die Echtheit einer Privaturkunde hat sich der Gegner des Beweisführers nach Vorschrift des § 138 zu erklären. 32*

500

VI Civilprozeßordnung.

Befindet sich unter der Urkunde eine Namensunterschrift, so ist die Erklärung auf die Echtheit der Unterschrift zu richten. Erfolgt die Erklärung nicht, so ist die Urkunde als anerkannt an­ zusehen, wenn nicht die Absicht, die Echtheit bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

§ 440» Die Echtheit einer nicht anerkannten Privaturkunde ist zu beweisen. Steht die Echtheit der Namensuüterschrift fest oder ist das unter einer Urkunde befindliche Handzeichen gerichtlich oder notariell beglaubigt, so hat die über der Unterschrift oder dem Handzeichen stehende Schrift die Vermuthung der Echtheit für sich. § 441. Der Beweis der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde kann auch durch Schriftvergleichung geführt werden. In diesem Falle hat der Beweisführer zur Vergleichung geeignete Schriften vorzulegen oder deren Mittheilung in Gemäßheit der Bestimmung des § 432 zu beantragen und erforderlichen Falls den Beweis der Echtheit derselben anzutreten. Befinden fich zur Vergleichung geeignete Schriften in den Händen des Gegners, so ist dieser auf Antrag des Beweisführers zur Vorlegung verpflichtet. Die Bestimmungen der §§ 421—426 finden entsprechende Anwendung. Kommt der Gegner der Anordnung, die zur Vergleichung geeigneten Schriften vorzulegen oder den im § 426 bestimmten Eid zu leisten, nicht nach, so gilt der Echtheitsbeweis als geführt. Macht der Beweisführer glaubhaft, daß in den Händen eines Dritten geeignete Vergleichungsschriften sich befinden, deren Vorlegung er im Wege der Klage zu erwirken im Stande sei, so finden die Vorschriften des § 431 entsprechende Anwendung. § 442. Ueber das Ergebniß der Schristvergleichung hat das Gericht nach freier Ueberzeugung, geeigneten Falls nach Anhörung von Sachverständigen zu entscheiden.

K 443. Urkunden, deren Echtheit bestritten ist oder deren Inhalt verändert sein soll, werden bis zur Erledigung des Rechtsstreits auf der Gerichtsschreiberei verwahrt, sofern nicht ihre Auslieferung an eine andere Behörde im Jntereffe der öffentlichen Ordnung erforderlich ist.

8 444. Ist eine Urkunde von einer Partei in der Absicht, deren Benutzung dem Gegner zu entziehen, beseitigt oder zur Benutzung un­ tauglich gemacht, so können die Behauptungen des Gegners über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde als bewiesen angesehen werden. Schnier Titel.

Beweis durch Cid. 8 445. Die Eideszuschiebung ist nur über Thatsachen zulässig, welche in Handlungen des Gegners, seiner Rechtsvorgänger oder Vertreter bestehen oder welche Gegenstand der Wahrnehmung dieser Personen gewesen sind.

Zweites Buch

Verfahren in erster Instanz.

501

§ 446. Die Eideszuschiebung über eine Thatsache, deren Gegen­ theil das Gericht für erwiesen erachtet, ist unzulässig. § 447. Eine nicht beweispflichtige Partei übernimmt durch Eides­ zuschiebung nicht die Beweispflicht. § 448. Die Zurückschiebung des Eides ist nur insofern zulässig, als nach den Bestimmungen des § 445 die Zuschiebung desselben zulässig sein würde. Sie findet nicht statt, wenn die Partei, welcher der Eid zugeschoben ist, nicht aber die Gegenpartei über ihre eigene Handlung oder Wahr­ nehmung zu schwören haben würde. § 449. Der Eid kann nur der Partei, nicht einem Dritten zugeschoben oder zurückgeschoben werden. Die Zuschiebung oder Zurück­ schiebung an einen Nebenintervenienten findet nur statt, wenn dieser als Streitgenofle der Hauptpartei anzusehen ist (§ 69). § 450. Das Gericht kann anordnen, daß die in den §§ 445, 448, 449 enthaltenen Beschränkungen für die Zuschiebung und Zurück­ schiebung des Eides nicht zur Anwendung kommen sollen, wenn die Parteien in Betreff des zu leistenden Eides einig sind und der Eid sich auf That­ sachen bezieht. K 451. Die Antretung des Beweises erfolgt durch die Erklärung, daß dem Gegner über die bestimmt zu bezeichnende Thatsache der Eid zugeschoben werde. K 452. Die Partei, welcher der Eid zugeschoben ist, hat sich zu erklären, ob sie den Eid annehme oder zurückschiebe, selbst wenn sie Einwendungen in Beziehung auf die Eideszuschiebung vorbringt. Giebt die Partei keine Erklärung ab oder schiebt sie in einem Falle, in welchem die Zurückschiebung unzulässig ist, den Eid zurück, ohne den­ selben bedingt anzunehmen, so wird der Eid als verweigert angesehen.

§ 453. Durch die Zuschiebung, Annahme oder Zurückschiebung des Eides wird die Geltendmachung anderer Beweismittel von Seiten der einen oder der anderen Partei nicht ausgeschloffen. Werden andere Beweismittel geltend gemacht, so gilt der Eid nur für. den Fall als zugeschoben, daß die Antretung des Beweises durch die anderen Beweismittel erfolglos bleibt. K 454. Werden andere Beweismittel gellend gemacht, so ist die Partei, welcher der Eid zugeschoben wurde, nicht verpflichtet, sich über die Eideszuschiebung früher zu erklären, als bis die Eideszuschiebung nach Aufnahme oder sonstiger Erledigung der anderen Beweismittel wiederholt ist. Sind andere Beweise ausgenommen, so kann die vorher abgegebene Erklärung widerrufen werden.

§ 455. Wegen unterbliebener Erklärung auf eine Eidesznschiebung kann der Eid nur dann als verweigert angesehen werden, wenn die Partei durch das Gericht zur Erklärung über den Eid aufgefordert ist.

502

VI Civilprozeßordnung.

§ 456, Der zurückgeschobene Eid gilt auch ohne ausdrückliche Er­ klärung über die Annahme als von dem Beweisführer angenommen. § 457. Die Zuruckschiebung des Eides kann außer dem Falle des § 454 Abs. 2 widerrufen werden, wenn der Schwurpflichtige wegen wissentlicher Verletzung der Eidespflicht rechtskräftig verurtheilt oder wenn glaubhaft gemacht wird, daß der Gegner erst nach erfolgter Zurückschiebung des Eides von einer solchen Verurtheilung Kenntniß erlangt habe.

§ 458. Die Annahme oder Zurückschiebung des Eides kann außer den Fällen des § 454 Abs. 2 und des § 457 nicht widerrufen werden. § 459. Ueber eine Thatsache, welche in einer Handlung des Schwurpflichtigen besteht oder Gegenstand seiner Wahrnehmung gewesen ist, wird der Eid dahin geleistet: daß die Thatsache wahr oder nicht wahr sei. Ist eine solche Thatsache vom Gegner des Schwurpflichtigen be­ hauptet und kann dem letzteren nach den Umständen des Falles nicht zugemuthet werden, daß er die Wahrheit oder Nichtwahrheit derselben beschwöre, so kann das Gericht auf Antrag die Leistung des EideS dahin anordnen: daß der Schwurpflichtige nach sorgfältiger Prüfung und Er­ kundigung die Ueberzeugung erlangt habe, daß die Thatsache wahr oder nicht wahr sei. Ueber andere Thatsachen wird der Eid dahin geleistet: daß der Schwurpflichtige nach sorgfältiger Prüfung und Er­ kundigung die Ueberzeugung erlangt oder nicht erlangt habe, daß die Thatsache wahr sei. § 460. Auf die Leistung eines Eides ist durch bedingtes Endurtheil zu erkennen. Die Eidesleistung erfolgt erst nach Eintritt der Rechtskraft dcS Urtheils. § 461. Sind die Parteien über die Erheblichkeit und die Norm des Eides einverstanden oder dient der Eid zur Erledigung eines Zwischen­ streits, so kann die Leistung des Eides durch Beweisbeschluß angeordnet werden. Hängt die Entscheidung über einzelne selbständige Angriffs- und Vertheidigungsmittel von der Leistung eines Eides ab, so kann die Leistung des Eides durch Beweisbeschluß angeordnet oder auf dieselbe durch bedingtes Zwischenurtheil erkannt werden. In dem letzteren Falle erfolgt die Eides­ leistung nur dann, wenn durch bedingtes Endurtheil rechtskräftig erkannt ist, daß es auf dieselbe für die Endentscheidung des Rechtsstreits noch ankomme.

§ 462. In dem bedingten Urtheil ist die Eidesnorm und die Folge sowohl der Leistung als der Nichtleistung des Eides so genau, als die Lage der Sache dies gestattet, festzustellen. Der Eintritt dieser Folge wird durch Endurtheil ausgesprochen.

Zweites Buch.

Verfahren in erster Instanz.

503

§ 463. Durch Leistung des Eides wird voller Beweis der be­ schworenen Thatsache begründet. Der Beweis des Gegentheils findet nur unter denselben Voraus­ setzungen statt, unter welchen ein rechtskräftiges Urtheil wegen Verletzung der Eidespflicht angefochten werden kann. § 464. Die Erlassung des Eides von Seiten des Gegners hat dieselbe Wirkung, wie die Leistung des Eides. Die Verweigerung der Eidesleistung hat zur Folge, daß das Gegen­ theil der zu beschwörenden Thatsache als voll bewiesen gilt. § 465. Erscheint der Schwurpflichtige in dem zu Eidesleistung bestimmten Termine nicht, so ist auf Antrag der Eid als verweigert an­ zusehen und zur Hauptsache zu verhandeln.

§ 466. Der Schwurpflichtige kann die Folge der Versäumung des zur Eidesleistung bestimmten Termins dadurch beseitigen, daß er nachträglich bei dem Gerichte die Abnahme des Eides beantragt. Der Antrag ist nur innerhalb der Nothsrist von einer Woche nach dem Termine zulässig; er kann zum Protokolle des Gerichtsschreibers erfolgen. § 467. Gilt der Eid in Folge der Versäumung des Termins als verweigert, so ist, falls auf die Verhandlung in der Hauptsache ein Urtheil oder ein Beweisbeschluß ergeht, diese Entscheidung in einem besonderen, über eine Woche hinaus anzusetzenden Termine zu verkünden; für den Fall, daß die Abnahme des Eides rechtzeitig beantragt wird, ist der Termin zur Eidesleistung und zur weiteren mündlichen Verhandlung bestimmt. Hat die Verhandlung die Erlassung eines Urtheils oder eines Beweisbeschluffes nicht zur Folge, so ist, wenn die Abnahme des Eides rechtzeitig beantragt wird, der nächste Termin zur mündlichen Verhandlung auch zur Eidesleistung bestimmt. Ist die Abnahme des Eides einem Mitgliede des Prozeßgerichts oder einem anderen Gericht übertragen, so ist, wenn der Schwurpflichtige in dem Termine nicht erscheint, jedoch innerhalb der Nothfrist die Abnahme des Eides beantragt, zu diesem Zwecke ein neuer Termin anzuberaumen.

§ 468. Erscheint der Schwurpflichtige auch in dem zweiten zur Eidesleistung bestimmten Termine nicht, so ist ein nochmaliger Antrag auf Abnahme des Eides nicht zulässig. § «469. Der Schwurpflichtige, welcher frühere Behauptungen zurück­ nimmt oder früher bestrittene Thatsachen zugesteht, kann sich zur Leistung eines beschränkten Eides erbieten, selbst wenn der Eid bereits durch bedingtes Urtheil auferlegt ist. Auch können unerhebliche Umstände, welche in die Eidesnorm ausgenommen sind, berichtigt werden. § 470. Ist der Eid durch bedingtes Urtheil auferlegt, so kann auch nach Eintritt der Rechtskraft, die Zuschiebung sowie die Zurückschiebung des Eides widerrufen werden, wenn der Schwurpflichtige wegen wissentlicher Verletzung der Eidespflicht rechtskräftig verurtheilt oder wenn glaubhaft gemacht wird, daß der Gegner erst nach erfolgter Zuschiebung oder Zurück­ schiebung des Eides von einer solchen Verurtheilung Kenntniß erlangt habe.

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VI Civilprozetzordnung.

§ 471. Wenn der Schwurpflichtige stirbt, wenn er zur Leistung des Eides unfähig wird oder wenn er aufhört gesetzlicher Vertreter zu sein, so können beide Parteien in Ansehung der betreffenden Beweisführung alle Rechte ausüben, welche ihnen vor der Zuschiebung des Eides zustanden. Dasselbe gilt, wenn in Folge der Verurtheilung des Schwurpflichtigen wegen wissentlicher Verletzung der Eidespflicht die Zuschiebung oder Zurück­ schiebung des Eides widerrufen wird. Ist der Eid durch bedingtes Urtheil auferlegt, so wird unter Auf­ hebung des Urtheils in der Sache anderweit erkannt. § 472. Der Eid über eine Thatsache, welche für ein allen Streit­ genossen gegenüber nur einheitlich festzustellendes Rechtsverhältniß von Einluß ist, muß alleü Streitgenoffen zugeschoben oder zurückgeschoben werden, öfer'n nicht rücksichtlich einzelner Streitgenossen die Zuschiebung oder Zurückchiebung unzulässig ist. In jedem Falle bedarf es zur Zuschiebung oder zur Zurückschiebung der übereinstimmenden Erklärung aller Streitgenoffen. Ueber die Annahme des Eides haben sich nur diejenigen Streitgenoffen zu erklären, welchen der Eid zugeschoben ist. Ist der von allen oder von einigen Streitgenossen zu leistende Eid von einem oder mehreren derselben, oder ist der von einem Theile der Streit­ genoffen zu leistende Eid von allen Schwurpflichtigen verweigert oder als von ihnen verweigert anzusehen, so entscheidet das Gericht nach freier Ueber­ zeugung, ob die Behauptung, deren Beweis durch Eideszuschiebung angetreten ist, für wahr zu erachten sei. Erklären einzelne Streitgenoffen, daß sie den Eid nicht leisten werden, sp ist in Ansehung der übrigen Streitgenoffen die Leistung des Eides nicht anzuordnen oder der Eid nicht abzunehmen, sofern das Gericht denselben für unerheblich erachtet. § 473. Ist eine Partei nicht prozeßsähig, so ist die Zuschiebung oder Zurückschiebung des Eides nur an ihren gesetzlichen Vertreter und nur insoweit zulässig, als die vertretene Partei, wenn sie den Prozeß in Person führte, oder der Vertreter, wenn er selbst Partei wäre, dieselbe zulaffen müßte. Minderjährigen, welche das sechzehnte Lebensjahr vollendet haben, owie Volljährigen, welche wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunkucht entmündigt sind, kann über Thatsachen, die in Handlungen derselben restehen oder Gegenstand ihrer Wahrnehmung gewesen sind, der Eid zu­ geschoben oder zurückgeschoben werden, sofern dies von dem Gericht auf Antrag des Gegners nach den Umständen des Falles für zulässig erklärt wird. Das Gleiche gilt von einer prozeßfähigen Partei, die in dem Rechtsstreite durch einen Pfleger vertreten wird. Auf Volljährige, welche unter vorläufige Vormundschaft gestellt sind, finden in Betreff der Zuschiebung oder Zurückschiebung des Eides diejenigen Vorschriften Anwendung, welche nach Abs. 1, 2 bei eingetretener Ent­ mündigung gelten.

§ 474. Sind mehrere gesetzliche Vertreter vorhanden, so finden die Vorschriften des § 472 entsprechende Anwendung. Betrifft der Eid die eigenen Handlungen oder Wahrnehmungen nur einiger oder eines der Vertreter, so ist er von den übrigen nicht zu leisten.

Zweites Buch. Verfahre» in erster Instanz.

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§ 475. Ist das Ergebniß der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreichend, um die Ueberzeugung des Gerichts von der Wahrheit oder Unwahrheit der zu erweisenden Thatsache zu begründen, so kann das Gericht der einen oder der anderen Partei über eine streitige Thatsache einen Eid auferlegen. § 476. Der richterliche Eid kann allen Streitgenossen oder gesetz­ lichen Vertretern, er kann einigen oder einem derselben auferlegt werden. § 477. Die Bestimmungen der §§ 457—471, 473 finden auf den richterlichen Eid entsprechende Anwendung. Ist der Schwurpflichtige wegen wissentlicher Verletzung der Eides­ pflicht rechtskräftig verurtheilt, so ist der Antrag des Gegners, den richter­ lichen Eid zurückzunehmen, gerechtfertigt, wenngleich der Gegner schon vor­ der Auferlegung des Eides von dieser Verurtheilung Kenntniß gehabt hat. Der richterliche Eid wird durch bedingtes Urtheil auferlegt.

Elfter Titel.

Verfahren bei der Abnahme von Eiden. § 478.

Der Eid

muß

von

dem

Schwurpflichtigen

in Person

geleistet werden.

§ 479. Das Prozeßgericht kann anordnen, daß die Eidesleistung vor einem seiner Mitglieder oder vor einem anderen Gericht erfolge, wenn der Schwurpflichtige am Erscheinen vor dem Prozeßgerichte verhindert ist oder in großer Entfernung von dem Sitze desselben sich aufhült. Die Eidesleistung der Landesherren und der Mitglieder der landes­ herrlichen Familien sowie der Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern erfolgt in der Wohnung derselben vor einem Mitgliede des Prozeßgerichts oder vor einem anderen Gerichte. Das Gleiche gilt in Ansehung der Mitglieder des vormaligen Hannoverschen Königshauses, des vormaligen Kurheffischen und des vormaligen Herzoglich Nassauischen Fürstenhauses. § 480. Vor der Leistung des Eides hat der Richter den Schwur­ pflichtigen in angemessener Weise auf die Bedeutung des Eides hinzuweisen. § 481.

Der Eid beginnt mit den Worten: „Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden" und schließt mit den Worten: „So wahr mir Gott helfe."

§ 482. Der Eid wird mittels Nachsprechens oder Ablesens der die Eidesnorm enthaltenden Eidesformel geleistet. Der Schwörende soll bei der Eidesleistung die rechte Hand erheben. Ist die Eidesnorm von großem Umfange, so genügt die Vorlesung der Eidesnorm und die Verweisung auf die letztere in der Eidesformel. Die Landesherren und die Mitglieder der landesherrlichen Familien sowie die Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern leisten den Eid mittels Unterschreibens der die Eidesnorm enthaltenden Eidesformel. Das

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VI Civilprozeßordnung.

Gleiche gilt in Ansehung der Mitglieder des vormaligen Hannoverschen Königshauses, des vormaligen Kurhessischen und des vormaligen Herzoglich Nassauischen Fürstenhauses.

§ 483. Stumme, welche schreiben können, leisten den Eid mittels Abschreibens und Unterschreibens der die Eidesnorm enthaltenden Eidesformel. Stumme, welche nicht schreiben können, leisten den Eid mit Hülse eines Dolmetschers durch Zeichen. § 484. Der Eidesleistung wird gleichgeachtet, wenn ein Mitglied einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesetz den Gebrauch gewisser Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, eine Erllärung unter der Betheuerungsformel dieser Religionsgesellschaft abgiebt.

Zwölfter Titel.

Sicherung des Beweises. § 485. Die Einnahme des Augenscheins und die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen kann zur Sicherung des Beweises erfolgen, wenn zu besorgen ist, daß das Beweismittel verloren oder die Benutzung desselben erschwert werde. § 486. Das Gesuch ist bei dem Gericht anzubringen, vor welchem der Rechtsstreit anhängig ist; es kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erllärt werden. In Fällen dringender Gefahr kann das Gesuch auch bei dem Amts­ gericht angebracht werden, in dessen Bezirke die zu vernehmenden Personen sich aufhalten oder der in Augenschein zu nehmende Gegenstand sich befindet. Bei dem bezeichneten Amtsgerichte muß das Gesuch angebracht werden, wenn der Rechtsstreit noch nicht anhängig ist.

§ 487. Das Gesuch muß enthalten: 1. die Bezeichnung des Gegners; 2. die Bezeichnung der Thatsachen, über welche

die Beweisaufnahme

erfolgen soll; 3. die Bezeichnung der Beweismittel unter Benennung der zu ver­ nehmenden Zeugen und Sachverständigen; 4. die Darlegung des Grundes, welcher die Besorgniß rechtfertigt, daß das Beweismittel verloren oder die Benutzung desselben erschwert werde.

Dieser Grund ist glaubhaft zu machen.

§ 488. Die Beweisaufnahme kann, auch ohne daß die Voraus­ setzungen des 8 485 vorliegen, beantragt werden, wenn Mängel einer Sache oder eines Werkes festzustellen sind, aus denen ein Recht gegen den Gegner hergeleitet werden soll, oder wenn der Zustand eines Gutes fest­ zustellen ist, für dessen Beweis ein Kommissionär, Spediteur, Lagerhalter oder Frachtführer zu sorgen verpflichtet ist. Hat der Erwerber einer Sache dem Veräußerer einen Mangel angezeigt oder die Annahme der Sache wegen Mangelhaftigkeit abgelehnt, so kann auch der Veräußerer die Beweisaufnahme nach Maßgabe des

Zweites Buch

Verfahren in erster Instanz

507

Abs. 1 beantragen. In gleicher Weise ist der Unternehmer eines Werkes zn dem Anträge berechtigt, wenn der Besteller ihm einen Mangel angezeigt oder die Abnahme des Werkes wegen Mangelhaftigkeit verweigert hat. § 489. Mit Zustimmung des Gegners kann die beantragte Beweis­ aufnahme angeordnet werden, auch wenn die Voraussetzungen des § 485 nicht vorliegen. § 490. Die Entscheidung über das Gesuch kann ohne öorgangtge mündliche Verhandlung erfolgen. In dem Beschlusse, durch welchen dem Gesuche stattgegeben wird, sind die Thatsachen, über welche der Beweis zu erheben ist, und tue Beweis­ mittel unter Benennung der zu vernehmenden Zeugen und Sachverständigen zu bezeichnen. Eine Anfechtung dieses Beschlusses findet nicht statt. § 491. Der Beweisführer ist verpflichtet, sofern es nach den Um­ ständen des Falles geschehen kann, unter Zustellung des Beschlusses und einer Abschrift des Gesuchs zu dem für die Beweisaufnahme bestimmten Termine den Gegner so zeitig zu laden, daß derselbe in diesem Termine seine Rechte wahrzunehmen vermag. Die Nichtbefolgung dieser Vorschrift steht der Beweisaufnahme nicht entgegen. § 492. Die Beweisaufnahme erfolgt nach den für die Aufnahme des betreffenden Beweismittels überhaupt geltenden Vorschriften. Das Protokoll über die Beweisaufnahme ist bei dem Gerichte, welches dieselbe angeordnet hat, aufzubewahren. § 493. Jede Partei hat das Recht, die Beweisverhandlungen in dem Prozesse zu benutzen. War der Gegner in dem Termine nicht erschienen, in welchem die Beweisaufnahme erfolgte, so ist der Beweisführer zur Benutzung der Beweis­ verhandlungen nur dann berechtigt, wenn der Gegner zu dem Termine recht­ zeitig geladen war oder wenn der Beweisführer glaubhaft macht, daß ohne sein Verschulden die Ladung unterblieben oder nicht rechtzeitig erfolgt sei. § 494. Wird von dem Beweisführer ein Gegner nicht bezeichnet, so ist das Gesuch nur dann zulässig, wenn der Beweisführer -glaubhaft macht, daß er ohne sein Verschulden außer Stande sei, den Gegner zu bezeichnen. Wird dem Gesuche stattgegeben, so kann das Gericht dem unbekannten Gegner zur Wahrnehmung seiner Rechte bei der Beweisaufimhme einen Vertreter bestellen.

Zweiter Abschnitt.

Verfahren vor den Amtsgerichten. § 495. Auf das Verfahren vor den Amtsgerichten finden die Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten Anwendung, soweit nicht aus den allgemeinen Bestimmungen des ersten Buchs, aus den nach­ folgenden besonderen Bestimmungen und aus der Verfassung der Amts gerichte sich Abweichungen ergeben.

508

VI. Civilprozeßordnung.

§ 496. Die Klage kann bet dem Gerichte schriftlich eingereicht oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers-angebracht werden.

H 497. Nach erfolgter Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung hat der Gerichtsschreiber für die Zustellung der Klage Sorge zu tragen, sofern nicht der Kläger in der Klageschrift oder dem Protokoll erklärt hat, dieses selbst thun zu wollen. § 498. Die Einlassungsfrist beträgt mindestens drei Tage, wenn die Zustellung im Bezirke des Prozeßgerichts; mindestens eine Woche, wenn sie außerhalb desselben, jedoch im Deutschen Reich erfolgt; in Meß- und Marktsachen mindestens vierundzwanzig Stunden. Ist die Zustellung im Auslande vorzunehmen, so hat das Gericht bei Festsetzung des Termins die Einlafsungsfrist zu bestimmen. § 499. Die Klage wird durch Zustellung der Klageschrift oder des die Klage enthaltenden Protokolls erhoben. § 500. An ordentlichen Gerichtstagen können die Parteien zur Verhandlung des Rechtsstreits ohne Ladung und Terminsbestimmung vor Gericht erscheinen. Die Erhebung der Klage erfolgt in diesem Falle durch den mündlichen Vortrag derselben. § 501. Die Vorschriften der 83 496, 497 finden entsprechende Anwendung, wenn eine Partei im Laufe des Rechtsstreits zu laden ist, insbesondere zur Verhandlung über einen Zwischenstreit, über den Antrag auf Berichtigung oder Ergänzung eines Urtheils, über den Einspruch, über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder über die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens, oder wenn eine Intervention oder Streitverkündung erfolgen oder wenn die Klage oder der Einspruch zurückgenominen werden soll. § 502. Auch wenn eine Partei nicht zu laden ist, können ihr Anträge und Erklärungen, auf welche sie ohne vorgängige Mittheilung voraussichtlich eine Erklärung in einer mündlichen Verhandlung nicht ab­ zugeben vermag, durch Zustellung eines Protokolls des Gerichtsschreibers mitgetheilt werden. Diese Mittheilung kann auch unmittelbar und ohne besondere Form geschehen.

§ 503. Bei der mündlichen Verhandlung hat das Gericht dahin zu wirken, daß die Parteien über alle erheblichen Thatsachen sich voll­ ständig erklären und die sachdienlichen Anträge stellen. K 504. Die Vorschrift, daß prozeßhindernde Einreden gleichzeitig und vor der Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen sind, findet nur insoweit Anwendung, als die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts vor der Verhandlung zur Hauptsache geltend zu machen ist. Ist das Amtsgericht sachlich unzuständig, so hat es vor der Ver­ handlung des Beklagten zur Hauptsache denselben auf die Unzuständig­ keit aufmerksam zu machen.

Zweites Buch

Verfahren in erster Instanz.

509

Auf Grund prozeßhindernder Einreden darf die Verhandlung zur Hauptsache nicht verweigert werden; das Gericht kann jedoch die abgesonderte Verhandlung über diese Einreden auch von Amtswegen anordnen.

§ 505, Wird die Unzuständigkeit des Gerichts auf Grund der Bestimmungen über die sachliche Zuständigkeit der Gerichte ausgesprochen, so ist zugleich auf Antrag des Klägers der Rechtsstreit an das Landgericht zu verweisen. Ist das Urtheil rechtskräftig, so gilt der Rechtsstreit als bei dem Landgerichte anhängig.

§ 506» Wird in einem bei dem Amtsgericht anhängigen Prozesse durch Widerklage oder durch Erweiterung des Klagantrags (§ 268 Nr. 2, 3) ein Anspruch erhoben, welcher zur Zuständigkeit der Landgerichte gehört, oder wird in Gemäßheit des § 280 die Feststellung eines Rechts­ verhältnisses beantragt, für welches die Landgerichte zuständig sind, so hat das Amtsgericht, sofern eine Partei vor weiterer Verhandlung zur Haupt­ sache darauf anträgt, durch Beschluß seine Unzuständigkeit auszusprechen und den Rechtsstreit an das Landgericht zu verweisen. Eine Anfechtung des Beschlusses, durch welchen dem Antrag ent­ sprochen wird, findet nicht statt; mit der Verkündung des Beschlusses gilt der Rechtsstreit als bei dem Landgericht anhängig. Die im Verfahren vor dem Amtsgericht erwachsenen Kosten werden als Theil der bei dem Landgericht erwachsenden Kosten behandelt. § 507« Wegen unterbliebener Erklärung ist eine Urkunde nur dann als anerkannt anzusehen, wenn die Partei durch das Gericht zur Erklärung über die Echtheit der Urkunde aufgesordert ist. § 508. Die Vorschriften des § 261 Abs. 2, des § 297 und der 348—354 finden auf das Verfahren vor den Amtsgerichten keine Anwendung. 88

§ 500. Anträge, sowie die Erklärungen über Annahme oder Zurückschiebung zugeschobener Eide sind durch das Sitzungsprotokoll fest­ zustellen; anstatt der Feststellung genügt die Bezugnahme auf den Inhalt eines vorbereitenden Schriftsatzes. Sonstige Erklärungen einer Partei, insbesondere Geständnisie, find durch das Protokoll insoweit festzustellen, alss das Gericht bei dem Schluffe der mündlichen Verhandlung die Feststellung für angemeffen erachtet. § 510. Wer eine Klage zu erheben beabsichtigt, kann unter An­ gabe des Gegenstandes seines Anspruchs zum Zwecke eines Sühneversuchs den Gegner vor das Amtsgericht laden, vor welchem dieser seinen all­ gemeinen Gerichtsstand hat. Erscheinen beide Parteien, und wird ein Vergleich geschlossen, so ist der­ selbe zu Protokoll festzustellen. Kommt ein Vergleich nicht zu Stande, so wird auf Antrag beider Parteien der Rechtsstreit sofort verhandelt; die Erhebung der Klage erfolgt in diesem Falle durch den mündlichen Vortrag derselben. Ist der Gegner nicht erschienen, oder der Sühneversuch erfolglos geblieben, so werden die erwachsenen Kosten als Theil der Kosten des Rechtsstreits behandelt.

510

VI. Civilprozeßordinmg.

Drille« Such.

Rechtsmittel. Erster Abschnitt.

Berufung. § 511. Die Berufung findet gegen die in erster Instanz erlassenen Endurtheile statt. § 512. Der Beurtheilung des Berufungsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, welche dem Endurtheile vorausgegangen sind, sofern nicht dieselben nach den Borschristen dieses Gesetzes unanfechtbar oder mit der Beschwerde anfechtbar sind. § 513. Ein Versäumnißurtheil kann von der Partei, gegen welche es erlassen ist, mit der Berufung nicht angefochten werden. Ein BersSumnißurtheil, gegen welches der Einspruch an sich nicht statthaft ist, unterliegt der Berufung insoweit, als dieselbe darauf gestützt wird, daß der Fall der Versäumung nicht vorgelegen habe. § 514. Die Wirksamkeit eines nach Erlassung des Urtheils erklärten Verzichts auf das Recht der Berufung ist nicht davon abhängig, daß der Gegner die Verzichtleistung angenommen hat.

§ 515. Die Zurücknahme der Berufung ist ohne Einwilligung des Berufungsbeklagten nur bis zum Beginne der mündlichen Verhandlung des Berufungsbeklagten zulässig. Die Zurücknahme erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Zustellung eines Schriftsatzes. Abschrift desselben ist sofort nach erfolgter Zustellung auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen. Die Zurücknahme hat den Verlust des Rechtsmittels und die Ver­ pflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Auf Antrag des Gegners sind diese Wirkungen durch Urtheil auszusprechen. § 516. Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Nothfrist und beginnt mit der Zustellung des Urtheils. Die Berufung kann gleichzeitig mit der Zustellung des Urtheils eingelegt werden. Die Einlegung vor Zustellung des Urtheils ist wirkungslos. § 517. Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urtheil in Gemäßheit des § 321 durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt, so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urtheil von neuem. Wird gegen beide Urtheile von derselben Partei Berufung eingelegt, so sind beide Berufungen mit einander zu verbinden.

Tuttes Buch

Rechtsmittel.

§ 518. Die Einlegung der Berufung erfolgt eines Schriftsatzes.

511 durch Zustellung

Derselbe muß enthalten:

1. die Bezeichnung des Urtheils, gegen welches die Berufung gerichtet wird; 2. die Erklärung, daß gegen dieses Urtheil Berufung eingelegt werde; 3. die Ladung des Berufungsbeklagten vor das Berufungsgericht zur mündlichen Verhandlung über die Berufung. Bei der Einreichung der Berufungsschrift zum Zwecke der Termins­ bestimmung soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urtheils, gegen welches die Berufung sich richtet, dem Berufungsgerichte vorgelegt werden.

§ 519. Die allgemeinen Bestimmungen über die vorbereitenden Schriftsätze finden auch auf die Berufungsschrift Anwendung. Als vorbereitender Schriftsatz soll die Berufungsschrift insbesondere enthalten: die Erklärung, inwieweit das Urtheil angefochten werde und welche Abänderungen desselben beantragt werden (Berufungsanträge), sowie die Angabe derjenigen neuen Thatsachen und Beweismittel, welche die Partei geltend zu machen beabsichtigt. § 520. In Betreff der Frist, welche zwischen der Zustellung der Berufungsschrift und dem Termine zur mündlichen Verhandlung liegen muß, finden die Vorschriften des § 262 entsprechende Anwendung.

§ 521. Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen, selbst wenn er auf die Berufung verzichtet hat oder wenn die Berufungs­ frist verstrichen ist. Die Vorschriften über die Anfechtung des Versäumnißurtheils durch Berufimg finden auch auf die Anfechtung desselben durch Anschließung Anwendung. § 522. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird. Hat der Berufungsbeklagte innerhalb der Berufungsfrist sich der erhobenen Berufung angeschlossen, so wird es so angesehen, als habe er die Berufung selbständig eingelegt. § 523. Auf das weitere Verfahren finden die in erster Instanz für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit nicht Abweichungen aus den Bestimmungen dieses Abschnitts sich ergeben. § 524. Die mündliche Verhandlung ist, wenn an dem für dieselbe bestimmten Tage die Berufungsfrist noch nicht verstrichen ist, auf Antrag des Berufungsbeklagten bis zum Ablaufe der Frist, und wenn der Berufungs­ beklagte gegen das Urtheil den Einspruch erhoben hat, auch von Amtswegen bis zur Erledigung des Einspruchs zu vertagen. § 525. Vor dem Berufungsgerichte wird der Rechtsstreit in den durch die Anträge bestimmten Grenzen von neuem verhandelt.

512

VI Civilprozetzordnung.

§ 526, Bei der mündlichen Verhandlung haben die Parteien das durch die Berufung angefochtene Urtheil sowie die dem Urtheile voraus­ gegangenen Entscheidungen nebst den Entscheidungsgründen und den Beweis­ verhandlungen insoweit vorzutragen, als dies zum Verständnisse der Berufungsanträge und zur Prüfung der Richtigkeit der angefochtenen Ent­ scheidung erforderlich ist. Im Falle der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Vortrags hat der Vorsitzende dessen Berichtigung oder Vervollständigung, nöthigenfalls unter Wiedereröffnung der Verhandlung zu veranlassen. 8 527. Eine Aenderung der Klage ist nur mit Einwilligung des Gegners statthaft. § 528. Prozeßhindernde Einreden, auf welche die Partei wirksam verzichten kann, dürfen nur geltend gemacht werden, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie ohne ihr Verschulden außer Stande gewesen sei, dieselben in erster Instanz vorzubringen. Das Gleiche gilt, wenn bei ver­ mögensrechtlichen Ansprüchen für die Klage ein ausschließlicher Gerichts­ stand begründet ist, von der Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts, sofern der Beklagte in erster Instanz zur Hauptsache mündlich verhandelt hat; eine Prüfung der Zuständigkeit von Amtswegen findet nicht statt. Die Verhandlung zur Hauptsache darf auf Grund prozeßhindernder Einreden nicht verweigert werden; das Gericht kann jedoch die abgesonderte Verhandlung über solche Einreden auch von Amtswegen anordnen. § 529. Die Parteien können Angriffs- und Vertheidigungsmittel, welche in erster Instanz nicht geltend gemacht sind, insbesondere neue That­ sachen und Beweismittel vorbringen. Neue Ansprüche dürfen, abgesehen von den Fällen des § 268 Nr. 2, 3, nur mit Einwilligung des Gegners erhoben werden. Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, so ist die hierauf gegründete Einwendung zurückzuweisen, wenn nicht der Kläger in die Geltendmachung einwilligt oder der Beklagte glaubhaft macht, daß er ohne sein Verschulden außer Stande gewesen ist, die Aufrechnung in erster Instanz geltend zu macheu. Im Falle der Zurückweisung finden die Vorschriften der §§ 540, 541 Anwendung. § 530. Die Verletzung einer das Verfahren erster Instanz betreffenden Vorschrift kann in der Berufungsinstanz nicht mehr gerügt werden, wenn in Gemäßheit der Bestimmung des § 295 die Partei das Rügerecht bereits in erster Instanz verloren hat.

K 531. Die in erster Instanz unterbliebenen oder verweigetten Erklärungen über Thatsachen, Urkunden und Eideszuschiebungen können in der Berufungsinstanz nachgeholt werden. 8 532. Das in erster Instanz abgelegte gerichtliche Geständniß behält seine Wirksamkeit auch für die Berufungsinstanz. 8 533. Die in erster Instanz erfolgte Annahme oder Zurück­ schiebung eines Eides behält ihre Wirksamkeit auch für die Berufungsinstanz.

Drittes Buch.

513

Rechtsmittel.

Dasselbe gilt von der Leistung, von der Verweigerung der Leistung imd von der Erlassung eines Eides, wenn die Entscheidung, durch welche die Leistung des Eides angeordnet ist, von dem Berufungsgerichte für gerechtfertigt erachtet wird. § 534. Ein nicht oder nicht unbedingt für vorläufig vollstreckbar erllärtes Urtheil erster Instanz ist, insoweit dasselbe durch die Berufungs­ anträge nicht angefochten wird, auf den im Laufe der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag von dem Berufungsgerichte für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Eine Anfechtung dieser Entscheidung findet nicht statt. K 535. Das Berufungsgericht hat von Amtswegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob fie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sei. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

§ 536. Das Urtheil erster Instanz darf nur insoweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist. § 537. Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung des Berufungsgerichts sind alle einen zuerkannten oder aberkannten Anspruch betreffenden Streitpunkte, über welche in Gemäßheit der Anträge eine Ver­ handlung und Entscheidung erforderlich ist, selbst wenn über diese Streit­ punkte in erster Instanz nicht verhandelt oder nicht enffchieden ist. Das Berufungsgericht hat ein von ihm erlassenes bedingtes Urtheil zu erledigen. Dasselbe kann ein in erster Instanz erlaffenes bedingtes Urtheil erledigen, wenn die Berufung zurückgewiesen ist. K 538. Das Berufungsgericht hat die Sache, insofern eine weitere Verhandlung derselben erforderlich ist, an das Gericht erster In­ stanz zurückzuverweisen: 1. wenn durch das angefochtene Urtheil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist; 2. wenn durch das angefochtene Urtheil nur über prozeßhindernde Ein­ reden enffchieden ist; 3. wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urtheil über den Grund des Anspruchs vorab enffchieden oder die Klage abgewiesen ist; 4. wenn das angefochtene Urtheil im Urkunden- oder Wechselprozesse unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist; 5. wenn das angefochtene Urtheil ein Versäumnißurtheil ist. Im Falle der Nr. 2 hat das Berufungsgericht die sämmtlichen prozeßhindernden Einreden zu erledigen.

§ 539. Leidet das Verfahren erster Instanz an einem wesent­ lichen Mangel, so kann das Berufungsgericht unter Aufhebung des Ur­ theils und des Verfahrens, soweit das letztere durch den Mangel betroffen wird, die Sache an das Gericht erster Instanz zurückverweisen.

§ 540. Werden nach Vorschrift des 8 279 Vertheidigungsmittel zurück­ gewiesen, so ist die Geltendmachung derselben dem Beklagtm vorzubehalten. Bürgerliche» Gesetzbuch und Nebengesetzt.

33

514

VI Civilprozeßordumig.

Enthält das Urtheil keinen Vorbehalt, so kann die Ergänzung des Urtheils nach Vorschrift des § 321 beantragt werden. Das Urtheil, welches unter Vorbehalt der Geltendmachung von Vertheidigungsmitteln ergeht, ist in Betreff der Rechtsmittel und der Zwangsvollstreckung als Endurtheil anzusehen.

§ 541, In Betreff der Vertheidigungsmittel, bereit Geltend­ machung dem Beklagten Vorbehalten ist, bleibt der Rechtsstreit in der, Berufungsinstanz anhängig. Insoweit sich in dem weiteren Verfahren ergiebt, daß der llagend geltend gemachte Anspruch unbegründet war, ist das fühere Urtheil aufzu­ heben, der Kläger mit dem Anspruch abzuweisen und auf Antrag zur Erstattung des von dem Beklagten auf Grund des Urtheils Gezahlten oder Geleisteten zu verurtheilen, sowie über die Kosten anderweit zu entscheiden. Die Erstattungspflicht des Klägers bestimmt sich nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Wird der Antrag gestellt, so ist der Anspruch auf Erstattung als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen; die mit der Rechtshängigkeit nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts verbundenen Wirkungen treten mit der Zahlung oder Leistung auch dann ein, wenn der Antrag nicht gestellt wird. 8 542. Die Vorschriften über das Versäumnißverfahren in erster Instanz finden entsprechende Anwendung. Beantragt der Berufungskläger gegen den im Termine zur münd­ lichen Verhandlung nicht erschienenen Berufungsbeklagten das Versäumnißurtheil, so ist, soweit das festgestellte Sachverhältniß nicht entgegensteht, das thatsächliche mündliche Vorbringen des Berufungsklägers für zugestanden zu erachten und in Ansehung einer zulässigerweise beantragten Beweisauf­ nahme anzunehmen, daß sie das in Aussicht gestellte Ergebniß gehabt habe. 8 543. Bei der Darstellung des Thatbestandes im Urtheil ist eine Bezugnahme auf das Urtheil voriger Instanz nicht ausgeschlossen. 8 544. Der Gerichtsschreiber des Berufungsgerichts hat inner­ halb vierundzwanzig Stunden, nachdem die Berufungsschrist zum Zwecke der Terminsbestimmung eingereicht ist, von dem Gerichtsschreiber des Gerichts erster Instanz die Nach Erledigung der des Gerichts erster Instanz Berufungsinstanz erlassenen

Prozeßakten einzufordern. Berufung sind die Akten dem Gerichtsschreiber nebst einer beglaubigten Abschrift des in der Urtheils zurückzusenden.

Zweiter Abschnitt.

Kebtsion.

8 545. Die Revision findet gegen die in der Berufungsinstanz von den Oberlaydesgerichten erlassenen Endurtheile statt. 8 546. In Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche ist die Zuläffigkeit der Revision durch einen den Betrag von fünfzehnhundert Mark übersteigenden Werth des Beschwerdegegenstandes bedingt.

Drittes Buch

Rechtsmittel.

515

In Betreff des Werths des Beschwerdegegcnstandes kommen die Vorschriften der §§ 3—9 zur Anwendung. Der Revifionskläger hat diesen Werth glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eidesstatt darf er nicht zugelassen werden.

§ 547. Ohne Rücksicht auf den Werth des Beschwerdegegenstandes findet die Revision statt: 1. insoweit es sich um die Unzuständigkeit des Gerichts oder die Un­ zulässigkeit des Rechtswegs oder die Unzuläffigkeit der Berufung handelt; 2. in den Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, für welche die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig sind.

§ 548. Der Beurtheilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, welche dem Endurtheile vorausgegangen find, sofern nicht dieselben nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar oder mit der Beschwerde anfechtbar sind.

K 549. Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf der Verletzung eines Reichsgesetzes oder eines Gesetzes, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus­ erstreckt, beruhe. K 550. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

§ 551. Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen: 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; 2. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, welcher von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hinderniß mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist; 3. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich derselbe wegen Besorgniß der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungs­ gesuch für begründet erklärt war; 4. wenn das Gericht seine Zuständigkeit oder Unzuständigkeit mit Unrecht angenommen hat; 5. wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat; 6. wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei welcher die Vorschriften über die Oeffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; 7. wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. § 552. Die Revisionsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Nothfrist und beginnt mit der Zustellung des Urtheils. Die Revision kann gleichzeitig mit der Zustellung des Urtheils ein­ gelegt werden. Die Einlegung vor Zustellung des Urtheils ist wirkungslos. 33*

516

VI. Civilprozeßordnung.

8 553. Die Einlegung der Revision eines Schriftsatzes. Derselbe muß enthalten:

erfolgt durch Zustellung

1. die Bezeichnung des Urtheils, gegen welches die Revision gerichtet wird; 2. die Erklärung, daß gegen dieses Urtheil die Revision eingelegt werde; 3. die Ladung des Revisionsbeklagten vor das Revifionsgericht zur mündlichen Verhandlung über die Revision.

Bei der Einreichung der Revisionsschrift zum Zwecke der Termins­ bestimmung soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urtheils, gegen welches die Revision sich richtet, dem Revisionsgerichte vorgelegt werden.

§ 554 Die allgemeinen Bestimmungen über die vorbereitenden Schriftsätze finden auch auf die Revisionsschrist Anwendung. Als vorbereitender Schriftsatz soll die Revisionsschrist insbesondere die Erklärung, inwieweit das Urtheil angefochten und dessen Aufhebung be­ antragt werde (Revisionsanträqe), und zur Begründung der Revisions­ anträge enthalten:

1. insoweit die Revision daraus gestützt wird, daß eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet sei, die Bezeichnung der Rechtsnorm; 2. insoweit die Revision darauf gestützt wird, daß das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Thatsachen, welche den Mangel ergeben; 3. insoweit die Revision darauf gestützt wird, daß unter Verletzung des Gesetzes Thatsachen festgestellt, übergangen oder als vorgebracht an­ genommen seien, die Bezeichnung dieser Thatsachen. In der Revisionsschrist soll ferner der Werth des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehmden Beschwerdegegenstandes angegeben werden, wenn die Zulässigkeit der Revision von diesem Werthe abhängt.

§ 555. In Betreff der Frist, welche zwischen der Zustellung der Revisionsschrist und dem Termine zur mündlichen Verhandlung liegen muß, finden die Vorschriften des § 262 entsprechende Anwendung.

K 556. Der Revisionsbeklagte kann sich der Revision anschließen. Aus diese Anfchließung finden die Vorschriften über die Anschließung des Berufungsbeklagten an die Berufung entsprechende Anwendung. Dem Revisionskläger sind die Revisionsanträge und bereit Begründung nach Maßgabe des § 554 mitzutheilen. 8 557. Auf das weitere Verfahren finden die in erster Instanz, für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit nicht Abweichungen aus den Bestimmungen dieses Abschnitts sich ergeben. 8 558. Die Verletzung einer das Verfahren der Berufungsinstanz betreffenden Vorschrift kann in der Revisionsinstanz nicht mehr gerügt werden, wenn in Gemäßheit der Bestimmung des § 295 die Partei das Rügerecht bereits in der Berufungsinstanz verloren hat.

Drittes Buch

Rechtsmittel.

517

K 559. Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Antrüge.

§ 560* Ein nicht oder nicht unbedingt für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urtheil des Berufungsgerichts ist, insoweit dasselbe durch die Revisionsanträge nicht angefochten wird, auf den im Laufe der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag von dem Revifionsgerichte für vorläufig vollstreckbar zu erküren. § 561. Für die Entscheidung des Revisionsgerichts sind die in dem angefochtenen Urtheile gerichtlich festgestellten Thatsachen maßgebend. Außer denselben können nur die im § 554 Nr. 2, 3 erwähnten Thatsachen berücksichtigt werden. K 562. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über das Bestehen itttb den Inhalt von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 549 nicht gestützt werden kann, ist für die auf die Revision ergehende Entscheidung maßgebend.

§ 563. Ergeben die Entscheidungsgrunde zwar eine Gesetzes^ Verletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen. K 564. Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urtheil aufzuheben. Erfolgt die Aufhebung des Urtheils wegen eines Mangels des Ver­ fahrens, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

§ 565. Im Falle der Aufhebung des Urtheils ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Senat des Berufungsgerichts erfolgen. Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurtheilung, welche der Aufhebung zu Grunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscherden:

1. wenn die Aufhebung des Urtheils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das sestgestellte Sachverhältniß erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist; 2. wenn die Aufhebung des Urtheils wegen Unzuständigkeit des Gerichts oder wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs erfolgt. Kommt in den Fällen der Nr. 1 und 2 für die in der Sache selbst zu erlaffende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 549 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

§ 566. Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnißurtheile, über die Verzichtleistung auf das

518

VI. Civilprozeßordnung.

Rechtsmittel und die Zurücknahme desselben, über die Vertagung der mündlichen Verhandlung, über die Verhandlung prozeßhindernder Ein­ reden, über die Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts und der Zulässigkeit des Rechtsmittels, über den Vortrag der Parteien bei der mündlichen Verhandlung und über die Einforderung und Zurücksendung der Prozeß­ akten finden auf die Revision entsprechende Anwendung.

Dritter Abschnitt.

Beschwerde. § 567. Das Rechtsmittel der Beschwerde findet in den in diesem Geseke besonders hervorgehobenen Fällen und gegen solche eine vorgängige mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen statt, durch welche ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen ist.

Gegen die in Betreff der Prozeßkosten erlaffenen Entscheidungen der Oberlandesgerichte ist die Beschwerde nur zulässig, wenn die Beschwerde­ summe den Betrag von einhundert Mark übersteigt.

§ 568. Ueber die Beschwerde entscheidet das im Jnstanzenzuge zunächst höhere Gericht. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist, soweit nicht in derselben ein neuer selbständiger Beschwerdegrund enthalten ist, eine weitere Beschwerde nicht zulässig.

Entscheidungen der Landgerichte in Betreff der Prozeßkosten unter­ liegen einer weiteren Beschwerde nur, wenn die Beschwerdesumme den Betrag von fündig Mark übersteigt; auf die weitere Beschwerde gegen die Entscheidungen der Oberlandesgerichte findet die Vorschrift des § 567 Abs. 2 entsprechende Anwendung. Gegen die Entscheidungen der Oberlandesgerichte über das Rechts-' mittel der »eiteren Beschwerde findet eine weitere Beschwerde nicht statt. § 568. Die Beschwerde wird bei dem Gericht eingelegt, von welchem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung ersoffen ist; sie kann in dringenden Fällen auch bei dem Beschwerdegericht eingelegt werden. Die Einlegung erfolgt durch Einreichung einer Beschwerdeschrist; die Einlegung kann auch durch Erklärung zum Protokolle des Gerichtsschreibers erfolgen, wenn der Rechtsstreit bei einem Amtsgericht anhängig ist oder anhängig war, wenn die Beschwerde das Armenrecht betrifft oder von einem Zeugen oder Sachverständigen erhoben wird.

§ 570. gestützt werden.

Die Beschwerde kann auf neue Thatsachen und Beweise

§ 571. Erachtet das Gericht oder der Vorfitzende, dessen Ent­ scheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie derselben abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde vor Ablauf einer Woche dem Beschwerdegerichte vorzulegen.

Drittes Buch.

Rechtsmittel.

519

§ 572. Die Beschwerde hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen eine der in den §§ 109, 380, 390, 409, 619, 656, 678 erwähnten Entscheidungen gerichtet ist. Das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, kann anordnen, daß die Vollziehung derselben auszusetzen sei. Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, daß die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen sei. § 573. Die Entscheidung über die Beschwerde kann ohne vor­ gängige mündliche Verhandlung erfolgen. Ordnet das Gericht eine schriftliche Erklärung an, so kann die Ab­ gabe derselben durch einen Anwalt erfolgen, der bei dem Gerichte zugelassen ist, von welchem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist. In den Fällen, in welchen die Beschwerde zum Protokolle des Gerichtsschreibers eingelegt werden darf, kann auch die Erklärung zum Protokolle des Gerichtsschreibers abgegeben werden. § 574. Das Beschwerdegericht hat von Amtswegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sei. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. K 575. Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so kann es demjenigen Gericht oder Vorsitzenden, von welchem die beschwerende Entscheidung erlaßen war, die erforderliche Anordnung übertragen. § 576. Wird die Aenderung einer Entscheidung des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Gerichtsschreibers verlangt, so ist die Ent­ scheidung des Prozeßgerichts nachzusuchen. Die Beschwerde findet gegen die Entscheidung des Prozeßgerichts statt. Die Bestimmung des ersten Absatzes gilt auch für das Reichsgericht. § 577. Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nach­ folgenden besonderen Bestimmungen. Die Beschwerde ist binnen einer Nothfrist von zwei Wochen, welche mit der Zustellung, in den Fällen der §§ 336 und 952 Abs. 4 mit der Verkündung der Entscheidung beginnt, einzulegen. Die Einlegung bei dem Beschwerdegerichte genügt zur Wahrung der Nothfrist, auch wenn der Fall für dringlich nicht erachtet wird. Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits­ oder Reftitutionsklage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Nothfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Nothsristen erhoben werden. Das Gericht darf nur in den Fällen des § 103 Abs. 1 und des 8 105 Abs. 4 seine Entscheidung gemäß der Vorschrift des § 571 abändern; zu einer weiteren Aenderung der auf Grund dieser Vorschrift erlassenen Entscheidung ist es nicht befugt. In den Fällen des § 576 muß auf dem für die Einlegung der Beschwerde vorgeschriebenen Wege die Entscheidung des Prozeßgerichts binnen der Nothfrist nachgesucht werden. Das Prozeßgericht hat das Gesuch, wenn es demselben nicht entsprechen will, dem Beschwerdegerichte vorzulegen.

VI Civilprojeßordnung.

520

Viertes Buch.

Wiederaufnahme des Uerfabrens. K 578« Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurtheil geschloffenen Verfahrens kann durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen. , Werden beide Klagen von derselben Partei oder von verschiedenen Parteien erhoben, so ist die Verhandlung und Entscheidung über die Restitutionsklage bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeits­ klage auszusetzen.

% 579.

Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; 2. wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, welcher von der Ausübung des Richteramts kraft des Gesetzes ausgeschloffen war, sofern nicht dieses Hinderniß mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist; 3. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich der­ selbe wegen Vesorgniß der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungs­ gesuch für begründet erklärt war; 4. wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern fie nicht die Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

In den Fällen 3tr. 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte. § 580«

Die Restitutionsklage findet statt:

1. wenn der Gegner durch Leistung eines Parteieides, auf welche das Urtheil gegründet ist, fich einer vorsätzlichen oder fahrläsfigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; 2. wenn eine Urkunde, auf welche das Urtheil gegründet ist, fälschlich an­ gefertigt oder verfälscht war; 3. wenn durch Beeidigung eines Zeugniffes oder eines Gutachtens, auf welche das Urtheil gegründet ist, der Zeuge oder der Sachverständige fich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; 4. wenn das Urtheil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechts­ streit verübte Handlung erwirkt ist, welche mit einer im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe bedroht ist;

Viertes Buch.

5. wenn ein Beziehung gegen die einer im

Wiederaufnahme des Verfahrens.

521

Richter bei dem Urtheile mitgewirkt hat, welcher sich in auf den Rechtsstreit einer Verletzung seiner Amtspflichten Partei schuldig gemacht hat, sofern diese Verletzung mit Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu verengenden

öffentlichen Strafe bedroht ist; 6. wenn ein strafgerichtliches Urtheil, auf welches das Urtheil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urtheil aufgehobm ist; 7. wenn die Partei a) ein in derselben Sache erlaffenes, früher rechtskräftig gewordenes Urtheil, oder b) eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, welche eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. ‘ Diese Bestimmung kommt in dem unter b bezeichneten Falle nicht zur Anwendung, wenn das angefochtene Urtheil darauf beruht, daß auf Grund einer Eidesleistung des Gegners die betreffende That­ sache oder deren Gegentheil für bewiesen erachtet ist.

§ 581. In den Fällen des vorhergehenden Paragraphen Nr. 1—5 findet die Restitutionsklage nur statt, wenn wegen der strafbaren Handlung eine rechtskräftige Verurtheilung ergangen ist, oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen, als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Der Beweis der Thatsachen, welche die Restitutionsklage begründen, kann durch Eideszuschiebung nicht geführt werden. § 582. Die Restitutionsklage ist nur zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Einspruch oder Berufung oder mittels Anschließung an eine Berufung geltend zu machen.

§ 583. Mit den Klagen können Anfechtungsgründe, durch welche eine dem angefochtenen Urtheile vorausgegangene Entscheidung derselben oder einer unteren Instanz betroffen wird, geltend gemacht werden, sofern das angefochtene Urtheil auf dieser Entscheidung beruht. K 584. Für die Klagen ist ausschließlich zuständig: das Gericht, welches in erster Instanz erkannt hat; wenn das angefochtene Urthell oder auch nur eines von mehreren angefochtenen Urtheilen von dem Berufungs­ gericht erfassen wurde, oder wenn ein in der Revisionsinstanz erlaffenes Urtheil auf Grund des § 580 Nr. 1—3, 6, 7 angefochten wird, das Berufungsgericht; wenn ein in der Revisionsinstanz erlaffenes Urtheil auf Grund der §§ 579, 580 Nr. 4, 5 angefochten wird, das Revisionsgericht. Sind die Klagen gegen einen Vollstreckungsbefehl gerichtet, so gehören sie ausschließlich vor das Amtsgericht, welches den Befehl erlassen hat; wenn der Anspruch nicht zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehört, vor das für den Rechtsstreit über den Anspruch zuständige Gericht.

§ 585. Auf die Erhebung der Klagen und das weitere Verfahren finden die allgemeinen Vorschriften entsprechende Anwendung, sofern nicht aus den Bestimmungen dieses Gesetzes sich eine Abweichung ergiebt.

522

VI. Civilprozeßordnung.

§ 586, Die Klagen sind vor Ablauf der Nothfrist eines Monats zu erheben. Die Frist beginnt mit dem Tage, an welchem die Partei von dem Anfechtungsgrunde Kenntniß erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urtheils. Nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tage der Rechtskraft des Urtheils an gerechnet, sind die Klagen unstatthaft. Die Vorschriften des vorstehenden Absatzes finden auf die Nichtigkeits­ klage wegen mangelnder Vertretung keine Anwendung; die Frist für Er­ hebung der Klage läuft von dem Tage, an welchem der Partei und bei mangelnder Prozeßfähigkeit dem gesetzlichen Vertreter derselben das Urtheil zugestellt ist. § 587. In der Klage muß die Bezeichnung des Urtheils, gegen, welches die Nichtigkeits- oder Restitutionsklage gerichtet wird, und bie Erklärung, welche dieser Klagen erhoben werde, enthalten sein. § 588.

Als vorbereitender Schriftsatz soll die Klage enthalten:

1. die Bezeichnung des Anfechtungsgrundes; 2. die Angabe der Beweismittel für die Thatsachen, welche den Grund und die Einhaltung der Nothfrist ergeben; 3. die Erklärung, inwieweit die Beseitigung des angefochtenen Urtheils und welche andere Entscheidung in der Hauptsache beantragt werde. Dem Schriftsätze, durch welchen eine Restitutionsklage erhoben wird, sind die Urkunden, auf welche dieselbe gestützt wird, in Urschrift oder in Abschrift beizufügen. Befinden sich die Urkunden nicht in den Händen des Klägers, so hat er zu erklären, welchen Antrag er wegen Herbeischaffung derselben zu stellen beabsichtigt.

§ 589. Das Gericht hat von Amtswegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben sei. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen. Die Thatsachen, welche ergeben, daß die Klage vor Ablauf der Nothfrist erhoben ist, sind glaubhaft zu machen. § 590. Die Hauptsache wird, insoweit sie von dem Anfechtungs­ grunde betroffen ist, von neuem verhandelt. Das Gericht kann anordnen, daß die Verhandlung und Entscheidung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens vor der Verhandlung über die Hauptsache erfolge. In diesem Falle ist die Ver­ handlung über die Hauptsache als Fortsetzung der Verhandlung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens anzusehen. Das für die Klagen zuständige Revisionsgericht hat die Verhandlung über Grund und Zuläffigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens zu erledigen, auch wenn diese Erledigung von der Feststellung und Würdigung bestrittener Thatsachen abhängig ist. § 591. Rechtsmittel sind insoweit zulässig, als sie gegen die Ent­ scheidungen der mit den Klagen befaßten Gerichte überhaupt stattfinden.

Fünftes Buch.

Urkunden- und Wechselvrozeß.

523

Fünftes Buch.

Urkunden- und lUechselprozess. § 592. Ein Anspruch, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Quantität anderer vertret­ barer Sachen oder Werthpapiere zum Gegenstände hat, kann im Urkunden­ prozesse geltend gemacht werden, wenn die sämmtlichen zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Thatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Als ein Anspruch, welcher die Zahlung einer Geldsumme zum Gegenstände hat, gilt auch der Anspruch aus einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld.

§ 593. Die Klage muß die Erklärung enthalten, daß im Urkunden­ prozesse geklagt werde. Die Urkunden müssen in Urschrift oder in Abschrift der Klage oder einem vorbereitenden Schriftsätze beigefügt werden. Im letzteren Falle muß zwischen der Zustellung des Schriftsatzes und dem Termine zur mündlichen Verhandlung ein der Einlassungsfrist gleicher Zeitraum liegen. § 594. Auf Grund prozeßhindernder Einreden darf die Ver­ handlung zur Hauptsache nicht verweigert werden; das Gericht kann jedoch die abgesonderte Verhandlung über diese Einreden auch von Amtswegen anordnen.

§ 595. Widerklagen sind nicht statthaft. Als Beweismittel sind bezüglich der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde, sowie bezüglich anderer als der im § 592 erwähnten Thatsachen nur Urkunden und Eideszuschiebung zulässig. Die Antretung des Urkundenbeweises kann nur durch Vorlegung der Urkunden erfolgen. Die Leistung eines Eides ist durch Beweisbeschluß anzuordnen. § 596. Der Kläger kann, ohne daß es der Einwilligung des Beklagten bedarf, bis zum Schlüsse der mündlichen Verhandlung von dem Urkundenprozesse in der Weise abstehen, daß der Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren anhängig bleibt. § 597. Insoweit der in der Klage geltend gemachte Anspruch an sich oder in Folge einer Einrede des Beklagten als unbegründet sich dar­ stellt, ist der Kläger mit dem Ansprüche abzuweisen. Ist der Urkundenprozeß unstatthaft, ist insbesondere ein dem Kläger obliegender Beweis nicht mit den im Urkundenprozesse zulässigen Beweis­ mitteln angetreten oder mit solchen Beweismitteln nicht vollständig geführt, so wird die Klage als in der gewählten Prozeßart unstatthaft abgewiesen, selbst wenn in dem Termine zur mündlichen Verhandlung der Beklagte nicht erschienen ist oder der Klage nur auf Grund von Einwendungen widersprochen hat, welche rechtlich unbegründet oder im Urkundenprozesse unstatthaft sind.

524

VI. Civilprozeßordnung.

§ 598. Einwendungen des Beklagten sind, wenn der dem Be­ klagten obliegende Beweis derselben nicht mit den im Urkundenprozesse zulässigen Beweismitteln angetreten oder mit solchen Beweismitteln nicht vollständig geführt ist, als im Urkundenprozefse unstatthaft zurückzuweisen. § 599. Dem Beklagten, welcher dem geltend gemachten Ansprüche widersprochen hat, ist in allen Fällen, in denen er verurtheilt wird, die Ausführung seiner Rechte vorzubehalten. Enthält das Urtheil keinen Vorbehalt, so kann die Ergänzung des Urtheils nach Vorschrift des § 321 beantragt werden. Das Urtheil, welches unter Vorbehalt der Rechte ergeht, ist in Betreff der Rechtsmittel und der Zwangsvollstreckung als Endurtheil anzusehen. § 600. Wird dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte Vor­ behalten, so bleibt der Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren anhängig. Soweit sich in diesem Verfahren ergiebt, daß der Anspruch des Klägers unbegründet war, finden die Vorschriften des § 302 Abs. 4 Satz 2—4 Anwendung. Erscheint in diesem Verfahren eine Partei nicht, so finden die Vor­ schriften über das Versäumnißurtheil entsprechende Anwendung. 8 601. Die Vorschriften der 88 540, 541 finden im Urkunden­ prozesse keine Anwendung. § 602. Werden im Urkundenprozeffe Ansprüche aus Wechseln im Sinne der, Wechselordnung geltend gemacht (Wechselprozeß), so fommen die nachfolgenden besonderen Vorschriften zur Anwendung.

8 608. Wechselklagen können sowohl bei dem Gerichte des Zahlungs­ orts als bei dem Gericht angestellt werden, bei welchem der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Wenn mehrere Wechselverpflichtete gemeinschaftlich verklagt werden, so ist außer dem Gerichte des Zahlungsorts jedes Gericht zuständig, bei welchem einer der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. 8 604. Die Klage muß die Erklärung enthalten, daß im Wechselprozeffe geklagt werde. Die Einlaffungsftist beträgt, wenn die Klage am Sitze des Prozeß­ gerichts zugestellt wird, mindestens vierundzwanzig Stunden; wenn sie an einem anderen Orte innerhalb des Landgerichtsbezirkes, in welchem das Prozeßgericht seinen Sitz hat, zugestellt wird, mindestens drei Tage; wenn sie an einem anderen deutschen Orte zustellt wird, mindestens eine Woche. Das Gleiche gilt von der Ladungsftist, soweit sie nicht nach den allgemeinen Bestimmungen kürzer als die im ersten Satze festgesetzte Einlassungsfrist ist. Auf das Verfahren in den höheren Instanzen finden die Vorschriften des Abs. 2 entsprechende Anwendung. 8 605. Soweit es zur Erhaltung des wechselmäßigen Anspruchs der rechtzeitigen Protesterhebung nicht bedarf, ist als Beweismittel bezüglich der Präsentation des Wechsels Eideszuschiebung zulässig. Zur Berücksichtigung einer Nebenforderung genügt, daß sie glaubhaft gemacht ist.

Sechstes Buch. Ehesachen. Feststellung des Rechtsverhältnisses rc.

525

Sechstes Buch.

Ehesachen. Teststellung des Rechtsverhält­ nisses zwischen Eltern und Rindern. Entmündigungssachen. Erster Abschnitt.

Verfahren in Ehesachen. 8 606. Für die Rechtsstreitigkeiten, welche die Scheidung, Nichtig­ keit oder Anfechtung einer Ehe oder die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Parteien oder die Herstellung des ehelichen Lebens zum Gegenstände haben (Ehesachen), ist das Landgericht, bei welchem der Ehemann seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, ausschließlich zuständig. Ist der Ehemann ein Deutscher und hat er im Jnlande keinen allgemeinen Gerichtsstand, so kann die Klage bei dem Landgericht erhoben werden, in dessen Bezirk er den letzten Wohnsitz im Jnlande hatte; in Ermangelung eines solchen Wohnsitzes finden die Vorschriften des § 15 Abs. 1 Satz 2, 3 entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt, sofern der Ehemann im Jnlande keinen allgemeinen Gerichtsstand hat, in dem Falle, daß der Ehemann die Reichsangehörigkeil verloren, die Ehefrau fie aber behalten hat oder daß beide Ehegatten die Reichsangehörigkeit verloren haben, der Ehemann aber eine andere Staatsangehörigkeit nicht erworben hatIst eine Deutsche eine Ehe mit einem Ausländer eingegangen Md hat dieser im Jnlande keinen allgemeinen Gerichtsstand, so können die Nichtigkeitsklage und die Anfechtungsklage von der Ehefrau bei dem Land­ gericht erhoben werden, in dessen Bezirke sie den letzten Wohnsitz im Jn­ lande hatte; in Ermangelung eines solchen Wohnsitzes finden die Bor­ schristen des 815 Abs. 1 Satz 2,3 entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt, sofern nicht nach Abs. 2 Satz 2 ein Gerichtsstand begründet ist, in dem Falle, daß eine Deutsche eine Ehe mit einem Deutschen eingegangen ist, dieser aber die Reichsangehörigkeit verloren und im Jnlande keinen all­ gemeinen Gerichtsstand hat. Sind beide Ehegatten Ausländer, so kann die Scheidungsklage im Jnlande nur erhoben werden, wenn das inländische Gericht auch nach den Gesetzen des Staates zuständig ist, dem der Ehemann angehört. K 607. In Ehesachen ist die Staatsanwaltschaft zur Mitwirkung befugt. Der Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte sowie vor einem beauftragten oder ersuchten Richter kann der Staatsanwalt beiwohnen. Er ist von allen Terminen von Amtswegen in Kcimtuiß zu setzen.

526

VI Civilprozeßordmmg.

Er kann sich über die zu erlassende Entscheidung gutachtlich äußern und, sofern es sich um die Aufrechterhaltung einer Ehe handelt, neue That­ sachen und Beweismittel Vorbringen. Im Sitzungsprotokoll ist der Name des Staatsanwalts anzugeben, auch sind in dasselbe die von dem Staatsanwalte gestellten Anträge aus­ zunehmen.

8 608. Der Vorsitzende darf den Termin zur mündlichen Ver­ handlung über eine Scheidungsklage oder über eine Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens erst festsetzen, wenn den nachfolgenden Vorschriften über den Sühneversuch genügt ist. § 609. Der Kläger hat bei dem Amtsgerichte, vor welchem der Ehemann seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, die Anberaumung eines Sühnetermins zu beantragen und zu diesem Termine den Beklagten zu laden. Bestimmt sich das für die Klage zuständige Landgericht nach den Vorschriften des § 606 Abs. 2, so finden diese Vorschriften auf die Be­ stimmung des für den Sühnetermin zuständigen Amtsgerichts entsprechende Anwendung.

§ 610. Die Parteien müssen in dem Sühnetermine persönlich erscheinen; Beistände können zurückgewiesen werden. Erscheint der Kläger oder erscheinen beide Parteien im Sühnetermine nicht, so muß der Kläger die Anberaumung eines neuen Sühnetermins bean­ tragen und den Beklagten zu dem Termine laden. Erscheint der Kläger, aber nicht der Beklagte, so ist der Sühneversuch als mißlungen anzusehen. 8 611. Der Sühneversuch ist nicht erforderlich, wenn der Aufent­ halt des Beklagten unbekannt oder im Auslande ist, wenn dem Sühne­ versuche ein anderes schwer zu beseitigendes Hinderniß entgegensteht, welches von dem Kläger nicht verschuldet ist, oder wenn die Erfolglosigkeit des Sühneversuchs mit Bestimmtheit vorauszusehen ist. Ueber das Vorhandensein dieser Voraussetzungen entscheidet der Vorsitzende des Landgerichts ohne vorgängiges Gehör des Bellagten. 8 612. In Ehesachen ist ein in der Geschäftsfähigkeit beschränkter Ehegatte prozeßfähig; dies gilt jedoch insoweit nicht, als nach § 1336 Abs. 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nur sein gesetzlicher Vertreter die Ehe anfechten, kann. Für einen geschäftsunfähigen Ehegatten wird der Rechtsstreit durch den gesetzlichen Vertreter geführt. Der gesetzliche Vertreter ist jedoch zur Erhebung der Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens nicht befugt; zur Erhebung der Scheidungsklage oder der Anfechtungsklage bedarf er der Genehmigung des Vormundschastsgerichts. 8 613. Der Bevollmächtigte des klagenden Ehegatten bedarf einer besonderen, auf den Rechtsstreit gerichteten Vollmacht. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amtswegen zu berücksichtigen. 8 614. Bis zum Schluffe derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil ergeht, können andere als die in der Klage vor­ gebrachten Klagegründe geltend gemacht werden.

Sechstes Buch.

Ehesachen.

Feststellung des Rechtsverhältnisses rc.

527

Das neue Vorbringen und die Erhebung einer Widerklage ist von einem Sühneversuche nicht abhängig.

§ 615. Die Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens, Scheidungsklage und die Anfechtungsklage können verbunden werden.

die

Die Verbindung einer anderen Klage mit den erwähnten Klagen sowie die Erhebung einer Widerklage anderer Art ist unstatthaft.

§ 616. Der Kläger, welcher mit der Scheidungsklage oder der Anfechtungsklage abgewiesen ist, kann das Recht, die Scheidung zu ver­ langen oder die Ehe anzufechten, nicht mehr auf Thatsachen gründen, welche er in dem früheren Rechtsstreite geltend gemacht hat oder welche er in dem früheren Rechtsstreit oder durch Verbindung der Klagen geltend machen konnte. Das Gleiche gilt im Falle der Abweisung der Scheidungs­ klage oder der Anfechtungsklage für den Beklagten in Ansehung der That­ sachen, auf welche er eine Widerklage zu gründen im Stande war. § 617. Die Vorschrift über die Wirkung eines Anerkenntnissekommt nicht zur Anwendung. Die Vorschriften über die Folgen der unterbliebenen oder ver­ weigerten Erklärungen über Thatsachen oder über die Echtheit von Ur­ kunden, die Vorschriften über den Verzicht der Parteien auf die Beeidigung von Zeugen und Sachverständigen, die Vorschriften über die Wirkung eines gerichtlichen Geständnisses und der Erlassung eines Eides sowie die Vor­ schriften über die Eideszuschiebung und den Antrag, dem Gegner die Vorlegung einer Urkunde aufzugeben, finden keine Anwendung in An­ sehung solcher Thatsachen, welche die Scheidung oder die Anfechtung der Ehe oder das Recht, die Herstellung des ehelichen Lebens zu verweigern, begründen sollen.

In einem Rechtsstreite, welcher die Nichtigkeit der Ehe oder die Fest­ stellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Parteien zum Gegenstände hat, finden die im Abs. 2 bezeichneten Vorschriften sowohl in Ansehung solcher Thatsachen, welche die Nichtigkeit oder das Nichtbestehen der Ehe, als auch in Ansehung solcher Thatsachen keine An­ wendung, welche die Gültigkeit oder das Bestehen der Ehe begründen sollen.

§ 618.

Die Vorschrift des § 261 Abs. 2 kommt nicht zur An­

wendung.

Erscheint der Beklagte in dem aus die Klage zur mündlichen Ver­ handlung anberaumten Termine nicht, so kann erst in einem neuen, auf Antrag des Klägers zu bestimmenden Termine verhandelt werden. Der Beklagte ist zu jedem Termine, welcher nicht in seiner Gegen­ wart anberaumt wurde, zu laden. Die Vorschriften der Abs. 2, 3 finden keine Anwendung, wenn der Beklagte durch öffentliche Zustellung geladen, aber nicht erschienen ist.

Ein Versäumnißurtheil gegen den Beklagten ist unzulässig.

Die Vorschriften der Abs. 2—5 finden auf den Widerbeklagten ent­ sprechende Anwendung.

528

VI. Civilprozcßordmmg.

§ 619, Das Gericht kann das persönliche Erscheinen einer Partei anordnen und dieselbe über die von ihr, von dem Gegner oder von dem Staatsanwalt« behaupteten Thatsachen vernehmen. Ist die zu vernehmende Partei am Erscheinen vor dem Prozeß­ gerichte verhindert oder hält sie sich in großer Entfernung von dem Sitze desselben auf, so kann die Vernehmung durch einen beauftragten oder er­ suchten Richter erfolgen. Gegen die nicht erschienene Partei ist wie gegen einen im Ver­ nehmungstermine nicht erschienenen Zeugen zu verfahren; auf Hast darf nicht erkannt werden. K 620. Hat der Kläger die Aussetzung des Verfahrens über eine Scheidungsklage beantragt, so darf das Gericht auf Scheidung nicht er­ kennen, bevor die Aussetzung stattgefunden hat. Die Aussetzung ist von Amtswegen anzuordneu, wenn die Scheidung auf Grund des § 1568 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beantragt ist und die Aussicht auf Aussöhnung der Parteien nicht ausgeschlossen erscheint. Aus Grund dieser Bestimmungen darf die Aussetzung im Laufe des Rechtsstreits nur einmal und höchstens auf zwei Jahre angeordnet werden. K 621. Die Aussetzung des Verfahrens über eine Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens kann das Gericht von Amtswegen an­ ordnen, wenn eine Aussöhnung der Parteien nicht unwahrscheinlich ist. Auf Grund dieser Bestimmung darf die Aussetzung im Laufe des Rechtsstreits nur einmal und höchstens auf ein Jahr angeordnet werden.

K 622. Zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Ehe kann das Gericht Thatsachen, welche von den Parteien nicht vorgebracht sind, berücksichtigen und die Aufnahme von Beweisen von Amtswegen anordnen. Vor der Entscheidung find die Parteien zu hören. Diese Vorschriften finden in einem Rechtsstreite, welcher die Nichtigkeit der Ehe oder die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Parteien zum Gegenstände hat, auch zum Zwecke der Er­ mittelung, ob die Ehe nichtig ist oder nicht besteht, Anwendung.

§ 623. Auf Scheidung wegen Geisteskrankheit darf nicht erkannt werden, bevor das Gericht einen oder mehrere Sachverständige über den Geisteszustand des. Beklagten gehört hat. § 624. Wird wegen Ehebruchs auf Scheidung erkannt und ergiebt sich aus den Verhandlungen, mit welcher Person der Ehebruch begangen worden ist, so ist diese Person in dem Urtheile festzustellen.

§ 625. Urtheile, durch welche auf Scheidung oder Nichtigkeit der Ehe erkannt ist, find von Amtswegen zuzustellen. § 626. Die Vorschrift des § 279 findet in der Berufungsinstanz keine Anwendung. § 627. Hat der Rechtsstreit die Scheidung, Nichtigkeit oder An­ fechtung der Ehe zum Gegenstände, so kann das Gericht auf Antrag eines der Ehegatten durch einstweilige Verfügung für die Dauer des Rechtsstreits

Sechstes Buch.

Ehesache«.

Feststellung des Rechtsverhältnisses ic.

529

das Getrenntleben der Ehegatten gestatten, die gegenseitige Unterhaltspflicht der Ehegatten nach Maßgabe des § 1361 des bürgerlichen Gesetzbuchs ordilen, wegen der Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minder­ jährigen Kinder, soweit es sich nicht um die gesetzliche Vertretung handelt, Anordnungen treffen und die Unterhaltspflicht der Ehegatten den Kindern gegenüber im Verhältnisse der Ehegatten zu einander regeln. Die einstweilige Verfügung ist zulässig, sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung oder im Falle einer Scheidungsklage der Termin zum Sühneversuche bestimmt oder im Wege der Widerklage die Scheidung beantragt oder die Ehe angefochten ist. Von der einstweiligen Verfügung hat das Prozeßgericht, wenn ein gemeinschaftliches minderjähriges Kmd der Ehegatten vorhanden ist, dem Vormundschaftsgerichte Mittheilung zu machen. Im Uebrigen gelten für die einstweilige Verfügung die Bestimmungen der 88 936—944.

§ 628. Stirbt einer der Ehegatten vor der Rechtskraft des Urtheils, so ist der Rechtsstreit in Ansehung der Hauptsache als erledigt anzusehe». § 629. Das auf eine Nichtigkeitsklage oder eine Anfechtungsklage ergehende Urtheil wirkt, sofern es bei Lebzeiten beider Ehegatten rechts­ kräftig wird, für und gegen Alle. Ist jedoch die Nichtigkeitsklage auf Grund des § 1326 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erhoben, so wirkt das Urtheil, durch welches sie abgewiesen wird, gegen den Dritten, mit dem die frühere Ehe geschlossen war, nur dann, wenn er an dem Rechtsstreite Theil genommen hat. Diese Vorschriften gelten auch für ein Urtheil, durch welches das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe festgestellt wird. § 630. Nach dem Eintritte der Rechtskraft des Urtheils hat das Prozeßgericht, wenn ein gemeinschaftliches minderjähriges Kind der Ehe­ gatten vorhanden ist, dem Vormundschastsgerichte Mittheilung zu machen. § 631. Für die Nichtigkeitsklage gelten die in den nachfolgenden Paragraphen enthaltenen besonderen Vorschriften. § 632. Die Klage kann von jedem der Ehegatten sowie von dem Staatsanwalt erhoben werden, im Falle des § 1326 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch von dem Dritten, mit dem die frühere Ehe geschlossen war. Im Uebrigen kann die Klage von einem Dritten nur erhoben werden, wenn für ihn von der Nichtigkeit der Ehe ein Recht oder von der Gültigkeit der Ehe eine Verpflichtung abhängt. Die von dem Staatsanwalt oder einem Dritten erhobene Klage ist gegen beide Ehegatten, die von einem Ehegatten erhobene Klage ist gegen den anderen Ehegatten zu richten.

§ 633. Mit der Nichtigkeitsklage kann nur eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Parteien verbunden werden. Eine Widerklage ist nur statthaft, wenn sie eine Nichtigkeitsklage oder eine Feststellungsklage der im Abs. 1 bezeichneten Art ist. Büraerllches Gesetzbuch und Nebengesetze.

34

530

VT Civilprozeßordnung.

§ 634. Der Staatsanwalt kann, auch wenn er die Klage nicht erhoben hat, den Rechtsstreit betreiben, insbesondere selbständig Anträge stellen und Rechtsmittel einlegen. § 635« Das Versäumnißurtheil gegen den im Termine zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Kläger ist dahin zu erlassen, daß die Klage als zurückgenommen gelte. § 636. Wird ein Rechtsmittel von dem Staatsanwalt oder einer Privatpartei eingelegt, so sind im ersteren Falle die Privatparteien, im letzteren Falle die übrigen Privatparteien und der Staatsanwalt, sofern derselbe Partei ist, für das Rechtsmittelverfahren als die Gegner anzusehen. § 637. In den Fällen, in welchen der als Partei auftretende Staatsanwalt unterliegt, ist die Staatskasse zur Erstattung der deni obsiegenden Gegner erwachsenen Kosten in Gemäßheit der Bestimmungen des fünften Titels des zweiten Abschnitts des ersten Buchs zu verurtheilen. § 638. Die Vorschriften der §§ 633, 635 finden auf die Klage, welche die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Parteien zum Gegenstände hat, entsprechende Anwendung.

§ 639. Im Sinne dieses Abschnitts ist unter Scheidung auch die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft zu verstehen. Zweiter Abschnitt.

Verfahren in RechrSstremgketten, welche die Fest­ stellung Rechtsverhältnisse^ zwischen Eitern und

Rindern zum Gegenstände haben. 8 640. Auf einen Rechtsstreit, der bie Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Eltern- und Kindesverhältnisses zwischen den Parteien oder die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der elter­ lichen Gewalt der einen Partei über die andere zum Gegenstände hat, finden die Vorschriften der §§ 607, 613, des § 617 Abs. 1, 3 und der §§ 618, 619, 622, 625, 626, 628, 635 entsprechende Anwendung. Mit einer der im Abs. 1 bezeichneten Klagen kann eine Klage anderer Art nicht verbunden werden. Eme Widerklage anderer Art kann nicht erhoben werden. § 641. Wird die Ehelichkeit eines Kmdes oder die Anerkennung der Ehelichkeit von dem Ehemanne der Mutter durch Erhebung der Anfechtungsklage angefochten, so finden die Vorschriften der §§ 607, 613, des § 617 Abs. 1, 2, der §§ 618, 619, des § 622 Abs. 1 und der §§ 625, 626, 628 entsprechende Anwendung. Der Ehemann ist prozeßfähig, auch wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Für einen geschäftsunfähigen Ehemann wird der Rechtsstreit

durch den gesetzlichen Vertreter geführt; der gesetzliche Vertreter kann die Anfechtungsklage nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erheben.

Sechstes Buch. Ehesachen. Feststellung des Rechtsverhältnisses rc.

531

Mit der einen Anfechtungsklage kann nur b'c andere Anfechtungs­ klage verbunden werden. Eine Widerklage kann nicht erhoben werden.

§ 642. Ist in den Fällen der §§ 640, 641 der Beklagte ein Deutscher und hat er im Jnlande keinen allgemeinen Gerrchtsstand, so kann die Klage bei dem Landgericht erhoben werden, in dessen Bezirk er­ den letzten Wohnsitz im Jnlande hatte; in Ermangelung eines solchen Wohnsitzes finden die Vorschriften des § 15 Abs. 1 Satz 2, 3 entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt, sofern der Beklagte im Jnlande keinen allgemeinen Gerichtsstand hat, in dem Falle, daß der Beklagte die Reichs­ angehörigkeit verloren, der Kläger sie aber behalten hat oder daß beide Parteien die Reichsangehörigkeit verloren haben, der Beklagte aber eine andere Staatsangehörigkeit nicht erworben hat. § 643. In den Fällen der §§ 640, 641 wirkt das Urtheil, sofern es bei Lebzeiten der Parteien rechtskräftig wird, für und gegen Alle. Ein Urtheil, welches das Bestehen des Eltern- und Kindesverhältnisses oder der elterlichen Gewalt feststellt, wirkt jedoch gegenüber einem Dritten, welcher das elterliche Verhältniß oder die elterliche Gewalt für sich in Anspruch nimmt, nur dann, wenn er an dem Rechtsstreite Theil genommen hat. § 644. Die Vorschriften der §§ 640—643 gelten nicht für einen Rechtsstreit, der die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der unehelichen Vaterschaft zum Gegenstände hat. Dritter Abschnitt.

Verfuhren in Entmündigungssachen. § 645. Die Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder wegen Geistesschwäche erfolgt durch Beschluß des Amtsgerichts. Der Beschluß wird nur auf Antrag erlassen. § 646. Der Antrag kann von dem Ehegatten, einem Verwandten oder demjenigen gesetzlichen Vertreter des zu Entmündigenden gestellt werden, welchem die Sorge für die Person zusteht. Gegen eine Person, die unter­ elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, kann der Antrag von einem Verwandten nicht gestellt werden. Gegen eine Ehefrau kann der Antrag von einem Verwandten nur gestellt werden, wenn auf Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft erkannt ist oder wenn der Ehemann die Ehe­ frau verlassen hat oder wenn der Ehemann zur Stellung des Antrags dauernd außer Stande oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist. In allen Fällen ist auch der Staatsanwalt bei dem vorgesetzten Landgerichte zur Stellung des Antrags befugt.

§ 647. Der Antrag kann bei dem Gerichte schriftlich eingereicht oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers angebracht werden. Er soll eine Angabe der ihn begründenden Thatsachen und die Bezeichnung der Beweismittel enthalten.

532

VI Cwilprozeßordnui.g.

§ 648. Für die Einleitung des Verfahrens ist das Amtsgericht, bei welchem der zu Entmündigende seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, ausschließlich zuständig. Gegen einen Deutschen, welcher im Jnlande keinen allgemeinen Gerichtsstand hat, kann der Antrag bei dem Amtsgerichte gestellt werden, in dessen Bezirke der zu Entmündigende den letzten Wohnsitz im Jnlande hatte; in Ermangelung eines solchen Wohnsitzes finden die Vorschriften des 8 15 Abs. 1 Satz 2, 3 entsprechende Anwendung. § 649. Das Gericht kann vor der Einleitung des Verfahrens die Beibringung eines ärztlichen Zeugnisses anordnen. § 650. Das Gericht kann nach der Einleitung des Verfahrens, wenn es mit Rücksicht auf die Verhältnisse des zu Entmündigenden er­ forderlich erscheint, die Verhandlung und Entscheidung dem Amtsgericht überweisen, in deffen Bezirke der zu Entmündigende sich aufhält. Die Ueberweisung ist nicht mehr zulässig, wenn das Gericht den zu Entmündigenden vernommen hat (§ 654 Abs. 1). Wird die Uebernahme abgelehnt, so entscheidet das im Jnstanzenzuge zunächst höhere Gericht. § 651. Wenn nach der Uebernahme des Verfahrens durch das Gericht, an welches die Ueberweisung erfolgt ist, ein Wechsel im Aufent­ haltsorte des zu Entmündigenden eintritt, so ist dieses Gericht zu einer weiteren Ueberweisung befugt. Die Vorschriften des § 650 finden entsprechende Anwendung.

§ 652. Der Staatsanwalt kann in allen Fällen das Verfahren durch Stellung von Anträgen betreiben und den Terminen beiwohnen. Er ist von der Einleitung des Verfahrens, sowie von einer nach den. 88 650, 651 erfolgten Ueberweisung und von allen Terminen in Kenntniß zu setzen. 8 653. Das Gericht hat unter Benutzung der in dem Antrag angegebenen Thatsachen und Beweismittel von Amtswegen die zur Fest­ stellung des Geisteszustandes erforderlichen Ermittelungen zu veranstalten und die erheblich erscheinenden Beweise aufzunehmen. Zuvor ist dem zu Entmündigenden Gelegenheft zur Bezeichnung von Beweismitteln zu geben, desgleichen demjenigen gesetzlichen Vertreter des zu Entmündigenden, welchent die Sorge für die Person zusteht, sofern er nicht die Entmündigung be­ antragt hat. Für die Vernehmung und Beeidigung der Zeugen und Sachver­ ständigen kommen die Bestimmungen im siebenten und achten Titel des ersten Abschnitts des zweiten Buchs zur Anwendung. Die Anordnung der Haft im Falle des 8 390 kann von Amtswegen erfolgen. § 654. Der zu Entmündigende ist persönlich unter Zuziehung eines oder mehrerer Sachverständigen zu vernehmen. Zu diesem Zwecke kann die Vorführung des zu Entmündigenden angeordnet werden. Die Vernehmung kann auch durch einen ersuchten Richter erfolgen.

Sechstes Buch

Ehesachen. Feststellung des Rechtsverhältnistes 2C.

533

Die Vernehmung darf nur unterbleiben, wenn sie mit besonderen Schwierigkeiten verbunden oder nicht ohne Nachtheil für d n Gesundheits­ zustand des zu Entmündigenden ausführbar ist.

§ 655. Die'Entmündigung darf nicht ausgesprochen werden, bevor das Gericht einen oder mehrere Sachverständige über den Geisteszustand des zu Entmündigenden gehört hat. § 656. Mit Zustimmung des Antragstellers kann das Gericht anordnen, daß der zu Entmündigende auf die Dauer von höchstens sechs Wochen in eine Heilanstalt gebracht werde, wenn dies nach ärztlichem Gut­ achten zur Feststellung des Geisteszustandes geboten erscheint und ohne Nachtheil für den Gesundheitszustand des zu Entmündigenden ausführbar ist. Vor der Entscheidung sind die im § 646 bezeichneten Personen soweit thunlich zu hören. Gegen den Beschluß, durch welchen die Unterbringung angeordnet wird, steht dem zu Entmündigenden, dem Staatsanwalt und binnen der für den zu Entmündigenden laufenden Frist den sonstigen im § 646 be­ zeichneten Personen die sofortige Beschwerde zu. § 657. Sobald das Gericht die Anordnung einer Fürsorge für die Person oder das Vermögen des zu Entmündigenden für erforderlich hält, ist der Vormundschaftsbehörde zum Zwecke dieser Anordnung Mit­ theilung zu machen. 8 658. Die Kosten des Verfahrens sind, wenn die Entmündigung erfolgt, von dem Entmündigten, anderenfalls von der Staatskasse zu tragen. Insoweit einen der im § 646 Abs. 1 bezeichneten Antragsteller bei Stellung des Antrags nach dem Ermessen des Gerichts ein Verschulden trifft, lonnen demselben die Kosten ganz oder theilweise zur Last gelegt werden.

§ 659. Der über die Entmündigung zu erlassende Beschluß ist dem Antragsteller und dem Staatsanwalte von Amtswegen zuzustellen. § 660. Der die Entmündigung aussprechende Beschluß ist von Amtswegen der Vormundschastsbehörde mitzutheilen und, wenn der Ent­ mündigte unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, auch demjenigen gesetzlichen Vertreter zuzustellen, welchem die Sorge für die Person des Entmündigten zusteht. Im Falle der Entmündigung wegen Geistesschwäche ist der Beschluß außerdem dem Entmündigten selbst zuzustellen. § 661. Die Entmündigung wegen Geisteskrankheit tritt, wenn der Entmündigte unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, mit der Zustellung des Beschlusses an denjenigen gesetzlichen Vertreter, welchem die Sorge für die Person zusteht, anderenfalls mit der Bestellung des Vormundes in Wirksamkeit. Die Entmündigung wegen Geistesschwäche tritt mit der Zustellung des Beschlusses an den Entmündigten in Wirksamkeit. § 662. Der die Entmündigung ablehnende Beschluß ist von Amtswegen auch demjenigen zuzustellen, dessen Entmündigung beantragt war.

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VI Civilprozeßordnung.

§ 663, Gegen den Beschluß, durch welchen die Entmündigung abgelehnt wird, steht dem Antragsteller und dem Staatsanwalte die sofortige Beschwerde zu. In dem Verfahren vor dem Beschwerdegerichte finden die Borschristen der 88 652, 653 entsprechende Anwendung.

8 664. Der die Entmündigung aussprechende Beschluß kann im Wege der Klage binnen der Frist eines Monats angefochten werden. Zur Erhebung der Klage sind der Entmündigte selbst, derjenige gesetzliche Vertreter des Entmündigten, welchem die Sorge für die Person zusteht, und die übrigen im 8 646 bezeichneten Personen befugt. Die Frist beginnt im Falle der Entmündigung wegen Geistes­ krankheit für den Entmündigten mit dem Zeitpunkt, in welchem er von der Entmündigung Kenntniß erlangt, für die übrigen Personen mit beut Zeitpunkt, in welchem die Entmündigung in Wirksamkeit tritt. Im Falle der Entmündigung wegen Geistesschwäche beginnt die Frist für den gesetzlichen Vertreter des unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft stehenden Entmündigten mit dem Zeitpunkt, in welchem ihm der Beschluß '.«gestellt wird, für den Entmündigten selbst und die übrigen Personen mit der Zustellung des Beschlusses an den Entmündigten.

8 665. Für die Klage ist das Landgericht ausschließlich zuständig, In dessen Bezirke das Amtsgericht, welches über die Entmündigung entschieden hat, seinen Sitz hat. 8 666.

Die Klage ist gegen den Staatsanwalt zu richten. Wird die Klage von dem Staatsanwalt erhoben, so ist sie gegen denjenigen gesetzlichen Vertreter des Entmündigten zu richten, welchem die Sorge für die Person zusteht.

Hat eine der im 8 646 Abs. mündigung beantragt, so ist dieselbe Termine zur mündlichen Verhandlung des Beitritts im Sinne des 8 62 als

1 bezeichneten Personen die Ent­ unter Mittheilung der Klage zmn zu laden. Dieselbe gilt im Falle Streitgenosse der Hauptpartei.

8 667. Mit der die Entmündigung eine andere Klage nicht verbunden werden. Eine Widerklage ist unzulässig.

anfechtenden Klage kann

8 668. Will der Entmündigte die Klage erheben, so ist ihm ans seinen Antrag von dem Vorsitzenden des Prozeßgerichts ein Rechtsanwalt als Vertreter beizuordnen. 8 669. Bei der mündlichen Verhandlung haben die Parteien die Ergebnisse der bei dem Amtsgerichte stattgehabten Sachuntersuchung, soweit es zur Prüfung der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses erforderlich ist, vollständig vorzutragen. Im Falle der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Vortrags hat der Vorsitzende dessen Berichtigung oder Vervollständigung, nöthigenfalls unter Wiedereröffnung der Verhandlung, zu veranlassen.

Sechstes Buch

Ehesachen. Feststellung des Rcchtsderhültnistes rc.

535

§ 670. Die Vorschriften des § 617 Abs. 1, 3 und der §§ 618, 622 finden entsprechende Anwendung. Der Parteieid ist ausgeschlossen.

§ 671. Die Bestimmungen der §§ 654, 655 finden in dem Ver­ fahren über die Anfechtungsklage entsprechende Anwendung. Von der Vernehmung Sachverständiger darf das Gericht Abstand nehmen, wenn es das vor dem Amtsgericht abgegebene Gutachten für genügend erachtet. § 672. Wird die Anfechtungsklage für begründet erachtet, so ist der die Entmündigung ausfprechende Beschluß aufzuheben. Die Aufhebung tritt erst mit der Rechtskraft des Urtheils in Wirksamkeit. Auf Antrag können jedoch zum Schutze der Person oder des Vermögens des Entmündigten einstweilige Verfügungen nach Maßgabe der §§ 936—944 getroffen werden. § 673. Unterliegt der Staatsanwalt, so ist die Staatskasse zur Erstattung der dem obsiegenden Gegner erwachsenen Kosten in Gemäßheit der Bestimmungen des fünften Titels des zweiten Abschnitts des ersten Buchs zu verurtheilen. Ist die Klage von dem Staatsanwalt erhoben, so hat die Staatskaffe in allen Fällen die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

§ 674. Das Prozeßgericht hat der Bormundschaftsbehörde und dem Amtsgerichte von jedem in der Sache erlaffenen Endurtheile Mittheilung zu machen.

§ 675. Die Wiederaufhebung der Entmündigung erfolgt auf Antrag des Entmündigten oder desjenigen gesetzlichen Vertreters des Ent­ mündigten, welchem die Sorge für die Person zusteht, oder des Staatsanwalts durch Beschluß des Amtsgerichts. § 676. Für die Wiederaushebung der Entmündigung ist das Amtsgericht ausschließlich zuständig, bei welchem der Entmündigte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Ist der Entmündigte ein Deutscher und hat er im Jnlande keinen allgemeinen Gerichtsstand, so kann der Antrag bei dem Amtsgerichte gestellt werden, welches über die Entmündigung entschieden hat. Das Gleiche gilt, wenn ein Ausländer, welcher im Inland entmündigt worden ist, im Jnlande keinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Die Bestimmungen des § 647 und der §§ 649—655 finden ent­ sprechende Anwendung. § 677. Die Kosten des Verfahrens sind von dem Entmündigten, wenn das Verfahren von dem Staatsanwalt ohne Erfolg beantragt ist, von der Staatskasse zu tragen.

§ 678. Der über die Wiederaufhebung der Entmündigung zn erlassende Beschluß ist dem Antragsteller und im Falle der Wiederaufhebung dem Entmündigten sowie dem Staatsanwalte von Amtswegen zuzustellen. Gegen den Beschluß, durch welchen die Entmündigung aufgehoben wird, steht dem Staatsanwalte die sofortige Beschwerde zu.

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VI Civilpiozeßordnung.

Die rechtskräftig erfolgte Wiederaufhebung ist der Vormundschafts­ behörde mitzutheilen.

§ 679, Wird der Antrag auf Wiederaufhebung von dem Amts­ gericht abgelehnt, so kann dieselbe im Wege der Klage beantragt werden. Zilr Erhebung der Klage ist derjenige gesetzliche Vertreter des Entmündigten, welchem die Sorge für die Person zusteht, und der Staats­ anwalt befugt. Will der gesetzliche Vertreter die Klage nicht erheben, so kann der Vorsitzende des Prozeßgerichts dem Entmündigten einen Rechtsanwalt als Vertreter beiordnen. Auf das Verfahren finden die Vorschriften der §§665—667, 669—674 entsprechende Anwendung. § 680, Die Entmündigung wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht erfolgt durch Beschluß des Amtsgerichts. Der Beschluß wird nur auf Antrag erlassen. Auf das Verfahren finden die Vorschriften des § 646 Abs. 1 und der §§ 647, 648, 653, 657, 663 entsprechende Anwendung. Eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft findet nicht statt. Die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen eine Gemeinde oder ein der Gemeinde gleichstehender Verband oder ein Armenverband berechtigt ist, die Entmündigung wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht zu beantragen, bleiben unberührt. § 681, Ist die Entmündigung wegen Trunksucht beantragt, so kann das Gericht die Beschlußsaffung über die Entmündigung aussetzen, wenn Aussicht besteht, daß der zu Entmündigende sich bessern werde.

§ 682. Die Kosten des amtsgerichtlichen Verfahrens find, wenn die Entmündigung erfolgt, von dem Entmündigten, anderenfalls von dem Antragsteller zu tragen. § 683. Der über die Entmündigung zu erlassende Beschluß ist dem Antragsteller und dem zu Entmündigenden von Amtswegen zu­ zustellen. Der die Entmündigung aussprechende Beschluß tritt mit der Zu­ stellung an den Entmündigten in Wirksamkeit. Der Vormundschaftsbehörde ist ein solcher Beschluß von Amtswegen mitzutheilen. § 684. Der die Entmündigung aussprechende Beschluß kann binnen der Frist eines Monats von dem Entmündigten im Wege der Klage angefochten werden. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses an den Ent­ mündigten. Die Klage ist gegen denjenigen, welcher die Entmündigung beantragt hatte, falls aber dieser verstorben, oder sein Aufenthalt unbekannt oder im Auslande ist, gegen den Staatsanwalt zu richten. Auf das Verfahren finden die Vorschriften der §§ 665, 667, 669, 670, 672—674 entsprechende Anwendung.

Siebentes Buch.

Mahnverfahren.

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§ 685* Die Wiederaufhebung der Entmündigung erfolgt auf Antrag des Entmündigten oder desjenigen gesetzlichen Vertreters des Ent­ mündigten, welchem die Sorge für die Person zusteht, durch Beschluß des Amtsgerichts unter entsprechender Anwendung der §§ 647, 653, des § 676 Abs. 1, 2, des § 677 und des § 678 Abs. 1, 3.

§ 686. Wird der Antrag auf Wiederaufhebung von dem Amts­ gericht abgelehnt, so kann dieselbe im Wege der Klage beantragt werden. Zur Erhebung der Klage ist derjenige gesetzliche Vertreter des Ent­ mündigten befugt, welchem die Sorge für die Person zusteht. Will dieser die Klage nicht erheben, so kann der Vorsitzende des Prozeßgerichts dem Entmündigten einen Rechtsanwalt als Vertreter beiordnen. Die Klage ist gegen denjenigen, welcher die Entmündigung be­ antragt hatte, falls aber dieser verstorben, oder sein Aufenthalt unbekannt oder im Auslande ist, gegen den Staatsanwalt zu richten. Auf das Verfahren finden die Vorschriften der §§ 665, 667, 669, 670, 672—674 entsprechende Anwendung. § 687. Die Entmündigung einer Person wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht, sowie die Wiederaufhebung einer solchen Ent­ mündigung ist von dem Amtsgericht öffentlich bekannt zu machen.

Siebentes Buch.

Mahnverfahren. 8 688. Wegen eines Anspruchs, welcher die Zahlung einer be­ stimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Quantität anderer vertretbarer Sachen oder Werthpapiere zum Gegenstände hat, ist auf Gesuch des Gläubigers ein bedingter Zahlungsbefehl zu erlassen. Als ein Anspruch, welcher die Zahlung einer Geldsumme zum Gegenstände hat, gilt auch der Anspruch aus einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld. Das Mahnverfahren findet nicht statt, wenn nach Inhalt des Gesuchs die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erfolgten Gegen­ leistung abhängig ist oder wenn die Zustellung des Zahlungsbefehls im Allslande oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen müßte. 8 689. Die Zahlungsbefehle werden von den Amtsgerichten erlassen. Ausschließlich zuständig ist das Amtsgericht, bei welchem der all­ gemeine persönliche Gerichtsstand, der Gerichtsstand des Aufenthalts (§ 20) oder der dingliche Gerichtsstand für die im ordentlichen Verfahren erhobene Klage begründet sein würde, wenn die Amtsgerichte in erster Instanz sachlich unbeschränkt zuständig wären.

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VI Civilprozeßordnung

§ 690. Das Gesuch muß enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien nach Namen, Stand oder Gewerbe und Wohnort; 2. die Bezeichnung des Gerichts; 3. die bestimmte Angabe des Betrags oder Gegenstandes und des Grundes des Anspruchs; 4. das Gesuch um Erlassung des Zahlungsbefehls. § 691. Entspricht das Gesuch nicht den Bestimmungen der vor­ stehenden Paragraphen oder ergiebt sich aus dem Inhalte des Gesuchs, daß der Anspruch überhaupt oder zur Zeit nicht begründet ist, so wird dasselbe zurückgewiesen. Das Gesuch ist auch dann zurückzuweisen, wenn der Zahlungsbefehl nur in Ansehung eines Theils des Anspruchs nicht erlassen werden kann. Eine Anfechtung der zurückweisenden Verfügung findet nicht statt. § 692. Der Zahlungsbefehl enthält die im § 690 Nr. 1—3 be­ zeichneten Erfordernisse des Gesuchs und äußerdem den Befehl an den Schuldner, binnen einer vom Tage der Zustellung laufenden Frist von einer Woche bei Vermeidung sofortiger Zwangsvollstreckung den Gläubiger wegen des Anspruchs nebst den dem Betrage nach zu bezeichnenden Kosten des Verfahrens und den geforderten Zinsen zu befriedigen oder bei dem Gerichte Widerspruch zu erheben.

8 693. Mit der Zustellung des Zahlungsbefehls an den Schuldner treten die Wirkungen der Rechtshängigkeit ein.

8 694. Der Schuldner kann gegen den Anspruch oder einen Theil desselben Widerspruch erheben, solange der Vollstreckungsbefehl nicht verfügt ist. Das Gericht hat den Gläubiger von dem rechtzeitig erhobenen Widerspruche in Kenntniß zu setzen und dem Schuldner auf Verlangen eine Bescheinigung darüber zu ertheilen, daß er rechtzeitig Widerspruch erhoben habe. Einer Zurückweisung des nicht rechtzeitig

erhobenen

Widerspruchs

bedarf es nicht.

K 695. Durch die rechtzeitige Erhebung des Mderspruchs gegen den Anspruch oder einen Theil desselben verliert der Zahlungsbefehl seine Kraft. Die Wirkungen der Rechtshängigkeit bleiben bestehen. 8 696. Gehört eine wegen des Anspruchs zu erhebende Klage vor die Amtsgerichte, so wird, wenn rechtzeitig Widerspruch erhoben ist, die Klage als mit der Zustellung des Zahlungsbefehls bei dem Amtsgericht erhoben angesehen, welches den Befehl erlassen hat. Jede Partei kann den Gegner zur mündlichen Verhandlung laden; die Ladungsfrist beträgt mindestens drei Tage.

8 697. Gehört eine wegen des Anspruchs zu erhebende Klage vor die Landgerichte, so erlöschen die Wirkungen der Rechtshängigkeit, wenn nicht binnen einer sechsmonatigen Frist, welche von dem Tage der Benack-

Siebentes Buch. Mahnverfahren.

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richtigung von der Erhebung des Widerspruchs läuft, die Klage bei dein zuständigen Gericht erhoben wird.

§ 698. Die Kosten des Mahnverfahrens sind im Falle der recht­ zeitigen Erhebung des Widerspruchs als ein Theil der Kosten des ent­ stehenden Rechtsstreits anzusehen. Wird im Falle des § 697 die Klage nicht binnen, der bestimniteu Frist erhoben, so hat der Gläubiger die Kosten des Mahnverfahrens zu tragen. § 699. Der Zahlungsbefehl ist nach Ablauf der darin bestimmten Frist auf Gesuch des Gläubigers für vorläufig vollstreckbar zu erklären, sofern nicht vor der Vollstreckbarkeitserklärung von dem Schuldner Wider­ spruch erhoben ist. Die Vollstreckbarkeitserklärung erfolgt durch einen auf den Zahlungsbefehl zu setzenden Vollstreckungsbesehl. In den Vollstreckungs­ befehl sind die von dem Gläubiger zu berechnenden Kosten des bisherigen Verfahrens aufzunehmen. Gegen den Beschluß, durch welchen das Gesuch des Gläubigers zurückgewiesen wird, findet sofortige Beschwerde statt. § 700. Der Vollstreckungsbefehl steht einem für vorläufig voll­ streckbar erklärten auf Versäumniß erlassenen Endurtheile gleich. Gegen denselben findet der Einspruch nach den Vorschriften der §§ 338—346 statt. Gehört der Anspruch nicht vor die Amtsgerichte, so wird bei dem Amtsgerichte nur darüber verhandelt und entschieden, ob der Einspruch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sei. Die im § 697 bestimmte Frist beginnt in diesem Falle mit der Rechtskraft des Urtheils, durch welches der Einspruch für zulässig erklärt ist. K 701. Wird in dem Falle, wenn Widerspruch nicht erhoben ist, die Erlassung des Vollstreckungsbefehls nicht binnen einer sechsmonatigen Frist, welche mit Ablauf der im Zahlungsbefehle bestimmten Frist be­ ginnt, nachgesucht, so verliert der Zahlungsbefehl dergestalt seine Kraft, daß auch die Wirkungen der Rechtshängigkeit erlöschen. Dasselbe gilt, wenn die Erlassung des Vollstieckungsbefehls rechtzeitig nachgesucht ist, das Gesuch aber zurückgewiesen wird.

§ 702. Das Gesuch um Erlassung eines Zahlungsbefehls oder eines Vollstreckungsbefehls, sowie die Erhebung eines Widerspruchs werden der anderen Partei abschriftlich nicht mitgetheilt; im Falle ihrer münd­ lichen Anbringung ist die Aufnahme eines Protokolls nicht erforderlich.

§ 703. Des Nachweises einer Vollmacht bedarf es nicht, wenn für den Gläubiger die Erlaffung eines Zahlungsbefehls nachgesucht oder für den Schuldner Widerspruch gegen einen Zahlungsbefehl erhoben wird.

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VI Cwilprozkßordmmg.

Achtes Buch.

Zwangsvollstreckung. Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen. § 704. Die Zwangsvollstreckung findet statt aus Endurtheilen, welche rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind. Urtheile in Ehesachen und in Rechtsstreitigkeiten, welche die Fest­ stellung des Rechtsverhältnisies zwischen Eltern und Kindern zum Gegen­ stände haben, dürfen nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. H 705. Die Rechtskraft der Urtheile tritt vor Ablauf der für die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels oder des zuläsiigen Einspruchs bestimmten Frist nicht ein. Der Eintritt der Rechtskraft wird durch rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels oder des Einspruchs gehemmt.

§ 706. Zeugnisse über die Rechtskraft der Urtheile sind auf Grund der Prozeßakten vom Gerichtsschreiber erster Instanz und, solange der Rechtsstreit in einer höheren Instanz anhängig ist, von dem Gerichtsschreiber dieser Instanz zu ertheilen. Insoweit die Ertheilung des Zeugnisies davon abhängt, daß gegen das Urtheil ein Rechtsmittel nicht eingelegt ist, genügt ein Zeugniß des Gerichtsschreibers des für das Rechtsmittel zuständigen Gerichts, daß innerhalb der Nothfrist ein Schriftsatz zum Zwecke der Terminsbestimmung nicht eingereicht sei. Ist von einer Partei ein Schriftsatz behufs Einlegung eines Rechts­ mittels oder des Einspruchs zur Terminsbestimmung eingereicht, so kann nach Ablauf der Nothfrist und, sofern die Vornahme der Zustellung unter Vermittelung des Gerichtsschreibers eingeleitet war, nach Ablauf der im § 207 Abs. 2 bestimmten Frist der Gegner beantragen, daß der Partei von dem Gerichtsschreiber eine Frist zum Nachweise der Zustellung bestimmt werde. Nach fruchtlosem Ablaufe dieser Frist ist das Zeugniß über die Rechtskraft zu ertheilen.

§ 707. Wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt, so kann das Gericht auf Antrag anordnen, daß die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheits­ leistung einstweilen eingestellt werde oder nur gegen Sicherheitsleistung stattfinde, und daß die erfolgten Vollstreckungsmaßregeln gegen Sicherheits­ leistung aufzuheben seien Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung ist nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, daß die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachtheil bringen würde.

Achtes Buch.

Zwangsvollstreckung.

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Die Entscheidung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Eine Anfechtung des Besälusses findet nicht statt.

§ 708» Auch ohne Antrag sind für vorläufig vollstreckbar zu erklären: 1. Urtheile, welche auf Grund eines Anerkenntnisses eine Verurtheilung aussprechen (§ 307); 2. Urtheile, welche den Eintritt der in einem bedingten Endurtheile ausgedrückten Folgen aussprechen; 3. ein zweites oder ferneres in derselben Instanz gegen dieselbe Partei zur Hauptsache erlassenes Versäumnißurtheil; 4. Urtheile, welche im Urkunden- oder Wechselprozesse erlassen werden; 5. Urtheile, durch welche Arreste oder einstweilige Verfügungen aufgehoben werden; 6. Urtheile, welche die Verrichtung zur Entrichtung von Alimenten oder zur Entrichtung einer nach den §§ 843, 844 des Bürgerlichen -Gesetzbuchs geschuldeten Geldrente aussprechen, soweit die Entrichtung für die Zeit nach der Erhebung der Klage und für das der Erhebung der Klage vorausgehende letzte Vierteljahr zu erfolgen hat.

K 709. Urtheile sind auf Antrag für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wenn sie betreffen: 1. Streitigkeiten zwischen dem Vermiether und dem Miether oder Untermiether von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Miether und dem Untermiether solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, sowie wegen Zurückhaltung der von dem Miether oder dem Untermiether in die Miethsräume eingebrachten Sachen; 2. Streitigkeiten zwischen Dienstherrschaft und Gesinde, zwischen Arbeit­ gebern und Arbeitern hinsichtlich des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses, sowie die im § 3 Abs. 1 des Gesetzes, betreffend die Gewerbegerichte, vom 29. Juli 1890 (Reichs-Gesetzbl. S. 141) bezeichneten Streitigkeiten, insofern dieselben während der Dauer des Dienst-, Arbeits- oder Lehrverhältnisses entstehen; 3. Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirthen, Fuhrleuten, Schiffern, Flößern oder Auswanderungsexpedienten in den Einschiffungshäsen, welche über Wirthszechen, Fuhrlohn, Ueberfahrtsgelder, Beförderung der Reisenden und ihrer Habe und über Verlust und Beschädigung der letzteren, sowie Streitigkeiten zwischen Reisenden und Handwerkern, welche aus Anlaß der Reise entstanden sind; 4. andere vermögensrechtliche Ansprüche, sofern der Gegenstand der Ver­ urtheilung an Geld oder Geldeswerth die Summe von dreihundert Mark nicht übersteigt; in Betreff des Werthes des Gegenstandes kommen die Vorschriften der §§ 3—9 zur Anwendung.

§ 710. Urtheile sind auf Antrag für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wenn glaubhaft gemacht wird, daß die Aussetzung der Vollstreckung dem Gläubiger einen schwer zu ersetzenden oder einen schwer zu ermittelnden Nachtheil bringen würde, oder wenn sich der Gläubiger erbietet, vor der Vollstreckung Sicherheit zu leisten.

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VT Civilprozebordnunq.

§ 711. Urtheile der Oberlandesgcrichte sind auf Antrag auch ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wenn die Voraussetzungen der §§ 546, 547 für die Zulässigkeit der Revision nach dein Ermessen des Gerichts unzweifelhaft nicht vorliegen. § 712. Wird glaubhaft gemacht, daß die Vollstreckung des Ur­ theils dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachtheil bringen würde, so ist in den Fällen des § 708 auf Antrag des Schuldners auszusprechen, daß dasselbe nicht vorläufig vollstreckbar sei; in den Fällen der §§ 709, 710 ist der Antrag des Gläubigers zurückzuweisen. § 713. Das Gericht kann auf Antrag die vorläufige Vollstreck­ barkeit von einer vorgängigen Sicherheitsleistung abhängig machen. Das Gericht hat auf Antrag dem Schuldner nachzulassen, durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung die Vollstreckung abzuwenden, wenn nicht der Gläubiger sich erbietet, vor der Vollstreckung Sicherheit zu leisten.

§ 714. Die in den 88 709—713 erwähnten Anträge sind vor dem Schluffe der mündlichen Verhandlung zu stellen, auf welche das Urtheil ergeht. § 715. In den Fällen der §§ 710, 713 kann das Gericht, welches die Sicherheitsleistung angeordnet oder zugelassen hat, auf Antrag die Rückgabe der von dem Gläubiger geleisteten Sicherheit anordnen, wenn ein Zeugniß über die Rechtskraft des für vorläufig vollstreckbar erklärten Urtheils vorgelegt wird. Die Vorschriften des § 109 Abs. 3 finden ent­ sprechende Anwendung. § 716. Ist der Antrag, das Urtheil für vorläufig vollstreckbar zn erklären, übergangen oder ist in Fällen, in welchen ein Urtheil ohne Antrag für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist, eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nicht erfolgt, so kommen wegen Ergänzung des Urtheils die Vorschriften des § 321 zur Anwendung. § 717. Die vorläufige Vollstreckbarkeit tritt mit der Verkündung eines Urtheils, welches die Entscheidung in der Hauptsache oder die Voll­ streckbarkeitserklärung aufhebt oder abändert, insoweit außer Kraft, als die Aufhebung oder Abänderung erfolgt. Wird ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urtheil aufgehoben oder abgeändert, so ist der Kläger zum Ersätze des Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urtheils oder durch eine znr Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist. Der Beklagte kann den Anspruch auf Schadensersatz in dem anhängigen Rechts­ streite geltend machen; wird der Anspruch geltend gemacht, so ist er als znr Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen. § 718. In der Berufungsinstanz ist über die vorläufige Voll­ streckbarkeit auf Antrag vorab zu verhandeln und zu entscheiden. Die Bestimmung des § 524 über die Vertagung der mündlichen Verhandlung findet in diesem Falle keine Anwendung.

Achtes Buch

Zwangsvollstreckung.

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Eine Anfechtung der in der Berufungsinstanz über die vorläustge Vollstreckbarkeit erlasfenen Entscheidung findet nicht statt

K 719. Wird gegen em für vorläufig vollstreckbar erklärtes Ur­ theil der Einspruch oder ein Rechtsmittel eingelegt, so finden die Vor­ schriften des 8 707 entsprechende Anwendung

§ 720. Ist in Gemäßheit des § 713 Abs. 2 dem Schuldnernachgelassen, durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung die Voll­ streckung abzuwenden, so ist gepfändetes Geld oder der Erlös gepfändeter Gegenstände zu hinterlegen § 721. Wird auf Räumung einer Wohnung erkannt, so kann das Gericht aus Antrag dem Schuldner eine den Umstanden nach an­ gemessene Frist zur Räumung gewähren Auf den Antrag finden die Vorschriften der 88 714, 716 ent­ sprechende Anwendung. § 722. Aus dem Urtheil eines ausländischen Gerichts findet die Zwangsvollstreckung nur statt, wenn ihre Zulässigkeit durch em Vollstrcckuirgsurtherl ausgesprochen ist. Für die Klage auf Erlassung desselben rst das Amtsgericht oder Landgericht, bei welchem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und in Ermangelung eines solchen das Amtsgericht oder Landgericht zuständig, bei welchem in Gemäßheit des § 23 gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann. § 723. Das Vollstreckungsurtheil ist ohne Prüfung der GesetzMäßigkeit der Entscheidung zu erlassen. Das Vollstreckungsurtheil ist erst zu erlassen, wenn das Urtheil des ausländischen Gerichts nach dem für dieses Gericht geltenden Rechte die Rechtskraft erlangt hat. Es ist nicht zu erlassen, wenn die Anerkennung des Urtheils nach § 328 ausgeschlossen ist. § 724. Die Zwangsvollstreckung erfolgt auf Grund einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Urtheils (vollstreckbare Ausfertigung). Die vollstreckbare Ausfertigung wird von dem Gerichtsfchreiber des Gerichts erster Instanz und, wenn der Rechtsstreit bei einem höheren Gericht anhängig ist, von dem Genchttzschreiber dieses Gcnchts ertheilt. K 725.

Die Vollstreckungsklausel: „Vorstehende Ausfertigung wird dem n s. w. «Bezeichnung der Partei) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung ertheilt." ist der Ausfertigung des Urtheils am Schluffe beizufügen, von dem Gerichts­ schreiber zu unterschreiben und nut dem Gerichtssiegel zu versehen.

§ 726, Von Urtheilen, deren Vollstreckung nach ihrem Inhalte von dem durch den Gläubiger zu beweisenden Eintritt einer anderen Thatsache als einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung abhängt, darf eine vollstreckbare Ausfertigung nur ertheilt werden, wenn der Beweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird.

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VI. Civilprozeßmdnung.

Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so ist der Beweis, das; der Schuldner befriedigt oder im Verzüge der Annahme ist, nur dann erforderlich, wenn die dem Schuldner obliegende Leistung in der Abgabe einer Willenserklärung besteht.

§ 727. Eine vollstreckbare Ausfertigung kann für den Rechtsnach­ folger des in dem Urtherle bezeichneten Gläubigers sowie gegen denjenigen Rechtsnachfolger des in dem Urtheile bezeichneten Schuldners und denjenigen Besitzer der in Streit befangenen Sache, gegen welche das Urtheil nach § 325 wirksam ist, ertheilt werden, sofern die Rechtsnachfolge oder das Besitzverhältniß bei dem Gericht offenkundig ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird. Ist die Rechtsnachfolge oder das Besitzverhältniß bei dem Gericht offenkundig, so ist dies in der Vollstreckungsklausel zu erwähnen. § 728. Ist gegenüber dem Vorerben ein nach § 326 dem Nach­ erben gegenüber wirksames Urtheil ergangen, so finden auf die Erthellung einer vollstreckbaren Ausfertigung für und gegen den Nacherben die Vor­ schriften des 8 727 entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt, wenn gegenüber einem Testamentsvollstrecker ein nach 8 327 dem Erben gegenüber wirksames Urtheil ergangen ist, für die Ertheilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für und gegen den Erben. Eine vollstreckbare Ausfertigung kann gegen den Erben ertheilt werden, auch wenn die Verwaltung des'Testamentsvollstreckers noch besteht. § 729. Hat Jemand das Vermögen eines Anderen durch Ver­ trag mit diesem nach der rechtskräftigen Feststellung einer Schuld des Anderen übernommen, so finden auf die Ertheilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urtheils gegen den Uebernehmer die Vorschriften des 8 727 entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt für die Ertheilung einer vollstreckbaren Ausfertigung gegen denjenigen, welcher ein unter Lebenden erworke.ies Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma sortführt, in Ansehung der Verbindlichkeiten, für welche er nach 8 25 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs haftet, sofern sie vor dem Erwerbe des Geschäfts gegen den ftüheren In­ haber rechtskräftig festgestellt worden sind. § 730. In den Fällen des 8 727 Abs. 1 und der 88 727-729 darf die vollstreckbare Ausfertigung nur auf Anordnung des Vorsitzenden ertheilt werden. Vor der Entscheidung kann der Schuldner gehört werden. Die Anordnung ist in der Vollstreckungsklaüsel zu erwähnen.

K 731. Kann der nach dem 8 726 Abs. 1 und den 88 727 —729 erforderliche Nachweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nicht geführt werden, so hat der Gläubiger bei dem Prozeßgericht erster Instanz aus dem Urtheil auf Ertheilung der Vollstreckungsklausel Klage zu erheben. § 732. Ueber Einwendungen des Schuldners, welche die Zuläffigkeit der Vollstreckungsklausel betreffen, entscheidet das Gericht, von

A>!,tes Buch.

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Zwangsvollstreckung.

dessen Gerichtsschreiber die Vollstreckungsklausel ertheilt ist. Die Ent­ scheidung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Das Gericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, daß die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen oder nur gegen Sicherheitsleistung fortzusctzen sei.

§ 733. Eine weitere vollstreckbare Ausfertigung darf derselben Partei, sofern nicht die zuerst ertheilte Ausfertigung zurückgegeben wird, nur auf Anordnung des Vorsitzenden ertheilt werden. Vor der Entscheidung kann der Schuldner gehört werden. Der Gerichtsschreiber hat von der Ertheilung der weiteren Aus­ fertigung, wenn die Entscheidung, durch welche dieselbe angeordnet wird, nicht verkündet ist, den Gegner in Kenntniß zu setzen. Die weitere Ausfertigung ist als solche unter Erwähnung der Ent­ scheidung ausdrücklich zu bezeichnen. § 734, Vor der Aushändigung einer vollstreckbaren Ausfertigung ist auf der Urschrift des Urtheils zu bemerken, für welche Partei und zu welcher Zeit die Ausfertigung ertheilt ist. § 735. Zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines nicht rechtsfähigen Vereins genügt ein gegen den Verein ergangenes Urtheil.

K 736. Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer nach § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingegangenen Gesellschaft ist ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urthell erforderlich. K 737. Bei dem Nießbrauch an einem Vermögen ist wegen der vor der Bestellung des Nießbrauchs entstandenen Verbindlichkeiten des Bestellers die Zwangsvollstreckung in die dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände ohne Rücksicht aus den Nießbrauch zulässig, wenn der Besteller zu der Leistung und der Nießbraucher zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurtheilt ist. Das Gleiche gilt bei dem Meßbrauch an einer Erbschaft für die Nachlaßverbindlichkeiten. § 738. Ist die Bestellung des Meßbrauchs an einem Vermögen nach der rechtskräftigen Feststellung einer Schuld des Bestellers erfolgt, so finden auf die Ertheilung einer in Ansehung' der dem Nießbrauch unter­ liegenden Gegenstände vollstreckbaren Ausfertigung des Urtheils gegen den Meßbraucher die Vorschriften der §§ 727, 730—732 entsprechende An­ wendung. Das Gleiche gilt bei dem Nießbrauch an einer Erbschaft für die Ertheilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des gegen den Erblasser ergangenen Urtheils.

§ 739. Bei dem Güterstande der Verwaltung und Nutznießung, der Errungenschastsgemeinschast oder der Fahrnißgemeinschaft ist die Zwangs­ vollstreckung in das eingebrachte Gut der Ehefrau nur zuläffig, wenn die Ebefrau zu der Leistung und der Ehemann zur Duldung der Zwangs­ vollstreckung in das eingebrachte Gut verurtheilt ist. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

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VI. Civilprozeßordnung.

8 74V. Bei dem Güterstande der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschaft oder der Fahrnißgemeinschast ist zur Zwangs­ vollstreckung in das Gesammtgut ein gegen den Ehemann ergangenes Urtheil erforderlich und genügend. 8 741. Betreibt die Ehefrau selbständig ein Erwerbsgeschäft, so ist zur Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut und in das Gesammtgut ein gegen die Ehefrau ergangenes Urtheil genügend, es sei denn, daß zur Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit der Einspruch des Ehemanns gegen den Betrieb des Erwerbsgeschästs oder der Widerruf seiner Einwilligung zu dem Betrieb im Güterrechtsregister eingetragen war. 8 742. Ist der Güterstand der Verwaltung und Nutznießung, der Errungenschaftsgemeinschast oder der Fahrnißgemeinschast erst eingetreten, nachdem ein von der Ehefrau oder gegen sie geführter Rechtsstreit rechts­ hängig geworden ist, so finden auf die Ertheilung einer in Ansehung des eingebrachten Gutes der . Ehefrau vollstreckbaren Ausfertigung des Urtheils für oder gegen den Ehemann die Vorschriften der §§ 727, 730—732 entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt für die Ertheilung einer in Ansehung des Gesammtguts vollstreckbaren Ausfertigung, wenn die allgemeine Gütergemeinschaft oder die Fahrnißgemeinschast erst eingetreten ist, nachdem ein von der Ehestau oder gegen sie geführter Rechtsstreit rechtshängig geworden ist. § 743. Nach der Beendigung der allgemeimn Gütergemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschast oder der Fahrnißgemeinschast ist vor der ?luseinandersetzung die Zwangsvollstreckung in das Gesammtgut nur zulässig, wenn beide Ehegatten zu der Leistung oder der eine Ehegatte zu der Leistung und der andere zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurtheilt sind.

8 744. Ist die Beendigung der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschast oder der Fahrnißgemeinschast nach der Beendigung eines Rechtsstreits des Ehemanns eingetreten, so finden auf die Ertheilung einer in Ansehung des Gesammtguts vollstreckbaren Aus­ fertigung des Urtheils gegen die Ehefrau die Vorschriften der 83 727, 730—732 entsprechende Anwendung.

S 745. Im Falle der fortgesetzten Gütergemeinschaft ist zur Zwangsvollstreckung in das Gesammtgut ein gegen den überlebenden Ehe­ gatten ergangenes Urtheil erforderlich und genügend. Nach der Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft finden die Vorschriften der 88 743, 744 mit der Maßgabe Anwendung, daß an die Stelle des Ehemanns der überlebende Ehegatte, an die Stelle der Ehefrau die antheilsberechtigten Abkömmlinge treten. 8 746. Zur Zwangsvollstreckung in das der elterlichen Nutznießung unterliegende Vermögen des Kindes ist ein gegen das Kind ergangenes Urtheil genügend. 8 747. Zur Zwangsvollstreckung in einen Nachlaß ist, wenn mehrere Erben vorhanden sind, bis zur Theilung ein gegen alle Erben ergangenes Urtheil erforderlich.

Achtes Buch.

Zwangsvollstreckung.

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§ 748. Unterliegt ein Nachlaß der Verwaltung eines Testaments­ vollstreckers, so ist zur Zwangsvollstreckung in den Nachlaß ein gegen den Testamentsvollstrecker ergangenes Urtheil erforderlich und genügend. Steht dem Testamentsvollstrecker nur die Verwaltung einzelner Nachlaß­ gegenstände zu, so ist die Zwangsvollstreckung in diese Gegenstände nur zulässig, wenn der Erbe zu der Leistung, der Testamentsvollstrecker zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurtheilt ist. Zur Zwangsvollstreckung wegen eines Pflichttheilsanspruchs ist im Falle des Abs. 1 wie im Falle des Abs. 2 ein sowohl gegen den Erben als gegen den Testamentsvollstrecker ergangenes Urtheil erforderlich. § 749. Auf die Ertheilung einer vollstreckbaren Ausfertigung eines für oder gegen den Erblasser ergangenen Urtheils für oder gegen den Testamentsvollstrecker finden die Vorschriften der §§ 727, 730—732 ent­ sprechende Anwendung. Auf Grund einer solchen Ausfertigung ist die Zwangsvollstreckung nur in die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlaßgegenstände zuläffig. § 750. Die Zwangsvollstreckung darf nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen" welche sie stattfinden soll, in dem Urtheil oder in der demselben beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urtheil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Handelt es sich um die Vollstreckung eines Urtheils, dessen vollstreck­ bare Ausfertigung nach § 726 Abs. 1 ertheilt worden ist, oder soll ein Urtheil, welches nach den §§ 727—729, 738, 742, 744, dem § 745 Abs. 2 und dem § 749 für oder gegen eine der dort bezeichneten Personen wirksam ist, sür oder gegen eine dieser Personen vollstreckt werden, so muß außer dem zu vollstreckenden Urtheil auch die demselben beigefügte Voll­ streckungsklausel und, sofern die Vollstreckungsklausel auf Grund öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden ertheilt ist, auch eine Abschrift dieser Urkunden vor Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt sein oder gleichzeitig mit Beginn derselben zugestellt werden. § 751. Ist die Geltendmachung des Anspruchs von dem Eintritt eines Kalendertages abhängig, so darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn der Kalendertag abgelaufen ist. Hängt die Vollstreckung von einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung ab, so darf der Beginn der Zwangsvollstreckung nur erfolgen, wenn die Sicherheitsleistung durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen und eine Abschrift dieser Urkunde bereits zügestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.

$ 752. Gegen eine dem aktiven Heere ober* der aktiven Marine angehörende Militärperson darf die Zwangsvollstreckung erst beginne», nachdem von derselben die vorgesetzte Militärbehörde Anzeige erhalten hat Dem Gläubiger ist auf Verlangen der Empfang der Anzeige von der Militärbehörde zu bescheinigen. K 753. Die Zwangsvollstreckung erfolgt, soweit sie nicht den Gerichten zugewiesen ist, durch Gerichtsvollzieher, welche dieselbe im Auf­ trage des Gläubigers zu bewirken haben.

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VI Civilprozeßordnung.

Der Gläubiger kann wegen Ertheilung des Auftrags zur Zwangs­ vollstreckung die Mitwirkung des Gerichtsschreibers in Anspruch nehmen. Der von dem Gerichtsschreiber beauftragte Gerichtsvollzieher gilt als von dem Gläubiger beauftragt.

8 754. In dem schriftlichen oder mündlichen Auftrage zur Zwangs­ vollstreckung in Verbindung mit der Uebergabe der vollstreckbaren Aus­ fertigung liegt die Beauftragung des Gerichtsvollziehers, die Zahlungen oder sonstigen Leistungen in Empfang zu nehmen, über das Empfangene wirksam zu quittiren und dem Schuldner, wenn dieser seiner Verbindlichkeit genügt hat, die vollstreckbare Ausfertigung auszuliefern.

8 755. Dem Schuldner und Dritten gegenüber wird der Gerichts­ vollzieher zur Vornahme der Zwangsvollstreckung und der im § 754 be­ zeichneten Handlungen durch den Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung ermächtigt. Der Mangel oder die Beschränkung des Auftrags kann diesen Personen gegenüber von dem Gläubiger nicht geltend gemacht werden.

K 756. Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf der Gerichtsvoll­ zieher die Zwangsvollstreckung nicht beginnen, bevor er dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in' einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten hat, sofern nicht der Beweis, daß der Schuldner befriedigt oder im Verzüge der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.

8 757. Der Gerichtsvollzieher hat nach Empfang der Leistungen dem Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung nebst einer Quittung aus­ zuliefern, bei theilweiser Leistung diese auf der vollstreckbaren Ausfertigung zu bemerken und dem Schuldner Quittung zu ertheilen. Das Recht des Schuldners, nachträglich eine Quittung des Gläubigers selbst zu fordern, wird durch diese Bestimmungen nicht berührt. 8 758. Der Gerichtsvollzieher ist befugt, die Wohnung und die Behältnisse deS Schuldners zu durchsuchen, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert. Er ist befugt, die verschlosienen Hausthüren, Zimmerthüren und Behältniffe öffnen zu fassen. Er ist, wenn er Widerstand findet, zur Anwendung von Gewalt befugt und kann zu diesem Zwecke die Unterstützung der polizellichen Voll­ zugsorgane nachsuchen. Ist militärische Hülfe erforderlich, so hat er sich an das Vollstreckungsgericht zu wenden.

8 759. Wird bei einer Vollstreckungshandfang Widerstand geleistet oder ist bei einer in der Wohnung des Schuldners erfolgenden Vollstreckungs­ handlung weder der Schuldner noch eine zur Familie desselben gehörige oder in dieser Familie dienende erwachsene Person gegenwärtig, so hat der Gerichtsvollzieher zwei großjährige Männer oder einen Gemeinde- oder Polizeibeamten als Zeugen zuzuziehen.

Achtes Buch.

Zwangsvollstreckung.

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§ 760. Jeder Person, welche bei dem Dollstrecknngsverfahren beteiligt ist, muß auf Begehren Einsicht der Akten des Gerichtsvollziehers gestattet und Abschrift einzelner Aktenstücke ertheilt werden.

§ 761. Zur Nachtzeit (§ 188 Abs. 1), sowie an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen darf eine Vollstreckungshandlung nur mit Erlaubniß des Amtsrichters erfolgen, in dessen Bezirke die Handlung vorgenommeu werden soll. Die Verfügung, durch welche die Erlaubniß ertheilt wird, ist bei der Zwangsvollstreckung vorzuzeigen. § 762. Der Gerichtsvollzieher hat über jede Vollstreckungshandlunq ein Protokoll aufzunehmen. Das Protokoll muß enthalten: 1. Ort und Zeit der Aufnahme; 2. den Gegenstand der Vollstreckungshandlung unter kurzer Erwähnung der wesentlichen Vorgänge; 3. die Namen der Personen, mit welchen verhandelt ist; 4. die Unterschrift dieser Personen und die Bemerkung, daß die Unter­ zeichnung nach vorgängiger Vorlesung oder Vorlegung zur Durchsicht und nach vorgängiger Genehmigung erfolgt sei; 5. die Unterschrift des Gerichtsvollziehers. Hat einem der unter Nr. 4 bezeichneten Erfordernisse nicht genügt werden können, so ist der Grund anzugeben.

§ 763. Die Aufforderungen und sonstigen Mittheilungen, welche zu den Vollstreckungshandlungen gehören, sind von dem Gerichtsvollziehei mündlich zu erlaffen und vollständig in das Protokoll aufzunehmen. Kann die inündliche Ausführung nicht erfolgen, so hat der Gerichts­ vollzieher eine Abschrift des Protokolls unter entsprechender Anwendung der 88 172, 181—186 zuzustellen oder, wenn demjenigen, an welchen die Aufforderung oder Mittheilung zu richten ist, am Orte der Zwangsvoll­ streckung nicht zugeftellt werden kann, durch die Post zu übersenden. Die Befolgung dieser Vorschrift muß zum Protokolle bemerkt werden. öffentliche Zustellung findet nicht statt.

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§ 764. Die den Gerichten zugewiesene Anordnung von Vollstreckungs­ handlungen und Mitwirkung bei solchen gehört zur Zuständigkeit der Amtsgerichte als Vollstreckungsgerichte. Als Vollstreckungsgericht ist, sofern nicht das Gesetz ein anderes Amtsgericht bezeichnet, dasjenige Amtsgericht anzusehen, in deffen Bezirke das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat. Die Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts können ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. H 765. Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zn bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf das Vollstreckungsgericht eine Vollstreckungsmaßregel nur anordnen, wenn der Beweis, daß der Schuldner befriedigt oder im Verzüge der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine

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VI. Civilprozeßordn ung.

Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist. Der Zustellung bedarf es nicht, wenn bereits der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung nach § 756 begonnen hatte und der Beweis durch das Protokoll des Gerichtsvollziehers geführt wird.

K 766» Ueber Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das bei derselben tont Gerichtsvollzieher zu beobachtende Verfahren betreffen, entscheidet das Voll­ streckungsgericht. Dasselbe ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlaffen. Dem Vollstreckungsgerichte steht auch die Entscheidung zu, wenn ein Gerichtsvollzieher sich weigert, einen Vollstreckungsauftrag zu übernehmen oder eine Vollstreckungshandlung dem Auftrage gemäß auszuführen, oder wenn in Ansehung der von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Kosten Erinnerungen erhoben werden.

8 767« Einwendungen, welche den durch das Urtheil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozeßgericht erster Instanz geltend zu machen. Dieselben find nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluffe derjenigen mündlichen Verhandlung, in welcher Einwendungen in Gemäßheit der Bestimmungen dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden mässen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr gellend gemacht werden können. Der Schuldner muß in der von ihm zu erhebenden Klage alle Ein­ wendungen geltend machen, welche er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen im Stande war.

8 768» Die Bestimmungen des § 767 Abs. 1, 3 finden entsprechende Anwendung, wenn in den Fällen'des § 726 Abs. 1, der §§ 727—729, 738, 742, 744, des § 745 Abs. 2 und des § 749 der Schuldner den bei der Ertheilung der Vollstreckungsklausel als bewiesen angenommenen Eintritt der Voraussetzung für die Ertheilung der Vollstreckungsklausel bestreitet, unbeschadet der Befugniß des Schuldners, in diesen Fällen Ein­ wendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel in Gemäßheit des 8 732 zu erheben.

8 769. Das Prozeßgericht kann auf Antrag anordnen, daß bis zur Erlaffung des Urtheils über die in den 88 767, 768 bezeichneten Einwendungen die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt oder nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werde und daß die erfolgten Bollstreckungsmaßregeln gegen Sicherheitsleistung aufzuheben seien. Die thatsächlichen Behauptungen, welche den Antrag begründen, sind glaubhaft zu machen. In dringenden Fällen kann das Vollstreckungsgericht eine solche Anordnung erlaffen, unter Bestimmung einer Frist, innerhalb welcher die Entscheidung des Prozeßgerichts beizubringen sei. Nach fruchtlosem Ab­ laufe der Frist wird die Zwangsvollstreckung fortgesetzt. Die Entscheidung über diese Anträge kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen.

Achtes Buch.

Zwangsvollstreckung.

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§ 770. Das Prozeßgericht kann in dem Urtheile, durch welches über die Einwendungen entschieden wird, die in dem vorstehenden Para­ graphen bezeichneten Anordnungen erlassen oder die bereits erlassenen An­ ordnungen aufheben, abändern oder bestätigen. In Betreff der Anfechtung einer solchen Entscheidung finden die Vorschriften des § 718 entsprechende Anwendung. § 771. Behauptet der Zwangsvollstreckung ein ist der Widerspruch gegen bei dem Gerichte geltend vollstreckung erfolgt.

ein die die zu

Dritter, daß ihm an dem Gegenstände Veräußerung hinderndes Recht zustehe, so Zwangsvollstreckung im Wege der Klage machen, in dessen Bezirke die Zwangs­

Wird die Klage gegen den Gläubiger und den Schuldner gerichtet, so sind diese als Streitgenossen anzusehen. Auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung der bereits erfolgten Vollstreckungsmaßregeln finden die Vorschriften der §§ 769, 770 entsprechende Anwendung. Die Aufhebung einer Vollstreckungs­ maßregel ist auch ohne Sicherheitsleistung zulässig.

§ 772. Solange ein Veräußerungsverbot der in den § 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art besteht, soll der Gegenstand, auf welchen es sich bezieht, wegen eines persönlichen Anspruchs oder auf Grund eines in Folge des Verbots unwirksamen Rechts nicht im Wege der Zwangsvollstreckung veräußert oder überwiesen werden. Auf Grund des Veräußerungsverbots kann nach Maßgabe des § 771 Widerspruch erhoben werden. § 773. Ein Gegenstand, der zu einer Vorerbschaft gehört, soll nicht im Wege der Zwangsvollstreckung veräußert oder überwiesen werden, wenn die Veräußerung oder die Ueberweisung im Falle des Eintritts der Nacherbfolge nach § 2115 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem Nacherben gegenüber unwirksam ist. Der Nacherbe kann nach Maßgabe des § 771 Widerspruch erheben.

$ 774. Findet nach § 741 die Zwangsvollstreckung in das ein­ gebrachte Gut der Eheftau oder in das Gesammtgut statt, so kann der Ehemann nach Maßgabe des § 771 Widerspruch erheben, wenn das gegen die Ehefrau ergangene Urtheil in Ansehung des eingebrachten Gutes oder des Gesammtguts ihm gegenüber unwirksam ist. § 775. Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken: 1. wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus welcher sich ergiebt, daß das zu vollstreckende Urtheil oder deffen vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben, oder daß die Zwangsvollstreckung für unzuläffig erklärt oder deren Einstellung angeordnet ist;

2. wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus welcher sich ergiebt, daß die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist;

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VI. Civüprozeßordnung.

3. wenn eine öffeMche Urkunde vorgelegt wird, aus welcher sich ergiebt, daß die zur Abwendung der Vollstreckung nachgelassene Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist; 4. wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger aus­ gestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus welcher sich ergiebt, daß der Gläubiger nach Erlassung des zu vollstreckenden Urtheils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat; 5. wenn ein Postschein vorgelegt wird, aus welchem sich ergiebt, daß nach Erlassung des Urtheils die zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Summe zur Auszahlung an den letzteren bei der Post eingezahlt ist.

8 776. In den Fällen des § 775 Nr. 1, 3 sind zugleich bereits erfolgten Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben. In den Fällen Nr. 4, 5 bleiben diese Maßregeln einstweilen bestehen; dasselbe gilt in Fällen der Nr. 2, sofern nicht durch die betreffende Entscheidung auch Aufhebung der bisherigen Vollstrecküngshandlungen angeordnet ist.

die der den die

8 777. Hat der Gläubiger eine bewegliche Sache des Schuldners im Besitz, in Ansehung deren chm ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungs­ recht für seine Forderung zusteht, so kann der Schuldner der Zwangs­ vollstreckung in sein übriges Vermögen nach § 766 widersprechen, soweit die Forderung durch den Werth der Sache gedeckt ist. Steht dem Gläubiger ein solches Recht in Ansehung der Sache auch für eine andere Forderung zu, so ist der Widerspruch nur zulässig, wenn auch diese Förderung durch den Werth der Sache gedeckt ist.

8 778. Solange der Erbe die Erbschaft nicht angenommen hat, ist eine Zwangsvollstreckung wegen eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlaß richtet, nur in den Nachlaß zuläffig. Wegen eigener Verbindlichkeiten des Erben ist eine Zwangsvollstreckung in den Nachlaß vor der Annahme der Erbschaft nicht zulässig. 8 779. Eine Zwangsvollstreckung, welche zur Zeit des Todes des Schuldners gegen diesen bereits begonnen hatte, wird in den Nachlaß desselben fortgesetzt. Ist bei einer Vollstreckungshandlung die Zuziehung des Schuldners nöthig, so hat, wenn die Erbschaft noch nicht angenommen oder wenn der Erbe unbekannt oder es ungewiß ist, ob er die Erbschaft angenommen hat, das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers dem Erben einen einstweiligen besonderen Vertreter zu bestellen. Die Bestellung hat zu unterbleiben, wenn ein Nachlaßpfleger bestellt ist oder wenn die Verwaltung des Nachlasses einem Testamentsvollstrecker zusteht. 8 789. Der als Erbe des Schuldners verurtheilte Bellagte kann die Beschränkung seiner Haftung nur geltend machen, wenn sie ihm im Urtheile Vorbehalten ist.' Der Vorbehall ist nicht erforderlich, wenn der Fiskus als gesetzlicher Erbe verurtheilt wird oder wenn das Urtheil über eine Nachlaßverbindlichkeit gegen einen Nachlaßverwalter oder einen anderen Nachlaßpfleger oder

Achtes Buch.

Zwangsvollstreckung.

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gegen einen Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung drs Nachlasses zu­ steht, erlassen wird.

§ 781. Bei der Zwangsvollstreckung gegen den Erben des Schuldners bleibt die Beschränkung der Haftung unberücksichtigt, bis aus Grund derselben gegen die Zwangsvollstreckung von dem Erben Ein­ wendungen erhoben werden.

§ 782. Der Erbe kann auf Grund der ihm nach den §§ 2014, 2015 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zustehenden Einreden nur verlangen, daß die Zwangsvollstreckung für die Dauer der dort bestimmten Fristen auf solche Maßregeln beschränkt wird, die zur Vollziehung eines Arrestes zuläsiig sind. Wird vor dem Ablaufe der Frist die Eröffnung des Nach­ laßkonkurses beantragt, so ist auf Antrag die Beschränkung der Zwangs­ vollstreckung auch nach dem Ablaufe der Frist aufrechtzuerhalten, bis über die Eröffnung des Konkursverfahrens rechtskräftig entschieden ist.

K 783. In Ansehung der Nachlaßgegenstände kann der Erbe die Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach § 782 auch gegenüber den Gläubigern verlangen, die nicht Nachlaßgläubiger sind, es sei denn, daß er für die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt hastet. § 784. Ist eine Nachlaßverwaltung angeordnet oder der Nachlaß­ konkurs eröffnet, so kann der Erbe verlangen, daß Maßregeln der Zwangs­ vollstreckung, die zu Gunsten eines Nachlaßgläubigers in sein nicht zum Nachlasse gehörendes Vermögen erfolgt sind, aufgehoben werden, es sei denn, daß er für die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt hastet. Im Falle der Nachlaßverwaltung steht dem Nachlaßverwalter das gleiche Recht gegenüber Maßregeln der Zwangsvollstreckung zu, die zu Gunsten eines anderen Gläubigers als eines Nachlaßgläubigers in den Nachlaß erfolgt sind.

§ 785. Die Erledigung der aus Grund der 88 781 — 784 erhobenen Einwendungen erfolgt nach den Bestimmungen der §§ 767, 769, 770.

K 786. Die Bestimmungen des § 780 Abs. 1 und der 88 781—785 finden auf die nach § 1489 des Bürgerlichen Gesetzbuchs cintretende beschränkte Haftung, die Bestimungen des 8 780 Abs. 1 und der 88 781, 785 finden auf die nach den 88 419, 1480, 1504, 2187 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eintretende beschränkte Haftung enffprechende Anwendung.

K 787. Soll durch die Zwangsvollstreckung ein Recht an einem Grundstücke, das von dem bisherigen Eigenthümer.nach 8 928 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs aufgegeben und von dem Aneignungsberechtigten noch nicht erworben worden ist, geltend gemacht werden, so hat das Voll­ streckungsgericht auf Antrag einen Vertreter zu bestellen, dem bis zur Eintragung eines neuen Eigenthümers die Wahrnehmung der sich aus dem Eigenthum ergebenden Rechte und Verpflichtungen im Zwangsvollftreckungsverfahren obliegt.

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VI Civilpro)etzordnung.

8 788, Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen, soweit sie nothwendig waren (§ 91), dem Schuldner zur Last; sie sind zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Ansprüche beizutreibcn. Die Kosten der Zwangsvollstreckung sind dem Schuldner zu erstatten, wenn das Urtheil, aus welchem dieselbe erfolgt ist, aufgehoben wird.

8 789. Wird zum Zwecke der Vollstreckung das Einschreiten einer Behörde erforderlich, so hat das Gericht die Behörde um ihr Einschreiten zu ersuchen. 8 790. Soll die Zwangsvollstreckung gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Person des Soldatenstandes in Kasernen und anderen militärischen Dienstgebäuden oder auf Kriegsfahr­ zeugen erfolgen, so hat auf Antrag des Gläubigers das Vollstreckungs­ gericht die zuständige Militärbehörde um die Zwangsvollstreckung zu ersuchen. Die gepfändeten Gegenstände sind einem von dem Gläubiger zu be­ auftragenden Gerichtsvollzieher zu übergeben. 8 791. Soll die Zwangsvollstreckung in einem ausländischen Staate erfolgen, dessen Behörden im Wege der Rechtshülfe die Urtheile deutscher Gerichte vollstrecken, so hat aus Antrag des Gläubigers das Prozeßgericht erster Instanz die zuständige Behörde des Auslandes um die Zwangsvoll­ streckung zu ersuchen. Kann die Vollstreckung durch einen Reichskonsul erfolgen, so ist das Ersuchen an diesen zu richten.

8 792. Bedarf der Gläubiger zum Zwecke der Zwangsvollstreckung eines Erbscheins oder einer anderen Urkunde, die dem Schuldner auf An­ trag von einer Behörde, einem Beamten oder einem Notar zu ertheilen ist, so kann er die Ertheilung an Stelle des Schuldners verlangen. 8 793. Gegen Entscheidungen, welche im Zwangsvollstreckungs­ verfahren ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen können, findet sofortige Beschwerde statt. 8 794. Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt: 1. aus Vergleichen, welche nach Erhebung der Klage zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Bei­ legung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfange nach oder in Betreff eines Theils des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht ab­ geschloffen find; 2. aus Vergleichen, welche im Falle des § 510 vor dem Amtsgericht abgeschloffen sind; 3. aus Entscheidungen, gegen welche das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet; 4. aus Vollstreckungsbefehlen; 5. aus Urkunden, welche von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form ausgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, welcher die Zahlung einer bestimmten

Achtes Buch.

Zwangsvollstreckung.

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Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Quantität anderer vertretbarer Sachen oder Werthpapiere zum Gegenstände hat, und der Schuldner sich in der Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Als ein Anspruch, welcher die Zahlung einer Geld­ summe zum Gegenstände hat, gilt auch, der Anspruch aus einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld. Soweit nach den Vorschriften der §§ 737, 739, 743, des § 745 Abs. 2 und des § 748 Abs. 2 die Verurtheilung eines Betheiligten zur Duldung der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wird sie dadurch ersetzt, daß der Betheiligte in einer nach Abs. 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde die sofortige Zwangsvollstreckung in die seinem Rechte unterworfenen Gegen­ stände bewilligt.

§ 795. Auf die Zwangsvollstreckung aus den in dem vorstehenden Paragraphen erwähnten Schuldtiteln finden die Bestimmungen der §§ 724—793 entsprechende Anwendung, soweit nicht in den 88 796—800 abweichende Vorschriften enthalten sind. K 796, Vollstreckungsbefehle bedürfen der Dollstreckungsllausel nur, wenn die Zwangsvollstreckung für einen anderen als den in dem Befehle bezeichneten Gläubiger oder gegen einen anderen als den in dem Befehle bezeichneten Schuldner erfolgen soll. Einwendungen, welche den Anspruch selbst betreffen, find nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, nach Zustellung des Vollstreckungsbefehls entstanden sind.

Für Klagen auf Ertheilung der Vollstreckungsllausel, sowie für Klagen, durch welche die den Anspruch selbst betreffenden Einwendungen geltend gemacht werden oder der bei der Ertheilung der Vollstreckungs­ klausel als bewiesen angenommene Eintritt der Voraussetzung für die Ertheilung der Vollstreckungsllausel bestritten wird, ist das Amtsgericht zuständig, welches den Vollstreckungsbefehl erlaffen hat. Gehört der Anspruch nicht vor die Amtsgerichte, so sind die Klagen bei dem zuständigen Land­ gerichte zu erheben.

tz 797. Die vollstreckbare Ausfertigung gerichtlicher Urkunden wird von dem Gerichtsschreiber des Gerichts ertheilt, welches die Urkunde aus­ genommen hat. Die vollstreckbare Ausfertigung notarieller Urkunden wird von dem Notar ertheilt, welcher die Urkunde verwahrt. Befindet sich die Urkunde in der Verwahrung einer Behörde, so hat diese die vollstreckbare Aus­ fertigung zu ertheilen. Die Entscheidung über Einwendungen, welche die Zulässigkeit der Vollstreckungsllausel betreffen, sowie die Entscheidung über Ertheilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung erfolgt bei gerichtlichen Urkunden von dem im ersten Absätze bezeichneten Gerichte, bei notariellen Urkunden von dem Amtsgerichte, in deffen Bezirke der im zweiten Absätze bezeichnete Notar oder die daselbst bezeichnete Behörde den Amtssitz hat.

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VI Cwilprozeßordnung.

Auf die Geltendmachung von Einwendungen, welche den Anspruch selbst betreffen, findet die beschränkende Vorschrift des § 767 Abs. 2 keine Anwendung. Für Klagen auf Ertheilung der Vollstreckungsklausel, sowie für Klagen, durch welche die den Anspruch selbst betreffenden Einwendungen geltend gemacht werden oder der bei der Ertheilung der Vollstreckungs­ klausel als bewiesen angenommene Eintritt der Voraussetzung für die Ertheilung der Vollstreckungsklausel bestritten wird, ist das Gericht, bei welchem der Schuldner im Deutschen Reiche seinen allgemeinen Gerichts­ stand hat, und in Ermangelung eines solchen das Gericht zuständig, bei welchem in Gemäßheit des § 23 gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann.

$ 798« Aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen und aus den nach § 794 Nr. 5 aufgenommenen Urkunden darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn der Schuldtitel mindestens einen Tag vorher zugestellt ist. § 799. Hat sich der Eigenthümer eines mit einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld belasteten Grundstücks in einer nach § 794 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen und ist dem Rechtsnachfolger des Gläubigers eine vollstreck­ bare Ausfertigung ertheilt, so ist die Zustellung der die Rechtsnachfolge nachweisenden öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde mcht er­ forderlich, wenn der Rechtsnachfolger als Gläubiger im Grundbuch ein­ getragen ist. § 800. Der Eigenthümer kann sich in einer nach § 794 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde in Ansehung einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld der sofortigen Zwangsvollstreckung in der Weise unterwerfen, daß bte Zwangsvollstreckung aus der Urkunde gegen den je­ weiligen Eigenthümer des Grundstücks zulässig sein soll. Die Unterwerfung bedarf in diesem Falle der Eintragung in das Grundbuch. Bei der Zwangsvollstreckung gegen einen späteren Eigenthümer, der im Grundbuch eingetragen ist. bedarf es nicht der Zustellung der den Erwerb des Eigenthums nachweisenden öffentlichen oder öffentlich beglau­ bigten Urkunde. Ist die sofortige Zwangsvollstreckung gegen den jeweiligen Eigenthümer zulässig, so ist für die im § 797 Abs. 5 bezeichneten Klagen das Gericht zuständig, in dessen Bezirke das Grundstück -belegen ist.

#801. Die Landesgesetzgebung ist nicht gehindert, auf Grund anderer als der in den §§ 704, 794 bezeichneten Schuldtitel die gericht­ liche Zwangsvollstreckung zuzulassen und insoweit abweichende Vorschriften von den Bestimmungen dieses Gesetzes über die Zwangsvollstreckung zu treffen. # 802. ausschließliche.

Die in diesem Buche

angeordneten Gerichtsstände

sind

Achtes Buch.

Zwangsvollstreckung.

55/

Zweiter Abschnitt.

LivangSbollstreckung wegen Geldforderungen. Erster Titel.

ZwangSvollstreckuug in das bewegliche Vermögen. I. Allgemeine Bestimmungen. § 803. Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen

er­ folgt durch Pfändung. Sie darf nicht weiter ausgedehnt werden, als zur Befriedigung des Gläubigers und zur Deckung der Kosten der Zwangs­ vollstreckung erforderlich ist. Die Pfändung hat zu unterbleiben, wenn sich von der Verwerthung der zu pfändenden Gegenstände ein Ueberschuß über die Kosten der Zwangs­ vollstreckung nicht erwarten läßt.

8 804.

Durch die Pfändung erwirbt der Gläubiger ein Pfand­ recht an dem gepfändeten Gegenstände. Das Pfandrecht gewährt dem Gläubiger im Verhältniß zu anderen Gläubigern dieselben Rechte wie ein durch Vertrag erworbenes Faustpfand­ recht; es geht Pfand- und Vorzugsrechten vor, welche für den Fall eines Konkurses den Faustpfandrechten nicht gleichgestellt sind. Das durch eine frühere Pfändung begründete Pfandrecht geht dem­ jenigen vor, welches durch eine spätere Pfändung begründet wird.

§ 805.

Der Pfändung einer Sache kann ein Dritter, welcher sich nicht im Besitze der Sache befindet, auf Grund eines Pfand- oder Vor­ zugsrechts nicht widersprechen; er kann jedoch feinen Anspruch auf vorzugs­ weise Befriedigung aus dem Erlöse im Wege der Klage geltend machen, ohne Rücksicht darauf, ob seine Forderung fällig ist oder nicht. Die Klage ist bei dem Vollstreckungsgericht und, wenn der Streit­ gegenstand zur Zuständigkeit der Amtsgerichte nicht gehört, bei dem Land­ gerichte zu erheben, in deffen Bezirke das Vollstreckungsgericht seinen Sitz hat. ' Wird die Klage gegen den Gläubiger und den Schuldner gerichtet, so find diese als Streitgenossen anzusehen. Wird der Anspruch glaubhaft gemacht, so hat das Gericht die Hinterlegung des Erlöses anzuordnen. Die Vorschriften der 88 769, 770 finden hierbei entsprechende Anwendung.

8 806.

Wird ein Gegenstand auf Grund der Pfändung veräußert, so steht dein Erwerber wegen eines Mangels im Rechte oder wegen eines Mangels der veräußerten Sache ein Anspruch auf Gewährleistung nicht zu.

8 807.

Hat die Pfändung zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt oder macht dieser glaubhaft, daß er durch Pfändung seine Befriedigung nicht vollständig erlangen könne, so ist der

558

VI. Civilprozeßordmmg.

Schuldner auf Antrag verpflichtet, ein Verzeichniß seines Vermögens vor­ zulegen, in Betreff seiner Forderungen den Grund und die Beweismittel zu bezeichnen, sowie den Offenbarungseid dahin zu leisten:

daß er nach bestem Wissen sein Vermögen so vollständig ange­ geben habe, als er dazu im Stande sei.

n. Zwangsvollstreckung in körperliche Sache«. K 808. Die Pfändung der im Gewahrsam des Schuldners be­ findlichen körperlichen Sachen wird dadurch bewirkt, daß der Gerichtsvoll­ zieher dieselben in Besitz nimmt. Andere Sachen als Geld, Kostbarkeiten und Werthpapiere sind im Gewahrsam des Schuldners zu Massen, sofern nicht hierdurch die Be­ friedigung des Gläubigers gefährdet wird. Werden die Sachen im Gewahrsam des. Schuldners belassen, so ist die Wirksamkeit der Pfändung dadurch bedingt, daß durch Anlegung von Siegeln oder auf sonstige Weise die Pfändung ersichtlich gemacht ist. Der Gerichtsvollzieher hat den Schuldner von der geschehenen Pfändung in Kenntniß zu setzen.

5 809. Die vorstehenden Bestimmungen finden entsprechende An­ wendung auf die Pfändung von Sachen, welche sich im Gewahrsam des Gläubigers oder eines zur Herausgabe bereiten Dritten befinden. § 810. Früchte, die von dem Boden noch nicht getrennt find, können gepfändet werden, solange nicht ihre Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen erfolgt ist. Die Pfändung darf nicht früher als einen Monat vor der gewöhnlichen Zeit der Reife erfolgen. Ein Gläubiger, der ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstücke hat, kann der Pfändung nach Maßgabe des § 771 widersprechen, sofern nicht die Pfändung für einen im Falle der Zwangsvollstreckung' in das Grundstück vorgehenden Anspruch erfolgt ist.

8 811.

Folgende Sachen find der Pfändung nicht unterworfen:

1. die Kleidungsstücke, die Betten, die Wäsche, das Haus- und Küchengeräth, insbesondere die Heiz- und Kochöfen, soweit diese Gegenstände für den Bedarf des Schuldners oder zur Erhaltung eines angemessenen Hausstandes unentbehrlich sind;

2. die für den Schuldner, seine Familie und sein Gefinde auf vier Wochen erforderlichen Nahrungs-, Feuerungs- und Beleuchtungsmittel oder, soweit solche Dorräthe auf zwei Wochen nicht vorhanden und ihre Beschaffung für diesen Zeitraum auf anderem Wege nicht ge­ sichert ist, der zur Beschaffung erforderliche Geldbetrag; 3. eine Milchkuh oder nach der Wahl des Schuldners statt einer solchen zwei Ziegen oder zwei Schafe nebst den zum Unterhalt und zur Streu für dieselben auf vier Wochen erforderlichen Futter- und Streuvorräthen oder, soweit solche Vorräthe auf zwei Wochen nicht

Achtes Buch.

4.

5.

6.

7.

8.

9. 10. 11. 12.

13.

Zwangsvollstreckung.

559

vorhanden, dem zur Beschaffung erforderlichen Geldbeträge, wenn die bezeichneten Thiere für die Ernährung des Schuldners, seiner Familie und seines Gesindes unentbehrlich sind; bei Personen, welche Landwirthschaft betreiben, das zum Wirthschastsbetrieb erforderliche Geräth und Vieh nebst dem nöthigen Dünger, sowie die landwirthschaftlichen Erzeugnisse, soweit sie zur Fortführung der Wirthschaft bis zu der Zeit erforderlich sind, zu welcher gleiche oder ähnliche Erzeugnisse voraussichtlich gewonnen werden; bei Künstlern, Handwerkern, gewerblichen Arbeitern und anderen Personen, welche aus Handarbeit oder sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, die zur persönlichen Fortsetzung der Erwerbs­ thätigkeit unentbehrlichen Gegenstände; bei den Wittwen und den minderjährigen Erben der unter Nr. 5 bezeichneten Personen, wenn sie das Erwerbsgeschäft für ihre Rechnung durch einen Stellvertreter fortführen, die zur persönlichen Fortführung des Geschäfts durch den Stellvertreter unentbehrlichen Gegenstände; bei Offizieren, Deckoffizieren, Beamten, Geistlichen, Lehrern an öffentlichen Unterrichtsanstalten, Rechtsanwälten, Notaren sowie Aerzten und Hebammen die zur Verwaltung des Dienstes oder Aus­ übung des Berufs erforderlichen Gegenstände, sowie anständige Kleidung; bei Offizieren, Militärärzten, Deckoffizieren, Beamten, Geistlichen, bei Aerzten und Lehrern an öffentlichen Anstalten ein Geldbetrag, welcher dem der Pfändung nicht unterworfenen Theile des Dienst­ einkommens oder der Pension für die Zeit von der Pfändung bis »um nächsten Termine der Gehalts- oder Pensionszahlung gleich­ kommt; oie zum Betriebe einer Apotheke unentbehrlichen Geräthe, Gefäße und Waaren; die Bücher, welche zum Gebrauche des Schuldners und seiner Familie in der Kirche oder Schule oder einer sonstigen Unterrichtsanstalt oder bei der häuslichen Andacht bestimmt sind; die in Gebrauch genommenen Haushaltungs- und Geschäftsbücher, die Familienpapiere, sowie die Trauringe, Orden und Ehrenzeichen; künstliche Gliedmaßen, Brillen und andere wegen körperlicher Gebrechen nothwendige Hülfsniittel, soweit diese Gegenstände zum Gebrauche des Schuldners und seiner Familie bestimmt find; die zur unmittelbaren Verwendung für die Bestattung bestimmten Gegenstände.

§ 812. Gegenstände, welche zum gewöhnlichen Hausrathe gehören und im Haushalte des Schuldners gebraucht werden, sollen nicht ge­ pfändet werden, wenn ohne Weiteres ersichtlich ist, daß durch deren Ver­ werthung nur ein Erlös erzielt werden würde, welcher zu dem Werthe außer allem Verhältniffe steht. K 813. Zur Pfändung von Früchten, die von dem Boden noch nicht getrennt sind, und zur Pfändung von Gegenständen der im § 811 Nr. 4 bezeichneten Art bei Personen, welche Landwirthschast betreiben, soll

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VI. Civllprozeßordnung.

ein landwirthschaftlicher Sachverständiger zugezogen werden, sofern anzu­ nehmen ist, daß der Werth der zu pfändenden Gegenstände den Betrag von eintausend Mark übersteigt. Inwieweit bei einem geringeren Werthe ein Sachverständiger zugczogen werden soll, bestimmt die Landesjustizverwaltung.

8 814. Die gepfändeten Sachen sind von dem Gerichtsvollzieher öffentlich zu versteigern, Kostbarkeiten sind vor der Versteigerung durch einen Sachverständigen abzuschätzen. 8 815.

Gepfändetes Geld ist dem Gläubiger abzuliefern. Wird dem Gerichtsvollzieher glaubhaft gemacht, daß an gepfändetem Gelde ein die Veräußerung hinderndes Recht eines Dritten bestehe, so ist das Geld zu hinterlegen. Die Zwangsvollstreckung ist fortzusetzen, wenn nicht binnen einer Frist von zwei Wochen seit dem Tage der Pfändung eine Entscheidung des nach § 771 Abs. 1 zuständigen Gerichts über die Einstellung der Zwangsvollstreckung beigebracht wird. Die Wegnahme des Geldes durch den Gerichtsvollzieher gilt als Zahlung von Seiten deS Schuldners, sofern nicht nach Abs. 2 oder nach § 720 die Hinterlegung zu erfolgen hat.

8 816. Die Versteigerung der gepfändeten Sachen darf nicht vor Ablauf einer Woche seit dem Tage der Pfändung geschehen, sofern nicht der Gläubiger und der Schuldner über eine frühere Versteigerung sich einigen oder dieselbe erforderlich ist, um die Gefahr einer beträchtlichen Werthsverringerung der zu versteigernden Sache abzuwenden oder um unverhältnißmäßige Kosten einer längeren Aufbewahrung zu vermeiden. Die Versteigerung erfolgt in der Gemeinde, in welcher die Pfändung geschehen ist, sofern nicht der Gläubiger und der Schuldner über, einen anderen Ort sich einigen. Zeit und Ort der Versteigerung sind unter allgemeiner Bezeichnung der zu versteigernden Sachen öffentlich bekannt zu machen. Bei der Versteigerung finden die Vorschriften des § 1239 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung.

8 817. Dem Zuschlag an den Meistbietenden soll ein dreimaliger Aufruf vorausgehen; die Vorschriften des § 156 des Bürgerlichen Gesetz­ buchs finden Anwendung. Die Ablieferung einer zugeschlagenen Sache dar nur gegen baare Zahlung geschehen. Hat der Meistbietende nicht zu der in den Versteigerungsbedingnngen bestimmten Zeit oder in Ermangelung einer solchen Bestimmung nicht vor dem Schluffe des Versteigerungstermins die Ablieferung gegen Zahlung des Kaufgeldes verlangt, so wird die Sache anderweit versteigert. Der Meistbietende wird zu einem weiteren Gebote nicht zugelassen; er hastet für den Ausfall, auf den Mehrerlös hat er keinen Anspruch. Wird der Zuschlag dem Gläubiger ertheilt, so ist dieser von der Verpflichtung zur baaren Zahlung soweit befreit, als der Erlös nach Abzug der Kosten der Zwangsvollstreckung zu seiner Beftiedigung zu verwenden ist, sofern nicht dem Schuldner nachgelassen ist, durch Sicherheitsleistung oder

Achtes Buch.

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Zwangsvollstreckung.

durch Hinterlegung die Vollstreckung abzuwenden. Soweit der Gläubiger von der Verpflichtung zur baaren Zahlung befreit ist, gilt der Betrag als von dem Schuldner an den Gläubiger gezahlt.

§ 818. Die Versteigerung wird eingestellt, sobald der Erlös zur Befriedigung des Gläubigers und zur Deckung der Kosten der Zwangsvollstreckung hinreicht. § 819. Die Empfangnahme des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher gilt als Zahlung von Seiten des Schuldners, sofern nicht dem Schuldner nachgelassen ist, durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung die Voll­ streckung abzuwenden. § 820. Gold- und Silbersachen dürfen nicht unter ihrem Gold­ oder Silberwerthe zugeschlagen werden. Wird ein den Zuschlag gestattendes Gebot nicht abgegeben, so kann der Gerichtsvollzieher den Verkauf aus freier Hand zu dem Preise bewirken, welcher den Gold- oder Silberwerth erreicht.

§ 821. Gepfändete Werthpapiere sind, wenn sie einen Börsen- oder Marktpreis haben, von dem Gerichtsvollzieher aus freier Hand zum Tages­ kurse zu verkaufen und, wenn sie einen solchen Preis nickt haben, nach de» allgemeinen Bestimmungen zu versteigern. § 822. Lautet ein Werthpapier auf Namen, so kann der Gerichts­ vollzieher durch das Vollstreckungsgericht ermächtigt werden, die Umschreibung auf den Namen des Käufers zu erwirken und die hierzu erforderlichen Er­ klärungen an Stelle des Schuldners abzugeben. § 828. Ist ein Jnhaberpapier durch Einschreibung auf den Namen oder in anderer Weise außer Kurs gesetzt, so kann der Gerichtsvollzieher durch das Vollstreckungsgericht ermächtigt werden, die Wiederinkurssetzung zu erwirken und die hierzu erforderlichen Erklärungen an Stelle des Schuldners abzugeben.

§ 824. Die Versteigerung gepfändeter, von dem Boden noch nicht getrennter Früchte ist erst nach der Reife zulässig. Sie kann vor oder nach der Trennung der Früchte erfolgen; im letzteren Falle hat der Gerichts­ vollzieher die Aberntung bewirken zu lassen. § 825* Auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht anordnen, daß die Verwerthung einer gepfän­ deten Sache in- anderer Weise oder an einem anderen Orte, als in den vorstehenden Paragraphen bestimmt ist, stattzufinden habe oder daß die Versteigerung durch eine andere Person als den Gerichtsvollzieher vor­ zunehmen sei.

H 826. Zur Pfändung bereits gepfändeter Sachen genügt die in das Protokoll aufzunehmende Erklärung des Gerichtsvollziehers, daß er die Sachen für seinen Auftraggeber pfände. Ist die erste Pfändung durch einen anderen Gerichtsvollzieher bewirkt, so ist diesem eine Abschrift des Protokolls zuzustellen. Der Schuldner ist von den weiteren Pfändungen in Kenntniß zu setzen. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

36

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VI Civilprozeßortmung.

§ 827. Auf den Gerichtsvollzieher, von welchem die erste Pfändung bewirkt ist, geht der Auftrag des zweiten Gläubigers krast Gesetzes über, sofern nicht das Vollstreckungsgericht auf Antrag eines betheiligten Gläubigers oder des Schuldners anordnet, daß die Verrichtungen jenes Gerichtsvollziehers von einem anderen zu übernehmen seien. Die Versteigerung erfolgt für alle betheiligten Gläubiger. Ist der Erlös zur Deckung der Forderungen nicht ausreichend und verlangt der Gläubiger, für welchen die zweite oder eine spätere Pfändung erfolgt ist, ohne Zustimmung der übrigen betheiligten Gläubiger eine andere Verkeilung als nach der Reihenfolge der Pfändungen, so hat der Gerichts­ vollzieher die Sachlage unter Hinterlegung des Erlöses dem Vollstreckungs­ gericht anzuzeigen. Dieser Anzeige sind die auf das Verfahren sich beziehenden Schriftstücke beizufügen. In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn die Pfändung für mehrere Gläubiger gleichzeitig bewirkt ist.

III. Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere BermSgenSrechle.

8 828. Die gerichtlichen Handlungen, welche die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte zum Gegenstände haben, erfolgen durch das Vollstreckungsgericht. Als Vollstreckungsgericht ist das Amtsgericht, bei welchem der Schuldner im Deutschen Reiche seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und in Ermangelung eines solchen das Amtsgericht zuständig, bei welchem in Gemäßheit des § 23 gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann. 8 829. Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat das Gericht dem Drittschuldner zu verbieten, an den Schuldner zu zahlen. Zugleich hat das Gericht an den Schuldner das Gebot zu erlaßen, fich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere der Einziehung derselben zu enthalten. Der Gläubiger hat den Beschluß dem Drittschuldner zustellen zu lassen. Der Gerichtsvollzieher hat den Beschluß mit einer Abschrift der Zustellungsurkunde dem Schuldner sofort zuzustellen, sofern nicht eine öffentliche Zustellung erforderlich wird. Ist die Zustellung an den Dritt­ schuldner auf unmittelbares Ersuchen des Gerichtsschreibers durch die Post erfolgt, so hat der Gerichtsschreiber für die Zustellung an den Schuldner in gleicher Weise Sorge zu tragen. An Stelle einer an den Schuldner im Auslande zu bewirkenden Zustellung erfolgt die Zustellung durch Ausgabe zur Post. Mit der Zustellung, des Beschlusses an den Drittschuldner ist die Pfändung als bewirkt anzusehen.

8 830. Zur Pfändung einer Forderung, für welche eine Hypothek besteht, ist außer dem Pfändungsbeschlufse die Uebergabe des Hypotheken­ briefs an den Gläubiger erforderlich. Wird die Uebergabe im Wege der Zwangsvollstreckung erwirkt, so gilt sie als erfolgt, wenn der Gerichtsvoll­ zieher den Brief zum Zwecke der Ablieferung an den Gläubiger wegnimmt.

Achtes Buch.

Zwangsvollstreckung.

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Ist die Ertheitung des Hypothekenbriefs ausgeschlossen, so ist die Eintragung der Pfändung in das Grundbuch erforderlich; die Eintragung erfolgt auf Grund des Pfändungsbeschlusses. Wird der Pfändungsbeschluß vor der Uebergabe des Hypothekenbriefs oder der Eintragung der Pfändung dem Drittschuldner zugestellt, so gilt die Pfändung diesem gegenüber mit der Zustellung als bewirkt. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, soweit es sich um die Pfändung der Ansprüche auf die im § 1159 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Leistungen handelt. Das Gleiche gilt bei einer Sicherungs­ hypothek im Falle des § 1187 des Bürgerlichen Gesetzbuchs von der Pfändung der Hauptforderung.

8 831. Die Pfändung von Forderungen aus Wechseln und anderen Papieren, welche durch Indossament übertragen werden können, wird dadurch bewirkt, daß der Gerichtsvollzieher diese Papiere in Besitz nimmt. § 832. Das Pfandrecht, welches durch die Pfändung einer Gehaltstorderung oder einer ähnlichen in fortlaufenden Bezügen bestehenden Forderung erworben wird, erstreckt sich auch auf die nach der Pfändung fällig werdenden Beträge. § 833. Durch die Pfändung eines Diensteinkommens wird auch dasjenige Einkommen betroffen, welches der Schuldner in Folge der Ver­ setzung in ein anderes Amt, der Uebertragung eines neuen Amts oder einer Gehaltserhöhung zu beziehen hat. Diese Bestimmung findet auf den Fall der Aenderung des Dienst­ herrn keine Anwendung.

K 834. Vor der Pfändung ist der Schuldner über das PfändungSgesuch nicht zu hören.

8 835. Die gepfändete Geldforderung ist dem Gläubiger nach seiner Wahl zur Einziehung oder an Zahlungsstatt zum Nennwerthe zu überweisen. Im letzteren Falle geht die Forderung auf den Gläubiger mit der Wirkung über, daß derselbe, soweit die Forderung besteht, wegen seiner Forderung an den Schuldner als befriedigt anzusehen ist. Die Bestimmungen des § 829 Abs. 2, 3 finden auf die Ueberweisung entsprechende Anwendung. 8 836. Die Ueberweisung ersetzt die förmlichen Erklärungen des Schuldners, von welchen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Berechtigung zur Einziehung der Forderung abhängig ist. Der Ueberweisungsbeschluß gilt, auch wenn er mit Unrecht erlassen ist, $ti Gunsten des Drittschuldners dem Schuldner gegenüber so lange als rechtsbeständig, bis er aufgehoben wird und die Aufhebung zur Kenntniß des Drittschuldners gelangt. Der Schuldner ist verpflichtet, dem Gläubiger die zur Geltendnmchung der Forderung nöthige Auskunft zu ertheilen und ihm die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Die Herausgabe kann von betii Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung erwirkt werden. Cß*

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VI. Civllprozeßordnung.

§ 837, Zur Ueberweisung einer gepfändeten Forderung, für welche eine Hypothek besteht, genügt die Aushändigung des Ueberweisungsbeschlufses an den Gläubiger. Ist die Ertheilung des Hypothekenbriefs ausgeschlossen«, so ist zur Ueberweisung an Zahlungsstatt die Eintragung der Ueberweisung in das Grundbuch erforderlich; die Eintragung erfolgt auf Grund des Ueberweisungsbeschlufses. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, soweit es sich um die Ueberweisung der Ansprüche auf die im § 1159 des Bürgerlichen Gesetz­ buchs bezeichneten Leistungen handelt. Das Gleiche gilt bei einer Sicherungs­ hypothek im Falle des § 1187 des Bürgerlichen Gesetzbuchs von der Ueber­ weisung der Hauptforderung. Bei einer Sicherungshypothek der im § 1190 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art kann die Hauptforderung nach den allgemeinen Vorschriften gepfändet und überwiesen werden, wenn der Gläubiger die Ueberweisung der Forderung ohne die Hypothek an Zahlungsstatt beantragt. 8 838. Wird eine durch ein Pfandrecht an einer beweglichen Sache gesicherte Forderung überwiesen, so kann der Schuldner die Heraus­ gabe des Pfandes an den Gläubiger verweigern, bis ihm Sicherheit für die Haftung geleistet wird, die für ihn aus einer Verletzung der dem Gläubiger dem Verpfänder gegenüber obliegenden Verpflichtungen ent­ stehen kann. 8 839. Ist in Gemäßheit des § 713 Abs. 2 dem Schuldner nachgelassen, durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung die Voll­ streckung abzuwenden, so findet die Ueberweisung gepfändeter Geldsorderungen nur zur Einziehung und nur mit der Wirkung statt, daß der Dritt­ schuldner den Schuldbetrag hinterlege. 8 840. Auf Verlangen des Gläubigers hat der Drittschuldner binnen zwei Wochen, von der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an gerechnet, dem Gläubiger zu erklären: 1. ob und inwieweit er die Forderung als begründet anerkenne und Zahlung zu leisten bereit sei; 2. ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung machen; 3. ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet sei.

Die Aufforderung zur Abgabe dieser Erklärungen muß in die Zustellungsurkunde ausgenommen werden. Der Drittschuldner haftet dem Gläubiger für den' aus der Nichterfüllung seiner Verpflichtung entstehenden Schaden. Die Erklärungen des Drittschuldners können bei Zustellung des Pfändungsbeschlusses oder innerhalb der im ersten Absätze bestimmten Frist an den Gerichtsvollzieher erfolgen. Im ersteren Falle sind dieselben in die Zustellungsurkunde aufzunehmen und von dem Drittschuldner zu unter­ schreiben.

8 841. Der Gläubiger, welcher die Forderung einklagt, ist ver­ pflichtet, dem Schuldner gerichtlich den Streit zu verkünden, sofern nicht eine Zustellung im Ausland oder eine öffentliche Zustellung erforderlich wird.

Achtes Buch.

Zwangsvollstreckung.

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§ 842. Der Gläubiger, welcher die Beitreibung einer ihm zur Einziehung überwiesenen Forderung verzögert, haftet dem Schuldner für den daraus entstehenden Schaden. § 843. Der Gläubiger kann auf die durch Pfändung und Ueberweisung zur Einziehung erworbenen Rechte unbeschadet seines Anspruchs verzichten. Die Verzichtleistung erfolgt durch eine dem Schuldner zuzu­ stellende Erklärung. Die Erklärung ist auch dem Drittschuldner zuzustellen. § 844. Ist die gepfändete Forderung eine bedingte oder eine betagte, oder ist ihre Einziehung wegen der Abhängigkeit von einer Gegen­ leistung oder aus anderen Gründen mit Schwierigkeiten verbunden, so tarnt das Gericht auf Antrag an Stelle der Ueberweisung eine andere Art der Verwerthung anordnen. Vor dem Beschlusse, durch welcheit dem Anträge stattgegeben wird, ist der Gegner zu hören, sofern nicht eine Zustellung im Ausland oder eine öffentliche Zustellung erforderlich wird. § 845. Schon vor der Pfändung kann der Gläubiger auf Grund eines vollstreckbaren Schuldtitels durch den Gerichtsvollzieher dem Dritt­ schuldner und dem Schuldner die Benachrichtigung, daß die Pfändung bevorstehe, zustellen lassen mit der Aufforderung an den Drittschuldner, nicht an den Schuldner zu zahlen, und mit der Aufforderung an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere der Einziehung derselben zu enthalten. Der vorherigen Ertheilung einer voll­ streckbaren Ausfertigung und der Zustellung des Schuldtitels bedarf es nicht. Die Benachrichtigung an den Drittschuldner hat die Wirkung eines Arrestes (§ 930), sofern die Pfändung der Forderung innerhalb drei Wochen bewirkt wird. Die Frist beginnt mit dem Tage, an welchem die Benach­ richtigung zugestellt ist. 8 846. Die Zwangsvollstreckung in Ansprüche, welche die Heraus­ gabe oder .Leistung körperlicher Sachen zum Gegenstände haben, erfolgt nach den Vorschriften der §§ 829—845 unter Berücksichtigung der nachfolgenden Bestimmungen. § 847. Bei der Pfändung eines Anspruchs, welcher eine bewegliche körperliche Sache betrifft, ist anzuordnen, daß die Sache an einen vom Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben sei. Auf die Verwerthung der Sache finden die Vorschriften über die Verwerthung gepfändeter Sachen Anwendung. § 848. Bei Pfändung eines Anspruchs, welcher eine unbewegliche Sache betrifft, ist anzuordnen, daß die Sache an einen auf Antrag des Gläubigers vom Amtsgerichte der belegenen Sache zu bestellenden Sequester herauszugeben sei. Ist der Anspruch auf Uebertragung des Eigenthums gerichtet, so hat die Auflaffung an den Sequester als Vertreter des Schuldners zu erfolgen. Mit dem Uebergange des Eigenthums auf den Schuldner erlangt der Gläubiger eine Sicherungshypothek für seine Forderung. Der Sequester hat die Eintragung der Sicherungshypothek zu bewilligen.

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VI Civilprozeßordnung.

Die Zwangsvollstreckung in die herausgegebene Sache wird nach den für die Zwangsvollstreckung in unbewegliche Sachen geltendeil Vorschriften bewirkt.

§ 849. Eine Ueberweisung der im § 846 bezeichneten Ansprüche an Zahlungsstatt ist unzulässig.

K 850. Der Pfändung sind nicht unterworfen: 1. der Arbeits- oder Dienstlohn nach den Bestimnnmgen des Reichsgesetzes vom 21. Juni 1869 (Bundes-Gesetzbl. 1869 S. 242 und 1871 S. 63, Reichs-Gesetzbl. 1897 S. 159);*) 2. die auf gesetzlicher Vorschrift beruhenden Alimentenforderungen und die nach § 844 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wegen der Entziehung einer solchen Forderung zu entrichtende Geldrente; 3. die fortlaufenden Einkünfte, welche ein Schuldner aus Stiftungen oder sonst auf Grund der Fürsorge und Freigebigkeit eines Dritten bezieht, insoweit der Schuldner zur Bestreitung des notdürftigen Unterhalts für sich, seinen Ehegatten und seine noch unversorgten Kinder dieser Einkünfte bedarf; 4. die aus Kranken-, Hülfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine zu beziehenden Hebungen; 5. der Sold und die Jnvalidenpension der Unteroffiziere und der Soldaten; 6. das Diensteinkommen der Militärpersonen, welche zu einem mobilen Truppentheil oder zur Besatzung eines in Dienst gestellten Kriegs­ fahrzeuges gehören; 7. die Pensionen der Wittwen und Waisen und die denselben aus Wittwen- und Waisenkassen zukommenden Bezüge, die Erziehungsgelder und die Studienstipendien, sowie die Pensionen invalider Arbeiter; *) Dieses Gesetz lautet in seiner jetzigen, auf der Novelle vom 29. März 1897 (R.G.B1. 1897 S. 159) und auf Art. III des Einführungsgesetzes zur CivilprozeßNovelle (oben S. 428) beruhenden Fassung: § 1. Die Vergütung (Lohn, Gehalt, Honorar u. s. w.) für Arbeiten oder Dienste, welche auf Grund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses geleistet werden, darf, sofern dieses Verhältniß die Erwerbsthätigkeit des Vergütungsberechtigten voll­ ständig oder hauptsächlich in Anspruch nimmt, zum Zwecke der Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubigers" erst dann mit Beschlag belegt werden, nachdem bu Leistung der Arbeiten oder Dienste erfolgt und nachdem der Tag, an welchem die Vergütung gesetzlich, Vertrags- oder gewohnheitsmäßig zu entrichten war, abgelaufen ist, ohne daß der Vergütungsberechtigte dieselbe eingefordert hat. § 2. Die Bestimmungen des § 1 können nicht mit rechtlicher Wirkung durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Soweit nach diesen Bestimmungen die Beschlagnahme unzulässig ist, ist auch jede Verfügung durch Cession, Anweisung, Verpfändung oder durch ein anderes Rechts­ geschäft ohne rechtliche Wirkung. § 3. Als Vergütung ist jeder dem Berechtigten gebührende Vermögensvortheil anzusehen. Auch macht es keinen Unterschied, ob dieselbe nach Zeit oder Stück be­ rechnet wird. Ist die Vergütung mit dem Preise oder Werth für Material oder mit dem Ersatz anderer Auslagen in ungetrennter Summe bedungen, so gilt als Vergütung im Sinne dieses-Gesetzes der Betrag, welcher nach Abzug des Preises oder des Werthes der Materialien und nach Abzug der Auslagen übrig bleibt.

Achtes Buch.

Zwangsvollstreckung.

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8. das Diensteinkommen der Offiziere, Militärärzte und Deckoffiziere, der Beamten, der Geistlichen, sowie der Aerzte und Lehrer an öffentlichen Anstalten; die Pension dieser Personen nach deren Versetzung in einstweiligen oder dauernden Ruhestand, sowie der nach ihrem Tode den Hinterbliebenen zu gewährende Sterbe- oder Gnadengehalt. Uebersteigen in den Fällen Nr. 7 und 8 das Diensteinkommen, die Pension oder die sonstigen Bezüge die Summe von fünfzehnhundert Mark für das Jahr, so ist der dritte Theil des Mehrbetrags der Pfändung unterworfen.

Die nach § 843 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichtende Geldrente ist nur soweit der Pfändung unterworfen, als der Gesammtbetrag die Summe von fünfzehnhundert Mark für das Jahr übersteigt.

In den Fällen der beiden vorhergehenden Absätze ist die Pfändung ohne Rücksicht auf den Betrag zulässig, wenn sie wegen der den Verwandten, dem Ehegatten und dem früheren Ehegatten für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkte vorausgehende letzte Vierteljahr kraft Gesetzes zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge beantragt wird. Das Gleiche gilt in Ansehung der zu Gunsten eines unehelichen Kindes von dem Vater für den bezeichneten Zeitraum kraft Gesetzes zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge; diese Vorschrift findet jedoch insoweit keine Anwendung, als der Schuldner zur Bestreitung seines nothdürftigen Unterhalts und zur Erfüllung der ihm seinen Verwandten, seiner Ehefrau oder feiner früheren Ehefrau gegenüber gesetzlich obliegenden Unterhaltspflicht der Bezüge bedarf. § 4. Das gegenwärtige Gesetz findet keine Anwendung: 1. auf den Gehalt imb die Dienstbezüge der öffentlichen Beamten; 2. auf die Beitreibung der direkten persönlichen Staatssteuern und Kommunal­ abgaben (die derartigen Abgaben an Kreis-, Kirchen-, Schul- und sonstige Kommunalverbände mit eingeschlossen), sofern diese Stellern und Abgaben nicht feit länger als drei Monaten fällig geworden sind; 8. auf die Beitreibung der den Verwandten, dem Ehegatten und dem früheren Ehe­ gatten für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkte vorausgehende letzte Vierteljahr kraft Gesetzes zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge; 4. insoweit der Gesammtbetrag der Vergütung (§§ 1, 3) die Summe von fünfzehn hundert Mark für das Jahr übersteigt. § 4 a. Auf die Beitreibung der zu Gunsten eines unehelichen Kindes von dem Vater für den im § 4 Nr. 3 bezeichneten Zeitraum kraft Gesetzes zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge findet dieses Gesetz nur insoweit Anwendung, als der Schuldner zur Bestreitung seines nothdürftigen Unterhalts und zur Erfüllung der ihm seinen Verwandten, feiner Ehefrau oder seiner früheren Ehefrau gegenüber gesetzlich ob­ liegenden Unterhaltspflicht der Vergütung (§§ 1, 3) bedarf. Hierbei weroen aus­ schließlich die Leistungen berücksichtigt, welche vermöge einer solchen Unterhaltspflicht für den nämlichen Zeitraum oder, falls die Klage zu Gunsten deS unehelichen Kindes nach der Klage eines Unterhaltsberechtigten erhoben ist, für die Zeit von dem Beginne des der Klage dieses Berechtigten vorausgehenden letzten Vierteljahrs ab zu ent­ richten sind. § 5. Dieses Gesetz tritt am 1. August 1869 in Kraft. Die bis dahin verfügten, mit den Vorschriften dieses Gesetzes nicht vereinbarten Beschlagnahmen sind auf Antrag des Schuldners aufzuheben oder einzuschränken. Dagegen finden die Bestimmungen des zweiten Absatzes des § 2 auf frühere Fälle keine Anwendung.

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VI. Civllprozeßordnung.

Hierbei werden ausschließlich die Leistungen berücksichtigt, welche vermöge einer solchen Unterhaltspflicht für den nämlichen Zeitraum oder, falls die Klage zu Gunsten des unehelichen Kindes nach der Klage eines Unterhalts­ berechtigten erhoben ist, für die Zeit von dem Beginne des der Klage dieses Berechtigten vorausgehenden letzten Vierteljahrs ab zu entrichten sind. Die Einkünfte, welche zur Bestreitung eines Dienstaufwandes bestimmt sind, und der Servis der Offiziere, Militärärzte und Militärbeamten sind weder der Pfändung unterworfen noch bei der Ermittelung, ob und zu welchem Betrage ein Diensteinkommen der Pfändung unterliege, zu berechnen.

§ 851; Eine Forderung ist in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar ist. Eine nach § 399 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht übertragbare Forderung kann insoweit gepfändet und zur Einziehung überwiesen werden, als der geschuldete Gegenstand der Pfändung unterworfen ist.

§ 852. Der Pflichttheilsanspruch ist der Pfändung nur unter­ worfen, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist. Das Gleiche gilt für den nach § 528 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem Schenker zustehenden Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes. § 853. Ist eine Geldforderung für mehrere Gläubiger gepfändet, so ist der Drittschuldner berechtigt und auf Verlangen eines Gläubigers, welchem die Forderung überwiesen wurde, verpflichtet, unter Allzeige der Sachlage und unter Aushändigung der ihm zugestellten Beschlüffe an das Amtsgericht, deffen Beschluß ihm zuerst zugestellt ist, den Schuldbetrag zu hinterlegen. § 854. Ist ein Anspruch, welcher eine bewegliche körperliche Sache betrifft, für mehrere Gläubiger gepfändet, so ist der Drittschuldner berechtigt llnd auf Verlangen eines Gläubigers, welchem der Anspruch überwiesen wllxde, verpflichtet, die Sache unter Anzeige der Sachlage und unter Aus­ händigung der ihm zugestellten Beschlüsse dem Gerichtsvollzieher heraus­ zugeben, welcher nach dem ihm zuerst zugestellten Beschlüffe zur Empfang­ nahme der Sache ermächtigt ist. Hat der Gläubiger einen solchen Gerichts­ vollzieher nicht bezeichnet, so erfolgt deffen Ernennung auf Antrag des Drittschuldners von dem Amtsgerichte des Orts, wo die Sache heraus­ zugeben ist. Ist der Erlös zur Deckung der Forderungen nicht ausreichend und verlangt der Gläubiger, für welchen die zweite oder eine spätere Pfändung erfolgt ist, ohne Zustimmung der übrigen betheiligten Gläubiger eine andere Verkeilung als nach der Reihenfolge der Pfändungen, so hat der Gerichts­ vollzieher die Sachlage unter Hinterlegung des Erlöses dem Amtsgericht anzuzeigen, dessen Beschluß dem Drittschuldner zuerst zugestellt ist. Dieser Anzeige find die auf das Verfahren sich beziehenden Schriftstücke beizufügen. In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn die Pfändung für mehrere Gläubiger gleichzeitig bewirkt ist. § 855. Betrifft der Anspruch eine unbewegliche Sache, so ist der Drittschuldner berechtigt und auf Verlangen eines Gläubigers, welchem der Anspruch überwiesen wurde, verpflichtet, die Sache unter Anzeige der

Achtes Buch.

Zwangsvollstreckung.

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Sachlage und unter Aushändigung der ihm zugestellten Beschlüsse an den von dem Amtsgerichte der belegenen Sache ernannten oder auf seinen Antrag zu ernennenden Sequester herauszugeben.

§ 856. Jeder Gläubiger, welchem der Anspruch überwiesen wurde, ist berechtigt, gegen den Drittschuldner Klage auf Erfüllung der nach den Bestimmungen der §§ 853—855 diesem obliegenden Verpflichtungen zu erheben. Jeder Gläubiger, für welchen der Anspruch gepfändet ist, kann sich dem Kläger in jeder Lage des Rechtsstreits als Streitgenosse anschließen. Der Drittschuldner hat die Gläubiger, welche die Klage nicht erhoben und dem Kläger sich nicht angeschlosien haben, zum Termine zur münd­ lichen Verhandlung zu laden.

Die Entscheidung, welche in dem Rechtsstreite über den in der Klage erhobenen Anspruch erlassen wird, ist für und gegen sämmtliche Gläubiger wirksam. Gegen einen Gläubiger, welcher nicht zum Termine zur mündlichen Verhandlung geladen ist, obgleich er von dem Drittschuldner hätte geladen werden sollen, kann der Drittschuldner sich auf die ihm günstige Entscheidung nicht berufen.

§ 857. Auf die Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte, welche nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Ver­ mögen sind, finden die vorstehenden Bestimmungen entsprechende Anwendung. Ist ein Drittschuldner nicht vorhanden, so ist die Pfändung mit bem Zeitpunkt als bewirkt anzusehen, in welchem dem Schuldner das Gebot, sich jeder Verfügung über das Recht zu enthalten, zugestellt ist. Ein unveräußerliches Recht ist in Ermangelung besonderer Vor­ schriften der Pfändung insoweit unterworfen, als die Ausübung einem Anderen überlassen werden kann. Das Gericht kann bei der Zwangsvollstreckung in unveräußerliche Rechte, deren Ausübung einem Anderen überlassen werden kann, besondere Anordnungen erlassen. Es kann insbesondere bei der Zwangsvollstreckung in Nutzungsrechte eine Verwaltung anordnen; in diesem Falle wird die Pfändung durch Uebergabe der zu benutzenden Sache an den Verwalter bewirkt, sofern sie nicht durch Zustellung des Beschlusses bereits vorher

bewirkt ist. Ist die Veräußerung des Rechts selbst zulässig, so kann auch diese Veräußerung von dem Gericht angeordnet werden. Auf die Zwangsvollstreckung in eine Reallast, eine Grundschuld oder eine Rentenschuld finden die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in eine Forderung, für welche eine Hypothek besteht, entsprechende Anwenimng.

§ 858. Auf die Zwangsvollstreckung in den Antheil an einem im Schiffsregister eingetragenen Schiffe (Schiffspart) finden die Bestim­ mungen des 8 857 mit folgenden Abweichungen Anwendung. Ms Vollstreckungsgericht ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirke sich der Heimathshafen oder der Heimathsort des Schiffes befindet.

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VI. Civilprozeßordnung.

Dem Antrag auf Anordnung der Veräußerung der Part ist ein Auszug aus dem Schiffsregister beizufügen, der alle die Part betreffenden Ein­ tragungen enthält; der Auszug darf nicht älter als eine Woche sein. Der Pfändungsbeschluß soll dem Korrespondentrheder zugestellt werden; die Pfändung wird auch mit dieser Zustellung wirksam. Das Vollstreckungsgericht soll der Registerbehörde von der Erlassung des Pfändungsbeschlusses unverzüglich Mittheilung machen. Ergiebt der Auszug aus dem Schiffsregister, daß die Part mit einem Pfandrechte belastet ist, welches einem anderen als dem be­ treibenden Gläubiger zusteht, so ist die Hinterlegung des Erlöses anzuordnen. Die Vertheilung des Erlöses erfolgt in diesem Falle nach den Bestim­ mungen der 88 873—882; Forderungen, für die ein Pfandrecht an der Part eingetragen ist, sind nach dem Inhalte des Schiffsregisters in den Theilungsplan aufzunehmen.

8 859« Der Antheil eines Gesellschafters an dem Gesellschafts­ vermögen einer nach § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingegangenen Gesellschaft ist der Pfändung unterworfen. Der Antheil eines Gesell­ schafters an den einzelnen zu dem Gesellschastsvermögen gehörenden Gegen­ ständen ist der Pfändung nicht unterworfen. Die gleichen Vorschriften gelten für den Antheil eines Miterben an dem Nachlaß und an den einzelnen Nachlaßgegenständen.

8 860. Bei dem Güterstande der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschast oder der Fahrnißgemeinschast ist der Antheil eines der Ehegatten an dem Gesammtgut und an den einzelnen dazu ge­ hörenden Gegenständen der Pfändung nicht unterworfen. Das Gleiche gilt bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft von den Antheilen des überlebenden Ehegatten und der Abkömmlinge. Nach der Beendigung der Gemeinschaft ist der Antheil an dem Gesammtgute zu Gunsten der Gläubiger des Antheilsberechtigten der Pfändung unterworfen. 8 861. Das Recht, welches bei dem Güterstande der Verwaltung imb Nutznießung dem Ehemann an dem eingebrachten Gute zusteht, ist der Pfändung nicht unterworfen. Die von dem Ehemann erworbenen Früchte des eingebrachten Gutes sind der Pfändung nicht unterworfen, soweit sie zur Erfüllung der in den 88 1384—1387 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmten Verpflichtungen des Ehemanns, zur Erfüllung der ihm seiner Eheftau, seiner früheren Ehefrau oder seinen Verwandten gegenüber gesetzlich obliegenden Unterhaltspflicht und zur Bestreitung seines standesmäßigen Unterhalts erforderlich sind. Der Widerspruch kann auch von der Ehefrau nach 8 766 geltend gemacht werden. 8 862. Das Recht, welches dem Vater oder der Mutter kraft der elterlichen Nutznießung an dem Vermögen des Kindes zusteht, ist der Pfändung nicht unterworfen. Das Gleiche gilt von den ihnen nach dm 88 1655, 1656 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zustehenden Ansprüchen, solange die Ansprüche nicht fällig sind.

Achtes Buch

Zwangsvollstreckung.

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Auf die Pfändung der von dem Vater oder der Mutter kraft der elterlichen Nutznießung erworbenen Früchte finden die Vorschriften des § 861 Abs. 1 Satz 2 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß die in den §§ 1655, 1656 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten An­ sprüche, wenn sie fällig sind, den erworbenen Früchten gleichstehen. Der Widerspruch kann auch von dem Kinde nach § 766 geltend gemacht werden.

§ 863. Ist der Schuldner als Erbe nach § 2338 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs durch die Einsetzung eines Nacherben beschränkt, so sind die Nutzungen der Erbschaft der Pfändung nicht unterworfen, soweit sie zur Erfüllung der dem Schuldner seinem Ehegatten, seinem früheren Ehe­ gatten oder seinen Verwandten gegenüber gesetzlich obliegenden Unterhalts­ pflicht und zur Bestreitung seines standesmäßigen Unterhalts erforderlich sind. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner nach § 2338 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch die Ernennung eines Testamentsvollstreckers beschränkt ist, für seinen Anspruch auf den jährlichen Reinertrag. Die Pfändung ist unbeschränkt zulässig, wenn der Anspruch eines Nachlaßgläubigers oder ein auch dem Nacherben oder dem Testamentsvoll­ strecker gegenüber wirksames Recht geltend gemacht wird. Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung, wenn der Antheil eines Abkömmlinges an dem Gesammtgute der fortgesetzten Gütergemein­ schaft nach § 1513 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs einer Beschränkung der im Abs. 1 bezeichneten Art unterliegt. Zweiter Titel,

gwangsvollstrelkuvg in das unbewegliche »erwögen. § 864. Der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen außer den Grundstücken die Berechtigungen, für welche die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften gelten, und die im Schiffsregister eingetragenen Schiffe. Die Zwangsvollstreckung in den Bruchtheil eines Grundstücks oder einer Berechtigung ist nur zulässig, wenn der Bruchtheil in dem Antheil eines Miteigenthümers besteht oder wenn sich der Anspruch des Gläubigers auf ein Recht gründet, mit welchem der Bruchtheil als solcher belastet ist.

K 865. Die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen umfaßt auch die Gegenstände, auf welche sich bei Grundstücken und Berechtigungen die Hypothek, bei Schiffen das eingetragene Pfandrecht erstreckt. Diese Gegenstände können, soweit sie Zubehör sind, nicht gepfändet werden. Im Uebrigen unterliegen sie der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen, solange nicht ihre Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen erfolgt ist. § 866. Die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück erfolgt durch Eintragung einer Sicherungshypothek für die Forderung, durch Zwangs­ versteigerung und durch Zwangsverwaltung.

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VI. Civllprozeßordnuiig.

Der Gläubiger kann verlangen, daß eine dieser Maßregeln allem oder neben den übrigen ausgeführt werde. Auf Grund eines Vollstreckungsbefehls findet die Eintragung einer Sicherungshypothek nicht statt. Auf Grund eines anderen Schuldtitels darf eine Sicherungshypothek nur für eine den Betrag von dreihundert Mark übersteigende Forderung eingetragen werden; die Vorschriften der §3 4, 5 finden entsprechende Anwendung.

K 867. Die Sicherungshypothek wird auf Antrag des Gläubigers in das Grundbuch eingetragen; die Eintragung ist auf dem vollstreckbaren Titel zu vermerken. Mit der Eintragung entsteht die Hypothek. Das Grundstück haftet auch für die dem Schuldner zur Last fallenden Kosten der Eintragung. Sollen 'mehrere Grundstücke des Schuldners mit der Hypothek belastet werden, so ist der Betrag der Forderung auf die einzelnen Grundstücke zu vertheilen; die Größe der Theile bestimmt der Gläubiger. § 868. Wird durch eine vollstreckbare Entscheidung die zu voll­ streckende Entscheidung oder ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder deren Einstellung angeordnet, so erwirbt der Eigenthümer des Grundstücks die Hypothek. Das Gleiche gilt, wenn durch eine gerichtliche Entscheidung die einst­ weilige Einstellung der Vollstreckung und zugleich die Aufhebung der erfolgten Vollstreckungsmaßregeln angeordnet wird oder wenn die zur Abwendung der Vollstreckung nachgelaffene Sicherheitsleistung oder Hinter­ legung erfolgt. § 869. Die Zwangsversteigerung und werden durch ein besonderes Gesetz geregelt.

die

Zwangsverwaltung

8 870. Auf die Zwangsvollstreckung in eine Berechtigung, für welche die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften gelten, finden die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in Grundstücke entsprechende Anwendung. Die Zwangsvollstreckung in ein eingetragenes Schiff erfolgt nur durch Zwangsversteigerung. § 871. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen, wenn ein Anderer als der Eigenthümer einer Eisenbahn oder Kleinbahn den Betrieb der Bahn kraft eigenen Nutzungsrechts ausübt, das Nutzungsrecht und gewiffe dem Betriebe gewidmete Gegenstände in Ansehung der Zwangsvollstreckung zum unbeweglichen Vermögen gehören und die Zwangsvollstreckung abweichend von den Vorschriften der Reichs­ gesetze geregelt ist.

Dritter Diel. VertheilungSversahren. § 872. Das Vertheilungsverfahren tritt ein, wenn bei der Zwangs­ vollstreckung in das bewegliche Vermögen ein Geldbetrag hinterlegt ist, welcher zur Befriedigung der beteiligten Gläubiger nicht hinreicht.

Achtes Buch.

Zwangsvollstreckung.

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§ 873. Das zuständige Amtsgericht (§§ 827, 853, 854) hat nach Eingang der Anzeige über die Sachlage an jeden der betheiligten Gläubiger die Aufforderung zu erlassen, binnen zwei Wochen eine Berechnung der Forderung an Kapital, Zinsen, Kosten und sonstigen Nebenforderungen einzureichen.

K 874. Nach Ablauf der zweiwöchigen Fristen wird von dem Gericht ein Theilungsplan angefertigt. Der Betrag der Kosten des Verfahrens ist von dem Bestände der Masse vorweg in Abzug zu bringen. Die Forderung eines Gläubigers, welcher bis zur Anfertigung des Theilungsplans der an ihn gerichteten Aufforderung nicht nachgekommen ist, wird nach der Anzeige und deren Unterlagen berechnet. Eine nach­ trägliche Ergänzung der Forderung findet nicht statt. § 875. Das Gericht hat zur Erklärung über den Theilungs­ plan sowie zur Ausführung der Dertheilung einen Termin zu bestimmen. Der Theilungsplan muß spätestens drei Tage vor dem Termine auf der Gerichtsschreiberei zur Einsicht der Betheiligten niedergclegt werden. Die Ladung des Schuldners zu dem Termin ist nicht erforderlich, wenn sie durch Zustellung im Ausland oder durch öffentliche Zustellung erfolgen müßte. § 876. Wird in dem Termin ein Widerspruch gegen den Plan nicht erhoben, so ist dieser zu Ausführung zu bringen. Erfolgt ein Wider­ spruch, so hat sich jeder bei demselben betheiligte Gläubiger sofort zu erklären. Wird der Widerspruch von den Betheiligten als begründet anerkannt oder kommt anderweit eine Einigung zu Stande, so ist der Plan demgemäß zu berichtigen. Wenn ein Widerspruch sich nicht erledigt, so erfolgt die Aus­ führung des Plans insoweit, als der Plan durch den Widerspruch nicht betroffen wird. § 877. Gegen einen Gläubiger, welcher in dem Termine weder erschienen ist noch vor dem Termine bei dem Gerichte Widerspruch erhoben hat, wird angenommen, daß er mit der Ausführung des Plans einver­ standen sei. Ist ein in dem Termine nicht erschienener Gläubiger bei dem Widerspruche betheiligt, welchen ein anderer Gläubiger erhoben hat, so wird angenommen, daß er diesen Widerspruch nicht als begründet anerkenne. § 878. Der widersprechende Gläubiger muß ohne vorherige Aufforderung binnen einer Frist von einem Monate, welche mit dem Terminstage beginnt, dem Gerichte nachweisen, daß er gegen die be­ theiligten Gläubiger Klage erhoben habe. Nach fruchtlosem Ablaufe dieser Frist wird die Ausführung des Plans ohne Rücksicht aus den Widerspruch angeordnet. Die Befugniß des Gläubigers, welcher dem Plane widersprochen hat, ein besseres Recht gegen den Gläubiger, welcher einen Geldbetrag nach dem Plane erhalten hat, im Wege der Klage geltend zu machen, wird durch die Versäumung der Frist und durch die Ausführung des Plans nicht ausgeschlossen.

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VI Civilprozeßordnung.

§ 879. Die Klage ist bei dem Vertheilungsgericht und, wenn der Streitgegenstand zur Zuständigkeit der Amtsgerichte nicht gehört, bei den: Landgerichte zu erheben, in dessen Bezirke das Vertheilungsgericht seinen Sitz hat. Das Landgericht ist für sämmtliche Klagen zuständig, wenn seine Zuständigkeit nach dem Inhalte der erhobenen und in dem Termine nicht zur Erledigung gelangten Widersprüche auch nur in Betreff einer Klage begründet ist, sofern nicht die sämmtlichen betheiligten Gläubiger­ vereinbaren, daß das Vertheilungsgericht über alle Widersprüche ent­ scheiden solle. § 880. In dem Urtheile, durch welches über einen erhobenen Widerspruch entschieden wird, ist zugleich zu bestimmen, an welche Gläubiger und in welchen Beträgen der streitige Theil der Masse auszuzahlen fei. Wird dies nicht für angemessen erachtet, so ist die Anfertigung eines neuen Plans und ein anderweites Vertheilungsverfahren in dem Urtheile anzuordnen.

8 881. DaS Versäumnißurtheil gegen einen widersprechenden Gläubiger ist dahin zu erlaffen, daß der Widerspruch als zurückgenommen anzusehen sei. 8 882. Auf Grund des erlassmen Urtheils wird die Auszahlung oder das anderweite Vertheilungsverfahren von dem Vertheilungsgericht angeordnet.

Dritter Abschnitt.

TwangDollstreckung zur Erwirkung der Heraus­ gabe von Sachen und zur Erwirkung von Hand­ lungen oder Unterlassungen. K 883. Hat der Schuldner eine bewegliche Sache oder von be­ stimmten beweglichen Sachen eine Quantität herauszugeben, so sind diefelben von dem Gerichtsvollzieher ihm wegzunehmen und dem Gläubiger zu übergeben. Wird die herauszugebende Sache nicht vorgefunden, so ist der Schuldner­ verpflichtet, auf Antrag des Gläubigers den Offenbarungseid dahin zu leisten:

daß er die Sache nicht besitze, auch nicht wisse, wo die Sache sich befinde. Das Gericht kann eine der Lage der Sache entsprechende Aenderung der vorstehenden Eidesnorm beschließen.

8 884. Hat der Schuldner eine bestimmte Quantität vertretbarer Sachen oder Werthpapiere zu leisten, so findet die Vorschrift des § 883 Abs. 1 entsprechende Anwendung.

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Zwangsvollstreckung.

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§ 885. Hat der Schuldner eine unbewegliche Sache oder ein bewohntes Schiff herauszugeben, zu überlassen oder zu räumen, so hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitze zu setzen und den Gläubiger in den Besitz einzuweisen. Bewegliche Sachen, welche nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, werden von dem Gerichtsvollzieher weggeschafft und dem Schuldner oder, wenn dieser abwesend ist, einem Bevollmächtigten desselben oder einer zur Familie des Schuldners gehörigen oder in dieser Familie dienenden erwachsenen Person übergeben oder zur Verfügung gestellt.

Ist weder der Schuldner noch eine der bezeichneten Personen anivesend, so hat der Gerichtsvollzieher die Sachen auf Kosten des Schuld­ ners in das Pfandlokal zu schaffen oder anderweit in Verwahrung zu bringen. Verzögert der Schuldner die Abforderung, so kann das Voll­ streckungsgericht den Verkauf der Sachen und die Hinterlegung des Erlöses anordnen.

§ 886. Befindet sich eine herauszugebende Sache im Gewahrsam eines Dritten, so ist dem Gläubiger auf dessen Antrag der Anspruch des Schuldners auf Herausgabe der Sache nach den Vorschriften zu überweisen, welche die Pfändung und Ueberweisung einer Geldforderung betreffen. § 887. Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger von dem Prozeßgericht erster Instanz auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vor­ nehmen zu lassen. Der Gläubiger kann zugleich beantragen, den Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten zu verurtheilen, welche durch die Vornahme der Handlung entstehen werden, unbeschadet des Rechts auf eine Nach­ forderung, wenn die Vornahme der Handlung einen größeren Kostenauf­ wand verursacht. Auf die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe oder Leistung von Sachen finden die vorstehenden Bestimmungen keine An­ wendung. 8 888. Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vor­ genommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozeßgericht erster Instanz zu erkennen, daß der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Geld­ strafen bis zum Gesammtbetrage von fünfzehnhundert Mark oder durch Hast anzuhalten sei. Diese Bestimmung kommt im Falle der Derurtheilung zur Eingehung einer Ehe, im Falle der Verurtheilung zur Herstellung des ehelichen Lebens und im Falle der Verurtheilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstverträge nicht zur Anwendung. § 889. Ist der Schuldner auf Grund der Vorschriften des bürgerlichen Rechts zur Leistung eines Offenbarungseides verurtheilt, so

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VI Civtlprozeßordnung.

erfolgt die Eidesleistung vor dem Prozeßgericht erster Instanz. Auf die Abuahme des Eides finden die Vorschriften der §§ 478—484 An­ wendung. Erscheint der Schuldner in dem zur Eidesleistung bestimmten Termine nicht oder verweigert er die Eidesleistung, so ist nach § 888 zu verfahren. Ist der Schuldner zur Erzwingung der Eidesleistung in Haft genommen, so finden die Vorschriften des § 902 Anwendung.

H 890» Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jedm Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozeßgericht erster Instanz zu einer Geldstrafe bis zu fünf­ zehnhundert Mark oder zur Strafe der Hast bis zu sechs Monaten zu verurtheilen. Das Maß der Gesammtstrafe darf zwei Jahre Hast nicht übersteigen. Der Verurtheilung muß eine Strafandrohung vorausgehen, welche, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urtheile nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozeßgericht erster Instanz erlassen wird. Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlung entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurtheilt werden. K 891. Die in Gemäßheit der §§ 887—890 zu erlassenden Ent­ scheidungen können ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Vor der Entscheidung ist der Schuldner zu hören. K 892. Leistet der Schuldner Widerstand gegen die Vornahme einer Handlung, welche er nach den Bestimmungen der §§ 887, 890 zu dulden hat, so kann der Gläubiger zur Beseitigung des Widerstandes einen Gerichtsvollzieher zuziehen, welcher nach den Bestimmungen des § 758 Abs. 3 und des 8 759 zu verfahren hat.

K 893. Durch die Bestimmungen dieses Abschnitts wird das Recht des Gläubigers nicht berührt, die Leistung des Interesse zu verlangen. Den Anspruch auf Leistung des Interesse hat der Gläubiger im Wege der Klage bei dem Prozeßgericht erster Instanz geltend zu machen. § 894. Ist der Schuldner zur Abgabe einer Willenserllärung ver­ urtheilt, so gilt die Erklärung als abgegeben, sobald das Urtheil die Rechts­ kraft erlangt hat. Ist die Willenserklärung von einer Gegenleistung abhängig gemacht, so tritt diese Wirkung ein, sobald nach den Bestimmungen der 88 726, 730 eine vollstreckbare Ausferfigung des rechtskräftigen Urtheils ertheilt ist. Die Vorschrift des ersten Absatzes kommt im Falle der Verurtheilung zur Eingehung einer Ehe nicht zur Anwendung.

§ 895. Ist durch ein vorläufig vollstreckbares Urtheil der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurtheilt, auf Grund deren eine Ein­ tragung in das Grundbuch oder das Schiffsregister erfolgen soll, so gilt die Eintragung einer Vormerkung oder eines Widerspruchs als bewilligt. § 896. Soll auf Grund eines Urtheils, das eine Willenserklärung des Schuldners ersetzt, eine Eintragung in ein öffentliches Buch oder Register

AchteK Buch

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ZwaiigsvvUstreckung.

vorgeuommen werde«, so sann der Gläubiger an Stelle des Schuldners die Ertheilung der im § 792 bezeichneten Urkunden verlangen, soweit er dieser Urkunden zur Herbeisührung der Eintragung bedarf.

§ 897. Ist der Schuldner zur Uebertragung des Eigenthums oder zur Bestellung eines Rechts an einer beweglichen Sache vernrtheilt, so gilt die Uebergabe der Sache als erfolgt, wenn der Gerichtsvollzieher die Sache zum Zwecke der Ablieserung an den Gläubiger wegnimmt Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner zur Bestellung einer Hypothek, Grnndschuld oder Rentenschuld oder zur Abtretung oder Belastung einer Hypothekeilsorderung, Grundschnld oder Rentenschuld verurtheilt ist, für die Uebergabe des Hypotheken-, Grundschnld- oder Rentenschuldbriefs. § 898. Auf einen Erwerb, der sich nach den §§ 894, 897 voll­ zieht, finden die Vorschriften des bürgerlicheil Rechts zu Gunsten der­ jenigen, welche Rechte von einem Richtberechtigten herleiten, Anwendung. Vierter Abschnitt.

OffenbarungSeid und Haft. § 899. Für die Abnahme des Offenbarungseides in den Fällen der 88 807, 883 ist das Amtsgericht, in dessen Bezirke der Schuldner im Deutschen Reiche seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthaltsort hat, als Vollstrecknngsgericht zuständig.

§ 900. Das Verfahren beginnt mit der Ladung des Schuldners zur Leistung des Offenbarungseides. Die Anwesenheit des Gläubigers in dem Ternrill ist nicht erforderlich. Bestreitet der Schuldner die Verpflichtung zur Leistung des Eides, so ist von den« Gerichte durch Beschluß über den Widerspruch zu entscheiden. Die Eidesleistung erfolgt erst nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung; das Vollstreckungsgericht kann jedoch die Eidesleistung vor Eintritt der Rechtskraft anordnen, wenn bereits ein früherer Widerspruch rechtskräftig verworfen ist. § 901. Gegen den Schuldner, welcher in dein zur Leistung des Offenbarungseides bestimmten Termine nicht erscheint oder die Leistung des Eides ohne Grund verweigert, hat das Gericht zur Erzwingung der Eides­ leistung auf Antrag die Haft anzuordnen. K 902. Der verhaftete Schuldner kann zu jeder Zeit bei deni Amtsgerichte des Haftorts beantragen, ihm den Eid abzunehmen. Denl Antrag ist ohne Verzug stattzugeben. Nach Leistung des Eides wird der Schuldner aus der Haft entlassen und der Gläubiger hiervon in Kenntniß gesetzt.

§ 903. Ein Schuldner, welcher den im § 807 erwähnten Offen­ barungseid geleistet hat, ist zur nochmaligen Leistung des Eides auch einem anderen Gläubiger gegenüber nur verpflichtet, wenn glaubhaft gemacht wird, daß er später Vermögen erworben habe. Bürgerliches Gesevbucb uni* Nebengcseye.

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VI Civilprozeßordnung.

Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn seit der Eidesleistung fünf Jahre verstrichen sind.

§ 904.

Die Hast ist unstatthaft:

1. gegen Mitglieder einer deutschen gesetzgebenden Versaminlung wahrend der Sitzungsperiode, sofern nicht die Versammlung die Vollstreckung genehmigt; 2. gegen Militärpersonen, welche zu einem mobilen Truppentheil oder

zur Besatzung eines in Dienst gestellten Kriegsfahrzeuges gehören; 3. gegen den Schiffer, die Schiffsmannschaft und alle übrigen auf einem Seeschiff angestellten Personen, wenn das Schiff zum Abgehen fertig tsegelfertig) ist.

8 905.

Die Hast wird unterbrochen:

1. gegen Mitglieder einer deutschen gesetzgebenden Versammlung für die Dauer der Sitzungsperiode, wenn die Versamnilung die Freilassung verlangt; 2. gegen Militärpersonen, welche zu einem mobilen Truppentheil oder auf ein in Dienst gestelltes Kriegsfahrzeug einberufcn werden, für die Dauer dieser Verhältnisse.

8 806.

Gegen einen Schuldner, dessen Gesundheit durch die Voll­

streckung der Hast einer nahen und erheblichen Gefahr ausgesetzt wird, darf, solange dieser Zustand dauert, die Hast nicht vollstreckt werden.

8 907. Die Haft wird in einem Raume vollstreckt, in welchem nicht zugleich Untersuchungs- oder Strafgefangene sich befinden. 8 908. Das Gericht hat bei Anordnung der Haft einen Haft­ befehl zu erlaffen, in welchem der Gläubiger, der Schuldner und der Grund der Verhaftung zu bezeichnen sind. 8 909. Die Verhaftung des Schuldners erfolgt durch einen Gerichtsvollzieher. Der Haftbefehl muß bei der Verhaftung dem Schuldner vorgezeigt und auf Begehren abschriftlich mitgctheilt werden. 8 910. Vor der Verhaftung eines Beamten, eines Geistlichen oder eines Lehrers an öffentlichen Unterrichtsanstalten ist der vorgesetzten Dienstbehörde von dem Gerichtsvollzieher Anzeige zu machen. Die Ver­ haftung .darf erst erfolgen, nachdem die vorgesetzte Behörde für die dienst­ liche Vertretung des Schuldners gesorgt hat. Die Behörde ist verpflichtet, ohne Verzug die erforderlichen Anordnungen zu treffen und den Gerichts­ vollzieher hiervon in Kenntniß $u setzen. 8 911. Der Gläubiger hat die Kosten, welche durch die Haft ent­ stehen, einschließlich der Verpflegungstosten von Monat zu Monat voraus­ zuzahlen. Die Aufnahnie des Schuldners in das Gefängniß ist unstatthaft, wenn nicht mindestens für einen Monat die Zahlung geleistet ist. Wird die Zahlung nichk spätestens bis zum Mittage des letzten Tages erneuert, für welchen sie geleistet ist, so wird der Schuldner von Amtswegen aus der Hast entlassen. Gegen den Schuldner, welcher aus diesem Grunde

Achtes Buch.

Zwangs v oll sN «km ig.

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oder ohne sein Zuthlin auf Antrag des Gläubigers entlassen ist, findet ans Antrag desselbeit Gläubigers eine Erneuerung, der Haft nicht statt.

§ 912t Soll die Hast gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Militärperson vollstreckt werden, so hat das Gericht die vorgesetzte Militärbehörde um die Vollstreckung zu ersuchen.

§ 913. Die Haft darf die Dauer von sechs Monaten nicht über­ steigen. Nach Ablauf der sechs Monate wird der Schuldner von Amts­ wegen aus der Hast entlassen. § 914. Ein Schuldner, gegen welchen wegen Verweigerung des im § 807 erwähnten Offenbarungseides eine Hast von sechs Monaten vollstreckt ist, kann auch auf Antrag eines anderen Gläubigers von neuem zur Leistung dieses Eides durch Haft nur angehalten werden, wenn glaub­ haft gemacht wird, daß der Schuldner später Vermögen erworben habe. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn seit der Beendigung der Haft fünf Jahre verstrichen sind.

§ 915. Das Vollstreckungsgericht hat ein Verzeichniß derjenigen Personen zu führen, welche vor ihm den im § 807 erwähnten Offen­ barungseid geleistet haben oder gegen welche wegen Verweigerung des Eides die Hast angeordnet ist. Die Vollstrecknng einer Hast ist in dem Ver­ zeichnisse zu vermerken, wenn sie sechs Monate gedauert hat. Nach Ablaus der im § 903 Abs. 2 oder der im § 914 Abf. 2 bezeichneten Frist ist die Eintragung dadurch zu löschen, daß der Name unkenntlich genmcht wird. Die Einsicht des Verzeichnisses ist Jedem gestattet. Fünfter Abschnitt.

Arrest und einstweilige Verfügungen. § 916. Der Arrest findet zur Sicherung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruchs statt, welcher in eine Geldforderung über­ gehen kann. Die Zulässigkeit des Arrestes wird nicht dadurch ausgeschloffen, daß der Anspruch ein betagter oder ein bedingter ist, es sei denn, daß der bedingte Anspruch wegen der entfernten Möglichkeit des.Eintritts der Bedingung einen gegenwärtigen Vermögenswerth nicht hat. § 917. Der dingliche Arrest findet statt, wenn zu besorgen ist, daß ohne deffen Verhängung die Vollstreckung des Urtheils vereitelt oder wesentlich.erschwert werden würde. Als ein zureichender Arrestgrund ist es anzusehen, wenn das Urtheil im Auslande vollstreckt werden müßte. § 918«. Der persönliche Sicherheitsarrest findet nur statt, wenn er erforderlich ist, um die gefährdete Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu sichern.

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VI Civilprozeßordnuiig.

§ 919. Für die Anordnung des Arrestes ist sowohl das Gericht der Hauptsache als das. Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirke der mit Arrest zu belegende Gegenstand oder die in ihrer persönlichen Freiheit zu beschränkende Person sich befindet.

§ 920. Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrags oder des Geldwerths sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. Per Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. Das Gesuch kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden. § 921. Die Entscheidung kann ohne vorgängige mündliche Ver­ handlung erfolgen. Das Gericht kann, auch wenn der Anspruch oder der Arrestgrund nicht glaubhaft gemacht ist, den Arrest anordnen, sofern wegen der dem Gegner drohenden Nachtheile eine nach freiem Ermessen zu bestinimende Sicherheit geleistet wird. Es kann die Anordnung des Arrestes von einer solchen Sicherheitsleistung abhängig machen, selbst wenn der Anspruch und der Arrestgrund glaubhaft gemacht sind.

§ 922. Die Entscheidung über das Gesuch erfolgt im Falle einer vorgängigen mündlichen Verhandlung durch Endurtheil, anderenfalls durch Beschluß. Den Beschluß, durch welchen ein Arrest angeordnet wird, hat die Partei, welche den Arrest erwirkt hat, zustellen zu lassen. Der Beschluß, durch welchen das Arrestgesuch zurückgewiesen oder vorgängige Sicherheitsleistung für erforderlich erkört wird, ist dem Gegner nicht mitzntheilen.

§ 923. In dem Arrestbefehl ist ein Geldbetrag festzustellen, durch dessen Hinterlegung die Vollziehung des Arrestes gehemmt und der Schuldner zu dem Antrag auf Aufhebung des vollzogenen Arrestes be­ rechtigt wird. § 924. Gegen den Beschluß, durch welchen ein Arrest angeordnet wird, findet Widerspruch statt. Die widersprechende Partei hat der Gegner unter Mittheilung der Grunde, welche sie für die Aufhebung des Arrestes geltend machen will, zur mündlichen Verhandlung zu laden. Durch Erhebung des Widerspruchs wird die Vollziehung des Arrestes nicht gehemmt. § 925. Wird Widerspruch erhoben, so ist über die Rechtmäßigkeit des Arrestes durch. Endurtheil zu entscheiden. Das Gericht kann den Arrest ganz oder theilweise bestätigen, ab­ ändern oder aufheben, auch die Bestätigung, Abänderung oder Aufhebung von einer nach freiem Ermessen zu bestinimenden Sicherheitsleistung ab­ hängig machen.

§ 926. Ist die Hauptsache nicht anhängig, so hat das Arrest­ gericht auf Antrag ohne vorgängige mündliche Verhandlung anzuordnen.

Achtes Buch

Zlvangsvollstreckung.

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daß die Partei, welche den Arrestbefehl erwirkt hat, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben habe. Wird dieser Anordnung nicht Folge geleistet, so ist auf Antrag die Aushebung des Arrestes durch Endurtheil auszusvrechen.

§ 827. Auch uach der Bestätigung des Arrestes taun wegen ver­ änderter Umstände, insbesondere wegen Erledigung des Arrestgrnndes oder auf Grund des Erbietens zu einer nach freiem Ermessen zu bestimmenden Sicherheitsleistung die Aufhebung des Arrestes beantragt werden. Die Entscheidung ist durch Endurtheil zu erlassen; sie erfolgt durch das Gericht, welches den Arrest angeordnet hat, und, wenn die Hauptsache anhängig ist, durch das Gericht der Hauptsache. § 928. Auf die Vollziehung des Arrestes finden die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung entsprechende Anwendung, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Bestimmungen enthalten. § 929. Arrestbefehle bedürfen der Vollstreckungsklausel nur, wenn die Vollziehung für einen anderen als den in dem Befehle bezeichneten Gläubiger oder gegen einen anderen als den in dem Befehle bezeichneten Schuldner erfolgen soll. Die Vollziehung des Arrestbesehls ist unstatthaft, wenn seit dem Tage, an welchem der Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch derselbe erging, zugestellt ist, zwei Wochen verstrichen sind. Die Vollziehung ist vor der Zustellung des Arrestbesehls an den Schuldner zulässig. Sie ist jedoch ohne Wirkung, wenn die Zustellung nicht innerhalb einer Woche nach der Vollziehung und vor Ablauf der für diese im vorhergehenden' Absätze bestimmten Frist erfolgt. § 930. Die Vollziehung des Arrestes in bewegliches Vermögen wird durch Pfändung bewirkt. Die Pfändung erfolgt nach denselben Grundsätzen wie jede andere Pfändung und begründet ein Pfandrecht mit den im § 804 bestimmten Wirkungen. Für die Pfändung einer Forderung ist das Arrestgericht als Vollstreckungsgericht zuständig. Gepfändetes Geld und ein im Vertheilungsverfahren auf den Gläubiger fallender Betrag des Erlöses werden hinterlegt. Das Vollstreckungsgericht kann auf Antrag anordnen, daß eine bewegliche körperliche Sache, wenn sie der Gefahr einer beträchtlichen Wcrthsverringerung ausgesetzt ist oder wenn ihre Aufbewahrung unverhältnißniäßige Kosten verursachen würde, versteigert und der Erlös hinterlegt werde. § 931. Die Vorschriften des § 930 gelten auch für die Vollziehung des Arrestes in ein Schiff, das im Schiffsregister eingetragen ist. Ist zur Zeit der Arrestvollziehung die Zwangsversteigerung des Schiffes eingeleitet, so gilt die in diesem Verfahren erfolgte Beschlagnahme des Schiffes als erste Pfändung im Sinne des § 826; die Abschrift des Pfändungsprotokolls ist dem Vollstreckungsgericht einzureichen. Das Arrestpfandrecht wird auf Antrag des Gläubigers in das Schiffs­ register eingetragen; der nach § 923 festgcstellte Geldbetrag ist als der Höchstbctrag zu bezeichnen, für welchen das Schiff haftet. Im Uebrigen

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VI Civilprvzeßordiiung.

finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über das durch Rechts­ geschäft bestellte Pfandrecht an entern Schiffe Anwendung.

§ 932. Die Vollziehung des Arrestes in ein Gruitdstück oder in eine Berechtigung, für welche die sich auf Grundstücke beziehenden Vor­ schriften gelten, erfolgt durch Eintragung einer Sicherungshypothek für die Forderung; der nach § 923 festgestellte Geldbetrag ist als der Höchstbetrag zu bezeichnen, für welchen das Grundstück oder die Berechtigung hastet. Im Uebrigen finden die Vorschriften der §§ 867, 868 Anwendung. Der Antrag auf Eintragung der Hypothek gilt im Sinne des § 929 Abs. 2, 3 als Vollziehung des Arrestbefehls. § 933. Die Vollziehung des persönlichen Sicherheitsarrestes richtet fich, wenn sie durch Haft erfolgt, nach den Vorschriften der §8 904—913 und, wenn sie durch sonstige Beschränkung der persönlichen Freiheit erfolgt, nach den vom Arrestgerichte zu treffenden besonderen Anordnungen, für welche die Beschränkungen der Haft maßgebend sind. In den Haftbefehl ist der nach § 923 festgestellte Geldbetrag aufzunehmen. § 934. Die Aufhebung eines vollzogenen Arrestes gegen Hinter­ legung des in dem Arrestbefehle festgestellten Geldbetrags erfolgt von dem Vollstreckungsgerichte. Das Vollstreckungsgericht kann die Aufhebung des Arrestes auch anordnen, wenn die Fortdauer besondere Aufwendungen erfordert und die Partei, auf deren Gesuch der Arrest verhängt wurde, den nöthigen Geldbetrag nicht vorschießt. Die in diesem Paragraphen erwähnten Entscheidungen können ohne vorgängige müMiche Verhandlung erfolgen. Gegen den Beschluß, durch welchen der Arrest aufgehoben wird, findet sofortige Beschwerde statt.

§ 935. Einstweilige Verfügungen in Beziehung auf den Streit­ gegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. 8 936. Auf die Anordnung einstweiliger Verfügungen und das weitere Verfahren finden die Vorschriften über die Anordnung von Arresten Und über das Arrestverfahren entsprechende Anwendung, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten. K 937. Für die Erlassung einstweiliger Verfügungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Die Entscheidung kann in dringenden Fällen ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. K 938. Das Gericht bestimmt ordnungen zur Erreichung des Zweckes Die einstweilige Verfügung kann darin bestehen, daß dem Gegner eine insbesondere die Veräußerung, Belastung unterfagt wird.

nach freiem Ermessen, welche An­ erforderlich sind. auch in einer Sequestration sowie Handlung geboten oder verboten, oder Verpfändung eines Grundstücks

Achtes Buch

Zwangsvollstreckung.

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§ 939, Nur unter besonderen Umständen kann die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung gegen Sicherheitsleistung gestattet werden. § 940. Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältniß zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhält­ nissen zur Abwendung wesentlicher Nachtheile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder anderen Gründen nöthig erscheint. § 941. Hat auf Grund der einstweiligen Verfügung eine Ein­ tragung in das Grundbuch oder das Schiffsregister zu erfolgen, so ist das Gericht bestigt, das Grundbuchamt oder die Registerbehörde um die Ein­ tragung zu ersuchen. § 942. Ju dringenden Fällen kann das Amtsgericht, in desseu Bezirke sich der Streitgegenstand befindet, eine einstweilige Verfügung erfassen, unter Bestimmung einer Frist, innerhalb welcher der Gegner zur mündlichen Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung vor das Gericht der Hauptsache zu laden ist. Die einstweilige Verfügung, auf Grund deren eine Vormerkung oder ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs oder des Schiffs­ registers eingetragen werden soll, kann von dem Amtsgericht, in dessen Bezirke das Grundstück belegen ist oder der Heimathshafen oder der Heimathsort des Schiffes sich befindet, erfassen werden, auch wenn der Fall für dringlich nicht erachtet wird. Die Bestimmung der im Abs. 1 bezeichneten Frist hat nur auf Antrag des Gegners zu erfolgen. Nach fruchtlosem Abläufe der Frist hat das Amtsgericht auf Antrag die erlassene Verfügung aufzuheben. Die in diesen Paragraphen erwähnten Entscheidungen des Amts­ gerichts können ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. § 943. Als Gericht der Hauptsache im Sinne der Bestimmungen dieses Abschnitts ist das Gericht erster Instanz und, wenn die Hauptsache in der Berufungsinstanz anhängig ist, das Berufungsgericht anzusehen. Das Gericht der Hauptsache ist für die nach § 109 zu treffenden Anordnungen ausschließlich zuständig, wenn die Hauptsache anhängig ist oder anhängig gewesen ist. § 944. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende über die in diesem Abschnitt erwähnten Gesuche, sofern deren Erledigung eine vor­ gängige mündliche Verhandlung nicht erfordert, anstatt des Gerichts entscheiden.

§ 945. Erweist sich die Anordnung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt oder wird die angeordnete Maßregel auf Grund des § 926 Abs. 2 oder des § 942 Abs. 3 aufgehoben, so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzm, der ihm aus der Voll­ ziehung der angeordneten Maßregel oder dadurch entsteht, daß er Sicherheit leistet, um die Vollziehung abzuwenden oder die Aufhebung der Maßregel zu erwirken.

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VI. Cwllprozeb»rd»u»g.

Neuntes Buch.

Äufgebotsptrfabren. § 946. Eine öffentliche gerichtliche Aufforderung zur Anmeldung von Ansprüchen oder Rechten findet mit der Wirkung, daß die Unterlaffung der Anmeldung einen Rechtsnachtheil zur Folge hat, nur in den durch das Gesetz bestimmten Fälleil statt. Für das Aufgebotsverfahren ist das durch das Gesetz bestimmte Gericht zuständig. § 947. Der Antrag kann schriftlich oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers gestellt werden. Die Entscheidung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Ist der Antrag zulässig, so hat das Gericht das Aufgebot zu erlassen. In dasselbe ist insbesondere auszunehmen:

1. die Bezeichnung des Antragstellers; 2. die Aufforderung, die Ansprüche und Rechte spätestens im Aufgebots­ termine anzumelden; 3. die Bezeichnung der Rechtsnachtheile, welche eintreten, wenn die An­ meldung unterbleibt; 4. die Bestimmung eines Aufgebotstermins.

§ 948. Die öffentliche Bekanntmachung des Aufgebots erfolgt durch Anheftang an die Gerichtstafel und durch Einrückung in den Deutschen Reichsanzeiger, außerdem aber, sofern nicht das Gesetz für den betreffenden Fall eine abweichende Anordnung getroffen hat, nach den im § 204 für Ladungen gegebenen Vorschriften. § 949. Auf die Gültigkeit der öffentlichen Bekanntmachung hat es keinen Einfluß, wenn das anzuheftende Schriftstück von dem Orte der Anheftung zu früh entfernt ist oder wenn im Falle wiederholter Bekannt­ machung die vorgeschriebenen Zwischenfristen nicht eingehalten sind. § 950. Zwischen dem Tage, an welchem die Einrückung oder die erste Einrückung des Aufgebots in den Deutschen Reichsanzeiger erfolgt ist, und dem Aufgebotstermine muß, sofern das Gesetz nicht eine abweichende Anordnung enthält, ein Zeitraum (Aufgebotsfrist) von mindestens sechs Wochen liegen. § 951. Eine Anmeldung, welche nach dem Schluffe des Aufgebots­ termins, jedoch vor Erlassung des Ausschlußurtheils erfolgt, ist als eine rechtzeitige anzusehen. § 952. zu erlassen.

Das Ausschlußurtheil ist in öffentlicher Sitzung auf Antrag

Neuntes Buch

Aufgebots verfuhren.

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Einen» in der Sitzung gestellte»» Anträge wird ein Antrag gleich­ geachtet, welcher vor dem Aufgebotsternline schriftlich gestellt oder zrin» Protokolle des Gerichtsschreibers erklärt worden ist. Vor Erlassung des Urtheils kann eine nähere Ermittelung, insbesondere die Versicherung der Wahrheit einer Behauptung des Antragstellers tut Eidesstatt, angeordnet werden. (Segen den Beschluß, durch welchen der Antrag auf Erlassung des Ausschlußurtheils zurückgewiesen wird, sowie gegen Beschränkungen und Vorbehalte, welche dem Ausschlußurtheile beigefügt sind, findet sofortige Beschwerde statt.

§ 953, Erfolgt eine Anmeldung, durch welche das voi» den» Antragsteller zur Begründling des Antrags behauptete Recht bestritten wird, so ist nach Beschaffenheit des Falles entweder das Arifgebotsverfahren bis zur endgültigen Entscheidung über das angemeldete Recht auszusetzen, oder in dem A»»sschlußurtheile das angemeldete Recht vorzubehalten.

§ 954. Wenn der Antragsteller weder in dem Aufgebotstermin erschienen ist noch vor dem Termine den Antrag auf Erlassung des Aus­ schlußurtheils gestellt hat, so ist auf seinen Antrag ein neuer Termin zu bestimmen. Der Antrag ist nur binnen einer vom Tage des Aufgebots­ termins laufeirden Frist von sechs Monaten zulässig. § 955. Wird zur Erledigung des Aufgebotsversahrens ein neuer Termin bestimmt, so ist eine öffentliche Bekanntmachung des Termins nicht erforderlich.

§ 956. Das Gericht kann die öffentliche Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts des Ausschlußurtheils durch einmalige Einrückung in dm Deutschen Reichsanzeiger anordnen. § 957. Gegen das Ausschlußurtheil findet ein Rechtsmittel nicht statt. Das Ausschlußurtheil kaun bei dem Landgerichte, in deffen Bezirke das Aufgebotsgericht seinen Sitz hat, mittels einer gegen den Antragsteller z»» erhebende»» Klage angefochten werden:

1. wenn ein Fall nicht vorlag, in welchem das Gesetz das Aufgebots­ verfahren zuläßt; 2. wenn die öffentliche Bekanntmachung des Aufgebots oder eine in dem Gesetze vorgeschriebene Art der Bekanntmachung unterblieben ist; 3. »Denn die vorgeschriebene Aufgebotsfrist nicht gewahrt ist; 4. wenn der erkennende Richter von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war; 5. wenn ein Anspruch oder ein Recht ungeachtet der erfolgten Anmeldung nicht dem Gesetze gemäß in dem Urtheile berücksichtigt ist; 6. wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter welchen die Restitutionsklage wegen einer strafbaren Handlung stattfindet.

§ 958. Die Anfechtungsklage zu erheben. Die Frist beginnt mit Kenntniß von dem Ausschlußurtheile wenn die Klage auf einem der

ist binnen der Nothsrist eines Monats dem Tage, an welchem ver Kläger erhalten hat, in dem Falle jedoch, im § 957 Nr. 4, 6 bezeichneten

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VI Civilprozetzordnung.

Anfechtungsgründe beruht und dieser Grund an jenem Tage noch nicht zur Kenntniß des Klägers gelangt war, erst mit dem Tage, an welchem der Anfechtungsgrund dem Kläger bekannt geworden ist. Nach Ablauf von zehn Jahren, von dem Tage der Verkündung des Ausschlußurtheils an gerechnet, ist die Klage unstatthaft.

§ 959. Das Gericht kann die Verbindung mehrerer Aufgebote anordnen, auch wenn die Voraussetzungen des § 147 nicht vorliegen. § 960. Für das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der erklärung gelten die nachfolgenden besonderen Bestimmungen.

Todes-

§ 961. Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirke der Verschollene den letzten inländischen Wohnsitz hatte. In Ermangelung eines solchen Wohnsitzes wird das zuständige Gericht für Angehörige eines Bundes­ staates von der Landesjustizverwaltung durch allgemeine Anordnung, für andere Verschollene von dem Reichskanzler durch allgemeine Anordnung bestimmt. § 962. Antragsberechtigt ist der gesetzliche Vertreter des Ver­ schollenen sowie Jeder, der an der Todeserklärung ein rechtliches Interesse hat. Der gesetzliche Vertreter bedarf zu dem Anträge der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. K 963. Der Antragsteller hat die zur Begründung des Antrags erforderlichen Thatsachen vor der Einleitung des Verfahrens glaubhaft zu machen.

§ 964. In das Aufgebot ist aufzunehmen: 1. die Aufforderung an den Verschollenen, sich spätestens im Aufgebots­ termine zu melden, widrigenfalls die Todeserklärung erfolgen werde; 2. die Aufforderung an Alle, welche Auskunft über Leben oder Tod des Verschollenen zu ertheilen vermögen, spätestens im Aufgebots­ termine dem Gericht Anzeige zu machen. § 965.

Die Aufgebotsfrist muß mindestens sechs Monate betragen.

§ 966. In den Fällen der §§ 15—17 des Bürgerlichen Gesetz­ buchs kann die Bekanntmachung des Aufgebots durch öffentliche Blätter unterbleiben. Das Gleiche gilt, wenn seit der Geburt des Verschollenen hundert Jahre verstrichen sind. Unterbleibt die Bekanntmachung durch öffentliche Blätter, so muß die Aufgebotsfrist mindestens sechs Wochen betragen; sie beginnt in diesem Falle mit der Anheftung des Aufgebots an die Gerichtstasel. § 967. Jeder Antragsberechtigte kann neben dem Antragsteller oder statt des Antragstellers in das Verfahren eintreten. Durch den Ein­ tritt erlangt er die rechtliche Stellung eines Antragstellers. § 968. Das Gericht hat unser Benutzung der in dem Antrag angegebenen Thatsachen und Beweismittel von Amtswegen die zur Fest­ stellung des Sachverhalts erforderlichen Ermittelungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehrnen.

Neuntes Buch.

Aufgebotsverfahren.

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§ 969. Wird derjenige, welcher sich als der angeblich Verschollene meldet, als solcher von dem Antragsteller nicht anerkannt, so ist das Ver­ fahren auszusetzen. § 970, Das Gericht hat die Todeserklärung nur auszusprechen, wenn die zur Begründung derselben erforderlichen Thatsachen für erwiesen erachtet werden. In dem Urtheil ist der Zeitpunkt des Todes nach Maßgabe des § 18 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs festzustellen. § 971, Die dem Antragsteller erwachsenen Kosten, welche zur zweckentsprechenden Durchführung des Verfahrens nothwendig waren, fallen, wenn die Todeserklärung erfolgt, dem Nachlasse zur Last.

K 972. Die Erledigung der Aufgebotsanträge kann von der Landesjustizverwaltung für mehrere Amtsgerichtsbezirke einem Amtsgericht übertragen werden. Auf Verlangen des Antragstellers erfolgt die Erledigung durch das nach § 961 zuständige Gericht. Wird das Aufgebot durch ein anderes als das nach § 961 zuständige Gericht erlassen, so ist das Aufgebot auch durch Anheftung an die Gerichts­ tafel des letzteren Gerichts öffentlich bekannt zu machen.

§ 973. Die Anfechtungsklage findet außer den Fällen des § 957 Abs. 2 auch dann statt, wenn die Todeserklärung mit Unrecht erfolgt oder der Zeitpunkt des Todes des Verscholleneil unrichtig festgestellt ist. § 974. Zur Erhebung der Anfcchtungsllage ist Jeder berechtigt, der an der Aufhebung der Todeserllärung oder an der Berichtigung des Zeitpunkts des Zwdes ein rechtliches Interesse hat. Die Anfechtungsklage ist gegen denjenigen zu richten, welcher die Todeserklärung erwirkt hat, falls aber dieser die Klage erhebt oder falls er verstorben oder sein Aufenthalt unbekannt oder im Ausland ist, gegen den Staatsanwalt.

§ 975. Auf das Verfahren über die Anfechtungsklage finden die Vorschriften der 88 667, 669, 670 des § 673 Abs. 1 und des § 956 entsprechende Anwendung. § 976. Die Anfechtungsklage ist, sofern sie nicht auf einen der im 8 957 Abs. 2 bezeichneten Gründe gestützt wird, nur innerhalb der Frist von einem Monate zulässig. Die Frist beginnt mit der Erlaffung des die Todeserklärung aussprechenden Urtheils. Die mündliche Verhand­ lung erfolgt nicht vor Ablauf dieser Frist. Mehrere Anfechtungsprozesse sind zuin Zwecke gleichzeitiger, Ver­ handlung und Entscheidung zu verbinden. Die Vorschrift des 8 62 findet Anwendung. Wird, in Folge einer Anfechtungsklage die Todeserklärung aufgehoben oder eine andere Todeszeit festgestellt, so wirkt das Urtheil für und gegen Alle.

§ 977. Für das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Ausschließung des Eigenthümers eines Grundstücks nach 8 927 des Bürgerlichen Gesetz­ buchs gelten die nachfolgenden besonderen Bestimmungen.

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VI Cwilprozetzordnung.

§ 978.

Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirke das Grund­

stück belegen ist

§ 979. Antragsberechtigt ist derjenige, welcher das Grundstück seit der im § 927 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmten Zeit im Eigen­ besitze hat. K 980. Der Antragsteller hat die zur Begründung des Antrags erforderlichen Thatsachen vor der Einleitung des Verfahrens glaubhaft zu inachen.

§ 981. In dem Aufgebot ist der bisherige Eigenthümer aufzu­ fordern, sein Recht spätestens im Aufgebotstermin anzumelden, widrigen­ falls seine Ausschließung erfolgen werde. § 982. Für das Aufgebotsverfahren zuin Zwecke der Ausschließung eines Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuldgläilbigers auf Grund der 88 1170, 1171 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten die nachfolgenden besonderen Bestimmungen. § 988. Zuständig ist das Gericht, in desseir Bezirke das belastete Grundstück belegen ist.

K 984. Antragsberechtigt ist der Eigenthümer des belasteten Grundstücks. Int Falle des 8 H70 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist auch ein im Range gleich- oder nachstehender Gläubiger, zu dessen Gunsten eine Vor­ merkung nach 8 1179 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingetragen ist, und bei einer Gesammthypothek, Gesammtgrundschllld oder Gesammtrentenschuld außerdem derjenige antragsberechtigt, welcher auf Grund eines im Range gleich- oder nachstehendeil Rechts Befriedigung aus einem der belasteten Grundstücke verlangen kann, sofern der Gläubiger oder der sonstige Be­ rechtigte für seinen Anspruch einen vollstreckbaren Schuldtitcl erlangt hat. § 985. Der Antragsteller hat vor der Einleitung des Verfahreiis glaubhaft zu machen, daß der Gläubiger unbekannt ist. § 986. Im Falle des 8 1170 des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat der Antragsteller vor der Einleituilg des Verfahreiis ailch glaubhaft zu machen, daß nicht eine das Aufgebot ausschließende Anerkennung des Rechts des Gläubigers erfolgt ist. Ist die Hypothek für die Forderung ans einer Schuldverschreibung auf den Inhaber bestellt oder der Gruiidschuld- oder Rentenschuldbrief auf den Inhaber ausgestellt, so hat der Antragsteller glaubhaft zu machen, daß die Schuldverschreibung oder der Brief bis zum Ablaufe der int 8 801 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Frist nicht vorgelegt und der Anspruch nicht gerichtlich geltend gemacht worden ist. Ist die Vorlegiing oder die gerichtliche Geltendinachnng erfolgt, so ist die im Abs. 1 vor­ geschriebene Glaubhaftmachung erforderlich. Zur Glaubhaftmachung genügt in den Fällen der Abs. 1, 2 die Versicherung des AntragstAlers an Eidesstatt, unbeschadet der Befugniß deS Gerichts, anderweitige Ermittelungen auzuordnen.

Neuntes Buch

Aufqelwtsverfnhie».

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In dem Aufgebot ist als Rechtsnachtheil anzudrohen, daß die Aus­ schließung des Gläubigers mit seinem Rechte erfolgen werde. Wird das Aufgebot auf Antrag eines nach § 984 Abs. 2 Antrags­ berechtigten erlassen, so ist es dem Eigenthümer des Grundstücks von Amtsroegeu mitzutheilen.

§ 987. Im Falle des § 1171 des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat der Antragsteller sich vor der Einleitung des Verfahrens zur Hinterlegung des dein Gläubiger gebührenden Betrags zu erbieten. In dem Aufgebot ist als Rechtsnachtheil anzudrohen, daß der Gläubiger nach der Hinterlegung des ihm gebührenden Betrags seine Befriedigung statt aus dein Grundstücke nur noch aus dem hinterlegten Betrage verlangen könne und sein Recht auf diesen erlösche, wenn er sich nicht vor dem Ablaufe voir dreißig Jahren nach der Erlassung des Ausschlußurtheils bei der Hinterlegungsstelle melde Hängt die Fälligkeit der Forderung von einer Kündigung ab, so erweitert sich die Aufgebotsfrist unt die Kündigungsfrist. Das Ausschlußurtheil darf erst dann erlassen werden, wenn die Hinterlegung erfolgt ist. § 988. Die Vorschriften des § 983, des § 984 Abs. 1, des 8 985, des § 986 Abs. 1—4 und des § 987 finden auf das Apfgebotsverfahrcu zum Zwecke der in den §§ 887, 1104, 1112, 1269 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die Vormerkung, das Vorkaufsrecht, die Reallast und für das Pfandrecht an Schiffen bestimmten Ausschließung des Berechtigten entsprechende Anwendung. In den Fällen der 88 887, 1104, 1112 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist auch derjenige antragsberechtigt, welcher auf ©ruiib eines im Range gleich- oder nachstehenden Rechts Befriedigung aus dem Grundstücke verlangen kann, sofern er für seinen Anspruch einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat. Das Aufgebot ist den» Eigenthümer des Grundstücks von Amtsivegen mitzutheilen. § 989. Für das Ausgebotsversahren zum Zwecke der Ausschließung von Nachlaßgläubigern auf Grund des 8 1970 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten die nachfolgenden besonderen Bestimmungen.

§ 990. Zuständig ist das Amtsgericht, dem die Verrichtnngen des Nachlaßgerichts obliegen. Sind diese Verrichtungen einer anderen Behörde als einem Amtsgericht übertragen, so ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirke die Nachlaßbehörde ihren Sitz hat. § 991. Antragsberechtigt ist jeder Erbe, sofern er nicht für die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt hastet. Zn dem Anträge sind auch ein Nachlaßpfleger nnd ein Testaments­ vollstrecker berechtigt, wenn ihnen die Verwaltung des Nachlaßes zusteht. Der Erbe und der Testamentsvollstrecker können den Antrag erst nach der Annahme der Erbschaft stellen.

§ 992. Dem Antrag ist ein Verzeichniß der bekannten Nachlaß­ gläubiger mit Angabe ihres Wohnorts beizufügen.

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VI Clvilprozehordmmg

§ 993. Das Aufgebot soll nicht erlassen werden, wenn die Er­ öffnung des Nachlaßkonkurses beantragt ist. Durch die Eröffnung des Nachlaßkonkurses wird das Aufgebots­ verfahren beenbigt. § 994. Die Aufgebotsfrist soll höchstens sechs Monate betragen. Das Aufgebot soll den Nachlaßgläubigern, welche dem Nachlaßgericht angezeigt find und deren Wohnort bekannt ist, von Amtswegen zugestellt werden. Die Zustellung kann durch Aufgabe zur Post erfolgen.

K 995. In dem Aufgebot ist den Nachlaßgläubigern, welche sich nicht melden, als Rechtsnachtheil anzudrohen, daß sie, unbeschadet des Rechts, vor den Verbindlichkeiten aus Pflichttheilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen berücksichtigt zu werden, von dem Erben nur insoweit Befriedigung verlangen können, als sich nach Befriedigung der nicht aus­ geschloffenen Gläubiger noch ein Ueberschuß ergiebt. 8 996. Die Anmeldung einer Forderung hat die Angabe des Gegenstandes und des Grundes der Forderung zu enthalten. UMndliche Beweisstücke find in Urschrift oder in Abschrift beizufügen. Das Gericht hat die Einsicht der Anmeldungen Jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht.

K 997. Sind mehrere Erben vorhanden, so kommen der von einem Erben gestellte Antrag und das von ihm erwirkte Ausschlußurtheil, unbeschadet der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die unbeschränkte Haftung, auch den anderen Erben zu Statten. Als Rechtsnach­ theil ist den Nachlaßgläubigern, welche sich nicht melden, auch anzudrohen, daß jeder Erbe nach der Theilung des Nachlaffes nur für den seinem Erbtheil entsprechenden Theil der Verbindlichkeit hastet. Die Erlaffung des Aufgebots mit Androhung des im Abs. 1 Satz 2 bestimmten Rechtsnachtheils kann von jedem Erben auch dann beantragt werden, wenn er für die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt hastet. K 998. Im Falle der Nacherbsolge findet die Vorschrift des 8 997 Abs. 1 Satz 1 auf den Vorerben und den Nacherben entsprechende Anwendung.

% 999. Ist eine Ehefrau die Erbin und gehört der Nachlaß zum eingebrachten Gute oder zum Gesammtgute, so kann sowohl die Ehefrau als der Ehemann das Aufgebot beantragen, ohne daß die Zustimmung des anderen Theiles erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn der Nachlaß zum Gesammtgute gehört, auch nach der Beendigung der Gemeinschaft. Der von dem einen Ehegatten gestellte Antrag und das von ihm erwirkte Ausschlußurtheil kommen auch dem anderen Ehegatten zu Statten.

§ 1000. Hat der Erbe die Erbschaft verkauft, so kann sowohl der Käufer als der Erbe das Aufgebot beantragen. Der von dem einen Theile gestellte Antrag und das von ihm erwirkte Ausschlußurtheil kommen, unbeschadet der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die unbe­ schränkte Haftung, auch dem anderen Theile zu Statten.

Neuntes Buch.

Aufgebotsverfahren.

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Diese Bestimmungen finden entsprechende Anwendung, wenn Jemand eine dtirch Vertrag erworbene Erbschaft verkauft oder sich zur Veräußerung einer ihm angefallenen oder anderweit von ihm erworbenen Erbschaft in sonstiger Weise verpflichtet hat.

§ 1001. Die Bestimmungen der §§ 990—996, 999, 1000 finden im Falle der fortgesetzten Gütergemeinschaft auf das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der nach dem § 1489 Abs. 2 und dem § 1970 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs zulässigen Ausschließung von Gesammtgutsgläubigern entsprechende Anwendung.

§ 1002. Für das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Ausschließung von Schiffsgläubigern auf Grund des § 765 des Handelsgesetzbuchs und des § 110 des Gesetzes, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, gelten die nachfolgenden besonderen Bestimmungen. Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirke sich der Heimathshafen oder der Heimathsort des Schiffes befindet. Unterliegt das Schiff der Eintragung tn das Schiffsregister, so kann der Antrag erst nach der Eintragung der Veräußerung des Schiffes gestellt werden. Der Antragsteller hat die ihm bekannten Forderungen von Schiffsalänbigern anzugeben. Die Aufgebotsfrist muß mindestens drei Monate betragen. In dem Aufgebot ist den Schiffsgläubigern, welche sich nicht melden, als Rechtsnachtheil anzudrohen, daß ihre Pfandrechte erlöschen, sofern nicht ihre Forderungen dem Antragsteller bekannt sind. K 1003. Für das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Kraftlos­ erklärung einer Urkunde gelten die nachfolgenden besonderen Bestimmungen.

§ 1004. Bei Papieren, welche auf dm Inhaber lauten oder welche durch Indossament übertragen werden können und mit einem Blanko­ indossamente versehen sind, ist der bisherige Inhaber des abhanden ge­ kommenen oder vernichteten Papiers berechtigt, das Ausqebotsverfahren $» beantragen. Bei anderen Urkunden ist derjenige zu dem Anträge berechtigt, welcher das Recht aus der Urkunde geltend machen kann. § 1005. Für das Aufgebotsverfahren ist das Gericht des Orts zuständig, welchen die Urkunde als den Erfüllungsort bezeichnet. Enthält die Urkunde eine solche Bezeichnung nicht, so ist das Gericht zuständig, bei welchem der Aussteller seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und in Ermangelung eines solchen Gerichts dasjenige, bei welchem der Aussteller zur Zeit der Ausstellung seinen allgemeinen Gerichtsstand gehabt Hai. Ist die Urkunde über ein im Grundbuch eingetragenes Recht aus­ gestellt, so ist das Gericht der belegenen Sache ausschließlich zuständig.

§ 1006. Die Erledigung der Anträge auf Erlaffung des Auf­ gebots zum Zwecke der Krastloserklärung eines auf den Inhaber lautenden Papiers kann von der Landesjustizverwaltung für mehrere Amtsgerichts-

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VI Cwilpwzetzvrdmmg.

bezirke einem Amtsgericht übertragen werden. Auf Verlangen des An­ tragstellers erfolgt die Erledigung durch das nach § 1005 zuständige Gericht. Wird das Aufgebot durch ein anderes als das nach § 1005 zu­ ständige Gericht erlassen, so ist das Aufgebot auch durch Anhestuug an die Gerichtstafel des letzteren Gerichts öffentlich bekannt zu machen. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, durch welche für das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Kraftloserklärung von Schuld­ verschreibungen auf den Inhaber, die ein Bundesstaat oder eine ihm an­ gehörende Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechts aus­ gestellt oder für deren Bezahlung ein Bundesstaat die Haftung übernommen hat, ein bestimmtes Amtsgericht für ausschließlich zuständig erklärt wird.

§ 1007. Der Antragsteller hat zur Begründung des Antrags: 1. entweder eine Abschrift der Urkunde beizubringen, oder den wesent­ lichen Inhalt der Urkunde und alles anzugeben, was zur vollständigen Erkennbarkeit derselben erforderlich ist; 2. den Verlust der Urkunde sowie diejenigen Thatsachen glaubhaft zu machen, von welchen seine Berechtigung abhängt, das Aufgebotsver­ fahren zu beantragen; 3. sich zur Versicherung der Wahrheit seiner Angaben an Eidesstatt zu erbieten. § 1008* In dem Aufgebot ist der Inhaber der Urkunde aufzusordern, spätestens im Aufgebotstermine seine Rechte bei dem Gericht anzunielden nnd die Urkunde vorzulegen. Als Rechtsnachtheil ist anzudrohen, daß die Kraftloserkläruiig der Urkunde erfolgen werde. § 1009* Die öffentliche Bekanntmachung des Aufgebots erfolgt durch Anheftung an die Gerichtstafel und in dem Lokale der Börse, wenn eine solche am Sitze des Anfgebotsgerichts besteht, sowie durch dreimalige Einrückung in die im § 204 Abs. 2 bezeichneten Blätter. Das Gericht kann anordnen, daß die Einrückung noch in andere Blätter nnd zu.mehreren Malen erfolge. Betrifft das Aufgebot ein auf den Inhaber lautendes Papier und ist in der Urkunde vermerkt oder in den Bestimmungen, unter denen die erforderliche staatliche Genehmigung ertheilt worden ist, vorgeschrieben, daß die öffentliche Bekanntmachung durch bestimmte andere Blätter zu erfolgen habe, so muß die Bekanntmachung auch durch Einrückung in diese Blätter erfolgen. Das Gleiche gilt bei Schuldverschreibungen, die von einem Bundesstaat ausgegeben sind, wenn die öffentliche Bekanntmachung durch bestimmte Blätter landesgesetzlich vorgeschriebeu ist. § 1010* Bei Werthpapieren, für welche von Zeit zu Zeit Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine ausgegeben werden, ist der Aufgebotstermin so zu bestimmen, daß bis zu demselben der erste einer seit der Zeit des glaubhaft gemachten Verlustes ausgegebcnen Reihe von Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheinen fällig geworden ist und seit der Fälligkeit desselben sechs Monate abgelaufen sind. Vor Erlassung des Ausschlußurtheils hat der Antragsteller ein nach Ablauf dieser sechsmonatigen Frist ausgestelltes Zeugnis der betreffenden

Neuntes Buch.

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Aufgebotsverfahren.

Behörde, Kasse oder Anstalt beizubringen, daß die Urkunde seit der Zeit des glaubhaft gemachten Verlustes ihr zur Ausgabe neuer Scheine nicht vorgelegt sei und daß die neuen Scheine an einen Anderen als den Antrag­ steller nicht ausgegeben seien.

§ 1011. Bei Werthpapieren, für welche Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine zuletzt für einen längeren Zeitraum als vier Jahre ausgegeben sind, genügt es, wenn der Aufgebotstermin so bestimmt wird, daß bis zu demselben seit der Zeit des glaubhaft gemachten Verlustes von den zuletzt ausgegebenen Scheinen solche für vier Jahre fällig geworden und feit der Fälligkeit des letzten derselben sechs Monate abgelaufen sind. Scheine für Zeitabschnitte, für welche keine Zinsen, Renten oder Gewinn­ antheile gezahlt werden, kommen nicht in Betracht. Vor Erlassung des Ausschlußurtheils hat der Antragsteller ein nach Ablauf dieser sechsmonatigen Frist ausgestelltes Zeugniß der betreffenden Behörde, Kasse oder Anstalt beizubringen, daß die für die bezeichneten vier Jahre und später etwa fällig gewordenen Scheine ihr von einenr Anderen als dem Antragsteller nicht vorgelegt seien. Hat in der Zeit seit dem Erlaffe des Aufgebots eine Ausgabe neuer Scheine stattgesunden, so muß das Zeugniß auch die im § 1010 Abs. 2 bezeichneten Angaben enthalten. § 1012. Die Vorschriften der §§ 1010, 1011 finden insoweit keine Anwendung, als die Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine, deren Fälligkeit nach diesen Vorschriften eingetreten sein muß, von dem Antrag­ steller vorgelegt werden. Der Vorlegung der Scheine steht es gleicht wenn das Zeugniß der betreffenden Behörde, Kaffe oder Anstalt beigebracht wird, daß die fällig gewordenen Scheine ihr von dem Antragsteller vorgelegt worden seien. § 1013. Bei Werthpapieren, für welche Zins-, Renten- oder Gewinnanthellscheine ausgegeben sind, aber nicht mehr ausgegeben werden, ist, wenn nicht die Voraussetzungen der §§ 1010, 1011 vorhanden sind, der Aufgebotstermin so zu bestimmen, daß bis zu demselben seit der Fälligkeit des letzten ausgegebenen Scheines sechs Monate abgelaufen sind.

§ 1014. Ist in einer Schuldurkunde eine Verfallzeit angegeben, welche zur Zeit der ersten Einrückung des Aufgebots in den Deutschen Reichsanzeiger noch nicht eingetreten ist, und sind die Voraussetzungen der 88 1010—1013 nicht vorhanden, so ist der Aufgebotstermin so zu bestimmen, daß seit dem Verfalltage sechs Monate abgelaufen sind. § -1015. Die Aufgebotsfrist muß mindestens sechs Monate betragen. Der Aufgebotstermin darf nicht über ein Jahr hinaus bestimmt werden; solange ein so naher Termin nicht bestimmt werden kann, ist das Aufgebot nicht zulässig. § 1016. Meldet der Inhaber der Urkunde vor dem Aufgebots­ termine seine Rechte unter Vorlegung der Urkunde an, so hat das Gericht den Antragsteller hiervon zu benachrichtigen und ihm die Einsicht der Urkunde innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu gestatten. Auf Antrag des In­ habers der Urkunde ist zur Vorlegung derselben ein Termin zu bestimmen. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

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VI. Civllprozeßordnung.

§ 1017. In dem Ausschlußurtheil ist die Urkunde für kraftlos zu erklären. Das Ausschlußurtheil ist seinem wesentlichen Inhalte nach durch den Deutschen Reichsanzeiger bekannt zu machen. Die Vorschriften des § 1009 Abs. 3 finden entsprechende Anwendung. In gleicher Weise hat nach eingetretener Rechtskraft die Bekannt­ machung des auf die Anfechtungsklage ergangenen Urtheils, soweit dadurch die Kraftloserklärung aufgehoben wird, zu erfolgen.

§ 1018. Derjenige, welcher das Ausschlußurtheil erwirkt hat, ist dem durch die Urkunde Verpflichteten gegenüber berechtigt, die Rechte aus der Urkunde geltend zu machen. Wird das Ausschlußurtheil in Folge einer Anfechtungsklage auf­ gehoben, so bleiben die auf Grund des Urtheils von dem Verpflichteten bewirkten Leistungen auch Dritten, insbesondere dem Anfechtungskläger, gegenüber wirksam, es sei denn, daß der Verpflichtete zur Zeit der Leistung die Aufhebung des Ausschlußurtheils gekannt hat. K 1019. Bezweckt das Aufgebotsverfahren die Krastloserklärung eines auf den Inhaber lautenden Papiers, so hat das Gericht auf Antrag an den Aussteller sowie an die in dem Papier und die von dem Antrag­ steller bezeichneten Zahlstellen das Verbot zu erlassen, an den Inhaber des Papiers eine Leistung zu bewirken, insbesondere neue Zins-, Renten­ oder Gewinnantheilscheine oder einen Emeuerungsschein auszugeben (Zahlungs­ sperre); mit dem Verbot ist die Benachrichtigung von der Einleitung des Aufgebotsverfahrens zu verbinden. Das Verbot ist in gleicher Weise wie das Aufgebot öffentlich bekannt zu machen. Das an den Aussteller erlaffene Verbot ist auch den Zahlstellen gegenüber wirksam, welche nicht in dem Papiere bezeichnet sind. Die Einlösung der vor dem Verbot ausgegebenen Zins-, Renten­ oder Gewinnantheilscheine wird von dem Verbote nicht betroffen.

% 1020. Ist die sofortige Einleitung des Aufgebotsverfahrens nach 8 1015 Satz 2 unzulässig, so hat das Gericht die Zahlungssperre auf Antrag schon vor der Einleitung des Verfahrens zu verfügen, sofern die übrigen Erfordernisse für die Einleitung vorhanden sind. Auf den Antrag finden die Vorschriften des § 947 Abs. 1 Anwendung. Das Verbot ist nach Maßgabe des § 948 öffentlich bekannt zu machen. $ 1021. Wird die Zahlungssperre angeordnet, bevor seit der Zeit des glaubhaft gemachten Verlustes Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine ausgegeben worden find, so ist die Beibringung des im § 1010 Abs. 2 vorgeschriebenen Zeugnisses nicht erforderlich. § 1022. Wird das in Verlust gekommene Papier dem Gerichte vorgelegt oder wird das Aufgebotsverfahren in anderer Weise ohne Erlaffung eines Ausschlußurtheils erledigt, so ist die Zahlungssperre von Amtswegen aufzuheben. Das Gleiche gilt, wenn die Zahlungssperre vor der Einleitung des Aufgebotsverfahrens angeordnet worden ist und die Einleitung nicht binnen sechs Monaten nach der Beseitigung des ihr ent-

Zehntes Buch. Schiedsrichterliches Verfahren.

59a

gegenstehenden Hindernisses beantragt wird. Ist das Aufgebot ober die Zahlungssperre öffentlich bekannt gemacht worden, so ist die Erledigung des Verfahrens oder die Aufhebung der Zahlungssperre von Amtswegen durch den Deutschen Reichsanzeiger bekannt zu machen. Im Falle der Vorlegung des Papiers ist die Zahlungssperre erst aufzuheben, nachdem dem Antragsteller die Einsicht nach Maßgabe des § 1016 gestattet worden ist. Gegen den Beschluß, durch welchen die Zahlungsfperre aufgehoben wird, findet sofortige Beschwerde statt.

§ 1023. Bezweckt das Ausgebotsverfahren die Kraftloserklärung einer Urkunde der im § 808 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art, so finden die Vorschriften des § 1006, des § 1009 Abs. 3, des § 1017 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 1019—1022 entsprechende Anwendung. Die Landesgesetze können über die Veröffenüichung des Aufgebots und der im § 1017 Abs. 2, 3 und in den 88 1019, 1020, 1022 vorgeschriebenen Bekanntmachungen sowie über die Aufgebotsfrist abweichende Vorschriften erlassen. § 1024. Bei Aufgeboten, welche auf Grund der 88 887, 927, 1104, 1112, 1162, 1170, 1171, 1269 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie auf Grund des 8 765 des Handelsgesetzbuchs und des 8 HO des Gesetzes, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, ergehen, können die Landesgesetze die Art der Veröffentlichung des Auf­ gebots und des Ausschlußurtheils sowie die Aufgebotsfrist anders bestimmen, als in den 88 948, 950, 956 vorgeschrieben ist. Bei Aufgeboten, welche auf Grund des 8 H62 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergehen, können die Landesgesetze die Att der Veröffentlichung des Aufgebots, des Ausschlußurtheils und des im 8 1017 Abs. 3 be­ zeichneten Urtheils sowie die Aufgebotsfrist auch anders bestimmen, als in den 88 1009, 1014, 1015, 1017 vorgejchrieben ist.

Brhnlrs Buch.

Schiedsrichterliches Verfahren. § 1025. Die Vereinbarung, daß die Entscheidung einer Rechts­ streitigkeit durch einen oder mehrere Schiedsrichter erfolgen solle, hat in­ soweit rechtliche Wirkung, als die Parteien berechtigt find, über den Gegenstand des Streits einen Vergleich zu schließen. § 1026. Ein Schiedsvertrag über künftige Rechtsstreitigkeiten hat keine rechlliche Wirkung, wenn er nicht auf ein bestimmtes Rechtsverhältniß und die aus demselben entspringenden Rechtsstreitigteiten fich bezieht. 38*

596

VI Clvilprozeßordnung.

8 1027. Ist nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts ein mündlich geschloffener Schiedsvertrag gültig, so kann jede Partei die Er­ richtung einer schriftlichen Urkunde über den Vertrag verlangen. § 1028. Ist in dem Schiedsvertrag eine Bestimmung über die Ernennung der Schiedsrichter nicht enthalten, so wird von jeder Partei ein Schiedsrichter ernannt. § 1029. Steht beiden Parteien die Ernennung von Schieds­ richtern zu, so hat die betreibende Partei dem Gegner den Schiedsrichter schriftlich mit der Aufforderung zu bezeichnen, binnen einer einwöchigen Frist seinerseits ein Gleiches zu thun. Nach fruchtlosem Ablaufe der Frist wird auf Antrag der betreibenden Partei der Schiedsrichter von dem zuständigen Gericht ernannt. 8 1030. Eine Partei ist an die durch sie erfolgte Ernennung eines Schiedsrichters dem Gegner gegenüber gebunden, sobald derselbe die Anzeige von der Ernennung erhalten hat. 8 1031. Wenn ein nicht in dem Schiedsvertrag ernannter Schieds­ richter stirbt oder aus einem anderen Grunde wegfällt oder die Uebernahme oder die Ausführung des Schiedsrichteramts verweigert, so hat die Partei, welche ihn ernannt hat, auf Aufforderung des Gegners binnen einer ein­ wöchigen Frist einen anderen Schiedsrichter zu bestellen. Nach fruchtlosem Ablaufe der Frist wird auf Antrag der betreibenden Partei der Schieds­ richter von dem zuständigen Gericht ernannt.

8 1032. Ein Schiedsrichter kann aus denselben Gründen und unter denselben Voraussetzungen abgelehnt werden, welche zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Die Ablehnung kann außerdem erfolgen, wenn ein nicht in dem Schiedsvertrag ernannter Schiedsrichter die Erfüllung seiner Pflichten un­ gebührlich verzögert. Frauen, Minderjährige, Taube, Stumme und Personen, welchen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind, können abgelehnt werden.

8 1033. Der Schiedsvertrag tritt außer Kraft, sofern nicht für den betreffenden Fall durch eine Vereinbarung der Parteien Vorsorge getroffen ist: 1. wenn bestimmte Personen in dem Vertrage zu Schiedsrichtem ernannt sind und ein Schiedsrichter stirbt oder aus einem anderen Grunde wegfällt oder die Uebernahme des Schiedsrichteramts verweigert oder von dem mit ihm geschloffenen Vertrage zurücktritt oder die Erfüllung seiner Pflichten ungebührlich verzögert; 2. wenn die Schiedsrichter den Parteien anzeigen, daß unter ihnen Stimmengleichheit sich ergeben habe. 8 1034. Die Schiedsrichter haben vor Erlasiung des Schiedsspruchs die Parteien zu hören und das dem Streite zu Grunde liegende Sachverhältniß zu ermitteln, soweit sie die Ermittelung für erforderlich erachten. In Ermangelung einer Vereinbarung der Parteien über das Ver­ fahren wird dasselbe von den Schiedsrichtern nach freiem Ermessen bestimmt.

Zehntes Buch.

Schiedsrichterliches Verfahren.

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§ 1035« Die Schiedsrichter können Zeugen und Sachverständige vernehmen, welche freiwillig vor ihnen erscheinen. Zur Beeidigung eines Zeugen oder eines Sachverständigen und zur Abnahme eines Parteieides sind die Schiedsrichter nicht befugt. § 1036« Eine von den Schiedsrichtern für erforderlich erachtete richterliche Handlung, zu deren Vornahme dieselben nicht besitzt sind, ist auf Antrag einer Partei, sofern der Antrag für zulässig erachtet wird, von dem zuständigen Gerichte vorzunehmen. Dem Gerichte, welches die Vernehmung oder Beeidigung eines Zeugen oder eines Sachverständigen angeordnet hat, stehen auch die Ent­ scheidungen zu, welche im Falle der Verweigerung des Zeugnisses oder des Gutachtens erforderlich werden. § 1037« Die Schiedsrichter können das Verfahren fortsetzen und den Schiedsspruch erlassen, auch wenn die Unzulässigkeit des schiedsrichter­ lichen Verfahrens behauptet, insbesondere wenn geltend gemacht wird, daß ein rechtsgültiger Schiedsvertrag nicht bestehe, daß der Schiedsvertrag sich auf den zu entscheidenden Streit nicht beziehe oder daß ein Schiedsrichter zu den schiedsrichterlichen Verrichtungen nicht befugt sei. § 1038. Ist der Schiedsspruch von mehreren Schiedsrichtern zu erlassen, so ist die absolute Mehrheit der Stimmen entscheidend, .sofern nicht der Schiedsvertrag ein Anderes bestimmt.

§ 1039. Der Schiedsspruch ist unter Angabe des Tages der Abfassung von den Schiedsrichtern zu unterschreiben, den Parteien in einer von den Schiedsrichtern unterschriebenen Ausfertigung zuzustellen und unter Beifügung der Beurkundung der Zustellung auf der Gerichtsschreiberei des zuständigen Gerichts niederzulegen. § 1040. Der Schiedsspruch hat unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urtheils.

§ 1041. Die Aufhebung des Schiedsspruchs kann beantragt werden: 1. wenn das Verfahren unzulässig war;

2. wenn der Schiedsspruch eine Partei zu deren Vornahme verboten ist;

einer Handlung verurtheilt,

3. wenn die Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;

4. wenn der Partei in dem Verfahren das rechtliche Gehör nicht ge­ währt war;

5. wenn der Schiedsspruch nicht mit Gründen versehen ist; 6. wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter welchen in den Fällen der Nr. 1—6 des § 580 die Restitutionsklage stattfindet. Die Aufhebung des Schiedsspruchs findet aus den unter Nr. 4, 5 erwähnten Gründen nicht statt, wenn die Parteien ein Anderes vereinbart haben.

598

VI Civilprozeßordnung.

§ 1042, Aus dem Schiedssprüche findet die Zwangsvollstreckung nur statt, wenn ihre Zulässigkeit durch ein Vollstreckungsurtheil aus­ gesprochen ist. Das Vollstreckungsurtheil ist nicht zu erlassen, wenn ein Grund vor­ liegt, aus welchem die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt werden kann. 8 1043. Nach Erlassung des Vollstreckungsurtheils kann die Aufhebung des Schiedsspruchs nur aus den im § 1041 Nr. 6 bezeichneten Gründen und nur dann beantragt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, daß die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande gewesen sei, den Auf­ hebungsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen. § 1044. Die Klage auf Aufhebung des Schiedsspruchs ist im Falle des vorstehenden Paragraphen binnen der Nothfrist eines Monats zu erheben. Die Frist beginnt mit dem Tage, an welchem die Partei von dem Aufhebungsgrunde Kenntniß erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Vollstreckungsurtheils. Nach Ablauf von zehn Jahren, von dem Tage der Rechtskraft des Urtheils an gerechnet, ist die Klage unstatthaft. Wird der Schiedsspruch aufgehoben, so ist zugleich die Aufhebung des Vollstreckungsurtheils auszusprechen.

8 1045. Für die gerichtlichen Entscheidungen über die Ernennung oder die Ablehnung eines Schiedsrichters oder über das Erlöschen eines Schiedsvertrags oder über die Anordnung der von den Schiedsrichtern für erforderlich erachteten richterlichen Handlungen ist das Amtsgericht oder das Landgericht zuständig, welches in einem schriftlichen Schiedsvertrag als solches bezeichnet ist, und in Ermangelung einer derartigen Bezeichnung das Amtsgericht oder das Landgericht, welches für die gerichtliche Geltend­ machung des Anspruchs zuständig sein würde. Die Entscheidung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Vor der Entscheidung ist der Gegner zu hören. Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt.

8 1046. Das im § 1045 Abs. 1 bezeichnete Gericht ist auch für die Klagen zuständig, welche die Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens, die Aufhebung eines Schiedsspruchs oder die Erlassung des Vollstreckungsurtheils zum Gegenstände haben. 8 1047. Unter mehreren nach den 88 1045, 1046 zuständigen Gerichten ist und bleibt dasjenige Gericht zuständig, an welches sich zuerst eine Partei oder das Schiedsgericht (§ 1039) gewendet hat. 8 1048. Auf Schiedsgerichte, welche in gesetzlich statthafter Weise durch letztwillige oder andere nicht auf Vereinbarung beruhende Ver­ fügungen angeordnet werden, finden die Bestimmungen dieses Buchs entsprechende Anwendung.

VII. kluMnmgsgezeiz zur eivilprozessorünuug vom 30 Januar 1877

in der Fassung der kinMrnngrgereirer vom 17. Mai is-r ru dem Gesetze, Detr. Aenderungen der Eivilprozessordnung.*) (Reichsgesetzblatt 1877 S 244—250; 1898 S. 332—341.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Prentzen rc. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

§ 1. Die Civilprozeßordnung tritt im ganzen Umfange des Reichs gleichzeitig mit dem Gerichtsverfassungsgeseh in Kraft. § 2. Das Kostenwesen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wird für den ganzen Umfang des Reichs durch eine Gebührenordnung geregelt. § 3. Die Civilprozeßordnung findet auf alle bürgerlichen Rechts­ streitigkeiten Anwendung, welche vor die ordentlichen Gerichte gehören. Insoweit die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssteitigkeiten, für welche besondere Gerichte zugelassen sind, durch die Landesgesetzgebung den ordentlichen Gerichten übertragen wird, kann dieselbe ein abweichendes Ver­ fahren gestatten. § 4. Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, für welche nach dem Gegenstand oder der Art des Anspruchs der Rechtsweg zulässig ist, darf aus dem Grunde, weil als Partei der Fiskus, eine Gemeinde oder eine andere öffentliche Korporation betheiligt ist, der Rechtsweg durch die Landes­ gesetzgebung nicht ausgeschloffen werden. § 5, In Ansehung der Landesherren und der Mitglieder der landesherrlichen Familien sowie der Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern finden die Bestimmungen der Civilprozeßordnung nur insoweit Anwendung, als nicht besondere Vorschriften der Hausverfafsungen oder der Landesgesetze abweichende Bestimmungen enthalten. Für vermögens­ rechtliche Ansprüche Dritter darf jedoch die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht von der Einwilligung des Landesherrn abhängig gemacht werden. Das Gleiche gilt in Ansehung der Mitglieder des vormaligen Hannoverschen Königshauses, des vormaligen Kurhessischen und des vor­ maligen Herzoglich Nassauischen Fürstenhauses. *) Siehe die Note zu S 428

600

VII Einführungsgesetz zur Civilprozeßordnunf.

H 6. Mit Zustimmung des Bundesraths kann durch Kaiserliche Verordnung bestimmt werden: 1. daß die Verletzung von Gesetzen, obgleich deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt, die Revision nicht begründe; 2. daß die Verletzung von Gesetzen, obgleich deren Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt, die Revision begründe. Die auf Grund der vorstehenden Bestimmungen erlaffenen Verordnungen sind dem Reichstage bei deffen nächstem Zusammentreten zur Genehmigung vorzulegen. Dieselben treten, soweit der Reichstag die Genehmigung ver­ sagt, für die am Tage des Reichstagsbeschlusses noch nicht anhängigen Prozesse außer Kraft. Die genehmigten Verordnungen können nur durch Reichsgesetz geändert oder aufgehoben werden. § 7. Ist in einem Bundesstaat auf Grund der Bestimmung des Einführungsgesetzes zum Gerichtsversassungsgesehe § 8 für bürgerliche Rechts­ streitigkeiten ein oberstes Landesgericht errichtet, so wird das Rechtsmittel der Revision bei diesem Gerichte eingelegt. Die Einlegung erfolgt durch Einreichung der Revisionsschrist. Eine Abschrift derselben ist der Gegen­ partei von Amtswegen zuzustellen. Das oberste Landesgericht entscheidet ohne vorgängige mündliche Verhandlung endgültig über die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung der Revision. Erklärt es sich für zuständig, so ist der Termin zur mündlichen Verhandlung von Amtswegen zu bestimmen und den Parteien bekannt zu machen. Erklärt es sich dagegen für unzuständig, weil das Reichsgericht zuständig sei, so sind dem letzteren die Prozeßakten zu übersenden. Die Entscheidung des obersten Landesgerichts über die Zuständigkeit ist auch für das Reichsgericht bindend. Der Termin zur mündlichen Ver­ handlung vor dem Reichsgericht ist von Amtswegen zu bestimmen und den Parteien bekannt zu machen. Die Fristbestimmungen in den §§ 517, 519') der Civilprozeßordnung bemessen sich nach dem Zeitpunkte der Bekanntmachung des Termins zur mündlichen Verhandlung an den Revisionsbeklagten. Die vorstehenden Bestimmungen finden auf das Rechtsmittel der Beschwerde entsprechende Anwendung.

§ 8. Der Bestellung eines bei dem obersten Landesgericht oder bei dem Reichsgerichte zugelassenen Rechtsanwalts bedarf es erst, nachdem das oberste Landesgericht über die Zuständigkeit Entscheidung getroffen hat. Für die dieser Entscheidung vorgängigen Handlungen können die Parteien sich auch durch jeden bei einem Land- oder Oberlandesgerichte zugelasienen Rechtsanwalt vertreten lassen. Die Zustellung der Abschrift der Revisionsschrift an den Revisions­ beklagten und die Bekanntmachung des Termins zur mündlichen Verhandlung an die Parteien erfolgt in Gemäßheit des § 1642) der Civilprozeßordnung. *) Jetzt §§ 555 und 556 Satz 3 CP.O. *) Jetzt § 179 C.P.O.

VII Emführungsgesetz zur Civilprozeßordnung.

601

§ 9. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts erfolgt, falls es fich um die Zuständigkeit solcher Gerichte handelt, welche verschiedenen Bundesstaaten angehören und nicht im Bezirk eines gemeinschaftlichen Ober­ landesgerichts ihren Sitz haben, durch das Reichsgericht auch dann, wenn in einem dieser Bundesstaaten ein oberstes Landesgericht für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten errichtet ist. § 10. Die Bestimmungen der Civilprozeßordnung über das Ver­ fahren in Entmündigungssachen finden auf die Bestellung eines Beistandes für einen Geistesschwachen oder für einen Verschwender, insofern diese Bestellung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts erforderlich ist, entsprechende Anwendung. § 11. Die Landesgesetze können bei Aufgeboten, deren Zulässigkeit auf landesgesetzlichen Vorschriften beruht, die Anwendung der Bestimmungen der Civilprozeßordnung über das Aufgebotsverfahren ausschließen oder diese Bestimmungen durch andere Vorschriften ersetzen.

§ 12. Gesetz im Sinne der Civilprozeßordnung und dieses Gesetzes ist jede Rechtsnorm. § 13. Die prozeßrechtlichen Vorschriften der Reichsgesetze werden durch die Civilprozeßordnung nicht berührt. Aufgehoben werden:

1. § 2 des Gesetzes, betreffend die Aufhebung der Schuldhaft, vom 29. Mai 1868; 2. Artikel 34—36, 37 Satz 2, 39, 77, 78, 79 Ms. 2, 488, 494, 889 des Handelsgesetzbuchs; 3. § 6 des Gesetzes, betreffend die Verbindlichkeit zum Schadensersätze für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken u. s. w. herbei­ geführten Tödtungen und Körperverletzungen, vom 7. Juni 1871; 4. § 14 des Gesetzes über das Postwesen des Deutschen Reichs vom 28. Oftober 1871, insoweit diese Vorschrift die Unterbrechung der Verjährung an die Anmeldung der Klage knüpft; 5. § 144 Abs. 4 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältniffe der Reichs­ beamten, vom 31. März 1873; 6. § 78 Abs. 3 des Gesetzes über Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875.

Der Artikel 80 der Wechselordnung wird dahin abgeändert, dass die Verjährung auch nach Massgabe der §§ 190, 254, 461 Abs. 2, 471 Abs. 2 der Civilprozessordnung unterbrochen wird.') In den Fällen der Artikel 348, 365, 407 des Handelsgesetzbuchs ist das im § 448 der Civilprozessordnung bezeichnete Amtsgericht zuständig; auf die Ernennung, Beeidigung und Vernehmung der Sachverständigen finden die Vorschriften der Civilprozessordnung in ’) Abs. 3 ist gegenstandslos, nachdem Art. 80 W O. durch Art. 8 Nr. 2 EG. z. H.G.B. v. 10. Mai 1897 aufgehoben worden ist. Den im Abs. 3 genannten Paragraphen entsprechen die §§ 207, 281, 500 Abs. 2, 510 Abs. 2 C P.O. neuer Folge.

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VII

Einführungsgesetz zur Civilprozeßordnung.

dem achten Titel des ersten Abschnitts des zweiten Buchs entsprechende Anwendung.')

§ 14. Die prozeßrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze treten für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, deren Entscheidung in Gemäßheit des 8 3 nach den Vorschriften der Civilprozeßordnung zu erfolgen hat, außer Kraft, soweit nicht in der Civilprozeßordnung auf sie verwiesen oder soweit nicht bestimmt ist, daß sie nicht berührt werden. Außer Kraft treten insbesondere: 1. die Vorschriften über die bindende Kraft des strafgerichtlichen Urtheils für den Civilrichter; 2. die Vorschriften, welche in Ansehung gewisser Rechtsverhältnisse einzelne Arten von Beweismitteln ausschließen oder nur unter Beschränkungen zulasten: 3. die Vorschriften, nach welchen unter bestimmten Voraussetzungen eine Thatsache als mehr oder minder wahrscheinlich anzunehmen ist; 4. die Vorschriften über die Bewilligung von Moratorien, über die Urtheilsfristen und über die Befugnisse des Gerichts, dem Schuldner bei der Verurtheilung Zahlungsfristen zu gewähren; 5. die Vorschriften, nach welchen eine Nebenforderung als aberkannt gilt, wenn über dieselbe nicht entschieden ist.

§ 15. Unberührt bleiben: 1. die landesgesetzlichen Vorschriften über die Einstellung des Verfahrens für den Fall, daß ein Kompetenzkonflikt zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten entsteht; 2. die landesgesetzlichen Vorschriften über das Verfahren bei Streitig­ keiten, welche die Zwangsenteignung und die Entschädigung wegen derselben betreffen; 3. die landesgesetzlichen Vorschriften über die Zwangsvollstreckung wegen Geldsorderungen gegen den Fiskus, eine Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechts oder eine unter der Verwaltung einer öffentlichen Behörde stehmde Körperschaft oder Stiftung, soweit nicht dingliche Rechte verfolgt werden; 4. die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen auf die Zwangsvoll­ streckung gegen einen Rechtsnachfolger des Schuldners, soweit sie in das zu einem Lehen, mit Einschluß eines allodifizirten Lehens, zu einem Stammgute, Familienfideikommiß oder Anerbengute gehörende Vermögen stattfinden soll, die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung gegen einen Erben des Schuldners entsprechende Anwmdung finden. § 16. Unberührt bleiben: 1. die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Beweiskraft der Beurkundung des bürgerlichen Standes in Ansehung der Erklärungen, welche über Geburten und Sterbefälle von den zur Anzeige gesetzlich verpflichteten Personen abgegeben werden; ') Abs. 4 ist infolge der Neufassung des Artikel 348, 365, 407 (jetz, §§ 379, 388, 437) H.G.B. gegenstandslos geworden. Als Ersatz greift nun § 488 C.P O. neuer Folge ein. Dem bisherigen § 448 entspricht jetzt § 486 C.P.O.

VII EinführungSgefetz zur Civilprozeßordnung.

603

2. die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Verpflichtung zur Leistung des Offenbarungseides; 3. die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach welchen in bestimmten Fällen einstweilige Verfügungen erlafsen werden können. § 17. Die Beweiskraft eines Schuldscheins oder einer Quittung ist an den Ablauf einer Zeitfrist nicht gebunden.. Abweichende Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die zur Ein­ tragung in das Grund- oder Hypothekenbuch bestimmten Schuldurkunden bleiben unberührt, soweit sie die Verfolgung des dinglichen Rechts betreffen. § 18. Auf die Erledigung der vor dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung anhängig gewordenen Prozeffe finden bis zur rechtskräftigen Entscheidung die bisherigen Prozeßgefetze Anwendung. Der Landesgesetzgebung bleibt Vorbehalten, die Civilprozeßordnung auf bte vor dem Inkrafttreten derselben anhängig gewordenen Prozeffe für anwendbar zu erklären und zu dem Zwecke Uebergangsbestimmungen zu erlassen. § 19. Rechtskräftig im Sinne dieses Gesetzes sind Endurtheile, welche mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr angefochten werden können. Als ordentliche Rechtsmittel im Sinne des vorstehenden Absatzes sind diejenigen Rechtsmittel anzusehen, welche an eine von dem Tage der Verkündung oder Zustellung des Urtheils laufende Nothftist ge­ bunden sind.

§ 20. Gegen Endurtheile, welche vor dem Tage des Inkraft­ tretens der Civilprozeßordnung die Rechtskraft erlangt haben, sowie gegen Endurtheile, welche in den vor diesem Tage anhängig gewordenen Prozeffen nach demselben die Rechtskraft erlangen, finden als außerordentliche Rechts­ mittel nur die Nichtigkeitsklage und die Restitutionsklage nach den Be­ stimmungen der Civilprozeßordnung statt. Der Landesgesetzgebung bleibt Vorbehalten, zu bestimmen, in welcher Instanz die Klagen gegen solche Endurtheile zu erheben find. § 21. Eine vor dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung an­ hängig gewordene Zwangsvollstreckung ist nach den bisherigen Prozeß­ gesetzen zu erledigen. Der Landesgesetzgebung bleibt Vorbehalten, die Civilprozeßordnung auf die vor dem Inkrafttreten derselben anhängig gewordenen Zwangs­ vollstreckungen für anwendbar zu erklären und zu dem Zwecke Uebergangsbellimmungen zu erlaffen. § 22. Aus einer vor dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung ausgenommenen Urkunde, aus welcher nach den bisherigen Gesetzen die Zwangsvollstreckung zulässig ist, findet dieselbe auch nach dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung statt, jedoch nur innerhalb des Rechtsgebietes, in welchem die ihre Zulässigkeit bedingenden Gesetze gegolten haben, sofern nicht die Urkunde den Erfordernissen der Civilprozeßordnung entspricht.

604

VII Emsührungsgesetz zur Civilprozeßordnung.

§ 23. Insoweit Pfand- oder Vorzugsrechte, welche vor dem In­ krafttreten der Civilprozeßordnung auf Grund eines Vertrags, einer letztwilligen Anordnung oder einer richterlichen Verfügung erworben oder in Bankstatuten den Banknoteninhabern rechtsgültig zugesichert sind, gegen­ über einem Pfandrechte, welches durch eine nach dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung bewirkte Pfändung begründet wird, zufolge des § 709 Abs. 21) der Civilprozeßordnung ihre Wirksamkeit verlieren würden, kann die Landesgesetzgebung für die Forderung des Berechtigten das bisherige Vorrecht gewähren. Das Vorrecht kann nicht gewährt werden gegen eine zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung bewirkte Pfändung, wenn nicht das Vorrecht dadurch erhalten wird, daß dasselbe bis zum Abläufe der zwei Jahre zur Eintragung in ein öffentliches Register vorschrifts­ mäßig angemeldet ist. Der Erlaß von Vorschriften über die Einrichtung solcher Register, sowie über die Anmeldung und Eintragung der Forderungen bleibt der Landesgesetzgebung Vorbehalten. Die vorstehenden Bestimmungen finden auf ein gesetzliches Pfand­ oder Vorzugsrecht der Ehefrau des Schuldners für Forderungen, welche vor dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung entstanden sind, entsprechende Anwendung. § 24. Unter Zustimmung des Bundesraths kann durch An­ ordnung des Reichskanzlers bestimmt werden, daß gegen einen ausländischen Staat sowie dessen Angehörige und ihre Rechtsnachfolger ein Vergeltungs­ recht zur Anwendung gebracht wird. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei­ gedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben Berlin, 30. Januar 1877,

(L 8.)

Wilhelm. Fürst von Bismarck.

*) Jetzt § 804 Abs. 2 CP O.

VIII. Konkursordnung vom 10. Februar 1877.

in der Fassung des Gesetzes vom 17. Mal isos, vetr. Aenderungen der Honkursordnung, nach der Bekanntmachung des Reichskanzlers vorn 20. mal tsos.*) (Reichsgesetzblatt 1877 S. 351—389; 1898 S. 230—248, 612—658)

Erstes Buch.

Konkiirsrecbt. Erster Titel.

Allgemeine Bestimmungen. § 1. Das Konkursverfahren umfaßt das gesammte, einer Zwangs­ vollstreckung unterliegende Vermögen des Gemeinschuldners, welches ihm zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört (Konkursmasse). Die int § 811 Nr. 4, 9 der Civilprozeßordnung und im § 20 des Gesetzes über das Postwesen des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871 vorgesehenen Beschränkungen kommen im Konkursverfahren nicht zur An­ wendung. *) Nach dem Gesetze, betr. Aenderungen der Konkursordnung, vom 17. Mai 1898 (R G Bl. 1898 S- 230) sind 1. gestrichen die früheren §§ 13, 43, 105, 180, 195 bis 197. 2. abgeandert die jetzigen §§ 1, 3, 5, 7, 14, J5, 16, 19, 20, 22, 25, 32, 40, 41, 47, 48, 49, 61, 71, 82, 85, 89, 91, 106, 107, 110, 113, 117, 127, 134, 138, 154, 156, 171, 175, 179, 193, 198, 204, 205, 209, 210, 211, 212, 216, 217, 230, 238, 240, 241. 3. neu htnzugefügt dre §§ 2, 9, 13, 21, 23, 24, 27, 28, 42, 74, 114, 115, 116, 128, 130, 165, 183 187, 213, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 231, 232, 233, 234, 235, 236.

Diesem Abänderungsgesetze ist wie der Civilprozeßnovelle ein besonderes „Ein­ führungsgesetz zu dem Gesetze, betr. Aenderungen der Konkursordnung", vom 17. Mai 1898 (R.G.Bl. 1898 S. 248) beigegeben worden Dasselbe bestimmt: Art. I. Das Gesetz, betreffend Aenderungen der Konkursordnung, tritt gleich­ zeitig mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch in Kraft. Art. II enthält Aenderungen der §§ 6 und 7 des Einführungsgesetzes zur Konkursordnung, eingestellt unten in Nr. IX, und verfügt die Streichung der §§ 5 Nr. 2, 14—16 dieses Gesetzes. Art. UL Die Vorschriften des § 41 Abs. 2 der Konkursordnung und des § 17 Nr. 1, 2 des Gesetzes, betreffend die Einführung der Konkursordmmg, finden auch außerhalb des Konkurses Anwendung. Art. IV. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche die Zu­ lässigkeit des Konkursverfahrens über das Vermögen der im § 15 Nr. 3 des Ein­ führungsgesetzes zur Civilprozeßordnung bezeichneten juristischen Personen beschranken oder ausschl.eßen.

606

VIII. Konkursordnung.

Zur Konkursmasse gehören auch die Geschäftsbücher des Gemein­ schuldners. Gegenstände, die nicht gepfändet werden sollen, gehören nicht zur Konkursmasse.

§. 2. Wird bei dem Güterstande der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschaft oder der Fahrnißgemeinschast das Konkurs­ verfahren über das Vermögen des Ehemannes eröffnet, so gehört das Gesammtgut zur Konkursmasse; eine Auseinandersetzung wegen des Gesammtguts zwischen den Ehegatten findet nicht statt. Durch das Konkursverfahren über das Vermögen der Ehefrau wird das Gesammtgut nicht berührt. Diese Vorschriften finden bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft mit der Maßgabe Anwendung, daß an die Stelle des Ehemanns der über­ lebende Ehegatte, an die Stelle der Ehefrau die Abkömmlinge treten. § 3. Die Konkursmasse dient zur gemeinschaftlichen Befriedigung aller persönlichen Gläubiger, welche einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch an den Gemeinschuldner haben (Konkursgläubiger). Unterhaltsanspruche, die nach den 88 1351,1360,1361,1578—1583, 1586, 1601—1615, 1708—1714 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gegen den Gemeinschuldner begründet sind, sowie die sich aus den 88 1715, 1716 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergebenden Ansprüche können für die Zukunft nur geltend gemacht werden, soweit der Gemeinschuldner als Erbe des Verpflichteten haftet.

§ 4. Ein Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus Gegen­ ständen, welche zur Konkursmasse gehören, kann nur in den von diesem Gesetze zugelassenen Fallen geltend gemacht werden. Art V.» Ein vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, betresfmd Aenderungen der Konkursordnung, eröffnetes Konkursverfahren ist nach den bisherigen Gesetzen zu er­ ledigen Art VI. In einem am Tage des Inkrafttretens des Gesetzes, betreffend Aenderungen der Konkursordnung, oder nach diesem Tage eröffneten Konkursverfahren bleiben, soweit für ein Rechtsverhältniß die Vorschriften des bisherigen bürgerltchen Rechtes maßgebend sind, für das Rechtsverhältmtz auch die Vorschriften des bisherigen Konkursrechts maßgebend. Dies gilt insbesondere in Ansehung eines Nachlaffes, wenn der Erblasser vor dem bezeichneten Zeitpunkte gestorben ist. Die Landesgesetzgebung kann jedoch auf ein Rechtsverhältmtz, für welches nach den UebergangSvorschristen des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch» die Landesgesetze maßgebend sind, die Vorschriften des neuen Konkursrechts für anwendbar erklären. Art. VII enthält Aenderungen des Anfechtungsgesetzes, eingestellt unten in Nr. X. Art. Vin. Die Vorschriften des Art. VH finden auf die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vorgenommenen Rechtshandlungen keine Anwendung.

Art IX. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch Klage oder Widerklage em Anspruch auf Grund des dritten Titels des ersten BucheS der Konkurs­ ordnung oder auf Grund des Gesetzes, betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens, geltend gemacht ist, wird die Ver­ handlung und Entscheidung letzter Instanz im Sinne des § 8 des Einsührungsgesetzes zum Gerichtsversassungsgesetze dem Reichsgerichte zugewiesen.

Erstes Buch.

Die verfahren.

abgesonderte Befriedigung

Konkursrecht.

607

erfolgt unabhängig vom Konkurs­

§ 5»

Ausländische Gläubiger stehen den inländischen gleich. Unter Zustimmung des Bundesraths kann durch Anordnung des Reichskanzlers bestimmt werden, daß gegen einen ausländischen Staat, sowie dessen Angehörige und ihre Rechtsnachfolger ein Vergeltungsrecht zur Anwendung gebracht wird.

§ 6, Mit der Eröffnung des Verfahrens verliert der Gemeinschuldner die Befugniß, sein zur Konkursmaffe gehöriges Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht wird durch einen Konkurs­ verwalter ausgeübt. § 7. Rechtshandlungen, welche der Gemeinschuldner nach der Er­ öffnung des Verfahrens vorgenommen hat, find den Konkursgläubigern gegenüber unwtrksam; die Vorschriften der §§ 892, 893 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleiben unberührt. Dem anderen Theile ist die Gegenleistung aus der Masse zurückzngewähren, soweit letztere durch dieselbe bereichert ist. Hat der Gemeinschuldner Rechtshandlungen am Tage der Eröffnung des Verfahrens vorgenommen, so wird vermuthet, daß sie nach der Er­ öffnung vorgenommen worden sind § 8. Eine Leistung, welche auf eine zur Konkursmasse zu erfüllende Verbindlichkeit nach der Eröffnung des Verfahrens an den Gemeinschuldner erfolgt ist, befreit den Erfüllenden den Konkursgläubigern gegenüber nur insoweit, als das Geleistete in die Konkursmasse gekommen ist. War die Leistung vor der öffentlichen Bekanntmachung der Eröffnung erfolgt, so ist der Erfüllende befreit, wenn nicht bewiesen wird, daß ihm zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens bekannt war.

War die Leistung nach der öffentlichen Bekanntmachung erfolgt, so wird der Erfüllende befreit, wenn er beweist, daß ihm zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht bekannt war.

§ 9. Die Annahme oder Ausschlagung einer vor der Eröffnung des Verfahrens dem Gemeinschuldner angefallenen Erbschaft, sowie eines vor diesem Zeitpunkte dem Gemeinschuldner angefallenen Vermächtnisses steht nur dem Gemeinschuldner zu. Das Gleiche gilt von der Ablehnung der fortgesetzten Gütergemeinschaft. 5 10. Rechtsstreitigkeiten über das zur Konkursmaffe gehörige Vermögen, welche zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens für den Gemein­ schuldner anhängig find, können in der Lage, in welcher sie sich befinden, von dem Konkursverwalter ausgenommen werden. Wird die Aufnahme verzögert, so kommen die Bestimmungen des § 239 der Civilprozeßordnung zur entsprechenden Anwendung. Lehnt der Verwalter die Aufnahme des Rechtsstreits ab, so kann sowohl der Gemeinschuldner als der Gegner denselben aufnehmen.

608

VIII Konkmsordnung.

§ 11. Rechtsstreitigkeiten, welche gegen den Gemeinschuldner anhängig und auf Aussonderung eines Gegenstandes aus der Konkursmasse oder auf abgesonderte Befriedigung gerichtet sind oder einen Anspruch betreffen, welcher als Maffeschuld zu erachten ist, können sowohl von dem Konkurs­ verwalter als von dem Gegner ausgenommen werden. Erkennt der Verwalter den Anspruch sofort an, so fallen ihm die Prozeßkosten nicht zur Last.

§ 12. Konkursgläubiger können ihre Forderungen auf Sicher­ stellung oder Befriedigung aus der Konkursmaffe nur nach Maßgabe der Vorschriften für das Konkursverfahren verfolgen. § 13. Ein gegen den Gemeinschuldner bestehendes Veräußerungs­ verbot der in den §§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art ist den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam; wirksam bleibt jedoch eine bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen erfolgte Beschlagnahme.

§ 14. Während der Dauer des Konkursverfahrens finden Arreste und Zwangsvollstreckungen zu Gunsten einzelner Konkursgläubiger weder in das zur Konkursmasse gehörige, noch in das sonstige Vermögen des Gemeinschuldners statt. In Ansehung der zur Konkursmaffe gehörigen Grundstücke, sowie der für den Gemeinschuldner eingetragenen Rechte an Grundstücken oder an eingetragenen Rechten kann während der Dauer des Konkursverfahrens eine Vormerkung auf Grund einer einstweiligen Verfügung zu Gunsten einzelner Konkursgläubiger nicht eingetragen werden. Das Gleiche gilt von der Eintragung einer Vormerkung in Ansehung eines Schiffspfandrechts. $ 15. Rechte an den zur Konkursmaffe gehörigen Gegenständen, sowie Vorzugsrechte und Zurückbehaltungsrechte in Ansehung solcher Gegen­ stände können nach der Eröffnung des Verfahrens nicht mit Wirksamkeit gegenüber den Konkursgläubigern erworben werden, auch wenn der Erwerb nicht auf einer Rechtshandlung des Gemeinschuldners beruht. Die Vor­ schriften der 83 878, 892, 893 und des § 1260 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleiben unberührt. § 16. Befindet sich der Genieinschuldner mit Dritten in einem Miteigenthume, in einer Gesellschaft oder in einer anderen Gemein­ schaft, so erfolgt die Theilung oder sonstige Auseinandersetzung außerhalb des Konkursverfahrens. Eine Vereinbarung, durch welche bei einer Gemeinschaft nach Bruch­ theilen das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, für immer oder auf Zeit ausgeschlossen oder eine Kündigungsfrist bestimmt worden ist, wirkt nicht gegen die Konkursmaffe. Das Gleiche gilt von einer Anordnung dieses Inhalts, die ein Erblaffer für die Gemeinschaft seiner Erben getroffen hat.

Erstes Buch.

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Konkursrecht.

Aweiter Titel.

Erfüllung der NechtSgeschiifte. K 17. Wenn ein zweiseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens von dem Gemeinschuldner und von dem anderen Theile nicht oder nicht vollständig erfüllt ist, so kann der Konkursverwalter an Stelle des Gemeinschuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung von dem anderen Theile verlangen. Der Verwalter muß auf Erfordern des anderen Theils, auch wenn die Erfüllungszeit noch nicht eingetreten ist, demselben ohne Verzug erklären, ob er die Erfüllung verlangen will. Unterläßt er dies, so kann er auf der Erfüllung nicht bestehen.

§ 18. War die Lieferung von Waaren, welche einen Markt- oder Börsenpreis haben, genau zu einer sestbestimmten Zeit oder binnen einer festbestimmten Frist bedungen, und tritt die Zeit oder der Ablauf der Frist erst nach der Eröffnung des Verfahrens ein, so kann nicht die Erfüllung verlangt, sondern nur eine Forderung wegen Nichterfüllung geltend gemacht werden. Der Betrag dieser Forderung bestimmt sich durch den Unterschied zwischen dem Kaufpreise und demjenigen Markt- oder Börsenpreise, welcher an dem Orte der Erfüllung oder an dem für denselben maßgebenden Handelsplätze sich für die am zweiten Werktage nach der Eröffnung des Verfahrens mit der bedungenen Erfüllungszeit geschloffenen Geschäfte ergiebt. Ist ein solcher Markt- oder Börsenpreis nicht zu ermitteln, so findet die Bestimmung des ersten Absatzes keine Anwendung. K 19. War dem Gemeinschuldner ein von ihm gemietheter oder gepachteter Gegenstand vor der Eröffnung des Verfahrens überlassen, so kann sowohl der andere Theil als der Verwalter das Mieth- oder Pacht­ verhältniß kündigen. Die Kündigungsfrist ist, falls nicht eine kürzere Frist bedungen war, die gesetzliche. Kündigt der Verwalter, so ist der andere Theil berechtigt, Ersatz des ihm durch die Aufhebung des Vertrags ent­ stehenden Schadens zu verlangen.

§ 20. War dem Gemeinschuldner ein von ihm gemietheter oder gepachteter Gegenstand zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens noch nicht überlaffen, so kann der andere Theil von dem Vertrage zurücktreten. Auf Erfordern des Verwalters muß der andere Theil demselben ohne Verzug erklären, ob er von dem Vertrage zurücktreten will. Unter­ läßt er dies, so kommen die Bestimmungen des § 17 zur Anwendung. § 21. Hatte der Gemeinschuldner einen von ihm vermietheten oder verpachteten Gegenstand dem Miether oder dem Pächter vor der Eröffnung des Verfahrens überlaffen, so ist der Mieth- oder Pachtvertrag auch der Konkursmaffe gegenüber wirksam. Im Falle der Vermiethung oder der Verpachtung eines Grundstücks, sowie im Falle dec Vermiethung von Wohnräumen oder anderen Räumen ist jedoch eine Verfügung, die der Gemeinschuldner vor der Eröffnung des Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

39

610

VIII. Konkursordnung.

Verfahrens über den auf die spätere Zeit entfallenden Mieth- oder Pacht­ zins getroffen hat, insbesondere die Einziehung des Mieth- oder Pacht­ zinses, der Konkursmaffe gegenüber nur insoweit wirksam, als sich die Verfügung auf den Mieth- oder Pachtzins für das zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufende und das folgende Kalendervierteljahr bezieht. Soweit die Entrichtung des Mieth- oder Pachtzinses der Konkursmaffe gegenüber wirksam ist, kann der Miether oder der Pächter gegen die Mieth- oder Pachtzinsforderung der Konkursmasse eine ihm gegen den Gemeinschuldner zustehende Forderung aufrechnen. Eme von dem Konkursverwalter vorgenommene freiwillige Ver­ äußerung des von dem Gemeinschuldner vermietheten oder verpachteten Grundstücks wirkt, sofern das Grundstück dem Miether oder dem Pächter vor der Eröffnung des Verfahrens überlassen war, auf das Mieth- oder Pachtverhältniß wie eine Zwangsversteigerung.

8 22. Ein in dem Haushalte, Wirthschaftsbetriebe oder Erwerbsgeschäste des Gemeinschuldners angetretenes Dienstverhältniß kann von jedem Theile gekündigt werden. Die Kündigungsfrist ist, falls nicht eine kürzere Frist bedungen war, die gesetzliche. Kündigt der Verwalter, so ist der andere Theil berechtigt, Ersatz des ihm durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens zu verlangen.

§ 23. Ein von dem Gemeinschuldner ertheilter Auftrag erlischt durch die Eröffnung des Verfahrens, es sei denn, daß der Auftrag sich nicht auf das zur Konkursmaffe gehörige Vermögen bezieht. Erlischt der Auftrag, so finden die Vorschriften des § 672 Satz 2 und des § 674 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt, wenn sich Jemand durch einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag verpflichtet hat, ein ihm von dem Gemeinschuldner über­ tragenes Geschäft für diesen zu besorgen. K 24. Ist zur Sicherung eines Anspruchs auf Einräumung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstücke des Gemeinschuldners oder an einem für den Gemeinschuldner eingetragenen Rechte oder zur Sicherung eines Anspruchs auf Aenderung des Inhalts oder des Ranges eines solchen Rechts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen, so kann der Gläubiger von dem Konkursverwalter die Befriedigung seines Anspruchs verlangen. Das Gleiche gilt, wenn in Ansehung eines Schiffspfandrechts eine Vor­ merkung im Schiffsregister eingetragen ist.

8 25. Soweit rücksichtlich einzelner, durch die §§ 18—24 nicht betroffener Rechtsverhältnisse das bürgerliche Recht besondere Bestimmungen über die Wirkung der Eröffnung des Konkursverfahrens enthält, kommen diese Bestimmungen zur Anwendung. 8 26. Wenn in Folge der Eröffnung des Konkursverfahrens die Nichterfüllung einer Verbindlichkeit oder die Aufhebung eines RechtsverhältniffeS des Gemeinschuldners einiritt, so ist der andere Theil nicht berechttgt, die Rückgabe seiner in das Eigenthum des Gemeinschuldners übergegangenen Leistung aus der Konkursmaffe zu verlangen. Er kann

Erstes Buch

Konkursrecht.

611

eine Forderung wegen der Nichterfüllung oder der Aufhebung nur als Konkursgläubiger geltend machen, soweit ihm nicht ein Anspruch auf ab­ gesonderte Befriedigung zusteht.

§ 27. Erlischt ein von dem Gemeinschuldner ertheilter Auftrag oder ein Dienst- oder Werkvertrag der im § 23 Abs. 2 bezeichneten Art in Folge der Eröffnung des Verfahrens, so ist der andere Theil in An­ sehung der nach der Eröffnung des Verfahrens entstandenen Ersatzansprüche im Falle des § 672 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Maffegläubiger, im Falle des § 674 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Konkursgläubiger. § 28. Wird eine nach § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein­ gegangene Gesellschaft durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst, so ist der geschäftsführende Gesellschafter in Ansehung der Ansprüche, welche ihm aus der einstweiligen Fortführung der Geschäfte nach § 728 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetz­ buchs zustehen, Massegläubiger, in Ansehung der ihm nach § 729 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zustehenden Ansprüche, unbeschadet der ^Bestimmung des § 51, Konkursgläubiger. Dritter Titel.

Anfechtung.

§ 29. Rechtshandlungen, welche vor der Eröffnung des Konkurs­ verfahrens vorgenommen sind, können als den Konkursgläubigern gegen­ über unwirksam nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen angefochten werden. § 30. Anfechtbar sind: 1. die nach der Zahlungseinstellung oder dem Anträge auf Eröffnung des Verfahrens von dem Gemeinschuldner eingegangenen Rechtsgeschäfte, durch deren Eingehung die Konkursgläubiger benachtheiligt werden, wenn dem anderen Theile zu der Zeit, als er das Geschäft einging, die Zahlungseinstellung oder der Eröffnungsantrag bekannt war; sowie die nach der Zahlungseinstellung oder dem Eröffnungsantrage erfolgten Rechtshandlungen, welche einem Konkursgläubiger Sicherung oder Befriedigung gewähren, wenn dem Gläubiger zu der Zeit, als die Handlung erfolgte, die Zahlungseinstellung oder der Eröffnungs­ antrag bekannt war; 2. die nach der Zahlungseinstellung oder dem Anträge auf Eröffnung des Verfahrens oder in den letzten zehn Tagen vor der Zahlungs­ einstellung oder dem Eröffnungsantraqe erfolgten Rechtshandlungen, welche einem Konkursgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung ge­ währen, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, sofern er nicht beweist, daß ihm zur Zeit der Handlung weder die Zahlungseinstellung und der Eröffnungsantrag, noch eine Absicht des Gemeinschuldners, ihn vor den übrigen Gläubigem zu begünstigen, bekannt war.

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VIT! Konkursordnung.

8 31.

Anfechtbar sind:

1. Rechtshandlungen, welche der Gemeinschuldner in der dem anderen Theile bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachtheiligen, vor­ genommen hat; 2. die in dem letzten Jahre vor der Eröffnung des Verfahrens ge­ schlossenen, entgeltlichen Verträge des Gemeinschuldners mit seinem Ehegatten, vor oder während der Ehe, mit seinen oder seines Ehegatten Verwandten in auf- und ab­ steigender Linie, mit seinen oder seines Ehegatten voll- und halbbürtigen Geschwistern, oder mit dem Ehegatten einer dieser Personen, sofern durch den Abschluß des Vertrages die Gläubiger des Gemein­ schuldners benachtheiligt werden und der andere Theil nicht beweist, daß ihm zur Zeit des Vertragsabschluffes eine Absicht des Gemein­ schuldners, die Gläubiger zu benachtheiligen, nicht bekannt war.

8 32. Anfechtbar sind.: 1. die in dem letzten Jahre vor der Eröffnung des Verfahrens von dem Gemeinschuldner vorgenommenen unentgeltlichen Verfügungen, sofern nicht dieselben gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke zum Gegenstände hatten; 2. die in den letzten zwei Jahren vor der Eröffnung des Konkurses von dem Gemeinschuldner vorgenommenen unentgeltlichen Verfügungen zu Gunsten seines Ehegatten. 8 33. Rechtshandlungen, welche früher als sechs Monate vorder Eröffnung des Verfahrens erfolgt sind, können aus dem Gmnde einer Kenntniß der Zahlungseinstellung nicht angefochten werden.

8 34. Wechselzahlungen des Gemeinschuldners können auf Grund des 8 30 Nr. 1 von dem Empfänger nicht zurückgefordert werden, wenn nach Wechselrecht der Empfänger bei Verlust des Wechselanspruchs gegen andere Wechselverpflichtete zur Annahme der Zahlung verbunden war. Die gezahlte Wechselsumme muß von dem letzten Wechselregreßschuldner oder, falls derselbe den Wechsel für Rechnung eines Dritten begeben hatte, von diesem erstattet werden, wenn dem letzten Wechselregreßschuldner oder dem Dritten zu der Zeit, als er den Wechsel begab oder begeben ließ, einer der im § 30 Nr. 1 erwähnten Umstände bekannt war. 8 35. Die Anfechtung wird dadurch nicht ausgeschloffen, daß für die anzufechtende Rechtshandlung ein vollstreckbarer Schuldtitel erlangt, oder daß dieselbe durch Zwangsvollstreckung oder durch Vollziehung eines Arrestes erwirkt worden ist. 8 36.

Das Anfechtungsrecht wird von dem Verwalter ausgeübt.

8 37. Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Gemeinschuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Konkursmasse zurückgewährt werden. Der gutgläubige Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat dieselbe nur soweit zurückzugewähren, als er durch sie bereichert ist.

Erstes Buch.

Konkursrecht.

613

§ 38. Die Gegenleistung ist aus der Konkursmasse zu erstatten, soweit sie sich in derselben befindet, oder soweit die Masse um ihren Werth bereichert ist. Darüber hinaus kann ein Anspruch nur als Konkursforderung geltend gemacht werden.

§ 39. Wmn der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Empfangene zurückgewährt, so tritt seine Forderung wieder in Kraft. § 40. Die gegen den Erblasser begründete Anfechtung findet gegen den Erben statt. Gegen einen anderen Rechtsnachfolger desjenigen, welchem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen ist, findet die gegen den letzteren begründete Anfechtung statt: 1. wenn ihm zur Zeit seines Erwerbes die Umstände, welche die Anfecht­ barkeit des Erwerbes seines Rechtsvorgängers begründen, bekannt waren; 2. wenn er zu den im § 31 Nr. 2 genannten Personen gehört, es sei denn, daß ihm zur Zeit seines Erwerbes die Umstände, welche die Anfechtbarkeit des Erwerbes seines Rechtsvorgängers begründen, unbe­ kannt waren; 3. wenn ihm das Erlangte unentgeltlich zugewendet worden ist.

Im Falle des Abs. 2 Nr. 3 findet aus die Haftung des Rechts­ nachfolgers die Bestimmung des § 37 Abs. 2 Anwendung.

§ 41. Die Anfechtung kann nur binnen Jahresftist seit der Eröffnung des Verfahrens erfolgen. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften des § 203 Abs. 2 und des § 207 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung. Die Anfechtung nach § 31 Nr. 1 ist ausgeschlossen, wenn seit der Vornahme der Handlung dreißig Jahre verstrichen sind. Ist durch die anfechtbare Handlung eine Verpflichtung deS Gemein­ schuldners zu einer Leistung begründet, so kann der Konkursverwalter die Leistung verweigern, auch wenn die Anfechtung nach Abs. 1 ausgeschlossen ist. S 42. Die Vorschriften über die Anfechtung der vor der Eröffnung des Verfahrens vorgenommenen Rechtshandlungen gelten auch für die Anfechtung von Rechtshandlungen, die nach der Eröffnung des Verfahrens vorgenommen worden sind, sofern diese nach den §§ 892, 893 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs den Konkursgläubigern gegenüber wirksam find. Die Frist für die Ausübung des Anfechtungsrechts beginnt mit der Vomahme der Rechtshandlung. vierter Titel.

Aussonderung. K 43. Die Ansprüche auf Aussonderung eines dem Gemeinschuldner nicht gehörigen Gegenstandes aus der Konkursmaffe auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts bestimmen sich nach den außerhalb des Konkursverfahrens geltenden Gesetzen.

VIII Konknrsordniing.

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§ 44 Der Verkäufer oder Einkaufskommissionär kann Waaren, welche von einem anderen Orte an den Gemeinschuldner abgesendet und von dem Gemeinschuldner noch nicht vollständig bezahlt sind, zurückfordern, sofern nicht dieselben schon vor der Eröffnung des Verfahrens an dem Orte der Ablieferung angekommen und in den Gewahrsam des Gemein­ schuldners oder einer anderen Person für ihn gelangt sind. Die Bestimmungen des § 17 finden Anwendung. § 45. Die Ehefrau des Gemeinschuldners kann Gegenstände, welche fie während der Ehe erworben hat, nur in Anspruch nehmen, wenn sie beweist, daß dieselben nicht mit Mitteln des Gemeinschuldners erworben sind.

§ 46. Sind Gegenstände, deren Aussonderung aus der Konkurs­ masse hätte beansprucht werden können, vor der Eröffnung des Verfahrens von dem Gemeinschuldner oder nach der Eröffnung des Verfahrens von dem Verwalter veräußert worden, so ist der Aussonderungsberechtigte befugt, die Abtretung des Rechts aus die Gegenleistung, soweit diese noch aussteht, zu verlangen. Er kann die Gegenleistung aus der Maffe beanspruchen, soweit sie nach der Eröffnung des Verfahrens zu derselben eingezogen worden ist. Lünster Titel. Absonderung.

§ 47. Zur abgesonderten Befriedigung dienen die Gegenstände, welche der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, unterliegen, für diejenigen, welchen ein Recht auf Befriedigung aus denselben zusteht.

§ 48. Gläubiger, welche an einem zur Konkursmasse gehörigen Gegenstand ein durch Rechtsgeschäft bestelltes Pfandrecht haben, können aus den ihnen verpfändeten Gegenständen abgesonderte Befriedigung wegen ihrer Psandsorderung verlangen, zunächst wegen der Kosten, dann wegen der Zinsen, zuletzt wegen des Kapitals. § 49.

Den im § 48 bezeichneten Pfandgläubigern stehen gleich:

1. die Reichskasse, die Staatskassen und die Gemeinden, sowie die Amts-, Kreis- und Provinzialverbände wegen öffentlicher Abgaben, in An­ sehung der zurückgehaltenen oder in Beschlag genommenen zollund steuerpflichtigen Sachen; 2. diejenigen, welche an gewissen Gegenständen ein gesetzliches oder ein durch Pfändung erlangtes Pfandrecht haben; das dem Vermiether und dem Verpächter nach den §§ 559, 581, 585 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zustehende Pfandrecht kann in Ansehung des Miethoder Pachtzinses für eine frühere Zeit als das letzte Jahr vor der Eröffnung des Verfahrens, sowie in Ansehung des dem Vermiether ober dem Verpächter in Folge der Kündigung des Verwalters ent­ stehenden' Entschädigungsanspruchs nicht geltend gemacht werden; das Pfandrecht des Verpächters eines landwirthschastlichen Grundstücks unterliegt in Ansehung des Pachtzinses der Beschränkung nicht;

Erstes Buch.

Kvnkursrecht.

615

3. diejenigen, welche etwas zum Nutzen einer Sache verwendet haben, wegen des den noch vorhandenen Vortheil nicht übersteigenden Betrags ihrer Forderung aus der Verwendung, in Ansehung der zurückbehaltenen Sache; 4. diejenigen, welchen nach dem Handelsgesetzbuche in Ansehung gewisser Gegenstände ein Zurückbehaltungsrecht zusteht.

Die im Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Rechte gehen den im Abs. Nr. 2—4 und den im § 48 bezeichneten Rechten vor.

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§ 50. Wer nach der Eröffnung des Konkursverfahrens oder mit Kenntniß des Eröffnungsantrages oder der Zahlungseinstellung eine Konkurs­ forderung dem im Auslande wohnenden Inhaber eines zur Konkursmasse gehörigen Gegenstandes oder in der Absicht, daß dieser die Forderung erwerbe, einer Mittelsperson abtritt, ist verpflichtet, zur Konkursmasie den Betrag zu ersetzen, welcher derselben dadurch entgeht, daß der Inhaberfür die Forderung nach dem Rechte des Auslandes entgegen den Be­ stimmungen dieses Gesetzes ein Absonderungsrecht an dem Gegenstände ausnbt. Die Vorschrift des § 33 findet entsprechende Anwendung.

§ 51. Wer sich mit dem Gemeinschuldner in einem Miteigenthume, in einer Gesellschaft oder in einer anderen Gemeinschaft befindet, kann wegen der auf ein solches Verhältniß sich gründenden Forderungen abgesonderte Befriedigung aus dem bei der Theilung oder sonstigen Aus­ einandersetzung ermittelten Antheile des Gemeinschuldners verlangen. § 52. Die Befriedigung der Lehen-, Stammguts- oder Familienfideikommiß-Gläubiger erfolgt abgesondert aus dem Lehen, Stammgute oder Familienfideikommisse nach den Vorschriften der Landesgesetze.

Sechster Titel.

Aufrechnung. § 53. Soweit ein Gläubiger zu einer Aufrechnung befugt ist, braucht er seine Forderung im Konkursverfahren nicht geltend zu machen.

§ 54. Die Aufrechnung wird nicht dadurch ausgeschloffen, daß zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder die eine von ihnen noch betagt oder noch bedingt war, oder die Forderung des Gläubigers nicht auf einen Geldbetrag gerichtet war. Eine betagte Forderung des Gläubigers ist zum Zwecke der Auf­ rechnung nach der Vorschrift des § 65 zu berechnen. Zum Zwecke der Aufrechnung einer aufschiebend bedingten Forderung bei dem Eintritte der Bedingung kann der Gläubiger Sicherstellung insoweit verlangen, als die Forderung der von ihm einzuzahlenden Schuld gleichkommt. Eine nicht auf Geld gerichtete Forderung des Gläubigers ist zum Zwecke der Ausrechnung nach den Vorschriften der §§ 69, 70 zu berechnen.

616

Vm Konkursordnung.

§ 55. Eine Aufrechnung im Konkursverfahren ist unzulässig: 1. wenn Jemand vor oder nach der Eröffnung des Verfahrens eine Forderung an den Gemeinschuldner erworben hat und nach der Eröffnung etwas zur Masse schuldig geworden ist; 2. wenn Jemand dem Gemeinschuldner vor der Eröffnung des Ver­ fahrens etwas schuldig war und nach derselben eine Forderung an den Gemeinschuldner erworben hat, auch wenn diese Forderung vor der Eröffnung für einen anderen Gläubiger entstanden war; 3. wenn Jemand vor der Eröffnung des Verfahrens dem Gemein­ schuldner etwas schuldig war und eine Forderung an den Gemein­ schuldner durch ein Rechtsgeschäft mit demselben oder durch Rechtsabtretung oder Befriedigung eines Gläubigers erworben hat, falls ihm zur Zeit des Erwerbes bekannt war, daß der Gemein­ schuldner seine Zahlungen eingestellt hatte, oder daß die Eröffnung des Verfahrens beantragt war. Die Vorschrift des § 33 findet entsprechende Anwendung. Die Auftechnung ist zulässig, wenn der Erwerber zur Ueber­ nahme der Forderung oder zur Befriedigung des Gläubigers ver­ pflichtet war und zu- der Zeit, als er die Verpflichtung einging, weder von der Zahlungseinstellung noch von dem Eröffnungsantrage Kenntniß hatte.

K 56. Die Bestimmung des § 50 findet entsprechende Anwendung ans den Fall, daß ein im Auslande wohnender Schuldner nach dem Rechte des Auslandes eine nach § 55 unzulässige Aufrechnung mit der ihm abgetretenen Konkursforderung vornimmt.

Siebente® Titel.

Nassegliiubiger. § 57. Aus der Konkursmasse sind die Maffekosten und Maffeschulden vorweg zu berichtigen.

§ 58. Massekosten sind: 1. die gerichtlichen Kosten für das gemeinschaftliche Verfahren; 2. die Ausgaben für die Verwaltung, Verwerthung und Vertheilung der Masse; 3. die dem Gemeinschuldner und dessen Familie bewilligte Unterstützung.

% 59. Masseschulden sind: 1. die Ansprüche, welche aus Geschäften oder Handlungen des Konkurs­ verwalters entstehen; 2. die Ansprüche aus zweiseitigen Verträgen, deren Erfüllung zur Konkursmaffe verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Verfahrens erfolgen muß; 3. die Ansprüche aus einer rechtlosen Bereicherung der Maffe.

Erstes Buch

Konkursrecht.

617

§ 60» Sobald sich herausstellt, daß die Konkursmasse zur voll­ ständigen Befriedigung aller Massegläubiger nicht ausreicht, tritt eine verhältnißmäßige Befriedigung derselben in der Weise ein,, daß zunächst die Masseschulden, dann die Massekosten, von diesen zuerst die baaren Auslagen und zuletzt die dem Gemeinschnldner und dessen Familie bewilligte Unterstützung zu berichtigen sind. Achter Titel.

SonkurSglLilbiger. § 61. Die Konkursforderungen werden nach folgender Rangordnung, bei gleichem Range nach Verhältniß ihrer Beträge, berichtigt: 1. die für das letzte Jahr vor der Eröffnung des Verfahrens oder dem Ableben des Gemeinschuldners rückständigen Forderungen an Lohn, Kostgeld oder anderen Dienstbezügen der Personen, welche sich dem Gemeinschuldner für dessen Haushalt, Wirthschaftsbetrieb oder Er werbsgeschäst zur Leistung von Diensten verdungen hatten; 2 die Forderungen der Reichskaffe, der Staatskaffen und der Gemein­ den, sowie der Amts-, Kreis- und Provinzialverbände wegen öffentlicher Abgaben, welche im letzten Jahre vor der Eröffnung des Verfahrens fällig geworden sind oder nach § 65 als fällig gelten; es macht hierbei keinen Unterschied, ob der Steuererheber die Abgabe bereits vorschußweise zur Kasse entrichtet hat; 8. die Forderungen der Kirchen und Schulen, der öffentlichen Verbände und der öffentlichen, zur Annahme der Versicherung verpflichteten Feuerversicherungsanstalten wegen der nach Gesetz oder Verfassung zu entrichtenden Abgaben und Leistungen aus dem letzten Jahre vor der Eröffnung des Verfahrens;

4.

die Forderungen der Aerzte, Wundärzte, Thierärzte, Apotheker, Hebammen und Krankenpfleger wegen Kur- und Pflegekosten aus dem letzten Jahre vor der Eröffnung des Verfahrens, insoweit der Betrag der Forderungen den Betrag der taxmäßigen Gebührnisse nicht übersteigt; 5. die Forderungen der Kinder, der Mündel und der Pflegebefohlenen des Gemeinschuldners in Ansehung ihres gesetzlich der Verwaltung desselben unterworfenen Vermögens; das Vorrecht-steht ihnen nicht zu, wenn die Forderung nicht binnen zwei Jahren nach Beendigung der Vermögensverwaltung gerichtlich geltend gemacht, und bis zur Eröffnung des Verfahrens verfolgt worden ist; 6. alle übrigen Konkursforderungen.

K 62. Mit der Kapitalsforderung werden an derselben Stelle angesetzt: 1. die Kosten, welche dem Gläubiger vor der Eröffnung des Verfahrens erwachsen sind; 2. die Vertragsstrafen; 3. die bis zur Eröffnung des Verfahrens ausgelaufenen Zinsen.

618

VIII. Konkursordnung.

§ 63.

Im Konkursverfahren können nicht geltend gemacht werden:

1. die seit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Zinsen; 2. die Kosten, welche den einzelnen Gläubigern durch ihre Theilnahme an dem Verfahren erwachsen; 3. Geldstrafen; 4. Forderungen aus einer Freigebigkeit des Gemeinschuldners unter Lebenden oder von Todeswegen.

8 64. Ein Gläubiger, welcher abgesonderte Befriedigung bean­ sprucht, kann die Forderung, wenn der Gemeinschuldner auch persönlich für sie hastet, zur Konkursmasse geltend machen, aus derselben aber nur für den Betrag verhältnißmäßige Bestiedigung verlangen, zu welchem er auf abgesonderte Befriedigung verzichtet, oder mit welchem er bei der letzteren ausgefallen ist. 8 65. Betagte Forderungen gelten als fällig. Eine betagte unverzinsliche Forderung vermindert sich aus den Be­ trag, welcher mit Hinzurechnung der gesetzlichen Zinsen desselben für die Zeit von der Eröffnung der Verfahrens bis zur Fälligkeit dem vollen Betrage der Forderung gleichkommt. 8 66. Forderungen unbedingte geltend gemacht.

unter

auflösender

8 67. Forderungen nur zu einer Sicherung.

unter

aufschiebender Bedingung

Bedingung

werden

wie

berechtigen

8 68. Wird über das Vermögen mehrerer oder einer von mehreren Personen, welche neben einander für dieselbe Leistung auf das Ganze hasten, das Konkursverfahren eröffnet, so kann der Gläubiger bis zu seiner vollen Befriedigung in jedem Verfahren den Betrag geltend machen, den er zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens zu fordern hatte. 8 69. Forderungen, welche nicht aus einen Geldbetrag gerichtet sind, oder deren Geldbetrag unbestimmt oder ungewiß oder nicht in Reichswährung festgesetzt ist, sind nach ihrem Schätzungswerthe in Reichs­ währung geltend zu machen. 8 70. Wiederkehrende Hebungen zu einem bestimmten Betrage und von einer bestimmten Zeitdauer werden unter Abrechnung der Zwischen­ zinsen (§ 65) durch Zusammenzählung der einzelnen Hebungen kapitalisirt. Der Gesammtbetrag darf den zum gesetzlichen Zinssätze kapitalisirten Betrag derselben nicht übersteigen.

Zweites Buch.

Konkursverfahren.

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Zweites Buch.

Konkursverfahren. Erster Titel.

Allgemeine Nestimmungen. § 71. Für das Konkursverfahren ist das Amtsgericht ausschließlich zuständig, bei welchem der Gemeinschuldner seine gewerbliche Niederlassung oder in Ermangelung einer solchen seinen allgemeinen Gerichtsstand Hal. Sind mehrere Gerichte zuständig, so schließt dasjenige, bei welchem zuerst die Eröffnung des Verfahrens beantragt worden ist, die übrigen aus.

§ 72. Die Vorschriften der Civilprozeßordnung finden, soweit nicht aus den Bestimmungen dieses Gesetzes sich Abweichungen ergeben, auf das Konkursverfahren entsprechende Anwendung. § 73. Die Entscheidungen im Konkursverfahren können ohne vor­ gängige mündliche Verhandlung erfolgen. Die Zustellung geschieht von Amtswegen. Gegen die Entscheidungen im Konkursverfahren findet, soweit dieses Gesetz nicht ein Anderes bestimmt, die sofortige Beschwerde statt. § 74. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

§ 75. Das Konkursgericht kann zur Aufklärung aller das Ver­ fahren betreffenden Verhältnisse die erforderlichen Ermittelungen, ins­ besondere die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen anordnen. § 76. Die öffentlichen Bekanntmachungen erfolgen durch mindestens einmalige Einrückung in das zur Veröffentlichung amtlicher Bekannt­ machungen des Gerichts bestimmte Blatt; die Einrückung kann auszugs­ weise geschehen. Die Bekanntmachung gilt als bewirkt mit dem Ablaufe des zweiten Tages nach der Ausgabe des die Einrückung oder die erste Einrückung enthaltenden Blattes. Das Gericht kann weitere Bekanntmachungen anordnen. Die öffentliche Bekanntmachung gilt als Zustellung an alle Be­ iheiligten, auch wenn dieses Gesetz neben ihr eine besondere Zustellung vorschreibt. § 77. Wenn neben der öffentlichen Bekanntmachung eine besondere Zustellung vorgeschrieben ist, so kann dieselbe durch Aufgabe zur Post bewirkt werden. Einer Beglaubigung der Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks bedarf es nicht. Die dem Verwalter obliegenden Mittheilungen können unniittelbar und ohne besondere Form geschehen.

620

VIII Konkursordnung.

§ 78.

Der Konkursverwalter wird von dem Gerichte ernannt. Das Gericht kann demselben die Leistung einer Sicherheit auferlrgen.

$ 79.

Wenn die Verwaltung verschiedene Geschäftszweige umfaßt, so können mehrere Konkursverwalter ernannt werden. Jeder von ihnen ist in seiner Geschäftsführung selbständig.

§ 80.

In der auf die Ernennung eines Verwalters folgenden Gläubigerversammlung können die Konkursgläubiger statt des Ernannten eine andere Person wählen. Das Gericht kann die Ernennung des Gewählten versag, n.

§ 81.

Der Name des Verwalters ist öffentlich bekannt zu machen. Dem Verwalter ist eine urkundliche Bescheinigung seiner Ernennung zu ertheilen. Er hat dieselbe bei der Beendigung seines Amts dem Gerichte zurückzureichen.

G 82.

Der Verwalter ist für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten allen Betheiligten verantworlich.

§ 83. § 84.

Der Verwalter steht unter der Aufsicht des Konkursgerichts.

Das Gericht kann gegen den Verwalter Ordnungsstrafen bis zu zweihundert Mark festsetzen. Es kann denselben vor der auf seine

Ernennung folgenden Gläubigerversammlung von Amtswegen, später nur auf Antrag der Gläubigerversammlung oder des Gläubigerausschuffes seines Amts entlaffen. Vor der Entscheidung ist der Verwalter zu hören.

§ 85.

Der Verwalter hat Anspruch auf Erstattung angemeffener baarer Auslagen und auf Vergütung für seine Geschäftsführung. Die Festsetzung der Auslagen und der Vergütung erfolgt durch das Konkurs­ gericht. Die Landesjustizverwaltung kann für die dem Verwalter zu gewährende Vergütung allgemeine Anordnungen treffen.

% 86.

Der Verwalter hat bei der Beendigung seines Amts einer Gläubigerversammlung Schlußrechnung zu legen. Die Rechnung muß mit den Belegen und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, mit dessen Bemerkungen spätestens drei Tage vor dem Termine auf der Gerichts­ chreiberei zur Einsicht der Betheiligten niedergelegt werden. Der Gemeinchuldner, jeder Konkursgläubiger und der nachfolgende Verwalter find berechtigt, Einwendungen gegen die Rechnung zu erheben. Soweit in )em Termine Einwendungen nicht erhoben werden, gilt die Rechnung als anerkannt.

8 87.

Dor der ersten Gläubigerversammlung kann das Gericht aus der Zahl der Gläubiger oder der Vertreter von Gläubigern einen Gläubigerausschuß bestellen. Die Gläubigerversammlung hat über die Bestellung eines Gläubiger­ ausschuffes zu beschließen. Die Mitglieder des Gläubigerausschuffes sind von der Gläubigerversammlung zu wählen. Zu Mitgliedern können Gläubiger ober andere Personen gewählt werden.

Zweites Buch.

Konkursverfahren.

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K 88. Die Mitglieder des Gläubigera«sschusses haben den Verwalter bei seiner Geschäftsführung zu unterstützen und zu überwachen. Dieselben können sich von dem Gange der Geschäfte unterrichten, die Bücher und Schriften des Verwalters einsehen und den Bestand seiner Kaffe unter­ suchen. Der Gläubigerausschuß ist berechtigt, von dem Verwalter Bericht­ erstattung über die Lage der Sache und die Geschäftsführung zu verlangen. Er ist verpflichtet, die Untersuchung der Kasse des Verwalters wenigstens ein Mal in jedem Monate durch ein Mitglied vornehmen zu fassen.

§ 89. Die Mitglieder des Gläubigerausschuffes sind für die Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten allen Betheiligten verantwortlich. § 90. Ein Beschluß des Gläubigerausschuffes ist gültig, wenn die Mehrheit der Mitglieder an der Beschlußfassung Theil genommen hat, und der Beschluß mit absoluter Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßt ist. § 91. Die Mitglieder des Gläubigerausschuffes haben Anspruch auf Erstattung angemeffener baarer Auslagen und auf Vergütung für ihre Geschäftsführung. Dje Festsetzung der Auslagen und der Vergütung erfolgt nach Anhörung der Gläubigerversammlung durch das Konkurs­ gericht. Die Landesjustizverwaltung kann für die den Mitgliedern des Gläubigerausschuffes zu gewährende Vergütung allgemeine Anordnungen treffen. § 92. Die durch das Gericht erfolgte Bestellung zum Mitgliede des Gläubigerausschuffes kann von dem Gerichte, die durch die Gläubiger­ versammlung erfolgte Bestellung zum Mitgliede des Gläubigerausschusses durch Beschluß der Gläubigerversammlung widerrufen werden. $ 93. Ueber die Berufung der Gläubigerversammlung beschließt das Gericht. Die Berufung muß erfolgen, wenn sie von dem Verwalter, dem Gläubigerausschuffe oder von mindestens fünf Konkursgläubigern, deren Forderungen nach der Schätzung des Gerichts den fünften Theil der Schuldenmaffe erreichen, beantragt wird. Die Berufung muß öffentlich bekannt gemacht werden. Der öffentlichen Bekanntmachung bedarf es nicht, wenn in einer Gläubigerversammlung eine Vertagung der Verhandlung angeordnet wird.

K 94. Die Gläubigerversammlung findet unter der Leitung des. Gerichts statt. Die Beschlüsse der Gläubigerversammlung werden mit absoluter Mehrheit der Stimmen gefaßt. Für die Wahl der Mitglieder des Gläubiger­ ausschuffes genügt relative Mehrheit der Stimmen. Die Stimmenmehrheit ist nach den Fordemngsbeträgen zu berechnen. Bei Gleichheit der Summen entscheidet die Zahl der Gläubiger.

§ 95. Zur Theilnahme an den Abstimmungen berechtigen die festgestellten Konkursforderungen. In Ansehung einer streitig gebliebenen Forderung wird bei der Prüfung mit den Parteien erörtert, ob und zu

622

VIII Konkursordnung.

welchem Betrage ein bleibendes Stimmrecht für dieselbe zu gewähren ist. In Ermangelung einer Einigung entscheidet das Konkursgericht. Das Gericht kann die Entscheidung auf den weiteren Antrag einer Partei abändern. Ob und zu welchem Betrage nicht geprüfte Konkursforderungen zum Stimmen in einer Gläubigerversammlung berechtigen, entscheidet auf den Widerspruch eines Konkursgläubigers oder des Verwalters das Gericht. Eine Anfechtung der Entscheidungen findet nicht statt.

8 86. Ob und zu welchem Betrage Forderungen, für welche abgesonderte Befriedigung beansprucht wird, in Ansehung ihres muthmaßlichen Ausfalls, sowie Konkursforderungen unter aufschiebender Be­ dingung zum Stimmen in einer Gläubigerversammlung berechtigen, ent­ scheidet auf den Widerspruch eines Konkursgläubigers oder des Verwalters das Gericht. Eine Anfechtung der Entscheidung findet nicht statt. 8 97. Gezählt werden nur die Stimmen der in der Gtaubigerversammlung erschienenen Gläubiger. Die nicht -erschienenen Gläubiger sind an die Beschlüsse gebunden. 8 98. Der Gegenstand, über welchen in der Gläubigerversammlung ein Beschluß gefaßt werden soll, muß bei der Berufung derselben öffentlich bekannt gemacht werden. 8 99. Das Gericht hat die Ausführung eines von der Gläubiger­ versammlung gefaßten Beschluffes auf den in der Gläubigerversammlung gestellten Antrag des Verwalters oder eines überstimmten Gläubigers zu untersagen, wenn der Beschluß dem gemeinsamen Jntereffe der Konkurs­ gläubiger widerspricht.

8 100. Der Gemeinschuldner ist verpflichtet, dem Verwalter, dem Gläubigerausschuffe und auf Anordnung des Gerichts der Gläubiger­ versammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. 8 101. Der Gemeinschuldner darf sich von seinem Wohnorte nur mit Erlaubniß des Gerichts entfernen. Das Gericht kann die zwangsweise Vorführung und nach Anhörung des Gemeinschuldners die Haft desselben anordnen, wenn er die ihm von dem Gesetze auferlegten Pflichten nicht erfüllt, oder wenn es zur Sicherung der Maffe nothwendig erscheint. Zweiter Titel.

kröfsnMgSversahrell. 8 102. Die Eröffnung des Konkursverfahrens setzt die Zahlungs­ unfähigkeit des Gemeinschuldners voraus. Zahlungsunfähigkeit ist insbesondere anzunehmen, wenn Zahlungs­ einstellung erfolgt ist.

Zweites Buch

Konkursverfahren.

623

§ 108. Das Verfahren kann nur auf Antrag eröffnet werden. Zu dem Anträge ist der Gemeinschuldner und jeder Konkursgläubiger berechtigt. § 104. Beantragt der Gemeinschuldner die Eröffnung des Ver­ fahrens, so hat er ein Verzeichniß der Gläubiger und Schuldner, sowie eine Uebersicht der Vermögensmasse bei Stellung des Antrags einzureichen oder, wenn dies nicht thunlich ist, ohne Verzug nachzuliefern. § 105. Der Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Ver­ fahrens ist zuzulassen, wenn die Forderung des Gläubigers und die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners glaubhaft gemacht werden. Wird der Antrag zugelassen, so hat das Gericht den Schuldner zu hören und, sofern dieser nicht seine Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungs­ einstellung einräumt, die erforderlichen Ermittelungen anzuordnen. Die Anhörung des Schuldners kann unterbleiben, wenn sie eine öffentliche Zustellung oder eine Zustellung im Auslande erfordert; in diesem Falle ist, soweit thunlich, ein Vertreter oder Angehöriger des Schuldners zu hören. § 106. Das Gericht kann die zwangsweise Vorführung und die Haft des Schuldners anordnen. Dasselbe kann alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen. Es kann insbesondere ein allgemeines Veräußerungsverbot an den Schuldner erlassen. Bei der Abweisung des Eröffnungsantrags sind die angeordneten Sicherheitsmaßregeln aufzuheben.

8 107. Die Abweisung des Eröffnungsantrags kann erfolgen, wenn nach dem Ermesien des Gerichts eine den Kosten des Verfahrens ent­ sprechende Konkursmasse nicht vorhanden ist. Die Abweisung unter­ bleibt, wenn ein zur Deckung der im 8 58 Nr. 1, 2 bezeichneten Masse­ kosten ausreichender Geldbetrag vorgeschofsen wird. Das Gericht hat ein Verzeichniß derjenigen Schuldner zu führen, bezüglich deren der Eröffnungsantrag auf Grund der Vorschrift des Abs. 1 Satz 1 abgewiesen worden ist. Die Einsicht des Verzeichnisses ist Jedem gestattet. Nach dem Ablaufe von fünf Jahren seit der Abweisung des Eröffnungsantrags ist die Eintragung in dem Verzeichnisse dadurch zu löschen, daß der Name unkenntlich gemacht wird. § 108. Der Eröffnungsbeschluß hat die Stunde der Eröffnung «nzugeben. Ist dies versäumt wordeu, so gilt als Zeitpunkt der Eröffnung die Mittagsstunde des Tages, an welchem der Beschluß erlassen ist.

§ 109. Die sofortige Beschwerde steht gegen den Eröffnungs­ beschluß nur dem Gemeinschuldner, gegen den abweisenden Beschluß nur demjenigen zu, welcher den Eröffnungsantrag gestellt hat. § 110. Bei der Eröffnung des Konkursverfahrens ernennt das Gericht den Konkursverwalter, verordnet einen nicht über einen Monat hinauszusctzrnden Termin zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen

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vm Konkursordnung.

Verwalters, sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses, erläßt den offenen Arrest und bestimmt die Anmeldefrist und den allgemeinen Prüfungstermin. Das Gericht kann die Termine verbinden, wenn die Konkursmaffe von geringerem Betrage oder der Kreis der Konkursgläubiger von geringerem Umfange ist, oder wenn der Gemeinschuldner einen Zwangs­ vergleichsvorschlag eingereicht hat.

K 111. Der Gerichtsschreiber hat die Formel des Eröffnungs­ beschlusses, den offenen Arrest, die Anmeldefrist und die Termine sofort öffentlich bekannt zu machen. Die Bekanntmachung ist, unbeschadet der Vorschriften des 8 76 Abs. 1, auszugsweise in den Deutschen Reichsanzeiger einzurücken. An die ihrem Wohnorte nach bekannten Gläubiger und Schuldner des Gemeinschuldners erfolgt besondere Zustellung.

§ 112. Der Gerichtsschreiber hat unter Bezeichnung des Konkurs­ verwalters beglaubigte Abschriften der Formel des EröffnungsbeschlufseS den Behörden für die Führung des Handels- oder Genosienschastsregisters oder ähnlicher Register und der Dienstbehörde des Gemeinschuldners mit« zutheilen. S 113. Ein von dem Konkursgericht in Gemäßheit des § 106 erlassenes allgemeines Veräußerungsverbot, sowie die Eröffnung des Konkurs­ verfahrens ist in das Grundbuch einzutragen: 1. bei denjenigen Grundstücken, als deren Eigenthümer der Gemein­ schuldner im Grundbuch eingetragen ist;

2. bei den für den Gemeinschuldner eingetragenen Rechten an Grundstücken oder an eingetragenen Rechten, wenn nach der Art des Rechts und den obwaltendm Umständen bei Unterlassung der Eintragung eine Beeinträchtigung der Konkursgläubiger zu besorgen ist. Das Konkursgericht hat, soweit ihm solche Grundstücke oder Rechte bekannt sind, das Grundbuchamt von Amtswegen um die Eintragung zu ersuchen. Die Eintragung kann auch von dem Konkursverwalter bei dem Grundbuchamte beantragt werden.

K 114. Werden Grundstücke oder Rechte, bei denen eine Ein­ tragung nach Maßgabe des § 113 Abs. 1, 2 bewirkt worden ist, von dem Verwalter freigegeben oder veräußert, so kann das Konkursgericht auf Antrag das Grundbuchamt um Löschung der Eintragung ersuchen. § 115. Die Eintragung und Löschung von Vermerken auf Grund der 83 113, 114 geschieht gebührenfrei.

§ 118. Sobald eine den Eröffnungsbeschluß aufhebende Entscheidung die Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekannt zu machm. Die Vorschriften der 83 1H Abs. 2, 112, 113, 191 finden entsprechende Anwendung.

Zweites Buch

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Konkursverfahren.

Dritter Titel.

TheilnngSinasse. § 117. Nach der Eröffnung des Verfahrens hat der Verwalter das gesammte zur Konkursmasse gehörige Verniögen sofort in Besitz ilnd Verwaltung zu nehmen und dasselbe zu verwerthen. Die Geschäftsbücher des Gemeinschuldners dürfen nur mit dein Geschäft im Ganzen und nur insoweit veräußert werden, als sie zur Fort­ führung des Geschäftsbetriebs unentbehrlich siird. § 118. Durch den offenen Arrest wird allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkurs­ masse etwas schuldig sind, ausgegeben, nichts an den Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auferlegt, von dein Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter innerhalb einer bestimmten Frist Anzeige zu machen. § 119. Wer die Anzeige über den Besitz von Sachen des Gemein­ schuldners innerhalb der bestimmten Frist zu machen unterläßt, haftet für allen aus der Unterlassung oder Verzögerung der Anzeige entstehenden Schaden.

§ 120. Gläubiger, welche abgesonderte Befriedigung aus einer in ihrem Besitze befindlichen Sache beanspruchen, haben dem Verwalter auf dessen Verlaiigen die Sache zur Ansicht vorzuzeigen und die Abschätzung derselben zu gestatten. § 121. Die Post- und Telegraphenanstalten sind verpflichtet, auf Anordnung des Koukursgerichts alle für den Gemeinschuldner eingeheudeir Sendungen, Briefe und Depeschen dein Verwalter auszuhändigen. Dieser ist zur Eröffnung derselben berechtigt. Der Gemeinschuldner kann die Einsicht und, wenn ihr Inhalt die Masse nicht betrifft, die Herausgabe derselben verlangen. Das Gericht kann die Anordnung auf Antrag des Gemeinschuldners nach Anhörung des Verwalters aufheben oder beschränken.

§ 122. Der Verwalter kann zur Sicherung der zur Konkursmasse gehörigen Sachen durch eine zur Vornahme solcher Handlungen gesetzlich ermächtigte Person siegeln lassen. Die Geschäftsbücher des Gemeinschuldners sind durch den Gerichts­ schreiber zu schließen. § 123. Der Verwalter hat die einzelnen zur Konkursmaffe ge­ hörigen Gegenstände unter Angabe ihres Werths aufzuzeichnen. Der Werth ist erforderlichen Falls durch Sachverständige zu ermitteln. Bei der Auszeichnung ist eine obrigkeitliche oder eine Urkundsperson zuzuziehen. Der Gemeinschuldner ist zuzuziehen, wenn er ohne Aufschub zu erlange» ist. Auf Antrag des Verwalters und, wenn ein GläubigcrauSschuß bestellt ist, des letzteren, kann das Gericht gestatten, daß die Aufzeichnung unterbleibe Bürgerliches Gesetzbuch und Nebcugcsetze.

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VIII Konkursorbmmg.

oder ohne Zuziehung einer obrigkeitlichen oder einer Urkundsperson vor­ genommen werde.

§ 124. Dem Verwalter liegt die Anfertigung eines Inventars und einer Bilanz ob. Derselbe hat eine von ihm gezeichnete Abschrift des Inventars und der Bilanz und, wenn eine Siegelung und Entsiegelung stattgefunden hat, die Protokolle über dieselben auf der Gerichtsschreiberei zur Einsicht der Betheiligten niederzulegen. § 125. Nach der Anfertigung des Inventars kann der Verwalter oder ein Konkursgläubiger den Gemeinschuldner in eine Sitzung des Amts­ gerichts, bei welchem das Konkursverfahren anhängig ist, zur Leistung des Offenbarungseides laden. § 126. Die Zwangsverwaltung und die Zwangsversteigerung der zur Maffe gehörigen unbeweglichen Gegenstände kann bei der zuständigen Behörde durch den Konkursverwalter betrieben werden.

§ 127. Der Verwalter ist berechtigt, die Verwerthung eines zur Masse gehörigen beweglichen Gegenstandes, an welchem ein Gläubiger ein durch Rechtsgeschäft bestelltes Pfandrecht oder ein diesem gleichstehendes Recht beansprucht, nach Maßgabe der Vorschriften über die Zwangs­ vollstreckung oder über den Pfandverkauf zu betreiben. Der Gläubiger­ kann einer solchen Verwerthung nicht widersprechen, vielmehr seine Rechte nur auf den Erlös geltend machen. Ist der Gläubiger befugt, sich aus dem Gegenstände ohne gerichtliches Verfahren zu befriedigen, so kann auf Antrag des Verwalters das Konkurs­ gericht dem Gläubiger nach dessen Anhörung eine Frist bestimmen, innerhalb welcher er den Gegenstand zu verwerthen hat. Nach dem Ablaufe der Frist findet die Vorschrift des ersten Absatzes Anwendung. § 128. Ist der Gemeinschuldner Vorerbe, so darf der Verwalter die zur Erbschaft gehörigen Gegenstände nicht veräußern, wenn die Ver­ äußerung im Falle des Eintritts der Nacherbfolge nach § 2115 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem Nacherben gegenüber unwirksam ist. § 129. Bis zur Beschlußfassung durch eine Gläubigerversammlung kann der Verwalter mit Genehmigung des Gerichts oder, wenn von dem Gerichte ein Gläubigerausschuß bestellt ist, mit dessen Genehmigung dem Gemeinschuldner und der Familie desselben nothdürftigen Unterhalt aus der Konkursmasse gewähren. Bis zur Beschlußfassung durch eine Gläubigerversammlung hat der Verwalter nach seinem Ermessen das Geschäft des Gemeinschuldners zu schließen oder fortzuführen und die Gelder, Werthpapiere und Kostbarkeiten nach Anordnung des Gerichts zu hinterlegen. Ist von dem Gerichte ein Gläubigerausschuß bestellt, so beschließt dieser über die Schließung oder die Fortführung des Geschäfts und über die Hinterlegung der Gelder, Werth­ papiere und Kostbarkeiten. § 130. Soll nach § 129 das Geschäft des Gemein schuldners geschlossen werden, so hat der Verwalter vor der Beschlußfassung de; Gläubigerausschufses oder, wenn ein Gläubigerausschuß nicht bestellt ist.

Zweites Buch

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Konkursverfahren.

vor der Schließung des Geschäfts dem Gemeinschuldner, sofern derselbe ohne Aufschub zu erlangen ist, von der beabsichtigten Maßregel Mittheilung zu machen. Das Gericht kann auf Antrag des Gemeinschuldners die Schließung des Geschäfts untersagen, wenn der Gemeinschuldner einen ZivangsvergleichsVorschlag eingereicht hat.

§ 131, In der ersten Gläubigerversammlung hat der Verwalter über die Entstehung der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners, über die Lage der Sache und über die bisher ergriffenen Maßregeln zu berichten.

§ 132. Die Gläubigerversammlung beschließt über eine dem Gemeinschuldner und dessen Familie zu bewilligende Unterstützung, über die Schließung oder die Fortführung des Geschäfts und über die Stelle, bei welcher, sowie über, die Bedingungen, unter welchen die Gelder, Werth­ papiere und Kostbarkeiten hinterlegt oder angelegt werden sollen. Die Gläubigerversammlung beschließt, in welcher Weise und in welchen Zeiträumen der Verwalter ihr oder einem Gläubigerausschusse über die Verwaltung und Verwerthung der Masse Bericht erstatten und Rechnung legen soll. § 133. Der Verwalter hat, falls ein Gläubigerausschuß bestellt ist, dessen Genehmigung einzuholen: 1. wenn Gegenstände, deren Verkauf ohne offenbaren Nachtheil für die Masse ausgesetzt werden kann und nicht durch die Fort­ führung des Geschäfts veranlaßt wird, verkauft werden sollen, bevor der allgemeine Prüfungstermin abgehalten oder ein vor dem Schluffe desselben eingereichter Zwangsvergleichsvorschlag erledigt ist; 2. wenn die Erfüllung von Rechtsgeschäften des Gemeinschuldners verlangt, Prozesse anhängig gemacht, deren Aufnahme abgelehnt, Vergleiche oder Schiedsverträge geschloffen, Aussonderungs-, Absonderungs- oder Maffeansprüche anerkannt, Pfandstücke eingelöst, oder Forderungen veräußert werden sollen, und es sich in diesen Fällen um einen Werthgegenstand von mehr als dreihundert Mark handelt. § 134. Der Verwalter hat die Genehmigung des Gläubigerausschuffes oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, die Genehmigung einer Gläubigerversammlung einzuholen: 1. wenn ein unbeweglicher Gegenstand aus freier Hand, oder das Geschäft oder das Waarenlager des Gemeinschuldners im Ganzen, oder das Recht auf den Bezug wiederkehrender Einkünfte ver­ äußert werden soll; 2. wenn Darlehen ausgenommen, fremde Verbindlichkeiten über­ nommen, zur Masse gehörige Gegenstände verpfändet, oder Grundstücke erstanden werden sollen. § 135. Der Verwalter hat in den Fällen der §§ 133, 134 vor der Beschlußfassung des Gläubigerausschuffes oder der Gläubiger­ versammlung, und in den Fällen des § 133, wenn ein Gläubiger40*

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VIII. KonluiSordnung.

ausschuß nicht bestellt ist, vor der Vornahme der Rechtshandlung dem Gemeinschuldner, sofern derselbe ohne Aufschub zu erlangen ist, von der beabsichtigten Maßregel Mittheilung zu machen. Das Gericht kann auf Antrag des Gemeinschuldners, sofern nicht die Gläubigcrversammlung die Genehmigung ertheilt hat, die Vornahme der Rechtshandlung vorläufig untersagen nnd zur Beschlußfassung über die Vornahme eine Gläubigerversammlnng berufen.

K 136» Durch die Vorschriften der §§ 133—135 wird die Gültigkeit einer Rechtshandlung des Verwalters dritten Personen gegen­ über nicht berührt.

K 137. Wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, und die Gläubigerversammlung nicht ein Anderes beschließt, bedürfen Quittungen des Verwalters über den Empfang von (Selbem, Werthpapieren oder Kostlackeiten von der Hinterlegungsstelle und Anweisungen des Verwalters auf die Hinterlegungsstelle zu ihrer Gültigkeit der Mitzeichnung eines Mitgliedes des Gläubigerausschusscs. vierter Titel.

Schlll-e« masst.

$ 138. Die Frist zur Anmeldung der Konkursforderungen beträgt zwei Wochen bis drei Monate. Der Zeitraum zwischen dem Ablaufe der Anmeldefrist und dem allgemeinen Prüfungstermine soll mindestens eine Woche und höchstens zwei Monate betragen. $ 139. Die Anmeldung hat die Angabe des Betrages und Gmndes der Fordemng sowie des beanspmchten Vorrechts zu enthalten. kann bei dem Gerichte schriftlich eingereicht oder zum Protokolle Gerichtsschreibers angebracht werden. Die urkundlichen Beweisstücke eine Abschrift derselben find beizufügen.

des Sie des oder

K 140. Die Anmeldungen sind in der Gerichtsschreiberei zur Einsicht der Betheiligten niederzulegen. Der Gerichtsschreiber hat jede Forderung sofort nach der Anmeldung derselben in der Rangordnung des beanspruchten Vorrechts in eine Tabelle einzutragen, welche innerhalb des ersten Drittheils des zwischen dem Ab­ laufe der Anmeldefrist und dem Prüfungstermine liegenden Zeitraums ans der Gerichtsschreiberin zur Einsicht der Betheiligten niederzulegen und abschriftlich dem Verwalter mitzutheilen ist. K 141. In dem Pcufungstermine werden die angemeldeten Foiderungen ihrem Betrage und ihrem Vorrechte nach einzeln erörtert. Der Gemeinschuldner hat sich über die Forderungen zu erklären. § 142. In dem Prüfungstermine sind auch diejenigen Forderungen, welche nach dem Ablaufe der Anmeldesrist angemeldet sind, zu prüfen, wenn weder der Verwalter noch ein KonkurSgläubiq«". Ijicrgn e s Wider­ spruch erhebt; anderenfalls ist auf Kosten des Säumigen ein besonderer Prufangstermin zu bestimmen.

Zweites Buch

Konkursverfahren.

629

Auf nachträglich beanspruchte Vorrechte und sonstige Aenderungen der Anmeldung findet die vorstehende Bestimmung entsprechende Anwendung Gläubiger, welche Forderungen nach dem Prüfungstermine anmelden, tragen die Kosten des besonderen Prüfungstermins. § 143. Die Prüfung einer angemeldeten Forderung findet stuft, wenngleich der anincldende Glattbiger im Prüfungstermine ausbleibt.

§ 144. Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfuugstcrmine ein Widerspruch weder von dem Verwalter noch von einem Konkursgläubiger erhoben wird, oder soweit ein erhobener Wider­ spruch beseitigt ist. Ist die Forderung vom Gemeinschuldner im Prüfungstermine be­ stritten, so kann ein Rechtsstreit, welcher über dieselbe zur Zeit der Er­ öffnung des Konkursverfahrens anhängig war, gegen den Gemeinschuldner ausgenommen werden. § 145. Das Gericht hat nach der Erörterung einer jeden Forderung das Ergebniß in die Tabelle einzutragen. Auf Wechseln und sonstigen Schnldlnkunden ist von dem Gerichtsschreiber die Feststellung zu ver­ merken. Die Eintragung in die Tabelle gilt rücksichtlich der festgestellten Forderungen ihrem Betrage und ihrem Vorrechte nach wie ein rechts­ kräftiges Urtheil gegenüber allen Konkursgläubigern. § 146. Ten Gläubigern streitig gebliebener Forderungen bleibt überlassen, die Feststellung derselben gegen die Bestreitenden zu betreiben. Zu diesem Behufe hat das Gericht den Gläubigern einen Allszug aus der Tabelle in beglaubigter Fonn zu ertheilen. Aus die Feststellung ist im ordentlichen Verfahren Klage zu erheben. Für die Klage ist das Amtsgericht, bei welchem das Konkursverfahren anhängig ist und, wenn der Streitgegenstand zur Zuständigkeit der Ainlsgerichte nicht gehört, das Landgericht ausschließlich zuständig, zu dessen Bezirke der Bezirk des Konkulsgerichts gehört. War zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so ist die Feststellung derselben durch Aufnahnle des Rechtsstreits zu verfolgen. Die Feststellung kann nur auf den Grund gestützt und nur auf den Betrag gerichtet werden, welcher in der Anmeldung oder dem Prüfungs­ termine angegeben ist. Die Bestimmungen des ersten, dritten und vierten Absatzes finden auf Forderungen, für deren Feststellung ein besonderes Gericht, eine Ver­ waltungsbehörde oder ein Verwaltungsgericht zuständig ist, entsprechende Anwendung. Der Widerspruch gegen eine Forderung, für welche ein mit der Vollstreckungsklausel versehener Schuldtitel, ein Endurtheil oder ein Vollstreckungsbefehl vorliegt, ist von dem Widersprechenden zu verfolgen. Die obsiegende Partei hat die Berichtigung der Tabelle zu erwirkeil. § 147. Soweit durch ein Urtheil rechtskräftig eine Forderung festgestellt oder ein Widerspruch für begründet erklärt ist, wirkt dasselbe

630

VIII Konkursordnuno.

gegenüber allen Konkursgläubigern. War der Prozeß nur gegen einzelne Gläubiger geführt, so können diese den Ersatz ihrer Prozeßkosten aus der Konkursmasse insoweit verlangen, als der letzteren durch das Urtheil ein Bortheil erwachsen ist.

8 148. Der Werth des Streitgegenstandes eines Prozesses über die Richtigkeit oder das Vorrecht einer Forderung ist mit Rücksicht auf das Verhältniß der Theilungs- zur Schuldenmasse von dem Prozeßgerichte nach freiem Ermessen festzusetzen.

Fünfter Titel.

Vertheilung. § 149. Hach der Abhaltung des allgemeinen Prüfungstermins soll, so oft hinreichende baare Maste vorhanden ist, eine Vertheilung an die Konkursgläubiger erfolgen. 8 150. Zur Vornahme einer Vertheilung hat der Verwalter, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, dessen Genehmigung einzuholen.

8 151. Vor der Vornahme einer Vertheilung hat der Verwalter ein Verzeichniß der bei derselben zu berücksichtigenden Forderungen auf der Gerichtsschreiberei zur Einsicht der Betheiligten niederzulegen und die Summe der Forderungen sowie den zur Vertheilung versügbaren Masse­ bestand öffentlich bekannt zu machen. 8 152. Konkursgläubiger, deren Forderungen nicht festgestellt find und für deren Forderungen ein mit der Vollstreckungsklausel versehener Schuldtitel, ein Endurtheil oder ein Vollstreckungsbefehl nicht vorliegt, haben bis zum Ablaufe einer Aüsschlußfrist von zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung dem Verwalter den Nachweis zu führen, daß und für welchen Betrag die Feststellungsllage erhoben oder das Verfahren in dem früher anhängigen Prozesse ausgenommen ist. Wird der Nach­ weis nicht rechtzeitig geführt, so werden die Forderungen bei der vorzu­ nehmenden Vertheilung nicht berücksichtigt.

8 153. Gläubiger, von welchen abgesonderte Befriedigung bean­ sprucht wird, haben bis zum Ablaufe der Ausschlußfrist dem Verwalter den Nachweis ihres Verzichts oder ihres Ausfalls nach Maßgabe des § 64 zu führen. Wird der Nachweis nicht rechtzeitig gefithrt, so werden die Forderungen bei der vorzunehmenden Vertheilung nicht berücksichtigt. Zur Berücksichtigung bei einer Abschlagsvertheilung genügt es, wenn bis zum Ablaufe der Ausschlußfrist dem Verwalter der Nachweis, daß die Veräußerung des zur abgesonderten Befriedigung dienenden Gegenstandes betrieben ist, geführt und der Betrag des muthmaßlichen Ausfalls glaubhaft gemacht wird. 8 154. Forderungen unter aufschiebender Bedingung werden bei einer Abschlagsvertheilung zu dem Betrage berücksichtigt, welcher auf die unbedingte Forderung fallen würde.

Zweites Buch.

Konkursverfahren.

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Bei der Schlußvertheilung ist die Berücksichtigung ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit des Eintritts der Bedingung eine so entfernte ist, daß die bedingte Forderung einen gegenwärtigen Vermögenswerth nicht hat.

§ 155* Gläubiger, welche bei einer Abschlagsvertheilung nicht berücksichtigt worden sind, können nachträglich, sobald sie die Vorschriften der §§ 152, 153 erfüllt haben, die bisher festgesetzten Prozentsätze aus der Restmasie verlangen, soweit diese reicht und nicht in Folge des Ablaufs einer Ausschlußfrist für eine neue Dertheilung zu verwenden ist. § 156, Die Antheile, mit welchen Gläubiger bei Abschlagszahlungen nach Maßgabe des § 153 Abs. 2 oder des § 154 Abs. 1 berücksichtigt worden sind, werden für die Schlußvertheilung frei, wenn bei dieser die Voraussetzungen des § 153 Abs. 1 nicht erfüllt sind oder nach Maßgabe des § 154 Abs. 2 die Berücksichtigung der bedingten Forderung aus­ geschloffen ist.

§ 157. Binnen drei Tagen nach dem Ablaufe der Ausschlußfrist hat der Verwalter die auf Grund der vorstehenden Bestimmungen erfor­ derlichen Aenderungen des Verzeichniffes zu bewirken.

§ 158. Bei einer Abschlagsvertheilung sind Einwendungen gegen das Verzeichniß bis zum Ablaufe einer Woche nach dem Ende der Aus­ schlußfrist bei dem Konkursgerichte zu erheben. Das Gericht entscheidet über die Einwendungen. Die Entscheidung, durch welche eine Berichtigung des Verzeichniffes angeordnet wird, ist auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen. Die Beschwerdefrist beginnt mit dein Tage, an welchem die Niederlegung der Entscheidung erfolgt ist. § 159. Für eine Abschlagsvertheilung bestimmt der Verwalter und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, dieser auf Antrag des Ver­ walters den zu zahlenden Prozentsatz. Der Verwalter hat den Prozentsatz den berücksichtigten Gläubigern mitzutheilen. § 160. Das Gericht kann auf Antrag des Gemeinschuldners, wenn derselbe einen Zwangsvergleich vorgeschlagen hat, die Aussetzung einer Abschlagsvertheilung anordnen, sofern nicht schon die Ausschlußfrist abgelaufen ist. § 161. Die Schlußvertheilung erfolgt, sobald die Verwerthung der Masse beendigt ist. Die Vornahme der Schlußvertheilung unterliegt der Genehmigung des Gerichts. § 162. Zur Abnahme der Schlußrechnung, zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schlußverzeichniß und zur Beschlußfassung der Gläubiger über die nicht verwerthbaren Vermögensstücke bestimmt das Gericht einen Schlußtermin, welcher nicht unter drei Wochen und nicht über einen Monat hinaus anzuberaumen ist. Die Bestimmungen des § 158 Abs. 2 finden auf die Schlußver­ theilung Anwendung.

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VIII. Kvnkmsordmmg.

§ 163. Nach der Abhaltung des Schlußtermins beschließt daS Gericht die Aufhebung des Konkursverfahrens. Eine Anfechtuna des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekannt zu machen. Die Vorschriften der §§ 111 Abs. 2, 112, 113 finden entsprechende Anwendung.

K 164. Nach der Aufhebung des Konkursverfahrens können die nicht befriedigten Konkursgläubiger ihre Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen. Für die Gläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht von dem Gemeinschuldner im Prüfungstermine ausdrücklich bestritten worden sind, findet gegen den Schuldner aus der Eintragung in die Tabelle die Zwangsvollstreckung unter entsprechender Anwendung der §§ 724—793 der Civilprozeßordnung statt. Für Klagen auf Ertheilung der Vollstreckungsklausel, sowie für Klagen, durch welche die die Forderung selbst betreffenden Einwendungen geltend gemacht werden, oder der bei der Ertheilung der Vollstreckungs­ klausel als bewiesen angenommene Eintritt der Thatsache, von welcher die Vollstreckung aus der Eintragung in die Tabelle abhängt, oder die als eingetreten angenommene Rechtsnachfolge bestritten wird, ist das im § 146 Abs. 2 dieses Gesetzes bezeichnete Gericht zuständig.

§ 165. Hat der Schuldner den Prüfungstermin versäumt, so ist ihm auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ertheilen. Die Vorschriften des § 232 Abs. 2 und der §§ 233—236 der Civil­ prozeßordnung finden entsprechende Anwendung. Der den Antrag auf Wiedereinsetzung enthaltende Schriftsatz ist dem Gläubiger zuzustellen, dessen Forderung nachträglich bestritten werden soll Das Bestreiten in diesem Schriftsätze steht, wenn die Wiedereinsetzung ertheilt wird, dem Bestreiten ini Prüfungstermine gleich und ist in die Tabelle einzutragen. § 166. Wenn nach dem Vollzüge der Schlnßvertheilung Beträge, welche von der Masse zurückbehalten sind, für dieselbe frei werden, oder Beträge, welche aus der Maffe gezahlt sind, zur Masse zurückfließen, so sind dieselben von dem Verwalter nach Anordnung des Konkursgerichts auf Grund des Schlußverzeichnifses zur nachträglichen Vertheilung zu bringen. Die über die Verwaltung und Vertheilung solcher Beträge abzulegende Rechnung unterliegt der Prüfung des Konkursgerichts. Dasselbe gilt, wenn nach der Schlußvertheilung oder der Aufhebung des Verfahrens zur Konkursmaffe gehörige Vermögensstücke ermittelt werden. § 167.

Der Vollzug einer jeden Vertheilung erfolgt durch den

Verwalter.

§ 168. Die Antheile 1. auf Forderungen, welche in Folge eines bei der Prüfung erhobenen Widerspruchs im Prozesse befangen sind, 2. auf Forderungen, welche von einer aufschiebenden Bedingung abhängen,

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Konkursverfahren.

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3. auf Forderungen, für welche eine abgesonderte Befriedigung beansprucht und der Vorschrift des § 153 Abs. 2 genügt ist, 4. auf Forderungen unter auflöscndcr Bedingung, sofern der Gläubiger zu einer Sicherheitsleistung verpflichtet ist und die Sicherheit nicht leistet, verden zurttckbehalten.

§ 169. zurückzubehalten werden, hat der der Betheiligten

Die Beträge, welche bei dem Vollzüge der Schlußvertheilung sind, oder welche bis zu diesem Zeitpunkte nicht erhoben Verwalter nach Anordnung des Gerichts für Rechnung zu hinterlegen.

§ 170. Zahlungen auf festgestellte bevorrechtigte Forderungen kann der Verwalter mit Ermächtigung des Gerichts unabhängig von den Vcrtheilungen leisten.

§ 171. Beträge, welche zur Sicherstellung eines bedingt zur Auf­ rechnung befugten Gläubigers nach Maßgabe des § 54 Abs. 3 hinterlegt worden sind, fließen für die Schlußvertheilung zur Konkursmasse zurück, wenn die Möglichkeit des Eintritts der Bedingung eine so entfernte ist, daß die bedingte Forderung einen gegenwärtigen Dermögenswerth nicht hat. § 172. Masseansprüche, welche nicht bis zu der Festsetzung des Prozentsatzes oder der Beendigung des Schlußtermins oder der Bekanntmachung einer Nachtragsvertheilung zur Kenntniß des Verwalters gelangt sind, können nicht auf den Massebestand geltend gemacht werden, welcher zur Auszahlung des festgesetzten Prozentsatzes erforderlich ist oder den Gegenstand der Schlußvertheilung oder der Nachtragsvertheilung bildet.

Sechster Titel.

ZwangSvergleich. § 173. Sobald der allgemeine Prüfungstermin abgehalten und so lange nicht die Vornahme der Schlußvertheilung genehmigt worden ist, kann auf den Vorschlag des Gemeinschuldners zwischen diesem und den nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern ein Zwangsvergleich geschlossen werden.

§ 174. Der Vergleichsvorschlag muß angeben, in welcher Weise die Befriedigung der Gläubiger erfolgen, sowie ob und in welcher Art eine Sicherstellung derselben bewirkt werden soll. § 175.

Ein Zwangsvergleich ist unzulässig:

1. so lange der Gemeinschuldner flüchtig ist oder die Ableistung des Offenbarungseides verweigert; 2. so lange gegen den Gemeinschuldner wegen betrüglichen Bankerutts eine gerichtliche Untersuchung oder ein wiederaufgenommenes Verfahren anhängig ist; 3. wenn der Gemcinschuldner wegen betrüglichen Bankerutts rechtskräftig verurtheilt worden ist.

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VHI Konkursordnung.

§ 176. Auf Antrag des Verwalters und, wenn ein Gläubiger­ ausschuß bestellt ist, des kelteren kann das Gericht den Vergleichsvorschlag zuritckweisen, wenn bereits in dem Konkursverfahren ein Vergleichsvorschlag von den Gläubigern abgelehnt oder von dem Gerichte verworfen oder von dem Gemeinschuldner nach der öffentlichen Bekanntmachung des Vergleichs­ termins zurückgezogen worden ist. § 177. Wird der Vergleichsvorschlag nicht zurückgewiefen, so hat der Gläubigerausschuß sich über die Annehmbarkeit des Vorschlags zu erklären. Erklärt der Gläubigerausschuß den Vorschlag nicht für annehmbar, so ist ein Widerspruch des Gemeinschuldners gegen die Verwerthung der Maffe nicht zu berücksichtigen.

§ 178. Der Vorschlag und die Erklärung des Gläubigerausschuffes find auf der Gerichtsschreiberei zur Einsicht der Betheiligten niederzulegen. § 179. Der Vergleichstermin soll nicht über einen Monat hinaus anberaumt werden. Der Termin ist öffentlich bekannt zu machen. Zu demselben find der Gemeinschuldner, der Bemalter, sowie unter Mittheilung des Vergleichsvorschlags und des Ergebniffes der Erklärung des Gläubiger­ ausschusses die nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger, welche Forderungen angemeldet haben, besonders zu laden. In der Bekanntmachung ist zu bemerken, daß der Vergleichsvorschlag und die Erklärung des Gläubigerausschusses auf der Gerichtsschreiberei des Konkursgerichts zur Einsicht der Betheiligten niedergelegt seien. 5 180. Auf Antrag des Gemeinschuldners und, wenn ein Gläubiger­ ausschuß bestellt ist, des letzteren kann das Gericht den Vergleichstermin mit dem allgemeinen Prüfungstermine verbinden.

§ 181. Der Vergleich muß allen nicht bevorrechtigten Konkurs­ gläubigern gleiche Rechte gewähren. Eine ungleiche Bestimmung der Rechte ist nur mit ausdrücklicher Einwilligung der zurückgesetzten Gläubiger zulässig. Jedes andere Abkommen des Gemeinschuldners oder auderer Personen mit einzelnen Gläubigern, durch welches diese bevorzugt werden sollen, ist nichtig. K 182. Zur Annahme des Vergleichs ist erforderlich, daß 1. die Mehrzahl der in dem Termine anwesenden stimmberechtigten Gläubiger dem Vergleiche ausdrücklich zustimmt, und 2. die Gesammtsumme der Forderungen der zustimmenden Gläubiger wmigstens drei Viertheile der Gesammtsumme aller zum Stimmen berechtigenden Forderungen beträgt. Wird nur eine der Mehrheiten erreicht, so kann der Gemeinschuldner bis zum Schluffe des Termins'die einmalige Wiederholung der Abstimmung in einem neuen Termine verlangen. Das Gericht hat denselben zu bestimmen und im Termine zu verkünden.

K 183. Bei der Berechnung der nach § 182 Abs. 1 Nr. 1, 2 erforderlichen Mehrheiten bleibt der Ehegatte des Gemeinschuldners außer Betracht, wenn er dem Vergleiche zugestimmt hat. Das Gleiche gilt von demjenigen, welchem der Ehegatte des Gemein­ schuldners während des Konkursverfahrens oder in dem letzten Jahre vor

Zweites Buch

Konkursverfahren.

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der Eröffnung des Verfahrens eine Forderung gegen den Gemeinschuldner abgetreten hat, soweit das Stimmrecht auf der abgetretenen Forderung beruht. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn der Ehegatte zu der Abtretung durch das Gesetz oder durch einen Vertrag verpflichtet war, welcher früher als ein Jahr vor der Eröffnung des Konkursverfahrens geschlossen wurde.

§ 184. Der angenommene Zwangsvergleich bedarf der Bestätigung des Konkursgerichts. Das Gericht entscheidet, nachdem es die Gläubiger, den Verwalter und den Gläubigerausschuß in dem Vergleichstermine oder einem zu ver­ kündenden Termine gehört hat. § 185. Der Beschluß, durch welchen der Zwangsvergleich bestätigt oder verworfen wird, ist zu verkünden.

§ 186.

Der Vergleich ist zu verwerfen:

1. wenn die für das Verfahren und den Abschluß des Vergleichs gegebenen Vorschriften nicht beobachtet sind, und das Fehlende nicht ergänzt werden kann;

2. wenn ein Fall der Unzulässigkeit eines Zwangsvergleichs nachträglich eingetreten ist. § 187. Der Vergleich ist zu verwerfen, wenn er den Gläubigern nicht mindestens den fünften Theil ihrer Forderungen gewährt und dieses Ergebniß aus ein unredliches Verhalten des Gemeinschuldners, insbesondere darauf zurückzuführen ist, daß der Gemeinschuldner durch ein solches Ver­ halten die Eröffnung des Konkursverfahrens verzögert hat. Der Vergleich kann verworfen werden, wenn das gleiche Ergebniß auf ein leichtsinniges Verhalten des Gemeinschuldners zurückzuführen ist.

§ 188. Der Vergleich ist auf Antrag eines nicht bevorrechtigten Konkursgläubigers, welcher stimmberechtigt war oder seine Forderung glaubhaft macht, zu verwerfen: 1. wenn der Vergleich durch Begünstigung eines Gläubigers oder sonst in unlauterer Weise zu Stande gebracht ist;

2. wenn der Vergleich dem gemeinsamen Jntereffe der nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger widerspricht. Der Antrag ist nur zuzulaffen, wenn die Thatsachen, auf welche derselbe gegründet wird, glaubhaft gemacht werden. K 189. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß, durch welchen der Vergleich bestätigt oder verworfen ist, steht dem Gemeinschuldner und jedem nicht bevor» echtigten Konkursgläubiger zu, welcher stimmberechtigt war oder seine Forderung glaubhaft macht. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde beginnt mit der Verkündung des Beschlusses. Eine Anfechtung der Entscheidung des Beschwerdegerichts findet »richt statt.

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VIII. Konkin svrdnung.

§ 190, Sobald der Vergleich rechtskräftig bestätigt ist, beschließt das Gericht die Aufhebung des Konkursverfahrens. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekannt zu machen. Die Vorschriften der §§ 111 Abs. 2, 112, 113 finden entsprechende Anwendung. § 191. Der Verwalter hat aus der Konkursmasse die Masse­ ansprüche zu berichtigen. Die bestrittenen Masseansprüche sind sicher zu stellen. Die bevorrechtigten Konkurssorderungen sind, insoweit sie festgestellt sind, zu berichtigen, insoweit sie glaubhaft gemacht sind, sicher zu stellen.

§ 192. Soweit der Zwangsvergleich nicht ein Anderes bestimmt, erhält der Gemeinschuldner das Recht zurück, über die Konkursmasse frei zu verfiigen. § 193. Der rechtskräftig bestätigte Zwangsvergleich ist wirksam für und gegen alle nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger, auch wenn dieselben an dem Konkursverfahren oder an der Beschlußfassung über den Vergleich nicht Theil genommen oder gegen den Vergleich gestimmt haben. Die Rechte der Gläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Gemeinschuldners, sowie die Rechte aus einem für die Forderung bestehenden Pfandrecht, aus einer für sie bestehenden Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld oder aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung werden durch den Zwangsvergleich nicht berührt.

§ 194. Aus dem rechtskräftig bestätigten Zwangsvergleiche findet für die Konkursgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht von dem Gemeinschuldner in dem Prüfungstermine ausdrücklich bestritten worden sind, gegen den Gemeinschuldner und diejenigen, welche in denr Vergleiche für dessen Erftillung neben dem Gemeinschuldner ohne Vorbehalt der Einrede der Vorausklage Verpflichtungen übernonimen haben, die Zwangsvollstreckung unter entsprechender Anwendung der §§ 724—793 der Civilproz'eßordnung und des § 164 Abs. 3 dieses Gesetzes statt.

§ 195. Eine Klage auf Aufhebung des Zwangsvergleichs dem Grunde der Nichterfüllung desselben findet nicht statt.

aus

§ 196. Wenn der Zwangsvergleich durch Betrug zu Stande gebracht ist, so kann jeder Gläubiger den vergleichsmäßigen Erlaß seiner Forderung anfechten, unbeschadet der ihm durch den Vergleich gewährten Rechte. Die Anfechtung ist nur zulässig, wenn der Gläubiger ohne Ver­ schulden außer Stande war, den Anfechtungsgrund in dem Bestätigungs­ verfahren geltend zn machen. § 197. Die rechtskräftige Verurtheilung des Gemeinfchuldners wegen betrüglichen Bankerntts hebt für alle Gläubiger den durch den Zwangsvergleich begründeten Erlaß auf, unbeschadet der ihnen durch den Vergleich gewährten Rechte.

ZweNeS Buch. fioiifuiSveifaljun

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Auf Antrag eines Gläubigers kann das Konknrsgericht Sicherheits­ maßregeln gegen den Gemeinschuldner schon vor der rechtskräftigen Verurtheilung desselben anordnen.

K 188. Im Falle der rechtskräftigen Vernrtheilnng wird, wenn genügende Masse vorhanden ist oder ein zur Deckung der im § 58 Nr. 1, 2 bezeichneten Massekosten ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird, das Konkursverfahren auf Antrag eines Konkursgläubigers wieder ausgenommen. Die Wiederaufnahme erfolgt durch Beschlich des Gerichts. Auf den Zeitpunkt der Wiederaufnahme und die Bekanntmachung derselben finden die Vorschriften der §§ 108, 111—113 entsprechende Anwendung.

§ 189. Für die Anfechtung von Rechtshandlungen, welche in der Zeit von der Aushebung bis zur Wiederaufnahme deS Konkursverfahrens vor­ genommen find, sowie für die in diesem Zeitraume entstandenen Aufrechnungsbefugniffe gilt, wenn nicht inzwischen eine Zahlungseinstellung erfolgt ist, als Tag der Zahlungseinstellung der Tag des ersten die Verurtheilung des Gemeinschuldners aussprechenden Urtheils. K 200. An dem aufgenommenen Verfahren nehmen die Gläubiger, für und gegen welche der Vergleich wirksam war, mit dem noch nicht getilgten Betrage ihrer ursprünglichen Forderungen Theil. Die neuen Gläubiger des Gemeinschuldners find zur Theilnahme an dem Verfahren berechtigt. Dieselben haben keinen Anspruch auf Be­ friedigung aus einer für die Erfüllung des Zwangsvergleichs bestellten Sicherheit. K 291.

Das Verfahren ist so weit als nöthig zu wiederholen. Früher geprüfte Forderungen werden nur hinsichtlich einer inzwischen eingetretenen Tilgung von neuem geprüft.

Siebenter Titel.

Einstellung der Verfahrens. 202. Das Konkursverfahren ist auf Antrag des Gemeinschuldners einzustellen, wenn er nach dem Ablaufe der Anmeldefrist die Zustimmung aller Konkursgläubiger, welche Forderungen angemeldet haben, beibringt. Inwieweit es der Zustimmung oder der Sicherstellung von Gläubigern bedarf, beten Forderungen angemeldet aber nicht sestgestellt find, entscheidet das Koukursgericht nach freiem Ermessen. Das Verfahren kann auf Antrag des Gemeinschuldners vor dem Ablaufe der Anmeldefrist eingestellt werden, wenn außer den Gläubigern, deren Zustimmung der Gemeinschuldner beibringt, andere Gläubiger nicht bekannt find. 5 203. Der Antrag ist öffentlich bekannt zu machen und mit den zustimmenden Erklärungen auf der Gerichtsschreiberei zur Einsicht der Konkursgläubiger niederzulegen. Die Konkursgläubiger können binnen einer mit der vmntlicheu Bekanntmachung beginnenden Frist von einer

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VIII. Konkursordnung.

Woche Widerspruch gegen den Antrag erheben. Im Falle des § 202 Abs. 1 steht der Widerspruch jedem Gläubiger zu, welcher bis zum Ab­ laufe der Frist eine Forderung angemeldet hat. Das Gericht beschließt über die Einstellung nach Anhörung des Gemeinschuldners und des Verwalters. Im Falle eines Widerspruchs ist auch der widersprechende Gläubiger zu hören.

§ 204. Das Gericht kann das Konkursverfahren einstellen, sobald sich ergiebt, daß eine den Kosten des Verfahrens entsprechende Konkurs­ masse ' nicht vorhanden ist. Die Einstellung unterbleibt, wenn ein zur Deckung der im § 58 Nr. 1, 2 bezeichneten Massekosten ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird. Vor der Einstellung soll die Gläubigerversammlung gehört werden. K 205. Der Einstellungsbeschluß und der Grund der Einstellung sind öffentlich bekannt zu machen. Die Vorschriften der §§ 111 Abs. 2, 112, 113, 191 finden ent­ sprechende Anwendung.

§ 206.. Der Gemeinschuldner erhält das Recht zurück, über die Konkursmaffe frei zu verfügen. Die Vorschriften des § 164 finden entsprechende Anwendung.

Achter Titel.

Nesondere Bestimmungen. § 207. I. Ueber das Vermögen einer Aktiengesellschaft findet das Konkursverfahren außer dem Falle der Zahlungsunfähigkeit in dem Falle der Ueberschuldung statt. Nach Auflösung einer Aktiengesellschaft ist die Eröffnung des Ver­ fahrens so lange zulässig, als die Vertheilung des Vermögens nicht vollzogen ist. § 208. Zu dem Anträge auf Eröffnung des Verfahrens ist außer den Konkursgläubigern jedes Mitglied des Vorstandes und jeder Liquidator berechtigt. Wird der Antrag nicht von allen Mitgliedern des Vorstandes odqr allen Liquidatoren gestM, so ist derselbe zuzulassen, wenn die Zahlungs­ unfähigkeit oder Ueberschuldung glaubhaft gemacht wird. Das Gericht hat ! die übrigen Mitglieder oder Liquidatoren nach Maßgabe des § 105 Abs. 2, 3 zu hören.

K 209. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit einer offenen Handels­ gesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien findet über das Gesellschaftsvermögen ein selbständiges Konkurs" verfahren statt. Ueber das Vermögen einer Kommanditgesellschaft auf Aktien findet das Konkursverfahren auch im Falle der Ueberschuldung statt. Die Vorschrift des § 207 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

Zweites Buch. Konkursverfahren.

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§ 210 Zu dem Anträge auf Eröffnung des Verfahrens ist außer den Konkursgläubigern jeder persönlich hastende Gesellschafter und jeder Liquidator berechtigt. Wird der Antrag nicht von allen persönlich hastenden Gesellschaftern oder allen Liquidatoren gestellt, so ist derselbe zuzulassen, wenn bei der offenen Handelsgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft die Zahlungsunfähigkeit, bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien die Zahlungsunfähigkeit oder die Ueberschuldung glaubhaft gemacht wird. Das Gericht hat die übrigen persönlich hastenden Gesellschafter oder die Liquidatoren nach Maßgabe des § 105 Ahs. 2, 3 zu hören.

§ 211. Ein Zwangsvergleich kann nur auf Vorschlag aller persön­ lich hastenden Gesellschafter geschloffen werden. Der Zwangsvergleich begrenzt, soweit er nicht ein Anderes festsetzt, zugleich den Umfang der persönlichen Haftung der Gesellschafter. § 212. In dem Konkursverfahren über das Privatvermögen eines persönlich haftenden Gesellschafters können die Gesellschastsgläubiger, wenn das Konkursverfahren über das Gesellschaftsvermögen eröffnet ist, Befriedigung nur wegen desjenigen Betrags suchen, für welchen sie in dem letzteren Verfahren keine Bestiedigung erhalten. Bei den Vertheilungen sind die Antheile auf den vollen Betrag der Gesellschaftsforderungen zurückzubehalten, bis der Ausfall bei dem Gesellschaftsvermögen feststeht. Im Uebrigen finden auf die bezeichneten Forderungen die Vor­ schriften der 88 64, 96 entsprechende Anwendung. § 213. Auf das Konkursverfahren über das Vermögen einer juristischen Person, sowie eines Vereins, der als solcher verklagt werden tann, finden die Vorschriften der §§ 207, 208 entsprechende Anwendung. § 214. II. Für das Konkursverfahren über einen Nachlaß ist das Amtsgericht ausschließlich zuständig, bei welchem der Erblasser zur Zeit seines Todes den allgemeinen Gerichtsstand gehabt hat. § 215. Die Eröffnung des Verfahrens setzt die Ueberschuldung des Nachlaffes voraus. § 218. Die Eröffnung des Verfahrens wird nicht dadurch gehindert, daß der Erbe die Erbschaft noch nicht angenommen hat, oder daß er für die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt haftet. Bei dem Vorhandensein mehrerer Erben ist die Eröffnung des Verfahrens auch nach der Theilung des Nachlaffes zulässig. § 217. Zu dem Antrag auf Eröffnung des Verfahrens ist jeder Erbe, der Nachlaßverwalter, sowie ein anderer Nachlaßpfleger, ein Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung des Nachlaffes zusteht, und jeder Nachlaßgläubiger berechtigt. Wird der Antrag nicht von allen Erben gestellt, so ist er zuzulassen, wenn die Ueberschuldung glaubhaft gemacht wird. Das Gericht hat die übrigen Erben, soweit thunlich, zu hören.

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VIII. Konto rsmdnung.

Steht die Verwaltung des Nachlasses einem Testamentsvollstrecker zu, so ist, wenn der Erbe die Eröffnung des Verfahrens beantragt, der Testamentsvollstrecker, wenn der Testamentsvollstrecker den Antrag stellt, der Erbe zu hören.

§ 218. Ist eine Ehefrau die Erbin und gehört der Nachlaß zum eingebrachten Gute oder zum Gesarnnrtgute, so kann sowohl die Ehefrau als der Ehemann die Eröffnung des Verfahrens beantragen, ohne daß die Zustimmung des anderen Theiles erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn der Nachlaß zum Gesammtgute gehört, auch nach Beendigung der Gemeinschaft. Wird der Antrag nicht von beiden Ehegatten gestellt, so ist er zuzutaffen, wenn die Ueberschuldung glaubhaft gemacht wird. Das Gericht hat den anderen Ehegatten, wenn thunlich, zu hören. 8 219. Ein Nachlaßgläubiger, der im Aufgebotsverfahren aus­ geschloffen ist oder nach § 1974 des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem aus­ geschlossenen Gläubiger gleichsteht, kann die Eröffnung des Verfahrens nur beantragen, wenn über das Vermögen des Erben das Konkursverfahren eröffnet ist. Das Gleiche gilt von einem Vermächtnißnehmer, sowie von demjenigen, welcher berechtigt ist, die Vollziehung einer Auflage zu fordern. Ist eine Ehefrau die Erbin und gehört der Nachlaß zum Gesammt­ gute, so können die im Abs. 1 bezeichneten Gläubiger den Antrag nur stellen, wenn über das Vermögen des Ehemanns das Konkursverfahren eröffnet ist. 8 220. Die Eröffnung des Verfahrens kann von einem Nachlaß­ gläubiger nicht mehr beantragt werden, wenn seit der Annahme der Erb­ schaft zwei Jahre verstrichen find. 8 221. Auf Grund einer nach dem Eintritte des Erbfalls gegen den Nachlaß erfolgten Maßregel der Zwangsvollstreckung oder der Arrest­ vollziehung kann abgesonderte Befriedigung nicht verlangt werden. Eine nach dem Eintritte des Erbfalls im Wege der einstweiligen Verfügung erlangte Vormerkung ist unwutsam. 8 222. Hat der Erbe vor der Eröffnung des Verfahrens aus dem Nachlaffe Pflichtthellsansprüche, Vermächtnisse oder Auflagen erfüllt, so ist die Leistung in gleicher Weise anfechtbar wie eine unentgeltliche Verfügung des Erben.

8 223. Dem Erben steht wegen der chm nach den 88 1978, 1979 des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus dem Nachlaffe zu ersetzenden Auf­ wendungen ein Zurückbehaltungsrecht nicht zu.

8 224.

Masseschulden sind außer den im 8 59 bezeichneten Ver­

bindlichkeiten : 1. bi», dem Erben nach den 88 1978, 1979 des Bürgerlichen Gesetz­ buchs aus dem Nachlaffe zu ersetzenden Aufwendungen; 2. die Kosten der standesmaßigen Beeidigung des Erblassers; 3. die im Falle der Todeserklärung des Erblassers dem Nachlasse zur Last fallenden Kosten des Verfahrens;

Zweites Bilch

4.

641

Konkursverfahren.

die Kosten der Eröffnung einer Verfügung des Erblassers von Todes­ wegen, der gerichtlichen Sicherung des Nachlasses, einer Nachlaß­ pflegschaft, des Aufgebots der Nachlaßgläubiger und der Inventar­ errichtung;

5. die Verbindlichkeiten aus den von einem Nachlaßpfleger oder einem Testamentsvollstrecker vorgenommenen Rechtsgeschäften;

6. die Verbindlichkeiten, welche für den Erben gegenüber einem Nachlaß­ pfleger, einem Testamentsvollstrecker oder einem Erben, der die Erbschaft ausgeschlagen hat, aus der Geschäftsführung dieser Personen entstanden sind, soweit die Nachlaßgläubiger verpflichtet sein würden, wenn die bezeichneten Personen die Geschäfte für sie zu besorgen ge­ habt hätten.

§ 225. Der Erbe kann die ihm gegen den Erblasser zustehenden Ansprüche geltend machen. Hat der Erbe eine Nachlaßverbindlichkeit berichtigt, so tritt er, soweit nicht die Berichtigung nach § 1979 des Bürgerlichen Gesetzbuchs als für Rechnung des Nachlasses erfolgt gilt, an die Stelle des Gläubigers, cs sei denn, daß er für die Nachlaßverbmdlichkeiten unbeschränkt hastet. Haftet der Erbe einem einzelnen Gläubiger gegenüber unbeschränkt, so kann er dessen Forderung für den Fall geltend machen, daß der Gläubiger sie nicht geltend macht.

§ 226. In dem Verfahren kann jede Nachlaßverbindlichkeit geltend gemacht werden. Nachstehende Verbindlichkeiten werden erst nach allen übrigen Ver­ bindlichkeiten und in folgender Rangordnung, bei gleichem Range nach Verhältniß ihrer Beträge, berichtigt: 1. die seit der Eröffnung des Versahrerrs laufenden Zinsen der im § 61 bezeichneten Forderungen; 2. die gegen den Erblasser erkannten Geldstrafen;

3. die Verbindlichkeiten aus Lebenden;

einer Freigebigkeit des Erblaffers unter

4. die Verbindlichkeiten gegenüber Pflichttheilsberechtigten;

5. die Verbindlichkeiten aus den vom Erblasser angeordneten Vermächtniffen und Auflagen.

Ein Vermächtniß, durch welches das Recht des Bedachten auf den Pflichttheil nach § 2307 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausgeschloffen wird, steht, soweit es den Pflichttheil nicht übersteigt, im Range den Pflicht­ theilsrechten gleich. Hat der Erblasser durch Verfügung von Todeswegen angeordnet, daß ein Vermächtniß oder eine Auflage vor einem anderen Vermächtniß oder einer anderen Auflage erfüllt werden soll, so hat das Vermächtniß oder die Auflage den Vorrang. Die Verbindlichkeiten, in Ansehung deren der Gläubiger im Wege des Aufgebotsverfahrens ausgeschlossen ist oder nach § 1974 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs einem ausgeschlossenen Gläubiger gleichsteht, werden erst nach den im Abs. 2 Nr. 1—3 bezeichneten Verbindlichkeiten und, soweit Bürgerliches Gesckvucb und Nebengesetze.

41

642

VIII. KonkinSordnung.

sie zu den im Abs. 2 Nr. 4, 5 bezeichneten Verbindlichkeiten gehören, erst nach den Verbindlichkeiten berichtigt, mit denen sie ohne die Beschränkung gleichen Rang haben würden. Im Uebrigen wird durch die Beschränkungen an der Rangordnung nichts geändert.

§ 227. Mit den int § 226 Abs. 2 ZK. 2—5, Abs. 4 bezeichneten Forderungen werden die bis zur Eröffnung des Verfahrens ausgelaufenen und die seit der Eröffnung laufenden Zinsen an derselben Stelle angesetzt. $ 228. Was in Folge der Anfechtung einer von dem Erblaffer oder ihm gegenüber vorgenommenen Rechtshandlung zur Konkursmaffe zurückgewährt wird, darf nicht zur Berichtigung der im § 226 Abs. 2 Nr. 4, 5 bezeichneten Verbindlichkeiten verwendet werden. Auf dasjenige, was der Erbe auf Grund der Vorschriften der 88 1978—1980 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu der Maffe zu ersetzen hat, haben die Gläubiger, die im Wege des Aufgebotsverfahrens ausgefchloffen find oder nach § 1974 des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem ausgeschlossenen Gläubiger gleichstehen, nur insoweit Anspruch, als der Erbe auch nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung ersatzpflichtig sein würde.

S 229. Dte in dem Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Aus­ schließung von Nachlaßgläubigern angemeldeten und nicht ausgeschloffenen Forderungen gellen als auch im Nachlaßkonkurs angemeldet, sofern das Aufgebot von dem Gerichte, bei welchem der Konkurs anhängig wird, erlaffen und das Verfahren nicht vor der Eröffnung des Konkursverfahrens ohne Erlaffung des Ausschlußurtheils erledigt ist. % 230. Ein Zwangsvergleich kann nur auf den Vorschlag aller Erben geschloffen werden. Die Gläubiger, welchen die im 8 226 Abs. 2 Nr. 2—5, Abs. 4 bezeichneten Forderungen zustehen, nehmen an dem Zwangsvergleiche nicht Theil, sie find jedoch vor der Bestätigung zu hören. Macht einer von ihnen glaubhaft, daß der Zwangsvergleich sein berechtigtes Jntereffe verletzt, so ist auf seinen Antrag der Zwangsvergleich zu verwerfen; gegen die Bestätigung steht ihm die sofortige Beschwerde nach 8 189 zu. % 231. Die Vorschriften des § 223, des § 224 Nr. 1 und des 8 225 Abs. 2, 3 gelten für den Borerben auch nach dem Eintritte der Nacherbfolge.

O 232. Hat der Erbe die Erbschaft verkauft, so tritt der Käufer in Ansehung des Verfahrens an seine Stelle. Der Erbe ist wegen einer Nachlaßverbindlichkeit, die im Verhältnisse zwischen ihm und dem Käufer diesem zur Last fällt, in derselben Mise wie ein Nachlaßglüubiger zu dem Antrag auf Eröffnung des Verfahrens berechtigt. Das gleiche Recht steht ihm auch wegen einer anderen Nachlaß­ verbindlichkeit zu, es sei denn, daß er unbeschränkt hastet oder daß eine Nachlaßverwaltung angeordnet ist. Die Vorschriften des § 223, des 8 224 Nr. 1 und des 8 225 gelten für den Erben auch nach dem Verkaufe der Erbschaft.

Zweites Buch.

648

Konkursverfahren.

§ 233. Die Vorschriften des § 232 finden entsprechende An­ wendung, wenn Jemand eine durch Vertrag erworbene Erbschaft verkauft oder sich zur Veräußerung einer ihm angefallenen oder anderweit von ihm erworbenen Erbschaft in sonstiger Weise verpflichtet hat. § 234. In dem Konkursverfahren über das Vermögen des Erben finden, wenn auch über den Nachlaß das Konkursverfahren eröffnet, oder wenn eine Nachlaßverwaltung angeordnet ist, auf Nachlaßgläubiger, denen gegenüber der Erbe unbeschränkt haftet, die Vorschriften der §§ 64, 96, 153, 155, 156, des § 168 Nr. 3 und des § 169 entsprechende An­ wendung. Das Gleiche gilt, wenn eine Ehefrau die Erbin ist und der Nach­ laß zum Gesammtgute gehört, auch in dem Konkursverfahren über das Vermögen des Ehemanns. § 235.

Ueber

einen

Erbtheil

findet

ein

Konkursverfahren

nicht statt.

§ 236. Die Vorschriften der §§ 214—234 finden im Falle der fortgesetzten Gütergemeinschaft auf das Konkursverfahren über das Gesammtgut entsprechende Anwendung. Konkursgläubiger sind nur die Gesammtgutsgläubiger, deren Forderungen schon zur Zeit des Eintritts der fort­ gesetzten Gütergemeinschaft bestanden. Zu dem Antrag auf Eröffnung des Verfahrens ist ein Gläubiger nicht berechtigt, dem gegenüber der über­ lebende Ehegatte zu dieser Zeit persönlich haftete. Die antheilsberechtigten Abkömmlinge sind zu dem Anträge nicht berechtigt; das Gericht hat sie, soweit thunlich, zu hören. § 237. III. Besitzt ein Schuldner, über dessen Vermögen im Auslande ein Konkursverfahren eröffnet worden ist, Vermögensgegenstände im Jnlande, so ist die Zwangsvollstreckung in das inländische Vermögen zulässig. Ausnahmen von dieser Bestimmung können unter Zustimmung des Bundesraths durch Anordnung des Reichskanzlers getroffen werden. § 238. Das Konkursverfahren umfaßt nur das im Jnlande befindliche Vermögen, wenn der Schuldner im Deutschen Reiche eine gewerbliche Niederlassung, aber keinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Hat ein Schuldner im Deutschen Reiche weder eine gewerbliche Niederlassung noch einen allgemeinen Gerichtsstand, so findet ein Konkurs­ verfahren über das im Jnlande befindliche Vermögen des Schuldners statt, wenn er im Jnlande ein mit Wohn- und Wirthschaftsgebäuden versehenes Gut als Eigenthümer, Nutznießer oder Pächter bewirthschaftet. Für das Verfahren ist das Amtsgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirke das Gut sich befindet. Ist im Auslands ein Konkursverfahren eröffnet, so bedarf es nicht des Nachweises der Zahlungsunfähigkeit zur Eröffnung des inländischen Verfahrens.

644

VIII Kontursordnung.

Drittes Buch.

Strafbestimmungen. $ 239. Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen betrüglichen Bankerutts mit Zuchthaus bestraft, wenn sie in der Absicht, ihre Gläubiger zu benachtheckgen, 1. Vermögensstücke verheimlicht ober bei Seite geschafft haben, 2. Schulden oder Rechtsgeschäfte anerkannt oder aufgestellt haben, welche ganz oder theilweise erdichtet sind, 3. Handelsbücher zu führen Unterlasten haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag, oder 4. ihre Handelsbücher vernichtet oder verheimlicht oder so geführt oder verändert haben, daß dieselben keine Uebersicht des Vermögenszustandes gewähren. Sind mildemde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. § 240. Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen einfachm Bankerutts mit Gefängniß bestraft, wenn sie 1. durch Aufwand, Spiel oder Wette oder durch Differenzhandel mit Waaren oder Börsenpapieren übermäßige Summen verbraucht haben oder schuldig geworden sind; 2. in der Absicht, die Eröffnung des Konkursverfahrens hinauszuschieben, Waaren oder Werthpapiere auf Kredit entnommen und diese Gegen­ stände erheblich unter dem Werthe in einer den Anforderungen einer ordnungsmäßigen Wirthschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst weggegeben haben; 3. Handelsbücher zu führen Unterlasten haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag, oder dieselben verheimlicht, vernichtet oder so un­ ordentlich geführt haben, daß sie keine Uebersicht ihres Vermögens­ zustandes gewähren, oder 4. es gegen die Bestimmung des Handelsgesetzbuchs Unterlasten haben, die Bllanz ihres Vermögens in der vorgeschriebenen Zeit zu ziehen. Neben der Gefängnißstrafe kann in den Fällen der Nr. 1, 2 auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bis zu sechstausend Mark erkannt werden. § 241. Schuldner, welche ihre Zahlmtgen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft, wenn sie, obwohl sie ihre

Drittes Buch.

Strafbestimmungen.

645

Zahlungsunfähigkeit kannten, einem Gläubiger in der Absicht, ihn Vör­ den übrigen Gläubigern zu begünstigen, eine Sicherung oder Befriedigung gewährt haben, welche derselbe nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bis zu sechstausend Mark erkannt werden.

§ 242. Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. im Interesse eines Schuldners, welcher seine Zahlungen eingestellt hat, oder über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, Vermdgensstücke desselben verheimlicht oder bei Seite geschafft hat, oder 2. im Interesse eines solchen Schuldners, oder, um sich oder einem Anderen Vermögensvortheil zu verschaffen, in dem Verfahren erdichtete Forderungen im eigenen Namen oder durch vorgeschobene Personell geltend gemacht hat. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe oder Geldstrafe bis zu sechstausend Mark ein.

§ 243. Ein Gläubiger, welcher sich von dem Gemeinschuldner oder anderen Personen besondere Vortheile dafür hat gewähren oder ver­ sprechen lassen, daß er bei den Abstimmungen der Konkursgläubiger in einem gewissen Sinne stimme, wird mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft.

§ 244. Die Strafvorschriften der §§ 239—241 finden gegen die Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft oder eingetragenen Ge­ nossenschaft und gegen die Liquidatoren einer Handelsgesellschaft oder ein­ getragenen Genossenschaft, welche ihre Zahlungen eingestellt hat, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, Anwendung, wenn sie in dieser Eige>lschaft die mit Strafe bedrohten Handlungen begangen haben.

IX. kinMruugzgeseiz zur Konkursordnung vom 10. Februar 1877

in der Fassung des Ginführungsgesetzes vom 17. Mai ir-r zu dem Gesetze, bett. Aenderungen der Konkursordnung.1) (Reichsgesetzblatt 1877 S. 390-394; 1898 S. 248-251)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen u. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

§ 1. Die Konkursordnung tritt im ganzen Umfange des Reichs gleichzeitig mit dem Gerichtsverfassungsgesetze in Kraft.

§ 2. Gesetz im Sinne der Konkursordnung und dieses Gesetzes ist jede Rechtsnorm. § 3. Die den Konkurs betreffenden Vorschriften der Reichsgesetze werden durch die Konkursordnung nicht berührt. Aufgehoben werden: 1. die Vorschriften des § 51 des Gesetzes, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschaftsgenosscnschaften, vom 4. Juli 1868, sowie die im § 48 desselben Gesetzes bestimmte Zuständigkeit des Handelsgerichts;

2. die Vorschriften der §§ 13—18 des Gesetzes, betreffend die Gewährung der Rechtshülfe, vom 21. Juni 1869; 3. die Vorschriften der §§ 281—283 des Strafgesetzbuchs.

Der Artikel 80 der Wechselordnung wird dahin abgeändert, dass die Verjährung auch nach Massgabe des § 13 der Konkursordnung unterbrochen wird.2) ’) Siehe btt Fußnote zu S 605. Die Neufassung des § 17 beruht auf § 43 des Hypotbekenbankgesetzes vom 13 Jult 1899 (R G Bl S 375) abgedruckt unter XXXV.

2) Abs. 3 ist gegenstandslos, nachdem Art 80 W O durch Art 8 Nr. 2 E G. z. H.G B. vom 10 Mai 1897 aufgehoben worden ist. Ein vierter Absatz war bereits durch § 153 Abs. 1 des Eenosscnschaftsgesetzes vom 1 Mai 1889 aufgehoben worden.

IX Emführungsgeseh zur Kontursordnung.

647

§ 4. Aufgehoben werden die Vorschriften der Landesgesetze über Konkurs-, Falliments-, Gant-, Debit-Verfahren, über gerichtliche, zur Ab­ wendung oder Einleitung eines solchen Verfahrens dienende Stundungs­ und Nachlaßverhandlungen, konkursmäßige Einleitungen, Vermdgensunterftlchungen, über die Rcchtswohlthat der Gilterabtretung und die landes­ herrliche oder gerichtliche Bewilligung einer allgemeinen Zahlungsstundung, sowie über das Konkursrecht, insoweit nicht in der Konkursordnung auf dieselben verwiesen oder bestimmt ist, daß sie nicht berührt werden. Aufgehoben werden die Strafvorschriften, welche rücksichtlich des Konkurses in den Landesgesetzen enthalten sind. § 5. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche die Lehen, Stammgüter oder Familienfideikommisse betreffen. § 6. Die Bestimmungen der §§ 193, 194, 214 der Konkursordnung finden auf registrirte Gesellschaften, welche auf Grund des bayerischen Gesetzes vom 29. April 1869, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs­ und Wirthschaftsgesellschaften, bestehen, entsprechende Anwendung. Die Gesellschaft wird in dem Konkursverfahren durch den Vorstand oder die Liquidatoren vertreten. Ein Zwangsvergleich findet nicht statt. § 7. In Ansehung der Landesherren und der Mitglieder der landesherrlichen Familien sowie der Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzolleru finden die Bestimmungen der Konkursordnung nur insoweit Anwendung, als nicht besondere Vorschriften der Hausverfassungen oder der Landesgesetze abweichende Bestimmungen enthalten. Das Gleiche gilt in Ansehung der Mitglieder des vormaligen Hannoverschen Königshauses, des vormaligen Kurhessischen und des vor­ maligen Herzoglich Nassauischen Fürstenhauses.

§ 8. Ein vor dem Tage des Inkrafttretens der Konkursordnung eröffnetes Konkursverfahren ist nach den bisherigen Gesetzen zu erledigen. Der Landesgesetzgebung bleibt vorbehalten, die Konkursordnung auf de Erledigung der vor dem Inkrafttreten der Konkursordnung anhängig aewordenen Koickurssachen für anwendbar zu erklären und zu dem Zwecke Uebergangsbestimmungen zu erlassen. § 9. In einem am Tage des Inkrafttretens der Konkursordnung oder nach diesem Tage eröffneten Konkursverfahren finden die Bestim­ mungen der Konkursordnung über die Anfechtung von Rechtshandlungen auf eine vor dem bezeichneten Tage vorgenommene Rechtshandlung An­ wendung, sofern nicht dieselbe nach den Vorschriften der bisherigen Gesetze der Anfechtung entzogen oder in geringerem Umfange unterworfen ist.

§ 10. In einem am Tage des Inkrafttretens der Konkursordnung oder nach diesem Tage eröffneten Konkursverfahren finden die Bestim­ mungen der §§ 42, 48 Nr. 3, 49 der Konkursordnung auf eine vor dem bezeichneten Tage abgetretene oder erworbene Forderung Anwend­ ung, sofern nicht die bisherigen Gesetze eine Aufrechnung zulafsen oder eine Verpflichtung zum Schadensersätze nicht oder in geringerem Unifange begründen.

648

IX. Emfilhuuigsgejetz zur Koniursordnung.

§ 11. In einem am Tage des Inkrafttretens der Konkursordnung oder nach diesem Tage eröffneten Konkursverfahren finden die Bestim­ mungen der Konkursordnung und dieses Gesetzes über abgesonderte Be­ friedigung auf Pfand- und Vorzugsrechte Anwendung, wenngleich dieselben oder die Forderungen vor dem bezeichneten Tage erworben sind.

§ 12. Insoweit Pfand- und Vorzugsrechte, welche vor dem Tage des Inkrafttretens der Konkursordnung auf Grund eines Vertrages, einer letztwilligen Anordnung oder einer richterlichen Verfügung erworben oder in Bankstatuten den Banknoteninhabern rechtsgültig zugesichert sind, zufolge der Bestimmungen der Konkursordnung und dieses Gesetzes ihre Wirksam­ keit verlieren, kann die Landesgesetzgebung für die Forderung des Berech­ tigten ein Vorrecht vor allen oder einzelnen der im § 54 der Konkurs­ ordnung bezeichneten Forderungen gewähren. Ist das Pfand- oder Vorzugsrecht auf einzelne bewegliche Gegen­ stände des Schuldners beschränkt, so kann das Vorrecht nur in Höhe des Erlöses derselben gewährt werden.

Das durch die vorstehenden Bestimmungen vorbehaltene Vorrecht kann nicht gewährt werden für ein zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Konkursordnung eröffnetes Konkursverfahren, wenn nicht das Vorrecht dadurch erhalten wird, daß dasselbe bis zum Ablaufe der zwei Jahre zur Eintragung in ein öffentliches Register vorschriftsmäßig angemeldet ist. Der Erlaß von Vorschriften über die Einrichtung solcher Register, sowie über die Anmeldung und Eintragung der Forderungen bleibt der Landes­ gesetzgebung vorbehalten.

§ 13. Die Landesgesetzgebung kann der Ehefrau, den Kindern und den Pflegebefohlenen des Gemeinschuldners für Forderungen, welche vor dem Tage des Inkrafttretens der Konkursordnung entstanden sind, ein Vorrecht nach Maßgabe des § 12 Abs. 1, 2 insoweit gewähren, als ein gesetzliches Pfand- oder Vorzugsrecht der Ehefrau, der Kinder oder der Pfegebefohlenen nach den bisherigen Gesetzen bestanden hat. Auf das Vorrecht der Ehefrau findet' die Bestimmung des § 12 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Den Kindern und den Pflegebefohlenen kann das Vorrecht für ein fünf Jahre nach dem Inkrafttreten der Konkursordnung eröffnetes Konkurs­ verfahren nicht gewährt werden.

Die §§ 14 bis 16 sind durch Art. II Nr. 4 des Einführungs­ gesetzes zu dem Gesetze, betr. Aenderung der Konkursordnung, vom 17. Mai 1898, aufgehoben worden.

8 17. (Fassung nach § 43 des Hypothekenbankgesetzes vom 13. Juli 1899, R.G.Bl. S. 375.) Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen den Inhabern von Pfandbriefen, die von Kreditanstalten, welche nicht zu den Hypothekenbanken gehören, auf Grund von Hypotheken ausgestellt sind, ein Vorrecht vor allen anderen Konkurs­ gläubigern in Ansehung der Befriedigung aus den Hypotheken der Anstalt zusteht.

IX Etnsührungsgesetz zur Konkursordnung

649

Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen den Inhabern von Schuldverschreibungen, tue von Körperschaften des öffent­ lichen Rechts, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Genossenschaften über ein An­ lehen ausgestellt sind, ein Vorrecht vor nicht bevorrechtigten Konkurs­ gläubigem, deren Forderungen später entstehen, dadurch gewährt werden kann, daß die zu bevorrechtigenden Forderungen in ein öffentliches Schuld­ buch eingetragen werden. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedmcktem Kaiserlichen Jnsiegel.

Gegeben Berlin, den 10. Februar 1877.

(L 8.)

Wilhelm. Fürst v. Bismarck.

X. Gesetz, bett, die Anfechtung von Rechts­ handlungen eines Schuldners ausserhalb des Konkursverfahrens, vom 21. Juli 1579,

in der Fassung des LinMrungsgesetzer zu dem Gesetze, bett. Aenderungen der Konkursordnung, vom 17. Mai ir-r nach der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 20. Mai ir-r. (Rnchsgesetzblatt 1879 S 277—280; 1898 S 709—712)

§ 1. Rechtshandlungen eines Schuldners können außerhalb des Konkursverfahrens zum Zwecke der Befriedigung eines Gläubigers als diesem gegenüber unwirksam nach Maßgabe der folgenden ^Bestimmungen angefochten werden.

§ 2. Zur Anfechtung ist jeder Gläubiger, welcher einen vollstreck­ baren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, befugt, sofern die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu einer voll­ ständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder anzunehmen ist, daß sie zu einer solchen nicht führen würde. § 3.

Anfechtbar sind;

1. Rechtshandlungen, welche der Schuldner in der dem anderen Theile bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachtheiligen, vorgenommen hat; 2. die in dem letzten Jahre vor der Anfechtung geschlossenen entgeltlichen Verträge des Schuldners mit seinem Ehegatten, vor oder während der Ehe, mit seinen oder seines Ehegatten Verwandten in auf- und absteigender Linie, mit seinen oder seines Ehegatten voll- und halbbürtigen Geschwistern,

oder mit dem Ehegatten einer dieser Personen, sofern durch den Abschluß des Vertrages die Gläubiger des Schuldners benachtheiligt werden und der andere Theil nicht beweist, daß ihm zur Zeit des Vertragsabschlusses eine Absicht des Schuldners, die Gläubiger zu benachtheiligen, nicht bekannt war;

8. die in dem letzten Jahre vor der Anfechtung von dem Schuldner vor­ genommenen unentgeltlichen Verfügungen, sofern nicht dieselben ge­ bräuchliche Gelegenheitsgeschenke zum Gegenstände hatten; 4. die in den letzten zwei Jahren vor der Anfechtung von dem Schuldner vorgenommenen unentgeltlichen Verfügungen zu Gunsten seines Ehe­ gatten.

X. Anfechtungsgesetz

651

§ 3 a. Hat der Erbe aus dem Nachlasse Pflichttheilsansprüche, Vermächtnisse oder Auslagen erfüllt, so kann ein Nachlaßgläubiger, der im Konkursverfahren über den Nachlaß dem Empfänger der Leistung im Range vorgehen oder gleichstehen wurde, die Leistung in gleicher Weise anfechten wie eine unentgeltliche Verfügung des Erben. § 4. Hat der Gläubiger, bevor er einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hatte oder seine Forderung fällig war, denjenigen, welchem gegen­ über eine im § 3 Nr. 2 bis 4 bezeichnete Rechtshandlung vorgenommen ist, von seiner Absicht, die Handlung anzufechten, durch Zustellung eines Schriftsatzes in Kenntniß gesetzt, so wird die Frist von dem Zeitpunkte der Zustellung zurückgerechnet, sofern schon zu dieser Zeit der Schuldner zahlungsunfähig war und bis zum Ablaufe von zwei Jahren seit diesem Zeitpunkte die Anfechtung erfolgt ist. § 5. Die Erhebung des Anfechtungsanspruchs im Wege der Ein­ rede kann erfolgen, bevor ein vollstreckbarer Schuldtrtel für die Forderung erlangt ist; der Gläubiger hat denselben jedoch vor der Entscheidung binnen einer von dem Gerichte zu bestimmenden Frist beizubringen.

§ 6. Die Anfechtung wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß für die anzufechtende Rechtshandlung ein vollstreckbarer Schuldtitcl erlangt, oder daß dieselbe durch Zwangsvollstreckung oder durch Vollziehung eines Arrestes erwirkt worden ist. § 7. Der Gläubiger kann, soweit es zu seiner Befriedigung er­ forderlich ist, beanspruchen, daß dasjenige, was durch die anfechtbare Hand­ lung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder auf­ gegeben ist, als noch zu demselben gehörig von dem Empfänger zurück­ gewährt werde. Der gutgläubige Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat dieselbe nur soweit zurückzugewähren, als er durch sie bereichert ist.

§ 8. Wegen Erstattung einer Gegenleistung oder im Fall einer anfechtbaren Leistung wegen seiner Forderung kann der Empfänger sich nur an den Schuldner halten. § 9. Erfolgt die Anfechtung im Wege der Klage, so hat der Klag­ antrag bestimmt zu bezeichnen, in welchem Umfange und in welcher Weise die Rückgewähr seitens des Empfängers bewirkt werden soll. § 10. Liegt ein nur vorläufig vollstreckbarer Schuldtitel des Gläu­ bigers oder ein unter Vorbehalt ergangenes Urtheil (Civilprozeßordnung §§ 540, 599) vor, so ist in dem den Anfechtungsanspruch für begründet erklärenden Urtheile die Vollstreckung desselben davon abhängig zu machen, daß die gegen den Schuldner ergangene Entscheidung rechtskräftig oder vorbehaltlos wird. § 11. Die gegen den Erblasser begründete Anfechtung findet gegen den Erben statt.

652

X Anfechlungsgesetz.

Gegen einen anderen Rechtsnachfolger desjenigen, welchem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen ist, findet die gegen beit letzteren begründete Anfechtung statt: 1. wenn ihm zur Zeit seines Erwerbes die Umstände, welche die Anfecht­ barkeit des Erwerbes seines Rechtsvorgängers begründen, bekannt waren; 2. wenn er zu den int § 3 Nr. 2 genannten Personen gehört, es sei denn, daß ihm zur Zeit seines Erwerbes die Umstände, welche die Anfecht­ barkeit des Erwerbes seines Rechtsvorgängers begründen, unbekannt waren; 3. wenn ihm das Erlangte unentgeltlich zugewendet worden ist. Im Falle des Abs. 2 Nr. 3 findet auf die Haftung des Rechts­ nachfolgers die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Anwendung. Zur Erstreckung der Fristen in Gemäßheit des § 4 genügt die Zustellung des Schriftsatzes an den Rechtsnachfolger, gegen welchen die Anfechtung erfolgen soll.

§ 12. Die Anfechtung einer nach 8 3 Nr. 1 anfechtbaren Hand­ lung kann nur binnen zehn Jahren erfolgen. Aus den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften des § 203 Abs. 2 und der 88 206, 207 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Gläubiger den vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hatte und seine Forderung fällig war, wenn aber die Rechtshandlung nach diesem Zeitpunkte vorgenommen ist, mit der Vornahme der Handlung. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Vornahme der Rechtshandlung dreißig Jahre verstrichen sind.

§ 13. Wird über das Vermögen des Schuldners das Konkurs­ verfahren eröffnet, so steht die Verfolgung der von Konkursgläubiger n erhobenen Anfechtungsansprüche dem Konkursverwalter zu. Aus dem Er­ strittenen sind dem Gläubiger die Prozeßkosten vorweg zu erstatten Ist das Verfahren über den Anfechtungsanfpruch noch rechtshängig, so wird dasselbe unterbrochen. Im Fall einer Verzögerung der Aufnahme kommen die Bestimmungen der Civilprozeßordnung 8 239 zur entsprechenden Anwendung. Der Konkursverwalter kann den Anspruch nach den Vor­ schriften der Konkursordnung 88 37 bis 39,41 in Gemäßheit der 88 268, 529 der Civilprozeßordnung erweitern. Lehnt der Verwalter die Aufnahme des Rechtsstreits ab, so kann derselbe rücksichtlich der Prozeßkosten von jeder Partei ausgenommen werden. Durch die Ablehnung der Aufnahme wird die Befugniß des Verwalters, nach den Vorschriften der Konkursordnung das Anfechtungsrecht auszuüben, nicht ausgeschlossen. Soweit der Gläubiger aus dem Zurückzugewährenden eine Sicherung oder Befriedigung erlangt hatte, finden auf die Anfechtung derselben die Vorschriften des 8 30 Nr. 1 der Konkursordnung entsprechende Anwendung. Nach der Beendigung des Konkursverfahrens können Anfechtungs­ rechte, deren Ausübung dem Konkursverwalter zustand, von den einzelnen Gläubigern nach Maßgabe dieses Gesetzes verfolgt werden, soweit nicht dem Anspruch entgegenstehende Einreden gegen den Verwalter erlangt sind. War

X

Anfechtungsgesetz.

653

die Anfechtung nicht schon zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens erfolgt, so wird die tm § 3 Nr. 2 bis 4 bestimmte Frist von diesem Zeit­ punkte berechnet, sofern die Anfechtung bis zum Ablauf eines Jahres seit der Beendigung des Konkursverfahrens erfolgt. Rechtshandlungen, welche der Grmeinschnldner rücksichtlich seines nicht zur Konkursmasse gehörigen Vermögens vorgenommen hat, können von den Konkursgläubigern auch während des Konkursverfahrens nach Maßgabe dieses Gesetzes angefochten werden.

§ 14?) Dieses Gesetz tritt im ganzen Umfange des Reichs gleich­ zeitig mit der Konkursordnung in Kraft. Dasselbe findet auch auf die vor diesem Zeitpunkte vorgenommenen Rechtshandlungen Anwendung, sofern sie nicht nach den Vorschriften der bisherigen Gesetze der Anfechtung entzogen oder in geringerem Umfange unterworfeü sind. Ist der Anfechtungsänspruch zur Zeit des Inkrafttretens dieses Ge­ setzes rechtshängig, so bleiben für die Entscheidung des Rechtsstreits die Vorschriften der bisherigen Gesetze maßgebend. Dieser Paragraph ist in der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 20. Mai 1898 fortg-lasjen.

XI. Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung vom24. Wär; 1897

nach der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 20. Mai ir-r. (Rnchsgesetzblatt 1897 S. 97—134; 1898 S 713-750.)

(Erster Abschnitt.

LioangShersteigeruns und ^wsngDerdialtung hon Grundstücken im Wege der LiuangKhollstreckung. Erster Titel.

Allgemeine Vorschriften. § 1. Für die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung eines Grundstücks ist als Vollstreckungsgericht das Amtsgericht zuständige in dessen Bezirke das Grundstück belegen ist. § 2. Ist das Grundstück in den Bezirken verschiedener Amts­ gerichte belegen oder ist es mit Rücksicht aus die Grenzen der Bezirke ungewiß, welches Gericht zuständig ist, so Hat das zunächst Höhere Gericht eines der Amtsgerichte zum Dollstreckungsgerichte zu bestellen; die Vor­ schriften des 8 37 der Civilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung. Die gleiche Anordnung kann getroffen werden, wenn die Zwangs­ versteigerung oder die Zwangsverwaltung mehrerer Grundstücke in demselben Versahren zulässig ist und die Grundstücke in den Bezirken verschiedener Amtsgerichte belegen sind. Von der Anordnung soll das zum Boll­ streckungsgerichte bestellte Gericht die übrigen Gerichte in Kenntniß setzen.

§ 3.

Die Zustellungen erfolgen von Amtswegen.

§ 4 Wohnt derjenige, welchem zugestellt werden soll, weder am Orte noch im» Bezirke des Vollstreckungsgerichts, so kann die Zustellung durch Aufgabe zur Post erfolgen, solange nicht die Bestellung eines daselbst wohnhaften Prozeßbevollmächtigten oder Zustellungsbevollmächtigten dem Gericht angezeigt ist. Die Postsendung muß mit der Bezeichnung „Ein­

schreiben" versehen werden. § 5. Die Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten bei dem Grundbuchamte gilt auch für das Verfahren des Vollstreckungsqerichts,

sofern sie diesem bekannt geworden ist

Erster Abschn Zwangsversteigerung u Zwangsverwaltung von Grundstücken ic.

655

§ 6. Ist der Wohnort desjenigen, welcher» zugestellt werden soll, dem Vollstreckungsgerichte nicht bekannt, so hat das Gericht einen Zustellungs­ vertreter zu bestellen. Das Gleiche gilt, wenn im Falle der Zustellung durch Aufgabe zur Post die Postsendung als unbestellbar zurüätommt. Die zurückgekommene Sendung soll dem Zustellungsvertreter ausgchändigt werden. Statt der Bestellung eines Vertreters genügt es, wenn die Zustellung für nicht prozeßfähige Personen an die Vormundschaftsbehörde, für juri­ stische Personen oder für Vereine, die als solche tlagen und verklagt werden können, an die Aufsichtsbehörde angeordnet wird. § 7. An den Zustellungsvertreter erfolgen die Zustellungen, solange derjenige, welchem zugestellt werden soll, nicht ermittelt ist. Der Zustellungsvertreter ist zur Ermittelung und Benachrichtigung des Vertretenen verpflichtet. Er kann von diesem eine Vergütung für seine Thätigkeit und Ersatz seiner Auslagen fordern. Ueber die Vergütung und die Erstattung der Auslagen entscheidet das Vollstreckungsgericht. Für die Erstattung der Auslagen haftet der Gläubiger, soweit der Zustellungsvertreter von dem Vertretenen Ersatz nicht zu erlangen vermag; die dem Gläubiger zur Last fallenden Auslagen gehören zu den Kosten der die Befriedigung aus dem Grundstücke bezweckenden Rechtsverfolgung. § 8. Die Vorschriften der §§ 4 bis 7 finden auf die an den Schuldner zu bewirkende Zustellung des Beschlusses, durch welchen die Zwangsvollstreckung angeordnet oder der Beitritt eines Gläubigers zu­ gelassen wird, keine Anwendung.

§ 9. In dem Verfahren gelten als Betheiligte, außer dem Gläu­ biger und dem Schuldner: 1. diejenigen, für svelche zur Zeit der Eintragung des Vollstreckungs­ vermerkes ein Recht im Grundbuch eingetragen oder durch Eintragung gesichert ist; 2. diejenigen, welche ein der Zwangsvollstreckung entgegenstehendes Recht, ein Recht an dem Grundstück oder an einem das Grundstück be­ lastenden Rechte, einen Anspruch mit dem Rechte auf Befriedigung aus dem Grundstück oder ein Mieth- oder Pachtrecht, auf Grund dessen ihnen das Grundstück überlassen ist, bei dem Vollstreckungs­ gericht anmelden und auf Verlangen des Gerichts oder eines Be­ theiligten glaubhaft machen.

§ 19. Ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstücke gewähren nach folgender Rangordnung, bei gleichem Range nach dem Verhältniß ihrer Beträge: 1. der Anspruch eines die Zwangsverwaltung betreibenden Gläubigers auf Ersatz seiner Ausgaben zur Erhaltung oder nöthigen Verbesserung des Grundstücks, im Falle der Zwangsversteigerung jedoch nur, wenn die Verwaltung bis zum Zuschläge fortdauert und die Ausgaben nicht aus den Nutzungen des Grundstücks erstattet werden können;

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XI Zwangsveisteigeiungsgesetz.

bei einem land- oder forstwirthschaftüchen Grundstücke die Ansprüche der zur Bewirthschaftung des Grundstücks oder zum Betrieb eines mit dem Grundstücke verbundenen land- oder forstwirthschastlichen Nebengewerbes angenommenen, in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnisse stehenden Personen, insbesondere des Gesindes, der Wirthschafts- und Forstbeamten, auf Lohn, Kostgeld und andere Bezüge wegen der laufenden und der aus dem letzten Jahre rückständigen Beträge; 3. die Ansprüche auf Entrichtung der öffentlichen Lasten des Grundstücks wegen der laufenden und der aus den letzten zwei Jahren rückstän­ digen Beträge; 4 die Ansprüche aus Rechten an dem Grundstücke, soweit sie nicht in Folge der Beschlagnahme dem Gläubiger gegenüber unwirksam sind, die Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen jedoch, mit Einschluß derjenigen, welche als Zuschlag zu den Zinsen behufs allmählicher Kapitalstilgung zu entrichten sind, nur wegen der laufenden und der aus den letzten zwei Jahren rückständigen Beträge; 5 der Anspruch des Gläubigers, soweit er nicht in einer der vorher­ gehenden Klaffen zu befriedigen ist; 6. die Ansprüche der vierten Klaffe, soweit sie in Folge der Beschlag­ nahme dem Gläubiger gegenüber unwirksam sind; 7 die Ansprüche der dritten Klasse wegen der älteren Rückstände; 8. die Ansprüche der vierten Klaffe wegen der älteren Rückstände. Das Recht auf Befriedigung aus dem Grundstücke besteht auch für die Kosten der Kündigung und der die Befriedigung aus dem Grundstücke bezweckenden Rechtsverfolgung. 2

§ 11. Sind Ansprüche aus verschiedenen Rechten nach § 10 Nr. 4, 6 oder 8 in derselben Klasse zu befriedigen, so ist für sie das Rangver­ hältniß maßgebend, welches unter den Rechten besteht. In der fünften Klaffe geht unter mehreren Ansprüchen derjenige vor, für welchen die Beschlagnahme früher erfolgt ist.

§ 12. Die Ansprüche aus einem und unter einander folgende Rangordnung:

demselben Rechte

haben

1. die Ansprüche aus Ersatz der im § 10 Abs. 2 bezeichneten Kosten; 2. die Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen und andere Neben­ leistungen; 3. der Hauptanspruch.

K 13. Die laufenden Beträge wiederkehrender Leistungen nehmen ihren Anfang von dem letzten Fälligkeitstermine vor der Beschlagnahme des Grundstücks; die Rückstände werden von demselben Zeitpunkte zurückgerechnet. Fehlt es innerhalb der letzten zwei Jahre an einem Fälligkeitstermine, so entscheidet die Zeit der Beschlagnahme. Liegen mehrere Beschlagnahmen vor, so ist die erste maßgebend. Bei der Zwangsversteigerung gilt, wenn bis zur Beschlagnahme eine Zwangs­ verwaltung fortgedauert hat, die für diese bewirkte Beschlagnahme als die erste. H 14. Ansprüche von unbestimmtem Betrage schiebend bedingt durch die Feststellung des Betrags.

gelten

als

auf­

Erster Abschn. Zwangsversteigerung u. Zwangsverwaltung von Grundstücken rc.

657

Zweiter Titel.

Zwangsversteigerung. I.

Anordnung der Versteigern«-.

§ 15. Die Zwangsversteigerung eines Grundstücks wird von dem Vollstreckungsgericht auf Antrag angeordnet. § 16. Der Antrag soll das Grundstück, den Eigenthümer, den Anspruch und den vollstreckbaren Titel bezeichnen. Die für den Beginn der Zwangsvollstreckung erforderlichen Urkunden sind dem Anträge beizufügen.

§ 17. Die Zwangsversteigerung darf nur angeordnet werden, wenn der Schuldner als Eigenthümer des Grundstücks eingetragen oder wenn er Erbe des eingetragenen Eigenthümers ist. Die Eintragung ist durch ein Zeugniß des Grundbuchamts nach­ zuweisen. Ist das Bollstreckungsgericht zugleich das Grundbuchamt, so genügt statt des Zeugnisses die Bezugnahme auf das Grundbuch. Die Erbfolge ist durch Urkunden glaubhaft zu machen, sofern sie nicht bei dem Gericht offenkundig ist. § 18. Die Zwangsversteigerung mehrerer Grundstücke kann tu demselben Verfahren erfolgen, wenn sie entweder wegen einer Forderung gegen denselben Schuldner oder wegen eines an jedem der Grundstücke be­ stehenden Rechtes betrieben wird. § 19. Ordnet das Gericht die Zwangsversteigerung an, so hat es zugleich das Grundbuchamt um Eintragung dieser Anordnung in das Grundbuch zu ersuchen. Das Grundbuchamt hat nach der Eintragung des Versteigerungs­ vermerkes dem Gericht eine beglaubigte Abschrift des Grundbuchblatts und der Urkunden, auf welche im Grundbuche Bezug genommen wird, zu er­ theilen, die bei ihm bestellten Zustellungsbevollmächtigten zu bezeichnet! und Nachricht zu geben, was ihm über Wohnort und Wohnung der ein­ getragenen Betheiligten und deren Vertreter bekannt ist. Statt der Ertheilung einer beglaubigten Abschrift der Urkunden genügt die Beifügung der Grundakten oder der Urkunden. § 30. Der Beschluß, durch welchen die Zwangsversteigerung an­ geordnet wird, gilt zu Gunsten des Gläubigers als Beschlagnahme des Grundstücks. Die Beschlagnahme umfaßt auch diejenigen Gegenstände, auf welche sich bei einem Grundstücke die Hypothek erstreckt.

§ 31. Die Beschlagnahme umfaßt land- und forstwirthschastliche Erzeugnisse des Grundstücks sowie die Forderung aus einer Versicherung solcher Erzeugniffe nur, soweit die Erzeugniffe noch mit dem Boden ver­ bunden oder soweit sie Zubehör des Grundstücks sind. Die Beschlagnahme umfaßt nicht die Mieth- und Pachtzinsforderungen sowie die Ansprüche aus einem mit dem Eigenthum an dem Grundstücke verbundenen Rechte auf wiederkehrende Leistungen. Bürgerliches Gesetzbuch und Ncbengesetze.

42

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XI Zwangsversteigerungsgeseh.

Das Recht eines Pächters auf den Fruchtgenuß wird von der Be­ schlagnahme nicht berührt.

§ 22. Die Beschlagnahme deS Grundstücks wird mit dem Zeit­ punkte wirksam, in welchem der Beschluß, durch den die Zwangsversteigerung angeordnet ist, dem Schuldner zugestellt wird. Sie wird auch wirksam mit dem Zeitpunkt, in welchem das Ersuchen um Eintragung des Ver­ steigerungsvermerkes dem Grundbuchamte zugeht, sofern auf das Ersuchen die Eintragung demnächst erfolgt. Erstreckt sich die Beschlagnahme aus eine Forderung, so hat das Gericht auf Antrag des Gläubigers dem Drittschuldner zu verbieten, an den Schuldner zu zahlen. Die Beschlagnahme wird dem Drittschuldner gegenüber erst mit dem Zeitpunkte wirksam, in welchem sie ihm bekannt oder das Zahlungsverbot ihm zugestellt wird. Die Vorschriften des § 845 der Civilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung. 8 23« Die Beschlagnahme hat die Wirkung eines Veräußerungs­ verbots. Der Schuldner kann jedoch, wenn sich die Beschlagnahme auf bewegliche Sachen erstreckt, über einzelne Stücke innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirthschaft auch dem Gläubiger gegenüber wirksam verfügen. Kommt es bei einer gegen die Beschlagnahme verstoßenden Verügung nach 8 135 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs darauf an, ob rerjenige, zu dessen Gunsten verfügt wurde, die Beschlagnahme kannte, so teht die Kenntniß des Versteigerungsantrags einer Kenntniß der Beschlag­ nahme gleich. Die Beschlagnahme gilt auch in Ansehung der mithaftenden beweglichen Sachen als bekannt, sobald der Versteigerungsvermerk ein­ getragen ist. 8 24. Die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks verbleibt dem Schuldner nur innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirthschaft. 8 25. Ist zu besorgen, daß durch das Verhalten des Schuldners die ordnungsmäßige Wirthschaft gefährdet wird, so hat das Vollstreckungs­ gericht auf Antrag des Gläubigers die zur Abwendung der Gefährdung erforderlichen Maßregeln anzuordnen. Das Gericht kann die Maßregeln aufheben, wenn der zu deren Fortsetzung erforderliche Geldbetrag nicht vorgeschoffen wird. 8 26. Ist die Zwangsversteigerung wegen des Anspruchs aus einem eingetragenen Rechte angeordnet, so hat eine nach der Beschlagnahme bewirkte Veräußerung des Grundstücks auf den Fortgang des Verfahrens gegen den Schuldner keinen Einfluß. 8 27. Wird nach der Anordnung der Zwangsversteigerung ein weiterer Antrag auf Zwangsversteigerung des Grundstücks gestellt, so er­ folgt statt des Versteigerungsbeschlusses die Anordnung, daß der Beitritt des Antragstellers zu dem Verfahren zugelaffen wird. Eine Eintragung dieser Anordnung in das Grundbuch findet nicht statt. Der Gläubiger, dessen Beitritt zugelaffen ist, hat dieselben Rechte, rote wenn auf seinen Antrag die Versteigerung angeordnet wäre.

Erster Abschn. Zwangsversteigerung u Zwangsverwaltung von Grundstückenrc.

659

II. Aushebung und einstweilige Einstellung des Verfahrens. § 28. Wird dem Vollstreckungsgericht ein aus dem Grundbuch ersichtliches Recht bekannt, welches der Zwangsversteigerung oder der Fort­ setzung des Verfahrens entgegensteht, so hat das Gericht das Verfahren entweder sofort aufzuheben oder unter Bestimmung einer Frist, binnen welcher der Gläubiger die Hebung des Hindernisse nachzuweisen hat, einst­ weilen einzustellen. Im letzteren Falle ist das Verfahren nach dem Ab­ laufe der Frist aufzuheben, wenn nicht inzwischen der Nachweis erbracht ist.

§ 29. Das Verfahren ist auszuheben, wenn der Versteigerungs­ antrag von dem Gläubiger zurückgenommen wird. § 30. Das Verfahren ist einstweilen einzustellen, wenn der Gläubiger die Einstellung bewilligt; ist die Einstellung erfolgt, so gilt eine neue Bewilligung als Rücknahme des Versteigerungsantrags. Der Bewilligung der Einstellung steht es gleich, wenn von dem Gläubiger die Aufhebung des Versteigerungstermins bewilligt wird. § 31. Im Falle einer einstweiligen Einstellung darf das Ver­ fahren, soweit sich nicht aus dem Gesetz ein Anderes ergiebt, nur aus Antrag des Gläubigers fortgesetzt werden. Wird der Antrag nicht binnen sechs Monaten gestellt, so ist das Verfahren aufzuheben. Die Frist beginnt, wenn die Einstellung von deni Prozeßgericht angeordnet war, mit der Wiederaufhebung der Anordnung, in den übrigen Fällen mit der Einstellung des Verfahrens. § 32. Der Beschluß, durch welchen das Verfahren aufgehoben oder einstweilen eingestellt wird, ist dem Schuldner, dem Gläubiger und, wenn die Anordnung von einem Dritten beantragt war, auch diesem zuzustellen.

§ 33. Nach dem Schlüsse der Versteigerung darf, wenn ein Grund zur Aufhebung oder zur einstweiligen Einstellung des Verfahrens oder zur Aufhebung des Termins vorliegt, die Entscheidung nur durch Versagung des Zuschlags gegeben werden. § 34. Im Falle der Aufhebung des Verfahrens ist das Grund­ buchamt um Löschung des Versteigerungsvermerkes zu ersuchen. HI. Bestimmung des BersteigerungStermins.

§ 35»

Die Versteigerung wird durch

das Vollstreckungsgericht

ausgeführt.

§ 36. Der Dersteigerungstermiu soll erst nach der Beschlagnahme des Grundstücks und nach dem Eingänge der Mittheilungen des Grund­ buchamts bestimmt werden. Der Zeitraum zwischen der Anberaumung des Termins und dem Termine soll, wenn nicht besondere Gründe vorliegen, nicht mehr als sechs Monate betragen. Der Termin kann nach dem Ermessen des Gerichts an der Gerichts­ stelle oder an einem anderen Orte im Gerichtsbezirk abgehalten werden. 42*

660

XI. Zwangsversteigerungsgesetz.

8 37.

Die Terminsbestimmung muß enthalten:

1. die Bezeichnung des Grundstücks; 2. Zeit und Ort des Bersteigerungstermins;

3. die Angabe, daß die Versteigerung im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt; 4. die Aufforderung, Rechte, soweit sie zur Zeit der Eintragung des Versteigerungsvermerkes aus dem Grundbuche nicht ersichtlich waren, spätestens im Versteigerungstermine vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten anzumelden und, wenn der Gläubiger widerspricht, glaubhaft zu machen, widrigenfalls die Rechte bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht berücksichtigt und bei der Vertheilung des Versteigerungserlöses dem Ansprüche des Gläubigers und den übrigen Rechten machgesetzt werden würden;

5. die Aufforderung an diejenigen, welche ein der Versteigerung ent­ gegenstehendes Recht haben, vor der Erthellung des Zuschlags die Aufhebung oder einstweilige Einstellung des Verfahrens herbeizu­ führen, widrigenfalls für das Recht der Versteigerungserlös an die Stelle des versteigerten Gegenstandes treten würde.

8 38. Die Terminsbestimmung soll die Bezeichnung des zur Zeit der Eintragung des Versteigerungsvermerkes eingetragenen Eigenthümers sowie die Angabe des Grundbuchblatts und der Größe des Grundstücks enthalten. 8 39. Die Terminsbestimmung muß durch einmalige Einrückung in das für Bekanntmachungen des Gerichts bestimmte Blatt öffentlich bekannt gemacht werden. Hat das Grundstück nur einen geringen Werth, so kann das Gericht anordnen, daß die Einrückung unterbleibt; in diesem Falle muß die Bekanntmachung dadurch erfolgen, daß die Terminsbestimmung in der Gemeinde, in deren Bezirke das Grundstück belegen ist, an die für amtliche Bekanntmachungen bestimmte Stelle angeheftet wird. 8 40. Die Terminsbestimmung soll an die Gerichtstasel angehestet werden. Ist das Gericht nach § 2 Abs. 2. zum Dollstreckungsgerichte bestellt, so soll die Anheftung auch bei den übrigen Gerichten bewirkt werden. Das Gericht ist befugt, noch andere und wiederholte Veröffentlichungen zu veranlaffen; bei der Ausübung dieser Befugniß ist insbesondere auf den Ortsgebrauch Rücksicht zu nehmen.

8 41. Die Terminsbestimmung ist den Betheiligten zuzustellen. Im Laufe der zweiten Woche vor dem Termine soll den Betheiligten mitgetheilt werden, auf weffen Antrag und wegen welcher Ansprüche die Versteigerung erfolgt. Als Bethelljgte gelten auch diejenigen, welche das angemeldete Recht noch glaubhaft zu machen haben. 8 42. Die Einsicht der Mittheilungen des Grundbuchamts sowie der erfolgten Anmeldungen ist Jedem gestattet. Das Gleiche gilt von anderen das Grundstück betreffenden Nach­ weisungen, welche ein Betheiligter einreicht, insbesondere von Abschätzungen.

Erster Abschn. Zwangs Versteigerung u. Zwangsverwaltung von Grundstückenrc.

661

§ 43. Der Versteigerungstermin ist aufzuheben und von neuem zu bestimmen, wenn die Bekanntmachung der Terminsbestimmung nicht sechs Wochen vor dem Termine bewirkt ist. Das Gleiche gilt, wenn nicht zwei Wochen vor dem Termine dem Schuldner ein Beschluß, auf Grund dessen die Versteigerung erfolgen kann, und allen Betheiligten, die schon zur Zeit der Anberaumung des Termins dem Gerichte bekannt waren, die Terminsbestimmung zugestellt ist, es sei denn, daß derjenige, in Ansehung dessen die Frist nicht eingchalten ist, das Verfahren genehmigt.

IV. Geringstes Gebot. Versteigerungsbedingnngen. § 44. Bei der Versteigerung wird nur ein solches Gebot zugelafsen, durch welches die dem Ansprüche des Gläubigers vorgehenden Rechte sowie die aus dem Versteigerungserlöse zu entnehmenden Kosten des Verfahrens gedeckt werden (geringstes Gebot). Wird das Verfahren wegen mehrerer Ansprüche von verschiedenem Range betrieben, so darf der vorgehende Anspruch der Feststellung des geringsten Gebots nur dann zu Grunde gelegt werden, wenn der wegen dieses Anspruchs ergangene Beschluß dem Schuldner zwei Wochen vor dem Versteigerungstermine zugestcllt ist. § 45. Ein Recht ist bei der Feststellung des geringsten Gebots insoweit, als es zur Zeit der Eintragung des Versteigerungsvermerkes aus dem Grundbuch erfichtlich war, nach dem Inhalte des Grundbuchs, im Uebrigen nur dann zu berücksichtigen, wenn es rechtzeitig angemeldet und, falls der Gläubiger widerspricht, glaubhaft gemacht wird. Von wiederkehrenden Leistungen, die nach dem Inhalte des Grund­ buchs zu entrichten sind, brauchen die laufenden Beträge nicht angemeldet, die rückständigen nicht glaubhaft gemacht zu werden. § 46. Für wiederkehrende Leistungen, die nicht in Geld bestehen, hat das Gericht einen Geldbetrag festzusetzen, auch wenn ein solcher nicht

angemeldet ist.

§ 47. Laufende Beträge regelmäßig wiederkehrender Leistungen sind für die Zeit bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach dem Versteigeruygstermine zu decken. Nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen werden mit den Beträgen berücksichtigt, welche vor dem Ablaufe dieser Frist zu entrichten sind. § 48. Bedingte Rechte sind wie unbedingte, Rechte, die durch Eintragung eines Widerspruchs oder einer Vormerkung gesichert sind, wie eingetragene Rechte zu berücksichtigen. § 49. Der Theil des geringsten Gebots, welcher zur Deckung der Kosten sowie der im § 10 Nr. 1 bis 3 und im § 12 Nr. 1, 2 bezeichneten Ansprüche bestimmt ist, desgleichen der das geringste Gebot ükersteigende Betrag des Meistgebots ist von dem Ersteher im Vertheilungstermine baar zu berichtigen (Baargebot). Das Baargebot ist von dem Zuschlag an zu verzinsen.

662

XI. Zwangsversteigerungsgesetz.

Der Ersteher wird durch Hinterlegung von seiner Verbindlichkeit befreit, wenn die Hinterlegung und die Ausschließung der Rücknahme im Vertheilungstermine nachgewiesen werden.

§ 50. Soweit eine bei der Feststellung des geringsten Gebots berücksichtigte Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld nicht besteht, hat der Ersteher außer dem Baargebot auch den Betrag des berücksichtigten Kapitals zu zahlen. In Ansehung, der Berzinslichkeit, des Zinssatzes, der Zahlungs­ zeit, der Kündigung und des Zahlungsorts bleiben die für das berücksichtigte Recht getroffenen Bestimmungen maßgebend. Das Gleiche gilt: 1. wenn das Recht bedingt ist und die aufschiebende Bedingung ausfällt oder die auflösende Bedingung eintritt,

2. wenn das Recht noch an einem anderen Grundstücke besteht und an dem versteigerten Grundstücke nach den besonderen Vorschriften über die Gesammthypothek erlischt. Hastet der Ersteher im Falle des Abs. 2 Nr. 2 zugleich persönlich, so ist die Erhöhung des zu zahlenden Betrags ausgeschlossen, soweit der Ersteher nicht bereichert ist.

§ 51. Ist das berücksichtigte Recht nicht eine Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so finden die Vorschriften des § 50 entsprechende An­ wendung. Der Ersteher hat statt des Kapitals den Betrag, um welchen sich der Werth des Grundstücks erhöht, drei Monate nach erfolgter Kündigung zu zahlen und von dem Zuschlag an zu verzinsen. Der Betrag soll von dem Gerichte bei der Feststellung des geringsten Gebots bestimmt werden.

§ 52. Ein Recht bleibt insoweit bestehen, als es bei der Fest­ stellung des geringsten Gebots berückfichtigt und nicht durch Zahlung zu decken ist. Im Uebrigen erlöschen die Rechte. Das Recht auf eine der in den 88 912 bis 917 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Renten bleibt auch dann bestehen, wenn es bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht berücksichtigt ist.

§ 53. Haftet bei einer Hypothek, die bestehen bleibt, der Schuldner zugleich persönlich, so übernimmt der Ersteher die Schuld in Höhe der Hypothek; die Vorschriften des § 416 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findm mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß als Veräußerer im Sinne dieser Vorschriften der Schuldner anzusehen ist. Das Gleiche gilt, wenn bei einer Grundschuld oder Rentenschuld, die bestehen bleibt, der Schuldner zugleich persönlich haftet, sofern er spätestens im Versteigerungstermine vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten bie gegen ihn bestehende Forderung unter Angabe ihres Betrags und Grundes angemeldet und auf Verlangen des Gerichts oder eines Betheiligten glaubhaft gemacht hat.

§ 54. Die von dem Gläubiger dem Eigenthümer oder von diesem dem Gläubiger erklärte Kündigung einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld ist dem Ersteher gegenüber nur wirksam, wenn sie

Erster Abschn. Zwangsversteigerung u Zwangsverwaltung von Grundstücken rc.

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spätestens yt dem Versteigerungstermine vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten erfolgt und bei dem Gericht angemeldet worden ist. Das Gleiche gilt von einer aus dem Grundbuche nicht ersichtlichen Thatsache, in Folge deren der Anspruch vor der Zeit geltend gemacht werden kann.

§ 55. Die Versteigerung des Grundstücks erstreckt sich auf alle Gegenstände, deren Beschlagnahme noch wirksam ist. Auf Zubehdrstücke, die sich im Besitze des Schuldners oder eines neu eingetretenen Eigenthümers befinden, erstreckt sich die Versteigerung auch dann, wenn sie einem Dritten gehören, es sei denn, daß dieser sein Recht nach Maßgabe des § 37 Nr. 5 geltend gemacht hat.

§ 56. Die Gefahr des zufälligen Unterganges geht in Ansehung des Grundstücks mit dem Zuschlag, in Ansehung der übrigen Gegenstände mit dem Schluffe der Versteigerung auf den Ersteher über. Von dem Zuschlag an gebühren dem Ersteher die Nutzungen und trägt er die Lasten. Ein Anspruch auf Gewährleistung findet nicht statt.

§ 57. Ist das Grundstück einem Miether oder Pächter überlassen, so finden die Vorschriften der §§ 571, 572, des § 573 Satz 1 und der §§ 574, 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung. Der Ersteher ist jedoch berechtigt, das Mieth- oder Pachtverhältniß unter Ein­ haltung der gesetzlichen Frist zu kündigen. Die Kündigung ist aus­ geschlossen, wenn sie nicht für den ersten Termin erfolgt, für den sie zulässig ist. § 58. Die Kosten des Beschlusses, ertheilt wird, fallen dem Ersteher zur Last.

durch welchen der Zuschlag

§ 59. Jeder Betheiligte kann eine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Feststellung des geringsten Gebots und der Versteigerungs­ bedingungen verlangen. Wird durch die Abweichung das Recht eines anderen Betheiligten beeinträchtigt, so ist dessen Zustimmung erforderlich. Sofern nicht feststeht, ob das Recht durch die Abweichung beein­ trächtigt wird, ist das Grundstück mit der verlangten Abweichung und ohne sie auszubieten. Soll das Fortbestehen eines Rechtes bestimmt werden, das nach 8 52 erlöschen würde, so bedarf es nicht der Zustimmung eines nachstehenden Betheiligten.

§ 60. Jeder Betheiligte kann verlangen, daß für den das geringste Gebot übersteigenden Betrag des Meistgebots Zahlungsfristen als Bersteigerungsbedingung festgestellt werden; die Zustimmung eines anderen Betheiligten ist nicht erforderlich. Soweit Zahlungsfristen bewilligt werden, ist das Gebot von dem Zuschlag an zu verzinsen. § 61. Im Falle des § 60 ist auf Antrag eines Betheiligten, dessen Recht durch die Bewilligung von Zahlungsfristen beeinträchtigt werden würde, das Grundstück mit Zahlungsfristen und ohne sie auszubieten. Der Zuschlag wird auf Grund des mit Zahlungsfristen erfolgten Aus­ gebots nur ertheilt, wenn ein Dritter unter Sicherheitsleistung sich ver­ pflichtet, die dem Ersteher obliegende Zahlung vollständig oder mit einem

664

XI Zwangsversteigerungsgesetz.

Abzug im Vertheilungstermine zu bewirken, imb wenn im -Falle eines Abzugs nach dessen Abrechnung das Meistgebot mit Zahlungsfristen höher ist als das andere Meistgebot. In Ansehung der Verpflichtung des Dritten finden die Vorschriften des 8 53, in Ansehung der Sicherheitsleistung die Vorschriften des § 69 entsprechende Anwendung. Die Sicherheitsleistung ist nicht erforderlich, wenn für ein eigenes Gebot des Dritten Sicherheitsleistung nicht verlangt werden könnte. Wird der Dritte bei der Ertheilung des Zuschlags für zahlungs­ pflichtig erklärt, so tritt die Forderung gegen den Dritten als Versteigerungs­ erlös an die Stelle der Forderung gegen den Ersteher; die Forderung gegen den Ersteher steht dem Dritten zu. K 62. Das Gericht kann schon vor dem Versteigerungstermin Erörterungen der Betheiligten über das geringste Gebot und die Ver­ steigerungsbedingungen veranlaßen, zu diesem Zwecke auch einen besonderen Termin bestimmen.

§ 63. Mehrere in demselben Verfahren zu versteigernde Grund­ stücke sind einzeln auszubieten. Jeder Betheiligte kann verlangen, daß neben dem Einzelausgebot alle Grundstücke und, sofern einige von ihnen mit einem und demselben Rechte belastet find, auch diese Grundstücke zusammen ausgeboten werden. Auf Antrag kann das Gericht auch in anderen Fällen das Gesammtausgebot einiger der Grundstücke anordnen. Das Gesammtausgebot kann vor oder nach dem Einzelausgebot erfolgen. Wird bei dem Einzelausgebot auf eines der Grundstücke ein Meist­ gebot abgegeben, das mehr beträgt als das geringste Gebot für dieses Grundstück, so erhöht sich bei dem Gesammtausgebote das geringste Gebot um den Mehrbetrag. Der Zuschlag wird auf Grund des Gesammtausgebots nur ertheilt, wenn das Meistgebot höher ist als das Gesammtergebniß der Einzelausgebote. Das Einzelausgebot unterbleibt, wenn die anwesenden Betheiligten zustimmen, deren Rechte bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht zu berücksichtigen find.

$ 64. Werden mehrere Grundstücke, die mit einer dem Ansprüche des Gläubigers vorgehenden Gesammthypothek belastet find, in demselben Verfahren versteigert, so ist auf Antrag die Gesammthypothek bei der Feststellung' des geringsten Gebots für das einzelne Grundstück nur zu dem Theilbetrage zu berücksichtigen, der dem Verhältnisse des Werthes des Grundstücks zu dem Werthe der sämmtlichen Grundstücke entspricht; der Werth wird unter Abzug der Belastungen berechnet, die der Gesammt­ hypothek im Range vorgehen und bestehen bleiben. Antragsberechtigt sind der Gläubiger, der Eigenthümer und jeder dem Hypothekengläubiger gleich­ öder nachstehende Betheiligte. Wird der im Abs. 1 bezeichnete Antrag gestellt, so kann der Hypothekengläubiger bis zum 'Schluffe der Verhandlung im Versteigerungs­ termine verlangen, daß bei der Feststellung des geringsten Gebots für die

Erster Abschn. Zwangsversteigerung u. Zwangsverwaltung von Grundstücken rc.

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Grundstücke nur die seinem Ansprüche vorgehenden Rechte berücksichtigt werden; in diesem Falle sind die Grundstücke auch mit der verlangten Abweichung auszubieten. Erklärt sich nach erfolgtem Ausgebote der Hypothekengläubiger der Aufforderung des Gerichts ungeachtet nicht darüber, welches Ausgebot für die Ertheilung des Zuschlags maßgebend sein soll, so verbleibt es bei der auf Grund des Abs. 1 erfolgten Feststellung des geringsten Gebots. Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung, wenn die Grund­ stücke mit einer und derselben Grundschuld oder Rentenschuld belastet sind.

§ 65* Das Gericht kann auf Antrag anordnen, daß eine For­ derung oder eine bewegliche Sache von der Versteigerung des Grundstücks ausgeschloffen und besonders versteigert werden soll. Auf Antrag kann auch eine andere Art der Verwerthung angeordnet, insbesondere zur Ein­ ziehung einer Forderung ein Vertreter bestellt oder die Forderung einem Betheiligten mit deffen Zustimmung an Zahlungsstatt überwiesen werden. Die Vorschriften der §§ 817, 820, 835 der Civilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung. Der Erlös ist zu hinterlegen. Die besondere Versteigerung oder die anderweitige Verwerthung ist nur zulässig, wenn das geringste Gebot erreicht ist. V.

Versteigerung.

K 66. In dem Versteigerungstermine werden nach dem Aufrufe der Sache die das Grundstück betreffenden Nachweisungen, die das Ver­ fahren betreibenden Gläubiger, deren Ansprüche, die Zeit der Beschlagnahme und die erfolgten Anmeldungen bekannt gemacht, hierauf das geringste Gebot und die Versteigerungsbedingungen nach Anhörung der anwesenden Betheiligten, nöthigensalls mit Hülfe eines Rechnungsverständigen, unter Bezeichnung der einzelnen Rechte festgestellt und die erfolgten Feststellungen verlesen. Nachdem dies geschehen, hat das Gericht auf die bevorstehende Aus­ schließung weiterer Anmeldungen hinzuweisen und sodann zur Abgabe von Geboten aufzufordern.

§ 67. Ein Betheiligter, dessen Recht durch Nichterfüllung des Gebots beeinträchtigt werden würde, kann Sicherheitsleistung verlangen, jedoch nur sofort nach Abgabe des Gebots. Das Verlangen gilt auch für weitere Gebote desselben Bieters. Steht dem Bieter eine durch das Gebot ganz oder theilweise gedeckte Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld zu, so braucht er Sicherheit nur auf Verlangen des Gläubigers zu leisten. Auf Gebote des Schuldners oder eines neu eingetretenen Eigenthümers findet diese Vorschrift keine Anwendung. Für ein Gebot des Reichs, der Reichsbank oder eines Bundesstaats kann Sicherheitsleistung nicht verlangt werden. Das Gleiche gilt in An­ sehung eines Gebots, zu dessen Erfüllung sich nach § 61 ein Dritter ver­ pflichtet hat.

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XI. Zwangsvei steigerungsgesetz.

§ 68. Die Sicherheit ist für ein Zehntel des Baargebots, wenn aber der Betrag der aus dem Versteigerungserlöse zu entnehmenden Kosten höher ist, für diesen Betrag zu leisten. Ein Betheiligter, dessen Recht nach § 52 bestehen bleibt, kann Sicherheitsleistung bis zur Höhe des Betrags verlangen, welcher zur Deckung der seinem Rechte vorgehenden Ansprüche durch Zahlung zu berichtigen ist. Bietet der Schuldner oder ein neu eingetretener Eigenthümer des Grundstücks, so kann der Gläubiger Sicherheitsleistung bis zur Höhe des Betrags verlangen, welcher zur Deckung seines Anspruchs durch Zahlung zu berichtigen ist. § 69. Die Sicherheitsleistung ist durch Hinterlegung von Geld oder inländischen Werthpapieren zu bewirken. Werthpapiere sind zur Sicherheitsleistung nur geeignet, wenn sie auf den Inhaber lauten und einen Kurswerth haben; den Jnhaberpapieren stehen Orderpapiere gleich, die mit Blankoindossament versehen sind. Mit Werthpapieren kann die Sicherheit in Höhe des ganzen Kurswerths geleistet werden. Die Uebergabe an das Gericht hat die Wirkung der Hinterlegung. § 70. Das Gericht hat über die Sicherheitsleistung sofort zu entscheiden. Erklärt das Gericht die Sicherheit für erforderlich, so ist sie sofort zu leisten. Unterbleibt die Leistung, so ist das Gebot zurückzuweisen. Wird das Gebot ohne Sicherheitsleistung zugelassen und von dem Betheiligten, welcher die Sicherheit verlangt hat, nicht sofort Widerspruch erhoben, so gilt das Verlangen als zurückgenommen. § 71. Ein unwirksames Gebot ist zurückzuweisen. Ist die Wirksamkeit eines Gebots von der Vertretungsmacht des­ jenigen, welcher das Gebot für den Bieter abgegeben hat, oder von der Zustimmung eines Anderen oder einer Behörde abhängig, so erfolgt die Zurückweisung, sofern nicht die Vertretungsmacht oder die Zustimmung bei dem Gericht offenkundig ist oder durch eine öffentlich beglaubigte Ur­ kunde sofort nachgewiesen wird. § 72. Ein Gebot erlischt, wenn ein Uebergebot zugelassen wird und ein Betheiligter der. Zulassung nicht sofort widerspricht. Das Ueber­ gebot gilt als zugelaffen, wenn es nicht sofort zurückgewiesen wird. Ein Gebot erlischt auch dann, wenn es zurückgewiesen wird und der Bieter oder ein Vetheiligter der Zurückweisung nicht sofort widerspricht. DaS Gleiche gilt, wenn das Verfahren einstweilen eingestellt oder der Termin aufgehoben wird.

§ 73. Zwischen der Aufforderung zur Abgabe von Geboten und dem Zeitpunkt, in welchem bezüglich sämmllicher zu versteigernder Grund­ stücke die Versteigerung geschloffen wird, muß mindestens eine Stunde liegen. Die Versteigerung muß so lange fortgesetzt werden, bis der Auf­ forderung des Gerichts ungeachtet ein Gebot nicht mehr abgegeben wird.

Das Gericht hat das letzte Gebot und den Schluß der Versteigerung zu verkünden. Die Verkündung des letzten Gebots soll mittelst dreimaligen Aufrufs erfolgen.

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§ 74. Nach dem Schlüsse der Versteigerung sind die anwesenden Betheiligten über den Zuschlag zu hören.

§ 75. Zahlt nach dem Beginne der Versteigerung der Schuldner oder ein Dritter, der berechtigt ist, den Gläubiger zu befriedigen, den zur Befriedigung und zur Deckung der Kosten erforderlichen Betrag an das Gericht, so wird das Verfahren einstweilen eingestellt. § 76. Wird bei der Versteigerung mehrerer Grundstücke auf eines oder einige so viel geboten, daß der Anspruch des Gläubigers gedeckt ist, so wird das Verfahren in Ansehung der übrigen Grundstücke einstweilen eingestellt; die. Einstellung unterbleibt, wenn sie dem berechtigten Interesse des Gläubigers widerspricht. Ist die einstweilige Einstellung erfolgt, so kann der Gläubiger die Fortsetzung des Verfahrens verlangen, wenn er ein berechtigtes Interesse daran hat, insbesondere wenn er im Vertheilungstermine nicht befriedigt worden ist. Beantragt der Gläubiger die Fortsetzung nicht vor dem Ab­ laufe von drei Monaten nach dem Vertheilungstermine, so gilt der Ver­ steigerungsantrag als zurückgenommen.

§ 77. Ist ein Gebot nicht abgegeben oder sind sämmtliche Gebote erloschen, so wird das Verfahren einstweilen eingestellt. Bleibt die Versteigerung in einem zweiten Termine gleichfalls ergebnißlos, so wird das Verfahren aufgehoben. Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Zwangsverwaltung vor, so kann auf Antrag des Gläubigers das Gericht anordnen, daß das Verfahren als Zwangs­ verwaltung fortgesetzt wird. In einem solchen Falle bleiben die Wirkungen der für die Zwangsversteigemng erfolgten Beschlagnahme bestehen; die Vorschrift des § 155 Abs. 1 findet jedoch auf die Kosten der Zwangs­ versteigerung keine Anwendung. § 78. Vorgänge in dem Termine, die für die Entscheidung über den Zuschlag oder für das Recht eines Betheiligten in Betracht kommen, sind durch das Protokoll festzustellen; bleibt streitig, ob oder für welches Gebot der Zuschlag zu ertheilen ist, so ist das Sachverhältniß mit den gestellten Anträgen in das Protokoll aufzunehmen.

VI. Entscheidung über de» Zuschlag. § 79. Bei der Beschlußfassung über den Zuschlag ist das Gericht an eine Entscheidung, die es vorher getroffen hat, nicht gebunden.

§ 80. Vorgänge in dem Versteigerungstermine, die nicht aus dem Protokoll ersichtlich sind, werden bei der Entscheidung über den Zuschlag nicht berücksichtigt. K 81. Der Zuschlag ist dem Meistbietenden zu ertheilen. Hat der Meistbietende das Recht aus dem Meistgebot an einen Anderen abgetreten und dieser die Verpflichtung aus dem Meistgebot über­ nommen, so ist, wenn die Erklärungen im Versteigerungstermin abgegeben oder nachträglich durch öffentlich beglaubigte Urkunden, nachgewiesen werden, der Zuschlag nicht dem Meistbietenden, sondern dem Anderen zu ertheilen.

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XI. Zwangsversteigerungsgesetz.

Erklärt der Meistbietende im Termin oder nachträglich in einer öffentlich beglaubigten Urkunde, daß er für einen Anderen geboten habe, so ist diesem der Zuschlag zu ertheilen, wenn die Vertretungsmacht des Meistbietenden oder die Zustimmung des Anderen entweder bei dem Gericht offenkundig ist oder durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen wird.

Wird der Zuschlag ertheilt, so haften Ersteher als Gesammtschuldner.

der Meistbietende und der

§ 82. In dem Beschlusse, durch welchen der Zuschlag ertheilt wird, sind das Grundstück, der Ersteher, das Gebot und die Versteigerungs­ bedingungen zu bezeichnen; auch ist im Falle des § 61 der Dritte, welcher die Verpflichtung des Erstehers übernommen hat, unter Angabe seiner Schuld für zahlungspflichtig und im Falle des § 81 Abs. 4 der Meist­ bietende für mithaftend zu erllären. 8 83.

Der Zuschlag ist zu versagen:

1. wenn die Vorschrift des § 43 Abs. 2 oder eine der Vorschriften über die Feststellung des geringsten Gebots oder der Versteigerungsbedingungen verletzt ist; 2. wenn bei der Versteigerung mehrerer Grundstücke das Einzelausgebot oder das Gesammtausgebot den Vorschriften des § 63 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 zuwider unterblieben ist;

3. wenn in den Füllen des 8 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 die Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld oder das Recht eines gleich- oder nachstehenden Beteiligten, der dem Gläubiger vorgeht, durch das Gesammtergebniß der Einzelausgebote nicht gedeckt werden; 4. wenn die nach der Aufforderung zur Abgabe von Geboten erfolgte Anmeldung oder Glaubhaftmachung eines Rechtes ohne Beachtung der Vorschrift des § 66 Abs. 2 zurückgewiesen ist;

5. wenn der Zwangsversteigerung oder der Fortsetzung des Verfahrens das Recht eines Betheiligten entgegensteht;

6. wenn dje Zwangsversteigerung oder die Fortsetzung des Verfahrens aus einem sonstigen Grunde unzulässig ist; 7. wenn eine der Vorschriften des § 43 Abs. 1 verletzt ist.

oder des § 73 Abs. 1

8 84. Die im § 83 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Versagungsgründe stehen der Ertheilung des Zuschlags nicht entgegen, wenn das Recht des Betheiligten durch den Zuschlag nicht beeinträchtigt wird oder wenn der Betheiligte das Verfahren genehmigt. Die Genehmigung ist durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde nachzuweisen.

8 85. Der Zuschlag ist zu versagen, wenn vor dem Schluffe der Verhandlung ein Betheiligter, dessen Recht durch den Zuschlag beeinträchtigt werden würde, die Bestimmung eines neuen Versteigerungstermins beantragt und sich zugleich zum Ersätze des durch die Versagung des Zuschlags entstehenden Schadens verpflichtet, auch auf Verlangen eines anderen Betheiligten Sicherheit leistet. Die Vorschriften des 8 67 Abs. 3 Satz 1

Erster Abschn. Zwangsversteigerung u. Zwangsverwaltung von Grundstücken rc.

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und des § 69 finden entsprechende Anwendung. Die Sicherheit ist in Höhe des im Vertheilungsterminc durch Zahlung zu berichtigenden Theiles des bisherigen Meistgebots zu feiste». Die neue Terminsbestimmung ist auch dem Meistbietenden zuzustellen.

Für die weitere Versteigerung gilt das bisherige Meistgebot mit Zinsen von dem durch Zahlung zu berichtigenden Theile des Meistgebots unter Hinzurechnung derjenigen Mehrkosten, welche aus dem Versteigerungs­ erlöse zu entnehmen sind, als ein von dem Betheiligten abgegebenes Gebot. In dem fortgesetzten Verfahren findet die Vorschrift des Abs. 1 keine Anwendung.

§ 86. Die rechtskräftige Versagung des Zuschlags wirkt, wenn die Fortsetzung des Verfahrens zulässig ist, wie eine einstweilige Einstellung, anderenfalls wie die Aufhebung des Verfahrens.

§ 87. Der Beschluß, durch welchen der Zuschlag ertheilt oder ver­ sagt wird, ist in dem Versteigerungstermin oder in einem sofort zu be­ stimmenden Termine zu verkünden. Der Verkündungstermin soll nicht über eine Woche hinaus bestimmt werden. Die Bestimmung des Termins ist zu verkünden und durch An­ heftung an dih Gerichtstafel bekannt zu machen. Sind nachträglich Thatsachen oder Beweismittel vorgebracht, so sollen in dem Verkündüngstermine die anwesenden Betheiligten hierüber gehört werden. 8 88. Der Beschluß, durch welchen der Zuschlag ertheilt wird, ist den Betheiligten, soweit sie weder int Versteigerungstermine noch im Ver­ kündungstermin erschienen sind, und dem Ersteher sowie im Falle des § 61 dem für zahlungspflichtig erklärten Dritten und im Falle des § 81 Abs. 4 dem Meistbietenden zuzustellen. Als Betheiligte gelten auch diejenigen, welche das angemeldete Recht noch glaubhaft zu machen haben. 8 89.

Der Zuschlag wird mit der Verkündung wirksam.

8 90. Durch den Zuschlag wird der Ersteher Eigenthümer des Grundstücks, sofern nicht im Beschwerdewege der Beschluß rechtskräftig auf­ gehoben wird. Mit dem Grundstück erwirbt er zugleich die Gegenstände, auf welche sich die Versteigerung erstreckt hat. 8 91. Durch den Zuschlag erlöschen unter der im § 90 Abs. 1 bestimmten Voraussetzung die Rechte, welche nicht nach den Versteigerungs­ bedingungen bestehen bleiben sollen. Ein Recht an dem Grundstücke bleibt jedoch bestehen, wenn dies zwischen dem Berechtigten und dem Ersteher vereinbart ist und die Er­ klärungen entweder im Vertheilungstermin abgegeben oder, bevor das Grundbuchamt um Berichtigung des Grundbuchs ersucht ist, durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden. Im Falle des Abs. 2 vermindert sich der durch Zahlung zu berich­ tigende Theil des Meistgebots um den Betrag, welcher sonst dem Berech­ tigten gebühren würde. Im Uebrigen wirkt die. Vereinbarung wie die Befriedigung des Berechtigten aus dem Grundstücke.

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XI. Zwangsversteigerungsgesetz

§ 92. Erlischt durch den Zuschlag ein Recht, das nicht auf Zahlung eines Kapitals gerichtet ist, so tritt an die Stelle des Rechtes der Anspruch auf Ersatz des Werthes aus dem Versteigerungserlöse. Der Ersatz für einen Nießbrauch, für eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit sowie für eine Reallast von unbestimmter Dauer ist durch Zahlung einer Geldrente zu leisten, die dem Jahreswerthe des Rechtes gleichkommt. Der Betrag ist für drei Monate vorauszuzahlen. Der Anspruch auf eine fällig gewordene Zahlung verbleibt dem Berechtigten auch dann, wenn das Recht auf die Rente vor dem Ablaufe der bret Monate erlischt. Bei ablösbaren Rechten bestimmt sich der Betrag der Ersatzleistung durch die Ablösungssumme. § 93. Aus dem Beschlusse, durch welchen der Zuschlag ertheilt wird, findet gegen den Besitzer des Grundstücks oder einer mitversteigerten Sache die Zwangsvollstreckung auf Räumung und Herausgabe statt. Die Zwangsvollstreckung soll nicht erfolgen, wenn der Besitzer auf Grund eines Rechtes besitzt, das durch den Zuschlag nicht erloschen ist. Erfolgt gleich­ wohl die Zwangsvollstreckung, so kann der Besitzer nach Maßgabe des § 771 der Civilprozeßordnung Widerspruch erheben. Zum Ersätze von Verwendungen, die vor dem Zuschläge gemacht find, ist der Ersteher nicht verpflichtet.

8 94. Auf Antrag eines Betheiligten, der Befriedigung aus dem Baargebote zu erwarten hat, ist das Grundstück für Rechnung des Erstehers in gerichtliche Verwaltung zu nehmen, solange nicht die Zahlung oder Hinterlegung erfolgt ist. Der Antrag kann schon im Versteigerungs­ termine gestellt werden. Auf die Bestellung des Verwalters sowie aus deffen Rechte und Pflichten finden die Vorschriften über die Zwangsverwaltung entsprechende Anwendung.

VH. Beschwerde. 8 95. Gegen eine Entscheidung, die vor der Beschlußfassung über den Zuschlag erfolgt, kann die Beschwerde nur eingelegt werden, soweit 'die Entscheidung die Anordnung, Aufhebung, einstweilige Einstellung oder Fort­ setzung des Verfahrens betrifft.

8 96. Auf die Beschwerde gegen die Entscheidung über den Zuschlag finden die Vorschriften der Civilprozeßordnung über die sofortige Beschwerde nur insoweit Anwendung, als nicht in den §§ 97 bis 104 ein Anderes vorgeschrieben ist. 8 97. Die Beschwerde steht im Falle der Ertheilung des Zuschlags jedem Betheiligten sowie dem Ersteher und dem für zahlungspflichtig er­ klärten Dritten, im Falle der Versagung dem Gläubiger zu, in beiden Fällen auch dem Bieter, deffen Gebot nicht erloschen ist, sowie demjenigen, welcher nach § 81 an die Stelle des Bieters treten soll. Im Falle des § 9 Nr. 2 genügt es, wenn die Anmeldung und Glaubhaftmachung des Rechtes bei dem Beschwerdegericht erfolgt.

Erster Abschn. Zwangsversteigerung u. Zwangsverwaltung von Grundstücken rc

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§ 98, Die Frist für die Beschwerde gegen einen Beschluß des Vollstreckungsgerichts, durch welchen der Zuschlag versagt wird, beginnt mit der Verkündung des Beschlusses. Das Gleiche gilt im Falle der Ertheilung des Zuschlags für die Betheiligten, welche im Versteigerungs­ termin oder im Verkündungstermin erschienen waren.

K 99. Erachtet das Beschwerdegericht eine Gegenerllärung für er­ forderlich, so hat es zu bestimme», wer als Gegner des Beschwerdeführers zuzuziehen ist. Mehrere Beschwerden sind mit einander zu verbinden. § 100. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß eine der Vorschriften der 88 81, 83 bis 85 verletzt oder daß der Zuschlag unter anderen als den der Versteigerung zu Grunde gelegten Bedingungen ertheilt ist. Auf einen Grund, der nur das Recht eines Anderen betrifft, kann weder die Beschwerde noch ein Antrag auf deren Zurückweisung ge­ stützt werden. Die im § 83 Nr. 6, 7 bezeichneten Versagungsgründe hat das Be­ schwerdegericht von Amtswegen zu berücksichtigen.

§ 101. Wird die Beschwerde für begründet erachtet, so hat das Beschwerdegericht unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses in der Sache selbst zu entscheiden. Wird ein Beschluß, durch welchen der Zuschlag ertheilt ist, auf­ gehoben, auf weitere Beschwerde aber für begründet erachtet, so ist unter Aufhebung des Beschlusses des Beschwerdegerichts die gegen die Ertheilung des Zuschlags erhobene Beschwerde zurückzuweisen. K 102. Hat das Beschwerdegericht den Beschluß, durch welchen der Zuschlag ertheilt war, nach der V'ertheilung des Versteigerungserlöses aufgehoben, so steht die weitere Beschwerde auch denjenigen ju, welchen der Erlös zugetheilt ist.

§ 103. Der Beschluß des Beschwerdegerichts ist, wenn der ange­ fochtene Beschluß aufgehoben oder abgeändert wird, allen Betheiligten und demjenigen Bieter, welchem der Zuschlag verweigert oder ertheilt wird, sowie im Falle des § 61 dem für zahlungspflichtig erklärten Dritten und in den Fällen des § 81 Abs. 2, 3 dem Meistbietenden zuzustellen. Wird dir Beschwerde zurückgewiesen, so erfolgt die Zustellung des Beschlusies nur an den Beschwerdeführer und den zugezogenen Gegner. § 104. Der Beschluß, durch welchen das Beschwerdegericht den Zuschlag ertheilt, wird erst mit der Zustellung an den Ersteher wirksam. VIII. Bertheilung des Erlöses.

K 105. Nach der Ertheilung des Zuschlags hat das Gericht einen Termin zur Vertheilung des Versteigerungserlöses zu bestimmen. Die Terminsbestimmung ist den Betheiligten und dem Ersteher sowie im Falle des § 61 dem für zahlungspflichtig erklärten Dritten und in den Fällen des § 81 Abs. 2, 3 dem Meistbietenden zuzustellen. Als

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XI ZwangSversteigerungsgeseh.

Betheiligte gelten auch diejenigen, welche das angemeldete Recht noch glaubhaft zu machen haben. Die Terminsbeftimmung soll an die Gerichtstafel angehestet werden. Ist die Terminsbestimmung dem Ersteher und im Falle des § 61 auch dem für zahlungspflichtig erklärten Dritten sowie in den Fällen des § 81 Abs. 2, 3 auch dem Meistbietenden nicht zwei Wochen vor dem Termine zugestellt, so ist der Termin aufzuheben und von neuem zu be­ stimmen, sofern nicht das Verfahren genehmigt wird.

§ 106. Zur Vorbereitung des Vertheilungsverfahrens kann das Gericht in der Terminsbestimmung die Betheiligten auffordern, binnen zwei Wochen eine Berechnung ihrer Ansprüche einzureichen. In diesem Falle hat das Gericht nach dem Ablaufe der Frist den Theilungsplan an­ zufertigen und ihn spätestens drei Tage vor dem Termin auf der Gerichts­ schreiberei zur Einsicht der Betheiligten niederzulegen. 8 107. In dem Vertheilungstermin ist festzustellen, wieviel die zu vertheilende- Maffe beträgt. Zu der Maffe gehört auch der Erlös aus denjenigen Gegenständen, welche im Falle des 8 65 besonders versteigert oder anderweit verwerthet sind. Die von dem Ersteher im Termine zu leistende Zahlung erfolgt an Las Gericht. Ein Geldbetrag, der zur Sicherheit für das Gebot des Erstehers hinterlegt ist, gilt als gezahlt.

8 108. Soweit das Baargebot nicht berichtigt wird, hat das Gericht, wenn Werthpapiere zur Sicherheit für das Gebot des Erstehers hinterlegt sind, die Veräußerung der Papiere nach Maßgabe der Vorschriften über die Zwangsvollstreckung anzuordnen. Der Erlös ist nach Anordnung des Gerichts auszuzahlen oder zu hinterlegen. Ist der Beschluß, durch welchen der Zuschlag ertheilt wird, noch nicht rechtskräftig, so soll auf Antrag desjenigen, welcher die Sicherheit geleistet hat, die Veräußerung bis zur Rechtskraft ausgesetzt werden. 8 109. Aus dem Versteigerungserlöse sind die Kosten des Ver­ fahrens vorweg zu entnehmen, mit Ausnahme der durch die Anordnüng des Verfahrens oder den Beitritt eines Gläubigers, durch den Zuschlag oder durch nachträgliche Vertheilungsverhandlungen entstehenden Kosten. Der Ueberschuß wird auf die Rechte, welche durch Zahlung zu decken sind, vertheilt. 8 HO. Rechte, die ungeachtet der im 8 37 Nr. 4 bestimmten Aufforderung nicht rechtzeitig angemeldet oder glaubhaft gemacht worden sind, stehen bei der Vertheilung den übrigen Rechten nach. 8 Hl Ein betagter Anspruch gilt als fällig. Ist der Anspruch unverzinslich, so gebührt dem Berechtigten nur die Summe, welche mit Hinzurechnung der gesetzlichen Zinsen für die Zeit von der Zahlung bis zur Fälligkeit dem Betrage des Anspruchs gleichkommt; solange die Zeit der Fälligkeit ungewiß ist, gilt der Anspruch als aufschiebend bedingt.

Erster Abschn. Zwangsversteigerung u Zwangsverwaltung von Grundstücken w.

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§ 112. Ist bei der Versteigerung mehrerer Grundstücke der Zuschlag auf Grund eines Gesanimtausgebots ertheilt und wird eine Vertheilung des Erlöses auf die einzelnen Grundstücke nothwendig, so wird aus dem Erlöse zunächst der Betrag entnommen, welcher zur Deckung der Kosten sowie zur Befriedigung derjenigen bei der Feststellung' des geringsten Gebots berücksichtigten und durch Zahlung zu deckenden Rechte erforderlich ist, für welche die Grundstücke ««getheilt haften. Der Ueberschuß wird auf die einzelnen Grundstücke nach dem Ver­ hältnisse des Werthes der Grundstücke vertheilt. Dem Ueberschuste wird der Betrag der Rechte, welche nach § 91 nicht erlöschen, hinzugerechnet. Auf den einem Grundstücke zufallenden Antheil am Erlöse wird der Betrag der Rechte, welche an diesem Grundstücke bestehen bleiben, angerechnet. Besteht ein solches Recht an mehreren der versteigerten Grundstücke, so ist bei jedem von ihnen nur ein dem Verhältnisse des Werthes der Grund­ stücke entsprechender Theilbetrag in Anrechnung zu bringen. Reicht der nach Abs. 2 auf das einzelne Grundstück entfallende Antheil am Erlöse nicht zur Befriedigung derjenigen Ansprüche aus, welche nach Maßgabe des geringsten Gebots durch Zahlung zu berichtigen sind oder welche durch das bei dem Einzelausgebote für das Grundstück erzielte Meistgebot gedeckt werden, so erhöht sich der Antheil um den Fehlbetrag. § 113. In dem Vertheilungstermine wird nach Anhörung der anwesenden Bethelligten von dem Gerichte, nöthigenfalls mit Hülfe eines Rechnungsverständigen, der Theilungsplan aufgestellt. In dem Plane sind auch die nach § 91 nicht erlöschenden Rechte anzugeben.

8 114. In den Theilungsplan sind Ansprüche, soweit ihr Betrag oder ihr Höchstbetrag zur Zeit der Eintragung des Versteigerungsvermerkes aus dem Grundbuch ersichtlich war, nach dem Inhalte des Buches, im Uebrigen nur dann aufzunehmen, wenn sie spätestens in dem Termin angemeldet sind. Die Ansprüche des Gläubigers gelten als angemeldet, soweit sie sich aus dem Versteigerungsantrag ergeben. Laufende Beträge wiederkehrender Leistungen, die nach dem Inhalte des Grundbuchs zu entrichten sind, brauchen nicht angemeldet zu werden. 8 115. Ueber den Theilungsplan wird sofort verhandelt. Auf die Verhandlung sowie auf die Erledigung erhobener Widersprüche und die Ausführung des Planes finden die §§ 876 bis 882 der Civilprozeßordnung entsprechende Anwendung. Ist ein vor dem Termin angemeldeter Anspruch nicht nach dem Antrag in den Plan ausgenommen, so gilt die Anmeldung als Widerspruch gegen den Plan. Der Widerspruch des Schuldners gegen einen vollstreckbaren Anspruch wird nach den §§ 767, 769, 770 der Civilprozeßordnung erledigt. Soweit der Schuldner durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung die Befriedigung eines solchen Anspruchs abwenden darf, unterbleibt die Ausführung des Planes, wenn die Sicherheit geleistet oder die Hinterlegung erfolgt ist. Bürgerlicher Gesetzbuch und Nebengesetze.

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XI

Zwangsversteigerungsgesetz.

§ 116. Die Ausführung des Theilungsplans soll bis zur Rechts­ kraft des Zuschlags ausgesetzt werden, wenn der Ersteher oder im Falle des § 61 der für zahlungspflichtig erklärte Dritte sowie in den Fällen des § 81 Abs. 2, 3 der Meistbietende die Aussetzung beantragt. § 117. Soweit der Versteigerungserlös in Geld vorhanden ist, wird der Theilungsplan durch Zahlung an die Berechtigten ausgesührt. Die Auszahlung an einen im Termine nicht erschienenen Berechtigten ist von Amtswegen anzuordnen. Die Art der Auszahlung bestimmt sich nach den Landesgesetzen. Kann die Auszahlung nicht erfolgen, so ist der Betrag für den Berechtigten zu hinterlegen. Im Falle der Hinterlegung des Erlöses kann statt der Zahlung eine Anweisung aus den hinterlegten Betrag ertheilt werden.

§ 118. Soweit das Baargebot nicht berichtigt wird, ist der Theilungs­ plan dadurch auszuführen, daß die Forderung gegen den Ersteher auf die Berechtigten übertragen wird; die Uebertragung erfolgt durch Anordnung des Gerichts. Das Gleiche gilt, soweit Zahlungsfristen festgesetzt worden sind. Die Uebertragung wirkt wie die Befriedigung aus dem Grundstücke. Diese Wirkung tritt jedoch im Falle des Abs. 1 Satz 1 nicht ein, wenn vor dem Ablaufe von drei Monaten der Berechtigte dem Gerichte gegen­ über den Verzicht auf die Rechte aus der Uebertragung erklärt oder die Zwangsversteigerung beantragt. Wird der Antrag auf Zwangsversteigerung zurückgenommen oder das Verfahren nach § 31 Abs. 2 aufgehoben, so gilt er als nicht gestellt. Im Falle des Verzichts soll das Gericht die Erklärung dem Ersteher sowie demjenigen mittheilen, auf welchen die Forderung in Folge des Verzichts übergeht. § 119. Wird aus einen bedingten Anspruch ein Betrag zugetheilt, so ist durch den Theilungsplan festzustellen, wie der Betrag anderweit vertheilt werden soll, wenn der Anspruch wcgfällt. § 120. Ist der Anspruch aufschiebend bedingt, so ist der Betrag für die Berechtigten zu hinterlegen.- Soweit der Betrag nicht gezahlt ist, wird die Forderung gegen den Ersteher auf die Berechtigten .übertragen. Die Hinterlegung sowie die Uebertragung erfolgt für jeden unter der ent­ sprechenden Bedingung. Während der Schwebezeit gelten für die Anlegung des hinterlegten Geldes, für die Kündigung und Einziehung der übertragenen Forderung sowie für die Anlegung des eingezogenen Geldes die Vorschriften der §§ 1077 bis 1079 des Bürgerlichen Gesetzbuchs; die Art der Anlegung bestimmt derjenige, welchem der Betrag gebührt, wenn die Bedingung ausfällt.

§ 121. In den Fällen des § 92 Abs. 2 ist für den Ersatzanspruch in den Theilungsplan ein Betrag aufzunehmen, welcher der Summe aller künftigen Leistungen gleichkommt, den fünsundzwanzigsachen Betrag einer Jahresleistung jedoch nicht übersteigt; zugleich ist zu bestimmen, daß aus den Zinsen und dem Betrage selbst die einzelnen Leistungen zur Zeit der Fälligkeit zu entnehmen sind. Die Vorschriften der §§ 119,120 finden entsprechende Anwendung; die Art der Anlegung des Geldes bestimmt der zunächst Berechtigte.

Erster Abschn. Zwangsversteigerung u. Zwangsverwaltung von Grundstücken rc.

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§ 122. Sind mehrere für den Anspruch eines Betheiligten haftende Grundstücke in demselben Verfahren versteigert worden, so ist, unbeschadet der Vorschrift des § 1132 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, bei jedem einzelnen Grundstücke nur ein nach dem Verhältnisse der Erlöse zu bestimmender Betrag in den Thcilungsplan aufzunehmen. Der Erlös wird unter Abzug des Betrags der Ansprüche berechnet, welche dem Ansprüche des Betheiligten vorgehen. Unterbleibt die Zahlung eines auf den Anspruch des Betheiligten zugetheilten Betrags, so ist der Anspruch bei jedem Grundstück in Höhe dieses Betrags in den Plan aufzunehmen. § 123. Soweit auf einen Anspruch, für den auch ein anderes Grundstück haftet, der zugetheilte Betrag nicht gezahlt wird, ist durch den Theilungsplan festzustellen, wie der Betrag anderweit vertheilt werden soll, wenn das Recht auf Befriedigung aus dem zugetheilten Betrage nach Maß­ gabe der besonderen Vorschriften über die Gesammthypothek erlischt. Die Zutheilung ist dadurch auszuführen, daß die Forderung gegen den Ersteher unter der entsprechenden Bedingung übertragen wird. § 124. Im Falle eines Widerspruchs gegen den Theilungsplan ist durch den Plan festzustellen, wie der streitige Betrag vertheilt werden soll, wenn der Widerspruch für begründet erklärt wird. Die Vorschriften des § 120 finden entsprechende Anwendung; die Art der Anlegung bestimmt derjenige, welcher den Anspruch geltend macht. Das Gleiche gilt, soweit nach § 115 Abs. 4 die Ausführung des Planes unterbleibt. § 125. Hat der Ersteher außer dem durch Zahlung zu berich­ tigenden Theile des Meistgebots einen weiteren Betrag nach den §§ 50, 51 zu zahlen, so ist durch den Theilungsplan festzustellen, wem dieser Betrag zugetheilt werden soll. Die Zutheilung ist dadurch auszuführen, daß die Forderung gegen den Ersteher übertragen wird. Ist ungewiß oder streitig, ob der weitere Betrag zu zahlen ist, so erfolgt die Zutheilung und Ueßertragung unter der entsprechenden Bedingung. Die §§ 878 bis 882 der Civilprozeßordnung finden keine Anwendung. Die Uebertragung hat nicht die Wirkung der Befriedigung aus dem Grundstücke. § 126. Ist für einen zugetheilten Betrag die Person des Be­ rechtigten unbekannt, insbesondere bei einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld der Brus nicht vorgelegt, so ist durch den Theilungsplau festzustellen, wie der Betrag vertheilt werden soll, wenn der Berechtigte nicht ermittelt wird. Der Betrag ist für den unbekannten Berechtigten zu hinterlegen. Soweit der Betrag nicht gezahlt wird, ist die Forderung gegen den Er­ steher auf den Berechtigten zu übertragen.

§ 127. Wird der Brief über eine in Folge der Versteigerung erloschene Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld vorgelegt, so hat das Gericht ihn unbrauchbar zu machen. Ist das Recht nur zum Theil 43*

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XI Zwangsversteigerungsgesetz.

erloschen, so ist dies auf dem Briefe zu vermerken. Wird der Brief nityl vorgelegt, so kann das Gericht ihn von dem Berechtigten einfordern. Im Falle der Vorlegung eines vollstreckbaren Titels über einen Anspruch, auf welchen ein Betrag zugetheilt wird, hat das Gericht auf dem Titel zu vermerken, in welchem Umfange der Betrag durch Zahlung, Hinterlegung oder Uebertragung gedeckt worden ist. Der Wortlaut der Vermerke ist durch das Protokoll festzustellen,

§ 128. Soweit für einen Anspruch die Forderung gegen den Ersteher übertragen wird, ist für die Forderung eine Sicherungshypothek an dem Grundstücke mit dem Range des Anspruchs einzutragen. War das Recht, aus welchem der Anspruch herrührt, nach dem Inhalte des Grund­ buchs mit dem Rechte eines Dritten belastet, so wird dieses Recht als Recht an der Forderung miteingetragen. Soweit die Forderung gegen den Ersteher unvertheilt bleibt, wird eine Sicherungshypothek für denjenigen eingetragen, welcher zur Zeit des Zuschlags Eigenthümer des Grundstücks war. Mit der Eintragung entsteht die Hypothek. Vereinigt sich die Hypothek mit dem Eigenthum in einer Person, so kann sie nicht zum Nachtheil eines Rechtes, das bestehen geblieben ist, oder einer nach Abs. 1,2 eingetragenen Sicherungshypothek geltend gemacht werden. Wird das Grundstück von neuem versteigert, so ist der zur Deckung der Hypothek erforderliche Betrag baar zu berichtigen.

K 129. Die Sicherungshypothek für die im 8 10 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Ansprüche, für die im § 10 Nr. 4 bezeichneten Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen und für die im 8 10 Abs. 2 bezeichneten Kosten kann nicht zum Nachtheile der Rechte, welche bestehen geblieben sind, und der übrigen nach 8 128 Abs. 1, 2 eingetragenen Sicherungshypotheken geltend gemacht werden, es sei denn, daß vor dem Ablaufe von sechs Monaten nach der Eintragung derjenige, welchem die Hypothek zusteht, die Zwangsversteigerung des Grundstücks beantragt. Wird der Antrag auf Zwangsversteigerung zurückgenommen oder das Verfahren nach 8 31 Abs. 2 aufgehoben, so gilt er als nicht gestellt. § 130. Ist der Theilungsplan ausgeführt und der Zuschlag rechts­ kräftig, so ist das Grundbuchamt zu ersuchen, den Ersteher als Eigenthümer einzutragen, den Versteigerungsvermerk sowie die durch den Zuschlag er­ loschenen Rechte zu löschen und die Eintragung der Sicherungshypotheken für die Forderung gegen den Ersteher zu bewirken. Bei der Eintragung der Hypotheken soll im Grundbuch ersichtlich gemacht werden, daß sie auf Grund eines Zwangsversteigerungsverfahrens erfolgt ist. Ergiebt sich, daß ein bei der Feststellung des geringsten Gebots be­ rücksichtigtes Recht nicht zur Entstehung gelangt oder daß es erloschen ist, so ist das Ersuchen auch auf die Löschung dieses Rechtes zu richten.

Hat der Ersteher, bevor er als Eigenthümer eingetragen worden ist, die Eintragung eines Rechtes an dem versteigerten Grundstücke bewilligt, so darf die Eintragung nicht vor der Erledigung des im Abs. 1 bezeichneten Ersuchens erfolgen.

Erster Abschn. Zwangsversteigerung u Zwangsverwaltung von Grundstücken rc.

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§ 131. In den Fällen des § 130 Abs. 1 ist zur Löschung einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld, im Falle des § 128 zur Eintragung des Vorranges einer Sicherungshypothek die Vorlegung des über das Recht ertheilten Briefes nicht erforderlich. § 132. Nach der Ausführung des Theilungsplans ist die For­ derung gegen den Ersteher und im Falle des § 81 Abs. 4 auch gegen den für mithaftend erklärten Meistbietenden, der Anspruch aus der Sicherungs­ hypothek gegen den Ersteher und jeden späteren Eigenthümer vollstreckbar. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, soweit der Ersteher einen weiterm Betrag nach den §§ 50, 51 zu zahlen hat. Die Zwangsvollstreckung erfolgt auf Grund einer vollstreckbaren Aus­ fertigung des Beschlusses, durch welchen der Zuschlag ertheilt ist. In der Vollstreckungsklausel ist der Berechtigte sowie der Betrag der Forderung anzugeben; der Zustellung einer Urkunde über die Uebertragung der For­ derung bedarf es nicht. § 133. Die Zwangsvollstreckung in das Grundstück ist gegen den Ersteher ohne Zustellung des vollstreckbaren Titels oder der nach § 132 ertheilten Vollstreckungsklausel zulässig; sie kann erfolgen, auch wenn der Ersteher noch nicht als Eigenthümer eingetragen ist. Der Vorlegung des im § 17 Abs. 2 bezeichneten Zeugnisses bedarf es nicht, solange das Grund­ buchamt noch nicht um die Eintragung ersucht ist. K 134. Im Falle des 8 61 tritt für das Vertheilungsverfehren an die Stelle der Forderung gegen den Ersteher die Forderung gegen den für zahlungspflichtig erklärten Dritten. Wird von dem Dritten die ihm obliegende Zahlung im Vertheilungstermine bewirkt, so' ist für seine Forderung gegen den Ersteher eine Sicherungshypothek an dem versteigerten Grundstück einzutragen. Auf die Hypothek finden die Vorschriften des § 128 Abs. 3 Satz 1, des § 130 Abs. 1 und des § 132 entsprechende Anwendung.

§ 135. Ist für einen zugetheilten Betrag die Person des Berechtigten unbekannt, so hat das Vollstreckungsgericht zur Ermittelung des Berechtigten einen Vertreter zu bestellen. Die Vorschriften des § 7 Abs. 2 finden entsprechende Anwendung. Die Auslagen und Gebühren des Vertreters sind aus dem zugetheilten Betrage vorweg zu entnehmen. § 136. Ist der Nachweis des Berechtigten von der Beibringung des Briefes über eine Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld abhängig, so kann der Brief im Wege des Aufgebotsverfahrens auch dann für kraftlos erklärt werden, wenn das Recht bereits gelöscht ist. § 137. Wird der Berechtigte nachträglich ermittelt, so ist der Theilungsplan weiter auszuführen. Liegt ein Widerspruch gegen den Anspruch vor, so ist derjenige, welcher den Widerspruch erhoben hat, von der Ermittelung des Berechtigten zu benachrichtigen. Die im § 878 der Zivilprozeßordnung bestimmte Frist zur Erhebung der Klage beginnt mit der Zustellung der Benachrichtigung.

§ 138. Wird der Berechtigte nicht vor dem Ablaufe von drei Monaten seit dem Vertheilungstermin ermittelt, so hat auf Antrag das Gericht den

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XI Zwangsverstelgerungsgesetz

Betheiligten, welchem der Betrag anderweit zugetheilt ist, zu ermächtigen, das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Ausschließung des unbekannten Berech­ tigten von der Befriedigung aus dem zugetheilten Betrage zu beantragen. Wird nach der Ertheilung der Ermächtigung der Berechtigte ermittelt, so hat das Gericht den Ermächtigten hiervon zu benachrichtigen. Mit der Benachrichtigung erlischt die Ermächtigung.

§ 139. Das Gericht kann im Falle der nachträglichen Ermittelung des Berechtigten zur weiteren Ausführung des Theilungsplans einen Termin bestimmen. Die Terminsbestimmung ist dem Berechtigten und dessen Vertreter, dem Betheiligten, welchem der Betrag anderweit zugetheilt ist, und demjenigen zuzustellen, welcher zur Zeit des Zuschlags Eigenthümer des Grundstücks war. Liegt ein Widerspruch gegen den Anspruch vor, so erfolgt die Zustellung der Terminsbestimmung auch an denjenigen, welcher den Widerspruch erhoben hat. Die im § 878 der Civilprozeßordnung bestimmte Frist zur Erhebung der Klage beginnt mit dem Termine. § 140. Für das Aufgebotsverfahren ist das Vollstreckungsgericht zuständig. Der Antragsteller hat zur Begründung des Antrags die ihm bekannten Rechtsnachfolger desjenigen anzugeben, welcher als letzter Berechtigter ermittelt ist. In dem Aufgebot ist der unbekannte Berechtigte aufzufordern, sein Recht spätestens im Aufgebotstermin anzumelden, widrigenfalls seine Ausschließung von der Befriedigung aus dem zugetheilten Betrag erfolgen werde. DaS Aufgebot ist demjenigen, welcher als letzter Berechtigter ermittelt ist, den angezeigten Rechtsnachfolgern sowie dem Vertreter des unbekannten Berechtigten zuzustellen. Eine im Vollstreckungsversahren erfolgte Anmeldung gilt auch für das Aufgebotsverfahren. Der Antragsteller taun die Erstattung der Kosten des Verfahrens aus dem zugetheilten Betrage verlangen. § 141. Nach der Erlassung des Ausfchülßurtheils hat das Gericht einen Termin zur weiteren Ausführung des Theilungsplans zu bestimmen. Die Terminsbestimmung ist dem Antragsteller und den Personen, welchen Rechte in dem Urtheile vorbehalten sind, dem Vertreter des unbekannten Berechtigten sowie demjenigen zuzustellen, welcher zur Zeit des Zuschlags Eigenthümer des Grundstücks war. § 142. In den Fällen des § 117 Abs. 2 und der §§ 120, 121, 124, 126 erlöschen die Rechte auf den hinterlegten Betrag mit dem Ablaufe von dreißig Jahren, wenn nicht der Empfangsberechtigte sich vorher bei der Hinterlegungsstelle meldet; derjenige, welcher zur Zeit des Zuschlags Eigenthümer des Grundstücks war, ist zur Erhebung berechtigt. Die dreißigjährige Frist beginnt mit der Hinterlegung, in den Fällen der § 120, 121 mit dem Eintritte der Bedingung, unter welcher die Hinterlegung erfolgt ist.

Erster Abschn. Zwangsversteigerung u. Zwangsverwaltung von Grundstücken ic.

679

§ 143. Die Verkeilung des Dersteigerungserlöses durch das Gericht findet nicht statt, wenn dem Gerichte durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird, daß sich die Betheiligten über die Dertheilung des Erlöses geeinigt haben. § 144. Weist der Ersteher oder im Falle des § 61 der für zahlungspflichtig erklärte Dritte dem Gerichte durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nach, daß er diejenigen Berechtigten, deren Ansprüche durch das Gebot gedeckt sind, befriedigt hat oder daß er von ihnen als alleiniger Schuldner angenommen ist, so sind auf Anordnung des Gerichts die Urkunden nebst der Erklärung des Erstehers oder des Dritten zur Einsicht der Betheiligten auf der Gerichtsschreiberei nieder­ zulegen. Die Betheiligten sind von der Niederlegung zu benachrichtigen und aufzufordern, Erinnerungen binnen zwei Wochen geltend zu machen. Werden Erinnerungen nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist er­ hoben, so beschränkt sich das Vertheilungsverfahren auf die Vertheilung des Erlöses aus denjenigen Gegenständen, welche im Falle des § 65 be­ sonders versteigert oder anderweit verwerthet worden sind.

§ 145. Die Vorschriften des § 105 Abs. 2 Satz 2 und der 88 127, 130 bis 134 finden in den Fällen der 83 143,144 entsprechende Anwendung. Dritter Titel.

Zwangsverwaltung. § 146. Auf die Anordnung der Zwangsverwaltung finden die Vorschriften über die Anordnung der Zwangsversteigerung entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus den 88 147 bis 151 ein Anderes ergiebt. Von der Anordnung sind nach dem Eingänge der im 819 Abs. 2 bezeich­ neten Mittheilungen des Grundbuchamts die Betheiligten zu benachrichtigen. § 147. Wegen des Anspruchs aus einem eingetragenen Rechte findet die Zwangsverwaltung auch dann statt, wenn die Voraussetzungen des 8 17 Abs. 1 nicht vorliegen, der Schuldner aber das Grundstück im Eigenbesitze hat. Der Besitz ist durch Urkunden glaubhaft zu machen, sofern er nicht bei dem Gericht offenkundig ist.

§ 148. Die Beschlagnahme des Grundstücks umfaßt auch die im 8 21 Abs. 1, 2 bezeichneten Gegenstände. Die Vorschrift des 8 23 Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Durch die Beschlagnahme wird dem Schuldner die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen. § 149. Wohnt der Schuldner zur Zeit der Beschlagnahme auf dem Grundstücke, so sind ihm die für seinen Hausstand unentbehrlichen Räume zu belassen. Gefährdet der Schuldner oder ein Mitglied seines Hausstandes das Grundstück oder die Verwaltung, so hat auf Antrag das Gericht dem Schuldner die Räumung des Grundstücks aufzugeben.

680

XI Zwangsversteigerungsgesetz.

§ 150.

Der Verwalter wird von dem Gerichte bestellt.

Das Gericht hat dem Verwalter durch einen Gerichtsvollzieher oder durch einen sonstigen Beamten das Grundstück zu übergeben oder ihm die Ermächtigung zu ertheilen, sich selbst den Besitz zu verschaffen.

§ 151. Die Beschlagnahme wird auch dadurch wirksam, daß der Verwalter nach § 150 den Besitz des Grundstücks erlangt. Der Beschluß, durch welchen der Beitritt eines Gläubigers zugelassen wird, soll dem Verwalter zugestellt werden; die Beschlagnahme wird zu Gunsten des Gläubigers auch mit dieser Zustellung wirksam, wenn der Verwalter sich bereits im Besitze des Grundstücks befindet. Das Zahlungsverbot an den Drittschuldner ist auch auf Antrag des Verwalters zu erfassen.

§ 152. Der Verwalter hat das Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirthschaftlichen Bestände zu erhalten und ordnungsmäßig zu be­ nutzen; er hat die Ansprüche, auf welche sich die Beschlagnahme erstreckt, geltend zu machen und die für die Verwaltung entbehrlichen Nutzungen in Geld umzusetzen. Ist das Grundstück vor der Beschlagnahme einem Miether oder Pächter überlassen, so ist der Mieth- oder Pachtvertrag auch dem Ver­ walter gegenüber wirksam.

§ 153. Das Gericht hat den Verwalter nach Anhörung des Gläubigers und des Schuldners mit der erforderlichen Anweisung für die Verwaltung zu versehen, die dem Verwalter zu gewährende Vergütung festzusetzen und die Geschäftsführung zu beaufsichtigen • in geeigneten Fällen ist ein Sachverständiger zuzuziehen. Das Gericht kann dem Verwalter die Leistung einer Sicherheit auserlegen, gegen ihn Ordnungsstrafen bis zu zweihundert Mark verhängen und ihn entlassen.

§ 154. Der Verwalter ist für die Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen allen Betheiligten gegenüber verantwortlich. Er hat dem Gläubiger und dem Schuldner jährlich und nach der Beendigung der Verwaltung Rechnung zu legen. Die Rechnung ist dem Gericht einzu­ reichen und von diesem dem Gläubiger und dem Schuldner vorzulegen. § 155. Aus den Nutzungen des Grundstücks sind die Ausgaben der Verwaltung sowie die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme derjenigen, welche durch die Anordnung des Verfahrens oder den Beitritt eines Gläubigers entstehen, vorweg zu bestreiten.

Die Ueberschüsse werden auf die im § 10 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Ansprüche vertheilt, aus die Ansprüche der zweiten, dritten und vierten Klaffe jedoch nur insoweit, als laufende Beträge wiederkehrender Leistungen zu berichtigen sind.

§ 150.

Die laufenden Beträge der öffentlichen Lasten sind von

dem Verwalter ohne weiteres Verfahren zu berichtigen.

Erster Abschn. Zwangsversteigerung u. Zwangsverwaltung von Grundstücken rc.

681

Ist zu erwarten, daß auch auf andere Ansprüche Zahlungen geleistet werden können, so wird nach dem Eingänge der im § 19 Ws. 2 bezeich­ neten Mittheilungen des Grundbuchamts der Vertheilungstermin bestimmt. In dem Termine wird der Theilungsplan für die ganze Dauer des Ver­ fahrens aufgestellt. Die Terminsbestimmung ist den Betheiligten sowie dem Verwalter zuzustellen. Die Vorschriften des § 105 Ws. 2 Satz 2, des 8 113 Ws. 1 und der §§ 114, 115, 124, 126 finden entsprechende Anwendung.

§ 157. Nach der Feststellung des Theilungsplans hat das Gericht die planmäßige Zahlung der Beträge an die Berechtigten anzuordnen; die Anordnung ist zu ergänzen, wenn nachträglich der Beitritt eines Gläubigers zugelassen wird. Die Auszahlungen erfolgen zur Zeit ihrer Fälligkeit durch den Verwalter, soweit die Bestände hinreichen. Im Falle der Hinterlegung eines zugetheilten Betrags für den un­ bekannten Berechtigten ist nach den Vorschriften der 88 135 bis 141 zu verfahren. Die Vorschriften des 8 142 finden Anwendung. § 158. Zur Leistung von Zahlungen auf das Kapital einer Hypothek oder Grundschuld oder aus die Ablösungssumme einer Renten­ schuld hat das Gericht einen Termin zu bestimmen. Die Terminsbestimmung ist von dem Verwalter zu beantragen. Soweit der Berechtigte Beftiedigung erlangt hat, ist das Grundbuch­ amt von dem Gericht um die Löschung des Rechtes zu ersuchen. Eine Ausfertigung des Protokolls ist beizusügen; die Vorlegung des über das Recht ertheilten Briefes ist zur Löschung nicht erforderlich. Im Uebrigen finden die Vorschriften der 88 117, 127 entsprechende Anwendung. § 159. Jeder Betheiligte kann eine Aenderung des Theilungs­ plans im Wege der Klage erwirken, auch wenn er Widerspruch gegen den Plan nicht erhoben hat. Eine planmäßig geleistete Zahlung kann auf Grund einer späteren Aenderung des Planes nicht zurückgefordert werden.

§ 160. Die Vorschriften der 88 143 bis 145 über die außer­ gerichtliche Vertheilung finden entsprechende Anwendung. § 161. Die Aufhebung des Verfahrens erfolgt durch Beschluß des Gerichts. Das Verfahren ist aufzuheben, wenn der Gläubiger befriedigt ist. Das Gericht kann die Aufhebung anordnen, wenn die Fortsetzung des Verfahrens besondere Aufwendungen erfordert und der Gläubiger den nöthigen Geldbetrag nicht vorschießt. Im Uebrigen finden auf die Aufhebung des Verfahrens die Vor­ schriften der 88 28, 29, 32, 34 entsprechende Anwendung.

682

XI Zwangsversteigerungsgesetz.

Zweiter Abschnitt.

LivsngKbersteigerung von Schiffen im Wege der LiuangSboHstrectzung. § 162. Auf die Zwangsversteigerung eines im Schiffsregister ein­ getragenen Schiffes finden die Vorschriften des ersten Abschnitts ent­ sprechende Anwendung, soweit sich nicht aus den §§ 163 bis 170 ein Anderes ergiebt. § 163. Als Vollstreckungsgericht ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirke sich das Schiff befindet. Für das Verfahren tritt an die Stelle des Grundbuchs das Schiffsregister. Die Berufsgenossenschaft für die Unfallversicherung und die Ver­ sicherungsanstalt für die Jnvaliditäts- und Altersversicherung gelten als Betheiligte, auch wenn sie eine Forderung nicht angemeldet haben.

§ 164. Die Zwangsversteigerung darf, soweit sich nicht aus dm Vorschriften des Handelsgesetzbuchs oder des Gesetzes, betreffend die privat­ rechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, ein Anderes ergiebt, nur an­ geordnet werden, wenn der Schuldner das Schiff im Eigenbesitze hat. Die hiernach zur Begründung des Antrags auf Zwangsversteigerung er­ forderlichen Thatsachen sind durch Urkunden glaubhaft zu machen, soweit sie nicht bei dem Gericht offenkundig sind. Dem Antrag auf Zwangs­ versteigerung ist ein Zeugniß der Registerbehörde über die Eintragung des Schiffes in das Schiffsregister beizufügen.

§ 165. Bei der Anordnung der Zwangsversteigerung hat das Gericht zugleich die Bewachung und Verwahrung des Schiffes anzuordnen. Die Beschlagnahme wird auch mit der Vollziehung dieser Anordnung wirksam.

§ 166. Ist gegen den Schiffer auf Grund eines vollstreckbaren Titels, der auch gegenüber dem Rheder oder Schiffseigner wirksam ist, das Verfahren angeordnet, so wirkt die Beschlagnahme zugleich gegen den Rheder oder Schiffseigner. Der Schiffer gilt in diesem Falle als Betheiligter nur so lange, als er das Schiff führt; ein neuer Schiffer gilt als Betheiligter, wenn er sich bei dem Gerichte meldet und seine Angabe auf Verlangen des Gerichts oder eines Betheiligten glaubhaft macht.

§ 167. Die Bezeichnung des Schiffes in der Bestimmung des Versteigerungstermins soll nach dem Schiffsregister erfolgen. Die Terminsbestimmung muß die Aufforderung an die Schiffs­ gläubiger und die sonstigen Berechtigten enthalten, ihre Rechte, soweit sie zur Zeit der Eintragung des Versteigerungsvermerkes aus dem Schiffs­ register nicht ersichtlich waren, spätestens im Vertheilungstermin anzumelden, widrigenfalls die Rechte bei der Vertheilung des Dersteigerungserlöses nicht berücksichtigt werden würden.

Dritter Abschn. Zwangsversteigerung u. Zwangsverwaltung in besonderen Fällen. 683

§ 168. Befindet sich der Heimathshafen oder Heimathsort des Schiffes in dem Bezirk eines anderen Gerichts, so soll die Terminsbestimmung auch durch das für Bekanntmachungen dieses Gerichts bestimmte Statt bekannt gemacht werden. Die im § 39 Abs. 2 vorgesehene Anordnung ist unzulässig.

§ 169. Die Vorschriften über das geringste Gebot finden keine Anwendung. Das Meistgebot ist in seinem ganzen Betrage durch Zahlung zu berichtigen. Soweit die Berichtigung nicht im Vertheilungstermin erfolgt, ist für die Forderung gegen den Ersteher ein Pfandrecht an dem Schiffe in das Schiffsregister einzutragen. Das Pfandrecht entsteht mit der Eintragung, auch wenn der Ersteher das Schiff inzwischen veräußert hat. Im Uebrigen finden die Borschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über das durch Rechts­ geschäft bestellte Pfandrecht an einem Schiffe Anwendung. § 170. An die Stelle der nach § 94 Abs. 1 zulässigen Verwaltung tritt die gerichtliche Bewachung und Verwahrung des versteigerten Schiffes. Das Gericht hat die getroffenen Maßregeln aufzuheben, wenn der zu ihrer Fortsetzung erforderliche Geldbetrag nicht vorgeschoffen wird. § 171. Auf die Zwangsversteigerung eines ausländischen Schiffes, das, wenn es ein deutsches Schiff wäre, in das Schiffsregister eingetragen werden müßte, finden die Vorschriften der §§ 162 bis 167, 169, 170 insoweit Anwendung, als sie nicht die Eintragung in das Schiffsregister voraussetzen. Die Terminsbestimmung soll, soweit es ohne erhebliche Verzögerung des Verfahrens thunlich ist, auch den aus den Schiffspapieren ersichtlichen Schiffsgläubigern und sonstigen Betheiligten zugestellt und, wenn das Schiff im Schiffsregister eines fremden Staates eingetragen ist, der Register­ behörde mitgetheilt werden. Die Aufhebung der vom Gericht angeordneten Ueberwachung und Verwahrung des Schiffes sowie die Uebergabe an den Ersteher darf erst erfolgen, wenn die Berichtigung des Meistgebots oder die Einwilligung der Betheiligten nachgewiesen wird. Dritter Abschnitt.

LinangSbersteigerung und anggitierfoaltung in besonderen Fällen. § 172. Wird die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung von dem Konkursverwalter beantragt, so finden die Vorschriften des ersten und zweiten Abschnitts entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus den §§ 173, 174 ein Anderes ergießt.

§ 173. Der Beschluß, durch welchen das Verfahren angeordnet wird, gilt nicht als Beschlagnahme.' Im Sinne der §§ 13, 55 ist jedoch die Zustellung des Beschlusses an den Konkursverwalter als Beschlagnahme anzusehen.

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XI Zwangsversteigerungsgesetz.

§ 174. Hat ein Gläubiger für seine Forderung gegen den Gemein­ schuldner ein von dem Konkursverwalter anerkanntes Recht auf Befriedigung aus dem Grundstücke, so kann er bis zum Schluffe der Verhandlung im Versteigerungstermine verlangen, daß bei der Feststellung des geringsten Gebots nur die seinem Ansprüche vorgehenden Rechte berücksichtigt werden; in diesem Falle ist das Grundstück auch mit der verlangten Abweichung auszubieten. § 175. Hat ein Nachlaßgläubiger für seine Forderung ein Recht auf Befriedigung aus einem zum Nachlasse gehörenden Grundstücke, so kann der Erbe nach der Annahme der Erbschaft die Zwangsversteigerung des Grundstücks beantragen. Zu dem Antrag ist auch jeder Andere be­ rechtigt, welcher das Aufgebot der Nachlaßgläubiger beantragen kann. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn der Erbe für die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt hastet oder wenn der Nachlaßgläubiger im Aufgebotsverfahren ausgeschlossen ist oder nach den §§ 1974, 1989 des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem ausgeschlossenen Gläubiger gleichsteht. 8 176. Wird die Zwangsversteigerung nach § 175 beantragt, so finden die Vorschriften des ersten und zweiten Abschnitts sowie der §§ 173,174 entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus den §§ 177,178 ein Anderes ergiebt.

8 177. Der Antragsteller hat die Thatsachen, welche sein Recht zur Stellung des Antrags begründen, durch Urkunden glaubhaft zu machen, soweit sie nicht bei dem Gericht offenkundig sind. 8 178. Die Zwangsversteigerung soll nicht angeordnet werden, wenn die Eröffnung des Nachlaßkonkurses beantragt ist. Durch die Eröffnung des Nachlaßkonkurses wird die Zwangs­ versteigerung nicht beendigt; für das weitere Verfahren gilt der Konkurs­ verwalter als Antragsteller. 8 179. Ist ein Nachlaßgläubiger, der verlangen konnte, daß das geringste Gebot nach Maßgabe des § 174 ohne Berücksichtigung seines Anspruchs festgestellt werde, bei der Feststellung des geringsten Gebots berücksichtigt, so kann ihm die Befriedigung aus dem übrigen Nachlaffe verweigert werden.

8 180. Soll die Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung einer Gemeinschaft erfolgen, so finden die Vorschriften des ersten und zweiten Abschnitts entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus den 88 181 bis 184 ein Anderes ergiebt. 8 181.

Ein vollstreckbarer Titel ist nicht erforderlich. Die Zwangsversteigerung eines Grundstücks darf nur angeordnet werden, wenn der Antragsteller als Eigenthümer im Grundbuch eingetragen oder Erbe eines eingetragenen Eigenthümers ist oder wenn er das Recht des Eigenthümers oder des Erben auf Aufhebung der Gemeinschaft ausübt. Von dem Vormund eines Miteigentümers kann der Antrag nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts gestellt werden.

Dritter Abschn. Zwangsversteigerung u. Zwangsverwaltung in besonderen Mllen. 685

Betrifft der Antrag ein Schiff, so ist durch Urkunden glaubhaft zu machen, daß das Eigenthum dem Antragsteller und denjenigen, gegen welche sich der Antrag richtet, gemeinschaftlich zusteht und daß einer von ihnen im Besitze des Schiffes ist. Die Vopchrist des § 17 Abs. 3 findet auch auf die Erbfolge des Antragstellers Anwendung.

§ 182. Bei der Feststellung des geringsten Gebots sind die den Antheil des Antragstellers belastenden oder mitbelastenden Rechte an dem Grundstücke sowie alle Rechte zu berücksichtigen, die einem dieser Rechte vorgehen oder gleichstehen. Ist hiernach bei einem Antheil ein größerer Betrag zu berücksichtigen als bei einem anderen Antheile, so erhöht sich das geringste Gebot um den zur Ausgleichung unter den Miteigentümern erforderlichen Betrag. Auf die Versteigerung eines Schiffes finden die Vorschriften über das geringste Gebot entsprechende Anwendung. § 183. Im Falle der Vermiethung oder Verpachtung des Grundstücks finden die Vorschriften des § 57 Satz 2, 3 keine Anwendung. § 184. Ein Miteigentümer braucht für sein Gebot keine Sicherheit zu leisten, wenn ihm eine durch das Gebot ganz oder teilweise gedeckte Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld zusteht.

XII. Elnfübrungsgesetz zu dem fiesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung vom 24. MSr; 1897

nach der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom ro. mal ir-r. (Reichsgesetzblatt 1897 S. 135—137; 1898 S. 750—753.)

§ 1. Das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangs­ verwaltung tritt, soweit es die Schiffe betrifft, gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch, im Uebrigen für jeden Grundbuchbezirk mit dem Zeitpunkt in Kraft, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist. Die Artikel 2 bis 5, 32, 55 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden entsprechende Anwendung. § 2. Soweit in dem Einführungsgesetze zum Bürgerlichen Gesetzbuche zu Gunsten der. Landesgesetze Vorbehalte gemacht sind, gelten sie auch für die Vorschriften der Landesgesetze über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung. Den Landesgesetzen stehen nach Maßgabe der Artikel 57, 58 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche die Hausverfasiungen gleich. Es treten jedoch die landesgesetzlichen Vorschriften außer Kraft, nach welchen den landschaftlichen und ritterschaftlichen Kreditanstalten für den Anspruch auf ältere als zweijährige Rückstände wiederkehrender Leistungen ein Vorrecht vor den im § 10 Nr. 1 bis 6 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung bezeichneten Ansprüchen beiqelegt ist.

§ 3 Die im Artikel 113 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche bezeichneten Vorschriften bleiben auch insoweit unberührt, als sie für den Anspruch des Entschädigungsberechtigten oder des Dritten, welcher die Entschädigung geleistet hat, ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstücke gewähren und den Rang dieses Rechtes bestimmen. Jedoch kann dem Ansprüche auf Rückstände wiederkehrender Leistungen ein Vorrecht nur mit der im 8 2 Abs. 2 bezeichneten Einschränkung bei­ gelegt werden.

§ 4. Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, daß gewisse öffentliche Lasten anderen im Range Vorgehen. In denjenigen Bundesstaaten, in welchen die Besteuerung des in­ ländischen Bieres der Landesgesetzgebung Vorbehalten ist, bleiben auch die

XII. Einführungsgesetz zum Zwangsvcrstelgerungsgesetz«.

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Vorschriften unberührt, nach welchen bei der Zwangsvollstreckung in ein der Brauerei dienendes Grundstück oder in ein mit diesem räumlich ver­ bundenes Grundstück die zum Zwecke der Besteuerung des Meres zu ent­ richtenden Abgaben den öffentlichen Lasten des Grundstücks gleichstehen.

K 5. Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, daß dem Antrag auf Zwangsversteigerung ein Auszug aus einem Steuerbuchs beigefügt werden soll.

K 6. Durch die Landesjustizverwaltung kann angeordnet werden, daß die Bestimmung des Versteigerungstermins noch andere als die im 8 38 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsver­ waltung vorgeschriebenen Angaben über das Grundstück enthalten soll. K 7. Unberührt bleiben die bestehenden landesgesetzlichen Vor­ schriften, nach welchen noch andere als die in den §§ 39, 40 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung bezeichneten Deröffenllichungen der Terminsbestimmung zu erfolgen haben.

§ 8. Durch Landesgesetz kann für die Zwangsversteigerung bestimmt werden, daß die vor dem Jnnafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein­ getragenen Hypotheken bei der Feststellung des geringsten Gebots und bei der Aufstellung des Thellungsplans nur auf Grund einer Anmeldung zu berücksichtigen find. In einem solchen Falle muß die im § 37 Nr. 4 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung vorgeschriebene Auf­ forderung auf die Anmeldung der Ansprüche aus den bezeichneten Hypotheken ausgedehnt werden. § 9. Soweit ein nach Landesgesetz begründetes Recht an einem Grundstücke, das nicht in einer Hypothek besteht, zur Wirksamkeit gegen Dritte der Eintragung nicht bedarf oder soweit eine Dienstbarkeit oder eine Reallast als Leibgedinge, Leibzucht, Mentheil oder Auszug eingetragen ist, bleibt das Recht nach Maßgabe des Landesgesetzes von der Zwangs­ versteigerung unberührt, auch wenn es bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht berücksichtigt ist. Das Erlöschen eines solchen Rechtes ist auf Verlangen eines Betheiligten als Versteigerungsbedingung zu bestimmen, wenn durch das Fort­ bestehen ein dem Rechte vorgehendes oder gleichstehendes Recht des Betheiligten beeinträchtigt werden würde; die Zustimmung eines anderm Betheiligten ist nicht erforderlich.

$ 10. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen bei der Zwangsversteigerung 1. für Gebote kommunaler Körperschaften sowie gewiffer Kreditanstalten und Sparkaffen Sicherheitsleistung nicht verlangt werden kann; 2. die Sicherheit auch durch Stellung eines Bürgen nach § 239 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geleistet werden darf.

H 11. Durch Landesgesetz kann für die Zwangsversteigerung, un­ beschadet des 8 112 Abs. 2 Satz 4 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung

688

XII Emfükrunqsqesetz zum ZwangSverstelgerungigtsetze.

und die Zwangsverwaltung, bestimmt werden, daß und nach welchen Gruuv» sätzen der Mrth des Grundstücks festgestellt werden soll. % 12. Die Landesgesetze können für die Fälle, in welchen bei der Zwangsversteigerung oder der Zwangsverwaltung ein Aufgebotsverfahren er­ forderlich wird, die Art der Bekanntmachung des Aufgebots und die Aufgebotsfristen abweichend von den Vorschriften der §§ 948, 950 der Civilprozeßordnung bestimmen. § 13. Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, daß die in dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung dem Bollstreckungsgerichte zugewiesenen Amtshandlungen, soweit nicht über die Anordnung, Aufhebung oder Verbindung des Verfahrens oder über die Zulassung des Beitritts eines Gläubigers zu entscheiden ist, von einer anderen Behörde oder einem Beamten oder einem Notar ganz oder theilweise wahrzunehmen find. Wird die Aenderung einer Entscheidung der Behörde, des Beamten oder des Notars verlangt, so ist die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts nachzusuchen; auf das Verfahren finden die Vorschriften der 88 96 bis 104 des bezeichneten Gesetzes entsprechende Anwendung. Die Beschwerde findet gegen die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts statt. § 14. Die Landesjustizverwaltung kann für die Geschäftsführung der Verwalter, welche bei der Zwangsverwaltung bestellt werden, und für die den Verwaltern zu gewährende Vergütung allgemeine Anordnungen treffen.

8 15. Ein vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Zwangs­ versteigerung und die Zwangsverwaltung beantragtes Verfahren ist nach bett Landesgesetzen zu erledigen.

XIII. Gnindbucbordming vom 24. März 1897 nach der Bekanntmachung des Reichskanzlers vorn re. Mal ir-r.

(ReichSgrsetzblatt 1897 S. 139—157; 1898 S 754—770.)

Erster Abschnitt.

Allgemeine Vorschriften. K 1. Die Grundbücher werden von den Grundbuchümtern geführt. Die Einrichtung der Bücher bestimmt sich nach den Anordnungen der Landesjustizverwaltung, soweit sie nicht in diesem Gesetze geregelt ist. K 2. Die Grundbücher sind für Bezirke einzurichten. Die Bezeichnung der Grundstücke erfolgt in den Büchern nach einem amtlichen Verzeichnis in welchem die Grundstücke unter Nummern oder Buchstaben aufgeführt sind. Die Einrichtung oes Verzeichnisses wird durch landesherrliche Verordnung bestimmt.

§ 3. Jedes Grundstück erhält im Grundbuch eine besondere Stelle (Grundbuchblatt). Das Grundbuchblatt ist für das Grundstück als das Grundbuch im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzusehen. K 4. Ueber mehrere Grundstücke desselben Eigentümers, die im Bezirke desselben Grundbuchamts belegen sind, kann ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt geführt werden, solange hiervon Verwirrung nicht zu besorgen ist. K 5. Ein Grundstück soll nur dann einem anderen Grundstück als Bestandtheil zugeschrieben oder mit ihm vereinigt werden, wenn hiervon Verwirrung nicht zu besorgen ist. § 6. Soll ein Grundstückstheil mit einem Rechte belastet werden, so ist er von dem Grundstück abzuschreiben und als selbständiges Grundstück einzutragen. Ist das Recht eine Dienstbarkeit oder eine Reallast, so kann die Abschreibung unterbleiben, wenn hiervon Verwirrung nicht zu besorgen ist.

§ 7. Ist auf dem Blatte eines Grundstücks ein Erbbaurecht ein­ getragen, so ist auf Antrag für dieses Recht ein besonderes Grundbuchblatt anzulegen. Die Anlegung erfolgt von Amtswegen, wenn das Recht ver­ äußert oder belastet werden soll. Die Anlegung wird auf dem Blatte des Grundstücks vermerkt. § 8. Rechte, die dem jeweüigen Eigenthümer eines Grundstücks zustehen, sind auf Antrag auch auf dem Blatte dieses Grundstücks zu Bürgerlicher Gesetzbuch und Nebengesetze.

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Xm Grundbuchordnung.

vermerken. Antragsberechtigt ist der Eigenthümer des Grundstücks sowie Jeder, dessen Zustimmung nach § 876 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetz­ buchs zur Aufhebung des Rechtes erforderlich ist. Der Vermerk ist von Amtswegen zu berichtigen, wenn das Recht geändert oder aufgehoben wird.

K 8. Urkunden, auf die eine Eintragung sich gründet oder Bezug nimmt, sind von dem Gundbuchamt aufzubewahren. Die Herausgabe einer solchen Urkunde darf nur erfolgen, wenn statt der Urkunde eine beglaubigte Abschrift aufbewahrt wird. Ist über das einer Eintragungsbewilligung zu Grunde liegende Rechts­ geschäft eine Urkunde errichtet, so können die Betheiligten die Urkunde oder eine beglaubigte Abschrift dem Grundbuchamte zur Aufbewahrung übergeben. K 10. Eine Eintragung in das Grundbuch ist nicht aus dem Grunde unwirksam, weil ein Grundbuchbeamter sie bewirkt hat, der von der Mitwirkung bei der Eintragung kraft Gesetzes oder in Folge einer Ablehnung ausgeschloffen ist.

K 11. Die Einsicht des Grundbuchs ist Jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Das Gleiche gilt von Urkunden, auf die im Grundbuche zur Ergänzung einer Eintragung Bezug genommen ist, sowie von den noch nicht erledigten Eintragungsanträgen. Soweit die Einsicht des Grundbuchs, der im Ms. 1 bezeichneten Urkunden und der noch nicht. erledigten Eintragungsanträge gestattet ist, kann eine Abschrift gefordert werden; die Abschrift ist auf Verlangen zu beqlaubiaen § 12. Verletzt ein Grundbuchbeamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm obliegende Amtspflicht, so trifft den Betheiligten gegenüber die im § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmte Verantworllichkeit an Stelle des Beamten den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienste der Beamte steht. Das Recht des Staates oder der Körperschaft, von dem Beamten Ersatz zu verlangen, bleibt unberührt. Zweiter Abschnitt.

Eintragungen in daß Grundbuch. % 18. Eine Eintragung soll, soweit nicht das Gesetz ein Anderes vor­ schreibt, nur auf Antrag erfolgen. Der Zeitpunkt, in welchem ein Antrag bei dem Grundbuchamt eingeht, soll auf dem Anträge genau vermerkt werden. Antragsberechtigt ist Jeder, dessen Recht von der Eintragung betroffen wird oder zu deffen Gunsten die Eintragung erfolgen soll.

§ 14. Die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung eines Berechtigten darf auch von demjenigen beantragt werden, welcher auf Grund eines gegen den Berechtigten vollstreckbaren Titels eine Eintragung in das Grundbuch verlangen kann, sofern die Zulässigkeit dieser Eintragung von der vorgängigen Berichtigung des Grundbuchs abhängt.

Zweiter Abschnitt.

Eintragungen in das Grundbuch.

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K 15. Ist die zu einer Eintragung erforderliche Erklärung von einem Notar beurkundet oder beglaubigt, so gilt dieser als ermächtigt, im Namen eines Antragsberechtigten die Eintragung zu beantragen. § 16. Einem Eintragungsantrage, dessen Erledigung an einen Vorbehalt geknüpft wird, soll nicht stattgegeben werden. Werden mehrere Eintragungen beantragt, so kann von dem Antrag­ steller bestimmt werden, daß die eine Eintragung nicht ohne die andere erfolgen soll.

§ 17. Werden mehrere Eintragungen beantragt, durch die dasselbe Recht betroffen wird, so darf die später beantragte Eintragung nicht vor der Erledigung des früher gestellten Antrags erfolgen. § 18. Steht einer beantragten Eintragung ein Hinderniß ent­ gegen, so hat das Grundbuchamt entweder den Antrag unter Angabe der Gründe zurückzuweisen oder dem Antragsteller eine angemessene Frist zur Hebung des Hinderniffes zu bestimmen. Jur letzteren Falle ist der Antrag nach deni Ablaufe der Frist zurückzuweisen, wenn nicht inzwischen die Hebung des Hinderniffes nachgewiesen ist.' Wird vor der Erledigung des Antrags eine andere Eintragung be­ antragt, durch die dasselbe Recht betroffen wird, so ist zu Gunsten des früher gestellten Antrags von Amtswegen eine Vormerkung oder ein Wider­ spruch einzntragen; die Eintragung gilt im Sinne des § 17 als Erledigung dieses Antrags. Die Vormerkung oder der Widerspruch wird von Amts­ wegen gelöscht, wenn der früher gestellte Antrag zurückgewiesen wird.

§ 19. Eine Eintragung erfolgt, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Reckt von ihr betroffen wird. § 20. Im Falle der Auflassung eines Grundstücks sowie im Falle der Bestellung oder Uebertragung eines Erbbaurechts darf die Eintragung nur erfolgen, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Theiles erklärt ist. § 21. Steht ein Recht, das durch die Eintragung betroffen wird, dem jeweiligen Eigenthümer eines Grundstücks zu, so bedarf es der Bewilligung derjenigen, deren Zustimmung nach § 876 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Aufhebung des Rechtes erforderlich ist, nur dann, wenn das Recht auf dem Blatte des Grundstücks vermerkt ist. § 22. Zur Berichtigung des Grundbuchs bedarf es der Bewilligung desjenigen, deffen Recht von der Berichtigung betroffen wird, nicht, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird. Dies gilt insbesondere für die Eintragung oder Löschung einer Verfügungsbeschränkung. Die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung eines Eigenthümers oder eines Erbbauberechtigten darf, sofern nicht der Fall des 8 14 vorliegt, nur mit Zustimmung des Eigenthümers oder des Erbbauberechtigten erfolgen. § 23. Ein Recht, das auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkt ist, darf nach deffen Tode, falls Rückstände von Leistungen nicht ausgeschlossen sind, nur mit Bewilligung des Rechtsnachfolgers gelöscht 44*

692

XIII. Grundbuchordmmg.

werden, wenn die Löschung vor dem Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Berechtigten erfolgen soll oder wenn der Rechtsnachfolger der Löschung bei dem Grundbuchamte widersprochen hat; der Widerspruch ist von Amtswegen in das Grundbuch einzutragen. Ist der Berechtigte für todt erklärt, so beginnt die einjährige Frist mit der Erlassung des die Todes­ erklärung aussprechenden Urtheils. Der im Abs. 1 vorgesehenen Bewilligung des Rechtsnachfolgers bedarf eS nicht, wenn im Grundbuch eingetragen ist, daß zur Löschung des Rechtes der Nachweis des Todes des Berechtigten genügen soll. § 24. Die Vorschriften des § 23 finden entsprechende Anwendung, toettn daS Recht mit der Erreichung eines bestimmten Lebensalters des Berechtigten oder mit dem Eintritt eines sonstigen bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses erlischt.

% 25. Ist eine Vormerkung oder ein Widerspruch auf Grund einer einstweiligen Verfügung eingetragen, so bedarf es zur Löschung nicht der Bewilligung des Berechtigten, wenn die einstweilige Verfügung durch eine vollstreckbare Entscheidung aufgehoben ist. Diese Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn auf Grund eines vorläufig vollstreckbaren Urtheils nach den Vorschriften der Civilprozeßordnung eine Vormerkung oder ein Widerspruch eingetragen ist. § 26. Soll die Uebertragung einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, über die ein Brief ertheilt ist, eingetragen werden, so genügt es, toettn. an Stelle der Eintragungsbewilligung die Abtretungserklärung des bisherigen Gläubigers vorgelegt wird. Diese Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn eine Belastung der Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld oder die Uebertragung oder Belastung einer Forderung, für die ein eingetragenes Recht als Pfand haftet, eingetragen werden soll. § 27* Eine Hypothek, eine Grundschuld oder eine Rentenschuld darf nur mit Zustimmung des Eigenthümers des Grundstücks gelöscht werden. Ein Recht, mit dem eine Hypothek, eine Grundschuld oder eine Rentenschuld belastet ist, darf nur mit Zustimmung desjenigen gelöscht werden, welchem die Hypothek, die Grundschuld oder die Rentenschuld zusteht. Für eine Löschung, die zur Berichtigung des Grundbuchs erfolgen soll, ist die Zustimmung nicht erforderlich, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird. K 28. In der Eintragungsbewilligung oder, wenn eine solche nicht erforderlich ist, in dem Eintragungsantrag ist das Grundstück überein­ stimmend mit dem Grundbuch oder durch Hinweisung auf das Grundbuchblatt

zu bezeichnen. Einzutragende -Geldbeträge sind in Reichswährnng anzugeben.

K 29. Eine Eintragung soll nur erfolgen, wenn die Eintragungs­ bewilligung oder die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen vor dem Grundbuchamte zu Protokoll gegeben oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Andere Voraussetzungen der Eintragung bedürfen, soweit sie nicht bei dem Grundbuchamt offenkundig sind, des Nachweises durch öffentliche Urkunden.

Zweiter Abschnitt.

Eintragungen in das Grundbuch.

693

§ 30. Für den Eintragungsantrag sowie für die Vollmacht zur Stellung eines solchen gelten die Vorschriften des § 29 nur, wenn durch den Antrag zugleich eine zu der Eintragung erforderliche Erklärung ersetzt werden soll.

§ 31. Wird im Falle der Auflassung eines Grundstücks sowie im Falle der Bestellung oder Uebertragung eines Erbbaurechts die er­ forderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Thelles durch Be­ vollmächtigte vor dem Grundbuchamt erklärt, so ist die Vollmacht stempelftei, wenn das der Einigung zu Grunde liegende Rechtsgeschäft von einem Notar beurkundet und die Vollmacht in der Urkunde ertheilt ist. § 32. Erklärungen, durch die ein Eintragungsantrag zurück­ genommen oder eine zur Stellung des Eintragungsantrags ertheilte Vollmacht widerrufen wird, bedürfen der im § 29 Satz 1 vorgeschriebenen Form. K 33. Der Nachweis, daß der Vorstand einer Aktiengesellschaft aus den im Handelsregister eingetragenen Personen besteht, wird durch ein Zeugniß des Gerichts über die Eintragung geführt. Das Gleiche gilt von dem Nachweise der Befugniß zur Vertretung einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft, einer Kommandit­ gesellschaft auf Aktien oder, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

§ 34. Der Nachweis, daß zwischen Ehegatten Gütertrennung oder ein vertragsmäßiges Güterrecht besteht oder "daß ein Gegenstand zum Vorbehaltsgut eines Ehegatten gehört, wird durch ein Zeugniß des Gerichts über die Eintragung des güterrechtlichen Verhältnisses im Güterrechts­ register geführt. 8 35. Ist in den Fällen der §§ 33, 34 das Grundbuchamt zugleich das Registergericht, so genügt statt des Zeugnisses die Bezugnahme auf das Register.

8 36. Der Nachweis der Erbfolge kann nur durch einen Erbschein geführt werden. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todeswegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt es, wenn an Stelle des Erbscheins die Verfügung und das Protokoll über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden; erachtet das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen, so kann es die Vorlegung eines Erbscheins verlangen. Das Bestehen der fortgesetzten Gütergemeinschaft sowie die Befugniß eines Testamentsvollstreckers zur Verfügung über einen Nachlaßgegenstand ist nur auf Grund der in den §§ 1507, 2368 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgesehenen Zeugnisse als nachgewiesen anzunehmen; auf den Nachweis der Befugniß des Testamentsvollstreckers finden jedoch die Vorschriften des Ws. 1 Satz 2 entsprechende Anwendung.

8 37. Soll bei einer zu einem Nachlasse gehörenden Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld einer von mehreren Erben als neuer Gläubiger eingetragen werden, so genügt zum Nachweise der Erbfolge und der Ein­ tragungsbewilligung der Erben ein Zeugniß des Nachlaßgerichts.

694

XIII. Grundbnchordnung.

Das Zeugniß darf nur ausgestellt werden, wenn die Voraussetzungen für die Ertheilung eines Erbscheins vorliegen und die Erklärungen der Erben vor dem Nachlaßgerichte zu Protokoll gegeben oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen sind.

§ 38. Die Vorschriften des § 37 finden entsprechende Anwendung, wenn bei einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, die zu dem Gesammtgut einer ehelichen Gütergemeinschaft oder einer fortgesetzten Gütergemeinschaft gehört, ein Betheiligter, auf den das Recht bei der Auseinandersetzung übertragen ist, als neuer Gläubiger eingetragen werden soll. K 38. In den Fällen, in denen nach gesetzlicher Vorschrift eine Behörde befugt ist, das Grundbuchamt um eine Eintragung zu ersuchen, erfolgt die Eintragung auf Grund des Ersuchens der Behörde. § 40. Eine Eintragung soll nur erfolgen, wenn derjenige, befielt Recht durch sie betroffen wird, als der Berechtigte eingetragen ist. Bei einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, über.die ein Brief ertheilt ist, steht es der, Eintragung des Gläubigers gleich, wenn dieser sich im Besitze des Briefes befindet und sein Gläubigerrecht nach § 1155 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nachweist.

§ 41* Ist derjenige, dessen Recht durch eine Eintragung betroffen wird, Erbe des eingetragenen Berechtigten, so'findet die Vorschrift des 8 40 Abs. 1 keine Anwendung, wenn die Uebertragung oder die Aufhebung des Rechtes eingetragen werden soll oder wenn der Eintragungsantrag durch die Bewilligung des Erblassers oder eines Nachlaßpflegers oder durch einen gegen dm Erblasser oder den Nachlaßpfleger vollstreckbaren Titel begründet wird. Das Gleiche gilt für eine Eintragung auf Grund der Bewilligung eines Testamentsvollstreckers oder auf Grund eines gegen diesen vollstreck­ baren Titels, sofern die Bewilligung oder der Titel gegen den Erben wirksam ist.

§ 42. Bei einer Hypothek, über die ein Brief ertheilt ist, soll eine Eintragung nur erfolgen, wenn der Brief vorgelegt wird. Für die Eintragung eines Widerspruchs bedarf es der Vorlegung nicht, wenn die Eintragung durch eine einstweilige Verfügung angeordnet ist und der Widerspruch sich daraus gründet, daß die Hypothek oder die Forderung, für welche sie bestellt ist, nicht bestehe oder einer Einrede unterliege oder daß die Hypothek unrichtig eingetragen sei. Der Vorlegung des Hypothekenbriefs steht es gleich, wenn in den Fällen der 88 1162, 1170, 1171 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Grund des Aüsschlußurtheils die Ertheilung eines neuen Briefes beantragt wird. Soll die Ertheilung des Briefes nachträglich ausgeschlossen oder die Hypothek gelöscht werden; so genügt die Vorlegung des Ausschlußurtheils.

§ 43. Die Vorschriften des 8 42 finden auf die Grundschuld und die Rentenschuld entsprechende Anwendung. Ist jedoch das Recht für den Inhaber des Briefes eingetragen, so bedarf es der Vorlegung des Briefes nur dann nicht, wenn der Eintragungsantrag durch die Bewilligung eines nach § 1189 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestellten Vertreters oder durch eine gegen ihn erlassene gerichtliche Entscheidung begründet wird.

Zweiter Abschnitt.

Eintragungen in das Grundbuch.

695

§ 44. Bei einer Hypothek für die Forderung aus einer Schuld­ verschreibung auf den Inhaber, aus einem Wechsel oder einem anderen Papiere, das durch Indossament übertragen werden kann, soll eine Ein­ tragung nur erfolgen, wenn die Urkunde vorgelegt wird; die Eintragung ist auf der Urkunde zu vermerken. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn eine Eintragung auf Grund der Bewilligung eines nach § 1189 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestellten Vertreters oder auf Grund einer gegen diesen erlassenen gerichtlichen Entscheidung bewirkt werden soll. § 45. Jede Eintragung soll den Tag, an welchem sie erfolgt ist, angeben und mit der Unterschrift des Grundbuchbeamten versehen werden.

§ 46. Sind in einer Abtheilung des Grundbuchs mehrere Ein­ tragungen zu bewirken, so erhalten sie die Reihenfolge, welche der Zeitfolge bei Anträge entspricht; sind die Anträge gleichzeitig gestellt, so ist im Grnndbuche zu vermerken, daß die Eintragungen gleichen Rang haben. Werden mehrere Eintragungen, die nicht gleichzeitig beantragt sind, in verschiedenen Abtheilungen unter Angabe desselben Tages bewirkt, so ist im Grundbuche zu vermerken, daß die später beantragte Eintragung der früher beantragten im Range nachsteht. Diese Vorschriften finden insoweit keine Anwendung, als ein Rang­ verhältniß nicht besteht oder das Rangverhältniß von den Antragstellern abweichend bestimmt ist.

§ 47. Die Löschung eines Rechtes oder einer Verfügungsbeschränkung erfolgt durch Eintragung eines Löschungsvermerkes. Wird bei der Uebertragung eines Grundstücks oder eines Grundstücks­ theils auf ein anderes Blatt ein eingetragenes Recht nicht mitübertragen, so gilt es in Ansehung des Grundstücks oder des Theiles als gelöscht. § 48. Soll ein Recht für Mehrere gemeinschasüich eingetragen werden, so soll die Eintragung in der Weise erfolgen, daß entweder die Antheile der Berechtigten in Bruchtheilen angegeben werden oder das für die Gemeinschaft maßgebende Rechtsverhältniß bezeichnet wird. § 49. Werden mehrere Grundstücke mit einem Rechte belastet, so ist auf dem Blatte jedes Grundstücks die Mitbelastung der übrigen von Amtswegen erkennbar zu machen. Das Gleiche gilt, wenn mit einem an einem Grundstücke bestehenden Rechte nachträglich noch ein anderes Grund­ stück belastet oder wenn im Falle der Uebertragung eines Grundstückstheils auf ein anderes Grundbuchblatt ein eingetragenes Recht mitübertragen wird. Soweit eine Milbelastung erlischt, ist dies von Amtswegen zu vermerken. K 50. Werden Dienstbarkeiten und Reallasten als Leibgedinge, Lcibzucht, Altentheil oder Auszug eingetragen, so bedarf es nicht der Bezeichnung der einzelnen Rechte, wenn auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen wird. § 51. Bei der Eintragung einer Hypothek für Theilschuldverschreibungm auf bett Inhaber genügt es, wenn der Gesammtbetraq der

696

Xm. Grundbuchordnung.

Hypothek unter Angabe der Anzahl, des Betrags und der Bezeichnung der Theile eingetragen wird. Diese Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn eine Grund­ schuld oder eine Rentenschuld für den Inhaber des Briefes eingetragen und das Recht in Theile zerlegt werden soll. K 82. Bei der Eintragung eines Borerben ist zugleich das Recht des Nacherben und, soweit der Vorerbe von den Beschränkungen seines Verfügungsrechts befreit ist, auch die Befteiung von Amtswegen einzutragen. § 83. Ist ein Testamentsvollstrecker ernannt, so ist dies bei der Eintragung des Erben von Amtswegen miteinzutragen, es sei denn, daß der Nachlaßgegenstand der Verwaltung des Testamentsvollstreckers nicht unterliegt.

.8 54. Ergiebt sich, daß das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist, so ist von Amtswegen ein Widerspruch einzutragen. Erweist sich eine Eintragung nach ihrem Arhalt als unzulässig, so ist sie von Amtswegen zu löschen. Bei einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld bedarf es zur Eintragung eines Widerspruchs der Vorlegung des Briefes nicht, wenn der Widerspruch dm im § 42 Abs. 1 Satz 2 bezeichneten Inhalt hat. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn der Grundschuld­ oder Rentenschuldbrief auf den Inhaber ausgestellt ist.

K 88. Jede Eintragung soll dem Antragsteller und dem einge­ tragenen Eigenthümer sowie im Uebrigen allm aus dem Grundbuch ersicht­ lichen Personen bekannt gemacht werden, zu deren Gunsten die Eintragung erfolgt ist oder deren Recht durch sie betroffen wird. Auf die Bekannt­ machung kann verzichtet werden.

Dritter Abschnitt.

Hypotheken-, Grundfchuld-, Kentenschuldürief. K 86. Der Hypothekenbrief wird von dem Grundbuchamt ertheilt. Er muß die Bezeichnung als Hypothekenbrief enthalten, den Geldbetrag der Hypothek und das belastete Grundstück bezeichnen sowie mit Unterschrift und Siegel versehen sein. K 87. Der Hypothekenbrief soll die Nummer des Grundbuchblatts angeben und einen Auszug aus dem Grundbuch enthalten. In den Auszug sollen ausgenommen werden:

1. die Bezeichnung des Grundstücks nach dem Inhalte des Grundbuchs, 2. die Bezeichnung des Eigenthümers;

3. der Inhalt der die Hypothek betreffenden Eintragungen und, soweit zur Ergänzung einer Eintragung auf eine Urkunde Bezug genommen ist, auch der Inhalt dieser Urkunde; im Falle des § 1115 Abs. 2

Dritter Abschnitt.

Hypotheken-, Grundschuld-, Rentenschuldbrief.

697

des Bürgerlichen Gesetzbuchs braucht der Inhalt der Satzung nicht ausgenommen zu werden; 4. die kurze Bezeichnung des Inhalts der Eintragungen, Hypothek im Range Vorgehen oder gleichstehen.

welche

der

Der Auszug ist auf Antrag zu ergänzen, wenn sich der Inhalt des

Grundbuchs önbett.

K 58, Ist eine Urkunde über die Forderung, für welche eine Hypothek besteht, ausgestellt, so soll die Urkunde mit dem Hypothekenbriefe verbunden werden. Erstreckt sich der Inhalt der Urkunde auch auf andere Angelegenheiten, so genügt es, wenn ein öffentlich beglaubigter Auszug aus der Urkunde mit dem Hypothekenbriefe verbunden wird. In den Fällen des Abs. 1 unterbleibt die im § 57 Abs. 2 Nr. 3 vorgesehene Aufnahme des Inhalts der Urkunde in den Hypothekenbrief. Zum Nachweise, daß eine Schuldurkunde nicht ausgestellt ist, genügt eine darauf gerichtete Erklärung des Eigenthümers.

§ 59. Ueber eine Gesammthypothek soll nur ein Hypothekenbrief ertheilt werden. Sind die belasteten Grundstücke in den Bezirken verschiedener Grund­ buchämter belegen, so soll jedes Amt für die Grundstücke seines Bezirkes einen besonderen Brief ertheilen; die Briefe sind mit einander zu verbinden. § 60. Der Hypothekenbrief ist dem Eigenthümer des Grundstücks, im Falle der nachträglichen Ertheilung dem Gläubiger auszuhändigen. Auf eine abweichende Bestimmung des Eigenthümers oder des Gläubigers findet die Borschrist des § 29 Satz 1 entsprechende Anwendung. § 61. Ein Theilhypothekenbrief kann von dem Grundbuchamt, einem Gericht oder einem Notar hergestellt werden. Der Theilhypothekenbrief muß die Bezeichnung als Theilhypothekenbrief sowie eine beglaubigte Abschrift der im § 56 Satz 2 vorgesehenen Angaben des bisherigen Briefes enthalten, den Theilbetrag der Hypothek, auf den er sich bezieht, bezeichnen sowie mit Unterschrift und Siegel ver­ sehen sein. Er soll außerdem eine beglaubigte Abschrift der sonstigen Angaben des bisherigen Briefes und der auf diesem befindlichen Vermerke enthalten. Eine mit dem bisherigen Briefe verbundene Schuldurkunde soll in beglaubigter Abschrift mit dem Theilhypothekenbriefe verbunden werden. Die Herstellung des Theilhypothekenbriefs soll auf dem bisherigen Briefe vermerkt werden. K 62. Eintragungen, die bei der Hypothek erfolgen, find von dem Grundbuchamt auf dem Hypothekenbriefe zu vermerken; der Vermerk ist mit Unterschrift und Siegel zu versehen. In den Fällen des § 54 Abs. 1 hat das Grundbuchamt den Besitzer des Briefes zur Vorlegung anzuhalten. In gleicher Weise hat es, wenn in den Fällen des § 42 Abs. 1 Satz 2 und des § 54 Abs. 2 der Brief nicht vorgelegt ist, zu verfahren, um nachträglich den Widerspruch auf dem Briefe zu vermerken.

698

XIII Grün dbuchordnung.

§ 63. Wird nach der Ertheilung eines Hypothekenbriefs mit der Hypothek noch ein anderes, in dem Bezirke desselben Grundbuchamts belegenes Grundstück belastet, so ist, sofern nicht die Ertheilung eines neuen Briefes über die Gesammthypothek beantragt wird, die Mitbelastnng ans dem bisherigen Briefe zu vermerken und zugleich der Inhalt des Briefes in Ansehung des anderen Grundstücks nach § 57 zu ergänzen. § 64. Im Falle der Vertheilung einer Gesammthypothek auf die einzelnen Grundstücke ist für jedes Grundstück ein neuer Brief zu ertheilen. § 65. Tritt nach § 1177 Abs. 1 ober nach § 1198 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs eine Grundschuld oder eine Rentenschuld an die Stelle der Hypothek, so ist, sofern nicht die Ertheilung eines neuen Briefes be­ antragt wird, die Eintragung der Rechtsänderung auf dem bisherigen Briefe zu vermerken und eine mit dem Briefe verbundene Schuldnrkunde abzutrennen. Das Gleiche gilt, wenn nach § 1180 des Bürgerlichen Gesetzbuchs' an die Stelle der Forderung, für welche eine Hypothek besteht, eine andere Forderung gesetzt wird. § 66. Stehen einem Gläubiger mehrere Hypotheken zu, die gleichen Rang haben oder im Range unmittelbar auf einander folgen, so ist ihm auf seinen Antrag mit Zustimmung des Eigenthümers über die mehreren Hypotheken ein Hypothekenbrief in der Weise zu ertheilen, daß der Brief die sämmtlichen Hypotheken umfaßt. § 67. Einem Anträge des Berechtigten auf Ertheilung eines neuen Briefes ist stattzugeben, wenn der bisherige Bries oder in den Fällen der §§ 1162, 1170, 1171 des Bürgerlichen Gesetzbuchs das Aus­ schlußurtheil vorgelegt wird.

§ 68. Wird ein neuer Brief ertheilt, so hat er die Angabe zu enthalten, daß er an die Stelle des bisherigen Briefes tritt. Vermerke, die nach den §§ 1140, 1145, 1157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Rechtsverhältniß zwischen dem Eigenthümer und dem Gläubiger in Betracht kommen, sind auf den neuen Brief zu übertragen. Die Ertheilung des Briefes ist im Grundbuche zu vermerken. § 69. Wird eine Hypothek gelöscht, so ist der Brief unbrauchbar zu machen; das Gleiche gilt, wenn die Ertheilung des Briefes über eine Hypothek nachträglich ausgeschlossen oder an Stelle des bisherigen Briefes ein neuer Hypothekenbrief, ein Grundschuldbrief oder ein Rentenschuldbrief ertheilt wird. Eine mit dem bisherigen Briefe verbundene Schuldurkunde ist abzutrennen und, sofern sie nicht mit dem neuen Hypothekenbriefe zu verbinden ist, zurückzugeben. § 70. Die Vorschriften der §§ 56 bis 69 finden auf den Grund­ schuldbrief und den Rentenschuldbries entsprechende Anwendung. Der Renten­ schuldbrief muß auch die Ablösungssumme angeben. Ist eine für den Inhaber des Briefes eingetragene Grundschuld oder Rentenschuld in Theile zerlegt, so ist über jeden Theil ein besonderer Brief herzustellen.

Vierter Abschnitt.

Beschwerde.

699

Vierter Abschnitt.

Beschwerde»

§ 71. Gegen die Entscheidungen des Grundbuchamts findet Rechtsmittel der Beschwerde statt.

das

Die Beschwerde gegen eine Eintragung ist unzulässig. Im Wege der Beschwerde kann jedoch verlangt werden, daß das Grundbuchamt an­ gewiesen wird, nach § 54 einen Widerspruch einzutragen oder eine Löschung

vorzunehmen.

K 72. Ueber die Beschwerde entscheidet daS Landgericht, in deffen Bezirk das Grundbuchamt feinen Sitz hat. S 73. Die Beschwerde kann bei dem Grundbuchamt oder bei dem Beschwerdegericht eingelegt werden. Die Einlegung erfolgt durch Einreichung einer Beschwerdeschrist oder durch Erklärung zum Protokolle des Grundbuchamts oder deS Gerichts­ schreibers des Beschwerdegerichts.

§ 74.

Die Beschwerde kann

aus neue Thatsachen und Beweise

gest"tzt werden.

K 75. Erachtet das Grundbuchamt die Beschwerde für begründet, so hat es ihr abzuhelsen. K 76. Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung durch eine einstweilige Anordnung dem Grundbuchamt ausgeben, eine Vormerkung oder einen Widerspruch einzutrage». Die Vormerkung oder der Widerspruch wird von Amtswegen gelöscht, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder zurückgewiesen ist.

§ 77. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist mit Gründen zu versehen und dem Beschwerdeführer mitzutheilen. K 78. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist das Rechts­ mittel der weiteren Beschwerde zul'sfig, wmn die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die Vorschriften der 88 550, 551, 561, 563 der Civilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung.

§ 79. Ueber die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Will das Oberlandesgericht bei der Auslegung einer das Grund­ buchrecht betreffenden reichsgesetzlichen Vorschrift tont der auf weitere Be­ schwerde ergangenm Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts, falls aber über die Rechtsfrage bereits eine Entscheidung des Reichsgerichts er­

gangen ist, von dieser abweichen, so hat eS die weitere Beschwerde unter Begründung seiner Rechtsauffaffung dem Reichsgerichte vorzulegen. Der Beschluß ü er die Vorlegung ist dem Beschwerdeführer mitzutheilen. In den Fällen des Abs. 2 entscheidet über die weitere Beschwerde das Reichsgericht.

700

Xni. Grundbuchordnuno.

8

80. Die weitere Beschwerde kann bei dem Grundbuchamte, dem Landgericht öder bei dem Oberlandesgericht eingelegt werden. Erfolgt die Einlegung durch Einreichung einer Beschwerdeschrift, so muß diese von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Der Zuziehung eines Rechts­ anwalts bedarf es nicht, wenn die Beschwerde von einer Behörde oder von dem Notar eingelegt wird, der nach § 15 den Eintragungsantrag ge­ stellt hat. Das Grundbuchamt und das Landgericht sind nicht befugt, der weiteren Beschwerde abzuhelfen. Im Uebrigen finden die Borschriften über die Beschwerde ent­ sprechende Anwendung.

8

81. Die Entscheidungen über Beschwerden erfolgen bei Landgerichten durch eine Civilkammer, bei den Oberlandesgerichten dem Reichsgerichte durch einen Civilsenat. Die Borschristen der Civilprozeßordnung über die Ausschließung Ablehnung der Gerichtspersonen sowie die Vorschriften des § 137 Gerichtsverfafsungsgesetzes finden entsprechende Anwendung.

den und

und des

Fünfter Abschnitt.

Schlufzbesttmmunsen.

8 82. Dieses Gesetz tritt, soweit es die Anlegung des. Grundbuchs betrifft, gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch, im Üebrigen für jeden Grundbuchbezirk mit dem Zeitpunkt in Kraft, in welchem das Grund­ buch als angelegt anzusehen ist. Die -Artikel 2 bis 5, 32, 55 des Einführungsgesetzes zum Bürger­ lichen Gesetzbuche finden entsprechende Anwendung.

8

83. Soweit im Einführungsgesetze zum Bürgerlichen Gesetz­ buche zu Gunsten der Landesgesetze Vorbehalte gemacht find, gelten sie auch für die Vorschriften der Landesgesetze über das Grundbuchwesen; den Landesgesetzen,stehen nach Maßgabe der Artikel 57, 58 des Einführungs­ gesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuchs die Hausverfassungen gleich'.

§

84. Die Vorschriften der 88 7, 20 und des § 22 Abs. 2 über das Erbbaurecht sowie die Vorschrift des § 50 finden auf die in den Artikeln 63, 68 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuchs be­ zeichneten Rechte entsprechende Anwendung.

8

85. Durch landesherrliche Verordnung kann bestimmt werden, daß für gewiffe Gattungen von Grundstücken besondere nicht für Bezirke eingerichtete Grundbücher geführt werden.

8

86. Durch landesherrliche Verordnung kann bestimmt werden, daß die Vorschrift des § 4 auch dann Anwendung findet, wenn mehrere Grundstücke desselben Eigenthümers in den Bezirken verschiedener Grund­ buchämter belege» sind.

Fünfter Abschnitt.

Schlußbestimmungen.

701

§ 87. Durch landesherrliche Verordnung kann bestimmt werden, daß ein bisher geführtes Buch oder mehrere bisher geführte Bücher für sich allein oder zusammen mit einem neuen Buche oder mehreren neuen Büchern als Grundbuch gelten sollen. Die Bestimmung kann auch dann getroffen werden, wenn für Grundstücke, die nicht denselben Eigen­ thümer haben, ein gemeinschaftliches Blatt besteht; die Vorschrift des § 4 findet entsprechende Anwendung. § 88. Werden nach § 87 mehrere Bücher geführt, so rnuß jedes Grundstück in einem der Bücher eine besondere Stelle haben. An dieser Stelle ist auf die in den anderen Büchern befindlichen Eintragungen zu verweisen. Die Stelle des Hauptbuchs und die Stellen, auf welche ver­ wiesen wird, gelten zusammen als das Grundbuchblatt. §89. Sind in einem Buche, das zufolge landesherrlicher Verordnung als Grundbuch gilt, die Grundstücke nicht nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 bezeichnet, so ist diese Bezeichnung von Amtswegen zu bewirken.

§ 90. Durch landesherrliche Verordnung kann bestimmt werden, daß die Grundstücke des Fiskus oder gewiffer juristischer Personen, die öffentlichen Wege und Gewässer sowie solche Grundstücke, welche einem dem öffentlichen Verkehre dienenden Bahnunternehmen gewidmet sind, nur auf Antrag ein Grundbuchblatt erhalten. Das Gleiche gilt von den Grundstücken eines Landesherm und den Grundstücken, welche zum Hausgut oder Familiengut einer landesherrlichen Familie, der Fürstlichen Familie Hvhenzollern oder der Famllie des vormaligen Hannoverschen Königshauses, des vormaligen Kurheffischen und des vormaligen Herzoglich Nassauischen Fürsten­ hauses gehören. Steht demjenigen, welcher nach Abs. 1 von der Verpflichtung zur Eintraaung befreit ist, das Eigenthum an einem Grundstücke zu, über das Cut Blatt geführt wird, oder erwirbt er ein solches Grundstück, so ist auf feinen Antrag das Grundstück aus dem Grundbuch auszuscheiden, wenn eine Eintragung, von welcher das Recht des Eigenthümers betroffen wird, nicht vorhanden ist.

§ 91. Das Verfahren zum Zwecke der Eintragung von Grund­ stücken, die bei der Anlegung des Grundbuchs ein Blatt nicht erhalten haben, wird durch landesherrliche Verordnung bestimmt.

§ 92. Das Verfahren zum Zwecke der Wiederherstellung eines ganz oder theilweise» zerstörten oder abhanden gekommenen Grundbuchs wird durch landesherrliche Verordnung bestimmt. Die Verordnung kann auck> darüber Bestimmung treffen, in welcher Weise bis zur Wiederher­ stellung des Grundbuchs die zu einer Rechtsänderung erforderliche Eintragung ersetzt werden soll. § 93. Die Landesjustizverwaltung kann anordnen, daß die Einsicht des Grundbuchs und der im § 11 Abs. 1 Satz 2 bezeichneten Schriftstücke in weiterem Umfange gestattet und die Ertheilung von Abschriften in weiterem Umfange zuläffig sein soll, als es im § 11 vorgeschrieben ist. § 94. Die Landesjustizverwaltung kann anordnen, daß Grund­ akten gehalten werden, und, unbeschadet der Vorschriften des § 11, auch

702

XIII Grundbuchordnung

Anordnungen überdie Einsicht der Grundakten und über die Erthcilung von Abschriften treffen.

K 95, Die Landesjustizverwaltung kann anordnen, daß, wenn eine der im 8 9 Abs. 1 bezeichneten Urkunden in anderen Akten der das Grund­ buch führenden Behörde enthalten ist, statt einer beglaubigten Abschrift der Urkunde eine Verweffung auf die anderen Akten genügt.

§ 96. Durch die Landesjustizverwaltung kann darüber Bestimmung getroffen werden, inwieweit für die Fälle, in denen ein Theil eines Grund­ stücks von diesem abgeschrieben oder ohne Abschreibung mit einer Dienst­ barkeit oder einer Reallast belastet werden soll, die Eintragung von einer Aenderung des amtlichen Verzeichnisses der Grundstück? oder von der Bei­ bringung einer die Lage und die Grenzen des Grundstückstheils darstellenden Karte abhängig sein soll. § 97. Durch die Landesjustizverwaltung kann angeordnet werden, daß der im § 57 bezeichnete Auszug aus dem Grundbuche noch andere als die dort vorgeschriebenen Angaben über das Grundstück enthalten und daß, wenn sich der Betrag der Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld mindert, auf dem Briefe durch einen Vermerk ersichtlich gemacht werdm soll, für welchen Betrag das Recht noch besteht. K 98. Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, daß das Grund­ buchamt die Erklärung der Auslastung nur entgegennehmen soll, wenn die nach § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erforderliche Urkunde vorgelegt wird.

§ 99. Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, daß die Vor­ schriften der 88 37, 38 entsprechende Anwendung finden, wenn bei einem zum Nachlaß oder zu dem Gesammtgut einer ehelichen Gütergemeinschaft oder einer fortgesetzten Gütergemeinschaft gehörenden Grundstück oder Erb­ baurecht einer von den Betheiligten als Eigenthümer oder Erbbauberechtigter eingetragen werden soll. § 100. Durch die Gesetzgebung eines Bundesstaats, in welchem die Amtsgerichte nicht zugleich Grundbuchämter find, kann bestimmt werden, daß die Abänderung einer Entscheidung des Grundbuchamts bei dem Amts­ gerichte nachzusuchen ist, in besten Bezirke das Grundbuchamt seinen Sitz hat. In diesem Falle finden auf das Verfahren die Vorschriften des 8 71 Abs. 2 und der 88 73 brs 77 entsprechende Anwendung. Die Beschwerde findet gegen die Entscheidung des Amtsgerichts statt.

§ 101. Durch Landesgesetz kann dem im 8 100 bezeichneten Amts­ gerichte die Befugniß ertheilt werden, von Amtswegen das Grundbuchamt zu einer nach 8 54 zulässigen Eintragung anzuhaltm. Gegen die Anordnung des Amtsgerichts findet Beschwerde nach Maß­ gabe der Vorschriften des vierten Abschnitts statt. § 102. Durch die mehrere Oberlandesgerichte Rechtsmittel der weiteren gerichte oder an Stelle eines gerichte zugewiesen werden.

Gesetzgebung eines Bundesstaats, in welchem errichtet sind, kann die Entscheidung über das Beschwerde einem der mehreren Oberlandes­ solchen Oberlandesgerichts dem obersten Laudes­

XIV. Gesetz Ober die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. War 1898 •ach der Bekanntmachung der Reichskanzlers vom ro. Mal ir-r.

(Reichsgesetzblatt 1898 S 189—229, 771—809.)

Erster Abschnitt.

Allgemeine Vorschriften. § 1. Für diejenigen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, welche durch Reichsgesetz den Gerichten übertragen sind, gelten, soweit nicht ein Anderes bestimmt ist, die nachstehenden allgemeinen Vorschriften. § 2. Die Gerichte haben sich Rechtshülfe zu leisten. bis 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes finden Anwendung.

Die §§ 158

§ 3. Soweit für die örtliche Zuständigkeit der Gerichte der Wohnsitz eines Betheiligten maßgebend ist, bestimmt sich für Deutsche, die das Recht der Exterritorialität genießen, sowie für Beamte des Reichs oder eines Bundesstaats, die im Ausland angestellt sind, der Wohnsitz nach den Vor­ schriften des 8 15 der Civilprozeßordnung. § 4. Unter mehreren zuständigen Gerichten gebührt demjenigen der Vorzug, welches zuerst in der Sache thätig geworden ist.

§ 5. Besteht Streit oder Ungewißheit darüber, welches von mehreren Gerichten örtlich zuständig ist, so wird das zuständige Gericht durch das gemeinschaftliche obere Gericht bestimmt. Ist das zuständige Gericht in einem einzelnen Falle an der Ausübung des Richteramts rechtlich oder thatsächlich verhindert, so erfolgt die Bestimmung durch das ihm im Jnstanzenzuge vorgeordnete Gericht. Eine Anfechtung der Entscheidung findet nicht statt.

K 6. Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen: 1. in Sachen, in denen er selbst betheiligt ist oder in denen er zu einem Betheiligten in dem Verhältniß eines Mitberechtigten oder Mitver­ pflichteten steht;

2. in Sachen seiner Ehefrau, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;

704

XIV Freiwillige Gerichtsbarkeit.

3. in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie oder im zweiten Grade der Seitenlinie verwandt oder verschwägert ist; 4. in Sachen, in denen er als Vertreter eines Betheiligten bestellt oder als gesetzlicher Vertreter eines solchen aufzutreten berechtigt ist. Ein Richter kann stch der Ausübung seines Amtes wegen Befangenheit enthalten. Die Ablehnung eines Richters ist ausgeschlossen.

§ 7. Gerichtliche Handlungen find' nicht aus dem Grunde un­ wirksam, weil sie von einem örtlich unzuständigen Gericht oder von einem Richter vorgenommen find, der von der Ausübung des Richteramts krast Gesetzes ausgeschloffen ist.

K 8. Auf das gerichtliche Verfahren finden die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Gerichtssprache, über die Sitzungspolizei und über die Berathung und Abstimmung entsprechende Anwendung, die Vorschriften über die Gerichtssprache mit den sich aus dem § 9 ergebenden Abweichungen. ss. Der Zuziehung eines Dolmetschers bedarf es nicht, wenn der Richter der Sprache, in der fich die betheiligten Personen erklären, mächtig ist; die Beeidigung des Dolmetschers ist nicht erforderlich, wenn die betheiligten Personen darauf verzichten. Auf den Dolmetscher finden die Vorschriften des § 6 entsprechende Anwendung.

S 10. Auf das gerichtliche Verfahren sind die Gerichtsferien ohne Einfluß. Die Bearbeitung der Vormundschaftssachen und der Nachlaßsachen kann während der Ferien unterbleiben, soweit das Bedürfniß einer Be­ schleunigung nicht vorhanden ist. K 11. Anträge und Erklärungen können zum Protokolle des Gerichts­ schreibers des zuständigen Gerichts oder des Gerichtsschreibers eines Amts­ gerichts erfolgen. K 12. DaS Gericht hat von Amtswegen die zur Feststellung der Thatsachen erforderlichen Ermittelungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen.

K 13. Die Betheiligten können mit Beiständen erscheinen. Sie können fich, soweit nicht das Gericht das persönliche Erscheinen anordnet, auch durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Die Bevollmächtigten haben auf Anordnung des Gerichts oder auf Verlangen eines Becheiligten die Bevollmächtigung durch eine öffentlich beglaubigte Vollmacht nachzuweisen. K 14. Die Vorschriften der Civilprozeßordnung über das Armen­ recht sowie die Vorschriften der 88 34 bis 36 der Rechtsanwaltsordnung finden entsprechende Anwendung.

K 15. Die Vorschriften der Civilprozeßordnung über den Zeugen­ beweis, über den Beweis durch Sachverständige und über das Verfahren bei der Abnahme von Eiden finden entsprechende Anwendung. Ueber die Beeidigung eines Zeugen oder Sachverständigen entscheidet jedoch, unbeschadet der 88 393, 402 der Civilprozeßordnung, das Ermessen des Gerichts. Behufs der Glaubhaftmachung einer thatsächlichen Behauptung kann ein Betheiligter zur Versicherung an Eidesstatt zugelassen werden.

Erster Abschnitt.

705

Allgemeine Vorschriften.

§ 16. Gerichtliche Verfügungen teerten mit der Bekanntmachung an denjenigen, für welchen sie ihrem Inhalte nach bestimmt sind, wirksam. Die Bekanntmachung erfolgt, wenn mit ihr der-Lauf einer Frist beginnt, durch Zustellung nach den für die Zustellung von Amtsteegen geltenden Vorschriften der Civilprozeßordnung; durch die Landesjustizvertealtung kann jedoch für Zustellungen im Ausland eine einfachere Art der Zustellung angeordnet werden. In denjenigen Fällen, in welchen mit der Bekanntmachung nicht der Lauf einer Frist beginnt, soll in den Akten vermerkt werden, in welcher Weise, an welchem Orte und an welchem Tage die Bekanntmachung zur Ausführung gebracht ist; durch die Landes­ justizverwaltung kann näher bestimmt werden, in welcher Weise in diesen Fällen die Bekanntmachung zur Ausführung gebracht werden soll. Einem Anwesenden kann die Verfügung zu Protokoll bekannt gemacht werden. Auf Verlangen ist ihm eine Abschrift der Verfügung zu ertheilen. K 17. Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften deS Bürgerlichen Gesetzbuchs. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag oder allgemeinen Feiertag, so endigt die Frist mit dem Ablaufe des nächstfolgenden Werktags.

§ 18. Erachtet das Gericht eine von ihm erlassene Verfügung nachträglich für ungerechtfertigt, so ist es berechtigt, sie zu ändern; soweit eine Verfügung nur auf Antrag erfassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, darf die Aenderung nur aus Antrag erfolgen. Zu der Aenderung einer Verfügung, die der sofortigen Beschwerde unterliegt, ist das Gericht nicht befugt. § 19. Gegen die Verfügungen des Gerichts erster Instanz findet das Rechtsmittel der Beschwerde statt. Ueber die Beschwerde entscheidet das Landgericht. § 20. Die Beschwerde steht Jedem zu, dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt ist. Soweit eine Verfügung nur auf Antrag erfassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu. § 21. Die Beschwerde kann bei dem Gerichte, dessen Verfügung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht eingelegt werden. Die Einlegung erfolgt durch Einreichung einer Beschwerdeschrist oder hurch Erklärung zum Protokolle des Gerichtsschreibers desjenigen Gerichts, dessen Verfügung angefochten wird, oder des Gerichtsschreibers des Beschwerdegerichts. § 22. Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in. welchem die Verfügung dem Beschwerdeführer bekannt gemacht worden ist. Einem Beschwerdeführer, der ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten, ist auf Antrag von dem Beschwerdegerichte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ertheilen, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hinderniffes einlegt und die Thatsachen, welche die Wiedereinsetzung begrünten, glaubhaft macht. Eine Bürgerlicher Gesetzbuch und Nebengesetze.

45

XIV. Freiwillige Gerichtsbarkeit.

706

Versäumung der Frist, die in dem Verschulden eines Vertreters ihren Grund hat, wird als eine unverschuldete nicht angesehen. Gegen die Entscheidung über den Antrag findet die sofortige weitere Beschwerde statt. Nach dem Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht ntehr beantragt werden. § 23.

Die Beschwerde kann auf neue Thatsachen und Beweise

gestützt werden.

§ 24. Die Beschwerde hat nur dann ausschiebende Wirkung, wenn fie gegen eine Verfügung gerichtet ist, durch die eine Strafe festgesetzt wird. Das Gericht, dessen Verfügung angefochten wird, kann anordnen, daß die Vollziehung auszusetzen ist. Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, daß die Vollziehung der angefochtenen Verfügung auszusetzen ist. § 25. zu versehen.

Die Entscheidung

des Beschwerdegerichts ist mit Gründen

§ 26. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts wird in den Fällen, in welchen die sofortige weitere Beschwerde stattfindet, erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

§ 27. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde zulässig, wenn die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die Vorschriften der §§ 550, 551, 561, 563 der Civilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung. § 28. Ueber die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Will das Oberlandesgericht bei der Auslegung einer reichsgesetzlichen Vorschrift, welche eine der tm § 1 bezeichneten Angelegenheiten betrifft, von der auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts, falls aber über die Rechtsftage bereits eine Entscheidung des Reichsgerichts ergangen ist, von dieser abweichen, so hat es die weitere Beschwerde unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Reichsgerichte vorzulegen. Der Beschluß über die Vorlegung ist dem Beschwerdeführer bekannt zu machen. In den Fällen des Abs. 2 entscheidet über die weitere Beschwerde das Reichsgericht. § 29. Die weitere Beschwerde kann bei dem Gericht erster Instanz, bei dem Landgericht oder bei dem Oberlandesgericht eingelegt werden. Erfolgt die Einlegung durch Einreichung einer Beschwerdeschrift, so muß diese von. einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Der Zuziehung eines

Rechtsanwalts bedarf es nicht, wenn die Beschwerde von einer Behörde oder von einem Notar eingelegt wird, der in der Angelegenheit für den Beschwerdeführer einen Antrag bei dem Gericht erster Instanz gestellt hat. Soweit eine Verfügung der sofortigen Beschwerde unterliegt, findet auch gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts die sofortige weitere Beschwerde statt.

Zweiter Abschnitt.

Bormundschastssachen.

707

Das Gericht erster Instanz und das Landgericht sind nicht befugt, der weiteren Beschwerde abzuhelfen. Im Uebrigen finden die Vorschriften über die Beschwerde entsprechende Anwendung. § 30. Die Entscheidungen über Beschwerden erfolgen bei den Landgerichten durch eine Civilkammer, bei den Oberlandesgerichten und bei dem Reichsgerichte durch einen Civilsenat. Ist bei einem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so tritt für Handelssachen diese Kammer an die Stelle der Civilkammer. Die Vorschriften des § 137 des Gerichtsverfassungsgesetzes finden entsprechende Anwendung. § 31. Zeugnisse über die Rechtskraft einer Verfügung sind von dem Gerichtsschreiber erster Instanz zu ertheilen. § 32. Ist eine Verfügung, durch die Jemand die Fähigkeit oder die Befugniß zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder zur Entgegennahme einer Willenserklärung erlangt, ungerechtfertigt, so hat, sofern nicht die Verfügung wegen Mangels der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts un­ wirksam ist, die Aufhebung der Verfügung auf die Wirksamkeit der in­ zwischen von ihm oder ihm gegenüber vorgenommenen Rechtsgeschäfte keinen Einfluß.

§ 33. Soll in den gesetzlich zugelassenen Fällen Jemand durch Ordnungsstrafen zur Befolgung einer gerichtlichen Anordnung angehalten werden, so muß der Festsetzung der Strafe eine Androhung vorausgehen. Die einzelne Strafe dar? den Betrag von dreihundert Mark nicht übersteigen. § 34. Die Einsicht der Gerichtsakten kann Jedem insoweit gestattet werden, als er ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Das Gleiche gilt von der Ertheilung einer Abschrift; die Abschrift ist auf Verlangen zu beglaubigen. Zweiter Abschnitt.

VormundschafrSsachen.

§ 35. Für die dem Vormundschastsgericht obliegenden Verrichtungen find die Amtsgerichte zuständig. § 36. Für die Vormundschaft ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirke der Mündel zu der Zeit, zu welcher die Anordnung der Vor­ mundschaft erforderlich wird, seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes seinen Aufenthalt hat. Wird die Anordnung einer Vormundschaft über Geschwister erforderlich, die in den Bezirken verschiedener Vormundschaftsgerichte ihren Wohnsitz oder ihren Aufenthalt haben, so ist, wenn für einen der Mündel schon eine Vormundschaft anhängig ist, das für diese zuständige Gericht, anderenfalls dasjenige Gericht, in dessen Bezirke der jüngste Mündel seinen Wohnsitz oder seinen Aufenthalt hat, für alle Geschwister maßgebend.

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XIV. Freiwillige Gerichtsbarkeit.

Ist der Mündel ein Deutscher und hat er im Jnlande weder Wohnsitz noch Aufenthalt, so ist das Gericht zuständig, in desien Bezirke der Mündel seinen letzten inländischen Wohnsitz hatte. In Ermangelung eines solchen Wohnsitzes wird das zuständige Gericht, falls der Mündel einem Bundes­ staat angehört, von der Landesjustizverwaltung, anderenfalls von dem Reichskanzler bestimmt. Für die Vormundschaft über einen Minderjährigen, dessen Familien­ stand nicht zu ermitteln ist, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirke der Minderjährige aufgefunden wurde.

§ 37. Soll Jemand nach § 1909 des Bürgerlichen Gesetzbuchs einen Pfleger erhalten, so ist, wenn bei einem inländischen Gericht eine Vormundschaft über ihn anhängig ist, für die Pflegschaft dieses Gericht zuständig. Im Uebrigen finden auf die Pflegschaft die Vorschriften des § 36 Anwendung. Für die Pflegschaft über einen Ausländer, für den bei einem inländischen Gericht eine Vormundschaft nicht anhängig ist und der im Jnlande weder Wohnsitz noch Aufenthalt hat, ist das Gericht zuständig, in deffen Bezirke das Bedürfniß der Fürsorge hervortritt. § 38. Auf die Zuständigkeit für die Pflegschaft über einen Gebrech­ lichen finden die Vorschriften des § 36 Abs. 1, 2 und des § 37 Abs. 2 entsprechende Anwendung. § 39. Für die Pflegschaft über einen Abwesenden ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirke der Abwesende seinen Wohnsitz hat. Hat der Abwesende im Jnlande keinen Wohnsitz, so finden die Vorschriften des § 36 Abs. 2 und des § 37 Abs. 2 entsprechende An­ wendung. § 40. Für die Pflegschaft über eine Leibesfrucht ist das Gericht zuständig, welches für die Vormundschaft zuständig sein würde, falls das Kind zu der Zeit, zu welcher das Bedürfniß der Fürsorge hervortritt, geboren wäre. § 41. Wird im Falle des § 1913 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Anordnung einer Pflegschaft für den bei einer Angelegenheit Betheiligten erforderlich, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirke das Bedürfniß der Fürsorge hervortritt.

§ 42. Für die Pflegschaft zum Zwecke der Verwaltung und Ver­ wendung eines durch öffentliche Sammlung zusammengebrachten Vermögens ist das Gericht des Ortes zuständig, an welchem bisher die Verwaltung geführt wurde. § 43. Die Zuständigkeit für eine Verrichtung des Vormundschafts­ gerichts, die nicht eine Vormundschaft oder eine Pflegschaft betrifft, bestimmt sich, soweit sich nicht aus dem Gesetz ein Anderes ergiebt, nach den Vor­ schriften des § 36 Abs. 1,2; maßgebend ist für jede einzelne Angelegenheit der Zeitpunkt, in welchem das Gericht mit ihr befaßt wird. Ist für die Person, in Ansehung deren die Verrichtung des Vor­ mundschaftsgerichts erforderlich wird, eine Vormundschaft oder eine Pflegschaft

Zweiter Abschnitt.

VormundschastSsachen.

709

anhängig oder ist der Mutter, unter deren elterlicher Gewalt sie steht, ein Beistand bestellt, so ist das Gericht zuständig, bei welchem die Vormund­ schaft, Pflegschaft oder Beistandschaft anhängig ist.

§ 44. Für die in den §§ 1665, 1846 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und im Artikel 23 Abs. 2 des Einsührungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetz­ buchs bezeichneten Maßregeln ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirke das Bedürfniß der Fürsorge hervortritt. Das Gericht soll, wenn eine Vormundschaft, Pflegschaft oder Beistandschaft anhängig ist, von den angeordneten Maßregeln dem nach § 43 Abs. 2 zuständigen Gerichte Mit­ theilung machen.

§ 45. Wird in einer Angelegenheit, welche die persönlichen Rechts­ beziehungen der Ehegatten zu einander oder das eheliche Güterrecht betrifft, eine Verrichtung des Vormundschaftsgerichts erforderlich, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirke der Mann seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes seinen Aufenthalt hat. Ist der Mann ein Deutscher und hat er im Jnlande weder Wohnfitz noch Aufenthalt, so finden die Vorschriften des § 36 Abs. 2 entsprechende Anwendung. Hat der Mann die Reichsangehörigkeit verloren, die Frau sie aber behalten, so ist, wenn der Mann im Jnlande weder Wohnsitz noch Auf­ enthalt hat, das Gericht zuständig, in dessen Bezirke die Frau ihren Wohnsitz oder m Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes ihren Aufenthalt hat; hat sie im Jnlande weder Wohnsitz noch Aufenthalt, so finden die Vor­ schriften des 8 36 Abs. 2 entsprechende Anwendung. Für die Zuständigkeit ist in Ansehung jeder einzelnen Angelegenheit der Zeitpunkt maßgebend, in welchem das Gericht mit ihr befaßt wird. K 46. Das Vormundschaftsgericht kann die Vornmndschast aus wichtigen Gründen an ein anderes Vormundschaftsgericht abgeben, wenn sich dieses zur Uebernahme der Vormundschaft bereit erklärt; nach der Bestellung des Vormundes ist jedoch deffen Zustimmung erforderlich. Einigen sich die Gerichte nicht oder verweigert der Vormund oder, wenn mehrere Vormünder die Vormundschaft gemeinschaftlich führen, einer von ihnen seine Zustimmung, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht. Eine Anfechtung der Entscheidung findet nicht statt. Diese Vorschriften finden auf die Pflegschaft und die im § 43 be­ zeichneten Angelegenheiten entsprechende Anwendung.

8 47. Ist über einen Deutschen, der im Auslande seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, die nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetz­ buchs erforderliche Vormundschaft im Ausland angeordnet, so kann die Anordnung der Vormundschaft im Inland unterbleiben, wenn dies im Jntereffe des Mündels liegt. Hat ein Deutscher, über den im Inland eine Vormundschaft an­ geordnet ist, im Auslande seinen Wohnsitz oder Aufenthalt, so kann das Gericht, bei welchem die Vormundschaft anhängig ist, sie an den aus­ ländischen Staat abgeben, wenn dies im Interesse des Mündels liegt, der Vormund seine Zustimmung ertheilt und der ausländische Staat sich zur

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XIV Freiwillige Gerichtsbarkeit.

Uebernahme bereit erklärt. Verweigert der Vormund oder, wenn mehrere Vormünder die Vormundschaft gemeinschaftlich führen, einer von ihnen seine Zustimmung, so entscheidet an Stelle de? Gerichts, bei welchem die Vormundschaft anhängig ist, das im Jnstanzenzuge vorgeordnete Gericht. Eine Anfechtung der Entscheidung findet nicht statt. Diese Vorschriften gelten auch für die Pflegschaft.

§ 48. Wird bei einem Standesbeamten der Tod einer Person, die ein minderjähriges Kind hinterlassen hat, oder die Geburt eines ehe­ lichen Kindes nach dem Tode des Vaters oder die Geburt eines unehelichen Kindes oder die Auffindung eines Minderjährigen, dessen Familienstand nicht zu ermitteln ist, angezeigt oder wird vor einem Standesbeamten von einer Frau, die ein minderjähriges eheliches Kind hat, eine Ehe geschloffen, so hat der Standesbeamte hiervon dem Vormundschaftsgericht Anzeige zu machen. § 49. Erlangt der Gemeindewaisenrath von einem Falle Kenntniß, in welchem ein Vormund, ein Gegenvormund oder ein Pfleger zu bestellen ist, so hat er dem Vormundschaftsgericht Anzeige zu machen. Zugleich soll er die Person Vorschlägen, die sich zum Vormunde, Gegenvormund oder Pfleger eignet. § 50. Wird die Anordnung einer Vormundschaft oder einer Pflegschaft in Folge eines gerichtlichen Verfahrens erforderlich, so hat das Gericht das zuständige Vormundschaftsgericht hiervon zu benach­ richtigen. § 51. Eine Verfügung, durch die von dem Vormundschafts­ gerichte festgestellt wird, daß der Vater oder die Mutter auf längere Zeit an der Ausübung der elterlichen Gewalt thatsächlich verhindert ist, tritt mit der Bestellung des Vormundes in Wirksamkeit; hat jedoch während der Verhinderung des Vaters die Mutter die elterliche Gewalt auszuüben, so wird die Verfügung mit der Bekanntmachung an die Mutter wirksam. Eine Verfügung, durch die von dem Vormundschaftsgerichte fest­ gestellt wird, daß der Grund für das Ruhen der elterlichen Gewalt des Vaters oder der Mutter nicht mehr besteht, wird mit der Bekanntmachung an den Vater oder an die Mutter wirksam.

§ 52. Eine Verfügung, durch die ein Volljähriger unter vorläufige Vormundschaft gestellt wird, tritt, wenn die Entmündigung wegen Geistes­ krankheit beantragt ist, mit der Bestellung des Vormundes, wenn die Entmündigung wegen Geistesschwäche, wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht beantragt ist, mit der Bekanntmachung an den zu Ent­ mündigenden, eine Verfügung, durch die eine vorläufige Vormundschast aufgehoben wird, tritt mit der Bekanntmachung an den Mündel in Wirksamkeit. § 53. Eine Verfügung, durch die auf Antrag die Ermächtigung oder die Zustimmung eines Anderen zu einem Rechtsgeschäft ersetzt oder dem Manne die im § 13,58 Abf. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor­ gesehene Ermächtigung zur Kündigung ertheilt oder durch welche die

Zweiter Abschnitt.

Bormundschastssachen.

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Beschränkung oder die Ausschließung der nach § 1357 des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Frau zustehenden Rechte aufgehoben wird, tritt erst mit der Rechtskraft in Wirksamkeit. Das Gleiche gilt von einer Verfügung, durch die auf Antrag des Kindes die Zustimmung der Mutter zur Ehe­ lichkeitserklärung ihres Kindes ersetzt wird. Bei Gefahr im Verzüge kann das Gericht die sofortige Wirksamkeit der Verfügung anordnen. Die Verfügung tritt mit der Bekanntmachung an den Antragsteller in Wirksamkeit.

§ 54. Liegen nach dem Ermessen des Vormundfchaftsgerichts die Voraussetzungen vor, unter denen der Vormund, der Pfleger oder der Beistand zur Sicherheitsleistung angehalten werden kann, so ist das Gericht befugt, das Grundbuchamt um die Eintragung einer Sicherungshypothet an Grundstücken des Vormundes, des Pflegers oder des Beistandes zu ersuchen. Der Vormund, der Pfleger oder der Beistand soll soweit thunlich vorher gehört werden. Die Hypothek entsteht mit der Eintragung. Diese Vorschriften finden auf die Eintragung eines Pfandrechts an einem im Schiffsregister eingetragenen Schiffe entsprechende Anwendung. § 55, Eine Verfügung, durch welche die Genehmigung zu einem Rechtsgeschäft ertheilt oder verweigert wird, kann von dem Vormundschafts­ gericht insoweit nicht mehr geändert werden, als die Genehmigung oder deren Verweigerung einem Dritten gegenüber wirksam geworden ist. Eine Verfügung, durch welche die Zustimmung zu einer Ehelichkeits­ erklärung ersetzt wird, kann nicht mehr geändert werden, wenn die Ehe­ lichkeitserklärung erfolgt ist. § 56, Die Volljährigkeitserklärung soll nur auf Antrag des Minderjährigen oder desjenigen gesetzlichen Vertreters des Minderjährigen erfolgen, welchem die Sorge für die Person zusteht. Di: Verfügung, durch welche der Minderjährige für volljährig erklärt wird, tritt erst mit der Rechtskraft in Wirksamkeit. § 57. Die Beschwerde steht, unbeschadet der Vorschriften des § 20, zu: 1. gegen eine Verfügung, durch welche die Anordnung einer Vormundschaft abgelehnt oder eine Vormundschaft aufgehoben wird, Jedem, der ein rechtliches Interesse an der Aenderung der Verfügung hat, sowie dem Ehegatten, den Verwandten und Verschwägerten des Mündels, es sei denn, daß die Verfügung eine vorläufige Vormundschaft betrifft;

2. gegen eine Verfügung, durch welche die Anordnung einer vorläufigen Vormundschaft abgelehnt oder eine solche Vormundschaft aufgehoben wird, denjenigen, welche den Antrag auf Entmündigung zu stellen berechtigt sind; 8. gegen eine Verfügung, durch welche die Anordnung einer Pflegschaft abgelehnt oder eine Pflegschaft aufgehoben wird, Jedem, der ein rechtliches Interesse an der Aenderung der Verfügung hat, in den Fällen der §§ 1909, 1910 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch dem Ehegatten sowie den Verwandten und Verschwägerten des Pflege­ befohlenen; diese Vorschrift gilt jedoch im Falle des § 1910 nur dann, wenn eine Verständigung mit dem Pflegebefohlenen nicht möglich ist;

712

XIV. Freiwillige Gerichtsbarkeit.

4. gegen eine Verfügung, durch welche die Einsetzung eines Familien­ raths abgelehnt oder der Familienrath aufgehoben wird, dem Ehe­ gatten sowie den Verwandten und Verschwägerten des Mündels; 5. gegen eine Verfügung, durch die in den Fällen des § 1687 Nr. 1, 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Bestellung eines Beistandes der Mutter abgelehnt oder die Bestellung aufgehoben wird, dem Ehegatten sowie den Verwandten und Verschwägerten des Kindes; 6. gegen eine Verfügung, durch die ein Antrag des Gegenvormundes oder des Beistandes zurückgewiesen wird, gegen den gesetzlichen Ver­ treter wegen pflichtwidrigen Verhaltens einzuschreiten oder den Vormund oder den Pfleger aus einem der im § 1886 des Bürgerlichen Gesetz­ buchs bezeichneten Gründe zu entlassen, dem Antragsteller; 7. gegen eine Verfügung, durch die dem Vormund oder dem Pfleger eine Vergütung bewilligt wird, dem Gegenvormunde; 8. gegen eine Verfügung, durch welche die Anordnung einer der in den §§ 1665 bis 1667 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgesehenen Maß­ regeln abgelehnt oder eine solche Maßregel aufgehoben wird, den Verwandten und Verschwägerten des Kindes; 9. gegen eine Verfügung, die eine Entscheidung über eine die Sorge für die Person des Kindes oder des Mündels betreffende Angelegenheit mthält, Jedem, der ein berechtigtes Jntereffe hat, diese Angelegenheit wahrzunehmen. Die Vorschrift des Abs. 1 Nr. 9 findet auf die sofortige Beschwerde keine Anwendung.

§ 58* Führen mehrere Vormünder oder Pfleger die Vormundschaft oder die Pflegschaft gemeinschaftlich, so kann jeder von ihnen für den Mündel das Beschwerderecht selbständig ausüben. Diese Vorschrift findet in den Füllen der §§ 1629,1798 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung.

§ 59, Ein unter elterlicher Gewalt stehendes Kind oder ein unter Vormundschaft stehender Mündel kann in allen seine Person betreffenden Angelegenheiten ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters das Beschwerde­ recht ausüben. Das Gleiche gilt in Angelegenheiten, in denen der Mündel vor einer Entscheidung des Vormundschaftsgerichts gehört werden soll. Diese Vorschriften finden auf Personen, die geschäftsunfähig sind ober nicht das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, keine Anwendung. § 60,

Die sofortige Beschwerde findet statt:

1. gegen eine Verfügung, durch die ein als Vormund, Pfleger, Gegen­ vormund, Beistand oder Mitglied des Familienraths Berufener über­ gangen wird;

2. gegen eine Verfügung, durch welche die Weigerung, eine Vormundschaft, Pflegschaft, Gegenvormundschast oder Beistandschaft zu übernehmen, zurückgewiesen wird; 3. gegen eine Verfügung, durch die ein Vormund, Pfleger, Gegenvormund oder Beistand gegen seinen Willen entlaffen wird;

Dritter Abschnitt.

4.

Annahme an Kindesstatt.

713

gegen eine Verfügung, durch die der Familienrath aufgehoben oder ein Mitglied des Familienraths gegen seinen Willen entlassen wird;

5. gegen eine Verfügung, durch die ein Volljähriger unter vorläufige Vormundschaft gestellt wird; 6. gegen Verfügungen, die erst mit der Rechtskraft wirksam werden.

Die Frist beginnt in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 mit dem Zeit­ punkt, in welchem der Beschwerdeführer von seiner Uebergehung Kenntniß erlangt, im Falle der Aufhebung des Familienraths mit dem Zeitpunkt, in welchem das Vormundschaftsgericht die bisherigen Mitglieder von der Aufhebung in Kenntniß setzt.

§ 61. Wird eine Verfügung, durch die ein Volljähriger unter vorläufige Vormundschaft gestellt ist, von dem Beschwerdegericht aufgehoben, so kann die Wirksamkeit der von oder gegenüber dem Volljährigen vor­ genommenen Rechtsgeschäfte nicht auf Grund der aufgehobenen Ver­ fügung in Frage gestellt werden. § 62. Soweit eine Verfügung nach § 55 von dem Vormund­ schaftsgerichte nicht mehr geändert werden kann, ist auch das Beschwerde­ gericht nicht berechtigt, sie zu ändern. 8 63. Auf die weitere Beschwerde finden 88 57 bis 62 entsprechende Anwendung.

die Vorschriften der

8 64. Gegen eine Verfügung, durch die über die Entlassung eines Mitglieds des Familienraths von dem Gerichte, welches dem Vormundschafts­ gericht im Jnstanzenzuge vorgeordnet ist, entschieden wird, findet die Beschwerde an das Oberlandesgericht statt. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Dritter Abschnitt.

Annahme an AlndeKstatt. 8 65. Die Bestätigung des Vertrags, durch welchen Jemand an Kindesstatt angenommen oder das durch die Annahme an Kindesstatt begründete Rechtsverhältniß wieder aufgehoben wird, gehört zur Zuständigkeit der Amtsgerichte. 8 66. Für die Bestätigung ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirke der Annehmende zu der Zeit, zu welcher der Antrag auf Be­ stätigung eingereicht oder nach Maßgabe des 8 1753 Abs. 2 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs das Gericht oder der Notar mit der Einreichung betraut wird, seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnfitzes seinen Aufenthalt hat. Ist der Annehmende ein Deutscher und hat er im Jnlande weder Wohnsitz noch Aufenthalt, so ist das Gericht zuständig, in deffen Bezirke der Annehmende seinen letzten inländischen Wohnsitz hatte. In Er­ mangelung eines solchen Wohnsitzes wird das zuständige Gericht, falls der Annehmende einem Bundesstaat angehört, von der Landesjustizverwaltung, anderenfalls von dem Reichskanzler bestimmt-

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XIV Freiwillige Gerichtsbarkeit.

§ 67» Der Beschluß, durch den die Bestätigung ertheilt wird, tritt mit der Bekanntmachung an den Annehmenden in Wirksamkeit. Ist die Bestätigung noch nach dem Tode des Annehmenden zulässig, so tritt der Beschluß, unbeschadet der Vorschriften des § 1753 Abs. 3 und be§ § 1770 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, mit der Bekanntmachung an das Kind in Wirksamkeit; wird nach dem Tode des Kindes das zwischen den übrigen Betheiligten bestehende Rechtsverhältniß durch Vertrag auf­ gehoben, so tritt der Beschluß, durch welchen die Aufhebung nach dem Tode des Annehmenden bestätigt wird, mit der Bekanntmachung an die übrigen Betheiligten in Wirksamkeit. Das Gericht ist zu einer Aenderung des Beschlusses nicht befugt.

§ 68. Gegen den Beschluß, durch welchen die Bestätigung ertheilt wird, findet kein Rechtsmittel statt. Gegen dm Beschluß, durch welchen die Bestätigung versagt wird, findet die sofortige Beschwerde statt. Die Beschwerde steht jedem der Vertragschließenden zu, auch wenn der Antrag auf Bestätigung von ihm nicht gestellt war. Die Vorschriften des § 22 Abs. 2, des § 24 Abs. 3 und des § 26 Satz 2 finden keine Anwendung. Vierter Abschnitt.

Werfonenstand. § 69. Für die nach dem Gesetz über die Beurkundung des Personen­ standes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875 (Reichs-Gesetzbl. S. 23) dem Gericht erster Instanz obliegenden Verrichtungen sind die Amtsgerichte zuständig. § 70. Gegen eine Verfügung, durch die angeordnet wird, daß eine Eintragung in dem Standesregister zu berichtigen ist, findet die sofortige Be­ schwerde statt. Die Verfügung tritt erst mit der Rechtskraft in Wirksamkeit. § 71. Sind Vorgänge, die auf Antrag eines Betheiligten in dem Standesregister am Rande einer Eintragung zu vermerken find, von einem Notar beurkundet, so gilt dieser als ermächtigt, im Namen des Betheiligten, dessen Erklärung beurkundet ist, die Eintragung des Vermerkes in das Standesregister zu beantragen. Fünfter Abschnitt.

Oachlatz- und KhctlungBsachen. § 72. Für die dem Nachlaßgericht obliegenden Verrichtungen sind die Amtsgerichte zuständig. § 73. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem Wohnsitze, den der Erblasser zur Zeit des Erbfalls hatte; in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirke der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen Aufenthalt hatte.

Fünfter Abschnitt.

Nachlaß- und TheilungSsachen.

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Ist der Erblasser ein Deutscher und hatte er zur Zeit des Erbfalls iin Jnlande weder Wohnsitz noch Aufenthalt, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirke der Erblasser seinen letzten inländischen Wohnsitz hatte. In Ermangelung eines solchen Wohnsitzes wird das zuständige Amtsgericht, falls der Erblasser zur Zeit des Erbfalls einem Bundesstaat angehörte, von der Landesjustizverwaltung, anderenfalls von dem Reichskanzler bestimmt. Ist der Erblasser ein Ausländer und hatte er zur Zeit des Erbfalls im Jnlande weder Wohnsitz noch Aufenthalt, so ist jedes Gericht, in dessen Bezirke sich Nachlaßgegenstände befinden, in Ansehung aller im Jnlande befindlichen Nachlaßgegenstände zuständig. Die Vorschriften des § 2369 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden Anwendung.

§ 74. Für die Sicherung des Nachlasses ist jedes Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirke das Bedürfniß der Fürsorge hervortritt. Das Gericht soll von den angeordneten Maßregeln dem nach § 73 zuständigen Nachlaßgerichte Mittheilung machen § 75, Auf die Nachlaßpflegschaft finden die für Vormundschafts­ sachen geltenden Vorschriften dieses Gesetzes Anwendung. Unberührt bleiben die Vorschriften über die Zuständigkeit des Nachlaßgerichts; das Nachlaß­ gericht kann jedoch die Pflegschaft nach Maßgabe des § 46 an ein anderes Nachlaßgericht abgeben. § 76. Gegen eine Verfügung, durch die dem Anträge des Erben, die Nachlaßverwaltung anzuordnen, stattgegeben wird, ist die Beschwerde unzulässig. Gegen eine Verfügung, durch die dem Antrag eines Nachlaß­ gläubigers, die Nachlaßverwaltung anzuordnen, stattgegeben wird, findet die sofortige Beschwerde statt. Die Beschwerde steht nur dem Erben, bei Miterben jedem Erben, sowie dem Testamentsvollstrecker zu, welcher zur Verwaltung des Nachlasses berechtigt ist. § 77. Gegen eine Verfügung, durch die dem Erben eine Jnventarfrist bestimmt wird, findet die sofortige Beschwerde statt. Das Gleiche gilt von einer Verfügung, durch die über die Bestimmung einer neuen Jnventarfrist oder über den Antrag des Erben, die Inventar­ frist zu verlängern, entschieden wird. In den Fällen der Abs. 1, 2 beginnt die Frist zur Einlegung der Beschwerde für jeden Nachlaßgläubiger mit dem Zeitpunkt, in welchem die Verfügung demjenigen Nachlaßgläubiger bekannt gemacht wird, welcher den Antrag auf die Bestimmung der Jnventarfrist gestellt hat. § 78. Hat das Nachlaßgericht nach § 1964 des Bürgerlichen Gesetzbuchs festgestellt, daß ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist, so steht die Einsicht der dieser Feststellung vorausgegangenen Er­ mittelungen Jedem zu, der ein berechtigtes Interesse glaubbast macht. Das Gleiche gilt von der Einsicht einer Verfügung, welche die Bestimmung einer Jnventarfrist oder die Ernennung oder die Entlassung eines Testamentsvollstreckers betrifft, eines Protokolls über die Leistung des im § 79 bezeichneten Eides sowie von der Einficht eines Erbscheins und eines

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XIV Freiwillige Gerichtsbarkeit.

der in den §§ 1507, 2368 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und den §§ 37, 38 der Grundbuchordnung vorgesehenen gerichtlichen Zeugnisse. Von den Schriftstücken, deren Einsicht gestattet ist, kann eine Abschrift gefordert werden; die Abschrift ist auf Verlangen zu beglaubigen.

§ 79. Verlangt ein Nachlaßgläubiger von dem Erben die Leistung des im § 2006 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgesehenen Offenbarungseids, so kann die Bestimmung des Termins zur Leistung des Eides sowohl von dem Nachlaßgläubiger als von dem Erben beantragt werden. Zu dem Termine sind beide Theile zu laden. Die Anwesenheit des Gläubigers ist nicht erforderlich. § 80. Gegen eine Verfügung, durch die nach den §§ 2151, 2153 bis 2155, 2192, 2193 und dem § 2198 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem Beschwerten oder einem Dritten eine Frist zur Erklärung bestimmt wird, findet die sofortige Beschwerde statt. § 81. Gegen eine Verfügung, durch die von dem Nachlaßgericht em Testamentsvollstrecker ernannt oder einem zum Testamentsvollstrecker Ernannten eine Frist zur Erklärung über die Annahme des Amtes bestimmt wird, findet die sofortige Beschwerde statt. Das Gleiche gilt von einer Verfügung, durch die ein Testaments­ vollstrecker gegen seinen Willen entlassen wird. § 82. Führen mehrere Testamentsvollstrecker das Amt gemein­ schaftlich, so steht gegen eine Verfügung, durch die das Nachlaßgericht Anordnungen des Erblassers für die Verwaltung des Nachlaffes außer, Kraft setzt oder bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen den Testaments­ vollstreckern entscheidet, jedem Testamentsvollstrecker die Beschwerde selb­ ständig zu. Auf eine Verfügung, durch die bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen den Testamentsvollstreckern über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts das Nachlaßgericht entscheidet, finden die Vorschriften des § 53 und des § 60 Abs. 1 Nr. 6 entsprechende Anwendung.

§ 88. Das Nachlaßgericht kann int Falle des § 2259 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Besitzer des Testaments durch Ordnungsstrafen zur Ablieferung des Testaments anhalten. Besteht Grund zu der Annahme, daß Jemand ein Testament im Besitze hat, zu dessen Ablieferung er nach § 2259 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet ist, so kann er von dem Nachlaßgerichte zur Leistung des Offenbarungseids angehalten werden; die Vorschriften des § 883 Abs. 2, 3, des § 900 Abs. 1 und der 88 901, 902, 904 bis 910, 912, 913 der Civilprozeßordmmg finden entsprechende Anwendung.

§ 84. Gegen einen Beschluß, durch den ein Erbschein für kraftlos erklärt wird, findet die Beschwerde nicht statt. Das Gleiche gilt von einem Beschluffe, durch den eines der in den §§ 1507, 2368 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und den 88 37, 38 der Grundbuchordnung vorgesehenen gericht­ lichen Zeugniffe für kraftlos erklärt wird.

Fünfter Abschnitt.

Nachlaß- und TheilungSsachen.

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§ 85. Wer ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, kann ver­ langen, daß ihm von dem Gericht eine Ausfertigung des Erbscheins ertheilt werde. Das Gleiche gilt in Ansehung der im § 84 Satz 2 bezeichneten Zeugnisse sowie in Ansehung der gerichtlichen Verfügungen, die sich auf die Ernennung oder die Entlassung eines Testamentsvollstreckers beziehen. § 86. Hinterläßt ein Erblasser mehrere Erben, so hat das Nachlaß­ gericht auf Antrag die Auseinandersetzung in Ansehung des Nachlasses zwischen den Betheiligten zu vermitteln, sofern nicht ein zur Bewirkung der Auseinandersetzung berechtigter Testamentsvollstrecker vorhanden ist. Antragsberechtigt ist jeder Miterbe, der Erwerber eines Erbtheils sowie derjenige, welchem ein Pfandrecht oder ein Nießbrauch an einem Erbtheile zusteht. § 87. In dem Anträge sollen die Betheiligten und die Theilungsmafse bezeichnet werden. Hält das Gericht vor der Verhandlung mit den Betheiligten eine weitere Aufklärung für angemessen, so hat es den Antragsteller zur Er­ gänzung des Antrags-, insbesondere zur Angabe der den einzelnen Be­ theiligten in Ansehung des Nachlasses zustehenden Ansprüche, zu veranlassen. Es kann dem Antragsteller auch die Beschaffung der Unterlagen aufgeben. § 88. Einem abwesenden Betheiligten kann, wenn die Voraus­ setzungen der Abwesenheitspflegschast vorliegen und eine Pflegschaft über ihn nicht bereits anhängig ist, für das Auseinandersetzungsverfahren von dem Nachlaßgericht ein Pfleger bestellt werden. Für die Pflegschaft tritt an die Stelle des Vormundschaftsgerichts das Nachlaßgericht. § 89. Das Gericht hat den Antragsteller und die übrigen Be­ theiligten, diese unter Mittheilung des Antrags, zu einem Verhandlungs­ termine zu laden. Die Ladung durch öffentliche Zustellung ist unznläffig. Die Ladung soll den Hinweis darauf enthalten, daß ungeachtet des Aus­ bleibens eines Betheiligten über die Auseinandersetzung verhandelt werden würde und daß, falls der Termin vertagt oder ein neuer Termin zur Fortsetzung der Verhandlung anberaumt werden sollte, die Ladung zu dem neuen Termin unterbleiben könne. Sind Unterlagen für die Auseinander­ setzung vorhanden, so ist in der Ladung zu bemerken, daß die Unterlagen auf der Gerichtsschreiberei eingesehen werden können. §90. Die Frist zwischen der Ladung und dem Termine muß mindestens zwei Wochen betragen. Diese Vorschrift findet auf eine Vertagung sowie auf einen Termin zur Fortsetzung der Verhandlung keine Anwendung. In diesen Fällen kann die Ladung der zu dem früheren Termine geladenen Betheiligten durch die Verkündung des neuen Termins ersetzt werden.

§ 91. Treffen die erschienenen Betheiligten vor der Auseinander­ setzung eine Vereinbarung über vorbereitende Maßregeln, insbesondere über die Art der Theilung, so hat das Gericht die Vereinbarung zu beurkunden. Das Gleiche gilt, wenn nur ein Betheiligter erschienen ist, in Ansehung der von diesem gemachten Vorschläge.

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XIV Freiwillige Gerichtsbarkeit.

Sind die Betheiligten sämmtlich erschienen, so hat das Gericht die von ihnen getroffene Vereinbarung zu bestätigen. Dasselbe gilt, wenn die nicht erschienenen Betheiligten ihre Zustimmung zu gerichtlichem Protokoll oder in emer öffentlich beglaubigten Urkunde ertheilen. Ist ein Betheiligter nicht erschienen, so hat das Gericht, sofern er nicht nach Abs. 2 Satz 2 zugestimmt hat, ihm den Inhalt der Urkunde, soweit dieser ihn betrifft, bekannt zu machen und ihn gleichzeitig zu benach­ richtigen, daß er die Urkunde auf der Gerichtsschreiberei einsehen und eine Abschrift der Urkunde fordern könne. Die Bekanntmachung muß den Hinweis darauf enthalten, daß, wenn der Betheiligte nicht innerhalb einer von dem Gerichte zu bestimmenden Frist die Anberaumung eines neuen Termins beantrage oder wenn er in dem neuen Termine nicht erscheine, sein Einverständniß mit dem Inhalte der Urkunde angenommen werden würde. Beantragt der Betheiligte rechtzeitig die Anberaumung eines neuen Termins und erscheint er in diesem Termine, so ist die Verhandlung fortzusetzen. Anderenfalls hat das Gericht die Vereinbarung zu bestätigen.

K 82. War im Falle des § 91 der Betheiligte ohne sein Ver­ schulden verhindert, die Anberaumung eines neuen Termins rechtzeitig zu beantragen oder in dem neuen Termine zu erscheinen, so ist ihm auf Antrag von dem Gerichte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ertheilen, wenn er binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses die Anberaumung eines neuen Termins beantragt und die Thatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Eine Versäumung, die in dem Verschulden eines Vertreters ihren Grund hat, wird als eine unverschuldete nicht angesehen. Nach dem Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

§ 83. Sobald nach Lage der Sache die Auseinandersetzung statt­ finden kann, hat das Gericht einen Auseinandersetzungsplan anzufertigen. Sind die erschienenen Betheiligten mit dem Inhalte des Planes ein­ verstanden, so hat das Gericht die Auseinandersetzung zu beurkunden. Sind die Betheiligten sämmtlich erschienen, so hat das Gericht die Aus­ einandersetzung zu bestätigen; dasselbe gilt, wenn die nicht erschienenen Betheiligten ihre Zustimmung zu gerichtlichem Protokoll oder in einer öffentlich beglaubigten Urkunde ertheilen. Ist ein Betheiligter nicht erschienen, so hat das Gericht nach § 91 Abs. 3 zu verfahren. Die Vorschriften des § 92 finden entsprechende Anwendung. § 84. Ist vereinbart, daß eine Vertheilung durch das Loos geschehen soll,, so wird das Loos, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist, für die nicht erschienenen Betheiligten von einem durch das Gericht zu be­ stellenden Vertreter gezogen. ein der die §§

§ 85. Ergeben sich bei den Verhandlungen Streitpunkte, so ist Protokoll darüber aufzunehmen und das Verfahren bis zur Erledigung Streitpunkte auszusetzen. Soweit bezüglich der unstreitigen Punkte Aufnahme einer Urkunde ausführbar ist, hat das Gericht nach den 91, 93 zu verfahren.

Sechster Abschnitt

SchlsfSpfandrecht.

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§ 96» Gegen den Beschluß, durch welchen eine vorgängige Ver­ einbarung oder eine Auseinandersetzung bestätigt, sowie gegen den Beschluß, durch welchen über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entschieden wird, findet die sofortige Beschwerde statt. Die Beschwerde gegen den Bestätigungsbeschluß kann nur darauf gegründet werden, daß die Vorschriften über das Verfahren nicht beobachtet seien.

§ 97. Eine vorgängige Vereinbarung sowie eine Auseinander­ setzung ist nach dem Eintritte der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses für alle Betheiligten in gleicher Weise verbindlich wie eine vertragsmäßige Vereinbarung oder Auseinandersetzung. Bedarf ein Betheiligter zur Vereinbarung oder zur Auseinander­ setzung der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, so ist, wenn er im Jnlande keinen Vormund, Pfleger oder Beistand hat, für die Ertheilung öder die Verweigerung der Genehmigung an Stelle des Vormundschafts­ gerichts das Nachlaßgericht zuständig. § 98. Aus einer vorgängigen Vereinbarung sowie aus einer Aus­ einandersetzung findet nach dem Eintritte der Rechtskraft des Bestätigungs­ beschlusses die Zwangsvollstreckung statt. Die Vorschriften der §§ 795, 797 der Civilprozeßordnung finden Anwendung.

§ 99. Nach der Beendigung einer ehelichen Gütergemeinschaft oder einer fortgesetzten Gütergemeinschaft finden auf die Auseinandersetzung in Ansehung des Gesammtguts die Vorschriften der §§ 86 bis 98 ent­ sprechende Anwendung. Für die Auseinandersetzung ist, falls ein Antheil an dem Gesammtgute zu einem Nachlasse gehört, das Amtsgericht zuständig, welches für die Auseinandersetzung in Ansehung des Nachlaßes zuständig ist. Im Uebrigen ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirke der Ehemann oder bei fortgesetzter Gütergemeinschaft der überlebende Ehegatte zur Zeit der Beendigung der Gütergemeinschaft seinen Wohnfitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes seinen Aufenthalt hatte. Hatte der Ehemann oder der Ehegatte zu der bezeichneten Zeit im Jnlande weder Wohnsitz noch Aufenthalt, so finden die Vorschriften des § 73 Abs. 2 entsprechende Anwendung. Sechster Abschnitt.

SchiMfandrecht. § 100. In Ansehung eines Pfandrechts an einem im Schiffs­ register eingetragenen Schiffe soll, soweit nicht das Gesetz ein Anderes vorschreibt, eine Eintragung nur auf Antrag erfolgen. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag bei der Registerbehörde eingeht, soll auf dem Anträge genau vermerkt werden. Antragsberechtigt ist Jeder, dessen Recht von der Eintragung, be­ troffen wird oder zu dessen Gunsten die Eintragung erfolgen soll. Die Vorschriften der §§ 14 bis 18 der Grundbuchordnung finden entsprechende Anwendung.

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XIV Freiwillige Gerichtsbarkeit.

§ 101. Eine Eintragung erfolgt, wenn derjenige sie bewilligt, besten Recht von ihr betroffen wird. § 102. Zur Berichtigung des Schiffsregisters bedarf es der Be­ willigung desjenigen, dessen Recht von der Berichtigung betroffen wird, nicht, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird. Dies gilt insbesondere für die Eintragung oder Löschung einer Verfügungsbeschränkung. K 103. Ist eine Vormerkung oder ein Widerspruch auf Grund einer einstweiligen Verfügung eingetragen, so bedarf es zur Löschung nicht der Bewilligung des Berechtigten, wenn die einstweilige Verfügung durch eine vollstreckbare Entscheidung aufgehoben ist. Diese Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn auf Grund eines vorläufig vollstreckbaren Urtheils nach den Vorschriften der Civilprozeßordnung eine Vormerkung oder ein Widerspruch eingetragen ist. G 104. Soll die Uebertragung einer Forderung, für die ein Pfandrecht am Schiffe eingetragen ist oder für die ein solches Pfandrecht als Pfand haftet, eingetragen werden, so genügt es, wenn an Stelle der Einttagungsbewilligung die Abtretungserklärung des bisherigen Gläubigers vorgelegt wird. Diese Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn eine Belastung der Forderung eingetragen werden soll.

H 105. Ein Pfandrecht am Schiffe darf nur mit Zustimmung des eingetragenen Eigenthümers, ein das Pfandrecht belastendes Recht nur mit Zustimmung des eingetragenen Pfandgläubigers gelöscht werden. Für eine Löschung, die zur Berichtigung des Schiffsregisters erfolgen soll, ist die Zustimmung nicht erforderlich, wenn die Unrichtigkeit des Registers nachgewiesen wird. K 106. In der Eintragungsbewilligung oder, wenn eine solche nicht erforderlich ist, in dem Eintragungsantrage sind der Name und die Ordnungsnummer, unter welcher das Schiff im Schiffsregister eingetragen ist, sowie die einzutragenden Geldbeträge in Reichswährung anzugeben.

K 107. Eine Eintragung soll nur erfolgen, wenn die Eintragungs­ bewilligung oder die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen vor der Registerbehörde zu Protokoll gegeben oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Andere Voraussetzungen der Eintragung bedürfen, soweit sie nicht bei der Registerbehörde offenkundig sind, des Nachweises durch öffentliche Urkunden. Die Vorschriften der §§ 33 bis 38 der Grundbuchordnung finden entsprechende Anwendung. § 108. Für den Eintragungsantrag sowie für die Vollmacht zur Stellung eines solchen gelten die Vorschriften des § 107 Abs. 1 nur, wenn durch den Antrag zugleich eine zu der Eintragung erforderliche Erklärung erseht werden soll.

§ 109. Erklärungen, durch die ein Eintragungsantrag zurück­ genommen oder eine zur Stellung des Eintragungsantrags ertheilte Voll­ macht widerrufen wird, bedürfen der im § 107 Abs. 1 vorgeschriebenen Form.

Sechster Abschnitt.

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Schiffspfundrecht.

§ 110. Irr den Fällen, in denen nach gesetzlicher Vorschrift eine Behörde befugt ist, die Registerbehörde um eine Eintragung zu ersuchen, erfolgt die Eintragung auf Grund des Ersuchens der Behörde.

§ 111. Eine Eintragung soll ttur erfolgen, wenn derjenige, dessen Recht durch sie betroffen wird, als der Berechtigte eingetragen ist. Ist derjenige, dessen Recht durch eine Eintragung betroffen wird, Erbe des eingetragenen Berechtigten, so findet die Vorschrift des Abs. 1 feine Anwendung, wenn die Uebertragung oder die Aufhebung des Rechtes eingetragen werden soll oder wenn der Eintragungsantrag durch die Be­ willigung des Erblassers oder eines Nachlaßpflegers oder durch einen gegen den Erblasser oder den Nachlaßpfleger vollstreckbaren Titel begründet wird. Das Gleiche gilt für eine Eintragung auf Grund der Bewilligung eines Testamentsvollstreckers oder auf Grund eines gegen diesen vollstreckbaren Titels, sofern die Bewilligung oder der Titel gegen den Erben wirksam ist. § 112. Bei einem Pfandrechte für die Forderung aus einer Schuldverschreibung ans den Inhaber, aus einem Wechsel oder einem anderen Papiere, das durch Indossament übertragen werden kann, soll eine Ein­ tragung nur erfolgen, wenn die Urkunde vorgelegt wird. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn eine Eintragung auf Grund der Bewilligung eines nach den §§ 1189, 1270 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestellten Vertreters oder auf Grund einer gegen diesen erlassenen gerichtlichen Entscheidung bewirkt werden soll.

§ 113. Jede Eintragung soll den Tag, an welchem sie erfolgt ist, angeben und mit der Unterschrift des zuständigen Beamten versehen werden. § 114. Die Eintragungen erhalten diejenige Reihenfolge, welche der Zeitfolge der Anträge entspricht; sind die Anträge gleichzeitig gestellt, so ist, wenn unter den Eintragungen ein Rangverhältniß besteht, im Schiffsregister zu vermerken, daß die Eintragungen gleichen Rang haben. Diese Vorschriften finden insoweit keine Anwendung, als das Rangverhältniß von den Antragstellern abweichend bestimmt ist. § 115. Die Löschung eines Rechtes oder einer Verfügungsbeschränkung erfolgt durch Eintragung eines Löschungsvermerkes. § 116. Werden mehrere Schiffe mit einem Pfandrechte belastet, so ist auf dem Blatte jedes Schiffes die Mitbelastung der übrigen von Amts­ wegen erkennbar zu machen. Das Gleiche gilt, wenn mit einem an einen, Schiffe bestehenden Pfandrechte nachträglich noch ein anderes Schiff belastet wird. Soweit eine Mitbelastung erlischt, ist dies von Amtswegen zu vermerken. § 117. Bei der Eintragung eines Pfandrechts für Theilschuld­ verschreibungen auf den Inhaber genügt es, wenn der Gesammtbetrag der Forderungen unter Angabe der Anzahl, des Betrags und der Bezeichnung der Theile eingetragen wird.

§ 118. Ist ein Testamentsvollstrecker ernannt, so ist dies bei der Eintragung des Erben des Gläubigers von Amtswegen miteinzutragen, es sei denn, daß das eingetragene Recht der Verwaltung des Testaments­ vollstreckers nicht unterliegt. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

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XIV. Freiwillige Gerichtsbarkeit.

§ 119. Ergiebt sich, daß die Registerbehörde unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Schiffsregister unrichtig geworden ist, so ist von Amtswegen ein Widerspruch einzutragen. Erweist sich eine Eintragung nach ihrem Inhalt als unzulässig, so ist sie von Amtswegen zu löschen.

§ 120. Jede Eintragung ist baldthunlichst auf dem Schiffscertifikat oder dem Schiffsbriefe zu vermerken. Wird eine Urkunde über die Pfandforderung vorgelegt, so ist die Eintragung auch auf dieser Urkunde unter kurzer Bezeichnung des Inhalts der Eintragungen, welche dem Pfandrecht im Range vorgehen oder gleich­ stehen, zu vermerken. Der Vermerk ist mit Unterschrift und Siegel zu versehen. § 121. Jede Eintragung soll dem Antragsteller und dem eingetragenen Eigenthümer sowie im Uebrigen allen aus dem Schiffsregister ersichtlichen Personen bekannt gemacht werden, zu deren Gunsten die Eintragung erfolgt ist oder deren Recht durch sie betroffen wird. Auf die Bekanntmachung kann verzichtet werden.

§ 122. Die Beschwerde gegen eine Eintragung ist unzulässig. Im Wege der Beschwerde kann jedoch verlangt werden, daß die Registerbehörde angewiesen wird, nach § 119 einen Widerspruch einzutragen oder eine Löschung vorzunehmen. § 123. Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung durch eine einstweilige Anordnung der Registerbehdrde aufgeben, eine Vormerkung oder einen Widerspruch einzutragen. Die Vormerkung oder der Widerspruch wird von Amtswegen gelöscht, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder zurückgewiesen wird. § 124. Bei der Einlegung der weiteren Beschwerde durch Einreichung einer Beschwerdeschrist bedarf es der Zuziehung eines Rechtsanwalts nicht, wenn die Beschwerde von dem Notar eingelegt wird, der die zu bei Eintragung erforderliche Erklärung beurkundet oder beglaubigt und im Namen eines Antragsberechtigten den Eintragungsantrag gestellt hat. Die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 3 bleibt unberührt. Siebenter Abschnitt.

Handelssachen.

§ 125. Für die Führung des Handelsregisters sind die Amts­ gerichte zuständig. Durch Anordnung der Landesjustizverwaltung kann die Führung des Registers für mehrereAmtsgerichtsbezirke einem Amtsgerichtübertragen werden.

§ 126. Die Organe des Handelsstandes sind verpflichtet, die Registergerichte behufs der Verhütung unrichtiger Eintragungen sowie behufs der Berichtigung und Vervollständigung des Handelsregisters zu unterstützen; sie sind berechtigt, Anträge zu diesem Zwecke bei den Register-

Siebenter Abschnitt

Handelssachen.

723

gerichten zu stellen und gegen Verfügungen, durch die über solche Anträge entschieden wird, das Rechtsmittel der Beschwerde zu erheben. Die näheren Bestimmungen werden von den Landesregierungen getroffen.

§ 127. Das Registergericht kann, wenn eine von ihm zu erlasiende Verfügung von der Beurtheilung eines streitigen Rechtsverhältniffes ab­ hängig ist, die Verfügung aussetzen, bis über das Verhältniß im Wege des Rechtsstreits entschieden ist. Es kann, wenn der Rechtsstreit nicht anhängig ist, einem der Betheiligten eine Frist zur Erhebung der Klage bestimmen. § 128. Die Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister sowie die zur Aufbewahrung bei dem Gerichte bestimmten Zeichnungen von Unterschriften können zum Protokolle des Gerichtsschreibers des Registergerichts erfolgen. § 129. Ist die zu einer Eintragung erforderliche Erklärung von einem Notar beurkundet oder beglaubigt, so gilt dieser als ermächtigt, im Namen des zur Anmeldung Verpflichteten die Eintragung zu bean­ tragen. Die Vorschriften des § 124 finden entsprechende Anwendung.

§ 130. Jede Eintragung soll den Tag, an welchem sie erfolgt ist, angeben und mit der Unterschrift des zuständigen Beamten versehen werden. Jede Eintragung soll demjenigen, welcher sie beantragt hat, bekannt gemacht werden. Auf die Bekanntmachung kann verzichtet werden.

§ 131. Die Eintragung einer Zweigniederlassung ist von Amtswegeu dem Registergerichte der Hauptniederlassung mitzutheilen und in dessen Register zu vermerken. Das Gleiche gilt, wenn die Zweignieder­ lassung aufgehoben wird. § 132. Sobald das Registergericht. von einem sein Einschreiten nach den 88 14, 319 und dem § 325 Nr. 9 des Handelsgesetzbuchs rechtfertigenden Sachverhalte glaubhafte Kenntniß erhält, hat es dem Betheiligten unter Androhung einer Ordnungsstrafe auszugeben, innerhalb einer bestimmten Frist seiner gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen oder die Unterlaffung mittelst Einspruchs gegen die Verfügung zu rechtfertigen. Die Beschwerde gegen diese Verfügung ist unzulässig. § 133. Wird innerhalb der bestimmten Frist weder der gesetzlichen Verpflichtung genügt noch Einspruch erhoben, so ist die angedrohte Strafe festzusetzen und zugleich die frühere Verfügung unter Androhung einer erneuten Ordnungsstrafe zu wiederholen. In gleicher Weise ist fortzufahren, bis der gesetzlichen Verpflichtung genügt oder Einspruch erhoben wird.

K 134. Wird rechtzeitig Einspruch erhoben, so hat das Gericht, wenn sich der Einspruch nicht ohne Weiteres als begründet ergiebt, zur Erörterung der Sache den Betheiligten zu einem Termine zu laden. Das Gericht kann, auch wenn der Betheiligte nicht erscheint, nach Lage der Sache enffcheiden. § 135. Wird der Einspruch für begründet erachtet, so ist die erlassene Verfügung aufzuheben.

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XIV Freiwillige Gerichtsbarkeit.

Anderenfalls hat das Gericht den Einspruch zu verwerfen und die angedrohte Strafe festzusetzen. Das Gericht kann, wenn die Umstände es rechtfertigen, von der Festsetzung einer Strafe absehen oder eine geringere als die angedrohte Strafe festsetzen. Im Falle der Verwerfung des Einspruchs hat das Gericht zugleich eine erneute Verfügung nach § 132 zu erlassen. Die in dieser Verfügung bestimmte Frist beginnt mit dem Eintritte der Rechtskraft der Verwerfung des Einspruchs.

§ 136» Wird im Falle des § 133 gegen die wiederholte Ver­ fügung Einspruch erhoben und dieser für begründet erachtet, so kann das Gericht, wenn die Umstände es rechtfertigen, zugleich die früher festgesetzte Strafe aufheben oder an deren Stelle eine geringere Strafe festsetzen. § 137. Gegen die Versäumung der Einspruchsfrist ist auf Antrag nach Maßgabe des § 22 Abs. 2 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ertheilen. § 138. Bei der Festsetzung der Ordnungsstrafe ist der Betheiligte zugleich in die Kosten des Verfahrens zu verurtheilen. § 139. Gegen den Beschluß, durch welchen die Ordnungsstrafe fest­ gesetzt oder der Einspruch verworfen wird, findet die sofortige Beschwerde statt. Ist die Strafe nach Maßgabe des §133 festgesetzt, so kann die Beschwerde nicht darauf gestützt werden, daß die Verfügung, durch welche die Strafe angedroht worden ist, nicht gerechtfertigt gewesen sei.

§ 140. Soll nach § 37 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs gegen eine Person eingeschritten werden, die eine ihr nicht zustehende Firma gebraucht, jo finden die Vorschriften der §§ 132 bis 139 mit der Maßgabe An­ wendung, daß 1. in der nach ß 132 zu erlasienden Verfügung dem Betheiligten aufgegeben wird, sich des Gebrauchs der Firma zu enthalten oder binnen bestimmter Frist den Gebrauch der Firma mittelst Einspruchs gegen die Verfügung zu rechtfertigen;

2. die Ordnungsstrafe festgesetzt wird, falls kein Einspruch erhoben oder der erhobene Einspruch rechtskräftig verworfen ist und der Betheiligte nach der Bekanntmachung der Verfügung dieser zuwidergehandelt hat.

§ 141. Soll nach § 31 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs das Erlöschen einer Firma von Amtswegen in das Handelsregister eingetragen werden, so hat das Registergericht den eingetragenen Inhaber der Firma oder besten Rechtsnachfolger von der beabsichtigten Löschung zu benachrichtigen und ihm zugleich eine angemessene Frist zur Geltendmachung eines Wider­ spruchs zu bestimmen. Die Frist darf nicht weniger als drei Monate betragen. Sind die bezeichneten Personen oder deren Aufenthalt nicht bekannt, so erfolgt die Benachrichtigung und die Bestimmung der Frist durch Ein­ rückung in diejenigen Blätter, welche für die Bekanntmachungen der Eintragungen in das Handelsregister bestimmt sind. Es kann angeordnet werden, daß die Bekanntmachung noch in andere Blätter eingerückt wird.

Siebenter Abschnitt.

Handelssachen.

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Wird Widerspruch erhoben, so entscheidet über ihn das Gericht. Gegen die den Widerspruch zurückweisende Verfügung findet die sofortige Beschwerde statt. Die Löschung darf nur erfolgen, wenn Widerspruch nicht erhoben oder wenn die den Widerspruch zurückweisende Verfügung rechtskräftig geworden ist.

§ 142. Ist eine Eintragung in das Handelsregister bewirkt, obgleich sie wegen Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig war, so tarnt das Registergericht sie von Amtswegen löschen. Die Löschung geschieht durch Eintragung eines Vermerkes. Das Gericht hat den Betheiligten von der beabsichtigten Löschung zu benachrichtigen und ihm zugleich eine angemessene Frist zur Geltend­ machung eines Widerspruchs zu bestimmen. Auf das weitere Verfahren finden die Vorschriften des § 141 Abs. 3,4 Anwendung. § 143. Die Löschung einer Eintragung kann gemäß den Vorschriften des § 142 auch von dem Landgerichte verfügt werden, welches dem Register­ gericht im Jnstanzenzuge vorgeordnet ist. Die Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 2 findet Anwendung. Gegen die einen Widerspruch zurückweisende Verfügung des Land­ gerichts findet die sofortige Beschwerde an das Oberlandesgericht mit der Maßgabe statt, daß die Vorschriften des § 28 Abs. 2, 3 zur entsprechenden Anwendung kommen. Die weitere Beschwerde ist ausgeschloffen. § 144. Eine in das Handelsregister eingetragene Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien kann gemäß den Vorschriften der §§ 142, 143 als nichtig gelöscht werden, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach den §§ 309, 310 des Handelsgesetzbuchs die Nichtigkeits­ klage erhoben werden kann. Das Gleiche gilt für eine in das Handelsregister eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach den §§ 75, 76 des Gesetzes, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die Nichtigkeitsklage erhoben werden kann. Ein in das Handelsregister eingetragener Beschluß der Generalver­ sammlung oder Versammlung der Gesellschafter einer der im Abs. 1 bezeichneten Gesellschaften kann gemäß den Vorschriften der §§ 142, 143 als nichtig gelöscht werden, wenn er durch seinen Inhalt zwingende Vor­ schriften des Gesetzes verletzt und seine Beseitigung im öffentlichen Jntereffe erforderlich erscheint. In den Fällen der Abs. 1, 2 soll die nach § 142 Abs. 2 zu bestimmende Frist mindestens drei Monate betragen.

§ 145. Die Amtsgerichte sind zuständig für die nach § 146 Abs. 2, 8 147, § 157 Abs. 2, § 166 Abs. 3, § 192 Abs. 3, § 254 Abs. 3, §266 Abs. 2, § 268 Abs. 2, § 295 Abs. 2, 3, § 302 Abs. 2 bis 4, § 338 Abs. 3, § 524 Abs. 1, 2, § 530 Abs. 1, §§ 590, 685, § 729 Abs. 1, § 884 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs von dem Gerichte zu erledigenden Angelegenheiten. Ist die Führung des Handelsregisters für mehrere Amtsgerichtsbezirke einem Amtsgericht übertragen worden, so gehören zur Zuständigkeit dieses

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XIV Freiwillige Gerichtsbarkeit.

Amtsgerichts auch die im Abs. 1 bezeichneten Angelegenheiten, mit Aus­ nahme derjenigen Geschäfte, welche den Gerichten nach § 524 Abs. 1, 2, § 530 Abs. 1, §§ 590, 685, § 729 Abs. 1, § 884 Nr. 4 des Handels­ gesetzbuchs obliegen.

§ 146. Soweit in den im § 145 bezeichneten Angelegenheiten ein Gegner des Antragstellers vorhanden ist, hat ihn das Gericht wenn thunlich zu hören. Gegen die Verfügung, durch welche über den Antrag entschieden wird, findet die sofortige Beschwerde statt. Eine Anfechtung der Verfügung, durch welche einem nach § 524 Abs. 1, 2, ß 530 Abs. 1, § 685, § 729 Abs. 1, § 884 Nr. 4 des Handels­ gesetzbuchs gestellten Anträge stattgegeben wird, ist ausgeschlossen.

8 147. Die Vorschriften der §§ 127 bis 131, 142, 143 finden auf die Eintragungen in das Genossenschastsregister entsprechende Anwendung. Eine in das Genossenschastsregister eingetragene Genofienschaft kann gemäß den Vorschriften der 88 142,143 als nichtig gelöscht werden, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach den 88 94, 95 des Gesetzes, betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsgenoffenschaften, die Nichtigkertsklage erhoben werden kann. Ein in das Genoffenschastsregister eingetragener Beschluß der. General­ versammlung einer Genossenschaft kann gemäß den Vorschriften der 88 142, 143 als nichtig gelöscht werden, wenn er durch seinen Inhalt zwingende Vorschriften des Gesetzes verletzt und seine Beseitigung im öffentlichen Jntereffe erforderlich erichemt. In den Fällen der Abs. 2, 3 soll die nach 8 142 Abs. 2 zu be­ stimmende Frist mindestens drei Monate betragen. 8 148. Die Vorschriften des 8 146 Abs. 1, 2 finden auf die nach 8 45 Abs. 3, 8 61, 8 83 Abs. 3, 4, 8 93 des Gesetzes, betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, und nach 8 66 Abs. 2, 3, 8 74 des Gesetzes, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, von dem Registergerichte zu erledigenden Angelegenheiten Anwendung. Gegen die Verfügung, durch welche der im 8 H des Gesetzes, be­ treffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, oder der im 8 8 des Gesetzes, betreffend die privatrechtlichen Verhältniffe der Flößerei, bezeichncte Antrag auf Beweisaufnahme oder der im 8 87 Abs. 2 des ersteren Gesetzes bezeichnete Antrag auf Bestellung eines Dispacheurs- zurück­ gewiesen wird, findet die sofortige Beschwerde statt. Eine Anfechtung der Verfügung, durch welche einem solchen Anträge stattgegeben wird, ist aus­ geschloffen. 8 149. Für die Verrichtungen, welche den Gerichten in Ansehung der nach dem Handelsgesetzbuch oder nach dem Gesetze, betreffend die privat­ rechtlichen Verhältniffe der Binnenschiffahrt, aufzumachenden Dispache ob­ liegen, ist das Amtsgericht des Ortes zuständig, an welchem die Vertheilung der Havereischäden zu erfolgen hat.

8 150. Lehnt der Dispacheur den Auftrag eines Betheiligten zur Aufmachung der Dispache aus dem Grunde ab, weil ein Fall der großen

Siebenter Abschnitt.

Handelssachen.

727

Haverei nicht vorliege, so entscheidet über die Verpflichtung des Dispacheurs auf Antrag des Betheiligten das Gericht. Gegen die Verfügung findet die sofortige Beschwerde statt.

§ 151. Auf Antrag des Dispacheurs kann das Gericht einem Betheiligten unter Androhung von Ordnungsstrafen aufgeben, dem Dis­ pacheur die in seinem Besitze befindlichen Schriftstücke, zu deren Mittheilung er gesetzlich verpflichtet ist, auszuhändigen. Die einzelne Strafe darf den Betrag von dreihundert Mark nicht übersteigen. § 152. Der Dispacheur ist verpflichtet, jedem Betheiligten Einsicht in die Dispache zu gewähren und ihm auf Verlangen eine Abschrift gegen Erstattung der Kosten zu ertheilen. Das Gleiche gilt, wenn die Dispache nach dem Gesetze, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnen­ schiffahrt, von dem Schiffer aufgemacht worden ist, für diesen.

§ 153. Jeder Betheiligte ist befugt, bei dem Gericht eine Ver­ handlung über die von dem Dispacheur aufgemachte Dispache zu beantragen. In dem Anträge sind diejenigen Betheiligten zu bezeichnen, welche zu dem Verfahren zugezogen werden sollen. Wird ein Antrag auf gerichtliche Verhandlung gestellt, so hat das Gericht die Dispache und deren Unterlagen von dem Dispacheur einzu­ ziehen und, wenn nicht offensichüich die Voraussetzungen der großen Haverei fehlen, den Antragsteller sowie die von ihm bezeichneten Betheiligten zu einem Termine zu laden. Mehrere Anträge können von dem Gerichte zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung verbunden werden. Die Ladung muß den Hinweis darauf enthalten, daß, wenn der Geladene weder in dem Termin erscheine noch vorher Widerspruch gegen die Dispache bei dem Gericht anmelde, sein Einverständniß mit der Dispache angenommen werden würde. In der Ladung ist zu bemerken, daß die Dispache und deren Unterlagen auf der Gerichtsschreiberei eingesehen werden können. Die Frist zwischen der Ladung und dem Termine muß wenigstens zwei Wochen betragen. § 154. Erachtet das Gericht eine Vervollständigung der Unter­ lagen der Dispache für nothwendig, so hat es die Beibringung der erforder­ lichen Belege anzuordnen. Die Vorschriften des § 151 finden entsprechende Anwendung. § 155. In dem Termin ist mit den Erschienenen über die Dispache zu verhandeln. Wird ein Widerspruch gegen die Dispache nicht erhoben und ist ein solcher auch vorher nicht angemeldet, so hat das Gericht die Dispache gegenüber den an dem Verfahren Betheiligten zu bestätigen. Liegt ein Widerspruch vor, so haben sich die Betheiligten, deren Rechte durch ihn betroffen werden, zu erklären. Wird der Widerspruch als begründet anerkannt oder kommt anderweit eine Einigung zu Stande, so ist die Dispache demgemäß zu berichtigen. Erledigt sich der Widerspruch nicht, so ist die Dispache insoweit zu bestätigen, als sie durch den Wider­ spruch nicht berührt wird.

728

XIV Freiwillige Gerichtsbarkeit.

Werden durch den Widerspruch die Rechte eines im Termine nicht erschienenen Betheiligten betroffen, so wird angenommen, daß dieser den Widerspruch nicht als begründet anerkenne.

§ 156, Soweit ein Widerspruch nicht gemäß § 155 Abs. 3 erledigt wird, hat ihn der Widersprechende durch Erhebung der Klage gegen die­ jenigen an dem Verfahren Betheiligten, deren Rechte durch den Wider­ spruch betroffen werden, zu verfolgen. Die das Vertheilungsverfahren be­ treffenden Vorschriften der §§ 878, 879 der Civilprozeßordnung finden mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß das Gericht einem Betheiligten auf seinen Antrag, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht werden, die Frist zur Erhebung der Klage verlängern kann und daß an die Stelle der Ausführung des Vertheilungsplans die Bestätigung der Dispache tritt. Ist der Widerspruch durch rechtskräftiges Urtheil oder in anderer Weise erledigt, so wird die Dispache bestätigt, nachdem sie erforderlichen Falles von dem Amtsgerichte nach Maßgabe der Erledigung der Ein­ wendungen berichtigt ist.

§ 157, Gegen die Verfügung, durch welche ein nach § 153 ge­ stellter Antrag auf gerichtliche Verhandlung zurückgewiesen oder über die Bestätigung der Dispache entschieden wird, findet die sofortige Beschwerde statt. Einwendungen gegen die Dispache, welche mittelst Widerspruchs geltend zu machen sind, können nicht im Wege der Beschwerde geltend gemacht werden. 8 158. -Die Bestätigung der Dispache ist nur für das gegenseitige Verhältniß der an dem Verfahren Betheiligten wirksam. Aus der rechtskräftig bestätigten Dispache findet die Zwangsvoll­ streckung nach den Vorschriften der Civilprozeßordnung statt. Für Klagen aus Ertheilung der Vollstreckungsklausel sowie für Klagen, durch welche Einwendungen gegen die in der Dispache festgestellten Ansprüche geltend gemacht werden oder die bei der Ertheilung der Voll­ streckungsklausel als eingetreten angenommene Rechtsnachfolge bestritten wird, ist das Amtsgericht zuständig, welches die Dispache bestätigt hat. Gehört der Anspruch nicht vor die Amtsgerichte, so sind die Klagen bei dem zuständigen Landgerichte zu erheben.

Achter Abschnitt.

VeretnKsachen.

GüterrechtFregister.

8 159. Auf die Eintragungen in das Vereinsregister finden die Vorschriften der §§ 127 bis 130, 142; 143, auf das Verfahren bei der Verhängung von Ordnungsstrafen gegen Mitglieder des Vorstandes oder Liquidatoren eines eingetragenen Vereins finden die Vorschriften der §§ 127,132 bis 139 entsprechende Anwendung. § 160, Im Falle des § 37 des Bürgerlichen Gesetzbuchs soll das Gericht vor der Verfügung, durch welche über das Verlangen, eine Mitglieder-

Neunter Abschn. OffenbarungSeid. Untersuchung u Verwahrung von Sachen :c.

729

Versammlung zu berufen, entschieden wird, soweit thunlich den Vor­ stand des Vereins hören. Gegen die Verfügung findet die sofortige Beschwerde statt.

§ 161. Auf die Eintragungen in das Güterrechtsregister finden die Vorschriften der § 127 bis 130, 142, 143 entsprechende Anwendung. Von einer Eintragung sollen in allen Fällen beide Ehegatten benachrichtigt werden. § 162. Das Amtsgericht hat auf Verlangen eine Bescheinigung darüber zu ertheilen, daß bezüglich des Gegenstandes einer Eintragung weitere Eintragungen in das Vereins- oder Güterrechtsregister nicht vor­ handen sind oder daß eine bestimmte Eintragung in das Register nicht erfolgt ist. Neunter Abschnitt.

GffenbarungSetd. Untersuchung und Verwahrung von Sachen. Pfandverkauf. § 163. Ist in den Fällen der §§ 259, 260, 2028, 2057 des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Offenbarungseid nicht vor dem Prozeßgerichte zu leisten, so finden die Vorschriften des § 79 entsprechende Anwendung.

§ 164. In den Fällen, in denen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes Jemand den Zustand oder den Werth einer Sache durch Sachverständige feststellen lassen kann, ist für die Ernennung, Beeidigung und Vernehmung der Sachverständigen das Amtsgericht zuständig, in deffen Bezirke sich die Sache befindet. Durch eine ausdrückliche Vereinbarung der Betheiligten kann die Zuständigkeit eines anderen Amtsgerichts be­ gründet werden. Eine Anfechtung der Verfügung, durch welche dem Anträge statt­ gegeben wird, ist ausgeschloffen. Bei dem Verfahren ist der Gegner soweit thunlich zu hören. § 165. In den Fällen der §§ 432, 1217, 1281, 2039 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist für die Bestellung des Verwahrers das Amts­ gericht zuständig, in dessen Bezirke sich die Sache befindet. Ueber eine von dem Verwahrer beanspruchte Vergütung entscheidet das Amtsgericht. Vor der Bestellung des Verwahrers und vor der Entscheidung über die Vergütung sind die Betheiligten soweit thunlich zu hören. § 166. Im Falle des § 1246 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetz­ buchs ist für die Entscheidung des Gerichts das Amtsgericht des Ortes zuständig, an welchem das Pfand ausbewahrt wird. Vor der Entscheidung sind die Betheiligten soweit thunlich zu hören.

730

XIV. Freiwillige Gerichtsbarkeit

Zehnter Abschnitt.

Gerichtliche und notarielle Urkunden. 8 167. Für die gerichtliche Beurkundung eines Rechtsgeschäfts sowie für die gerichtliche Beglaubigung eines Handzeichens sind die Amts­ gerichte zuständig. Für die öffentliche Beglaubigung einer Unterschrift sind außer den Notaren die Amtsgerichte zuständig. Das Gleiche gilt für die Aufnahme der im § 1718 nnd im § 1720 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgesehenen öffentlichen Urkunden über die Anerkennung der Vaterschaft; für die Aufnahme dieser Urkunden ist, wenn die Anerkennung der Vaterfchaft bei der Anzeige der Geburt des Kindes oder bei der Eheschließung seiner Eltem erfolgt, auch der Standesbeamte zuständig, welcher die Geburt oder die Eheschließung beurkundet. § 168. Für die gerichtliche und die notarielle Beurkundung eines Rechtsgeschäfts gelten, unbeschadet der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetz­ buchs über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen, die §§ 169 bis 182. Als Betheiligter im Sinne der §§ 169 bis 182 ist derjenige anzusehen, dessen Erklärung beurkundet werden soll. § 169. Ist ein Betheiligter nach der Ueberzeugung des Richters oder des Notars taub, blind, stumm oder sonst am Sprechen verhindert, so muß der Richter einen Gerichtsschreiber oder zwei Zeugen, der Notar einen zweiten Notar oder zwei Zeugen zuziehen. 8 170. Als Richter, Notar, Gerichtsschreiber oder Zeuge bei der Beurkundung nicht mitwirken:

kann

1. wer selbst Betheiligtcr ist sowie derjenige, für welchen ein Betheiligter als Vertreter handelt; 2. der Ehegatte eines Betheiligten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; 3. wer mit einem Betheiligten in gerader Linie oder im zweiten Grade der Seitenlinie verwandt oder verschwägert ist; 4. wer zu demjenigen, für welchen ein Betheiligter als Vertreter handelt, in einem Verhältnisse der unter Nr. 2, 3 bezeichneten Art steht.

8 171. Als Richter, Notar, Gerichtsschreiber oder Zeuge kann bei der Beurkundung nicht mitwirken: 1. derjenige, zu dessen Gunsten troffen wird;

in der Urkunde

eine Verfügung

ge­

2. wer zu demjenigen, zu dessen Gunsten in der Urkunde eine Ver­ fügung getroffen wird, in einem Verhältnisse der im § 170 Nr. 2, 3 bezeichneten Art steht. Die Mitwirkung einer hiernach ausgeschlossenen Person hat zur Folge, daß die Beurkundung insoweit nichtig ist, als sie eine Verfügung zu Gunsten einer der im Abs. 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Personen zum Gegen­ stände hat.

Zehnter Abschnitt.

Gerichtliche und notarielle Urkunden.

731

§ 172. Als Gerichtsschreiber oder zweiter Notar oder Zeuge kann bei der Beurkundung nicht mitwirken, wer zu dem Richter oder dem beurkundenden Notar in einem Verhältnisse der im § 170 Nr. 2, 3 bezeichneten Art steht. § 173.

Als Zeuge soll bei der Beurkundung nicht mitwirken:

1. ein Minderjähriger; 2. wer der bürgerlichen Ehrenrechte sür verlustig erklärt ist, während der Zeit, für welche die Aberkennung der Ehrenrechte erfolgt ist; 3. wer nach den Vorschriften der Strafgesetze unfähig ist,

als Zeuge

eidlich vernommen zu werden;

4. wer als Gesinde oder Gehülfe im Dienste des Richters oder des beurkundenden Notars steht.

§ 174. Die bei der Beurkundung mitwirkenden Personen müssen bei der Vorlesung, Genehmigung und Unterzeichnung deH Urkunde zugegen sein. § 175. Ueber die Verhandlung muß ein Protokoll in deutscher Sprache ausgenommen werden.

§ 176. Das Protokoll muß enthalten: 1. Ort und Tag der Verhandlung; 2. die Bezeichnung der Betheiligtcn und der bei der Verhandlung mit­ wirkenden Personen;

3. die Erklärung der Betheiligten. Wird in der Erklärung auf eine Schrift Bezug genommen und diese dem Protokoll als Anlage beigesügt, so bildet sie einen Theil des Protokolls. Das Protokoll soll eine Angabe darüber enthalten, ob der Richter oder der Notar die Betheiligten kennt oder, sofern dies nicht der Fall ist, in welcher Weise er sich Gewißheit über ihre Persönlichkeit verschafft hat. Kann er sich diese Gewißheit nicht verschaffen, wird aber gleichwohl die Aufnahme der Verhandlung verlangt, so sollen der Sachverhalt und das­ jenige, was zur Feststellung der Persönlichkeit beigebracht ist, in das Protokoll ausgenommen werden.

§ 177. Das Protokoll muß vorgelesen, von den Bethciligten genehmigt und von ihnen eigenhändig unterschrieben werden. Im Proto­ kolle muß sestgestellt werden, daß dies geschehen ist. Das Protokoll soll den Betheiligten auf Verlangen auch zur Durchsicht vorgelegt werden. Erklärt ein Betheiligter, daß er nicht schreiben könne, so muß diese Erklärung im Protokolle festgestellt werden. Bei der Vorlesung und der Genehmigung muß der Richter oder der Notar einen Zeugen zuziehen. In den Fällen des § 169 bedarf es dieser Zuziehung nicht; das Gleiche gilt, wenn in anderen Fällen ein Gerichtsschreiber oder ein zweiter Notar zugezogen wird.

Das Protokoll muß von den mitwirkenden Personen unterschrieben werden.

732

XTV Freiwillige Gerichtsbarkeit.

§ 178. Ist nach der Ueberzeugung des Richters oder Les Notars ein Betheiligter stumm oder sonst am Sprechen verhindert und eine schrift­ liche Verständigung mit ihm nicht möglich, so muß bei der Beurkundung ein vereideter Dolmetscher zugezogen werden. Im Protokolle muß festgestellt werden, daß der Richter oder der Notar die Ueberzeugung gewonnen hat, daß der Betheiligte am Sprechen ver­ hindert und eine schriftliche Verständigung mit ihm nicht möglich ist. Das Protokoll muß von dem Dolmetscher genehmigt und unterschrieben werden Der Zuziehung eines Zeugen, eines Gerichtsschreibers oder eines zweiten Notars bedarf es in diesem Falle nicht. § 179. Erklärt ein Betheiligter, daß er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, so muß bei der Beurkundung ein vereideter Dolmetscher zugezogen werden. Der Zuziehung des Dolmetschers bedarf es nicht, wenn der Richter oder der Notar der Sprache, in der sich der Betheiligte erklärt, mächtig ist; die Beeidigung des Dolmetschers ist nicht erforderlich, wenn der Betheiligte darauf verzichtet. Das Protokoll muß dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Betheiligten durch den Dolmetscher oder, wenn ein Dolmetscher nicht zugezogen worden ist, durch den Richter oder den Notar in der fremden Sprache 'vorgetragen werden und die Feststellung enthalten, daß dies geschehen ist. Im Protokolle muß festgestellt werden, daß der Betheiligte der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Der Dolmetscher muß das Protokoll unterschreiben. Eine Beurkundung ist nicht aus dem Grunde unwirksam, weil den Vorschriften des Abs. 1 zuwider die Zuziehung eines Dolmetschers unter­ blieben ist.

§ 180. Auf den Dolmetscher finden die nach den §§ 170 bis 173 für einen Zeugen geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. § 181. Bei der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung von Ver­ steigerungen gelten Bieter nicht als Betheiligte; ausgenommen find solche Bieter, die an ihr Gebot gebunden bleiben. Entfernt sich ein solcher Bieter vor dem. Schlüsse der Verhandlung, so genügt an Stelle seiner Unterschrift die Angabe des Grundes, aus welchem sie unterblieben ist.

§ 182. Die Ausfertigung der Protokolle über die gerichtliche Beurkundung eines Rechtsgeschäfts ist von dem Gerichtsschreiber zu unter­ schreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. Auf Antrag können die Protokolle auch auszugsweise ausgefertigt werden. § 183. Die gerichtliche oder notarielle Beglaubigung einer Unter­ schrift darf nur erfolgen, wenn die Unterschrift in Gegenwart des Richters oder des Notars vollzogen oder anerkannt wird. Die Beglaubigung geschieht durch einen unter die Unterschrift zu setzenden Vermerk. Der Vermerk muß die Bezeichnung desjenigen, welcher die Unterschrift vollzogen oder anerkannt hat, enthalten und den Ort und den Tag der Ausstellung angeben sowie mit Unterschrift und Siegel oder Stempel versehen sein.

Elfter Abschnitt.

Schlußbestim mungcn.

733

Diese Vorschriften finden auf die gerichtliche oder notarielle Be­ glaubigung eines Handzeichens entsprechende Anwendung.

§ 184. Für die nach § 167 den Amtsgerichten obliegenden Verrichtungen sind in Ansehung solcher Personen, die zur Besatzung eines in Dienst gestellten Schiffes der Kaiserlichen Marine gehören oder die in anderer Eigenschaft an Bord eines solchen Schiffes sind, auch die Geschwaderauditeurc zuständig, solange das Schiff sich außerhalb eines inländischen Hafens befindet. Den Schiffen stehen die sonstigen Fahrzeuge der Kaiserlichen Marine gleich. Die Ausfertigung der Protokolle über die Beurkundung eines Rechts­ geschäfts ist von dem Auditeur zu unterschreiben und mit dem Gerichts­ siegel zu versehen. Die Vorschriften des Artikel 44 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche bleiben unberührt. Elfter Abschnitt.

Schluszbesttmmungen. § 185. Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetz­ buch in Kraft. Die Artikel 2 bis 5, 32 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gcsetzbuche finden entsprechende Anwendung. § 186. Die Vorschriften der §§ 11, 66 des Gesetzes über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875 (Reichs-Gesetzbl. S. 23) werden insoweit aufgehoben, als sie der Laudesgesetz­ gebung die Befugniß gewähren, das gerichtliche Verfahren abweichend zu regeln.

§ 187. Der § 150 des Gesetzes, betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, vom 1. Mai 1889 (Reichs-Gesetzbl. S. 55) wird aufgehoben. § 188. Der § 11 Abs. 2 des Gesetzes, betreffend das Reichsschuld­ buch, vom 31. Mai 1891 (Reichs-Gesetzbl. S. 321) wird dahin geändert: Zur Ausstellung dieser Bescheinigungen ist das Nachlaß­ gericht und, falls der Erblasser zur Zeit des Erbfalls im Jnlande weder Wohnsitz noch Aufenthalt hatte, auch derjenige Konsul des Reichs zuständig, in dessen Amtsbezirke der Erblaffer zur Zeit des Erbfalls seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, sofern dem Konsul von dem Reichskanzler die Ermächtigung zur Ausstellung solcher Bescheinigungen ertheilt ist.

8 189. Soweit im Einführungsgesetze zum Bürgerlichen Gesetz­ buche zu Gunsten der Landesgesetze Vorbehalte gemacht sind, gelten sie auch für die Vorschriften der Landesgesetze über diejenigen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, welche Gegenstand dieses Gesetzes. sind; den Landesgesetzen stehen nach Maßgabe der Artikel 57, 58 des Ein­ führungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche die Hausverfaffungen gleich.

734

XIV Freiwillig« Gerichtsbarkeit.

§ 190. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche für den Fall, daß nach Artikel 147 des Einführungsgesetzes zum Bürger­ lichen Gesetzbuche die dem Bormundschaftsgericht obliegenden Verrichtungen durch Landesgesetz anderen Behörden als den Amtsgerichten übertragen sind, über den Vorsitz im Familienrathe Bestimmung treffen.

§ 191. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen für die Aufnahme der nach dem § 1718 und dem § 1720 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erforderlichen öffentlichen Urkunden sowie für die öffentliche Beglaubigung einer Unterschrift außer den Amtsgerichten und Notaren auch andere Behörden oder Beamte zuständig sind. Durch Landesgesetz kann die Zuständigkeit der Amtsgerichte für die öffentliche Beglaubigung einer Unterschrift oder eines Handzeichens aus­ geschlossen werden. § 192. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen, wenn die Auseinandersetzung in Ansehung eines Nachlasses nicht binnen einer bestimmten Frist bewirkt ist, das Nachlaßgericht die Aus­ einandersetzung von Amtswegen zu vermitteln hat; auf die Auseinander­ setzung finden die Vorschriften der §§ 88 bis 98 Anwendung. § 193. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen für die gemäß § 99 den Amtsrichtern obliegenden Verrichtungen andere als gerichtliche Behörden zuständig sind, sowie die landesgesetzlichen Vor­ schriften, nach welchen in den Fällen der §§ 86, 99 an Stelle der Gerichte oder neben diesen die Notare die Auseinandersetzung zu vermitteln haben. § 194. Sind für die im 8 1 bezeichneten Angelegenheiten nach Landesgesetz andere als gerichtliche Behörden zuständig, so gelten die in dem ersten Abschnitte für die Gerichte gegebenen Vorschriften auch für die anderen Behörden. Als gemeinschaftliches oberes Gericht im Sinne der 88 5, 46 gilt dasjenige Gericht, welches das gemeinschaftliche obere Gericht für die Amts­ gerichte ist, in deren Bezirke die Behörden ihren Sitz haben. Durch Landesgesetz kann jedoch bestimmt werden, daß, wenn die Behörden in dem Bezirke desselben Amtsgerichts ihren Sitz haben, dieses als gemeinschaftliches oberes Gericht zuständig ist. Die Vorschriften des 8 8 über die SitzungsPolizei und über die Berathung und Abstimmung sowie die Vorschriften der 88 6, 10, 11, des 8 16 Abs. 2 und des 8 31 finden keine Anwendung. Durch die Vorschrift des Abs. 1 wird die Verpflichtung der gericht­ lichen Behörden, gemäß 8 2 Rechtshülfe zu leisten, nicht berührt.

§ 195. Durch die Gesetzgebung eines Bundesstaats, in dem für die dem Vormundschaftsgericht oder dem Nachlaßgericht obliegenden Ver­ richtungen andere Behörden als die Amtsgerichte zuständig sind, kann bestimmt werden, daß die Abänderung einer Entscheidung einer solchen Behörde bei dem Amtsgerichte nachzusuchen ist, in dessen Bezirke die Behörde ihren Sitz hat. In diesem Falle finden auf das Verfahren die Vorschriften der 88 20 bis 25 entsprechende Anwendung. Die Beschwerde findet gegen die Entscheidung des Amtsgerichts statt.

Elster Abschnitt.

Schlußbestunnmngen.

735

§ 196. Ist für die Volljährigkeitserklärung nach Landesgesetz die Zentralstelle des Bundesstaats zuständig, so finden die in dem ersten Ab­ schnitte für die Gerichte gegebenen Vorschriften keine Anwendung. Die Verfügung, durch welche der Minderjährige für volljährig erklärt wird, tritt mit der Bekanntmachung an den Minderjährigen in Wirksamkeit. § 197. Durch die Landesjustizverwaltung kann angeordnet werden, daß die im § 14 des Gesetzes über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875 vorgesehene Aufbewahrung des Nebenrcgisters bei den Landgerichten erfolgen soll.

§ 198. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welchen bei der Beurkundung einer Erklärung in den Fällen des § der Richter an Stelle des Gerichtsschreibers oder der zwei Zeugen besonders dazu bestellte Urkundsperson zuziehen kann. Auf die Urkundsperson finden die Vorschriften der §§ 170 bis Anwendung.

nach 169 eine

172

§ 199. Durch die Gesetzgebung eines Bundesstaats, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann die Entscheidung über das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde einem der mehreren Oberlandesgerichte oder an Stelle eines solchen Oberlandesgerichts dem obersten Landesgerichte zugewiesen werden. Das Gericht, dem nach Absatz 1 die Entscheidung zugewiesen wird, tritt zugleich für die Beschwerde gegen eine Verfügung des Landgerichts an die Stelle des nach § 64 und § 143 Abs. 2 zuständigen Oberlandes­ gerichts. Auch gilt es im Sinne der §§ 5, 46 als gemeinschaftliches oberes Gericht für alle Gerichte des Bundesstaats. § 200. Durch Landesgcsetz können Vorschriften zur Ergänzung und Ausführung dieses Gesetzes, mit Einschluß der erforderlichen Uebergangsvorschriften, auch insoweit erlassen werden, als dieses Gesetz Vorbehalte für die Landesgesetzgebung nicht enthält. Soweit durch Landesgesetz allgemeine Vorschriften über die Errichtung gerichtlicher oder notarieller Urkunden erlassen werden, ist ein Verstoß gegen eine solche Vorschrift, unbeschadet der Vorschriften über die Folgen des Mangels der sachlichen Zuständigkeit, ohne Einfluß auf die Gültigkeit der Beurkundung.

XV. Besetz, betreffend die Uerblndlicbkelt zum Schadenersätze für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken n. $. w. herbei­ geführten Cödtungen und Körperverletzungen, vom 7. Ium 1871

in der Fassung nach Hrt. « €.6. r. 8.6.8. (Reichsgesetzblatt 1871 ®. 208—209; 1896 S 616—617.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von

Prentzen re. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:

8 1. Wenn bei dem Betriebe einer Eisenbahn ein Mensch getobte t oder körperlich verletzt wird, so haftet der Betriebs-Unternehmer für den dadurch entstandenen Schaden, sofern er nicht beweist, daß der Unfall durch höhere Gewalt oder durch eigenes Verschulden des Getödteten oder Verletzten verursacht ist.

8 2. Wer ein Bergwerk, einen Steinbruch, eine Gräberei (Grube) oder eine Fabrik betreibt, haftet, wenn ein Bevollmächtigter oder ein Repräsentant oder eine zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes oder der Arbeiter angenommene Person durch ein Verschulden in Aus­ führung der Dienstverrichtungen den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen herbeigeführt hat, für den dadurch entstandenen Schaden. 8 3 Im Falle der Tödtung ist der Schadenersatz (§§ 1 und 2) durch Ersatz der Kosten einer versuchten Heilung sowie oes Vermögens­ nachtheils zu leisten, den der Getödtete dadurch erlitten hat, daß während der Krankheit seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert oder eine Vermehrung seiner Bedürfnisse eingetreten war. Der Ersatzpflichtige hat außerdem die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, dem die Ver­ pflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen. Stand der Getödtete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem Verhältnisse, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem Dritten in Folge der Tödtung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten insoweit Schadenersatz zu leisten, als

737

XV. Haftpflichtgesetz.

der Getödtete während der muthmaßlichen Dauer seines Lebens zur Ge­ währung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde. Die Ersatzpsticht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung erzeugt, aber noch nicht geboren war.

§ 3 a. Im Falle einer Körperverletzung ist der Schadenersatz (§§ 1 und 2) durch Ersatz der Kosten der Heilung sowie des Vermögens­ nachtheils zu leisten, den der Verletzte dadurch erleidet, daß in Folge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert oder eine Vermehrung seiner Bedürfnisse eingetreten ist. § 4. War der Getödtete oder Verletzte unter Mitleistung von Prämien oder anderen Beiträgen durch den Betriebs-Unternehmer bei einer Versicherungsanstalt, Knappschasts-, Unterstützungs-, Kranken- oder ähnlichen Kasse gegen den Unfall versichert, so ist die Leistung der Letzteren an den Ersatzberechtigten auf die Entschädigung einzurechnen, wenn die Mitleistung des Betriebs-Unternehmers nicht unter einem Drittel der Gesammtleistung beträgt.

§ 5. Die in den §§ 1 und 2 bezeichneten Unternehmer sind nicht befugt, die Anwendung der in den §§ 1 bis 3a enthaltenen Bestimmungen zu ihrem Vortheil durch Verträge (mittelst Reglements oder durch besondere Uebereinkunst) im Voraus auszuschließen oder zu beschränken. Vertragsbestimmungen, welche dieser Vorschrift entgegenstehen, haben keine rechtliche Wirkung.

§ 8 ist aufgehoben durch § 13 Nr. 3 des E.&. z. C.P.O.

§ 7. Der Schadenersatz wegen Aushebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit und wegen Vermehrung der Bedürfniffe des Verletzten sowie der nach § 3 Abs. 2 einem Dritten zu gewährende Schadenersatz ist für die Zukunst durch Entrichtung einer Geldrente zu leisten. Die Vorschriften des § 843 Abs. 2 bis 4 des Bürgerlichen Gesetz­ buchs und des 8 648 Nr. 61) der Civilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt für die dem Verletzten zu entrichtende Geldrente von der Vorschrift des § 749 Abs. 32) und für die dem Dritten zu entrichtende Geldrente von der Vorschrift des § 749 Abs. 1 Nr. 23) der Civilprozeßordnung. Ist bei der Verurtheilung des Verpflichteten zur Entrichtung einer Geldrente nicht auf Sicherheitsleistung erkannt worden, so kann der Berechtigte gleichwohl Sicherheitsleistung verlangen, wenn die Vermögensverhültnisse des Verpflichteten sich erheblich verschlechtert haben; unter der gleichen Voraussetzung kann er eine Erhöhung der in dem Urtheile be­ stimmten Sicherheit verlangen.

in

§ 8. Die Forderungen auf Schaden'ersatz (88 1 bis 3 a) verjähren zwei Jahren von dem Unfall an. Gegen denjenigen, welchem der *) Jetzt § 708 Nr. 6. ») Jetzt § 850 Abs. 3. ») Jetzt § 850 Abs 1 Nr. 2. Bürgerliche» Gesetzbuch und Nebengesede.

47

738

XV. Haftpflichtgesetz.

Getödtete Unterhalt zu gewähren hatte (§ 3 Abs. 2), beginnt die Ver­ jährung mit dem Tode. Im Uebrigen finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung Anwendung.

§ 9. Die gesetzlichen Vorschriften, nach welchen außer den in diesem Gesetze vorgesehenen Fällen der Unternehmer einer in den 88 1, 2 bezeichneten Anlage oder eine andere Person, insbesondere wegen eines eigenen Verschuldens, für den bei dem Betriebe der Anlage durch Tödtung oder Körperverletzung eines Menschen entstandenen Schaden hastet, bleiben unberührt. § 10. Die Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die Errichtung eines obersten Gerichtshofes für Handelssachen, vom 12. Juni 1869, sowie die Ergänzungen desselben werden auf diejenigen bürgerlichen Rechts­ streitigkeiten ausgedehnt, in welchen durch die Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Gmnd des gegenwärfigen Gesetzes oder der ttt § 9 erwähnten ia-rckesgesetzlichen^) Bestimmungen geltend gemacht wird. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei­ gedrucktem Kaiserlichen Jnfiegel. Gegeben Berlin, den 7. Juni 1871.

(L 8.)

Wilhelm. Fürst v. Bismarck.

*) Der § 9 neuer Fassung spricht nicht mehr von „land es gesetzt ich en", fonbem von .gesetzlichen" Vorschriften. Die im Gesetze vom 12. Juni 1869 geregelte Zu­ ständigkeit deS Reichsoberhandelsgerichts ist ans das Reichsgericht übergegangen (§§ 12, 135 G.V.G., §§ 8, 14 E G. J. G.D.G.).

XVI. Gesetz, betreffend die Jnhaberpapiere mit Prämien, vvm 8. Juni 1871. (Relchsgesetzblatt 1871 S 210-211.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen rc. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:

§ 1. Auf den Inhaber lautende Schtlldverschreibungen, in welchen allen Gläubigern oder einem Theile derselben außer der Zahlung der verschriebenen Geldsumme eine Prämie dergestalt zugesichert wird, daß durch Ausloosung oder durch eine andere auf den Zufall gestellte Art der Ermittelung die zu prämiirenden Schuldverschreibungen und die Hohe der ihnen zufallenden Prämie bestimmt werden sollen (Jnhaberpapiere mit Prämien), dürfen innerhalb des Deutschen Reichs nur aus Grund eines Reichsgesetzes und nur zum Zwecke der Anleihe eines Bundesstaats oder des Reichs ausgegeben werden.

§ 2. Jnhaberpapiere mit Prämien, welche nach Verkündigung des gegenwärtigen Gesetzes, der Bestimmung im § 1 zuwider, im Inlande ausgegeben sein möchten, ingleichen Jnhaberpapiere mit Prämien, welche nach dem 30. April 1871 im Auslande ausgegeben sind, dürfen Ueber weiter begeben, noch an den Börsen, noch an anderen zum Verkehr mit Werthpapieren bestimmten Versammlungsorten zum Gegenstände eines Geschäfts oder einer Geschäftsvermittelung gemacht werden. § 3. Dasselbe gilt vom 15. Juli 1871 ab von ausländischen Jnhaberpapieren mit Prämien, deren Ausgabe vor dem 1. Mai 1871 erfolgt ist, sofern dieselben nicht abgestempelt sind (§§ 4, 5). § 4. Die Schuldverschreibungen, deren Abstempelung erfolgen soll, müffen spätestens am 15. Juli 1871 zu diesem Zwecke eingereicht werden.Für die Abstempelung ist eine Gebühr zu entrichten, welche für eine Schuldverschreibung, deren Nominalbetrag den Werth von Einhundert Thalern nicht übersteigt 5 Sgr. oder 17l/s Kr. S. W.» für eine Schuldverschreibung, deren Nominal­ betrag den Werth von Einhundert Thalern übersteigt 10 35 „ beträgt.

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XVI Gesetz, betreffend dl« Jnhaberpapiere mit Prämien.

Der Ertrag dieser Abstempelungsgebühr fließt zur Reichskasse.

§ 5, Der Bundesrath wird die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderliche Instruktion erlassen und in derselben sestsetzen, unter welchen Umständen ein gutgläubiger Inhaber, der aus entschuldbaren Gründen die Einreichungsfrist versäumt hat, noch nachträglich Abstempelung seiner Schuldverschreibungen erlangen kann. Der Bundesrath wird ferner zur Berechnung der Stempel-Abgabe den Thalerwerth der fremden Valuten feststellen, auch die Behörden bestimmen, bei welchen die Einreichung zur Abstempelung (§ 4) zu erfolgen hat. K 6, Wer den Bestimmungen der §§ 1, 2 oder 3 zuwiderhandelt, verfällt in eine Geldstrafe, welche dem fünften Theile des Nennwerthes der den Gegenstand der Zuwiderhandlung bildenden Papiere gleichkommt, mindestens aber Einhundert Thaler betragen soll. Mit Geldstrafe bis zu Einhundert Thalern oder Gefängniß bis zu drei Monaten wird bestraft, wer ein im § 2 oder § 3 bezeichnetes Inhaber­ papier mit Prämie öffentlich ankündigt, ausbietet oder empfiehlt, oder zur Feststellung eines Kurswerthes notirt. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei­ gedrucktem Kaiserlichen Jnfiegel. Gegeben Berlin, den 8. Juni 1871.

(L 8.)

Wilhelm. Fürst v. Bismarck.

XVII. Besetz Ober die Beurkundung des Personen­ standes und die Eheschliessung vom 6. Februar 1875

in der Farrnng nach § ir flbs. r Nr. o €.6. r. C.P.O., Jlrt. 4b k «. r. B O B. und § iso j.fl.G. (Reichsgesetzblatt 1875 ®. 23—39; 1877 S. 246; 1896 S. 618-619; 1898 S. 807.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnade» Deutscher Kaiser, König von Preußen rc. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen. § 1. Die Beurkundung der Geburten, Heirathen und Sterbefälle erfolgt ausschließlich durch die vom Staate bestellten Standesbeamten mittels Eintragung in die dazu bestimmten Register. § 2. Die Bildung der Standesamtsbezirke erfolgt durch die höhere Verwaltungsbehörde. Die Standesamtsbezirke können aus einer oder mehreren Gemeinden gebildet, größere Gemeinden in mehrere Standesamtsbezirke getheilt werden. K 3. Für jeden Standesamtsbezirk ist ein Standesbeamter und mindestens ein Stellvertreter zu bestellen. Für den Fall vorübergehender Behinderung oder gleichzeitiger Erledigung des Amtes des Standesbeamten und der Stellvertreter ist die nächste Aufsichtsbehörde ermächtigt, die einst­ weilige Beurkundung des Personenstandes einem benachbarten Standes­ beamten oder Stellvertreter zu übertragen. Die Bestellung erfolgt, soweit nicht im § 4 ein Anderes bestimmt ist, durch die höhere Verwaltungsbehörde. Geistlichen und anderen Religionsdienern darf das Amt eines Standes­ beamten oder die Stellvertretung eines solchen nicht übertragen werden.

§ 4. In den Standesamtsbezirken, welche den Bezirk einer Gemeinde nicht überschreiten, hat der Vorsteher der Gemeinde (Bürgermeister, Schult­ heiß, Ortsvorsteher oder deren gesetzlicher Stellvertreter) die Geschäfte des Standesbeamten wahrzunehmen, sofern durch die höhere Verwaltungsbehörde nicht ein besonderer Beamter für dieselben bestellt ist. Der Vorsteher ist

742

XVII Personenstandsgesetz.

jedoch befugt, diese Geschäfte mit Genehmigung der höheren Verwaltungs­ behörde anderen Gemeindebeamten widerruflich zu übertragen. Die Gemeindebehörde kann die Anstellung besonderer Standesbeamten beschließen. Die Ernennung der Standesbeamten erfolgt in diesem Falle durch den Gemeindevorstand unter Genehmigung der höheren Verwaltungs­ behörde. In der gleichen Weise erfolgt die Bestellung der Stellvertreter. Die durch den Gemeindevorstand ernannten besonderen Standesbeamten und deren Stellvertreter sind Gemeindebeamte. K 5. Die durch die höhere Verwaltungsbehörde erfolgte Bestellung und Genehmigung zur Bestellung ist jederzeit widerruflich.

8 6. Ist ein Standesamtsbezirk aus mehreren Gemeinden gebildet, so werden der Standesbeamte und dessen Stellvertreter stets von der höheren Verwaltungsbehörde bestellt. Ein jeder Vorsteher oder andere Beamte einer dieser Gemeinden ist verpflichtet, - das Amt des Standesbeamten oder des Stellvertreters zu übernehmen. Die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen den Vorstehem der aus mehreren Gemeinden gebildeten Verbände die gleiche Verpflichtung obliegt, werden hierdurch nicht berührt. § 7. Die etwa erforderliche Entschädigung der nach § 4 von den Gemeinden bestellten Standesbeamten fällt der Gemeinde zur Last. Die in 8 6 Absatz 2 und 3 bezeichneten Beamten sind berechtigt, für Wahrnehmung der Geschäfte des Standesbeamten von den zum Bezirk ihres Hauptamtes nicht gehörigen Gemeinden eine in allen Fällen als Pauschquantum festzusetzende Entschädigung zu beanspruchen. Die Festsetzung erfolgt durch die untere Verwaltungsbehörde; über Beschwerden entscheidet endgültig die höhere Verwaltungsbehörde. Bestellt die höhere Verwaltungsbehörde andere Personen zu Standes­ beamten oder zu Stellvertretern, so fällt die etwa zu gewährende Ent­ schädigung der Staatskaffe zur Last. § 8. Die sächlichen Kosten werden in allen Fällen von den Ge­ meinden getragen; die Register und Formulare zu allen Registerauszügen werden jedoch den Gemeinden von der Zentralbehörde des Bundesstaats kostenfrei geliefert. § 9. In Standesamtsbezirken, welche aus mehreren Gemeinden gebildet sind, wird die den Standesbeamten oder den Stellvertretern zu gewährende Entschädigung und der Betrag der sächlichen Kosten auf- die einzelnen betheiligten Gemeinden nach dem Maßstabe der Seelenzahl vertheilt. § 10, Den Gemeinden im Sinne dieses Gesetzes werden die außer­ halb der Gemeinden stehenden Gutsbezirke, den Gemeindevorstehern die Vorsteher dieser Bezirke gleich geachtet. § 11.

Die Aufsicht über die Amtsführung der Standesbeamten

wird von der unteren Verwaltungsbehörde, in höherer Instanz von der

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen.

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höheren Verwaltungsbehörde geübt, insoweit die Landesgesetze nicht andere Aufsichtsbehörden bestimmen. Die Aufsichtsbehörde ist befugt, gegen den Standesbeamten Warnungen, Verweise und Geldstrafen zu verhängen. Letztere dürfen für jeden einzelnen Fall den Betrag von einhundert Mark nicht übersteigen. Lehnt der Standesbeamte die Vornahme einer Amtshandlung ab so kann er dazu auf Antrag der Betheiligten durch das Gericht angewiesen werden. Zuständig ist das Gericht erster Instanz, in dessen Bezirk der Standesbeamte seinen Amtssitz hat. Das Verfahren und die Beschwerde­ führung regelt sich nach den Vorschriften, welche in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit gelten?)

§ 12. Don jedem Standesbeamten sind drei Standesregister unter der Bezeichnung: Geburtsregister, Heirathsregister, Sterberegister zu führen?) § 13. Die Eintragungen in die Standesregister erfolgen unter fortlaufenden Nummern und ohne Abkürzungen. Unvermeidliche Zwischen­ räume sind durch Striche auszufüllen, die wesentlichen Zahlenangaben mit Buchstaben zu schreiben. Die auf mündliche Anzeige oder Erklärung erfolgenden Eintragungen sollen enthalten: 1. den Ort und Tag der Eintragung; 2. die Bezeichnung der Erschienenen; 3. den Vermerk des Standesbeamten, daß und auf welche Weise er sich die Ueberzeugung von der Persönlichkeit der Erschienenen verschafft hat; 4. den Vermerk, daß die Eintragung den Erschienenen vorgelesen und von denselben genehmigt ist; 5. die Unterschrift der Erschienenen und, falls sie schreibensunkundig oder zu schreiben verhindert sind, ihr Handzeichen oder die Angabe des Grundes, aus welchem sie dieses nicht beifügen konnten; 6. die Unterschrift des Standesbeamten.

Die auf schriftliche Anzeige erfolgenden Eintragungen find unter Angabe von Ort und Tag der Eintragung zu bewirken und durch die Unterschrift des Standesbeamten zu vollziehen. Zusätze, Löschungen oder Abänderungen sind am Rande zu vermerken und gleich der Eintragung selbst besonders zu vollziehen.

i 14. Von jeder Eintragung in das Register ist von dem Standes­ beamten an demselben Tage eine von ihm zu beglaubigende Abschrift in «in Nebenregister einzutragen. Nach Ablauf des Kalenderjahres hat der Standesbeamte jedes Hauptund jedes Nebenregister unter Bermerkung der Zahl der darin enthaltenen *) Fassung nach § 186 der Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (abgedruckt unter XIV). Zustandigkeitsbestimmung daselbst § 69 2) Siehe die Note zu § 83

Eintragungen abzuschließen und das Nebenregister der Aufsichtsbehörde ein­ zureichen; die letztere hat dasselbe nach erfolgter Prüfung dem Gerichte erster Instanz zur Aufbewahrung zuzustellen?) Eintragungen, welche nach Einreichung des Nebenregisters in dem Hauptregister gemacht werden, sind gleichzeitig der Aufsichtsbehörde in beglaubigter Abschrift mitzutheileu. Die Letztere hat zu veranlassen, daß diese Eintragungen dem Nebenregister beigeschrieben werden. K 15. Die ordnungsmäßig geführten Standesregister (§§ 12 bis 14) beweisen diejenigen Thatsachen, zu deren Beurkundung sie bestimmt und welche in ihnen eingetragen sind, bis der Nachweis der Fälschung, der unrichtigen Eintragung oder der Unrichtigkeit der Anzeigen und Fest­ stellungen, auf Grund deren die Eintragung stattgefundm hat, erbracht ist. Dieselbe Beweiskraft haben die Auszüge, welche als gleichlautend mit dem Haupt- oder Nebenregister bestätigt und mit der Unterschrift und dem Dienstfiegel des Standesbeamten oder des zuständigen Gerichtsbeamten versehen find. Inwiefern durch Verstöße gegen die Vorschriften dieses Gesetzes über Art und Form der Eintragungen die Beweiskraft aufgehoben oder geschwächt wird, ist nach freiem richterlichen Ermessen zu beurtheilen. § 16. Die Führung der Standesregister und die darauf bezüglichen Verhandlungen erfolgen kosten- und stempelfrei. Gegen Zahlung der nach dem angehängten Tarife zulässigen Gebühren mäffen die Standesregister jedermann zur Einsicht vorgelegt, sowie beglaubigte Auszüge (§ 15) aus denselben ertheilt werden. In amtlichem Jntereffe und bei Unvermögen der Betheiligten ist die Einficht der Register und die Ertheilung der Auszüge gebührenftei zu gewähren. Jeder Auszug einer Eintragung muß auch die zu derselben gehörigen Ergänzungen und Berichtigungen enthalten. Zweiter Abschnitt.

Beurkundung der Geburten.

S 17. Jede Geburt eines Kindes ist innerhalb einer Woche dem Standesbeamten des Bezirks, in welchem die Niederkunft stattgefunden hat, anzuzeigen. 8 18. Zur Anzeige sind verpflichtet: 1. der eheliche Vater; 2. die bei der Niederkunft zugegen gewesene Hebamme; 3. der dabei zugegen gewesene Arzt; 4. jede andere dabei zugegen gewesene Person; 5. die Mutter, sobald sie dazu im Stande ist. Jedoch tritt die Verpflichtung der in der vorstehenden Reihenfolge später genannten Personen nur dann ein, wenn ein früher genannter *) Ergänzend greifen jetzt die §§ 69,197 des Gesetzes über die Angelegenheiten bet freiwilligen Gerichtsbarkeit ein.

Zweiter Abschnitt.

Beurkundung der Geburten.

745

Verpflichteter nicht vorhanden oder derselbe an der Erstattung der Anzeige verhindert ist.

§ 19. Die Anzeige ist mündlich von dem Verpflichteten selbst oder durch eine andere aus eigener Wissenschaft unterrichtete Person zu machen. § 20. Bei Geburten, welche sich in öffentlichen Entbindungs-, Hebammen-, Kranken-, Gefangen- und ähnlichen Anstalten, sowie in Kasernen ereignen, trifft die Verpflichtung zur Anzeige ausschließlich den Vorsteher der Anstalt oder den von der zuständigen Behörde ermächtigten Beamten. Es genügt eine schriftliche Anzeige in amtlicher Form.

8 21. Der Standesbeamte ist verpflichtet, sich von der Richtigkeit der Anzeige (§§ 17 bis 20), wenn er dieselbe zu bezweifeln Anlaß hat, in geeigneter Weise Ueberzeugung zu verschaffen. 8 22. Die Eintragung des Geburtsfalles soll enthalten: 1. Vor- und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort des Anzeigenden; 2. Ort, Tag und Stunde der Geburt; 3. Geschlecht des Kindes; 4". Vornamen des Kindes; 5. Vor- und Familiennamen, Religion, Stand oder Gewerbe und Wohn­ ort der Eltern. Bei Zwillings- oder Mehrgeburten ist die Eintragung für jedes Kind besonders und so genau zu bewirken, daß die Zeitfolge der ver­ schiedenen Geburten ersichtlich ist. Standen die Vornamen des Kindes zur Zeit der Anzeige noch nicht fest, so sind dieselben nachträglich und längstens binnen zwei Monaten nach der Geburt anzuzeigen. Ihre Eintragung erfolgt am Rande der ersten Eintragung.

8 23. Wenn ein Kind todtgeboren oder in der Geburt verstorben ist, so muß die Anzeige spätestens am nächstfolgenden Tage geschehen. Die Eintragung ist alÄmnn mit dem im § 22 unter Nr. 1 bis 3 und 5 angegebenen Inhalte nur im Sterberegister zu machen.

8 24. Wer ein neugeborenes Kind findet, ist verpflichtet, hiervon spätestens am nächstfolgenden Tage Anzeige bei der Ortspolizeibehörde zu machen. Die Letztere hat die erforderlichen Ermittelungen vorzunehmen und dem Standesbeamten des Bezirks von deren Ergebniß behufs Ein­ tragung in das Geburtsregister Anzeige zu machen. Die Eintragung soll enthalten die Zeit, den Ort und die Umstände des Auffindens, die Beschaffenheit und die Kennzeichen der bei dem Kinde vorgefundenen Kleider und sonstigen Gegenstände, die körperlichen Merkmale des Kindes, sein vermuthliches Alter, sein Geschlecht, die Behörde, Anstalt oder Person, bei welcher das Kind untergebracht worden, und die Namen, welche ihm beigelegt werden.

8 25. Die Anerkennung eines unehelichen Kindes darf in das Geburtsregister nur dann eingetragen werden, wenn dieselbe vor dem

746

XVII Personenstandsgesetz.

Standesbeamten oder in einer gerichtlich oder notariell aufgenommenen Urkunde erklärt ist. § 26. Wenn die Feststellung der Abstammung eines Kindes erst nach Eintragung des Geburtsfalles erfolgt oder die Standesrechte durch Legitimation, Annahme an Kindesstatt oder in anderer Weise eine Ver­ änderung erleiden, so ist dieser Vorgang, sofern er durch öffentliche Urkunden nachgewiesen wird, auf Antrag eines Betheiligten am Rande der über den Geburtsfall vorgenommenen Eintragung zu vermerken.

§ 27. Wenn die Anzeige eines Geburtsfalles über drei Monate verzögert wird, so darf die Eintragung nur mit Genehmigung der Auf­ sichtsbehörde nach Ermittelung des Sachverhalts erfolgen. Die Kosten dieser Ermittelung sind von demjenigen einzuziehen, welcher die rechtzeitige Anzeige versäumt hat.

Dritter Abschnitt.

Erfordernisse der Eheschlieszung. 88 28-40 ♦sind, aufgehoben durch Art. 46 I E.G. z. B.G.B« Vierter Abschnitt.

Form und Beurkundung der Eheschlieszung. 8 41. Für die Eheschließung sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs maßgebend?) 88 42, 43 sind aufgehoben durch Art. 461 E.G. l. B.G.B.

8 44. Für die Anordnung des vor der Eheschließung zu erlaffenden Aufgebots ist jeder Standesbeamte zuständig, vor dem nach § 1320 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Ehe geschlossen werden darf?) 8 45. Vor Anordnung des Aufgebots sind dem Standesbeamten (§ 44) die zur Eheschließung gesetzlich nothwendigen Erfordnisse als vor­ handen nachzuweisen. Insbesondere haben die Verlobten in beglaubigter Form beizubringen: 1. ihre Geburtsurkunden, 2. die zustimmende Erklärung derjenigen, deren Einwilligung nach dem Gesetze erforderlich ist. Der Beamte kann die Beibringung dieser Urkunden erlaffen, wenn ihm die Thatsachen, welche durch dieselben festgestellt werden sollen, persönlich be­ kannt oder sonst glaubhaft nachgewiesen sind. Auch kann er von unbedeutenden Abweichungen in den Urkunden, beispielsweise von einer verschiedenen Schreibart der Namen oder einer Verschiedenheit der Vornamen absehen, wenn in anderer Weise die Persönlichkeit der Betheiligten festgestellt wird. *) Fassung nach Art 46 II EG. z B.G B.

Bierter Abschnitt.

Form und Beurkundung der Eheschließung.

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Der Beamte ist berechtigt, den Verlobten die eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit der Thatsachen abzunehmen, welche durch die vorliegenden Urkunden oder die sonst beigebrachten Beweismittel ihm nicht als hinreichend festgestellt erscheinen.

§ 46. Das Aufgebot ist bekannt zu machen: 1. in der Gemeinde oder in den Gemeinden, woselbst die Verlobten ihren Wohnsitz haben; 2. wenn einer der Verlobten seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb seines gegenwärtigen Wohnsitzes hat, auch in der Gemeinde seines jetzigen Aufenthalts; 8. wenn einer der Verlobten seinen Wohnsitz innerhalb der letzten sechs Monate gewechselt hat, auch in der Gemeinde seines früheren Wohnsitzes. Die Bekanntmachung hat die Vor- und Familiennamen, den Stand oder das Gewerbe und den Wohnort der Verlobten und ihrer Eltern zu enthalten. Sie ist während zweier Wochen an dem Raths- oder Gemeindehause, oder an der sonstigen, zu Bekanntmachungen der Gemeindebehörde bestimmten Stelle auszuhängen. § 47. Ist einer der Orte, an welchem nach § 46 das Aufgebot bekannt zu machen ist, im Auslande belegen, so ist an Stelle des an diesem Orte zu bewirkenden Aushanges die Bekanntmachung auf Kosten des Antragstellers einmal in ein Blatt einzurucken, welches an dem aus­ ländischen Orte erscheint oder verbreitet ist. Die Eheschließung ist nicht vor Ablauf zweier Wochen nach dem Tage der Ausgabe der betreffenden Nummer des Blattes zulässig. Es bedarf dieser Einrückung nicht, wenn eine Bescheinigung der betreffenden ausländischen Ortsbehörde dahin beigebracht wird, daß ihr von dem Bestehen eines Ehehinderniffes nichts bekannt sei.

§ 48. Kommen Ehehindernisse zur Kenntniß des Standesbeamten, so hat er die Eheschließung abzulehnen. § 49. Soll die Ehe vor einem anderen Standesbeamten als dem­ jenigen geschloffen werden, welcher das Aufgebot angeordnet hat, so hat der letztere eine Bescheinigung dahin auszustellen, daß und wann das Aufgebot vorschriftsmäßig erfolgt ist und daß Ehehindernisse nicht zu seiner Kenntniß gekommen sind. K 50. Der Standesbeamte soll ohne Aufgebot die Eheschließung nur vornehmen, wenn ihm ärztlich bescheinigt wird, daß die lebensgefährliche Erkrankung eines der Verlobten den Aufschub der Eheschließung nicht gestattet?)

88 51-53 sind aufgehoben durch Art. 46 I E.G. z. B.G.B. 8 54. Die Eintragung in das Heirathsregister soll enthalten: 1. Vor- und Familiennamen, Religion, Alter, Stand oder Gewerbe, Geburts- und Wohnort der Eheschließenden; 2. Vor- und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort ihrer Eltern; Fassung nach Art. 46 II E.G. z. B.G.B.

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XVII Personenstandsgesetz.

3. Vor- und Familiennamen, Alter, Stand oder Gewerbe und Wohnort der zugezogenen Zeugen; 4. die Erklärung der Eheschließenden; 5. den Ausspruch des Standesbeamten. Ueber die erfolgte Eheschließung ist den Eheleuten sofort eine Be­ scheinigung auszustellen.

§ 55. Ist eine Ehe für nichtig erklärt, ist in einem Rechtsstreite, der die Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens einer Ehe zwischen dm Parteien zum Gegenstände hat, das Nichtbestehen der Ehe festgestellt, ist eine Ehe vor dem Tode eines der Ehegatten aufgelöst oder ist nach § 1575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die eheliche Gemeinschaft aufgehoben, so ist dies am Rande der über die Eheschließung bewirkten Eintragung zu vermerken. Wird die eheliche Gemeinschaft nach der Aufhebung wiederhergestellt» so ist dies auf Antrag am Rande zu vermerken?) Fünfter Abschnitt.

Beurkundung der SterbeMe. K 56» Jeder Sterbefall ist spätestens am nächstfolgenden Wochen­ tage dem Standesbeamten des Bezirks, in welchem der Tod erfolgt ist» anzuzeigen.

8 57. Zu der Anzeige verpflichtet ist das Familienhaupt, und wenn ein solches nicht vorhanden oder an der Anzeige behindert ist, der­ jenige, in dessen Wohnung oder Behausung der Sterbefall sich ereignet hat.

8 58. Die 88 19 bis 21 kommm auch in Beziehung auf die Anzeige der Sterbefälle zur Anwendung. Findet eine amtliche Ermittelung über den Todesfall statt, so erfolgt die Eintragung auf Grund der schriftlichen Mittheilung der zuständigen Behörde. 8 59.

Die Eintragung des Sterbefalles soll enthalten:

1. Vor- und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort des Anzeigenden; 2. Ort, Tag und Stunde des erfolgten Todes; *) Fassung nach Art. 46 H E G. z. B.G.B. Die auf Grund de- § 83 erlassenen Ausführungsvorschriften des Bundesraths (siehe die Note zu § 83) bestimmen im § 25: „In dem im § 55 Abs. 1 des Gesetzes bezeichneten Fällen hat die Staatsanwaltschaft dem Standesbeamten, vor welchem die Ehe geschlossen worden ist, eine mit dem Zeugnisse der Rechkskraft und mit der Angabe des TageS der Rechtskraft versehene Ausfertigung des Urtheils behufs Bei­ schreibung des Randvermerkes zu übersenden. Hat ein Ehegatte, nachdem der andere für todt erklärt worden ist, eine neue Ehe geschloffen (§ 1348 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), so hat der Standesbeamte, vor welchem diese Ehe geschlossen worden ist, dem Standesbeamten, in dessen Heirathsregister die ftühere Ehe eingetragen ist, einen Auszug aus dem Heirathsregister behufs Beifchreibung des Rand­ vermerkes soft en frei zu übersenden."

Sechster Abschnitt.

Beurkundung des Personenstandes w.

749

3. Vor- und Famliennamen, Religion, Alter, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Geburtsort des Verstorbenen; 4. Vor- und Familiennamen seines Ehegatten, oder Vermerk, daß der Verstorbene ledig gewesen sei; 5. Vor- und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort der Eltern des Verstorbenen. Soweit diese Verhältnisse unbekannt sind, ist dies bei der Eintragung zu vermerken.

§ 60. Ohne Genehmigung der Ortspolizeibehörde darf keine Beerdigung vor der Eintragung des Sterbesalles in das Sterberegister stattfinden. Ist die Beerdigung dieser Vorschrift entgegen geschehen, so darf die Eintragung des Sterbefalles nur mit Genehmigung der Aufsichts­ behörde nach Ermittelung des Sachverhaltes erfolgen.

Sechster Abschnitt.

Beurkundung öe£ Personenstandes der auf See befindlichen Personen. § 61. Geburten und Sterbefälle, welche sich auf Seeschiffen während der Reise ereignen, sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens am nächstfolgenden Tage nach der Geburt oder dem Todesfall von dem Schiffer, unter Zuziehung von zwei Schiffsoffizieren oder anderen glaubhaften Personen, in dem Tagebuch zu beurkunden. Bei Sterbefällen ist zugleich die muthmaßliche Ursache des Todes zu vermerken. 8 62. Der Schiffer hat zwei von ihm beglaubigte Abschriften der Urkunden demjenigen Seemannsamte, bei dem es zuerst geschehen kann, zu übergeben. Eine dieser Abschriften ist bei dem Seemannsamte aufzu­ bewahren/ die andere ist demjenigen Standesbeamten, in dessen Bezirk die Eltern des Kindes, beziehungsweise der Verstorbene ihren Wohnsitz haben oder zuletzt gehabt haben, behufs der Eintragung in das Register zuzufertigen. K 63. Ist der Schiffer verstorben oder verhindert, so hat der Steuermann die in den 88 61 und 62 dem Schiffer auferlegten Ver­ pflichtungen zu erfüllen.

8 64. Sobald das Schiff in den inländischen Hafen eingelaufen ist, in welchem es seine Fahrt beendet, ist das Tagebuch der für den Standesbeamten des Hafenorts zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen. Diese hat beglaubigte Abschrift der in das Tagebuch eingetragenen Standesurkunde dem Standesbeamten, in deffen Register der Fall gehört (§ 62), behufs Kontrolirung der Eintragungen züzustellen.

750

XVII. Personenstandsgejetz.

Siebenter Abschnitt.

Berichtigung der StandeSregister. § 65. Die Berichtigung einer Eintragung in dem Standesregister kann nur aus Grund gerichtlicher Anordnung erfolgen. Sie geschieht durch Beischreibung eines Vermerks am Rande der zu berichtigenden Ein­ tragung.

§ 66. Für das Berichtigungsverfahren gelten, insoweit die Landes­ gesetze nicht ein Anderes bestimmen,) die nachstehenden Vorschriften. Die Auffichtsbehörde hat, wenn ein Antrag aus Berichtigung gestellt wird, oder wenn sie eine solche von Amtswegen für erforderlich erachtet, die Betheiligten zu hören und geeignetenfalls eine Aufforderung durch ein öffentliches Blatt zu erlaffen. Die abgeschloffenen Verhandlungen hat sie demnächst dem Gerichte erster Instanz vorzulegen. Dieses kann noch weitere thatsächliche Aufklärungen veranlaffen und geeignetenfalls den Antragsteller auf den Prozeßweg verweisen. Im Uebrigen finden die für Sachen der nichtstreitigen Gerichts­ barkeit geltenden Vorschriften Anwendung. Achter Abschnitt.

Schlußbrsttmmungen. 5 67. Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher zu den religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung schreitet, bevor ihm nachgewiesen worden ist, daß die Ehe vor dem Standesbeamten geschloffen sei, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Geistliche oder der Religionsdiener im Falle einer lebensgefährlichen, einen Aufschub nicht gestattenden Erkrankung eines der Verlobten zu den religiösen Feier­ lichkeiten der Eheschließung schreitet?) § 68. Wer den in den 88 17 bis 20, 22 bis 24, 56 bis 58 vor­ geschriebenen Anzeigepflichten nicht nachkommt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertsünfzig Mark oder mit Hast bestraft. Die Strafverfolgung tritt nicht ein, wenn die Anzeige, obwohl nicht von den zunächst Verpflichteten, doch rechtzeitig gemacht worden ist. Die bezeichnete Strafe trifft auch den Schiffer oder Steuermann, welcher den Vorschriften der 88 61 bis 64 zuwiderhandelt. Die Standesbeamten sind außerdem befugt, die zu Anzeigen oder zu sonstigen Handlungen auf Grund dieses Gesetzes Verpflichteten hierzu *) Die Befugniß der Landesgesetzgebung zu abweichender Regelung des ge­ richtlichen Verfahrens ist durch § 186 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit aufgehoben worden. *) Abs. 2 ist durch Art. 46 HI E.G. }. B.G.B. neu hinzugefügt worden.

Achter Abschnitt.

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Schlußbestimmungen.

durch Geldstrafen anzuhalten, welche für jeden einzelnen Fall den Betrag von fünfzehn Mark nicht übersteigen dürfen. § 69. Ein Standesbeamter, welcher unter Außerachtlassung der in diesem Gesetze und m dem Bürgerlichen Gesetzbuches gegebenen Bor­ schriften eine Eheschließung hundert Mark bestraft.

vollzieht, wird mit Geldstrafe

bis

zu

sechs­

§ 70. Gebühren und Geldstrafen, welche in Gemäßheit dieses Gesetzes zur Erhebung gelangen, fließen, insoweit die Landesgesetze nicht ein Anderes bestimmen, den Gemeinden zu, welche die sächlichen Kosten der Standesämter (§§ 8, 9) zu tragen haben. § 71. In welcher Weise die Verrichtungen der Standesbeamten in Bezug aus solche Militärpersonen wahrzunehmen sind, welche ihr Stand­ quartier nicht innerhalb des Deutschen Reichs, oder dasselbe nach ein­ getretener Mobilmachung verlassen haben, oder welche sich auf den in Dienst gestellten Schiffen oder anderen Fahrzeugen der Marine befinden, wird durch Kaiserliche Verordnung bestimmt. § 72. Für die Landesherren und die Mitglieder der landes­ herrlichen Familien, sowie der Fürstlichen Familie Hohenzollern erfolgt die Ernennung des Standesbeamten und die Bestimmung über die Art der Führung und Aufbewahrung der Standesregister durch Anordnung des Landesherrn. In Betreff der Stellvertretung der Verlobten und in Betreff des Aufgebots entscheidet die Observanz. Im klebrigen werden in Ansehung der Mitglieder dieser Häuser die auf Hausgesetzen oder Observanz beruhenden Bestimmungen über die Erfordernisse der Eheschließung und über die Gerichtsbarkeit in Ehesachen nicht berührt. § 73. Den mit der Führung der Standesregister oder Kirchen­ bücher bisher betraut gewesenen Behörden und Beamten verbleibt die Berechtigung und Verpflichtung, über die bis zur Wirksamkeit dieses Gesetzes eingetragenen Geburten, Heiratheil und Sterbefälle Zeugnisse zu ertheilen. § 74.

Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche

Geistlichen und Kirchendienern aus Anlaß der Einführung der bürger­ lichen Standesregister und der bürgerlichen Form der Eheschließung einen Anspruch auf Entschädigung gewähren; 2. bestimmten Personen die Pflicht zu Anzeigen von Geburts- und Todes­ fällen auferlegen. 1

Wo die Zulässigkeit der Ehe nach den bestehenden Landesgesetzen von einem Aufgebote abhängig ist, welches durch andere bürgerliche Beamte als die Standesbeamten vollzogen wird, vertritt dieses die Stelle des von den Standesbeamten anzuordnenden Aufgebots. § 75.

Innerhalb solcher Grenzpfarreien, deren Bezirk sich in das

Ausland erstreckt,

bleibt das bestehende Recht für die Beurkundung der-

•) Fassung nach Art. 46 IV EG. z. B.G.B.

752

XVII Personenstandsgesetz.

jknigen Geburten und Sterbefälle, sowie für die Form und Beurkundung derjenigen Eheschließungen maßgebend, für welche ein Standesbeamter nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs**) nicht zuständig, dagegen nach dem bestehenden Recht die Zuständigkeit des Geistlichen begründet ist. Im Geltungsgebiet des preußischen Gesetzes vom 9. März 1874 ist unter dem bestehenden Recht dasjenige Recht zu verstehen, welches vor dem Inkrafttreten jenes Gesetzes maßgebend war.

K 76, In streitigen Ehe- und Verlöbnißsachen sind die bürger­ lichen Gerichte ausschließlich zuständig. Eine geistliche oder eine durch die Zugehörigkeit zu einem Glaubensbekenntniß bedingte Gerichtsbarkeit findet nicht statt. § 77. Wenn nach dem bisherigen Rechte auf beständige Trennung der Ehegatten von Tisch und Bett zu erkennen sein würde, ist fortan die Auflösung des Bandes der Ehe auszusprechen. Ist vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz in Kraft tritt, aus be­ ständige Trennung von Tisch und Bett erkannt worden, so kann, wenn eine Wiedervereinigung der getrennten Ehegatten nicht stattgefunden hat, jeder derselben auf Grund des ergangenen Urtheils die Auflösung des Bandes der Ehe im ordentlichen Prozeßverfahren beantragen. 6 78. Ehestreitigkeiten, welche in Nahem vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz daselbst in Kraft tritt, durch Zustellung des Beschlusses über Zulässigkeit der Klage anhängig geworden find, werden von dem mit der Sache befaßten Gericht bis zur rechtskräftigen Entscheidung nach Maß­ gabe der bisher geltenden Gesetze durchgeführt. Daselbst kann die Auslösung der Ehe auf Gmnd eines die beständige Trennung von Tisch und Bett verfügenden Urtheils geltend gemacht werden, nachdem das Gericht auf Anrufen eines Ehegatten in dem nach Artikel 675 Absatz 1 und 2 der Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom 29. April 1869 vorgesehenen Verfahren die Auflösung des Bandes der Ehe ausgesprochen hat?)

§ 79. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1876 in Kraft. Es bleibt den Landesregierungen überlassen, das ganze Gesetz oder auch den dritten Abschnitt und § 77 im Verordnungswege früher einzuführen. § 80. Die vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz in Kraft tritt, nach den Vorschriften des bisherigen Rechts ergangenen Aufgebote behalten ihre Wirksamkeit.

§ 81. Auf Geburts- und Sterbefälle, welche sich vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz in Kraft tritt, ereignet haben, an diesem Tage aber noch nicht eingetragen find, findet das gegenwärtige Gesetz mit der Maßgabe Anwendung, daß der Lauf der vorgeschriebenen Anzeigefristen mit dem Tage beginnt, an welchem dieses Gesetz in Kraft tritt. Ein Gleiches gilt für den Fall, daß auch nur die Vornamen eines Kindes an diesem Tage noch nicht eingetragen sind. *) Fassung nach Art. 46 V E.G. z. B.G.B. *) Der ursprüngliche Abs. 3 ist aufgehoben durch § 13 Abs. 2 Nr. 6 E.G. z. C.P.O.

Achter Abschnitt.

753

Schlußbestimmungcn.

§ 82. Die kirchlichen Verpflichtungen in Beziehung auf Taufe und Trauung werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

§ 83. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Be­ stimmungen werden, soweit dieselben nicht durch eine vom Bundesrathe erlassene Ausführungsverordnung getroffen werdens, von den einzelnen Landesregierungen erlassen. K 84. Welche Behörden in jedem Bundesstaate unter der Bezeichnung: höhere Verwaltungsbehörde, untere Verwaltungsbehörde, Gemeindebehörde, Gemeindevorstand, Gericht erster Instanz zu verstehen sind, wird von der Zentralbehörde des Bundesstaates bekannt gemacht.

§ 85. Durch dieses Gesetz werden die Bestimmungen des Gesetzes vom 4. Mai 1870, betreffend die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes von Reichsangehörigen im Auslande, nicht berührt. Der Reichskanzler kann einem diplomatischen Vertreter oder einem Konsul des Deutschen Reichs die allgemeine Ermächtigung zur Vornahme von Eheschließungen und zur Beurkundung der Geburten, Heirathen und Sterbefälle, wie für Reichsangehörige, so auch für Schutzgenossen ertheilen. Diese Vorschrift tritt mit dem 1. März 1875 in Kraft. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei­ gedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel.

Gegeben Berlin, den 6. Februar 1875.

(L. 8.)

Wilhelm. Fürst v. Bismarck.

*) Die vom Reichskanzler unter dem 25. März 1899 bekannt gemachten.Vor­ schriften des Bundesraths zur Ausführung des Gesetzes über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung" (R G.Bl 1899 S. 225 ff.) enthalten Formulare mit näherer Anweisung für die Führung der Standesregister. Diese find in deutscher Sprache zu führen (§ 11 Abs. 1.) Die Einsicht der Register ist Geistlichen und anderen Religirnsdimern kostenfrei zu gestatten (§ 21).

Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

48

XVIII. Gesetz, bett, die Abzahlungsgeschäfte, vvm 16. War 1894. (Reichsgesetzblatt 1894 S. 450—451.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Teutscher Kaiser, König von Preußen rc. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundes­ raths und des Reichstags, was folgt:

§ I. Hat bei dem Verkauf einer dem Käufer übergebenen beweg­ lichen Sache, deren Kaufpreis in Theilzahlungen berichtigt werden soll, der Verkäufer sich das Recht Vorbehalten, wegen Nichterfüllung der dem Käufer obliegenden Verpflichtungen von dem Vertrage zurückzutreten, so ist im Falle dieses Rücktritts jeder Theil verpflichtet, dem anderen Theil die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Eine entgegenstehende Verein­ barung ist nichtig. Dem Vorbehalte des Rücktrittsrechts steht es gleich, wenn der Ver­ käufer wegen Nichterfüllung der dem Käufer obliegenden Verpflichtungen kraft Gesetzes die Auflösung des Vertrages verlangen kann. § 2. Der Käufer hat im Falle des Rücktritts dem Verkäufer für die in Folge des Vertrages gemachten Aufwendungen, sowie für solche Beschädigungen der Sache Ersatz zu leisten, welche durch ein Verschulden des Käufers oder durch einen sonstigen von ihm zu vertretenden Umstand verursacht sind. Für die Ueberlassung des Gebrauchs oder der Benutzung ist deren Werth zu vergüten, wobei auf die inzwischen eingetretene Werth­ minderung der Sache Rücksicht zu nehmen ist. Eine entgegenstehende Vereinbarung, insbesondere die vor Ausübung des Rücktrittsrechts erfolgte vertragsmäßige Festsetzung einer höheren Vergütung, ist nichtig. Auf die Festsetzung der Hohe der Vergütung finden die Vorschriften des § 260 Absatz 1 \) der Civilprozeßordnung entsprechende Anwendung. § 3. Die nach den Bestimmungen der §§ 1, 2 begründeten gegen­ seitigen Verpflichtungen sind Zug um Zug zu erfüllen.

§ 4. Eine wegen Nichterfüllung der dem Käufer obliegenden Ver­ pflichtungen verwirkte Vertragsstrafe kann, wenn sie unverhältnißmäßig hoch ist, auf Antrag des Käufers durch Urtheil auf den angemessenen *) Jetzt § 287 Abs. 1.

XVIII Gesetz, betr. die Abzahlungsgeschäfte.

755

Betrag herabgesetzt werden. Die Herabsetzung einer entrichteten Strafe ist ausgeschlossen. Die Abrede, daß die Nichterfüllung der dem Käufer obliegenden Verpflichtungen die Fälligkeit der Restschuld zur Folge haben solle, kann rechtsgültig nur für den Fall getroffen werden, daß der Käufer mit mindestens zwei auf einander folgenden Theilzahlungen ganz oder theilwcise im Verzug ist und der Betrag, mit dessen Zahlung er im Verzug ist, mindestens dem zehnten Theile des Kaufpreises der übergebenen Sache gleichkommt.

§ 5. Hat der Verkäufer auf Grund des ihm vorbehaltenen Eigen­ thums die verkaufte Sache wieder an sich genommen, so gilt dies als Ausübung des Rücktrittsrechts. § 6. Die Vorschriften der §§ 1 bis 5 finden auf Verträge, welche darauf abzielen, die Zwecke eines Abzahlungsgeschäfts (§ 1) in einer anderen Nechtsform, insbesondere durch miethweise Überlassung der Sache zu er­ reichen, entsprechende Anwendung, gleichviel ob dem Empfänger der Sache em Recht, später deren Eigenthum zu erwerben, eingeräumt ist oder nicht.

§ 7. Wer Lotterieloose, Jnhaberpapiere mit Prämien (Gesetz vom 8. Juni 1871, Reichs-Gesetzbl. S. 210)’) oder Bezugs- oder Antheilscheine auf solche Loose oder Jnhaberpapiere gegen Theilzahlungen verkauft oder durch sonstige auf die gleichen Zwecke abzielende Verträge veräußert, wird mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark bestraft. Es begründet keinen Unterschied, ob die Uebergabe des Papiers vor oder nach der Zahlung des Preises erfolgt. § 8. Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden keine Anwendung, wenn der Empfänger der Waare als Kaufmann in das Handelsregister eingetragen ist.

§ 9, Verträge, welche vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ab­ geschloffen worden find, unterliegen den Vorschriften desselben nicht. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei­ gedrucktem Kaiserlichen Jnfiegel.

Gegeben Prökelwitz, den 16. Mai 1894.

(L 8.)

Wilhelm. Graf von Caprivi.

*) Abgedruckt unter XVI.

3B1

XIX. Gesetz, bett, den Wucher, vom 24. Mai 1880

in der Fassung des Gesetzes, Herr. Ergänzung der Bestimmungen üver den Wucher, vom 19. Juni iso?.1) Aeichsgesetzblatt 1880 S. 109—111; 1893 S. 197-199.)

Wir Wilhelm, von Gotter Gnaden Deutscher Kaiser, König von Prentzen re. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundes­ raths und des Reichstags, was folgt:

Art. I. Hinter den 8 302 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich werden die folgenden neuen §§ 302a, 302 b, 302 c, 302 d, 302 e und in dem 8 367 hinter Nr. 15 folgende Nr. 16 eingestellt: 8 302 a. Wer unter Ausbeutung der Nothlage, des Leicht­ sinns oder der Unerfahrenheit eines Anderen mit Bezug auf ein Darlehn oder auf die Stundung einer Geldforderung oder auf ein anderes zweiseitiges Rechtsgeschäft, welches denselben wirthschastlichen Zwecken bienen soll, sich oder einem Dritten Vermögensvortheile ver­ sprechen oder gewähren läßt, welche den üblichen Zinsfuß dergestalt überschreiten, daß nach den Umständen des Falles die Vermögens­ vortheile in auffälligem Mißverhältniß zu der Leistung stehen, wird wegen Wuchers mit Gefängniß bis zu sechs Monaten und zugleich mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. 8 302 b. Wer sich oder einem Dritten die wucherischen Dermögensvortheile (8 302 a) verschleiert oder wechselmäßig oder unter Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder unter ähnlichen *) Die Novelle vom 19. Juni 1893 verordnet — abgesehen von den im Folgenden berücksichtigten Aenderungen — im Artikel III: Art. III. Der Absatz 8 Satz 1 des § 35 der Gewerbeordnung erhält folgende veränderte Fassung: Dasselbe gilt — [b. h. bei Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ist der Gewerbebetrieb zu untersagens — von der gewerbsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten und der Behörden wahrzun bmender Geschäfte, insbesondere der Abfassung der darauf bezüglichen schriftlichen Aufsätze, von dem gewerbs­ mäßigen Betriebe der Biehverstellung Verluste nicht bestimmt, so gilt ein den Umständen nach angemessener Antheil als bedungen. Im Gesellschaftsvertrage kann bestimmt werden, daß der stille Ge­ sellschafter nicht am Verluste betheiligt sein soll; seine Betheiligung ant Gewinne kann nicht ausgeschlossen werden. K 337. Am Schluffe jedes Geschäftsjahrs wird der Gewinn und Verlust berechnet und der auf den stillen Gesellschafter fallende Gewinn ihm ausbezahlt. Der stille Gesellschafter nimmt an dem Verluste nur bis zum Be­ trage seiner eingezahlten oder rückständigen Einlage Theil. Er ist nicht

Zweites Buch. Handelsgesellschaften und still« Gesellschaft

853

verpflichtet, den bezogenen Gewinn wegen späterer Verluste zurückzuzahlen; jedoch wird, solange seine Einlage durch Verlust vermindert ist, der jähr­ liche Gewinn zur Deckung des Verlustes verwendet. Der Gewinn, welcher von dem stillen Gesellschafter nicht erhoben Wird, vermehrt dessen Einlage nicht, sofern nicht ein Anderes vereinbart ist.

§ 338. Der stille Gesellschafter ist berechtigt, die abschriftliche Mittheilung der jährlichen Bilanz zu verlangen und ihre Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Papiere zu prüfen. Die im § 716 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem von der Geschäftssührnng ausgeschlossenen Gesellschafter eingeräumten weiteren Rechte stehen dem stillen Gesellschafter nicht zu. Auf Antrag des stillen Gesellschafters kann das Gericht, wenn wichtige Gründe vorliegen, die Mittheilung einer Bilanz oder sonstiger Aufklärungen sowie die Vorlegung der Bücher und Papiere jederzeit anordnen. § 339. Auf die Kündigung der Gesellschaft durch einen der Ge­ sellschafter oder durch einen Gläubiger des stillen Gesellschafters finden die Vorschriften der §§ 132, 134, 135 entsprechende Anwendung. Die Vor­ schriften des § 723 des Bürgerlichen Gesetzbuchs über das Recht, die Ge­ sellschaft aus wichtigen Gründen ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen, bleiben unberührt. Durch den Tod des stillen Gesellschafters wird die Gesellschaft nicht aufgelöst. § 349. Nach der Auflösung der Gesellschaft hat sich der Inhaber des Handelsgeschäfts mit dem stillen Gesellschafter auseinanderzusetzen und dessen Guthaben in Geld zu berichtigen. Die zur Zeit der Auflösung schwebenden Geschäfte werden von dem Inhaber des Handelsgeschäfts abgewickelt. Der stille Gesellschafter nimmt Theil an dem Gewinn und Verluste, der sich aus diesen Geschäften ergiebt. Er kann am Schluffe jedes Geschäftsjahrs Rechenschaft über die inzwischen beendigten Geschäfte, Auszahlung des im gebührenden Betrags und Auskunft über den Stand der noch schwebenden Geschäfte verlangen. § 341. Mrd über das Vermögen des Inhabers des Handels­ geschäfts der Konkurs eröffnet, so kann der stille Gesellschafter wegen der Einlage, soweit sie den Betrag des auf ihn fallenden Antheils am Verlust übersteigt, seine Forderung als Konkursgläubiger geltend machen. Ist die Einlage rückständig, so hat sie der stille Gesellschafter bis zu dem Betrage, welcher zur Deckung seines Antheils am Verlust erforder­ lich ist, zur Konkursmasie einzuzahlen. § 342. Ist auf Grund einer in dem letzten Jahre vor der Er­ öffnung des Konkurses zwischen dem Inhaber des Handelsgeschäfts und dem stillen Gesellschafter getroffenen Vereinbarung diesem die Einlage ganz oder theilweise zurückgewährt oder sein Antheil an dem entstandenen Ver­ luste ganz oder theilweise erlassen worden, so kann die Rückgewähr oder der Erlaß von dem Konkursverwalter angefochten werden. Es begründet keinen Unterschied, ob die Rückgewähr oder der Erlaß unter Auflösung der Gesellschaft stattgefunden hat oder nicht.

854

XXVI Handelsgesetzbuch.

Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Konkurs in Umständen seinen Grund hat, die erst nach der Vereinbarung der Rückgewähr oder des Erlasses eingetreten sind. Die Vorschriften der Konkursordnung über die Geltendmachung der Anfechtung und deren Wirkung finden Anwendung.

Drittes Buch.

tian(kl$ge$cl>äfte. Erster Abschnitt.

Allgemeine Vorschriften. § 343. Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören. Die im 8 1 Abs. 2 bezeichneten Geschäfte sind auch dann Handels­ geschäfte, wenn sie von einem Kaufmann im Betriebe seines gewöhnlich auf andere Geschäfte gerichteten Handclsgewerbes geschlossen werden. § 344. Die von einem Kausmanne vorgenommenen Rechtsgeschäfte gelten im Zweifel als zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehörig. Die von einem Kaufmanne gezeichneten Schuldscheine gelten als im Betriebe seines Handelsgewerbes gezeichnet, sofern nicht aus der Urkunde sich das Gegentheil ergiebt. § 345. Auf ein Rechtsgeschäft, das für einen der beiden Theile ein Handelsgeschäft ist, kommen die Vorschriften über Handelsgeschäfte für beide Theile gleichmäßig zur Anwendung, soweit nicht aus diesen Vor­ schriften sich ein Anderes ergiebt. § 346. Unter Kaufleuten ist in Ansehung der Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlaffungen auf die im Handelsverkehre geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen.

§ 347. Wer aus einem Geschäfte, das auf seiner Seite ein Handels­ geschäft ist, einem Anderen zur Sorgfalt verpflichtet ist, hat für die Sorg­ falt eines ordentlichen Kaufmanns einzustehen. Unberührt bleiben die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, nach welchen der Schuldner in bestimmten Fällen nur grobe Fahrlässigkeit zu vertreten oder nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden Pflegt.

§ 348. Eine Vertragsstrafe, die von einem Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes versprochen ist, kann nicht auf Grund der Vor­ schriften des 8 343 des Bürgerlichen Gesetzbuchs herabgesetzt werden. § 349. Dem Bürgen steht, wenn die Bürgschaft für ihn ein Handelsgeschäft ist, die Einrede der Vorausklage nicht zu. Das Gleiche

Drittes Buch.

Handelsgeschäfte.

855

gilt unter der bezeichneten Voraussetzung für denjenigen, welcher aus einem Kreditauftrag als Bürge haftet.

§ 350. Auf eine Bürgschaft, ein Schuldversprechen oder ein Schuldanerkenntniß finden, sofern die Bürgschaft auf der Seite des Bürgen, das Versprechen oder das Anerkenntniß auf der Seite des Schuldners ein Handelsgeschäft ist, die Formvorschriften des § 766 Satz 1, des § 780 und des § 781 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs keine Anwendung. § 351. Die Vorschriften der §§ 348 bis 350 finden auf die im § 4 bezeichneten Gewerbetreibenden keine Anwendung.

§ 352. Die Höhe der gesetzlichen Zinsen, mit Einschluß der Ver­ zugszinsen, ist bei beiderseitigen Handelsgeschäften fünf vom Hundert für das Jahr. Das Gleiche gilt, wenn für eine Schuld aus einen« solchen Handelsgeschäfte Zinsen ohne Bestimmung des Zinsfußes versprochen sind. Ist in diesem Gesetzbuche die Verpflichtlmg zur Zahlung von Zinsen ohne Bestimmung der Höhe ausgesprochen, so sind darunter Zinsen zu fünf vorn Hundert für das Jahr zu verstehen. § 353. Kaufleute unter einander sind berechtigt, für ihre Forde­ rungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften vorn Tage der Fälligkeit an Zinsen zu fordern. Zinsen von Zinsen können auf Grund dieser Vorschrift nicht gefordert werden.

§ 354. Wer in Ausübung seines Handelsgewerbes einem Anderen Geschäfte besorgt oder Dienste leistet, kann dafür auch ohne Verabredung Provision und, wenn es sich um Aufbewahrung handelt, Lagergeld nach den an dem Orte üblichen Sätze«: fordern. Für Darlehen, Vorschüsse, Auslagen und andere Verwendungen kann er vom Tage der Leistung an Zinsen berechnen. § 355. Steht Jemand mit einem Kaufmanne derart in Geschäfts­ verbindung, daß die aus der Verbindung entspringenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen nebst Zinse«: in Rechnung gestellt und in regel­ mäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Theil sich ergebenden Ueberschnsses ausgeglichen werde«: (laufende Rechnung, Kontokurrent), so kann derjenige, welchem bei dem Rechnungsabschluß ci«: Ueberschuß gebührt, von dem Tage des Abschlusses an Zinse«: von dem Ueberschusse verlangen, auch soweit in der Rechnung Zinsen enthalten sind. Der Rechnungsabschluß geschieht jährlich einmal, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist. Die laufende Rechnung kann im Zweifel auch während der Dauereiner Rcchnungsperiode jederzeit mit der Wirkung gekündigt werden, daß derjenige, welchem nach der Rechnung ein Ueberschuß gebührt, dessen Zah­ lung beanspruchen kann. § 356. Wird eine Forderung, die durch Pfand, Bürgschaft oder in anderer Weise gesichert ist, in die laufende Rechnung ausgenommen, so wird der Gläubiger durch die Anerkennnng des Rechnungsabschlusses nicht ge­ hindert, aus der Sicherheit insoweit Befriedigung zu suchen, als sein Gut­ haben aus der laufenden Rechnung und die Forderung sich decken.

856

XXVI. Handelsgesetzbuch.

Haftet ein Dritter für eine in die laufende Rechnung aufgenommene Forderung als Gesammtschuldner, so findet auf die Geltendmachung der Forderung gegen ihn die Vorschrift des Abs. 1 entsprechende Anwendung.

§ 357. Hat der Gläubiger eines Betheiligten die Pfändung und Ueberweisung des Anspruchs auf dasjenige erwirkt, was seinem Schuldner als Ueberschuß aus der laufenden Rechnung zukommt, so können dem Gläu­ biger gegenüber Schuldposten, die nach der Pfändung durch neue Geschäfte entstehen, nicht in Rechnung gestellt werden. Geschäfte, die aus Grund eines schon vor der Pfändung bestehenden Rechtes oder einer schon vor diesem Zeitpunkte bestehenden Verpflichtung des Drittschuldners vorgenommen werden, gelten nicht als neue Geschäfte im Sinne dieser Vorschrift. § 358. Bei Handelsgeschäften kann die Leistung nur während der gewöhnlichen Geschäftszeit bewirkt und gefordert werden.

K 359. Ist als Zeit der Leistung das Frühjahr oder der Herbst öder ein in ähnlicher Weise bestimmter Zeitpunkt vereinbart, so entscheidet im Zweifel der Handelsgebrauch des Ortes der Leistilug. Ist eine Frist von acht Tagen vereinbart, so sind hierunter int Zweifel volle acht Tage zu verstehen.

§ 360. Wird eine nur der Gattung nach bestimmte Waare ge­ schuldet, so ist Handelsgut mittlerer Art und Güte zu leisten.

8 361. Maß, Gewicht, Währung, Zeitrechnung und Entfernungen, die an dem Orte gelten, wo der Vertrag erfüllt werden soll, sind im Zweifel als die vertragsmäßigen zu betrachten. § 362. Geht einem Kaufntanne, besten Gewerbebetrieb die Be­ sorgung von Geschäften für Andere mit sich bringt, ein Antrag über die Besorgung solcher Geschäfte von Jemand zu, mit dem er in Geschäfts­ verbindung steht, so ist er verpflichtet, unverzüglich zu antworten; sein Schweigen gilt als Annahme des Antrags. Das Gleiche gilt, wenn einem Kaufmann ein Antrag über die Besorgung von Geschäften von Jemand zugeht, dem gegenüber er sich zur Besorgung solcher Geschäfte erboten hat. Auch wenn der Kaufmann den Antrag ablehnt, hat er die mit­ gesendeten Waaren auf Kosten des Antragstellers, soweit er für diese Kosten gedeckt ist und soweit es ohne Nachtheil für ihn geschehen kann, einstweilen vor Schaden zu bewahren. 8 363. Anweisungen, die auf einen Kaufmann über die Leistung von Geld, Werthpapieren oder anderen vertretbaren Sachen ausgestellt sind, ohne daß darin die Leistung von einer Gegenleistung abhängig gemacht ist, können durch Indossament übertragen werden, wenn sie an Order lauten. Dasselbe gilt von Verpflichtungsscheinen, die von einem Kaufmann über Gegenstände der bezeichneten Art an Order ausgestellt sind, ohne daß darin die Leistung von einer Gegenleistung abhängig gemacht ist. Ferner können Konnossemente der Seeschiffer, Ladescheine der Fracht­ führer, Lagerscheine der staatlich zur Ausstellung solcher Urkunden ermäch­ tigten Anstalten sowie Bödmereibriefe und Transportversicherungspolizen durch Indossament übertragen werden, wenn sie an Order lauten.

Drittes Buch.

Handelsgeschäfte.

857

§ 364. Durch das Indossament gehen alle Rechte aus dem indossirten Papier auf den Indossatar über. Dem legitimirten Besitzer der Urkunde kann der Schuldner nur solche Einwendungen entgegensetzen, welche die Gültigkeit seiner Erklärung in der Urkunde betreffen oder sich mi§ dem Inhalte der Urkunde ergeben oder ihm unmittelbar gegen den Besitzer zustehen. Der Schuldner ist nur gegen Aushändigung der quittirten Urkunde zur Leistung verpflichtet.

§ 365. In Betreff der Form des Indossaments, in Betreff der Legitimation des Besitzers und der Prüfung der Legitimation sowie in Betreff der Verpflichtung des Besitzers zur Herausgabe, finden die Vor­ schriften der Artikel 11 bis 13, 36, 74 der Wechselordnung entsprechende Anwendung. Ist die Urkunde vernichtet oder abhanden gekommen, so unterliegt sie der Kraftloserklärung im Wege des Aufgebotsverfahrens. Ist das Aufgebotsverfahren eingeleitet, so kann der Berechtigte, wenn er bis zur Kraftloserklärung Sicherheit bestellt, Leistung nach Maßgabe der Urkunde von dem Schuldner verlangen. § 366. Veräußert oder verpfändet ein Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörige bewegliche Sache, so finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herlciten, auch dann Anwendung, wenn der gute Glaube des Erwerbers die Befugniß des Veräußerers oder Ver­ pfänders, über die Sache für den Eigenthümer zu verfügen, betrifft. Ist die Sache mit dem Rechte eines Dritten belastet, so finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, auch dann Anwendung, wenn der gute Glaube die Befugniß des Veräußerers oder Verpfänders, ohne Vorbehalt des Rechtes über die Sache zu verfügen, betrifft. Das gesetzliche Pfandrecht des Kommissionärs, des Spediteurs, des Lagerhalters und des Frachtführers steht hinsichtlich des Schutzes des guten Glaubens einem gemäß Abs. 1 durch Vertrag erworbenen Pfandrechte gleich. § 367. Wird ein Jnhaberpapier, das dem Eigenthümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, an einen Kaufmann, der Bankier- oder Geldwechslergeschäfte betreibt, veräußert öder verpfändet, so gilt dessen guter Glaube als ausgeschloffen, wenn zur Zeit der Veräußerung oder Verpfändung der Verlust des Papiers von einer öffentlichen Behörde oder von dem aus der Urkunde Verpflichteten im Deutschen Reichsanzeiger bekannt gemacht und seit dem Ablaufe des Jahres, in welchem die Veröffentlichung erfolgt ist, nicht mehr als ein Jahr ver­ strichen war. Der gute Glaube des Erwerbers wird durch die Veröffentlichung im Deutschen Reichsanzeiger nicht ausgeschlossen, wenn der Erwerber die Ver­ öffentlichung in Folge besonderer Umstände weder kannte noch kennen mußte. Auf Zins-, Renten- und Gewinnantheilscheine, die nicht später als in dem nächsten auf die Veräußerung oder Verpfändung folgenden Ein-

858

XXVI. Handelsgesetzbuch.

lösungstermine fällig werden, sowie auf Banknoten und andere auf Sicht zahlbare unverzinsliche Jnhaberpapiere finden diese Vorschriften keine An­ wendung. § 368. Bei dem Verkauf eines Pfandes tritt, wenn die Ver­ pfändung auf der Seite des Pfandgläubigers und des Verpfänders ein. Handelsgeschäft ist, an die Stelle der im § 1234 des Bürgerlichen Gesetz­ buchs bestimmten Frist von einem Monat eine solche von einer Woche. Diese Vorschrift findet auf das gesetzliche Pfandrecht des Kommissionärs, des Spediteurs, des Lagerhalters und des Frachtführers entsprechende An­ wendung, auf das Pfandrecht des Spediteurs und des Frachtführers auchdann, wenn nur auf ihrer Seite der Speditions- oder Frachtvertrag ein Handelsgeschäft ist. § 369. Ein Kaufmann hat wegen der fälligen Forderungen, welche ihm gegen einen anderen Kaufmann aus den zwischen ihnen ge­ schlossenen beiderseitigen Handelsgeschäften zustehen, ein Zurückbehaltungs­ recht an den beweglichen Sachen und Werthpapieren des Schuldners, welche mit dessen Willen auf Grund von Handelsgeschäften in seinen Besitz gelangt sind, sofern er sie noch im Besitze hat, insbesondere mittelst Konnossements, Ladescheins oder Lagerscheins darüber verfügen kann. Das Zurückbehaltungs­ recht ist auch dann begründet, wenn das Eigenthum an dem Gegenstände von den» Schuldner auf den Gläubiger übergegangen oder von einem Dritten für den Schuldner auf den Gläubiger übertragen, aber aus den Schuldner zurückzuübertragen ist. Einem Dritten gegenüber besteht das Zurückbehaltungsrecht insoweit, als dem Dritten die Einwendungen gegen den Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Gegenstandes entgegengesetzt werden können. Das Zurückbehaltungsrecht ist ausgeschlossen, wenn die Zurückbehaltung des Gegenstandes der von dem Schuldner vor oder bei der Uebergabe er­ theilten Anweisung oder der von dem Gläubiger übernommenen Ver­ pflichtung, in einer bestimmten Weise mit dem Gegenstände zu verfahren, widerstreitet. Der Schuldner kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschloffen.

§ 370. Das Zurückbehaltungsrecht kann auch wegen nicht fälliger Forderungen geltend gemacht werden: 1. wenn über das Vermögen des Schuldners der Konkurs eröffnet ist oder der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat; 2. wenn eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners ohne Erfolg versucht ist. Der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts steht die Anweisung des Schuldners oder die Uebernahme der Verpflichtung, in einer bestimmten Weise mit dem Gegenstände zn verfahren, nicht entgegen, sofern die im Abs. 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Thatsachen erst nach der Uebergabe des Gegen­ standes oder nach der Uebernahme der Verpflichtung beni Gläubiger be­ kannt werden.

Drittes Buch.

Handelsgeschäfte.

859

§ 371» Der Gläubiger ist kraft des Zurückbehaltungsrechts befugt, sich aus dem zurückbehaltenen Gegenstände für seine Forderung zu be­ friedigen. Steht einem Dritten ein Recht an dein Gegenstände zu, gegen welches das Zurückbehaltungsrecht nach § 369 Abs. 2 geltend gemacht werden kann, so hat der Gläubiger in Ansehung der Befriedigung aus dem Gegenstände den Dorrang. Die Befriedigung erfolgt nach den für das Pfandrecht geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. An die Stelle der im § 1234 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmten Frist von einein Monate tritt eine solche von einer Woche. Sofern die Befriedigung nicht im Wege der Zwangsvollstreckung stattfindet, ist sie erst zulässig, nachdem der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel für sein Recht auf Befriedigung gegen den Eigenthümer oder, wenn der Gegenstand ihm selbst gehört, gegen den Schuldner erlangt hat; in dem letzteren Falle finden die den Eigenthümer betreffenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Befriedigung auf den Schuldner entsprechende Anwendung. In Ermangelung des vollstreckbaren Titels ist der Verkauf des Gegenstandes nicht rechtmäßig. Die Klage auf Gestattung der Befriedigung kann bei deni Gericht, in besten Bezirke der Gläubiger seinen allgemeinen Gerichtsstand oder beit Gerichtsstand der Niederlassung hat, erhoben werden. § 372. In Ansehung der Befriedigung aus dem zurückbehaltenen Gegenstände gilt zu Gunsten des Gläubigers der Schuldner, sofern er bei dem Besitzerwerbe des Gläubigers der Eigenthümer des Gegenstandes war, auch weiter als Eigenthümer, sofern nicht der Gläubiger weiß, daß der Schuldner nicht mehr Eigenthümer ist. Erwirbt ein Dritter nach dem Besitzerwerbe des Gläubigers von dem Schuldner das Eigenthum, so muß er ein rechtskräftiges Urtheil, das in einem zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner wegen Gestattung der Befriedigung geführten Rechtsstreit ergangen ist, gegen sich gelten lassen, sofern nicht der Gläubiger bei dem Eintritte der Rechtshängigkeit gewußt hat, daß der Schuldner nicht mehr Eigenthümer war. Zweiter Abschnitt.

Handelskauf.

§ 373. Ist der Käufer mit der Annahme der Waare im Verzüge, so kann der Verkäufer die Waare auf Gefahr und Kosten des Käufers in einem öffentlichen Lagerhaus oder sonst in sicherer Weise hinterlegen. Er ist ferner befugt, nach vorgängiger Androhung die Waare öffent­ lich versteigern zu lasten; er kann, wenn die Waare einen Börsen- oder Marktpreis hat, nach vorgängiger Androhung den Verkauf auch aus freier Hand durch einen zu solchen Verkäufen öffentlich ermächtigten Handels­ mäkler oder durch eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person zum laufenden Preise bewirken. Ist die Waare dem Verderb ausgesetzt und Gefahr im Verzüge, so bedarf es der vorgängigen Androhung nicht; das­ selbe gilt, wenn die Androhung aus anderen Gründen unthunlich ist.

860

XXVI. Handelsgesetzbuch.

Der Selbsthülfeverkauf erfolgt für Rechnung des säumigen Käufers. Der Verkäufer und der Käufer können bei der öffentlichen Ver­ steigerung mitbieten. Im Falle der öffentlichen Versteigerung hat der Verkäufer den Käufer von der Zeit und dem Orte der Versteigerung vorher zu benachrichtigen; von dem vollzogenen Verkaufe hat er bei jeder Art des Verkaufs dem Käufer unverzüglich Nachricht zu geben. Im Falle der Unterlassung ist er zum Schadensersätze verpflichtet. Die Benachrichtigungen dürfen unter­ bleiben. wenn sie unthunlich sind.

§ 374, Durch die Vorschriften des § 373 werden die Befugnisse nicht berührt, welche dem Verkäufer nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche zustehen, wenn der Käufer im Verzüge der Annahme ist. § 375, Ist bei dem Kaufe einer beweglichen Sache dem Käufer die nähere Bestimmung über Form, Maß oder ähnliche Verhältnisse Vor­ behalten, so ist der Käufer verpflichtet, die vorbehaltene Bestimmung zu treffen. Ist der Käufer mit der Erfüllung dieser Verpflichtung im Verzüge, so kann der Verkäufer die Bestimmung statt des Käufers vornehmen oder gemäß § 326 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Schadensersatz wegen Nicht­ erfüllung fordern oder vom Vertrage zurücktreten. Im ersteren Falle hat der Verkäufer die von ihm getroffene Bestimmung dem Käufer mitzutheilen und ihm zugleich eine angemessene Frist zur Vornahme einer anderweitigen Bestimmung zu setzen. Wird eine solche innerhalb der Frist von dem Käufer nicht vorgenommen so ist die von dem Verkäufer getroffene Be­ stimmung maßgebend. § 376. Ist bedungen, daß die Leistung des einen Theiles genau zu einer festbcstimmten Zeit oder innerhalb einer festbestimmten Frist be­ wirkt werden soll, so kann der andere Theil, wenn die Leistung nicht zu der bestimmten Zeit oder nicht innerhalb der bestimmten Frist erfolgt, von dem Vertrage zurücktreten oder, falls der Schuldner im Verzug ist, statt der Erfüllung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Erfülllmg kann er nur beanspruchen, wenn er sofort nach dem Ablaufe der Zeit oder der Frist dem Gegner anzeigt, daß er auf Erfüllung bestehe. Wird Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt und hat die Waare einen Börsen- oder Marktpreis, so kann der Unterschied des Kauf­ preises und des Börsen- oder Marktpreises zur Zeit und am Orte der geschuldeten Leistung gefordert werden. Das Ergebniß eines anderweit vorgenommenen Verkaufs oder Kaufes kann, falls die Waare einen Börsen- oder Marktpreis hat, dem Ersatz­ ansprüche nur zu Grunde gelegt werden, wenn der Verkauf oder Kauf sofort nach dem Ablaufe der bedungenen Leistungszeit oder Leistungsfrist bewirkt ist. Der Verkauf oder Kauf muß, wenn er nicht in öffentlicher Versteigerung geschieht, durch einen zu solchen Verkäufen oder Käufen öffentlich ermächtigten Handelsmäkler oder eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person zum laufenden Preise erfolgen. Auf den Verkauf mittelst öffentlicher Versteigerung findet die Vor­ schrift des § 373 Abs. 4 Anwendung. Von dem Verkauf oder Kaufe

Drittes Buch.

Handelsgeschäfte.

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hat der Gläubiger de» Schuldner unverzüglich zu benachrichtigen; im Falle der Unterlassung ist er zum Schadensersätze verpflichtet.

§ 377. Ist der Kauf für beide Theile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Waare unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgänge thunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unver­ züglich Anzeige zu machen. Unterläßt der Käufer die Anzeige, so gilt die Waare als genehmigt, es sei denn, daß es sich um einen Mangel handelt, der bei der Unter­ suchung nicht erkennbar war. Zeigt sich später ein solcher Mangel, so muß die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die Waare auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt. Zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügt die rechtzeitige Ab­ sendung der Anzeige. Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich auf diese Vorschriften nicht berufen. § 378. Die Vorschriften des § 377 finden auch dann Anwendung, wenn eine andere als die bedungene Waare oder eine andere als die be­ dungene Menge von Waaren geliefert ist, sofern die gelieferte Waare nicht offensichtlich von der Bestellung so erheblich abweicht, daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten mußte. § 379. Ist der Kauf für beide Theile ein Handelsgeschäft, so ist der Käufer, wenn er die ihm von einem anderen Orte übersendete Waare beanstandet, verpflichtet, für ihre einstweilige Aufbewahrung zu sorgen. Er kann die Waare, wenn sie dem Verderb ausgesetzt und Gefahr im Verzug ist, unter Beobachtung der Vorschriften des § 373 verkaufen lasten. § 380. Ist der Kaufpreis nach dem Gewichte der Waare zu be­ rechnen, so kommt das Gewicht der Verpackung (Taragewicht) in Abzug, wenn nicht aus dem Vertrag oder dem Handelsgebrauche des Ortes, an welchem der Verkäufer zu erfüllen hat, sich ein Anderes ergiebt. Ob und in welcher Höhe das Taragewicht nach einem bestimmten Ansatz oder Verhältnisse statt nach genauer Ausmittelung abzuziehen ist, sowie, ob und wieviel als Gutgewicht zu Gunsten des Käufers zu berechnen ist oder als Vergütung für schadhafte und unbrauchbare Theile (Refaktie) gefordert werden kann, bestimmt sich nach dem Betrag oder dem Handels­ gebrauche des Ortes, an welchem der Verkäufer zu erfüllen hat. § 381. Die in diesem Abschnitte für den Kauf von Waaren ge­ troffenen Vorschriften gelten auch für den Kauf von Werthpapieren. Sie finden auch Anwendung, wenn aus einem von dem Unternehmer zu beschaffenden Stoffe eine nicht vertretbare bewegliche Sache herzustellen ist. § 382. Die Vorschriften der §§ 481 bis 492 des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Gewährleistung bei Viehmängeln werden durch die Vor­ schriften dieses Abschnitts nicht berührt.

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XXVI. Handelsgesetzbuch.

Dritter Abschnitt.

AommisfionSgefchäft.

§ 383. Kommissionär ist, wer es gewerbsmäßig übernimmt, Waaren oder Werthpapiere für Rechnung eines Anderen (des Kommittenten) in eigenem Namen zu kaufen oder zu verkaufen. § 384. Der Kommissionär ist verpflichtet, das übernommene Geschäft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auszuführen; er hat hierbei das Interesse des Kommittenten wahrzunehmen und dessen Weisungen zu befolgen. Er hat dem Kommittenten die erforderlichen Nachrichten zu geben, insbesondere von der Ausführung der Kommission unverzüglich Anzeige zu machen; er ist verpflichtet, dem Kommittenten Über das Geschäft Rechenschaft abzulegen und ihm dasjenige herauszugeben, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat. Der Kommissionär haftet dem Kommittenten für die Erfüllung des Geschäfts, wenn er ihm nicht zugleich mit der Anzeige von der Ausführung der Kommission den Dritten namhaft macht, mit dem er das Geschäft abgeschlossen hat.

§ 385. Handelt der Kommissionär nicht gemäß den Weisungen des Kommittenten, so ist er diesem zum Ersätze des Schadens verpflichtet; der Kommittent braucht das Geschäft nicht für seine Rechnung gelten zu lassen. Die Vorschriften des § 665 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleiben unberührt. § 386. Hat der Kommissionär unter dem ihm gesetzten Preise verkauft oder hat er den ihm für den Einkauf gesetzten Preis überschritten, so muß der Kommittent, falls er das Geschäft als nicht für seine Rech­ nung abgeschlossen zurückweisen will, dies unverzüglich auf die Anzeige von der Ausführung des Geschäfts erklären; anderenfalls gilt die Ab­ weichung von der Preisbestimmung als genehmigt. Erbietet sich der Kommissionär zugleich mit der Anzeige von der Ausführung des Geschäfts zur Deckung des Preisunterschieds, so ist der Kommittent zur Zurückweisung nicht berechtigt. Der Anspruch des Kom­ mittenten aus den Ersatz eines den Preisunterschied übersteigenden Schadens bleibt unberührt. § 387. Schließt der Kommissionär zu vortheilhafteren Beding­ ungen ab, als sie ihm von dem Kommittenten gesetzt worden sind, so kommt dies dem Kommittenten zu Statten. Dies gilt insbesondere, wenn der Preis, für welchen der Kommissionär verkauft, den von dem Kommittenten bestimmten niedrigsten Preis über­ steigt oder wenn der Preis, für welchen er einkauft, den von dem Kom­ mittenten bestimmten höchsten Preis nicht erreicht.

§ 388. Befindet sich das Gut, welches dem Kommissionär zu­ gesendet ist, bei der Ablieferung in einem beschädigten oder mangelhaften Zustande, der äußerlich erkennbar ist, so hat der Kommissionär die Rechte

Drittes Buch.

Handelsgeschäfte.

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gegen den Frachtführer oder Schiffer zu wahren, für den Beweis des Zustandes zu sorgen imb dem Kommittenten unverzüglich Nachricht zu geben; im Falle der Unterlassung ist er zum Schadensersätze verpflichtet. Ist das Gut dem Verderb ausgesetzt oder treten später Veränderungen an dem Gute ein, die dessen Entwerthung befürchten lassen, und ist keine Zeit vorhanden, die Verfügung des Kommittenten einzuholen, oder ist der Kommittent in der Ertheilung der Verfügung säumig, so kann der Kommissionär den Verkauf des Gutes nach Maßgabe der Vorschriften des § 373 bewirken.

§ 389. Unterläßt der Kommittent über das Gut zu verfügen, obwohl er dazu nach Lage der Sache verpflichtet ist, so hat der Kom­ missionär die nach § 373 dem Verkäufer zustehenden Rechte. § 390. Der Kommissionär ist für den Verlust und die Beschä­ digung des in seiner Verwahrung befindlichen Gutes verantwortlich, es sei denn, daß der Verlust oder die Beschädigung auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht abgewendet werden konnten. Der Kommissionär ist wegen der Unterlassung der Versicherung des Gutes nur verantwortlich, wenn er von dem Kommittenten angewiesen war, die Versicherung zu bewirken. § 391. Ist eine Einkaufskommission ertheilt, die für beide Theile ein Handelsgeschäft ist, so finden in Bezug auf die Verpflichtung des Kom­ mittenten, das Gut zu untersuchen und dem Kommissionär von den ent­ deckten Mängeln Anzeige zu machen, sowie in Bezug auf die Sorge für die Aufbewahrung des beanstandeten Gutes und auf den Verkauf bei drohendem Verderbe die für den Käufer geltenden Vorschriften der §§ 377 bis 379 entsprechende Anwendung. Der Anspruch des Kommittenten auf Abtretung der Rechte, die dem Kommissionär gegen den Dritten zustehen, Don welchem er das Gut für Rechnung des Kommittenten gekauft hat, wird durch eine verspätete Anzeige des Mangels nicht berührt. § 392. Fordernngen aus einem Geschäfte, das der Kommissionär obgeschlossen hat, kann der Kommittent dem Schuldner gegenüber erst nach der Abtretung geltend machen. Jedoch gelten solche Forderungen, auch wenn sie nicht abgetreten sind, im Verhältnisse zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär oder beffen Gläubigern als Forderungen des Kommittenten. § 393. Wird von dem Kommissionär ohne Zustimmung des Kom­ mittenten einem Dritten ein Vorschuß geleistet oder Kredit gewährt, so handelt der Kommissionär auf eigene Gefahr. Insoweit jedoch der Handelsgebrauch am Orte des Geschäfts die Stundung des Kaufpreises mit sich bringt, ist in Ermangelung einer anderen Bestimmung des Kommittenten auch der Kommissionär dazu be­ rechtigt. Verkauft der Kommissionär unbefugt auf Kredit, so ist er verpflichtet, dem Kommittenten sofort als Schuldner des Kaufpreises die Zahlung zu leisten. Wäre beim Verkaufe gegen baar der Preis geringer gewesen, so

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XXVI. Handelsgesetzbuch

hat der Kommissionär nur den geringeren Preis und, wenn dieser nied­ riger ist als der ihm gesetzte Preis, auch den Unterschied nach § 386 zu vergüten.

§ 394. Der Kommissionär hat für die Erfüllung der Verbind­ lichkeit des Dritten, mit dem er das Geschäft für Rechnung des Kom­ mittenten abschließt, einzustehen, wenn dies von ihm übernommen oder am Orte seiner Niederlassung Handelsgebrauch ist. Der Kommissionär, der für den Dritten einzustehen hat, ist dem Kommittenten für die Erfüllung im Zeitpunkte des Verfalls unmittelbar insoweit verhaftet, als die Erfüllung aus dem Vertragsverhältnisse gefordert werden kann. Er kann eine besondere Vergütung (Delkredereprovision) be­ anspruchen.

§ 395. Ein Kommissionär, der den Ankauf eines Wechsels über­ nimmt, ist verpflichtet, den Wechsel, wenn er ihn indossirt, in üblicher Weise und ohne Vorbehalt zu indossiren. 8 396. Der Kommissionär kann die Provision fordern, wenn das Geschäft zur Ausführung gekommen ist. Ist das Geschäft nicht zur Aus­ führung gekommen, so hat er gleichwohl den Anspruch auf die Auslieferungs­ provision, sofern eine solche ortsgebräuchlich ist; auch kann er die Provision verlangen, wenn die Ausführung des von ihm abgeschloflenen Geschäfts nur aus einem in der Person des Kommittenten liegenden Grunde unter­ blieben ist. Zu dem von dem Kommittenten für Aufwendungen des Kom­ missionärs nach den 88 670, 675 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu leistenden Ersätze gehört auch die Vergütung für die Benutzung der Lagerräume unb der Beförderungsmittel des Kommissionärs. 8 397. Der Kommissionär hat an dem Kommissionsgute, sofern er es im Besitze hat, insbesondere mittelst Konnossements, Ladescheins oder Lagerscheins darüber verfügen kann, ein Pfandrecht wegen der auf das Gut verwendeten Kosten, der Provision, der auf das Gut gegebenen Vorschüfle und Darlehen, der mit Rücksicht auf das Güt gezeichneten Wechsel oder in anderer Weise eingegangenen Verbindlichkeiten sowie wegen aller Forderungen aus laufender Rechnung in Kommissionsgeschäften. 8 398. Der Kommissionär kann sich, auch wenn er Eigenthümer des Kommissionsguts ist, für die im § 397 bezeichneten Ansprüche nach Maßgabe der für das Pfandrecht geltenden Vorschriften aus dem Gute befriedigen.

8 399. Aus den Forderungen, welche durch das für Rechnung des Kommittenten geschlossene Geschäft begründet sind, kann sich der Kommissionär für die im § 397 bezeichneten Ansprüche vor dem Kommit­ tenten und beffen Gläubigern befriedigen. 8 400. Die Kommission zum Einkauf oder zum Verkaufe von Waaren, die einen Börsen- oder Marktpreis haben, sowie von Werth­ papieren, bei denen ein Börsen- oder Marktpreis amtlich festgestellt wird, kann, wenn der Kommittent nicht ein Anderes bestimmt hat, von dem

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Kommissionär dadurch ausgeführt werden, daß er das Gut, welches er einkaufen soll, selbst als Verkäufer liefert oder das Gut, welches er ver­ kaufen soll, selbst als Käufer übernimnlt. Im Falle einer solchen Ausführung der Kommission beschränkt sich die Pflicht des Kommissionärs, Rechenschaft über die Abschließung des Kaufes oder Verkaufs abzulegen, auf den Nachweis, daß bei dem berechneten Preise der zur Zeit der Ausführung der Kommission bestehende Börsen­ oder Marktpreis eingehaltcn ist. Als Zeit der Ausführung gilt der Zeit­ punkt, in welchem der Koinmissionär die Anzeige von der Ausführung zur Absendung an den Kommittenten abgegeben hat. Ist bei einer Kommission, die während der Börsen- oder Marktzeit auszusühren war, die Ausführungsanzeige erst nach dem Schlüsse der Börse oder des Marktes zur Absendung abgegeben, so darf der berechnete Preis für den Kommittenten nicht ungünstiger sein als der Preis, der am Schluffe der Börse oder des Marktes bestand. Bei einer Kommission, die zu einem bestimmten Kurse (erster Kurs, Mittelkurs, letzter Kurs) ausgeführt werden soll, ist der Kommissionär ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Absendung der Aussührungsanzeige berechtigt und verpflichtet, diesen Kurs dem Kommittenten in Rechnung zu stellen. Bei Werthpapieren und Waaren, für welche der Börsen- oder Markt­ preis amtlich festgestellt wird, kann der Kommissionär im Falle der Aus­ führung der Kommission durch Selbsteintritt dem Kommittenten keinen ungünstigeren Preis als den amtlich festgestellten in Rechnung stellen.

§ 401. Auch im Falle der Ausführung der Kommission durch Selbsteintritt hat der Kommissionär, wenn er bei Anwendung pflicht­ mäßiger Sorgfalt die Kommission zu einem günstigeren als dem nach § 400 sich ergebenden Preise ausführen konnte, dem Kommittenten den günstigeren Preis zu berechnen. Hat der Kommissionär vor der Absendung der Ausführungsanzeige aus Anlaß der ertheilten Kommission an der Börse oder am Markte ein Geschäft mit einem Dritten abgeschlossen, so darf er dem Kommittenten keinen ungünstigeren als den hierbei vereinbarten Preis berechnen.

§ 402. Die Vorschriften des § 400 Abs. 2 bis 5 und des § 401 können nicht durch Vertrag zum Nachtheile des Kommittenten abgeändert werden. § 403. Der Kommissionär, der das Gut selbst als Verkäufer liefert oder als Käufer übernimmt, ist zu der gewöhnlichen Provision be­ rechtigt und kann die bei Kommissionsgeschäften sonst regelmäßig vor­ kommenden Kosten berechnen. § 404. Die Vorschriften der §§ 397, 398 finden auch im Falle der Ausführung der Kommission durch Selbsteintritt Anwendung.

§ 405. Zeigt der Kommissionär die Ausführung der Kommission an, ohne ausdrücklich zu bemerken, daß er selbst eintreten wolle, so gilt dies als Erklärung, daß die Ausführung durch Abschluß des Geschäfts mit einem Stiften für Rechnung des Kommittenten erfolgt sei. Bürgerliches Gesetzbuch und Neöengesetze

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XXVI Handelsgesetzbuch.

Eine Vereinbarung zwischen dem Kommittenten und dem Kom­ missionär, daß die Erklärung darüber, ob die Kommission durch Selbsteintritt oder durch Abschluß mit einem Dritten ausgeführt sei, später als am Tage der Ausführungsanzeige abgegeben werden dürfe, ist nichtig. Widerruft der Kommittent die Kommission und geht der Widerruf dem Kommissionär zu, bevor die Ausführungsanzeige zur Abseildung ab­ gegeben ist, so steht dem Kommissionär das Recht des Selbsteintritts nicht mehr zu.

§ 406. Die Vorschriften dieses Abschnitts kommen auch zur An­ wendung, wenn ein Kommissionär im Betriebe seines Handelsgewerbes ein Geschäft anderer als der im § 383 bezeichneten Art für Rechnung eines Anderen in eigenem Namen zu schließen übernimmt. Das Gleiche gilt, wenn ein Kaufmann, der nicht Kommissionär ist, im Betriebe seines Handelsgewerbes ein Geschäft in der bezeichneten Weise zu schließen übernimmt. Als Einkailfs- und Verkaufskommission im Sinne dieses Abschnitts gilt auch eine Kommission, welche die Lieferung einer nicht vertretbaren beweglichen Sache, die aus einem von dem Unternehmer zu beschaffenden Stoffe herzustellen ist, zum Gegenstände hat. Vierter Abschnitt.

SpedirtoiMeschäft. •§ 407. Spediteur ist, wer es gewerbsmäßig übernimmt, Güter­ versendungen durch Frachtführer oder durch Verfrachter von Seeschiffen für Rechyung eines Anderen (des Versenders) in eigenem Namen zu besorgen. Auf die Rechte und Pflichten des Spediteurs finden, soweit dieser Abschnitt keine Vorschriften enthält, die für den Kommissionär geltenden Vorschriften, insbesondere die Vorschriften der §§ 388 bis 390 über die Empfangnahme, die Aufbewahrung und die Versicherung des Gutes, An­ wendung.

§ 408. Der Spediteur hat die Versendung, insbesondere die Wahl der Frachtführer, Verfrachter uild Zwischenspediteure, mit der Sorg­ falt eines ordentlichen Kaufmanns auszuführen; er hat hierbei das In­ teresse des Versenders wahrzunehmen und dessen Weisungen zu befolgen. Der Spediteur ist nicht berechtigt, dem Versender eine höhere als die mit dem Frachtführer oder dem Verfrachter bedungene Fracht zu be­ rechnen. § 409. Der Spediteur hat die Provision zu fordern, wenn das Gut dem Frachtführer oder dem Verfrachter zur Beförderung über­ geben ist. § 410. Der Spediteur hat wegen der Fracht, der Provision, der Auslagen und Verwendungen sowie wegen der auf das Gut gegebenen Dorschüffe ein Pfandrecht an dem Gute, sofern er es noch im Besitze hat, insbesondere mittelst Konnossements, Ladescheins oder Lagerscheins darüber verfügen kann.

Drittes Buch

Handelsgeschäfte.

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§ 411. Bedient sich der Spediteur eines Zwischenspediteurs, so hat dieser zugleich die feinem Bormanne zustehendcn Rechte, insbesondere dessen Pfandrecht, auszuuben. Soweit der Vormann wegen seiner Forderung von dem Nachmanne befriedigt wird, geht die Forderung und das Pfandrecht des Bormanns auf den Nachmann über. Dasselbe gilt von der Forderung und dem Pfandrechte des Frachtführers, soweit der Zwischenspcditeur ihn befriedigt. § 412. Der Spediteur ist, wenn nicht ein Anderes bestimmt ist, befugt, die Beförderung des Gutes selbst auszuführen. Macht er von dieser Befugniß Gebrauch, so hat er zugleich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers oder Verfrachters; er kann die Provision, die bei Speditionsgeschäften sonst regelmäßig vorkommenden Kosten sowie die gewöhnliche Fracht verlangen. § 413. Hat sich der Spediteur mit dem Versender über einen bestimmten Satz der Beförderungskosten geeinigt, so hat er ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers. Er kann in einem solchen Falle Provision nur verlangen, wenn es besonders vereinbart ist. Bewirkt der Spediteur die Versendung des Gutes zusammen mit den Gütern anderer Versender auf Grund eines für seine Rechnung über eine Sammelladung geschlossenen Frachtvertrags, so finden die Vorschriften des Abs. 1 Anwendung, auch wenn eine Einigung über einen Bestimmten Satz der Beförderungskosten nicht stattgefunden hat. Der Spediteur kann in diesem Falle eine den Umständen nach angemessene Fracht, höchstens aber die für die Beförderung des einzelnen Gutes gewöhnliche Fracht verlangen. § 414. Die Ansprüche gegen den Spediteur wegen Verlustes, Minderung, Beschädigung oder verspäteter Ablieferung des Gutes verjähren in einem Jahre. Die Verjährungsfrist kann durch Vertrag verlängert werden. Die Verjährung beginnt im Falle der Beschädigung oder Minderung mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Ablieferung stattgefunden hat, im Fall« des Verlustes oder der verspäteten Ablieferung mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Ablieferung hätte bewirkt sein müssen. Die im Abs. 1 bezeichneten Ansprüche können nach der Vollendung der Verjährung nur aufgerechnet werden, wenn vorher der Verlust, die Minderung, die Beschädigung oder die verspätete Ablieferung dem Spediteur angezeigt oder die Anzeige an ihn abgesendet worden ist. Der Anzeige an den Spediteur steht es gleich, wenn gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises beantragt oder in einem zwischen dem Versender und dem Empfänger oder einem späteren Erwerber des Gutes wegen des Verlustes, der Minderung, der Beschädigung oder der verspäteten Ablieferung anhängigen Rechtsstreite dem Spediteur der Streit verkündet wird. 'Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn der Spediteur den Verlust, die Minderung, die Beschädigung oder die verspätete Ablieferung des Gutes vorsätzlich herbeigefühlt hat.

§ 415. Die Vorschriften dieses Abschnitts kommen auch zur An­ wendung, wenn ein Kaufmann, der nicht Spediteur ist, im Betriebe seines Handelsgewerbes eine Güterversendung durch Frachtführer oder Verfrachter für Rechnung eines Anderen in eigenem Namen zu besorgen übernimmt.

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XXVI. Handelsgesetzbuch. Fünfter Abschnitt.

Lagergeschäft. § 416. Lagerhalter ist, wer gewerbsmäßig Aufbewahrung von Gütern übernimmt.

die Lagerung und

8 417. Auf die Rechte und Pflichten des Lagerhalters in An­ sehung der Empfangnahme, Aufbewahrung und Versicherung des Gutes finden die für den Kommissionär geltenden Vorschriften der §§ 388 bis 390 Anwendung. Treten Veränderungen an dem Gute ein, welche dessen Entwerthung befürchten lassen, so hat der Lagerhalter den Einlagerer hiervon unver­ züglich zu benachrichtigen. Versäumt er dies, so hat er den daraus ent­ stehenden Schaden zu ersetzen. 8 418. Der Lagerhalter hat dem Einlagerer die Besichtigung des Gutes, die Entnahme von Proben und die zur Erhaltung des Gutes nothwendigen Handlungen während der Geschästsstunden zu gestatten. 8 419. Im Falle der Lagerung vertretbarer Sachen ist der Lager­ halter zu ihrer Vermischung mit anderen Sachen von gleicher Art und Güte nur befugt, wenn ihm dies ausdrücklich gestattet ist. Der Lagerhalter erwirbt auch in diesem Falle nicht das Eigenthum des Gutes; aus dem durch die Vermischung entstandenen Gesammtvorrathe kann er jedem Einlagerer den ihm gebührenden Äntheil ausliefern, ohne daß er hierzu der Genehmigung der übrigen Betheiligten bedarf. Ist das Gut in der Art hinterlegt, daß das Eigenthum auf den Lagerhalter übergehen und dieser verpflichtet sein soll, Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzugewähren, so finden die Vorschriften dieses Abschnitts keine Anwendung.

8 429. Der Lagerhalter hat Anspruch auf das bedungene oder ortsübliche Lagergeld sowie auf Erstattung der Auslagen für Fracht und Zölle und der sonst für das Gut gemachten Aufwendungen, soweit er fie den Umständen nach für erforderlich Hallen durfte. Von den hiernach dem Lagerhalter zukommenden Beträgen (Lager­ kosten) find die baaren Auslagen sofort zu erstatten. Die sonstigen Lager­ kosten find nach dem Ablaufe von je drei Monaten seit der Einlieferung oder, wenn das Gut in der Zwischenzeit zurückgenommen wird, bei bei Rücknahme zu erstatten; wird das Gut theilweise zurückgenommen, so ist nur ein entsprechender Theil zu berichtigen, es sei denn, daß das auf dem Lager verbleibende Gut zur Sicherung des Lagerhalters nicht ausreicht. 8 421. Der Lagerhalter hat wegen der Lagerkosten ein Pfand­ recht nn dem Gute, solange er es im Besitze hat, insbesondere mittelst Konnossements, Ladescheins oder Lagerscheins darüber verfügen kann. 8 422. Der Lagerhalter kann nicht verlangen, daß der lagerer das Gut vor dem Ablaufe der bedungenen Lagerzeit und, eine solche nicht bedungen ist, daß er es vor dem Ablaufe von Monaten nach der Einlieferung zurücknehme. Ist eine Lagcrzcit

Ein­ falls drei nicht

Drittes Buch. Handelsgeschäfte.

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bedungen oder behält der Lagerhalter nach dem Ablaufe der bedungenen Lagerzeit das Gnt ans dem Lager, so kann er die Rücknahme nur nach vorgängiger Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monate verlangen. Der Lagerhalter ist berechtigt, die Rücknahme des Gutes vor dem

Ablaufe der Lagerzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

§ 423. Auf die Verjährung der Ansprüche gegen den Lagerhalter wegen Verlustes, Minderung, Beschädigung oder verspäteter Ablieferung des Gutes finden die Vorschriften des § 414 entsprechende Anwendung. Im Falle des gänzlichen Verlustes beginnt die Verjährung mit dem Ab­ laufe des Tages,, an welchem der Lagerhalter dem Einlagerer Anzeige von dem Verlnste macht. § 424. Ist von dem Lagerhalter ein Lagerschein ausgestellt, der durch Indossament übertragen werden kann, so hat, wenn das Gut von dem Lagerhalter übernommen ist, die Uebergabe des Lagerscheins an den­ jenigen, welcher durch den Schein zur Empfangnahme des Gutes legitimirt wird, für den Erwerb von Rechten an dem Gute dieselben Wirkungen wie die Uebergabe des Gutes. Sechster Abschnitt.

Frachtgeschäft. 8 425. Frachtführer ist, wer es gewerbsmäßig übernimmt, die Beförderung von Gütern zu Lande oder auf Flüssen oder sonstigen Binnengewäsiern äuszuführen. 8 426. Der Frachtführer kann die Ausstellung eines Frachtbriefs verlangen. Der Frachtbrief soll enthalten: 1. den Ort und den Tag der Ausstellung; 2. den Namen und den Wohnort des Frachtführers; 3. den Namen deffen, an welchen das Gut abgeliefert werden soll (des Empfängers); 4. den Ort der Ablieferung; 5. die Bezeichnung des Gutes nach Beschaffenheit, Menge und Merk­ zeichen; 6. die Bezeichnung der für eine zoll- oder steueramtliche Behandlung oder polizeiliche Prüfung nöthigen Begleitpapiere; 7. die Bestimmung über die Fracht sowie im Falle ihrer Voraus­ bezahlung einen Vermerk über die Vorausbezahlung; 8. die besonderen Vereinbarungen, welche die Betheiligten über andere Punkte, namentlich über die Zeit, innerhalb welcher die Beförderung bewirkt werden soll, über die Entschädigung wegen verspäteter Ab­ lieferung und über die auf dem Gute haftenden Nachnahmen, ge­ troffen haben;

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XXVI. Handelsgesetzbuch.

9. die Unterschrift des Absenders; eine im Wege der mechanischen Ver­ vielfältigung hergestellte Unterschrift ist genügend. Der Absender hastet dem Frachtführer für die Nichtigkeit und die Vollständigkeit der in den Frachtbrief aufgenommenen Angaben. K 427. "Der Absender ist verpflichtet, dem Frachtführer die Begleit­ papiere zu übergeben, .welche zur Erfüllung der Zoll-, Steuer- oder Polizei­ vorschriften vor der Ablieferung an den Empfänger erforderlich sind. Er haftet dem Frachtführer, sofern nicht diesem ein Verschulden zur Last fällt, für alle Folgen, die aus dem Mangel, der Unzulänglichkeit oder der Un­ richtigkeit der Papiere entstehen.

§ 428. Ist über die Zeit, binnen welcher der Frachtführer die Beförderung bewirken soll, nichts bedungen, so bestimmt sich die Frist, innerhalb deren er die Reise anzutreten und zu vollenden hat, nach dem Ortsgebrauche. Besteht ein Ortsgebrauch nicht, so ist die Beförderung binnen einer den Umständen nach angcmesienen Frist zu bewirken. Wird der Antritt oder die Forschung der Reise ohne Verschulden des Absenders zeitweilig verhindert, so kann der Absender von dem Ver­ trage zurücktreten; er hat jedoch den Frachtführer, wenn diesem kein Verschulden zur Last fällt, für die Vorbereitung der Reise, die Wieder­ ausladung und den zurückgülegten Theil der Reise zu entschädigen. Ueber die Höhe der Entschädigung entscheidet der Ortsgebrauch; besteht ein Orts­ gebrauch nicht, so ist eine den Umständen nach angemessene Entschädigung zu gewähren.

§ 429. Der Frachtführer haftet für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Annahme bis zur , Ablieferung oder durch Versäumung der Lieferzeit entsteht, es sei denn, daß der Verlust, die Beschädigung oder die Verspätung auf Um­ ständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht abgewendet werden konnten. Fstr den Verlust oder die Beschädigung von Kostbarkeiten, Kunst­ gegenständen, Geld und Werthpapieren hastet der Frachtführer mir, wenn ihm diese Beschaffenheit oder der Werth des Gutes bei der Uebergabe zur Beförderung angegeben worden ist. § 430. Muß auf Grund des Frachtvertrags von dem Fracht­ führer für ■ gänzlichen oder theilweisen Verlust des Gutes Ersatz geleistet werden, so ist der gemeine Handelswerth und in dessen Ermangelung der

gemeine Werth zu'ersetzen, welchen Gilt derselben Art und Beschaffenheit am Orte der Ablieferung in dem Zeitpunkte hatte, in welchem die Ab­ lieferung zu bewirken war; hiervon kommt in Abzng, was in Folge des Verlustes an Zöllen und sonstigen Kosten sowie an Fracht erspart ist. Im Falle der Beschädigung ist der Unterschied zwischen dein Ver­ kaufswerthe des Gutes im beschädigten Zustand nnd dem gemeinen Handels­ werth oder dem gemeinen-Werthe zu ersetzen, welchen das Gut ohne die Beschädigung am Orte und zur Zeit der Ablieferung gehabt haben würde; hiervon kommt in Abzug, was in Folge der Beschädigung an Zöllen und sonstigen Kosten erspart ist.

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Ist der Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Fracht­ führers herbeigeführt, so kann Ersatz des vollen Schadens gefordert werden.

§ 431. Der Frachtführer hat ein Verschulden seiner Leute und eilt Verschulden anderer Personen, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, in gleichem Umfange zu vertreten wie eigenes Ver­ schulden. § 432. Uebergiebt der Frachtführer zur Ausführung der von ihm übernommenen Beförderung das Gut einem anderen Frachtführer, so haftet er für die Ausführung der Beförderung bis zur Ablieferung des Gutes an den Empfänger. Der nachfolgende Frachtführer tritt dadurch, daß er das Gut mit dem ursprünglichen Frachtbrief annimmt, diesem gemäß in den Fracht­ vertrag ein und übernimmt die selbständige Verpflichtung, die Beförderung nach dem Inhalte des Frachtbriefs auszuführen. Hat auf Grund dieser Vorschriften einer der betheiligten Fracht­ führer Schadensersatz geleistet, so steht ihm der Rückgriff gegen denjenigen zu, welcher den Schaden verschuldet hat. Kann dieser nicht ermittelt werden, so haben die betheiligten Frachtführer den Schaden nach dem Ver­ hältniß ihrer Antheile an der Fracht gemeinsam zu tragen, soweit nicht festgestellt wird, daß der Schaden nicht auf ihrer Beförderungsstrecke ent­ standen ist. § 433. Der Absender kann den Frachtführer anweisen, das Gut anzuhalten, zurückzugeben oder an einen anderen als den im Frachtbriefe bezeichneten Enipfänger auszuliefern. Die Mehrkosten, die durch eine solche Verfügung entstehen, sind dem Frachtführer zu erstatten. Das Verfügungsrecht des Absenders erlischt, wenn nach der Ankunft des Gutes am Orte der Ablieferung der Frachtbrief bettt Empfänger über­ geben oder von dem Empfänger Klage gemäß § 435 gegen den Fracht­ führer erhoben wird. Der Frachtführer hat in einem solchen Falle nur die Anweisungen des Empfängers zn beachten; verletzt er diese Verpflichtung, so ist er dem Empfänger für das Gut verhaftet.

§ 434. Der Enipfänger ist vor der Ankunft des Gutes am Orte der Ablieferung dem Frachtführer gegenüber berechtigt, alle zur Sicher­ stellung des Gutes erforderlichen Maßregeln zu ergreifen und dem Fracht­ führer die zu diesem Zwecke nothwendigen Anweisungen zu ertheilen. Die Auslieferung des Gutes kann er vor dessen Ankunft am Orte der Ab­ lieferung nur fordern, wenn der Absender den Frachtführer dazu er­ mächtigt hat. § 435. Nach der Ankunft des Gutes am Orte der Ablieferung ist der Empfänger berechtigt, die durch den Frachtvertrag begründetem Rechte gegen Erfüllung der sich daraus ergebenden Verpflichtungen in eigenem Namen gegen den Frachtführer geltend zu machen, ohne Unter­ schied, ob er hierbei in eigenem oder in fremdem Interesse handelt. Er ist insbesondere berechtigt, von dem Frachtführer die Uebergabe des Fracht­ briefs und die Auslieferung des Gutes zu verlangen. Dieses Recht erlischt,

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XXVI Handelsgesetzbuch.

wenn der Absender dem Frachtführer eine nach § 433 noch zulässige ent­ gegenstehende Anweisung ertheilt.

§ 436. Durch Annahme des Gutes und des Frachtbriefs. wird der Empfänger verpflichtet, dem Frachtführer nach Maßgabe des Fracht­ briefs Zahlung zu leisten. § 437. Ist der Empfänger des Gutes nicht zu ermitteln oder verweigert er die Annahme oder ergiebt sich ein sonstiges Ablieferungs­ hinderniß, so hat der Frachtführer den Absender unverzüglich hiervon in Kenntniß zu setzen und dessen Anweisung eiuzuholen. Ist dies den Umständen nach nicht thunlich oder der Absender mit der Ertheilung der Anweisung säumig oder die Anweisung nicht ausführ­ bar, so ist der Frachtführer befugt, das Gut in einem öffentlichen Lager­ haus oder sonst in sicherer Weise zu hinterlegen. Er kann, falls das Gut dem Verderben ausgesetzt und Gefahr im Verzug ist, das Gut auch ge­ mäß § 373 Abs. 2 bis 4 verkaufen lassen. Von der Hinterlegung und dem Verkaufe des Gutes hat der Fracht­ führer den Absender und den Empfänger unverzüglich zu benachrichtigen, es sei denn, daß dies unthunlich ist; im Falle der Unterlassung ist er zum Schadensersätze verpflichtet.

§ 438. Ist die Fracht nebst den sonst auf dem Gute haftenden Forderungen bezahlt und das Gut angenommen, so sind alle Ansprüche gegen den Frachtführer aus dem Frachtvertrag erloschen. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, soweit die Beschädigung oder Minderung des Gutes vor dessen Annahme durch amtlich bestellte Sachverständige sestgestellt ist. Wegen einer Beschädigung oder Minderung des Gutes, die bei der Annahme äußerlich nicht erkennbar ist, kann der Frachtführer auch nach der Annahme des Gutes und der Bezahlung der Fracht in Anspruch ge­ nommen werden, wenn der Mangel in der Zeit zwischen der Uebernahme des Gutes durch den Frachtführer und der Ablieferung entstanden ist und die Feststellung des Mangels durch amtlich bestellte Sachverständige unverzüglich nach der Entdeckung und spätestens binnen einer Woche nach der Annahme beantragt wird. Ist dem Frachtführer der Mangel unver­ züglich nach der Entdeckung und binnen der bezeichneten Frist angezeigt, so genügt es, wenn die Feststellung unverzüglich nach dem Zeitpunkte beantragt wird, bis zu welchem der Eingang einer Antwort des Fracht­ führers unter regelmäßigen Umständen erwartet werden darf. Die Kosten einer von dem Empfangsberechtigten beantragten Fest­ stellung find von dem Frachtführer zu tragen, wenn ein Verlust oder eine Beschädigung ermittelt wird, für welche der Frachtführer Ersatz leisten muß. Der Frachtführer kann sich auf diese Vorschriften nicht berufen, wenn er den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbei­ geführt hat. § 439. Auf die Verjährung der Ansprüche gegen den Fracht­ führer wegen Verlustes, Minderung, Beschädigung oder verspäteter Ab­ lieferung des Gutes finden die Vorschriften des § 414 entsprechende An­ wendung. Dies gilt nicht für die im § 432 Abs. 3 bezeichneten Ansprüche.

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§ 440. Der Frachtführer hat wegen aller dnrch den Frachtvertrag begründeten Forderungen, insbesondere der Fracht- und Liegegelder, der Zollgelder und anderer Auslagen, sowie wegen der auf das Gut geleisteten Vorschüsse ein Pfandrecht an dein Gute. Das Pfandrecht besteht, solange der Frachtführer das Gut noch im Besitze hat, insbesondere mittelst Konnossements, Ladescheins oder Lager­ scheins darüber verfügen kann. Auch nach der Ablieferung dauert das Pfandrecht fort, sofern der Frachtführer es binnen drei Tagen nach der Ablieferung gerichtlich geltend macht und das Gut noch im Besitze des Empfängers ist. Die. im § 1234 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichnete An­ drohung des Pfandverkanss sowie die in den §§ 1237, 1241 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs vorgesehenen Benachrichtigungen sind an den Empfänger zu richten. Ist dieser nicht zu ermitteln oder verweigert er die Annahme des Gutes, so hat die Androhung und Benachrichtigung gegenüber dem Absender zu erfolgen. § 441. Der letzte Frachtführer hat, falls nicht im Frachtbrief ein Anderes bestimmt ist, bei derAblieferung auch die Forderungen der Vor­ männer sowie die auf dem Gute hastenden Nachnahmen einzuziehen und die Rechte der Vorniänner, insbesondere anch das Pfandrecht, auszuüben. Das Pfandrecht der Vormänner besteht so lange als das Pfandrecht des letzten Frachtführers. . Wird der vorhergehende Frachtführer von dem nachfolgenden be­ friedigt, so gehen seine Forderung und sein Pfandrecht ans den letzteren über. In gleicher Art gehen die Forderung und das Pfandrecht des Spediteurs auf den nachfolgenden Spediteur und den nachfolgenden Fracht­ führer über. § 442. Der Frachtführer, welcher das Gut ohne Bezahlung ab­ liefert und das Pfandrecht nicht binnen drei Tagen nach der Ablieferung gerichtlich geltend macht, ist den Vormännern verantwortlich. Er wird, ebenso wie die vorhergehenden Frachtführer und Spediteure, des Rück­ griffs gegen die Vormänner verlustig. Der Anspruch gegen den Empfänger bleibt in Kraft.

§ 443. Bestehen an demselben Gute mehrere nach den 88 397, 410, 421, 440 begründete Pfandrechte, so geht unter denjenigen Pfand­ rechten, welche durch die Versendung oder durch die Beförderung des Gutes entstanden sind, das später entstandene dem früher entstandenen vor. Diese Pfandrechte haben sämmtlich den Vorrang vor dem nicht aus der Versendung entstandenen Pfandrechte des Kommissionärs und des Lagerhalters sowie vor dem Pfandrechte des Spediteurs und des Fracht­ führers für Vorschüsse.

§ 444. Ueber die Verpflichtung zur Auslieferung des Gutes kann von dem Frachtführer ein Ladeschein ausgestellt werden. § 445. Der Ladeschein soll enthalten: 1. den Ort und den Tag der Ausstellung; 2. den Namen und den Wohnort des Frachtführers:

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XXVI. Handelsgesetzbuch.

3. den Namen des Absenders; 4. den Namen desjenigen, an welchen oder an dessen Order das Gut abgeliefert "werden soll; als solcher gilt der Absender, wenn der Lade­ schein nur an Order gestellt ist; 5. den Ort der Ablieferung; 6. die Bezeichnung des Gutes nach Beschaffenheit, Menge und Merk­ zeichen ; 7. die Bestimmung über die Fracht und über die auf dem Gute haftenden Nachnahmen sowie im Falle der Vorausbezahlung der Fracht einen Vermerk über die Vorausbezahlung. Der Ladeschein muß von dem Frachtführer unterzeichnet sein. Der Absender hat dem Frachtführer auf Verlangen eine von ihm unterschriebene Abschrift des Ladescheins anszuhändigen.

§ 446. Der Ladeschein entscheidet für das Rechtsverhältniß zwischen dem Frachtführer und dem Empfänger des Gutes; die nicht in den Lade­ schein aufgenommenen Bestimmungen des Frachtvertrags sind dem Empfänger gegenüber unwirksam, sofern nicht der Ladeschein ausdrücklich auf sie Bezug nimmt. Für das Rechtsverhältniß zwischen dem Frachtführer und dem Ab­ sender bleiben die Bestimmungen des Frachtvertrags maßgebend. § 4ch7. Zum Empfange des Gutes legitimirt ist derjenige, an welchen das Gut nach dem Ladeschein abgeliefert werden soll oder auf welchen der Ladeschein, wenn er an Order lautet, durch "Indossament übertragen ist. Der zum Empfange Legitimirte hat schon vor der Ankunft des Gutes am Ablieferungsorte die Rechte, welche dem Absender in Ansehung der Verfügung über das Gut zustehen, wenn ein Ladeschein nicht aus­ gestellt ist. Der Frachtführer darf einer Anweisung des Absenders, das Gut anzuhalten, zurückzugeben oder an einen anderen als den durch den Lade­ schein legitimirten Empfänger auszuliefern, nur Folge leisten, wenn ihm der Ladeschein zurückgegeben wird; verletzt er diese Verpflichtung, so ist er dem rechtmäßigen Besitzer des Ladescheins für das Gut verhaftet. § 448. Der Frachtführer ist zur Ablieferung des Gutes nur gegen Rückgabe des Ladescheins, auf dem die Ablieferung des Gutes be­ scheinigt ist, verpflichtet.

% 449. Im Falle des § 432 Abs. 1 wird der nachfolgende Fracht­ führer, der das Gut auf Grund des Ladescheins übernimmt, nach Maß­ gabe des Scheines verpflichtet.

§ 450. Die Uebergabe des Ladescheins an denjenigen, welcher durch den Schein zur Empfangnahme des Gutes legitimirt wird, hat, wenn das Gut von dem Frachtführer übernommen ist, für den Erwerb von Rechten an dem Gute dieselben Wirkungen wie die Uebergabe des Gutes. § 451. Die Vorschriften der §§ 426 bis 450 kommen auch zur Anwendung, wenn ein Kaufmann, der nicht Frachtführer ist, im Betriebe

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seines Handelsgewerbcs eine Beförderring von Gütern zu Lande oder auf Flüssen oder sonstigen Binnengewässern auszuführen übernimmt.

§ 452* Auf die Beförderung von Gütern durch die Postver­ waltungen des Reichs und der Bundesstaaten finden die Vorschriften dieses Abschnitts keine Anwendung. Die bezeichneten Postverwaltungen gelten nicht als Kaufleute im Sinne dieses Gesetzbuchs. Siebenter Abschnitt.

Beförderung von Gütern und Personen auf den Eisenbahnen § 453. Eine dem öffentlichen Güterverkchre dienende Eisenbahn darf die Uebernahme von Gütern zur Beförderung nach einer für den Güterverkehr eingerichteten Station innerhalb des Deutschen Reichs nicht verweigern, sofern 1. der Absender sich den geltenden Beförderungsbedingungen und den sonstigen allgemeinen Anordnungen der Eisenbahn unterwirft; 2. die Beförderung nicht nach gesetzlicher Vorschrift oder aus Gründen der öffentlichen Ordnung verboten ist; 3. die Güter nach der Eiscnbahnverkehrsordnung oder den gemäß der Verkehrsordnung erlassenen Vorschriften und, soweit diese keinen An­ halt gewähren, nach der Anlage und dem Betriebe der betheiligten Bahnen sich zur Beförderung eignen; 4. die Beförderung mit den regelmäßigen Beförderungsmitteln möglich ist; 5. die Beförderung nicht durch Umstände, die als höhere Gewalt zu be­ trachten sind, verhindert wird. Die Eisenbahn ist nur insoweit verpflichtet, Güter zur Beförderung anzunehmen, als die Beförderung sofort erfolgen kann. Inwieweit sie verpflichtet ist, Güter, deren Beförderung nicht sofort erfolgen kann, in einstweilige Verwahrung zu nehmen, bestimmt die Eisenbahnverkehrsordnnng. Die Beförderung der Güter findet in der Reihenfolge statt, in welcher sie zur Beförderung angenommen worden sind, sofern -nicht zwingende Gründe des Eisenbahnbetriebs oder das öffentliche Interesse eine Ausnahme rechtfertigen. Eine Zuwiderhandlung gegen diese Vorschriften begründet den An­ spruch auf Ersatz des daraus entstehenden Schadens. § 454. Auf das Frachtgeschäft der dem öffentlichen Güterverkehre dienenden Eisenbahnen finden die Vorschriften des vorigen Abschnitts in­ soweit Anwendung, als nicht in diesem Abschnitt oder in der Eisenbahn­ verkehrsordnung ein Anderes bestimmt ist. § 455. Die Eisenbahn senders den Empfang des Gutes es zur Beförderung angenommen zu bescheinigen; das Duplikat ist vorzulegen.

ist verpflichtet, auf Verlangen des Ab­ unter Angabe des Tages, an welchem ist, auf einem Duplikate des Frachtbriefs von dem Absender mit dem Frachtbriefe

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Im Falle der Ausstellung eines Frachtbriesduplikats steht dem Ab­ sender das im 8 433 bezeichnete Verfügungsrecht nur zu, tocitit er das Duplikat vorlegt. Befolgt die Eisenbahn die Anweisungen des Absenders, ohne die Vorlegung des Duplikats zu verlangen, so ist sie für den daraus entstehenden Schaden dem Empfänger, welchem der Absender die Urkunde übergeben hat, haftbar.

§ 438. Die Eisenbahn haftet für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Annahme zur Beförde­ rung bis zur Ablieferung entsteht, es sei denn, daß der Schaden durch ein Verschulden oder eine nicht von der Eisenbahn verschuldete Anweisung des Verfügungsberechtigten, durch höhere Gewalt, durch äußerlich nicht er­ kennbare Mängel der Verpackung oder durch die natürliche Beschaffenheit des Gutes, namentlich durch inneren Verderb, Schwinden, gewöhnliche Leckage, verursacht ist. Die Vorschrift des § 429 Abs. 2 findet Anwendung. K 437. Muß auf Grund des Frachtvertrags von der Eisenbahn für gänzlichen oder theilweisen Verlust des Gutes Ersatz geleistet werden, so ist der gemeine Handelswerth und in deffen Ermangelung der gemeine Werth zu ersetzen, welchen Gut derselben Art und Beschaffenheit am Orte der Absendung in dem Zeitpunkte der Annahme zur Beförderung hatte, unter Hinzurechnung dessen, was an Zöllen und sonstigen Kosten sowie an Fracht bereits bezahlt ist. Im Falle der Beschädigung ist für die Minderung des im Abs. 1 bezeichneten Werthes Ersatz zu leisten. Ist der Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Eisen­ bahn herbeigesührt, so kann Ersatz des vollen Schadens gefordert werden. K 458. Die Eisenbahn haftet für ihre Leute und für andere Personen, deren sie sich bei der Ausführung der Beförderung bedient.

§ 459.

Die Eisenbahn haftet nicht:

1. in Ansehung der Güter, die nach der Bestimmung des Tarifs oder nach einer in den Frachtbrief aufgenommenen Vereinbarung mit dem Absender in offen gebauten Wagen befördert werden, für den Schaden, welcher aus der mit dieser Beförderungsart ver­ bundenen Gefahr entsteht; 2. in Ansehung der Güter, die, obgleich ihre Natur eine Verpackung zum Schutze gegen Verlust oder Beschädigung während der Beförde­ rung erfordert, nach Erklärung des Absenders auf dem Frachtbrief unverpackt oder mit mangelhafter Verpackung zur Beförderung auf­ gegeben worden sind, für den Schaden, welcher aus der mit dem Mangel oder mit der mangelhaften Beschaffenheit der Verpackung verbundenen Gefahr entsteht; 3. in Ansehung der Güter, deren Ausladen und Abladen nach der Be­ stimmung des Tarifs oder nach einer in den Frachtbrief aufgenommenen Vereinbarung mit dem Absender von diesem oder von dem Empfänger besorgt wird,

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für dm Schaden, welcher aus der mit dem Ausladen und Ab­ laden oder mit einer mangelhaften Verladung verbundenen Gefahr entsteht;

4.

in Ansehung der Güter, die vermöge ihrer eigenthümlichen -natür­ lichen Beschaffenheit der besonderen Gefahr ausgesetzt find, Verlust oder Beschädigung, namentlich Bruch, Rost, inneren Verderb, außer-gewöhnliche Leckage, Austrocknung und Verstreuung, zu erleiden, für den Schaden, welcher aus dieser Gefahr entsteht;

5. in Ansehlmg lebender Thiere für den Schaden, welcher aus der für sie mit der Beförderung verbundenen besonderen Gefahr entsteht; 6. in Ansehung derjenigen Güter, einschließlich der Thiere, welchen nach der Eisenbahnverkehrsordnung, dem Tarif oder nach einer in den Frachtbrief aufgenoinmeneir Vereinbarung mit dem Absender ein Begleiter beizugeben ist, für den Schaden, welcher aus der Gefahr entsteht, deren Abwendung durch die Begleitung bezweckt wird. Konnte ein eingetretener Schaden den Umständen nach aus einer der tut Abs. 1 bezeichneten Gefahren entstehen, so wird vermuthet, daß er aus dieser Gefahr entstanden sei. Eine Befreiung von der Haftpflicht kann aus Grund dieser Vorschriftetl nicht geltend gemacht werden, wenn der Schaden durch Ver­ schulden der Eisettbahn entstanden ist.

§ 460, Bei Gütern, die nach ihrer natürlichen Beschaffenheit bei der Beförderung regelmäßig einen Gewichtsverlust erleiden, ist die Haftpflicht der Eisenbahn für Gewichtsverluste bis zu den aus der Eisen­ bahnverkehrsordnung sich ergebenden Normalsätzen ausgeschlossen. Der Normalfatz wird, falls mehrere Stücke auf denselben Frachtbrief befördert werdeit, für jedes Stück besonders berechnet, wenn das Gewicht der einzelnen Stücke im Frachtbriefe verzeichnet ist oder sonst festgestellt werden kann. Die Beschränkung der Haftpflicht tritt nicht ein, soweit der Verlust den Umständen nach nicht in Folge der natürlichen Beschaffenheit des Gutes entstanden ist oder soweit der angenommene Satz dieser Beschaffenheit oder den sonstigen Umständen des Falles nicht entspricht. Bei gänzlichem Verluste des Gutes findet ein Abzug für Gewichts­ verlust nicht statt. § 461, Die Eisenbahnen können in besonderen Bedingungen (Austtahmetarisen) einen im Falle des Verlustes oder der Beschädigung ztt erstattenden Höchstbetrag festsetzen, sofern diese Ausnahmetarife ver­ öffentlicht werden, eine Preisermäßigung für die ganze Beförderung gegen­ über den gewöhnlichen Tarifen der Eisenbahn enthalten und der gleiche Höchstbetrag aus die ganze Beförderungsstrecke Anwendung findet. Ist der Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Eisen­ bahn herbeigeführt, so kann die Beschränkung auf den Höchstbetrag nicht geltend gemacht werden.

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§ 462. Inwieweit für den Fall des Verlustes oder der Be­ schädigung von Kostbarkeiten. Kunstgegenständen, Geld und Werthpapieren die zu leistende Entschädigung auf einen Höchstbetrag beschränkt werden kann, bestimmt die Eisenbahnverkehrsordnung. Die Vorschrift des § 461 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. § 463. Ist das Interesse an der Lieferung nach Maßgabe der Vorschriften der Eisenbahnverkehrsordnung in dem Frachtbriefe, der» Gepäckschein oder dem Beförderungsschein angegeben, so kann im Falle des Verlustes oder der Beschädigung des Gutes außer der iin § 457 Abs. 1, 2 bezeichneten Entschädigung der Ersatz des weiter entstandenen Schadens bis zu dem angegebenen Betrage beansprucht werden. Ist die Ersatzpflicht nach den Vorschriften des § 461 oder des § 462 auf einen Höchstbetrag beschränkt, so findet eine Angabe des JntereffeS an der Lieferung über diesen Betrag hinaus nicht statt.

§ 464. Wegen einer Beschädigung oder Minderung, die bei der Annahme des Gutes durch den Empfänger äußerlich nicht erkennbar ist, können Ansprüche gegen die Eisenbahn nach § 438 Abs. 3 nur geltend gemacht werden, wenn binnen einer Woche nach der Annahme zur Fest­ stellung des Mangels entweder bei Gericht die Besichtigung des Gutes durch Sachverständige oder schriftlich bei der Eisenbahn eine von dieser nach den Vorschriften der Eisenbahnverkehrsordnung vorzunehmende Unter­ suchung beantragt wird. Ist der Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Eisen­ bahn herbeigeführt, so kann sie sich auf diese Vorschrift nicht berufen.

§ 465. Für den Verlust von Reisegepäck, das zur Beförderung aufgegeben ist, haftet die Eisenbahn nur, wenn das Gepäck binnen acht Tagen nach der Anklinft des Zuges, zu welchem es aufgegeben ist, auf der Bestimmungsstation abgefordert wird. Inwieweit für den Fall des Verlustes oder der Beschädigung von Reisegepäck, das zur Beförderung aufgegeben ist, die zu leistende Ent­ schädigung auf einen Höchstbetrag beschränkt werden kann, bestimmt die Eisenbahttverkehrsordnung. Ist der Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Eisenbahn herbeigeführt, so kann die Beschränkung auf den Höchstbetrag nicht geltend gemacht werden. Für den Verlust oder die Beschädigung von Reisegepäck, das nicht zur Beförderung ausgegeben ist, sowie von Gegenständen, die in beförderten Fahrzeugen belaffen sind, haftet die Eisenbahn nur, wenn ihr ein Ver­ schulden zur Last fällt.

§ 466. Die Eisenbahn haftet für den Schaden, welcher durch Versäumung der Lieferftist entsteht, es sei denn, daß die Verspätung von einem Ereigniffe herrührt, welches sie weder herbeigeführt hat noch abzuweilden vermochte. Der Schaden wird nur insoweit ersetzt, als er den in dem Frachtbriefe, dem Gepäckschein oder dem Beförderungsschein als Jnterefle an der Lieferung nach Maßgabe der Eisenbahnverkehrsordnung angegebenen Betrag und in Ermangelung einer solchen Angabe den Betrag der Fracht nicht übersteigt.

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Für das Reisegepäck sann an Stelle der Fracht durch die Eisenbahnverkchrsordnung ein anderer Höchstbetrag bestimmt werden. Inwieweit ohne den Nachweis eines Schadens eine Vergütung zu gewähren ist, bestimmt die Eisenbahnverkehrsordnung. Der Ersatz des vollen Schadens kann gefordert werden, wenn die Versämnung der Lieferfrist durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Eisenbahn herbeigeführt ist.

K 467. Werden Gegenstände, die von der Beförderung aus­ geschlossen oder znr Beförderung nur bedingungsweise zugelassen sind, unter unrichtiger oder ungenauer Bezeichnung ausgegeben oder werden die für diese Gegenstände vorgesehenen Sicherheitsmaßregeln von dem Absender unterlassen, so ist die Haftpflicht der Eisenbahn auf Grund des Fracht­ vertrags ausgeschlossen. § 468. Für den Fall, daß auf dem Frachtbrief als Ort der Ablieferung ein nicht an der Eisenbahn liegender Ort bezeichnet wird, kann bestimmt werden, daß die Eisenbahn als Frachtführer nur für die Be­ förderung bis zur letzten Eisenbahnstation haften, bezüglich der Weiter­ beförderung dagegen die Verpflichtungen des Spediteurs übernehmen soll.

§ 469. Wird die Beförderung auf Grund desselben Frachtbriefs nach § 432 Abs. 2 durch mehrere auf einander folgende Eisenbahnen be­ wirkt, so können die Ansprüche aus dem Frachtvertrag, unbeschadet des Rückgriffs der Bahnen unter einander, im Wege der Klage nur gegen die erste Bahn oder gegen diejenige, welche das Gut zuletzt mit dem Frachtbrief iiberuommen hat, oder gegen diejenige, auf deren Betriebsstrecke sich der Schaden ereignet hat, gerichtet werden. Unter den bezeichneten Bahnen steht dem Kläger die Wahl zu; das Wahlrecht erlischt mit der Erhebung der Klage. Im Wege der Widerklage oder mittelst Aufrechnung können An­ sprüche aus dem Frachtvertrag auch gegen eine andere als die bezeichneten Bahnen geltend gemacht werden, wenn die Klage sich auf denselben Fracht­ vertrag gründet. § 470. Ansprüche der Eisenbahn auf Nachzahlung zu wenig er­ hobener Fracht oder Gebühren sowie Ansprüche gegen die Eisenbahn auf Rückerstattung zu viel erhobener Fracht oder Gebühren verjähren in einem Jahre, sofern der Anspruch auf eine- unrichtige Anwendung der Tarife oder auf Fehler bei der Berechnung gestützt wird. Die Verjährung beginnt mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Zahlung erfolgt ist. Die Verjährung des Anspruchs auf Rückerstattung zu viel erhobener Fracht oder Gebühren sowie die Verjährung der im § 439 Satz 1 be­ zeichneten Ansprüche wird durch die schriftliche Anmeldung des Anspruchs bei der Eisenbahn gehemmt. Ergeht auf die Anmeldung ein abschlägiger Bescheid, so beginnt der Lauf der Verjährungsfrist wieder mit dem Tage, an welchem die Eisenbahn ihre Entscheidung dem Anmeldenden schriftlich bekannt macht und ihm die der Anmeldung etwa angeschlossenen Beweis­ stücke zurückstellt. Weitere Gesuche, die au die Eisenbahn oder an die vorgesetzten Behörden gerichtet werden, bewirken keine Hemmung der Ver­ jährung.

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XXVI. Handelsgesetzbuch.

§ 471. Die nach den Vorschriften des § 432 Abs. 1, 2, der §§ 438, 439, 453, 455 bis 470 begründeten Verpflichtungen der Eisen­ bahnen können weder durch die Eisenbahnverkehrsordnung noch durch Ver­ träge ausgeschlossen oder beschränkt werden. Bestimmungen, welche dieser Vorschrift zuwiderlaufen, sind nichtig. Das Gleiche gilt von Vereinbarungen, die mit den Vorschriften der Eisenbahn­ verkehrsordnung im Widersprüche stehen. § 472. Die Vorschriften über die Beförderung von Personen auf den Eisenbahnen werden durch die Eisenbahnverkehrsordnung getroffen. § 473. Bei einer dem öffentlichen Verkehre dienenden Bahn­ unternehmung, welche der Eisenbahnverkehrsordnung nicht unterliegt (Klein­ bahn), sind insoweit, als in den 88 453, 459, 460, 462 bis 466 auf die Vorschriften der Eisenbahnverkehrsordnung verwiesen ist, an deren Stelle die Beförderungsbedingungen der Bahnunternehmung maßgebend. Den Vorschriften des § 453 unterliegt eine solche Bahnunternehmung nur mit der Maßgabe, daß sie die Uebernahme von Gütern zur Be­ förderung auf ihrer Bahnstrecke nicht verweigern darf.

Viertes Buch.

Zerbsnäei. Erster Abschnitt.

Allgemeine Vorschriften. 8 474 Wird ein zum Erwerbe durch die Seefahrt bestimmtes Schiff oder ein Antheil an einem solchen Schiffe (Schiffspart) veräußert, so kann die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zum Eigenthums­ übergang erforderliche Uebergabe durch die zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber getroffene Vereinbarung ersetzt werden, daß das Eigenthum sofort auf den Erwerber übergehen soll.

§ 475. In allen Fällen der Veräußerung eines Schiffes oder einer Schiffspart kann jeder Theil verlangen, daß ihm auf seine Kosten eine öffentlich beglaubigte Urkunde über die Veräußerung ertheilt wird. 8 476. Wird ein Schiff oder eine Schiffspart veräußert, während sich das Schiff auf der Reise befindet, so ist im Verhältnisse zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber in Ermangelung einer anderen Verein­ barung anzunehmen, -daß dem Erwerber der Gewinn der laufenden Reise gebühre oder der Verlust der laufenden Reise zur Last falle. 8 477. Durch die Veräußerung eines Schiffes oder einer Schiffs­ part wird in den persönlichen Verpflichtungen des Veräußerers gegen Dritte nichts geändert.

Viertes Buch.

Seehandel.

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§ 478.

Zubehör eines Schiffes sind auch die Schiffsboote. Im Zweifel werden Gegenstände, die in das Schiffsinventar ein­ getragen sind, als Zubehör des Schiffes angesehen.

§ 479. Im Sinne dieses vierten Buches gilt ein seeuntüchtig gewordenes Schiff: 1. als reparaturunfähig, wenn die Reparatur des Schiffes überhaupt nicht möglich ist oder an dem Orte, wo sich das Schiff befindet, nicht bewerkstelligt, das Schiff auch nicht nach dem Hafen, wo die Reparatur auszusühren wäre, gebracht werden kann; 2. als reparaturunwürdig, wenn die Kosten der Reparatur ohne Abzug für den Unterschied zwischen alt und neu mehr betragen würden als drei Viertheile seines früheren Werthes. Ist die Seeuntüchtigkeit während einer Mise eingetreten, so gilt als der frühere Werth derjenige, welchen das Schiff bei dem Antritte der Reise gehabt hat, in den übrigen Fällen derjenige, welchen das Schiff, bevor es seeuntüchtig geworden ist, gehabt hat oder bei gehöriger Ausrüstung gehabt haben würde. K 480. Als Heimathshafen des Schiffes gilt der Hafen, von welchem aus die Seefahrt mit dem Schiffe betrieben wird. Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs, welche sich auf den Aufenthalt des Schiffes im Heimathshafen beziehen, können durch die Landesgesetze auf alle oder einige Häsen des Reviers des Heimathshafens ausgedehnt werden. K 481. Zur Schiffsbesatzung werden gerechnet der Schiffer, die Schiffsmannschaft sowie alle übrigen auf dem Schiffe angestellten Personen.

§ 482. Die Zwangsversteigerung eines Schiffes im Wege der Zwangsvollstreckung darf nicht angeordnet werden, wenn das Schiff zum Abgehen fertig (segelfertig) ist. Auch darf ein segelfertiges Schiff nicht mit Arrest belegt werden. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn die Schuld, wegen deren die Zwangsversteigerung oder der Arrest stattfinden soll, zum Behufe der bevorstehenden Reise eingegangen ist.

§ 488. Wenn in diesem vierten Buche die europäischen Häfen den außereuropäischen Häfen entgegengesetzt werden, so sind unter den ersteren sämmtliche Häfen des Mittelländischen, Schwarzen und Azowschen Meeres als mitbegriffen anzusehen. Zweiter Abschnitt.

Weder und Weberei. § 484. Rheder ist der Eigenthümer eines ihm zum Erwerbe durch die Seefahrt dienenden Schiffes. § 485. Der Rheder ist für den Schaden verantwortlich, den eine Person der Schiffsbesatzung einem Dritten durch ihr Verschulden in Aus­ führung ihrer Dienstverrichtungen zufügt. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesctze.

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XXVI. Handelsgesetzbuch.

§ 486« Der Nhcder hastet für den Anspruch eines Dritten nicht persönlich, sondern nur mit Schiff und Fracht: 1. wenn der Anspruch auf ein Rechtsgeschäft gegründet wird, welches der Schiffer als solcher kraft seiner gesetzlichen Befugnisse und nicht mit Bezug auf eine besondere Vollmacht'geschlossen hat; 2. wenn der Anspruch auf die Nichterfüllung oder auf die unvollständige oder mangelhafte Erfüllung eines von dem Rheder abgeschlossenen Vertrags gegründet wird, sofern die Ausführung des Vertrags zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört hat, ohne Unterschied, ob die Nichterfüllung oder die unvollständige oder mangelhafte Er­ füllung von einer Person der Schiffsbesatzung verschuldet ist oder nicht; 3. wenn der Anspruch auf das Verschulden einer Person der Schiffs­ besatzung gegründet wird. Diese Vorschrift findet in den Füllen der Nr. 1, 2 leine Anwendung, wenn den Rheder selbst in Ansehung der Vertragserfüllung ein Verschulden trifft oder wenn er die Vertragserfüllung besonders gewährleistet hat.

§ 487. Der Rheder haftet für die Forderungen der zur Schiffs­ besatzung gehörenden Personen aus den Dienst- und Heuerverträgen nicht nur mit Schiff und Fracht, sondern persönlich. K 488. Der Rheder als solcher kann wegen eines jeden Anspruchs, ohne Unterschied, ob er persönlich oder nur mit Schiff und Fracht haftet, vor dem Gerichte des Heimathshafens (§ 480) belangt werden.

§ 489. Wird von mehreren Personen ein ihnen gemeinschaftlich zustehendes Schiff zum Erwerbe durch die Seefahrt für gemeinschaftliche Rechnung verwendet, so besteht eine Rhederei. Der Fall, wenn das Schiff einer Handelsgesellschaft gehört, wird durch die Vorschriften über die Rhederei nicht berührt. § 490. Das Rechtsverhältniß der Mitrheder unter einander be­ stimmt sich zunächst nach dem zwischen ihnen geschlossenen Vertrage. Soweit eine Vereinbarung nicht getroffen ist, finden die nachstehenden Vorschriften Anwendung.

§ 491. Für die Angelegenheiten der Rhederei sind die Beschlüffe der Mitrheder maßgebend. Bei der Beschlußfaffung entscheidet die Mehr­ heit der Stimmen. Die Stimmen werden nach der Größe der Schiffs­ parten berechnet; die Stimmenmehrheit für einen Beschluß ist vorhanden, wenn der Person oder den Personen, welche für den Beschluß gestimmt haben, zusammen mehr als die Hälfte des ganzen Schiffes gehört. Einstimmigkeit sämmtlicher Mitrheder ist erforderlich zu Beschlüffen, die eine Abänderung des Rhedereivertrags bezwecken oder die den Be­ stimmungen des Rhedereivertrags entgegen oder dem Zwecke der Rhederei fremd sind. § 492. Durch Beschluß der Mehrheit kann für den Rhederei­ betrieb ein Korrespondentrheder (Schiffsdirektor, Schiffsdisponent) bestellt werden. Zur Bestellung eines Korrespondentrheders, der nicht zu den Mitrhedern gehört, ist ein einstimmiger Beschluß erforderlich.

Viertes Buch

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Seehandel.

Die Bestellung des Korrespondentrheders kann zu jeder Zeit durch Stimmenmehrheit widerrufen werden, unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung.

§ 493. Im Verhältnisse zu Dritten ist der Korrespondentrheder kraft seiner Bestellung befugt, alle Geschäfte und Rechtshandlungen vor­ zunehmen, die der Geschäftsbetrieb einer Rhederei gewöhnlich mit sich bringt. Diese Besugniß erstreckt sich insbesondere auf die Ausrüstung, die Erhaltung und die Verfrachtung des Schiffes, auf die Versicherung der Fracht, der Ausrüstungskosten rind der Havereigelder sowie auf die mit dem gewöhnlichen Geschäftsbetriebe verbundene Empfangnahme von Geld. Der Korrespoudentrheder ist in demselben Umfange befugt, die Rhcderei vor Gericht zu vertreten. Er ist befugt, den Schiffer anzustellen und zu entlassen; der Schiffer hat sich nur an dessen Anweisungen und nicht auch an die etwaigen An­ weisungen der einzelnen Mitrheder zu halten. Im Namen der Rhederei oder einzelner Mitrheder Wechselverbind­ lichkeiten einzugehen oder Darlehen aufzunehmen, das Schiff oder Schiffs­ parten zu verkaufen oder zu verpfänden sowie für das Schiff oder für Schiffsparten Versicherung zu nehmen, ist der Korrespondentrheder nicht befugt, es sei denn, daß ihm eine Vollmacht hierzu besonders ertheilt ist. § 494. Durch ein Rechtsgeschäft, welches der Korrespondentrheder als solcher innerhalb der Grenzen seiner Befugnisse schließt, wird die Rhedcrei dem Dritten gegenüber auch dann berechtigt und verpflichtet, wenn das Geschäft ohne Nennung der einzelnen Mitrheder geschloffen wird. Ist die Rhederei durch ein von dem Korrespondentrheder abgeschlossenes Geschäft verpflichtet, so haften die Mitrheder in gleichem Umfange (§ 486), als wenn das Geschäft von ihnen selbst geschlossen wäre. § 495. Eine Beschränkung der im § 493 bezeichneten Befugnisse des Korrespondentrheders kann die Rhederei einem Dritten nur entgegen­ setzen, wenn die Beschränkung dem Dritten zur Zeit des Abschluffes des Geschäfts bekannt war.

§ 496. Der Rhederei gegenüber ist der Korrespondentrheder ver­ pflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche von ihr für den Umfang seiner Befugnisse festgesetzt sind; er hat sich ferner nach den gefaßten Beschlüffen zu richten und die Beschlüsse zur Ausführung zu bringen. Im Uebrigen ist der Umfang seiner Befugniffe auch der Rhederei gegenüber nach den Vorschriften des § 493 mit der Maßgabe zu beurtheilen, daß er zu neuen Reisen und Unternehmungen, zu außergewöhnlichen Reparaturen sowie zur Anstellung oder zur Entlassung des Schiffers vorher die Beschlttffe der Rhederei einzuholeu hat. § 497. Der Korrespondentrheder ist verpflichtet, in den Angelegen­ heiten der Rhederei die Sorgfalt eines ordentlichen Rheders anzuwenden. § 498. Der Korrespondentrheder hat über seine die Rhederei betreffende Geschäftsführung abgesondert Buch zu führen und die dazu gehörigen Belege aufzubewahren. Er hat auch jedem Mitrheder auf dessen 56*

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XXVI. Handelsgesetzbuch

Verlangen Kenntniß von allen Verhältnissen zu geben, die sich auf die Rhederei, insbesondere auf das Schiff, die Reise und die Ausrüstung, be­ ziehen; er hat ihm jederzeit die Einsicht der die Rhederei betreffenden Bücher, Briefe und Papiere zu gestatten.

§ 489.

Der Korrespondentrhcder ist verpflichtet,

jederzeit

auf

Beschluß der Rhederei dieser Rechnung zu legen. Die Genehmigung der Rechnung sowie die Billigung der Verwaltung des Korrespondentrheders durch die Mehrheit hindert die Minderheit nicht, ihr Recht geltend zu machen.

§ 500. Jeder Mitrheder hat nach dem Verhältniffe seiner Schiffs­ part zu den Ausgaben der Rhederei, insbesondere zu den Kosten der Aus­ rüstung und der Reparatur des Schiffes, beizutragen. Ist ein Mitrheder mit der Leistung seines Beitrags im Verzug und wird das Geld von Mitrhedern für ihn vorgeschosien, so ist er diesen zur Entrichtung von Zinsen von dem Zeitpunkte der Vorschüsse an verpflichtet. Durch den Vorschuß wird ein versicherbares Interesse hinsichtlich der Schiffspart für die Mitrheder begründet. Im Falle der Versicherung dieses Interesses hat der säumige Mitrheder die Kosten der Versicherung zu ersetzen. § 501. Wenn eine neue Reise oder wenn nach der Beendigung einer Reise die Reparatur des Schiffes oder wenn die Befriedigung eines Gläubigers beschlossen worden ist, dem die Rhederei nur mit Schiff und Fracht haftet, so kann jeder Mitrheder, welcher dem Beschlusse nicht zu­ gestimmt hat, sich von der Leistung der zur Ausführung des Beschlusses erforderlichen Einzahlungen dadurch befreien, daß er seine Schiffspart ohne Anspruch auf Entgelt aufgiebt. Der Mitrheder, welcher von dieser Befugniß Gebrauch machen will, muß dies bett Mitrhedern oder dem Korrespondentrheder binnen drei Tagen nach dem Tage des Beschlusses oder, wenn er bei der Beschlußfasiung nicht anwesend und nicht vertreten war, binnen drei Tagen nach der Mittheilung des Beschlusses gerichtlich oder notariell kundgeben. Die aufgegebene Schiffspart fällt den übrigen Mitrhedern nach dem Verhältniffe der Größe ihrer Schiffsparten zu.

§ 502. Die Vertheilung des Gewinns und Verlustes geschieht nach der Größe der Schiffsparten. Die Berechnung des Gewinns und Verlustes und die Auszahlung des etwaigen Gewinns erfolgt jedesmal, nachdem das Schiff in den Heimathshafen zurückgekehrt ist oder nachdem es in einem anderen Hafen seine Reise beendigt hat und die Schiffsmannschaft entlassen ist. Außerdem muß auch vor dem erwähnten Zeitpunkte das eingehende Geld, soweit eS nicht zu späteren Ausgaben oder zur Deckung von An­ sprüchen einzelner Mitrheder an die Rhederei erforderlich ist, unter die einzelnen Mitrheder nach dem Verhältnisse der Größe ihrer Schiffsparten vorläufig vertheilt und ausgezahlt werden.

§ 503. Jeder Mitrheder kann seine Schiffspart jederzeit und ohne Einwilligung der übrigen Mitrheder ganz oder theilweise veräußern.

53ici!tS Buch.

Seehandcl.

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Die Veräußerung einer Schiffspart, in Folge deren das Schiff das Recht, die Reichsflagge zu führen, verlieren würde, kann nur mir Zustiininung aller Atitrhcder erfolgen.

§ 504. Der Mitrhcder, welcher seine Schiffspart veräußert hat, wird, solange die Veräußerung von ihm und dem Erwerber den Mitrhedern oder dem Korrespondentrheder nicht angezeigt worden ist, int Ver­ hältnisse zu den Mitrhedern noch als Mitrheder betrachtet und bleibt wegen aller vor dieser Anzeige begründeten Verbindlichkeiten als Mitrheder den übrigen Mitrhedern verhaftet. Der Erwerber der Schiffspart ist jedoch im Verhältniffe zu den übrigen Mitrhedern schon seit dem Zeitpunkte der Erwerbung als Mit­ rheder verpflichtet. Er muß die Bestimmungen des Rhedcreivertrags, die gefaßten Be­ schlüsse und eingegangencn Geschäfte gleichwie der Veräußerer gegen sich gelten lassen; die übrigen Mitrheder können außerdem alle gegen den Veräußerer als Mitrheder begründeten Verbindlichkeiten in Bezug auf die veräußerte Schiffspart gegen den Erwerber zur Aufrechnung bringen, unbeschadet des Rechtes des Erwerbers auf Gewährleistung gegen den Veräußerer. § 505. Eine Aenderung in den Personen der Mitrheder ist ohne Einfluß auf den Fortbestand der Rhederci. Stirbt em Mitrheder oder wird der Konkurs über das Vermögen eines Mitrheders eröffnet, so hat dies die Auflösung der Rhederei nicht zur Folge. Eine Aufkündigung von Seiten eines Mitrheders oder eine Aus­ schließung eines Mitrheders findet nicht statt. § 506. Die Auflösung der Rhederei kann durch Stimmen­ mehrheit beschlossen werden. Der Beschluß, das Schiff zu veräußern, steht dem Beschlusse der Auslösung gleich. Ist die Auflösung der Rhederei oder die Veräußerung des Schiffes beschlossen, so muß das Schiff öffentlich verkauft werden. Der Verkauf kann nur geschehen, wenn das Schiff zu einer Reise nicht verfrachtet ist und sich in dem Heimathshasen oder in einem inländischen Hafen befindet. Ist jedoch das Schiff als reparaturunfähig oder reparaturunwürdig kondemnirt (§ 479), so kaun der Verkauf, auch wenn das Schiff ver­ frachtet ist, und selbst im Ausland erfolgen. Soll von diesen Vorschriften abgewichen werden, so ist die Zustimmung aller Mitrheder erforderlich. § 507. Die Mitrheder als solche hasten Dritten, wenn ihre persönliche Haftung eintritt, nur nach dem Verhältniffe der Größe ihrer Schiffsparten. Ist eine Schiffspart veräußert, so haften für die in der Zeit zwischen der Veräußerung und der im § 504 erwähnten Anzeige etwa begründeten persönlichen Verbindlichkeiten rücksichtlich dieser Schiffspart sowohl der Veräußerer als der Erwerber. § 508. Die Mitrheder als solche können wegen eines jeden An­ spruchs, ohne Unterschied, ob dieser von einem Mitrheder oder von einem

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Dritten erhoben wird, vor dem Gerichte des Heimathshafens (§ 480) be­ langt werden. Diese Vorschrift kommt auch dann zur Anwendung, wenn die Klage nur gegen einen Mitrheder oder gegen einige Mitrheder gerichtet wird.

§ 509. Auf die Vereinigung zweier oder mehrerer Personen, ein Schiff für gemeinschaftliche Rechnung zu erbauen und zur Seefahrt zu verwenden, finden die Vorschriften der §§ 490, 491, 500, 505 sowie des § 507 Abs. 1 und, sobald das Schiff vollendet und von dem Erbauer abgeliefert ist, außerdem die Vorschriften der §§ 503, 504, 506 sowie des 8 507 Abs. 2 Anwendung; die Vorschrift des § 500 gilt auch für die Baukosten. Ein Korrespondentrheder (8 492) kann schon vor der Vollendung des Schiffes bestellt werden; er hat in diesem Falle sogleich nach seiner Bestellung in Bezug auf den künftigen Rhedcreibetrieb die Rechte und Pflichten eines Korrespondentrhcders.

§ 510. Wer ein ihm nicht gehöriges Schiff zum Erwerbe durch die Seefahrt für seine Rechnung verwendet und es entweder selbst führt oder die Führung einem Schiffer anvcrtraut, wird im Verhältnisse zu Dritten als der Rheder angesehen. Der Eigenthümer kann denjenigen, welcher aus der Verwendung einen Anspruch als Schiffsgläubiger herleitet, an der Durchführung des Anspruchs nicht hindern, es sei denn, daß die Verwendung ihm gegenüber eine widerrechtliche und der Gläubiger nicht in gutem Glauben war. Dritter Abschnitt

Schiffer. § 511. Der Führer des Schiffes (Schiffskapitän, Schiffer) ist ver­ pflichtet, bei allen Dienstverrichtungen, namentlich bei der Erfüllung der voll ihm auszuführenden Verträge, die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers anzuwenden. Er hastet für jeden durch sein Verschulden entstehenden Schaden, insbesondere für den Schaden, welcher aus der Verletzung der in diesem und den folgenden Abschnitten ihm auferlegten Pflichten entsteht. § 512. Diese Haftung des Schiffers besteht nicht nur gegenüber dem Rheder, sondern auch gegenüber dem Befrachter, Ablader und Ladungs­ empfänger, dem Reisenden, der Schiffsbesatzung uiib demjenigen Schiffs­ gläubiger, dessen Forderung aus einem Kreditgeschäfte (8 528) entstanden ist, insbesondere dem Bodmereigläubiger. Der Schiffer wird dadurch, daß er auf Anweisung des Rheders ge­ handelt hat, den übrigen vorgenannten Personen gegenüber von der Haftung nicht befreit. Durch eine solche Anweisung wird auch der Rheder persönlich ver­ pflichtet, wenn er bei der Ertheilung der Anweisung von dem Sachvcrhältniß unterrichtet war.

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§ 513. Der Schiffer hat vor dem Antritte der Reise dafür zu sorgen, daß das Schiff in seetüchtigem Stande, gehörig eingerichtet und ausgerüstet, gehörig bemannt und verproviantirt ist und daß die zum Ausweise für Schiff, Besatzung und Ladung erforderlichen Papiere an Bord sind.

§ 514. Der Schiffer hat zu sorgen für die Tüchtigkeit der Geräthschaften zuin Laden und Loschen sowie für die gehörige Stauung nach Seemannsbrauch, auch wenn die Stauung durch besondere Stauer be­ wirkt wird. Er hat dafür zu sorgen, daß das Schiff nicht überladen und daß es mit dem nöthigen Ballast und der erforderlichen Garnirung ver­ sehen wird.

§ 515. Wenn der Schiffer im Auslande die dort geltenden Vor­ schriften, insbesondere die Polizei-, Steuer- und Zollgesetze, nicht beobachtet, so hat er den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Desgleichen hat er den Schaden zu ersetzen, welcher daraus entsteht, daß er Güter ladet, von denen er wußte oder wissen mußte, daß sie Kriegskontrebande seien. § 516. Sobald das Schiff zum Abgehen fertig ist, hat der Schiffer die Reise bei der ersten günstigen Gelegenheit anzutreten. Auch wenn er durch Krankheit oder andere Ursachen verhindert ist, das Schiff zu führen, darf er den Abgang des Schiffes oder die Weiter­ fahrt nicht ungebührlich aufhalten; er muß vielmehr, wenn Zeit und Um­ stünde gestatten, die Anordnung des Rheders einzuholen, diesem ungesäumt die Verhinderung anzeigen und für die Zwischenzeit die geeigneten Vor­ kehrungen treffen, im entgegengesetzten Falle einen anderen Schiffer ein­ setzen. Für diesen Stellvertreter ist er nur insofern verantwortlich, alsihm bei dessen Wahl ein Verschulden zur Last fällt.

§ 517. Vom Beginne des Ladens an bis zur Beendigung der Löschung darf der Schiffer das Schiff gleichzeitig mit dem Steuermanne nur in dringenden Fällen verlassen; er hat in solchen Fällen zuvor aus den Schiffsoffizieren oder der übrigen Mannschaft einen geeigneten Vertreter zu bestellen. Dasselbe gilt auch vor dem Beginne des Ladens und nach der Be­ endigung der Löschung, wenn das Schiff in einem nicht sicheren Hafen oder auf einer nicht sicheren Rhede liegt. Bei drohender Gefahr oder wenn das Schiff sich in See befindet, muß der Schiffer an Bord sein, sofern nicht eine dringende Nothwendig­ keit seine Abwesenheit rechtfertigt. § 518. Wenn der Schiffer in Fällen der Gefahr mit den Schiffsoffizieren einen Schiffsrath zu halten für angemesien findet, so ist er gleichwohl an die gefaßten Beschlüsse nicht gebunden; er bleibt stets für die von ihm getroffenen Maßregeln verantwortlich.

§ 519. Auf jedem Schiffe muß ein Tagebuch geführt werden, in welches für jede Reise alle erheblichen Begebenheiten, seit mit dem Ein­ nehmen der Ladung oder des Ballastes begonnen ist, einzutragen sind.

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Das Tagebuch wird unter der Aufsicht des Schiffers von dem Steuermann und im Falle der Verhinderung des letzteren von dem Schiffer selbst oder unter seiner Aufsicht von einem durch ihn zu bestimmenden ge­ eigneten Schiffsmanne geführt.

§ 520. Von Tag zu Tag sind in das Tagebuch einzutragcn: die Beschaffenheit von Wind und Wetter; die von dem Schiffe gehaltenen Kurse und zurückgelegten Ent­ fernungen ; die ermittelte Breite und Länge; der Wafferstand bei den Pumpen. Ferner sind in das Tagebuch einzutragen: die durch das Loth ermittelte Waffertiefe; jedes Annehmen eines Lootsen und die Zeit seiner Ankunft und seines Abganges; die Veränderungen im Personal der Schiffsbesatzung; die im Schiffsrathe gefaßten Beschlüffe; alle Unfälle, die dem Schiffe oder der Ladung zustoßen, und eine Beschreibung dieser Unfälle. Auch die auf dem Schiffe begangenen strafbaren Handlungen und die verhängten Disziplinarstrafen sowie die vorgekommenen Geburts- und Sterbesälle sind in das Tagebuch einzutragen. Die (Eintragungen müssen, soweit nicht die Umstände es hindern, täglich geschehen. Das Tagebuch ist von dem Schiffer und dem Steuermanne zu unterschreiben. § 521. Die Landesgesetze können bestimmen, daß auf kleineren Fahrzeugen (Küstenfahrern und dergleichen) die Führung eines Tagebuchs nicht erforderlich ist. K 522. Der Schiffer hat über alle Unfälle, bie sich während der Reise ereignen, sie mögen den Verlust oder die Beschädigung des Schiffes oder der Ladung, das Einlaufen in einen Nothhafen oder eine« sonstigen Nachtheil zur Folge haben, mit Zuziehung aller Personen der Schiffs­ besatzung oder einer genügenden Anzahl von ihnen eine Verklarung ab­

zulegen. Die Verklarung ist ohne Verzug zu bewirken und zwar: im Bestimmungshafen oder bei mehreren Bestimmungshäfen in demjenigen, welchen das Schiff nach dem Unfälle zuerst erreicht; im Nothhafen, sofern in diesem reparirt oder gelöscht wird; am ersten geeigneten Orte, wenn die Reise endet, ohne daß der Bestimmungshafen erreicht wird. Ist der Schiffer gestorben oder außer Stande, die Aufnahme der Verklarung zu bewirken, so ist hierzu der im Range nächste Schiffsoffizier berechtigt und verpflichtet. § 523. Die Verklarung muß einen Bericht über die erheblichen Begebenheiten der Reise, namentlich eine vollständige und deutliche Er-

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zählung der erlittenen Unfälle unter Angabe der zur Abwendung oder Verringerung der Nachtheile angewendeten Mittel, enthalten.

§ 524. Im Gebiete dieses Gesetzbuchs muß die Berklarrmg, unter Vorlegung des Tagebuchs imd eines Verzeichnisses aller Personen der Schiffsbcsatzung, bei dem zuständigen Gericht angemeldet werden. Das Gericht hat nach Eingang der Anmeldung sobald als thunlich die Verklarung aufzunehmen. Der dazu anberaumte Termin wird in geeigneter Weise öffentlich bekannt gemacht, sofern die Umstände einen solchen Aufenthalt gestatten. Die Interessenten von Schiff und Ladung sowie die etwa sonst bei dem Unfälle Betheiligten sind berechtigt, selbst oder durch Vertreter der Ablegung der Verllarung beizuwohnen. Die Verklarung geschieht aus der Grundlage des Tagebuchs. Kann das geführte Tagebuch nicht beigebracht werden oder ist ein Tagebuch nicht geführt (§ 521), so ist der Grund hiervon anzugeben.

§ 525. Der Richter ist befugt, außer den gestellten noch andere Personen der Schiffsbesatzung, deren Anhörung er angemessen stndet, zu vernehmen. Er kann zum Zwecke besserer Aufklärung dein Schiffer sowie jeder anderen Person der Schiffsbesahuna geeignete Fragen zur Beant­ wortung vorlcgen. Der Schiffer und die zugezogencn übrigen Personen der Schiffs­ bcsatzung haben ihre Aussagen zu beschwören. Die über die Verllarung aufgenommene Verhandlung rst tn Urschrift aufzubewahren und jedem Betheiligten auf Verlangen eine beglaubigte Abschrift zu ertheilen.

§ 526. Rechtsgeschäfte, die der Schiffer eingeht, während sich das Schiff im Heimathshafen befindet, sind für den Rheder nur dann ver­ bindlich, wenn der Schiffer auf Grund einer Vollmacht gehandelt hat oder wenn ein anderer besonderer Verpflichtungsgiund vorhanden ist. Zur Annahme der Schiffsmannschaft ist der Schiffer auch im Heimathshafen befugt. H 527. Befindet sich das Schiff außerhalb des Heimathshafens, so ist der Schiffer Dritten gegenüber kraft seiner Anstellung befugt, für den Rheder alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, welche die Ausrüstung, die Bemannung, die Verproviantirung und die Erhaltung des Schiffes sowie überhaupt die Ausführung der Reise mit sich bringen. Diese Befugniß erstreckt sich auch auf die Eingehung von Fracht­ verträgen; sie erstreckt sich ferner auf die Anstellung von Klagen, die sich aus den Wirkungskreis des Schiffers beziehen.

§ 528. Zur Aufnahme von Darlehen, zur Eingehung von Käufen auf Borg sowie zum Abschluß ähnlicher Kreditgeschäfte ist der Schiffer nur dann befugt, wenn es zur Erhaltung des Schiffes oder zur Aus­ führung der Reise nothwendig, und nur insoweit, als es zur Befriedigung des Bedürfnisses erforderlich ist. Ein Bodmereigeschäft einzugehen, ist er nur dann befugt, wenn es zur Ausführung der Reise nothwendig, und nur insoweit, als es zur Befriedigung des Bedürfnisses erforderlich ist.

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Die Gültigkeit des Geschäfts ist weder von der wirklichen Verwendung noch von der Zweckmäßigkeit der unter mehreren Kreditgeschäften getroffenen Wahl noch von dem Umstand abhängig, ob dem Schiffer das erforderliche Geld zur Verfügung gestanden hat, es sei denn, daß der Dritte in bösem Glauben war.

8 529. Aus den persönlichen Kredit des Rheders Geschäfte ab­ zuschließen, insbesondere Wechselverbindlichkeiten für den Rheder einzugehen, ist der Schiffer nur auf Grund einer ihn hierzu ermächtigenden Vollmacht (§ 486 Abs. 1 Nr. 1) befugt. Verhaltungsmaßregeln und dienstliche An­ weisungen, die der Schiffer vom Rheder erhält, genügen nicht, die per­ sönliche Haftung des Rheders dem Dritten gegenüber zu begründen. § 530. Die Befngniß zum Verkaufe des Schiffes hat der Schiffer nur im Falle dringender Nothwendigkeit und nur, nachdem diese durch das Ortsgericht nach Anhörnng von Sachverständigen und mit Zuziehung des deutschen Konsuls, wo ein solcher vorhanden, festgestellt ist. Ist keine Gerichtsbehörde und auch keine andere Behörde, welche die Untersuchung übernimmt, am Orte vorhanden, so hat der Schiffer zur Rechtfertigung seines Verfahrens das Gutachten von Sachverständigen ein­ zuholen und, wenn dies nicht möglich ist, sich mit anderen Beweisen zu versehen. Der Verkauf muß öffentlich geschehen. § 531. Der Rheder, welcher die gesetzlichen Befllgnisse des Schiffers beschränkt hat, kann dem Dritten die Nichteinhaltung dieser Beschränkungen nur entgegensetzen, wenn sie dem Dritten bekannt waren. § 532. Hat der Schiffer ohne besonderen Auftrag für Rechnung des Rheders aus eigenen Mitteln Vorschüsse geleistet oder sich persönlich verpflichtet, so stehen ihm gegen den Rheder wegen des Ersatzes keine größeren Rechte als einem Dritten zu.

8 533. Durch ein Rechtsgeschäft, welches der Schiffer in seiner Eigenschaft als Führer des Schiffes, sei es mit, sei es ohne Bezeichnung des Rheders, innerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse schließt, wird der Rheder dem Dritten gegenüber berechtigt und die Haftung des Rheders mit Schiff und Fracht begründet. Der Schiffer selbst wird dem Dritten durch das Rechtsgeschäft nicht verpflichtet, es sei denn, daß er eine Gewährleistung für die Erfüllung übernimmt oder seine Befugnisse überschreitet. Die Haftung des Schiffers nach Maßgabe der §§ 511, 512 wird hierdurch nicht ausgeschlossen. 8 534. Auch dem Rheder gegenüber sind für den Umfang der Befugnisse des Schiffers die Vorschriften der §§ 526 bis 530 maßgebend, soweit nicht der Rheder diese Befugnisse beschränkt hat. Der Schiffer ist verpflichtet, von dem Zustande des Schiffes, den Begebnisien der Reisen, den von ihm geschlossenen Verträgen und den anhängig gewordenen Prozessen den Rheder in fortlaufender Kenntniß zu erhalten und in allen erheblichen Fällen, namentlich in den Fällen der §§ 528, 530 oder wenn er eine Reise zu ändern oder einzustellen sich genöthigt findet, oder bei außergewöhnlichen Reparaturen und Anschaffungen,

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die Ertheilung von Verhaltungsmaßregeln nachzusuchen, sofern die Um­ stände es gestatten. Zu außergewöhnlichen Reparaturen und Anschaffungen, selbst wenn er sie mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln des Rheders be­ streiten kann, darf er nur im Falle der Nothwendigkeit schreiten. Wenn er sich das zur Bestreitung eines Bedürfniffes nöthige Geld nicht anders verschaffen kann als durch Bodmerei oder durch den Verkauf von entbehrlichem Schiffszubehör oder von entbehrlichen Schiffsvorräthen, so hat er diejenige Maßregel zu ergreifen, welche für den Rheder mit dem geringsten Nachtheile verbunden ist. Er muß dem Rheder nach der Rückkehr in den Heimathshafen und außerdem, so oft es verlangt wird, Rechnung legen.

K 535. Im Interesse der Ladungsbetheiligten hat der Schiffer während der Reise zugleich für das Beste der Ladung nach Möglichkeit Sorge zu tragen. Werden zur Abwendung oder Verringerung eines Verlustes besondere Maßregeln erforderlich, so liegt ihm ob, das Interesse der Ladungs­ betheiligten als deren Vertreter wahrzunehmen, wenn thunlich ihre An­ weisungen einzuholen und, soweit es den Verhältnissen entspricht, zu be­ folgen, sonst aber nach eigenem Ermessen zu verfahren und überhaupt thunlichst dafür zu sorgen, daß die Ladungsbetheiligten von solchen Vor­ fällen und den dadurch veranlaßten Maßregeln schleunigst in Kenntniß gesetzt werden. Er ist in solchen Fällen namentlich auch berechtigt, die Ladung ganz oder zu einem Theile zu löschen, äußerstenfalls, wenn ein erheblicher Verlust wegen drohenden Verderbs oder aus sonstigen Gründen anders nicht abzuwenden ist, zu verkaufen oder behufs der Beschaffung der Mittel zu ihrer Erhaltung und Weiterbeförderung zu verbodmen, sowie im Falle der Anhaltung oder Aufbringung zu reklamiren oder, wenn sie auf andere Weise seiner Verfügung entzogen ist, ihre Wiedererlangung außergerichtlich und gerichtlich zu betreiben.

§ 536. Wird die Fortsetzung der Reise in der ursprünglichen Richtung durch einen Zufall verhindert, so ist der Schiffer befugt, die Reise in einer anderen Richtung fortzusetzen oder sie auf kürzere oder längere Zeit einzustellen oder nach dem Abgangshafen zurückzukehren, je nachdem es den Verhältnissen und den möglichst zu berücksichtigenden Anweisungen entspricht. Im Falle der Auflösung des Frachtvertrags hat er nach den Vor­ schriften des § 632 zu verfahren. § 537. Auf den persönlichen Kredit der Ladungsbetheiligten Ge­ schäfte abzuschließen, ist der Schiffer auch in den Fällen des § 535 nur auf Grund einer ihn hierzu ermächtigenden Vollmacht befugt. § 538. Außer den Fällen des § 535 ist der Schiffer zur Ver­ bodmung der Ladung oder zur Verfügung über Ladungstheile durch Ver­ kauf oder Verwendung nur befugt, soweit es zum Zwecke der Fortsetzung der Reise nothwendig ist.

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§ 539. _ Gründet sich das Bedürfniß auf eine große Haverei und kann der Schiffer ihm durch verschiedene Maßregeln abhelfen, so hat er diejenige Maßregel zu ergreifen, welche für die Betheiligten mit dem ge­ ringsten Nachtheile verbunden ist. § 540. Liegt der Fall einer großen Haverei nicht vor, so ist der Schiffer zur Verbodmung der Ladung oder zur Verfügung über Ladungs­ theile durch Verkauf oder Verwendung nur befugt, wenn er dem Be­ dürfniß auf anderem Wege nicht abhelfen kann oder wenn die Wahl eines anderen Mittels einen unverhältnißmäßigen Schaden für den Rheder zur Folge haben würde. Auch in diesen Fällen kann er die Ladung nur zusammen mit dem Schiffe und der Fracht verbodmen (§ 680 Abs. 2). Er hat die Verbodmung vor dem Verkaufe zu wählen, es sei denn, daß die Verbodmung einen unverhältnißmäßigen Schaden für den Rheder zur Folge haben würde.

8 541. Die Verbodmung der Ladung oder die Verfügung über Ladungstheile durch Verkauf oder Verwendung wird in den Fällen des 8 540 als ein für Rechnung des Rheders abgeschlossenes Kreditgeschäft (§ 528, 8 754 Nr. 6) angesehen. 8 542. In Bezug auf die Gültigkeit der in den Fällen der 88 535, 538 bis 540 von dem Schiffer abgeschlosienen Rechtsgeschäfte finden die Vorschriften des 8 528 Abs. 2 Anwendung.

8 543. Was der Schiffer vom Befrachter, Ablader oder Ladungs­ empfänger außer der Fracht als Kaplaken, Primage oder sonst als Be­ lohnung oder Entschädigung, gleichviel unter welchem Namen, erhält, hat er dem Rheder als Einnahme in Rechnung zu bringen.

8 544. Der Schiffer darf ohne Einwilligung des Rheders für eigene Rechnung keine Güter verladen. Handelt er dieser Vorschrift zu­ wider, so hat er dem Rheder die höchste am Abladungsorte zur Abladungs­ zeit für solche Reisen und Güter bedungene Fracht zu erstatten, unbeschadet des Anspruchs des Rheders auf den Ersatz eines ihm verursachten höheren Schadens. 8 545. Der Schiffer kann, selbst wenn das Gegentheil vereinbart ist, jederzeit von dem Rheder entlassen werden, jedoch unbeschadet seines Anspruchs auf Entschädigung. 8 546. Erfolgt die Entlassung, weil der Schiffer untüchtig be­ funden ist oder weil er seiner Pflicht nicht genügt, so erhält er nur das­ jenige, was er von der Heuer einschließlich aller sonst bedungenen Vor­ thelle bis dahin verdient hat. 8 547. Wird ein Schiffer, der für eine bestimmte Reise an­ gestellt ist, entlaffen, weil die Reise wegen Krieg, Embargo oder Blokade oder wegen eines Einfuhr- oder Ausfuhrverbots oder wegen eines anderen Schiff oder Ladung betreffenden Zufalls nicht angetreten oder fortgesetzt werden kann, so erhält er gleichfalls nur dasjenige, was er von der Heuer

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einschließlich aller sonst bedllngenen Vortheile bis dahin verdient hat. Dasselbe gilt, wenn ein auf unbestimmte Zeit angestellter Schiffer aus einem der angeführten Gründe entlassen wird, nachdem er die Ausführung einer bestimmten Reise übernommen hat. Erfolgt in diesen Fällen die Entlassung während der Reise, so kann der Schiffer außerdem nach seiner Wahl entweder freie Rückbeförderung nach dem Hafen, wo er geheuert worden ist, oder eine entsprechende Ver­ gütung beanspruchen. Ein nach den Vorschriften dieses Gesetzbuchs begründeter Anspruch auf freie Rückbeförderung umfaßt auch den Unterhalt während der Reise.

§ 548. Wird ein Schiffer, der auf unbestimmte Zeit angestellt ist, aus anderen als den in den §§ 546, 547 angeführten Gründen ent­ lassen, nachdem er die Ausführung einer bestimmten Reise übernommen hat, so erhält er außer demjenigen, was ihm nach den Vorschrift«.. deS § 547 gebührt, als Entschädigung noch die Heuer für zwei oder vier Monate, je nachdem die Entlassung in einem europäischen oder in einem außereuropäischen Hafen erfolgt ist. Jedoch erhält er in keinem Falle mehr, als er erhalten haben würde, wenn er die Reise zu Ende ge­ führt hätte. § 549. War die Heuer nicht zeitweise, sondern in Bausch und Bogen für die ganze Reise bedungen, so wird in den Fällen der §§ 546 bis 548 die verdiente Heuer mit Rücksicht auf den vollen Heuerbetrag nach dem Verhältnisse der geleisteten Dienste sowie des etwa zurückgclegten Theiles der Reise bestimmt. Zur Ermittelung der im § 548 erwähnten Heuer für zwei oder vier Monate wird die durchschnittliche Dauer der Reise einschließlich der Ladungs- und Löschimgszeit unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Schiffes in Ansatz gebracht und danach die Heuer für die zwei oder vier Monate berechnet.

§ 550. Endet die Rückreise des Schiffes nicht in dem Heimathshasen und war der Schiffer für die Ausreise und die Rückreise oder auf unbestimmte Zeit angestellt, so hat der Schiffer Anspruch auf freie Rück­ beförderung nach dem Hafen, wo er geheuert worden ist, und auf Fort­ bezug der Heuer während der Reise oder nach seiner Wahl auf eine ent­ sprechende Vergütung. § "551. Der Schiffer, welcher auf unbestimmte Zeit angestellt ist, muß, sobald er eine Reise angetreten hat, im Dienste verbleiben, bis das Schiff in den Heimathshafen oder in einen inländischen Hafen zurückgekehrt und die Entlöschung erfolgt ist. Er kann jedoch seine Entlassung fordern, wenn seit der ersten Ab­ reise zwei oder drei Jahre verflossen sind, je nachdem sich das Schiff zur Zeit der Kündigung in einem europäischen oder in einem außereuropäischen Hafen befindet. Er hat in einem solchen Falle dem Rheder die zu seiner Ersetzung erforderliche Zeit zu gewähren und den Dienst inzwischen fort­ zusetzen, jedenfalls die laufende Reise zu beendigen. Ordnet der Rheder sofort nach der Kündigung die Rückreise an, so ist der Schiffer verpflichtet, das Schiff zurückzuführen.

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§ 552. Die Schissspart, mit welcher der Schiffer auf Grund einer mit den übrigen Rhedern getroffenen Bcreinbarung als Mitrheder an dem Schiffe betheiligt ist, ist im Falle seiner unfreiwilligen Entlastung auf fein Verlangen von den Mitrhedcrn gegen Auszahlung des durch Sachverständige zu bestimmenden Schätzungswerths zu übernehmen. Dieses Recht des Schiffers erlischt, wenn er die Erklärung, davon Gebrauch zu machen, ohne Grund verzögert. § 553. Falls der Schiffer nach dem Antritte der Reise erkrankt oder verwundet wird, so trägt der Rheder die Kosten der Verpflegung und Heilung: 1. wenn der Schiffer mit dem Schiffe zurückkehrt und die Rückreise in dem Heimathshafen oder in dem Hafen endet, wo er geheuert worden ist, bis zur Beendigung der Rückreise;. 2. wenn er mit dem Schiffe zurückkehrt und die Reise nicht in einem der genannten Häfen endet, bis zum Ablaufe von sechs Monaten seit der Beendigung der Rückreise;

3. wenn er während der Reise ant Lande zurückgelassen werden mußte, bis zum Ablaufe von sechs Monaten seit der Weiterreise des Schiffes. Auch kann der Schiffer in den beiden letzteren Fällen freie Rück­ beförderung (§ 547) oder nach seiner Wahl eine entsprechende Vergütung beanspruchen.

Die Heuer, einschließlich aller sonst bedungenen Vortheile bezieht der nach dem Antritte der Reise erkrankte oder verwundete Schiffer, wenn er mit dem Schiffe zurückkehrt, bis zur Beendigung der Rückreise, wenn er am Lande zurückgelasien werden mußte, bis zu dem Tage, an welchem er das Schiff verläßt.

Ist der Schiffer bei Vertheidigung des, Schiffes beschädigt, so hat er überdies auf eine angemessene Belohnung Anspruch.

§ 554. Stirbt der Schiffer nach dem Antritte des Dienstes, so hat der Rheder die bis zum Todestage verdiente Heuer einschließlich aller sonst bedungenen Vortheile zu entrichten; ist der Tod nach dem Antritte der Reise erfolgt, so hat der Rheder auch die Beerdigungskosten zu tragen. Wird der Schiffer bei Vertheidigung des Schiffes getödtet, so hat der Rheder überdies eine angemesiene Belohnung zu zahlen.

§ 555. Auch nach dem Verluste des Schiffes ist der Schiffer verpflichtet, noch für die Verklarung zu sorgen und überhaupt das In­ teresse des Rheders so lange wahrzunehmen, als es erforderlich ist. Er hat für diese Zeit Anspruch auf Fortbezug der Heuer und auf Erstattung der Kosten des Unterhalts. Außerdem kann er freie Rückbeförderung (§ 547) oder nach seiner Wahl eine entsprechende Vergütung beanspruchen.

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Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern. § 556. Der Frachtvertrag zur Beförderung von Gütern bezieht sich entweder 1. auf das Schiff im Ganzen oder einen verhältnißmäßigen Theil oder einen bestimmt bezeichneten Raum des Schiffes oder 2. auf einzelne Güter (Stückgüter).

§ 557.

Wird das Schiff im Ganzen oder zu einem verhältnißmäßigen Theile oder wird ein bestimmt bezeichneter Raum des Schiffes verfrachtet, so kann jede Partei verlangen, daß über den Vertrag eine schriftliche Urkunde (Chartepartie) errichtet wird.

§ 558.

In der Verfrachtung eines ganzen Schiffes ist die Kajüte nicht einbegriffen; es dürfen jedoch ohne Einwilligung des Befrachters in die Kajüte keine Güter verladen werden.

§ 559.

Bei jeder Art von Frachtvertrag (§ 556) hat der Ver­ frachter das Schiff in seetüchtigem Stande zu liefern. Er haftet dem Befrachter für jeden Schaden, der aus dem mangel­ haften Zustande des Schiffes entsteht, es sei denn, daß der Mangel bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht zu ent­ decken war.

§ 560.

Der Schiffer hat zur Einnahine der Ladung das Schiff an den vom Befrachter oder, wenn das Schiff an Mehrere verfrachtet ist, von sämmtlichen Befrachtern. ihm angewiesenen Platz hinzulegen. Erfolgt die Anweisung nicht rechtzeitig oder wird nicht von sämmtlichen Befrachtern derselbe Platz angewiesen oder gestatten die Wassertiefe, die Sicherheit des Schiffes oder die örtlichen Verordnungen oder Einrichtungen die Befolgung der Anweisung nicht, so hat der Schiffer an dem ortsüblichen Ladungsplatz anzulegen.

§ 561.

Sofern nicht durch Vertrag oder durch die örtlichen Ver­ ordnungen des Abladungshafens und in deren Ermangelung durch einen daselbst bestehenden Ortsgebrauch ein Anderes bestimmt ist, sind die Güter von dem Befrachter kostenfrei bis an das Schiff zu liefern, dagegen die Kosten der Einladung in das Schiff von dem Verfrachter zu tragen.

§ 562.

Der Verfrachter ist verpflichtet, statt der vertragsmäßigen Güter andere, von dem Befrachter zur Verschiffung nach demselben Be­ stimmungshafen ihm angebotene Güter anzunehmen, wenn dadurch seine Lage nicht erschwert wird. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die Güter tnt Ver­ trage nicht blos nach Art oder Gattung, sondern speziell bezeichnet find.

§ 563.

Der Befrachter oder Ablader, welcher die verladenen Güter unrichtig bezeichnet oder Kriegskontrebande oder Güter verladet, deren Ausfuhr oder deren Einfuhr in den Bestimmungshafen verboten ist, oder welcher bei der Abladung die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die Polizei-, Steuer- und Zollgesetze, übertritt, wird, sofern ihm dabei ein

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Verschulden zur Last fallt, nicht blos dem Verfrachter, sondern auch allen übrigen im § 512 Abs. 1 bezeichneten Personen für den durch sein Ver­ fahren veranlaßten Aufenthalt und jeden anderen Schaden verantwortlich. Dadurch, daß er mit Zustimmung des Schiffers gehandell hat, wird seine Verantwortlichkeit den übrigen Personen gegenüber nicht ausgeschlossen. Er kann aus der Konfiskation der Güter keinen Grund herleiten, die Zahlung der Fracht zu verweigern. Gefährden die Guter das Schiff oder die übrige Ladung, so ist der Schiffer befugt, die Guter ans Land zu setzen oder in dringenden Fällen über Bord zu werfen.

§ 564. Auch derjenige, welcher ohne Wissen des Schiffers Güter an Bord bringt, ist nach Maßgabe des § 563 zum Ersätze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Der Schiffer ist befugt, solche Güter wieder ans Land zu setzen oder, wenn sie das Schiff oder die übrige Ladung gefährden, nötigenfalls über Boro zu werfen. Hat der Schiffer die Güter an Bord behalten, so ist dafür die höchste am Abladungsorte zur Abladungszeit für solche Reifen und Güter bedungene Fracht zu bezahlen. § 565. Der Verfrachter ist nicht befugt, ohne Erlaubniß des Befrachters die Güter in em anderes Schiff zu verladen. Handelt er dieser Vorschrift zuwider, so ist er für jeden daraus entstehenden Schaden ver­ antwortlich, es sei denn, daß der Schaden auch dann entstanden und dem Befrachter zur Last gefallen sein würde, wenn die Güter nicht in ein anderes Schiff verladen worden wären. Auf Umladungen in ein anderes Schiff, die in Fällen der Noth nach dem Antritte der Reise erfolgen, finden die Vorschriften des Abs. 1 keine Anwendung.

§ 566. Ohne Zustimmung des Abladers dürfen dessen Güter weder auf das Verdeck verladen noch an die Seiten des Schiffes gehängt werden. Die Landesgesetze können bestimmen, daß diese Vorschrift, soweit sie die Beladung des Verdecks betrifft, auf die Küstenschiffahrt keine An­ wendung findet.

§ 567. Bei der Verfrachtung eines Schiffes tnt Ganzen hat der Schiffer, sobald er zur Einnahme der Ladung fertig und bereit ist, dies dem Befrachter anzuzeigen. Mit dem auf die Anzeige folgenden Tage beginnt die Ladezeit. Ueber die Ladezeit hinaus hat der Verfrachter auf die Abladung noch länger zu warten, wenn es vereinbart ist (Ueberliegezeit). Für die Ladezeit kann, sofern nicht das Gegentheil bedungen ist, keine besondere Vergütung verlangt werden. Dagegen hat der Befrachter dem Verfrachter für die Ueberliegezeit eine Vergütung (Liegegeld) zu gewähren.

§ 568. Ist die Dauer der Ladezeit durch Vertrag nicht festgesetzt, so wird sie durch die örtlichen Verordnungen des Abladungshafens und in deren Ermangelung durch den daselbst bestehenden Ortsgebrauch be­ stimmt. Besteht auch ein solcher Ortsgebrauch nicht, so gilt als Ladezeit eine den Umständen des Falles angemessene Frist.

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Ist eine Ueberliegezeit, nicht aber deren Dauer, durch Vertrag be­ stimmt, so beträgt die Ueberliegezeit vierzehn Tage. Enthält der Vertrag nur die Festsetzung eines Liegegeldes, so ist anzunehmen, daß eine Ueberliegezeit ohne Bestimmung der Dauer ver­ einbart sei.

§ 569. Ist die Dauer der Ladezeit oder der Tag, mit welchem die Ladezeit enden soll, durch Vertrag bestimmt, so beginnt die Ueber­ liegezeit ohne Weiteres mit dem Ablaufe der Ladezeit. In Ermangelung einer solchen vertragsmäßigen Bestimmung beginnt die Ueberliegezeit erst, nachdem der Verfrachter dem Befrachter erklärt hat, daß die Ladezeit abgelaufen sei. Der Verfrachter kann schon inner­ halb der Ladezeit dem Befrachter erklären, an welchem Tage er die Lade­ zeit für abgelaufen halte. In diesem Falle ist zum Ablaufe der Ladezeit und zum Beginne der Ueberliegezeit eine neue Erklärung des Verfrachters nicht erforderlich.

K 570. Nach dem Ablaufe der Ladezeit oder, wenn eine Ueber­ liegezeit vereinbart ist, nach dem Abläufe der Ueberliegezeit ist der Ver­ frachter nicht verpflichtet, auf die Abladung noch länger zu warten. Er muß jedoch seinen Willen, nicht länger zu warten, spätestens drei Tage vor dem Ablaufe der Ladezeit oder der Ueberliegezeit dem Befrachter erklären. Ist dies nicht geschehen, so läuft die Ladezeit oder Ueberliegezeit nicht eher ab, als bis die Erklärung nachgeholt ist und seit dem Tage der Abgabe der Erklärung drei Tage verstrichen sind. Die in den Abs. 1, 2 erwähnten drei Tage werden in allen Fällen als ununterbrochen fortlaufende Tage nach dem Kalender gezählt. K 571. Die in den §§ 569, 570 bezeichneten Erklärungen des Verfrachters sind an keine besondere Form gebunden. Weigert sich der Befrachter, den Empfang einer solchen Erklärung in genügender Weise zu bescheinigen, so ist der Verfrachter befugt, eine öffentliche Urkunde darüber auf Kosten des Befrachters errichten zu lassen. K 572. Das Liegegeld ist, wenn es nicht durch Vertrag bestimmt ist, nach billigem Ermessen zu bestimmen. Hierbei ist auf die näheren Umstände des Falles, insbesondere auf die Heuerbeträge und die Unterhaltskosten der Schiffsbesatzung sowie auf den dem Verfrachter entgehenden Frachtverdienst, Rücksicht zu nehmen.

§ 573. Bei der Berechnung der Lade- und Ueberliegezeit werden die Tage in ununterbrochen fortlaufender Reihenfolge gezählt; insbesondere kommen in Ansatz die Sonntage und die Feiertage sowie diejenigen Tage, an welchen der Befrachter durch Zufall die Ladung zu liefern ver­ hindert ist. Nicht in Ansatz kommen jedoch die Tage, an denen durch Wind und Wetter oder durch irgend einen anderen Zufall entweder 1. die Lieferung nicht nur der bedungenen, sondern jeder Art von Ladung an das Schiff oder 2. die Uebernahme der Ladung verhindert ist. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

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§ 574. Für die Tage, die der Verfrachter wegen Berhiiidcrnng der Lieferung jeder Art von Ladung länger warten muß, gebührt ihm Liegegeld, selbst wenn die Verhinderung während der Ladezeit eintritt. Da­ gegen ist für die Tage, die er wegen Verhinderung der Uebernahme der Ladung länger warten muß, Liegegeld nicht zu entrichten, selbst wenn die Verhinderung während der Ueberliegezeit eintritt. § 575. Sind für die Dauer der Ladezeit nach § 568 die ört­ lichen Verordnungen oder der Ortsgebrauch maßgebend, so kommen bei der Berechnung der Ladezeit die Vorschriften der §§ 573, 574 nur insoweit zur Anwendung, als die örtlichen Verordnungen oder der Ortsgebranch nichts Abweichendes bestimmen. § 576. Hat sich der Verfrachter ausbedungen, daß die Abladung bis zu einem bestimmten Tage beendigt sein muß, so wird er durch die Verhinderung der Lieferung jeder Art von Ladung (§ 573 Abs. 2 Nr. 1) zum längeren Warten nicht verpflichtet. § 577. Soll der Verfrachter die Ladung von einem Dritten er­ halten und ist dieser Dritte ungeachtet der von dem Verfrachter in orts­ üblicher Weise kundgemachten Bereitschaft zum Laden nicht zu ermitteln oder verweigert er die Lieferung der Ladung, so hat der Verfrachter den Befrachter schleunigst hiervon zu benachrichtigen und nur bis zum Ablaufe der Ladezeit, nicht auch während der etwa vereinbarten Ueberliegezeit auf die Abladung zu warten, es sei denn, daß er von dem Befrachter oder einem Bevollmächtigten des Befrachters noch innerhalb der Ladezeit eine entgegengesetzte Anweisung erhält. Ist für die Ladezeit und die Löschzeit zusammen eine ungeteilte Frist bestimmt, so wird für den im Abs. 1 erwähnten Fall die Hälfte dieser Frist als Ladezeit angesehen

§ 578. Der Verfrachter hat auf Verlangen des Befrachters die Reise auch ohne die volle bedungene Ladung anzutreten. Es gebührt ihm aber alsdann nicht nur die volle Fracht und das etwaige Liegegeld, sondern er ist auch berechtigt, soweit ihm durch die Unvollständigkeit der Ladung die Sicherheit für die volle Fracht entgeht, die Bestellung einer ander­ weitigen Sicherheit zu fordern. Außerdem sind ihm die Mehrkosten, die ihm in Folge der Unvollständigkeit der Ladung etwa erwachsen, durch den Befrachter zu erstatten. § 579* Hat der Befrachter bis zum Ablaufe der Zeit, während welcher der Verfrachter auf die Abladung zu warten verpflichtet ist (Warte­ zeit), die Abladung nicht vollständig bewirkt, so ist der Verfrachter befugt, sofern der Befrachter nicht von dem Vertrage zurücktritt, die Reise anzutrcten und die im § 578 bezeichneten Forderungen geltend zu machen. § 580. Der Befrachter kann vor dem Antritte der Reise, sei diese eine einfache oder eine zusammengesetzte, von dem Vertrag unter der Verpflichtung zurücktreten, die Hälfte der bedungenen Fracht als Faut­ fracht zu zahlen.

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Im Sinne dieser Vorschrift wird die Reise schon dann als angctreten

erachtet: 1. wenn der Befrachter den Schiffer bereits abgefertigt hat; 2. wenn er die Ladung bereits ganz oder zu einem Theile geliefert hat und die Wartezeit verstrichen ist.

§ 581. Macht der Befrachter von dem Rechte Gebrauch, nachdem Ladung geliefert ist, so der Einladung und Wiederausladung zu tragen Wiederausladung, soweit sie nicht in die Ladezeit

im § 580 bezeichneten hat er auch die Kosten und für die Zeit der fällt, Liegegeld (§ 572)

zu zahlen. Die Wiederausladung ist mit möglichster Beschleunigung zu bewirken. Der Verfrachter ist verpflichtet, den Aufenthalt, den die Wiederaus­ ladung verursacht, selbst dann sich gefallen zu lassen, wenn dadurch die Wartezeit überschritten wird. Für die Zeit nach dem Ablaufe der Warte­ zeit hat er Anspruch auf Liegegeld und auf Ersatz des durch die Ueberschreitung der Wartezeit entstandenen Schadens, soweit der letztere den Betrag dieses Liegegeldes übersteigt.

§ 582. Nachdem die Reise im Sinne des § 580 angetreten ist, kann der Befrachter nur gegen Berichtigung der vollen Fracht sowie aller sonstigen Forderungen des Verfrachters (§ 614) und gegen Berichtigung oder Sicherstellung der in»x§ 615 bezeichneten Forderungen von dem Ver­ trage zurücktreten und die Wiederausladung der Güter fordern. Im Falle der Wiederausladung hat der Befrachter nicht nur die hierdurch entstehenden Mehrkosten, sondern auch den Schaden zu ersetzen, welcher aus dem durch die Wiederausladung verursachten Aufenthalte dem Verfrachter entsteht. Zum Zwecke der Wiederausladung der Güter die Reise zu ändern oder einen Hafen anzulaufen, ist der Verfrachter nicht verpflichtet.

§ 583. Der Befrachter ist statt der vollen Fracht nur zwei Dritttheile als Fautfracht zu zahlen verpflichtet, wenn das Schiff zugleich auf Rückladung verfrachtet ist oder in Ausführung des Vertrags zur Ein­ nahme der Ladung eine Fahrt aus einem anderen Hafen zu machen hat und in diesen beiden Fällen der Rücktritt früher erklärt wird, als die Rückreise oder die Reise aus dem Abladungshasen im Sinne des' § 580 angetreten ist. § 584. Bei anderen zusammengesetzten Reisen erhält der Ver­ frachter, wenn der Befrachter den Rücktritt erklärt, bevor in Bezug auf den letzten Reiseabschnitt die Reise im Sinne des § 580 angetreten ist, als'Fautfracht zwar die volle Fracht, es kommt von dieser jedoch ein angemessener Bruchtheil in Abzug, sofern die Umstände die Annahme be­ gründen, daß der Verfrachter in Folge der Aufhebung des Vertrags Kosten erspart und Gelegenheit zu anderweitigem Frachtverdienste ge­ habt habe. Der Abzug darf in keinem Falle die Hälfte der Fracht übersteigen.

§ 585» Liefert der Befrachter bis zum Ablaufe der Wartezeit keine Ladung, so ist der Verfrachter an seine Verpflichtungen aus dem 57*

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Vertrage nicht länger gebunden und befugt, gegen den Befrachter dieselben Ansprüche geltend zu machen, welche ihm zugestanden haben würden, wenn der Befrachter von dem Vertrage zurückgetreten wäre (§§ 580, 583, 584).

§ 586. Auf die Fautfracht wird die Fracht, welche der Ver­ frachter für'andere Ladungsgüter erhält, nicht angerechnet. Die Vorschrift des 8 584 Abs. 1 bleibt unberührt. Der Anspruch des Verfrachters auf Fautfracht ist nicht davon ab­ hängig, daß er die im Pertrage bezeichnete Reise aussührt. Durch die Fautfracht werden die Ansprüche des Verfrachters auf Liegegeld und die übrigen ihm etwa zustehenden Forderungen (§ 614) nicht ausgeschlossen. K 587. Ist ein verhältnißmäßiger Theil oder ein bestimmt be­ zeichneter Raum des Schiffes verfrachtet, so gelten die Vorschriften der §§ 567 bis 586 mit folgenden Abweichungen: 1. Der Verfrachter erhält in den Fällen, in denen er sich nach diesen Vorschriften mit einem Theile der Fracht begnügen müßte, als Faut­ fracht die volle Fracht, es sei denn, daß sämmtliche Befrachter zurück­ treten oder keine Ladung liefern. Von der vollen Fracht kommt jedoch die Fracht für diejenigen Güter in Abzug, welche der Verfrachter an Stelle der nicht gelieferten annimmt. 2. In den Fällen der §§ 581, 582 kann der Befrachter die Wieder­ ausladung nicht verlangen, wenn sie eine Verzögerung der Reise zur Folge haben oder eine Umladung nöthig machen würde, es sei denn, daß alle übrigen Befrachter zustimmen. Außerdem ist der Befrachter verpflichtet, sowohl die Kosten als auch den Schaden zu ersetzen, welche durch die Wiederausladung entstehen. Machen sämmtliche Befrachter von dem Rechte des Rücktritts Gebrauch, so hat es bei den Vorschriften der 88 581, 582 sein Bewenden.

§ 588. Hat der Frachtvertrag Stückgüter zum Gegenstände, so niuß der Befrachter auf die Aufforderung des Schiffers ohne Verzug die Abladung bewirken. Ist der Befrachter säumig, so ist der Verfrachter nicht verpflichtet, auf die Lieferung der Güter zu warten; der Befrachter muß, wenn die Reise ohne die Güter angetreten wird, gleichwohl die volle Fracht entrichten. Es komnit von der letzteren jedoch die Fracht für diejenigen Güter in Ab­ zug, welche der Verfrachter an Stelle der nicht gelieferten annimmt. Der Verfrachter, der den Anspruch auf die Fracht gegen den säumigen Befrachter geltend machen will, ist bei Verlust des Anspruchs verpflichtet, dies dem Befrachter vor der Abreise kund zu geben. Auf diese Erklärung findm die Vorschriften des 8 571 Anwendung. § 589. Nach der Abladung kann der Befrachter auch gegen Be­ richtigung der vollen Fracht sowie aller sonstigen Forderungen des Ver­ frachters (8 614) und gegen Berichtigung oder Sicherstellung der im 8 615 bezeichneten Forderungen nur nach Maßgabe des 8 587 Nr. 2 Abs. 1 von dem Vertrage zurücktreten und die Wiederausladung der Guter fordern. Die Vorschrift des 8 582 Abs. 3 findet Anwendung.

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§ 590» Ist ein Schiff auf Stückgüter angelegt und die Zeit der Abreise nicht festgesetzt, so hat aus Antrag des Befrachters der Richter nach den Umständen des Falles den Zeitpunkt zu bestimmen, über welchen hinaus der Antritt der Reise nicht verschoben werden darf. § 591. Bei jeder Art von Frachtvertrag hat der Befrachter inner­ halb der Zeit, binnen welcher die Güter zu liefern find, dem Schiffer zu­ gleich alle zur Verschiffung der Güter erforderlichen Papiere zuzustellen.

§ 592. Der Schiffer hat zur Löschung der Ladung das Schiff an den Platz hinzulegen, der ihm von demjenigen, an welchen die Ladung abzuliefern ist (Empfänger), oder, wenn die Ladung an mehrere Empfänger abzuliefern ist, von sämmtlichen Empfängern angewiesen wird. Erfolgt die Anweisung nicht rechtzeitig oder wird nicht von sämmtlichm Empfängern derselbe Platz angewiesen oder gestatten die Wassertiefe, die Sicherheit des Schiffes oder die örtlichen Verordnungen oder Einrichtungen die Befolgung der Anweisung nicht, so hat der Schiffer an dem orts­ üblichen Löschungsplatz anzulegen. K 593. Sofern nicht durch Vertrag oder durch die örtlichen Ver­ ordnungen des Löschungshafens und in deren Ermangelung durch einen daselbst bestehenden Ortsgebrauch ein Anderes bestimmt ist, werden die Kosten der Ausladung aus dem Schiffe von dem Verfrachter, alle übrigen Kosten der Löschung von dem Ladungsempfänger getragen.

§ 594. Bei der Verfrachtung eines Schiffes im Ganzen hat der Schiffer, sobald er zum Löschen fertig und bereit ist, dies dem Empfänger anzuzeigen. Ist der Empfänger dem Schiffer unbekannt, so ist die Anzeige durch öffentliche Bekanntmachung in ortsüblicher Weise zu bewirken. Mit dem auf die Anzeige folgenden Tage beginnt die Löschzeit. Ueber die Löschzeit hinaus hat der Verfrachter nur dann auf die Abnahme der Ladung noch länger zu warten, wenn es vereinbart ist (Ueberliegezeit). Für die Löschzeit kann, sofern nicht das Gegentheil bedungen ist, keine besondere Vergütung verlangt werden. Dagegen ist dem Verfrachter für die Ueberliegezeit eine Vergütung (Liegegeld) zu gewähren. In Ansehung der Höhe des Liegegeldes finden die Vorschriften des § 572 Anwendung. § 595. Ist die Dauer der Löschzeit durch Vertrag nicht fest­ gesetzt, so wird fie durch die örtlichen Verordnungen des Löschungshafens und in deren Ermangelung durch den daselbst bestehenden Ortsgebrauch bestimmt. Besteht auch ein solcher Ortsgebrauch nicht, so gilt als Lösch­ zeit eine den Umständen des Falles angemessene Frist. Ist eine Ueberliegezeit, nicht aber deren Dauer, durch Vertrag be­ stimmt, so beträgt die Ueberliegezeit vierzehn Tage. Enthält der Vertrag nur die Festsetzung eines Liegegeldes, so ist an­ zunehmen, daß eine Ueberliegezeit ohne Bestimmung der Dauer ver­ einbart sei.

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K 596. Ist die Dauer der Löschzeit oder der Tag, mit welchein die Löfchzeit enden soll, durch Vertrag bestimmt, so beginnt die Ueberliegezeit ohne Weiteres mit dem Ablaufe der Loschzeit. In Ermangelung einer solchen vertragsmäßigen Bestimmung beginnt die Ueberliegezeit erst, nachdem der Verfrachter dem Empfänger erklärt hat, daß die Löschzeit abgelaufen sei. Der Verfrachter kann schon inner­ halb der Löschzeit dem Empfänger erklären, an welchem Tage er die Löschzeit für abgelaufen halte. In diesem Falle ist zum Ablaufe der Löschzeit und zum Beginne der Ueberliegezeit eine neue Erklärung des Verfrachters nicht erforderlich. Auf die im Abs. 2 erwähnten Erklärungen des Verfrachters finden die Vorschriften des § 571 Anwendung.

§ 597. Bei der Berechnung der Lösch- und Ueberliegezeit werden die Tage in ununterbrochen fortlaufender Reihenfolge gezählt; insbesondere kommen in Ansatz die Sonntage und die Feiertage sowie diejenigen Tage, an welchen der Empfänger durch Zufall die Ladung abzunehmen ver­ hindert ist. Nicht in Ansatz kommen jedoch die Tage, an denen durch Wind und Wetter oder durch irgend einen anderen Zufall entweder 1. die Beförderung nicht nur der im Schiffe befindlichen, sondern jeder Art von Ladung von dem Schiffe an das Land oder 2. die Ausladung aus dem Schiffe verhindert ist. § 598. Für die Tage, die der Verfrachter wegen der Verhinde­ rung der-Beförderung jeder Art von Ladung von dem Schiffe an das Land länger warten muß, gebührt ihm Liegegeld, selbst wenn die Ver­ hinderung während der Löschzeit eintritt. Dagegen ist für die Tage, die er wegen Verhinderung der Ausladung aus dem Schiffe länger warten muß, Liegegeld nicht zu entrichten, selbst wenn die Verhinderung während der Ueberliegezeit eintritt. K 599. Sind für die Dauer der Löschzeit nach § 595 die ört­ lichen Verordnungen oder der Ortsgebrauch maßgebend, so kommen bei der Berechnung der Löschzeit die Vorschriften der §§ 597, 598 nur in­ soweit zur Anwendung, als die örtlichen Verordnungen oder der Orts­ gebrauch nichts Abweichendes bestimmen.

K 600. Hat sich der Verfrachter ausbedungen, daß die Löschung bis zu einem bestimmten Tage beendigt sein muß, so wird er durch die Verhinderung der Beförderung jeder Art von Ladung von dem Schiffe an das Land (§ 597 Abs. 2 Nr. 1) zum längeren Warten nicht verpflichtet.

§ 601. Wenn sich der Empfänger zur Abnahme der Güter bereit erklärt, die Abnahme aber über die von ihm einzuhaltenden Fristen ver­ zögert, so ist der Schiffer befugt, die Güter unter Benachrichtigung des Empfängers in einem öffentlichen Lagerhaus oder sonst in sicherer Weise zu hinterlegen. Der Schiffer ist verpflichtet, in dieser Weise zu verfahren und zugleich den Befrachter davon in Kenntniß zu setzen, wenn der Empfänger die

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Annahme der Güter verweigert oder sich über die Annahme auf die im § 594 vorgeschnebene Anzeige nicht erklärt oder wenn der Empfänger nicht zu ermitteln ist.

§ 602. Soweit durch die Säumniß des Empfängers oder durch das Hinterlegungsversahren die Löschzeit ohne Verschulden des Schiffers ilberschritten wird, hat der Verfrachter Anspruch auf Liegegeld (§ 594), unbeschadet des Rechtes, für diese Zeit, soweit sie keine vertragsmäßige Ueberliegezeit ist, einen höheren Schaden geltend zu machen.

§ 603. Die Vorschriften der §§ 594 bis 602 kommen auch zur Anwendung, wenn ein verhältnißmäßiger Theil oder ein bestimmt bezeichneter RallM des Schiffes verfrachtet ist. § 604. Stückgüter hat der Einpfänger auf die Aufforderung des Schiffers ohne Verzug abzunehmen. Ist der Empfänger dem Schiffer unbekannt, so ist die Aufforderung durch öffentliche Bekanntmachung in ortsüblicher Weise zu bewirken. / In Ansehung des Rechtes und ver Verpflichtung des Schiffers, die Güter zu hinterlegen, gelten die Vorschriften des § 601. Die im § 601 vorgeschriebene Benachrichtigung des Befrachters kanir durch öffentliche, in ortsüblicher Weise zu bewirkende Bekanntmachung erfolgen. Für die Tage, um welche durch die Säumniß des Empfängers oder durch das Hinterlegungsverfahren die Frist, binnen welcher das Schiff würde entlöscht worden sein, überschritten ist, hat der Verfrachter Anspruch auf Liegegeld (§ 594), unbeschadet des Rechtes, einen höheren Schaden geltend zu machen. § 605. Hat bei der Verfrachtung des Schiffes tm Ganzen oder eines verhältnißmäßigen Theiles oder eines bestimmt bezeichneten Raumes des Schiffes der Befrachter Unterfrachtverträge über Stückgüter geschlossen, so bleiben für die Rechte und Pflichten des ursprünglichen Verfrachters die Vorschriften der §§ 594 bis 602 maßgebend. § 606. Der Verfrachter hastet für den Schaden, der durch Ver­ lust oder Beschädigung der Güter in der Zeit von der Annahine bis zur Ablieferung entsteht, es sei denn, daß der Verlust oder die Beschädigung auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht abgewendet werden konnten. 8 607. Für Kostbarkeiten, Kunstgegenstände, Geld und Werthpapiere haftet der Verfrachter nur, wenn diese Beschaffenheit oder der Werth der Guter bei der Abladung dem Schiffer angegeben worden ist 8 608. Bevor der Empfänger die Güter übernimmt, kann sowohl der Empfänger als der Schiffer, um den Zustand oder die Menge der Güter festzustellen, ihre Besichtigung durch die zuständige Behörde oder durch die zu dem Zwecke amtlich bestellten Sachverständigen bewirken lassen. Bei diesem Verfahren ist die am iÖrte anwesende Gegenpartei zuzu­ ziehen, sofern die Umstände es gestatten.

8 609. Ist die Besichtigung vor der Uebernahme nicht gestehen, so muß der Empfänger spätestens am zweiten Werktage nach dem Tage

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der Uebernahme die nachträgliche Besichtigung der Güter nach Maßgabe des § 608 erwirken, widrigenfalls alle Ansprüche wegen Beschädigung oder theilweisen Verlustes erlöschen. Es macht keinen Unterschied, ob der Ver­ lust oder die Beschädigung äußerlich erkennbar war oder nicht. Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf solche Verluste und Beschädigungen, die durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit einer Person der Schiffsbesatzung entstanden sind.

§ 610. Die Kosten der Besichtigung hat derjenige zu tragen, welcher sie beantragt hat. Ist jedoch die Besichtigung von dem Empfänger beantragt und wird ein Verlust oder eine Beschädigung ermittelt, wofür der Verfrachter Ersatz zu leisten hat, so fallen diesem die Kosten zur Last.

8 611. Muß auf Grund des Frachtvertrags für gänzlichen oder theilweisen Verlust von Gütern Ersatz geleistet werden, so ist der gemeine Handelswerth und in deffen Ermangelung der gemeine Werth zu ersetzen, welchen Güter derselben Art und Beschaffenheit am Bestimmungsorte der Güter bei Beginn der Löschung des Schiffes oder, wenn eine Entlöschung des Schiffes an diesem Orte nicht erfolgt, bei seiner Ankunst daselbst haben; hiervon kommt in Abzug, was in Folge des Verlustes an Zöllen und sonstigen Kosten sowie an Fracht erspart ist. Wird der Bestimmungsort der Güter nicht erreicht, so tritt an dessen Stelle der Ort, wo die Reise endet, oder, wenn die Reise durch Verlust des Schiffes endet, der Ort, wohin die Ladung in Sicherheit gebracht ist. § 612. Die Vorschriften des § 611 finden auch auf diejenigen Güter Anwendung, für welche der Rheder nach § 541 Ersatz leisten muß. Uebersteigt im Falle der Verfügung über die Güter durch Verkauf der Reinerlös den im § 611 bezeichneten Preis, so tritt an die Stelle des letzteren der Reinerlös. H 613. Muß auf Grund des Frachtvertrags für Beschädigung von Gütern Ersatz geleistet werden, so ist der Unterschied zwischen dem Verkaufswerthe der Güter -im beschädigten Zustande und dem gemeinen Handelswerth oder dem gemeinen Werthe zu ersetzen, welchen die Güter ohne die Beschädigung am Bestimmungsorte zur Zeit der Löschung des Schiffes gehabt haben würden; hiervon kommt in Abzug, was in Folge der Beschädigung an Zöllen und sonstigen Kosten erspart ist. 8 614. Durch die Annahme der Güter wird der Empfänger ver­ pflichtet, nach Maßgabe des Frachtvertrags oder des Konnossements,. auf deren Grund die Empfangnahme geschieht, die Fracht nebst allen Neben­ gebühren sowie das etwaige Liegegeld zu bezahlen, die ausgelegten Zölle und übrigen Auslagen zu erstatten und die ihm sonst obliegenden Ver­ pflichtungen zu erfüllen. Der Verfrachter hat die Güter gegen Zahlung der Fracht und gegen Erfüllung der übrigen Verpflichtungen des Empfängers auszuliefern. 8 615. Der Verfrachter ist nicht verpflichtet, die Güter früher auszuliefern, als bis die darauf haftenden Beiträge zur großen Haverei, Bergungs- und Hülfskosten und Bodmereigelder bezahlt oder sichergestellt sind.

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Ist die Verbodmung für Rechnung des Rheders geschehen, so gilt diese Vorschrift unbeschadet der Verpflichtung des Verfrachters, für die Befreiung der Güter von der Bodmereischuld noch vor der Auslieferung zu sorgen H 616» Der Verfrachter ist nicht verpflichtet, die Güter, mögen sie verdorben oder beschädigt sein oder nicht, für die Fracht an Zahlungs­ statt anzunehmen. Sind jedoch Behältniffe, die mit flüssigen Waaren angefüllt waren, während der Reise ganz oder zum größeren Theile ausgelaufen, so können sie dem Verfrachter für die Fracht und seine übrigen Forderungen (§ 614) an Zahlungsstatt überlassen werden. Durch die Vereinbarung, daß der Verfrachter nicht für Leckage haftet, oder durch die Klausel: „frei von Leckage" wird dieses Recht nicht ausgeschlossen. Das Recht erlischt, sobald die Behältnisse in den Gewahrsam des Abnehmers gelangt sind. Ist die Fracht in Bausch und Bogen bedungen und sind nur einige Behältnisse ganz oder zum größeren Theile ausgelaufen, so können diese für einen verhältnißmäßigen Theil der Fracht und der übrigen Forderungen des Verfrachters an Zahlungsstatt überlassen werden.

$ 617. Für Güter, die durch irgend einen Unfall verloren ge­ gangen sind, ist keine Fracht zu bezahlen und die etwa vorausbezahlte zu erstatten, sofern nicht das Gegentheil bedungen ist. Diese Vorschrift kommt auch zur Anwendung, wenn das Schiff im Ganzen oder ein verhältnißmäßiger oder ein bestimmt bezeichneter Raum des Schiffes verfrachtet ist. Sofern in einem solchen Falle das Frachtgeld in Bausch und Bogen bedungen ist, berechtigt der Verlust eines Theiles der Güter zu einem verhältnißmäßigen Abzüge von der Fracht.

K 618. Ungeachtet der nicht erfolgten Ablieferung ist die Fracht zu zahlen für Güter, deren Verlust in Folge ihrer natürlichen Beschaffenheit» namentlich durch inneren Verderb, Schwinden, 'gewöhnliche Leckage, ein­ getreten ist, sowie für Thiere, die unterwegs gestorben sind. Inwiefern die Fracht für Güter zu ersetzen ist, die in Fällen der großen Haverei aufgeopfert worden sind, wird durch die Vorschriften über die große Haverei bestimmt. § 619. Für Güter, die ohne Abrede über die Höhe der Fracht zur Beförderung übernommen sind, ist die am Abladungsorte zur Ab­ ladungszeit übliche Fracht zu zahlen. Für Güter, die über das mit dein Befrachter vereinbarte Maß hinaus zur Beförderung übernommen sind, ist die Fracht nach dem Ver­ hältnisse der bedungenen Fracht zu zahlen. § 620. Ist die Fracht nach Maß, Gewicht oder Menge der Güter bedungen, so ist im Zweifel anzunchmen, daß Maß, Gewicht oder Menge der abgelieferten und nicht der eingelieferten Güter für die Höhe der Fracht entscheiden soll. § 621. Außer der Fracht können Kaplaken, Prämien und der­ gleichen nicht gefordert werden, sofern sie nicht ausbedungcn sind.

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Die gewöhnlichen und ungewöhnlichen Kosten der Schiffahrt, wie Lootsengeld, Hafengeld, Leuchtfeuergeld, Schlepplohn, Quarantänegelder, Auseisungskosten und dergleichen, fallen in Ermangelung einer entgegen­ stehenden Abrede dem Verflachter allein zur Last, selbst wenn er zu den Maßregeln, welche die Auslagen verursacht haben, auf Grund des Fracht­ vertrags nicht verpflichtet war. Die Fälle der großen Haverei sowie die Fälle der Aufwendung von Kosten zur Erhaltung, Bergung und Rettung der Ladung werden durch die Vorschriften des Abs. 2 nicht berührt.

§ 622. Ist die Fracht nach Zeit bedungen, so beginnt sie in Ermangelung einer anderen Abrede mit dem Tage zu laufen, der auf denjenigen folgt, an welchem der Schiffer anzeigt, daß er zur Einnahme der Ladung, oder bei einer Reise in Ballast, daß er zum Antritte der Reise fertig und bereit sei, sofern aber bei einer Reise in Ballast diese Anzeige am Tage vor dem Antritte der Reise noch nicht erfolgt ist, mit dem Tage, an welchem die Reise angetreten wird. Ist Liegegeld oder Ueberliegezeit bedungen, so beginnt in allen Fällen die Zeitflacht erst mit dem Tage zu laufen, an welchem der An­ tritt der Reife erfolgt. Die Zeitfracht endet mit dem Tage, an welchem die Löschung voll­ endet ist. Wird die Reise ohne Verschulden des Verfrachters verzögert ober unterbrochen, so muß für die Zwischenzeit die Zeitfracht fortentrichtet werden, jedoch unbeschadet der Vorschriften der §§ 637, 638. § 628. Der Verfrachter hat wegen der im § 614 erwähnten Forderungen ein Pfandrecht an den Gütern. Das Pfandrecht besteht, solange die Güter zurückbehalten oder hinter­ legt find; es dauert auch nach der Ablieferung fort, sofern es binnen dreißig Tagen nach der- Beendigung der Ablieferung gerichtlich geltend gemacht wird und das Gut noch im Besitze des Empfängers ist. Die nach § 366 Abs. 3, § 368 für das Pfandrecht des Frachtführers geltenden Vorschriften finden auch auf das Pfandrecht des Verfrachters Anwendung. Die im 8 1234 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichnete An­ drohung des Pfandverkaufs sowie die in den §§ 1237, 1241 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs vorgesehenen Benachrichtigungen sind an den Empfänger zu richten. Ist dieser nicht zu ermitteln oder verweigert er die Annahme des Gutes, so hat die Androhung und Benachrichtigung gegenüber dem Absender zu erfolgen.

§ 624. Im Falle des Streites über die Forderungen des Ver­ frachters ist dieser zur Auslieferung der Güter verpflichtet, sobald die streitige Summe öffentlich-hinterlegt ist. Nach der Ablieferung der Güter ist der Verfrachter zur Erhebung der hinterlegten Summe gegen angemessene Sicherheitsleistung berechtigt. § 625. Hat der Verfrachter die Güter ausgeliefert, so kann er sich wegen der gegen den Empfänger ihm zustehenden Forderungen (§ 614)

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nicht an dem Befrachter erholen. Nur soweit sich der Befrachter mit dem Schaden des Verfrachters bereichern würde, findet ein Rückgriff statt.

§ H26. Hat der Verfrachter die Güter nicht ausgeliefert und von dem Rechte des Pfandverkaufs Gebrauch gemacht, jedoch durch den Ver­ kauf seine vollständige Befriedigung nicht erhalten, so kann er sich an dem Befrachter erholen, soweit er wegen seiner Forderungen aus dem zwischen ihm und dem Befrachter abgeschlossenen Frachtverträge nicht befriedigt ist. § 627. Werden die Güter vom Empfänger nicht abgenommen, so ist der Befrachter verpflichtet, den Verfrachter wegen der Fracht und der übrigen Forderungen dem Frachtverträge gemäß zu befriedigen. Bei der Abnahme der Güter durch den Befrachter kommen die Vorschriften der §§ 592 bis 624 mit der Maßgabe zur Anwendung, daß an die Stelle des Empfängers der Befrachter tritt. Insbesondere steht in einem solchen Falle dem Verfrachter wegen seiner Forderungen das Zurückbehaltungs- und Pfandrecht an den Gütern nach den Vorschriften der 88 623 , 624 sowie das im 8 615 bezeichnete Recht zu.

§ 628. Der Frachtvertrag tritt außer Kraft, ohne daß ein Theil zur Entschädigung des anderen verpflichtet ist, wenn vor dem Antritte der Reise durch einen Zufall: 1. das Schiff verloren geht, insbesondere wenn es verunglückt, wenn es als reparaturunfähig oder reparaturunwürdig kondemnirt (8 479) und in dem letzteren Falle unverzüglich öffentlich ver­ kauft wird, wenn es geraubt wird, wenn es aufgebracht oder angehalten und für gute Prise er­ klärt wird, oder 2. die im Frachtvertrags nicht blos nach Art oder Gattung, sondern speziell bezeichneten Güter verloren gehen oder 3. die nicht im Frachtverträge speziell bezeichneten Güter verloren gehen, nachdem sie bereits an Bord gebracht oder behufs der Einladung in das Schiff an der Ladungsstelle vom Schiffer übernommen worden sind. Gehen im Falle des Abs. 1 Nr. 3 die Güter noch innerhalb der Wartezeit (8 579) verloren, so tritt der Vertrag nicht außer Kraft, sofern der Befrachter sich unverzüglich bereit erklärt, statt der verloren gegangenen andere Güter (8 562) zu liefern, und mit der Lieferung noch innerhalb der Wartezeit beginnt. Er hat die Abladung der anderen Güter binnen kürzester Frist zu vollenden, die Mehrkosten dieser Abladung zu tragen und, soweit durch sie die Wartezeit überschritten wird, den dem Verfrachter daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

§ 629. Jeder Theil ist befugt, von dem Vertrage zurückzutreten, ohne zur Entschädigung verpflichtet zu fei»:

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1. wenn vor dem Antritte der Reise das Schiff mit Embargo belegt oder für den Dienst des Reichs oder einer fremden Macht in Beschlag genommen, der Handel mit dem Bestimmungsort untersagt, der Abladung?- oder Bestimmungshafen blokirt, die Ausfuhr der nach dem Frachtverträge zu verschiffenden Güter aus dem Abladungshafen oder ihre Einfuhr in den Bestimmungs­ hafen verboten, durch eine andere Verfügung von hoher Hand das Schiff am Auslaufen oder die Reise oder die Versendung der nach dem Frachtverträge zu liefernden Güter verhindert wird. In allen diesen Fällen berechtigt jedoch die Verfügung von hoher Hand nur dann zum Rücktritte, wenn das eingetretene Hinderniß nicht voraussichtlich von nur unerheblicher Dauer ist; 2. wenn vor dem Antritte der Reise ein Krieg ausbricht, in Folge dessen das Schiff oder die nach dem Frachtverträge zu verschiffenden Güter oder beide nicht mehr als frei betrachtet werden können und der Gefahr der Aufbringung ausgesetzt würden. Die Ausübung der im § 562 dem Befrachter ertheilten Befugniß wird durch diese Vorschriften nicht ausgeschloffen.

K 630« Geht das Schiff nach dem Antritte der Reise durch einen Zufall verloren (§ 628 Abs. 1 Nr. 1), so endet der Frachtvertrag. Jedoch hat der Befrachter, soweit Güter geborgen oder gerettet werden, die Fracht im Verhältniffe der zurückgelegten zur ganzen Reise zu zahlen (Distanz­ fracht). Die Distanzfracht ist nur soweit zu zahlen, als der gerettete Werth der Güter reicht.

§ 631. Bei der Berechnung der Distanzfracht nicht allein das Verhältniß der bereits zurückgelegten zulegenden Entfernung, sondern auch das Verhältniß Kosten^ und Zeit, der Gefahren und Mühen, welche

kommt in Anschlag zu der noch zurück­ des Aufwandes an durchschnittlich mit

dem vollendeten Theile der Reise verbunden sind, zu denen des nicht voll­ endeten Theiles.

K 632. Die Auflösung des Frachtvertrags ändert nichts in den Verpflichtungen des Schiffers, bei Abwesenheit der Betheiligten auch nach dem Verluste des Schiffes für das Beste der Ladung zu sorgen (88 535 bis 537). Der Schiffer ist demzufolge berechtigt und verpflichtet, und zwar im Falle der Dringlichkeit auch ohne vorherige Anfrage, je nachdem es den Umständen entspricht, entweder die Ladung für Rechnung der Be­ theiligten mittelst eines anderen Schiffes nach dem Bestimmungshafen be­ fördern zu lassen oder die Auflagerung oder den Verkauf der Ladung zu bewirken und im Falle der Weiterbeförderung oder Auflagerung, behufs der Beschaffung der hierzu sowie zur Erhaltung der Ladung nöthigen Mittel, einen Theil davon zu verkaufen oder im Falle der Weiterbeförderung die Ladung ganz oder zu einem Theile zu verbodmen. Der Schiffer ist.jedoch nicht verpflichtet, die Ladung auszuantworten oder zur Weiterbeförderung einem anderen Schiffer zu übergeben, bevor

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die Distanzfracht nebst den sonstigen Forderungen des Verfrachters (§ 614) und die auf der Ladling haftenden Beiträge zur großen Haverei, Bergungs­ und Hülfskosten und Bodmereigelder bezahlt oder sichergestellt sind. Auch für die Erfüllung der nach Abs 1 dem Schiffer obliegenden Pflichten haftet der Rheder mit dem Schrffe, soweit etwas davon gerettet ist, und mit der Fracht.

§ 638. Gehen nach dem Antritte der Reise die Güter durch einen Zufall verloren, so endet der Frachtvertrag, ohne daß ein Theil zur Entschädigung des anderen verpflichtet ist; insbesondere ist die Fracht weder ganz noch theilweise zu zahlen, sofern nicht im § 618 das Gegen­ theil bestimmt ist. § 634. Ereignet sich nach dem Antritte der Reise einer der im § 629 erwähnten Zufälle, so ist jeder Theil befugt, von dem Vertrage zurückzutreten, ohne zur Entschädigung verpflichtet zu sein. Tritt jedoch einer der im § 629 Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Zufälle ein, so muß, bevor der Rücktritt stattfindet, auf die Beseitigung des Hindernisses drei oder fünf Monate gewartet werden, je nachdem sich das Schiff in einem europäischen oder in einem außereuropäischen Hafen befindet. Die Frist wird, wenn der Schiffer das Hinderniß während des Aufenthalts in einem Hafen erfährt, von dem Tage der erhaltenen Kunde, anderenfalls von dem Tage an berechnet, an welchem der Schiffer, nach­ dem er davon in Kenntniß gesetzt worden ist, mit dem Schiffe zuerst einen Hasen erreicht. Die Ausladung des Schiffes erfolgt mangels einer anderweitigen Vereinbarung in dem Hafen, in welchem es sich zur Zeit der Ertlärung des Rücktritts befindet. Für den zurückgelegten Theil der Reise ist der Befrachter Distanz­ fracht (88 630, 631) zu zahlen verpflichtet. Ist das Schiff in Folge des Hinderniffes in den Abgangshafen oder in einen anderen Hafen zurückgekehrt, so wird bei der Berechnung der Distanzfracht der dem Bestimmungshafen nächste Punkt, welchen das Schiff erreicht hat, behufs der Feststellung der zurückgelegten Entfernung zum Anhalte genommen. Der Schiffer ist auch in den vorstehenden Fällen verpflichtet, vor und nach der Auflösung des Frachtvertrags für das Beste der Ladung nach Maßgabe der §§ 535 bis 537, 632 zu sorgen. § 635. Muß das Schiff, nachdem es die Ladung eingenommen hat, vor dem Antritte der Reise im Abladungshafen oder nach dem An­ tritte der Reise in einem Zwischen- oder Nothhafen in Folge eines der im 8 629 erwähnten Ereigniffe liegen bleiben, so werden die Kosten des Aufenthalts, auch wenn die Erfordernisse der großen Haverei nicht vor­ liegen, über Schiff, Fracht und Ladung nach den Grundsätzen der großen Haverei vertheilt, gleichviel ob demnächst der Vertrag aufgehoben oder vollständig erfüllt wird. Zu den Kosten des Aufenthalts werden alle im 8 706 Nr. 4 Abs. 2 aufgeführten Kosten gezählt, diejenigen des Ein- und Auslaufens jedoch nur, wenn wegen des Hinderniffes ein Nothhafen an­ gelaufen ist.

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K 636. Wird nur ein Teil der Ladung vor dem Antritte der Reise durch einen Zufall betroffen, der, wenn er die ganze Ladung be­ troffen hätte, nach den §§ 628, 629 den Vertrag aufgelöst oder die Parteien zum Rücktritte berechtigt haben würde, so ist der Befrachter nur befugt, entweder statt der vertragsmäßigen andere Güter abzuladen, sofern durch deren Beförderung die Lage des Verfrachters nicht erschwert wird (§ 562), oder von dem Vertrag unter der Verpflichtung zurückzutreten, die Hälfte der bedungenen Fracht und die sonstigen Forderungen des Verfrachters zu berichtigen (§§ 580, 581). Bei der Ausübung dieser Rechte ist der Be­ frachter nicht an die sonst einzuhaltende Zeit gebunden; er hat sich aber ohne Verzug zu erklären, von welchem der beiden Rechte er Gebrauch machen wolle, und, wenn er die Abladung anderer Güter wählt, die Ab­ ladung binnen kürzester Frist zu bewirken, auch die Mehrkosten dieser Abladung zu tragen und, soweit durch sie die Wartezeit überschritten wird, den dem Verfrachter daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Macht er von keinem der beiden Rechte Gebrauch, so hat er auch für den durch den Zufall betroffenen Theil der Ladung die volle Fracht zu entrichten. Den durch Krieg, durch ein Einfuhr- oder Ausfuhrverbot oder durch eine andere Verfügung von hoher Hand unfrei gewordenen Theil der Ladung ist er jedenfalls aus dem Schiffe herauszunehmen verbunden. Tritt der Zufall nach dem Antritte der Reise ein, so hat der Befrachter für den dadurch betroffenen Theil der Ladung die volle Fracht auch dann zu entrichten, wenn der Schiffer diesen Theil in einem anderen als dem Bestimmungshafen zu löschen sich genöthigt gefunden und hierauf mit oder ohne Aufenthalt die Reise fortgesetzt hat.

Die Vorschriften der §§ 617, 618 bleiben unberührt.

§ 637. Abgesehen von den Fällen der 88 629 bis 636 hat ein Aufenthalt, den die Reise vor oder nach ihrem Antritte durch Natur­ ereignisse oder andere Zufälle erleidet, auf die Rechte und Pflichten der Parteien keinen Einfluß, es sei denn, daß der erkennbare Zweck des Vertrags durch einen solchen Aufenthalt vereitelt wird. Der Befrachter ist jedoch befugt, während jedes durch einen Zufall entstandenen, voraus­ sichtlich längeren Aufenthalts die bereits in das Schiff geladenen Güter auf seine Gefahr und Kosten gegen Sicherheitsleistung für die rechtzeitige Wiedereinladung auszuladen. Unterläßt er die Wiedereinladung, so hat er die volle Fracht zu zahlen. In jedem Falle hat er den Schaden zu ersetzen, der aus der von ihm veranlaßten Wiederausladung entsteht. Ist der Aufenthalt durch eine Verfügung von hoher Hand herbei­ geführt, so ist für die Dauer der Verfügung keine Fracht zu bezahlen, wenn diese nach Zeit bedungen war (§ 622).

§ 638. Muß das Schiff während der Reise ausgebeffert werden, so hat der Befrachter die Wahl, ob er die ganze Ladung an dem Orte, wo sich das Schiff befindet, gegen Berichtigung der vollen Fracht und der übrigen Forderungen des Verfrachters (§ 614) und gegen Berichti­ gung oder Sicherstellung der im § 615 bezeichneten Forderungen zurück­ nehmen oder die Wiederherstellung abwarten will. Im letztere» Falle ist

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für die Dauer der Ausbesserung keine Fracht zu bezahlen, wenn diese nach Zeit bedungen war.

§ 639. Wird der Frachtvertrag nach den 88 628 bis 634 auf­ gelöst, so werden die Kosten der Ausladung aus dem Schiffe von dem Verfrachter, die übrigen Löschungskosten von dem Befrachter getragen. Hat der Zufall jedoch nur die Ladung betroffen, so fallen die sämmtlichen Kosten der Löschung dem Befrachter zur Last. Dasselbe gilt, wenn im Falle des § 636 ein Theil der Ladung gelöscht wird. Muß in einem solchen Falle behufs der Löschung ein Hafen angelaufen werden, so hat der Befrachter auch die Hafenkosten zu tragen.

§ 646. Die 88 628 bis 639- kommen auch zur Anwendung, wenn das Schiff zur Einnahme der Ladung eine Zureise in Ballast nach dem Abladungshafen zu machen hat. Die Reise gilt aber in einem solchen Falle erst dann als angetreten, wenn sie aus dem Abladungshafen an­ getreten ist. Wird der Vertrag, nachdem das Schiff den Abladungshafen erreicht hat, wenn auch vor dem Antritte der Reise aus dem letzteren, ausgelöst, so erhält der Verfrachter für die Zureise eine nach den Grund­ sätzen der Distanzfracht- (8 631) zu bemessende Entschädigung. In anderen Fällen einer zusammengesetzten Reise kommen die 88 628 bis 639 insoweit zur Anwendung, als die Natur und der Inhalt des Vertrags nicht entgegeustehen. § 641. Bezieht sich der Vertrug nicht aus das Schiff im Ganzen, sondern nur auf einen verhältnißmäßigen Theil ober einen bestimmt be­ zeichneten Raum des Schiffes oder auf Stückgüter, so gelten die Vorschriften der 88 628 bis 640 mit folgenden Abweichungen: 1 in den Fällen der 88 629, 634 ist jeder Theil sogleich nach dem Eintritte des Hindernisses und ohne Rücksicht auf dessen Dauer be­ fugt, von dem Vertrage zurückzutreten; 2. im Falle des 8 636 kann von dem Befrachter das Recht, von dem Vertrage zurückzutreten, nicht ausgeübt werden; 3. im Falle des 8 637 steht dem Befrachter das Recht der einst­ weilige» Löschung nur zu, wenn die übrigen Befrachter ihre Genehmigung ertheilen; 4. im Falle des 8 638 kann der Befrachter die Güter gegen Entrichtung der vollen Fracht und der übrigen Forderungen nur zurücknehmen, wenn während der Ausbefferung die Löschung dieser Güter ohnehin erfolgt ist. Die Vorschriften der 88 587, 589 bleiben unberührt. § 642. Nach der Beendigung jeder einzelnen Abladung hat der Schiffer dem Ablader unverzüglich gegen Rückgabe des etwa bei der An­ nahme der Güter ertheilten vorläufigen Empfangsscheins ein Konnoffement in so vielen Exemplaren auszustellen, als der Ablader verlangt. Alle Exeinplare des Konnossements müssen von gleichem Inhalte sein, dasselbe Datum haben und ansdrücken, wie viele Exemplare aus­ gestellt sind. Der Ablader hat dem Schiffer auf Verlangen eine von ihm unter­ schriebene Abschrift des Konnossements zu ertheilen.

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XXVI. Handelsgesetzbuch

Die Ausstellung des Konnossements kann durch einen anderen dazu ermächtigten Vertreter Das Konnossement kann mit Zustimmung Güter ausgestellt werden, die zur Beförderung nicht abgeladen sind. 1. 2. 3. 4. ö. 6. 7. 8. 9. 10.

an Stelle des Schiffers des Rheders erfolgen. des Abladers auch über übernommen, aber noch

§ 643. Das Konnossement enthältden Namen des Schiffers; den Namen und die Nationalität des Schiffesden Namen des Abladers; den Namen des Empfängers; den Abladungshafen; den Löschungshafen oder den Ort, an welchem Order über ihn einznholen ist; die Bezeichnung der abgeladenen oder zur Beförderung übernommenen Güter, deren Menge und Merkzeichen; die Bestimmung in Ansehung der Fracht; den Ort und den Tag der Ausstellung; die Zahl der ausgestellten Exemplare.

8 644. Auf Verlangen des Abladers ist das Konnossement, sofern nicht das Gegentheil vereinbart ist, an die Order des Empfängers oder lediglich an Order zu stellen. Im letzteren Falle ist unter der Order die Order des Abladers zu verstehen. Das Konnoffement kann auch auf den Namen des Schiffers als Empfängers lauten.

8 645. Der Schiffer ist verpflichtet, im Löschungshafen dem legitimirten Inhaber auch nur eines Exemplars des Konnoffements die Guter auszuliefern. Zur Empfangnahme der Güter legitimirt ist derjenige, an welchen die Güter nach dem Konnoffement abgeliefert werden sollen, oder aus welchen das Konnoffement, wenn es an Order lautet, durch Indossament übertragen ist 8 646. Melden sich mehrere legitiinirte Konnossementsinhaber, so ist der Schiffer verpflichtet, sie sämmtlich zurückzuweisen, die Güter in einem öffentlichen Lagerhaus oder sonst in sicherer Weise zu hinterlegen und die Konnofsementsinhaber, die sich gemeldet haben, unter Angabe der Gründe seines Verfahrens hiervon zp benachrichtigen. Er ist befugt, über sein Verfahren und dessen Gründe eine öffent­ liche Urkunde errichten zu lassen und wegen der daraus entstehenden Kosten in gleicher Art wie wegen der Fracht sich an die Güter zu halten. 8 647. Die Uebergabe des Konnoffements an denjenigen, welcher durch das-Konnoffement zur Empfangnahme legitimirt wird, hat, sobald die Güter von dem Schiffer oder einem anderen Vertreter des'Rheders zur Beförderung übernommen sind, für den Erwerb von Rechten an den Gütern dieselben Wirkungen wie die Uebergabe der Güter. 8 648» Sind mehrere Exemplare eines an Order lautenden Konnossements ausgestellt, so können von dem Inhaber des einen Exemplars

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die im § 647 bezeichneten Wirkungen der Uebergabe des Konnossements zum Nachtheile desjenigen nicht geltend gemacht werden, welcher auf Grund eines anderen Exemplars gemäß § 645 die Auslieferung der Güter von dem Schiffer erlangt hat, bevor der Anspruch auf Auslieferung von dem Inhaber des ersteren Exemplars erhoben worden ist.

§ 649. Hat der Schiffer die Güter noch nicht ausgeliefert, so geht unter mehreren sich meldenden Konnossementsinhabern, soweit die von ihnen auf Grund der Konnossementsübergabe an den Gütern geltend gemachten Rechte einander entgegenstehen, derjenige vor, dessen Exemplar von dem gemeinschaftlichen Vormanne, welcher mehrere Konnoffementsexemplare an verschiedene Personen übertragen hat, zuerst der einen dieser Personen dergestalt übergeben worden ist, daß sie zur Empfangnahme der Güter legitimirt wurde. Bei dem nach einem anderen Orte übersendeten Exemplare wird die Zeit der Uebergabe durch den Zeitpunkt der Absendung bestimmt.

§ 650. Der Schiffer ist zur Ablieferung der Güter nur gegen Rückgabe eines Exemplars des Konnossements, auf welchem die Ablieferung der Güter bescheinigt ist, verpflichtet. H 651. Das Konnossement ist für das Rechtsverhältniß zwischen dem Verfrachter und dem Empfänger der Güter maßgebend; insbesondere hat die Ablieferung der Güter an den Empfänger nach bem Inhalte des Konnossements zu erfolgen. Die nicht in das Konnossement ausgenommenen Bestimmungen des Frachtvertrags sind dem Empfänger gegenüber unwirksam, sofern nicht das Konnossement ausdrücklich auf sie Bezug nimmt. Wird in Ansehung der Fracht auf den Frachtvertrag verwiesen (zum Beispiel durch die Worte: „Fracht laut Chartepartie"), so sind hierin die Bestimmungen über Lösch­ zeit, Ueberliegezeit und Liegegeld nicht als einbegriffen anzusehen. Für das Rechtsverhältniß zwischen dem Verfrachter und dem Be­ frachter bleiben die Bestimmungen des Frachtvertrags maßgebend.

§ 652. Der Verfrachter ist für die Richtigkeit der im Konnoffement enthaltenen Bezeichnung der übernommenen Güter dem Empfänger verantwortlich. Seine Haftung beschränkt sich jedoch aus den Ersatz des Minderwerths, der sich aus der Nichtübereinstimmung der Güter mit der im Konnossement enthaltenen Bezeichnung ergiebt. § 653. Die im § 652 erwähnte Haftung des Verfrachters tritt auch dann ein, wenn die Güter dem Schiffer in Verpackung oder in ge­ schlossenen Gefäßen übergeben worden sind. Ist dies aus dem Konnoffement ersichtlich, so ist der Verfrachter für die Richtigkeit der Bezeichnung der Güter dem Empfänger nicht ver­ antwortlich, wenn ungeachtet der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers die Unrichtigkeit der in dem Konnossement enthaltenen Bezeichnung nicht wahrgenoinmen werden konnte. Die Haftung des Verfrachters wird dadurch nicht ausgeschloffen, daß die Uebereinstimmung der abgelieferten und der übernommenen Güter nicht bestritten oder daß sie vom Verfrachter nachgewiesen wird. fi9iiroeillcl)c3 Gesetzbuch und Nebengesetze

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XXVI Handelsgesetzbuch

§ 654. Werden dem Schiffer Güter in Verpackung oder in ge­ schlossenen Gefäßen übergeben, so kann er das Konnossement mit dem Zusatze: „Inhalt unbekannt" versehen. Enthält das Konnossement diesen oder einen gleichbedeutenden Zusatz, so ist der Verfrachter, falls der ab­ gelieferte Inhalt mit dem im Konnossement angegebenen nicht übereinstimmt, nur insoweit verantwortlich, als festgestellt wird, daß er einen anderen als den abgelieferten Inhalt empfangen hat.

§ 655.

Sind die im Konnossemente nach Zahl, Maß oder Ge­

wicht bezeichneten Güter dem Schiffer nicht zugezählt, zugeinessen oder zu­ gewogen, so kann er das Konnossement mit dem Zusatze: „Zahl, Maß, Gewicht unbekannt" versehen. Enthält das Konnossement diesen oder einen gleichbedeutenden Zusatz, so hat der Verfrachter die Richtigkeit der Angaben des Konnossements über Zahl, Maß oder Gewicht der übernommenen Güter nicht zu vertreten.

§ 656. Ist die Fracht nach Zahl, Maß oder Gewicht der Güter bedungen und im Konnossemente Zahl, Maß odex Gewicht angegeben, so ist diese Angabe für die Berechnung der Fracht entscheidend, wenn nicht das Konnossement eine abweichende Bestimmung enthält. Als eine solche ist der Zusatz: „Zahl, Maß, Gewicht unbekannt" oder ein gleichbedeutender Zusatz nicht anzusehen. § 657. Ist das Konnossement mit dem Zusatze: „frei von Bruch" oder: „frei von Leckage" oder: „frei von Beschädigung" oder mit einem gleich­ bedeutenden Zusatze versehen, so haftet der Verfrachter nicht für Bruch, Leckage oder Beschädigung, es sei denn, daß den Schiffer oder eine Person, für die der Verfrachter verantwortlich ist, ein Verschulden trifft. § 658. Werden dem Schiffer Güter übergeben, deren Beschädi­ gung, schlechte Beschaffenheit oder schlechte Verpackung sichtbar ist, so hat er diese Mängel im Konnossemente zu bemerken, widrigenfalls er dem Empfänger dafür verantwortlich ist, auch wenn das Konnossement mit einem der im § 657 erwähnten Zusätze versehen ist. § 659. Hat der Schiffer ein an Order lautendes Konnossement ausgestellt, so darf er den Anweisungen des Abladers wegen Rückgabe oder Auslieferung der Güter nur dann Folge leisten, wenn ihm die sämmt­ lichen Exemplare des Konnoffements zurückgegeben werden. Dasselbe gilt in Ansehung der Anforderungen eines Konnoffementsinhabers auf Auslieferung der Güter, solange der Schiffer den Bestim­ mungshafen nicht erreicht hat. Handelt er diesen Vorschriften entgegen, so bleibt er dem recht­ mäßigen Inhaber des Konnoffements verpflichtet. Lautet das Konnoffement nicht an Order, so ist der Schiffer zur Rückgabe oder Auslieferung der Güter auch ohne Beibringung eines Exemplars des Konnoffements verpflichtet, sofern der Ablader und der im Konnoffements bezeichnete Empfänger in die Rückgabe oder Auslieferung der Güter willigen. Werden jedoch .nicht sämmlliche Exemplare des Konnosiements zurückgestellt, so kann der Schiffer wegen der deshalb zu be­ sorgenden Nachtheile zuvor Sicherheitsleistung fordern.

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§ 660»

Die Vorschriften des § 659 kommen auch zur Anwen­ dung, wenn der Frachtvertrag vor der Erreichung des Bestimmungshafens in Folge eines Zufalls nach den §§ 628 bis 641 aufgelöst wird.

§ 661.

In Ansehung der Verpflichtungen des Schiffers aus den von ihm geschlossenen Frachtverträgen und ausgestellten Konnossementen hat es bei den Vorschriften der §§ 511, 512, 533 sein Bewenden.

§ 662.

Im Falle der Unterverfrachtung haftet für die Erfüllung des Unterfrachtvertrags, soweit dessen Ausführung zu den Dienstobliegen­ heiten des Schiffers gehört und von diesem übernommen ist, insbesondere durch Annahme der Güter und Ansstellyng des Konnossements, nicht der Unterverfrachter, sondern der Rheder mit Schiff und Fracht (§ 486). Ob und inwieweit im Uebrigen der Rheder oder der Unterverfrachter von dem Unterbefrachter in Anspruch genommen werden kann und ob im letzteren Falle der Unterverfrachter für die Erfüllung unbeschränkt zu haften oder nur die auf Schiff und Fracht beschränkte Haftung des Rheders zu vertreten hat, wird durch diese Vorschrift nicht berührt.

§ 663.

Auf die Beförderung von Gütern zur See durch die Postverwaltungen des Reichs und der Bundesstaaten finden die Vorschriften dieses Abschnitts keine Anwendung. fünfter Abschnitt.

Frachtgeschäft zur Beförderung von helfenden. § 664. Ist der Reisende in dem Ueberfahrtsvertrage genannt, so ist er nicht befugt, das Recht auf die Ueberfahrt an einen Anderen abzutreten.

§ 665.

Der Reisende ist verpflichtet, alle die Schiffsordnung be­ treffenden Anweisungen des Schiffers zu befolgen.

K 666.

Der Reisende, der sich vor oder nach dem Antritte der Reise nicht rechtzeitig an Bord begiebt, hat das volle Ueberfahrtsgeld zu bezahlen, wenn der Schiffer die Reise antritt oder fortsetzt, ohne auf ihn zu warten.

§ 667.

Wenn der Reisende vor dem Antritte der Reise den Rück­ tritt von dem Ueberfahrtsvertrag erklärt oder stirbt oder durch Krankheit oder einen anderen in seiner Person sich ereignenden Zufall zurückzubleiben genöthigt wird, so ist nur die Hälfte des Ueberfahrtsgeldes zu zahlen. Wenn nach dem Antritte der Reise der Rücktritt erklärt wird oder einer der erwähnten Zufälle sich ereignet, so ist das volle Ueberfahrtsgeld zu zahlen.

§ 668.

Der Ueberfahrtsvertrag tritt außer Kraft, wenn durch einen Zufall das Schiff verloren geht (§ 628 Abs. 1 Nr. 1).

§ 669.

Der Reisende ist befugt, von dem Vertrage zurückzutreten, wenn ein Krieg ausbricht, in Folge dessen das Schiff nicht mehr als frei betrachtet werden kann und der Gefahr der Aufbringung ausgesetzt wäre, oder wenn die Reise durch eine das Schiff betreffende Verfügung von hoher Hand aufgehalten wird.

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XXVI. Handelsgesetzbuch

Das Recht des Rücktritts steht auch dem Verfrachter zu, wenn er in einem der vorstehenden Fälle die Reise aufgiebt oder wenn das Schiff hauptsächlich zur Beförderung von Gütern bestimmt ist und die Unter­ nehmung unterbleiben muß, weil die Güter ohne sein Verschulden nicht befördert werden können.

§ 670. In allen Fällen, in denen nach den §§ 668, 669 der Ueberfahrtsvertrag aufgelöst wird, ist kein Theil zur Entschädigung des auderm verpflichtet. Ist jedoch die Auflösung erst nach dem Antritte der Reise erfolgt, so hat der Reisende das Ueberfahrtsgeld nach dem Verhältniffe der zurück­ gelegten zur ganzm Reise zu zahlen. Bei der Berechnung des zu zahlenden Betrags ist die Vorschrift des § 631 maßgebend.

K 671. Muß das Schiff während der Reise ausgebeffert werden, so hat der Reisende, auch wenn er die Ausbefferung nicht abwartet, das volle Ueberfahrtsgeld zu zahlen. Wartet er die Ausbefferung ab, so hat ihm der Verfrachter Äs zum Wiederantritte der Reise ohne besondere Ver­ gütung Wohnung zu gewähren, auch die nach dem Ueberfahrtsvertrag in Ansehung der Beköstigung ihm obliegenden Pflichten weiter zu erfüllen. Erbietet sich jedoch der Verfrachter, den Reisenden mit einer anderen gleich guten Schiffsgelegenheit ohne Beeinträchtigung der übrigen vertrags­ mäßigen Rechte des Reisendm nach dem Bestimmungshafen zu befördern, und weigert sich der Reisende, von dem Anerbieten Gebrauch zu machen, so hat er auf Gewährung von Wohnung und Kost bis zum 'Wieder­ antritte der Reise nicht weiter Anspruch.

§ 672. Für die Beförderung des Reiseguts, welches der Reisende nach dem Ueberfahrtsvertrag an Bord zu bringen befugt ist, hat er, wenn nicht ein Anderes bedungen ist, neben dem Ueberfahrtsgelde keine besondere Vergütung zu zahlen.

§ 673. Auf das an Bord gebrachte Reisegut finden die Vor­ schriften der 88 561, 593, 617 Anwendung. Ist das Reisegut von dem Schiffer oder einem dazu bestellten Dritten übernommen, so gelten sür den Fall seines Verlustes oder seiner Be­ schädigung die Vorschriften der §§ 606 bis 610. Auf sämmtliche von dem Reisenden an Bord gebrachte Sachen finden außerdem die Vorschriften der 88 563 bis 565, 619 Anwendung.

§ 674. Der Verfrachter hat wegen des Uebersahrtsgeldes an den von dem Reismden an Bord gebrachten Sachen ein Pfandrecht. Das Pfandrecht besteht jedoch nur, solange die Sachen zurück­ behalten oder hinterlegt sind.

§ 675. Stirbt ein Reisender, so ist der Schiffer verpflichtet, in Ansehung des an Bord befindlichen Reiseguts des Verstorbenen das Interesse der Erben nach' den Umständen des Falles in geeigneter Weise wahrzunehmcn.

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§ 676. Wird ein Schiff zur Beförderung von Reifenden einem Dritten verfrachtet, sei es im Ganzen oder zu einem Theile oder dergestalt, daß eine bestimmte Zahl von Reisenden befördert werden soll, so gelten für das Rechtsverhältniß zwischen dem Verfrachter und -dem Dritten die Vorschriften des vierten Abschnitts, soweit die Natur der Sache ihre An­ wendung zuläßt. § 677. Wenn in den folgenden Abschnitten dieses Buches die Fracht erwähnt wird, so sind darunter, sofern nicht das Gegentheil be­ stimmt ist, auch die Ueberfahrtsgelder zu verstehen.

§ 678. Die auf das Auswanderungswesen sich beziehenden Landes­ gesetze werden, auch soweit sie privatrechtliche Vorschriften enthalten, durch die Vorschriften dieses Abschnitts nicht berührt.

Sechster Abschnitt. Bodmerei.

§ 679. Bodmerei im Sinne dieses Gesetzbuchs ist ein Darlehnsgeschäft, welches von dem Schiffer als solchem kraft der in diesem Gesetz­ buch ihm ertheilten Befugnisse unter Zusicherung einer Prämie und unter Verpfändung von Schiff, Fracht und Ladung oder von einem oder mehreren dieser Gegenstände in der Art eingegangen wird, daß der Gläubiger wegen seiner Ansprüche nur an die verpfändeten (verbodmeten) Gegenstände nach der Ankunft des Schiffes an dem Orte sich halten kann, wo die Reise enden soll, für welche das Geschäft eingegangen ist (Bodmereireise). § 680. Bodmerei kann von dem Schiffer nur in folgenden Fällen emgegangen werden: 1. während sich das Schiff außerhalb des HeimathshasenS befindet, zum Zwecke der Ausführung der Reise nach Maßgabe der §§ 528, 538 bis 540, 542; 2. während der Reise im alleinigen Interesse der Ladungsbetheiligten zum Zwecke der Erhaltung und Weiterbeförderung der Ladung nach Maßgabe der 88 535, 542, 632. Im Falle des Abs. 1 Nr. 2 kann der Schiffer die Ladung allein verbodmen, in allen übrigen Fällen kann er zwar das Schiff oder die Fracht allein, die Ladung aber nur zusammen mit dem Schiffe und der Fracht verbodmen. In der Verbodmung des Schiffes ohne Erwähnung der Fracht ist Oie Verbodmung der Fracht nicht enthalten. Werden aber Schiff und Ladung verbodmet, so gilt die Fracht als mitverbodmet. Die Verbodmung der Fracht ist zulässig, solange diese der Seegefahr noch nicht entzogen ist. Auch die Fracht desjenigen Theiles der Reise, welcher noch nicht angetreten ist, kann verbodmet werden.

§ 681. Die Höhe der Bodmereiprämie ist ohne Beschränkung dem Uebereinkommen der Parteien überlaffen.

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XXVI. Handelsgesetzbuch.

Die Prämie umfaßt in Ermangelung einer entgegenstehenden Ver­ einbarung auch die Zinsen.

§

882. Ueber die Verbodmung muß von dem Schiffer ein Bod­ mereibrief ausgestellt werden. Ist dies nicht geschehen, so hat der Gläubiger diejenigen Rechte, welche ihm zustehen würden, wenn der Schiffer zur Be­ friedigung des Bedürfniffes ein einfaches Kreditgeschäft eingegangen wäre.

8 683.

Der Bodmereigeber kann verlangen, daß der Bodmerei­

brief enthält:

1. den Namen des Bodmereigläubigers; 2. den Kapitalbetrag der Bodmereischuld; 3. den Betrag der Bodmereiprämie oder den Gesammtbetrag der dem Gläubiger zu zahlenden Summe; 4. die Bezeichnung der verbodmeten Gegenstände; 5. die Bezeichnung des Schiffes und des Schiffers: 6. die Bodmereireise; 7. die Zeit, zu welcher die Bodmereischuld gezahlt werden soll; 8. den Ort, wo die Zahlung erfolgen soll; 9. die Bezeichnung der Urkunde im Texte als Bodmereibrief oder die Erklärung, daß die Schuld als Bodmereischuld eingegangen ist, oder eine andere das Wesen der Bodmerei genügend bezeichnende Erklärung; 10. die Umstände, welche die Eingehung der Bodmerei nothwendig ge­ macht haben; 11. den Tag und den Ort der Ausstellung; 12. die Unterschrift des Schiffers. Die Unterschrift des Schiffers ist auf Verlangen in öffentlich beglaubigter Form zu ertheilen.

8 684.

Auf Verlangen des Bodmereigebers ist der Bodmerei­ brief, sofern nicht das Gegentheil vereinbart ist, an die Order des Gläubigers oder lediglich an Order zu stellen. Im letzteren Falle ist unter der Order die Order des Bodmereigebers zu verstehen.

8 685.

Ist vor der Ausstellung des Bodmereibriefs die Noth­ wendigkeit der Eingehung des Geschäfts von dem deutschen Konsul und in deffen Ermangelung von dem Gericht oder der sonst zuständigen Be­ hörde des Ortes der Ausstellung, sofern es aber auch an einer solchen fehlt, von den Schiffsoffizieren urkundlich bezeugt, so wird angenommen, daß der Schiffer zur Eingehung des Geschäfts in dem vorliegenden Um­ fange befugt gewesen sei. Es findet jedoch der Gegenbeweis statt.

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686. Der Bodmereigeber kann die Ausstellung des Bodmerei­ briefs in mehreren Exemplaren verlangen. Werden mehrere Exemplare ausgestellt, so ist in jedem Exemplar anzugeben, wie viele ertheilt sind.

Der Einwand, daß der Schiffer zur Eingehung des Geschäfts über­ haupt oder in dem vorliegenden Umfange nicht befugt gewesen sei, ist auch gegen den Jndoffatar zuläsfig.

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§ 687. Die Bodmereischuld ist, sofern nicht in dem Bödmerei­ briefe selbst eine andere Bestimmung getroffen ist, in dem Bestimmungs­ hafen der Bodmereireise und am achten Tage nach der Ankunft des Schiffes in diesem Hafen zu zahlen. Bon dem Zahlungstag an laufen Zinsen von der ganzen Bodmerei­ schuld einschließlich der Prämie. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die Prämie nach Zeit bedungen ist; die Zeitprämie läuft aber bis zur Zahlung des Bodmereikapitals. § 688. Zur Zahlungszeit kann die Zahlung der Bodmereischuld dem legitimirten Inhaber auch nur eines Exemplars des Bodmereibriefs nicht verweigert werden. Die Zahlung kann nur gegen Rückgabe dieses Exemplars verlangt werden, auf welchem über die Zahlung zu quittiren ist. § 689. Melden sich mehrere legitimirte Bodmereibriefsinhaber, so sind sie sämmtlich zurückzuweisen, die Gelder, wenn die verbodmeten Gegenstände befreit werden sollen, öffentlich oder, falls dies nicht thunlich ist, sonst in sicherer Weise zu hinterlegen und die Bodmereibriessinhaber, die sich gemeldet haben, unter Angabe der Gründe des Verfahrens hiervon zu benachrichtigen. Kann eine öffentliche Hinterlegung nicht erfolgen, so ist der Hinter­ leger befugt, über sein Verfahren und dessen Gründe eine öffentliche Ur­ kunde errichten zu lasten und die daraus entstehenden Kosten von der Bodmereischuld abzuziehen. § 696. Dem Bodmereigläubiger fällt weder die große noch die besondere Haverei zur Last. Soweit jedoch die verbodmeten Gegenstände durch große oder be­ sondere Haverei zur Befriedigung des Bodmereigläubigers unzureichend werden, hat er den hieraus entstehenden Nachtheil zu tragen. § 691. Jeder der verbodmeten Gegenstände haftet dem Bodmerei­ gläubiger für die ganze Bodmereischuld. Sobald das Schiff im Bestimmungshafen der Bodmereireise an­ gekommen ist, kann der Gläubiger die verbodmeten Gegenstände mit Arrest belegen lasten; zur Anordnung des Arrestes ist nicht erforderlich, daß ein Arrestgrund glaubhaft gemacht wird. § 692. Der Schiffer hat für die Bewahrung und Erhaltung der verbodmeten Gegenstände zu sorgen; er darf ohne dringende Gründe keine Handlung vornehmen, durch welche die Gefahr für den Bodmereigeber eine größere oder eine andere wird, als dieser bei dem Abschlüsse des Vertrags voraussetzen mußte. Handelt der Schiffer diesen Vorschriften zuwider, so ist er dem Bod­ mereigläubiger für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich (§ 512).

§ 693. Verändert der Schiffer willkürlich die Bodmereireise oder weicht er von dem ihr entsprechenden Wege willkürlich ab oder setzt er nach ihrer Beendigung die verbodmeten Gegenstände von neuem einer Seegefabr aus, ohne daß das Interesse des Gläubigers es gebietet, so haftet er dem

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Gläubiger für die Bodmereischuld insoweit persönlich, als dieser aus den verbodmeten Gegenständen seine Befriedigung nicht erhält, es sei denn, daß die unterbliebene Befriedigung durch die Veränderung der Reise oder die Abweichung oder die neue Seegefahr nicht verursacht ist.

H 694. Der Schiffer darf die verbodmete Ladung vor. der Be­ friedigung oder Sicherstellung des Gläubigers weder gaüz noch theilweise ausliefern, widrigenfalls er dem Gläubiger für die Bodmereischuld insoweit persönlich verpflichtet wird, als dieser aus den ausgelieferten Gütern zur Zeit der Auslieferung hätte befriedigt werden können. Es wird vermuthet, daß der Gläubiger seine vollständige Befriedigung hätte erlangen können.

§ 695. Hat der Rheder in den Fällen der §§ 692 bis 694 die Handlungsweise des Schiffers angeordnet, so kommen die Vorschriften des § 512 Abs. 2, 3 zur Anwendung. H 696. Wird zur Zahlungszeit die Bodmereischuld nicht bezahlt, so kann sich der Gläubiger aus den verbodmeten Gegenständen befriedigen. Die Befriedigung erfolgt nach den für die Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften. In Ansehung des Schiffes und der Fracht ist die Klage gegen den Schiffer oder den Rheder zu richten; das gegen den Schiffer ergangene Urtheil ist auch gegenüber dem Rheder wirksam. In Ansehung der Ladung ist die Klage vor der Auslieferung gegen den Schiffer zu richten. Zum Nachtheil eines dritten Erwerbers, der den'Besitz der verbod­ meten Ladung in gutem Glauben erlangt hat, kann der Gläubiger von seinen Rechten keinen Gebrauch machen. § 697. Der Empfänger, dem bei der Annahme der verbodmeten Güter bekannt ist, daß auf ihnen eine Bodmereischuld haftet, wird dem Gläubiger für die Schuld bis zu dem Werthe, welchen die Güter zur Zeit ihrer Auslieferung haben, insoweit persönlich verpflichtet, als der Gläubiger, falls die Auslieferung nicht erfolgt wäre, aus den Gütern hätte befriedigt werden können. § 698. Wird vor dem Antritte der Bodmereireise die Unter­ nehmung aufgegeben, so ist der Gläubiger befugt, die sofortige Bezahlung der Bodmereischuld an dem Orte zu verlangen, an welchem die Bodmerei eingegangen ist; er muß sich jedoch eine verhältnißmäßige Herabsetzung der Prämie gefallen lassen; bei der Herabsetzung ist vorzugsweise das Verhältniß der bestandenen zu der übernommenen Gefahr maßgebend. Wird die Bodmereireise in einem anderen als in ihrem Bestim­ mungshafen beendet, so ist die Bodmereischuld ohne einen Abzug von der Prämie in diesem anderen Hafen nach dem Ablaufe der vertragsmäßigen und in deren Ermangelung der achttägigen Zahlungsfrist (§ 687) zu zahlen. Die Zahlungsfrist wird von dem Tage der endgültigen Ein­ stellung der Reise berechnet. Soweit sich nicht aus den Vorschriften der Abs. 1, 2 ein Anderes ergiebt, kommen auch in diesen Fällen die Vorschriften der 88 688 bis 697- zur Anwendung.

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§ 699.

Die Anwendung der Vorschriften dieses Abschnitts wird dadllrch nicht ausgeschlossen, daß der Schiffer zugleich Miteigentümer oder Alleineigenthümer des Schiffes oder der Ladung oder beider ist oder daß er auf Grund einer besonderen Anweisung der Betheiligten die Bodmerei

eingegangen ist. Siebenter Abschnitt.

Haverei Erster Titer.

Große (nemeinfdjaftlidie) Hävern und besondere Havem. § 700. Alle Schäden, die dem Schiffe oder der Ladung oder beiden zum Zwecke der Errettung beider aus einer gemeinsamen Gefahr von dem Schiffer oder auf dessen Geheiß vorsätzlich zugefügt werden, sowie auch die durch solche Maßregeln ferner verursachten Schäden, ingleichen die Kosten, die zu demselben Zwecke aufgewendet werden, sind große Haverei. Die große Haverei wird von Schiff, Fracht und Ladung gemeinschaftlich getragen.

9 701.

Alle nicht zur großen Haverei gehörigen, durch einen Unfall verursachten Schäden und Kosten, soweit die letzteren nicht unter den § 621 fallen, sind besondere Haverei. Die besondere Haverei wird von den Eigenthümern des Schiffes und der Ladung, von jedem für sich allein, getragen.

§ 702.

Die Anwendung der Vorschriften über die große Haverei wird dadurch nicht ausgeschloffen, daß die Gefahr in Folge des Verschuldens eines Dritten oder auch eines Betheiligten herbeigeführt ist. Der Betheiligte, welchem ein solches Verschulden zur Last fällt, kann jedoch nicht allein wegen des ihm entstandenen Schadens keine Vergütung fordern, sondem ist auch den Beitragspflichtigen für den Verlust verant­ wortlich, den sie dadurch erleiden, daß der Schaden als große Haverei zur Vertheilung kommt. Ist die Gefahr durch eine Person' der Schiffsbesätzung verschuldet, so trägt die Folgen dieses Verschuldens auch der Rheder nach Maßgabe der 88 485, 486.

§ 703.

Die Havereivertheilung tritt nur ein, wenn sowohl das Schiff als auch die Ladung und zwar jeder dieser Gegenstände entweder ganz oder theilweise wirklich gerettet worden ist.

§ 704.

Die Verpflichtung, von einem geretteten Gegenstände bei­ zutragen, wird dadurch, daß der Gegenstand später von einer besonderen Haverei betroffen wird, nur dann vollständig aufgehoben, wenn der Gegen­ stand ganz verloren geht.

§ 705.

Der Anspruch auf Vergütung einer zur großen Haverei gehörenden Beschädigung wird durch eine besondere Haverei, die den be-

922

XXVI. Handelsgesetzbuch.

schädigten Gegenstand später trifft, sei es, daß er von neuem beschädigt wird oder ganz verloren geht, nur dann aufgehoben, wenn der spätere Unfall mit dem früheren in keinem Zusammenhänge steht, und nur in­ soweit, als der spätere Unfall auch den früheren Schaden nach sich ge­ zogen haben würde, wenn dieser nicht bereits entstanden gewesen wäre. Sind jedoch vor dem Eintritte des späteren Unfalls zur Wieder­ herstellung des beschädigten Gegenstandes bereits Aufwendungen gemacht, so bleibt rücksichtlich dieser der Anspruch auf Vergütung bestehen.

§ 706. Große Haverei liegt namentlich in den nachstehenden Fällen vor, vorausgesetzt, daß zugleich die Erfordernisie der §§ 700, 702, 703 insoweit vorhanden sind, als in den folgenden Vorschriften nichts Besonderes bestimmt ist: 1. Wenn Waaren, Schiffstheile oder Schiffsgeräthschaften über Bord geworfen, Masten gekappt, Taue oder Segel weggeschnitten, Anker, Ankertaue oder Ankerketten geschlippt oder gekappt werden. Sowohl diese Schäden selbst als die durch solche Maßregeln an Schiff oder Ladung seiner verursachten Schäden gehören zur großen Haverei. 2. Wenn zur Erleichterung des Schiffes die Ladung ganz oder theilweise in Leichterfahrzeuge übergeladen wird. Es gehört zur großen Haverei sowohl der Leichterlohn als der Schaden, der bei dem Ueberladen in das Leichterfahrzeug oder bei dem Rückladen in das Schiff der Ladung oder dem Schiffe zugefügt wird, sowie der Schaden, den die Ladung auf dem Leichterfahrzeug erleidet. Muß die Erleichterung im regelmäßigen Verlaufe der Reise erfolgen, so liegt große Haverei nicht vor. 3. Wenn das Schiff absichtlich auf den Strand gesetzt wird, jedoch nur wenn es zum Zwecke der Abwendung des Unterganges oder der Nehmung geschieht. Sowohl die durch die Strandung einschließlich der Abbringung entstehenden Schäden als auch die Kosten der Abbringung gehören zur großen Haverei. Wird das behufs der Abwendung des Unterganges auf den Strand gesetzte Schiff nicht abgebracht oder nach der Abbringung reparaturunfähig befunden (§ 479), so findet eine Havereivertheilung nicht statt. Strandet das Schiff, ohne daß die Strandung zur Rettung von Schiff und Ladung vorsätzlich herbeigeführt ist, so gehören zwar nicht die durch die Strandung veranlaßten Schäden, wohl aber die auf die Abbringung verwendeten Kosten und die zu diesem Zwecke dem Schiffe oder der Ladung absichtlich zugefügten Schäden zur großen Haverei. 4. Wenn das Schiff zur Vermeidung einer dem Schiffe und der Ladung im Falle der Fortsetzung der Reise drohenden gemeinsamen Gefahr in einen Nothhafen einläuft, insbesondere wenn das Einlaufen zur nothwendigen Ausbesserung eines Schadens erfolgt, den das Schiff während der Reise erlitten hat.

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Es gehören in diesem Falle zur großen Haverei die Kosten des Ein­ laufens und des Auslaufens, die das Schiff selbst treffenden Ausenthaltskosten, die der Schiffsbesatzung während des Aufenthalts gebührende Heuer und Kost, die Auslagen für die Unterbringung der Schiffs­ besatzung am Lande, solange die Besatzung nicht an Bord verbleiben kann, ferner, falls die Ladung wegen des Grundes, welcher das Ein­ laufen in den Nothhafen herbeigeführt hat, gelöscht werden muß, die Kosten des Verbringens von Bord und an Bord sowie die Kosten der Aufbewahrung der Ladung am Lande bis zu dem Zeitpunkte, in welchem sie wieder an Bord gebracht werden kann. Die sämmtlichen Aufenthaltskosten kommen nur für die Zeit der Fortdauer des Grundes in Rechnung, der das Einlaufen in den Noth­ hafen herbeigeführt hat. Liegt der Grund in einer nothwendigen Ausbeffernng des Schiffes, so kommen außerdem die Aufenthaltskosten nur bis zu dem Zeitpunkt in Rechnung, in welchem die Aus­ besserung hätte vollendet sein können. Die Kosten der Ausbefferung des Schiffes gehören nur insoweit zur großen Haverei, als der auszubesiernde Schaden selbst große Haverei ist.

5. Wenn

6.

7.

das Schiff gegen Feinde oder Seeräuber vertheidigt wird. Die bei der Vertheidigung dem Schiffe oder der Ladung zugefügten Beschädigungen, der dabei verbrauchte Schießbedarf und, falls eine Person der Schiffsbesatzung bei der Vertheidigung verwundet oder getödtet wird, die Heilungs- und Begräbnißkosten sowie die nach den 88 553, 554 dieses Gesetzbuchs und den 88 49, 51 der Seemanns­ ordnung zu zahlenden Belohnungen bilden die große Haverei. Wenn im Falle der Anhaltung des Schiffes durch Feinde oder See­ räuber Schiff und Ladung losgekauft werden. Was zum Loskaufe gegeben ist, bildet nebst den durch den Unterhalt und die Auslösung der Geißeln entstehenden Kosten die große Haverei. Wenn die Beschaffung der zur Deckung der großen Haverei während der Reise erforderlichen Gelder Verluste und Kosten verursacht oder wenn durch die Auseinandersetzung unter den Betheiligten Kosten entstehen. Diese Verluste und Kosten gehören gleichfalls zur großen Haverei. Dahin werden insbesondere gezählt der Verlust an den während der Reise verkauften Gütern; die Bodmereiprämie, wenn das erforder­ liche Geld durch Bodmerei ausgenommen wird, und wenn dies nicht der Fall ist, die Prämie für die Versicherung des aufgewendeten Geldes, die Kosten für die Ermittelung der Schäden und für die Aufmachung der Rechnung über die große Haverei (Dispache).

K 707. Nicht als große Haverei, sondern als besondere Haverei werden angesehen: 1. die Verluste und Kosten, welche, wenn auch während der Reise, aus der in Folge einer besonderen Haverei nöthig gewordenen Beschaffung von Geld entstehen; 2. die Reklamekosten, auch wenn Schiff und Ladung zusammen und beide mit Erfolg reklamirt werden;

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XXVI. Handelsgesetzbuch.

3. die durch Prangen verursachte Beschädigung des Schiffes, seines Zu­ behörs und der Ladung, selbst wenn, um der Strandung oder Nehmung zu entgehen, geprangt worden ist.

8 708. In den Fällen der großen Haverei bleiben bei der Schadensberechnung die Beschädigungen und Berluste außer Ansatz, welche die nachstehenden Gegenstände betreffen: 1. nicht unter Deck geladene Güter; diese Vorschrift findet jedoch bei der Küstenschiffahrt insofern keine Anwendung, als Deckladungen durch die Landesgesetze für zulässig erklärt sind (§ 566); 2. Güter, über die weder ein Konnossement ausgestellt ist noch das Manifest oder Ladebuch Auskunft giebt; 3. Kostbarkeiten, Kunstgegenstände, Geld und Werthpapiere, die dem Schiffer nicht gehörig bezeichnet worden sind (§ 607). 8 709. Der an dem Schiffe oder dem Zubehöre des Schiffes entstandene, zur großen Haverei gehörige Schaden ist, wenn die Aus­ besserung während der Reise erfolgt, am Orte der Ausbesierung und vor dieser, sonst an dem Orte, wo die Reise endet, durch Sachverständige zu ermitteln und zu schätzen. Die Taxe muß die Veranschlagung der er­ forderlichen Ausbefferungskosten enthalten. Sie ist, wenn während der Reise ausgebeffert wird, für die Schadensberechnung insoweit maßgebend, als nicht die Ausführungskosten unter den Anschlagssummen bleiben. War die Aufnahme einer Taxe nicht ausführbar, so entscheidet der Betrag der auf die erforderlichen Ausbesserungen wirklich verwendeten Kosten. Soweit die Ausbefferung nicht während der Reise geschieht, ist die Abschätzung für die Schadensberechnung ausschließlich maßgebend. 8 710. Der nach Maßgabe des § 709 ermittelte volle Betrag der Ausbesserungskosten bestimmt die zu leistende Vergütung, wenn das Schiff zur Zeit der Beschädigung noch nicht ein volles Jahr zu Wasser war. Dasselbe gilt von der Vergütung für einzelne Theile des Schiffes, namentlich für die Metallhaut, sowie für einzelne Theile des Zubehörs, wenn solche Theile noch nicht ein volles Jahr in Gebrauch waren. In den übrigen Fällen wird von dem vollen Betrage wegen des Unterschieds zwischen alt und neu ein Drittheil, bei den Ankerketten ein Scchstheil, bei den Ankern jedoch nichts abgezogen. Von dem vollen Betrage kommen ferner in Abzug der volle Erlös oder Werth der noch vorhandenen alten Stücke, welche durch neue ersetzt sind oder zu ersetzen sind. Findet ein solcher Abzug und zugleich der Abzug wegen des Unter­ schieds zwischen alt und neu statt, so ist zuerst dieser letztere und sodann von dem verbleibenden Betrage der andere Abzug zu machen. 8 711. Die Vergütung für aufgeopferte Güter wird durch den Marktpreis bestimmt, welchen Güter derselben Art und Beschaffenheit am Bestimmungsorte bei dem Beginne der Löschung des Schiffes haben. In Ermangelung eines Marktpreises oder sofern über den Markt­ preis oder deffen Anwendung, insbesondere mit Rücksicht auf die Be­ schaffenheit der Güter, Zweifel bestehen, wird der Preis durch Sach­ verständige ermittelt.

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Von dem Preise kommt in Abzug, was an Fracht, Zöllen und Kosten in Folge des Verlustes der Güter erspart wird. Zu den aufgeopferten Gütern gehören auch diejenigen, welche zur Deckung der großen Haverei verkauft worden sind (§ 706 Nr. 7).

§ 712. Die Vergütung für Güter, die eine zur großen Haverei gehörige Beschädigung erlitten haben, wird bestimmt durch den Unterschied zwischen dem durch Sachverständige zu ermittelnden Verkaufswerthe, welchen die Güter im beschädigten Zustande am Bestimmungsorte bei dem Be­ ginne der Löschung des Schiffes haben, und dem im § 711 bezeichneten Preise nach Abzug der Zölle und Kosten, soweit sie in Folge der Be­ schädigung erspart sind. § 713. Die vor, bei oder nach dem Havereifall entstandenen, zur großen Haverei nicht gehörenden Werthsverringerungen und Verluste sind bei der Berechnung der Vergütung (§§ 711, 712) in Abzug zu bringen. § 714. Endet die Reise für Schiff und Ladung nicht im Be­ stimmungshafen, sondern an einem anderen Orte, so tritt dieser letztere, endet sie durch Verlust des Schiffes, so tritt der Ort, wohin die Ladung in Sicherheit gebracht ist, für die Ermittelung der Vergütung an die Stelle des Bestimmungsorts. § 715. Die Vergütung für entgangene Fracht wird bestimmt durch den Frachibetrag, welcher für die aufgeopferten Güter zu entrichten gewesen sein würde, wenn sie mit dem Schiffe an dem Orte ihrer Be-. stimmung oder, wenn dieser von dem Schiffe nicht erreicht wird, an dem Orte angelangt wären, wo die Reise endet. § 716. Der gesummte Schaden, welcher die große Haverei bildet, wird über das Schiff, die Ladung und die Fracht nach dem Verhältniffe des Werthes des Schiffes und der Ladung und des Betrags der Fracht vertheilt.

§ 717. Das Schiff nebst Zubehör trägt bei: 1. mit dem Werthe, welchen es in dem Zustand am Ende der Reise bei dem Beginne der Löschung hat; 2. mit dem als große Haverei in Rechnung kommenden Schaden an Schiff und Zubehör. Von dem im Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Werthe ist der noch vor­ handene Werth derjenigen Ausbefferungen und Anschaffungen abzuziehen, welche erst nach dem Havereifall erfolgt find.

§ 718. Die Ladung trägt bei: 1. mit den am Ende der Reise bei dem Beginne der Löschung noch vor­ handenen Gütern oder, wenn' die Reise durch den Verlust des Schiffes endet (§ 714), mit den in Sicherheit gebrachten Gütern, soweit in beiden Fällen diese Güter sich zur Zeit des Havereifalls am Bord des Schiffes oder eines Leichterfahrzeuges (§ 706 Nr. 2) befunden haben; 2. mit den aufgeopferten Gütern (§ 711).

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XXVI. Handelsgesetzbuch.

§ 719. Bei der Ermittelung des Beitrags kommt in Ansatz: 1. für Güter, die unversehrt sind, der Marktpreis oder der durch Sach­ verständige zu ermittelnde Preis (§ 711), welchen sie am Ende der Reise bei dem Beginn und am Orte der Löschung des Schisses, oder, wenn die Reise durch Verlust des Schiffes endet (§ 714), zur Zeit und am Orte der Bergung haben, nach Abzug der Fracht, Zölle und sonstigen Kosten; 2. für Güter, die während der Reise verdorben sind oder eine zur großen Haverei nicht gehörige Beschädigung erlitten haben, der durch Sach­ verständige zu ermittelnde Verkaufswerth (§ 712), welchen die Güter im beschädigten Zustande zu der in Nr. 1 erwähnten Zeit und an dem dort bezeichneten Orte haben, nach Abzug der Fracht, Zölle und sonstigen Kosten; 3. für Güter, die aufgeopfert worden find, der Betrag, welcher dafür nach § 711 als große Haverei in Rechnung kommt; 4. für Güter, die eine zur großen Haverei gehörige Beschädigung er­ litten haben, der nach Nr. 2 zu ermittelnde Werth, welchen die Güter im beschädigten Zustande haben, und der Werthsunterschied, welcher nach § 712 für die Beschädigung als große Haverei in Rech­ nung kommt.

§ 720. Sind Güter geworfen, so haben sie zu der gleichzeitigen oder einer späteren großen Haverei im Falle ihrer Bergung nur bei­ zutragen, wenn der Eigenthümer eine Vergütung verlangt. § 721. Die Frachtgelder tragen bei mit zwei Drittheilen: 1. des Bruttobetrags, welcher verdient ist; 2. des Betrags, welcher nach § 715 als große Haverei in Rechnung kommt. Ueberfahrtsgelder tragen bei mit dem Betrage, welcher im Falle des Verlustes des Schiffes eingebüßt wäre (§ 670), nach Abzug der Kosten, die alsdann erspart sein würden. § 722. Hastet auf einem beitragspflichtigen Gegenstand eine durch einen späteren Nothfall begründete Forderung, so trägt der Gegenstand nur mit seinem Werthe nach Abzug dieser Forderung bei.

§ 723. Zur großen Haverei tragen nicht bei: 1. die Kriegs- und Mundvorräthe des Schiffes; 2. die Heuer und die Habe der Schiffsbesatzung; 3. das Reisegut der Reifenden. Sind Sachen dieser Art aufgeopfert oder haben sie eine zur großen Haverei gehörige Beschädigung erlitten, so wird dafür nach Maßgabe der 88 711 bis 715 Vergütung gewährt; für Kostbarkeiten, Kunstgegenstände, Geld und Werthpapiere wird jedoch nur dann Vergütung gewährt, wenn sie dem Schiffer gehörig bezeichnet worden sind (8 607). Sachen, für die eine Vergütung gewährt wird, tragen mit dem Werthe oder dem Werthsunterschiede bei, welcher als große Haverei in Rechnung kommt. Die im § 708 erwähnten Gegenstände sind beitragspflichtig, soweit sie gerettet sind. Die Bodmereigelder sind nicht beitragspflichtig.

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§ 724. Wenn nach dem Havereifall und bis zum Beginne der Löschung am Ende der Reise ein beitragspflichtiger Gegenstand ganz ver­ loren geht (§ 704) oder zu einem Theile verloren geht oder im Werthe verringert, insbesondere gemäß § 722 mit einer Forderung belastet wird, so tritt eine verhältnißmäßige Erhöhung der von den übrigen Gegenständen zu entrichtenden Beiträge ein. Ist der Verlust oder die Werthsverringerung erst nach dem Beginne der Löschung erfolgt, so geht der Beitrag, welcher auf den Gegenstand fällt, soweit dieser zur Berichtigung des Beitrags unzureichend geworden ist, den Vergütungsberechtigten verloren.

§ 725. Die Vergütungsberechtigten haben wegen der von dem Schiffe und der Fracht zu entrichtenden Beiträge die Rechte von Schiffs­ gläubigern. Auch in Ansehung der beitragspflichtigen Güter steht ihnen an den einzelnen Gütern wegen des von diesen zu entrichtenden Beitrags ein Pfandrecht zu. Das Pfandrecht kann jedoch nach der Auslieferung der Güter nicht zum Nachtheile des dritten Erwerbers, welcher den Besitz in gutem Glauben erlangt hat, geltend gemacht werden. § 726. Eine persönliche Verpflichtung zur Entrichtung des Bei­ trags wird durch den Havereifall an sich nicht begründet. Der Empfänger beitragspflichtiger Güter wird jedoch, wenn ihm bei der Annahme der Güter bekannt ist, daß davon ein Beitrag zu ent­ richten ist, für den letzteren bis zu dem Werthe, welchen die Güter zur Zeit ihrer Auslieferung haben, insoweit persönlich verpflichtet, als der Beitrag, falls die Auslieferung nicht erfolgt wäre, aus den Gütern hätte geleistet werden können.

§ 727. Die Feststellung und Vertheilung der Schäden erfolgt an dem Bestimmungsort und, wenn dieser nicht erreicht wird, in dem Hafen, wo die Reise endet. § 728. Der Schiffer ist verpflichtet, die Aufmachung der Dis­ pache ohne Verzug zu veranlassen. Handelt er dieser Verpflichtung zu wider, so macht er sich jedem Betheiligten verantwortlich. Wird die Aufmachung der Dispache nicht rechtzeitig veranlaßt, so kann jeder Betheiligte die Aufmachung in Antrag bringen und betreiben. K 729. Im Gebiete dieses Gesetzbuchs wird die Dispache durch die ein für allemal bestellten oder in deren Ermangelung durch die vom Gerichte besonders ernannten Personen (Dispacheure) aufgemacht. Jeder Betheiligte ist verpflichtet, die zur Aufmachung der Dispache erforderlichen Urkunden, soweit er sie zu seiner Verfügung hat, namentlich Chartepartieen, Konnossemente und Fakturen, dem Dispacheur mitzutheilen.

§ 730. Für die von dem Schiffe zu leistenden Beiträge ist den Ladungsbetheiligten Sicherheit zu bestellen, bevor das Schiff den Hafen verlassen darf, in welchem nach § 727 die Feststellung und Vertheilung die Schäden zu erfolgen hat. § 731. Der Schiffer darf Güter, auf denen Havereibeträge haften, vor der Berichtigung oder Sicherstellung der letzteren (§ 615) nicht aus-

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XXVI Handelsgesetzbuch.

liefern, widrigenfalls er, unbeschadet der Haftung der Güter, für die Bei­ träge persönlich verantwortlich wird. Hat der Rheder die Handlungsweise des Schiffers angeordnet, so kommen die Borschriften des § 512 Abs. 2, 3 zur Anwendung. Das an den beitragspflichtigen Gütern den Bergütuugsberechtigten zustehende Pfandrecht wird für diese durch den Verfrachter ausgeübt. Die Geltendmachung des Pfandrechts durch den Verfrachter erfolgt nach Maß­ gabe der Vorschriften, die für das Pfandrecht des Verfrachters wegen der Fracht und der Auslagen gelten.

§ 732. Hat der Schiffer zur Fortsetzung der Reise, jedoch zum Zwecke einer nicht zur großen Haverei gehörenden Aufwendung, die Ladung verbodmet oder über einen Teil der Ladung durch Verkauf oder Ver­ wendung verfügt, so ist der Verlust, den ein Ladungsbetheiligter dadurch erleidet, daß er wegen seiner Ersatzansprüche aus Schiff und Fracht gar nicht oder nicht vollständig befriedigt werden kann (88 540, 541, 612), von sämmtlichen Ladungsbetheiligten nach den Grundsätzen der großen Haverei zu tragen. Bei der Ermittelung des Verlustes ist im Verhältnisse zu den Ladungsbetheiligten in allen Fällen, namentlich auch im Falle des § 612 Abs. 2, die im § 711 bezeichnete Vergütung maßgebend. Mit dem Werthe, durch welchen diese Vergütung bestimmt wird, tragen die ver­ kauften Güter auch zu einer etwa eintretenden großen Haverei bei (§ 718). § 733. Die in den Fällen der 88 635, 732 zu entrichtenden Beiträge und eintretenden Vergütungen stehen in allen rechtlichen Be­ ziehungen den Beiträgen und Vergütungen in den Fällen der großen Haverei gleich. Zweiter Titel.

Schade« durch Zusammenstoß non Schiffen. 734. Wenn zwei Schiffe zusammenstoßen und entweder auf einer oder auf beiden Seiten durch den Stoß Schiff oder Ladung allein oder Schiff und-Ladung beschädigt werden oder ganz verloren gehen, so ist, falls eine Person der Besatzung des einen Schiffes durch ihr Verschulden den Zusammenstoß herbeigeführt hat, der Rheder dieses Schiffes nach Maßgabe der 88 485, 486 verpflichtet, den durch den Zusammenstoß dem anderen Schiffe und dessen Ladung zugefügten Schaden zu ersetzen. Die Eigenthümer der Ladung beider Schiffe sind nicht verpflichtet, zum Ersätze des Schadens beizutragen. Die persönliche Verpflichtung der zur Schiffsbesatzung gehörigen Personen, für die Folgen ihres Verschuldens aufzukommen, wird durch diese Vorschriften nicht berührt.

§ 735. Fällt keiner Person der Besatzung des einen oder des anderen Schiffes ein Verschulden zur Last, so findet ein Anspruch auf Er­ satz des dem einen oder anderen oder beiden Schiffen zugefügten Schadens nicht statt.

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Ist der Zusammenstoß durch beiderseitiges Verschulden herbeigeführt, so hängt die Verpflichtung zum Ersätze sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Zusammen­ stoß vorwiegend von Personen der einen oder der anderen Besatzung ver­ ursacht worden ist.

§ 736.

Die Vorschriften der §§ 734, 735 kommen zur Anwendung ohne Unterschied, ob beide Schiffe oder das eine oder das andere sich in der Fahrt oder im Treiben befinden oder vor Anker oder am Lande be­ festigt liegen.

§ 737.

Ist ein durch den Zusammenstoß beschädigtes Schiff ge­ sunken, bevor es einen Hafen erreichen konnte, so wird vermuthet, daß der Untergang des Schiffes eine Folge des Zusammenstoßes war.

§ 738.

Hat sich das Schiff unter der Führung eines Zwangslootsen befunden und haben die zur Schiffsbesatzung gehörigen Personen die ihnen obliegenden Pflichten erfüllt, so ist der Rheder des Schiffes von der Ver­ antwortung für den Schaden frei, welcher durch den von dem Lootsen verschuldeten Zusammenstoß entstanden ist.

§ 739.

Die Vorschriften dieses Titels kommen auch zur Anwendung, wenn mehr als zwei Schiffe zusammenstoßen. Ist in einem solchen Falle der Zusammenstoß durch eine Person der Besatzung des einen Schiffes verschuldet, so hastet der Rheder des letzteren auch für den Schaden, welcher daraus entsteht, daß durch den Zusammen­ stoß dieses Schiffes mit einem anderen der Zusammenstoß dieses anderen Schiffes mit einem dritten verursacht ist.

Achter Abschnitt.

Bergung und GüWleistung in Seenoth. § 740. Wird in einer Seenoth ein Schiff oder dessen Ladung ganz oder theilweise, nachdem sie der Verfügung der Schiffsbesatzung entzogen oder von ihr verlassen waren, von dritten Personen an sich genommen und in Sicherheit gebracht, so haben diese Personen Anspruch auf Bergelohn. Wird außer dem vorstehenden Falle ein Schiff oder deffen Ladung durch Hülfe dritter Personen aus einer Seenoth gerettet, so haben diese nur Anspruch auf Hülfslohn. Der Schiffsbesatzung des verunglückten oder gefährdeten Schiffes steht ein Anspruch auf Berge- oder Hülfslohn nicht zu.

§ 741.

Wird noch während der Gefahr ein Vertrag über die Höhe des Berge- oder Hülfslohns geschlossen, so kann der Vertrag wegen erheb­ lichen Uebermaßes der zugesicherten Vergütung angefochten und die Herab­ setzung der letzteren auf das den Umständen entsprechende Maß verlangt werden.

§ 742.

In Ermangelung einer Vereinbarung ist die Höhe des Berge- oder Hülfslohns unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles nach billigem Ermessen in Geld festzusetzen. Bürgerlicher Gesetzbuch und Nebengesetze

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XXVI. Handelsgesetzbuch.

§ 743. Der Berge- oder Hülfslohn umfaßt zugleich die Vergütung für die Aufwendungen, welche zum Zwecke des Bergens und Rettens ge­ schehen. Nicht darin enthalten sind die Kosten und Gebühren der Behörden, die von den geborgenen oder geretteten Gegenständen zu entrichtenden Zölle und sonstigen Abgaben sowie die Kosten zum Zwbcke der Aufbewahrung, Erhaltung, Abschätzung und Veräußerung dieser Gegenstände. § 744. Bei der Bestimmung des Betrags des Berge- oder Hülfslohns kommen insbesondere in Anschlag der bewiesene Eifer, die verwendete Zeit, die geleisteten Dienste, die geschehenen Aufwendungen, die Zahl der thätig gewesenen Personen, die Gefahr, der sie ihre Person und ihre Fahr­ zeuge unterzogen haben, sowie die Gefahr, die den geborgenen oder geretteten Gegenständen gedroht hat, und der nach Abzug der Kosten (§ 743 Abs. 2) verbliebene Werth der letzteren. § 745. Der Berge- oder Hülfslohn darf ohne den übereinstimmenden Antrag der Parteien nicht auf einen Bruchtheil des Werthes der geborgenen oder geretteten Gegenstände festgesetzt werden. K 746. Der Betrag des Bergelohns soll den dritten Theil des Werthes der geborgenen Gegenstände (§ 744) nicht übersteigen. Nur ausnahmsweise, wenn die Bergung mit ungewöhnlichen An­ strengungen und Gefahren verbunden war und jener Werth zugleich ein geringer ist, kann der Betrag bis zur Hälfte des Werthes erhöht werden. § 747. Der Hülfslohn ist stets unter dem Betrage festzusetzen, welchen der Brrgelohn unter sonst gleichen Umständen erreicht haben würde. Auf den Werth der geretteten Gegenstände ist bei der Bestimmung des Hülfslohns nur eine untergeordnete Rücksicht zu nehmen.

K 748. Betheiligen sich mehrere Personen an der Bergung oder Hülfsleistung, so wird der Berge- oder Hülfslohn unter sie nach Maß­ gabe der persönlichen und sachlichen Leistungen der einzelnen und im Zweifel nach der Kopfzahl vertheilt. Zur gleichmäßigen Theilnahme sind auch diejenigen berechtigt, welche sich in derselben Gefahr der Rettung von Menschen unterziehen.

§ 749. Wird ein Schiff oder dessen Ladung ganz oder theilweise von einem anderen Schiffe geborgen oder gerettet, so wird der Berge- oder Hülfslohn zwischen dem Rheder, dem Schiffer und der übrigen Besatzung des anderen Schiffes, sofern nicht durch Vertrag unter ihnen ein Anderes bestimmt ist, in der Art vertheilt, daß der Rheder die Hälfte, der Schiffer ein Viertheil und die übrige Besatzung zusammen gleichfalls ein Viertheil erhalten. Die Vertheilung unter die'letztere erfolgt nach dem Verhältniffe der

Heuer, die dem Einzelnen gebührt oder seinem Range nach gebühren würde.

§ 750.

Auf Berge- und Hülfslohn hat keinen Anspruch:

1. wer seine Dienste aufdrängt, insbesondere ohne Erlaubniß des an­ wesenden Schiffers das Schiff betritt; 2. wer von den geborgenen Gegenständen dem Schiffer, dem Eigenthümer oder der zuständigen Behörde nicht sofort Anzeige macht.

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§ 751. Wegen der Bergungs- und Hülfskosten, insbesondere auch wegen des Berge- und Hülfslohns, steht dem Gläubiger ein Pfandrecht an den geborgenen oder geretteten Gegenständen, an den geborgenen Gegen­ ständen bis zur Sicherheitsleistung zugleich das Zurückbehaltungsrecht zu. Auf die Geltendmachung des Pfandrechts finden die Vorschriften des § 696 entsprechende Anwendung.

§ 752. Der Schiffer darf die Güter vor der Befriedigung oder Sicherstellung des Gläubigers weder ganz noch theilweise ausliefern, widrigen­ falls er dem Gläubiger insoweit persönlich verpflichtet wird, als dieser aus den ausgelicferten Gütern zur Zeit der Auslieferung hätte befriedigt werden können. Hat der Rheder die Handlungsweise des Schiffers angeordnet, so kommen die Vorschriften des § 512 Abs. 2, 3 zur Anwendung. K 753. Eine persönliche Verpflichtung zur Entrichtung der Bergungs- und Hülfskosten wird durch die Bergung oder Rettung an sich nicht begründet. Der Empfänger von Gütern wird jedoch, wenn ihm bei der An­ nahme der Güter bekannt ist, daß davon Bergungs- oder Hülfskosten zu berichtigen sind, für diese Kosten insoweit persönlich verpflichtet, als sie, falls die Auslieferung nicht erfolgt wäre, aus den Gütern hätten berichtigt werden können. Sind noch andere Gegenstände gemeinschaftlich mit den ausgeliefertcn Gütern geborgen oder gerettet, so geht die persönliche Haftung des Enipfängers über den Betrag nicht hinaus, welcher bei einer Vertheilung der Kosten über sämmtliche Gegenstände auf die ausgelieferten Güter fällt. Neunter Abschnitt.

SchiffsSläubiger. § 754. Die nachbenannten Forderungen gewähren die Rechte eines Schiffsgläubigers: 1. die zu den Kosten der Zwangsvollstreckung nicht gehörenden Kosten der Bewachung und Verwahrung des Schiffes und seines Zubehörs seit der Einbringung des Schiffes in den letzten Hasen, falls das Schiff im Wege der Zwangsvollstreckung verkauft wird; 2. die öffentlichen Schiffs-, Schiffahrts- und Hafenabgaben, insbesondere die Tonnen-, Leuchtfeuer-, Quarantäne- und Hafengelder; 3. die aus den Dienst- und Heuerverträgen herrührenden Forderungen der Schiffsbesatzung; 4. die Lootsengelder sowie die Bergungs-, Hülfs-, Loskaufs- und Reklame­ kosten ; 5. die Beiträge des Schiffes zur großen Haverei; 6. die Forderungen der Bodmereigläubiger, welchen das Schiff verbodmet ist, sowie die Forderungen aus sonstigen Kreditgeschäften, die der Schiffer als solcher während des Aufenthalts des Schiffes außerhalb desHeimathshafens in Nothfällen abgeschloffen hat (§§ 528, 541), auch wenn er

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XXVI Handelsgesetzbuch.

Miteigenthümer oder Alleineigenthümer des Schiffes ist; den For­ derungen aus solchen Kreditgeschäften stehen die Forderungen wegen Lieferungen oder Leistungen gleich, die ohne Gewährung eines Kredits dem Schiffer als solchem während des Aufenthalts des Schiffes außer­ halb des Heimathshafens in Nothfällen zur Erhaltung des Schiffes oder zur Ausführung der Reise gemacht sind, soweit diese Lieferungen oder Leistungen zur Befriedigung des Bedürfnisses erforderlich waren; die Forderungen wegen Nichtablieferung oder Beschädigung der Ladungs­ güter und des im 8 673 Abs. 2 erwähnten Reiseguts; die nicht unter eine der vorigen Nummern fallenden Forderungen aus Rechtsgeschäften, die der Schiffer als solcher kraft seiner gesetzlichen Befugnisie und nicht mit Bezug auf eine besondere Vollmacht ge­ schlossen hat (§ 486 Abs. 1 Nr. 1), sowie die nicht unter eine der vorigen Nummern fallenden Forderungen wegen Nichterfüllung oder wegen unvollständiger oder mangelhafter Erfüllung eines von dem Rheder abgeschlossenen Vertrags, insofern die Ausführung des letzteren zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört hat (8486Abs.1 Nr.2); die Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung (8 485, 8 486 Abs. 1 Nr. 3), auch wenn diese Person zugleich Miteigenthümer oder Alleineigenthümer des Schiffes ist; die Forderungen, welche der Verufsgenossenschaft nach den Vorschriften über die Unfallversicherung und der Versicherungsanstalt nach den Vorschriften über die Invalidenversicherung gegen den Rheder zustehen.

§ 755. Den Schiffsgläubigern, welchen das Schiff nicht schon durch Verbodmung verpfändet ist, steht ein gesetzliches Pfandrecht an dem Schiffe und dein Zubehöre des Schiffes zu. Das Pfandrecht ist gegen jeden dritten Besitzer des Schiffes verfolgbar. § 756. Das gesetzliche Pfandrecht eines jeden dieser Schiffsgläubiger erstreckt sich außerdem auf die Bruttofracht derjenigen Reise, aus welcher seine Forderung entstanden ist. § 757. Als eine Reise im Sinne dieses Abschnitts wird diejenige angesehen, zu welcher das Schiff von neuem ausgerüstet oder welche ent­ weder auf Grund eines neuen Frachtvertrags oder nach vollständiger Löschung der Ladung angetreten wird. § 758. Den im 8 754 unter Nr. 3 aufgeführten Schiffsgläubigern steht wegen der aus einer späteren Reise entstandenen Forderungen zugleich ein gesetzliches Pfandrecht an der Fracht der früheren Reisen zu, sofern die verschiedenen Reisen unter denselben Dienst- und Heuervertrag fallen.

§ 759. Auf das dem Bodmereigläubiger nach 8 679 zustehende Pfandrecht finden dieselben Vorschriften Anwendung, welche für das gesetz­ liche Pfandrecht der übrigen Schiffsglüubigcr gelten. Der Umfang des Pfandrechts des Bodmereigläubigers bestimmt sich jedoch nach dem Inhalte des Bodmereivertrags (§ 680). § 760. Das einem Schiffsgläubiger zustehende Pfandrecht gilt iit gleichem Maße für Kapital, Zinsen, Bodmereiprämie und Kosten.

Viertes Buch. Seehandel.

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§ 701. Die Befriedigung des Schiffsgläubigers aus dem Schiffe und der Fracht erfolgt nach den für die Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften. Die Klage kann sowohl gegen den Rheder als gegen den Schiffer gerichtet werden, gegen den letzteren auch dann, wenn sich das Schiff im Heimathshasen (§ 480) befindet; das gegen den Schiffer ergangene Urtheil ist auch gegenüber dem Rheder wirksam.

§ 762. Auf die Rechte eines Schiffsgläubigers hat es keinen Einfluß, daß der Rheder für die Forderung bei deren Entstehuilg oder später zugleich persönlich verpflichtet wird. Diese Vorschrift findet insbesondere auf die Forderungen der SchiffsLesatzllng aus den Dienst- und Heuerverträgen Anwendung. § 763. Gehört das Schiff einer Rhederei, so haften das Schiff und die Fracht den Schiffsgläubigern in gleicher Weise, als wenn das Schiff nur einem Rheder gehörte. § 764. Das Pfandrecht der Schiffsgläubiger ani Schiffe erlischt außer dem Falle der im Inland erfolgten Zwangsversteigerung des Schiffes auch durch den von dem Schiffer im Falle zwingender Noth­ wendigkeit auf Grund seiner gesetzlichen Befugnisse bewirkten Verkauf des Schiffes (§ 530); an die Stelle des Schiffes tritt für die Schiffsgläubiger das Kaufgeld, solange es bei dem Käufer aussteht oder noch in den Händen des Schiffers ist. Diese Vorschriften finden auch auf sonstige Pfandrechte am Schiffe Anwendung. § 765. Wird außer den im § 764 bezeichneten Fällen das Schiff veräußert, so ist der Erwerber berechtigt, die Ausschließung der unbekannten Schiffsgläubiger mit ihren Pfandrechten im Wege des Aufgebotsverfahrens zu beantragen. $ 766. In Ansehung des Schiffes haben die Bewachungs- und Verwahrungskosten seit der Einbringung in den letzten Hafen (§ 754 Nr. 1) vor allen anderen Forderungen der Schiffsgläubiger den Vorzug.

K 767. Von den im § 754 unter Nr. 2 bis 9 aufgeführten Forderungen gehen die die letzte Reife (§ 757) betreffenden Forderungen, zu welchen auch die nach der Beendigung der letzten Reise entstandenen Forderungen gerechnet werden, den Forderungen vor, welche die früheren Reisen betreffen. Von den Forderungen, welche nicht die letzte Reise betreffen, gehen die eine spätere Reise betreffenden denjenigen vor, welche eine frühere Reise betreffen. Den im § 754 unter Nr. 3 aufgeführten Schiffsgläubigern gebührt jedoch wegen der eine frühere Reise betreffenden Forderungen dasselbe Vor­ zugsrecht, welches ihnen wegen der eine spätere Reise betreffenden For­ derungen zusteht, sofern die verschiedenen Reisen unter denselben Dienst­ oder Heuervertrag fallen. Wenn die Bodmereireise mehrere Reisen im Sinne des § 757 umfaßt, so steht der Bodmereigläubiger denjenigen Schiffsgläubigern nach, deren

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XXVI. Handelsgesetzbuch.

Forderungen die nach der Vollendung der ersten dieser Reisen angetretenen späteren Reisen betreffen.

§ 768, Die Forderungen, welche dieselbe Reise betreffen, sowie diejenigen, welche als dieselbe Reise betreffend anzusehen sind (§ 767), werden in nachstehender Ordnung berichtigt: 1. die öffentlichen Schiffs-, Schiffahrts- und Hafenabgaben (§ 754 Nr. 2)2. die aus den Dienst- und Heuerverträgen herrührenden Forderungen der Schiffsbesatzung (§ 754 Nr. 3); 3. die Lootsengelder sowie die Bergungs-, Hülfs-, Loskaufs- und Reklamekosten (8 754 Nr. 4), die Beiträge des Schiffes zur großen Haverei (§ 754 Nr. 5), die Forderungen ans den von dem Schiffer in Noth­ fällen abgeschlossenen Bodmerei- und sonstigen Kreditgeschäften sowie die diesen Forderungen gleichzuachtenden Forderungen (8 754 Nr. 6); 4. die Forderungen wegen Nichtablieferung oder Beschädigung von Ladungs-gütern und Reisegut (8 754 Nr. 7); 5. die im 8 754 unter Nr. 8, 9 aufgeführtcn Forderungen.

§ 769. Von den im 8 768 unter Nr. 1.2,4,5 aufgeführten For­ derungen sind die dort unter derselben Nummer aufgeführten gleichberechtigt. Von den im 8 768 unter Nr. 3 aufgeführten Forderungen geht dagegen die später entstandene der früher entstandenen vor: die gleichzeitig entstandenen sind gleichberechtigt. Hat der Schiffer aus Anlaß desselben Nothfalls verschiedene Geschäfte abgeschlossen (8 754 Nr. 6), so gellen die daraus herrührenden Forderungen als gleichzeitig entstanden. Forderungen aus Kreditgeschäften, namentlich aus Bodmereiverträgen, die von dem Schiffer zur Berichtigung früherer, unter 8 768 Nr. 3 fallender Forderungen eingegangen sind, sowie Forderungen aus Verträgen, die von ihm behufs einer Verlängerung der Zahlungszeit oder behufs der Anerkennung oder Erneuerung solcher früheren Forderungen abgeschloffen sind, haben auch daun, wenn das Kreditgeschäft oder der Vertrag zur Fortsetzung der Reise nothwendig war, nur dasjenige Vorzugsrecht, welches der früheren Forderung zpstand. § 776. Die im 8 754 unter Nr. 10 bezeichneten Forderungen stehen allen übrigen Forderungen von Schiffsgläubigern ohne Rücksicht auf die Zeit ihrer Entstehung nach.

§ 771, Das Pfandrecht der Schiffsgläubiger an der Fracht (8 756) ist nur so lange wirksam, als die Fracht noch aussteht oder die Fracht­ gelder in den Händen des Schiffers sind. Auch auf dieses Pfandrecht finden die Vorschriften der 88 766 bis 770 über die Rangordnung Anwendung. Im Falle der Abtretung der Fracht kann das Pfandrecht der Schiffs­ gläubiger, solange die Fracht noch aussteht oder die Frachtgelder in den Händen des Schiffers sind, auch dem iicutn Gläubiger gegenüber geltend gemacht werden. Soweit der Rheder die Fracht einzieht, haftet er den Schiffsgläubigern, welchen das Pfandrecht dadurch ganz oder zu einem Theile entgeht, per-

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fönlich und zwar einem jeden in Höhe desjenigen Betrags, welcher sich für ihn bei einer Vertheilung des eingezogenen Betrags nach der gesetzlichen. Rangordnung ergiebt. Dieselbe persönliche Haftung des Rheders tritt ein in Ansehung der am Abladungsorte zur Abladungszeit üblichen Fracht für die Güter, welche für seine Rechnung abgeladen sind.

§ 772. Verwendet der Rheder die Fracht zur Befriedigung eines oder mehrerer Gläubiger, denen ein Pfandrecht an der Fracht zusteht, so ist er den Gläubigern, welchen der Vorzug gebührt hätte, nur insoweit verantwortlich, als er sie wissentlich verkürzt hat. § 773. Soweit der Rheder in den Fällen bet §§ 764, 765 das Kanfgeld einzieht, haftet er den Schiffsgläubigern, deren Pfandrechte in Folge der Zwangsversteigerung, des Verkaufs oder des Ausgebotsversahrens erloschen ffnd, in gleicher Weise persönlich wie den Gläubigern einer Reise im Falle der Einziehung der Fracht (§§ 771, 772). § 774. Sendet der Rheder, nachdem er von der Forderung eines Schiffsgläubigers, für die er nur mit Schiff und Fracht hastet, Kenntniß erhalten hat, das Schiff zu einer neuen Reise (§ 757) in See, ohne daß das Interesse des Schiffsgläubigers es gebietet, so wird er für die Forderung in Höhe desjenigen Betrags zugleich persönlich verpflichtet, welcher sich für den Gläubiger ergeben haben würde, falls der Werth, den das Schiff bei dem Antritte der Reise hatte, unter die Schiffsgläubiger nach der gesetzlichen Rangordnung vertheilt worden wäre. Es wird vermuthet, daß der Gläubiger bei dieser Vertheilung seine vollständige Befriedigung erlangt haben würde. Die persönliche Verpflichtung des Rheders, welche aus der Einziehung der dem Gläubiger hastenden Fracht entsteht (§ 771), wird durch diese Vorschriften nicht berührt. § 775. Die Vergütung, für Aufopferung oder Beschädigung in Fällen der großen Haverei tritt für die Schiffsgläubiger an die Stelle des­ jenigen, wofür die Vergütung bestimmt ist. Dasselbe gilt von der Entschädigung, die im Falle des Verlustes oder der Beschädigung des Schiffes oder wegen entzogener Fracht im Falle des Verlustes oder der Beschädigung von Gütern dem Rheder von demjenigen zu zahlen ist, welcher den Schaden durch eine rechtswidrige Handlung ver­ ursacht hat. Ist die Vergütung oder Entschädigung von dem Rheder eingezogen, so hastet er in Höhe des eingezogenen Betrags den Schiffsgläubigern in gleicher Weise persönlich wie den Gläubigern einer Reise im Falle der Ein­ ziehung der Fracht (§§ 771, 772). § 776. Treffen Schiffsgläubiger, die ihr Pfandrecht verfolgen, mit anderen Pfandgläubigern oder sonstigen Gläubigern zusammen, so haben die Schiffsgläubiger den Vorzug. § 777. Von den auf den Gütem wegen der Fracht, der Bodmerei­ gelder, der Beiträge zur großen Haverei und der Bergungs- und Hülfskosten (§§ 623, 679, 725, 751) haftenden Pfandrechten steht das wegen der Fracht

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XXVI Handelsgesetzbuch.

allen übrigen nach; unter diesen übrigen hat das später entstandene vor dem früher entstandenen den Borzug; die gleichzeitig entstandenen sind gleichberechtigt. Die Forderungen aus den voll dem Schiffer aus Anlaß desselben Nothfalls abgeschlossenen Geschäften gelten als gleichzeitig entstanden. In den Fällen der großen Haverei und des Verlustes oder der Be­ schädigung durch rechtswidrige Handlungen kommen die Vorschriften des § 775 und im Falle des von dem Schiffer zur Abwendung oder Ver­ ringerung eines Verlustes nach Maßgabe des § 535 Abs. 3 bewirkten Ver­ kaufs die Vorschriften des § 764 und, wenn derjenige, für dessen Rechnung der Verkauf geschehen ist, das Kaufgeld einzieht, auch die Vorschrift des 8 773 zur Anwendung.

Zehnter Abschnitt.

Versicherung gegen die Gefahren der See­ schiffahrt. Erster Titel.

Allgemeine Vorschriften. § 778. Jedes in Geld schätzbare Interesse, welches Jemand daran hat, daß Schiff oder Ladung die Gefahren der Seeschiffahrt besteht, kann Gegenstand der Seeversicherung sein.

§ 779.

Es können insbesondere versichert werden; das Schiff; die Fracht; die Ueberfahrtsgelder; die Güter; die Bodmereigelder; die Havereigelder; andere Forderungen, zu deren Deckung Schiff, Fracht, Ueber­ fahrtsgelder oder Güter dienen; der von der Ankunft der Güter am Bestimmungsort erwartete Gewinn (imaginäre Gewinn); die zu verdienende Provision; die von dem Versicherer übernommene Gefahr (Rückversicherung).

In der einen dieser Versicherungen ist die andere nicht enthalten.

§ 780. Die Heuerforderung des Schiffers und der Schiffsmannschaft kann nicht versichert werden. § 781. Der Versicherungsnehmer kann entweder sein eigenes In­ teresse (Versicherung für eigene Rechnung) oder das Jntereffe eines Dritten (Versicherung für fremde Rechnung) und im letzteren Falle mit oder ohne Bezeichnung der Person des Versicherten unter Versicherung bringen.

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Es kann im Vertrag auch unbestimmt gelassen werden, ob die Ver­ sicherung für eigene oder für fremde Rechnung genommen wird (für Rech­ nung „wen es angeht"). Ergiebt sich bei einer Versicherung für Rechnung „wen es angeht", daß sie für fremde Rechnung genommen ist, so kommen die Vorschriften über die Versicherung für fremde Rechnung zur Anwendung.

Die Versicherung gilt als für eigene Rechnung des Versicherungs­ nehmers geschlossen, wenn der Vertrag nicht ergiebt, daß sie für fremde Rechnung oder für Rechnung „wen es angeht" genommen ist.

§ 782. Die Versicherung für fremde Rechnung ist für den Ver­ sicherer nur verbindlich, wenn entweder der Versicherungsnehmer zur Ein­ gehung der Versicherung von dem Versicherten beauftragt war oder wenn der Mangel eines solchen Auftrags von dem Versicherungsnehmer bei dem Abschlüsse des Vertrags dem Versicherer angezcigt wird. Ist die Anzeige unterlassen, so kann der Mangel des Auftrags dadurch nicht ersetzt werden, daß der Versicherte der Versicherung nachträglich zu­ stimmt. Ist die Anzeige erfolgt, so ist die Verbindlichkeit der Versicherung für den Versicherer von der nachträglichen Zustimmung des Versicherten nicht abhängig. Der Versicherer, für welchen nach diesen Vorschriften der Versicherungs­ vertrag unverbindlich ist, kann, auch wenn er die Unverbindlichkeit des Vertrags geltend macht, die volle Prämie beanspruchen. § 783. Wird die Versicherung von einem Bevollmächtigten, einem Geschäftsführer ohne Auftrag oder einem sonstigen Vertreter des Versicherten in dessen Namen geschlossen, so ist im Sinne dieses Gesetzbuchs weder der Vertreter Versicherungsnehmer noch die Versicherung selbst eine Versicherung für fremde Rechnung. Jin Zweifel wird angenommen, daß selbst die auf das Jnteresie eines benannten Dritten sich beziehende Versicherung eine Versicherung für fremde Rechnung sei. § 784. Der Versicherer ist verpflichtet, eine von ihm unterzeichnete Urkunde (Polize) über den Versicherungsvertrag dem Versicherungsnehmer auf besten Verlangen auszuhändigen. 8 785. Auf die Gültigkeit des Versicherungsvertrags hat es keinen Einfluß, daß zur Zeit des Abschlusses die Möglichkeit des Eintritts eines zu ersetzenden Schadens schon ausgeschlossen oder der zu ersetzende Schaden bereits eingetreten ist. Waren jedoch beide Theile von dem Sachverhältniß unterrichtet, so ist der Vertrag als Versicherungsvertrag ungültig. Wußte nur der Versicherer, daß die Möglichkeit des Eintritts eines zu ersetzenden Schadens schon ausgeschlossen war, oder wußte nur der Versicherungsnehmer, daß der zu ersetzende Schaden schon eingetreten war, so ist der Vertrag für den anderen, von dem Sachverhältnisse nicht unterrichteten Theil unverbindlich. Im zweiten Falle kann der Versicherer, auch wenn er die Anverbindlichkeit des Vertrags geltend macht, die volle Prämie beanspruchen.

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Im Falle, daß der Vertrag für den Versicherungsnehmer dilrch einen Vertreter abgeschlossen wird, kommt die Vorschrift des § 806 Abs. 2, im Falle der Versicherung für fremde Rechnung die Vorschrift des § 807 und im Falle der Versicherung mehrerer Gegenstände oder einer Gesammtheit von Gegenständen die Vorschrift des § 810 zur Anwendung.

§ 786. Der volle Werth des versicherten Gegenstandes ist der Versicherungswerth. Die Versicherungssumme kann den Versichernngswerth nicht über­ steigen. Soweit die Versicherungssumme den Versicherungswerth übersteigt (Ueberversicherung), hat die Versicherung keine rechtliche Geltung. § 787. Uebersteigt im Falle einer gleichzeitigen Abschließung ver­ schiedener Versicherungsverträge der Gesammtbetrag der Versicherungssummen den Versicherungswerth, so haften alle Versicherer zusammen nur in Höhe des Dersicherungswerths, und zwar jeder einzelne für so viele Prozente des Versicherungswerths, als seine Versicherungssumme Prozente des Gesammtbetrags der Versicherungssummen bildet. Hierbei wird vermuthet, daß die Verträge gleichzeitig abgeschlossen seien. Mehrere Versicherungsverträge, über die eine gemeinschaftliche Polize ertheilt ist, sowie mehrere Versicherungsverträge, die an demselben Tage abgeschlossen sind, gelten als gleichzeitig abgeschlossen. § 788. Wird ein Gegenstand, der bereits zum vollen Werthe ver­ sichert ist, nochmals versichert, so hat die spätere Versicherung insoweit keine rechtliche Geltung, als der Gegenstand auf dieselbe Zeit und gegen dieselbe Gefahr bereits versichert ist (Doppelversicherung). Ist durch die frühere Versicherung nicht der volle Werth versichert, so gilt die spätere Versicherung, soweit sie auf dieselbe Zeit und gegen dieselbe Gefahr genommen ist, nur für den noch nicht versicherten Theil des Werthes.

§ 789. Die spätere Versicherung hat jedoch ungeachtet der Ein­ gehung der früheren Versicherung rechtliche Geltung: 1. wenn bei dem Abschlüsse des späteren Vertrags mit dem Versicherer vereinbart wird, daß ihm die Rechte aus der früheren Versicherung abzutreten sind; 2. wenn die spätere Versicherung unter der Bedingung geschlossen wird, daß der Versicherer nur insoweit haftet, als der Versicherte sich wegen Zahlungsunfähigkeit des früheren Versicherers an diesem nicht zu erholen vermag oder als die frühere Versicherung nicht zu Recht besteht; 3. wenn der frühere Versicherer mittelst Verzichtsanzeige seiner Verpflichtung insoweit entlassen wird, als zur Vermeidung einer Doppelversicherung nöthig ist, und der spätere Versicherer bei der Eingehung der späteren Versicherung hiervon benachrichtigt wird. Dem früheren Versicherer gebührt in diesem Falle, obgleich er von seiner Verpflichtung befreit wird, die volle Prämie.

§ 790. Im Salle der Doppelversicherung hat nicht die zuerst ge­ nommene, sondern die später genommene Versicherung rechtliche Geltung,

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wenn die frühere Versicherung für fremde Rechnung ohne Auftrag genommen ist, die spätere dagegen von dem Versicherten selbst genommen wird, sofern in einem solchen Falle der Versicherte entweder bei der Eingehung der späteren Versicherung von der früheren noch nicht unterrichtet war oder bei der Eingehung der späteren Versicherung dem Versicherer anzeigt, daß er die frühere Versicherung zurückweise. Die Rechte des früheren Versicherers in Ansehung der Prämie be­ stimmen sich in diesen Fällen nach den Vorschriften der 88 895, 896.

§ 791. Sind mehrere Versicherungen, gleichzeitig oder nach einander geschloffen worden, so hat ein späterer Verzicht auf die gegen den einen Versicherer begründeten Rechte keinen Einfluß aus die Rechte und Ver­ pflichtungen der übrigen Versicherer. § 792. Erreicht die Versicherungssumme den Versicherungswerth nicht, so haftet der Versicherer im Falle eines theilweisen Schadens für den Betrag des letzteren nur nach dem Verhältnisse der Versicherungssumme zuin Versicherungswerthe. § 793. Wird durch Vereinbarung der Parteien der Versicherungs­ werth auf eine bestimmte Summe (Taxe) festgestellt (taxirte Polize), so ist die Taxe unter den Parteien für den Versicherungswerth maßgebend. Der Versicherer kann jedoch eine Herabsetzung der Taxe fordern, wenn sie wesentlich übersetzt ist; ist imaginärer Gewinn taxirt, so kann der Ver­ sicherer eine Herabsetzung der Taxe fordern, wenn sie den Gewinn übersteigt, der zur Zeit des Abschluffes des Vertrags nach kaufmännischer Berechnung möglicherweise zu erwarten war. Eine Polize mit der Bestimmung: „vorläufig taxirt" wird, solange die Taxe nicht in eine feste verwandelt ist, einer nicht taxirten Polize (offenen Polize) gleichgeachtet. Bei der Versicherung von Fracht ist die Taxe in Bezug auf einen von dem Versicherer zu ersetzenden Schaden nur maßgebend, wenn es besonders bedungen ist.

§ 794. Wenn in einem Vertrage mehrere Gegenstände oder eine Gesammtheit von Gegenständen unter einer Versicherungssumnie begriffen, aber für einzelne dieser Gegenstände besondere Taxen vereinbart sind, so gelten die Gegenstände, welche besonders taxirt sind, auch als abgesondert versichert. § 795. Als Versicherungswerth des Schiffes gilt, wenn die Parteien nicht eine andere Grundlage für die Schätzung vereinbaren, der Werth, welcher: das Schiff in dein Zeitpunkte hat, in welchem die Gefahr für den Versicherer zu laufen beginnt. Diese Vorschrift kommt auch zur Anwendung, wenn der Versicherungs­ werth des Schiffes taxirt ist.

§ 796. Die Ausrüstungskosten, die Heuer und die Versicherungs­ kosten können zugleich mit dem Schiffe oder besonders versichert werden, soweit sie nicht bereits durch die Versicherung der Bruttofracht versichert sind. Sie gelten nur dann als mit dem Schiffe versichert, wenn es ver­ einbart ist.

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XXVI. Handelsgesetzbuch

§ 797. Die Fracht kann bis zu ihrem Bruttobeträge versichert -werden, soweit sie nicht bereits durch die Versicherung der Ausrüstungskosten, der Heuer und der Versicherungskosten versichert ist. Als Versicherungswerth der Fracht gilt der Betrag der in den Fracht­ verträgen bedungenen Fracht und, wenn eine bestimmte Fracht nicht bedungen ist oder soweit Güter für Rechnung des Rheders verschifft sind, der Betrag -er üblichen Fracht (§ 619).

K 798. Ist bei der Versicherung der Fracht nicht bestimmt, ob sie ganz oder ob nur ein Theil, versichert werden soll, so gilt die ganze Fracht als versichert. Ist nicht bestimmt, ob die Brutto- oder die Nettofracht versichert werden soll, so gilt die Bruttofracht als versichert. Sind die Fracht der Hinreise und die Fracht der Rückreise unter einer Versicherungssumme versichert, ohne daß bestimmt ist, welcher Theil der Versicherungssumme auf die Fracht der Hinreise und welcher Theil auf die Fracht der Rückreise fallen soll, so wird die Hälfte auf die Fracht der Hin­ reise, die Hälfte auf die Fracht der Rückreise gerechnet.

§ 799. Als Versicherungswert!) der Güter gilt, wenn die Parteien nicht eine andere Grundlage für die Schätzung vereinbaren, derjenige Werth, welchen die Güter am Orte und zur Zeit der Abladung haben, unter Hin­ zurechnung aller Kosten bis an Bord einschließlich der Versicherungskosten. Die Fracht sowie die Kosten während der Reise und am Bestim­ mungsorte werden nur hinzugerechnet, sofern es vereinbart ist. Diese Vorschriften kommen auch zur Anwendung, wenn der Dersicherungswerth der Güter taxirt ist.

§ 800. Sind die Ausrüstungskosten oder die Heuer, sei es selb­ ständig, sei es durch Versicherung der Bruttofracht, versichert oder sind bei der Versicherung von Gütern die Fracht oder die Kosten während der Reise und am Bestimmungsorte versichert, so leistet der Versicherer für denjenigen Theil der Kosten, der Heuer oder der Fracht keinen Ersatz, welcher in Folge eines Unfalls erspart wird. § 801. Bei der Versicherung von Gütern ist der imaginäre Ge­ winn oder die Provision, auch wenn der Versicherungswerth der Güter taxirt ist, als mitversichert mir anzusehen, sofern es im Vertrage bestimmt ist. Ist im Falle der Mitversicherung des imaginären Gewinns der Dersicherungswerth taxirt, aber nicht bestimmt, welcher Theil der Taxe sich auf den imaginären Gewinn beziehen soll, so wird angenommen, daß zehn Prozent der Taxe auf den imaginären Gewinn fallen. Wenn im Falle der Mitversicherung des imaginären Gewinns der Versicherungswerth nicht taxirt ist, so werden als imaginärer Gewinn zehn Prozent des Ver­ sicherungswerthes der Güter (§ 799) als versichert betrachtet.

Die Vorschriften des Abs. 2 kommen auch im Falle der Mitversichcrung der Provision mit der Maßgabe zur Anwendung, daß an die Stelle der zehn Prozent zwei Prozent treten.

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§ 802. Ist der imaginäre Gewinn oder die Provision selbständig, versichert, der Versicherungswerth jedoch nicht taxirt, so wird im Zweifel angenommen, daß die Versicherungssumme zugleich als Taxe des Ver­ sicherungswerths gelten soll. § 803. Die Bodmereigelder können einschließlich der Bodmerei­ prämie für den Bodmereigläubiger versichert werden. Ist bei der Versicherung von Bodmereigeldern nicht angegeben, welche Gegenstände verbodmet sind, so wird angenommen, daß Bodmerei­ gelder auf Schiff, Fracht und Ladung versichert sind. - Hierauf kann sich, wenn in Wirklichkeit nicht alle diese Gegenstände verbodmet sind, nur der Versicherer berufen.

§ 804.

Hat der Versicherer seine Verpflichtungen erfüllt, so tritt

er, soweit er einen Schadeir vergütet hat, dessen Erstattung der Versicherte von einem Dritten zu fordern befugt ist, in die Rechte des Versicherten gegen den Dritten ein, jedoch unbeschadet der Vorschriften des § 775 Abs. 2 und des 8 777 Abs. 2. Der Versicherte ist verpflichtet, dem Versicherer, wenn er es verlangt, auf dessen Kosten eine öffentlich beglaubigte Anerkennungsurkunde über den Eintritt in die Rechte gegen den Dritten zu ertheilen. Der Versicherte ist verantwortlich für jede Handlung, durch die er jene Rechte beeinträchtigt.

§ 805. Ist eine Forderung versichert, zu deren Deckung eine den. Gefahren der See ausgesetzte Sache dient, so ist der Versicherte im Falle eines Schadens verpflichtet, denr Versicherer, nachdem dieser seine Ver­ pflichtungen erfüllt hat, seine Re,chte gegen den Schuldner insoweit abzutreten, als der Versicherer Ersatz geleistet hat. Der Versicherte ist nicht verpflichtet, die ihm gegen den Schuldner zustehenden Rechte geltend zu nrachen, bevor er den Versicherer in Anspruch, nimmt.

Zweiter Titel.

Anzeigen bei dem Abschlüsse des Vertrags. § 806. Der Versicherungsnehmer ist sowohl im Falle der Ver­ sicherung für eigene Rechnung als im Falle der Versicherung für fremde Rechnung verpflichtet, bei dem Abschlüsse des Vertrags dem Versicherer alle ihm bekannten Umstände anzuzeigen, die wegen ihrer Erheblichkeit für die Beurtheilung der von dem Versicherer zu tragenden Gefahr geeignet sind, auf den Entschluß des letzteren, sich auf den Vertrag überhaupt oder unter denselben Bestimmungen einzulassen, Einfluß zu üben. Wenn der Vertrag für den Versicherungsnehmer durch einen Ver­ treter abgeschlossen wird, so sind auch die dem Vertreter bekannten Umständeanzuzeigen.

§ 807. Im Falle der Versicherung für fremde Rechnung müssen, dem Versicherer bei dem Abschlüsse des Vertrags auch diejenigen Umständeangezeigt werden, welche dem Versicherten selbst oder einem Zwischen-beaustragten bekannt sind.

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Die Kenntniß des Versicherten oder eines Zwischenbeauftragten kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ihnen der Umstand so spät bekannt wird, daß sie den Versicherungsnehmer ohne Anwendung außergewöhnlicher Maß­ regeln vor dem Abschlüsse des Vertrags nicht mehr davon benachrichtigen können. Die Kenntniß des Versicherten kommt auch dann nicht in Betracht, wenn die Versicherung ohne seinen Auftrag und ohne sein Wissen ge­ nommen ist.

§ 808. Wird die in den §§ 806, 807 bezeichnete Verpflichtung nicht erfüllt, so ist der Vertrag für den Versicherer unverbindlich. Diese Vorschrift findet jedoch keine Anwendung, wenn der nicht an­ gezeigte Umstand dem Versicherer bekannt war oder als ihm bekannt vorausgesetzt werden durfte. § 809. Wird von dem Versicherungsnehmer bei dem Abschlüsse des Vertrags in Bezug auf einen erheblichen Umstand (§ 806) eine un­ richtige Anzeige gemacht, so ist der Vertrag für den Versicherer unverbindlich, es sei denn, daß diesem die Unrichtigkeit der Anzeige bekannt war. Diese Vorschrift kömmt zur Anwendung ohne Unterschied, ob die Anzeige wissentlich oder aus Irrthum, ob sie mit oder ohne Verschulden unrichtig gemacht wird. § 810. Wird bei einer Versicherung mehrerer Gegenstände oder einer Gesammtheit von Gegenständen den Vorschriften der §§ 806 bis 809 in Ansehung eines Umstandes zuwidergehandelt, der nur einen Theil der versicherten Gegenstände betrifft, so bleibt der Vertrag für den Versicherer in Ansehung des übrigen Theiles verbindlich. Der Vertrag ist jedoch auch in Ansehung des übrigen Theiles für de» Versicherer unverbindlich, wenn anzunehmen ist, daß der Versicherer diesen Theil allein unter denselben Bestimmnngen nicht versichert haben würde.

§ 811. Dem Versicherer gebührt in den Fällen der §§ 8Q6 bis 810, auch wenn er die gänzliche oder theilweise Unverbindlichkeit des Ver­ trags geltend macht, die volle Prämie. Dritter Titel.

Verpflichtungen -es Versicherten aus dem Versicherungsverträge. § 812. Die Prämie ist, sofern nicht ein Anderes vereinbart ist, sofort nach dem Abschlüsse des Vertrags und, wenn eine Polize verlangt wird, gegen Auslieferung der Polize zu zahlen. Zur Zahlung der Prämie ist der Versicherungsnehmer verpflichtet. Wenn bei der Versicherung für fremde Rechnung der Versicherungs­ nehmer zahlungsunfähig geworden ist und die Prämie von dem Versicherten noch nicht erhalten hat, so kann der Versicherer auch den Versicherten aus Zahlung der Prämie in Anspruch nehmen. § 813. Wird statt der versicherten Reise, bevor die Gefahr für den Versicherer zu laufen begonnen hat, eine andere Reise angetreten, so

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ist der Versicherer bei der Versicherung von Schiff und Fracht von jeder Haftung frei, bei anderen Versicherungen trägt er die Gefahr für die andere Reise nur dann, wenn die Veränderung der Reise weder von dem Versicherten noch in dessen Auftrag oder mit dessen Zustimmung bewirkt ist. Wird die versicherte Reise verändert, nachdem die Gefahr für den Versicherer zu laufen begonnen hat, so haftet der Versicherer nicht für die -nach der Veränderung der Reise eintretenden Unfälle. Er haftet jedoch für diese Unfälle, wenn die Veränderung weder von dem Versicherten noch in -essen Auftrag oder mit dessen Zustimmung bewirkt oder wenn sie durch einen Nothfall verursacht ist, es sei denn, daß sich der Nothfall auf eine Gefahr gründet, die der Versicherer nicht zu tragen hat.

Die Reise ist verändert, sobald der Entschluß, sie nach einem anderen Bestimmungshafen zu richten, zur Ausführung gebracht wird, sollten sich auch die Wege nach beiden Bestimmungshäfen noch nicht geschieden haben. Diese Vorschrift gilt sowohl für die Fälle des Abs. 1 als für die Fälle -es Abs. 2.

K 814. Wenn von dem Versicherten oder in dessen Auftrag oder mit beffen Zustimmung der Antritt oder die Vollendung der Reise un­ gebührlich verzögert, von dem der versicherten Reise entsprechenden Wege abgewichen oder ein Hafen angelaufen wird, dessen Angehung als in der Dersicherten Reise begriffen nicht erachtet werden kann, oder wenn der Ver­ sicherte in anderer Weise eine Vergrößerung oder Veränderung der Gefahr veranlaßt, namentlich eine in dieser Beziehling ertheilte besondere Zusage nicht erfüllt, so haftet der Versicherer nicht für die später sich ereignenden Unfälle.

Diese Wirkung tritt jedoch nicht ein:

1. wenn anzunehmen ist, daß die Vergrößerung oder Veränderung der Gefahr keinen Einfluß auf den späteren Unfall hat üben können;

2. wenn die Vergrößerung oder Veränderung der Gefahr, nachdem die Gefahr für den Versicherer bereits zu laufen begonnen hat, durch einen Nothfall verursacht ist, es sei denn, daß sich der Nothfall auf eine Gefahr gründet, die der Versicherer nicht zu tragen hat: 3. wenir der Schiffer zu der Abweichung von dem Wege durch das Gebot der Menschlichkeit genöthigt worden ist. § 815« Wird bei dem Abschluffe des Vertrags der Schiffer be­ zeichnet, so ist in dieser Bezeichnung allein noch nidjtjbie Zusage enthalten, daß der benannte Schiffer die Führung des Schiffes behalten werde. § 816. Bei der Versicherung von Gütern haftet der Versicherer für keineil Unfall, soweit die Beförderung der Güter nicht mit dem dazu bestimmten Schiffe geschieht. Er haftet jedoch nach Maßgabe des Vertrags, wenn die Güter, nachdem die Gefahr für ihn bereits zu laufen begonnen hat, ohne Auftrag ultb ohne Zustimmung des Versicheren in anderer Art als mit dem zur Beförderung bestimmten Schiffe weiter befördert werden oder wenn dies in Folge eines Unfalls geschieht, es sei denn, daß sich der Unfall mlf eine Gefahr gründet, die der Versicherer nicht zu tragen hat.

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§ 817. Bei der Versicherung von Gütern ohne Bezeichnung des Schiffes oder der Schiffe (in unbestimmten oder unbenannten Schiffen) hat der Versicherte, sobald er Nachricht erhält, in welches Schiff versicherte Güter abgeladen sind, diese Nachricht dem Versicherer mitzutheilen. Im Falle der Nichterfüllung dieser Verpflichtung hastet der Ver­ sicherer für keinen Unfall, der den abgeladenen Gütern zustößt. § 818. Jeder Unfall ist, sobald der Versicherungsnehmer oder der Versicherte, wenn dieser von der Versicherung Kenntniß hat, Nachricht von dem Unfall erhält, dem Versicherer anzuzeigen, widrigenfalls der Versicherer befugt ist, von der Entschädigungssumme den Betrag abzuziehen, um den sie sich bei rechtzeitiger Anzeige gemindert hätte. § 819. Der Versicherte ist verpflichtet, wenn sich ein Unfall zu­ trägt, sowohl für die Rettung der versicherten Sachen als für die Abwendung größerer Nachtheile thunlichst zu sorgen. Er hat jedoch, wenn thunlich, über die erforderlichen Maßregeln vor­ her mit dem Versicherer Rücksprache zu nehmen, vierter Titel.

Umsang der Gefahr.

§ 820. Der Versicherer trägt alle Gefahren, denen Schiff oder Ladung während der Dauer der Versicherung ausgesetzt sind, soweit nicht durch die nachfolgenden Vorschriften oder durch Vertrag ein Anderes be­ stimmt ist. Er trägt insbesondere: 1. die Gefahr der Naturereignisse und der sonstigen Seeunfälle, auch wenn diese durch das Verschulden eines Dritten veranlaßt sind, wie Ein­ dringen des Seewassers, Strandung, Schiffbruch, Sinken, Feuer, Ex­ plosion, Blitz, Erdbeben, Beschädigung durch Eis u. s. w.;

2. die Gefahr des Krieges und der Verfügungen von hoher Hand; 3. die Gefahr des auf Antrag eines Dritten angeordneten, von dem Versicherten nicht verschuldeten Arrestes;

4. die Gefahr des Diebstahls sowie die Gefahr des Seeraubs, der Plün­ derung und sonstiger Gewaltthätigkeiten; 5. die Gefahr der Verbodmung der versicherten Güter zur Fortsetzung der Reise oder der Verfügung über die Güter durch Verkauf oder durch Verwendung zu gleichem Zwecke (§§ 538 bis 541, 732); 6. die Gefahr der Unredlichkeit oder des Verschuldens einer Person der Schiffsbesatzung, sofern daraus für den versicherten Gegenstand ein Schaden entsteht;

7. die Gefahr des Zusammenstoßes von Schiffen und zwar ohne Unter­ schied, ob der Versicherte in Folge des Zusammenstoßes unmittelbar oder ob er mittelbar dadurch einen Schaden erleidet, daß er den einem Dritten zugefügten Schaden zu ersetzen hat.

Viertes Buch

§ 821.

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Seehandel.

Dem Versicherer fallen die nachstehend bezeichneten Schäden

nicht zur Last:

1. bei der Versicherung von Schiff oder Fracht: der Schaden, welcher daraus entsteht, daß das Schiff in einem nicht seetüchtigen Zustand oder nicht gehörig ausgerüstet oder bemannt oder ohne die erforderlichen Papiere (§ 513) in See gesandt ist;

der Schaden, welcher außer dem Falle des Zusammenstoßes von Schiffen daraus entsteht, daß der Rheder für den durch eine Person, der Schiffsbesatzung einem Dritten zugefügten Schaden hasten muß (§§ 485, 486);

2. bei einer auf das Schiff sich beziehenden Versicherung: der Schaden an Schiff und Zubehör, welcher nur eine Folge der Abnutzung des Schiffes im gewöhnlichen Gebrauch ist;

der Schaden an Schiff und Zubehör, welcher nur durch Alter, Fäulniß oder Wurmfraß verursacht wird; 3. bei einer auf Güter oder Fracht sich beziehenden Versicherung der Schaden, welcher durch die natürliche Beschaffenheit der Güter, nament­ lich durch inneren Verderb, Schwinden, gewöhnliche Leckage und der­ gleichen, oder durch mangelhafte Verpackung der Güter entsteht oder an diesen durch Ratten oder Mäuse verursacht wird; wenn jedoch die Reise durch einen Unfall, für den der Versicherer haftet, ungewöhnlich verzögert wird, so hat der Versicherer den unter dieser Nummer be­ zeichneten Schaden in dem Maße zu ersetzen, in welchem die Verzögerung dessen Ursache ist;

4. der Schaden, welcher sich auf ein Verschulden des Versicherten gründet, und bei der Versicherung von Gütern oder imaginärem Gewinn auch der Schaden, welcher durch ein dem Ablader, Empfänger oder Kargadeur in dieser ihrer Eigenschaft zur Last fallendes Verschulden entsteht.

H 822. Die Verpflichtung des Versicherers zum Ersatz eines Schadens tritt auch dann ein, wenn dem Versicherten ein Anspruch auf deffen Vergütung gegen den Schiffer oder eine andere Person zusteht. Der Versicherte kann sich wegen des Ersatzes des Schadens zunächst an den Versicherer halten. Er hat jedoch dem Versicherer die zur wirksamen Verfolgung eines solchen Anspruchs etwa erforderliche Hülfe zu gewähren, auch für die Sicherstellung des Anspruchs durch Einbehaltung der Fracht, Erwirkung des Arrestes in das Schiff oder sonst in geeigneter Weise auf

Kosten des Versicherers die nach den Umständen angemeffene Sorge zu tragen (§ 819).

§ 823. Bei der Versicherung des Schiffes für eine Reise beginnt die Gefahr für den Versicherer mit dem Zeitpunkt, in welchem mit der Einnahme der Ladung oder des Ballastes angefangen wird, oder, wenn weder Ladung noch Ballast einzunehmen ist, mit dem Zeitpunkte der Ab­ fahrt des Schiffes. Sie endet mit dem Zeitpunkt, in welchem die Löschung der Ladung oder des Ballastes im Bestimmungshafen beendigt ist. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

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NXM Handelsgesetzbuch.

Wird die Löschung von dem Versicherten ungebührlich verzögert, so endet die Gefahr mit dem Zeitpunkt, in welchem die Löschung beendigt sein würde, falls ein solcher Verzug nicht stattgefunden hätte. Wird vor der Beendigung der Löschung für eine neue Reise Ladung oder Ballast eingenommen, so endet die Gefahr mit dem Zeitpunkt, in welchem mit der Einnahme der Ladung oder des Ballastes begonnen wird.

§ 824. Sind Güter, imaginärer Gewinn oder die von ver­ schifften Gütern zu verdienende Provision versichert, so beginnt die Gefahr mit dem Zeitpunkt, in welchem die Güter zum Zwecke der Einladung in das Schiff oder in die Leichterfahrzeuge vom Lande scheiden; sie endet mit dem Zeitpunkt, in welchem die Güter im Bestimmungshafen wieder an das Land gelangen. Wird die Löschung von dem Versicherten oder bei der Versicherung von Gütern oder imaginärem Gewinne von dem Versicherten oder von einer der im § 821 Nr. 4 bezeichneten Personen ungebührlich verzögert, so endet die Gefahr mit dem Zeitpunkt, in welchem die Löschung beendigt sein würde, falls ein solcher Verzug nicht stattgefunden hätte. Bei der Einladung und Ausladung trägt der Versicherer die Gefahr der ortsgebräuchlichen Benutzung von Leichterfahrzeugen.

§ 825. Bei der Versicherung der Fracht beginnt und endet die Gefahr in Ansehung der Unfälle, denen das Schiff und dadurch die Fracht ausgesetzt ist, mit demselben Zeitpunkt, in welchem die Gefahr bei der Versicherung des Schiffes für dieselbe Reise beginnen und enden würde, in Ansehung der Unfälle, denen die Güter und dadurch die Fracht aus­ gesetzt find, mit demselben Zeitpunkt, in welchem die Gefahr bei der Ver­ sicherung der Güter für dieselbe Reise beginnen und enden würde. Bei der Versicherung von Ueberfahrtsgeldern beginnt und endet die Gefahr mit demselben Zeitpunkt, in welchem die Gefahr bei der Ver­ sicherung des Schiffes beginnen und enden würde. , Der Versicherer von Fracht- und Ueberfahrtsgelderil hastet für einen Unfall, von dem das Schiff betroffen wird, nur insoweit, als Fracht- oder Ueberfahrtsverträge bereits abgeschlossen sind, und wenn der Rheder Güter für seine Rechnung verschifft, nur insoweit, als diese zum Zwecke der Einladung in das Schiff oder in die Leichtersahrzeuge bereits vom Lande geschieden sind. § 826. Bei der Versicherung von Bodmerei- und Havereigeldern beginnt die Gefahr mit bem Zeitpunkt, in welchem die Gelder vorgeschossen find, oder, wenn der Versicherte selbst die Havereigelder verausgabt hat, mit dem Zeitpunkt, in welchem sie verwendet sind; sie endet mit dem Zeitpunkt, in welchem fte bei einer Versicherung der Gegenstände, welche verbodmet oder auf welche die Havereigelder verwendet sind, enden würde.

§ 827. Die begonnene Gefahr läuft für den Versicherer während der bedungenen Zeit oder der versicherten Reise ununterbrochen fort. Der Versicherer trägt insbesondere die Gefahr auch während des Aufenthalts in einem Noth- oder Zwischenhafen und im Falle der Versicherung für die Hinreise und Rückreise während des Aufenthalts des Schiffes in dem Be­ stimmungshafen der Hinreise.

Vlntcs Buch

Scehandel

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Müssen die Güter einstweilen gelöscht werden oder wird das Schiff zur Ausbesserung an das Land gebracht, so trägt der Versicherer die Ge­ fahr auch für die Zeit, während welcher sich die Güter oder das Schiff am Lande befinden.

§ 828. Wird nach dem Beginne der Gefahr die versicherte Reise freiwillig oder gezwungen aufgegeben, so tritt in Ansehung der Beendigung der Gefahr der Hafen, in welchem die Reise beendigt wird, an die Stelle des Bestimmungshafens. Werden die Güter, nachdein die Reise des Schiffes aufgegeben ist, in anderer Art als mit dem zur Beförderung bestimmten Schiffe nach dem Bestimmungshafen weiter befördert, so läuft in Betreff der Güter die be­ gonnene Gefahr fort, auch wenn die Weiterbeförderung ganz oder zu einem Theile zu Lande geschieht. Der Versicherer trägt in solchen Fällen zugleich die Kosten der früheren Löschung, die Kosten der einstweiligen Lagerung und die Mehrkosten der Weiterbeförderung, auch wenn diese zu Lande erfolgt.

§ 829. Die Vorschriften der §§ 827, 828 gelten nur unbeschadet der Vorschriften der §§ 814, 816. § 830. Ist die Dauer der Versicherung nach Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren bestimmt, so wird die Zeit nach dem Kalender und der Tag von Mitternacht zu Mitternacht berechnet. Der Versicherer trägt die Gefahr während des Anfangstags und des Schlußtags. Bei der Berechnung der Zeit ist der Oct, wo sich das Schiff befindet, maßgebend. § 831. Ist im Falle der Versicherung des Schiffes auf Zeit das Schiff bei dem Ablaufe der im Vertrage festgesetzten Versicherungszeit unter­ wegs, so gilt die Versicherung in Ermangelung einer entgegenstehenden Vereinbarung als verlängert bis zur Ankunft des Schiffes im nächsten Be­ stimmungshafen und, falls in diesem gelöscht wird, bis zur Beendigung der Löschzeit (§ 823). Der Versicherte ist jedoch befugt, die Verlängerung durch eilte dem Versicherer, solange das Schiff noch nicht unterwegs ist, kund­ zugebende Erklärung auszuschlicßen. Im Falle der Verlängerung hat der Versicherte für deren Dauer und, wenn die Verschollenheit des Schiffes eintritt, bis zum Ablaufe der Verschollenheitsfrist die vereinbarte Zeitprämie fortzuentrichten. Ist die Verlängerung ausgeschloffen, so kann der Versicherer, wenn die Verschollenheitsfrist über die Versicherungszeit hinausläuft, aus Grund der Verschollenheit nicht in Anspruch genommen werden.

§ 832. Bei einer Versicherung nach einem oder dem anderen unter mehreren Häfen ist dem Versicherten gestattet, einen dieser Häfen zu wählen; bei einer Versicherung nach einem und einem anderen oder nach einem und mehreren anderen Häfen ist der Versicherte zum Besuch eines jeden der bezeichneten Häfen befugt.

§ 833. Ist die Versicherung nach mehreren Häfen geschloffen oder dem Versicherten das Recht vorbehalten, mehrere Häfen anzulaufen, so ist dem Versicherten nur gestattet, die Häfen nach der vereinbarten oder in 60*

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XXVI. Handelsgesetzbuch.

Ermangelung einer Vereinbarung nach der den Schiffahrtsverhältnissen ent­ sprechenden Reihenfolge zu besuchen; er ist jedoch zum Besuch aller einzelnen Häsen nicht verpflichtet. Die in der Polize enthaltene Reihenfolge wird, soweit nicht ein Anderes sich ergießt, als die vereinbarte angesehen.

K 834. Dem Versicherer fallen zur Last: 1. die Beiträge zur großen Haverei mit Einschluß derjenigen, welche der Versicherte selbst wegen eines von ihm erlittenen Schadens zu tragen hat; die in Gemäßheit der §§ 635, 732 nach den Grund­ sätzen der großen Haverei zu beurtheilenden Beiträge werden den Beiträgen zur großen Haverei gleich geachtet; 2. die Aufopferungen, welche zur großen Haverei gehören würden, wenn das Schiff Güter und zwar andere als Güter des Rheders an Bord gehabt hätte; 3. die sonstigen zur Rettung sowie zur Abwendung größerer Nachtheile nothwendig oder zweckmäßig aufgewendeten Kosten (§ 819), selbst wenn die ergriffenen Maßregeln erfolglos geblieben sind; 4. die zur Ermittelung und Feststellung des dem Versicherer zur Last fallenden Schadens erforderlichen Kosten, insbesondere die Kosten der Besichtigung, der Abschätzung, des Verkaufs und der Anfertigung der Dispache.

§ 835. In Ansehung der Beiträge zur großen Haverei und der nach den Grundsätzen der großen Haverei zu beurtheilenden Beiträge bestimmen sich die Verpflichtungen des Versicherers nach der am gehörigen Orte im Inland oder im Ausland, im Einklänge mit dem am Orte der Aufmachung geltenden Rechte aufgemachten Dispache. Insbesondere ist der Versicherte, der einen zur großen Haverei gehörenden Schaden erlitten hat, nicht berechtigt, von dem Versicherer mehr als den Betrag zu fordern, zu welchem der Schaden in der Dispache berechnet ist; andererseits haftet der Versicherer für diesen ganzen Betrag, ohne daß namentlich der Verficherungswerth maßgebend ist. Auch kann der Versicherte, wenn der Schaden nach dem am Orte der Aufmachung geltenden Rechte als große Haverei nicht anzusehen ist, den Ersatz des Schadens von dem Versicherer nicht aus dem Grunde fordern, weil der Schaden nach einem anderen Rechte, insbesondere nach dem Rechte des Versicherungsorts, große Haverei sei. § 836. Der Versicherer haftet jedoch für die im § 835 erwähn­ ten Beiträge nicht, soweit sie sich auf einen Unfall gründen, für den der Versicherer nach dem Versicherungsverträge nicht haftet.

§ 837. Ist die Dispache von einer durch Gesetz oder Gebrauch dazu berufenen Person aufgemacht worden, so kann der Versicherer sie w/rgen Nichtübereinstimmung mit dem am Orte der Aufmachung geltenden Rechte und der dadurch bewirkten Benachtheiligung des Versicherten nicht anfechten, es sei denn, daß der Versicherte durch mangelhafte Wahrneh­ mung seiner Rechte die Benachtheiligung verschuldet hat. Dem Versicherten liegt jedoch ob, die Ansprüche gegen die zu seinem Nachtheile Begünstigten dem Versicherer abzutreten.

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Seehandcl.

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Dagegen ist der Versicherer befugt, in allen Fällen die Dispache dem Versicherten gegenüber insoweit anzufechten, als ein von dem Ver­ sicherten selbst erlittener Schaden, für den ihm nach dem am Orte der Aufmachung der Dispache geltenden Rechte eine Vergütung nicht gebührt hätte, gleichwohl als große Haverei behandelt worden ist.

§ 838« Wegen eines von dem Versicherten erlittenen, zur großen Haverei gehörenden oder nach den Grundsätzen der letzteren zu beurtheilen­ den Schadens hastet der Versicherer, wenn die Einleitung des die Fest­ stellung und Verkeilung des Schadens bezweckenden ordnungsmäßigen Verfahrens stattgefunden hat, in Ansehung der Beiträge, welche dem Ver­ sicherten zu entrichten sind, nur insoweit, als der Versicherte die ihm gebührende Vergütung auch im Rechtswege, sofern er diesen füglich betreten tonnte, nicht erhalten hat. § 839« Ist die Einleitung des Verfahrens ohne Verschulden des Versicherten unterblieben, so kann er den Versicherer wegen des ganzen Schadens nach Maßgabe des Versicherungsvertrags unmittelbar in An­ spruch nehmen. § 840. Der Versicherer hastet für den Schaden nur bis zur Höhe der Versicherungssumme. Er hat jedoch die im § 834 Nr. 3, 4 erwähnten Kosten vollständig zu erstatten, wenngleich die hiernach im Ganzen zu zahlende Vergütung die Versicherungssumme übersteigt. Sind in Folge eines Unfalls solche Kosten bereits aufgewendet, zum Beispiel Loskaufs- oder Reklamekosten verausgabt, oder sind zur Wieder­ herstellung oder Ausbesserung der durch den Unfall beschädigten Sache bereits Verwendungen geschehen, zum Beispiel zu einem solchen Zwecke Haverei­ gelder verausgabt, oder sind von dem Versicherten Beiträge zur großen Haverei bereits entrichtet oder ist eine persönliche Verpflichtung des Versicherten zur Entrichtung solcher Beiträge bereits entstanden und ereignet sich später ein neuer Unfall, so haftet der Versicherer für den durch den späteren Unfall entstehenden Schaden bis zur Höhe der ganzen Versicherungssumme ohne Rücksicht auf die ihm zur Last fallenden früheren Aufwendungen und Beiträge. § 841. Der Versicherer ist nach dem Eintritt eines Unfalls berechtigt, sich durch Zahlung der vollen Versicherungssumme von allen weiteren Ver­ bindlichkeiten aus dem Versicherungsverträge zu befreien, insbesondere von der Verpflichtung, die Kosten zu erstatten, welche zur Rettung, Erhaltung und Wiederherstellung der versicherten Sachen erforderlich sind. War zur Zeit des Eintritts des Unfalls ein Theil der versicherten Sachen der vom Versicherer zu tragenden Gefahr bereits entzogen, so hat der Versicherer, welcher von dem Rechte des Abs. 1 Gebrauch macht, den auf jenen Theil fallenden Theil der Versicherungssumme nicht zu entrichten. Der Versicherer erlangt durch Zahlung der Versicherungssumme keinen Anspruch auf die versicherten Sachen. Ungeachtet der Zahlung der Versicherungssumme bleibt der Versicherer zum Ersätze derjenigen Kosten verpflichtet, welche auf die Rettung, Erhaltung oder Wiederherstellung der versicherten Sachen verwendet worden sind, bevor

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XXVL Handelsgesetzbuch.

seine Erklärung, von dem Rechte Gebrauch zu machen, dem Versicherten zugegangen ist.

§ 842. Der Versicherer muß seinen Entschluß, von dem im § 841 bezeichneten Rechte Gebrauch zu machen, bei Verlust dieses Rechtes dem Ver­ sicherten spätestens am dritten Tage nach dem Ablaufe desjenigen Tages erklären, an welchem ihm der Versicherte den Unfall unter Bezeichnung seiner Be­ schaffenheit und seiner unmittelbaren Folgen angczeigt und alle sonstigen auf den Unfall sich beziehenden Umstände mitgetheilt hat, soweit die letzteren dem Versicherten bekannt sind. § 843. Ist nicht zum vollen Werthe versichert, so haftet der Ver­ sicherer für die im § 834 erwähnten Beiträge, Aufopferungen und Kosten nur nach dem Verhältniffe der Versicherungssumme zum Versicherungswerthe. § 844. Die Verpflichtung des Versicherers, einen Schaden zu ersetzen, wird dadurch nicht wieder aufgehoben oder geändert, daß später in Folge einer Gefahr, die der Versicherer nicht zu tragen hat, ein neuer Schaden und selbst ein Totalverlust eintritt.

§ 845. Besondere Havereien hat der Versicherer nicht zu ersetzen, wenn sie ohne die Kosten der Ermittelung und Feststellung des Schadens (§ 834 Nr. 4) drei Prozent des Versicherungswerths nicht übersteigen; be­ tragen sie mehr als drei Prozent, so sind sie ohne Abzug der drei Prozent zu vergüten. Ist das Schiff auf Zeit oder auf mehrere Reisen versichert, so sind

die drei Prozent für jede einzelne Reise zu berechnen. Der Begriff der Reise bestimmt sich nach § 757

§ 846. Die im § 834 unter Nr. 1 bis 3 erwähnten Beiträge, Aufopferungen und Kosten muß der Versicherer ersetzen, auch wenn sie drei Prozent des Versicherungswerths nicht erreichen. Sie kommen jedoch bei der Ermittelung der im § 845 bezeichneten drei Prozent nicht in Be­ rechnung. § 847. Ist vereinbart, daß der Versicherer von bestimmten Pro­ zenten frei sein soll, so kommen die Vorschriften der §§ 845, 846 mit der Maßgabe zur Anwendung, daß an die Stelle der dort erwähnten drei Prozent die im Vertrag angegebene Anzahl von Prozenten tritt. § 848. Ist vereinbart, daß der Versicherer die Kriegsgefahr nicht übernimmt, auch die Versicherung rücksichtlich der übrigen Gefahren nur bis zum Eintritt einer Kriegsbelästigung dauern soll, so endet die Gefahr für den Versicherer mit dem Zeitpunkt, in welchem die Kriegsgefahr auf die Reise Einfluß zu üben beginnt, insbesondere also, wenn der Antritt oder die Fortsetzung der Reise durch Kriegsschiffe, Kaper oder Blokade be­ hindert oder zur Vermeidung der Kriegsgefahr aufgeschoben wird, wenn das Schiff aus einem solchen Grunde von seinem Wege abweicht oder wenn der Schiffer durch Kriegsbelästigung die freie Fahrung des Schiffes verliert. Eine Vereinbarung der im Abs. 1 bezeichneten Art wird namentlich angenommen, wenn der Vertrag mit der Klausel: „frei von Kriegsmolest" abgeschlossen ist.

Viertes Buch.

Scehandel.

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§ 849. Ist vereinbart, daß der Versicherer zwar nicht die Kriegs­ gefahr übernimmt, alle übrigen Gefahren aber auch nach dem Eintritt einer Kriegsbelästigung tragen soll, so endet die Gefahr für den Versicherer erst mit der Kondemnation der versicherten Sache oder sobald sie ge­ endet hätte, wenn die Kriegsgefahr nicht ausgenommen worden wäre; der Versicherer haftet aber nicht für die zunächst durch Kriegsgefahr verursachten Schaden, also insbesondere nicht: für Konfiskation durch kriegführende Mächte; für Nehmung, Beschädigung, Vernichtung und Plünderung durch Kriegsschiffe und Kaper; für die Kosten, welche entstehen aus der Anhaltung und Reklamirung, aus der Blokade des Aufenthaltshafens oder der Zurückweisung von einem blokirten Hafen oder aus dem freiwilligen Aufent­ halte wegen Kriegsgefahr; für die nachstehenden Folgen eines solchen Aufenthalts: Verderb und Verminderung der Güter, Kosten und Gefahr ihrer Ent­ löschung und Lagerung, Kosten ihrer Weiterbeförderung. Im Zweifel wird angenommen, daß ein eingetretener Schaden durch Kriegsgefahr nicht verursacht sei. Eine Vereinbarung der im Abs. 1 bezeichneten Art wird namentlich angenommen, wenn der Vertrag mit der Klausel: „nur für Seegefahr" abgeschlossen ist. § 850. Ist der Vertrag mit der Klausel: „für behaltene Ankunft" abgeschlossen, so endet die Gefahr für den Versicherer schon mit dem Zeit­ punkt, in welchem das Schiff im Bestimmungshafen am gebräuchlichen oder gehörigen Platze den Anker hat fallen lassen oder befestigt ist. Auch haftet der Versicherer nur: 1. bei der auf das Schiff sich beziehenden Versicherung, wenn entweder ein Totalverlust eintritt oder wenn das Schiff abandonnirt (§ 861) oder in Folge eines Unfalls vor der Erreichung des Bestimmungs­ hafens wegen Reparaturunfähigkeit oder wegen Reparaturunwürdigkeit verkauft wird (§ 873); 2. bei der auf Güter sich beziehenden Versicherung, wenn die Güter oder ein Theil der Güter in Folge eines Unfalls den Bestimmungshafen nicht erreichen, insbesondere wenn sie vor der Erreichung des Be­ stimmungshafens in Folge eines Unfalls verkauft werden. Erreichen die Güter den Bestimmungshafen, so haftet der Versicherer weder für eine Beschädigung noch für einen Verlust, der die Folge einer Be­ schädigung ist. Ueberdics hat der Versicherer in keinem Falle die im § 834 erwähnten Beitrüge, Aufopferungen und Kosten zu tragen.

§ 851. Ist der Vertrag mit der Klausel: „frei von Beschädigung außer im Strandungsfall" abgeschlossen, so haftet der Versicherer nicht für einen Schaden, der aus einer Beschädigung entsteht, ohne Unterschied, ob der Schaden in einer Wcrthsverringerung oder in einem gänzlichen oder theilweisen Verlust und insbesondere darin besteht, daß die versicherten Güter gänzlich verdorben und in ihrer ursprünglichen Beschaffenheit zer-

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XXVI. Handelsgesetzbuch.

stört den Bestimmungshafen erreichen oder während der Reise wegen Be­ schädigung und drohenden Verderbs verkauft worden sind, es sei denn, daß das Schiff oder das Leichterfahrzeug, in welchem sich die versicherten Güter befanden, gestrandet ist. Der Strandung werden folgende Seeunsälle gleich geachtet: Kentern, Sinken, Zerbrechen des Rumpfes, Scheitern und jeder Seeunfall, durch den das Schiff oder das Leichterfahrzeug reparatur­ unfähig geworden ist. Hat sich eine Strandung oder ein dieser gleich zu achtender anderer Seeunfall ereignet, so haftet der Versicherer für jede drei Prozent (§ 845) übersteigende Beschädigung, die in Folge eines solchen Seeunfalls entstanden ist, nicht aber für eine sonstige Beschädigung. Es wird vermuthet, daß eine Beschädigung, die möglicherweise Folge des eingetretenen Seeunfalls sein kann, in Folge des Unfalls entstanden sei. Für jeden Schaden, der nicht aus einer Beschädigung entsteht, haftet der Versicherer, ohne Unterschied, ob sich eine Strandung oder ein anderer der erwähnten Unfälle zugetragen hat oder nicht, in derselben Weise, als wenn der Vertrag ohne die Klausel abgeschlossen wäre. Jedenfalls haftet er für die im § 834 unter Nr. 1, 2,4 erwähnten Beiträge, Aufopferungen und Kosten, für die im § 834 unter Nr. 3 erwähnten Kosten aber nur dann, wenn sie zur Abwendung eines ihm zur Last fallenden Verlustes verausgabt worden sind. Eine Beschädigung, die ohne Selbstentzündung durch Feuer oder durch Löschung eines solchen Feuers oder durch Beschießen entstanden ist, wird als eine solche Beschädigung, von welcher der Versicherer durch die Klausel befreit wird, nicht angesehen.

8 852.

Wenn der Vertrag mit der Klausel: „frei von Bruch außer im Strandungsfall" abgeschlossen ist, so finden die Vorschriften des § 851 mit der Maßgabe Anwendung, daß der Versicherer für Bruch in­ soweit haftet, als er nach § 851 für Beschädigung auszukommen hat.

8 853.

Eine Strandung im Sinne der §§ 851, 852 ist vorhanden, wenn das Schiff unter nicht gewöhnlichen Verhältnissen der Seeschiffahrt auf den Grund festgeräth und nicht wieder flott wird oder zwar wieder

flott wird, jedoch entweder 1. nur unter Anwendung ungewöhnlicher Maßregeln, wie Kappen der Masten, Werfen oder Löschung eines Theiles der Ladung und der­ gleichen, oder durch den Eintritt einer ungewöhnlich hohen Fluth, nicht aber ausschließlich durch Anwendung gewöhnlicher Maßregeln, wie Winden auf den Anker, Backstellen der Segel und dergleichen, oder 2. erst nachdem daß Schiff durch das Festgerathen einen erheblichen

Schaden am Schiffskörper erlitten hat.

fünfter Titel.

Umfang dk§ Schadens. 8 854.

Ein Totalverlust des Schiffes oder der Güter liegt vor, wenn das Schiff oder die Güter zu Grunde gegangen oder dem Versicherten ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen sind, namentlich wenn sie

unrettbar gesunken ober in ihrer ursprünglichen Beschaffenheit zerstört ober für gute Prise erklärt sinb. Ein Totalverlust bes Schiffes wirb baburch nicht ausgeschlossen, baß einzelne Theile bes Wrackes ober bes Inventars gerettet sinb. § 855, Ein Totalverlust in Ansehung ber Fracht liegt vor, wenn bie ganze Fracht verloren gegangen ist. § 856. Ein Totalverlust in Ansehung bes imaginären Gewinns ober in Ansehung ber Provision, welche von ber Ankunft ber Güter am Bestimmungsort erwartet werben, liegt vor, wenn bie Güter benBestimmungsort nicht erreicht haben. § 857. Ein Totalverlust in Ansehung ber Bobmerei- unb Haverei­ gelder liegt vor, wenn bie Gegenstände, welche verbodmet ober für welche bie Havereigelber vorgeschossen ober verausgabt sind, entweder von einem Totalverlust ober dergestalt von anderen Unfällen betroffen sinb, baß in Folge ber dadurch herbeigeführten Beschädigungen, Verbodmungen ober sonstigen Belastungen zur Deckung jener Gelber nichts übrig geblieben ist.

§ 858. Im Falle bes Totalverlustes hat ber Versicherer bie Ver­ sicherungssumme zum vollen Betrage zu zahlen, jedoch unbeschadet der nach § 800 etwa zu machenden Abzüge. § 859. Ist im Falle bes Totalverlustes vor ber Zahlung ber Ver­ sicherungssumme etwas gerettet, so kommt ber Erlös des Geretteten von ber Versicherungssumme in Abzug. War nicht zum vollen Werthe versichert, so wirb nur ein verhältmßmäßiger Theil bes Geretteten von der Ver­ sicherungssumme abgezogen. Mit der Zahlung der Versicherungssumme gehen bie Rechte bes Ver­ sicherten an der versicherten Sache auf den Versicherer über. Erfolgt erst nach der Zahlung der Versicherungssumme eine vollständige ober theilweise Rettung, so hat auf bas nachträglich Gerettete nur der Ver­ sicherer Anspruch. War nicht zum vollen Werthe versichert, so gebührt dem Versicherer nur ein verhältnißmäßiger Theil bes Geretteten. § 860. Sind bei einem Totalverlust in Ansehung bes imaginären Gewinns (§ 856) bie Güter während ber Reise so günstig verkauft, daß ber Reinerlös mehr beträgt als ber Versicherungswerth der Güter, ober ist für bie Güter, wenn sie in Fällen ber großen Haverei aufgeopfert worben sinb ober wenn dafür nach Maßgabe ber §§ 611, 612 Ersatz geleistet werben muß, mehr als jener Werth vergütet, so kommt von ber Versicherungs­ summe des imaginären Gewinns ber Ueberschuß in Abzug. § 861. Der Versicherte ist befugt, bie Zahlung ber Versicherungs­ summe zum vollen Betrage gegen Abtretung ber in Ansehung bes ver­ sicherten Gegenstanbes ihm zustehenben Rechte in folgenben Fällen zu ver­ langen (Abanbon): 1. wenn bas Schiff verschollen ist; 2. wenn ber Gegenstand ber Versicherung dadurch bedroht ist, baß bas Schiff ober bie Güter unter Embargo gelegt, von einer kriegführenden Macht aufgebracht, auf andere Weise durch Verfügung von hoher

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X XVI Handclsgcsctzbuch.

Hand angehalten oder durch Seeräuber genommen und während einer Frist von sechs, neun oder zwölf Monaten nicht freigegeben sind, je nachdem die Aufbringling, Anhaltung oder Nehmung geschehen ist: a. in einem europäischen Hafen oder in einem europäischen Meere ein­ schließlich aller Häfen oder Theile des Mittelländischen, Schwarzen und Azowschen Meeres oder b. in einein anderen Gewässer, jedoch diesseits des Vorgebirges der guten Hoffnung und des Kap Horn, oder c. in einem Gewässer jenseits des einen jener Vorgebirge. Die Fristen werden von dem Tage an berechnet, an welchem dem Versicherer der Unfall durch den Versicherten angczeigt wird (§ 818).

§ 882. Ein Schiff, welches eine Reise angetreten hat, ist als verschollen anzusehen, wenn es innerhalb der Verschollenheitsfrist den Be­ stimmungshafen nicht erreicht hat, auch innerhalb dieser Frist den Betheiligtcn keine Nachrichten über das Schiff zugegangen find. Die Verschollenheitsfrist beträgt: 1. wenn sowohl der Abgangshafen als der Bestimmungshafen ein europäischer Hafen ist, bei Segelschiffen sechs, bei Dampfschiffen vier Monate; 2. wenn entweder nur der Abgangshafen oder nur der Bestimmungs­ hafen ein außereuropäischer Hafen ist, falls er diesseits des Vor­ gebirges der guten Hoffnung und des Kap Horn belegen ist, bei Segel- und Dampfschiffen neun Monate, falls er jenseits des einen jener Vorgebirge belegen ist, bei Segel- und Dampfschiffen zwölf Monate; 3. wenn sowohl der Abgangs- als der Bestimmungshafen ein außer­ europäischer Hafen ist, bei Segel- und Dampfschiffen sechs, neun oder zwölf Monate, je nachdem die Durchschnittsdauer der Reise nicht über zwei oder nicht über drei oder mehr als drei Monate beträgt. Im Zweifel ist die längere Frist abzuwarten. § 863. Die Verschollenheitsfrist wird von dem Tage an berech­ net, an welchem das Schiff die Reise angetreten hat. Sind jedoch feit deffen Abgänge Nachrichten von ihm angelangt, so wird von dem Tage an, bis zu welchem die letzte Nachricht reicht, diejenige Frist berechnet, welche maßgebend sein würde, wenn das Schiff von dem Punkte, an welchem es sich nach sicherer Nachricht zuletzt befunden hat, abgegangen wäre.

§ 864. Die Abandonerklärung muß dem Versicherer innerhalb der Abandonfrist zugegangen sein. Die Abandonfrist beträgt sechs Monate, wenn im Falle der Ver­ schollenheit (§ 861 Abs. 1 Nr. 1) der Bestimmungshafen ein europäischer Hafen ist und wenn im Falle der Ausbringung, Anhaltung oder Neh­ mung (8 861 Abs. 1 Nr. 2) der Unfall sich in einem europäischen Hafen oder in einem europäischen Meere einschließlich aller Häfen oder Theile des Mittelländischen, Schwarzen und Azowschen Meeres zugetragen hat. Zn den übrigen Fällen beträgt die Abandonfrist neun Monate. Die Abandonfrist beginnt mit dem Ablaufe der in den §§ 861, 862 bezeich arten Fristen.

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Bei der Rückversicherung beginnt die Abandonfrist mit dem Ablaufe des Tages, an welchem dem Rückversicherten von dem Versicherten der Abandon erklärt worden ist. § 865. Nach dem Ablaufe der Abandonfrist ist der Abandon unstatthaft, unbeschadet des Rechtes des Versicherten, nach Maßgabe der sonstigen Grundsätze Vergütung eines Schadens in Anspruch zu nehmen. Ist im Falle der Verschollenheit des Schiffes die Abandonfrist ver­ säumt, so kann der Versicherte zwar den Ersatz eines Totalschadens fordern; er hat jedoch, wenn die versicherte Sache wieder zum Vorscheine kommt und sich dabei ergiebt, daß ein Totalverlust nicht vorliegt, auf Verlangen des Versicherers gegen Verzicht des letzteren auf die in Folge der Zah­ lung der Versicherungssumme nach § 859 ihm zustehenden Rechte die Ver­ sicherungssumme zu erstatten und sich mit dem Ersatz eines etwa erlittenen theilweisen Schadens zu begnügen.

§ 866. Die Abandonerklärung muß, um gültig zu sein, ohne Vorbehalt oder Bedingung erfolgen und sich auf den ganzen versicherten Gegenstand erstrecken, soweit dieser zur Zeit des Unfalls den Gefahren der See ausgesetzt war. Wenn jedoch nicht zum vollen Werthe versichert war, so ist der Ver­ sicherte nur den verhältnißmäßigen Theil des versicherten Gegenstandes zu abandonniren verpflichtet. Die Abandonerklärung ist unwiderruflich. § 867. Die Abandonerklärung ist ohne rechtliche Wirkung, wenn die Thatsachen, auf welche sie gestützt wird, sich nicht bestätigen oder zur Zeit der Mittheilung der Erklärung nicht mehr bestehen. Dagegen bleibt sie für beide Theile verbindlich, auch wenn sich später Umstände ereignen, deren früherer Eintritt das Recht zum Abandon ausgeschlossen haben würde. § 868. Durch Abandonerklärung gehen auf den Versicherer alle Rechte über, die dem Versicherten in Ansehung des abandonnirten Gegen­ standes zustanden. Der Versicherte hat dem Versicherer Gewähr zu leisten wegen der auf dem abandonnirten Gegenstände zur Zeit der Abandonerklärung has­ tenden dinglichen Rechte, es sei denn, daß sich diese auf Gefahren gründen, für die der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag aufzukommen hat. Wird das Schiff abandonnirt, so gebührt dem Versicherer des Schiffes die Nettofracht der Reise, auf welcher sich der Unfall zugetragen hat, soweit die Fracht erst nach der Abandonerklärung verdient ist. Dieser Theil der Fracht wird nach den für die Ermittelung der Distanzfracht geltenden Vor­ schriften berechnet. Den hiernach für den Versicherten entstehenden Verlust hat, wenn die Fracht selbständig versichert ist, der Versicherer der Fracht zu tragen. § 869. Die Zahlung der Versicherungssumme kann erst verlangt werden, nachdem die zur Rechtfertigung des Abandons dienenden Urkunden dein Versicherer mitgetheilt sind und eine angemessene Frist zu deren Prüfling abgelaufen ist. Wird wegen Verschollenheit des Schiffes abandonnirt, so

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XXVI. Handelsgesetzbuch.

gehören zu den mitzutheilenden Urkunden glaubhafte Bescheinigungen über die Zeit, in welcher das Schiff den Abgangshafen verlassen hat, und über die Nichtankunft des Schiffes im Bestimmungshafen während der Verschollenheitsfrist.

Der Versicherte ist verpflichtet, bei der Abandonerklärung, soweit er dazu im Stande ist, dem Versicherer anzuzeigen, ob und welche andere den abandonnirten Gegenstand betreffende Versicherungen genommen sind sowie ob und welche Bodmereischulden oder sonstige Belastungen darauf hasten. Ist die Anzeige unterblieben, so kann der Versicherer die Zahlung der Ver­ sicherungssumme so lange verweigern, bis die Anzeige nachträglich geschehen ist; wenn eine Zahlungsfrist bedungen ist, so beginnt diese erst mit dem Zeitpunkt, in welchem die Anzeige nachgeholt wird.

§ 870. Der Versicherte ist verpflichtet, auch nach der Abandon­ erklärung für die Rettung der versicherten Sachen und für die Abwendung größerer Nachtheile nach § 819 und zwar so lange zu sorgen, bis der Ver­ sicherer selbst dazu im Stande ist. Erfährt der Versicherte, daß ein für verloren erachteter Gegenstand wieder zum Vorscheine gekommen ist, so muß er dies dem Versicherer sofort anzeigen und ihm aus Verlangen die zur Erlangung oder Verwerthung des Gegenstandes erforderliche Hülfe leisten. Die Kosten hat der Versicherer zu ersetzen; auch hat er den Ver­ sicherten auf Verlangen mit einem angemeffenen Vorschuffe zu versehen.

§ 871. Der Versicherte muß dem Versicherer, wenn dieser die Rechtmäßigkeit des Abandons anerkennt, auf befielt Verlangen und auf dessen Kosten über den nach § 868 durch die Abandonerklärung eingetretenen Uebergang der Rechte eine öffentlich beglaubigte AnerkennungsurkundesAbandon­ revers) ertheilen und die auf die abandonnirten Gegenstände sich beziehenden Urkunden ausliefern.

§ 872. Bei einem theilweisen Schaden am Schiffe besteht der Schaden in dem nach den §§ 709,710 zu ermittelnden Betrage der Ausbesserungskosten, soweit diese die Beschädigungen betreffen, welche dem Ver­ sicherer zur Last fallen. § 873. Ist die Reparaturunfähigkeit oder Reparaturunwürdigkeit des Schiffes (§ 479) auf dem im § 530 vorgeschriebenen Wege festgestellt, so ist der Versicherte dem Versicherer gegenüber befugt, das Schiff oder das Wrack zum öffentlichen Verkaufe zu bringen; im Falle des Verkaufs be­ steht der Schaden in dem Unterschiede zwischen dem Reinerlös und dem Versicherungswerthe.

Die übernommene Gefahr endet für den Versicherer erst mit dem Verkaufe des Schiffes oder des Wrackes; auch haftet der Versicherer für den Eingang des Kaufpreises. Bei der zur Ermittelung der Reparaturunwürdigkeit erforderlichen Feststellung des Werthes des Schiffes im unbeschädigten Zustande bleibt dessen Versicherungswerth, gleichviel ob er taxirt ist oder nicht, außer

Betracht.

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K 874. Der Beginn der Ausbesserung schließt die Ausübung des im § 873 dem Versicherten eingeräumten Rechtes nicht aus, wenn erst später erhebliche Schäden entdeckt werden, die dem Versicherten ohne sein Ver­ schulden unbekannt geblieben waren. Macht der Versicherte von dem Rechte nachträglich Gebrauch, so muß der Versicherer die bereits aufgewendeten Ausbesserungskosten insoweit besonders vergüten, als durch die Ausbesserung bei dem Verkaufe des Schiffes ein höherer Erlös erzielt worden ist. K 875. Bei Gütern, die beschädigt im Bestimmungshafen an­ kommen, ist durch Vergleichung des Bruttowerths, den sie daselbst im beschädigten Zustande haben, mit dem Bruttowerthe, welchen sie dort im unbeschädigten Zustande haben würden, zu ermitteln, wie viele Prozente des Werthes der Güter verloren sind. Ebensoviele Prozente des Ver­ sicherungswerths sind als der Betrag des Schadens anzusehen. Die Ermittelung des Werthes, welchen die Güter im beschädigten Zustande haben, erfolgt durch öffentlichen Verkauf oder, wenn der Ver­ sicherer einwilligt, durch Abschätzung. Der Werth, welchen die Güter im unbeschädigten Zustande haben würden, bestimmt sich nach § 611 Abs. 1. Der Versicherer hat außerdem die Besichtigungs-, Abfchätzungs- und Verkaufskosten zu tragen. § 876. Geht ein Theil der Güter auf der Reise verloren, so besteht der Schaden in ebensovielen Prozenten des Versicherungswerths, als Prozente des Werthes der Güter verloren gegangen sind. § 877. Sind Güter aus der Reise in Folge eines.Unfalls ver­ kauft worden, so besteht der Schaden in dem Unterschiede zwischen dem nach Abzug der Fracht, der Zölle und Verkaufskosten sich ergebenden Reinerlöse der Güter und deren Versicherungswerthe. Die übernommene Gefahr endet für den Versicherer erst mit dem Verkaufe der Güter; auch hastet der Versicherer für den Eingang des Kaufpreises. Die Vorschriften der 88 834 bis 838 bleiben unberührt.

§ 878. Bei einem theilweisen Verluste der Fracht besteht der Schaden in demjenigen Theile der bedungenen oder in deren Erniangelung der üblichen Fracht, welcher verloren gegangen ist. Ist die Fracht taxirt und die Taxe nach § 793 Abs. 4 in Bezug auf einen von dem Versicherer zu ersetzenden Schaden maßgebend, so be­ steht der Schaden in ebensovielen Prozenten der Taxe, als Prozente der bedungenen oder üblichen Fracht verloren sind.

§ 879. Bei einem imaginären Gewinn oder einer Provision, die von der Ankunft der Güter erwartet werden, besteht der Schaden, wenn die Güter in beschädigtem Zustand ankommen, in ebensovielen Prozenten des als Gewinn oder Provision versicherten Betrags, als der nach § 875 zu ermittelnde Schaden an den Gütern Prozente des Versicherungswerths der letzteren beträgt. Erreicht ein Theil der Güter den Bestimmungshafen nicht, so besteht der Schaden in ebensovielen Prozenten des als Gewinn oder Provision

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XXVI. Handelsgesetzbuch.

versicherten Betrags, als der Werth des in dem Bestimmungshafen nicht angelangten Theiles der Güter Prozente des Werthes aller Güter beträgt. Sind bei der Versicherung des imaginären Gewinns in Ansehung des nicht angelangten Theiles der Güter die Voraussetzungen des § 860 vorhanden, so kommt von dem Schaden der im § 860 bezeichnete Über­ schuß in Abzug.

§ 880. Bei Bodmerei- oder Havereigeldern besteht im Falle eines theilweisen Verlustes der Schaden in dem Ausfälle, welcher sich darauf gründet, daß der Gegenstand, der verbodmet oder für den die Havereigelder vorgeschoffen oder verausgabt sind, zur Deckung der Bodmerei- oder Haverei­ gelder in Folge späterer Unfälle nicht mehr genügt. § 881. Der Versicherer hat den nach den §§ 872 bis 880 zu berechnenden Schaden vollständig zu vergüten, wenn zum vollen Werthe versichert war, jedoch unbeschadet der Vorschrift des § 800; war nicht zum vollen Werthe versichert, so hat er nach Maßgabe des § 792 nur einen verhältnißmäßigen Theil dieses Schadens zu vergüten. Sechster Titel.

Bezahlung des Schadens. § 882. Der Versicherte hat, um den Ersatz eines Schadens fordern zu können, eine Schadensberechnung dem Versicherer mitzutheilen. Er muß zugleich durch genügende Belege dem Versicherer darthun: 1. sein Interesse; 2. daß der versicherte Gegenstand den Gefahren der See ausgesetzt worden ist; 3. den Unfall, auf den der Anspruch gestützt wird: 4. den Schaden und dessen Umfang. § 883. Bei der Versicherung für fremde Rechnung hat sich außer­ dem der Versicherte darüber auszuweisen, daß er dem Versicherungsnehmer zum Abschlüsse des Vertrags Auftrag ertheilt hat. Ist die Versicherung ohne Auftrag geschlossen (§ 782), so muß der Versicherte die Umstände dar­ thun, aus welchen hervorgeht, daß die Versicherung in seinem Interesse genommen ist.

§ 884. Als genügende Belege , sind im Allgemeinen solche Belege anzusehen, die im Handelsverkehre, namentlich wegen der Schwierigkeit der Beschaffung anderer Beweise, nicht beanstandet zu werden pflegen, ins­ besondere 1. zum Nachweise des Jntereffes: bei der Versicherung des Schiffes die üblichen Eigenthumsurkunden; bei der Versicherung von Gütern die Fakturen und Konnossemente, sofern nach deren Inhalt der Versicherte zur Verfügung über die Güter befugt erscheint; bei der Versicherung der Fracht die Chartepartien und Konnoffe­

mente; 2. zum Nachweise der Verladung der Güter die Konnoffemente;

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3. zum Nachweise des Unfalls die Verklarung und das Tagebuch, in Kondemnationsfällen das Erkenntniß des Prisengerichts, in Verschollenbeitsfällen glaubhafte Bescheinigungen über die Zeit, in welcher das Schiss den Abgangshafen verlassen hat, und über die Nichtankunft des Schiffes im Bestimmungshafen während der Verschollenheitsfrist; 4. zum Nachweise des Schadens mii) dessen Umfanges die den Gesetzen oder Gebräuchen des Ortes der Schadensermittelung entsprechenden Besichtigungs-, Abschätzungs- und Versteigerungsurkunden sowie die Kosten­ anschläge der Sachverständigen, ferner die quittirten Rechnungen über die ausgeführten Ausbesserungen und andere Quittungen über geleistete Zahlungen; in Ansehung eines theilweisen Schadens am Schiffe (§§ 872, 873) genügen jedoch die Besichtigung^- und Abschätzungsurkunden so­ wie die Kostenanschläge nur dann, wenn die etwaigen Schäden, die sich auf Abnutzung, Alter, Fäulniß oder Wurmfraß gründen, gehörig ausgeschieden sind und wenn zugleich, soweit es ausführbar war, solche Sachverständige zugezogen worden sind, die entweder ein für alle­ mal obrigkeitlich bestellt oder von dem Ortsgericht oder dem deutschen Konsul, und in deren Ermangelung oder sofern deren Mitwirkung sich nicht erlangen ließ, von einer anderen Behörde besonders ernannt waren.

§ 885. Eine Vereinbarung, durch die der Versicherte von dem Nachweise der im § 882 erwähnten Umstände oder eines Theiles dieser Umstände befreit wird, ist gültig, jedoch unbeschadet des Rechtes des Ver­ sicherers, das Gegentheil zu beweisen. Die bei der Versicherung von Gütern getroffene Vereinbarung, daß das Konnossement nicht vorzulegen ist, befreit nur von dem Nachweise der Verladung. § 886. Bei der Versicherung für fremde Rechnung ist der Ver­ sicherungsnehmer ohne Beibringung einer Vollmacht des Versicherten legitimirt, über die Rechte, die im Versicherungsverträge für den Versicherten aus­ bedungen sind, zu verfügen sowie die Versicherungsgelder zu erheben und einzuklagen. Diese Vorschrift gilt jedoch im Falle der Ertheilung einer Polize nur dann, wenn der Versicherungsnehmer die Polize beibringt. , Ist die Versicherung ohne Auftrag genommen, so bedarf der Ver­ sicherungsnehmer zur Erhebung oder Einklagung der Versicherungsgelder der Zustimmung des Versicherten.

§ 887. Im Falle der Ertheilung einer Polize hat der Versicherer die Dcrsicherungsgelder dem Versicherten zu zahlen, wenn dieser die Polize beibringt.

§ 888. Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet, die Polize dem Versicherten oder den Gläubigern oder der Konkursmasse des Versicherten auszuliefern, bevor er wegen der gegen den Versicherten in. Bezug auf den versicherten Gegenstand ihm zustehenden Ansprüche befriedigt ist. Im Falle eines Schadens kann der Versicherungsnehmer sich wegen dieser Ansprüche aus der Forderung, welche gegen den Versicherer begründet ist, und nach Einziehung der Versicherungsgelder aus den letzteren vorzugsweise vor dem Versicherten und vor dessen Gläubigern befriedigen.

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XXVI. Handelsgesetzbuch.

§ 889. Der Versicherer macht sich dem Versichcrungsnehiner ver­ antwortlich, wenn er, während sich dieser noch im Besitze der Polize be­ findet, durch Zahlungen, die er dem Versicherten oder den Gläubigern oder der Konkursmafie des Versicherten leistet, oder durch Verträge, die er mit ihnen schließt, das im § 888 bezeichnete Recht des Versicherungsnehmers beeinträchtigt. Inwiefern sich der Versicherer einem Dritten, welchem Rechte aus der Polize eingeräumt sind, dadurch verantwortlich macht, daß er über diese Rechte Verträge schließt oder Versicherungsgelder zahlt, ohne sich die Polize zurückgeben zu lassen oder sie mit der erforderlichen Bemerkung zu versehen, bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. § 890. Wird der Versicherer auf Zahlung der Versicherungsgelder in Anspruch genommen, so kann er bei der Versicherung für fremde Rechnung Forderungen, die ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehen, nicht auf­ rechnen.

§ 891. Der Versicherte ist befugt, nicht nur die aus einem bereits eingetretenen Unfall ihm zustehenden, sondern auch die künftigen Ent­ schädigungsansprüche einem Dritten abzutreten. Ist die Polize nach § 363 Abs. 2 an Order gestellt, so ist bei der Versicherung für fremde Rechnung zur Gültigkeit der ersten Uebertragung das Indossament des Versicherungs­ nehmers genügend. K 892. Wenn nach dem Ablaufe von zwei Monaten seit der Anzeige des Unfalls die Schadensberechnung (§ 882) ohne Verschulden des Versicherten noch nicht vorgelegt, wohl aber durch ungefähre Ermittelung die Summe festgestellt worden ist, welche dem Versicherer mindestens zur Last fällt, so hat letztere diese Summe in Anrechnung auf seine Schuld vorläufig zu zahlen, jedoch nicht vor dem Ablaufe der etwa für die Zah­ lung der Versicherungsgelder bedungenen Frist. Soll die Zahlungsfrist mit dem Zeitpunkte beginnen, in welchem dem Versicherer die Schadens­ berechnung mitgetheilt ist, so wird sie in dem bezeichneten Falle von der Zeit an berechnet, in welcher dem Versicherer die vorläufige Ermittelung mitgetheilt ist. K 893. Der Versicherer hat: 1. in Havereifällen zu den für die Rettung, Erhaltung oder Wieder­ herstellung der versicherten Sache nöthigen Ausgaben in Anrechnung auf seine später festzustellende Schuld zwei Drittheile des ihm zur Last fallenden Betrags, 2. bei Aufbringung des Schiffes oder der Güter den vollen Betrag der ihm zur Last fallenden Kosten des Reklameprozesses, sowie sie erforder­ lich werden, vorzuschießen. Siebenter Titel.

Aushebung der Versicherung Md Rückzahlung der Prämie. § 894. Wird die Unternehmung, auf welche sich die Versicherung bezieht, ganz oder zu einem Theile von dem Versicherten aufgegeben oder wird ohne sein Zuthun die ganze versicherte Sache oder ein Theil dieser

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Sache der von dem Versicherer übernommenen Gefahr nicht ausgesetzt, so kann die Prämie ganz oder zu dem verhältnißmäßigen Theile bis auf eine dem Versicherer gebührende Vergütung zurückgefordert oder einbehalten werden (Ristorno). Die Vergütung (Ristornogebühr) besteht, sofern nicht ein anderer Betrag vereinbart oder am Orte der Versicherung üblich ist, in einem halben Prozente der ganzen oder des entsprechenden Theiles der Ver­ sicherungssumme, wenn aber die Prämie nicht ein Prozent der Versicherungs­ summe erreicht, in der Hälfte der ganzen oder des verhältnißmäßigen Theiles der Prämie.

§ 895* Ist die Versicherung wegen Mangels des versicherten Interesses (§ 778) oder wegen Ueberversicherung (§ 786) oder Doppelver­ sicherung (§ 788) unwirksam und hat sich der Versicherungsnehmer bei dem Abschluffe des Vertrags und im Falle der Versicherung für fremde Rechnung auch der Versicherte bei der Ertheilung des Auftrags in gutem Glauben befunden, so kann die Prämie gleichfalls bis auf die im § 894 bezeichnete Ristornogebühr zurückgefordert oder einbehalten werden. § 896. Die Anwendung der Vorschriften der §§ 894, 895 wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Versicherungsvertrag für den Ver­ sicherer wegen Verletzung der Anzeigepflicht oder aus anderen Gründen un­ verbindlich ist, selbst wenn der Versicherer ungeachtet dieser Unverbindlich­ keit auf die volle Prämie Anspruch hätte. § 897. Ein Ristorno findet nicht statt, wenn die Gefahr für den Versicherer bereits zu laufen begonnen hat. § 898. Wenn der Versicherer zahlungsunfähig geworden ist, so ist der Versicherte befugt, nach seiner Wahl entweder von dem Vertrage zurückzutreten und die ganze Prämie zurückzufordern oder einzubehalten oder auf Kosten des Versicherers nach Maßgabe des § 789 eine neue Versicherung zu nehmen. Dieses Recht steht ihm jedoch nicht zu, wenn ihm wegen der Erfüllung der Verpflichtungen des Versicherers genügende Sicherheit bestellt wird, bevor er von dem Vertrage zurückgetreten ist oder die neue Versicherung genommen hat.

§ 899. Wird der versicherte Gegenstand veräußert, so können dem Erwerber die dem Versicherten nach dem Versicherungsvertrag auch in Bezug aus künftige Unfälle zustehenden Rechte mit der Wirkung abgetreten werden, daß der Erwerber den Versicherer ebenso in Anspruch zu nehmen befugt ist, als wenn die Veräußerung nicht stattgefunden hätte und der Versicherte selbst den Anspruch erhöbe. Der Versicherer bleibt von der Haftung für die Gefahren befreit, welche nicht eingetreten sein würden, wenn die Veräußerung unterblieben wäre. Er kann sich nicht nur der Einreden und Gegenforderungen bedienen, welche ihm unmittelbar gegen den Erwerber zustehen, sondern auch derjenigen, welche er dem Versicherten hätte entgegenstellen können, der aus dem Ver­ sicherungsverträge nicht hergeleiteten jedoch nur insofern, als sie bereits vor der Anzeige der Uebertragung entstanden sind. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze

61

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XXVI Handelsgesetzbuch.

Durch diese Vorschriften werden die rechtlichen Wirkungen der mittelst Indossaments erfolgten Uebertragung einer Polize, die an Order lautet, nicht berührt.

§ 900. Die Vorschriften des § 899 gelten auch im Falle der Ver­ sicherung einer Schiffspart. Ist das Schiff selbst versichert, so kommen sie nur zur Anwendung, wenn das Schiff während einer Reise veräußert wird. Der Anfang und das Ende der Reise bestimmen sich nach § 823. Ist das Schiff auf Zeit oder für mehrere Reisen (§ 757) versichert, so dauert die Versicherung im Falle 'der Veräußerung während einer Reise nur bis zur Entlöschung des Schiffes im nächsten Bestimmungshafen (§ 823). Elfter Abschnitt.

Verjährung. § 901. Die im § 754 Nr. 1 bis 9 aufgeführten Forderungen ver­ jähren in einem Jahre. Es beträgt jedoch die Verjährungsfrist zwei Jahre: 1. für die aus den Dienst- und Heuerverträgen herrührenden Forderungen der Schiffsbesatzung, wenn die Entlaffung jenseits des Vorgebirges der guten Hoffnung oder des Kap Horn erfolgt ist; 2. für die aus dem Zusammenstöße von Schiffen hergeleiteten Ent­ schädigungsforderungen. $ 902. Die nach § 901 eintretende Verjährung bezieht sich zu­ gleich auf die persönlichen Ansprüche, die dem Gläubiger etwa gegen den Rheder oder eine Person der Schiffsbesatzung zustehen.

§ 903. Die Verjährung beginnt: 1. in Ansehung der Forderungen der Schiffsbcsatzung (§ 754 Nr. 3) mit dem Ablaufe des Jahres, in welchem das Dienst- oder Heuerverhältniß endet, und, falls die Anstellung der Klage früher möglich und zu­ lässig ist, mit dem Ablaufe des Jahres, in welchem diese Voraus­ setzung eintritt; jedoch kommt das Recht, Vorschuß- und Abschlags­ zahlungen zu verlangen, für den Beginn der Verjährung nicht in Betracht; 2. in Ansehung der Forderungen wegen Beschädigung oder verspäteter Ablieferung von Ladungsgütern und Reisegut (§ 754 Nr. 7, 9) und wegen der Beiträge zur großen Haverei (§ 754 Nr. 5) mit dem Ab­ laufe des Jahres, in welchem die Ablieferung erfolgt ist, in Ansehung der Forderungen wegen Nichtablieferung von Gütern mit dem Ab­ laufe des Jahres, in welchem das Schiff den Hafen erreicht, wo die Ablieferung erfolgen sollte, und wenn dieser Hafen nicht erreicht wird, mit dem Ablaufe des Jahres, in welchem der Bethciligte sowohl hiervon als auch von dem Schaden zuerst Kenntniß erlangt: 3. in Ansehung der nicht unter Nr. 2 fallenden Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung (§ 754 Nr. 9) mit dem Ablaufe des Jahres, in welchem der Betheiligte von dem Schaden Kenntniß erlangt hat, in Ansehung der Entschädigungsforderungen

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wegen des Zusammenstoßes von Schiffen jedoch mit dem Ablaufe des Jahres, in welchem der Zusammenstoß stattgefunden hat; 4. in Ansehung aller anderen Forderungen mit dem Ablaufe des Jahres, in welchem die Forderung fällig geworden ist.

§ 904. Ferner verjähren in einem Jahre die auf den Gütern wegen der Bodmereigelder, der Beiträge zur großen Haverei und der Bergungs- und Hülfskosten haftenden Forderungen sowie die wegen dieser Gelder, Beiträge und Kosten begründeten persönlichen Ansprüche. Die Verjährung beginnt in Ansehung der Beiträge zur großen Haverei mit dem Abläufe des Jahres, in welchem die beitragspflichtigen Güter abgeliefert sind, in Ansehung der übrigen Forderungen mit dem Ablaufe des Jahres, in welchem die Fälligkeit eingetreten ist. § 905. Es verjähren in fünf Jahren die Forderungen des Ver­ sicherers und des Versicherten aus dem Versicherungsverträge. Die Verjährung beginnt mit dem Abläufe des Jahres, in welchem die versicherte Reise beendigt ist, und bei der Versicherung auf Zeit mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Versicherungszeit endet. Sie beginnt, wenn das Schiff verschollen ist, mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Verschollenheitsfrist endet. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei­ gedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel.

Gegeben Urville, den 10. Mai 1897.

(L 8.)

Wilhelm. Fürst zu Hohenlohe.

XXVII. €infiibrung$ge$etz zum ljandelsgesetzbucbe vom 10. War 1897. (R-ichsg-fetzblatt 1897 S. 437-454.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preuße« re. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundes­ raths und des Reichstags, was folgt:

Art. 1. Das. Handelsgesetzbuch tritt gleichzeitig mit dem Bürger­ lichen Gesetzbuch in Kraft. Der sechste Abschnitt des ersten Buches des Handelsgesetzbuchs tritt mit Ausnahme des 8 65 am 1. Januar 1898 in Kraft. Der siebente Abschnitt des dritten Buches des Handelsgesetzbuchs kann durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesraths vor dem im Abs. 1 bezeichneten Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden. Art. 2. In Handelssachen kommen die Vorschriften des Bürger­ lichen Gesetzbuchs nur insoweit zur Anwendung, als nicht im Handels­ gesetzbuch oder in diesem Gesetz ein Anderes bestimmt ist. Im Uebrigen werden die Vorschriften der Reichsgesetze durch das Handelsgesetzbuch nicht berührt.

Art. 3. Soweit in Reichsgesetzen oder in Landesgesetzen auf Vor­ schriften des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs verwiesen ist, treten die entsprechenden Vorschriften des Handelsgesetzbuchs an bereit Stelle. Art. 4. Die nach dem bürgerlichen Rechte mit einer Eintragung in das Güterrechtsregister verbundenen Wirkungen treten, sofern ein Ehe­ gatte Kaufmann ist und seine Handelsniederlassung sich nicht in dem Be­ zirke des für den Wohnsitz des Ehemanns zuständigen Registergerichts be­ findet, in Ansehung der auf den Betrieb des Handelsgewerbes sich beziehenden Rechtsverhältnisse nur ein, wenn die Eintragung auch in das Güterrechts­ register des für den Ort der Handelsniederlassung zuständigen Gerichts erfolgt ist. Bei mehreren Niederlassungen genügt die Eintragung in das Register des Ortes der Hauptniederlassung. Wird die Niederlassung verlegt, so finden die Vorschriften des § 1559 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung.

XXVII Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuche.

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Art. 5. Auf Bergwerksgesellschaften, die nach den Vorschriften der Landesgesetze nicht die Rechte einer juristischen Person besitzen, findet der § 2 des Handelsgesetzbuchs keine Anwendung. Art. 6. Die Vorschriften der §§ 474, 475 des Handelsgesetzbuchs finden auch im Falle der Veräußerung eines Seeschiffs, das nicht zum Erwerbe durch die Seefahrt bestimmt ist, sowie im Falle der Veräußerung eines Antheils an einem solchen Schiffe Anwendung. Art. 7. Die Vorschriften des § 485 und des § 486 Abs. 1 Nr. 3 des Handelsgesetzbuchs über die Haftung des Rheders für das Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung sowie die Vorschriften der §§ 734 bis 739 des Handelsgesetzbuchs über die Haftung im Falle des Zusammenstoßes von Schiffen finden auch Anwendung, wenn die Verwendung eines Schiffes zur Seefahrt nicht des Erwerbes wegen erfolgt. Art. 8. Aufgehoben werden: 1. das Gesetz, betreffend die Löschung nicht mehr bestehender Firmen und Prokuren im Handelsregister, vom 30. März 1888 (Reichs-Gesetzbl. S. 129); 2. der Artikel 80 der Wechselordnung; 3. der § 68 der Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872 (ReichsGesetzbl. S. 409); 4. der § 86 Abs. 2 des Gesetzes, betreffend die Unfallversicherung der Seeleute und anderer bei 6er Seeschiffahrt betheiligter Personen, vom 13. Juli 1887 (Reichs-Gesetzbl. S. 329).

Art. 9. Die Gewerbeordnung wird dahin geändert: I. Als § 15 a werden folgende Vorschriften eingestellt: Gewerbetreibende, die einen offenen Laden haben oder Gast­ oder Schankwirthschast betreiben, sind verpflichtet, ihren Familien­ namen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen an der Außenseite oder am Eingänge des Ladens oder der Wirthschaft in deutlich lesbarer Schrift anzubringen. Kaufleute, die eine Handelsfirma führen, haben zugleich die Firma in der bezeichneten Weise an dem Laden oder der Wirth­ schaft anzubringen; ist aus der Firma der Familienname des Geschäftsinhabers mit dem ausgeschriebenen Vornamen zu ersehen, so genügt die Anbringung der Firma. Auf offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien finden diese Vorschriften mit der Maßgabe Anwendung, daß für die Namen der persönlich hastenden Gesellschafter gilt, was in Betreff der Namen der Ge­ werbetreibenden bestimmt ist. Sind mehr als zwei Betheiligte vorhanden, deren Namen hiernach in der Aufschrift anzugeben wären, so genügt es, wenn 6ie Namen von zweien mit einem das Vorhandensein weiterer Betheiligter andeutenden Zusatz ausgenommen werden. Die Polizei­ behörde kann im einzelnen Falle die Angabe der Namen aller

Betheiligter anordnen.

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XXVII Eünsührungsgesetz zum Handelsgesetzbuche

II. Als § 133 f wird folgende Vorschrift eingestellt: Eine Vereinbarung zwischen dem Gewerbeunternehmer und einem der in § 133 a bezeichneten Angestellten, durch die der Angestellte für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhält­ nisses in seiner gewerblichen Thätigkeit beschränkt wird, ist für den Angestellten nur insoweit verbindlich, als die Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch welche eine unbillige Erschwerung seines Fortkommens aus­ geschlossen wird. Die Vereinbarung ist nichtig, wenn der Angestellte zur Zeit des Abschlusses minderjährig ist. III. Der § 148 erhält folgenden Zusatz: 14. wer den Vorschriften des g 15a zuwiderhandelt.

Art. 10 enthält Aenderungen des Gesetzes, betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsqenossenschaften, vom L Mai 1889 (R.-G.-Bl. S. 55), die unter XXIX eingestellt sind. Art. 11 enthält Aenderungen des Gesetzes, betreffend die Gesell­ schaften mit beschränkter Haftung, vom 20. April 1892 (R.-G.-Bl. S. 477), die unter XXX eingestellt sind. Art. 12 enthält Aenderungen des Gesetzes, betreffend die privat­ rechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, vom 15. Juni 1895 (R.-G.Bl. S. 301), die unter XXXI eingestellt sind.

Art. 13. Der Reichskanzler wird erinächtigt, die Texte des Ge­ setzes, betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, des Gesetzes, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, und des Gesetzes, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, wie sie sich aus den in den Artikeln 10 bis 12 vorgesehenen Aenderungen ergeben, unter fortlaufender Nummernsolge der Paragraphen und Abschnitte durch das Reichs-Gesetzblatt bekannt zu machen?) Hierbei sind die in den bezeichneten Gesetzen enthaltenen Verweisungen auf Vorschriften des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs durch Ver­ weisungen auf die nach Artikel 3 des gegenwärtigen Gesetzes an die Stelle jener Vorschriften tretenden Vorschriften zu ersetzen. Den Verweisungen auf Vorschriften der Civilprozeßordnung und der Konkursordnung sind diese Gesetze in der Fassung zu Grunde zu legen, welche sie durch das im Artikel 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche vorgesehene Gesetz er­ halten. Soweit in Reichsgesetzen oder in Landesgesetzen auf Vorschriften der im Abs. 1 bezeichneten Gesetze verwiesen ist, treten die entsprechenden Vor­ schriften der durch den Reichskanzler bekannt gemachten Texte an ihre Stelle.

Art. 14 enthält Aenderungen des Börsengesetzes vom 22. Juni 1896 (R.-G.-Bl. S. 157), die unter XXXIll eingestellt sind. Art. 15.

Die privatrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze bleiben insoweit unberührt, als es in diesem Gesetze bestimmt oder als im Handels­ gesetzbuch auf die Landesgesetze verwiesen ist. *J Siehe die Note 1 auf Seite 389

XXVII. Emführungsgesetz zum Handelsgesetzbuche.

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Soweit die Landcsgesetze unberührt bleiben, können auch neue landes­ gesetzliche Vorschriften erlassen werden.

Art. 16. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über Lagerscheine und Lagerpfandscheine, die Vorschriften über Lagerscheine jedoch nur insoweit, als sie den § 363 Abs. 2 und die §§ 364, 365, 424 des Handelsgesetzbuchs ergänzen. Art. 17.

Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über

Checks.

Art. 18. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über den Vertrag zwischen dem Brauer und dem Wirthe über die Lieferung von Bier, soweit sie das aus dem Vertrage sich ergebende Schuldverhältniß für den Fall regeln, daß nicht besondere Vereinbarungen getroffen werden.

Art. 19. Unberührt bleiben: 1. für das Großherzogthum Mecklenburg-Schwerin die §§ 51 bis 53, 55 der Verordnung vom 28. Dezenter 1863, betreffend die Publikation des Handelsgesetzbuchs, sowie die zur Abänderung dieser Verordnung ergangene Verordnung vom 22. Oktober 1869; 2 für die freie Hansestadt Bremen die Verordnung vom 12. Februar 1866, betreffend die Löschung der Seeschiffe, nebst den dazu später er­ gangenen Gesetzen; 3. für die freie und Hansestadt Hamburg der § 50 des Einführungs­ gesetzes zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuche vom 22. De­ zember 1865.

Art. 20. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen ein Pfandrecht an einem im Bau begriffenen Schiffe ohne Uebergabe des Schiffes durch Eintragung in ein besonderes Register bestellt werden kann, sowie die landesgesetzlichen Vorschriften über die Zwangsver­ steigerung eines solchen Schiffes. Art. 21. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften zur Ausführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, soweit sie durch das Bundesgesetz vom 5. Juni 1869 (Bundes-Gesetzbl. S. 379) aufrecht erhalten sind. Dies gilt jedoch nicht für die Vorschriften über kaufmännische Anweisungen. Art. 22. Die zur Zeit des Inkrafttretens des Handelsgesetzbuchs im Handelsregister eingetragenen Firmen können weitergeführt werden, soweit sie nach den bisherigen Vorschriften geführt werden durften. Die Vorschriften des § 20 des Handelsgesetzbuchs über die in die Firma der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien aufzunehmenden Bezeichnungen finden jedoch auf die bei dem Inkraft­ treten des Handelsgesetzbuchs für eine solche Gesellschaft in das Handels­ register eingetragene Firma Anwendung, wenn die Firma aus Personen­ namen zusammengesetzt ist und nicht erkennen läßt, daß eine Aktiengesell­ schaft oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien die Inhaberin ist.

Art. 23. Auf die Errichtung einer Aktiengesellschaft oder Kom­ manditgesellschaft auf Aktien, die vor dem Inkrafttreten des Handelsgesetz-

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XXVII Euisührungsgesetz zum Handelsgesetzbuche.

buchs zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet ist, finden die bisherigen Borschriften Anwendung, sofern vor diesem Zeitpunkte die Voraussetzungen erfüllt sind, an deren Nachweis die bisherigen Vorschriften die Eintragung knüpfen.

Art. 24. Sind die Aktien einer bestehenden Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft aus Wien gemäß den vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 18. Juli 1884 (Reichs-Gesetzbl. S. 123) in Geltung ge­ wesenen Vorschriften auf einen geringeren Betrag als eintausend Mark gestellt, so bleiben im Falle einer Zusammenlegung oder sonstigen Um­ wandlung dieser Aktien die Vorschriften des § 180 Abs. 1 des Handels­ gesetzbuchs außer Anwendung. Der Nennbetrag der Aktien darf jedoch nicht herabgesetzt werden. Wird das Grundkapital einer bestehenden Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien durch Ausgabe neuer Aktien erhöht, so finden die Vorschriften des § 180 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs auf die neuen Aktien Anwendung, auch wenn die Ausgabe mittelst Umwandlung von Aktien der im Abs. 1 bezeichneten Art geschieht. Diese Vorschriften gelten auch für Jnterimsscheine. Akt. 25. Die Vorschriften des § 228 des Handelsgesetzbuchs über die Krastloserklärung abhanden gekommener oder vernichteter Aktien finden auch in dem Falle Anwendung, daß eine Aktie vor dem Inkrafttreten des Handelsgesetzbuchs abhanden gekommen oder vernichtet worden ist. Art. 26. Die vor dem Inkrafttreten des Handelsgesetzbuchs er­ folgte Außerkurssetzung einer auf den Inhaber lautenden Aktie verliert mit dem Inkrafttreten des Handelsgesetzbuchs ihre Wirkung.

Art. 27. Auf Personen, die bei dem Inkrafttreten des Handels­ gesetzbuchs Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft sind, finden für die Dauer der Bestellung die Vorschriften des § 236 des Handels­ gesetzbuchs über den Betrieb eines Handelsgewerbes und über die Be­ theiligung an einer anderen Gesellschaft nur in der Beschränkung auf den Handelszweig der Aktiengesellschaft Anwendung. Art. 28. Die Vorschrift des § 283 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs über die Zusicherung von Rechten auf den Bezug neuauszugebender Aktien findet duf eine vor dem Inkrafttreten des Handelsgesetzbuchs ertheilte Zusicherung keine'Anwendung. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei­ gedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel.

Gegeben Urvilie, den 10. Mai 1897.

(L 8.)

Wilhelm. Fürst zu Hohenlohe.

XXVIII. Wechselordnung mit den nürnberger fiovellen. (B.G.Bl. 1869 S. 382 und 402.)')

Erster Abschnitt.

Von der WechselMigkett. Art. 1.

Wechselfähig ist Jeder, welcher sich durch Verträge ver­

pflichten kann.

Art. 2. Der Wechselschuldner hastet für die Erfüllung der über­ nommenen Wechselverbindlichkeit mit seiner Person und seinem Vermögen.*2) Art. 3. Finden sich auf einem Wechsel Unterschriften von Per­ sonen, welche eine Wechselverbindlichkeit überhaupt nicht, oder nicht mit vollem Erfolge eingehen können, so hat dies auf die Verbindlichkeit der übrigen Wechselverpflichteten keinen Einfluß. Zweiter Abschnitt.

Von gezogenen Wechseln. 1. Erfordernisse eines gezogenen Wechsels.

Alt. 4. Die wesentlichen Erfordernisse eines gezogenen Wechsels sind: 1) die in den Wechsel selbst aufzunehmende Bezeichnung als Wechsel, oder, wenn der Wechsel in einer fremden Sprache ausgestellt ist, ein jener Bezeichnung entsprechender Ausdruck in der fremden Sprache; *) Die Novellen find in den Text eingestellt, soweit sie noch gelten. Als Bundes- und Reichsgesetz ist die Wechselordnung eingeführt worden: für den norddeutschen Bund durch G. v. 5. Juni 1869 (B G.Bl S. 379), für Württemberg, Baden und Kurhefsen durch G. v. 16. Avril 1871 (B.G.Bl. S. 63), für Bayern durch G. v 22. April 1871 (B.G.Bl. S. 87), für die Reichslande durch G. v. 19. Juni 1872 (G.Bl. f. Els -Lothr. S. 213), für Helgoland durch Verordnung v 22. März 1891 (R.G Bl. S. 21).

2) Diese Fassung ergibt sich auf Grund des Gesetzes, betr. Aufhebung der Schuldhaft, v. 29 Mai 1868 (B G Bl. S. 237) in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Nr. 1 E G. z. C.P.O. foben unter VII]. Der § 1 des erstgenannten Gesetzes bestimmt: »Der Personalarrest ist als Exekutionsmittel in bürgerlichen Rechtssachen insoweit nicht mehr statthaft, als dadurch die Zahlung einer Geldsumme oder die Leistung einer Quantität vertretbarer Sachen oder Werthpapiere erzwungen werden soll." Über die Statthaftig­ keit des persönlichen Sicherhettsarrests entscheidet nun § 918 C.P.O. soben unter VI], gegenüber Ausländern der Art. 17 der Haager Konvention foben unter XXVJ.

970

XXVIII. Wechselordnung

2) die Angabe der zu zahlenden Geldsumme; 3) der Name der Person oder die Firma, an welche oder an deren Order gezahlt werden soll (des Remittenten); 4) die Angabe der Zeit, zu welcher gezahlt werden soll; die Zahlungs­ zeit kann für die gesainmte Geldsumme nur ein und dieselbe sein und nur festgesetzt werden aus einen bestimmten Tag, auf Sicht (Vorzeigung, a vista rc.) oder auf eine bestimmte Zeit nach Sicht, auf eine bestimmte Zeit nach dem Tage der Ausstellung (nach dato), auf eine Messe oder einen Markt (Meß- oder Marktwechsel); 5) die Unterschrift des Ausstellers (Trassanten) mit seinem Namen oder seiner Firma; 6) die Angabe des Ortes, Monatstages und Jahres der Ausstellung; 7) der Name der Person oder die Firma, welche die Zahlung leisten soll (des Bezogenen oder Trassaten); 8) die Angabe des Ortes, wo die Zahlung geschehen soll; der bei dem Namen oder der Firma des Bezogenen angegebene Ort gilt für den Wechsel, insofern nicht ein eigener Zahlungsort angegeben ist, als Zahlungsort und zugleich als Wohnort des Bezogenen.

Art. 5. Ist die zu zahlende Geldsumme (Art. 4 Nr. 2) in Buch­ staben und in Ziffern ansgedrückt, so gilt bei Abweichungen die in Buch­ staben ausgedrückte Summe. Ist die Summe mehrmals mit Buchstaben oder mehrmals mit Ziffem geschrieben, so gilt bei Abweichungen die geringere Summe. Art. 6. Nr. 3) bezeichnen Desgleichen bezeichnen, sofern stellung geschehen

Der Aussteller kann sich selbst als Remittenten (Art. 4 (Wechsel an eigene Order). kann der Aussteller sich selbst als Bezogenen (Art. 4 Nr.7) die Zahlung an einem anderen Orte als dem der Aus­ soll (trasfirt-eigene Wechsel).

Art. 7. Aus einer Schrift, welcher eines der wesentlichen Erfordernisse eines Wechsels (Art. 4) fehlt, entsteht keine wechselmäßige VerbiMichkeit. Auch haben die auf eine solche Schrift gesetzten Erklärungen (Indossament) Ahept, Avay keine Wechselkrast. Das in einem Wechsel enthaltene Zinsveyprechen gilt als nicht geschrieben. n. Verpflichtungen des Ausstellers.

Art. 8.

Der Aussteller eines Wechsels haftet für dessen Annahme und Zahlung wechselmäßig.

III. Indossament.

Art. 9. Der Remittent kann den Wechsel an einen anderm durch Jndoffament (Giro) übertragen. Hat jedoch der Aussteller die Uebertragung im Wechsel durch die Worte „nicht an Order" oder durch einen gleichbedeutenden Ausdruck uNtersagt, so hat das Indossament keine wechselrechtliche Wirkung.

Zweiter Abschnitt.

Von gezogenen Wechseln,

971

Art. 10. Durch das Indossament gehen alle Rechte aus dem Wechsel auf den Indossatar über, insbesondere auch die Befugniß, den Wechsel weiter zu indossiren. Auch an den Aussteller, Bezogenen, Akzep­ tanten oder einen früheren Indossanten kann der Wechsel gültig indossirt und von denselben weiter indossirt werden.

Art. 11. Das Indossament muß auf den Wechsel, eine Kopie des­ selben oder ein mit dem Wechsel oder der Kopie verbundenes Blatt (Alonge) geschrieben werden. Art. 12. Ein Indossament ist gültig, wenn der Indossant auch nur seinen Namen oder seine Firma auf die Rückseite des Wechsels oder der Kopie, oder auf die Alonge schreibt (Blanko-Indossament).

Art. 13. Jeder Inhaber eines Wechsels ist befugt, die auf dem­ selben befindlichen Blanko-Indossamente auszufüllen; er kann den Wechsel aber auch ohne diese Ausfüllung weiter indossiren. Art. 14. Der Indossant haftet jedem späteren Inhaber des Wech­ sels für dessen Annahme und Zahlung wechselmäßig. Hat er aber dem Indossamente die Bemerkung „ohne Gewährleistung", „ohne Obligo" oder einen gleichbedeutenden Vorbehalt hinzugefügt, so ist er von der Verbind­ lichkeit aus seinem Indossamente befreit.

Art. 15. Ist in dem Indossamente die Weiterbegebung durch die Worte „nicht an Order" oder durch einen gleichbedeutenden Ausdruck ver­ boten, so haben diejenigen, an welche der Wechsel' aus der Hand des Indossatars gelangt, gegen den Indossanten keinen Regreß. Art. 16. Wenn ein Wechsel indossirt wird, nachdem die für die Protesterhebung Mangels Zahlung bestimmte Frist abgelaufen ist, so er­ langt der Indossatar die Rechte aus dem etwa vorhandenen Akzepte gegen den Bezogenen und Regreßrechte gegen Diejenigen, welche den Wechsel nach Ablauf dieser Frist indossirt haben. Ist aber der Wechsel vor dem Indossamente bereits Mangels Zah­ lung protestirt worden, so hat der Indossatar nur die Rechte seines Jndosianten gegen den Akzeptanten, den Aussteller und Diejenigen, welche den Wechsel bis zur Protesterhebung indossirt haben. Auch ist in einem solchen Falle der Indossant nicht wechselmäßig verpflichtet.

Art. 17. Ist dem Indossamente die Bemerkung „zur Einkasfirung", „in Prokura" oder eine andere, die Bevollmächtigung aus­ drückende Formel beigefügt worden, so überträgt das Jndoffament das Eigenthum an dem Wechsel nicht, ermächtigt aber den Jndosiatar zur Einziehung der Wechselforderung, Protestcrhebung und Benachrichtigung des Vormannes seines Indossanten von der unterbliebenen Zahlung (Art. 45), sowie zur Einklagung der nicht bezahlten und zur Erhebung der dcponirten Wechselschuld. Ein solcher Indossatar ist auch berechtigt, diese Befugniß durch ein weiteres Prokura-Indossament einem Anderen zu übertragen. Dagegen ist derselbe zur weiteren Begebung durch eigentliches Indossament selbst dann nicht befugt, wenn dem Prokura-Indossamente der Zusatz „oder Order" hinzugefügt ist.

972

X XVIIL Wechselordnung

IV. Präsentation zur Annahme.

Art. 18. Der Inhaber eines Wechsels ist berechtigt, den Wechsel dem Bezogenen sofort zur Annahme zu Präsentiren und in Ermangelung der Annahme Protest erheben zu lassen. Eine entMmstehmde Uebereinkunft hat keine wechselrechtliche Wirkung. Nur bei Meß- oder Marktwechseln findet eine Ausnahme dahin statt, daß solche Wechsel erst in der an dem Meß- oder Marktorte gesetzlich bestimmten Prüsentationszeit zur Annahme präsentirt und in Ermangelung derselben protestirt werden können. Der bloße Besitz des Wechsels ermächtigt zur Präsentation des Wechsels und zur Erhebung des Protestes Mangels Annahme. Art. 19. Eine Verpflichtung des Inhabers, den Wechsel zur An­ nahme zu Präsentiren, findet nur bei Wechseln statt, welche auf eine bestimmte Zeit nach Sicht lauten. Solche Wechsel müffen, bei Verlust des wechsel­ mäßigen Anspruchs gegen die Indossanten und dm Aussteller, nach Maaß­ gabe der besonderen im Wechsel enthaltenen Bestimmung und in Ermange­ lung derselben binnen zwei Jahren nach der Ausstellung zur Annahme präsentirt werdm. Hat ein Indossant auf einen Wechsel dieser Art seinem Indossamente eine besondere Präsentationsfrist hinzugefügt, so erlischt seine wechselmäßige Verpflichtung, wenn der Wechsel nicht innerhalb dieser Frist zur Annahme präsentirt worden ist.

Art. 30. Wenn die Annahme eines auf bestimmte Zeit nach Sicht gestellten Wechsels nicht zu erhaltm ist, oder der Bezogene die Datirung seines Akzeptes verweigert, so muß der Inhaber bei Verlust des wechselmäßigen Anspruchs gegen die Indossanten und dm Aussteller die rechtzeitige Präsentation des Wechsels durch einen innerhalb der Präsen­ tationsfrist (Art. 19) erhobenen Protest feststellen lassen. Der Protesttag gilt in diesem Falle für den Tag der Präsentation. Ist die Protesterhebung unterblieben, so wird gegen den Akzeptanten, welcher die Datirung seines Akzeptes unterlassen hat, die Verfallzeit des Wechsels vom letzten Tage der Präsentationsfrist an gerechnet.

Art. 21.

V. Annahme (Akzeptation). Die Annahme des Wechsels muß auf dem Wechsel

schriftlich geschehm. Jede auf den Wechsel geschriebene und von dem Bezogenen unter­ schriebene Erklärung gilt für eine unbeschränkte Annahme, sofern nicht in derselben ausdrücklich ausgesprochen ist, daß der Bezogene entweder über­ haupt nicht oder nur unter gewissen Einschränkungen annehmen wolle. Gleichergestalt gift es für eine unbeschränkt Annahme, wenn der Bezogene ohne weiteren Beisatz seinen Namen oder seine Firma auf die Vorderseite des Wechsels schreibt. Die einmal erfolgte.Annahme kann nicht wieder zurückgenommen werden.

Art. 22. Der Bezogene kann die Annahme auf einen Theil der im Wechsel verschriebenen Summe beschränken. Werden dem Akzepte andere Einschränkungen beigefügt, so wird der Wechsel einem solchen gleichgeachtet, dessen Annahme gänzlich verweigert

Zweiter Abschnitt

Von gezogenen Wechseln.

973

worden ist, der Akzeptant haftet aber nach dem Inhalte seines Akzeptes wechselmäßig.

Art. 23. Der Bezogene wird durch die Annahme wechselmäßig verpflichtet, die von ihm akzeptirte Summe zur Verfallzeit zu zahlen. Auch dein Aussteller haftet der Bezogene aus dem Akzepte wechsel­ mäßig. Dagegen steht dem Bezogenen kein Wechfelrecht gegen den Aus­ steller zu.

Art. 24. Ist in dem Wechsel ein vom Wohnorte des Bezogenen verschiedener Zahlungsort (Art. 4 Nr. 8) angegeben (Domizilwechsel), so ist, insofern der Wechsel nicht schon ergiebt, durch wen die Zahlung am Zah­ lungsorte erfolgen soll, dies vom Bezogenen bei der Annahme auf dem Wechsel zu bemerken. Ist dies nicht geschehen, so wird angenommen, daß der Bezogene selbst die Zahlung am Zahlungsorte leisten wolle. Der Aussteller eines Domizilwechsels kann in demselben die Präsen­ tation zur Annahme vorschreiben. Die Nichtbeobachtung dieser Vorschrift hat den Verlust des Regresses gegen den Aussteller und die Jndossauten zur Folge. VI. Regreß auf Sicherstellung.

1. Wege» nicht erhaltener Annahme.

Art. 25.

Wenn die Annahme eines Wechsels überhaupt nicht, oder unter Einschränkungen, oder nur auf eine geringere Summe erfolgt ist, so find die Indossanten und der Aussteller wechselmäßig verpflichtet, gegen Aushändigung des, Mangels Annahme aufgenommenen Protestes genügende Sicherheit dahin zu leisten, daß die Bezahlung der im Wechsel verschriebenen Summe oder des nicht angenommenen Betrages, sowie die Erstattung der durch die Nichtannahme veranlaßten Kosten am Verfalltage erfolgen werde. Jedoch find diese Personen auch befugt, auf ihre Kosten die schuldige Summe bei Gericht oder bei einer anderen, zur Annahme von Depositen ermächtigten Behörde oder Anstalt niederzulegen.

Art. 26. Der Remittent, sowie jeder Jndoffatar wird durch den Befitz des Mangels Annahme aufgenommenen Protestes ermächtigt, von dem Aussteller und den übrigen Vormännern Sicherheit zu fordern und im Wege des Wechselprozesses darauf zu klagen. Der Regreßnehmer ist hierbei an die Folgeordnung der Jndoffamente und die einmal getroffene Wahl nicht gebunden. Der Beibringung des Wechsels und des Nachweises, daß der Regreß­ nehmer seinen Nachmännern selbst Sicherheit bestellt habe, bedarf es nicht. Art. 27. Die bestellte Sicherheit haftet nicht blos dem Regreß­ nehmer, sondern auch allen übrigen Nachmännern des Bestellers, insofern sie gegen ihn den Regreß auf Sicherstellung nehmen. Dieselben sind weitere Sicherheit zu verlangen nur in dem Falle berechtigt, wenn sie gegen die Art oder Größe der bestellten Sicherheit Einwendungen zu begründen vermögen.

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XXVIII. Wechselordnung.

Art. 28. Die bestellte Sicherheit muß zurückgegeben werden: 1) sobald die vollständige Annahme des Wechsels nachträglich erfolgt ist; 2) wenn gegen den Regreßpflichtigen, welcher sie bestellt hat, binnen Jahresfrist, vom Verfalltage des Wechsels an gerechnet, auf Zahlung aus dem Wechsel nicht geklagt worden ist; 3) wenn die Zahlung des Wechsels erfolgt oder die Wechselkraft desselben erloschen ist. 2. Wegen Unsicherheit des Akzeptante«.

Art. 29. Ist ein Wechsel ganz oder theilweise angenommen worden, so kann in Betreff der akzeptirten Summe Sicherheit nur gefordert werden: 1) wenn über das Vermögen des Akzeptanten der Konkurs (Debitverfahren, Falliment) eröffnet worden ist oder der Akzeptant auch nur seine Zahlungen eingestellt hat; 2) wenn nach Ausstellung des Wechsels eine Exekution in das Vermögen des Akzeptanten fruchtlos ausgefallen oder wider denselben wegen Erfüllung einer Zahlungsverbindlichkeit die Vollstreckung des Persondlarrestes verfügt wordenist. Wenn in diesen Fällen die Sicherheit von dem Akzeptanten nicht geleistet und dieserhalb Protest gegen denselben erhoben wird, auch von den auf dem Wechsel etwa benannten Nothadressen die Annahme nach Ausweis des Protestes nicht zu erhalten ist, so kann der Inhaber des Wechsels und jeder Indossatar gegen Auslieferung des Protestes von seinen Vormännern Sicherstellung fordern. (Art. 25—28.) Der bloße Besitz des Wechsels ver­ tritt die Stelle einer Vollmacht, in den Nr. 1 und 2 genannten Fällen von dem Akzeptanten Sicherheitsbestellung zu fordern und, wenn solche nicht zu erhalten ist, Protest erheben zu laffen. Der Wechselinhaber ist berechtigt, in den Nr. 1 und 2 genannten Fällen auch von dem Akzep­ tanten im Wege des Wechselprozesses Sicherheitsbestellung zu fordern.

VII. Erfüllung der Wechselverbindlichkeit.

1. ZahlnngStag.

Art. 30.

Ist in dem Wechsel ein bestimmter Tag als Zahlungstag bezeichnet, Jd tritt die Verfallzeit an diesem Tage ein. Ist die Zahlungs­ zeit auf die Mitte eines Monats gesetzt worden, so ist der Wechsel am 15. dieses Monats fällig. Ist die Zahlungszeit auf Anfang oder ist sie auf Ende eines Monats gesetzt worden, so ist darunter der erste oder letzte Tag des Monats zu verstehen.

Art. 31. Ein auf Sicht gestellter Wechsel ist bei der Vorzeigung fällig. Ein solcher Wechsel muß bei Verlust des wechselmäßigen Anspruchs gegen die Jndoffanten und den Aussteller nach Maaßgabe der besonderen im Wechsel enthaltenen Bestiminung, und in Ermangelung derselben binnen zwei Jahren nach der Ausstellung zur Zahlung präsentirt werden. Hat ein Indossant auf einem Wechsel dieser Art seinem Indossamente eine be­ sondere Präsentationsfrist hinzugefügi, so erlischt seine wechselmäßige Ver­ pflichtung, wenn der Wechsel nicht innerhalb dieser Frist präsentirt worden ist. *) Die kursiv gedruckten Worte sind nach dem S 969 Note 2 Bemerkten gegen­ standslos.

Zweiter Abschnitt.

Von gezogenen Wechseln.

975

Art. 32. Bei Wechseln, welche mit dem Abläufe einer bestimmten Frist nach Sicht oder nach Dato zahlbar sind, tritt die Berfallzeit ein: 1) wenn die Frist nach Tagen bestimmt ist, an dem letzten Tage der Frist; bei Berechnung der Frist wird der Tag, an welchem der nach Dato zahlbare Wechsel ausgestellt oder der nach Sicht zahlbare zur Annahme präsentirt ist, nicht mitgerechnet;

2) wenn die Frist nach Wochen, Monaten, oder einem, mehrere Monate umfassenden Zeitraume (Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr) bestimmt ist, an demjenigen Tage der Zahlungswoche oder des Zahlungsmonats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tage der Ausstellung oder Präsentation entspricht; fehlt dieser Tag in dem Zahlungsmonate, so tritt die Verfallzeit am letzten Tage des Zahlungsmonats ein.

Der Ausdruck „halber Monat" wird einem Zeitraume von 15 Tagen gleichgeachtet. Ist der Wechsel auf einen oder mehrere ganze Monate und einen halben Monat gestellt, so sind die 15 Tage zuletzt zu zählen.

Art. 33.

Respekttage finden nicht statt.

Art. 34.

Ist in einem Lande, in welchem nach altem Style ge­ rechnet wird, ein im Jnlande zahlbarer Wechsel nach Dato ausgestellt, und dabei nicht bemerkt, daß der Wechsel nach neuem Style datirt sei, oder ist derselbe nach beiden Stylen datirt, so wird der Verfalltag nach demjenigen Kalendertage des neuen Styls berechnet, welcher dem nach altem Style sich ergebenden Tage der Ausstellung entspricht.

Art. 35. Meß- oder Marktwechsel werden zu der durch die Gesetze des Meß- oder Marktortes bestimmten Zahlungszeit, und in Ermangelung einer solchen Festsetzung an dem Tage vor dem gesetzlichen Schlüsse der Mefie oder des Marktes fällig. Dauert die Messe oder der Markt nur einen Tag, so tritt die Verfallzeit des Wechsels an diesem Tage ein. 2. Zahl»«-.

Art. 36.

Der Inhaber eines indossirten Wechsels wird durch eine zusammenhängende, bis auf ihn hinuntergehende Reihe von Indossamenten als Eigenthümer des Wechsels legitimirt. Das erste Indossament muß demnach mit dem Namen des Remittenten, jedes folgende Indossament mit dem Namen desjenigen unterzeichnet sein, welchen das unmittelbar vorher­ gehende Indossament als Indossatar benennt. Wenn auf ein BlankoIndossament ein weiteres Jndosiament folgt, so wird angenommen, daß der Aussteller des letzteren den Wechsel durch das Blanko-Indossament erworben hat. Ausgestrichene Indossamente werden bei Prüfung der Legitimation als nicht geschrieben angesehen. Die Echtheit der Indossamente zu prüfen, ist der Zahlende nicht verpflichtet.

Art. 37. Lautet ein Wechsel auf eine Münzsorte, welche am Zahlungsorte keinen Umlauf hat, oder auf eine Rechnungswährung, so kann die Wechselsumme nach ihrem Werthe zur Verfallzeit in der Landesmünze gezahlt werden, sofern nicht der Aussteller durch den Gebrauch des Wortes „effektiv" oder eines ähnlichen Zusatzes die Zahlung in der im Wechsel be­ nannten Münzsorte ausdrücklich bestimmt hat.

976

XXVIII. Wechselordnung.

Art. 38. Der Inhaber des Wechsels darf eine ihm angebotene Theilzahlung selbst dann nicht zurückweisen, wenn die Annahme auf den ganzen Betrag der verschriebenen Summe erfolgt ist.

Art. 39. Der Wechsclschuldner ist nur gegen Aushändigung des quittirten Wechsels zu zahlen verpflichtet. Hat der Wechselschuldner eine Theilzahlung geleistet, so kann derselbe nur verlangen, daß die Zahlung auf den Wechsel abgeschrieben und ihm Quittung auf einer Abschrift des Wechsels ertheilt werde. Art. 40. Wird die Zahlung des Wechsels zur Verfallzeit nicht ge­ fordert, so ist der Akzeptant nach Ablauf der für die Protesterhebung Mangels Zahlung bestimmten Frist befugt, die Wechselsumme auf Gefahr und Kosten des Inhabers bei Gericht oder bei einer anderen zur Annahme von Depositen ermächtigten Behörde oder Anstalt niederzulegen. Der Vor­ ladung des Inhabers bedarf es nicht. VIII. Regreß Mangels Zahlung.

Akt. 41. Zur Ausübung des bei nicht erlangter Zahlung statthaften Regresses gegen den Aussteller und die Indossanten ist erforderlich: 1) daß der Wechsel zur Zahlung präsentirt worden ist, und 2) daß sowohl diese Präsentation, als die Nichterlangung der Zahlung durch einen rechtzeitig darüber ausgenommenen Protest dargethan wird. Die Erhebung des Protestes ist am Zahlungstage zulässig, sie muß aber spätestens am zweiten Werktage nach dem Zahlungstage geschehen.

Art. 42. Die Aufforderung, keinen Protest erheben zu laffen („ohne Protest", „ohne Kosten" rc.), gilt als Erlaß des Protestes, nicht aber als Erlaß der Pflicht zur rechtzeitigen Präsentation. Der Wechsel­ verpflichtete, von welchem jene Aufforderung ausgeht, muß die Beweislast übernehmen, wenn er die rechtzeitig geschehene Präsentation in Abrede stellt. Gegen die Pflicht zürn Ersätze der Protestkosten schützt jene Aufforderung nicht.

Art. 43. Domizilirte Wechsel sind dem Domiziliaten, oder wenn ein solcher nicht benannt ist, dem Bezogenen selbst an demjenigen Orte, wohin der Wechsel domizilirt ist, zur Zahlung zu Präsentiren, und wenn die Zahlung unterbleibt, dort zu Protestiren. Wird die rechtzeitige Protest­ erhebung beim Domiziliaten verabsäumt,-so geht dadurch der wechselmäßige Anspruch nicht nur gegen den Aussteller und die Jndoffanten, sondern auch gegen den Akzeptanten verloren. Art. 44. Zur Erhaltung des Wechselrechts gegen den Akzeptanten bedarf es, mit Ausnahme des im Art. 43 erwähnten Falles, weder der Präsentation am Zahlungstage, noch der Erhebung eines Protestes.

Art. 45. Der Inhaber eines Mangels Zahlung protestirten Wechsels ist verpflichtet, seinen unmittelbaren Vormann innerhalb zweier Tage nach dem Tage der Protesterhebung von der Nichtzahlung des Wechsels schriftlich zu benachrichtigen, zu welchem Ende es genügt, wenn das Be­ nachrichtigungsschreiben innerhalb dieser Frist zur Post gegeben ist. Jeder benachrichsigte Vormann muß binnen derselben, vom Tage des empfangenen

Zweiter Abschnitt.

977

Von gezogenen Wechseln.

Berichts zu berechnenden Frist seinen nächsten Vormann in gleicher Weise benachrichtigen. Der Inhaber oder Indossatar, welcher die Benachrichtigung unterläßt oder dieselbe nicht an den unmittelbaren Vormann ergehen läßt, wird hierdurch den sämnitlichen oder den übersprungenen Vormännern zum Ersätze des aus der unterlassenen Benachrichtigung entstandenen Schadens verpflichtet. Auch verliert derselbe gegen diese Personen den Anspruch auf Zinsen und Kosten, so daß er nur die Wechselsumme zu fordern be­ rechtigt ist.

Art. 46. Kommt es auf den Nachweis der dem Vormanne recht­ zeitig gegebenen schriftlichen Benachrichtigung an, so genügt zu diesem Zwecke der durch ein Postattest geführte Beweis, daß ein Brief von bem Betheiligten an den Adressaten an dem angegebenen Tage abgesandt ist, sofern nicht dargethan wird, daß der angekommene Brief einen andern Inhalt gehabt hat. Auch der Tag des Empfanges der erhaltenen schrift­ lichen Benachrichtigung kann durch ein Postattest nachgewiesen werden. Art. 47. Hat ein Indossant den Wechsel ohne Hinzufügung einer Ortsbezeichnung weiter begeben, so ist der Vormann desselben von der unterbliebenen Zahlung zu benachrichtigen.

Art. 48. Jeder Wechselschuldner hat das Recht, gegen Erstattung der Wechselsumme nebst Zinsen und Kosten die Auslieferung des quittirten Wechsels und des wegen Nichtzahlung erhobenen Protestes von dem Inhaber zu fordern. Art. 49. Der Inhaber eines Mangels Zahlung protestirten Wechsels kann die Wechselklage gegen alle Wechselverpflichtete oder auch nur gegen Einige oder Einen derselben anstellen, ohne dadurch seinen An­ spruch gegen die nicht in Anspruch genommenen Verpflichteten zu verlieren. Derselbe ist an die Reihenfolge der Jndoffamente nicht gebunden.

Art. 50. Die Regreßansprüche des Inhabers, welcher den Wechsel Mangels Zahlung hat Protestiren fassen, beschränken sich auf 1) die nicht bezahlte Wechselsumme nebst sechs Prozent jährlicher Zinsen vom Verfalltage ab, 2) die Protestkosten und anderen Auslagen, 3) eine Provision von ein Drittel Prozent. Die vorstehenden Beträge müssen, wenn der Regreßpflichtige an einem anderen Orte als dem Zahlungsorte wohnt, zu demjenigen Kurse gezahlt werden, welchen ein vom Zahlungsorte auf den Wohnort des Regreß­ pflichtigen gezogener Wechsel auf Sicht hat. Besteht am Zahlungsorte kein Kurs auf jenen Wohnort, so wird der Kurs nach demjenigen Platze genommen, welcher dem Wohnorte des Regreßpflichtigen am nächsten liegt. Der Kurs ist auf Verlangen des Regreßpflichtigen durch einen unter öffentlicher Autorität ausgestellten Kurszettel oder durch das Attest eines vereideten Mäklers oder, in Ermangelung derselben, durch ein Attest zweier Kaufleute zu bescheinigen. Art. 51. Der Indossant, welcher den Wechsel eingelöst oder als Rimeffe erhalten hat, ist von einem früheren Indossanten oder von dem Aussteller zu fordern berechtigt: Bürgerlicher Gesetzbuch und Nebengesetze.

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XXVIII. Wechselordnung.

1) die von ihm gezahlte oder durch Rimesse berichtigte Summe nebst sechs Prozent jährlicher Zinsen vom Tage der Zahlung, 2) die ihm erstandenen Kosten, 3) eine Provision von ein Drittel Prozent. Die vorstehenden Beträge müssen, wenn der Regreßpflichtige an einem anderen Orte als der Regreßnehmer wohnt, zu demjenigen Kurse gezahlt werden, welchen ein vom Wohnorte des Regreßnehmers auf den Wohnort des Regreßpflichtigen gezogener Wechsel aus Sicht hat. Besteht im Wohn­ orte des Regreßnehmers kein Kurs auf den Wohnort des Regreßpflichtigen, so wird der Kurs nach demjenigen Platze genommen, welcher dem Wohn­ orte des Regreßpflichtigen am nächsten liegt. Wegen der Bescheinigung des Kurses kommt die Bestimmung des Artikel 50 zur Anwendung.

Akt. 52. Durch die Bestimmungen der Artikel 50 und 51 Nummer 1 und 3 wird bei einem Regreffe auf einen ausländischen Ort die Berechnung höherer, dort zulässiger Sätze nicht ausgeschlossen. Art. 53. Der Regreßnehmer kann über den Betrag seiner For­ derung einen Rückwechsel auf den Regreßpflichtigen ziehen. Der Forderung treten in diesem Falle noch die Mäklergebühren für Negozirung des Rück­ wechsels, sowie die etwaigen Stempelgebühren, hinzu. Der Rückwechsel muß auf Sicht zahlbar und unmittelbar (a drittura) gestellt werden. Art. 54. Der Regreßpflichtige ist nur gegen Auslieferung des Wechsels, des Protestes und einer quittirten Retourrechnung Zahlung zu leisten verbunden. Art. 55. Jeder Indossant, der einen seiner Nachmänner befriedigt hat, kann sein eigenes und seiner Nachmänner Jndoffament ausstreichen. IX. Intervention. 1. khrenaunahme.

Art. 56. Befindet fich auf einem Mangels Annahme protestirten Wechsel eine aus den Zahlungsort lautende Nothadreffe, so muß, ehe Sicherstellung verlangt werden kann, die Annahme von der Nothadreffe gefordert werden. Unter mehreren Nothadressen gebührt derjenigen der Vorzug, durch deren Zahlung die meisten Verpflichteten befreit werden.

Art. 57. Die Ehrenannahme von Seiten einer nicht auf dem Wechsel als Nothadreffe benannten Person braucht der Inhaber nicht zuzulaffen. Art. 58. Der Ehrenakzeptant muß sich den Protest Mangels An­ nahme gegen Erstattung der Kosten aushändigen und in einem Anhänge zu demselben die Ehrenannahme bemerken lassen. Er muß den Honoraten unter Uebersendung des Protestes von der geschehenen Intervention benach­ richtigen und diese Benachrichtigung mit dem Proteste innerhalb zweier Tage nach dem Tage der Protesterhebung zur Post geben. Unterläßt er dies, so haftet er für den durch die Unterlassung entstehenden Schaden. Art. 59. Wenn der Ehrenakzeptant unterlassen hat, in seinem Akzepte zu bemerken, zu weffen Ehren die Annahme geschieht, so wird der Aussteller als Honorat angesehen.

Zweiter Abschnitt.

Von gezogenen Wechseln.

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Art. 60. Der Ehrenakzeptant wird den sämmtlichen Nachmännern des Honoraten durch die Annahme wechselmäßig verpflichtet. Diese Ver­ pflichtung erlischt, wenn dem Ehrenakzeptanten der Wechsel nicht spätestens am zweiten Werktage nach dem Zahlungstage zur Zahlung vorgelegt wird. Art. 61. Wenn der Wechsel von einer Nothadresse oder einem andern Intervenienten zu Ehren angenommen wird, so haben der Inhaber und die Nachmänner des Honoraten keinen Regreß auf Sicherstellung. Derselbe kann aber von dem Honoraten und dessen Vormännern geltend gemacht werden. 2. Ehrenzahl««-. Art. 62.

Befinden sich auf dem von dem Bezogenen nicht ein­ gelösten Wechsel oder der Kopie Nothadresfen oder ein Ehrenakzept, welche auf den Zahlungsort lauten, so muß der Inhaber den Wechsel spätestens am zweiten Werktage nach dem Zahlungstage den sämmtlichen Noth­ adressen und dem Ehrenakzeptanten zur Zahlung vorlegen, und den Erfolg im Proteste Mangels Zahlung oder in einem Anhänge zu demselben bemerken lassen. Unterläßt er dies, so verliert er den Regreß gegen den Adressanten oder Honoraten und deren Nachmänner. Weist der Inhaber die von einem andern Intervenienten angebotene Ehrenzahlung zurück, so verliert er den Regreß gegen die Nachmänner des Honoraten.

Art. 63. Dem Ehrenzahler muß der Wechsel und der Protest -Mangels Zahlung gegen Erstattung der Kosten ausgehändigt werden. Er tritt durch die Ehrenzahlung in die Rechte des Inhabers (Art. 50 und 52) gegen den Honoraten, dessen Vormänner und den Akzeptanten. Art. 64. Unter Mehreren, welche sich zur Ehrenzahlung erbieten, gebührt Demjenigen der Vorzug, durch dessen Zahlung die meisten Wechsel­ verpflichteten befreit werden. Ein Intervenient, welcher zahlt, obgleich aus dem Wechsel oder Proteste ersichtlich ist, daß ein Anderer, dem er hiernach nachstehen müßte, den Wechsel einzulösen bereit war, hat keinen Regreß gegen diejenigen Indossanten, welche durch Leistung der von dem Andern angebotenen Zahlung befreit worden wären. Art. 65. Der Ehrenakzeptant, welcher nicht zur Zahlungsleistung gelangt, weil der Bezogene oder ein anderer Intervenient bezahlt hat, ist berechtigt, von dem Zahlenden eine Provision von */s Prozent zu ver­ langen. X. Vervielfältigung eines Wechsels.

1. Wechsel»«plikate. Art. 66.

Der Aussteller eines gezogenen Wechsels ist verpflichtet, dem Remittenten auf Verlangen mehrere gleichlautende Exemplare des Wechsels zu überliefern. Dieselben müssen im Kontexte als Prima, Sekunda, Tertia u. s. w. bezeichnet sein, widrigenfalls jedes Exemplar als ein für sich bestehender Wechsel (Sola-Wechsel) erachtet wird. Auch ein Indossatar kann ein Duplikat des Wechsels verlangen. Er muß sich dieserhalb an seinen unmittelbaren Vormann wenden, welcher wieder an seinen Vor­ mann zurückgehen muß, bis die Anforderung an den Aussteller gelangt. 62*

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XXVIII. Wechselordnung.

Jeder Indossatar kann von seinem Normanne verlangen, daß die früheren Indossamente auf dem Duplikate wiederholt werden.

Art. 67. Ist von mehreren ausgefertigten Exemplaren das eine bezahlt, so verlieren dadurch die andern ihre Kraft. Jedoch bleiben aus den übrigen Exemplaren verhaftet: 1) der Indossant, welcher mehrere Exemplare desselben Wechsels an ver­ schiedene Pexsonen indossirt hat, und alle späteren Indossanten, deren Unterschriften sich auf den, bei der Zahlung nicht zurückgegebenen Exemplaren befinden, aus ihren Indossamenten; 2) der Akzeptant, welcher mehrere Exemplare desselben Wechsels akzeptirt hat, aus den Akzepten auf den bei der Zahlung nicht zurückgegebenen Exemplaren.

Art. 68. Wer eines von mehreren Exemplaren eines Wechsels zur Annahme versandt hat, muß auf den übrigen Exemplaren bemerken, bei wem das von ihm zur Annahme versandte Exemplar anzutreffen ist. Das Unterlassen dieser Bemerkung entzieht jedoch dem Wechsel nicht die Wechsel­ kraft. Der Verwahrer des zum Akzepte versandten Exemplars ist verpflichtet, dasselbe demjenigen auszuliefern, der sich als Indossatar (Art. 36) oder aus andere Weise zur Empfangnahme legitimirt.

Art. 69. Der Inhaber eines Duplikats, auf welchem angegeben ist, bei wem das zum Akzepte versandte Exemplar sich befindet, kann Mangels Annahme desselben den Regreß aus Sicherstellung und Mangels Zahlung den Regreß auf Zahlung nicht eher nehmen, als bis er durch Protest hat feststellen lassen: 1) daß das zum Akzepte versandte Exemplar ihm vom Verwahrer nicht verabfolgt worden ist, und 2) daß auch auf das Duplikat die Annahme oder die Zahlung nicht zu erlangen gewesen.

2. Wechselk.pien Art. 70. Wechselkopicn müssen eine Abschrift des Wechsels und der darauf befindlichen Indossamente und Vermerke enthalten und mit der Erklärung: „bis hierher Abschrift (Kopie)" oder mit einer ähnlichen Bezeichnung versehen sein. In der Kopie ist zu bemerken, bei wem das zur Annahme versandte Original des Wechsels anzutreffen ist. Das Unter* lassen dieses Vermerkes entzieht jedoch der indossirten Kopie nicht ihre wechselmäßige Kraft. Art. 71. Jedes auf einer Kopie befindliche Original-Indossament verpflichtet den Jndoffanten eben so, als wenn es auf einem Originalwechsel stünde.

Art. 72. Der Verwahrer des Originalwechsels ist verpflichtet, denselben dem Besitzer einer mit einem oder mehreren Original-Indossa­ menten versehenen Kopie auszuliefern, sofern sich derselbe als Indossatar oder auf andere Weise zur Empfangnahme legitimirt. Wird der Original­ wechsel vom Verwahrer nicht ausgeliefert, so ist der Inhaber der Wechsel­ kopie nur nach Aufnahme des im Art. 69 Nr. 1 erwähnten Protestes

Zweiter Abschnitt.

Bon gezogenen Wechseln.

981

Regreß auf Sicherstellung und nach Eintritt des in der Kopie angegebenen Verfalltages Regreß aus Zahlung gegen diejenigen Indossanten zu nehmen berechtigt, deren Original-Indossamente auf der Kopie befindlich sind. XL Abhanden gekommene Wechsel.

Art. 73. Der Eigenthümer eines abhanden gekommenen Wechsels kann die Amortisation des Wechsels bei dem Gerichte des Zahlungsortes beantragen. Nach Einleitung des Amortisationsverfahrens kann derselbe vom Akzeptanten Zahlung fordern, wenn er bis zur Amortisation des Wechsels Sicherheit bestellt. Ohne eine solche Sicherheitsstellung ist er nur die Deposition der aus dem Akzepte schuldigen Summe bei Gericht oder bei einer andern zur Annahme von Depositen ermächtigten Behörde oder Anstalt zu fordern berechtigt.

Art. 74. Der nach den Bestimmungen des Art. 36 legitimirte Besitzer eines Wechsels kann nur dann zur Herausgabe desselben angehalten werden, wenn er den Wechsel in bösem Glauben erworben hat oder ihm bei der Erwerbung des Wechsels eine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. XII. Falsche Wechsel.

Art. 75. Auch wenn die Unterschrift des Ausstellers eines Wechsels falsch oder verfälscht ist, behalten dennoch das ächte Akzept und die ächten Indossamente die wechselmüßige Wirkung. Art. 76. Aus einem, mit einem falschen oder verfälschten Akzepte oder Indossamente versehenen Wechsel bleiben sämmtliche Indossanten und der Aussteller, deren Unterschriften ächt sind, wechselmäßig verpflichtet. XIII. Wechselverjährung.

Art. 77. Der wechselmäßige Anspruch gegen den Akzeptanten ver­ jährt in drei Jahren vom Verfalltage des Wechsels an gerechnet. Art. 78. Die Regreßansprüche des Inhabers (Art. 50) gegen den Aussteller und die übrigen Vormänner verjähren: 1) in 3 Monaten, wenn der Wechsel in Europa, mit Ausnahme von Island und den Färöern, zahlbar war;

2) in 6 Monaten, wenn der Wechsel in den Küstenländern von Asien und Afrika längs des Mittelländischen und Schwarzen Meeres, oder in den dazu gehörigen Inseln dieser Meere zahlbar war;

3) in 18 Monaten, wenn der Wechsel in einem anderen außereuropäischen Lande oder in Island oder den Färöern zahlbar war. Die Verjährung beginnt gegen den Inhaber mit dem Tage des er­ hobenen Protestes.

Art. 79. Die Regreßansprüche des Indossanten (Art. 51) gegen den Aussteller und die übrigen Vormänner verjähren: 1) in 3 Monaten, wenn der Regreßnehmer in Europa, mit Ausnahme von Island und den Färöern, wohnt;

982

XXVIII. Wechselordnung.

2) in 6 Monaten, wenn der Regreßnehmer in den Küstenländern von Asien und Afrika längs des Mittelländischen und Schwarzen Meeres, oder in den dazu gehörigen Inseln dieser Meere wohnt; 3) in 18 Monaten, wenn der Regreßnehmer in einem anderen außer­ europäischen Lande oder in Island oder den Faroern wohnt.

Gegen den Indossanten läuft die Frist, wenn er, ehe eine Wechsel­ klage gegen ihn angestellt worden, gezahlt hat, vom Tage der Zahlung, in allen übrigen Fällen aber vom Tage der ihm geschehenen Behändigung der Klage oder Ladung.

Art. 80 ist aufgehoben durch Art. 8 Nr. 2 E.G. z. H.G.B. und ersetzt durch die §§ 208 ff. B.G.B. XIV. Klagerecht des Wechselgläubigers.

Art. 81. Die wechselmäßige Verpflichtung trifft den Aussteller, Akzeptanten und Jndoffanten des Wechsels, sowie einen Jeden, welcher den Wechsel, die Wechselkopie, das Akzept oder das Jndoffament mitunterzeichnet hat, selbst dann, wenn er sich dabei nur als Bürge (per aval) benannt hat. Die Verpflichtung dieser Personen erstreckt sich auf Alles, was der Wechselinhaber wegen Nichterfüllung der Wechselverbindlichkeit zu fordern hat. Der Wechselinhaber kann sich wegen seiner ganzen Forderung an den Einzelnen halten; es steht in seiner Wahl, welchen Wechselverpflichteten er zuerst in Anspruch nehmen will.

Art. 82. Der Wechselschuldner kann sich nur solcher Einreden be­ dienen, welche aus dem Wechselrechte selbst hervorgehen oder ihm unmittelbar gegen den jedesmaligen Kläger zustehen. Art. 83. Ist die wechselmäßige Verbindlichkeit des Ausstellers oder des Akzeptanten durch Verjährung oder dadurch, daß die zur Erhaltung des Wechselrechts gesetzlich vorgeschriebenen Handlungen verabsäumt sind, erloschen, so bleiben dieselben dem Inhaber des Wechsels nur soweit, als sie sich mit dessen Schaden bereichern würden, verpflichtet. Gegen di« Indossanten, deren wechselmäßige Verbindlichkeit erloschen ist, findet ein solcher Anspruch nicht statt. XV. Ausländische Gesetzgebung.

Art. 84- Die Fähigkeit eines Ausländers, wechselmäßige Ver­ pflichtungen zu übernehmen, wird nach den Gesetzen des Staates beurtheilt, welchem derselbe angehört. Jedoch wird ein nach den Gesetzen seines Vater­ landes nicht wechselfähiger Ausländer durch Uebernahme von Wechsel­ verbindlichkeiten im Jnlande verpflichtet, insofern er nach den Gesetzen des Inlandes wechselfähig ist. Art. 85. Die wesentlichen Erfordernisse eines im Auslande aus­ gestellten Wechsels, sowie jeder anderen im Auslande ausgestellten Wechsel­ erklärung, werden nach den Gesetzen des Ortes beurtheilt, an welchem die Erklärung erfolgt ist. Entsprechen jedoch die im Auslande geschehenen Wechselerklärungen den Anforderungen des inländischen Gesetzes, so kann daraus, daß sie nach ausländischen Gesetzen mangelhaft sind, kein Einwand

Zweiter Abschnitt.

Don gezogenen Wechseln.

983

gegen die Rechtsverbindlichkeit der später im Jnlande auf den Wechsel ge­ setzten Erklärungen entnommen werden. Ebenso haben Wechselerklärungen, wodurch sich ein Inländer einem anderen Inländer im Auslande verpflichtet, Wechselkraft, wenn sie auch nur den Anforderungen der inländischen Gesetz­ gebung entsprechen.

Art. 86. Ueber die Form der mit einem Wechsel an einem aus­ ländischen Platze zur Ausübung oder Erhaltung des Wechselrechts vor­ zunehmenden Handlungen entscheidet das dort geltende Recht. XVI. Protest.

Art. 87. Jeder Protest muß durch einen Notar oder einen Ge­ richtsbeamten ausgenommen werden. Der Zuziehung von Zeugen oder eines Protokollführers bedarf es dabei nicht. Art. 88. Der Protest muß enthalten: 1) eine wörtliche Abschrift des Wechsels oder der Kopie und aller darauf befindlichen Indossamente und Bemerkungen; 2) den Namen oder die Firma der Personen, für welche und gegen welche der Protest erhoben wird; 3) das an die Person, gegen welche protestirt wird, gestellte Begehren, ihre Antwort oder die Bemerkung, daß sie keine gegeben habe oder nicht anzutreffen gewesen fei; 4) die Angabe des Ortes, sowie des Kalendertages, Monats und Jahres, an welchem die Aufforderung (Nr. 3) geschehen, oder ohne Erfolg versucht worden ist; 5) int Falle einer Ehrenannahme oder einer Ehrenzahlung die Erwähnung, von wem, für wen und wie sie angeboten und geleistet wird; 6) die Unterschrift des Notars oder des Gerichtsbeamten, welcher den Protest ausgenommen hat, mit Beifügung des Amtssiegels. Art. 89. Muß eine wechselrechtliche Leistung von mehreren Per­ sonen verlangt werden, so ist über die mehrfache Aufforderung nur eine Protesturkunde erforderlich. Art. 90. Die Notare und Gerichtsbeamten sind schuldig, die von ihnen aüfgenommenen Proteste nach deren ganzen Inhalte Tag für Tag und nach Ordnung des Datums in ein besonderes Register einzutragen, das von Blatt zu Blatt mit fortlaufenden Zahlen versehen ist. XVII. Ort und Zeit für die Präsentation und andere im

Wechsel-Verkehre vorkommende Handlungen.

Art. 91. Die Präsentation zur Annahme oder Zahlung, die Protest­ erhebung, die Abforderung eines Wechselduplikats, sowie alle sonstigen, bei einer bestimmten Person vorzunehmenden Akte müssen in deren Geschäfts­ lokal, und in Ermangelung eines solchen, in deren Wohnung vorgenommen werden. An einem anderen Orte, z. B. an der Börse, kann dies nur mit beiderseitigem Einverständnisse geschehen. Daß das Geschästslokal oder die Wohnung nicht zu ermitteln sei, ist erst dann als festgestellt anzunehmen, wenn auch eine dieserhalb bei der Polizeibehörde des Orts geschehene

984

XXVIII. Wechselordnung.

Nachfrage des Notars oder des Gerichtsbeamten fruchtlos geblieben ist, welches im Proteste bemerkt werden muß.

Art. 92. Verfällt der Wechsel an einem Sonntage oder allgemeinen Feiertage, so ist der nächste Werktag der Zahlungstag. Auch die Heraus­ gabe eines Wechselduplikats, die Erklärung über die Annahme, sowie jede andere Handlung, können nur an einem Werktage gefordert werden. Fällt der Zeitpunkt, in welchem die Vornahme einer der vorstehenden Handlungen spätestens gefordert werden mußte, auf einen Sonntag oder allgemeinen Feier­ tag, so muß diese Handlung am nächsten Werktage gefordert werden. Dieselbe Bestimmung findet auch auf die Protesterhebung Anwendung.

Art. 93. Bestehen an einem Wechselplatze allgemeine Zahltage (Kassirtage), so braucht die Zahlung eines zwischen den Zahltagen fällig gewordenen Wechsels erst am nächsten Zahltage geleistet zu werden, sofern nicht der Wechsel auf Sicht lautet. Die im Artikel 41 für die Annahme des Protestes Mangels Zahlung bestimmte Frist darf jedoch nicht über­ schritten werden. XVIII. Mangelhafte Unterschriften.

Art. 94. Wechselerklärungen, welche statt des Namens mit Kreuzen oder anderen Zeichen vollzogen sind, haben nur dann, wenn diese Zeichen gerichtlich oder notariell beglaubigt worden, Wechselkraft. Art. 95. Wer eine Wechselerklärung als Bevollmächtigter eines Anderen unterzeichnet, ohne dazu Vollmacht zu haben, haftet persönlich in gleicher Weise, wie der angebliche Machtgeber gehastet haben würde, wenn die Vollmacht ertheilt gewesen wäre. Dasselbe gilt von Vormündern und anderen Vertretern, welche mit Ueberschreitung ihrer Befugnisse Wechsel­ erklärungen ausstellen. Dritter Abschnitt.

Von eigenen Wechseln. Art. 96. Die wesentlichen Erfordernisse eines eigenen (trockenen) Wechsels sind: 1) die in den Wechsel selbst aufzunehmende Bezeichnung als Wechsel, oder, wenn der Wechsel in einer fremden Sprache ausgestellt ist, ein jener Bezeichnung entsprechender Ausdruck in der fremden Sprache; 2) die Angabe der zu zahlenden Geldsumme; 3) der Name der Person oder die Firma, an welche oder an deren Order der Aussteller Zahlung leisten will; 4) die Bestimmung der Zeit, zu welcher gezahlt werden soll (Art. 4 Nr. 4); 5) die Unterschrift des Ausstellers mit seinem Namen oder seiner Firma; 6) die Angabe des Ortes, Monatstages und Jahres der Ausstellung. Art. 97. Der Ort der Ausstellung gilt für den eigenen Wechsel, in sofern nicht ein besonderer Zahlungsort angegeben ist, als Zahlungsort und zugleich als Wohnort des Ausstellers.

Dritter Abschnitt.

Von eigenen Wechseln.

985

Art. 98. Nachstehende, in diesem Gesetze für gezogene Wechsel gegebene Vorschriften gelten auch für eigene Wechsel: 1) die Art- 5 und 7 über die Form des Wechsels; 2) die Art. 9—17 über das Indossament; 3) die Art. 19 und 20 über die Präsentation der Wechsel auf eine Zeit nach Sicht mit der Maaßgabe, daß die Präsentation dem Aussteller geschehen muß; 4) der Art. 29 über den Sicherheitsregreß mit der Maaßgabe, daß der­ selbe im Falle der Unsicherheit des Ausstellers stattfindet; 5) die Art. 30—40 über die Zahlung und die Befugniß zur Deposition des fälligen Wechselbetrages mit der Maaßgabe, daß letztere durch den Aussteller geschehen kann; 6) die Art. 41 und 42, sowie die Art. 45—55 über den Regreß Mangels Zahlung gegen die Indossanten; 7) die Art. 62—65 über die Ehrenzahlung; 8) die Art. 70—72 über die Kopien; 9) die Art. 73—76 über abhanden gekommene und falsche Wechsel mit der Maaßgabe, daß im Falle des Art. 73 die Zahlung durch den Aussteller erfolgen muß; 10) die Art. 78—96 über die allgemeinen Grundsätze der Wechselverjäh­ rung, die Verjährung der Regreßansprüche gegen die Indossanten, das Klagerecht des Wechselglänbigers, die ausländischen Wechselgesetze, den Protest, den Ort und die Zeit für die Präsentation und andere im Wechselverkehre vorkommende Handlungen, sowie über mangelhafte Unterschriften.

Art. 99. Eigene domizilirte Wechsel sind dem Domiziliaten oder, wenn ein solcher nicht benannt ist, dem Aussteller selbst an demjenigen Orte, wohin der Wechsel domizilirt ist, zur Zahlung zu präsentiren und, wenn die Zahlung unterbleibt, dort zu Protestiren. Wird die rechtzeitige Protesterhebung beim Domiziliaten verabsäumt, so geht dadurch der wechsel­ mäßige Anspruch gegen den Aussteller und die Indossanten verloren. Bei nicht domizilirten eigenen Wechseln bedarf es zur Erhaltung des Wechsel­ rechtes gegen den Aussteller weder der Präsentation am Zahlungstage, noch der Erhebung eines Protestes.

Art. 100. Der wechselmäßige Anspruch gegen den Aussteller eines eigenen Wechsels verjährt in drei Jahren, vom Verfalltage des Wechsels an gerechnet.

XXIX. Gesetz, bett, die Erwerbs- und WirtbscbaftsGenossenschaften, vom 1. Mar 1889

nach der Bekanntmachung der Reichskanzlers vom ro. mal ir-r. (Reichsgesetzblatt 1898 S 810—845.)*l)

Erster Abschnitt,

Errichtung der Genossenschaft. § 1.

Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbes oder der Wirthschaft ihrer Mitglieder mittelst gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken (Genossenschaften), namentlich: 1. Vorschuß- und Kreditvereine, 2. Rohstoffvereine, 3. Vereine zum gemeinschaftlichen Verkaufe landwirthschaftlicher oder ge­ werblicher Erzeugnisse (Absatzgenoffenschaften, Magazinvereine), 4. Vereine zur Herstellung von Gegenständen und zum Verkaufe derselben auf gemeinschaftliche Rechnung (Produktivgenossenschaften), 5. Vereine zum gemeinschaftlichen Einkäufe von Lebens- oder Wirthschastsbedürfnifsen im Großen und Ablaß im Kleinen (Konsumvereine), 6. Vereine zur Beschaffung von Gegenständen des landwirthschaftlichen oder gewerblichen Betriebes und zur Benutzung derselben auf gemein­ schaftliche Rechnung, 7. Vereine zur Herstellung von Wohnungen, erwerben die Rechte einer „eingetragenen Genossenschaft" nach Maßgabe dieses Gesetzes.

. § 2.

Die Genossenschaften können errichtet werden: 1. dergestalt, daß die einzelnen Mitglieder (Genoffen) für die Verbindlich­ keiten der Genoffenschast dieser sowie unmittelbar den Gläubigern derselben mit ihrem ganzen Vermögen hasten (eingetragene Genossen­ schaft mit unbeschränkter Haftpflicht); Diese Bekanntmachung berücksichtigt die Aenderungen, die das Gesetz vom 1. Mai 1889 durch G. v. 12. August 1896 (R.G.Bl. S. 695), durch Art. 10 E G. z. H.G.B. und § 187 F.G.G. erfahren hat, und läßt die in den §§ 153 —170 des Gesetzes vom 1. Mai 1889 enthaltenen Schluß- und Übergangsbestimmungen weg. Die Führung des Genossenschaftsregisters und die Anmeldungen zu diesem Register sind neu geregelt durch die Bekanntmachung des Bundesraths vom 1. Juli 1899 (R.G.Bl. S. 347).

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft

987

2. dergestalt, daß die Genossen zwar mit ihrem ganzen Vermögen, aber nicht unmittelbar den Gläubigern der Genossenschaft verhaftet, viel­ mehr nur verpflichtet sind, der letzteren die zur Beftiedigung der Gläubiger erforderlichen Nachschüffe zu leisten (eingetragene Genoffen­ schaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht); 3. dergestalt, daß die Haftpflicht der Genoffen für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft sowohl dieser wie unmittelbar den Gläubigern gegenüber im Voraus auf eine bestimmte Summe beschränkt ist (ein­ getragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht).

§ 3. Die Firma der Genossenschaft muß vom Gegenstände des Unternehmens entlehnt sein und entsprechend der im § 2 vorgesehenen Art der Genossenschaft die daselbst bestimmte zusätzliche Bezeichnung ent­ halten. Der Name von Genossen oder anderen Personen darf in die Firma nicht ausgenommen werden. Jede neue Firma muß sich von allen an demselben Orte oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden Firmen eingetragener Genossenschaften deutlich unterscheiden.

8 4.

Die Zahl der Genossen muß mindestens sieben betragen.

8 5.

Das Statut der Genoffenschaft bedarf der schriftlichen Form.

8 6»

Das Statut muß enthalten: 1 die Firma und den Sitz der Genossenschaft; 2 den Gegenstand des Unternehmens; 3. Bestimmungen über die Form für die Berufung der Generalver­ sammlung der Genossen, sowie für die Beurkundung ihrer Beschlüsse und über den Vorsitz in der Versammlung; 4. Bestimmungen über die Form, in welcher die von der Genossenschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie über die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen find.

8 7. Das Statut muß ferner bestimmen: 1. ob die Genossen der unbeschränkten Haftpflicht oder nur der un­ beschränkten Nachfchußpflicht oder der beschränkten Haftpflicht unter­ liegen sollen; 2. den Betrag, bis zu welchem stch die einzelnen Genoffen mit Einlagen betheiligen könnm (Geschäftsantheil), sowie die Einzahlungen auf den Geschästsantheil, zu welchen jeder Genosse verpflichtet ist; dieselben müssen bis zu einem Gesammtbetrage von mindestens einem Zehntheile des Geschäftsantheils nach Betrag und Zeit bestimmt sein; 3. die Grundsätze für die Aufstellung und die Prüfung der Bilanz; 4. die Bildung eines Reservefonds, welcher zur Deckung eines aus der Bilanz sich ergebenden Verlustes zu dienen hat, sowie die Art dieser Bildung, insbesondere den Theil des jährlichen Reingewinns, welcher in den Reservefonds einzustellen ist, und den Mindestbetrag des letz­ teren, bis zu dessen Erreichung die Einstellung zu erfolgen hat.

8 8. welchen:

Der Aufnahme in das Statut bedürfen Bestimmungen, nach

988

XXIX. Genossenschaftsgesetz.

1. die Genossenschaft auf eine bestimmte Zeit beschränkt wird; 2. Erwerb und Fortdauer der Mitgliedschaft an den Wohnsitz innerhalb eines bestimmten Bezirks geknüpft wird; 3. das Geschäftsjahr, insbesondere das erste, auf ein mit dem Kalender­ jahre nicht zusammenfallendes Jahr oder auf eine kürzere Dauer, als auf ein Jahr, bemessen wird; 4. über gewisse Gegenstände die Generalversammlung nicht schon durch einfache Stimmenmehrheit, sondern nur durch eine größere Stimmen­ mehrheit oder nach anderen Erfordernissen Beschluß fassen kann; 5. die Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf Personen, welche nicht Mitglieder der Genossenschaft sind, zugelassen wird.

Genossenschaften, bei welchen die Gewährung von Darlehen Zweck des Unternehmens ist, dürfen ihren Geschäftsbetrieb, soweit er in einer diesen Zweck verfolgenden Darlehnsgewährung besteht, nicht auf andere Personen außer den Mitgliedern ausdehnen. Darlehnsgewährungen, welche nur die Anlegung von Geldbeständen bezwecken, fallen nicht unter dieses Verbot. Als Ausdehnung des Geschäftsbetriebes gilt nicht der Abschluß von Geschäften mit Personen, welche bereits die Erklärung des Beitritts zur Genossenschaft unterzeichnet haben und von derselben zugelassen sind. Konsumvereine (§ 1 Nr. 5) dürfen im regelmäßigen Geschäftsverkehr Waaren nur an ihre Mitglieder oder deren Vertreter verkaufen. Diese Beschränkung findet auf landwirthschastliche Konsumvereine, welche ohne Haltung eines offenen Ladens die Vermittelung des Bezugs von ihrer Natur nach ausschließlich für den landwirthschaftlichen Betrieb bestimmten Waaren besorgen, -hinsichtlich dieser Waaren keine Anwendung. § 9. Die Genossenschaft muß einen Vorstand und einen Aufsichts­ rath haben. Die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsraths müffen Ge­ noffen sein. Gehören der Genossenschaft einzelne eingetragene Genossen­ schaften als Mitglieder an, oder besteht die Genossenschaft ausschließlich aus solchen, so können Mitglieder der letzteren in den Vorstand und den Aufsichtsrath berufen werden. § 10. Das Statut, sowie die Mitglieder des Vorstandes sind in das Genossenschaftsregister bei dem Gerichte einzutragen, in dessen Bezirke die Genossenschaft ihren Sitz hat. Das-Genossenschaftsregister wird bei dem zur Führung des Handels­ registers zuständigen Gerichte geführt. § 11. Die Anmeldung behufs der Eintragung liegt dem Vor­ stande ob. Der Anmeldung find beizufügen: 1. das Statut, welches von den Genossen unterzeichnet sein muß, und eine Abschrift desselben; 2. eine Liste der Genossen; 3. eine Abschrift der Urkunden über die Bestellung des Vorstandes und des Aufsichtsraths.

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

989

Die Mitglieder des Vorstandes haben zugleich ihre Unterschrift vor dem Gerichte zu zeichnen oder die Zeichnung in beglaubigter Form ein­ zureichen. Die Abschrift des Statuts wird von dem Gerichte beglaubigt und, mit der Bescheinigung der erfolgten Eintragung versehen, zurückgegeben. Die übrigen Schriftstücke werden bei dem Gerichte aufbewahrt.

§ 12. Das eingetragene Statut ist von dem Gerichte im Auszuge zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung muß enthalten: 1 das Datum des Statuts; 2. die Firma und den Sitz der Genossenschaft; 3. den Gegenstand des Unternehmens; 4. die Form, in welcher die von der Genossenschaft ausgehenden Be­ kanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind; 5. die Zeitdauer der Genossenschaft, falls dieselbe auf eine Bestimmte Zeit beschränkt ist; 6. das Geschäftsjahr, falls es, abgesehen von dem ersten, auf ein mit dem Kalenderjahre nicht zusammeufallendes Jahr oder auf eine kürzere Dauer, als auf ein Jahr, bemessen ist; 7. die Namen und den Wohnort der Mitglieder des Vorstandes. Zugleich ist bekannt zu machen, daß die Einsicht der Liste der Ge­ nossen während der Dienststunden des Gerichts Jedem gestattet ist. Ist in dem Statut bestimmt, in welcher Form der Vorstand seine Willenserklärungen kundgiebt und für die Genossenschaft zeichnet, so ist auch diese Bestimmung zu veröffentlichen.

§ 13. Vor der Eintragung in das Genoffenschaftsregister ihres Sitzes hat die Genossenschaft die Rechte einer eingetragenen Genossenschaft nicht. 8 14. Jede Zweigniederlassung muß bei dem Gerichte, in deffen Bezirke sie sich befindet, behufs Eintragung in das Genossenschaftsregister angemeldet werden. Die Anmeldung hat die im 8 12 vorgeschriebenen Angaben zu enthalten. Derselben sind zwei beglaubigte Abschriften des Statuts und eine durch das Gericht der Hauptniederlassung beglaubigte Abschrift der Liste der Genoffen beizufügen. Die Bestimmung im § 11 Absatz 3 findet Anwendung. Das Gericht hat die eine Abschrift des Statuts, mit der Bescheinigung der erfolgten Eintragung versehen, zurückzugeben und von der Eintragung zu dem Genossenschaftsregister bei dem Gerichte der Hauptniederlasiung Mittheilung zu machen.

8 15. Nach der Anmeldung des Statuts zum Genossenschafts­ register bedarf es zum Erwerbe der Mitgliedschaft einer von dem Bei­ tretenden zu unterzeichnenden, unbedingten Erklärung des Beitritts. Der Vorstand hat die Erklärung im Falle der Zulassung des Bei­ tretenden behufs Eintragung desselben in die Liste der Genossen dem Ge­ richte (§ 10) einzureichen. Die Eintragung ist unverzüglich vorzunehmen.

990

XXIX. Gmossmschaftsgesetz.

Durch die Eintragung, welche auf Grund der Erklärung und deren Einreichung stattfindet, entsteht die Mitgliedschaft des Beitretenden. Von der Eintragung hat das Gericht den Genoffen und den Vor­ stand zu benachrichtigen. Die Beitrittserklärung wird in Urschrift bei dem Gerichte aufbewahrt. Wird die Eintragung versagt, so hat das Gericht hiervon den Antragsteller unter Rückgabe der Beitrittserklärung und den Vorstand in Kenntniß zu setzen.

§ 16. Eine Abänderung des Statuts oder die Fortsetzung einer auf bestimmte Zeit beschränkten Genoffenschaft kann nur durch die General­ versammlung beschloffen werden. Zu einer Abänderung des Gegenstandes des Unternehmens, sowie zur Erhöhung des Geschästsantheils bedarf es einer Mehrheit von drei Viertheilen der erschienenen Genossen. Das Statut kann noch andere Erforderniffe aufstellen. Zu sonstigen Aenderungen des Statuts bedarf es einer Mehrheit von drei Viertheilen der erschienenen Genoffen, sofern nicht das Statut andere Erforderniffe aufstellt. Auf die Anmeldung und Eintragung des Beschluffes finden die Vorschriften des § 11 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß der Anmeldung zwei Abschriften des Beschlusses beizufügen sind. Die Veröffentlichung des Beschluffes findet nur insoweit statt, als derselbe eine der int § 12 Absatz 2 und 4 bezeichneten Bestimmungen zum Gegenstände hat. Der Beschluß hat keine rechtliche Wirkung, bevor er in das Genoffen­ schaftsregister des Sitzes der Genoffenschaft eingetragen ist. Zweiter Abschnitt.

LiechtKderMwtffe der Genossenschaft und der Genoffen. § 17. Die eingetragene Genossenschaft als solche hat selbständig ihre Rechte und'Pflichten; sie kann Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. Genoffenschaften gelten als Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuchs, soweit dieses Gesetz keine abweichenden Vorschriften enthält.

8 18. Das Rechtsverhältniß der Genossenschaft und der Genoffen richtet sich zunächst nach dem Statut. Letzteres darf von den Bestimmungen dieses Gesetzes nur insoweit abweichen, als dies ausdrücklich für zulässig erklärt ist.

8 19. Der bei Genehmigung der Bilanz für die Genoffen sich er­ gebende Gewinn oder Verlust des Geschäftsjahres ist auf diese zu »ertheilen. Die Vertheilung geschieht für das erste Geschäftsjahr nach dem Verhältniß ihrer auf den Geschäftsantheil geleisteten Einzahlungen, für jedes folgende nach dem Verhältniß ihrer durch die Zuschreibung von Gewinn oder die Abschreibung von Verlust zum Schluffe des vorhergegangenen Geschäfts­ jahres ermittelten Geschästsguthaben. Die Zuschreibung des Gewinns er­ folgt solange, als nicht der Geschäftsantheil erreicht ist.

Dritter Abschnitt.

Vertretung und Geschäftsführung.

991

Das Statut kann einen anderen Maßstab für die Vertheilung von Gewinn und Verlust aufstellen, sowie Bestimmung darüber treffen, inwieweit der Gewinn vor Erreichung des Geschäftsantheils an die Genossen aus­ zuzahlen ist. Bis zur Wiederergänzung eines durch Verlust verminderten Guthabens findet eine Auszahlung des Gewinns nicht statt.

§ 2O. Durch das Statut kann festgesetzt werden, daß der Gewinn nicht »ertheilt; sondern dem Reservefonds zugeschrieben wird. § 21. Für das Geschäftsguthaben werden Zinsen von bestimmter Höhe nicht vergütet, auch wenn der Genofie Einzahlungen in höheren als den geschuldeten Beträgen geleistet hat. Auch können Genossen, welche mehr als die geschuldeten Einzahlungen geleistet haben, im Falle eines Verlustes andere Genoffen nicht aus dem Grunde in Anspruch nehmen, daß von letzteren nur diese Einzahlungen geleistet sind.

§ 22. Eine Herabsetzung des Geschästsantheils oder der auf den­ selben zu leistenden Einzahlungen oder eine Verlängerung der für die letz­ teren festgesetzten Fristen kann nur unter Beobachtung der Bestimmungen erfolgen, welche für die Vertheilung des Genoffenschaftsvermögens im Falle der Auflösung maßgebend sind. Das Geschäftsguthaben eines Genossen darf, solange er nicht aus­ geschieden ist, von der Genossenschaft nicht ausgezahlt oder im geschäftlichen Betriebe zum Pfande genommen, eine geschuldete Einzahlung darf nicht erlaffen werden. Gegen die letztere kann der Genoffe eine Aufrechnung nicht geltend machen. § 23. Für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft haften die Ge­ noffen nach Maßgabe dieses Gesetzes. Wer in die Genossenschaft eintritt, haftet auch für die vor seinem Eintritt eingegangenen Verbindlichkeiten. Ein den vorstehenden Bestimmungen zuwiderlaufender Vertrag ist ohne rechtliche Wirkung. Dritter Abschnitt. Vertretung und Geschäftsführung.

K 24. Die Genossenschaft wird durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Der Vorstand besteht aus zwei Mitgliedern und wird von der Generalversammlung gewählt. Durch das Statut kann eine höhere Mit­ gliederzahl sowie eine andere Art der Bestellung festgesetzt werden. Die Mitglieder des Vorstandes können besoldet oder unbesoldet sein. Ihre Bestellung ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Ent­ schädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen.

§ 25. Der Vorstand hat in der durch das Statut bestimmten Form seine Willenserklärungen kundzugeben und für die Genossenschaft

992

XXIX Genossenschaftsgesetz.

zu zeichnen. Ist nichts darüber bestimmt, so muß die Erklärung und Zeichnung durch sämmtliche Mitglieder des Borstandes erfolgen. Weniger als zwei Mitglieder dürfen hierfür nicht bestimmt werden. Die Zeichnung geschieht in der Weise, daß die Zeichnenden zu der Firma der Genossenschaft oder zu der Benennung des Vorstandes ihre Namensunterschrift beifügen.

§ 26. Die Genossenschaft wird durch die von dem Vorstände in ihrem Namen geschlossenen Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet; es ist gleichgültig, ob das Geschäft ausdrücklich im Namen der Genossenschaft geschloffen worden ist, oder ob die Umstände ergeben, daß es nach dem Willen der Vertragschließenden für die Genoffenschaft geschloffen werden sollte. Zur Legitimation des Vorstandes Behörden gegenüber genügt eine Bescheinigung des Gerichts (§ 10), daß die darin zu bezeichnenden Per­ sonen als Mitglieder des Vorstandes in das Genossenschaftsregister ein­ getragen find.

§ 27. Der Vorstand ist der Genossenschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang seiner Befugniß, die Genoffenschaft zu vertreten, durch das Statut oder durch Beschlüffe der Generalversammlung festgesetzt sind. Gegen dritte Personen hat eine Beschränkung der Befugniß des Vorstandes, die Genossenschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewiffe Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll oder daß die Zustimmung der Generalversammlung, des Aufsichts­ raths oder eines anderen Organs der Genoffenschaft für einzelne Geschäfte erfordert ist. § 28. Jede Aenderung des Vorstandes, sowie die Beendigung der Vertretungsbefugniß eines Vorstandsmitgliedes ist durch den Vorstand zur Eintragung in das Genossenschaftsregister anzumelden. Eine Abschrift der Urkunden über die Bestellung oder über die Beendigung der Ver­ tretungsbefugniß eines Vorstandsmitgliedes ist der Anmeldung beizufügen und wird bei dem Gericht aufbewahrt.

Die Vorstandsmitglieder haben ihre Unterschrift vor dem Gerichte zu zeichnen oder die Zeichnung in beglaubigter Form einzureichen.

§ 29. Eine Aenderung des Vorstandes, eine Beendigung der Ver­ tretungsbefugniß eines Vorstandsmitgliedes, sowie eine Aenderung des Statuts rücksichtlich der Form für Willenserklärungen des Vorstandes kann, solange sie nicht in das Genossenschaftsregister eingetragen und öffentlich bekannt gemacht ist, von der Genossenschaft einem Dritten nicht entgegen­ gesetzt werden, es fei denn, daß dieser von der Aenderung oder Beendigung Kenntniß hatte.

Nach der Eintragung und Bekanntmachung muß der Dritte die Aen­ derung oder Beendigung gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß er sie weder kannte noch kennen mußte.

993

Dritter Abschnitt. Vertretung und Geschäftsführung.

Für den Geschäftsverkehr mit einer in das Genoffenschastsreglster eingetragenen Zweigniederlassung ist im Sinne dieser Vorschriften die Ein­ tragung und Bekanntmachung durch das Gericht der Zweigniederlassung entscheidend.

§ 30« Der Vorstand hat ein Verzeichniß der Genossen zu führen und dasselbe mit der Liste in Uebereinstimmung zu halten.

§ 31. Für Konsumvereine, welche einen offenen Laden haben, hat der Vorstand, um die Beobachtung der Bestimmung des § 8 Absatz 4 zn sichern, Anweisung darüber zu erlassen, auf welche Weise sich die Ver­ einsmitglieder oder deren Vertreter den Waarenverkäufern gegenüber zn legitimiren haben. Abschrift der Anweisung hat er der höheren Verwal­ tungsbehörde, in deren Bezirk die Genossenschaft ihren Sitz hat, unver­ züglich einzureichen. Die höhere Verwaltungsbehörde ist befugt, die Mitglieder des Vor­ standes zur Einreichung und nöthigensalls zur Abänderung oder Ergän­ zung der Anweisung durch Geldstrafen bis zum Betrage von se drei­ hundert Mark anzuhalten. Gegen die Anordnungen und Straffestsetzungen der höheren Verwal­ tungsbehörde findet binnen zwei Wochen die Beschwerde an die Landes­ zentralbehörde statt. § 32. Von Konsumvereinen oder von Gewerbetreibenden, welche mit solchen wegen Waarenabgabe an die Mitglieder in Verbindung stehen, dürfen Marken oder sonstige nicht auf den Namen lautende Anweisungen oder Werthzeichen, welche anstatt baarcn Geldes die Mitglieder zum Waarenbezug berechtigen sollen, nicht ausgegeben werden. § 33. Der Vorstand ist verpflichtet, Sorge zu tragen, daß die erforderlichen Bücher der Genossenschaft geführt werden. Er muß binnen sechs Monaten nach Ablauf jedes Geschäftsjahres die Bilanz desselben, die Zahl der im Laufe des Jahres eingetretenen oder ausgeschiedenen, sowie die Zahl der am Jahresschlüsse der Genoffenschaft angehörigen Genoffen veröffentlichen. Die Bekanntmachung ist zu dem Genoffenschaftsregister einzureichen. § 34. Die Mitglieder des Vorstandes haben die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Mitglieder, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Genoffen­ schaft persönlich und solidarisch für den dadurch entstandenen Schaden. Insbesondere sind sie zum Ersätze der Zahlung verpflichtet, wenn entgegen den Vorschriften in §§ 19, 22 der Gewinn oder das Geschäfts­ guthaben ausgezahlt wird. Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.

§ 35. Die für Mitglieder des Vorstandes gegebenen Vorschriften gelten auch für Stellvertreter von Mitgliedern. § 36. Der Aufsichtsrath besteht, sofern nicht das Statut eine höhere Zahl festsetzt, aus drei von der Generalversammlung zu wählenden Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

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XXIX. Genossmschastsgesetz.

Mitgliedern. Die zu einer Beschlußfassung erforderliche Zahl ist durch das Statut zu bestimmen. Die Mitglieder dürfen keine nach dem Geschäftsergebniß bemessene Vergütung (Tantieme) beziehen. Die Bestellung zum Mitgliede des Aufsichtsraths kann auch vor Ablauf des Zeitraums, für welchen dasselbe gewählt ist, durch die General­ versammlung widerrufen werden. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit von drei Viertheilen der erschienenen Genossen.

§ 37. Die Mitglieder des Aufsichtsraths dürfen nicht zugleich Mitglieder des Vorstandes oder dauernd Stellvertreter derselben sein, auch nicht als Beainte die Geschäfte der Genossenschaft führen. Nur für einen im Voraus begrenzten Zeitraum kann der Aufsichtsrath einzelne seiner Mitglieder zu Stellvertretern von behinderten Mitgliedern des Vorstandes bestellen; während dieses Zeitraums und bis zur ertheilten Entlastung des Vertreters darf der letztere eine Thätigkeit als Mitglied des Aufsichts­ raths nicht ausüben. Scheiden aus dem Vorstande Mitglieder aus, so dürfen dieselben nicht vor ertheilter Entlastung in den Aufsichtsrath gewählt werden. K 38.* Der Aufsichtsrath hat den Vorstand bei seiner Geschäfts­

führung in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen und zu dem Zweck sich von dem Gange der Angelegenheiten der Genossenschaft zu unter­ richten. Er kann jederzeit über dieselben Berichterstattung von dem Vor­ stande verlangen und selbst oder durch einzelne von ihm zu bestimmende Mitglieder die Bücher und Schriften der Genossenschaft einsehen, sowie den Bestand der Geiiofsenschaftskasse und die Bestände an Effekten, Handels­ papieren und Waaren untersuchen. Er hat die Jahresrechnung, die Bilanzen und die Vorschläge zur Vertheilung von Gewinn und Verlust zu prüfen und darüber der Generalversammlung vor Genehmignng der Bilanz Be­ richt zu erstatten. Er hat eine Generalversammlung zu berufen, wenn dies im Jntereffe der Genossenschaft erforderlich ist. Weitere Obliegenheiten des Aufsichtsraths werden durch das Statut bestimmt. Die Mitglieder des Aufsichtsraths können die Airsübung ihrer Ob­ liegenheiten nicht anderen Personen übertragen.

§ 39. Der Aufsichtsrath ist ermächtigt, die Genoffenschaft bei Ab­ schließung von Verträgen mit dem Vorstande zu vertreten und gegen die Mitglieder desselben die Prozesse zu führen, welche die Generalversammlung beschließt. Der Genehmigung des Aufsichtsraths bedarf jede Gewährung von Kredit an ein. Mitglied des Vorstandes, soweit letztere nicht durch das Statut an noch andere Erforderniffe geknüpft oder ausgeschlossen ist. Das Gleiche gilt von der Annahme eines Vorstandsmitgliedes als Bürgen für eine Kreditgewährung. In Prozessen gegen die Mitglieder des Aufsichtsraths wird die Ge­ noffenschaft durch Bevollmächtigte vertreten, welche in der Generalversammlung gewählt werden.

Dritter Abschnitt. Vertretung und Geschäftsführung.

995

§ 40. Der Aufsichtsrath ist befugt, nach seinem Ermessen Mit­ glieder des Vorstandes vorläufig, bis zur Entscheidung der ohne Verzug zu berufenden Generalversammlung, von ihren Geschäften zu entheben und wegen einstweiliger Fortführung derselben das Erforderliche zu veranlasten. § 41. Die Mitglieder des Aufsichtsraths haben die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Mitglieder, welche ihre Obliegenheiten verletzen, hasten der Genossen­ schaft persönlich und solidarisch für den dadurch entstandenen Schaden. Insbesondere sind sie in den Fällen des § 34 Absatz 3 zum Ersätze der Zahlung verpflichtet, wenn diese mit ihrem Wissen und ohne ihr Ein­ schreiten erfolgt ist. Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren. § 42. Der Betrieb von Geschäften der Genossenschaft, sowie die Vertretung der letzteren in Bezug auf diese Geschäftsführung kann auch sonstigen Bevollmächtigten oder Beamten der Genossenschaft zugewiesen werden. In diesem Falle bestimmt sich die Befugniß derselben nach der ihnen er­ theilten Vollmacht; sie erstreckt sich im Zweifel auf alle Rechtshandlungen, welche' die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Die Bestellung von Prokuristen oder von Handlungsbevollmächtigten zum gestimmten Geschäftsbetriebe findet nicht statt.

K 43. Die Rechte, welche den Genoffen in den Angelegenheiten der Genossenschaft, insbesondere in Bezug auf die Führung der Geschäfte, die Prüfung der Bilanz und die Vertheilung von Gewinn und Verlust zustehen, werden in der Generalversammlung durch Beschlußsaffung der erschienenen Genossen ausgeübt. Jeder Genosse hat eine Stimme. Ein Genosse, welcher durch die Beschlußfassung entlastet oder von einer Verpflichtung befreit werden soll, hat hierbei kein Stimmrecht. Das­ selbe gilt von einer Beschlußfassung, welche den Abschluß eines Rechts­ geschäfts mit einem Genoffen betrifft. Die Genoffen können das Stimmrecht nicht durch Bevollmächtigte ausüben. Diese Bestimmung findet auf handlungsunfähige Personen, Kor­ porationen, Handelsgesellschaften, Genoffenschaften öder andere Personen­ vereine und, wenn das Statut die Theilnahme von Frauen an der General­ versammlung ausschließt, auf Frauen keine Anwendung. Ein Bevollmächtigter kann nicht mehr als einen Genossen vertreten.

§ 44. Die Generalversammlung wird durch den Vorstand berufen, soweit nicht nach dem Statut oder diesem Gesetze auch andere Personen dazu befugt find. Eine Generalversammlung ist außer den im Statut oder in diesem Gesetze ausdrücklich bestimmten Fällen zu berufen, wenn dies im Interesse der Genoffenschaft erforderlich erscheint.

5 45. Die Generalversammlung muß ohne Verzug berufen werden, wenn der zehnte Theil oder der im Statut hierfür bezeichnete geringere 63*

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XXIX. Genossenschaftsgesetz.

Theil der Genossen in einer von ihnen unterschriebenen Eingabe unter Anführung des Zwecks und der Gründe die Berufung verlangt.

In gleicher Weise sind die Genossen berechtigt, zu verlangen, daß Gegenstände zur Beschlußfassung einer Generalversammlung angekündigt werden. Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann das Gericht (§ 10) die Genossen, welche das Verlangen gestellt haben, zur Berufung der Generalversammlung oder zur Ankündigung des Gegenstandes ermächtigen. Mit der Berufung oder Ankündigung ist die gerichtliche Ermächtigung bekannt zu machen.

§ 46. Die Berufung der Generalversammlung muß in der durch das Statut bestimmten Weise mit einer Frist von mindestens einer Woche erfolgen. Der Zweck der Generalversammlung soll jederzeit bei der Berufung bekannt gemacht werden. Ueber Gegenstände, deren Verhandlung nicht in der durch das Statut oder durch § 45 Absatz 3 vorgesehenen Weise mindestens drei Tage vor der Generalversammlung angekündigt ist, können Beschlüsse nicht gefaßt werden; hiervon sind jedoch Beschlüsse über die Leitung der Versammlung, sowie über Anträge auf Berufung einer 'außer­ ordentlichen Generalversammlung ausgenommen. Zur Stellung von Anträgen und zu Verhandlungen ohne Beschluß­ fassung bedarf es der Ankündigung nicht.

§ 47. Die Beschlüsse der Generalversammlung sind in ein Protokoll­ buch einzutragen, dessen Einsicht jedem Genoffen und der Staatsbehörde gestattet werden muß. § 48. Die Generalversammlung hat über die Genehmigung der Bilanz zu beschließen und von dem Gewinn oder Verlust den auf die Genossen fallenden Betrag festzusetzen.

Die Bilanz, sowie eine den Gewinn und Verlust des Jahres zusammen­ stellende Berechnung (Jahresrechnung) sollen mindestens eine Woche vor der Versammlung in dem Geschäftslokale der Genossenschaft oder an einer anderen, durch den Vorstand bekannt zu machenden, geeigneten Stelle zur Einsicht der Genoffen ausgelegt oder sonst denselben zur Kenntniß gebracht werden. Jeder Genosse ist berechtigt, auf seine Kosten eine Abschrift der Bilanz, sowie der Jahresrechnung zu verlangen.

§ 49.

Die Generalversammlung hat festzusetzen:

1. den Gesammtbetrag, welchen Anleihen der Genossenschaft und Spar­ einlagen bei derselben nicht überschreiten sollen; 2. die Grenzen, welche bei Kreditgewährungen an Genoffen eingehalten werden sollen.

8 50. Soweit das Statut die Genossen zu Einzahlungen auf den Geschäftsantheil verpflichtet, ohne dieselben nach Betrag und Zeit fest­ zusetzen, unterliegt ihre Festsetzung der Beschlußfassung durch die General­ versammlung.

Vierter Abschnitt.

Revision.

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§

51. Ein Beschluß der Generalversammlung kann wegen Ver­ letzung des Gesetzes oder des Statuts im Wege der Klage angefochten werden. Die Klage muß binnen einem Monat erhoben werden. Zur Anfechtung befugt ist jeder in der Generalversammlung erschienene Genosse, sofern er gegen den Beschluß Widerspruch zum Protokoll erklärt hat, und jeder nicht erschienene Genosse, sofern er zu der Generalversammlung unberechtigter Weise nicht zugelassen worden ist oder sofern er die An­ fechtung darauf gründet, daß die Berufung der Versammlung oder die Ankündigung des Gegenstandes der Beschlußfassung nicht gehörig erfolgt sei. Außerdem ist der Vorstand und, wenn der Beschluß eine Maßregel zum Gegenstände hat, durch deren Ausführung sich die Mitglieder des Vorstandes und des Aussichtsraths strafbar oder den Gläubigern der Genossenschaft haftbar machen würden, jedes Mitglied des Vorstandes und des Aufsichtsraths zur Anfechtung befugt. Die Klage ist gegen die Genossenschaft zu richten. Die Genossenschaft wird durch den Vorstand, sofern dieser nicht selbst klagt, und durch den Aufsichtsrath vertreten. Zuständig für die Klage ist ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirke die Genossenschaft ihren Sitz hat. Die mündliche Verhandlung erfolgt nicht vor Ablauf der im ersten Absatz bezeichneten Frist. Mehrere Anfechtungsprozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. Die Erhebung der Klage sowie der Termin zur mündlichen Ver­ handlung sind ohne Verzug von dem Vorstande in den für die Bekannt­ machungen der Genossenschaft bestimmten Blättern zu veröffentlichen. Soweit durch ein Urtheil rechtskräftig der Beschluß für nichtig erklärt ist, wirkt es auch gegenüber den Genossen, welche nicht Partei sind. War der Beschluß in das Genossenschaftsregister eingetragen, so hat der Vor­ stand dem Gerichte (§ 10) das Urtheil behufs der Eintragung einzureichen. Die öffentliche Bekanntmachung der letzteren erfolgt, soweit der eingetragene Beschluß veröffentlicht war.

§ 52.

Für einen durch unbegründete Anfechtung des Beschlusses der Genoffenschast entstandenen Schaden haften ihr solidarisch die Kläger, welchen bei Erhebung der Klage eine bösliche Handlungsweise zur Last fällt.

Vierter Abschnitt.

Äeilifion.

53.

§ Die Einrichtungen der Genossenschaft und die Geschäfts­ führung derselben in allen Zweigen der Verwaltung sind mindestens in jedem zweiten Jahre der Prüfung durch einen der Genossenschaft nicht angehörigen, sachverständigen Revisor zu unterwerfen.

§ 54.

Für Genossenschaften, welche einem den nachfolgenden An­ forderungen genügenden Verbände angehören, ist diesem das Recht zu ver­ leihen, den Revisor zu bestellen.

§ 55.

Der Verband muß die Revision der ihm angehörigen Ge­ nossenschaften und kann auch sonst die gemeinsame Wahrnehmung ihrer

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XXIX. Genoffenschaftsgesetz.

im 8 1 bezeichneten Interessen, insbesondere die Unterhaltung gegenseitiger Ge­ schäftsbeziehungen zum Zweck haben. Andere Zwecke darf er nicht verfolgen.

§ 56. Die Zwecke des Verbandes müssen in dem Statut desselben angegeben sein. Der Inhalt des Statuts muß erkennen lassen, daß der Verband im Stande ist, der Revisionspflicht zu genügen. Das Statut hat insbesondere den Verbandsbezirk sowie die höchste und die geringste Zahl von Genossenschaften, welche der Verband umfassen kann, festzusetzen und die Bestimmungen über Auswahl und Bestellung der Revisoren, Art und Umfang der Revisionen, sowie über Bildung, Sitz und Befugnisie des Vorstandes und über die sonstigen Organe des Verbandes zu enthalten. § 57. Die Verleihung des Rechts zur Bestellung des Revisors erfolgt, wenn der Bezirk des Verbandes sich über mehrere Bundesstaaten erstreckt, durch den Bundesrath, anderenfalls durch die Zentralbehörde des Bundesstaates. Aenderungen des Verbandsstatuts sind der nach Absatz 1 zuständigen Stelle einzureichen. § 58. Der Verbandsvorstand hat das Statut mit einer beglaubigten Abschrift der Verleihungsurkunde, sowie alljährlich im Monat Januar ein Verzeichniß der dem Verbände angehörigen Genoffenschasten den Ge­ richten (§ 10), in deren Bezirke diese ihren Sitz haben, sowie der höheren Verwaltungsbehörde, in deren Bezirke der Vorstand seinen Sitz hat, einzureichen. § 59. Generalversammlungen des Verbandes dürfen nur innerhalb -es Verbandsbezirks abgehalten werden. Sie sind der höheren Verwaltungsbehörde, in deren Bezirke der Vorstand seinen Sitz hat, sowie der höheren Verwaltungsbehörde, in deren Bezirke die Versammlung abgehalten werden soll, unter Einreichung der Tagesordnung mindestens eine Woche vorher anzuzeigen. Der letzteren Behörde steht das Recht zu, in die Versammlung einen Vertreter zu entsenden. K 60. Das Recht zur Bestellung des Revisors kann dem Ver­ bände entzögen werden, 1. wenn er sich gesetzwidriger Handlungen schuldig macht, durch welche das Gemeinwohl gefährdet wird, oder wenn er andere als die im 8 55 bezeichneten Zwecke verfolgt; 2. wenn der Verband der ihm obliegenden Pflicht der Revision nicht genügt. Die Entziehung wird nach Anhörung des Lerbandsvorstandes durch die für die Verleihung zuständige Stelle ausgesprochen. Von der Entziehung ist den im 8 58 bezeichneten Gerichten Mit­ theilung zu machen. K 61. Für Genossenschaften, welche einem Revisionsverbande (88 55 bis 57) nicht angehören, wird der Revisor durch das Gericht (810) bestellt. Der Vorstand der Genossenschaft hat die Bestellung zu beantragen. Die Bestellung erfolgt, nachdem die höhere Verwaltungsbehörde über die Person des Revisors gehört ist. Erklärt die Behörde sich mit einer von der Genossenschaft vorgeschlagenen Person einverstanden, so ist diese zum Revisor zu bestellen.

Fünfter Abschnitt

Ausscheiden einzelner Genossen.

999

§ 62. Der Revisor hat gegen die Genossenschaft Anspruch auf Erstattung angemessener baarer Auslagen und auf Vergütung für seine Leistung nach Maßgabe der erforderlichen Zeitversäumniß. Dem vom Gerichte bestellten Revisor werden in Ermangelung einer Einigimg die Auslagen und die Vergütung durch das Gericht festgesetzt. Die Vorschriften im § 104 Absatz 2, § 105, § 794 Nr. 3 der Civilprozeßordnung finden Anweildung. § 63. Der Vorstand der Genossenschaft hat dem Revisor die Einsicht der Bücher und Schriften der Genoffenschaft und die Untersuchung des Bestandes der Genossenschaftskasse, sowie der Bestände an Effekten, Handelspapieren und Waaren zu gestatten. Zu der Revision ist der Aufsichtsrath zuzuziehen. Der Vorstand hat eine Bescheinigung des Revisors, daß die Revision stattgefunden hat, zum Genossenschastsregister einzureichen und den Bericht über die Revision bei der Berufung der nächsten Generalversammlung als Gegenstand der Beschlußfassung anzukündigen. In der Generalversammlung hat der Aufsichtsrath sich über das Ergebniß der Revision zu erklären. Der von einem Verbände bestellte Revisor hat eine Abschrift des Revisionsberichts dem Verbandsvorstande einzureichen. § 64. Der Reichskanzler ist ermächtigt, allgemeine Anweisungen zu erlassen, nach welchen die Revisionsberichte anzufertigen sind. fünfter Abschnitt.

Ausscheiden einzelner Oenoften. § 65. Jeder Genosse hat das Recht, mittelst Aufkündigung seinen Austritt aus der Genossenschaft zu erklären. Die Aufkündigung findet nur zum Schluffe eines Geschäftsjahres statt. Sie muß mindestens drei Monate vorher schriftlich erfolgen. Durch das Statut kann eine längere, jedoch höchstens zweijährige Kündigungsfrist festgesetzt werden. Ein den vorstehenden Bestimmungen zuwiderlaufendes Abkommen ist ohne rechtliche Wirkung. § 66. Der Gläubiger eines Genoffen, welcher, nachdem innerhalb der letzten sechs Monate eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Genosien fruchtlos versucht ist, die Pfändung und Ueberweisung des dem­ selben bei der Auseinandersetzung mit der Genossenschaft zukommenden Gut­ habens erwirkt hat, kann behufs seiner Befriedigung das Kündigungsrecht des Genoffen an deffen Stelle ausüben, sofern der Schuldtitel nicht blos vorläufig vollstreckbar ist. Der Aufkündigung muß eine beglaubigte Abschrift des Schuldtitels und der Urkunden über die fruchtlose Zwangsvollstreckung beigefügt sein. § 67. Ist durch das Statut die Mitgliedschaft an den Wohnsitz innerhalb eines bestimmten Bezirks geknüpft (§ 8 Nr. 2), so kann ein Ge­ nosse, welcher den Wohnsitz in dem Bezirke aufgiebt, zum Schluffe des Geschäftsjahres seinen Austritt schriftlich erklären.

1000

XXIX. Genossenschaftsgesetz.

Jmgleichen kann die Genossenschaft dem Genossen schriftlich erklären, daß er zum Schlüsse des Geschäftsjahres auszuscheiden habe. Ueber die Aufgabe des Wohnsitzes ist die Bescheinigung einer öffent­ lichen Behörde beizubringen.

§ 68. Ein Genosse kann wegen des Verlustes der bürgerlichen Ehrenrechte, sowie wegen der Mitgliedschaft in einer anderen Genossenschaft, welche an demselben Orte ein gleichartiges Geschäft betreibt, zum Schluffe des Geschäftsjahres aus der Genossenschaft ausgeschloffen werden. Alls Vorschuß- und Kreditvereinen kann die Ausschließung wegen der Mitglied­ schaft in einer anderen solchen Genossenschaft auch dann erfolgen, wenn die letztere ihr Geschäft nicht an demselben Orte betreibt. Durch das Statut können sonstige Gründe der Ausschließung fest­ gesetzt werden. Der Beschluß, durch welchen der Genosse ausgeschlossen wird, ist diesem von dem Vorstande ohne Verzug mittelst eingeschriebenen Briefes mitzutheilen. Von dem Zeitpunkte der Absendung desselben kann der Genoffe nicht mehr an der Generalversammlung theilnehmen, auch nicht Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsraths sein.

§ 69. Der Vorstand ist verpflichtet, die Aufkündigung des Genoffen oder des Gläubigers mindestens sechs Wochen vor dem Ende des Geschäfts­ jahres, zu deffen Schluffe sie stattgefunden hat, dem Gerichte (§ 10) zur Liste der Genoffen einzureichen. Er hat zugleich die schriftliche Versicherung abzugeben, daß die Aufkündigung rechtzeitig erfolgt ist. Der Aufkündigung des Gläubigers sind die im § 66 Absatz 2 bezeichneten Urkunden, sowie eine beglaubigte Abschrift des Pfändungs- und Ueberweisungsbeschluffes beizufügen. Jmgleichen hat der Vorstand im Falle des § 67 mit der Bescheinigung die Erklärung deS Genossen oder Abschrift der Erklärung der Genossen­ schaft, sowie im Falle der Ausschließung Abschrift des Beschlusses dem Ge­ richte einzureichen. Die Einreichung ist bis zu dem im ersten Absatz be­ zeichneten Zeitpunkte und, wenn die Erklärung oder der Beschluß später erfolgt, ohne Verzug zu bewirken. § 70. In die Liste ist die das Ausscheiden des Genossen begründende Thatsache und der aus den Urkunden hervorgehende Jahresschluß unverzüglich einzutragen. In Folge der Eintragung scheidet der Genosse mit dem in der Liste vermerkten Jahresschluffe, wenn jedoch die Eintragung erst im Laufe eines späteren Geschäftsjahres bewirkt wird, mit dem Schluffe des letzteren aus der Genossenschaft aus.

§ 71. Aus Antrag des Genossen, im Falle des § 66 auf Antrag des Gläubigers, hat das Gericht die Thatsache, auf Grund deren das Aus­ scheiden, und den Jahresschluß, zu welchem dasselbe beansprucht wird, ohne Verzug in der Liste vorzumerken. Erkennt der Vorstand den Anspruch in beglaubigter Form an oder wird er zur Anerkennung rechtskräftig verurtheilt, so ist dies bei Einreichung des Anerkenntnisses oder Urtheils der Vormerkung hinzuzufügen. In Folge

Fünfter Abschnitt.

Ausscheiden einzelner Genossen.

1001

dessen gilt der Austritt oder die Ausschließung als am Tage der Vor­

merkung eingetragen.

S72. Von der Eintragung, sowie der Vormerkung oder von deren Versagung hat das Gericht den Vorstand und den Genossen, im Falle des § 66 auch den Gläubiger, zu benachrichtigen. Die behufs der Eintragung oder der Vormerkung eingereichten Ur­ kunden bleiben in der Verwahrung des Gerichts.

§ 73. Die Auseinandersetzung des Ausgeschiedenen mit der Ge­ nossenschaft bestimmt sich nach der Vermögenslage derselben und dem Be­ stände der Mitglieder zur Zeit seines Ausscheidens. Die Auseinandersetzung erfolgt auf Grund der Bilanz. Das Geschäfts­ guthaben des Genossen ist binnen sechs Monaten nach dem Ausscheiden auszuzahlen; an den Reservefonds und das sonstige Vermögen der Ge­ nossenschaft hat er keinen Anspruch. Reicht das Vermögen einschließlich des Reservefonds und aller Geschäftsguthaben zur Deckung der Schulden nicht aus, so hat der Ausgeschiedene von dem Fehlbeträge den ihn treffen­ den Antheil an die Genossenschaft zu zahlen; der Antheil wird in Ermangelung einer anderen Bestinlmung des Statuts nach der Kopfzahl der Mitglieder berechnet. § 74. Die Klage des ausgeschiedenen Genossen auf Auszahlung des Geschäftsguthabens verjährt in zwei Jahren. § 75. Wird die Genossenschaft binnen sechs Monaten nach dem Ausscheiden des Genossen aufgelöst, so gilt dasselbe als nicht erfolgt. § 76. Ein Genosse kann zu jeder Zeit, auch im Laufe des Ge­ schäftsjahres, sein Geschäftsguthaben mittelst schriftlicher Uebereinkunft einem Anderen übertragen und hierdurch aus der Genossenschaft ohne Aus­ einandersetzung mit ihr austreten, sofern der Erwerber an seiner Stelle Genoffe wird' oder sofern derselbe schon Genosse ist und deffen bisheriges Guthaben mit dem ihm zuzuschreibenden Betrage den Geschäftsantheil nicht übersteigt. Das Statut kann eine solche Uebertragung ausschließeu oder an weitere Voraussetzungen knüpfen. Der Vorstand hat die Uebereinkunft dem Gerichte (§ 10) ohne Ver­ zug einzureichen und, falls der Erwerber schon Genosse ist, zugleich die schriftliche Versicherung abzugeben, daß dessen bisheriges Guthaben mit dem zuzuschreibenden Betrage den Geschäftsantheil nicht übersteigt. Die Uebertragung ist in die Liste bei dem veräußernden Genoffen unverzüglich einzutragen. Als Zeitpunkt des Ausscheidens gilt der Tag der Eintragung. Dieselbe darf, falls der Erwerber noch nicht Genosse ist, nur zugleich mit der Eintragung des letzteren erfolgen. Die Vorschriften der §§ 15, 71 und 72 finden entsprechende Anwendung. Wird die Genossenschaft binnen sechs Monaten nach dem Aus­ scheiden des Genoffen aufgelöst, so hat dieser im Falle der Eröffnung des Konkursverfahrens die Nachschüsse, zu deren Zahlung er verpflichtet ge­ wesen sein würde, insoweit zu leisten, als zu derselben der Erwerber unver­ mögend ist.

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XXIX. Genossenschaftsgeseh.

§ 77. Im Falle des Todes eines Genossen gilt dieser mit dem Schlüsse des Geschäftsjahres, in welchem der Tod erfolgt ist, als aus­ geschieden. Bis zu diesem Zeitpunkte wird die Mitgliedschaft des Ver­ storbenen durch den Erben desselben fortgesetzt. Für mehrere Erben kann das Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden. Der Vorstand hat eine Anzeige von dem Tode des Genossen ohne Verzug dem Gerichte (§ 10) zur Liste der Genossen einzureichen. Die Vorschriften in § 70 Absatz 1, §§ 71 bis 75 finden entsprechende Anwendung. Sechster Abschnitt.

Auflösung und Wichtigkeit der Genossenschaft.

§ 78. Die Genossenschaft kann durch Beschluß der Generalver­ sammlung jederzeit aufgelöst werden; der Beschluß bedarf einer Mehrheit von drei Viertheilen der erschienenen Genossen. Das Statut kann außer dieser Mehrheit noch andere Erfordernisse aufstellen. Die Auflösung ist durch den Vorstand ohne Verzug zur Ein­ tragung in das Genossenschaftsregister anzumelden. § 79. In dem Falle, daß durch das Statut die Zeitdauer der Genossenschaft beschränkt ist, tritt die Auflösung derselben durch Ablauf der bestimmten Zeit ein. Die Vorschrift im § 78 Absatz 2 findet Anwendung. § 80. Betrügt die Zahl der Genossen weniger als sieben, so hat das Gericht (§ 10) auf Antrag des Vorstandes und, wenn der Antrag nicht binnen sechs Monaten erfolgt, von Amtswegen nach Anhörung des Vorstandes die Auflösung der Genossenschaft auszusprechen. Der Beschluß ist der Genossenschaft zuzustellen. Gegen denselben steht ihr die sofortige Beschwerde nach Maßgabe der Civilprozeßordnung zu. Die Auslösung tritt mit der Rechtskraft des Beschlusses in Wirk­ samkeit.

§ 81. Wenn eine Genossenschaft sich gesetzwidriger Handlungen oder Unterlassungen schuldig macht, durch welche das Gemeinwohl gefährdet wird, oder wenn sie andere als die in diesem Gesetze (§ 1) bezeichneten geschäftlichen Zwecke verfolgt, so kann sie aufgelöst werden, ohne daß des­ halb ein Anspruch auf Entschädigung stattfindet. Das Verfahren und die Zuständigkeit der Behörden richtet sich nach den für streitige Verwaltungssachen landesgesetzlich geltenden Vorschriften. Wo ein Verwaltungsstreitverfahren nicht besteht, finden die Vorschriften in 88 20, 21 der Gewerbeordnung mit der Maßgabe Anwendung, daß die Entscheidung in erster Instanz durch die höhere Verwaltungsbehörde erfolgt, in deren Bezirke die Genossenschaft ihren Sitz hat. Von der Auflösung hat die in erster Instanz entscheidende Behörde dem Gerichte (8 10) Mittheilung zu machen. § 82. Die Auflösung der Genossenschaft ist von dem Gerichte ohne Verzug in das Genossenschaftsregister einzütragen.

Sechster Abschnitt.

Auflösung und Nichtigkeii der Genossenschaft.

1003

Sie muß von dm Liquidatoren zu drei verschiedenen Malen durch die für die Bekanntmachungen der Genossenschaft bestimmten Blätter be­ kannt gemacht werden. Durch die Bekanntmachung sind zugleich die Gläu­ biger aufzufordern, sich bei der Genossenschaft zu melden.

§ 83, Die Liquidation erfolgt durch den Vorstand, wenn nicht dieselbe durch das Statut oder durch Beschluß der Generalversammlung anderen Personen übertragen wird. Es sind wenigstens zwei Liquidatoren zu bestellen. Auf Antrag des Aufsichtsraths oder mindestens des zehnten Theils der Genossen kann die Ernennung von Liquidatoren durch das Gericht (§ 10) erfolgen. Die Abberufung der Liquidatoren kann durch das Gericht unter den­ selben Voraussetzungen wie die Bestellung erfolgen. Liquidatoren, welche nicht vom Gerichte ernannt sind, können auch durch die Generalversammlung vor Ablauf des Zeitraums, für welchen sie bestellt sind, abberufen werden. § 84, Die ersten Liquidatoren sind durch den Vorstand, jede Aen­ derung in den Personen der Liquidatoren, sowie eine Beendigung ihrer Vertretungsbefugniß ist durch die Liquidatoren zur Eintragung in das Genossenschaftsregister anzumelden. Eine Abschrift der Urkunden über die Bestellung der Liquidatoren oder über die Aenderung in den Personen derselben ist der Anmeldung beizusügen und wird bei dem Gericht auf­ bewahrt. Die Eintragung der gerichtlichen Ernennung oder Abberufung von Liquidatoren geschieht von Amtswegen. Die Liquidatoren haben ihre Unterschrift persönlich vor dem Gerichte zu zeichnen oder die Zeichnung in beglaubigter Form einzureichen. K 85. Die Liquidatoren haben in der bei ihrer Bestellung be­ stimmten Form ihre Willenserklärungen kundzugeben und für die Genossen­ schaft zu zeichnen. Ist nichts darüber bestimmt, so muß die Erklärung und Zeichnung durch sämmtliche Liquidatoren erfolgen. Weniger als zwei dürfen hierfür nicht bestimmt werden. Die Bestimmung ist mit der Bestellung der Liquidatoren zur Ein­ tragung in das Genoffenschastsregister anzumelden. Die Zeichnungen geschehen derartig, daß die Liquidatoren der bis­ herigen, nunmehr als Liquidationsfirma zu bezeichnenden Firma ihre Namens­ unterschrist beifügen.

K 86. Die Vorschriften im § 29 über das Verhältniß zu dritten Personen finden bezüglich der Liquidatoren Anwendung.

§ 87. Bis zur Beendigung der Liquidation kommen ungeachtet der Auflösung der Genossenschaft in Bezug auf die Rechtsverhältnisse der­ selben und der Genossen die Vorschriften des zweiten und dritten Abschnitts dieses Gesetzes zur Anwendung, soweit sich aus den Bestimmungen des gegenwärtigen Abschnitts und aus dem Wesen der Liquidation nicht ein Anderes ergiebt. Der Gerichtsstand,'welchen die Genossenschaft zur Zeit ihrer Auflösung hatte, bleibt bis zur vollzogenen Vertheilung des Vermögens bestehen.

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XXIX. Genossenschaftsgesetz.

§ 88. Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Verpflichtungen der aufgelösten Genossenschaft zu erfüllen, die For­ derungen derselben einzuziehen und das Vermögen der Genossenschaft in Geld umzusetzen; sie haben die Genossenschaft gerichtlich und außergerichlich zu vertreten. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liqui­ datoren auch neue Geschäfte eingehen.

§ 89. Die Liquidatoren haben die aus den §§ 26, 27, §33 Absatz 1, § 34, §§ 44 bis 47, § 48 Absatz 2, § 51 sich ergebenden Rechte -und Pflichten des Vorstandes und unterliegen gleich diesem der Ueberwachung des Auf­ sichtsraths. Sie haben sofort bei Beginn der Liquidation und demnächst in jedem Jahre eine Bilanz aufzustellen. Die erste Bilanz ist zu veröffent­ lichen; die Bekanntmachung ist zu dem Genoffenschastsregister einzureichen.

§ 90. Eine Dertheilung des Vermögens unter die Genossen darf nicht vor Tilgung oder Deckung der Schulden und nicht vor Ablauf eines Jahres seit dem Tage vollzogen werden, an welchem die Aufforderung der Gläubiger in den hierzu bestimmten Blättern (§ 82 Absatz 2) zum dritten Male erfolgt ist. Meldet sich ein bekannter Gläubiger nicht, so ist der geschuldete Betrag, wenn die Berechtigung zur Hinterlegung vorhanden ist, für den Gläubiger zu hinterlegen. Ist die Berichtigung einer Verbindlichkeit zur Zeit nicht ausführbar oder ist eine Verbindlichkeit streitig, so darf die Vertheilung des Vermögens nur erfolgen, wenn dem Gläubiger Sicherheit geleistet ist. Liquidatoren, welche diesen Vorschriften zuwiderhandeln, sind außer der Genoffenschaft den Gläubigern zum Ersätze des ihnen daraus er­ wachsenden Schadens persönlich und solidarisch verpflichtet. Die.gleiche Verpflichtung trifft die Mitglieder des Aufsichtsraths, wenn die Zuwider­ handlung mit ihrem Wissen und ohne ihr Einschreiten geschieht. Die Verpflichtung wird den Gläubigern gegenüber dadurch nicht aufgehoben, daß die Zuwiderhandlung auf einem Beschlusse der Generalversammlung beruht. 8 91. Die Vertheilung des Vermögens unter die einzelnen Genosien erfolgt bis zum Gesammtbetrage ihrer auf Grund der ersten Liqui­ dationsbilanz (8 89) ermittelten Geschäftsguthaben nach dem Verhältniß der letzteren. Bei Ermittelung der einzelnen Geschäftsguthaben bleiben für die Vertheilung des Gewinnes oder Verlustes, welcher sich für den Zeit­ raum zwischen der letzten Jahresbilanz (§ 33) und der ersten Liquidations­ bilanz ergeben hat, die seit der letzten Jahresbilanz geleisteten Einzahlungen außer Betracht. Der Gewinn aus diesem Zeitraum ist dem Guthaben auch insoweit zuzuschreiben, als dadurch der Geschäftsantheil überschritten wird. Ueberschüffe, welche sich über den Gesammtbetrag dieser Guthaben hinaus ergeben, sind nach Köpfen zu »ertheilen. Durch das Statut kann die Vertheilung des Vermögens ausgeschlossen oder ein anderes Verhältniß für die Dertheilung bestimmt werden. § 92. Ein bei der Auflösung der Genossenschaft verbleibendes unvertheilbares Reinvermögen (§ 91 Absatz 3) fällt, sofern dasselbe nicht

Sechster Abschnitt.

Auflösung und Nichtigkeit der Genossenschaft.

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durch das Statut einer physischen oder juristischen Person zu einem bestimmten Verwendungszweck überwiesen ist, an diejenige Gemeinde, in der die Ge­ nossenschaft ihren Sitz hatte. Die Zinsen dieses Fonds sind zu gemein­ nützigen Zwecken zu verwenden.

§ 93. Nach Beendigung der Liquidation sind die Bücher und Schriften der aufgelösten Genossenschaft für die Dauer von zehn Jahren einem der gewesenen Genossen oder einem Dritten in Verwahrung zu geben. Der Genosse oder der Dritte wird in Ermangelung einer Bestimmung des Statuts oder eines Beschlusses der Generalversammlung durch das Gericht (§ 10) bestimmt. Dasselbe kann die Genossen und deren Rechtsnachfolger, sowie die Gläubiger der Genossenschaft zur Einsicht der Bücher und Schriften ermächtigen. § 94. Enthält das Statut nicht die für dasselbe wesentlichen Be­ stimmungen oder ist eine dieser Bestimmungen nichtig, so kann jeder Ge­ nosse und jedes Mitglied des Vorstandes und des Aufsichtsraths im Wege der Klage beantragen, daß die Genossenschaft für nichtig erklärt werde.

§ 95. Als wesentlich im Sinne des § 94 gelten die in den §§ 6, 7 und 131 bezeichneten Bestimmungen des Statuts mit Ausnahme der­ jenigen über die Beurkundung der Beschlüsse der Generalversammlung und den Vorsitz in dieser, sowie über die Grundsätze für die Aufstellung und Prüfung der Bilanz. Ein Mangel, der eine hiernach wesentliche Bestimmung des Statuts betrifft, kann durch einen den Vorschriften dieses Gesetzes über Aenderungen des Statuts entsprechenden Beschluß der Generalversammlung geheilt werden. Die Berufung der Generalversammlung erfolgt, wenn sich der Mangel auf die Bestimmungen über die Form der Berufung bezieht, durch Ein­ rückung in diejenigen öffentlichen Blätter, welche für die Bekanntmachung der Eintragungen in das Genossenschastsregister des Sitzes der Genossen­ schaft bestimmt sind. Betrifft bei einer Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht der Mangel die Bestimmungen über die Haftsumme, so darf durch die zur Heilung des Mangels beschlossenen Bestimmungen der Gesammtbetrag der von den einzelnen Genoffen übernommenen Haftung nicht vermindert werden. § 96. Das. Verfahren über die Klage auf Nichtigkeitserklärung und die Wirkungen des Urtheils bestimmen sich nach den Vorschriften des 8 51. Absatz 3 bis 5 und des § 52.

K 97. Ist die Nichtigkeit einer Genoffenschaft in das Genoffen­ schaftsregister eingetragen, so finden zum Zwecke der Abwickelung ihrer Verhältnisse' die für den Fall der Auflösung geltenden Vorschriften ent­ sprechende Anwendung. Die Wirksamkeit der im Namen der Genossenschaft mit Dritten vorgenommenen Rechtsgeschäfte wird durch die Nichtigkeit nicht berührt. Soweit die Genoffen eine Haftung für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft übernommen haben, sind sie verpflichtet, die zur Befriedigung der Gläubiger erforderlichen Beträge nach Maßgabe der Vorschriften des folgenden Abschnitts zu leisten.

1006

XXIX. Genossmschaftsgesetz. Siebenter Abschnitt.

AonkurKderfahren und Haftpflicht der Genossen. § 98. Das Konkursverfahren findet im Falle der Zahlungsun­

fähigkeit, nach Auflösung der Genossenschaft auch im Falle der Üeber-

schuldnng statt. Nach Auflösung der Genossenschaft ist die Eröffnung des Verfahrens so lange zulässig, als die Dertheilung des Vermögens nicht vollzogen ist.

§ 99.

Sobald die Zahlungsunfähigkeit der Genossenschaft eintritt, hat der Vorstand die Eröffnung des Konkursverfahrens zu beantragen; dasselbe gilt, wenn bei oder nach Auflösung der Genoffenschaft aus der Jahresbilanz oder aus einer im Laufe des Jahres aufgestellten Bilanz Ueberschuldung sich ergiebt. Die Mitglieder des Vorstandes sind der Genosienschaft zum Ersatz einer nach diesem Zeitpunkte geleisteten Zahlung nach Maßgabe des § 34 verpflichtet. Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.

§ 100.

Zu dem Anträge auf Eröffnung des Verfahrens ist außer den Konkursgläubigern jedes Mitglied des Vorstandes berechtigt. Wird der Antrag nicht von allen Mitgliedern gestellt, so ist derselbe zuzulaffen, wenn die ihn begründenden Thatsachen (§ 98) glaubhaft ge­ macht werden. Das Gericht hat die übrigen Mitglieder nach Maßgabe der Konkursordnung § 105 Absatz 2, 3 zu hören. Der Eröffnungsantrag kann nicht aus dem Grunde abgewiesen werden, daß eine den Kosten des Verfahrens entsprechende Konkursmaffe nicht vorhanden sei.

8 101.

Durch die Eröffnung des Konkursverfahrens wird die Genoffenschaft aufgelöst.

8 102.

Die Eröffnung des Konkursverfahrens ist unverzüglich in das Genoffenschaftsregister einzutragen. Die Eintragung wird nicht bekannt gemacht.

8 103.

Bei der Eröffnung des Verfahrens ist von dem Gerichte ein Gläubigerausschuß zu bestellen. Die Gläubigerversammlung hat über die Beibehlütung der bestellten oder die Wahl anderer Mitglieder zu be­ schließen. Im Uebrigen kommen die Vorschriften im § 87 der Konkurs­ ordnung zur Anwendung.

8 104.

Die Generalversammlung ist ohne Verzug zur Beschlußfaffung darüber zu berufen (§§ 44 bis 46), ob die bisherigen Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsraths beizubehalten oder andere zu be­ stellen sind.

8 105.

Soweit die Konkursgläubiger wegen ihrer bei der Schlußvertheilung (Konkursordnung § 161) berücksichtigten Forderungen aus dem zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens vorhandenen Vermögen der

Siebenter Abschnitt. KonkuisVerfahren und Hafkpslicht der Genossen

1007

Genossenschaft nicht befriedigt werden, sind die Genossen verpflichtet, Nachschüffe zur Konkursmasse zu leisten. Die Nachschüsse sind von den Genossen, wenn nicht das Statut ein anderes Beitragsverhältniß festsetzt, nach Köpfen zu leisten. Beiträge, zu deren Leistung einzelne Genossen unvermögend sind, werden auf die übrigen vertheilt. Zahlungen, welche Genossen über die von ihnen nach den vorstehenden Bestimmungen geschuldeten Beiträge hinaus leisten, sind ihnen, nachdem die Befriedigung der Gläubiger erfolgt ist, aus den Nachschüssen zu erstatten. Gegen die Nachschüsse kann der Genosse eine Forderung an die Genossenschaft aufrechnen, sofern die Voraussetzungen vorliegen, unter welchen er als Konkursgläubiger Befriedigung wegen der Forderung aus den Nachschüssen zu beanspruchen hat. § 106. Der Konkursverwalter hat sofort, nachdem die Bilanz auf der Gerichtsschreiberei niedergelegt ist (Konkursordnung § 124), zu be­ rechnen, wieviel zur Deckung des in der Bilanz bezeichneten Fehlbetrages die Genossen vorschußweise beizutragen haben. In der Berechnung (Vorschußberechnung) sind die sämmtlichen Ge­ nossen namentlich zu bezeichnen und auf sie die Beiträge zu vertheilen. Die Höhe der Beiträge ist jedoch derart zu bemessen, daß durch ein vorauszusehendes Unvermögen einzelner Genossen zur Leistung von Beiträgen ein Ausfall an dem zu deckenden Gesammtbetrage nicht entsteht. Die Berechnung ist dem Konkursgerichte mit dem Anträge einzureichen, dieselbe für vollstreckbar zu erklären. Wird das Genoffenschafts­ register nicht bei dem Konkursgerichte geführt, so ist dem Anträge eine beglaubigte Abschrift des Statuts und der Liste der Genossen beizufügen. § 107. Zur Erklärung über die Berechnung bestimmt das Gericht einen Termin, welcher nicht über zwei Wochen hinaus anberaumt werden darf. Derselbe ist öffentlich bekannt zu machen; die in der Berechnung aufgesührten Genossen sind besonders zu laden. Die Berechnung ist spätestens drei Tage vor dem Termine auf der Gerichtsschreiberei zur Einsicht der Betheiligten niederzulegen. Hierauf ist in der Bekanntmachung und den Ladungen hinzuweisen. K 108. In dem Termine sind Vorstand und Aufsichtsrath der Genoffenschaft, sowie der Konkursverwalter und der Gläubigerausschuß und, soweit Einwendungen erhoben werden, die sonst Betheiligten zu hören. Das Gericht entscheidet über die erhobenen Einwendungen, berichtigt, soweit erforderlich, die Berechnung oder ordnet die Berichtigung an und erklärt die Berechnung für vollstreckbar. Die Entscheidung ist in dem Termine oder in einem sofort anzuberaumenden Termine, welcher nicht über eine Woche hinaus angesetzt werden soll, zu verkünden. Die Be­ rechnung mit der sie für vollstreckbar erklärenden Entscheidung ist zur Einsicht der Bethelligten auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen. Gegen die Entscheidung findet ein Rechtsmittel nicht statt. § 109. Nachdem die Berechnung für vollstreckbar erklärt ist, hat der Konkursverwalter ohne Verzug die Beiträge von den Genoffen ein­ zuziehen.

1008

HXIX. Genossenschaftsgesetz.

Die Zwangsvollstreckung gegen einen Genossen findet in Gemäßheit der Civilprozeßordnung auf Grund einer vollstreckbaren Ausfertigung der Entscheidung und eines Auszuges aus der Berechnung statt. Für die in den Fällen der §§ 731, 767, 768 der Civilprozeßordnung zu erhebenden Klagen ist das Amtsgericht, bei welchem das Konkursver­ fahren anhängig ist, und, wenn der Streitgegenstand zur Zuständigkeit der Amtsgerichte nicht gehört, das Landgericht ausschließlich zuständig, zu dessen Bezirke der Bezirk des Konkursgerichts gehört.

§ 110. Die eingezogenen Beträge sind bet der von der Gläubiger­ versammlung bestimmten Stelle (Konkursordnung § 132) zu hinterlegen oder anzulegen.

§ 111. Jeder Genosse ist befugt, die für vollstreckbar erklärte Be­ rechnung im Wege der Klage anzufechten. Die Klage ist gegen den Konkurs­ verwalter zu richten. Sie findet nur binnen der Nothfrist eines Monats seit Verkündung der Entscheidung und nur insoweit statt, als der Kläger den Anfechtungsgrund in dem Termine (§ 107) geltend gemacht hat oder ohne sein Verschulden geltend zu machen außer Stande war. Das rechtskräftig« Urtheil wirkt für und gegen alle beitragspflichtigen Genossen. § 112. Die Klage ist ausschließlich bei dem Amtsgerichte zu er­ heben, welches die Berechnung für vollstreckbar erklärt hat. Die mündliche Verhandlung erfolgt nicht vor Ablauf der bezeichneten Nothfrist. Mehrere Anfechtungsprozefse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. Uebersteigt der Streitgegenstand eines Prozesies die sonst für die sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte geltende Summe, so hat das Ge­ richt, sofern eine Partei in einem solchen Prozesse vor der Verhandlung zur Hauptsache darauf anträgt, durch Beschluß die sämmtlichen Streitsachen an das Landgericht, in dessen Bezirke es seinen Sitz hat, zu verweisen. Gegen diesen Beschluß findet die sofortige Beschwerde statt. Die Nothfrist beginnt mit der Verkündung des Beschlusses. Ist der Beschluß rechtskräftig, so gelten die Streitsachen als bei dem Landgerichte anhängig. Die im Verfahren vor dem Amtsgerichte erwachsenen Kosten werden als Theil der bei dem Landgerichte erwachsenen Kosten behandelt und gelten als Kosten einer Instanz. Die Vorschriften der Civilprozeßordnung §§ 769, 770 über die Ein­ stellung der Zwangsvollstreckung und die Aushebrmg der Vollstreckungs­ maßregeln finden entsprechende Anwendung. § 113. Soweit in Folge des Unvermögens einzelner Genossen zur Leistung von Beiträgen der zu deckende Gesammtbetrag nicht erreicht wird, oder in Gemäßheit des auf eine Anfechtungsllage ergehenden Urtheils oder aus anderen Gründen die Berechnung abzuändern ist, hat der Konkurs­ verwalter eine Zusatzberechnung aufzustellen. Rücksichtlich derselben kommen die Vorschriften in §§ 106 bis 112 zur Anwendung. Die Aufstellung einer Zusatzberechnung ist erforderlichenfalls zu wiederholen.

Achter Abschnitt.

1009

Besondere Bestimmungen.

§ 114. Sobald mit dem Vollzüge der Schlußvertheilung (Konkursordnimg § 161) begonnen wird, hat der Konkursverwalter in Ergänzung oder Berichtigung der Vorschußberechnung und der zu derselben etwa ergangenen Zusätze zu berechnen, wieviel die Genossen in Gemäßheit des § 105 an Nachschüssen zu leisten haben. Die Berechnung (Nachschußberechnung) unterliegt den Vorschriften in §§ 106 bis 109, 111 bis 113, der Vorschrift im § 106 Absatz 2 mit der Maßgabe, daß auf Genossen, deren Unvermögen zur Leistung von Beiträgen sich herausgestellt hat, Beiträge nicht »ertheilt werden. § 115. Der Verwalter hat, nachdem die Nachschußberechnung für vollstreckbar erklärt ist, unverzüglich den gemäß § 110 vorhandenen Be­ stand und, so oft von den noch einzuziehenden Beiträgen hinreichender Bestand eingegangen ist, diesen im Wege der Nachtragsvertheilung (Konkursordnung § 166) unter die Gläubiger zu Vertheilen. Außer den Antheilen auf die im § 168 der Konkursordnung be­ zeichneten Forderungen sind zurückzubehalten die Antheile auf Forderungen, welche im Prüsungstermine von dem Vorstande ausdrücklich bestritten worden sind. Dem Gläubiger bleibt überlassen, den Widerspruch des Vorstandes durch Klage zu beseitigen. Soweit der Widerspruch rechts­ kräftig für begründet erklärt wird, werden die Antheile zur Vertheilung unter die übrigen Gläubiger frei. Die zur Befriedigung der Gläubiger nicht erforderlichen Ueberschüfse hat der Konkursverwalter an die Genossen zurückzuzahlen. § 116. Eine Aufhebung des Konkursverfahrens durch Zwangs­ vergleich findet nicht statt. Eine Einstelllmg des Verfahrens ist erst zulässig, nachdem mit dem Vollzüge der Schlußvertheilung begonnen ist. Die Zustimmung aller bei der letzteren berücksichtigten Konkursgläubiger ist beizubringen. Inwieweit es der Zustimmung oder der Sicherstellung von Gläubigern bedarf, deren Forderungen nicht sestgestellt sind, entscheidet das Konkursgericht nach freiem Ermessen. § 117. Der Vorstand ist verpflichtet, den Konkursverwalter bei den diesem in § 106 Absatz 1, § 109 Absatz 1, §§ 113, 114 zügewiesenen Ob­ liegenheiten zu unterstützen. § 118. Die in diesem Abschnitte hinsichtlich des Vorstandes ge­ troffenen Bestimmungen gelten auch hinsichtlich der Liquidatoren. Achter Abschnitt.

Besondere Bestimmungen. I. Für Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht.

§ 119. Bei Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht darf ein Genosse nicht auf mehr als Einen Geschäftsantheil betheiligt sein.

§ 120. Die Beitrittserklärungen (§ 15) müssen die ausdrückliche Bemerkung enthalten, daß die einzelnen Genoffen für die Verbindlichkeiten Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze

64

1010

XXIX Gcnvssenschaflsgeseh.

der Genossenschaft dieser sowie unmittelbar den Gläubigern derselben nach Maßgabe des Gesetzes mit ihrem ganzen Vermögen haften.

§ 121. Sobald sich bei der Geschäftsführung ergiebt, daß das Ver­ mögen der Genossenschaft einschließlich des Reservefonds und der Geschäfts­ guthaben zur Deckung der Schulden nicht ausreicht, hat der Vorstand die Generalversammlung zur Beschlußfassung, ob die Genossenschaft aufgelöst werden soll, zu berufen. Für den Fall, daß die Auflösung beschlossen wird, ist zugleich die im § 104 vorgesehene Beschlußfassung herbeizuführen.

§ 122. Im Falle des Konkursverfahrens sind neben der Genossen­ schaft die einzelnen Genossen solidarisch und mit ihrem ganzen Vermögen den Konkursgläubigern für den Ausfall verhaftet, welchen diese an ihren bei der Schlußvertheilung (Konkursordnung § 161) berücksichtigten For­ derungen bei derselben erleiden. Nach Ablauf von drei Monaten seit dem Termine, in welchem die Nachschußberechnung für vollstreckbar erklärt ist, können die Gläubiger, soweit sie bisher nicht befriedigt sind, die einzelnen Genossen in Anspruch nehmen. Festgestellte Forderungen, welche im Prüsungstermine von dem Vor­ stande oder den Liquidatoren nicht ausdrücklich bestritten sind, können auch von den in Anspruch genommenen Genosien nicht bestritten werden. Das rechtskräftige Urtheil, welches in dem Prozeß über eine rm Prüsungstermine von dem Vorstande oder den Liquidatoren bestrittene For­ derung für oder gegen dieselben ergeht, wirkt gegenüber allen Genossen.

In Ansehung einer im Konkursverfahren streitig gebliebenen For­ derung kann, solange dieselbe nicht festgestellt ist, eine Verurtheilung der Genossen nicht erfolgen.

§ 123. Die Klage der Gläubiger gegen die einzelnen Genossen verjährt, sofern nicht nach Beschaffenheit der Forderung eine kürzere Ver­ jährungsfrist gesetzlich eintritt, in zwei Jahren seit Ablauf der im § 122 Absatz 2 bestimmten Frist. Die Verjährung zu Gunsten eines Genossen wird durch Rechtshand­ lungen unterbrochen, welche gegen die Genossenschaft oder von derselben vorgenommen werden; sie wird nicht unterbrochen durch Rechtshandlungen, welche gegen einen anderen Genossen oder von demselben vorgenoinmen werden.

§ 124. Soweit Genossen in Gemäßheit des § 122 Konkursgläubiger befriedigen, treten sie in die Rechte der letzteren gegen die Genossenschaft ein. § 125. Die Bestimmungen der §§ 122 bis 124 finden auf die in den letzten zwei Jahren vor der Eröffnung des Konkursverfahrens aus der Genossenschaft ausgeschiedenen Genossen (§§ 70, 76), welche nicht schon in Gemäßheit des § 75 der Haftpflicht unterliegen, wegen der bis zu dem Zeitpunkte ihres Ausscheidens von der Genossenschaft eingegangenen Ver­ bindlichkeiten mit der Maßgabe Anwendung, daß der Anspruch der Gläubiger erst nach Ablauf von sechs Monaten seit dem Termine, in welchem die Nachschußberechnung (§ 114) für vollstreckbar erklärt ist, erhoben werden kann.

Achter Abschnitt

Besondere Bestimmungen.

1011

Dieser Anspruch erstreckt sich, wenn im Falle des Todes eines Ge­ nossen dessen Ausscheiden nach dem im § 77 Absatz 1 bezeichneten Zeit­ punkte eingetragen ist, auf die bis zum Tage der Eintragung von der Genossenschaft eingegangenen Verbindlichkeiten, sofern nicht der Erbe be­ weist, daß bei ihrer Eingehung dem Gläubiger der Tod des Genossen be­ kannt war.

II. Für Genossenschaften mit unbeschränkter Rachschußpflicht. § 126. Die Bestimmungen des § 119 über die Beschränkung

der Betheiligung auf einen Geschäftsantheil und des § 121 über die Berufung der Generalversanrmlung im Falle der Ueberschuldung finden auf die Genossenschaften mit unbeschränkter Nachschußpflicht Anwendung.

§ 127. Die Beitrittserklärungen (§ 15) müssen die ausdrückliche Bemerkung enthalten, daß die einzelnen Genossen nut ihrem ganzen Ver­ mögen verpflichtet sind, der Genossenschaft die zur Befriedigung der Gläu­ biger derselben erforderlichen Nachschusse nach Maßgabe des Gesetzes zu leisten.

§

128. Ist im Falle der Eröffnung des Konkursverfahrens nach Ablauf von drei Monaten seit dem Termine, in welchem die Nachschuß­ berechnung (§ 114) für vollstreckbar erklärt ist, die Befriedigung oder Sicher­ stellung der im § 105 Absatz 1 bezeichneten Konkursgläubiger noch nicht bewirkt, so find die hierzu erforderlichen Beiträge von den innerhalb der letzten achtzehn Monate vor der Eröffnung des Konkursverfahrens aus­ geschiedenen Genossen, welche nicht schon in Gemäßheit des § 75 oder des 8 76 Absatz 4 der Nachschußpflicht unterliegen, nach Maßgabe des § 105 zur Konkursmasse zu leisten.

§ 129. Der Konkursverwalter hat ohne Verzug eine Berechnung über die Beitragspflicht der Ausgeschiedenen aufzustellen. In der Berechnung sind dieselben namentlich zu bezeichnen und auf sie die Beiträge zu »ertheilen, soweit nicht das Unvermögen Einzelner zur Leistung von Beiträgen vorauszusehen ist. Im Uebrigen finden die Vorschriften in § 106 Absatz 3, §§ 107 bis 109, 111 bis 113 und 115 entsprechende Anwendung.

§ 180.

Durch bie Bestimmungen der §§ 128, 129 wird die Einziehung der Nachschüsse von den in der Genossenschaft verbliebenen Ge­ nossen nicht berührt. Aus den Nachschüsfen der letzteren sind den Ausgeschiedenen die von diesen geleisteten Beiträge zu erstatten, sobald die Befriedigung oder Sicherstellung der sämmtlichen im § 105 Absatz 1 bezeichneten Konkurs­

gläubiger bewirkt ist.

III. Für Geuofscnschasten mit beschrankter Haftpflicht. § 181. Bei Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht darf

die Haftsumme der einzelnen Genossen (§ 2) nicht niedriger als der Geschäfts­ antheil sein. Die Haftsumme muß bei Errichtung der Genoffenschaft durch das Statut bestimmt werden. Die Bestimmung oder eine Abänderung derselben ist zu veröffentlichen (§§ 12, 16).

1012

XXIX. Genossmschastsgesetz.

§ 132. Zu einer Erhöhung der Haftsumme bedarf es einer Mehr­ heit von drei Viertheilen der in der Generalversammlung erschienenen Ge­ nossen. Das Statut kann noch andere Erfordernisse ausstellen. § 133. Eine Herabsetzung der Haftsumme kann nur unter Be­ obachtung der Bestimmungen erfolgen, welche für die Vertheilung des Genossenschaftsvermögens im Falle der Auflösung maßgebend sind (§ 82 Absatz 2, § 90 Absatz 1 bis 3). Bekannte Gläubiger sind durch besondere Mittheilung zur Anmeldung aufzufordern. Die Anmeldung des Herabsetzungsbeschlusses zum Genossenschafts­ register erfolgt nicht vor Ablauf des im § 90 Absatz 1 bezeichneten Jahres. Mit der Anmeldung sind die Bekanntmachungen des Beschlusses einzu­ reichen. Zugleich hat der Vorstand die schriftliche Versicherung abzugeben, daß die Gläubiger, welche sich bei der Genossenschaft gemeldet und der Herabsetzung nicht zugestimmt haben, befriedigt oder sichergestellt sind.

§ 134. Durch das Statut kann die Betheiligung des Genossen auf mehrere Geschäftsantheile, unter Festsetzung der höchsten Zahl der­ selben, gestattet werden. Die Bestimmung oder öffentlichen (88 12, 16).

eine

Abänderung

derselben

ist

zu

ver­

§ 135. Die Haftung eines Genossen, welcher auf mehr als einen Geschäftsantheil betheiligt ist, erhöht sich auf das der Zahl der Geschäfts­ antheile entsprechende Vielfache der Haftsumme. K 136. Bevor der erste Geschäftsantheil erreicht ist, darf die Be­ iheiligung des Genossen auf einen zweiten Geschäftsantheil seitens der Genoffenschaft nicht zugelassen werden. Das Gleiche gilt von der Zulassung zu jedem weiteren Geschäftsantheile.'

§ 137. Ein Genosse, welcher auf einen weiteren Geschäftsantheil betheiligt sein will, hat darüber eine von ihm zu unterzeichnende, un­ bedingte Erklärung abzugebcn. Die Erklärung ist von dem Vorstande nach der Zulassung des Ge­ nossen zu dem weiteren Geschäftsantheile behufs Eintragung des letzteren in die Liste der Genoffen dem Gerichte (8 10) einzureichen. Zugleich hat der Vorstand schriftlich zu versichern, daß die übrigen Geschäftsantheile des Genossen erreicht seien. Die Betheiligung auf den weiteren Geschäftsantheil tritt mit der in Gemäßheit der vorstehenden Absätze erfolgten Eintragung in Kraft.

Im Uebrigen kommen die Vorschriften des 8 15 zur entsprechenden Anwendung.

§ 138. Eine Uebertragung des Geschäftsguthabens findet in dem Falle des 8 134 an einen anderen Genoffen nur statt, sofern deffen bis­ heriges Guthaben mit dem ihm zuzuschreibenden Betrage die der höchsten Zahl der Geschäftsantheile entsprechende Gesammtsumme nicht übersteigt. Hierauf ist die im 8 76 vorgesehene Versicherung des Vorstandes zu richten. Im Uebrigen verbleibt es bei den Bestimmungen im 8 137.

Achter Abschnitt.

Besondere Bestimmungen.

1013

§ 139. Mit der Bilanz eines jeden Geschäftsjahres ist außer den im § 33 vorgesehenen Angaben über die Zahl der Genossen der Gesammtbetrag, um welchen in diesem Jahre die Geschäftsguthaben, sowie die Haftsummen der Genossen sich vermehrt oder vermindert haben, und der Betrag der Haftsummen zu veröffentlichen, für welche am Jahresschluß alle Genossen zusammen aufzukommen haben. § 140. Das Konkursverfahren findet bei bestehender Genossen­ schaft außer dem Falle der Zahlungsunfähigkeit in dem Falle der Ueberschuldung statt, sofern diese ein Viertheil des Betrages der Haftsummen aller Genossen übersteigt. Der Vorstand hat, wenn eine solche Ueberschuldung sich aus der Jahresbilanz oder aus einer im Laufe des Jahres aufgestellten Bilanz ergiebt, die Eröffnung des Konkursverfahrens zu bean­ tragen. Die Vorschriften des § 99 Absatz 2, 3, § 100 finden entsprechende Anwendung. § 141. Die einzelnen Genossen können über ihre Haftsumme hinaus weder auf Leistung von Nachschüssen, noch von den Konkurs­ gläubigern in Anspruch genommen werden. Im Uebrigen finden aus den Anspruch der Gläubiger die Bestimmungen in §§ 122 bis 125 Anwendung. § 142. Außer dem Falle des § 90 kann in dem Falle, daß ent­ gegen den Vorschriften in §§ 19, 22 der Gewinn oder das Geschästsguthaben ausgezahlt wird, der Ersatzanspruch gegen die Mitglieder des Vor­ standes oder des Aufsichtsraths oder gegen die Liquidatoren von den Gläubigern der Genossenschaft, soweit sie von dieser ihre Befriedigung nicht erlangen können, selbständig geltend gemacht werden. Dasselbe findet gegen die Mitglieder des Vorstandes oder die Liquidatoren statt, wenn nach dem Zeitpunkte, mit welchem die Verpflichtung zum Anträge auf Eröffnung des Konkursverfahrens eingetreten ist, eine Zahlung geleistet wird, rücksichtlich des Ersatzes derselben. Die Ersatzpflicht wird den Gläubigern gegenüber dadurch nicht auf­ gehoben, daß die Handlung auf einem Beschlusse der Generalversammlung beruht.

IV. Für die Umwandlung von Genossenschaften. § 143. Eine Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht

kann sich in eine solche mit unbeschränkter Nachschußpflicht nur unter Beob­ achtung der Bestimmungen umwandeln, welche für die Vertheilung des Genossenschastsvermögens im Falle der Auflösung maßgebend sind (§ 82 Absatz 2, § 90 Absatz 1 bis 3). Dasselbe gilt von der Umwandlung einer Genoffenschast mit un­ beschränkter Haftpflicht oder mit unbeschränkter Nachschußpflicht in eine solche mit beschränkter Haftpflicht. Die Vorschriften im 8 133 Absatz 2 finden entsprechende Anwendung.

§ 144. Zu dem Beschluß auf Umwandlung einer Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht in eine solche mit unbeschränkter Haft­ pflicht oder einer Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht in eine solche mit unbeschränkter Haftpflicht oder mit unbeschränkter Nachschußpflicht bedarf es einer Mehrheit von drei Viertheilen der in der Generalversamm-

1014

XXIX Genosjenschaftsgesetz.

lung erschienenen Genossen. aufstellen.

Das Statut kann noch andere Erfordernisse

§ 145. Die Umwandlung (§§ 143, 144) ist auch gegenüber den vor der Eintragung, des Beschlusses in das Genossenschaftsregister aus der Genossenschaft Ausgeschiedenen wirksam. Im Falle der Umwandlung einer Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht können dieselben für die Verbindlichkeiten der Genossen­ schaft nicht in Anspruch genommen werden, sofern ihr Ausscheiden früher als achtzehn Monate vor der Eintragung erfolgt ist. Im Falle der Um­ wandlung einer Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht bleibt der An­ spruch gegen sie auf ihre bisherige Haftsumme beschränkt. Neunter Abschnitt.

Strafbestimmungen. § 146. Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsraths und Liquidatoren werden, wenn sie absichtlich zum Nachtheile der Genossen­ schaft handeln, mit Gefängniß und zugleich mit Geldstrafe bis zu drei­ tausend Mark bestraft. Zugleich kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

§ 147. Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsraths und Liquidatoren werden mit Gefängniß bis zu einem Jahre und zugleich mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft, wenn sie in den von ihnen dem Gerichte (§ 10) zu machenden Anmeldungen, Anzeigen und Ver­ sicherungen wissentlich falsche Angaben machen, oder in ihren Darstellungen, ihren Uebersichten über den Vermögensstand der Genossenschaft, über die Mitglieder und die Haftsummen, oder den in der Generalversammlung gehaltenen Vorträgen den Stand der Verhältnisse der Genossenschaft wissentlich unwahr darstellen. Zugleich kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt ausschließlich die Geldstrafe ein. K 148. Mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Ge­ fängniß bis zu drei Monaten oder mit beiden Strafen zugleich werden bestraft: 1. die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsraths und die Liqui­ datoren, wenn länger als drei Monate die Genossenschaft ohne Auf­ sichtsrath geblieben ist, oder in dem letzteren die zur Beschlußfähigkeit erforderliche Zahl von Mitgliedern gefehlt hat; 2. die Mitglieder des Vorstandes oder die Liquidatoren, wenn entgegen den Vorschriften in §§ 99, 118, 140 der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens unterlassen ist. Die Strafe tritt nicht gegen denjenigen ein, welcher nachweist, daß die Unterlaffung ohne sein Verschulden geschehen ist.

Neunter Abschnitt.

Strafbestimmungen.

1015

§ 149* Mitglieder des Vorstandes werden mit Geldstrafe bls zu sechshundert Mark bestraft, wenn ihre Handlungen auf andere als die im § 1 erwähnten geschäftlichen Zwecke gerichtet sind, oder wenn sie in der Generalversammlung die Erörterung von Anträgen gestatten oder nicht hindern, welche auf öffentliche Angelegenheiten gerichtet sind, deren Erörterung unter die Gesetze über das Versammlungs- und Vereinsrecht fällt. § 150. Die Mitglieder des Vorstandes eines Revisionsverbandes werden, wenn unterlassen ist, die Versammlung in Gemäßheit des § 59 Absatz 2 anzuzeigen, mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark bestraft. Die Strafe tritt nicht gegen denjenigen ein, welcher nachweist, daß die Unterlassung ohne sein Verschulden geschehen ist.

§ 151. Wer sich besondere Vortheile dafür hat gewähren oder versprechen lassen, daß er bei einer Abstimmung in der Generalversamm­ lung in einem gewissen Sinne stimme, wird mit Geldstrafe bis zu drei­ tausend Mark, oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft. § 152. Personen, welche für einen Konsumverein den Waarenverkauf bewirken, werden, wenn sie der Vorschrift des § 8 Absatz 4 zuwider wissentlich oder ohne Beobachtung der nach § 31 von dem Vorstande er­ lassenen Anweisung Waaren an andere Personen als an Mitglieder oder deren Vertreter verkaufen, mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark bestraft. Gleiche Strafe trifft das Mitglied, welches seine Legitimation, durch die es zum Waarenkauf in einem Konsumverein oder bei einem mit diesem wegen Waarenabgabe an die Mitglieder in Verbindung stehenden Gewerbetreibenden berechtigt wird, einem Dritten zum Zweck unbefugter Waarenentnahme überläßt. Dritte, welche von solcher Legitimation zu demselben Zweck Gebrauch machen, oder auf andere Weise zu unbefugter Waarenabgabe zu verleiten unternehmen, werden in gleicher Weise bestraft.

§ 153. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark wird be­ straft, wer Waaren, die er aus dem Konsumverein oder von einem mit diesem wegen Waarenabgabe in Verbindung stehenden Gewerbetreibenden auf Grund seiner Mitgliedschaft bezogen hat, gegen Entgelt gewohnheits­ mäßig oder gewerbsmäßig an Nichtmitglieder veräußert. Diese Bestimmung findet keine Anwendung:

1. wenn ein Mitglied eines Konsumvereins die von ihm bezogenen Waaren in seiner Speiseanstalt oder an seine Kostgänger zum als­ baldigen persönlichen Verbrauch abgiebt; 2. wenn ein Konsumverein, welcher Mitglied eines anderen Konsum­ vereins ist, die aus letzterem bezogenen Waaren an seine Mitglieder abgiebt.

§ 154. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschrift des § 32 werden mit Geldstrafe bis zu einhundertsünfzig Mark bestraft.

1016

XXIX. Genossenschaftsgesetz. Zehnter Abschnitt.

Schluszbestimmungen. § 155. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Grund der Bestimmungen dieses Ge­ setzes geltend gemacht ist, wird die Verhandlung und Entscheidung letzter Instanz im Sinne des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungs­ gesetze dem Reichsgerichte zugewiesen. § 156. Die Vorschriften in 88 9 bis 11 des Handelsgesetzbuchs finden auf das Genoffenschastsregister Anwendung. Die Eintragungen sind durch den Deutschen Reichsanzeiger bekannt zu machen. Die anderen Blätter hat das Gericht zu bestimmen, für kleinere Genossenschaften nur ein anderes Blatt. H 157. Die Anmeldungen zum Genoffenschastsregister find durch sämmtliche Mitglieder des Vorstandes oder sämmtliche Liquidatoren per­ sönlich zu bewirken oder in beglaubigter Form einzureichen. Die in 88 16, 28, 8 33 Absatz 2, 8 51 Absatz 5, 8 63 Absatz 2, 8 84, 8 85 Absatz 2 vorgeschriebenen Anmeldungen und Einreichungen müssen auch zu dem Genoffenschastsregister einer jeden Zweigniederlassung erfolgen.

§ 158. Von der Eintragung eines beitretenden Genoffen, der Eintragung oder Vormerkung des Austritts, der Ausschließung oder des Todes von Genossen, sowie von der Eintragung weiterer Geschäftsantheile in die Liste der Genoffen hat das Gericht (8 10) dem Gerichte einer jeden Zweigniederlassung zur Berichtigung der dort geführten Liste Mittheilung zu machen. Jmgleichen ist die Eintragung der Auflösung einer Genossenschaft, sowie der Eröffnung des Konkursverfahrens zu dem Genoffenschastsregister einer jeden Zweigniederlaffung mitzutheilen.

K 159. Gebühren für die Verhandlung und Entscheidung erster Instanz über die in vorstehendem Paragraphen bezeichneten Anträge, sowie für die Eintragungen und Vormerkungen werden nicht erhoben. Die Erhebung von Auslagen findet nach 88 79, 80 und 80 b des Gerichts­ kostengesetzes statt.

§ 160. Die Mitglieder des Vorstandes sind von dem Gerichte (8 10) zur Befolgung der im 8 8 Absatz 2, 8 14, 88 28, 30, 8 61 Absatz 2, 8 63, 8 78 Absatz 2, 8 79 Absatz 2 enthaltenen Vorschriften durch Ordnungsstrafen anzuhalten; die einzelne Strafe darf den Betrag von dreihundert Mark nicht übersteigen. In gleicher Weise sind die Mit­ glieder des Vorstandes und die Liquidatoren zur Befolgung der im 8 33 Absatz 2, 8 47, 8 48 Absatz 2, 8 51 Absatz 4 und 5, 8 84, 8 85 Absatz 2, 8 89, 8 157 Absatz 2 enthaltenen Vorschriften anzuhalten.

Zehnter Abschnitt.

Schluhbestimmungen.

101?

Rücksichtlich des Verfahrens sind die Vorschriften maßgebend, welche zur Erzwingung der im Handelsgesetzbuch angeordneten Anmeldungen zum Handelsregister gelten.

§ 161. Die zur Ausführung der Vorschriften über das Genossen­ schaftsregister und die Anmeldungen zu demselben erforderlichen Bestimmungen werden von dem Bundesrath erfassen. Welche Behörden in jedem Bundesstaate unter der Bezeichnung Staatsbehörde (§ 47) und höhere Verwaltungsbehörde (§§ 58, 59, 61, 81) zu verstehen sind, wird von der Zentralbehörde des Bundesstaates bekannt gemacht.

XXX.

Besetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Rastung, vom 20. April 1892

nach der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom ro. Mai ir-r. (Reichsgesetzblatt 1898 S. 846-867.)-)

Erster Abschnitt.

Errichtung der Gesellschaft. § 1. Gesellschaften mit beschränkter Haftung können nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck er­ richtet werden. § 2. Der Gesellschaftsvertrag bedarf des Abschlusses in gerichtlicher oder notarieller Form. Er ist von sämmtlichen Gesellschaftern zu unter­ zeichnen. Die Unterzeichnung durch Bevollmächtigte ist nur auf Grund einer gerichtlich oder notariell errlchteten oder beglaubigten Vollmacht zulässig. § 3. Der Gesellschaftsvertrag muß enthalten: die Firma und den Sitz der Gesellschaft, den Gegenstand des Unternehmens, den Betrag des Stammkapitals, den Betrag der von jedem Gesellschafter auf das Stammkapital zu leistenden Einlage (Stammeinlage). Soll das Unternehmen auf eine gewisse Zeit beschränk sein oder sollen den Gesellschaftern außer der Leistung von Kapitaleinlagen noch andere Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft auferlegt werden, so be­ dürfen auch diese Bestimmungen der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag. 1. 2. 3. 4.

§ 4. Die Firma der Gesellschaft muß entweder von dem Gegen­ stände des Unternehmens entlehnt sein, oder die Namen der Gesellschafter oder den Namen wenigstens eines derselben mit einem das Vorhandensein eines Gesellschaftsverhältnisses andeutenden Zusatze enthalten. Die Namen anderer Personen als der Gesellschafter dürfen in die Firma nicht aus­ genommen werden. Die Beibehaltung der Firma eines auf die Gesell­ schaft übergegangenen Geschäfts (Handelsgesetzbuch § 22) wird hierdurch nicht ausgeschlossen. *) Diese Bekanntmachung berücksichtigt dre Aenderungen durch Art. 11 E G. z. H.G B.

Elster Abschnitt.

Errichtung der Gesellschaft

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Die Firma der Gesellschaft muß in allen Fällen die zusätzliche Be­ zeichnung „mit beschränkter Haftung" enthalten.

K 5. Das Stammkapital der Gesellschaft muß mindestens zwanzig­ tausend Mark, die Stammeinlage jedes Gesellschafters muß mindestens fünfhundert Mark betragen. Kein Gesellschafter kann

bei Errichtung

der

Gesellschaft

mehrere

Stammeinlagen übernehmen. Der Betrag der Stammeinlage kann für die einzelnen Gesellschafter verschieden bestimmt werden. Derselbe muß in Mark durch hundert theilbar sein. Der Gesammtbetrag der Stammeinlagen muß mit dem Stammkapital übereinstimmen. Sollen von Gesellschaftern Einlagen, welche nicht in Geld zu leisten sind, auf das Stammkapital gemacht oder soll die Vergütung für Ver­ mögensgegenstände, welche die Gesellschaft übernimmt, auf Stammeinlagen angerechnet werden, so muß die Person des Gesellschafters, der Gegenstand der Einlage oder Uebernahme sowie der Geldwerth, für welchen die Ein­ lage angenommen wird, oder die für die übernommenen Gegenstände zu gewährende Vergütung im Gesellschaftsvertrage festgesetzt werden.

§ 6.

Die Gesellschaft muß einen oder mehrere Geschäftsführer haben. Zu Geschäftsführern können Gesellschafter oder andere Personen be­ stellt werden. Die Bestellung erfolgt entweder im Gesellschaftsvertrage oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts. Ist im Gesellschaftsvertrage bestimmt, daß sämmtliche Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt sein sollen, so gelten nur die der Gesell­ schaft bei Festsetzung dieser Bestimmung angehörenden Personen als die bestellten Geschäftsführer.

§ 7. Die Gesellschaft ist bei dem Gericht, in dessen Bezirke sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Anmeldung darf nur erfolgen, nachdem von jeder Stammein­ lage, soweit nicht andere als in Geld zu leistende Einlagen auf das Stammkapital gemacht sind, ein Viertheil, mindestens aber der Betrag von zweihundertundfünfzig Mark eingezahlt ist. § 8.

Der Anmeldung müssen beigefügt sein:

1. der Gesellschaftsvertrag und im Falle des § 2 Absatz 2 die Vollmachten der Vertreter, welche den Gesellschaftsvertrag unterzeichnet haben, oder eine beglaubigte Abschrift dieser Urkunden, 2. die Legitimationen der Geschäftsführer, sofern dieselben nicht im Gesellschaftsvertrage bestellt sind, 3. eine von den Anmeldenden unterschriebene Liste der Gesellschafter, aus welcher Name, Vorname, Stand und Wohnort der letzteren, sowie der Betrag der von einem jeden derselben übernommenen Stammeinlage ersichtlich ist, 4. in dem Falle, daß der Gegenstand des Unternehmens der staatlichen Genehmigung bedarf, die Genehmigungsurkunde.

In der Anmeldung ist die Versicherung abzugeben, daß die im § 7 Absatz 2 bezeichneten Leistungen auf die Stammeinlagen bewirkt sind,

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XXX. Gesellschaften mit beschrankter Haftung.

und daß der Gegenstand der Leistungen sich in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet. Die Geschäftsführer haben ihre Unterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gerichte zu zeichnen.

§ 9. Die Anmeldenden haften der Gesellschaft solidarisch für die Richtigkeit ihrer Angaben hinsichtlich der auf die Slammeinlagen ge­ machten Leistungen (§ 7 Absatz 2). Verzichtleistungen oder Vergleiche der Gesellschaft in Betreff der ihr nach Absatz 1 zustehenden Ersatzansprüche sind unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist. Auf einen Vergleich, welchen der Ersatzpflichtige im Falle der Zahlungs­ unfähigkeit zur Abwendung oder Beseitigung des Konkursverfahrens mit seinen Gläubigern abschließt, findet diese Bestimmung keine Anwendung.

Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister.

§ 10. Bei der Eintragung in das Handelsregister sind die Firma und der Sitz der Gesellschaft, der Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Stammkapitals, der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages und die Personen der Geschäftsführer anzugeben. Enthält der Gesellschastsvertrag besondere Bestimmungen über die Zeitdauer der Gesellschaft oder über die Befugniß der Geschäftsführer oder der Liquidatoren zur Vertretung der Gesellschaft, so sind auch diese Be­ stimmungen einzutragen. In die Veröffentlichung, durch welche die Eintragung bekannt gemacht wird, sind außer dem Inhalte der Eintragung die nach § 5 Absatz 4 getroffenen Festsetzungen und, sofern der Gesellschaftsvertrag besondere Be­ stimmungen über die Form enthält, in welcher öffentliche Bekanntmachungen der Gesellschaft erlassen werden, auch diese Bestimmungen aufzunehmen.

§ 11. Vor der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft besteht die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche nicht. Ist vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so hasten die Handelnden persönlich und solidarisch.

§ 12. Auf die Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister eines Gerichts, in deffen Bezirke sie eine Zweigniederlaffung besitzt, finden die Bestimmungen im § 8 Absatz 1 und 2 keine Anwendung. Der Anmeldung ist eine von dem Gerichte der Hauptniederlaffung be­ glaubigte Abschrift des Gesellschastsvertrages und der Liste der Gesellschafter beizufügen. Die Eintragung hat die im § 10 Absatz 1 und 2 bezeichneten An­ gaben zu enthalten. In die Veröffentlichung, durch welche die Eintragung bekannt gemacht wird, sind auch die im § 10 Absatz 3 bezeichneten Be­ stimmungen aufzunehmen, die nach § 5 Absatz 4 getroffenen Festsetzungen jedoch nur dann, wenn die Eintragung innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft erfolgt.

Zweiter Abschnitt

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft rc.

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Zweiter Abschnitt.

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter. § 13. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern der­ selben nur das Gesellschaftsvermögen. Die Gesellschaft gilt als Handelsgesellschaft im Sinne des Handels­ gesetzbuchs.

§ 14. Der Geschaftsantheil jedes Gesellschafters bestimmt sich nach dem Betrage der von ihm übernommenen Stammeinlage. § 15. Die Geschäftsantheile sind veräußerlich und vererblich. Erwirbt ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Geschäftsantheile weitere Geschäftsantheile, so behalten dieselben ihre Selbständigkeit. Zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter bedarf es eines in gerichtlicher oder notarieller Form geschlossenen Vertrages. Der gerichtlichen oder notariellen Form bedarf auch eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsantheils begründet wird. Eine ohne diese Form getroffene Ver­ einbarung wird jedoch durch den nach Maßgabe des vorigen Absatzes ge­ schlossenen Abtretungsvertrag gültig. Durch den Eesellschaftsvertrag kann die Abtretung der Geschäfts­ antheile an weitere Voraussetzungen geknüpft, insbesondere von der Ge­ nehmigung der Gesellschaft abhängig gemacht werden.

§16. Der Gesellschaft gegenüber gilt im Falle der Veräußerung des Geschäftsantheils nur derjenige als Erwerber, desien Erwerb unter Nach­ weis des Uebergangs bei der Gesellschaft angemeldet ist. Die vor der Anmeldung von der Gesellschaft gegenüber dem Ver­ äußerer oder von dem letzteren gegenüber der Gesellschaft in Bezug auf das Gesellschaftsverhältniß vorgenommenen Rechtshandlungen muß der Er­ werber gegen sich gelten lassen. Für die zur Zeit der Anmeldung auf den Geschästsantheil rück­ ständigen Leistungen ist der Erwerber neben dem Veräußerer verhaftet. § 17. Die Veräußerung von Theilen eines Geschästsantheils kann nur mit Genehmigung der Gesellschaft stattfinden. Die Genehmigung bedarf der schriftlichen Form; sie muß die Person des Erwerbers und den Betrag bezeichnen, welcher von der Stammeinlage des ungetheilten Geschästsantheils auf jeden der durch die Theilung ent­ stehenden Geschäftsantheile entfällt. Im Gesellschaftsvertrage kann bestimmt werden, daß für die Ver­ äußerung von Theilen eines Geschästsantheils an andere Gesellschafter, sowie

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XXX. Gesellschaften mit beschränkter Haftung

für die Theilung von Geschäftsantheilen verstorbener Gesellschafter unter deren Erben eine Genehmigung der Gesellschaft nicht erforderlich ist. Die Bestimmungen im § 5 Absatz 1 und 3 über den Betrag der Stammeinlagen finden bei der Theilung von Geschäftsantheilen entsprechende Anwendung. Eine gleichzeitige Uebertragung mehrerer Thelle von Geschaftsantheilen eines Gesellschafters an denselben Erwerber ist unzulässig. Außer dem Falle der Veräußerung und Vererbung findet eine Theilung von Geschäftsanthellen nicht statt. Sie kann im Gesellschastsvertrage auch für diese Fälle ausgeschlossen werden. § 18. Steht ein Geschäftsantheil mehreren Mitberechtigtcn ungetherlt zu. so können fie die Rechte aus demselben nur gemeinschaftlich ausüben. Für die auf den Geschästsantheil zu bewirkenden Leistung,en haften sie der Gesellschaft solidarisch. Rechtshandlungen, welche die Gesellschaft gegenüber dem Inhaber des Antheils vorzunehmen hat, sind, sofern nicht ein gemeinsamer Vertreter der Mitberechtigten vorhanden ist, wirksam, wenn sie auch nur gegenüber einem Mitberechtigten vorgenommen werden. Gegenüber mehreren Erben eines Gesellschafters findet diese Bestimmung nur in Bezug ans Rechts­ handlungen Anwendung, welche nach Ablauf eines Monats seit dem An­ fall der Erbschaft vorgenommen werden.

§19. Die Einzahlungen auf die Stammeinlagen sind nach Ver­ hältniß der letzteren zu leisten. Die Stammeinlagen können den Gesellschaftern außer dein Falle einer Herabsetzung des Stammkapitals weder erlassen noch gestundet werden. Eine Aufrechnung können die Gesellschafter nicht geltend machen; ebenso­ wenig findet an dem Gegenstände einer nicht in Geld zu leistende«» Ein­ lage wegen Forderungen, welche sich nicht auf den Gegenstand beziehen, ein Zurückbehaltungsrecht statt. Eine Leistung aus die Stammeinlage, welche nicht in Geld besteht oder welche durch Aufrechnung einer für die Ueberlassung von Vermögens­ gegenständen zu gewährenden Vergütung bewirkt wird, befreit den Gesell­ schafter von seiner Verpflichtung nur, soweit sie in Ausführung einer nach 8 5 Absatz 4 getroffenen Bestimmung erfolgt.

§ 20. Ein Gesellschafter, welcher den auf die Stammeinlage ein­ geforderten Betrag nicht zur rechten Zeit einzahlt, ist zur Entrichtung von Verzugszinsen von Rechtswegen verpflichtet. § 21.

Im Falle verzögerter Einzahlung kann an den säumigen

Gesellschafter eine erneute Aufforderung zur Zahlung binnen einer zu bestimmenden Nachfrist unter Androhung seines Ausschluffes mit dem Geschästsantheil, auf welchen die Zahlung zu erfolgen hat, erlassen werden. Die Aufforderung erfolgt mittelst eingeschriebenen Briefes. Die Nachfrist

muß mindestens einen Monat betragen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist ist der säumige Gesellschafter seines Geschäftsantheils und der geleisteten Theilzahlungen zu Gunsten der Gesellschaft verlustig zu erklären. Die Erklärung erfolgt mittelst ein­ geschriebenen Briefes.

Zweiter Abschnitt. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft rc

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Wegen des Ausfalls, welchen die Gesellschaft an dem rückständigen Betrage oder den später auf den Geschäftsantheil eingeforderten Beträgen der Stammeinlage erleidet, bleibt ihr der ausgeschlossene Gesellschafter verhaftet.

§ 22. Wegen des von dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht bezahlten Betrages der Stammeinlage ist der Gesellschaft der letzte und jeder frühere, bei der Gesellschaft angemcldete Rechtsvorgänger des Aus­ geschlossenen verhaftet. Ein früherer Rechtsvorgünger haftet nur, soweit die Zahlung von dessen Rechtsnachfolger nicht zu erlangen ist; dies ist bis zum Beweise des Gegentheils anzunehmen, wenn der letztere die Zahlung nicht bis zum Ablauf eines Monats geleistet hat, nachdem an ihn' die Zahlungsauf­ forderung und an den Rechtsvorgänger die Benachrichtigung von derselben erfolgt ist. Die Haftpflicht des Rechtsvorgängers ist auf die innerhalb der Frist von fünf Jahren auf die Stammeinlage eingeforderten Einzahlungen beschränkt. Die Frist beginnt mit dem Tage, an weichern der Uebergang des Geschäftsantheils auf den Rechtsnachfolger ordnungsmäßig angemeldet ist Der Rechtsvorgänger erwirbt gegen Zahlung des rückständigen Betrages den Geschäftsantheil des ausgeschlossenen Gesellschafters.

§ 23. Ist die Zahlung des rückständigen Betrages von Rechts­ vorgängern nicht zu erlangen, so kann die Gesellschaft den Geschäftsantheil im Wege öffentlicher Versteigerung verkaufen lassen. Eine andere Art des Verkaufs ist nur mit Zustimmung des ausgeschlossenen Gesellschafters zulässig. § 24. Soweit eine Stammeinlage weder von dem Zahlungs­ pflichtigen eingezogen, noch durch Verkauf des Geschäftsantheils gedeckt werden kann, haben die übrigen Gesellschafter den Fehlbetrag nach Ver­ hältniß ihrer Geschästsantheile aufzubringen. Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Ver­ hältniß auf die übrigen vertheilt. § 25. Von den in den §§ 21 bis 24 bezeichneten Rechtsfolgen können die Gesellschafter nicht befreit werden. § 26. Im Gesellschaftsvertrage kann bestimmt werden, daß die Gesellschafter über den Betrag der Stammeinlagen hinaus die Einforderung von weiteren Einzahlungen (Nachschüssen) beschließen können. Die Einzahlung der Nachschüsse hat nach Verhältniß der Geschästs­ antheile zu erfolgen. Die Nachschußpflicht kann im Gesellschaftsvertrage auf einen bestimmten, nach Verhältniß der Geschäftsantheile festzusetzenden Betrag beschränkt werden.

§ 27. Ist die Nachschußpflicht nicht auf einen bestimmten Betrag beschränkt, so hat jeder Gesellschafter, falls er die Stammeinlage voll­ ständig eingezahlt hat, das Recht, sich von der Zahlung des auf den Geschäftsantheil eingeforderten Nachschusses dadurch zu befreien, daß er

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XXX. Gesellschaften mit beschränkter Haftung

innerhalb eines Monats nach der Aufforderung zur Einzahlung den Geschäftsantheil der Gesellschaft zur Befriedigung aus demselben zur Ver­ fügung stellt. Ebenso kann die Gesellschaft, wenn der Gesellschafter binnen der angegebenen Frist weder von der bezeichneten Befugniß Gebrauch macht, noch die Einzahlung leistet, demselben mittelst eingeschriebenen Briefes erklären, daß sie den Geschäftsantheil als zur Verfügung gestellt betrachte. Die Gesellschaft hat den Geschäftsantheil innerhalb eines Monats nach der Erklärung des Gesellschafters oder der Gesellschaft im Wege öffentlicher Versteigerung verkaufen zu lassen. Eine andere Art des Ver­ kaufs ist nur mit Zustimmung des Gesellschafters zulässig. Ein nach Deckung der Verkaufskosten und des rückständigen Nachschusses verbleibender Ueberschuß gebührt, dem Gesellschafter. Ist die Befriedigung der Gesellschaft durch den Verkauf nicht zu erlangen, so fällt der Geschäftsantheil der Gesellschaft zu. Dieselbe ist befugt, den Antheil für eigene Rechnung zu veräußern. Im Gesellschaftsvertrage kann die Anwendung der vorstehenden Be­ stimmungen auf den Fall beschränkt werden, daß die auf den Geschäfts­ antheil eingeforderten Nachschüsse einen bestimmten Betrag überschreiten.

§ 28. Ist die Nachschußpflicht auf einen bestimmten Betrag be­ schränkt, so finden, wenn im Gesellschaftsvertrage nicht ein Anderes festgesetzt ist, im Falle verzögerter Einzahlung von Nachschüssen die auf die Ein­ zahlung von Stammeinlagen bezüglichen Vorschriften der §§ 21 bis 23 entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt im Falle des § 27 Absatz 4 auch bei unbeschränkter Nachschußpflicht, soweit die Nachschüffe den im Ge­ sellschaftsvertrage festgesetzten Betrag nicht überschreiten. Im Gesellschaftsvertrage kann bestimmt werden, daß die Einforderung von Nachschüffen, auf deren Zahlung die Vorschriften der §§ 21 bis 23 Anwendung finden, schon vor vollständiger Einforderung der Stammein­ lagen zulässig ist. K 29. Die Gesellschafter haben Anspruch auf den nach der jähr­ lichen Bilanz sich ergebenden Reingewinn, soweit nicht im Gesellschaftsvertrage ein Anderes bestimmt ist. Die Vertheilung erfolgt nach Verhältniß der Geschästsantheile. Im Gesellschaftsvertrage kann ein anderer Maßstab der Vertheilung festgesetzt werden.

§ 30. Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Ver­ mögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Eingezahlte Nachschüsse können, soweit sie nicht zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich sind, an die Gesellschafter zurück­ gezahlt werden. Die Zurückzahlung darf nicht vor Ablauf von drei Monaten erfolgen, nachdem der Rückzahlungsbeschluß durch die im Gesellschaftsvertrage für die Bekanntmachungen der Gesellschaft bestimmten öffentlichen Blätter und in Ermangelung solcher durch die für die Bekanntmachungen aus dem Handelsregister bestimmten öffentlichen Blätter bekannt gemacht ist. Im Falle des § 28 Absatz 2 ist die Zurückzahlung von Nachschüssen vor der Volleinzahlung des Stammkapitals unzulässig. Zurückgezahlte Nach­ schüsse gelten als nicht eingezogen.

Dritter Abschnitt.

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Vertretung und Geschäftsführung.

§ 31« Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 zuwider ge­ leistet sind, müsset! der Gesellschaft erstattet werden. War der Einpfänger in gutem Glauben, so kann die Erstattung nur insoweit verlangt werden, als sie zur Befriedigung der Gesellschafts­ gläubiger erforderlich ist. Ist die Erstattung von dem Empfänger nicht zu erlangen, so haften für den zu erstattenden Betrag, soweit er zur Befriedigung der Gesellschafts­ gläubiger erforderlich ist, die übrigen Gesellschafter nach Verhältniß ihrer Geschäftsantheile. Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zn erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältniß auf die übrigen vertheilt. Zahlungen, welche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen zu leisten sind, können den Verpflichteten nicht erlassen werden. Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in fünf Jahren; die Ver­ jährung beginnt mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Zahlung, deren Erstattung beansprucht wird, geleistet ist. Fällt dem Verpflichteten eine bösliche Handlungsweise zur Last, so findet die Bestimmung keine Anwendung. Für die in den Fällen des Absatz 3 geleistete Erstattung einer Zahlung sind den Gesellschaftern die Geschäftsführer, welchen in Betreff der geleisteten Zahlung ein Verschulden zur Last fällt, solidarisch zum Er­ sätze verpflichtet. K 32. Liegt die im § 31 Absatz 1 bezeichnete Voraussetzung nicht vor, so sind die Gesellschafter in keinem Falle verpflichtet, Beträge, welche sie in gutem Glauben als Gewinnantheile bezogen haben, zurückzuzahlen.

§ 33. Die Gesellschaft darf eigene Geschäftsantheile, auf welche die Stammeinlage noch nicht vollständig eingezahlt ist, nicht erwerben. Sie soll auch eigene Geschäftsantheile, auf welche die Stammeinlage vollständig eingezahlt ist, nicht erwerben, sofern nicht der Erwerb aus dem über den Betrag des Stammkapitals hinaus vorhandenen Vermögen ge­ schehen kann.

§ 34. Die Einziehung (Amortisation) von Geschäftsantheilen darf nur erfolgen, soweit sie im Gesellschaftsvertrage zugelassen ist. Ohne die Zustimmung des Antheilsberechtigten findet die Einziehung nur statt, wenn die Voraussetzungen derselben vor dem Zeitpunkt, in welchem der Berechtigte den Geschäftsantheil erworben hat, im Gesellschafts­ vertrage festgesetzt waren. Die Bestimmung im § 30 Absatz 1 bleibt unberührt. Dritter Abschnitt.

Vertretung und Geschäftsführung. § 35. Die Gesellschaft wird durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Dieselben haben in der durch den Geselljchaftsvertrag bestimmten Form ihre Willenserklärungen kundzugeben und für die Gesellschaft zu zeichnen. Ist nichts darüber bestimmt, so muß die Erklärung und Zeichnung Bürgerlicher Gesetzbuch und Rcbcngeictzc.

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XXX. Gesellschaften mit beschränkter Haftung

durch sämmtliche Geschäftsführer erfolgen. Ist der Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, so genügt es, wenn dieselbe an einen der Geschäftsführer erfolgt. Die Zeichnung geschieht in der Weise, daß die Zeichnenden zu der Firma der Gesellschaft chre Namensunterschrift beifügen.

§ 36. Die Gesellschaft wird durch tue in ihrem Namen von den Geschäftsführern vorgenommenen Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet; es ist gleichgültig, ob das Geschäft ausdrücklich im Namen der Gesell­ schaft vorgenommen worden ist, oder ob die Umstände ergeben, daß es nach dem Willen der Betheiligten für die Gesellschaft vorgenommen werden sollte. § 37. Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber ver­ pflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugniß, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein Anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesell­ schafter festgesetzt sind. Gegen dritte Personen hat eine Beschränkung der Befugniß der Geschäftsführer, die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß die Vertretung sich nur auf gewiffe Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder daß die Zustimmung der Gesellschafter oder eines Organs der Gesellschaft für einzelne Geschäfte erfordert ist.

§ 38. Die Bestellung der Geschäftsführer ist zu jeder Zeit wider­ ruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen. Im Gesellschastsvertrage kann die Zulässigkeit des Widerrufs auf den Fall beschränkt werden, daß wichtige Gründe denselben nothwendig machen. Als solche Gründe sind insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung anzusehen. § 39. Jede Aenderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugniß eines Geschäftsführers ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Der Anmeldung ist eine Abschrift der Urkunden über die Bestellung der Geschäftsführer oder über die Beendigung der Vertretungsbefugniß beizufügen. Diese Bestimmung findet auf die Anmeldung zum Handels­ register einer Zweigniederlassung keine Anwendung. Die Geschäftsführer haben ihre Unterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gerichte zu zeichnen. § 40. Alljährlich im Monat Januar haben die Geschäftsführer eine von ihnen unterschriebene Liste der Gesellschafter, aus welcher Name, Vorname, Stand und Wohnort der letzteren sowie ihre Stammeinlagen zu entnehmen sind, zum Handelsregister einzureichen. Sind seit Eiureichung der letzten Liste Veränderungen hinsichtlich der Person der Gesellschafter und des Umfangs ihrer Betheiligung nicht eingetreten, so genügt die Ein­ reichung einer entsprechenden Erklärung.

Dritter Abschnitt.

Vertretung und Geschäftsführung.

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§ 41. Die Geschäftsführer sind verpflichtet, für die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen. Sie müssen in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres die Bilanz für das verflossene Geschäftsjahr nebst einer Gewinn- und Verlust­ rechnung aufstellen. Durch den Gesellschaftsvertrag sann die bezeichnete Frist bis auf sechs Monate, bei Gesellschaften, deren Unternehmen den Betrieb von Geschäften in überseeischen Gebieten zum Gegenstände hat, bis auf neun Monate erstreckt werden. Für Gesellschaften, bei welchen der Gegenstand des Unternehmens im Betriebe von Bankgeschäften besteht, ist die Bilanz innerhalb der vor­ bezeichneten Fristen in den im § 30 Absatz 2 bestimmten öffentlichen Blättern durch die Geschäftsführer bekannt zu machen. Die Bekanntmachung ist zum Handelsregister einzureichen. § 42. Für die.Ausstellung der Bilanz kommen die Vorschriften des § 40 des Handelsgesetzbuchs mit folgenden Maßgaben zur Anwendung: 1. Anlagen und sonstige Vermögensgegenstände, welche nicht zur Weiterveräußerling, sondern dauernd zum Betriebe des Unternehmens be­ stimmt sind, dürfen höchstens zu dem Anschaffungs- oder Herstellungspreise angesetzt werden; sie können ohne Rücksicht auf einen geringeren Werth zu diesem Preise angesetzt werden, sofern ein der Abnutzung gleich­ kommender Betrag in Abzug oder ein derselben entsprechender Erneuerungsfonds in Ansatz gebracht wird; 2. die Kosten der Organisation und Verwaltung dürfen nicht als Aktiva in die Bilanz eingesetzt werden; 3. das Recht der Gesellschaft zur Einziehung von Nachschüssen der Gesell­ schafter ist als Aktivum in die Bilanz nur insoweit einzustellen, als die Einziehung bereits beschlossen ist und den Gesellschaftern ein Recht, durch Verweisung auf den Geschäftsantheil sich von der Zahlung der Nachschüsse zu befreien, nicht zusteht; den in die Aktiva der Bilanz mlfgenommenen Nachschußansprüchen muß ein gleicher- Kapitalbetrag in den Passiven gegenübergestellt werden; 4. der Betrag des im Gesellschaftsvertrage bestimmten Stammkapitals ist unter die Passiva aufzunehmen. Das Gleiche gilt von dem Be­ trage eines jeden Reserve- und Erneuerungsfonds, sowie von dem Gesammtbetrage der eingezahlten Nachschüsse, soweit nicht die Ver­ wendung eine Abschreibung der betreffenden Passivposten begründet; 5. der aus der Vergleichung sämmtlicher Aktiva und Passiva sich er­ gebende Gewinn oder Verlust muß am Schlüsse der Bilanz besonders angegeben werden.

§ 43. Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesell­ schaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesell­ schaft solidarisch für den entstandenen Schaden. Insbesondere sind sie zum Ersätze verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen 65*

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XXX Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

des § 33 zuwider eigene Geschästsantheile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen int § 9 Absatz 2 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläu­ biger der Gesellschaft erforderlich ist, wird Pie Verpflichtung der Geschäfts­ führer dadurch nicht aufgehoben, daß dieselben in Befolgung eines Be­ schlusses der Gesellschafter gehandelt haben. Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.

§ 44. Die für die Geschäftsführer gegebenen Vorschriften gelten auch für Stellvertreter von Geschäftsführern.

§ 45. Die Rechte, welche den Gesellschaftern in den Angelegen­ heiten der Gesellschaft, insbesondere in Bezug auf die Führung der Ge­ schäfte zustehen, sowie die Ausübung derselben bestimmen sich, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, nach dem Gesellschaftsvertrage. In Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschastsvertrages finden die Vorschriften der §§ 46 bis 51 Anwendung. § 46. Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen: 1. die Feststellung der Jahresbilanz und die Vertheilung des aus dcrfelbm sich ergebenden Reingewinns; 2. die Einforderung von Einzahlungen auf die Stammeinlagcn; 3. die Rückzahlung von Nachschüssen; 4. die Theilung sowie i>ie Einziehung von Geschäftsantheilen; 5. die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselbe»; 6. die Maßregeln zur Prüfung und Ueberwachung der Geschäftsführung; 7. die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesammten Geschäftsbetriebe; 8. die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesell­ schafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat.

§ 47. Die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen erfolgen durch Beschlußfaffung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Jede hundert Mark eines Geschästsantheils gewähren eine Stimme. Vollmachten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form. Ein Gesellschafter, welcher durch die Beschlußfaffung entlüftet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hat hierbei kein Stimmrecht und darf ein solches auch nicht für Andere ausüben. Dasselbe gilt von einer Be­ schlußfaffung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreites gegenüber einem Gesellschafter betrifft. § 48. Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefaßt. Der Abhaltung einer Versammlung bedarf es nicht, wenn sämmtliche Gesellschafter schriftlich mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen sich einverstanden erklären.

Vierter Abschnitt.

Abänderungen des Gesellschaftsvertrages

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§ 49. Die Versammlung der Gesellschafter wird durch die Geschäfts­ führer berufen. Sie ist außer den ausdrücklich bestimmten Fällen zu berufen, wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint. Insbesondere muß die Versammlung unverzüglich berufen werden, wenn aus der Jahresbilanz oder aus einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz sich ergiebt, daß die Hälfte des Stammkapitals ver­ loren ist.

K 50. Gesellschafter, deren Geschäftsantheile zusammen mindestens dem zehnten Theile des Stammkapitals entsprechen, sind berechtigt, unter Angabe des Zwecks und der Gründe die Berufung der Versammlung zu verlangen. In gleicher Weise haben die Gesellschafter das Recht zu verlangen, daß Gegenstände zur Beschlußfassung der Versammlung angekündigt werden. Wird dem Verlangen nicht entsprochen oder sind Personen, an welche dasselbe zu richten wäre, nicht vorhanden, so können die im Absatz 1 be­ zeichneten Gesellschafter unter Mittheilung des Sachverhältnisses die Berufung oder Ankündigung selbst bewirken. Die Versammlung beschließt, ob die entstandenen Kosten von der Gesellschaft zu tragen sind. § 51. Die Berufung der Versammlung erfolgt durch Einladung der Gesellschafter mittelst eingeschriebener Briefe. Sie ist mit einer Frist von mindestens einer Woche zu bewirken. Der Zweck der Versammlung soll jederzeit bei der Berufung an­ gekündigt werden. Ist die Versammlung nicht ordnungsmäßig berufen, so können Beschlüsse nur gefaßt werden, wenn sämmtliche Gesellschafter anwesend sind. Das Gleiche gilt in Bezug auf Beschlüsse über Gegenstände, welche nicht wenigstens drei Tage vor der Versammlung in der für die Berufung vorgeschriebenen Weise au gekündigt worden sind.

§ 52. Ist nach dem Gesellschaftsvertrage ein Aufsichtsrath zu bestellen, so finden auf denselben, soweit nicht im Gesellschaftsvertrage ein Anderes bestimmt ist, die für den Aufsichtsrath einer Aktiengesellschaft nach § 243 Absatz 1, 2, 4, §§ 244 bis 248 und § 249 Absatz 1, 2 des Handelsgesetzbuchs geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder des Aufsichtsraths wegen Verletzung ihrer Obliegenheiten verjähren in fünf Jahren. Vierter Abschnitt.

Minderungen de§ GesellschaftMertrageK. § 53. Eine Abänderung des Gesellschaftsvertrages kann nur durch Beschluß der Gesellschafter erfolgen. Der Beschluß muß gerichtlich oder notariell beurkundet werden, derselbe bedarf einer Mehrheit von drei Viertheilen der abgegebenen Stimmen. Der Gesellschaftsvertrag kann noch andere Erfordernisse auf­ stellen.

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XXX. Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

Eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrage obliegenden Leistungen kann nur mit Zustimmung sämmtlicher beteiligter Gesellschafter beschlossen werden.

§ 54. Die Abänderung des Gesellschaftsvertrages ist zur Ein­ tragung in das Handelsregister anzumelden. Bei der Eintragung genügt, sofern nicht die Abänderung die im § 10 Absatz 1 und 2 bezeichneten Angaben betrifft, die Bezugnahme auf die bei dem Gerichte eingereichten Urkunden über die Abänderung. Die öffentliche Bekanntmachung findet in Betreff aller Bestimmungen statt, auf welche sich die im § 10 Absatz 3 und im § 12 vorgeschriebenen Ver­ öffentlichungen beziehen. Die Abänderung hat keine rechtliche Wirkung, bevor sie in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen ist. § 55. Wird eine Erhöhung des Stammkapitals beschlossen, so bedarf es zur Uebernahme jeder auf das erhöhte Kapital zu leistenden Stammeinlage einer gerichtlich oder notariell aufgenommenen oder be­ glaubigten Erklärung des Üebernehmers. Zur Uebernahme einer Stammeiulage können von der Gesellschaft die bisherigen Gesellschafter oder andere Personen, welche durch die Ueber­ nahme ihren Beitritt zu der Gesellschaft erklären, zugelassen werden. Im letzteren Falle find außer dem Betrage der Stammeinlage auch sonstige Leistungen, zu welchen der Beitretende nach dem Gesellschaftsvertrage ver­ pflichtet sein soll, in der im Absatz 1 bezeichneten Urkunde ersichtlich zu machen. Wird von einem der Gesellschaft bereits angehörenden Gesellschafter eine Stammeinlage auf das erhöhte Kapital übernommen, so erwirbt der­ selbe einen weiteren Geschästsantheil. Die Bestimmungen im § 5 Absatz 1 und 3 über den Betrag der Stammeinlagen sowie die Bestimmung im § 5 Absatz 2 über die Unzu­ lässigkeit der Uebernahme mehrerer Stammeinlagen finden auch hinsichtlich der auf das erhöhte Kapital zu leistenden Stammeinlagen Anwendung.

§ 56. Soll auf das erhöhte Stammkapital eine Einlage gemacht werden, welche nicht in Geld zu leisten ist, oder soll eine Vergütung für Vermögensgegenstände, welche die Gesellschaft übernimmt, auf eine Einlage angerechnet werden, so muß die Person desjenigen, welcher die Einlage zu leisten oder die Vermögensgegenstände zu überlassen hat, sowie der Gegen­ stand der Einlage oder Ueberlafsung und der Geldwerth, für welchen die Einlage angenommen wird, oder die für den überlaffenen Gegenstand zu gewährende Vergütung in dem Beschlusse auf Erhöhung des Stammkapitals festgesetzt'und in der im § 55 Absatz 1 bezeichneten Erklärung angegeben werden. Die Bestimmung im § 19 Absatz 3 findet entsprechende Anwendung. § 57. Die beschlossene Erhöhung des Stammkapitals ist zur Ein­ tragung in das Handelsregister anzumelden, nachdem das erhöhte Kapital durch Uebernahme von Stammeinlagen gedeckt ist. Die Bestimmung im § 7 Absatz 2 über die vor der Anmeldung des Gesellschaftsvertrages zu leistende Einzahlung, sowie die Bestimmung

Fünfter Abschnitt.

Auslosung und Nichtigkeit der Gesellschaft.

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im 8 8 Absatz 2 über die in der Anmeldung abzugebende Versicherung finden entsprechende Anwendung. Der Anmeldung sind beiznfügen: 1. die im § 55 Absatz 1 bezeichneten Erklärungen oder eine beglaubigte Abschrift derselben; 2. eine von den Anmeldenden unterschriebene Liste der Personen, welche die neuen Stammeinlagen übernommen haben; aus der Liste muß der Betrag der von jedem übernommenen Einlage ersichtlich sein. In Bezug auf die Verantwortlichkeit der Anmeldenden für die Richtigkeit ihrer Angaben finden die Bestimmungen int § 9 entsprechende Anwendung.

§ 58*

Eine Herabsetzung des Stammkapitals kann nur unter Beobachtung der nachstehenden Bestimmnngen erfolgen: 1. der Beschluß auf Herabsetzung des Stammkapitals muß von den Geschäftsführern zu drei verschiedenen Malen durch die im § 30 Ab­ satz 2 bezeichneten Blätter bekannt gemacht werden; in diesen Bekannt­ machungen sind zugleich die Gläubiger der Gesellschaft aufzufordern, sich bei derselben zu melden; die aus den Handelsbüchern der Gesell­ schaft ersichtlichen oder in anderer Weise bekannten Gläubiger sind durch besondere Mittheilung zur Anmeldung anfzufordern; 2. die Gläubiger, welche sich bei der Gesellschaft melden und der Herabsetzung nicht zustimmen, sind wegen der erhobenen Ansprüche zu befriedigen oder sicherzustellen; 3. die Anmeldung des Herabsetzungsbeschlusses zur Eintragung in das Handelsregister erfolgt nicht vor Ablauf eines Jahres seit dem Tage, an welchem die Aufforderung der Gläubiger in den öffentlichen Blättern zum dritten Male stattgesunden hat; 4. mit der Anmeldung sind die Bekanntmachungen des Beschluffes ein­ zureichen; zugleich haben die Geschäftsführer die Versicherung abzugeben, daß die Gläubiger, welche sich bei der Gesellschaft gemeldet und der Herabsetzung nicht zugestimmt haben, befriedigt oder sichergestellt sind. Die Bestimmung im § 5 Absatz 1 über den Mindestbetrag des Stamm­ kapitals bleibt unberührt. Erfolgt die Herabsetzung zum Zweck der Zurück­ zahlung von Stammeinlagen oder zum Zweck des Erlasses der auf diese geschuldeten Einzahlungen, so darf der verbleibende Betrag der Stamm­ einlagen nicht unter ben im § 5 Absatz 1 und 3 bezeichneten Betrag herabgehen.

K 59.

Auf die Anmeldungen zum Handelsregister eines Gerichts, in dessen Bezirke die Gesellschaft eine Zweigniederlassung besitzt, finden die Bestimmungen im § 57 Absatz 2, Absatz 3 Nr. 1 und im § 58 Absatz 1 Nr. 4 keine Anwendung. Fünfter Abschnitt.

Auflösung und Wichtigkeit der Gesellschaft. § 60, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird aufgelöst: 1. durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrage bestimmten Zeit; 2. durch Beschluß der Gesellschafter; derselbe bedarf, sofern im Gesellschafts-

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XXX. Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

vertrage nicht ein Anderes bestimmt ist, einer Mehrheit von drei Viertheilen der abgegebenen Stimmen; 3. durch gerichtliches UÜheil oder durch Entscheidung des Verwaltungs­ gerichts oder der Verwaltungsbehörde in den Fällen der 88 61 und 62; 4. durch die Eröffnung des Konkursverfahrens; wird das Verfahren nach Abschluß eines Zwangsvergleichs aufgehoben oder auf Antrag des Gemeinschuldners eingestellt, so können die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen. Im Gesellschaftsvertrage können weitere Auflösungsgründe festgesetzt werden.

K 61. Die Gesellschaft kann durch gerichtliches Urtheil aufgelöst werden, wenn die Erreichung des Gesellschastszweckes unmöglich wird, oder weim andere, in den Verhältnissen der Gesellschaft liegende, wichtige Gründe für die Auflösung vorhanden sind. Die Auflösungsklage ist gegen die Gesellschaft zu richten. Sie kann nur von Gesellschaftern erhoben werden, deren Geschästsantheile zusammen mindestens dem zehnten Theile des Stammkapitals entsprechen.. Für die Mage ist das Landgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat.

§ 62. Wenn eine Gesellschaft das Gemeinwohl dadurch gefährdet, daß die Gesellschafter gesetzwidrige Beschlüsse fasien oder gesetzwidrige Hand­ lungen der Geschäftsführer wissentlich geschehen fassen, so kann sie aufgelost werden, ohne daß deshalb ein Anspruch auf Entschädigung stattfindet. Das Verfahren und die Zuständigkeit der Behörden richtet sich nach den für streitige Verwaltungssachen landesgesetzlich geltenden Vorschriften. Wo ein Verwaltungsstreitverfahren nicht besteht, kann die Auflösung nur durch gerichtliches Erkenntniß auf Betreiben der höheren Verwaltungs­ behörde erfolgen. Ausschließlich zuständig ist in diesem Falle das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. § 63. Ueber das Vermögen der Gesellschaft findet das Konkurs­ verfahren außer dem Falle der Zahlungsunfähigkeit auch in dem Falle der Ueberschuldung statt. Die auf das Konkursverfahren über das Vermögen einer Aktien­ gesellschaft bezüglichen Vorschriften im § 207 Absatz 2, § 208 der Konkurs­ ordnung finden auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung entsprechende Anwendung. § 64. Die Geschäftsführer haben die Eröffnung des Konkurs­ verfahrens zu beantragen, sobald die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eintritt oder aus der Jahresbilanz oder aus einer im Laufe des Geschäfts­ jahres aufgestellten Bilanz Ueberschuldung sich ergiebt. Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersätze aller nach diesem Zeitpunkt geleisteten Zahlungen verpflichtet. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen im § 43 Absatz 3 und 4 entsprechende Anwendung.

§ 65. Die Auflösung der Gesellschaft ist außer dem Falle des Konkursverfahrens zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Das Gleiche gilt von einer Fortsetzung der Gesellschaft in den im § 60 Absatz 1 Nr. 4 bezeichneten Fällen.

Fünfter Abschnitt.

Auflösung und Nichtigkeit der Gesellschaft.

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Die Auflösung ist von den Liquidatoren zu drei verschiedenen Malen durch die im § 30 Absatz 2 bezeichneten öffentlichen Blätter bekannt zu machen. Durch die Bekanntmachung sind zugleich die Gläubiger der Ge­ sellschaft aufzufordern, sich bei derselben zu melden. § 66. In den Fällen der Auflösung außer dem Falle des Kon­ kursverfahrens erfolgt die Liquidation durch die Geschäftsführer, wenn nicht dieselbe durch den Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluß der Gesellschafter anderen Personen übertragen wird. Auf Antrag von Gesellschaftern, deren Geschäftsantheile zusammen mindestens dem zehnten Theile des Stammkapitals entsprechen, kann aus wichtigen Gründen die Bestellung von Liquidatoren durch das Gericht (§ 7 Absatz 1) erfolgen. Die Abberufung von Liquidatoren kann durch das Gericht unter derselben Voraussetzung wie die Bestellung stattfinden. Liquidatoren, welche nicht vom Gericht ernannt sind, können auch durch Beschluß der Gesell­ schafter vor Ablauf des Zeitraums, für welchen sie bestellt sind, abberufen werden. § 67. Die ersten Liquidatoren sind durch die Geschäftsführer, jede Aenderung in den Personen der Liquidatoren sowie eine Beendigung ihrer Vertretungsbefugniß ist durch die Liquidatoren zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Der Anmeldung ist eine Abschrift der Urkunden über die Bestellung der Liquidatoren oder über die Aenderung in den Personen derselben bei­ zufügen. Diese Vorschrift findet auf die Anmeldung zum Handelsregister einer Zweigniederlassung keine Anwendung. Die Eintragung der gerichtlichen Ernennung oder Abberufung von Liquidatoren geschieht von Amtswegen. Die Liquidatoren haben ihre Unterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gerichte zu zeichnen.

§ 68. Die Liquidatoren haben in der bei ihrer Bestellung be­ stimmten Form ihre Willenserklärungen kundzugeben und für die Gesell­ schaft zu zeichnen. Ist nichts darüber bestimmt, so muß die Erklärung und Zeichnung durch sämmtliche Liquidatoren erfolgen. Die Bestimmung ist mit der Bestellung der Liquidatoren zur Ein­ tragung in das Handelsregister anzumelden. Die Zeichnungen geschehen in der Weise, daß die Liquidatoren der bisherigen, nunmehr als Liquidationsfirma zu bezeichnenden Firma ihre Namensunterschrift beifügen. 8 69. Bis zur Beendigung der Liquidation kommen ungeachtet der Auflösung der Gesellschaft in Bezug auf die Rechtsverhältnisse derselben und der Gesellschafter die Vorschriften des zweiten und dritten Abschnitts zur An­ wendung, soweit sich aus den Bestimmungen des gegenwärtigen Abschnitts und aus dem Wesen der Liquidation nicht ein Anderes ergiebt. Der Gerichtsstand, welchen die Gesellschaft zur Zeit ihrer Auflösung hatte, bleibt bis zur vollzogenen Vertheilung des Vermögens bestehen. § 70. Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu be­ endigen, die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft zu erfüllen, die

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XXX. Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

Forderungen derselben einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen; sie haben die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen.

§ 71. Die Liquidatoren haben die aus §§ 36, 37, § 41 Absatz 1, § 43 Absatz 1, 2 und 4, § 49 Absatz 1 und 2, § 64 sich ergebenden Rechte und Pflichten der Geschäftsführer. Sie haben sofort bei Beginn der Liquidation und demnächst in jedem Jahre eine Bilanz aufzustellen.

§72. Das Vermögen der Gesellschaft wird unter die Gesellschafter nach Verhältniß ihrer Geschäftsantheile vertheilt. Durch den Gesellschafts­ vertrag kann ein anderes Verhältniß für die Vertheilung bestinimt werden.

§ 73. Die Vertheilung darf nicht vor Tilgung oder Sicherstellung der Schulden der Gesellschaft und nicht vor Ablauf eines Jahres seit dem Tage vorgenommen werden, an welchem die Aufforderung an die Gläubiger (§ 65 Absatz 2) in den öffentlichen Blättern zum dritten Male erfolgt ist. Meldet sich ein bekannter Gläubiger nicht, so ist der geschuldete Betrag, wenn die Berechtigung zur Hinterlegung vorhanden ist, für den Gläubiger zu hinterlegen. Ist die Berichtigung einer Verbindlichkeit zur Zeit nicht ausführbar oder ist eine Verbindlichkeit streitig, so darf die Vertheilung des Vermögens nur erfolgen, wenn dem Gläubiger Sicher­ heit geleistet ist. Liquidatoren, welche diesen Vorschriften zuwiderhandeln, sind zum Ersätze der vertheilten Beträge solidarisch verpflichtet. Auf den Ersatz­ anspruch finden die Bestimmungen im § 43 Absatz 3 und 4 entsprechende Anwendung. § 74. Nach Beendigung der Liquidation sind die Bücher und Schriften der Gesellschaft für die Dauer von zehn Jahren einem der Gesell­ schafter oder einem Dritten in Verwahrung zu geben. Der Gesellschafter oder der Dritte wird in Ermangelung einer Bestimmung des Gesellschafts­ vertrages oder eines Beschlüffes der Gesellschafter durch das Gericht (§ 7 Absatz 1) bestimmt. Die Gesellschafter und deren Rechtsnachfolger sind zur Einsicht der Bücher und Schriften berechtigt. Gläubiger der Gesellschaft können von dem Gericht (§ 7 Absatz 1) zur Einsicht ermächtigt werden. K 75. Enthält der Gesellschaftsvertrag nicht die nach § 3 Absatz 1 wesentlichen Bestimmungen oder ist eine dieser Bestimmungen nichtig, so kann jeder Gesellschafter, jeder Geschäftsführer und, wenn ein Aufsichtsrath bestellt ist, jedes Mitglied des Aufsichtsraths im Wege der Klage beantragen, daß die Gesellschaft für nichtig erklärt werde. Die Vorschriften der 88 272, 273 des Handelsgesetzbuchs finden ent­ sprechende Anwendung. § 76. Ein Mangel, der die Bestimmungen über die Firma oder den Sitz der Gesellschaft oder den Gegenstand des Unternehmens betrifft, kann durch einstimmigen Beschluß der Gesellschafter geheilt werden.

Sechster Abschnitt.

Schlußbestimmungen.

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§ 77. Ist die Nichtigkeit einer Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen, so finden zum Zwecke der Abwickelung ihrer Verhältnisse die für den Fall der Auflösung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Die Wirksamkeit der im Namen der Gesellschaft mit Dritten vor­ genommenen Rechtsgeschäfte wird durch die Nichtigkeit nicht berührt. Die Gesellschafter haben die versprochenen Einzahlungen zu leisten, soweit es zur Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeiten erforderlich ist. Sechster Abschnitt.

Schluszbestimmungen.

§ 78. Die in diesem Gesetze vorgesehenen Anmeldungen zum Handels­ register sind durch die Geschäftsführer oder die Liquidatoren, die im § 7 Absatz 1, § 12 Absatz 1, § 57 Absatz 1, § 58 Absatz 1 Nr. 3, § 80 Absatz 5 vorgesehenen Anmeldungen sind durch sämmtliche Geschäftsführer zu be­ wirke». § 79. In Ansehung der tn §§ 7, 54, § 57 Absatz 1, § 58 Absatz 1 Nr. 3, § 80 Absatz 5 bezeichneten Anmeldungen zum Handelsregister findet, soweit es sich um die Anmeldung zum Handelsregister des Sitzes der Gesell­ schaft handelt, eine Verhängung von Ordnungsstrafen nach § 14 des Handels­ gesetzbuchs nicht statt.

§ 80. Wird eine Aktiengesellschaft zum Zweck der Umwandlung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung aufgelost, so kann die Liqui­ dation derselben unterbleiben, wenn hinsichtlich der Errichtung der neuen Gesellschaft den nachstehenden Bestimmungen genügt wird. Das Stammkapital der neuen Gesellschaft darf nicht geringer sein als das Grundkapital der aufgelösten Gesellschaft. Den Aktionären ist durch öffentliche Bekanntmachung oder in sonst geeigneter Weise Gelegenheit zu geben, mit dem auf ihre Aktien entfallenden Antheil an dem Vermögen der aufgelösten Gesellschaft sich bei der neuen Gesellschaft zu betheiligen. Die Aktien der sich betheiligenden Mitglieder müffen mindestens drei Viertheile des Grundkapitals der aufgelösten Gesell­ schaft darstellen. Der auf jede Aktie entfallende Antheil an dem Vermögen der auf­ gelösten Gesellschaft wird auf Grund einer Bilanz berechnet, welche der Generalversammlung der Aktionäre zur Genehmigung vorzulegen ist. Der Beschluß, durch welchen die Genehmigung erfolgt, bedarf einer Mehrheit von drei Viertheilen des in der Generalversammlung vertretenen Grund­ kapitals. Die neue Gesellschaft muß spätestens binnen einem Monate nach Auflösung der Aktiengesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister an­ gemeldet werden. Die Eintragung darf nur erfolgen, nachdem die Beobachtung der vorstehenden Bestimmungen nachgewiesen ist. § 81. In dem Falle des § 80 geht das Vermögen der aufgelösten Gesellschaft einschließlich ihrer Schulden mit der Eintragung der neuen Gesellschaft in das Handelsregister auf diese von Rechtswegen über.

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XXX. Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

Jeder Aktionär, welcher bei der neuen Gesellschaft sich nicht betheiligt hat, kann von dieser die Auszahlung eines seinem Antheil an dem Ver­ mögen der aufgelösten Gesellschaft entsprechenden Betrages verlangen. Unverzüglich nach der Eintragung der neuen Gesellschaft in das Handelsregister sind die Gläubiger der aufgelösten Gesellschaft nach Maß­ gabe der Bestimmungen des § 297 des Handelsgesetzbuchs durch die Geschäfts­ führer der neuen Gesellschaft aufzufordern, sich bei dieser zu melden. Die Gläubiger, welche sich melden und der Umwandlung nicht zustimmen, sind zu befriedigen oder sicherzustellcn. Die Geschäftsführer sind den Gläubigern der aufgelösten Gesellschaft persönlich und solidarisch für die Beobachtung dieser Vorschriften verantwortlich.

-§ 82. Mit Gefängniß bis zu einem Jahre und zugleich mit Geld­ strafe bis zu fünftausend Mark werden bestraft: 1. Geschäftsführer und Mitglieder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, welche behufs Eintragung der Gesellschaft in das Handels­ register, sowie Geschäftsführer, welche behufs Eintragung einer Erhöhung des Stamnikapitals in das Handelsregister dem Gericht (§ 7 Absatz 1) hinsichtlich der Einzahlungen auf die Stammeinlagen wissentlich falsche Angaben machen ; 2. Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, welche, um die Eintragung einer Herabsetzung des Stammkapitals in das Handels­ register zu erwirken, dem Gericht (§ 7 Absatz 1) hinsichtlich der Be­ friedigung oder Sicherstellung der Gläubiger wissentlich eine unwahre Versicherung abgeben ; 3. Geschäftsführer, Liquidatoren, sowie Mitglieder eines Aufsichtsraths oder ähnlichen Organs einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, welche in einer öffentlichen Mittheilung die Vermögenslage der Ge­ sellschaft wissentlich unwahr darstellen oder verschleiern. Zugleich kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt ausschließlich die Geld­ strafe ein.

§ 83. Die Strafvorschriften der §§ 239 bis 241 der Konkurs­ ordnung finden gegen die Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, welche ihre Zahlungen eingestellt hat oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, Anwendung, wenn sie in dieser Eigenschaft die mit Strafe bedrohten Handlungen begangen haben. 5 84. Die Geschäftsführer oder Liquidatoren einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung werden mit Gefängniß bis zu drei Monaten und zugleich mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft, wenn entgegen den Vorschriften im 8 64, § 71 Absatz 1 der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens Unterlasten ist. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt ausschließlich die Geld­ strafe ein. Straflos bleibt derjenige, bezüglich besten festgestellt wird, daß der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens ohne sein Verschulden unter­ blieben ist.

XXXI. Gesetz, betreffend die priMtrechtlicben Verhältnisse der Binnenschiffahrt, vom 15 Juiu 1895

nach der Bekanntmachung der Reichskanzlers vom ro. Mai iror. M-ichsgcsetzblat, 1898 S. 868 - 903.)')

Erster Abschnitt.

Schiffseigner. § 1. Schiffseigner im Sinne dieses Gesetzes ist der Eigenthümer eines zur Schiffahrt auf Flüssen oder sonstigen Binnengewässern bestimmten und hierzu von ihm verwendeten Schiffes.

K 2. Wer ein ihm nicht gehöriges Schiff zur Binnenschiffahrt verwendet und es entweder selbst führt oder die Führung einem Schiffer anvertraut, wird Dritten gegenüber als Schiffseigner im Sinne dieses Gesetzes angesehen. Der Eigenthümer kann denjenigen, welcher aus der Verwendung des Schiffes einen Anspruch als Schiffsgläubiger (§§ 102 bis 115) her­ leitet, an der Durchführung des Anspruchs nicht hindern, sofern er nicht beweist, daß die Verwendung ihm gegenüber eine widerrechtliche und der Gläubiger nicht in gutem Glauben war. § 3. Der Schiffseigner ist für den Schaden verantwortlich, welchen eine Person der Schiffsbesatzung einem Dritten durch ihr Verschulden in Ausführung ihrer Dienstverrichtungen zufügt. Zur Schiffsbesatzung gehören der Schiffer, die Schiffsmannschaft (§ 21) und alle übrigen auf dem Schiffe angestellten Personen mit Aus­ nahme der Zwangslootsen.

§ 4. Der Schiffseigner hastet nicht persönlich, sondern nur mit Schiff und Fracht: 1. wenn der Anspruch auf ein Rechtsgeschäft gegründet wird, welches der Schiffer als solcher kraft seiner gesetzlichen Befugnisse und nicht mit Bezug auf eine Vollmacht geschlossen hat; *) Diese Bekanntmachung berücksichtigt die Aenderungen durch Art 12 E.G z. H G.B.

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XXXI. Privatrechtl. Verhältnisse der Binnenschiffahrt.

2. wenn der Anspruch auf die Nichterfüllung oder auf die unvollständige oder mangelhafte Erfüllung eines von dem Schiffseigner abgeschlossenen Vertrages gegründet wird, insofern die Ausführung des Vertrages

zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört, ohne Unterschied, ob die Nichterfüllung oder die unvollständige oder mangelhafte Erfüllung

von einer Person der Schiffsbesatzung verschuldet ist oder nicht; 3. wenn der Anspruch auf das Verschulden einer Person der Schiffs­ besatzung gegründet wird. Durch die vorstehenden Bestimmungen wird die persönliche Haftung des Schiffseigners im Falle eigenen Verschuldens desselben nicht berührt. Der Schiffseigner hastet jedoch, auch wenn er selbst das Schiff führt, für einen durch fehlerhafte Führung des Schiffes entstandenen Schaden aus­ schließlich mit Schiff und Fracht, es sei denn, daß ihm eine bösliche Handlungsweise zur Last fällt. Sind mehrere Schiffe in einem Schleppzuge vereinigt, so erstreckt sich die Haftung nur auf dasjenige Schiff, welches den Schaden verursacht hat, und auf die Fracht dieses Schiffes. Der Fracht steht bei Schlepp­

schiffen der Schlepplohn gleich.

§ 5.

Für die den Personen der Schiffsbesatzung aus dem Dienstverhältniffe zustehenden Forderungen hastet der Schiffseigner persönlich, nicht nur mit Schiff und Fracht.

§ 6.

Das Gericht des Ortes, von dem aus die Schiffahrt mit dem Schiffe betrieben wird (Heimathsort), ist für alle gegen den Schiffs­ eigner als solchen zu erhebenden Klagen zuständig, ohne Unterschied, ob er persönlich oder nur mit Schiff und Fracht haftet. Unter mehreren hiernach in Betracht kommenden Orten gilt als Heimathsort der Ort, .wo die Geschäftsniederlassung, bei mehreren Nieder­ lassungen die Hauptniederlaffung und in Ermangelung einer Geschäfts­ niederlassung der Wohnsitz des Schiffseigners sich befindet. Ist ein Heimathsort nicht festzustellen, fo gilt als solcher der Ort, wo der Schiffseigner zur Gewerbesteuer oder Einkommensteuer veranlagt wird.

Zweiter Abschnitt.

Schiffer. § 7. Der Führer des Schiffes (Schiffer) ist verpflichtet, bei allen Dienstverrichtungen, namentlich bei der Erfüllung der von ihm auszu­ führenden Verträge, die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers anzuwenden. Er hastet für jeden durch die Vernachlässigung dieser Sorgfalt ent­ standenen Schaden nicht nur dem Schiffseigner, sondern auch den Ladungsbetheiligten (Absender und Empfänger), den beförderten Personen und der Schiffsbesatzung, es sei denn, daß er auf Anweisung des Schiffseigners gehandelt hat. Auch in dem letzteren Falle bleibt der Schiffer verantwortlich, wenn er es unterlassen hat, dem Schiffseigner die nach Lage des Falles erforderliche Aufklärung zu ertheilen, oder wenn ihm eine strafbare Handlung zur Last fällt.

Zweiter Abschnitt.

Schiffer.

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Durch die Ertheilung der Anweisung wird der Schiffseigner per­ sönlich verpflichtet, wenn er bei der Ertheilung von dem Sachverhältnisse unterrichtet war.

K«. Der Schiffer hat vor Antritt der Reise darauf zu sehen, daß das Schiff in fahrtüchtigem Zustande, gehörig eingerichtet und ausgerüstet, sowie hinreichend bemannt ist, und daß die Schiffspapiere und Ladungs­ verzeichnisse an Bord sind. Er hat für die Tüchtigkeit der Geräthschaften zum Laden und Löschen, für die gehörige Stauung der Ladung, sowie dafür zu sorgen, daß das Schiff nicht schwerer beladen wird, als die Tragfähigkeit desselben und die jeweiligen Wafferstandsverhältnisse es gestatten. Wenn der Schiffer im Auslande die daselbst geltenden Vorschriften, insbesondere die Polizei-, Steuer- und Zollgesetze nicht beobachtet, so hat er den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Für die Fahrtüchtigkeit des Schiffes bei Antritt der Reise haftet den int § 7 Absatz 2 bezeichneten Personen auch der Schiffseigner persönlich, nicht nur mit Schiff und Fracht. § 9* Wenn der Schiffer durch Krankheit oder andere Ursachen verhindert ist, das Schiff zu führen, so darf er den Antritt oder die Fort­ setzung der Reise nicht ungebührlich verzögern; er muß vielmehr, wenn Zeit rind Umstände es gestatten, die Anordnung des Schiffseigners einholen und für die Zwischenzeit die geeigneten Vorkehrungen treffen, im entgegen­ gesetzten Falle aber einen anderen Schiffer einsetzen. Für diesen Stellvertreter ist er nur insofern verantwortlich, als ihm bei der Wahl desselben ein Verschulden zur Last fällt.

§ 10. Der Schiffer ist verpflichtet, von Beschädigungen des Schiffes oder der Ladung, von eingegangenen Geschäften, sowie von der Einsetzung eines anderen Schiffers (§ 9) den Schiffseigner in Kenntniß zu setzen. Er hat in allen erheblichen Fällen, namentlich wenn er die Reise ein­ zustellen oder zu ändern sich genöthigt findet, die Ertheilung von Ver­ haltungsmaßregeln bei dem Schiffseigner nachzusuchen, sofern es die Um­ stände gestatten. Im Jntereffe der Ladungsbetheiligten hat der Schiffer während der Reise für das Beste der Ladung nach Möglichkeit Sorge zu tragen. Werden zur Abwendung oder Verringerung eines Verlustes besondere Maßregeln erforderlich, so hat er, wenn thunlich, die Anweisung der Ladungsbetheiligten einzuholen, sonst nach bestem Ermessen das Erforder­ liche selbst zu veranlassen und dafür zu sorgen, daß die Ladungsbetheiligten von dem Vorfall und den dadurch veranlaßten Maßregeln schleunigst in Kenntniß gesetzt werden.

§ 11. Wird das Schiff oder die Ladung von einem Unfall betroffen, so ist der Schiffer berechtigt und auf Verlangen des Schiffs­ eigners oder eines Ladungsbetheiligten verpflichtet, vor dem Amtsgerichte des Ortes, an welchem die Reise endet, und, wenn das. Schiff vorher an einem anderen Orte längere Zeit liegen bleiben muß, vor dem Amtsgerichte dieses Ortes eine Beweisaufnahme über den thatsächlichen Hergang, sowie

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XXXI. Privatrechtl. Verhältnisse der Binnenschiffahrt.

über den Umfang des eingetretenen Schadens und über die zur Abwen­ dung oder Verringerung desselben angewendeten Mittel zu beantragen. Er hat sich selbst zum Zeugnisse zu erbieten und die zur Feststellung des Sachverhältnisses sonst dienlichen Beweismittel zu bezeichnen.

K 12. Zur Aufnahme des Beweises bestimmt das Gericht einen thunlichft nahen Termin, zu welchem der Schiffer und die sonst bezeich­ neten Zeugen zu laden sind. Dem Schiffseigner und den Ladungsbetheiligten ist von dem Termine Mittheilung zu machen, soweit es ohne unverhältnißmäßige Verzögerung des Verfahrens geschehen kann. Die Mittheilung kann durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.

§ 13. Die Aufnahme des Beweises erfolgt nach den Vorschriften der Civilprozeßordnung. Soweit hiernach nicht die Beeidigung des Schiffers ausgeschloffen ist, beschließt über dieselbe das Gericht nach freiem Ermeffen. Die an Schiff und Ladung Betheiligten, sowie die etwa sonst durch den Unfall Betroffenen sind berechtigt, in Person oder durch Vertreter der Verhandlung beizuwohnen. Sie können eine Ausdehnung der Beweisauf­ nahme aus weitere Beweismittel beantragen. Das Gericht ist befugt, eine Ausdehnung der Beweisaufnahme auch von Amtswegen anzuordnen, soweit dies zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich erscheint. 5 14. In Bezug auf die Erhebung von Gebühren und Auslagen finden die für das Verfahren zur Sicherung des Beweises geltenden Be­ stimmungen des Gerichtskostengesetzes mit der Maßgabe Anwendung, daß als Gebühr nur die Hälfte der dort vorgesehenen Sätze und höchstens ein Betrag von dreißig Mark erhoben wird. Ist das Verfahren auf Verlangen eines Ladungsbetheiligten beantragt, so hat dieser die entstandenen Kosten zu erstatten, soweit er nicht Anspruch auf Ersatz des durch den Unfall ihm entstandenen Schadens hat. Die Verpflichtung des Schiffseigners, dem Schiffer die verauslagten Kosten zu erstatten, wird hierdurch nicht berührt. In Fällen der großen Haverei findet die Vorschrift des § 84 An­ wendung. K 15. Befindet sich das Schiff weder am Heimathsorte, noch an einem Orte, an welchem der Schiffseigner eine Geschäftsniederlaffung hat, so ist der Schiffer Dritten gegenüber kraft seiner Anstellung befugt, die Frachtforderungen einzuziehen, sowie für den Schiffseigner alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehnien, welche die Ausführung der Reise erforderlich macht. Zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Veräußerung oder Verpfändung des Schiffes und zum Abschlüsse von Frachtverträgen ist der Schiffer nur auf Grund einer ihn hierzu ermächtigenden Vollmacht des Schiffseigners berechtigt. K 16. Rechtsgeschäfte, welche der Schiffer eingeht, während das Schiff sich an einem der im § 15 Absatz 1 bezeichneten Orte befindet, sind für den Schiffseigner nur dann verbindlich, wenn der Schiffer auf

Zweiter Abschnitt

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Schiffer

Grund einer Vollmacht gehandelt hat, oder wenn ein anderer besonderer Verpflichtungsgrund vorhanden ist. Zur Ausstellung von Ladescheinen ist der Schiffer ohne Unterschied

des Ortes befugt.

§ 17. Der Schiffseigner, welcher die gesetzlichen Befugnisse des Schiffers beschränkt hat, kann einem Dritten die Nichteinhaltung dieser Beschränkungen nur dann entgegensetzen, wenn er beweist, daß sie dem Dritten bekannt waren. § 18. Dem Schiffseigner gegenüber sind für den Umfang der Befugniffe des Schiffers die Bestimmungen der §§ 15 und 16 ebenfalls maßgebend, soweit nicht der Schiffseigner diese Befugnisse beschränkt hat. § 19. Durch ein Rechtsgeschäft, welches der Schiffer in seiner Eigenschaft als Führer des Schiffes, sei es mit, sei es ohne Bezeichnung des Schiffseigners innerhalb seiner gesetzlichen Befugniffe geschlossen hat, wird der Schiffseigner dem Dritten gegenüber berechtigt und die Haftung des Schiffseigners mit Schiff und Fracht (§ 4 Nr. 1) begründet. Der Schiffer selbst wird dem Dritten durch das Rechtsgeschäft nicht verpflichtet, es sei denn, daß er dessen Erfüllung gewährleistet oder seine Befugniffe überschritten hat.

§ 20. Der Schiffer untersteht, soweit nicht in biefetti Gesetze ein Anderes bestimmt ist, den Vorschriften, welche für die im § 133 a der Gewerbeordnung bezeichneten Personen gelten. Das Dienstverhältniß des Schiffers kann, wenn nichts Anderes ver­ abredet ist, von jedem Theile mit Ablauf jedes Monats nach einer sechs Wochen vorher erklärten Kündigung aufgehoben werden. Hinsichtlich der Voraussetzungen, unter welchen dem Schiffseigner und dem Schiffer das Recht zusteht, die Auflösung des Dienstverhältnisses vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Innehaltung einer Kündigungsfrist zu verlangen, bewendet es bei den Bestimmungen der §§ 133 b bis 133 d der Gewerbeordnung.

Hat der Schiffer eine Reise angetreten, so ist er verpflichtet, bis zur Beendigung der Reise und zur Entlöschung des Schiffes im Dienste zu bleiben, es sei denn, daß ein den sofortigen Austritt rechtfertigender Grund vorhanden ist. Wird das Dienstverhältniß vor der Ankunft des Schiffes am Be­ stimmungsorte während der Reise aufgehoben, so hat der Schiffer Anspruch auf die Kosten der Rückreise nach dem Orte, an welchem er in Dienst getreten ist. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, -wenn der Schiffer sich einer Handlung schuldig gemacht hat, welche geeignet ist, seine sofortige Entlassung zu rechtfertigen. Ist ein die sofortige Entlassung rechtfertigender Grund nicht vor­ handen, so kann der Schiffer zwar jederzeit seines Dienstes enthoben werden, jedoch unbeschadet seiner Entschädigungsansprüche für die Zeit bis zum Ende der vertragsmäßigen Dauer des Dienstverhältniffes oder bis zum Ablaufe der Kündigungsfrist.

Bürgerliches Gesetzbuch und Nebeugesetze

66

1042

XXXI. Privntrechtl Verhältlssen der Binnenschiffahrt.

Dritter Abschnitt.

SchtWmannschaft. § 21. Zur Schiffsmannschaft gehören mit Ausnahme des Schiffers die zum Schiffahrtsdienste auf dem Schiffe angestellten Personen der Schiffsbesatzung, insbesondere die Steuerleute, Bootsleute, Matrosen, Schiffs­ knechte, Schiffsjungen, Maschinisten und Heizer. Die Schiffsmannschaft untersteht der Gewerbeordnung.

§ 22. Die Verpflichtung des Schiffsmannes jitin Dienstantritte beginnt, wenn nichts Anderes verabredet ist, mit dem Abschlüsse des Dienstvertrages. Tritt der Schiffsmann den Dienst nicht binnen vier­ undzwanzig Stunden an, so braucht er nicht mehr angenommen zu werden. Der Anspruch des Schiffseigners auf Schadensersatz wird hierdurch nicht berührt.

§ 23. Der Schiffsmann ist verpflichtet, in Ansehung des Schiffs­ dienstes den Anordnungen des Schiffers Folge zu leisten und jederzeit alle für Schiff und Ladung ihm übertragenen Arbeiten zu verrichten. Er darf das Schiff ohne Erlaubniß des Schiffers nicht verlassen. Verunglückt das Schiff, so hat der Schiffsmann für Rettung der Personen und ihres Gepäcks, sowie für Sicherstellung der Schiffstheile, der Gerätschaften und der Ladung den Anordnungen des Schiffers gemäß nach besten Kräften zu sorgen. § 24. Wenn über die Zeit der Lohnzahlung nichts Anderes ver­ einbart ist, so kann der Schiffsmann am Schluffe jeder zweiten Woche die Auszahlung des verdienten Lohnes verlangen. § 25. Hinsichtlich der Aufkündigung eines auf unbestimmte Zeit eingegangenen Dienstverhältnisses, sowie hinsichtlich der Voraussetzungen, unter welchen dem Schiffseigner und dem Schiffsmanne das Recht zusteht, die Auflösung des Dienstverhältnisses vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Innehaltung einer Kündigungsfrist zu verlangen, finden die Bestimmungen der §§ 122 bis 124 a der Gewerbeordnung mit der Maßgabe Anwendung, daß die sofortige Entlassung des Schiffsmannes (§ 123 der Gewerbeordnung) auch stattfinden kann, wenn der Antritt oder die Fortsetzung der Reise durch den Eintritt des Winters verhindert wird. Nach Antritt der Reise ist der Schiffsmann verpflichtet, bis zur Beendigung der Reise und zur Entlöschung des Schiffes im Dienste zu bleiben, es sei denn, daß ein den sofortigen Austritt rechtfertigender Grund vorhanden ist. Wird das Dicnstverhältniß vor der Ankunft des Schiffes am Be­ stimmungsorte während der Reise aufgehoben, so hat der Schiffsmann Anspruch auf die Kosten der Rückreise nach dem Orte, an welchem er in Dienst getreten ist. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn der Schiffsmann sich einer Handlung schuldig gemacht hat, welche geeignet ist, seine sofortige Entlassung zu rechtfertigen.

Vierter Abschnitt.

Frachtgeschäft.

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Ist ein die sofortige Entlassung rechtfertigender Grund nicht vor­ handen, so kann der Schisfsmann zwar jederzeit seines Dienstes enthoben werden, jedoch unbeschadet seiner Entschädigungsansprüche für die Zeit bis zum Ende der vertragsmäßigeil Dauer des Dienstverhältnisses oder bis zum Ablaufe der Kündigungsfrist.

Vierter Abschnitt.

Frachtgeschäft. § 26. Auf das Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern auf Flüssen und sonstigen Binnengewässern finden die Vorschriften der §§ 425 bis 427, 430 bis 436, 439 bis 443, 445 bis 451 des Handelsgesetzbuchs Anwendung.

§ 27. Ist das Schiff iin Ganzen verfrachtet, so hat der Fracht­ führer dasselbe zur Einnahme der Ladung an den von dem Absender ihm angewieseiien Platz hinzulegen. Wenn die Anweisung nicht rechtzeitig erfolgt, oder wenn die Wasser­ tiefe, die Sicherheit des Schiffes oder die örtlichen Verordnungen oder Einrichtuilgen 'die Befolgung der ertheilten Anweisung nicht gestatten, so kann der Frachtführer, falls der Absender auf die Aufforderung nicht un­ verzüglich einen geeigneten Ladeplatz bezeichnet, an einem der ortsüblichen Ladeplätze anlegen. Er hat bei der Wahl des Ladeplatzes das Interesse des Absenders thunlichst zu berücksichtigen. Die Verladung an verschiedenen Ladeplätzen des Abgangsortes vorznnchmen ist der Frachtführer nur verpflichtet, wenn dies besonders ver­ einbart ist. Er hat in diesem Falle Anspruch auf Ersatz der entstehenden Mehrkosten. Die Dauer der Ladezeit wird durch die übernommene Ver­ pflichtung nicht berührt. § 28. Sobald der Frachtführer zur Einnahme der Ladung bereit ist, hat er dies dem Absender anzuzcigeil. Die Anzeige hat an einem Werktage vor dem Schluffe der ortsüb­ lichen Geschäftsstunden zu erfolgen. Eine spätere oder an einem Sonntage oder allgemeinen Feiertage erfolgte Anzeige gilt als am nächsten Werk­ tage erfolgt. Weigert sich der Absender, den Zeitpunkt des Empfanges der An­ zeige zu bescheinigen, so ist der Frachtführer befugt, auf Kosten des Ab­ senders eine öffentliche Urkunde, darüber errichten zu lassen. § 29. Mit dem auf die Anzeige der Ladebereitschaft folgenden Tage beginnt die Ladezeit. Die Ladezeit beträgt bei Ladungen bis zu 30000 Kilogramm zwei Tage, 50 000 drei Tage, „ „ 100000 „ vier Tage und so fort in Stufen von 50 000 Kilogramm je einen Tag mehr für jede höhere Stufe bis zu Ladungen von 500 000 Kilogramm; von da ab steigt die Ladezeit für je 100 000 Kilogramm um je einen Tag. 66*

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XXXI Privatrechtl. Verhältnisse der Binnenschiffahrt.

Bei Ladungen über 1000 000 Kilogramm beträgt die Ladezeit acht­ zehn Tage. Bei der Berechnung kommen auch diejenigen Tage in Ansatz, an welchen der Absender, wenngleich ohne sein Verschulden, an der Lieferung der Ladung verhindert ist. Nicht in Ansatz kommen die Sonntage und allgemeinen Feiertage sowie die Tage, an welchen durch zufällige Umstände, insbesondere durch Hochwasser oder Eisgefahr, die Verladung nicht nur der bedungenen, sondern jeder Art von Gütern auf das Schiff verhindert ist. Die Vorschriften im Absatz 2 finden nur insoweit Anwendung, als nicht durch Vereinbarung oder Verordnung der höheren Verwaltungsbehörde ein Anderes bestimmt ist.

§ 30, Wenn der Absender die Ladung nicht so zeitig liefert, daß die Beladung innerhalb der Ladezeit vollendet werden kann, so ge­ bührt dem Frachtführer Liegegeld für jeden Tag, um welchen in Folge deffen die Ladezeit überschritten wird. Für Tage, an denen die Schiffahrt geschloffen ist, kann kein Liegegeld beansprucht werden. §* 31. Die Bestimmung des § 30 gilt auch dann, wenn bedungen ist, daß der Frachtführer nach Ablauf der Ladezeit noch länger auf die Ladung warten soll (Ueberliegezeit). Die Ueberliegezeit beginnt mit dem Ablaufe der Ladezeit. Auf die Dauer und die Berechnung der Ueberliegezeit finden die Bestimmungen über die Ladezeit (§ 29 Absatz 2 bis 4) mit der Maßgabe Anwendung, daß die Ueberliegezeit in Ermangelung einer besonderen Vereinbarung höchstens eine Woche beträgt.

§ 32. In Ermangelung vertragsmäßiger Festsetzung oder Ver­ ordnung der höheren Verwaltungsbehörde beträgt das Liegegeld für jeden Tag bei Schiffen von einer Tragfähigkeit bis zu 50 000 Kilogramm 13 Mark, „ „ 100 000 „ 15 „ und so fort in Stufen von 50 000 Kilogramm je drei Mark mehr für jede höhere Stufe. Ueber die Tragfähigkeit entscheidet der Inhalt des Schiffsbriefes (§ 125 Absatz 3). Jeder angebrochene Tag wird als voller Tag gerechnet.

K 33» Nach Ablauf der Ladezeit oder der etwa vereinbarten Ueber­ liegezeit ist der Frachtführer nicht verpflichtet, noch länger auf die Lieferung der Ladung zu warten. Er muß jedoch seinen Willen, nicht länger zu warten, bei Ladungen bis zu 10 000 Kilogramm spätestens einen Werktag, „ 50 000 zwei Werktage, „ „ über 50 000 „ „ drei Werktage vor Ablauf der Ladezeit oder der Ueberliegezeit dem Absender erklären. Ist dies nicht geschehen, so läuft die Wartezeit nicht eher ab, als bis die Erklärung nachgeholt ist und seit dem Tage, an dem sie erfolgt ist, die

vorstehend, bezeichneten Fristen verstrichen sind. Auf die Erklärung finden die Bestimmungen im § 28 Absatz 2, 3 entsprechende Anwendung.

Vierter Abschnitt

Frachtgeschäft.

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Die Wartezeit läuft in feinem Falle ab, bevor eine der Ladezeit gleichkommende Frist seit dem Tage, an welchem das Schiff den Ladeplatz erreicht hat, verstrichen ist.

§ 34. Hat der Absender bis zum Ablaufe der Wartezeit (§ 33) keine Ladung geliefert, so ist der Frachtführer an den Vertrag nicht länger gebunden und befugt, von dem Absender ein Drittel der bedungenen Fracht als Entschädigung zu verlangen. Hierdurch wird ein bereits begründeter Anspruch auf Liegegeld (§§ 30, 31) nicht berührt. § 35. Hat der Absender bis zum Ablaufe der Wartezeit die Ladung nur theilweise geliefert, so ist der Frachtführer befugt, sofern der Absender nicht von dem Vertrage zurücktritt (§ 36), die Reise mit der unvollständigen Ladung anzutreten. Auf Verlangen des Absenders muß er die Reise jederzeit auch ohne die volle Ladung antreten. In diesen Fällen gebührt dem Frachtführer nicht allein die Fracht für die volle Ladung und das etwaige Liegegeld, sondern er ist auch berechtigt, soweit ihm durch die Unvollständigkeit der Ladung die Sicherheit für die volle Fracht entgeht, die Bestellung einer anderweitigen Sicherheit zu fordern. Außerdem sind ihm die Mehrkosten, welche in Folge der Unvollständigkeit der Ladung ihm etwa erwachsen, zu erstatten.

§ 36. Vor Antritt der Reise kann der Absender von dem Vertrage unter der Verpflichtung zurücktreten, den Frachtführer nach Maßgabe des § 34 zu entschädigen. Macht der Absender von diesem Rechte Gebrauch, nachdem Ladung geliefert ist, so muß er auch die Kosten der Verladung und Wieder­ ausladung tragen. Der Frachtführer ist verpflichtet, den Aufenthalt, welchen die Wieder­ ausladung verursacht, sich gefallen zu lassen, selbst wenn dadurch die Ladezeit und eine etwa bedungene Ueberlicgezeit überschritten wird, wogegen ihm Liegegeld für die Zeit nach Ablauf der Ladezeit und außerdem Ersatz des durch die Ueberschreitung der Lade- und Ueberliegezeit entstandenen Schadens gebührt, soweit der letztere den Betrag des Liegegeldes übersteigt. Der Frachtführer ist, wenn der Absender nach erklärtem Rücktritt die Wiederausladung über die Wartezeit hinaus verzögert, berechtigt, die Güter selbst auszuladen und dieselben in einem öffentlichen Lagerhaus oder m anderer sicherer Weise zu hinterlegen. § 37. Nachdem die Reise angetreten ist, kann der Absender die Wiederausladung der Güter vor Ankunft derselben am Ablieferungsorte nur gegen Berichtigung der vollen Fracht sowie aller sonstigen Forderungen des Frachtführers und gegen Berichtigung oder Sicherstellung der Beiträge zur großen Haverei und der Berguugs- oder Hülfstosten, welche auf den Gütern haften, fordern. Im Falle der Wiederausladung hat der Absender nicht nur die hier­ durch entstandenen Mehrkosten, sondern auch den Schaden zu ersetzen, welcher aus dem durch die Wiederausladung verursachten Aufenthalt dem Fracht­ führer entsteht.

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XXXI. PrivaUcchtl. Verhältnisse der Bmnenschlffahrt

§ 38 Ist nicht das Schiff im Ganzen, sondern ein Verhältnißmäßiger Theil oder ein bestimmt bezeichneter Raum desselben versrachtet oder hat der Frachtvertrag Stückgüter im Gewichte von 10 000 Kilogramm oder mehr zum Gegenstände, so kommen die Vorschriften der §§ 28 bis 37 mit folgenden Abweichungen zur Anwendung: 1. die Ladezeit beträgt für den einzelnen Absender bei einer von ihm 311 liefernden Ladung bis zu 50000 Kilogranun einen Tag, „ „ 100000 „ zwei Tage und so fort in Stufen von 50000 Kilogramm je einen Tag mehr für jede höhere Stufe bis zu Ladungen von 500000 Kilogramm; von da ab steigt die Ladezeit für je 100000 Kilogramm um je einen Tag; bei Ladungen über 1000 000 Kilogramm beträgt die Ladezeit sechzehn Tage. Eine Verpflichtung zur Entrichtung von Liegegeld (§ 30) tritt jedoch in keinem Falle vor Ablauf von drei Tagen seit dem Zeitpunkte ein, mit welchem die Ladezeit einem der Absender gegen­ über zuerst zu laufen begonnen hat; der Frachtführer ist indeß nicht berechtigt, von mehreren Absendern gleichzeitig für denselben Tag das Liegegeld mehrfach zu beanspruchen; 2. der Frachtführer erhält in den Fällen des § 34 und des § 36 Absatz 1 als Entschädigung nicht blos ein Drittel, sondern die Hälfte der Fracht, es sei denn, daß sämmtliche Absender keine Ladung liefern oder znrücktreten;

3. der Absender kann in den Fällen der §§ 36, 37 die Wiederausladung nicht verlangen, wenn dieselbe eine Verzögerung der Reise zur Folge haben oder eine Umladung oder Umstauung nöthig machen würde, es sei denn, daß zugleich die Genehmigung aller übrigen Absender beigebracht und auch das Schiff durch die Wiederausladung nicht ge­ fährdet wird. Außerdem ist der Absender verpflichtet, die Mehrkosten und den Schaden zu ersetzen, welche durch die Wiederausladung entstehen.

§ 39. Hat der Frachtvertrag Stückgüter im Gewichte von weniger als 10 000 Kilogramm zum Gegenstände, so muß der Absender auf die Aufforderung des Frachtführers ohne Verzug die Lieferung bewirken. Erfolgt die Lieferung nicht unverzüglich, so ist der Frachtführer nicht verpflichtet, auf die Lieferung der Güter zu warten, und kann, wenn er ohne dieselben die Reise antritt, die Hälfte der bedungenen Fracht als Ent­ schädigung beanspruchen. Der Frachtführer, welcher den bezeichneten Anspruch auf die Fracht gegen den säumigen Absender geltend machen will, ist bei Verlust des An­ spruchs verpflichtet, dies dem Absender vor Antritt der Reise kundzugeben. Auf diese Erklärung findet die Vorschrift im § 28 Absatz 3 Anwendung. Das Rücktrittsrecht des Absenders, sowie das Recht desselben, die Wiederausladung der Güter zu verlangen, bestimmt sich nach den Vor­ schriften des § 38.

§ 40. In den Fällen der §§ 38 und 39 hat der Frachtführer an einem der ortsüblichen Ladeplatze anzulegen. Ist durch Vereinbarung dem

Vierter Abschnitt.

Frachtgeschäft.

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Absender das Recht zur Anweisung des Ladeplatzes eingeräumt! so finden die Bestimmungen des § 27 Absatz 2 und 3 entsprechende Anwendung.

§ 41. In Ermangelung einer besonderen Vereinbarung hat der Ab­ sender gepackte Güter auf das Schiff, lose Güter in das Schiff zu liefern, der Frachtführer dagegen die weitere Verladung der Güter zu bewirken. § 42. Der Frachtführer hat die ihm hinsichtlich der Beladung obliegenden Arbeiten mit thunlichster Beschleunigung auszuführen. Zur Uebernahme der Güter an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen ist er nicht verpflichtet, es sei denn, daß ein Nothfall vorliegt. Ist über die Zeit, binnen welcher der Frachtführer den Transport bewirken soll, im Frachtverträge nichts bedungen, so ist die Reise binnen einer den Umständen des Falles angemessenen Frist anzutreten. § 43. Der Frachtführer muß statt der vertragsmäßigen andere von demselben Absender nach dem Ablieferungsorte ihm angebotene Güter annehmen, wenn dadurch seine Lage nicht verschlechtert wird. § 44. Ist die Beförderung mittelst eines bestimmten Schiffes be­ dungen, so darf der Frachtführer die Güter nicht in ein anderes Schiff verladen oder umladen. Im Falle einer Zuwiderhandlung haftet er für jeden Schaden, in Ansehung dessen er nicht beweist, daß derselbe auch dann entstanden und dem Absender zur Last gefallen sein würde, wenn die Güter nicht in das andere Schiff verladen worden wären. Ist die Beförderung mittelst eines bestimmten Schiffes nicht bedungen, so darf der Frachtführer in Ermangelung einer entgegenstehenden Ver­ einbarung bereits verladene Güter nicht ohne Erlaubniß des Absenders in ein anderes Schiff umladen, widrigenfalls er für allen, in Folge der Umladung entstehenden Schaden haftet. luf die Umladung in ein anderes Schiff, welche in Fällen der Noth oder wegen niedrigen Wasserstandes erforderlich wird, sowie auf die übliche Umladung in Leichterschiffe an Hafenplätzen finden die vorstehenden Bestimmungen keine Anwendung.

§ 45. Der Absender, welcher unrichtige Angaben über die ver­ ladenen Güter macht oder Güter zur Verladung bringt, deren Ausfuhr oder deren Einfuhr in den Ablieferungsort verboten ist, oder welcher bei der Verladung die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die Polizei-, Steuer­ oder Zollgesetze übertritt, wird, sofern ihm dabei ein Verschulden zur Last fällt, nicht bloß dem Frachtführer, sondern auch den übrigen Ladungsbetheiligten, den beförderten Personen und der Schiffsbesatzung für den durch seine Handlungsweise veranlaßten Schaden verantwortlich. Dadurch, daß er mit Genehmigung des Frachtführers gehandelt hat, wird seine Verantwortlichkeit den übrigen Personen gegenüber nicht aus­ geschlossen. Er kann aus der Einziehung der Güter keinen Grund herleiten, die Zahlung der Fracht zu verweigern. Gefährden die Güter das Schiff oder die übrige Ladung, so ist der Frachtführer befugt, dieselben an das Land zu setzen oder in dringenden Fällen über Bord zu werfen.

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XXXI

Pnvatrechtl. Verhältnisse der Binnenschiffahrt

§ 46. Ist das Schiff im Ganzen verfrachtet, so hat der Fracht­ führer nach der Ankunft am Ablieferungsorte das Schiff zur Löschung der Ladung an den ihm von dem Empfänger angewiesenen Platz hinzulegen. Wenn die Anweisung nicht rechtzeitig erfolgt, oder wenn die Wasser­ tiefe, die Sicherheit des Schiffes oder die örtlichen Verordnungen oder Einrichtungen die Befolgung der ertheilten Anweisung nicht gestatten, so kann der Frachtführer, falls der Empfänger auf die Aufforderung nicht unverzüglich einen geeigneten Löschplatz bezeichnet, an einem der ortsüblichen Löschplätze anlegen. Er hat bei der Wahl des Löschplatzes das Jntereffe des Empfängers thunlichst zu berücksichtigen. Die Ablieferung an verschiedenen Orten des Löschplatzes vorzunehmen ist der Frachtführer nur verpflichtet, wenn dies besonders vereinbart ist. Er hat in diesem Falle Anspruch auf Ersatz der entstehenden Mehrkosten. Die Dauer der Löschzeit wird durch die übernommene Verpflichtung, nicht berührt. § 47. Sobald der Frachtführer zum Löschen bereit ist, hat er dies dem Empfänger anzuzeigen. Die Anzeige hat an einem Werktage vor dem Schluffe der orts­ üblichen Geschäftsstunden zu erfolgen. Eine später oder an einem Sonntage oder allgemeinen Feiertage erfolgte Anzeige gilt als am nächsten Werktage erfolgt. Weigert sich der Empfänger, den Zeitpunkt des Empfanges der An­ zeige zu bescheinigen, so ist der Frachtführer befugt, eine öffentliche Urkunde darüber auf Kosten des anderen Theiles errichten zu lassen. Wenn der Empfänger nicht zu ermitteln ist, so muß die Anzeige der Löschbereitschaft durch öffentliche Bekanntmachung in ortsüblicher Weise erfolgen.

§ 48.

Mit dem auf die Anzeige der Löschbereitschaft folgenden

Tage beginnt die Löschzeit. Die Dauer der Löschzeit bestimmt sich nach der auf die Ladezeit bezüglichen Vorschrift im § 29 Absatz 2. Bei der Berechnung kommen auch diejenigen Tage in Ansatz, an welchen der Empfänger, wenngleich ohne sein Verschulden, die Ladung ab­ zunehmen verhindert ist. Nicht in Ansatz koinmen die Sonntage und allgemeinen Feiertage, sowie die Tage, an welchen durch zufällige Umstände, insbesondere durch Hochwasser oder Eisgefahr die Löschung nicht nur der verladenen, sondern jeder Art von Gütern verhindert ist. Die Vorschrift im Absatz 2 findet nur insoweit Anwendung, als nicht durch Vereinbarung oder Verordnung der höheren Verwaltungs­ behörde ein Anderes bestimmt ist.

§ 49. Wenn der Empfänger die Ladung nicht bis zum Ablaufe der Löschzeit abnimmt, so gebührt dem Frachtführer Liegegeld für jeden Tag, um welchen in Folge dessen die Löschzeit überschritten wird. Die Höhe des Liegegeldes bestimmt sich nach § 32. Außer dem Liegegelde kann der Frachtführer auch den Ersatz eines höheren Schadens verlangen, welcher ihm durch die Ueberschreitung der Löschzeit erwächst.

Viertcr Abschnitt.

Frachtgeschäft.

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§ 50. Die Bestimmung des § 49 Absatz 1 gilt auch dann, wenn bedungen ist, daß der Frachtführer nach Ablauf der Löschzeit noch weiter auf die Abnahme der Ladung warten soll (Ueberliegezeit). Der Ersatz eines das Liegegeld überschreitenden Schadens kann in diesem Falle nur wegen Ueberschreitung der Ueberliegezeit verlangt werden. Die Ueberliegezeit beginnt mit dem Ablaufe der Löschzeit. Auf die Dauer und die Berechnung derselben finden die Bestimmungen im § 29 Absatz 2 und § 48 Absatz 3 und 4 mit der Maßgabe Anwendung, daß die Ueberliegezeit in Ermangelung einer besonderen Vereinbarung höchstens eine Woche beträgt.

§ 51. Nach Ablauf der Löschzeit oder der etwa vereinbarten Ueberliegezeit ist der Frachtführer nicht verpflichtet, auf die Löschung noch länger zu warten. Er muß jedoch seinen Willen, nicht länger zu warten, bei Ladungen bis zu 10000 Kilogramm spätestens einen Werktag, „ „ 50000 zwei Werktage, „ „ über 50000 „ „ drei Werktage vor Ablauf der Löschzeit oder der Ueberliegezeit dem Empfänger erklären. Ist dies nicht geschehen, so läuft die Wartezeit nicht eher ab, als bis die Erklärung nachgeholt ist und seit dem Tage, an dem sie erfolgt ist, die vorstehend bezeichneten Fristen verstrichen sind. Auf die Erklärung finden die Bestimmungen im § 47 Absatz 2, 3 entsprechende Anwendung. Die Wartezeit läuft in keinem Falle ab, bevor eine der Löschzeit gleichkommende Frist seit dem Tage, an welchem das Schiff den Löschplatz erreicht hat, verstrichen ist.

§ 52. Nach Ablauf der Wartezeit ist der Frachtführer berechtigt, die Löschung selbst vorzunehmen und die Güter in einem öffentlichen Lagerhause oder in anderer sicherer Weise zu hinterlegen. Ist der Empfänger des Gutes nicht zu ermitteln oder verweigert er die Annahme oder ergiebt sich ein sonstiges Ablieferungshindermß, so hat der Frachtführer den Absender unverzüglich hiervon in Kenntniß zu setzen und dessen Anweisung einzuholen. Ist dies den Umständen nach nicht thunlich oder ist der Absender mit der Ertheilung der Anweisung säumig oder die Anweisung nicht ausführbar, so kann der Frachtführer nach der Bestimmung im Absatz 1 verfahren, auch wenn die Wartezeit noch nicht abgelaufen ist. Er kann, falls das Gut dem Verderben ausgesetzt und Gefahr im Verzug ist, das Gut auch gemäß § 373 Absatz 2 bis 4 des Handelsgesetzbuchs verkaufen laffen. Von der Hinterlegung und dem Verkaufe des Gutes hat der Fracht­ führer den Absender und den Empfänger unverzüglich zu benachrichtigen; im Falle der Unterlassung ist er zum Schadensersätze verpflichtet. Ist der Empfänger nicht zu ermitteln, so hat die Benachrichtigung von der Hinter­ legung durch öffentliche Bekanntmachung in ortsüblicher Weise zu erfolgen; im Uebrigen dürfen die Benachrichtigungen unterbleiben, soweit sie unthunlich sind. § 53. Die §§ 47 bis 52 kommen auch dann zur Anwendung, wenn ein verhältnißmäßiger Theil oder ein bestimmt bezeichneter Raum

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XXXI. Pnvntrechtl. Verhältnisse der Brnnenschlsfahrt

des Schiffes verfrachtet ist oder der Frachtvertrag Stückgüter im Gewichte von 10000 Kilogramm oder mehr zum Gegenstände hat. Die Löschzeit betrügt für den einzelnen Empfänger bei einer von ihm abzunehmenden Ladung bis zu 50000 Kilogramm einen Tag, „ „ 100000 „ zwei Tage und so fort in Stufen von 50000 Kilogramm je einen Tag mehr für jede höhere Stufe bis zu Ladungen von 500000 Kilogramm; von da ab steigt die Löschzeit für je 100000 Kilogramm um je einen Tag; bei Ladungen über 1000 000 Kilogramm beträgt die Löschzeit sechzehn Tage. Eine Verpflichtung zur Entrichtung von Liegegeld oder zum Schadens­ ersätze (§ 49) tritt jedoch in keinem Falle vor Ablauf von drei Tagen seit dem Zeitpunkte ein, mit welchem die Löschzeit einem der Empfänger gegenüber zuerst zu laufen begonnen hat. Der Frachtführer ist indeß nicht berechtigt, von mehreren Empfängern gleichzeitig für denselben Tag das Liegegeld mehrfach zu beanspruchen.

§ 54. Hat der Frachtvertrag Stückgüter im Gewichte von weniger als 10 000 Kilogramm zum Gegenstände, so muß der Empfänger auf die Aufforderung des Frachtführers ohne Verzug die Abnahme bewirken. Hinsichtlich der Aufforderung findet § 47 Absatz 4 und hinsichtlich der Hinterlegung des Gutes § 52 entsprechende Anwendung. Für die Tage, um welche durch die Säumniß des Empfängers oder durch das Hinterlegungsverfahren die Frist, binnen welcher das Schiff würde entlöscht worden sein, überschritten ist, hat der Frachtführer Anspruch auf Liegegeld unbeschadet des Rechts, einen höheren Schaden geltend zu machen. § 55. In den Fällen der §§ 53 und 54 hat der Frachtführer an einem der ortsüblichen Löschplätze anzulegen. Ist durch Vereinbarung dem Empfänger das Recht zur Anweisung des Löschplatzes eingeräumt, so finden die Bestimmungen in, § 46 Absatz 2 und 3 Anwendung. § 56. Sofern nicht durch Vereinbarung ein Anderes bestimmt ist, hat der Empfänger gepackte Güter auf dem Schiffe, lose Güter in dem Schiffe abzunehmen und die weitere Entladung zu bewirken. Die Bestimmungen des § 42 Absatz 1 finden entsprechende Anwendung. § 57. Wenn zur Erleichterung des Schiffes die Ladung ganz oder theilweise in Leichterfahrzeuge übergeladen worden ist, so hat der Fracht­ führer dem Leichterschiffer eine Abschrift des Frachtbriefes oder Ladescheines sowie eine Bescheinigung über die Ladung, die der Leichterschiffer übernommen hat, zu behändigen. Die Dauer der Löschzeit wird dadurch, daß die Ladung ganz oder theilweise in Leichterfahrzeuge übergeladen worden ist, nicht verändert, viel­ mehr theilen sich Hauptschiff und Leichterfahrzeug in dieselbe nach dem Derhältniffe der in dem Hauptschiffe verbliebenen und der in das Leichtersahrzeug überschlagenen Ladung. Ergeben sich bei der Berechnung Bruchtheile, so wird bis einhalb nach unten, über einhalb nach oben abgerundet. Hat ein Leichterschiff Ladung von verschiedenen Hauptschiffen übernommen, so berechnet sich die Löschfrist selbständig für jede einzelne Ladung nach Maßgabe vor­ stehender Grundsätze.

Vierter Abschnitt.

Frachtgeschäft.

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Der Empfänger hat nach der Reihenfolge der Anzeigen der Lösch­ bereitschaft die Löschung vorzunchmen, ist aber nicht verpflichtet, Hauptschifl

und Leichterschiff gleichzeitig zu loschen. Das von dem Empfänger bei Ueberschreitung der Löschzeit zu zahlende Liegegeld berechnet sich nach der Tragfähigkeit desjenigen Schiffes, bei dem die Loschzeit überschritten ist.

§ 58, Der Frachtführer haftet für den Schaden, welcher seit der Empfangnahme bis zur Ablieferung durch Verlust oder Beschädigung des Frachtgutes entstanden ist, sofern er nicht beweist, daß der Verlust oder die Beschädigung durch Umstände herbeigeführt ist, welche durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht abgewendet werden konnten. Die Haftung des Frachtführers ist insbesondere ausgeschlossen, wenn der Verlust ober die Beschädigung aus einem mangelhaften Zustande des Schiffes nebst Zubehör oder der Lade- oder Loschgeräthschaften entstanden ist, welcher trotz der Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht zu ent­ decken war. Für den Verlust oder die Beschädigung von Kostbarkeiten, Kunst­ gegenständen, Geld und Werthpapieren hastet der Frachtführer nur, wenn ihnr die Beschaffenheit oder der Werth des Gutes bei der Uebergabe zur Beförderung angegeben worden ist. § 59»

Der Frachtführer haftet nicht:

1. in Ansehung der Güter, welche nach Vereinbarung mit dem Absender auf Deck verladen oder in Schiffen ohne Verdeck befördert werden, für den Schaden, welcher aus der mit dieser Beforderungsweise verbundenen Gefahr entstanden ist; 2. in Ansehung der Güter, welche, obgleich ihre Natur eine Verpackung zum Schutze gegen Verlust oder Beschädigung auf dem Trans­ port erfordert, nach Inhalt des Frachtbriefes oder Ladescheines un­ verpackt oder mit mangelhafter Verpackung aufgegeben sind, für den Schaden, welcher aus der mit dem Mangel oder der mangelhaften Beschaffenheit der Verpackung verbundenen Gefahr entstanden ist; 3. in Ansehung der Güter, deren Verladung und Ausladung von dem Absender oder Empfänger besorgt wird, für den Schaden, welcher aus der mit dem Verladen und Aus­ laden oder mit einer mangelhaften Verladung verbundenen Gefahr entstanden ist; 4. in Ansehung der Güter, welche vermöge ihrer eigenthümlichen natürlichen Beschaffenheit der besonderen Gefahr ausgesetzt sind, Verlust oder Be­ schädigung, namentlichBruch, Rost, inneren Verderb, außergewöhnliche Leckage, Austrocknung und Verstreuung zu erleiden, für den Schaden, welcher aus dieser Gefahr entstanden ist; 5 in Ansehung lebender Thiere, für den Schaden, welcher aus der mit der Beförderung dieser Thiere für dieselben verbundenen besonderen Gefahr entstanden ist. Ist ein Schaden eingetreten, welcher nach den Umständen des Falles aus einer der bezeichneten Gefahren entstehen konnte, so wird bis zum

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XXXI Prwatrechtl Verhältnisse der Binnenschiffahrt.

Beweise des Gegentheils vermuthet, daß der Schaden aus der betreffenden Gefahr entstanden ist. Eine Befreiung von der Haftpflicht kann auf Grund der vorstehenden Bestimmungen nicht geltend gemacht werden, wenn nachgewiesen wird, daß der Schaden durch Verschulden des Frachtführers oder seiner Leute ent' standen ist.

§ 60» Die Zentralbehörden der Bundesstaaten und bei den die Gebiete mehrerer Bundesstaaten berührenden Wasserstraßen der Bundes­ rath sind befugt, für gewisse Güter zu bestimmen, daß für ein Minder­ gewicht oder ein Mindermaß, das einhalb vom Hundert nicht übersteigt, der Frachtführer nicht verantwortlich sein soll, es sei denn, daß ihm nach­ weisbar ein Verschulden zur Last fällt. Sind lose geladene Güter von gleichartiger Beschaffenheit für ver­ schiedene Empfänger an Bord, ohne daß die einzelnen Partien durch dichte Wände getrennt lagern, so ist das Mindergewicht oder Mindermaß und ebenso ein etwaiges Uebergewicht oder Uebermaß unter die einzelnen Em­ pfänger nach dem Verhältniffe der für sie bestimmten Mengen zu vertheilen. § 61. Nach der Annahme des Gutes durch den Empfangsberech­ tigten können wegen einer Beschädigung oder Minderung des Gutes, die bei der Annahme äußerlich erkennbar ist, Ansprüche nur geltend gemacht werden, wenn vor der Annahme der Zustand des Gutes durch amtlich bestellte Sachverständige festgestellt ist. Wegen einer Beschädigung oder Minderung des Gutes, die bei der Annahme äußerlich nicht erkennbar ist, kann der Frachtführer auch nach der Annahme des Gutes in Anspruch genommen werden, wenn der Mangel in der Zeit zwischen der Uebernahme des Gutes durch den Frachtführer und der Ablieferung entstanden ist und die Feststellung des Mangels durch amtlich bestellte Sachverständige unverzüglich nach der Entdeckung und spätestens binnen einer Woche nach der Annahme beantragt wird. Ist dem Frachtführer der Mangel unverzüglich nach der Entdeckung und binnen der bezeichneten Frist angezeigt, so genügt es, wenn die Feststellung unverzüglich nach dem Zeitpunkte beantragt wird, bis zu welchem der Eingang einer Antwort des Frachtführers unter regelmäßigen Umständen erwartet werden darf. Die Kosten einer von dem Empfangsberechtigten beantragten Fest­ stellung find von dem Frachtführer zu tragen, wenn ein Verlust oder eine Beschädigung ermittelt*toirb, für welche derselbe Ersatz leisten muß. Der Frachtführer kann fich auf die Vorschriften der Absätze 1, 2 nicht berufen, wenn er den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässig­

keit herbeigeführt hat.

§ 62. Der Frachtführer haftet für den durch verspätete Ablieferung des Gutes entstandenen Schaden, es sei denn, daß die Verspätung auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht abgewendet werden konnten. Ist die Fracht nebst den sonst auf dem Gute haftenden Forderungen bezahlt und das Gut angenommen, so kann der Anspruch nicht geltend

Vierter Abschnitt

Frachtgeschäft

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gemacht werden, es sei denn, daß der Frachtführer die Verspätung durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat. Die Vorschrift im Absatz 2 findet auch auf andere Ansprüche gegen den Frachtführer aus dem Frachtvertrag Anwendung, soweit die Ansprüche nicht den Vorschriften des § 61 unterliegen.

§ 63. Wenn die Fracht nach Maß, Gewicht oder Menge der Güter bedungen ist, so ist die Angabe in dem Frachtbriefe oder Lade­ scheine über Maß, Gewicht oder Menge für die Berechnung der Fracht entscheidend. In Ermangelung einer solchen Angabe ist anzunehmen, daß Maß, Gewicht oder Menge der abgelieferten und nicht der übernommenen Güter für die Hohe der Fracht entscheiden soll. § 64. Für Güter, welche durch einen Unfall verloren gegangen sind, ist die Fracht nach dem Verhältnisse des zur Zeit des Unfalls bereits zurückgelegten Theiles der Reise zur ganzen Reise zu entrichten (Distanzfracht). Bei Berechnung der Distanzfracht kommt in Anschlag nicht allein das Verhältniß der bereits zurückgelegten Entfernung, sondern auch das Verhältniß des Aufwandes an Kosten, Zeit und Mühen, welche durch­ schnittlich mit dem vollendeten und dem nicht vollendeten Theile der Reise verbunden sind.

§ 65. Für Güter, welche in Folge ihrer natürlichen Beschaffen­ heit zu Grunde gegangen oder an Gewicht vermindert sind, ist die volle Fracht zu bezahlen. Das Gleiche gilt in Ansehung von Thieren, welche unterwegs gestorben sind. § 66. In Ermangelung einer besonderen Vereinbarung fallen die Unkosten der Schiffahrt, insbesondere die Hafen-, Schleusen-, Kanal- und Brückengelder, die Lootsengebühren sowie die im regelmäßigen Verlaufe der Reise aufgewendeten Kosten für Schlepplohn und Ableichterung dem Frachtführer zur Last; dagegen gehören die Ufer-, Krahn- und Wiege­ gelder, imgleichen die Kosten einer auf Verlangen der Ladungsbetheiligten

vorgenommenen Auseisung sowie die besonderen Kosten, welche durch die auf Verlangen der Ladungsbetheiligten bewirkte Uebernahme oder Ablieferung der Güter bei Eis, Sturm, Hochwasser, zur Nachtzeit oder an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen entstehen, zu denjenigen Auslagen und Auf­ wendungen, deren Ersatz der Frachtführer verlangen kann. Die Fälle der großen Haverei werden durch die vorstehenden Be­ stimmungen nicht berührt.

§ 67. Enthält der Frachtbrief oder Ladeschein die Bestimmung, daß der Frachtführer franko abzuliefern hat, so steht dies im Zweifel der Geltend­ machung des Pfandrechts des Frachtführers (§ 440 des Handelsgesetzbuchs) wegen der Zollgelder sowie wegen der sonstigen Auslagen und der Liege­ gelder für die Zeit nach dem Antritt der Reise nicht entgegen. § 68. Wird der Antritt der Reise durch Zufall dauernd verhindert, so tritt der Frachtvertrag außer Kraft, ohne daß der eine Theil zur Ent­ schädigung des anderen verpflichtet ist.

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XXXI Pnvntrechtl Verhältnisse der Binnenschiffahrt.

Als dauernde Verhinderung ist es insbesondere anzusehen: 1. wenn das Schiff, mit welchem die Beförderung zu erfolgen hatte, ver­ loren geht, oder derart beschädigt wird, daß die Reise nicht ohne eine umfassende Ausbesserung des Schiffes angetreten werden kann; als Ausbesserung dieser Art gilt namentlich eine solche, welche die voll­ ständige Löschung der Ladung nothwendig macht;

2. wenn die zu befördernden Güter verloren gehen, vorausgesetzt, daß sie nicht blos nach Art und Gattung, sondern speziell im Frachtverträge bezeichnet oder bereits verladen oder doch von dem Frachtführer über­ nommen waren.

§ 69. Wird nach dem Antritt der Reise die Fortsetzung derselben durch Zufall dauernd verhindert, so finden die Bestimmungen des § 68 mit der Maßgabe Anwendung, daß für den zurückgelegten Theil der Reise Distanzfracht (§ 64 Absatz 2) zu entrichten ist. § 70. Im Falle des Verlustes oder der Beschädigung des Schiffes ist trotz der Auslösung des Frachtvertrages der Schiffer verpflichtet, bei Abwesenheit der Betheiligten für das Beste der Ladung zu sorgen. Er ist im Falle der Dringlichkeit berechtigt und verpflichtet, auch ohne vorherige Anfrage, je nachdem es den Umständen entspricht, entweder die Ladung für Rechnung der Betheiligten mittelst eines anderen Schiffes nach dem Ablieferungsorte befördern zu lassen oder die Auflagerung derselben zu be­ wirken. Von den getroffenen Maßregeln sind die Beiheiligten unverzüglich in Kenntniß zu setzen. § 71. Wird der Antritt oder die Fortsetzung der Reise ohne Ver­ schulden des Absenders zeitweilig verhindert, so braucht der Absender die Aufhebung des Hindernisses nicht abzuwarten, er kann vielmehr vom Ver­ trage zurücktreten. In diesem Falle sind dem Frachtführer die Kosten der Vorbereitung der Reise, die Kosten der Wiederausladung und für den zurückgelegtcn Theil der Reise Distanzfracht (§ 64 Absatz 2) zu vergüten. Muß der Frachtführer überwintern, so findet ein Rücktritt des Ab­ senders nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmung nicht statt. In diesem Falle ist der Absender zur Zurücknahme der Güter nur nach den Be­ stimmungen der 88 36 bis 39 berechtigt.

§ 72. Auf Verlangen des Absenders ist demselben von dem Fracht­ führer nach Verladung der Güter ein Ladeschein auszustellen, durch welchen der Frachtsührer fich zur Auslieferung der Güter an den legitimirten Be­ sitzer des. Scheines verpflichtet. Das Verlangen ist vor Beginn der Ver­ ladung der Güter zu stellen. Der Ladeschein hat außer den im § 445 des Handelsgesetzbuchs auf­ geführten Angaben auch die Bezeichnung des Schiffes zu enthalten, in welches die Güter verladen sind. Wird der Ladeschein an die Order einer Person ausgestellt, welche am Ablieferungsorte weder ihren Wohnsitz noch eine Niederlassung hat, so kann der Frachtführer die Bezeichnung einer Meldeadresse verlangen, bei welcher ihm nach der Ankunft am Ablieferungsorte die Person des

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäft Ladescheinbesitzers bekannt zu geben ist.

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Die Meldeadresse ist auf dem

Ladescheine zu vermerken.

§ 73, Der Frachtführer haftet für die Richtigkeit der im Lade­ scheine enthaltenen Bezeichnung der Zahl, des Maßes oder des Gewichtes der verladenen Güter, es sei denn, daß durch den Zusatz: „Zahl, Maß, Gewicht unbekannt" oder durch einen gleichbedeutenden Vermerk ersichtlich gemacht ist, daß die Güter dem Frachtführer nicht zugezählt, zugemessen oder zugewogen sind. Erklärt sich der Absender bereit, die Zuzählting, Zumessung oder Ztiwiegung der Güter auf seine Kosten vornehmen zu lassen, so ist der Frachtführer nicht berechtigt, einen Zusatz der im Absatz 1 bezeichneten Art in den Ladeschein aufzunehmen. Die Bestimmungen des § 60 bleiben unberührt.

§ 74. Der Frachtführer haftet für die Richtigkeit der iin Lade­ scheine enthaltenen Bezeichnung der Güter, sofern er nicht beweist, daß die Unrichtigkeit der Bezeichnung bei Anwendung der Sorgfalt eines gewöhnlichen Frachtführers nicht zu erkennen war. Sind dem Frachtführer die Güter in Verpackung oder in geschlossenen Gefäßen übergeben und ist dies aus dem Ladescheine zu ersehen, so trifft den Frachtführer keine Verantwortlichkeit für die richtige Bezeichnung des Inhalts, es sei denn, daß ihm eine bösliche Handlungsweise uachgewiesen wird.

§ 75. In den Fällen des § 73 Absatz 1 und des § 74 beschränkt sich die Haftung des Frachtführers auf den Ersatz des Minderwerths, welcher aus der Nichtübereinstimmung der Güter mit der tnt Ladescheine enthaltenen Bezeichnung sich ergiebt. Fällt dem Frachtführer eine bösliche Handlungs­ weise zur Last, so hat er den vollen Schaden zu ersetzen. § 76. Uebernimmt der Frachtführer Güter, deren Beschädigung, schlechte Beschaffenheit oder mangelhafte Verpackung bei der Verladung äußerlich erkennbar ist, so hat er den Mangel im Ladescheine zu vermerken, widrigenfalls er dem Empfänger für den mt§ dem Mangel sich ergebenden Minderwerth der Güter verantwortlich ist.

§ 77. Für Verlust oder Beschädigung von Reisegepäck haftet der Schiffseigner, sofern das Gepäck von dem Schiffer oder einer dazu be­ stellten Person übernommen ist, in gleicher Weise wie der Frachtführer für Frachtgüter. Er hat wegen des Frachtgeldes ein Pfandrecht an dem Gepäck, so­ lange dasselbe zurückbehalten oder hinterlegt ist. Die Wirkungen und die Geltendmachung des Pfandrechts bestimmen sich im Uebrigen nach den für das Pfandrecht des Frachtführers an den Frachtgütern geltenden Vorschriften.

1056

XXXI. Privatrechtl. Verhältnisse der Binnenschiffahrt.

Fünfter Abschnitt.

Haderet. § 78.

Große Haverei sind alle Schäden, welche einem

Schiffe

oder der Ladung desselben oder beiden zum Zweck der Errettung beider aus einer gemeinsamen Gefahr von dem Schiffer oder auf deffen Geheiß vor­ sätzlich zugefügt werden, sowie auch die durch solche Maßregeln ferner verursachten Schäden einschließlich des Verlustes der Fracht für aufgeopferte Güter, desgleichen die Kosten, welche zu dem bezeichneten Zweck von dem Schiffer oder nach seiner Anweisung von einem der Ladungsbetheiligten aufgewendet werden. Die große Haverei wird von Schiff und Ladung gemeinschaftlich ge­ tragen ; die Havereivertheilung tritt jedoch nur ein, wenn sowohl das Schiff als auch die Ladung und zwar jeder dieser Gegenstände entweder ganz oder theilweise wirklich gerettet worden sind. Alle nicht zur großen Haverei gehörigen, durch einen Unfall ver­ ursachten Schäden und Kosten (besondere Haverei) werden von den Eigen­ thümern des Schiffes und der Ladung, von jedem für sich allein getragen. K 79. Die Anwendung der Bestimmungen über große Haverei wird dadurch nicht ausgeschloffen, daß die Gefahr in Folge des Ver­ schuldens eines Dritten oder auch eines Betheiligten herbeigeführt ist. Der Betheiligte, welchem ein solches Verschulden zur Last fällt, kann jedoch wegen der ihm etwa entstandenen Schäden keine Vergütung fordern und ist den Beitragspflichtigen für den Verlust verantwortlich, welchen sie dadurch erleiden, daß der Schaden als große Haverei zur Dertheilung kommt. Ist die Gefahr durch eine Person der Schiffsbesatzung verschuldet, so trägt die Folgen dieses Verschuldens auch der Schiffseigner nach Maß­ gabe der 88 3 und 4.

§ 80. Die Verpflichtung, von einem geretteten Gegenstände bei­ zutragen, wird dadurch, daß derselbe später von besonderer Haverei betroffen wird, nur dann vollständig aufgehoben, wenn der Gegenstand ganz ver­ loren geht. § 81. Der Anspruch auf Vergütung einer zur großen Haverei gehörenden Beschädigung wird durch eine besondere Haverei, welche den beschädigten Gegenstand später trifft, sei es, daß er von Neuem beschädigt wird oder ganz verloren geht, nur insoweit aufgehoben, als bewiesen wird, daß der spätere Unfall mit dem früheren nicht allein in keinem Zusammen­ hänge steht, sondern daß er auch den früheren Schaden nach sich gezogen haben würde, wenn dieser nicht bereits entstanden gewesen wäre. Sind jedoch vor Eintritt des späteren Unfalls zur Wiederherstellung des beschädigten Gegenstandes bereits Aufwendungen gemacht, so bleibt rücksichtlich dieser der Anspruch aus Vergütung bestehen. § 82. In Bezug aus den Umfang der großen Haverei gelten, sofern die allgemeinen Voraussetzungen derselben vorhanden sind, die folgenden Bestimmungen:

Fünfter Abschnitt

1057

Haverei.

1. Wenn Waaren, Schiffstheile oder Schiffsgeräthschaften über Bord ge­ worfen, Taue oder Segel weggeschnitten, Masten, Anker, Ankertaue oder Ankerketten gekappt worden sind, so gehören zur großen Haverei sowohl diese Schäden selbst, als die durch solche Maßregeln an Schiff oder Ladung ferner verursachten Schaden. 2. Wenn zur Erleichterung des Schiffes die Ladung ganz oder theilweise in Leichterfahrzeuge übergeladen worden ist, so gehört zur großen Haverei sowohl der Leichterlohn, als der Schaden, welcher bei dem Üeberladen in das Leichterfahrzeug oder bei dem Rückladen in das Schiff der Ladung oder dem Schiffe zugefügt worden ist, sowie der Schaden, welcher die Ladung auf dem Leichterfahrzeuge betroffen hat. Muß die Erleichterung im regelmäßigen Verlaufe der Reise er­ folgen, so liegt große Haverei nicht vor. 3. Wenn das Schiff absichtlich festgefahren ist, um das Sinken desselben abzuwenden, oder wenn das Schiff absichtlich zum Sinken gebracht ist, um eine Zerstörung desselben und der Ladung durch Feuer zu verhüten, so gehören zur großen Haverei sowohl die durch die Maß­ regel entstandenen Schäden als auch die Kosten und Schäden der Abbringung oder Hebung. Wird das Schiff nicht abgebracht oder gehoben oder wird es nach der Abbringung oder Hebung als reparaturunfähig befunden, so findet eine Havereivertheilung nicht statt. Ist das Schiff gesunken, ohne daß dies zur Rettung von Schiff und Ladung vorsätzlich herbeigesührt war, so gehören zwar nicht die durch den Unfall veranlaßten Schäden, wohl aber die zur gemein­ samen Hebung von Schiff und Ladung verwendeten Kosten sowie die zu diesem Zweck dem Schiffe oder der Ladung absichtlich zugefügten Schäden zur großen Haverei. 4. Wenn zur Abwendung einer durch Eisgang oder durch andere Um­ stände verursachten Gefahr, zu deren Beseitigung die ordnungsmäßige Bemannung des Schiffes nicht ausreicht, Hillfsmannschaften oder Schleppdampfer angenommen werden, so gehören die hierdurch ent­ stehenden Kosten und Schäden zur großen Haverei. Erfolgt die Annahme von Schleppdampfern oder Hülfsmannschaften im regelmäßigen Ver­ laufe der Reise, so liegt große Haverei nicht vor. 5. Wenn das Schiff wegen Eintritts des Winterfrostes gezwungen ist, einen Zwischenhafen aufzusuchen, so gehören zur großen Haverei die Kosten des Ein- und Auslaufens, die Schlepplöhne, die Hafengebühren, die für die Bewachung des beladenen Schiffes erforderlich gewordenen Kosten und, wenn zur Erleichterung des Schiffes die Ladung ganz oder theilweise in Leichterfahrzeuge ubergeladen worden ist, der Leichter­ lohn, sowie der durch die Leichterung entstandene Schaden gemäß der Bestimmung unter Nr. 2.

§ 83. Wird außer dem Falle des § 82 Nr. 5 das Schiff genöthigt, die Reise zu unterbrechen und an einem Zwischenorte liegen zu bleiben, so gehören die durch den Aufenthalt an diesem Orte entstehenden Kosten und Schäden nicht zur großen Haverei. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

67

1058

XXXI Privatrechtl Verhältnisse der Binnenschiffahrt.

§ 84. Wenn durch die Auseinandersetzung unter den Betbeiligten Kosten entstehen, so gehören auch diese Kosten zur großen Haverei. Dies gilt insbesondere von den Kosten für die Ermittelung der Schäden und für die Aufstellung der Rechnung über die große Haverei (Dispache). § 85. In Bezug auf den Umfang und die Berechnung der für die große Haverei zu beanspruchenden Vergütungen und der für dieselbe zu leistenden Beiträge finden die auf die Seeschiffahrt bezüglichen Be­ stimmungen der 88 709 bis 720, 722 bis 724 des Handelsgesetzbuchs ent­ sprechende Anwendung. Güter, welche sich zur Zeit des Havereifalles in einem Leichterfahrzeuge befunden haben (Handelsgesetzbuch § 718), find jedoch nur unter der Voraussetzung beitragspflichtig, daß sie sich mit dem Schiffe in Gefahr befunden haben. Auch findet bei der Ermittelung des von der Ladung zu leistenden Beitrags (Handelsgesetzbuch § 719) ein Abzug des Zolles für gerettete Güter nur insoweit statt, als der Zoll noch nicht entrichtet ist. Bei der Schadensberechnung bleiben die Beschädigungen und Verluste außer Ansatz, welche betreffen:

1. diejenigen Güter, über die weder ein Frachtbrief oder Ladeschein aus­ gestellt ist, noch das Manifest oder Ladebuch Auskunft giebt; 2. die Kostbarkeiten, Gelder und Werthpapiere, welche dem Frachtführer nicht bezeichnet sind. Die Ausnahme unter Nr. 1 gilt nicht für den Hafenverkehr.

§ 86.

Die Vertheilung der Schäden erfolgt an dem Orte, wo

die Reise endet.

K 87.

Die Dispache ist von dem Schiffer unverzüglich aufzustellen. Derselbe ist berechtigt und auf Verlangen eines Betheiligten ver­ pflichtet, die Aufstellung einem Sachverständigen (Dispacheur) zu über­ tragen. In Ermangelung eines für Havereifälle bei der Binnen- oder Seeschiffahrt ein für allemal bestellten Dispacheurs hat auf Antrag das Amtsgericht eine geeignete Person als Dispacheur besonders zu bestellen.

Jeder Betheiligte ist verpflichtet, die zur Aufstellung der Dispache erforderlichen Urkunden, soweit er sie zu seiner Verfügung hat, insbesondere Frachtbriese, Ladescheine und Fakturen, dem Schiffer oder Dispacheur

mitzutheilen.

§ 88. Wird die Aufstellung der Dispache verzögert, so ist jeder Betheiligte, unbeschadet seines Anspruchs auf Ersatz des durch die Ver­ zögerung entstandenen Schadens, befugt, die Aufstellung der Dispache durch einen Dispacheur selbst zu veranlassen und zu betreiben.

§ 89. Die Vergütungsberechtigten haben wegen der von dem Schiffe zu entrichtenden Beiträge die Rechte von Schiffsgläubigern (§§ 102 bis 115). Auch in Ansehung der beitragspflichtigen Güter steht den Vergütungs­ berechtigten an den einzelnen Gütern wegen des von diesen zu entrichtenden Beitrags ein Pfandrecht zu. Das Pfandrecht kann jedoch nach der Aus­ lieferung der Güter nicht zum Nachtheile des dritten Erwerbers, welcher den Besitz in gutem Glauben erlangt hat, geltend gemacht werden.

Sechster Abschnitt

Zusammenstoß von Schiffen.

1059

Das an den beitragspflichtigen Gütern den Vergütungsberechtigten zustehende Pfandrecht wird für sämmtliche Berechtigte durch den Fracht­ führer ausgeübt. Die Geltendmachung des Pfandrechts durch den Fracht­ führer erfolgt nach Maßgabe der Dorschriften, die für das Pfandrecht des Frachtführers wegen der Fracht und der Auslagen gelten.

§ 90. Eine persönliche Verpflichtung zur Entrichtung des Beitrags wird durch den Havereifall nicht begründet. Der Empfänger beitragspflichtiger Guter wird jedoch, wenn ihm bei der Annahme der Güter bekannt ist, daß davon ein Beitrag zu entrichten sei, für den letzteren insoweit persönlich verpflichtet, als der Beitrag, falls die Auslieferung nicht erfolgt wäre, aus den Gütern hätte geleistet werden können. § 91. Der Schiffer darf Güter, auf welchen Havereibeiträge haften, vor deren Berichtigung oder Sicherstellung nicht ausliefern, widrigenfalls er für die Beiträge insoweit verantwortlich wird, als diese, falls die Aus­ lieferung nicht erfolgt wäre, aus den Gütern hätten geleistet werden können. Gegen Hinterlegung des beanspruchten Beitrags bei einer öffentlichen Hinterlegungsstelle hat die Auslieferung der Güter zu erfolgen. Wird diese Hinterlegung verzögert, so ist der Schiffer berechtigt, die Güter in einem öffentlichen Lagerhaus« oder in anderer sicherer Weise zu hinterlegen. Sechster Abschnitt.

Tusammenstosz tonn Schiffen, Bergung und Vülfeleistung. K 92. In Bezug auf die Schadensersatzpflicht beim Zusammenstöße von Schiffen auf Flüssen oder sonstigen Binnengewässern finden die Vor­ schriften der 88 734 bis 739 des Handelsgesetzbuchs mit der Maßgabe ent­ sprechende Anwendung, daß an die Stelle des Rheders der Schiffseigner tritt.

§ 93. Wird ein in Gefahr befindliches, von der Schiffsbesatzung verlasienes Schiff, oder wird aus einem solchen, vom Untergange unmittelbar bedrohten Schiffe die Ladung ganz oder theilweise geborgen, so hat der Berger Anspruch auf Bergelohn. Wird außer den bezeichneten Fällen ein Schiff oder dessen Ladung aus einer Schiffahrtsgefahr durch die Hülse dritter Personen gerettet, so haben diese Anspruch auf Hülfslohn. Der Besatzung des Schiffes steht ein Anspruch auf Berge- oder Hülfs­ lohn nicht zu.

§ 94. In Ermangelung einer Bereiubarung wird die Höhe des Berge- oder Hülfslohnes unter Berücksichtigung der Umstünde des Falles durch das Gericht nach billigem Ermessen festgesetzt. Der Berge- und Hülfslohn umfaßt zugleich die Vergütung für die Aufwendungen, welche zum Zweck des Bergens und Rettens geschehen sind. Nicht darin enthalten sind die Kosten und Gebühren der Behörden, 67*

1060

XXXI. Puvatrcchtl. Verhaltnrsje der Binnenschiffahrt.

die Kosten für die Aufbewahrung, Erhaltung, Abschätzung und Veräußerung der geborgenen oder geretteten Gegenstände, sowie die auf diesen ruhenden Zölle und sonstigen Abgaben. Bei der Bestimmung des Betrages des Berge- oder Hülsslohnes kommen insbesondere in Anschlag: der bewiesene Eifer, die verwendete Zeit, die geleisteten Dienste, die geschehenen Aufwendungen, die Zahl der thätig gewesenen Personen, die Gefahr, welcher dieselben ihre Person, ihre Fahr­ zeuge oder ihre Geräthe ausgesetzt haben, sowie die Gefahr, welche den geborgenen oder geretteten Gegenständen gedroht hat, und der nach Abzug der Kosten (Absatz 3) verbliebene Werth derselben.

§ 95. Haben sich mehrere Personen an der Bergung oder Hülfe­ leistung betheiligt, so wird der Berge- oder Hülfslohn unter dieselben nach Maßgabe der persönlichen und sachlichen Leistungen der Einzelnen vertheilt. Zur entsprechenden Theilnahme sind auch diejenigen berechtigt, welche sich in derselbeil Gefahr der Rettung von Menschen unterzogen haben. Wird ein Schiff oder dessen Ladung von einem anderen Schiffe ge­ borgen oder gerettet, so hat der Schiffseigner des letzteren einen angemessenen Theil des Berge- oder Hülsslohnes zu beanspruchen. § 96. Auf Berge- und Hülfslohn hat keinen Anspruch: 1. wer seine Dienste aufgedrungen, insbesondere wer ohne Erlaubniß des anwesenden Schiffers das Schiff betreten hat; 2. wer von den geborgenen Gegenständen dem Schiffer, dem Eigenthümer oder der zuständigen Behörde nicht sofort Anzeige gemacht hat. § 97. Wegen der Bergungs- und Hülfskosten, einschließlich des Berge- und Hülsslohnes, stehen dem Gläubiger im Falle der Rettung des Schiffes die Rechte der Schiffsgläubiger (§§ 102 bis 115) und im Falle der Rettung von Gütern ein Pfandrecht an diesen zu. Geborgene Gegen­ stände können bis zur Sicherheitsleistung zurückbehalten werden. Die Pfandklage kann hinsichtlich des Schiffes und der Fracht und, solange die Ladungsgüter noch nicht ausgeliefert sind, auch hinsichtlich dieser gegen den Schiffer gerichtet werden. Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk die Bergung oder Hilfeleistung stattgefunden hat. § 98. Nach Auslieferung der Güter kann das Pfandrecht nicht zum Nachtheile eines dritten Erwerbers geltend gemacht werden, welcher den Besitz der geborgenen oder geretteten Güter in gutem Glauben er­ langt hat. § 99. Der Schiffer darf die Güter vor Befriedigung oder Sicher­ stellung des Gläubigers nicht ausliefern, widrigenfalls er dem Gläubiger insoweit verantwortlich wird, als dieser, wenn die Auslieferung nicht be­ wirkt wäre, aus den Gütern hätte befriedigt werden können. Hat der Schiffseigner die Auslieferung der Güter angeordnet, so finden die Vorschriften im 8 7 Absatz 2, 3 Anwendung. § 100. Eine persönliche Verpflichtung zur Entrichtung der Ber­ gungs- und Hülfskosten wird durch die Bergung oder Rettung nicht begründet.

Siebenter Abschnitt.

Schiffsgläubiger.

1061

Der Empfänger von Entern wird jedoch, wenn ihm bei der An­ nahme bekannt ist, daß davon Bergungs- oder Hülfskosten zu berichtigen sind, für diese Kosten insoweit persönlich verpflichtet, als sie, falls die Auslieferung nicht erfolgt wäre, aus den Gütern hätten berichtigt werden

können. Sind noch andere Gegenstände gemeinschaftlich mit den ausgelieferten Gütern geborgen oder gerettet, so geht die persönliche Haftung des Em­ pfängers nicht über den Betrag hinaus, welcher bei Vertheilung der Kosten über sämmtliche Gegenstände auf die ausgelieferten Güter fällt.

§ 101. Für die der See zunächst gelegenen Binnengewässer können durch Verordnung der Landesregierungen hinsichtlich des Verfahrens bei der Bergung und Hülfeleistung und hinsichtlich der zuständigen Be­ hörden, sowie hinsichtlich der Behandlung der geborgenen Gegenstände und der Festsetzung der Bergungs- und Hülfskosten die für die Seeschiffahrt geltenden Vorschriften für anwendbar erklärt werden. Siebenter Abschnitt.

SchiffsMubiger. § 102. Die nachstehenden Forderungen gewähren die Rechte eines Schiffsglüubigers: 1. die öffentlichen Schiffs- und Schiffahrtsabgaben, Brücken-, Schleusen-, Kanal- und Hafengelder;

insbesondere

die

2. die aus den Dienstverträgen herrührenden Forderungen der Schiffs­ besatzung; 3. die Lootsengelder, sowie die Bergungs- und Hülfskosten, einschließlich des Berge- und Hülfslohnes; die Beiträge des Schiffes zur großen Haverei; die Forderungen aus Geschäften, welche der Schiffer außerhalb der im § 15 bezeichneten Orte zur Abwendung einer dringenden Gefahr von Schiff oder Ladung geschlossen hat, auch wenn der Schiffer Eigenthümer oder Miteigenthümer des Schiffes ist; 4. die Forderungen wegen Nichtablieferung oder Beschädigung der Ladungs­ güter und des im § 77 bezeichneten Reisegepäcks;

5. die nicht unter eine der vorigen Nummern fallenden Forderungen aus Rechtsgeschäften, welche der Schiffer als solcher kraft seiner gesetz­ lichen Befugnisse (§§ 15, 16) und nicht mit Bezug auf eine Voll­ macht geschloffen hat, sowie die nicht unter eine der vorigen Nummern fallenden Forderungen wegen Nichterfüllung oder wegen unvollständiger oder mangelhafter Erfüllung eines von dem Schiffseigner geschlossenen Vertrages, insofern dessen Ausführung zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört hat (§ 4 Nr. 2); die Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffs­ besatzung (§ 3, § 4 Nr. 3), auch wenn dieselbe Eigenthümer oder Miteigenthümer des Schiffes ist;

1062

XXXI. Pi wntrechtl. Verhältnisse der Binnenschiffahrt.

6. die Forderungen, welche der Berufsgenossenschaft nach den Vorschriften über die Unfallversicherung, der Versicherungsanstalt nach den Vor­ schriften über die Invalidenversicherung und den Gemeinden und Krankenkassen nach den Vorschriften über die Krankenversicherung gegen den Schiffseigner zustehen.

§ 103. Die Schiffsglaubiger haben an dem Schiffe nebst Zubehör ein Pfandrecht. Das Pfandrecht ist gegen jeden dritten Besitzer des Schiffes verfolgbar. Die Befriedigung aus dem Pfande erfolgt auf Grund eines voll­ streckbaren Titels nach den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung.

§ 104. Das Pfandrecht der Schiffsgläubiger erstreckt sich außer­ dem auf die Bruttofracht derjenigen Frachtfahrt, aus welcher ihre Forderung entstanden ist. Für die im § 102 unter Nr. 2 aufgeführten Forderungen der Schiffsbesatzung besteht ein Pfandrecht an der Fracht der sämmtlichen Fracht­ fahrten, welche unter den Dienstvertrag fallen, aus dem die Forderungen entstanden sind. Als Frachtfahrt gilt jede Reise, welche entweder auf Grund eines neuen Frachtvertrages oder nach vollständiger Löschung der Ladung an­ getreten wird. Der Fracht steht tm Sinne dieses Abschnitts das für die Be­ förderung von Personen zu entrichtende Fahrgeld und bei Schleppschiffen der Schlepplohn gleich. § 105. Das einem Schiffsgläubiger zustehende Pfandrecht gilt in gleichem Maße für Kapital, Zinsen und Kosten. § 106. Von den im § 102 unter Nr. 1 bis 5 aufgeführten Forderungen gehen die eine spätere Frachtsahrt betreffenden denjenigen vor, welche eine frühere Frachtfahrt betreffen. Zu den die letzte Fracht­ fahrt betreffenden Forderungen werden auch diejenigen gerechnet, welche nach Beendigung dieser Frachtfahrt entstanden sind. Für die im § 102 unter Nr. 2 aufgeführten Forderungen der Schiffsbesatzung bestimmt sich das Vorzugsrecht nach der letzten Fracht­ fahrt, welche unter den Dienstvertrag fällt, aus dem die Forderungen entstanden sind. § 107. Die Rangordnung der Forderungen, welche dieselbe Fracht­ fahrt betreffen oder als dieselbe Frachtfahrt betreffend anzusehen sind (§ 106), bestimmt sich durch die Numinernfolge, in welcher die Forderungen im § 102 aufgeführt sind. Von den unter Nr. 1, 2, 4 und 5 bezeichneten Forderungen haben die unter derselben Nummer aufgeführten den gleichen Rang ohne Rück­ sicht auf die Zeit ihrer Entstehung. Von den unter Nr. 3 bezeichneten Forderungen geht die später ent­ standene der früher entstandenen vor; die gleichzeitig entstandenen find gleichberechtigt. Forderungen, welche aus Anlaß eines und desselben Noth­ falles entstanden sind, gelten als gleichzeitig entstanden.

Siebenter Abschnitt.

Schiffsgliiubiger.

1063

§ 108. stehen

Die im § 102 unter Nr. 6 bezeichneten Forderungen allen übrigen Forderungen von Schiffsgläubigern, ohne Rücksicht

auf die Zeit ihrer Entstehung, nach.

§ 109. Das Pfandrecht des Schiffsgläubigers hat den Vorrang vor den sonstigen Pfandrechten an Schiff oder Fracht, für die int § 102 unter Nr. 4 bis 6 aufgeführten Forderungen jedoch hinsichtlich des Schiffes nur insoweit, als jene Pfandrechte nicht früher entstanden sind. Soweit hiernach die sonstigen Pfandrechte an dem Schiffe der Forderung eines Schiffsgläubigers vorgehen, haben sie zugleich den Vorrang vor den dieser Forderung nachstehenden Forderungen anderer Schiffs­ gläubiger. Erleidet ein Schiffsgläubiger, welchem der Schiff und Fracht haftet, dadurch einen Ausfall an seinem Pfandrecht an dem Schiffe das Pfandrecht geht, der nicht Schiffsgläubiger ist, so wird der dieses Ausfalles persönlich verpflichtet.

Schiffseigner nur mit seiner Forderung, daß eines Gläubigers vor­ Schiffseigner in Höhe

§ 110. Wird außer dem Falle der Zwangsversteigerung das Schiff veräußert, so ist der Erwerber berechtigt, die Ausschließung der unbekannten Schiffsgläubiger mit ihren Pfandrechten im Wege des Aufgebotsverfahrens zu beantragen.

§ 111. Die Vorschrift des § 110 findet keine Anwendung, wenn nur der Antheil eines Miteigenthümers des Schiffes den Gegenstand der Verüußertmg bildet. § 112. Das Pfandrecht der Schiffsglänbiger an der Fracht ist so lange wirksam, als die Fracht noch aussteht oder die Frachtgelder in den Händen des Schiffers sind. Dies gilt auch im Falle einer Abtretung der Frachtforderung. Insoweit der Schiffseigner die Fracht eingezogen hat, hastet er den Schiffsgläubigern, welchen dadurch das Pfand ganz oder zum Theil ent­ geht, persönlich, und zwar einem jeden in Höhe desjenigen Betrages, welcher für denselben bei Vertheilung des eingezogenen Betrages nach der gesetzlichen Rangordnung sich ergiebt. Dieselbe persönliche Haftung des Schiffseigners tritt ein in Ansehung der am Abladungsorte zur Abladungszeit üblichen Fracht für Güter, welche für feine Rechnung abgeladen sind. Hat der Schiffseigner die Fracht zur Befriedigung eines oder mehrerer Gläubiger, welchen ein Pfandrecht an derselben zustand, verwendet, so ist er den Gläubigern, welchen dec Vorzug gebührt hätte, nur insoweit verantwoMch, als erwiesen wird, daß er dieselben wissentlich verkürzt hat.

§ 113. Insoweit bei der Zwangsversteigerung oder bei einer sonstigen Veräußerung des Schiffes der Schiffseigner das Kaufgeld eiitgezogen hat, haftet er den Schiffsgläubigern, deren Pfandrechte in Folge der Zwangs­ versteigerung oder in Folge eines nach § 110 eingeleiteten Aufgebotsver­ fahrens erloschen sind, persönlich in gleicher Weffe, wie im Falle der Einziehung der Fracht.

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XXXI. Privatrcchtl. Verhältnisse der Binnenschiffahrt.

§ 114. Sendet der Schiffseigner, nachdem er von der Forderung eines Schiffsgläubigers, für welche er nur mit Schiff und Fracht haftet, Kenntniß erhalten hat, das Schiff zu einer neuen Reise aus, ohne daß dies zugleich im Interesse des Gläubigers geboten war, so wird er fiir die Forderung in Höhe desjenigen Betrages auch persönlich verpflichtet, welcher für den Gläubiger sich ergeben haben würde, falls der Werth, den das Schiff bei Antritt der Reise hatte, unter die Schiffsgläubiger nach der ge­ setzlichen Rangordnung vertheilt worden wäre. Bis zum Beweise des Gegentheils wird angenommen, daß der Gläubiger bei dieser Bertheilung seine vollständige Befriedigung erlangt haben würde. § 115. Die Vergütung für Aufopferung oder Beschädigung in Fällen der großen Haverei tritt für die Schiffsgläubiger an Stelle des Gegenstandes, für den die Vergütung bestimmt ist. Dasselbe gilt von der Entschädigung, die wegen des Verlustes oder der Beschädigung des Schiffes oder wegen der durch Verlust oder Be­ schädigung von Gütern herbeigeführten Entziehung der Fracht dem Schiffs­ eigner von demjenigen gezahlt werden muß, welcher den Schaden durch eine rechtswidrige Handlung verursacht hat. Hat der Schiffseigner die Vergütung oder Entschädigung eingezogen, so hastet er in Höhe ves eingezogenen Betrages den Schiffsgläubigern persönlich in gleicher Weise wie den Gläubigern einer Reise im Falle der Einziehung der Fracht (§ 112). § 116. Die wegen der Beiträge zur großen Haverei und der Bergungs- und Hülfskosten auf den Ladungsgütern haftenden Pfandrechte gehen den im § 443 des Handelsgesetzbuchs bezeichneten Pfandrechten vor. Unter den ersteren Pfandrechten hat das später entstandene vor dem früher entstandenen den Vorzug; die gleichzeitig entstandenen sind gleichberechtigt; Forderungen, welche aus Anlaß desselben Nothfalles entstanden sind, gelten als gleichzeitig entstanden. In den Fällen der großen Haverei und des Verlustes oder der Be­ schädigung durch rechtswidrige Handlungen finden die Vorschriften des § 115 entsprechende Anwendung.

Achter Abschnitt.

Verjährung. § 117. Mit dem Ablaufe eines Jahres verjähren: 1. die öffentlichen Schiffs- und Schiffahrtsabgaben, insbesondere

die

Brücken-, Schleusen-, Kanal- und Hafengelder; 2. die aus den Dienstverträgen herrührenden Forderungen der Schiffs­

besatzung ; 3. die Lootsengelder; 4. die Bergungs- und Hülfskosten einschließlich des Berge- und Hülsslohnes; 5. die Beiträge zur großen Haverei;

Neunter Abschnitt.

Schiffsregister.

10G5

6. die Forderungen aus Geschäften, welche der Schiffer kraft seiner gesetz­ lichen Befugnisse (§§ 15, 16) und nicht mit Bezug auf eine Vollinacht geschlossen hat; 7. die Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffs­ besatzung (§ 3, § 4 Nr. 3, 88 7, 92).

§ 118. Die Verjährung beginnt mit dem Schluffe des Jahres, in welchem die Forderung fällig geworden ist. Neunter Abschnitt.

Schiffsregister. § 119. Für Dampfschiffe und andere Schiffe mit eigener Trieb­ kraft, deren Tragfähigkeit mehr als 15 000 Kilogramm beträgt, sowie für sonstige Schiffe mit einer Tragfähigkeit von mehr als 20 000 Kilogramm sind Schiffsregister zu Wien. § 120. Das Schiffsregister wird bei dem zur Führung des Handels­ registers zuständigen Gerichte geführt. Die Landesregierungen sind befugt, die Führung des Registers für die Bezirke mehrerer Gerichte einem von diesen zu übertragen oder mit derselben da, wo die Führung der Register für Seeschiffe anderen Behörden obliegt, die letzteren zu betrauen. § 121. Das Schiffsregister ist öffentlich; die Einsicht ist während der gewöhnlichen Dienststunden einem Jeden gestattet. Von den Eintragungen können gegen Erlegung der Kosten Abschriften gefordert werden, die auf Verlangen zu beglaubigen sind. § 122. Jedes Schiff ist bei der Registerbehörde des Heimathsortes zur Eintragung in das Schiffsregister anzumelden.

§ 123. Die Verpflichtung zur Anmeldung liegt dem Eigenthümer des Schiffes und, wenn mehrere Miteigenthümer vorhanden sind, einem jeden von ihnen ob. Bei einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer Aktienkommanditgesellschaft sind die persönlich haftenden Gesellschafter, bei einer juristischen Person, einer Aktiengesellschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer eingetragenen Genoffenschaft die gesetzlichen Vertreter zur Anmeldung verpflichtet. Sind mehrere Verpflichtete vorhanden, so genügt die Anmeldung durch einen von ihnen. K 124. Die Anmeldung muß enthalten: 1. die Gattung und das Material sowie den Namen, die Nummer oder die sonstigen Merkzeichen des Schiffes; 2. die Tragfähigkeit und bei Dampfschiffen oder sonstigen Schiffen mit eigener Triebkraft die Stärke des Motors; 3. die Zeit und den Ort der Erbauung; 4. den Heimathsort;

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XXXI Privatrechtl Verhältnisse der Binnenschiffahrt

5. den Namen und die nähere Bezeichnung des Eigentümers oder der Miteigentümer und im letzteren Falle die Größe des Antheils eines jeden Miteigentümers; bei Handelsgesellschaften genügt, auch soweit sie nicht juristische Personen sind, die Angabe der Firma und des Sitzes der Gesellschaft; 6. den Rechtsgrund, auf welchem das Eigenthum oder die Eigenthums­ antheile beruhen. Die Angaben sind glaubhaft zu machen.

§ 125. Jedes Schiff wird in das Schiffsregister unter einer be­ sonderen Ordnungsnummer eingetragen. Die Eintragung hat die im § 124 bezeichneten Angaben und den Tag der Eintragung zu enthalten. Ueber die Eintragung wird von der Registerbehörde eine Urkunde (Schiffsbries) ertheilt, in welche der vollständige Inhalt der Eintragung aufzunehmen ist. § 126. Wenn Veränderungen in den eingetragenen Thatsachen oder Rechtsverhältnissen eintreten oder wenn das Schiff zu Grunde geht oder reparaturunfähig wird, so ist dies zur Eintragung in das Schiffs­ register anzumelden. In Bezug auf die Verpflichtung zur Anmeldung finden die Vor­ schriften der 88 123, 124 entsprechende Anwendung. Zur Anmeldung der Veräußerung des Schiffes oder eines Antheiles an demselben ist der Er­ werber verpflichtet. Der Schiffsbrief ist mit der Anmeldung einzureichen; die Eintragung wird auf demselben durch die Registerbehörde vermerkt. Im Falle der Verlegung des Heimathsortes aus dem Registerbezirke hat die Registerbehörde nach Vollzug der Eintragung den Schiffsbrief mit einer beglaubigten Abschrift des Registerinhalts der neuen Registerbehörde zur Bewirkung der Eintragung zu übersenden.

§ 127. Das Gericht hat die Betheiligten zu den ihnen obliegenden Anmeldungen durch Ordnungsstrafen anzuhalten. Das Verfahren bestimmt sich nach den Vorschriften, welche für die Verhängung von Ordnungsstrafen in Betreff der Anmeldungen zum Handels­ register gelten. § 128. Die Landesregierungen können bestimmen, daß auch Schiffe von einer geringeren als der im 8 H9 bezeichneten Tragfähigkeit in das Schiffsregister einzutragen sind. Auf die Anmeldung und Eintragung solcher Schiffe finden die Bestimmungen dieses Abschnitts gleichfalls Anwendung. § 129. Schiffe, welche beim Inkrafttreten dieses Gesetzes in ein nach den Landesgesetzen geführtes Register für Binnenschiffe eingetragen sind, bedürfen keiner erneuten Eintragung. Hinsichtlich der diese Schiffe betreffenden Eintragungen gelten die bezeichneten Register als Schiffsregister im Sinne des gegenwärtigen Gesetzes.

Zehnter Abschnitt.

Schlußbestimmungen

1067

Zehnter Abschnitt.

Schluszbesttmmungen. § 130» In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht ist, wird die Verhandlung und Entscheidung letzter Instanz im Sinne des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze dem Reichsgerichte zugewiesen. § 131. Bei Schiffen, welche nur zu Fahrten innerhalb desselben Ortes bestimmt sind, finden auf das Rechtsverhältniß des Schiffers, sowie auf die Beförderung von Gütern die Bestimmungen in § 8 Absatz 4, §§ 15 bis 19, 27 bis 57 und § 72 Absatz 1 keine Anwendung. Durch die Landesregierungen kann bestimmt werden, daß Fahrten zwischen benachbarten Orten der Fahrt innerhalb desselben Ortes im Sinne des ersten Absatzes gleichstehen. Auf Schisfahrtsbetriebe, welche im Anschluffe an den Eisenbahn­ verkehr geführt werden und der staatlichen Eisenbahnaufsichtsbehörde unter­ stellt sind, finden die vorhergehenden Bestimmungen dieses Gesetzes keine Anwendung. Das Gleiche gilt bezüglich des Betriebes von Fähranstalten, soweit nicht der Betrieb mittelst frei schwimmender Schiffe stattfindet.

§ 132. Der Bundesrath ist befugt, Bestimmungen über den Befähigungsnachweis der Schiffer und Maschinisten für Binnenschiffe zu treffen. Bezüglich der Schiffahrt auf Seen, welche keine fahrbare Ver­ bindung mit einer anderen Wafferstraße haben, steht die Befugniß der Landesregierung zu. Wer den Bestimmungen zuwider das Gewerbe eines Schiffers oder Maschinisten ausübt, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft.

§ 133. Welche Behörden in jedem Bundesstaate unter der Be­ zeichnung „höhere Verwaltungsbehörde" im Sinne dieses Gesetzes zu ver­ stehen find, wird durch die Zentralbehörde des Bundesstaates bekannt gemacht.

XXXII. Gesetz, betreffend die privatrecbtlkben Verhältnisse der Tlösserei, vom 15. Juni 1895.

(Reichsgesetzblatt 1895 S. .341-348.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnade« Deutscher Kaiser, König von Preußen re. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundes­ raths und des Reichstags, was folgt:

§ 1. Floßführer ist, wer ein Floß auf Flüssen oder sonstigen Binnengewässern führt, gleichviel ob er bei einem Unternehmer, welcher die Beförderung des Floßes übernommen hat (Frachtflößer), oder bei dem Eigenthümer des Floßes im Dienste steht, oder ob er die Beförderung des Floßes selbst als Frachtflößer übernommen hat. § 2. Der Floßführer ist verpflichtet, bei seinen Obliegenheiten, namentlich bei der Erfüllung der von ihm auszuführenden Verträge, die Sorgfalt eines ordentlichen Floßführers anzuwenden. Er haftet für jeden durch die Vernachlässigung dieser Sorgfalt ent­ standenen Schaden nicht nur dem Dienstherrn, sondern auch dem Absender und dem Empfänger des Floßes, sowie den Personen der Floßmannschast, es sei denn, daß er auf Anweisung des Dienstherrn gehandelt hat. Auch in dem letzteren Falle bleibt der Floßführer verantwortlich, wenn er es Unterlasten hat, dem Dienstherrn die nach Lage des Falles erforderliche Aufklärung zu ertheilen, oder wenn ihm eine strafbare Handlung

zur Last fällt.

§ 3. Der Floßführer hat vor Antritt der Reise dafür zu sorgen, daß das Floß fest und dauerhaft verbunden, gehörig ausgerüstet, insbesondere mit den nöthigen Reserveausrüstungsgegenständen versehen und hinreichend bemannt ist. Dauert die Reise voraussichtlich so lange, daß ein Uebernachten der Floßmannschast auf dem Floße nöthig ist, so muß das letztere mit einem

Schlafraume versehen sein.

§ 4. Der Floßführer hat vor Antritt der Reise sich zu überzeugen, daß die Angaben über Stückzahl und Länge der Hölzer in den auf die

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Beförderung bezüglichen Urkunden (Frachtbrief, Lieferschein) richtig sind, und die Aenderung unrichtiger Angaben herbeizuführen. Unterläßt er dies, so wird bis zum Beweise des Gegentheils angenommen, daß der Floßführer die Hölzer in der Zahl und Länge, wie sie in den Urkunden verzeichnet sind, empfangen hat. Für Borkeverlust ist der Floßführer sowie der Frachtflößer nur im Falle einer böslichen Handlungsweise verantwortlich.

§ 5, Wenn der Floßführer durch Krankheit oder andere Ursachen verhindert ist, das Floß zu führen, so darf er den Antritt oder die Fort­ setzung der Reise nicht ungebührlich verzögern; er muß vielmehr, wenn Zeit und Umstände es gestatten, die Anordnung des Dienstherrn einholen und für die Zwischenzeit die geeigneten Vorkehrungen treffen, im entgegen­ gesetzten Falle aber einen anderen Floßfuhrer einsetzen. Für diesen Stellvertreter ist er nur insofern verantwortlich, als ihm bei der Wahl desselben ein Verschulden zur Last fällt. § 6. Der Floßführer ist verpflichtet, von Beschädigungen des Floßes, von Verlusten an Ausrüstungsgegenstanden sowie von der Ein­ setzung eines anderen Floßführers (§ 5) den Dienstherrn in Kenntniß zu setzen. Er hat in allen erheblichen Fallen, namentlich wenn er die Reise einzustellen oder zu verändern sich genöthigt findet, die Ertheilung von Verhaltungsmaßregeln bei dem Dienstherrn nachzusuchen, sofern es die Umstände gestatten. § 7. Wenn der Floßführer nicht im Dienste eines Frachtfloßers oder des Floßeigenthümers steht, sondern selbst als Frachtflößer die Be­ förderung des Floßes übernommen hat, so sind die in den §§ 5 und 6 vorgeschriebenen Mittheilungen an den Absender zu richten. § 8. Wird das Floß von einem Unfall betroffen, so ist der Floßsührer berechtigt und auf Verlangen seines Dienstherrn, des Absenders oder des Empfängers des Floßes verpflichtet, vor dem Amtsgerichte des Ortes, an welchem die Reise endet, und, wenn das Floß vorher an einem anderen Orte längere Zcrt liegen bleiben muß, vor dem Amtsgerichte dieses Ortes eine Beweisaufnahme über den thatsächlichen Hergang, sowie über den Umfang des eingetretenen Schadens und über die zur Abwendung oder Verringerung desselben angewendeten Mittel zu beantragen. Er hat sich selbst zum Zeugnisse zu erbieten und die zur Feststellung des Sachverhältniffes sonst dienlichen Beweismittel zu bezeichnen. § 9, Zur Aufnahme des Beweises bestimmt das Gericht einen thnnlichst nahen Termin, zu welchem der Floßführer und die sonst be­ zeichneten Zeugen zu laden sind. Dem Dienstherrn des Floßführers sowie dem Absender und dem Empfänger des Floßes ist von dem Termine Mittheilung zu machen, soweit es ohne unverhältnißmäßige Verzögerung des Verfahrens geschehen kann. Die Mittheilung kann durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. § 10. Die Aufnahme des Beweises erfolgt nach den Vorschriften der Civilprozeßordnung.

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XXXII Pnvntrcchtl Verhältnisse der Flößerei.

Soweit hiernach nicht die Beeidigung des Floßführers ausgeschlossen ist. beschließt über dieselbe das Gericht nach freiem Ermessen. Der Dienstherr des Floßführers, der Absender und der Empfänger des Floßes, sowie die etwa sonst durch den Unfall Betroffenen sind be­ rechtigt, in Person oder durch Vertreter der Verhandlung beizuwohnen. Sie können eine Ausdehnung der Beweisaufnahme auf weitere Beweis­ mittel beantragen. Das Gericht ist befugt, eine Ausdehnung der Beweisaufnahme auch von Amtswegen anzuordnen, soweit dies zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich erscheint. § 11. In Bezug auf die Erhebung von Gebühren und Auslagen finden die für das Verfahren zur Sicherung des Beweises geltenden Be­ stimmungen des Gerichtskostengesetzes mit der Maßgabe Anwendung, daß als Gebühr nur die Hälfte der dort vorgesehenen Sätze und höchstens ein Betrag von dreißig Mark erhoben wird. Ist das Verfahren auf Verlangen des Absenders oder des Empfängers beantragt, so hat derselbe die entstandenen Kosten zu erstatten, soweit er nicht Anspruch auf Ersatz des durch den Unfall ihm entstandenen Schadens hat. Die Verpflichtung des Dienstherrn, dem Floßführer die verauslagten Kosten zu erstatten, wird hierdurch nicht berührt. 8 12. Sobald das Floß am Ablieferungsorte angekommen ist, hat der Floßführer dies dem Empfänger anzuzeigen. Wenn der Empfänger nicht zu ermitteln ist, so muß die Anzeige durch öffentliche Bekanntmachung in ortsüblicher Weise erfolgen. 8 13. Der Floßführer hat das Floß an dem ihm von dem Empfänger angewiesenen Platze festzulegen. Wenn die Anweisung nicht rechtzeitig erfolgt, oder wenn die Wasser­ tiefe, die örtlichen Verordnungen oder Einrichtungen oder die Sperrung des Platzes durch andere Flöße oder durch Schiffe die Befolgung der ertheilten Anweisung nicht gestatten, so kann der Floßführer, falls der Empfänger aus die Aufforderung nicht unverzüglich einen geeigneten Platz bezeichnet, selbst einen Platz zum Festlegen des Floßes wählen. Bei der Auswahl dieses Platzes hat der Floßsührer das Jntereffe des Empfängers thunlichst zu berücksichtigen; auch hat er ihm unverzüglich von der Festlegung des Floßes Mittheilung zu machen. Ist der von den» Empfänger bezeichnete Platz nur zeitweilig nicht zu erreichen, so ist der Floßführer auf Verlangen des Empfängers ver­ pflichtet, mit der Mannschaft so lange bei dem Floße zu bleiben, bis es an diesem Platze festgelegt ist. Die durch den Aufenthalt entstehenden Mehrkosten hat der Empfänger zu ersetzen.

8 14. Verweigert der Empfänger die Annahme des Floßes oder ist er nicht zu ermitteln, so ist der Floßfuhrer befugt, das Floß einem Spediteur oder einem sonst geeigneten Dritten für Rechnung und Gefahr des Empfängers zu übergeben. Er hat hiervon den Absender und, falls der Empfänger bekannt ist,

auch diesen unverzüglich zu benachrichtigen.

XXXII. Pnvntrechtl. Verhältnisse der Flößerei

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K 15. Zllr Vornahme von Rechtsgeschäften für den Dienstherrn, insbesondere zur Einziehung der Frachtforderung desselben, ist der Floß­ führer nur auf Grund einer ihn hierzu erinächtigenden Vollmacht befugt. K 16. Der Floßfuhrer untersteht, soweit nicht in diesem Gesetze ein Anderes bestimnrt ist, den Vorschriften, welche für die im § 133 a der Gewerbeordnung bezeichneten Personen gelten. Das Dienstverhaltniß des Floßführers endigt, sofern nicht ein Anderes verabredet ist, mit der Vollendung der Reise und der Ablieferung des Floßes. Hinsichtlich der Voraussetzungen, unter welchen beiden Theilen das Recht zusteht, die Auflösung des Dienstverhältnisses vor Ablauf der vertrags­ mäßigen Zeit und ohne Innehaltung einer Kündigungsfrist zu verlangen, bewendet es bei den Bestimmungen der §§ 133 b bis 133 d der Gewerbe­ ordnung. Ist ein die sofortige Entlassung rechtfertigender Grund nicht vor­ handen, so kann der Floßführer zwar jederzeit seines Dienstes enthoben werden, jedoch unbeschadet seiner Entschädigungsansprüche für die vertrags­ mäßige Dauer des Dienstverhältnisses. Wird das Dienstverhältniß vor der Ankunft des Floßes am Ab­ lieferungsorte während der Reise aufgehoben, so hat der Floßführer Anspruch auf die Kosten der Rückreise nach dem Orte, an welchem er in Dienst getreten ist. Diese Bestimmung findet keine Allwendung, wenn der Floß­ führer sich einer Handlung schuldig gemacht hat, welche geeignet ist, seine sofortige Entlassung zu rechtfertigen. § 17. Zur Floßmannschaft gehören mit Ausnahme des Floß­ führers alle zum Flößereidienste auf dem Floße angestellten Personen. Die Flvßmannschaft untersteht der Gewerbeordnung. § 18. Die Verpflichtung des Floßmannes zum Dienstantritt be­ ginnt, wenn nichts Anderes verabredet ist, mit dem Abschlüsse des Dienst­ vertrages. Tritt der Floßmann den Dienst nicht binnen vierundzwanzig Stunden an, so braucht er nicht mehr angenommen zu werden. Seine Verbindlichkeit zum Schadensersätze wird hierdurch nicht berührt. § 19. Der Floßmann ist verpflichtet, in Ansehung des Floß­ dienstes den Anordnungen des Floßführers Folge zu leisten und jederzeit alle für die Flößerei ihm übertragenen Arbeiten zu verrichten. Er darf das Floß ohne Erlaubniß des Floßführers nicht verlassen. Wird das Floß von einem Unfall betroffen, so hat der Floßmann für Rettung der Personen und für Sicherung der Floßtheile und der Geräthschaften den Anordnungen des Floßführers gemäß nach besten Kräften zu sorgen. § 20. Wenn über die Zeit der Lohnzahlung nichts Anderes ver­ einbart ist, so kann der Floßmann am Schluffe jeder zweiten Woche die Auszahlung des verdienten Lohnes verlangen. § 21. Das Dienstverhältniß des Floßmannes endigt, sofern nicht ein Anderes verabredet ist, mit der Vollendung der Reise und der Ab­ lieferung des Floßes.

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XXXII Privatrechtl. Verhältnisse der Flößerei.

Hinsichtlich der Voraussetzungen, unter welchen beiden Theilen das Recht zusteht, die Auflösung des Dienstverhältnisses vor Ablaus der ver­ tragsmäßigen Zeit zu verlangen, finden die Bestimmungen der §§ 123 bis 124 a der Gewerbeordnung mit der Maßgabe Anwendung, daß die so­ fortige Entlastung des Floßmannes auch stattfinden kann, wenn der An­ tritt oder die Fortsetzung der Reise durch den Eintritt des Winters ver­ hindert wird. Ist ein die sofortige Entlassung rechtfertigender Grund nicht vor­ handen, so kann der Floßmann zwar jederzeit seines Dienstes enthoben werden, jedoch unbeschadet seiner Entschädigungsansprüche für die vertrags­ mäßige Dauer des Dienstverhältnisses. Wird das Dienstverhältniß vor der Ankunft des Floßes am Ab­ lieferungsorte während der Reise aufgehoben, so hat der Floßmann An­ spruch auf die Kosten der Rückreise nach dem Orte, an welchem er in Dienst getreten ist. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn der Floßmann sich einer Handlung schuldig gemacht hat, welche geeignet ist, seine sofortige Entlassung zu rechtfertigen.

8 22. Für Beschädigungen, welche in Folge des Verschuldens des Floßsührers oder einer Person der Floßmannschaft durch das Floß ver­ ursacht werden, hastet der Eigenthümer mit dem Floße, unbeschadet seines Rückgriffsrechts gegen den Frachtflößer und gegen die schuldigen Personen. Für das Verschulden eines Zwangslootsen ist der Eigenthümer nicht verant­ wortlich. Dem Entschädigungsberechtigten steht wegen seines Anspruchs ein Pfandrecht an dem Floße mit den im § 41J) der Konkursordnung bezeichneten Wirkungen zu. Das Pfandrecht ist, solange das geflößte Holz noch ein geschloffenes Floß bildet, gegen jeden Besitzer verfolgbar. Nach diesem Zeitpunkte kann das Pfandrecht nicht zum Nachtheile des dritten Erwerbers, der den Besitz in gutem Glauben erlangt hat, geltend gemacht werden. Die Klage kann, solange das Floß noch nicht abgeliefert ist, gegen den Floßführer gerichtet werden. 8 23. Eine persönliche Verpflichtung des Eigenthumers wird durch die Bestimmungen des § 22 nicht begründet. Soweit jedoch im Falle der Veräußerung des Floßes das Pfandrecht an diesem erlischt, haftet der Veräußerer in Höhe des Erlöses persönlich. Eine nach dem bürgerlichen Rechte begründete persönliche Haftung des Eigenthümers des Floßes oder des Frachtflößers wird hierdurch nicht

berührt.

8 24. Wird ein in Gefahr befindliches, von der Floßbesatzung verlassenes Floß oder werden Theile eines Floßes, welche auf dem Wasser treiben oder an das Ufer getrieben sind, geborgen, so hat der Berger An­ spruch auf Bergelohn. Wird außer den bezeichneten Fällen ein Floß durch die Hülfe dritter Personen aus einer Gefahr gerettet, so haben diese Anspruch auf Hülsslohn.

*)

Jetzt § 49.

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XXXII Privatrechtl Verhältnisse der Flößerei.

Der Besatzung des Floßes steht ein Anspruch auf Berge- oder Hülfs-

lohn nicht zu.

8 25. In Ermangelung einer Vereinbarung wird die Höhe des Berge- oder Hülfslohnes unter Berücksichtigung der Umstände des Falles durch das Gericht nach billigem Ermessen festgesetzt. Der Berge- und Hülsslohn umsaßt zugleich die Vergütung für die Aufwendungen, welche zum Zweck des Bergens und Rettens geschehen sind. Nicht darin enthalten sind die Kosten und Gebühren der Behörden, die Kosten für die Aufbewahrung, Erhaltung, Abschätzung und Veräußerung der geborgenen oder geretteten Gegenstände, sowie die auf diesen ruhenden Zölle und sonstigen Abgaben. Bei der Bestimmung des Betrages des Berge- oder Hülfslohnes kommen insbesondere in Anschlag: der bewiesene Eifer, die verwendete Zeit, die geleisteten Dienste, die geschehenen Aufwendungen, die Zahl der thätig gewesenen Personen, die Gefahr, welcher dieselben ihre Person, ihre Fahr­ zeuge oder ihre Geräthe ausgesetzt haben, sowie die Gefahr, welche den geborgenen oder geretteten Gegenständen gedroht hat, und der nach Abzug der Kosten (Absatz 3) verbliebene Werth derselben.

§ 26. Haben sich mehrere Personen an der Bergung oder Hülfe­ leistung betheiligt, so wird der Berge- oder Hülsslohn unter dieselben nach Maßgabe der persönlichen und sachlichen Leistungen der Einzelnen vertheilt. Zur entsprechenden Theilnahme sind auch diejenigen berechtigt, welche sich in derselben Gefahr der Rettung von Menschen unterzogen haben. § 27. Auf Berge- und Hülsslohn hat keinen Anspruch: 1. wer seine Dienste aufgedrungen, insbesondere wer ohne Erlaubniß des anwesenden Floßführers das Floß betreten hat; 2. wer von den geborgenen Gegenständen dem Floßführer, dem Eigen­ thümer oder der zuständigen Behörde nicht sofort Anzeige gemacht hat.

8 28. Wegen der Bergungs- und Hülfskosten, einschließlich des Berge- und Hülfslohnes, steht dem Gläubiger an den geborgenen oder geretteten Gegenständen ein Pfandrecht mit den im § 41 *) der Konkursordnung bezeichneten Wirkungen zu. Geborgene Gegenstände können bis zur Sicher­ heitsleistung zurückbehalten werden. In Bezug auf die Verfolgbarkeit des Pfandrechts gegen dritte Be­ sitzer finden die Bestimmungen des § 22 Absatz 2 und in Bezug auf die persönliche Verpflichtung des Eigenthümers des Floßes die Bestimmungen des 8 23 Absatz 1 entsprechende Anwendung. Die Pfandklage kann, solange die geretteten Gegenstände noch nicht an den Empfänger ausgeliefert sind, gegen den Floßführer gerichtet werden. Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirke die Bergung oder Hülfeleistung stattgesunden hat. 8 29. Die Pfandrechte für Bergungs- und Hülfskosten haben den Vorrang vor den Pfandrechten für Ansprüche wegen Beschädigung durch das Floß (§ 22). Unter mehreren Pfandrechten der ersteren Art geht das *)

J-tzt § 49.

Bürgerliches Gesetzbuch und Nevengesetze.

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XXXII Pttvatrechtl Berhältnisse der Flößerei.

später entstandene dem früher entstandenen vor; mehrere Pfandrechte für Ansprüche wegen Beschädigung stehen im Range gleich. Beide Arten von Pfandrechten gehen allen sonstigen Pfandrechten vor.

K 30* Mit dem Ablaufe eines Jahres verjähren: 1. die öffentlichen Abgaben für-die Flößerei, insbesondere die Brücken-, Schleusen-, Kanal- und Hafengelder; 2. die aus den Dienstverträgen herrührenden Forderungen des Floßführers und der Floßmannschast; 3. die Ersatzansprüche wegen Beschädigung durch ein Floß, sowie die Erstattungsforderung des Eigenthümers des Floßes gegen den Fracht­ flößer und gegen den Floßführer oder die Floßmannschaft (§ 22 Absatz 1); 4. die Bergungs- und Hülfskosten, einschließlich des Berge- und Hülfslohnes; 5. die Forderungen des Frachtflößers wegen der Fracht mit Nebengebühren und Auslagen. Die Verjährung beginnt mit dem Schluffe des Jahres, in welchem die Forderung fällig geworden ist.

K 31. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch die Klage ein Anspruch auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes geltend gemacht wird, wird die Verhandlung und Entscheidung letzter Instanz im Sinne des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfaffungsgesetze dem Reichsgerichte zugewiesen.

§ 32 Der Bundesrath ist befugt, Bestimmungm über den Be­ fähigungsnachweis der Floßführer zu treffen. Bezüglich der Flößerei auf Wasserstraßen, auf welchen eine regelmäßige Schiffahrt nicht stattfindet, steht diese Befugniß der Landesregierung zu. Wer den Bestimniungen zuwider das Gewerbe eines Floßführers ausübt, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft. § 33.

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1896 in Kraft.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei­ gedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel.

Gegeben Neues Palais, den 15. Juni 1895.

(L. 8.)

Wilhelm. Fürst zu Hohenlohe.

XXXIII. vörsengesetr vom 22. Juni 1896

in der Fassung der Jin. u Einf.-Ges. zum yandelrgerettvueft. (Reichsgesetzblatt 1896 S 157—176, 1897 S. 451 f).

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preuße« rc. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundes­ raths und des Reichstags, was folgt:

I. Allgemeine Bestimmungen über die Börsen und deren Organe. § 1. Die Errichtung einer Börse bedarf der Genehmigung der Landesregierung. Diese ist befugt, die Aufhebung bestehender Börsen an­ zuordnen. Die Landesregierungen üben die Aufsicht über die Börsen aus. Sie können die unmittelbare Aufsicht den Handelsorganen (Handelskammern, kaufmännischen Korporationen) übertragen. Der Aufsicht der Landesregierungen und der mit der unmittelbaren Aufsicht betrauten Handelsorgane unterliegen auch die auf den Börsen­ verkehr bezüglichen Einrichtungen der Kündigungsbüreaus, Liquidations­ kassen, Liquidationsvereine und ähnlicher Anstalten. § 2. Bei den Börsen sind als Organe der Landesregierung Staatskommissare zu bestellen. Ihnen liegt es ob, den Geschäftsverkehr an der Börse sowie die Befolgung der in Bezug auf die Börse erlassenen Gesetze und Verwaltungsbestimmungen nach näherer Anweisung der Landes­ regierung zu überwachen. Sie sind berechtigt, den Berathungen der Börsen­ organe beizuwohnen und die Börsenorgane auf hervorgetretene Mißbräuche aufmerksam zu machen. Sie haben über Mängel und über die Mittel zu ihrer Abstellung Bericht zu erstatten. Mit Zustimmung des Bundesraths kann für einzelne Börsen die Thätigkeit des Staatskommifsars auf die Mitwirkung beim ehrengericht­ lichen Verfahren beschränkt oder, sofern es sich um kleine Börsen handelt, von der Bestellung eines Staatskommissars abgesehen werden.

§ 3. Zur Begutachtung über die durch dieses Gesetz der Be­ schlußfassung des Bundesraths überwiesenen Angelegenheiten ist als Sach­ verständigenorgan ein Bdrsenausschuß zu bilden. Derselbe ist befugt, An­ träge an den Reichskanzler zu stellen und Sachverständige zu vernehmen.

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XXXIII. Börfengesetz.

Der Börsenausschuß besteht aus mindestens dreißig Mitgliedern, welche vom Bundesrath in der Regel auf je fünf Jahre zu wählen sind. Eine erneute Wahl ist zulässig. Die Wahl der Hälfte der Mitglieder er­ folgt auf Vorschlag der Börsenorgane. Darüber, in welcher Anzahl die­ selben von den einzelnen Börsenorganen vorzuschlagen sind, bestimmt der Bundesrath. Die andere Hälfte wird unter angemessener Berücksichtigung von Landwirthschaft und Industrie gewählt. Die Geschäftsordnung für den Ausschuß wird nach Anhörung desselbm von dem Bundesrath erlassen; der letztere setzt auch die den Aus­ schußmitgliedern zu gewährenden Tagegelder und Reisekosten fest.

§ 4.

Für jede Börse ist eine Börsenordnung zu erlaffen. Die Genehmigung derselben erfolgt durch die Landesregierung. Dieselbe kann die Aufnahme bestimmter Borschristen in die Börsenordnung anordnen, insbesondere der Vorschrift, daß in den Vorständen der Produktenbörsen die Landwirthschast, die landwirthschastlichen Nebengewerbe und die Müllerei eine entsprechende Vertretung finden.

§ 5, Die Börsenordnung muß Bestimmungen treffen: 1. über die Börsenleitung und ihre Orgäne; 2. über die Geschäftszweige, für welche die Börseneinrichtungen be­ stimmt sind; 3. über die Voraussetzungen der Zulaffung zum Besuche der Börse; 4. darüber, in welcher Weise die Preise und Kurse zu notiren sind.

§ 6. Die Börsenordnung kann für andere als die nach 8 5 Ziffer 2 zu bezeichnenden Geschäftszweige, sofern dies nicht mit besonderen Bestimmungen dieses Gesetzes (88 40, 41, 51, 52) im Widerspruch steht, die Benutzung von Börseneinrichtungen zulasien. Ein Anspruch aus die Benutzung erwächst in diesem Falle für die Betheiligten nicht. Der Bundesrath ist befugt, für bestimmte Geschäftszweige die Benutzung der Börseneinrichtungen zu untersagen oder von Bedingungen abhängig zu machen.

§ 7. Vom Börsenbesuche sind ausgeschlossen: 1. Personen weiblichen Geschlechts; 2. Personen, welche sich nicht im Besitze der bürgerlicher Ehrenrechte befinden; 3. Personen, welche in Folge gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind; 4. Personen, welche wegen betrüglichen Bankerutts rechtskräftig verurtheilt sind; 5. Personen, welche wegen einfachen Bankerutts rechtskräftig verurtheilt sind; 6. Personen, welche sich im Zustande der Zahlungsunfähigkeit befinden; 7. Personen, gegen welche durch rechtskräftige oder für sofort wirksam erklärte ehrengerichtliche Entscheidung aus Ausschließung von dem Besuche einer Börse erkannt ist. Die Zulassung oder Wiederzulassung zum Börsenbefuche kann in den Fällen unter 2 und 3 nicht vor der Beseitigung des AusschließnngSgrundes.

XXXIII. Börsengesetz.

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in dem Falle unter 5 nicht vor Ablauf von sechs Monaten, nachdem die Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist, erfolgen; sie darf in dem letz­ teren Falle und ebenso in dem Falle unter 6 nur stattfinden, wenn der Börsenvorstand den Nachweis für geführt erachtet, daß die Schuldverhältniffe sämmtlichen Gläubigern gegenüber durch Zahlung, Erlaß oder Stun­ dung geregelt find. Einer Person, welche im Wiederholungsfälle in Zah­ lungsunfähigkeit oder in Konkurs gerathen ist, muß die Zulassung oder Wiederzulassung mindestens für die Dauer eines Jahres verweigert werden. In dem Falle unter 4 ist der Ausschluß ein dauernder. Die Börsenordnungen können weitere Ausschließungsgründe festsetzen. Auf Antrag der Börsenorgane kann die Landesregierung in besonderen Fällen Ausnahmen von den Vorschriften über die Ausschließung vom Börsenbesuche zulaffen.

§ 8. Die Börsenaufsichtsbehörde ist befugt, zur Aufrechthaltung der Ordnung und für den Geschäftsverkehr an der Börse Anordnungen zu erlassen. Die Handhabung der Ordnung in den Börsenräumen liegt dem Börsenvorstande ob. Er ist befugt, Personen, welche die Ordnung oder den Geschäftsverkehr an der Börse stören, sofort aus den Börsenräumen zu entfernen und mit zeitweiliger Ausschließung von der Börse oder mit Geldstrafe zu bestrafen. Das Höchstmaß beider Strafen wird durch die Börsenordnung festgesetzt. Die Ausschließung von der Börse kann mit Genehniigung der Börsenaufsichtsbehörde durch Anschlag in der Börse bekannt gemacht werden. Gegen die Verhängung der Strafen findet innerhalb einer durch die Börsenordnung festzusetzenden Frist die Beschwerde an die Börsenaufsichts­ behörde statt. Finden sich an der Börse Personen zu Zwecken ein, welche mit der Ordnung oder dem Geschäftsverkehr an derselben unvereinbar sind, so ist ihnen der Zutritt zu untersagen. § 9. An jeder Börse wird ein Ehrengericht gebildet. Es besteht, wenn die unmittelbare Aufsicht über die Börse einem Handelsorgane (§ 1 Absatz 2) übertragen ist, aus der Gesammtheit oder einem Ausschuffe dieses Aufsichtsorgans, andernfalls aus Mitgliedern, welche von den Börsenorganen gewählt werden. Die näheren Bestimmungen über die Zusammensetzung des Ehrengerichts werden von der Landesregierung erlassen. § 10. Das Ehrengericht zieht zur Verantwortung Börsenbesucher, welche im Zusammenhänge mit ihrer Thätigkeit an der Börse sich eine mit der Ehre oder dem Anspruch auf kaufmännisches Vertrauen nicht zu vereinbarende Handlung haben zu Schulden kommen lassen.

§ 11. Don der Einleitung oder Ablehnung eines ehrengerichtlichen Verfahrens ist der Staatskommissar (§ 2) zu unterrichten. Er kann die Einleitung eines ehrengerichtlichen Verfahrens verlangen. Diesem Verlangen sowie allen von dem Kommissar gestellten Beweisanträgen muß stattgegeben werden. Der Kommissar hat das Recht, allen Verhandlungen beizuwohnen

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XXXIII. Börsengesetz.

und die ihm geeignet erscheinenden Anträge sowie Fragen an den Be­ schuldigten, die Zeugen und Sachverständigen zu stellen.

§ 12. Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung kann das Ehren­ gericht einem Mitgliede die Führung einer Vomntersuchung übertragen. In der Voruntersuchung wird der Beschuldigte unter Mittheilung der Be­ schuldigungspunkte vorgeladen und, wenn er erscheint, mit seinen Erklärungen und Anträgen gehört. Zeugen und Sachverständige dürfen nur unbeeidigt vernommen werden. § 13. Mit Zustimmung des Staatskommissars kann das Ehren­ gericht das Verfahren einstellen, andernfalls ist die Hauptverhandlung an­ zuberaumen.

§ 14. Die Hauptverhandlung vor dem Ehrengerichte findet statt, auch wenn der Beschuldigte nicht erschienen ist. Sie ist nicht öffentlich. Das Ehrengericht kann die Oeffentlichkeit der Verhandlung anordnen. Die Anordnung muß erfolgen, falls der Staatskommiffar oder der Beschuldigte es beantragt, sofern nicht die Voraussetzungen des § 173 des Gerichts­ verfassungsgesetzes vorliegen. Der Beschuldigte ist befugt, sich des Beistandes eines Vertheidigers zu bedienen. Das Ehrengericht ist berechtigt, Zeugen und Sachverständige vorzu­ laden und eidlich zu vernehmen. § 15. Die Strafen bestehen in Verweis, sowie in zeitweiliger oder dauernder Ausschließung von der Börse. Ergiebt sich, daß keine unehrenhafte Handlung, sondern nur eine Störung der Ordnung oder des Geschäftsverkehrs an der Börse vorliegt, so kann die Bestrafung gemäß § 8 Absatz 2 durch das Ehrengericht stattfinden. K 16. Die Entscheidung wird in der Sitzung, in welcher die mündliche Verhandlung geschlossen wird, unter Angabe der Gründe ver­ kündet oder spätestens innerhalb zwei Wochen nach dem Schluffe der Ver­ handlung dem Staatskommiffar und dem Beschuldigten in einer mit Gründen versehenen Ausfertigung zugestellt. Dem nicht erschienenen Beschuldigten ist auch die verkündete Ent­ scheidung zuzustellen. Sowohl der Staatskommiffar wie der Beschuldigte können auch bei in ihrer Gegenwart erfolgter Verkündung der Ent­ scheidung eine mit Gründen versehene Ausfertigung derselben beanspruchen. Das Ehrengericht kann in der Entscheidung anordnen, daß und auf welche Weise sie öffentlich bekannt zu machen ist. Das Ehrengericht kann, wenn auf zeitweilige oder dauernde Aus­ schließung von der Börse erkannt ist, anordnen, daß die Wirkung der Entscheidung sofort eintrete. Auf Antrag des freigesprochenen Beschuldigten hat d.as Gericht die öffentliche Bekanntmachung der Freisprechung anzuordnen.

§ 17. Gegen die Entscheidung des Ehrengerichts steht sowohl dem Staatskommiffar als dem Beschuldigten die Berufung an die periodisch zu bildende Berufungskammer offen.

XXXIII Börsengeseh.

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Die Berufungskammer besteht aus einem Vorsitzenden und sechs Beisitzern. Der Vorsitzende wird von dem Bundesrath bestimmt. Die Bei­ sitzer werden von dem Börsenausschusse aus seinen auf Vorschlag der Börsenorgane berufenen Mitgliedern gewählt; von den Beisitzern dürfen nicht mehr als zwei derselben Börse angehören. Für den Vorsitzenden und die Beisitzer werden in gleicher Weise Stellvertreter bestellt. In einer Spruchsitzung dürfen nicht mehr als zwei Beisitzer mit­ wirken, welche derselben Börse angehören.

§ 18. Die Einlegung der Berufung geschieht zu Protokoll oder schriftlich bei dem Ehrengerichte, welches die anzugreifende Entscheidung erlassen hat. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt eine Woche. Sie beginnt, falls die Entscheidung verkündet worden ist, für den Staatskommiffar und den erschienenen Beschuldigten mit der Verkündung im Uebrigen mit der Zustellung der Entscheidung. § 19. Nach Einlegung der Berufung ist dem Staatskommiffar sowie dem Beschuldigten, sofern es nicht bereits geschehen, die angefochtene Entscheidung, mit Gründen versehen, zuzustellen.

§ 20. Zur schriftlichen Rechtfertigung der Berufung steht dem­ jenigen, der sie rechtzeitig eingelegt hat, eine Frist von einer Woche offen. Sie beginnt mit dem Ablauf der Einlegungsfrist oder, wenn zu dieser Zeit die Entscheidung noch nicht zugestellt war, mit deren Zustellung. § 21. Die Berufungsschrift des Beschuldigten und die etwa ein­ gehende Rechtfertigung wird dem Staatskommissar, die Berufungsschrift und die Rechtfertigung des Staatskommissars dem Beschuldigten mitgetheilt. Innerhalb einer Woche nach der Mittheilung kann eine Beantwortungs­ schrift eingereicht werden. § 22. Die Fristen zur Rechtfertigung und zur Beantwortung der Berufung können auf Antrag von dem Ehrengerichte verlängert werden.

§ 23. Nach Ablauf der in den §§ 18, 20, 21 und 22 be­ stimmten Fristen werden die Akten an die Berufungskammer eingesandt. Zu der Verhandlung ist der Beschuldigte vorzuladen und der Staats­ kommiffar zuzuziehen. Die Berufungskammer kann zur Aufklärung des Sachverhalts vor­ herige Beweiserhebungen veranlaffen. Auf das Verfahren vor der Berufungskammer finden die Vorschriften der W 11, 14, 15 und 16 Anwendung. K 24. Ueber jede Vernehmung in der Voruntersuchung und über die Hauptverhandlung ist durch einen vereideten Protokollführer ein Proto­ koll aufzunehmen.

§ 25. Neben der Strafe kann auf vollständigen oder theilweisen Ersatz der durch das Verfahren entstandenen baaren Auslagen erkannt werden.

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XXXI]I. Börsengesetz

K 26. Die Gerichte sind verpflichtet, dem Ersuchen des Ehren­ gerichts sowie der Berufungskammer um Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zu entsprechen.

§ 27. Die mit der Aufsicht über, die Börsen betrauten Organe sind verpflichtet, Handlungen der Börsenbesucher, welche zu einem ehren­

gerichtlichen Verfahren Anlaß geben, zur Kenntniß des Staatskommissars oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, zur Kenntniß des Ehrengerichts zu bringen. § 28. Eine Vereinbarung, durch welche die Betheiligten sich der Entscheidung eines Börsenschiedsgerichts unterwerfen, ist nur verbindlich, wenn jeder der Betheiligten Kaufmann oder für den betreffenden Ge­ schäftszweig in das Börsenregister (§ 54) eingetragen ist oder wenn die Unterwerfung unter das Schiedsgericht nach Entstehung des Streitfalles erfolgt. II. Feststellung des Börsenpreises und Maklerwesen.

§ 29. Bei Waaren oder Werthpapieren, deren Börsenpreis amtlich festgestellt wird, erfolgt diese Feststellung sowohl für Kassa- wie für Zeit­ geschäfte durch den Börsenvorstand, soweit die Börsenordnung nicht die Mitwirkung von Vertretern anderer Berufszweige vorschreibt. Bei der Feststellung darf außer dem Staatskommiffar, dem Börsen­ vorstande, den Börsensekretären, den Kursmaklern und den Vertretern der betheiligten Berufszweige, deren Mitwirkung die Börsenordnung vorschreibt, niemand zugegen sein. Als Börsenpreis ist derjenige Preis festzusetzen, welcher der wirklichen Geschäftslage des Verkehrs an der Börse entspricht. K 30. Zur Mitwirkung bei der amtlichen Festsetzung des Börsen­ preises von Waaren und Werthpapieren sind Hülfspersonen (Kursmakler) zu ernennen. Sie müssen, solange sie die Thätigkeit als Kursmakler aus­ üben, die Vermittelung von Börsengeschäften in den betreffenden Waaren oder Werthpapieren betreiben. Sie werden von der Landesregierung be­ stellt und entlassen und leisten vor Antritt ihrer Stellung den Eid, daß sie die ihnen obliegenden Pflichten getreu erfüllen werden. Eine Vertretung der Kursmakler (Maklerkammer) ist bei der Be­ stellung neuer Kursmakler und bei Verthellung der Geschäfte unter die einzelnen Makler gutachtlich zu hören. Die näheren Bestimmungen über die Bestellung und Entlastung der Kursmakler und die Organisation ihrer Vertretung sowie über ihr Verhältniß zu den Staatskommisiaren und den Börsenorganen werden von der Landesregierung ertasten.

§ 31. Bei Geschäften in Waaren oder Werthpapieren kann ein Anspruch auf Berücksichtigung bei der amtlichen Feststellung des Börsen­ preises nur erhoben werden, wenn sie durch Vermittelung eines Kurs­ maklers abgeschlossen sind. Die Berechtigung des Börsenvorstandes, auch andere Geschäfte zu berücksichtigen, bleibt hierdurch unberührt.

§ 32. Die Kursmakler dürfen in den Geschäftszweigen, für welche sie bei der amtlichen Feststellung des Börsenpreises mitwirken, nur insoweit

XXXIII. Bbrsengesetz.

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für eigene Rechnung oder in eigenem Namen Handelsgeschäfte schließen oder eine Bürgschaft für die von ihnen vermittelten Geschäfte übernehmen, als dies zur Ausführung der ihnen ertheilten Aufträge nöthig ist; die Landesregierung bestimmt, in welcher Weise die Beobachtung dieser Vor­ schrift zu überwachen ist. Die Gültigkeit der abgeschlossenen Geschäfte wird hierdurch nicht berührt. Die Kursmakler dürfen, soweit nicht die Landesregierung Ausnahmen zuläßt, kein sonstiges Handelsgewerbe betreiben, auch nicht an einem solchen als Kommanditist oder stiller Gesellschafter betheiligt sein; ebensowenig dürfen sie zu einem Kaufmann in dem Verhältnisse eines Prokuristen, Handlungsbevollmächtigten oder Handlungsgehülfen stehen.

§ 332) Das von dem Kursmakler zu führende Tagebuch ist vor dem Gebrauche dem Börsenvorstande zur Beglaubigung der Zahl der Blätter oder Seiten vorzulegen. Wenn ein Kursmakler stirbt oder aus dem Amt scheidet, ist sein Tagebuch bei dem Börsenvorstande niederzulegen.

§ 342) Die Kursmakler sind zur Vornahme von Verkäufen und Käufen befugt, die durch einen dazu öffentlich ermächtigten Handelsmakler zu bewirken sind. § 35. Der Bundesrath ist befugt: 1. eine von den Vorschriften im § 29 Absutz 1 und 2 und in den §§ 30 und 31 abweichende amtliche Feststellung des Börsenpreises von Wgaren oder Werthpapieren für einzelne Börsen zuzulassen; 2. eine amtliche Feststellung des Börsenpreises bestimmter Waaren all­ gemein oder für einzelne Börsen vorzuschreiben; 3. Bestimmungen zu erlassen, um eine Einheitlichkeit der Grundsätze über die den Feststellungen von Waarenpreisen zu Grunde zu legen­ den Mengen und über die für die Feststellung der Preise von Werth­ papieren maßgebenden Gebräuche herbeizuführen?) Die Befugniß der Landesregierung zu Anordnungen der im Absatz 1 Ziffer 2 und 3 bezeichneten Art wird hierdurch nicht berührt, soweit der Bundesrath von seiner Befugniß keinen Gebrauch gemacht hat. Diese Anordnungen find dem Reichskanzler zur Kenntnißnahme mitzutheilen. III. Zulassung von Werthpapieren zum Börsenhandel.

§ 36. Die Zulassung von Werthpapieren zum Börsenhandel ersolgt an jeder Börse durch eine Kommission (Zulaffungsstelle), von deren Mitgliedern mindestens die Hälfte aus Personen bestehen muß, welche nicht ins Börsenregister für Werthpapiere (§ 54) eingetragen sind. Von der Berathung und Beschlußfassung über die Zulaffung eines Werthpapiers zum Börsenhandel sind diejenigen Mitglieder ausgeschlosien, ') 2) 8) papiere»,

Fassung nach Art. 14 E.G. z. H.G.B. Fassung nach Art. 14 E.G z H.G.B Siehe Bekanntmachung, bett, bte Feststellung des Börsenpreises von Werth­ vom 28 Juni 1898 (R G Bl. S 915—917)

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XXXIII Bdrsengesetz

welche an der Einführung dieses Werthpapiers in den Börsenhandel betheiligt sind; für die ausscheidenden Mitglieder sind Stellvertreter nach näherer Bestimmung der Börsenordnung zu berufen. Die Zulassungsstelle hat die Aufgabe und die Pflicht: a) die Vorlegung der Urkunden, welche die Grundlage für die zu emittirenden Werthpapiere bilden, zu verlangen und diese Urkunden zu prüfen; b) dafür zu sorgen, daß das Publikum über alle zur Beurtheilung der zu emittirenden Werthpapiere nothwendigen thatsächlichen und recht­ lichen Verhältnisse soweit als möglich informirt wird, und bei Un­ vollständigkeit der Angaben die Emission nicht zuzulassen; c) Emissionen nicht zuzulassen, durch welche erhebliche allgemeine Inter­ essen geschädigt werden oder welche offenbar zu einer Uebervortheilung des Publikums führen.

Die Zulasiungsstelle darf die Emission ohne Angabe von Gründen ablehnen. Im Uebrigen werden die Bestimmungen über die Zusammen­ setzung der Zulaffungsstelle sowie über die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen deren Entscheidungen durch die Börsenordnungen getroffen. Die Zulaffungsstelle ist befugt, zum Börsenhandel zugelaffene Werthpapiere von demselben auszuschließen. Die Zulaffung deutscher Reichs- und Staatsanleihen darf nicht ver­ sagt werden.

K 37. Wird von der Zulassungsstelle einer Börse der Antrag auf Zulaffung von Werthpapieren zum Börsenhandel abgelehnt, so hat die Zulaffungsstelle den Vorständen der übrigen deutschen Börsen für Werth­ papiere Mittheilung zu machen. Dabei ist anzugeben, ob die Ablehnung mit Rücksicht auf örtliche Verhältniffe oder aus anderen Gründen erfolgt ist. In letzterem Falle darf die Zulassung von einer anderen Börse nur mit Zustimmung derjenigen Stelle ertheilt werden, welche die Zulaffung abgelehnt hat. Der Antragsteller hat anzugeben, ob das Gesuch um Zulaffung bereits bei einer anderen Börse eingereicht ist oder gleichzeitig eingereicht wird. Ist dies der Fall, so sollen die Werthpapiere nur mit Zustimmung der anderen Zulassungsstelle zugelassen werden. K 38. Nach Einreichung des Antrages auf Zulaffung von Werth­ papieren ist derselbe von der Zulaffungsstelle unter Bezeichnung der Ein­ führungsfirma, des Betrages sowie der Art der einzuführenden Werth­ papiere zu veröffentlichen. Zwischen dieser Veröffentlichung und der Ein­ führung an der Börse muß eine Frist von mindestens sechs Tagen liegen. Vor der Zulassung ist, sofern es sich nicht um deutsche Reichs- oder Staatsanleihen handelt, ein Prospekt zu veröffentlichen, welcher die für die Beurtheilung des Werthes der einzuführenden Papiere wesentlichen An­ gaben enthält. Das Gleiche gilt für Konvertirungen und Kapitalserhöhungen. Der Prospekt muß den Betrag, welcher in den Verkehr gebracht, sowie den Betrag, welcher vorläufig vom Verkehr ausgeschloffen werden soll, und die Zeit, für welche dieser Ausschluß erfolgen soll, ersichtlich machen.

XXXIII. Börsengesetz.

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Für Schuldverschreibungen, bezüglich deren das Reich oder ein Bundesstaat die volle Garantie übernommen hat, und für Schuld­ verschreibungen kommunaler Körperschaften und kommunalständischer Kredit­ institute söwie der unter staatlicher Aufsicht stehenden Pfandbriefanstalten kann die Landesregierung (§ 1) von der Verpflichtung zur Einreichung eines Prospekts entbinden.

§ 39, Die Zulassung von Aktien eines zur Aktiengesellschaft oder zur Kommanditgesellschaft aus Aktien umgewandelten Unternehmens zum Börsenhandel darf vor Ablauf eines Jahres nach Eintragung der Ge­ sellschaft in das Handelsregister und vor der Veröffentlichung der ersten Jahresbilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung nicht erfolgen. In befonderen Fällen kann diese Frist von der Landesregierurrg (§ 1) ganz oder

theilweise erlassen werden. Die Zulassung von Antheilsscheinen oder staatlich nicht garantirten Obligationen ausländischer Erwerbsgesellschaften ist davon abhängig, daß die Emittenten sich auf die Dauer von fünf Jahren verpflichten, die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung jährlich nach Feststellung derselben in einer oder mehreren von der Zulafsungsstelle zu bestimmenden deutschen Zeitungen zu veröffentlichen.

§ 40« Für Werthpapiere, welche zur öffentlichen Zeichnung auf­ gelegt werden, darf vor beendeter Zutheilung an die Zeichner eine amtliche Feststellung des Preises nicht erfolgen. Vor diesem Zeitpunkt sind Ge­ schäfte von der Benutzung der Börseneinrichtungen ausgeschlossen und dürfen von den Kursmaklern nicht notirt werden. Auch dürfen für solche Ge­ schäfte Preislisten (Kurszettel) nicht veröffentlicht oder in mechanisch her­ gestellter Vervielfältigung verbreitet werden. K 41. Für Werthpapiere, deren Zulaffung zum Börsenhandel verweigert oder nicht nachgesucht ist, darf eine amtliche Feststellung des Preises nicht erfolgen. Geschäfte in solchen Werthpapieren sind von der Benutzung der Börseneinrichtungen ausgeschloffen und dürfen von den Kursmaklern nicht vermittelt werden. Auch dürfen für solche an der Börse abgeschlossenen Geschäfte Preislisten (Kurszettel) nicht veröffentlicht oder in mechanisch hergestellter Vervielfältigung verbreitet werden, soweit nicht die Börsenordnung für besondere Fälle Ausnahmen gestattet.

§ 42.') Der Bundesrath bestimmt den Mindestbetrag des Grund­ kapitals, welcher für die Zulaffung von Aktien an den einzelnen Börsen maßgebend sein soll, sowie den Mindestbetrag der einzelnen Stücke der

zum Handel an der Börse zuzulassenden Werthpapiere. Weitere Bestimmungen über die Aufgaben der ZulaffungSstelle und die Voraussetzungen der Zulaffung trifft der Bundesrath. Die Befugniß der Landesregierung, ergänzende Bestimmungen zu treffen, wird hierdurch nicht berührt; diese Bestimmungen sind dem Reichs­ kanzler mitzuthellen. *) Siehe Bekanntmachung, bett, die Zulassung von Werthpapieren zum Börsen­ handel, vom 11. Dezember 1896 (9t.® Bl. S 763—769).

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XXXIII. Börsengesetz.

§ 43. Sind in einem Prospekt, auf Grund dessen Werthpapiere zum Börsenhandel zugelafsen sind, Angaben, welche für die Beurtheilung des Werthes erheblich sind, unrichtig, so haften diejenigen, welche den Prospekt erlassen haben, sowie diejenigen, von denen der Erlaß des Pro­ spekts ausgeht, wenn sie die Unrichtigkeit gekannt haben oder ohne grobes Verschulden hätten kennen müssen, als Gesammtschuldner jedem Besitzer eines solchen Werthpapiers für den Schaden, welcher demselben aus der von den gemachten Angaben abweichenden Sachlage erwächst. Das Gleiche gilt, wenn der Prospekt in Folge der Fortlasiung wesentlicher Thatsachen unvollständig ist und diese Unvollständigkeit auf böslichem Verschweigen oder auf der böslichen Unterlassung einer ausreichenden Prüfung seitens derjenigen, welche den Prospekt erlassen haben, oder derjenigen, von denen der Erlaß des Prospekts ausgeht, beruht. Die Ersatzpflicht wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Prospekt die Angaben als von einem Dritten herrührend bezeichnet.

8 44. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nur auf diejenigen Stücke, welche auf Grund des Prospekts zugelassen und von dem Besitzer auf Grund eines im Jnlande abgeschlossenen Geschäfts erworben find. Der Ersatzpflichtige kann der Ersatzpflicht dadurch genügen, daß er das Werthpapier gegen Erstattung des von dem Besitzer nachgewiesenen Erwerbspreises oder desjenigen Kurswerthes übernimmt, den die Werth­ papiere zur Zeit der Einführung hatten.

Die Ersatzpflicht ist ausgeschloffen, wenn der Besitzer des Papiers die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts bei dem Erwerbe kannte. Gleiches gilt, wenn der Besitzer des Papiers bei dem Erwerbe die Unrichtigkeit der Angaben des Prospetts bei Anwendung der­ jenigen Sorgfalt, welche er in eigenen Angelegenheiten beobachtet, kennen mußte, es sei denn, daß die Ersatzpflicht durch bösliches Verhalten be­

gründet ist.

8 45.1) Der Ersatzanspruch verjährt in fünf Jahren seit der Zulaffung der Werthpapiere.

K 46. Eine Vereinbarung, durch welche die nach den §§ 43 bis 45 begründete Haftung ermäßigt oder erlassen wird, ist unwirksam. Weitergehende Ansprüche, welche nach den Vorschriften des bürger­ lichen Rechts auf Grund hon Verträgen erhoben werden können, bleiben unberührt.

8 47. Für die Entscheidung der Ansprüche aus den §§ 43 bis 46 ist ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes ausschließlich das Landgericht des Ortes zuständig, an dessen Börse die Einführung des Werthpapiers erfolgte. Besteht an diesem Landgerichte eine Kammer für Handelssachen, so gehört der Rechtsstreit vor diese. Die Revision sowie die Beschwerde gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts geht an das Reichsgericht. *) Fassung nach Art. 14 E.G. z. H G.B

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IV. Börsenterminhanbei.

§ 48. Als Börsentermingeschäfte in Waaren oder Werthpapieren gelten Kauf- oder sonstige Anschasfungsgeschäste aus eine festbestimmte Lieferungszeit oder mit einer festbestimmten Lieferungsfrist, wenn sie nach Geschäftsbedingungen geschlossen werden, die von dem Börsenvorstande für den Terminhandel festgesetzt sind, und wenn für die an der betreffenden Börse geschlossenen Geschäfte solcher Art eine amtliche Feststellung von Terminpreisen (§§ 29, 35) erfolgt.

§ 49. Ueber die Zulassung von Waaren und Werthpapieren zum Börsenterminhandel entscheiden die Börsenorgane nach näherer Bestimmung der Börsenordnung. Die Börsenorgane sind verpflichtet, vor der Zulaffung von Waaren zum Börsenterminhandel in jedem einzelnen Falle Vertreter der betheiligten Erwerbszweitze gutachtlich zu hören und das Ergebniß dem Reichskanzler mitzutheilen. Die Zulassung darf erst erfolgen, nachdem der Reichskanzler erklärt hat, daß er zu weiteren Ermittelungen keine Veranlassung finde.

§ 50. Der Bundesrath ist befugt, den Börsenterminhandel von Bedingungen abhängig zu machen oder in bestimmten Waaren oder Werthpapieren zu untersagen. Der Börsenterminhandel in Antheilen von Bergwerks- und Fabrik­ unternehmungen ist untersagt. Der Börsenterminhandel in Antheilen von anderen Erwerbsgesellschaften kann nur gestattet werden, wenn das Kapital der betreffenden Erwerbsgesellschaft mindestens zwanzig Millionen Mark beträgt. Der börsenmäßige Terminhandel in Getreide und Mühlenfabrikaten ist untersagt. § 51. Insoweit der Börsenterminhandel in bestimmten Waaren oder Werthpapieren durch dieses Gesetz oder vom Bundesrath untersagt, oder die Zulaffung desselben von den Börsenorganen endgültig verweigert ist, sind Börsentermingeschäfte in diesen Waaren oder Werthpapieren von der Benutzung der Börseneinrichtungen ausgeschloffen und dürfen von den Kursmaklern nicht vermittelt werden. Auch dürfen für solche Geschäfte, sofern sie im Jnlande abgeschlossen sind, Preislisten (Kurszettel) nicht veröffentlicht oder in mechanisch hergestellter Vervielfältigung verbreitet werden. Desgleichen ist ein von der Mitwirkung der Börsenorgane unab­ hängiger Terminhandel von der Börse ausgeschlossen, soweit er sich in den für Börsentermingeschäfte üblichen Formen vollzieht.

§ 52. Wird die Zulassung von Waaren oder Werthpapieren zum Börsenterminhandel nicht nachgesucht, so kann ein thatsächlich stattfindender Terminhandel von den Börsenaufsichtsbehörden mit den im § 51 be­ zeichneten Folgen untersagt werden. § 53. Bei dem Börsenterminhandel in Waaren geräth der Ver­ käufer, sofern er nach erfolgter Kündigung eine unkontraktliche Waare

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XXXIII. Börsengesetz.

liefert, in Erfüllungsverzug, auch wenn die Lieferungsfrist noch nicht ab­ gelaufen war. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist nichtig.

§ 54. Bei jedem zur Führung des Handelsregisters zuständigen Gerichte ist je ein Börsenregister für Waaren und für Werthpapiere zu führen. Die Landesregierung kann die Führung des Registers für die Bezirke mehrerer Gerichte einem derselben übertragen. K 55. In das Börsenregister werden nach Namen, Vornamen, Stand und Wohnort die Personen eingetragen, die sich an Börsentermingeschäften in Waaren oder Werthpapieren betheiligen wollen. Betrifft die Eintragung eine Handelsgesellschaft oder juristische Person, so ist ihre Firma oder ihr Name sowie der Ort, wo sie ihren Sitz hat, einzutragen. Die Eintragung erfolgt in dem Register des Bezirks, in welchem der Einzutragende seine gewerbliche Niederlassung oder in Ermangelung einer solchen seinen Wohnsitz hat. Im Falle einer Verlegung der Niederlaffung oder des Wohnsitzes wird die Eintragung unter Löschung in dem Register des bisherigen Bezirks in das Register des neuen Bezirks gebührenfrei übertragen. K 56. Das Börsenregister ist öffentlich. Die Einsicht desselben ist während der gewöhnlichen Dienststunden einem Jeden gestattet. Auch kann- von den Eintragungen gegen Erlegung der Kosten eine Abschrift gefordert werden, die auf Verlangen zu beglaubigen ist.

§ 57. Vor der Eintragung in ein Börsenregister ist eine Ein­ tragungsgebühr von einhundertfünfzig Mark zu entrichten. Für jedes folgende Kalenderjahr, während dessen die Eintragung bestehen soll, ist eine Erhaltungsgebühr von je fünfundzwanzig Mark zu zahlen. Die Gebühren fließen, insoweit die Landesregierungen nicht ein Anderes bestimmen, den Landeskaffen zu. § 58. Den Antrag auf Eintragung hat der Einzutragende oder, falls er sich durch Verträge nicht verpflichten kann, sein gesetzlicher Ver­ treter zu stellen. Ehefrauen, die nicht Handelsfrauen sind, bedürfen der Genehmigung des Ehemannes?) Der gesetzliche Vertreter einer unter Vormundschaft oder Pflegschaft (Kuratel) stehenden Person bedarf der Genehmigung der Vormundschafts­ behörde.

§ 59. Der Antrag ist bei dem Gerichte, bei welchem das Börsen­ register geführt wird, mündlich zu Protokoll zu stellen oder schriftlich ein­ zureichen. Schriftliche Anträge müssen gerichtlich oder notariell ausgenommen oder beglaubigt sein. Die vorstehenden Bestimmungen finden auch auf eine etwa erforder­ liche Genehmigung (§ 58) Anwendung. l) Fassung nach Art. 14 E.G. z. H G.B.

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Anträge und Erklärungen öffentlicher Behörden bedürfen, wenn sie vorschriftsmäßig unterschrieben und untersiegelt sind, keiner Beglaubigung.

§ 60. Der Antrag auf Eintragung soll die Erklärung enthalten, daß der Einzutragende Börsentermingeschäfte in Waaren oder Werthpapieren eingehen wolle. § 61. Der Antrag auf Eintragung m daS Waarenregister kann auf bestimmte Geschäftszweige beschränkt werden. Auf Antrag ist gebühren­ frei die Eintragung auf weitere Geschäftszweige auszudehnen oder die ein­ getragene Beschränkung zu löschen; auf einen solchen Antrag finden die Bestimmungen der §§ 58, 59 entsprechende Anwendung. § 62. Die erfolgte Eintragung ist von dem Gerichte ohne Verzug ihrem ganzen Inhalte nach auf Kosten des Eingetragenen im Reichs­ anzeiger sowie in denjenigen öffentlichen Blättern bekannt zu machen, welche gemäß Artikel 14 des Handelsgesetzbuchs*) für die Veröffentlichung der in das Handelsregister aufgenommenen Eintragungen bestimmt sind.

§ 63. Die Löschung der Eintragung erfolgt gebührenfrei auf An­ trag des Eingetragenen oder seines gesetzlichen Vertreters am Schluffe des Jahres, in welchem der Löschungsantrag gestellt ist. Für Ehefrauen, die nicht Handelsfrauen sind, genügt der Antrag des Ehemannes?) Der Löschungsantrag ist bei dem Gerichte mündlich zu Protokoll zu stellen oder in gerichtlicher oder notarieller Beglaubigung einzureichen. Die Vorschrift im § 59 Absatz 4 findet entsprechende Anwendung. § 64. Eine Eintragung, die nicht nach den Vorschriften im § 58 erfolgt ist, wird, wenn der Mangel nicht inzwischen beseitigt ist, von Amtswegen gelöscht. Am Schluffe des Kalenderjahres wird eine Eintragung von Amts­ wegen gelöscht, wenn die Erhaltungsgebühr für das nächstfolgende Jahr nicht bis zum Ende des vorletzten Monats des laufenden Jahres ein­ gezahlt ist. § 65. Jedes Gericht hat nach Beginn des Kalenderjahres eine Liste derjenigen Personen aufzustellen, deren Eintragungen am 1. Januar noch in Kraft bestanden. Das Gericht für den Bezirk der Stadt Berlin, an welches die übrigen Gerichte ihre Listen bis zum 31. Januar jedes Jahres einzusenden haben, stellt nach deren Eingang unverzüglich eine Gesammtliste auf und macht sie durch den Reichsanzeiger bekannt. § 66. Durch ein Börsentermingeschäft in einem Geschäftszweige, für welchen nicht beide Parteien zur Zeit des Geschäftsabschluffes in einem Börsenregister eingetragen sind, wird ein Schuldverhättniß nicht begründet. Das Gleiche gilt von der Ertheilnng und Uebernahme von Auf­ trägen sowie von der Vereinigung zum Abschlüsse von Börsentermin­ geschäften. *) Jetzt § 11 H G.B. 2) Fassung nach Art. 14 E G. z H.G.B.

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XXXIII. Borseiigefetz.

Die Unwirksamkeit erstreckt sich auf die bestellten Sicherheiten und die abgegebenen Schuldanerkenntnisse. Eine Rückforderung kessen, was bei oder nach völliger Abwickelung des Geschäfts zu seiner Erfüllung geleistet worden ist, findet nicht statt.

§ 67. Wer den Vorschriften des § 58 zuwider eingetragen worden ist, gilt nur dann als eingetragen, wenn der Mangel zur Zeit des Geschäfts­ abschlusses dem anderen Theile nicht bekannt war. Wer trotz erfolgter Löschung im Börsenregister noch in der Gesammtliste (§ 65) aufgeführt ist, gilt als eingetragen, sofern nicht zur Zeit des Geschäftsabschlusses der andere Theil von der bewirkten Löschung Kenntniß hatte. Das Gleiche gilt bis zum Ablauf eines Monats seit der Ver­ öffentlichung der Gesammtliste von denjenigen Personen, welche in dieser Liste in Folge der Löschung nicht wieder aufgeführt sind.

§ 68. Die Bestimmungen des § 66 finden auch dann Anwendung, wenn das Geschäft im Auslande geschloffen oder zu erfüllen ist. In Ansehung von Personen, welche im Inlands weder einen Wohn­ sitz noch eine gewerbliche Niederlassung haben, ist die Eintragung in das Börsenregister zur Wirksamkeit des Geschäfts nicht erforderlich. § 68. Gegen Ansprüche aus Börsentermingeschäften sowie aus der Ertheilung und Uebernahme von Aufträgen und aus der Vereinigung zum Abschlüsse von Börsentermingeschäften kann von demjenigen, welcher zur Zeit der Eingehung des Geschäfts in dem Börsenregister für den be­ treffenden Geschäftszweig eingetragen war, sowie von demjenigen, dessen Eintragung nach den vorstehenden Bestimmungen (§ 68 Absatz 2) zur Wirksamkeit des Geschäfts nicht erforderlich war, ein Einwand nicht darauf gegründet werden, daß die Erfüllung durch Lieferung der Waaren oder Werthpapiere vertragsmäßig ausgeschlossen war. Diese Vorschrift wird durch die Vorschrift des § 764 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs nicht berührt?) V. Kommissionsgeschäft.

Die §§ 70 bis 74 sind durch Art. 14 VI E.G. z. H.G.B. auf­ gehoben und durch die §§ 400 ff. H.G.B. ersetzt VI. Straf- und Schluß bestimmun gen.

§ 75.

Wer in betrügerischer Absicht auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, um aus den Börsen- oder Marktpreis von Waaren oder Werthpapieren einzuwirken, wird mit Gefängniß und zugleich mit Geld­ strafe bis zu sünfzehntausend Mark bestraft. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann ausschließlich auf die Geldstrafe erkannt werden. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher in betrügerischer Absicht wiffentlich unrichtige Angaben in Prospekten (§ 38) oder in öffentlichen Kundgebungen macht, durch welche die Zeichnung oder der Ankauf oder Verkauf von Werthpapieren herbeigeführt werden soll. *) Fassung nach Art. 14 E G. z. H.G.B.

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XXXIII. Börseiigeseß.

§ 76. Wer für Mittheilungen in der Presse, durch welche auf den Börsenpreis eingewirkt werden soll, Vortheile gewährt oder verspricht oder sich gewähren oder versprechen läßt, welche in auffälligem Mißver­ hältniß zu der Leistung stehen, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre und zugleich mit Geldstrafe bis zu fünftausend Mark bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, der sich für die Unterlassung von Mittheilungen der bezeichneten Art Vortheile gewähren oder ver­ sprechen läßt. Der Versuch ist strafbar. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann ausschließlich auf die Geldstrafe erkannt werden. § 77. Wer wissentlich den Vorschriften der §§ 40, 41, 51 und 52 zuwider Preislisten (Kurszettel) veröffentlicht oder in mechanisch hergestellter Vervielfältigung verbreitet, wird mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. § 78. Wer gewohnheitsmäßig in gewinnsüchtiger Absicht Andere unter Ausbeutung ihrer Unerfahrenheit oder ihres Leichtsinns zu Börsen­ spekulationsgeschäften verleitet, welche nicht zu ihrem Gewerbebetriebe ge­ hören, wird mit Gefängniß und zugleich mit Geldstrase bis zu fünfzehn­ tausend Mark bestraft. rechte erkannt werden.

Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehren­

§ 79. Ein Kommissionär, welcher, um sich oder einem Dritten einen Vermögensvortheil zu verschaffen, 1. das Vermögen des Kommittenten dadurch beschädigt, daß er hin­ sichtlich eines abzuschließenden Geschäfts wider besseres Wissen un­ richtigen Rath oder unrichtige Auskunft ertheilt, oder 2. bei der Ausführung eines Auftrages oder bei der Abwickelung eines Geschäfts absichtlich zum Nachtheile des Kommittenten handelt, wird mit Gefängniß bestraft. Neben der Gefängnißstrafe kann auf Geld­ strafe bis zu dreitausend Mark sowie auf Verlust der bürgerlichen Ehren­ rechte erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann ausschließlich auf die Geldstrase erkannt werden. Der Versuch ist strafbar in den Fällen der Ziffer 1.

§ 80. Die in dem II., IV. [und V.] Abschnitte sowie int § 75 bezüglich der Werthpapiere getroffenen Bestimmungen gelten auch für Wechsel und ausländische Geldsorten.

§ 81.

Der Artikel 249 d Ziffer 2 des Handelsgesetzbuchs wird

aufgehoben.

§ 82.

Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1897 in Kraft. Die in den 88 54 bis 65 enthaltenen Vorschriften treten mit dem 1. November 1896 in Kraft. Mit den bis zum Ende des Jahres 1896 er­ folgten Eintragungen in das Börsenregister ist nach Beginn des Jahres 1897 gemäß § 65 zu verfahren. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze.

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XXXIII Börsengesetz.

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Die im 8 39 enthaltene Vorschrift tritt mit dem 1. Juli 1896 in Kraft. Der Abschluß von börsenmäßigen Termingeschäften (§ 50 Absatz 3) ist nur bis zum 1. Januar 1897 gestattet mit der Maßgabe, daß die bis zu diesem Tage abgeschlossenen Geschäfte auch bis zu diesem Tage ab­ gewickelt fein müssen. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei­ gedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel.

Gegeben Kiel, 22. Juni 1896.

(L 8.)

an Bord

Meiner Jacht

„Hohenzollern",

Wilhelm. Fürst zu Hohenlohe.

den

XXXIV. Gesetz, bett, die Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Ukrtbpapiere, (Depotgesetz) rwm 5. Juli 1896.

Reichsgesetzblatt 1896 S. 183—187/) Berichtigung ebenda S. 194)2)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen rc. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundes­ raths und des Reichstags, was folgt:

§ 1. Ein Kaufmann, welchem im Betriebe seines Handelsgewerbes Aktien, Kuxe, Jnterimsscheine, Erneuerungsscheine (Talons), auf den In­ haber lautende oder durch Indossament übertragbare Schuldverschreibungen, oder vertretbare andere Werthpapiere mit Ausnahme von Banknoten und Papiergeld unverschlossen zur Verwahrung oder als Pfand übergeben sind, ist verpflichtet: 1. diese Werthpapiere unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung jedes Hinterlegers oder Verpfänders gesondert von seinen eigenen Beständen und von denen Dritter aufzubewahren, 2. ein Handelsbuch zu führen, in welches die Werthpapiere jedes Hinter­ legers oder Verpfänders nach Gattung, Nennwerth, Nummern oder sonstigen Unterscheidungsmerkmalen der Stücke einzutragen sind; der Eintragung steht die Bezugnahme aus Verzeichnifle gleich, welche neben dem Handelsbuche geführt werden. Die Eintragung kann unterbleiben, insoweit die Werthpapiere zurückgegeben find, bevor die Eintragung bei ordnungsmäßigem Geschäftsgänge erfolgen konnte. Etwaige Rechte und Pflichten des Verwahrers oder Pfandgläubigers, im Juteresse des Hinterlegers oder Verpfänders Verfügungen oder Ver­ waltungshandlungen vorzunehmen, werden durch die Bestimmung unter Ziffer 1 nicht berührt. § 2. Eine Erklärung des Hinterlegers oder Verpfänders, durch welche der Verwahrer oder Pfandgläubiger ermächtigt wird, an Stelle x) Ausgegeben zu Berlm den 16. Juli 1896. *) Die Frage der Gesetzmäßigkeit dieser Richtigstellung ist vom Reichsgericht (I Civilsenat, Urtheil vom 16 Februar 1898 Bd 41 S. 34 unter 2) bejaht worden, da sie dem Gesetz im Wesentlichen den von den gesetzgebenden Faktoren beschlossenen Wort­ laut gibt.

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XXXIV Depvtgesetz.

hinterlegter oder verpfändeter Werthpapiere der im § 1 bezeichneten Art gleichartige Werthpapiere zurückzugewähren oder über die Papiere zu seinenl Nutzen zu verfügen, ist, falls der Hinterleger oder Verpfänder nicht ge­ werbsmäßig Bank- oder Geldwechslergeschäfte betreibt, nur gültig, soweit sie für das einzelne Geschäft ausdrücklich und schriftlich abgegeben wird. Wird der Verwahrer oder Pfandgläubiger ermächtigt, an Stelle hinterlegter oder verpfändeter Werthpapiere der im § 1 bezeichneten Art gleichartige Werthpapiere zurückzugewähren, so finden die Bestimmungen des 8 1 keine Anwendung.

§ 3. Der Komissionär (Artikel 360, 378 des Handelsgesetzbuchs)/) welcher einen Auftrag zum Einkäufe von Werthpapieren der im § 1 be­ zeichneten Art ausführt, hat dem Kommittenten binnen drei Tagen ein Verzeichniß der Stücke mit Angabe der Gattung, des Nennwertes, der Nummern oder sonstiger Unterscheidungsmerkmale zu übersenden. Die Frist beginnt, falls der Kommissionär bei der Anzeige über die Aus­ führung des Auftrages einen Dritten als Verkäufer namhaft gemacht hat, mit dem Erwerbe der Stücke, andernfalls mit dem Ablaufe des Zeitraums, innerhalb deffen der Kommissionär nach der Erstattung der Ausführungs­ anzeige die Stücke bei ordnungsmäßigem Geschäftsgänge ohne schuldhafte Verzögerung beziehen konnte. Ein Verzicht des Kommittenten auf die Uebersendung des Stückeverzeichniffes ist, falls der Kommittent nicht gewerbsmäßig Bank- oder Geld­ wechslergeschäfte betreibt, nur dann wirksam, wenn er bezüglich des ein­ zelnen Auftrages ausdrücklich und schriftlich erklärt wird.

Soweit die Auslieferung der eingekauften Stücke an den Komittenten erfolgt oder ein Auftrag des Kommittenten zur Wiederveräußerung aus­ geführt ist, kann die Uebersendung des Stückeverzeichnisses unterbleiben.

§ 4. Ist der Kommissionär mit Erfüllung der ihm nach den Be­ stimmungen des 8 3 obliegenden Verpflichtungen im Verzüge und holt er das Versäumte auf eine danach an ihn ergangene Aufforderung des Kommittenten nicht binnen drei Tagen nach, so ist der Kommittent berechtigt, das Geschäft als nicht für seine Rechnung abgeschlosien zurückzuweisen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu beanspruchen. Die Aufforderung des Kommittenten verliert ihre Wirkung, wenn er dem Kommissionär nicht binnen drei Tagen nach dem Ablaufe der Nach­ holungsfrist erklärt, daß er von dem im Absatz 1 bezeichneten Rechte Ge­ brauch machen wolle.

§ 5» Der Kommissionär, welcher einen Auftrag zum Umtausche von Werthpapieren der im 8 1 bezeichneten Art oder zur Geltendmachung eines Bezugsrechts auf solche Werthpapiere ausführt, hat binnen zwei Wochen nach dem Empfange der neuen Stücke dem Kommittenten ein Verzeichniß der Stücke mit den im 8 3 Absatz 1 vorgeschriebenen An­ gaben zu übersenden, soweit er ihm die Stücke nicht innerhalb dieser Frist aushändigt. *) Jetzt §§ 383, 406 H.G.B.

XXXIV. Depatgesetz.

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§ 6. Der Kommissionär, welcher den im § 5 ihm auferlegten Pflichten nicht genügt, verliert das Recht, für die Ausführung des Auf­ trages Provision zu fordern (Artikel 371 Absatz 2 des Handelsgesetzbuchs)?) § 7. Mit der Absendung des Stückeverzeichnisses geht das Eigenthum an den darin verzeichneten Werthpapieren auf den Kommittenten über, soweit der Koinmissionär über die Papiere zu verfügen berechtigt ist. Die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, nach welchen der Uebergang des Eigenthums schon in einem früheren Zeitpunkte eüitritt, bleiben un­ berührt. Der Kommissionär hat bezüglich der in seinem Gewahrsam befind­ lichen, in das Eigenthum des Kommittenten übergegangenen Werthpapiere die im 8 1 bezeichneten Pflichten eines Verwahrers.

§ 8. Ein Kaufmann, welcher im Betriebe seines Handelsgewerbes fremde Werthpapiere der im § 1 bezeichneten Art einem Dritten zum Zweck der Aufbewahrung, der Veräußerung, des Umtausches oder des Be­ zuges von anderen Werthpapieren, Zins- oder Gewinnantheilscheinen aus­ antwortet, hat hierbei dem Dritten mitzutheilen, daß die Papiere fremde seien. Ebenso hat er in dem Falle, daß er einen ihm ertheilten Auftrag zur Anschaffung solcher Werthpapiere an einen Dritten weitergiebt, diesem hierbei mitzutheilen, daß die Anschaffung für fremde Rechnung geschehe. Der Dritte, welker eine solche Mittheilung empfangen hat, kann an den übergebenen oder an den neu beschafften Papieren ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht nur wegen solcher Forderungen an seinen Auftraggeber geltend machen, welche mit Bezug auf diese Papiere ent­ standen sind. § 9. Wenn ein Kaufmann über Werthpapiere der int § 1 bezeich­ neten Art, welche ihm zur Verwahrung oder als Pfand übergeben sind, oder welche er als Kommissionär für den Kommittenten in Besitz genommen hat, außer dem Falle des § 246 des Strafgesetzbuchs zum eigenen Nutzen oder zum Nutzen eines Dritten rechtswidrig verfügt, wird er mit Gefäng­ niß bis zu einem Jahre und Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft. Der gleichen Strafe unterliegt, wer der Vorschrift des § 8 zum eigenen Nutzen oder zum Nutzen eines Dritten vorsätzlich zuwiderhandelt. Ist der Thäter ein Angehöriger (§ 52 Absatz 2 des Strafgesetzbuchs) des Verletzten, so tritt die Verfolgung nur auf Antrag ein. Die Zurück­ nahme des Antrages ist zulässig. Der § 247 Absatz 2 und 3 des Straf­ gesetzbuchs findet entsprechende Anwendung. § 10, Ein Kaufmann, welcher seine Zahlungen eingestellt hat oder über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft, wenn er den Vorschriften des 8 1 Ziffer 1 oder 2 vorsätzlich zuwidergehandelt hat und dadurch der Be­ rechtigte bezüglich des Anspruches auf Aussonderung der von jenem zu verwahrenden Werthpapiere benachtheiligt wird, desgleichen wenn er als Kommissionär den Vorschriften der 88 3 oder 5 vorsätzlich zuwidergehandelt *) Jetzt § 396 Abs. 1 H.G B.

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XXXIV. Depotgesetz.

hat und dadllrch der Berechtigte bezüglich des Anspruches auf Aussonderung der von jenem eingekausten, eingetanschten oder bezogenen Werthpapiere benachtheiligt wird.

§ 11. Ein Kaufmann, welcher seiner Zahlungen eingestellt hat oder über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, wird mit Zuchthaus bestraft, wenn er im Bewußtsein seiner Zahlungsunfähigkeit oder Ueberschuldung fremde Werthpapiere, welche er im Betriebe seines Handelsgewerbes als Verwahrer, Pfandgläubiger oder Kommissionär in Gewahrsam genommen, sich rechtswidrig zugeeignet hat. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. § 12. Die Strafvorschrift des § 9 findet gegen die Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft oder eingetragenen Genofienschaft, die Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sowie gegen die Liquidatoren einer Handelsgesellschaft oder eingetragenen Genossenschaft Anwendung, wenn sie in Ansehung von Werthpapieren, die sich im Besitze der Gesellschaft oder Genofienschaft befinden oder von dieser einem Dritten ausgeantwortet sind, die mit Strafe bedrohte Die vorbezeichneten Personen werden, Genossenschaft ihre Zahlungen eingestellt hat, mögen das Konkursverfahren eröffnet worden

Handlung begangen haben. wenn die Gesellschaft oder oder wenn über deren Ver­ ist, bestraft

1. gemäß § 10, wenn sie den Vorschriften des § 1 Ziffer 1 oder 2 oder den Vorschriften der §§ 3 oder 5 vorsätzlich zuwidergehandelt haben und dadurch der Berechtigte bezüglich des Anspruches auf Aussonderung der von der Gesellschaft oder Genossenschaft zu verwahrenden oder 'von ihr eingekauften, eingetauschten oder bezogenen Werthpapiere be­ nachtheiligt wird, 2. gemäß § 11, wenn sie im Bewußtsein der Zahlungsunfähigkeit oder Ueberschuldung der Gesellschaft oder Genofienschaft fremde Werth­ papiere, welche von dieser als Verwahrer, 'Pfandgläubiger oder Kom­ missionär in Gewahrsam genommen find, sich rechtswidrig zugeeignet haben.

§ 13. Dieses Gesetz findet auf diejenigen Klassen von Kaufleuten keine Anwendung, für welche gemäß Artikel 10 des Handelsgesetzbuchs*) die Vorschriften über die Handelsbücher keine Geltung haben. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei­ gedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben Odde, an Bord M. A. „Hohenzollern", den 5. Juli 18'96.

(L.S.)

Wilhelm, von Bötticher.

*) Jetzt § 4 H.G.B.

XXXV. Iwpotbekeiibankgesetz vom 13. Juli 1899. (Reichsgesetzblatt 1899 S. 375-392.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen rc. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundes­ raths und des Reichstags, was folgt:

§ 1* Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften aus Aktien, bei welchen der Gegenstand des Unternehmens in der hypothekarischen Beleihung von Grundstücken und der Ausgabe von Schuldverschreibungen auf Grund der erworbenen Hypotheken besteht (Hypothekenbanken), bedürfen zur Ausübung ihres Geschäftsbetriebs der Genehmigung des Bundesraths. Ist in der Satzung einer Hypothekenbank bestimmt, daß die hypo­ thekarischen Beleihungen nur im Gebiete desjenigen Bundesstaats erfolgen dürfen, in welchem die Bank ihren Sitz hat, so steht die Ertheilung der Genehmigung der Zentralbehörde dieses Bundesstaats zu. Zu jeder Aenderung der Satzung einer Hypothekenbank ist Genehmigung der nach den Abs. 1, 2 zuständigen Stelle erforderlich.

§ 2.

schaften mit

die

Offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften, Gesell­ beschränkter Haftung, eingetragenen Genossenschaften und

einzelnen Personen ist der Betrieb eines Unternehmens der tm § 1 Abs. 1

bezeichneten Art untersagt.

§ 3. Die Hypothekenbanken unterliegen der staatlichen Aussicht. Die Aufsicht steht dem Bundesstaate zu, in welchem die Bank ihren Sitz hat. Die Aufsicht erstreckt sich auf den ganzen Geschäftsbetrieb der Bank und dauert auch nach deren Auflösung bis zur Beendigung der Liquidation fort. § 4. Die Aufsichtsbehörde ist befugt, alle Anordnungen zu treffen, welche erforderlich sind, um den Geschäftsbetrieb der Bank mit den Gesetzen, der Satzung und den sonst in verbindlicher Weise getroffenen Bestimmungen im Einklänge zu erhalten. Die Aufsichtsbehörde ist namentlich befugt: 1. jederzeit die Bücher und Schriften der Bank einzusehen sowie den Bestand der Kasse und die Bestände an Werthpapieren zu untersuchen;

2. von den Verwaltungsorganen der Bank Auskunft über alle Geschäfts­ angelegenheiten zu verlangen;

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XXXV. Hypothekenbanlgesetz.

3. einen Vertreter in die Generalversammlungen und in die Sitzungen der Verwaltungsorgane der Bank zu entsenden, die Berufung der Generalversammlung, die Anberaumung von Sitzungen der Derwaltnngsorgane sowie die Ankündigung von Gegenständen zur Beschluß­ fassung zu verlangen und, wenn dem Verlangen nicht entsprochen wird, die Berufung, Anberaumung oder Ankündigung auf Kosten der Bank selbst vorzunehmen; 4. die Ausführung von Beschlüssen oder Anordnungen zu untersagen, die gegen das Gesetz, die Satzung oder die sonst in verbindlicher Weise getroffenen Bestimmungen verstoßen. Die Aufsichtsbehörde kann einen Kommissar bestellen, der unter ihrer Leitung die Anfsicht ausübt. Sie kann bestimmen, daß für die Thätigkeit des Kommissars eine Vergütung von der Bank an die Staats­ kasse zu entrichten ist; sie setzt den Betrag dieser Vergütung fest.

§ 5. Die Hypothekenbanken dürfen außer der Gewährung hypo­ thekarischer Darlehen und der Ausgabe von Hypothekenpfandbriefen nur folgende Geschäfte betreiben: 1. den Erwerb, die Veränßerung nnd die Beleihung von Hypotheken; 2. die Gewährung nicht hypothekarischer Darlehen an inländische Körper­ schaften des öffentlichen Rechtes oder gegen Uebernahme der vollen Gewährleistung durch eine solche Körperschaft und die Ausgabe von Schuldverschreibungen auf Grund der so erworbenen Forderungen; 3. die Gewährnng von Darlehen an inländische Kleinbahnunternehmungen gegen Verpfändnng der Bahn nnd die Ausgabe von Schuldver­ schreibungen auf Grund der so erworbenen Forderungen; 4. den kommissionsweisen Ankauf und Verkauf von Werthpapieren, jedoch unter Ausschluß von Zeitgeschäften; 5. die Annahme von Geld oder anderen Sachen zum Zwecke der Hinter­ legung, jedoch mit der Maßgabe, daß der Gesammtbetrag des hinter­ legten Geldes die Hälfte des eingezahlten Grundkapitals nicht über­ steigen darf; 6. die Besorgung der Einziehung von Wechseln, Anweisungen und ähn­ lichen Papieren.

Verfügbares Geld dürfen die Hypothekenbanken nutzbar machen durch Hinterlegung bei geeigneten Bankhänsern, durch Ankauf ihrer Hypothekenisandbriefe und ihrer gemäß Abs. 1 Nr. 2, 3 ausgegebenen Schuldvers­ chreibungen, durch Ankauf solcher Wechsel und Werthpapiere, welche nach >en Vorschriften des Bankgesetzes vom 14. März 1875 von der Reichs­ bank angekauft werden dürfen, sowie durch Beleihung von Werthpapieren nach einer von der Hypothekenbank aufzustellenden Anweisung. Die Anweisnng hat die beleihungsfähigen Papiere und die zulässige Höhe der Be­ leihung festzusetzen. Der Erwerb von Grundstücken ist den Hypothekenbanken nur zur Verhütung von Verlusten an Hypotheken oder zur Beschaffung von Geschäfts­ räumen gestattet. In Ansehung eines solchen Erwerbes stehen in jedem Bundesstaate Hypothekenbanken, die in dem Gebiet eines anderen Bundes­ staats ihren Sitz haben, den einheimischen Hypothekenbanken gleich.

XXXV. Hhpothekenbankgesetz.

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§ 6» Der Gesammtbetrag der im Umtaufe befindlichen Hypotheken­ pfandbriefe muß in Höhe des Nennwerths jederzeit durch Hypotheken von mindestens gleicher Höhe und mindestens gleichen! Zinserträge gedeckt fein. Die Deckung muß, soweit Hypotheken an landwirthschaftlichen Grund­ stücken dazu verwendet werden, mindestens zur Hälfte aus Amortisations­ hypotheken bestehen, bei denen der jährliche Tilgungsbeitrag des Schuldners nicht weniger als ein Viertheil vom Hundert des Hypothekenkapitals beträgt. Die Bank darf jedoch, falls solche Hypotheken vor der Zeit zurückbezahlt werden, an ihrer Stelle bis zum Ablaufe der planmäßigen Tilgungszeit Hypotheken anderer Art zur Deckung benutzen. Steht der Bank eine Hypothek an einem Grundstücke zu, das sie zur Verhütung eines Verlustes an der Hypothek erworben hat, so darf diese als Deckung von Hypothekenpfandbriefen höchstens mit der Hülste des Betrags in Ansatz gebracht werden, mit welchem sie vor dem Erwerbe des Grundstücks durch die Bank als Deckung in Ansatz gebracht war. Ist in Folge der Rückzahlung von Hypotheken oder aus einem anderen Grunde die vorgeschriebene Deckung in Hypotheken nicht mehr voll­ ständig vorhanden und ist weder die Ergänzung durch andere Hypotheken noch die Einziehung eines entsprechenden Betrags von Hypothekenpfand­ briefen sofort ausführbar, so hat die Bank die fehlende Hypothekendeckung einstweilen durch Schuldverschreibungen des Reichs oder eines Bundesstaats oder durch Geld zu ersetzen. Die Schuldverschreibungen dürfen höchstens mit einem Betrag in Ansatz gebracht werden, der um fünf vom Hundert des Nennwerths unter ihrem jeweiligen Börsenpreise bleibt. § 7. Die Hypothekenbanken dürfen Hypothekenpfandbriefe nur bis zum fünfzehnfachen Betrage des eingezahlten Grundkapitals und des aus­ schließlich zur Deckung einer Unterbilanz oder zur Sicherung der Pfand­ briefgläubiger bestimmten Reservefonds ausgcben. § 8. In den Hypothekenpsandbriefen sind die für das Rechts­ verhältniß zwischen der Hypothekenbank und den Pfandbriefgläubigern maß­ gebenden Bestimmungen, insbesondere in Betreff der Kündbarkeit der Hypothekenpfandbriefe, ersichtlich zu machen. Die Hypothekenbank darf auf das Recht zur Rückzahlung der Hypothekenpfandbriefe höchstens für einen Zeitraum von zehn Jahren ver­ zichten. Den Pfandbriefgläubigern darf ein Kttndignngsrecht nicht ein­ geräumt werden. § 9, Die Ausgabe von Hypothekenpsandbriefen, deren Einlösungs­ werth den Nennwerth übersteigt, ist nicht gestattet. § 10. Als Deckung für Hypothekenpfandbriefe dürfen nur Hypotheken benutzt werden, welche den in den 88 11, 12 bezeichneten Erfordernissen entsprechen. § 11. Die Beleihung ist auf inländische Grundstücke beschränkt und der Regel nach nur zur ersten Stelle zulässig. Die Beleihung darf die ersten drei Fünftheile des Werthes des Grundstücks nicht übersteigen. Die Zentralbehörde eines Bundesstaats

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XXXV. Hypothekenbankgesetz

kann die Beleihung landwirthschaftlicher Grundstücke in dem Gebiete des Bundesstaats oder in Theilen dieses Gebiets bis zu zwei Drittheilen deS Werthes gestatten.

§ 12. Der bei der Beleihung angenommene Werth des Grund­ stücks darf den durch sorgfältige Ermittelung festgestellten Verkaufswerth nicht übersteigen. Bei der Feststellung dieses Werthes sind nur die dauernden Eigenschaften des Grundstücks und der Ertrag zu berücksichtigen, welchen das Grundstück bei ordnungsmäßiger Wirthschaft jedem Besitzer nachhaltig gewähren kann. Soweit vor der Beleihung die-Grundstücke durch eine öffentliche Behörde des Gebiets, in welchem sie liegen, abgeschätzt werden, kann der Bundesrath bestimmen, daß der bei der Beleihung angenommene Werth auch den durch eine solche Abschätzung festgestellten Werth nicht über­ steigen darf. Die zur Deckung von Hypothekenpfandbriefen verwendeten Hypotheken an Bauplätzen sowie an solchen Neubauten, welche noch nicht fertiggestellt und ertragsfähig sind, dürfen zusammen den zehnten Thell des Gesammtbetrags der zur Deckung der Hypothekenpfandbriefe benutzten Hypotheken sowie den halben Betrag des eingezahlten Grundkchntals nicht überschreiten. Im Uebrigen sind Hypotheken an Grundstücken, die einen dauernden Ertrag nicht gewähren, insbesondere an Gruben und Brüchen, von der Verwendung zur Deckung von Hhpothekenpfandbriefen ausgeschloffen. Das Gleiche gilt von Hypotheken an Bergwerken. Hypotheken an anderen Berechtigungen, für welche die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften Anwendung finden, sind von der Verwendung zur Deckung von Hhpothekenpfandbriefen aus­ geschlossen, sofern die Berechtigungen einen dauernden Ertrag nicht gewähren. § 13. Die Hypothekenbank hat auf Grund der Vorschriften des 8 12 eine Anweisung über die Werthermittelung zu erlassen; die Anweisung bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Nimmt die Bank hypothekarische Beleihungen in dem Gebiet eines Bundesstaats vor, in dem sie nicht ihren Sitz hat, so ist die Anweisung auch der Aufsichtsbehörde dieses Bundesstaats einzureichen. Ueber Beanstandungen, die von der Behörde erhoben werden, beschließt, wenn die Erledigung in anderer Weise nicht zu erreichen ist, der Bundesrath; die Beschlußfaffung des Bundesraths wird auf Antrag durch den Reichs­ kanzler herbeigeführt. § 14. Die hypothekarischen Darlehen sind in Geld zu gewähren. Die Gewährung von Darlehen in Hhpothekenpfandbriefen der Bank zum Nennwerth ist nur zulässig, wenn die Satzung der Bank sie gestattet und der Schuldner ausdrücklich zustimmt. In diesem Falle ist dem Schuldner urkundlich das Recht einzuräumen, die Rückzahlung der Hypothek nach seiner Wahl in Geld oder in Hhpothekenpfandbriefen der Bank, die derselben Gattung angehören wie die empfangenen, nach dem Nennwerthe zu bewirken. Hypothekenpfandbriefe, die bei der amtlichen Feststellung des Börsenpreises nicht unterschieden werden, gelten im Sinne dieser Vorschrift stets als zu derselben Gattung gehörig.

XXXV. Hypothekenbankgesetz.

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§ 15. Die Grundzüge der Bedingungen für die hypothekarischen Darlehen sind von der Hypothekenbank festzustellen; die Grundzüge bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. In den Bedingungen ist namentlich zu bestimmen, welche Nachtheile den Schuldner bei nicht rechtzeitiger Zahlung treffen sowie unter welchen Voraussetzungen die Bank befugt ist, die vorzeitige Rückzahlung der Hypothek zu verlangen. Nimmt die Bank Beleihungen in dem Gebiet eines Bundesstaats vor, in dem sie nicht ihren Sitz hat, so kann die Aufsichtsbehörde dieses Bundesstaats verlangen, daß ihr die Grundzüge der Darlehensbedingungen eingereicht werden. Auf die Erledigung von Beanstandungen finden die Vorschriften des 8 13 Abs. 2 Satz 2 entsprechende Anwendung. Der Aufsichtsbehörde des im Abs. 2 bezeichneten Bundesstaats ist aus ihr Verlangen alljährlich ein Verzeichniß der hypothekarischen Beleihungen einzureichen, welche die Bank in dem Gebiete des Bundes­ staats vorgenommen hat. Der Bundesrath kann Bestimmungen über die Einrichtung und den Inhalt der Verzeichnisse erlassen. § 16. In den von der Hypothekenbank verwendeten Darlehens­ prospekten und Antragsformularen sind alle Bestimmungen über die Art der Auszahlung der Darlehen, über Abzüge zu Gunsten der Bank, über die Höhe und Fälligkeit der Zinsen und der sonst dem Schuldner obliegenden Leistungen, über den Beginn einer Amortisation und über die Kündigung und Rückzahlung aufzunehmen. § 17. Im Falle einer Verschlechterung des beliehenen Grundstücks oder seiner Zubehörstücke, der ein unwirthschaftliches Verfahren des Besitzers nicht zu Grunde liegt, finden zu Gunsten der Hypothekenbank die Vorschriften der 88 1133, 1135 des Bürgerlichen Gesetzbuchs über das Recht des Gläubigers auf sofortige Befriedigung aus dem Grundstücke nur in Ansehung des Betrags Anwendung, für welchen in dem verminderten Werthe des Grundstücks nicht mehr die nach dem Gesetz oder der Satzung erforderliche Deckung vorhanden ist. Ueber diesen Betrag hinaus darf sich die Bank für den Fall einer Verminderung des Werthes des Grundstücks das Recht, die vorzeitige Rückzahlung der Hypothek zu verlangen, nicht ausbedingen. Die Bank darf sich für den Fall, daß ein Theil des -Grundstücks veräußert und die Unschädlichkeit der Veräußerung für die Berechtigten nach Maßgabe der Landesgesetze von der zuständigen Behörde sestgestellt wird, keine weiteren als die ihr gesetzlich zustehenden Rechte auf Sicherstellung oder Befriedigung Vorbehalten. Es darf nicht bedungen werden, daß die Bank im Falle ihrer Auflösung die vorzeitige Rückzahlung der Hypothek verlangen kann. § 18. Dem Schuldner ist urkundlich das Recht einzuräumen, die Hypothek ganz oder theilweise zu kündigen und zurückzuzahlen. Das Recht der Rückzahlung darf nur bis zu einem Zeitraume von zehn Jahren ausgeschlofien werden. Dieser Zeitraum beginnt mit der Auszahlung des Darlehens, im Falle der Auszahlung in Theilbeträgen mit der letzten Zahlung; wird nach der Auszahlung des Darlehens eine

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XXXV. Hypothekeubankgesetz.

Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung getroffen, so beginnt der zehnjährige Zeitraum mit der Vereinbarung. Die Kündigungsfrist darf neun Monate und bei Hypotheken, welche die Bank kündigen kann, auch die der Bank eingeräumte Kündigungsfrist nicht überschreiten. Soweit es nach diesen Vorschriften nicht gestattet ist, das Recht des Schuldners zur Rückzahlung der Hypothek auszuschließen, darf sich die Bank eine Rückzahlungsprovision oder die Bestellung einer Sicherheit bei der Kündigung nicht ausbedingen.

§ 19, Bei Amortisationshypotheken darf zu Gunsten der Bank ein Kündigungsrecht nnht bedungen werden. Eine Vereinbarung, welche der Bank das Recht einräumt, aus besonderen, in dem Verhalten des Schuldners liegenden Gründen die Rückzahlung der Hypothek vor der bestimmten Zeit zu verlangen, wird hierdurch nicht berührt. Die Jahresleistung des Schuldners darf nur die bedungenen Zinsen und den Tilgungsbeitrag enthalten.

§ 20. Der Beginn der Amortisation darf für einen zehn Jahre nicht übersteigenden Zeitraum hinausgeschoben werden. Ist in einem solchen Falle in Folge der Hinausschiebung der Amortisation außer den bedungenen Zinsen ein Betrag an die Bank zu entrichten, so ist dieser in der Darlehensurkunde ersichtlich zu machen. Von dem Beginne der Amortisation an dürfen die Jahreszinsen von keinem höheren Betrag als von dem für den Schluß des Vorjahrs sich ergebenden Restkapitale berechnet werden; der Mehrbetrag der Jahresleistung ist zur Tilgung zu verwenden. § 21. Das Recht des Schuldners zur theilweisen Rückzahlung der Hypothek kann bei Amortisationshypotheken in der Weise beschränkt werden, daß eine Zahlung von der Bank nur angenommen zu werden braucht, wenn die Zahlung dazu bestimmt und geeignet ist, die Tilgungs­ zeit unter Beibehaltung der bisherigen Höhe der Jahresleistungen um ein Jahr oder um mehrere Jahre abzukürzen. Die Vorschrift findet jedoch keine Anwendung, wenn der Betrag der Zahlung den zehnten Theil des Restkapitals erreicht und der Schuldner verlangt, daß die späteren Jahres­ leistungen unter Beibehaltung der ursprünglichen Tilgungszeit herabgesetzt werden; in diesem Falle darf bei den im § 6 Abs. 2 bezeichneten Hypotheken der jährliche Tilgungsbeitrag weniger als ein Viertheil vom Hundert des ursprünglichen Kapitals betragen; die Bank hat einen neuen Tilgungsplan aufzustellen. Die Bank darf sich von der Verpflichtung, in Ansehung des amortisirten Betrags die ihr behufs der Berichtigung des Grundbuchs, der Löschung der Hypothek oder der Herstellung eines Theilhypothekenbriefs nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes obliegenden Handlungen vorzllnehmen, im voraus nicht befreien. Die Bank hat nach Veröffentlichung der Jahresbilanz jedem Schuldner auf Verlangen mitzutheilen, welcher Betrag der Hypothek am Schluffe des Vorjahrs amortisirt war.

XXXV Hypvthekeubankgesetz.

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§ 22. Die zur Deckung der Hypothekenpfandbriefe bestimmten Hypotheken sind von der Bank einzeln in ein Register einzutragen. Im Falle des § 6 Abs. 4 sind die ersatzweise zur Deckung bestimmten Werth­ papiere gleichfalls in das Register einzutragen; die Eintragung hat die einzelnen Stücke zu bezeichnen. Innerhalb des ersten Monats eines jeden Kalenderhalbjahrs ist eine von dem nach § 29 bestellten Treuhänder beglaubigte Abschrift der Ein­ tragungen, welche während des letzten Halbjahrs in dem Hypothekenregister vorgenommen worden sind, der Aufsichtsbehörde einzureichen. Die Abschrift wird von der Aufsichtsbehörde aufbewahrt.

§ 23. Innerhalb des zweiten Monats eines jeden Kalenderhalb­ jahrs hat die Bank den Gesammtbetrag der Hypothekenpfandbriefe, welche am letzten Tage des vergangenen Halbjahrs im Umlaufe waren, und den nach Abzug aller Rückzahlungen oder sonstigen Minderungen sich ergebenden Gesammtbetrag der am letzten Tage des vergangenen Halbjahrs in das Hypothekenregister eingetragenen Hypotheken sowie den Gesammtbetrag der an diesem Tage in das Register eingetragenen Werthpapiere und des in der Verwahrung des Treuhänders befindlichen Geldes im Deutschen Reichsanzeiger und in den für die Veröffentlichungen der Bank bestimmten Blättern bekannt zu machen. Sind in dem Register Werthpapiere oder solche Hypotheken ein­ getragen, die nicht ihrem vollen Betrage nach zur Deckung von Hypo­ thekenpfandbriefen geeignet sind, so ist in der Bekanntmachung anzugeben, mit welchem Betrage die Werthpapiere oder die Hypotheken als Deckung nicht in Ansatz kommen. § 24. Die Jahresbilanz einer Hypothekenbank hat in getrennten Posten namentlich zu enthalten: 1. den Gesammtbetrag der zur Deckung der Hypothekenpfandbriefe bestimmten Hypotheken und Werthpapiere; 2. den Gesammtbetrag der rückständigen Hypothekenzinsen; 3. den Gesammtwerth der Grundstücke der Bank unter gesonderter Angabe des Werthes der Bankgebäude; 4. die Gesammtbeträge der Bestände an Geld, an Wechseln und an Werthpapieren, unter gesonderter Angabe des Betrags der eigenen Hypothekenpfandbriefe und Schuldverschreibungen der Bank; 5. den Gesammtbetrag der Forderungen der Bank aus Lombardgeschäften; 6. den Gesammtbetrag der Guthaben bei Bankhäusern; 7. den Gesammtbetrag der im Umlaufe befindlichen Hypothekenpfandbriefe nach ihrem Nennwerthe, bei verschieden verzinslichen Hypothekenpfand­ briefen den Gesammtbetrag jeder dieser Gattungen; 8. den Gesammtbetrag der Verbindlichkeiten der Bank aus der Annahme von Geld zum Zwecke der Hinterlegung.

§ 25. Sind Hypothekenpfandbriefe zu einem geringeren Betrag als dem Nennwerth ausgegeben worden, so darf in die Aktiven der Bilanz ein Betrag ausgenommen werden, der vier Fünftheilen des Mindererlöses gleichkommt; von dem Mindererlös ist der Gewinn abzuziehen, den die

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XXXV Hypothekenbankgesetz.

Bank durch den Rückkauf von Hypothekenpfandbriefen zu einem geringeren Betrag als dem Nennwerth erzielt hat. Der demgemäß in die Bilanz eingestellte Aktivposten muß jährlich zu mindestens einem Viertheil abge­ schrieben werden. In keinem Jahre dürfen die nach den Vorschriften des Abs. 1 in die Bilanz aufgenommenen Aktivposten zusammen mehr betragen als das Doppelte des Ueberschuffes, den die Hypothekenzinsen für das Bilanzjahr ergeben, wenn von ihnen die Pfandbriefzinsen und außerdem ein Vieäheil

vom Hundert der Gesammtsumme der Hypotheken abgezogen werden; auch )ürfen die bezeichneten Aktivposten zusammen nicht den Betrag des auschließlich zur Deckung einer Unterbilanz bestimmten Reservefonds über­ ieigen. Die durch die Ausgabe der Hypothekenpfandbriefe entstandenen Kosten, mit Einschluß der für die Unterbringung gezahlten Provisionen, sind ihrem vollen Betrage nach zu Lasten des Jahres zu verrechnen, in welchem sie entstanden sind. Ansprüche der Bank auf Jahresleistungen der Hypothekenschuldner für die auf das Bilanzjahr folgende Zeit dürfen nicht in die Aktiven der Bilanz ausgenommen werden. § 26. Sind Hypothekenpfandbriefe zu einem höheren Betrag als dem Nennwerth ausgegeben worden und hat die Bank auf das Recht verzichtet, die Hypothekenpfandbriefe jederzeit zurückzuzahlen, so ist der Mehrerlös, soweit er den Betrag von eins vom Hundert des Nennwerths übersteigt, in die Passiven der Bilanz einzustellen. Die Bank darf über ihn während der Jahre, für welche die Rückzahlung der Hypothekenpfandbriefe aus­ geschloffen ist, alljährlich nur zu einem der Zahl dieser Jahre entsprechenden Bruchtheile verfügen. Die Verfügung ist ausgeschlossen, solange ein Mindererlös der im § 25 Abs. 1 bezeichneten Art als Aktivposten in der Bilanz steht; zur Tilgung eines solchen Mindererlöses sowie zur Deckung des Verlustes, der für die Bank durch den Rückkauf von Hypotheken­ pfandbriefen zu einem den Nennwerth übersteigenden Betrag entstanden ist, darf der Mehrerlös jederzeit verwendet werden. § 27. In der Gewinn- und Verlustrechnung sind in getrennten Posten namentlich die Gesammtbeträge der in dem Geschäftsjahre von der Bank verdienten Hypothekenzinsen, Darlehensprovisionen und sonstigen Nebenleistungen der Hypothekenschuldner sowie der Gesammtbetrag der für das Geschäftsjahr von der Bank zu entrichtenden Pfandbriefzinsen anzugeben. 8 28. In dem Geschäftsbericht oder in der Bilanz sind ersichtlich zu machen: 1. die Zahl der zur Deckung der Hypothekenpfandbriefe bestimmten Hypotheken und deren Verkeilung nach ihrer Höhe in Stufen von hunderttausend Mark; 2. die Beträge, welche davon auf Hypotheken an landwirthschastlichen und auf solche an anderen Grundstücken, auf Amortisationshypotheken und auf andere Hypotheken, auf Hypotheken an Bauplätzen und an unfertigen, noch nicht ertragsfähigen Neubauten fallen;

XXXV. Hypothekenbankgesetz.

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3. die Zahl der Zwangsversteigerungen und die Zahl der Zwangs­ verwaltungen , welche in dem Geschäftsjahr auf Antrag der Bank bewirkt worden sind, sowie die Zahl der in dem Geschäftsjahre be­ wirkten Zwangsversteigerungen und Zwangsverwaltungeir, an welchen die Bank sonst betheiligt war; 4. die Zahl der Fälle, in welchen die Bank während des Geschäftsjahrs Grundstücke zur Verhütung von Verlusten an Hypotheken hat über­ nehmen müssen, sowie den Gesammtbetrag dieser Hypotheken und die Verluste oder Gewinne, welche sich bei dem Wiederverkauf über­ nommener Grundstücke ergeben haben; 5. die Jahre, aus welchen die Rückstände auf die von den Hypotheken­ schuldnern zu entrichtenden Zinsen herrühren, sowie der Gesammt­ betrag der Rückstände eines jeden Jahres; 6. der Gesammtbetrag der im Geschäftsjahr erfolgten Rückzahlungen ans die Hypotheken, getrennt nach den durch Amortisation und den in anderer Weise erfolgten Rückzahlungen; 7. die Beschränkungen, welchen sich die Bank hinsichtlich der Rückzahlung der Hypothekenpfandbriefe unterworfen hat, getrennt nach den einzelnen Gattungen der Hypothekenpfandbriefe.

Die unter Nr. 3 bis 5 bezeichneten Angaben sind getrennt nach landwirthschaftlichen und anderen Grundstücken und nach den Haupt­ gebieten zu machen, auf welche sich die Geschäftsthätigkeit der Hypotheken­ bank erstreckt. In dem Geschäftsbericht oder in der Gewinn- und Verlustrechnung sind der Mehrerlös und der Mindererlös anzugeben, welche in dem Geschäftsjahre durch die Ausgabe von Hypothekenpfandbriefen zu einem höheren oder geringeren Betrag als dem Nennwerth entstanden sind.

§ 28. Bei jeder Hypothekenbank ist ein Treuhänder sowie ein Stellvertreter zu bestellen. Die Bestellung erfolgt durch die Aufsichtsbehörde nach Anhörung der Hypothekenbank. Die Bestellung kann jederzeit durch die Aufsichts­ behörde widerrufen werden.

§ 30. Der Treuhänder hat daraus zu achten, daß die vorschrifts­ mäßige Deckung für die Hypothekenpfandbriefe jederzeit vorhanden ist; hierbei hat er, sofern der Werth der beliehenen Grundstücke gemäß der von der Aufsichtsbehörde genehmigten Anweisung festgesetzt ist, nicht zu unter­ suchen, ob der festgesetzte Werth dem wirklichen Werthe entspricht. Er hat darauf zu achten, daß die zur Deckung der Hypotheken­ pfandbriefe bestimmten Hypotheken und Werthpapiere gemäß den Vor­ schriften des § 22 Abs. 1 in. das Hypothekenregister eingetragen werden. Er hat die Hypothekenpfandbriefe vor der Ausgabe mit einer Be­ scheinigung über das Vorhandensein der vorschriftsmäßigen Deckung und über die Eintragung in das Hypothekenregister zu versehen. Eine in das Hypothekenregister eingetragene Hypothek sowie ein in das Hypothekenregister eingetragenes Werthpapier kann nur mit Zustimmung des Treuhänders in dem Register gelöscht werden. Die Zustimmung des Treuhänders bedarf der schriftlichen Form; sie kann in der Weise erfolgen.

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XXXV. Hyputhkkenbankgesetz.

daß der Treuhänder seine Namensnnterschrift dem Löschungsvermert im Hypothekenregister beifügt.

§ 31. Der Treuhänder hat die Urkunden über die in das Hypotheken­ register eingetragenen Hypotheken sowie die in das Register eingetragenen Äerthpapiere und das gemäß § 6 Abs. 4 zur Deckung der Hypotheken­ pfandbriefe bestimmte Geld unter dem Mitverschlusse der Bank zu ver­ wahren ; er darf diese Gegenstände nur gemäß den Vorschriften dieses Gesetzes herausgeben. Er ist verpflichtet, Hypothekenurkunden sowie Werthpapiere und Geld auf Verlangen der Bank herauszugeben und zur Löschung im Hypotheken­ register mitzuwirken, soweit die übrigen in das Register eingetragenen Hypotheken und Werthpapiere zur Deckung der Hypothekenpfandbriefe genügen oder die Bank eine andere vorschriftsmäßige Deckung beschafft. Ist die Bank dem Hypothekenschuldner gegenüber zur Aushändigung der Hypotheken­ urkunde oder zur Vornahme der im § 1145 des Bürgerlichen Gesetz­ buchs bezeichneten Handlungen verpflichtet, so hat der Treuhänder die Urkunde auch dann herauszugeben, wenn die bezeichneten Voraussetzungen nicht vorliegen; wird die Hypothek zurückgezahlt, so ist in dem letzteren Falle das gezahlte Geld dem Treuhänder zur Verwahrung gemäß Abs. 1 zu übergeben. Bedarf die Bank einer Hypothekenurkunde nur zu vorübergehenden! Gebrauche, so hat der Treuhänder sie herauszugeben, ohne daß die Bank verpflichtet ist, eine andere Deckung zu beschaffen.

§ 32 Der Treuhänder ist befugt, jederzeit die Bücher und Schriften der Bank einzusehen, soweit sie sich auf die Hypothekenpfandbriefe und auf die in das Hypothekenregister eingetragenen Hypotheken beziehen. Die Hypothekenbank ist verpflichtet, von den Kapitalrückzahlungen auf die in das Hypothekenregister eingetragenen Hypotheken sowie von sonstigen für die Pfandbriefgläubiger erheblichen Aenderungen, welche diese Hypotheken betreffen, dem Treuhänder fortlaufende Mittheilung zu machen. § 33. Streitigkeiten zwischen dem Treuhänder und der Hypotheken­ bank entscheidet die Aufsichtsbehörde. § 34. Der Treuhänder kann von der Hypothekenbank eine ange­ messene Vergütung für seine Geschäftsführung verlangen. Der Betrag der vereinbarten Vergütung ist der Aufsichtsbehörde anzuzeigen; in Ermangelung einer Einigung wird der Betrag durch die Aufsichtsbehörde festgesetzt. § 35. Ist über das Vermögen der Hypothekenbank der Konkurs eröffnet, so gehen in Ansehung der Befriedigung aus den in das Hypotheken­ register eingetragenen Hypotheken und Werthpapieren die Forderungen der Pfandbriefgläubiger den Forderungen aller anderen Konkursgläubiger vor. Das Gleiche gilt von Geld, das dem Treuhänder zur Deckung der Hypo­ thekenpfandbriefe in Verwahrung gegeben ist. Die Pfandbriefgläubiger haben unter einander gleichen Rang. In Betreff des Anspruchs der Pfandbriefgläubiger auf Befriedigung aus dem sonstigen Vermögen der Bank finden die für die Absonderungs-

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XXXV. Hypothekenbimkgrsetz.

berechtigten geltenden Vorschriften der §§ 64, 153, 155, 156 und des § 168 Nr. 3 der Konkursordnung (Rcichs-Gesetzbl. 1898 S. 612) ent­ sprechende Anwendung. Gehören zur Konkursmasse eigene Hypothekenpfandbriefe der Bank, die von dieser dem Bestand an Werthpapieren zugefchrieben sind, so werden sie bei der Berechnung der auf die einzelnen Hypothekenpfandbriefe fallenden Antheile an dem Erlös ouS den im Abs. 1 bezeichneten Gegenständen mitgezählt. Wahrend des Konkurses der Hypothekenbank sind die Kosten einer Versammlung der Pfandbriefgläubiger, die nach den Vorschriften des Gesetzes, betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldver­ schreibungen, berufen wird, aus dem gilt vorzugsweisen Befriedigung der letzteren dienenden Theile der Konkursmasse zu berichtigen.

§ 36» Treuhänder, die absichtlich zum Nachtheile der Pfandbrief­ gläubiger handeln, werden wegen Untreue nach § 266 des Strafgesetzbuchs bestraft. § 37, Wer für eine Hypothekenbank wissentlich Hypothekenpfandbriefe über den Betrag hinaus ausgiebt, welcher durch die in das Hypothekenregister eingetragenen Hypotheken und Werthpapiere oder das in der Verwahrung des Treuhänders befindliche Geld vorschriftsmäßig gedeckt ist, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu zwanzigtausend Mark bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher für eine Hypothekenbank wissentlich über eine in das Hypothekenregister eingetragene Hypothek oder über ein in das Register eingetragenes Werthpapier durch Veräußerung oder Belastung verfügt, obwohl die übrigen in das Register eingetragenen Hypothekeu und Werthpapiere zur vorschriftsmäßigen Deckung der Hypotheken­ pfandbriefe nicht genügen, sowie denjenigen, welcher der Vorschrift des § 31 Abs. 2 Satz 2 zuwider es unterläßt, bei der Rückzahlung einer Hypothek das gezahlte Geld dem Treuhänder zur Verwahrung zu übergeben. Sind mildernde Uinstände vorhanden, so kann auf die Geldstrafe allein erkannt werden. § 38. Wer für eine Hypothekenbank Hypothekenpfandbriefe ohne die nach § 30 Abs. 3 erforderliche Bescheinigung ausgiebt, wird mit Geld­ strafe bis zu eintausend Mark oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft. § 39. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschrift des § 2 werden mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft.

8 40. Den Hypotheken stehen im Sinne dieses Gesetzes die Grund­ schulden gleich. Hat die Bank ein Grundstück zur Verhütung von Verlusten au einer ihr an dem Grundstücke zustehenden Hypothek oder Grundschuld bei der Zwangsversteigerung erworben und an Stelle der gelöschten Hypothek oder Grundschuld für sich eine Grundschuld cintragen lassen, so findet auf diese die Vorschrift des § 6 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze

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XXXV Hypothekenbanlgesetz.

§ 41. Werden von einer Hypothekenbank auf Grund nicht hypo­ thekarischer Darlehen, die an inländische Körperschaften des öffentlichen Rechtes oder gegen Uebernahme der Gewährleistung durch eine solche Körperschaft gewährt sind, Schuldverschreibungen ausgegeben, so finden auf diese Schuldverschreibungen und die ihnen zu Grunde liegenden Darlehens­ forderungen die Vorschriften des § 6 Abs. 1, 4 und der §§ 8, 9, 22, 23, 25, 26, 29 bis 38 entsprechende Anwendung. Die Schuldverschreibungen, welche die Hypothekenbank gemäß Abs. 1 ausgiebt, dürfen unter Hinzurechnung der im Umlaufe befindlichen Hypothekenpsandbriefe den für die letzteren im § 7 bestimmten Höchstbetrag nicht um mehr als den fünften Theil übersteigen. § 42. Werden von einer Hypothekenbank auf Grund von Darlehen, die an Kleinbahnunternehmungen gegen Verpfändung der Bahn gewährt sind, Schuldverscyreibungen ausgegeben, so finden auf diese Schuldver­ schreibungen und die ihnen zu Grunde liegenden Darlehensforderungen die im § 41 Abs. 1 angeführten Vorschriften entsprechende Anwendung. Die von der Hypothekenbank in der bezeichneten Weise ausgegebenen Schuld­ verschreibungen stehen im Sinne der Vorschriften des § 7 und des § 41 Abs. 2 den Hypothekenpfandbriefen gleich. Die Satzung der Bank kann bestimmen, daß auf Grund der Forderungen aus den gemäß Abs. 1 gewährten Darlehen und auf Grund der Forderungen aus Darlehen, die an Kleinbahnunternehmungen gegen Uebernahme der Gewährleistung durch eine inländische Körperschaft des öffentlichen Rechtes gewährt sind, Schuldverschreibungen einer und derselben Art ausgegeben werden, denen beide Arten von Forderungen zur Deckung dienen. In dem Geschäftsbericht oder in der Bilanz ist der Gesammtbetrag der Forderungen der einen und der anderen Art ersichtlich zu machen. Im Uebrigen sind die für die Gewährung von Darlehen an Klein­ bahnunternehmungen maßgebenden Grundsätze von der Hypothekenbank fest­ zustellen; die Grundsätze bedürfen der Genehmigung der Auffichtsbehörde. Die Vorschriften des § 13 Abs. 2 finden entsprechende Anwendung. § 43. Der § 17 des Einführungsgesetzes wird durch folgende Vorschriften ersetzt:

zur Konkursordnung

Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen den Inhabern von Pfandbriefen, die von Kreditanstalten, welche nicht zu den Hypothekenbanken gehören, auf Grund Don Hypotheken ausgestellt sind, ein Vorrecht vor allen anderen Konkurs­ gläubigern in Ansehung der Befriedigung aus den Hypotheken der Anstalt zusteht. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen den Inhabern von Schuldverschreibungen, die von Körperschaften des öffentlichen Rechtes, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Genossenschaften über ein Anlehen ausgestellt sind, ein Vorrecht vor nicht bevor­ rechtigten Konkursgläubigern, deren Forderungen später entstehen, dadurch gewährt werden kann, daß die zu bevorrechtigenden Forder­ ungen in ein öffentliches Schuldbuch eingetragen werden.

XXXV. Hypothekenbanlgesetz.

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§ 44. Dieses Gesetz tritt, soweit sich nicht aus dem § 53 ein Anderes ergiebt, gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch in Kraft. § 45. Auf die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Hypothekenbanken finden die Vorschriften des § 1 Abs. 1, 2 keine Anwendung. Auf die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in das Gcnossenschaftsregister eingetragenen Genossenschaften findet, sofern fie vor dem 1. Mai 1898 gemäß den Bestimmungen ihrer Satzung die im § 1 Abs. 1 bezeichneten Geschäfte betrieben haben, die Vorschrift des § 2 keine Anwendung. § 46. Die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Hypothekenbanken unterliegen den Vorschriften des § 5 insoweit nicht, als sie bis zum 1. Mai 1898 gemäß den Bestimmungen ihrer Satzung Ge­ schäfte in weiterem als dem im § 5 bezeichneten Umfange betrieben haben. Eine Hypothekenbank, die von dem Rechte des erweiterten Geschäfts­ betriebs nach Maßgabe des Abs. 1 Gebrauch macht, darf Hypotheken­ pfandbriefe nur bis zum zehnfachen Betrage des eingezahlten Grundkchntals und des im 8 7 bezeichneten Reservefonds ausgeben. Die Befugniß zur Ausgabe von Hypothekenpfandbriefen ist auf den doppelten Betrag des eingezahlten Grundkapitals und des im § 7 bezeichneten Reservefonds beschränkt, wenn bei dem Inkrafttreten des Gesetzes die von der Bank ausgegebenen Hypothekenpfandbriefe den doppelten Betrag des eingezahlten Grundkapitals nicht übersteigen. Der Betrag, bis zu welchem hiernach eine Bank Hypothekenpfandbriese ausgeben darf, tritt auch im Sinne des § 41 Abs. 2 an die Stelle des im 8 7 bestimmten Höchstbetrags. § 47. Beschließt eine Hypothekenbank, die nach 8 46 nicht an die Vorschriften des 8 5 gebunden ist, sich diesen Vorschriften zu unterwerfen und ihre Satzung demgemäß zu ändern, so ist, wenn im Zusammenhänge damit zugleich eine Herabsetzung des Grundkapitals stattfindet, die im 8 289 Abs. 3, 4 des Handelsgesetzbuchs vorgesehene Sicherstellung der Gläubiger in Ansehung der Psandbriefgläubiger nicht erforderlich, sofern die im Umlaufe befindlichen Hypothekenpfandbriefe durch die in das Hypothekenregister eingetragenen Hypotheken vollständig gedeckt find. § 48. Eine Hypothekenbank, die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes das Recht besitzt, über den in den 88 7, 41, 42 oder im 8 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 bestimmten Betrag hinaus Hypothekenpfandbriefe oder Schuldverschreibungen auszugeben, behält dieses Recht mit der Maß­ gabe, daß die Hypothekenpfandbriese und die auf Grund von Darlehen an Kleinbahnunternehmungen ausgegebenen Schuldverschreibungen den zwanzigfachen Betrag des eingezahlten Grundkapitals nicht übersteigen dürfen und daß hierbei das eingezahlte Kapital nur insoweit berücksichtigt wird, als es innerhalb des Betrags verbleibt, auf welchen am 1. Mai 1898 das Grundkapital der Bank durch die Satzung festgesetzt war; die Schuld­ verschreibungen, welche die Bank auf Grund nicht hypothekarischer Dar­ lehen an Körperschaften des öffentlichen Rechtes oder gegen Uebernahme der Gewährleistung durch eine solche Körperschaft ausgiebt, dürfen unter Hinzurechnung der im Umlaufe befindlichen Hypothekenpfandbriefe und 7n*

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XXXV. Hypothekenbankgejetz.

auf Grund von Darlehen an Kleinbahnunternehmungen ausgegebenen Schuldverschreibungen den Betrag, bis zu welchem die Bank Hypotheken­ pfandbriefe ausgeben darf, nicht um mehr als den fünften Theil übersteigen. Auf Grund einer nach dem 1. Mai 1898 in das Handelsregister eingetragenen Kapitalserhöhung dürfen Hypothekenpfandbriese und Schuld­ verschreibungen nur nach den Vorschriften der 88 7, 41, 42, 46 aus­ gegeben werden. Hierbei bleibt der Reservefonds, der bei Erreichung des nach Abs. 1 zulässigen Höckstbetrags vorhanden war, außer Betracht. Diese Vorschriften finden in dem Falle des § 46 Abs. 2 Satz 2 keine Anwendung.

§ 49. Aus die Deckung der Hypothekenpfandbriefe durch Hypotheken, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes von einer Hypothekenbank gemäß den Bestimmungen ihrer Satzung erworben sind, finden die Vorschriften des § 6 Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 keine Anwendung. Die Vor­ schriften des § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 3 und der §§ 18 bis 21 sind nur für Verträge maßgebend, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossen werden. § 50. Die Vorschriften der §§ 24 bis 28 finden bei den be­ stehenden Hypothekenbanken erst auf die Bilanz, die Gewinn- und Verlust­ rechnung und den Geschäftsbericht für das mit oder in dem Jahre 1900 beginnende Geschäftsjahr Anwendung. Auf die Verrechnung des Mindererlöses, der vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes durch die Ausgabe von Hypothekenpfandbriefen zu einem geringeren Betrag als dem Nennwerth entstanden ist, sowie auf die Ver­ rechnung der Kosten der vor dem bezeichneten Zeitpunkt erfolgten Ausgabe von Hypothekenpfandbriefen finden die Vorschriften des § 25 keine An­ wendung. Die Bank hat jedoch die zur Deckung eines solchen Minder­ erlöses oder solcher Kosten in die Aktiven der Bilanz aufgenommenen Posten, soweit die Aufnahme nach § 25 nicht zulässig sein würde, längstens binnen fünf Jahren abzuschreiben. Das Gleiche gilt bezüglich der vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in die Aktiven der Bilanz aufgenommenen Ansprüche auf künftige Jahresleistungen der Darlehensschuldner.

§ 51. Ist bei einer Hypothekenbank zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes ein Staatskommissar mit der Ueberwachung der Pfandbrief­ ausgabe betraut, so können die Obliegenheiten, welche nach § 22 Abs. 2 und den §§ 30 bis 32, 41, 42 von dem Treuhänder wahrzunehmen sind, dem nach § 4 Abs. 3 bestellten Kommissar übertragen werden. § 52. Hat eine Hypothekenbank auf Grund von Rentenforderungen, dir vor dem 1. Januar 1899 als Reallasten in das Grundbuch eingetragen worden sind, besondere Schuldverschreibungen ausgegeben, so finden auf diese Schuldverschreibungen und auf die ihnen zu Grunde liegenden Rentenforderüngen die Vorschriften der 88 6, 22, 29 bis 35, des 8 37 Abs. 2, 3, des 8 41 Abs. 1 und des 8 51 entsprechende Anwendung. § 53. Die bestehenden Hypothekenbanken haben mit der Anlegung der in den 88 22, 41, 42, 52 vorgeschriebenen Register so zeitig zu be­ ginnen, daß die Register am 1. Januar 1900 angelegt sind. Unverzüglich

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XXXV. Hypotheken bankgesetz.

nach diesem Zeitpunkte haben sie der Aufsichtsbehörde anzuzeigen, daß die Anlegung der Register erfolgt ist. Eine von dem Treuhänder oder dem Kommissar der Aufsichtsbehörde beglaubigte Abschrift des Registers ist der Behörde mit thunlichster Beschleunigung einzureichen. Mit der Erstattung der int Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebenen Anzeige erlöschen die Pfandrechte, welche für die Pfaudbriefgläubiger nach den Landesgesetzen bestellt sind. Soweit einer Bank in der Satzung oder den Pfandbriefbedingungen die Verpflichtung zur Bestellung eines Pfandrechts für die Pfandbriefgläubiger auferlegt ist, verlieren die hierauf bezüglichen Bestimmungen mit dem gedachten Zeitpunkt ihre Wirksamkeit.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei­ gedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben Merot int Eeiranger Fjord an Bord M. D. „Hohenzollern", den 13. Juli 1899.

(L. 8.)

Wilhelm. Fürst zu Hohenlohe.

XXXVI. Gesetz, betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen, vom 4. Dezember 1899. (Reichsgesetzblatt 1899 S 691-698).

Wir Wilhelm, von Gottes Gnade« Teutscher Kaiser, König von Preußen rc. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundes­ raths und des Reichstags, was folgt:

§ 1. Sind von Jemand, der im Jnlande seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hat, im Jnlande Schuldverschreibungen mit im voraus bestimmten Nennwerthen ausgestellt, die nach dem Verhältnisse dieser Werthe den Gläubigern gleiche Rechte gewähren, und betragen die Nennwerte der ausgegebenen Schuldverschreibungen zusammen mindestens dreihunderttausend Mark und die Zahl der ausgegebenen Stücke mindestens dreihundert, so haben die Beschlüsse, welche von einer Versammlung der Gläubiger aus diesen Schuldverschreibungen zur Wahrung ihrer gemeinsamen Jnteresien gefaßt werden, nach Maßgabe dieses Gesetzes verbindliche Kraft für alle Gläubiger der bezeichneten Art. Die Versammlung kann insbesondere zur Wahrnehmung der Rechte der Gläubiger einen gemeinsamen Vertreter für diese bestellen. Eine Verpflichtung zu Leistungen kann für die Gläubiger durch Beschluß der Gläubigerversammlung nicht begründet werden. § 2. Sinkt der Gesammtbetrag der im Umläufe befindlichen Schuld­ verschreibungen unter einhunderttausend Mark oder sinkt die Zahl der im Umläufe befindlichen Stücke unter einhundert, so ist dies von dem Schuldner unverzüglich im Deutschen Reichsanzeiger bekannt zu machen. Von dem auf die Bekanntmachung folgenden Tage an können Gläubigerversammlungen auf Grund dieses Gesetzes nicht mehr abgehalten werden; mit dem be­ zeichneten Zeitpunkt erlischt das Amt eines von der Gläubigerversammlung bestellten Vertreters der Gläubiger. § 3.

Die Versammlung wird durch den Schuldner berufen. Die Versammlung ist zu berufen, wenn Gläubiger, bereit Schuld­ verschreibungen zusammen den zwanzigsten Theil des Gesammtbetrags der im Umlaufe befindlichen Schuldverschreibungen erreichen, oder ein von der

XXXVI. Schuldverschrcibungsgesetz.

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Glänbigervcrsammlung bestellter Vertreter der Gläubiger die Berufung schriftlich unter Angabe des Zweckes und der Gründe verlangen. Die Kosten der Berufung und Abhaltung der Versammlung trägt, soweit nicht in diesem Gesetz ein Anderes vorgeschrieben ist, der Schuldner.

§ 4. Wird einem nach § 3 Abs. 2 gestellten Verlangen nicht ent­ sprochen, so kann das Amtsgericht, in dessen Bezirke der Schuldner seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hat, die Antragsteller er­ mächtigen, die Versammlung zu berufen. Hat in dem Zeitpunkt, in welchem der Antrag gestellt werden soll, der Schuldner im Jnlande weder einen Wohnsitz noch eine gewerbliche Niederlassung, so ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk er zuletzt seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Nieder­ lassung gehabt hat. Wird der Antrag von Gläubigern gestellt, so haben diese ihre Schuld­ verschreibungen bei der Reichsbank, bei einem Notar oder bei einer anderen durch die Landesregierung dazu für geeignet erklärten Stelle zu hinterlegen. Wird die Ermächtigung zur Berufung der Gläubigcrversammlung ertheilt, so kann das Gericht zugleich über den Vorsitz in der Versammlung Bestimmung treffen. Das Gericht entscheidet darüber, ob die durch den Antrag sowie die durch die Berufung und Abhaltung der Versammlung ent­ stehenden Kosten von den Antragstellern oder von dem Schuldner zu tragen sind. Vor der Verfügung, durch welche über den Antrag ans Ermächtigung zur Berufung der Gläubigerversammlung oder über die Tragung der Kosten entschieden wird, ist soweit thunlich der Schuldner und, wenn ein Vertreter der Gläubiger bestellt ist, auch dieser zu hören. Gegen die Ver­ fügung findet die sofortige Beschwerde statt. § 5» Steht der Geschäftsbetrieb des Schuldners unter staatlicher Aufsicht, so hat das Gericht vor der im § 4 Abs. 4 bezeichneten Verfügung auch die Aufsichtsbehörde zu hören. Die Aufsichtsbehörde kann die Gläubigerversammlung auf Kosten des Schuldners berufen oder die Berufung durch den Schuldner anordnen. Sie hat das Recht, einen Vertreter in die Versammlung zu entsenden. § 6. Die Berufung der Gläubigerversammlung erfolgt durch mindestens zweimalige Bekanntmachung im Deutschen Reichsanzeiger und in den sonstigen Blättern, durch welche für den Bezirk des int § 4 be­ zeichneten Gerichts die Eintragungen in das Handelsregister bekannt ge­ macht werden. An die Stelle der letzteren Blätter treten, wenn der Schuldner eine Aktiengesellschaft, eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder eine eingetragene Genossen­ schaft ist, die für die Veröffentlichungeit der Gesellschaft oder der Genossen­ schaft bestimmten Blätter. Die Frist zwischen der letzten Bekanntmachung und dem Tage der Versammlung ist so zu bemessen, daß mindestens zwei Wochen für die im § 10 Abs. 2 vorgesehene Hinterlegung der Schuldverschreibungen frei bleiben. In dem Falle des § 4 muß bei der Berufung auf die gerichtliche Ermächtigung Bezug genommen werden.

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XXXVI Schuldvcrschrelbungsycsctz

§ 7. Der Zweck der Versammlung soll bei der Berufung bekannt gemacht werden. Jedem Gläubiger ist auf Verlangen eine Abschrift der Anträge zu ertheilen. Ueber Gegenstände, die nicht gemäß § 6 Abs. 1, 2 ihrem wesent­ lichen Inhalte nach angekündigt sind, können Beschlüsse nicht gefaßt werden. Die Vorschriften der §§ 3, 4, des § 5 Abi. 1, 2 und des § 6 Abs. 3 finden auf die Ankündigung von Gegenständen zur Beschlußfassung einer Versammlung entsprechende Anwendung. § 8. Bei dem Beginne der Versammlung ist ein Derzeichniß der erschienenen Gläubiger oder Vertreter von Gläubigern mit Angabe ihres Namens und Wohnorts sowie des Betrags der von Jedem vertretenen Schuldverschreibungen aufzustellen. Das Verzeichniß ist sofort nach der Aufstellung, spätestens aber vor der ersten Abstimmung zur Einsicht auf­ zulegen; es ist von dem Vorsitzenden zu unterzeichnen.

§ 8. Jeder Beschluß der Versammlung bedarf zu seiner Gültig­ keit der Beurkundung durch ein über die Verhandlung gerichtlich oder notariell aufgenommenes Protokoll. In dem Protokolle sind der Ort und der Tag der Verhandlung, der Name des Richters oder des Notars sowie die Art und das Ergeb­ niß der Beschlußfassungen anzugeben. Das nach § 8 aufgestellte Verzeichniß der Theilnehmer der Ver­ sammlung sowie die Belege über bi' ordnungsmäßige Berufung der Ver­ sammlung find dem Protokolle beizufügen. Die Beifügung der Belege über die Berufung der Versammlung kann unterbleiben, wenn die Belege unter Angabe ihres Inhalts in dem Protokoll aufgestihrt werden. Das Protokoll muß von dem Richter oder dem Notar vollzogen werden. Die Zuziehung von Zeugen ist nicht erforderlich. § 10. Die Beschlüsse bedürfen, soweit nicht in diesem Gesetz ein Anderes vorgeschrieben ist, der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die Mehrheit wird nach den Beträgen der Schuldverschreibungen berechnet. Bei Gleichheit der (Stimmen entscheidet die Zahl der Gläubiger. Gezählt werden nur die Stimmen derjenigen Gläubiger, welche ihre Schuldverschreibungen spätestens am zweiten Tage vor der Versammlung bei der Reichsbank, bei einem Notar oder bei einer anderen durch die Landesregierung dazu für geeignet erklärten Stelle hinterlegt haben. Das Stimmrecht kann durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden. Für die Vollmacht ist die schriftliche Form erforderlich und genügend. Der Schuldner ist für die in seinem Besitze befindlichen Schuldver­ schreibungen nicht stimmberechtigt. Soweit ihm an den Schuldverschrei­ bungen ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, ist er auf Verlangen des Eigenthümers verpflichtet, die Schuldverschreibungen bei einer der im Abs. 2 bezeichneten Stellen in der Weise zu hinterlegen, daß, unbeschadet der Fortdauer des Pfandrechts oder Zurückbehaltungsrechts, dem Eigenthümer die Ausübung des Stimmrechts ermöglicht wird; die Kosten der Hinterlegung hat der Eigenthümer zu tragen und vorzuschießen. § 11.

Die Aufgabe oder Beschränkung von Rechten der Gläubiger,

insbesondere die Ermäßigung des Zinsfußes oder die Bewilligung

einer

XXXVI Schuldvttschreibungsgesetz.

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Stundung, kann von der Glänbigcrvcrsammlmtg nur zur Abwendung einer Zahlungseinstellung oder des Konkurses des Schuldners beschlossen werden.

Der Beschluß, durch welchen Rechte der Gläubiger aufgegeben oder beschränkt werden, bedarf einer Mehrheit von mindestens drei Viertheilen der abgegebenen Stimmen. Die Mehrheit muß mindestens die Hälfte des Nennwerths der im Umlaufe befindlichen Schuldverschreibungen und, wenn dieser nicht mehr als zwölf Millionen Mark beträgt, mindestens zwei Drit­ theile des Nennwerths erreichen; beträgt der Nennwerth der im Umlaufe befindlichen Schuldverschreibungen weniger als sechzehn Millionen, aber mehr als zwölf Millionen Mark, so muß die Mehrheit acht Millionen Mark erreichen. In diesen Fällen bleiben bei der Berechnung des Nennwerths der umlaufenden Schuldverschreibungen die im Besitze des Schuldners befind­ lichen Schuldverschreibungen, für welche das Stimmrecht nach § 10 Abs. 4 ausgeschlossen ist, außer Ansatz.

Der Schuldner ist verpflichtet, tn der Gläubigerversammlung Aus­ kunft über den Betrag der im Umlaufe befindlichen, zum Stimmen berech­ tigenden Schuldverschreibungen zu ertheilen.

§ 12. Ein Beschluß der tut § 11 bezeichneten Art muß für alle Gläubiger die gleichen Bedingungen festsetzen. Die Festsetzung ungleicher Bedingungen ist nur mit ausdrücklicher Einwilligung der zurückgesetzten Gläubiger zulässig. Jedes sonstige Abkommen des Schuldners oder eines Dritten mit einem Gläubiger, durch welches dieser begünstigt werden soll, ist nichtig. Ein Beschluß der Versammlung, der durch Begünstigung ein­ zelner Gläubiger zu Stande gebracht ist, hat den übrigen Gläubigern gegenüber keine verbindliche Kraft. Der Schuldner hat den Beschluß in der tut § 6 Abs. 1 bezeichneten Weise bekannt zu machen.

Auf die dem Nennwerthe der Schuldverschreibungen entsprechenden Kapitalansprüche kann durch Beschluß der Versammlung nicht verzichtet werden.

K 13. Steht der Geschäftsbetrieb des Schuldners unter staatlicher Aufsicht, so ist zu einem Beschlusse der int § 11 bezeichneten Art die Be­ stätigung durch die Aufsichtsbehörde erforderlich. Die Aufsichtsbehörde hat die Ertheilung sowie die Versagung der Bestätigung öffentlich bekannt zu machen.

§ 14. Beschließt die Versammlung die Bestellung eines Vertreters der Gläubiger, so muß zugleich der Umfang seiner Befugnisse bestimmt werden. Soweit der Vertreter zur Geltendmachung von Rechten der Gläu­ biger ermächtigt ist, kann durch Beschluß der Gläubigerversammlung die Befugniß der einzelnen Gläubiger zur selbständigen Geltendmachung aus­ geschlossen werden. Der Beschluß unterliegt den Vorschriften des § 11 Abs. 2 bis 4, des § 12 Abs. 2 und des § 13. Zum Verzicht auf Rechte der Gläubiger ist der Vertreter nur auf Grund eines ihn hierzu im einzelnen Falle besonders ermächtigenden Be-

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XXXVI Schuldverschreibungsgesitz.

schlusses der Gläubigerversammlung befugt. Der Beschluß unterliegt den Vorschriften der §§ 11 bis 13. Führt der Vertreter für die Gesammtheit der Gläubiger einen Rechts­ streit, so hat er in diesem die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Für die Kosten des Rechtsstreits, welche den Gläubigern zur Last fallen, haftet der Schuldner, unbeschadet seines Rückgriffs gegen die Gläubiger. Sind mehrere Vertreter bestellt, so können sie, falls nicht ein Anderes bestimmt ist, ihre Befugnisse nur in Gemeinschaft ausüben. Ein Vertreter kann, unbeschadet des Anspruchs auf die vertrags­ mäßige Vergütung, von der Gläubigerversammlung jederzeit abberufen werden. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit von drei Viertheilen der abgegebenen Stimmen; die Mehrheit muß, wenn dem Vertreter nach Maß­ gabe des Abs. 2 die ausschließliche Geltendmachung von Rechten der Gläubige übertragen ist, mindestens die Hälfte des Nennwerths der im Umlaufe befindlichen Schuldverschreibungen betragen; die Vorschriften des § 11 Abs. 3, 4 und des § 12 Abs. 2 finden Anwendung.

§ 15. Ist der Schuldner eine Gesellschaft oder juristische Person, deren Mitglieder in Versammlungen Beschlüsse fassen, so ist jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes bestellte Vertreter der Gläubiger befugt, den Mitgliederversammlungen beizuwohnen und sich an den Berathungen zu betheiligen. Soweit nach den Gesetzen Schriftstücke, die sich auf die Verhand­ lungen in der Mitglieder» "rsammlung oder auf die Vermögenslage oder den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft beziehen, den Gesellschaftern mitzutheilen sind, hat die Mittheilung in gleicher Weise auch an den Vertreter der Gläubiger zu erfolgen.

§ 16. Die Befugnisse und Verpflichtungen eines Vertreters, deffen Bestellung gemäß § 1189 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder auf Grund einer bei Ausgabe der Schuldverschreibungen in verbindlicher Weise ge­ troffenen Festsetzung erfolgt, werden durch die nach diesem Gesetze vor­ genommene Bestellung eines Vertreters nicht berührt. Die Rechte, welche nach den Vorschriften des § 3 und des § 7 Abs. 3 einem von der Gläubigerversammlung bestellten Vertreter hinsichtlich der Berufung der Versammlung und der Ankündigung von Gegenständen zur Beschlußfassung zustehen, können auch von einem Vertreter der im Abs. 1 bezeichneten Art geltend gemacht werden. Auf Antrag von Gläubigern, deren Schuldverschreibungen zusammen den fünften Theil des Gesammtbetrags der im Umlaufe befindlichen Schuld­ verschreibungen erreichen, kann das Gericht, wenn ein wichtiger Grund vor­ liegt, den Vertreter abberufen. Zuständig ist das im 8 4 bezeichnete Amtsgericht. Vor der Verfügung, durch welche über den Antrag ent­ schieden wird, sind soweit thunlich der Vertreter und der Schuldner zu hören. Gegen die Verfügung findet die sofortige Beschwerde statt. § 17. Die Vorschriften des § 16 finden auch auf einen Vertreter Anwendung, der für die Besitzer von Schuldverschreibungen vor dem In­ krafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Gemäßheit des bisherigen Rechtes bestellt worden ist oder nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen

XXXVI Schuldverschteibungsgesetz.

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Gesetzbuchs bis zu dem Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, tn Gemäßheit des Landesrechts durch Eintragung in das Hypothekenbuch oder ein ähnliches Buch bestellt wird. Ein solcher Vertreter steht im Sinne des § 44 Abs. 2 der Grund­ buchordnung einem nach § 1189 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestellten Vertreter gleich. Dasselbe gilt in Ansehung eines durch die Gläubiger­ versammlung bestellten Vertreters.

§ 18. Ist über das Vermögen des Schuldners der Konkurs er­ öffnet, so gelten in Ansehung der Versammlung der im 8 1 bezeichneten Gläubiger die folgenden besonderen Vorschriften. Die Versammlung wird von dem Konkursgerichte berufen und geleitet. Unverzüglich nach der Eröffnung des Konkurses ist eine Versammlung der Gläubiger zu berufen, um ilber die Bestellung eines gemeinsamen Ver­ treters im Konkursverfahren zu beschließen; die Berufung kann unterbleiben, wenn schon vorher von einer Versammlung über die Bestellung eines solchen Vertreters Beschluß gefaßt worden ist. Das Konkursgericht hat außer den Fällen des 8 3 Abs. 2 eine Versammmlung der Gläubiger zu berufen, wenn dies von dem Konkurs­ verwalter, dem Ausschüsse der Konkursgläubiger oder der Aufsichtsbehörde verlangt wird. Die Stelle, bei welcher die Gläubiger die Schuldverschreibungen zu hinterlegen haben, wird durch das Konkursgericht bestimmt. Die Vorschriften des § 5 Abs. 1, 2, des 8 11 Abs. 1, des 8 12 Abs. 3 und des 8 13 finden keine Anwendung. § 19. Werden im Konkurse die Forderungen aus den Schuld­ verschreibungen durch den von der Gläubigerversammlung bestellten Ver­ treter der Gläubiger angemeldet, so bedarf es der Beifügung der Schuld­ verschreibungen nicht. Zur Erhebung der bei einer Vertheilung auf die Schuldverschreibungen fallenden Beträge ist die Vorlegung der Schuld­ verschreibungen erforderlich; auf die Erhebung findet die Vorschrift des 8 14 Abs. 2 keine Anwendung. § 20* Die in diesem Gesetze der Gläubigerversammlung und dem Vertreter der Gläubiger eingeräumten Befugnisse können durch Fest­ setzungen in den Schuldverschreibungen nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. § 21. Wer Schuldverschreibungen, die sich im Besitze des Schuldners befinden, einem Anderen zu dem Zwecke überläßt, das Stimmrecht der Vorschrift des 8 10 Abs. 4 zuwider an Stelle des Schuldners auszuüben, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis 31t fünftausend Mark bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher die Schuldverschreibungen zu dem bezeichneten Zwecke verwendet. Sind mildernde Umstünde vorhanden, so tritt ausschließlich die Geldstrafe ein. § 22. Wer in der Bekanntmachung, die gemäß 8 2 erlassen wird, oder in der Auskunft, die gemäß 8 H Abs. 4 in der Gläubigerversammlung ertheilt wird, wissentlich unwahre Angaben über Thatsachen macht, deren

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XXXVI Schuldverschreibungsgesctz.

Mittheilung ihm nach den bezeichneten Vorschriften obliegt, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft. Wer es unterläßt, die nach § 2 ihm obliegende Bekanntmachung zu bewirken, wird mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft.

§ 23. Wer sich besondere Vortheile dafür gewähren oder ver­ sprechen läßt, daß er bei einer Abstimmung in der Gläubigerversammlung in einem gewissen Sinne stimme oder an der Abstimmung in der Gläubiger­ versammlung nicht Theil nehme, wird mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher besondere Vortheile dafür gewährt oder verspricht, daß Jemand bei einer Abstimmung in der Glüubigerversammlung in einem gewissen Sinne stimme oder an der Ab­ stimmung in der Gläubigerversammlung nicht Theil nehme. § 24. Auf Schuldverschreibungen des Reichs, eines Bundesstaats oder einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes finden die Vorschriften dieses Gesetzes keine Anwendung. Die Landesgesetze können jedoch bestimmen, daß die bezeichneten Vorschriften auch auf Schuldverschreibungen von Körper­ schaften des öffentlichen Rechtes Anwendung finden. 8 25. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über die Versammlung und Vertretung der Pfandgläubiger einer Eisenbahn oder Kleinbahn in dem zur abgesonderten Befriedigung dieser Gläubiger aus den Bestandtheilen der Bahneinheit bestimmten Verfahren. 8 26. Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetz­ buch in Kraft. Es findet auch auf die vorher ausgegebenen Schuldverschreibungen Anwendung. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei­ gedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel.

Gegeben Neues Palais, den 4. Dezember 1899.

(L S.)

Wilhelm.

XXXVII. Besetz, betreffend das Jlaggenrecbf der Kauffahrteischiffe, vvm 22 Juni 1899

(Reichsgesetzblatt 1899 S 319-325)

Wir Wilhelm, vo« Gottes Gnaden Dentscher Kaiser, König von Preußen rc. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundes­ raths und des Reichstags, was folgt:

§ L Die zum Erwerbe durch die Seefahrt bestimmten Schiffe (Kauffahrteischiffe) mit Einschluß btt Lootsen-, Hochseefischerei-, Bergungs­ und Schleppfahrzeuge haben als Nationalflagge ausschließlich die Reichs­ flagge (Artikel 55 der Reichsverfassung)') zu führen. Die Form der Reichsflagge und die Art ihrer Führung wird durch Kaiserliche Verordnung bestimmt.

§ 2. Zur Führung der Reichsflagge sind die Kauffahrteischiffe nur dann berechtigt, wenn sie im ausschließlichen Eigenthume von Reichsan­ gehorigen stehen. Den Reichsangehorigen werden gleichgeachtet offene Handelsgesell­ schaften und Kommanditgesellschaften, wenn die persönlich haftenden Gesell­ schafter sämmtlich Reichsangehörige sind; andere Handelsgesellschaften, eingetragene Genossenschaften und juristische Personen, wenn sie im Inland ihren Sitz haben, Kommanditgesellschaften auf Aktien jedoch nur dann, wenn die persönlich haftenden Gesellschafter sämmtlich Reichsangehörige sind.

§ 3. Verliert der Eigenthümer einer Schiffspart die Reichsan­ gehörigkeit oder geht eine im Eigenthum eines Reichsangehörigen stehende Schiffspart in anderer Weife als durch Veräußerung (Handelsgesetzbuch § 503) auf einen Ausländer über, so behält das Schiff noch bis zum Ablauf eines Jahres das Recht zur Führung der Reichsflagge. Sind seit dem im Abs. 1 bezeichneten Ereignisse sechs Monate ver­ strichen, so hat das Registergericht die übrigen Mitrheder auf ihren Antrag zn ermächtigen, die Schiffspart für Rechnung des Eigenthümers öffentlich versteigern zu lassen; über die Stellung des Antrags beschließen die übrigen Mitrheder nach Stimmenmehrheit; die Stimmen werden nach der Größe der Schiffsparten berechnet. Bei der Versteigerung der Schiffspart ') Dieser Artikel lautet: „Die Flagge der Kriegs- und Handelsmarine schwarz-weiß-roth."

ist

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XXXVII. Flaggengesch.

können die Antragsteller mitbieten. Der Zuschlag darf nur einem Inländer ertheilt werden. Diese Borschriften kommen nur zur Anwendung, wenn die Schiffs­ parten der übrigen Mitrheder wenigstens zwei Drittheile des Schiffes umfaffen.

§ 4. Für die zur Führung der Reichsflagge befugten Kauffahrtei­ schiffe sind in den an der See oder an Seeschiffahrtsstraßen belegenen Gebieten Schiffsregister zu führen. Die Schiffsregister werden von den Amtsgerichten geführt. Durch Anordnung der Landesjustizverwaltung kann die Führung des Registers für mehrere Amtsgerichtsbezirke einem Amtsgericht übertragen werden. § 5« Das Schiffsregister ist öffentlich ; die Einsicht desselben ist Jedem gestattet. Bon den Eintragungen können gegen Erlegung der Kosten Abschriften gefordert werden, die auf Verlangen zu beglaubigen sind. § 6. Ein Schiff kann nur in das Schiffsregister des Hafens ein­ getragen werden, von welchem aus, als dem Heimathshafen, die Seefahrt mit dem Schiffe betrieben werden soll. Soll die Seefahrt von einem ausländischen Hafen oder von einem Hafen eines Schutzgebiets oder eines Konsulargerichtsbezirkes aus betrieben werden oder fehlt es an einem bestimmten Heimathshafen, so steht dem Rheder die Wahl des inländischen Registers frei. Hat der Rheder weder seinen Wohnsitz nach seine gewerbliche Niederlassung im Bezirke des Registergerichts, so ist er verpflichtet, einen im Bezirke des Negistergerichts wohnhaften Vertreter zu bestellen, welcher die nach diesem Gesetze für den Rheder begründeten Rechte und Pflichten gegenüber dem Registergerichte wahrzunehmen hat. Die Verpflichtung zur Bestellung eines Vertreters fällt weg, wenn das Registergericht seinen Sitz und der Rheder seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung im Reichsgebiete hat. § 7. Die Eintragung in das Schiffsregister hat zu enthalten: 1. den Namen und die Gattung des Schiffes sowie das Unterscheidungs­ signal; 2. die Ergebnisse der amtlichen Vermessung; 3. die Zeit und den Ort der Erbauung, soweit sie festzustellen sind; 4. den Heimathshafen; 5. den Namen und die nähere Bezeichnung des Rheders; bei einer Rhederei den Namen und die nähere Bezeichnung sämmt­ licher Mitrheder und des Korrespondentrheders sowie die Größe der den einzelnen Mitrhedern gehörenden Schiffsparten; bei Handelsgesellschaften, eingetragenen Genossenschaften und juristi­ schen Personen die Firma oder den Namen und den Ort, an welchem sie ihren Sitz haben, bei offenen Handelsgesellschaften außerdem den Namen und die nähere Bezeichnung sämmtlicher Gesellschafter, bei Kommanditgesellschaften und Kommandit­ gesellschaften auf Aktien den Namen und die nähere Bezeichnung sämmtlicher persönlich haftender Gesellschafter; 6. die Angabe, daß in Ansehung der Reichsangehörigkeit der Betheiligtcu die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind;

XXXVII. Flaggengeseh.

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7. den Rechtsgrund, auf welchem die Erwerbung des Schiffes oder der, einzelnen Schiffsparten beruht; 8. den Tag der Eintragung; 9. die Ordnungsnummer, unter der das Schiff eingetragen ist. § 8. Die Eintragung in das Schiffsregister darf erst geschehen, nachdem das Recht des Schiffes zur Führung der Reichsflagge sowie alle im 8 7 bezeichneten Thatsachen und Rechtsverhältnisse glaubhaft gemacht sind. Solange die amtliche Vermessung im Inlands noch nicht hat statt­ finden können, dürfen die Ergebnisse der Vermeffung auf Grund der Vermessungsurkunde einer ausländischen Behörde oder eines sonstigen glaubhaften Nachweises eingetragen werden. § 9. Ist der Rheder zugleich Angehöriger eines fremden Staates, so hat er auf Verlangen des Registergerichts glaubhaft zu machen, daß das Schiff nicht in ein Schiffsregister dieses Staates eingetragen ist. Wird sestgestellt, daß eine solche Eintragung besteht, so darf das Schiff nicht in ein inländisches Schiffsregister eingetragen werden.

§ 10. Ueber die Eintragung des Schiffes in das Schiffsregister wird von dem Registergericht eine mit dem Inhalte der Eintragung über­ einstimmende Urkunde (Schiffs-Certi fikat) ausgestellt. Das Schiffs-Certifikat hat außerdem zu bezeugen, daß die nach § 8 erforderlichen Nachweise geführt sind und daß das Schiff zur Führung der Reichsflagge befugt ist. § 11. Durch das Schiffs-Certifilat wird das Recht des Schiffes zur Führung der Reichsflagge nachgewiesen. Das Recht zur Führung der Reichsflagge darf vor der Ertheilung des Schiffs-Certifikats nicht ausgeübt werden. Das Schiffs-Certifikat oder ein von bcui Negistergerichte beglaubigter Auszug aus dem Certifikat ist während der Reise stets an Bord des Schiffes mitzuführen. § 12. Erlangt ein im Auslande befindliches Schiff dadurch, daß es in das Eigenthum eines Reichsangehörigen gelangt, das Recht zur Führung der Reichsflagge, so kann das Schiffs-Certifikat durch eine Be­ scheinigung ersetzt werden, die der Konsul, in deffen Bezirke das Schiff sich zur Zeit des Eigenthumsüberganzes befindet, über das Recht zur Führung der Reichsflagge ertheilt (Flaggenzeugniß). Das Flaggenzeugniß hat nur für die Dauer eines Jahres seit dem Tage der Ausstellung, darüber hinaus nur für die Dauer einer durch höhere Gewalt verlängerten Reise Gültigkeit. Ein Flaggenzeugniß kann auch behufs der ersten Ueberführung eines neuen Schiffes in einen anderen Hafen von dem Registergerichte des deutschen Erbauungshafens ausgestellt werden. Dieses Zeugniß hat nur für die Dauer der Ueberführung Gültigkeit. Von der Ausstellung des Flaggenzeugnisses hat die ausstellende Be­ hörde, wenn ein deutscher Hafen zum Heinmthshafen des Schiffes bestimmt ist, dem Registergerichte dieses Hafens Anzeige zu machen.

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XXXVII Flaggengesch

§ 13. Treten in den eingetragenen Thatsachen oder Rechtsver­ hältnissen Veränderungen ein, so sind sie in das Schiffsregister einzu­ tragen. Jede Eintragung ist baldthunlichst auf dem Schiffs-Certifikate zu vermerken. Die Aenderung des Namens des Schiffes bedarf der Ge­ nehmigung des Reichslanzlers. Geht das Schiff unter oder wird es als reparaturunfähig kondemnirt oder verliert es das Recht zur Führung der Reichsflagge, so ist es in dem Schiffsregister zu löschen und das Schiffs-Certifikat von dem Register­ gericht unbrauchbar zu machen. Das Gleiche gilt, wenn der Rheder zugleich Angehöriger eines fremden Staates ist, und sich ergiebt, daß das Schiff in ein Schiffsregister dieses Staates eingetragen ist. Im Falle der Verlegung des Heimathshafens aus dem Register­ bezirke hat das Regiflergericht nach Vollziehung der Eintragung das Schiffs-Certifikat mit einer beglaubigten Abschrift des Rcgisterinhalts dem neuen Registergerichte zur Bewirkung der Eintragung zu übersenden. § 14. Die Thatsachen und Rechtsverhältnisse, welche gemäß § 13 eine Eintragung oder die Löschung im Schiffsregister erforderlich machen, sind dem Registergericht anzuzeigen und glaubhaft zu machen. Verpflichtet hierzu sind: alle Personen, deren Namen nach § 7 Nr. 5 in das Schiffs­ register einzutragen sind, bei juristischen Personen, eingetragenen Genossenschaften und solchen Handelsgesellschaften, welche keine persönlich haftenden Gesell­ schafter haben, die gesetzlichen Vertreter, in dem Falle des § 6 Abs. 2 Satz 2 statt des Rheders dessen Vertreter, in dem Falle eines Eigenthumswechsels, durch den das Recht des Schiffes zur Führung der Reichsflagge nicht berührt wird, auch der neue Erwerber des Schiffes oder der Schiffspart. Die Anzeige ist von dem Verpflichteten binnen sechs Wochen nach dem Ablaufe des Tages zu bewirken, an welchem er von der einzutragen­ den Thatsache Kenntniß erlangt hat. Sind mehrere Verpflichtete vorhanden, so genügt die Anzeige durch einen von ihnen. § 15. Ist eine Eintragung oder die Löschung im Schiffsregister erforderlich, so ist das Schiffs-Certifikat, und wenn der Inhalt eines von dem Registergericht ertheilten Auszugs aus dem Schiffs-Certifikate berührt wird, auch dieser dem Gericht einzureichen. Zur Einreichung verpflichtet ist außer den int § 14 bezeichneten Personen auch der Schiffer, sobald sich das Schiff in dem Hafen befindet, in dessen Register es eingetragen ist. Das Gericht hat die Betheiligten zur Einreichung der Urkunden durch Ordnungsstrafen anzuhalten. Auf das Verfahren finden die Vorschriften der §§ 132 bis 139 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Reichs-Gesetzbl. 1898 S. 771) entsprechende Anwendung. Befindet sich das Schiff im Auslande, so hat auf Antrag das Registergericht ein neues Schiffs-Certifikat auszustcllen und es dem Schiffer gegen Rückgabe der nach Abs. 1 einzureichcnden Urkunden durch Vermitte­ lung einer deutschen Behörde aushändigen zu lassen.

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XXXVII Flaggmgesetz.

§ 16. Schiffe von nicht mehr als 50 Kubikmeter Brutto-Raumgehalt sind auch ohne Eintragung in das Schiffsregister und Ertheilung des Schiffs-Certifikats befugt, das Recht zur Führung der Reichsflagge auszuüben.

8 17. Ein in das Schiffsregister eingetragenes Schiff muß seinen Namen an jeder Seite des Bugs und seinen Namen sowie den Namen des Heimathshafens am Heck in gut sichtbaren und fest angebrachten Schriftzeichen führen. § 18. Führt ein Schiff die Reichsflagge, ohne hierzu nach den Vorschriften der §§ 2, 3 berechtigt zu sein, so wird der Schiffer mit Geld­ strafe bis zu fünfzehnhundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Auch kann auf Einziehung des Schiffes erkannt werden, ohne Unterschied, ob es dem Verurtheilten gehört oder nicht; der § 42 des Strafgesetzbuchs findet entsprechende Anwendung. K 19. Führt ein Schiff den Vorschriften der §§ 11, 12 zuwider die Reichsflagge, so wird der Schiffer mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Haft bestraft.

8 26. Wer die ihm nach § 14 obliegende Verpflichtung nicht erfüllt, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Haft bestraft. Wer gemäß Abs. 1 verurtheilt ist und seiner Verpflichtung nicht binnen sechs Wochen nach dem Eintritte der Rechtskraft des Urtheils ge­ nügt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Monaten bestraft. Die gleiche Strafe tritt ein, wenn im Falle einer weiteren Verurtheilung die Verpflichtung nicht binnen der bezeich­ neten Frist erfüllt wird. 8 21. Befindet sich der Vorschrift des § 11 Abs. 3 zuwider weder das Schiffs-Certifikat noch ein beglaubigter Auszug aus dem Certifikat an Bord des Schiffes oder ist das Schiff nicht gemäß § 17 bezeichnet, so wird der Schiffer mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig Mark oder mit Haft bestraft. 8 22. Werden die von dem Kaiser erlassenen Bestimmungen über die Verpflichtung der Kauffahrteischiffe, die Flagge vor Kriegsschiffen und Küstenbefestigungen oder bei dem Einlaufen in deutsche Häfen zu zeigen, nicht beobachtet, so wird der Schiffer mit Geldstrafe bis zu einhundertund­ fünfzig Mark oder mit Haft bestraft. 8 23. Straflos bleibt in den Fällen der §§ 18 bis 22 derjenige, bezüglich dessen festgestellt wird, daß die Handlung oder Unterlaffung ohne sein Verschulden erfolgt ist. 8 24. Die in den §§ 18, 19, 21 bezeichneten Handlungen sind auch dann strafbar, wenn sie im Ausland oder auf offener See begangen werden. Das Gleiche gilt von Zuwiderhandlungen gegen die im § 22 vor­ gesehenen Bestimmungen, sofern die Zuwiderhandlung auf einem deutschen Kauffahrteischiff erfolgt. Bürgerlich«» Gesetzbuch und Nebengesetze.

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XXXVII Flaggengesetz.

§ 25» Der Bundesrath bestimmt: 1. die Grenzen der Seefahrt im Sinne dieses Gesetzes (§ 1), 2. den Umfang, in welchem die Ergebnisse der amtlichen Vermessung in das Schiffsregister einzutragen sind (§ 7 Nr. 2), 3. die Einrichtung des Schiffs-Certifikats (§ 10), des beglaubigten Aus­ zugs aus dem Schiffs-Certifikat (§ 11) und der Flaggenzeugnisse (§ 12), 4. die Art, wie die Anbringung der Namen am Schiffe auszuführen ist (8 17). § 26. Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auch Anwendung auf seegehende Lustyachten und solche Seefahrzeuge, welche für Rechnung von auswärtigen Staaten oder deren Angehörigen im Inland erbaut sind. Machen solche Fahrzeuge von dem Rechte zur Führung der Reichsflagge Gebrauch, so unterliegen sie den für Kauffahrteischiffe geltenden Vorschriften. Durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesraths kann bestimmt werden, daß die Vorschriften dieses Gesetzes auch auf Binnenschiffe, die ausschließlich auf ausländischen Gewässern verkehren, Anwendung finden. Die Schiffsregister für solche Schiffe werden bei den durch den Reichskanzler bestimmten deutschen Konsulaten geführt?) K 27. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen die Schiffsregister von anderen Behörden als den Gerichten ge­ führt werden. K 28. Unberührt bleiben die Vorschriften des § 7 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete (Reichs-Gesetzbl. 1888 S. 75).

K 29. Soweit tn anderen Gesetzen auf Vorschriften des Gesetzes, betreffend die Nationalität der Kauffahrteischiffe und ihre Befugniß zur Führung der Bundesflagge, vom 25. Oktober 1867 verwiesen ist, treten die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes an deren Stelle. Der 8 74 Nr. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (Reichs-Gesetzbl. 1898 S. 371) wird aufgehoben.

§ 30.

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1900 in Kraft.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel.

Gegeben Kiel an Bord M. D. „Hohenzollern", den 22. Juni 1899.

(L 8.)

Wilhelm. Graf von Posadowsky.

*) Die Verordnung vom 1. Marz 1900, betreffend das Flaggenrecht deutscher Binnenschiffe, die ausschließlich auf ausländischen Gewässern verkehren, R.G.BI. S. 41, bestimmt: § 1. Die Vorschriften des Gesetzes, betreffend das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe, vom 22. Juni 1899 (Reichs-Gesetzbl. S. 319) finden auf Binnenschiffe, welche aus­ schließlich auf der unteren Donau oder in Ostasien auf dem Westflusse (Si-kiang), dem Dangtze-kiang und dem Pai-Ho sowie auf deren Zu- und Nebenflüssen verkehren, Anwendung. § 2. Ueber die Einrichtung der Schiffsregister und deren Führung bei den von ihm bezeichneten Konsulaten hat der Reichskanzler nähere Bestimmungen zu treffen.

XXXVIII. Echtz, das UMWÄMM lettchrad, «am 15. Kim 1898. (Gesetz- und Verordnungsblatt 1898 Nr 29 S. 301 bis 307.*)

Im Namen Seiner Majestät des Königs.

Lltitpvld, von Gottes

Gnaden Königlicher Prinz von Bayern, Regent. Wir haben nach Vernehmung des Staatsrathes mit Beirath und Zustimmung der Kammer der Reichsräthe und der Kammer der Abge­ ordneten und in Ansehung der Artikel 14 bis 16, 18 unter Beobachtung der in Tit. X 8 7 der Verfassungsurkunde vorgeschriebenen Formen beschlossen und verordnen, was folgt:

Art. 1. Wird eine Theilflöche eines Grundstücks, das mit Hypo­ theken, Grundschulden, Rentenschulden oder Reallasten belastet ist, veräußert, so wird das Trennstück ohne Einwilligung der Berechtigten von den Be­ lastungen frei, wenn von dem Amtsgerichte, bei welchem das Grundbuch für das Grundstück geführt wird, festgestellt ist, daß die Veräußerung für die Berechtigten unschädlich ist. Art. 2. Die Feststellung der Unschädlichkeit darf nut erfolgen, wenn die durch die Veräußerung des Trennstücks entstehende Minderung des Um­ fanges und des Werthes des Grundstücks im Verhältnisse zu dem Umfang und dem Werthe des übrigen Theiles eine geringe ist; sie ist davon ab­ hängig zu machen, daß die Werthminderung in Geld oder durch ein anderes Grundstück ausgeglichen wird. Erstreckt sich die Belastung auf andere Grundstücke, so gelten diese im Verhältnisse zu dem Trennstücke mit dem übrigen Theile des Grundstücks zusammen als ein Grundstück. Wird das Trennstück zu einem öffentlichen Zwecke unentgeltlich abgegetreten, so wird auf die Werthminderung die Wertherhöhung angerechnet, die sich aus der dem öffentlichen Zwecke dienenden Anlage ergiebt. Die Ausgleichung der Werthminderung ist nicht erforderlich, wenn diese den Betrag von fünfzig Mark nicht übersteigt. Art. 3. Soweit die Ausgleichung der Werthminderung in Geld erfolgt, muß der erforderliche Betrag zur Vertheilung unter die Berechtigten bei der Hinterlegungsstelle des Gerichtsbezirkes hinterlegt werden. Die Hinterlegung hat mit der Bestimmung zu geschehen, daß zur Rücknahme die Ermächtigung des Amtsgerichts erforderlich ist. *) Ausgegeben am 18. Juni 1898.

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XXXVIII. Gesetz, das Unschädlichkeitszeugniß betreffend.

Soweit die Ausgleichung durch ein anderes Grundstück erfolgt, müfsen die Rechte der Berechtigten aus dieses erstreckt werden. Im Falle der unentgeltlichen Abtretung zu einem öffentlichen Zwecke muß mit der Ausführung der den Werth des Grundstücks erhöhenden Anlage begonnen sein.

Art. 4. Zu dem Antrag auf Feststellung der Unschädlichkeit ist der Eigenthümer des Grundstücks berechtigt. Der Antragsteller hat 1. das Grundstück zu bezeichnen und einen von der Meffnngsbehörde angefertigten Plan, in welchem das Trennstück ersichtlich gemacht ist, sowie den amtlichen Nachweis der Größe des Grundstücks und des Trennstücks vorzulegen; 2. den Betrag der durch die Veräußerung des Trennstücks entstehenden Werthminderung unter Vorlage der vorhandenen Belege anzugeben; 3. zu erklären, in welcher Weise die Werthminderung, soweit erforderlich, ausgeglichen werden soll, und im Falle der Ausgleichung durch ein anderes Grundstück dieses zu bezeichnen und dessen Belastung anzugeben. Im Falle des Artikel 2 Abs. 2 ist die auf die Werthminderung anzu­ rechnende Wertherhöhung unter Vorlage der vorhandenen Belege anzugeben und glaubhaft zu machen, daß mit der Ausführung der Anlage begonnen ist.

Art. 5. Das Amtsgericht hat nach Vornahme der erforderlichen Ermittelungen über den Antrag Beschluß zu fassen. Der Beschluß, durch welchen die Unschädlichkeit festgestellt wird (Unschädlichkeitszeugniß), hat, soweit die Ausgleichung der Werthminderung in Geld erfolgen soll, die Angabe des zu hinterlegenden Betrags, soweit sie durch ein Grundstück erfolgen soll, die Bezeichnung des Grundstücks und die Angabe der Belastungen zu enthalten, welche den auf das Grund­ stück zu erstreckenden Rechten im Range vorgehen dürfen. Die Angabe von Grunddienstbarkeiten, die nach Artikel 187 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch« der Eintragung nicht bedürfen, ist nicht erforderlich. Im Falle des Artikel 3 Abs. 3 ist anzugeben, daß mit der Aus­ führung der Anlage begonnen ist. Art. 6. Das Unschädlichkeitszeugniß kann außer dem Falle des Artikel 2 Abs. 3 ohne Ausgleichung der Werthminderung ertheilt werden, wenn die Berechtigten von dem Amtsgericht aufgefordert worden sind, innerhalb einer Frist von einem Monate zu erklären, ob sie auf der Aus­ gleichung bestehen, und nicht vor dem Ablaufe der Frist erklärt haben, daß sie die Ausgleichung verlangen. Berechtigte, die nicht im Grundbuch eingetragen sind, werden nur berücksichtigt, wenn sie Erben eines eingetragenen Berechtigten find oder wenn ihre Rechte angemeldet und auf Verlangen des Amtsgerichts glaubhaft gemacht find.

Art. 7. Wird die gerichtliche Aufforderung der Berechtigten be­ antragt, so kann sich der Antragsteller die Erklärung darüber, in welcher Weise die Werthminderung ausgeglichen werden soll, vorbehalten, bis einer der Berechtigten die Ausgleichung verlangt hat.

XXXVIII. Gesetz, das Unschädlichkeitszeugniß betreffend.

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Die Aufforderung muß die Mittheilung, daß die Feststellung der Unschädlichkeit bevorsteht, die Angabe der Größe des Trennstücks und des Betrags der Werthminderung enthalten; als Rechtsnachtheil ist den Be­ rechtigten anzudrohen, daß die Unschädlichkeit ihnen gegenüber ohne Aus­ gleichung der Werthminderung festgestellt werden würde. Ist die Mittheilung an einen Berechtigten nicht thunlich, so ist die an ihn zu richtende Aufforderung an die Gerichtstafel anzuhesten und einn'al in das für die Bekanntmachungen des Amtsgerichts bestimmte Blatt einzurücken. Das Gleiche gilt, wenn ein Berechtigter gestorben und der Erbe dem Amtsgerichte nicht bekannt ist. Die Erklärungsfrist beginnt mit dem Wlaufe von zwei Wochen seit der Einrückung. In dem Unschädlichkeitszeugnisse sind die Berechtigten zu bezeichnen, denen gegenüber die Ausgleichung der Werthminderung nicht erforderlich ist.

Art. 8. Die Feststellung der Unschädlichkeit kann nicht im Wege der Beschwerde angefochten werden. Art. 9. Die Wirksamkeit des Unschädlichkeitszeugnisses tritt in den Fällm deS Artikel 5 Abs. 2 nicht vor der Hinterlegung oder der Er­ streckung der Rechte auf das andere Grundstück ein. Im Falle des Artikel 6 ist das Unschädlichkeitszeugniß nur wirksam, wenn die Unschädlichkeit ohne Ausgleichung gegenüber allm Berechtigten festgestellt ist, welche zur Zeit der lastenfreien Abschreibung des Trennstücks im Grundbuch eingetragen sind.

Art. 10. Wird das Trennstück von einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld befreit, so ist zur lastenfreien Abschreibung des Trenn­ stücks die Vorlegung des Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuldbriefs und bei einer Hypothek für die Forderung aus einer Schuldverschreibung auf den Inhaber, aus einem Wechsel oder einem anderen Papiere, das durch Indossament übertragen werden kann, die Vorlegung der Urkunde nicht erforderlich. Art. 11. Ist ein Geldbetrag zur Vertheilung unter die Berech­ tigten hinterlegt, so hat das Amtsgericht diesen die Hinterlegung mit der Auffyrderung mitzutheilen, innerhalb einer Frist von einem Monate zu erklären, ob sie auf der Vertheilung des hinterlegten Betrags bestehen; als Rechtsnachtheil ist den Berechtigten anzudrohen, daß die Unterlassung der Erklärung als Verzicht auf die Rechte an dem hinterlegten Betrag ange­ sehen werden würde. Die Vorschriften des Artikel 6 Abs. 2, des Artikel 7 Abs. 3 und des Artikel 9 Abs. 2 finden Anwendung. Wird die Vertheilung nicht verlangt, so ist der Eigenthümer zur Rücknahme des hinterlegten Betrags zu ermächtigen. Ist die im Artikel 6 bestimmte Aufforderung erfolgt, die Un­ schädlichkeit aber vor dem Ablaufe der Erklärungsfrist festgestellt worden, so gilt der Ablauf der Erklärungsfrist als Verzicht auf die Rechte an dem hinterlegten Betrage, wenn nicht der Berechtigte vorher erklärt, daß er auf der Ausgleichung der Werthminderung bestehe.

Art. 12. Der zu vertheilende Betrag tritt für die Berechtigten an die Stelle des Trennstücks.

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XXXVIII. Gesetz, das UnschädlichkeitSzeugniß betreffend.

Auf die Dertheilung des hinterlegten Betrags unter die Berechtigten finden die für die Vertheilung des Erlöses im Falle der Zwangsversteigerung von Grundstücken geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Die Der­ theilung ist erst zulässig, wenn die lastenfreie Abschreibung des Trennstücks im Grundbuch erfolgt ist.

Akt. 13. Ist das Grundstück mit einem Vorkaufsrechte belastet, daS sich nicht auf den Fall der ersten Veräußerung beschränkt, so finden auf die Befreiung des Trennstücks von dem Vorkaufsrechte die Vorschriften der Artikel 1 bis 9 entsprechende Anwendung. Die Ausgleichung der Werth­ minderung in Geld ist ausgeschlossen. Erfolgt die Veräußerung des Trennstücks im Wege des Verkaufs, so darf die Unschädlichkeit erst festgestellt werden, wenn der Berechtigte von dem ihm für diesen Veräußerungsfall zustehenden Vorkaufsrechte keinen Gebrauch macht. Art. 14. Bei Familienfideikommissen, landwirtschaftlichen Erbgütem, Lehen und allodifizirten Lehen finden die Vorschriften der Artikel 1 bis 5, 8 und des Artikel 9 Abs. 1 auf die Befreiung des Trennstücks von den Rechten der Anwärter oder der Anerben entsprechende Anwendung. Fideikommißschulden stehen den Hypotheken gleich. Für die Veräußemng eines einzelnen Grundstücks gilt das Gleiche, wie für die Veräußemng eines Trennstücks. Zur Ausgleichung der Werthmindemng kann gegenüber den Anwärtern oder den Anerben und den Fideikommißgläubigern auch die Forderung auf den Kaufpreis dienen, wenn das veräußerte Trennstück an erster Stelle hinter den zur Zeit der Veräußerung bestehenden Belastungen mit einer Hypothek für die Forderung belastet ist. Auf die Forderung oder den zu hinterlegenden Geldbetrag sind die von der Abtrennung betroffenen Rechte zu erstrecken. Bei Familienfideikommissen ist zur Feststellung der Unschädlichkeit das Fideikommißgericht zuständig.

Art. 15. Die Vorschriften der Artikel 1 bis 14 finden auf die Aufhebung eines dem jeweiligen Eigenthümer des Grundstücks an einem anderen Gmndstücke zustehenden Rechtes entsprechende Anwendung. Art. 16. Die Vorschriften der Artikel 1 bis 15 gelten auch für Verfügungen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erfolgt sind. Art. 17. Soll zum Ersatz eines abgebrannten Gebäudes auf einem anderen Grundstück ein Gebäude errichtet werden, so wird die Entschädi­ gungssumme von den Rechten der Hypotheken-, Grundschuld- und Renten­ schuldgläubiger ohne Einwilligung der Gläubiger stet, wenn von dem Amtsgerichte, bei welchem das Grundbuch für das belastete Gmndstück geführt wird, festgestellt ist, daß der Wiederaufbau auf dem anderen Gmndstücke für die Gläubiger unschädlich ist. Die Feststellung der Unschädlichkeit darf nur erfolgen, wenn die Rechte der Gläubiger in der bestehenden Rangordnung sich auf das andere Gmndstück erstrecken oder auf dieses erstreckt werden. Ist das Grundstück mit Rechten belastet, welche den Rechten der Gläubiger im Range vorgehen,

XXXV111. Gesetz, das Unschädlichkeitszeugniß betreffend.

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so darf die Feststellung erfolgen, wenn die vorgehenden Belastungen durch den Werth, den das Grundstück als Baustelle hat, offenbar gedeckt werden. Die Borschriften des Artikel 4 Abs. 1, 2, des Artikel 5 Abs. 1, 2, des Artikel 8 und des Artikel 9 Abs. 1 finden entsprechende Anwendung.

Art. 18. Der Anspruch auf die Entschädigung für die im öffent­ lichen Interesse erfolgende Entziehung, Beschädigung oder Benützung eines Gmndstücks, der Theilfläche eines solchen oder eines Zubehörstücks, Be­ schränkung des Eigenthums oder Entziehung oder Beschränkung eines Rechtes der im Artikel 15 bezeichneten Art wird von den Rechten Dritter frei, wenn von dem im Artikel 1 und Artikel 14 Abs. 4 bezeichneten Gerichte festgestellt ist, daß die Befreiung für die Berechtigten unschädlich ist. Die Befreiung des Anspruchs steht der Aufhebung eines Rechtes der im Artikel 15 bezeichneten Art gleich. Art. 19. Bis zu dem Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch als an­ gelegt anzusehen ist, ist für die Feststellung der Unschädlichkeit in den Landestheilen rechts des Rheins, unbeschadet der Vorschrift des Artikel 14 Abs. 4, das Amtsgericht, bei welchem das Hypothekenbuch für das Grundstück geführt wird, in der Pfalz das Amtsgericht, in dessen Bezirke das Grundstück belegen ist, zuständig. Soweit es nach Artikel 6 Abs. 2, Artikel 9 Abs. 2 und Artikel 12 Abs. 2 Satz 2 auf Eintragungen im Grundbuch ankommt, treten in den Landestheilen rechts des Rheins an deren Stelle die enffprechenden Ein­ tragungen im Hypothekenbuch. In der Pfalz gelten als Hypotheken auch die Vorzugsrechte und als eingetragene Rechte diejenigen, welche im Hypothekenregister eingeschrieben sind. Der Antragsteller hat einen Hypothekenauszug vorzulegen; die Er­ gänzung des Auszugs ist erforderlichen Falles durch das Amtsgericht zu veranlassen. Die Ausgleichung der Werthminderung durch ein anderes Grundstück findet nicht statt. Das Unschädlichkeitszeugniß ersetzt die Be­ willigung der Berechtigten zu der Löschung ihrer Rechte an dem Trenn­ stücke. Die Vorschriften des Artikel 9 Abs. 2, des Artikel 12 Abs. 2 Satz 2 und des Artikel 17 bleiben außer Anwendung. Besteht wegen einer durch ein Vorzugsrecht gesicherten Forderung auch ein Auflösungsrecht, so erlischt in Ansehung des Trennstücks mit deffen Befreiung von dem Vorzugsrecht auch das Auflösungsrecht. Art. 20. Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung auf die Bodenzinse, für welche die Vorschriften des Artikel 15 des Gesetzes vom 28. April 1872, die Grundentlastung betreffend, gelten. Art. 21. Für die Entscheidung, einschließlich des Verfahrens, über Anträge auf Feststellung der Unschädlichkeit werden drei Zehntheile der Sätze des § 8 des Reichs-Gerichtkostengesetzes bis zum Meistbetrage von zwanzig Mark erhoben. Erfolgt die Veräußerung oder die Aufhebung eines Rechtes unent­ geltlich zu einem öffentlichen Zwecke, so kommt die im Abs. 1 bestimmte Gebühr nicht in Ansatz.

1130 XXXIX. Gesetz, die Vorbereitung der Anlegung des Grundbuchs k b clr

Für das Dertheilungsverfahren nach Artikel 12 gelten in Ansehung der Gebühren und Auslagen dieselben Vorschriften wie für das Vertheilungsverfahren im Falle der Zwangsenteignung. Gegeben zu München, den 15. Juni 1898.

Luitpold, Prinz von Bayern, des Königreichs Bayern Verweser. Dr Frhr. v. Crailsheim. Dr. Frhr. v. Riedel. Frhr. v. Feilitzsch. Dr. Frhr. v. Leonrod. Frhr. v. Asch. Dr v. Laudmanu. Auf Allerhöchsten Befehl: Der Oberregierungsrath im k. Staatsministerium des Innern:

Dr Proebst.

XXXIX. Gesetz, die Borbereitung -er Anlegung -es Grundbuchs in den Landestheilen rechts -es Wins betreffend, vom 18. znni 1898. (Gesetz- und Verordnungsblatt 1898 Nr. 36 S. 367 bis 370.

3m Namen Seiner Majestät des Königs.

Luitpold, von Gottes

Gnaden Königlicher Prinz von Bayern, Regent.

Wir haben nach Vernehmung des Staatsraths mit Beirath und Zustimmung der Kammer der Reichsräthe und der Kammer der Ab­ geordneten beschlossen und verordnen, was folgt:

I. Eintragung der bisher foliensreien Grundstücke in das Hypothekenbuch. Art. 1. Die Grundstücke, für welche im Hypothekenbuch ein Folium nicht angelegt ist, werden von Amtswegen in das Hypothekenbuch ein­ getragen.

Art. 2. Durch Königliche Verordnung wird bestimmt, auf welche der im § 90 der Grundbuchordnung bezeichneten Grundstücke die Vor­ schrift des Artikel 1 keine Anwendung findet. ‘) Ausgegeben am 8 Juli 1898.

XXXIX Gesetz, di« Vorbereitung der Anlegung des Grundbuchs rc betr. 1131

Art. 3. Das Verfahren, in welchem die Eintragung erfolgt, wird durch Königliche Verordnung bestimmt. Die Gemeindebehörden können zur Mitwirkung in dem Verfahren herangezogen werden.

n.

Münchener Grundbuch.

Art. 4. Das bei dem Amtsgerichte München I geführte Hypotheken­ buch gilt von dem Inkrafttreten dieses Gesetzes an als Grundbuch im Sinne der Münchener Grundbuchordnungen. Von dieser Zeit an werden nur noch solche Eintragungen in das Münchener Grundbuch vorgenommen, welche Löschungen oder Veränderungen der eingetragenen Grunddienstbarkeiten oder Ewiggelder betreffen. Ist eines der im Artikel 2 bezeichneten Grundstücke im Grundbuch, aber nicht im Hypothekenbuch eingetragen, so wird es in dieses von Amtswegen eingetragen, sofern nicht der im Grundbuch eingetragene Eigen­ thümer beantragt, die Eintragung zu unterlassen. UI. Gesammthypotheken.

Art. 5. Besteht für dieselbe Forderung eine Hypothek an mehreren Grundstücken (Gesammthypothek), so kann der Gläubiger die Befriedigung nach seinem Belieben aus jedem Grundstücke ganz oder zu einem Theile suchen. Im Falle der Zwangsversteigerung kann der Gläubiger im Vertheilungsverfahren dieses Recht nur unbeschadet der durch das geringste Gebot gedeckten Rechte ausüben. Der Gläubiger ist berechtigt, den Betrag der Forderung auf die einzelnen Grundstücke in der Weise zu verthcilen, daß jedes Grundstück nur für den zugetheilten Betrag haftet. Art. 6. Zur Theilung eines mit einer Hypothek belasteten Grund­ stücks ist die Einwilligung des Gläubigers nicht erforderlich. Das Gleiche gilt für die Trennung von Grundstücken, welche auf einem Folium des Hypothekenbuchs^vorgetragen sind. Die Hypothek besteht als Gesammthypothek fort. Eine Vereinbarung, durch welche der Eigenthümer zu Gunsten des Hypothekgläubigers in der Befugniß zur Vornahme einer der im Abs. 1 bezeichneten Verfügungen beschränkt oder verpflichtet wird, die Verfügung nicht ohne Einwilligung des Gläubigers vorzunehmen, ist nichtig.

Art. 7. Die Vorschriften der Artikel 5 und 6 Igelten auch für die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingetragenen Hypotheken, für die vor diesem Zeitpunkt erfolgten Theilungen und Trennungen von Grundstücken, sowie für die vor diesem Zeitpunkte getroffenen Vereinbarungen der im Artikel 6 Abs. 3 bezeichneten Art. Art. 8. Auf ein Realrecht, das Gegenstand einer Hypothek fein kann, finden die Vorschriften der Artikel 5 bis 7 entsprechende Anwendung.

1132 XXXIX. Gesetz, die Vorbereitung der Anlegung des Grundbuchs rc betr.

Art. S. Die 88 39 und 40 des Hypothekengesetzes vom 1. Juni 1822 sowie der Artikel 12 und die Vorschrift im Artikel 26 Nr. 2 des Gesetzes vom 29. Mai 1886, Aenderungen der Bestimmungen über die Zwangsvollstreckung in das unbeweglicheBermögen betreffend, sind aufgehoben.

IV. Schlußbestimmimgen.

Art. 10. Das Hypothekenarnt ist zuständig, Erklärungen, Eintrag­ ungsbewilligungen und Verträge, die durch die Anlegung des Grundbuchs veranlaßt werden, zu beurkunden. Der Beiziehung eines Gerichtsschreibers bedarf es nicht. Das Staatsministerium der Justiz kann auch geprüfte Rechtspraktikanten mit der Beurkundung betrauen. Diese Vorschriften gelten im Falle der Rechtshilfe auch für das ersuchte Gericht. Art. 11. Die Notare haben den Gerichten auf Ersuchen die Urschriften, ihrer Urkunden zu übersenden oder über deren Inhalt Auskunft zu geben. Im Falle der Uebersendung der Urschrift ist die Zurückbehaltung einer Abschrift nicht erforderlich. Für die Erledigung eines nach Abs. 1 gestellten Ersuchens kann eine Gebühr nicht beansprucht werden. Art. 12. Das Verfahren zur Vorbereitung der Anlegung des Grundbuchs einschließlich der im Artikel 10 Abs. 1 bezeichneten Beurkundung ist gebührenfrei. Die baaren Auslagen werden auf die Staatskasse übernommen.

Art. 13. Das Staatsministerium der Finanzen kann gestatten, daß die Umschreibung im Grundsteuerkataster, im Hypothekenbuch und im Münchener Grundbuch vor der Entrichtung oder Hinterlegung der Staats­ gebühren vorgenommen wird. Art. 14. Ueber die Einrichtung des Hypothekenbuchs kann das Staatsministerium der Justiz von den Bestimmungen des Hypothekengesetzes abweichende Anordnungen treffen. Gegeben zu München, den 18. Juni 1898.

ßttityolb,

Prinz von Bayern, des Königreichs Bayern Verweser.

Dr. Frhr. v. Crailsheim Dr. Frhr. tz. Niedrl. Frhr. v. Feilitzsch. Dr. Frhr. v. Leanrod. Frhr. v. «sch. Dr d. Landman«. Auf Allerhöchsten Befehl: Der Oberregierungsrath im k. Staatsmmistermm des Innern:

Dr Proebst.

XL. Gesetz über das Liegenschaftsrecht in der Pfalz.

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XL. Gesetz iibkr te AeMschastSeG ix der Psalz »om 1. W IM. (Gesetz- und Verordnungsblatt 1898 Nr. 36 S. 370 bis 377.')

Im Namen Seiner Majestät des Königs.

Luitpold, von Gottes

Gnaden Königlicher Prinz von Bayern,

Nkgmt.

Wir haben nach Vernehmung des Staatsraths mit Beirath und Zustimmung der Kammer der Reichsräthe und der Kammer der Ab­ geordneten beschlossen und verordnen, was folgt:

I. Uebergaugsvorschristtn. Art. 1. Vorzugsrechte und Hypotheken, die zu der Zeit, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, in das Hypothekenbuch ein­ geschrieben sind, gelten von dieser Zeit an als Sicherungshypotheken. Nichteingeschriebene Vorzugsrechte und Hypotheken verwandeln sich in Ansprüche auf Bestellung einer Sicherungshypothek.

Art. 2. Kann eine Einschreibung, die bei dem Hypothekenamte vor der Zeit beantragt worden ist, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, bis dahin nicht mehr erfolgen, so wird sie durch die Ein­ tragung des Antrags in das Hinterlegungsregister des Hypothekenbewahrers ersetzt. Der Inhalt des Einschreibungsantrags gilt als Inhalt der Einschreibung.

Art. 3. Die gesetzliche Hypothek des Mündels besteht von dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs an nur zur Sicherung solcher Ansprüche aus der Führung der Vormundschaft, die vor diesem Zeitpunkt entstanden sind. Art. 4. Die gesetzliche Hypothek des Mündels wird von dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs an auf Ersuchen des Vormundschaftsgerichts in das Hypothekenbuch eingeschrieben. Als erwählter Wohnsitz soll die Gerichtsschreiberei des ersuchenden Gerichts angegeben werden. Die Kosten der Einschreibung fallen dem Mündel zur Last. Art. 5. Für die Beschränkung oder Löschung der Einschreibung der Mündelhypothek gelten von dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Ge­ setzbuchs an, solange das Amt des Vormundes dauert, die Vorschriften des § 1844 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. *) AuSgegebm am 8. Juli 1898.

1134

XL.

Gesetz über das Liegenschastsrecht in der Pfalz.

War der Vater oder die Mutter Vormund, so gelten während der Dauer der elterlichen Gewalt die Vorschriften des § 1671 und des § 1672 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs; die Kosten fallen dem Kinde zur Last.

Art. 6. Liegen nach dem Ermessen deS Vormundschaftsgerichts die Voraussetzungen vor, unter denen der Vormund, der Pfleger oder der Beistand zur Sicherheitsleistung angehalten werden kann, so ist das Gericht von dem Jnkrafttretm des Bürgerlichen Gesetzbuchs an bis zu der Zeit, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, befugt, eine Hypothek an Grundstücken des Vormundes, des Pflegers oder des Beistandes zu bestellen. Der Vormund, der Pfleger oder der Beistand soll, soweit thunlich, vorher gehört werden. Die Hypothek entsteht mit dem Beschlusse des Gerichts. Der Beschluß muß bestimmen, für welchen Geldbetrag und an welchen Grundstücken die Hypothek bestellt wird. Die Vorschriften des Artikel 4 findm Anwendung. Art. 7. Die gesetzliche Hypothek der Ehefrau besteht von dem Jnkrafttretm des Bürgerlichen Gesetzbuchs an nur zur Sicherung solcher Ansprüche, die vor diesem Zeitpunkt entstandm sind. Art. 8. Ein zur Gütergemeinschaft gehörendes Grundstück ist von dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs all der gesetzlichen Hypothek der Ehefrau in gleicher Weise unterworfen wie die Grundstücke des Mannes, wenn die gesetzliche Hypothek in das Hypothekenbuch eingeschrieben ist. Die gesetzliche Hypothek kann jedoch nicht zum Nachtheile derjenigen Rechte geltend gemacht werden, welche während der Gütergemeinschaft vor diesem Zeitpunkt an dem Grundstück erworben worden sind. Ist die gesetzliche Hypothek nicht eingeschrieben, so erlischt sie. Die gesetzliche Hypothek erstreckt sich nicht auf Grundstücke, die erst nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs gütergemeinschaftlich werden. Ein vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs veräußertes gütergemeinschastliches Grundstück wird von der gesetzlichen Hypothek frei.

Art. 9. Ist die Gütergemeinschaft zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs aufgehoben, so bleiben, unbeschadet der Vorschriften des Artikel 1, für die gesetzliche Hypothek der Eheftau an den zur Güter­ gemeinschaft gehörenden Grundstücken die bisherigen Bestimmungen maß­ gebend. Das Gleiche gilt, wenn zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein Gütertrennungsverfahren anhängig ist. Wird der Antrag auf Gütertrennung abgewiesen, so gilt das Verfahrm als nicht anhängig geworden. Art. 10. Die gesetzliche Hypothek der Eheftau erlischt, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres nach der Auslösung der Ehe eingetragen wird. Das Gleiche gilt für den der Eheftau nach Artikel 1 Abs. 2 zu­ stehenden Anspruch.

Art. 11. Besteht zu welcher*) Zeit, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, eine Subrogation in die gesetzliche Hypothek der *) Muß heißen: „zu der".

XL. Gesetz über das Liegenschaftsrecht in der Pfalz.

1135

Ehefrau mit Wirksamkeit gegen Dritte, so gilt zu Gunsten des Subrogirten die gesetzliche Hypothek von dieser Zeit an als Sicherungshypothek, auch wenn sie nicht in das Hypothekenbuch eingeschrieben ist.

Art. 12. Eine gerichtliche Hypothek, die zu der Zeit, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, nicht in das Hypothekenbuch eingeschrieben ist, erlischt.

Art. 13. Auf Vorzugsrechte und Hypotheken an Nießbrauchs­ rechten findm die Vorschriften der Artikel 1, 2 mit der Maßgabe An­ wendung, daß an die Stelle der Sicherungshypothek ein Pfandrecht an dem Nießbrauche tritt. Art. 14. Ist ein Arrest in das unbewegliche Vermögen vor der Zeit vollzogen worden, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, so gilt das Vorzugsrecht des Gläubigers von dieser Zeit an als eine Sicherungshypothek. Der nach § 803 der Civilprozeßordnung festgestellte Geldbetrag gilt als der Höchstbetrag der Forderung, für dm das Grund­ stück haftet.

Art. 15. Für Verfügungsbeschränkungen, die zu der Zeit bestehen, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, kann die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Verfügungsbefugniß des Eigenthümers oder des sonstigen Berechtigten verlangt werden.

Art. 16. Das den Erbschaftsgläubigern und den Vermächtnißnehmern nach Artikel 2111 des pfälzischen Civilgesetzbuchs zustehende Vorzugsrecht an den zum Nachlasse gehörenden Grundstücken gilt, falls es zu der Zeit, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, in das Hypothekenbuch eingeschrieben ist, von dieser Zeit an als Verfügungs­ beschränkung des Inhalts, daß Rechte an den zum Nachlasse gehörenden Grundstücken zum Nachtheile der Erbschaftsgläubiger und Vermächtnißnehmer nicht erlangt werden können. Die konkursrechtlichen Wirkungen des Vorzugsrechts bleiben unberührt. Ist das Vorzugsrecht zu dieser Zeit nicht eingeschrieben, so erlischt es. Art. 17. Steht dem früheren Eigenthümer eines Grundstücks auf Grund eines Rechtsgeschäfts, durch welches das Grundstück veräußert worden ist, ein Recht zu, krast dessen bei dem Eintritt eines bestimmten Umstandes das Eigenthum an dem Grundstücke mit rückwirkender Krast an ihn zurückfällt, so verwandelt sich das Rückfallsrecht zu der Zeit, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, in den Anspruch auf Rück­ übertragung des Eigenthums und Befreiung des Grundstücks von den Lasten, die nach der Uebertragung des Eigenthums auf den Erwerber entstanden sind. Zugleich treten die mit der Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs verbundenen Wirkungen ein, bei dem im Artikel 2 des Gesetzes vom 26. April 1888 bezeichneten Auflösungsrechte jedoch nur, wenn das Anflösungsrecht gemäß Artikel 2 oder Artikel 40 des angeführten Gesetzes gewahrt ist.

Art. 18. Ist bei der Veräußerung eines Grundstücks vertrags­ mäßige Versteigerung bedungen worden, so finden die Vorschriften des

1136

LX

Gesetz über das Llegenschaftsrecht in der Pfalz.

Artikel 17 mit der Maßgabe Anwendung, daß die Uebertragung des Eigenthums auf den Ersteher zu erfolgen hat, dem das Grundstück bei der vertragsmäßigen Versteigerung zugeschlagen wird. Für die Versteigerung sind die Vorschriften des Artikel 202 Abs. 1, 4 bis 7 des Gesetzes vom 23. Februar 1879 zur Ausführung der Reichs-Civilprozeßordnung und Konkursordnung maßgebend.

Art. 19. Das zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehende Sondereigenthum an einem selbständigen Bauwerke, bas sich auf oder unter der Oberfläche eines fremden Grundstücks befindet, gilt von diesem Zeitpunkt an als Erbbaurecht im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Das Sondereigenthum an einzelnen Räumen eines fremden Gebäudes gilt von dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs an als das ver­ äußerliche und vererbliche Recht an dem fremden Grundstück, auf diesem den Gebäudetheil zu haben. Die Vorschriften der §§ 1016, 1017 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung. Art. 20. Das Stockwerckseigenthum nach Artikel 664 des pfälzischen Civilgesetzbuchs gilt von dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs an als Miteigenthum an dem Grundstücke mit der Maßgabe, daß jedem Miteigenthümer die ausschließliche und dauernde Benutzung derjenigen Theile des Gebäudes zusteht, welche ihm zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichm Gesetzbuchs gehören, und daß der Aufwand für ihre Unter­ haltung ihm zur Last fällt. Der Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft ist ausgeschlossen. Auf die Benutzungsrechte der Miteigenthümer findet die Vorschrift des 8 1010 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung.

Art. 21. Steht ein Grundstück, das bestimmten wirthschastlichen Zwecken anderer Grundstücke dient, nach den bisherigen Vorschriften im Miteigmthume der jeweiligen Eigenthümer dieser Grundstücke, so gilt es von dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs an als zu Gunsten des jeweiligen Eigenthümers eines jeden dieser Grundstücke mit einer Grunddienstbarkeit des Inhalts belastet, daß er es zu den bestimmten Zwecken benutzen darf. Art. 22. Die im Artikel 191 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichm Gesetzbuche zum Schutze der Ausübung von Grund­ dienstbarkeiten gegebenm Vorschriften gelten von dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs an, auch bevor das Grundbuch als angelegt anzusehen ist.

n. Vorschriften über die Anlegvng des Grnndbnchs. Art. 23. Ist ein Grundstück mit einem Rechte belastet, das zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grund­ buchs der Eintragung bedarf, so muß das Recht im Anlegungsverfahren bei dem Amtsgerichte zur Eintragung angemeldet werden, widrigenfalls es im Range hinter die angemeldeten Rechte zurücktritt.

1137

XL. Gesetz über bas Liegenschaftsrecht tn der Pfalz

Durch die Anmeldung wird die nach den bisherigen Gesetzen er­ forderliche Einschreibung in das Hypothekenbuch nicht ersetzt.

Art. 24. Ist ein Recht der im Artikel 23 bezeichneten Art vor dem Ablaufe der für die Anmeldung bestimmten Ausschlußfrist erworben worden, so muß es vor diesem Zeitpunkt angemeldet werden, widrigenfalls es im Range hinter die vor dem Ablaufe der Frist angemeldeten Rechte zilrücktritt. Ist das Recht in den letzten zehn Tagen vor dem Ablaufe der Frist erworben worden, so genügt die Anmeldung innerhalb zehn Tagen nach dem Ablaufe der Frist.

Art. 25. Auf Rechte, die an einem der in den Artikeln 23, 24 bezeichneten Rechte bestehen, auf Auflösungsrechte und auf Verfügungs­ beschränkungen finden die Vorschriften dieser Artikel entsprechende An­ wendung. Art. 26. Ist ein Grundstück mit einem Rechte belastet, dessen Eintragung in das Grundbuch im Anlegungsverfahren verlangt werden kann, so ist der Eigenthümer verpflichtet, die Bewilligung zur Eintragung auf Verlangen des Berechtigten zu ertheilen. Diese Vorschrift findet auf die Eintragung von Rechten an den im Abs. 1 bezeichneten Rechten entsprechende Anwendung. Art. 27. Die Amtsgerichte, denen die Anlegung des Grund­ buchs obliegt, sind zur Beurkundung von Erklärungen, Eintragungs­ bewilligungen und Verträgen zuständig, die durch die Anlegung des Grund­ buchs veranlaßt werden. Der Beiziehung eines Gerichtsschreibers bedarf es nicht. Diese Vorschriften gelten im Falle der Rechtshilfe auch für das ersuchte Gericht.

Art. 28. Mit den Vorbereitungsarbeiten für die Herstellung des Grundbuchs, insbesondere mit der Feststellung der an den Grundstücken bestehenden Rechte und mit den im Artikel 27 Abs. 1 bezeichneten Be­ urkundungen kann das Staatsministerium der Justiz geprüfte Rechts­ praktikanten betrauen. Die Vornahme eidlicher Vernehmungen und die Befugniß, eine Strafe zu verhängen, steht den Rechtspraktikanten nicht zu. Art. 28. Die Notare haben im Anlegungsverfahren dem Amts­ gericht aus Ersuchen die Urschriften ihrer Urkunden zu übersenden oder über deren Inhalt Auskunft zu geben. Im Falle der Uebersendung der Urschrift ist die Zurückbehaltung einer Abschrift nicht erforderlich. Für die Erledigung eines nach Abs. 1 gestellten Ersuchens kann eine Gebühr nicht beansprucht werden. Art. 30. Die Hypothekenbewahrer haben im Anlegungsverfahren dem Amtsgericht auf Ersuchen die von ihnen verwahrten Urkunden zu übersenden oder Auskunft über bie in den Hypothekenregistern enthaltenen Einschreibungen zu geben. Bürgerliches Gesetzbuch und Rebengesche (Bayern).

72

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XL. Gesetz über das Liegenschaftsrecht in der Pfalz

Für die Erledigung eines nach Abs. 1 gestellten Ersuchens kann eine Gebühr nicht beansprucht werden.

Art. 31. Die Gemeindebehörden können zur Mitwirkung im Anlegungsverfahren herangezogen werden. Finden Vernehmungstermine außerhalb des Gerichtssitzes statt, so hat die Gemeinde geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, sowie für die Beheizung, Beleuchtung und Reinigung Sorge zu tragen. Ein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen steht der Gemeinde nicht zu. Art. 32. Das Verfahren, in dem die Anlegung des Grund­ buchs erfolgt, einschließlich der im Artikel 27 Abs. 1 bezeichneten Be­ urkundungen ist gebührenfrei. Die baaren Auslagen werden auf die Staatskasse übernommen.

DEL Schlützbestimmung.

Art. 33. Mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs treten außer Kraft: 1. der Artikel 170 des Gesetzes vom 23. Februar 1879 zur Ausführung der Reichs-Civilprozeßordnung und Konkursordnung, 2. die Artikel 5 bis 8, der Artikel 9 Satz 2, der Artikel 10 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und der Artikel 11 des Gesetzes vom 26. April 1888, die Abänderung von Bestimmungen des in der Pfalz geltenden Hypotheken- und Vormundschaftsrechts betreffend. Gegeben zu München, den 1. Juli 1898.

Luitpold, Prinz von Bayern, des Königreichs Bayern Verweser.

Dr. Frhr. v. Crailsheim. Dr Frhr. v Lronred.

Dr. Frhr. v. Riedel. Frhr. v. Asch.

Frhr. v. Feilitzsch.

Dr. tz. Sandmann.

Auf Allerhöchsten Befehl: Der Oberregierungsrath im k. StaatSministerium des Innern:

Dr. Proebst.

XLI. Verordnung, die vom Buchungszwange befreiten Grundstücke bett. 1139

XLI. Königlich Allerhöchste Verordnung, die vom Buchungszwange befreiten Grundstücke betreffend, vom 1. M 1898. (Gesetz- und Verordnungsblatt 1898 Nr. 36 S. 377, 378.*)

Im Namen Seiner Majestät des Königs.

Luitpold, von Gottes

Gnaden Königlicher Prinz von Bayern, Regent. Wir finden Uns bewogen, zum Vollzüge des § 90 der Grundbuch­ ordnung vom 24. März 1897 und des Artikel 2 des Gesetzes vom 18. Juni 1898, die Vorbereitung der Anlegung des Grundbuchs in den Landestheilen rechts des Rheins betreffend, zu bestimmen, was folgt:

§ 1. Die im 8 90 Abs. 1 der Grundbuchordnung bezeichneten Grundstücke erhalten nur auf Antrag ein Grundbuchblatt. Juristische Personen im Sinne des § 90 Abs. 1 der Grundbuchordnung sind die Kreis- und Distriktsgemeinden, die politischen und Kirchengemeinden, die Ortschaften, die öffentlichen Stiftungen, die Klöster und die Versicher­ ungsanstalten für Jnvaliditäts- und Altersversicherung. § 2. Aus die im § 1 bezeichneten Grundstücke findet der Artikel 1 des Gesetzes vom 18. Juni 1898, die Vorbereitung der Anlegung des Grundbuchs in den Landestheilen rechts des Rheins betreffend, keine An­ wendung. Gegeben zu München, den 1. Juli 1898.

Luitpold, Prinz von Bayern, des Königreichs Bayern Verweser

Dr Frhr. v. Crailsheim. Dr Frhr. v Leonrod.

Dr Frhr v. Riedel. Frhr. v. Asch.

Frhr. v. Feilitzsch.

Dr. v. Landman».

Auf Allerhöchsten Befehl: Der Generalsekretär: Munsterialrath Thclemann

*) Ausgegeben am 8. Juli 1898.

1140

XLII. Verordnung, die Anlegung des Grundbuchs rechts d. Rh betr.

XLII. Königlich Allerhöchste Verordnung, die Anlegnng des Grundbuchs in den Lnvdestheilen rechts des Rheins detr., vom 23. M1898. (Gesetz» und Verordnungsblatt 1898 Nr. 39 S. 493 bis 500.*)

Im Namen Seiner Majestät des Königs.

Luitpold, von Gottes

Gnaden Königlicher Prinz von Bayern,

Regent.

Wir finden Uns bewogen, zum Vollzüge des Artikel 3 des Gesetzes vom 18. Juni 1898, die Vorbereitung der Anlegung des Grundbuchs in den Landestheilen rechts des Rheins betreffend, des Artikel 186 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuchs und der §§ 87, 88, 91 der Grundbuchordnung zu verordnen, was folgt:

Erster Abschnitt.

Eintragung der soliensreien Grundstücke in dar Hypothekenduch.

§ 1. Die Grundstücke, deren Eintragung in das Hypothekenbuch nach Artikel 1 des Gesetzes vom 18. Juni 1898, die Vorbereitung der Anlegung des Grundbuchs in den Landestheilen rechts des Rheins betreffend, von Amtswegen zu erfolgen hat, werden, soweit nicht die Eintragung nach den Vorschriften des Hypothekengesetzes erforderlich wird, in einem besonderen Verfahren nach Maßgabe der §§ 2 bis 19 dieser Verordnung eingetragen. K 2. Der Eintragung hat die Ermittelung der Eigenthümer der einzelnen Grundstücke vorauszugehen. Die Ermittelungen werden nach Steuergemeinden angestellt.

§ 3. Die Amtsgerichte, bei welchen die in den §§ 1, 2 bezeichneten Vorarbeiten zur Anlegung des Grundbuchs (Anlegungsarbeiten) vorzunehmen find, und die Richter, denen die Anlegungsarbeiten obliegen (An­ legungsbeamte), werden vom Staatsministerium der Justiz bestimmt. Zur Verrichtung der den Anlegungsbeamten obliegenden Arbeiten kann das Staatsministerium der Justiz auch Rechtspraktikanten (Anlegungskommissäre) bestimmen. *) AuSgegeben am 30. Juli 1898.

XLII. Verordnung, die Anlegung des Grundbuchs rechts d Rh betr.

1141

§ 4. Der Beginn der Anlegungsarbeiten in einer Gemeinde ist von dem Anlegungsbeamtcn öffentlich bekannt zu machen. § 5. Ueber die Eigentumsverhältnisse sind zu vernehmen: 1. der im Grundsteuerkataster als Besitzer Bezeichnete oder dessen Erben, 2. diejenigen Personen, welche von den in Nr. 1 Genannten als Eigen­ thümer bezeichnet werden, oder für deren Eigenthum sich sonst An­ zeichen ergeben. § 6. Die Vernehmung erfolgt mündlich oder schriftlich; sie kann durch Vermittelung der Gemeindebehörde erfolgen. Sie kann unterbleiben, wenn sie unthunlich ist oder wenn der zu Vernehmende sich außerhalb des Deutschen Reichs aufhält. Ist dem Anlegungsbeamten bekannt, daß der zu Vernehmende einen Vertreter hat, so ist dieser zu vernehmen. Die Beanlten, welche zur Verwaltung der von der Eintragung in das Hypothekenbuch befreiten Grundstücke (§ 2 der Königlichen Verord­ nung vom 1. Juli 1898, die vom Buchungszwange befreiten Grund­ stücke betreffend), berufen sind, werden nur dann mündlich vernommen, wenn ihre schriftlichen Erklärungen mündliche Aufschlüsse nothwendig machen. § 7. Die im 8 5 bezeichneten Personen haben auf Verlangen des Anlegungsbeamten Aufschluß über den Erwerb des Eigenthums zu geben und die sich hierauf beziehenden Urkunden vorzulegen. K 8. Wer außer den Fällen des § 5 das Eigenthum beansprucht, hat seinen Anspruch schriftlich oder mündlich anzumelden. Soweit die Anmeldung einer Ergänzung bedarf, ist der Anmeldende nach den §§ 6, 7 zu vernehmen.

K 9. Der Anlegungsbeamte kann die Befolgung der von ihm ver­ fügten Ladungen und die Erfüllung der im 8 7 bezeichneten Verpflichtung durch Geldstrafen erzwingen. Die einzelne Strafe darf den Betrag von einhundertfünfzig Mark nicht übersteigen. Der Festsetzung der Strafe muß eine Androhung vorausgkhen. Gegen die Strafverfügung findet das Rechts­ mittel der Beschwerde statt. Eine Anfechtung der Entscheidung des Beschwerde­ gerichts ist unzulässig. Erfolgt nachträglich genügende Entschuldigung, so ist die Strafverfügung aufzuheben. Der Anlegungsbeamte kann sich die verweigerten Aufschlüsse auf Kosten des Säumigen verschaffen. § 10. Die Betheiligten können mit Beiständen erscheinen; sie können sich auch durch Bevollmächtigte vertreten laffen. Zur Vertretung genügt eine vom Bürgermeister beglaubigte Vollmacht. Für die Beglaubigung wird eine Gebühr nicht erhoben. Der Anlegungsbeamte kann jederzeit das persönliche Erscheinen anordnen und in Gemäßheit des 8 9 Abs. 1 erzwingen.

§ 11. Jedermann ist verpflichtet, dem Anlegungsbeamten auf Ver­ langen Auskunft über die ihm bekannt«: Eigentumsverhältnisse eines Grundstücks zu ertheilen, sowie die auf den Erwerb bezüglichen Urkunden

1142 XLII. Verordnung, die Anlegung des -Grundbuchs rechts d Rh. bett.

vorzulegen, soweit sie sich in seinem Besitze befinden. Die Vorschriften des § 9 finden Anwendung. Der Anlegungsbeamte kann Zeugen und Sachverständige nach Maß­ gabe der Vorschriften der Civilprozeßordnung vernehmen. Ueber die Be­ eidigung eines Zeugen oder Sachverständigen entscheidet jedoch, linbeschadet der 88 358, 367 der Civilprozeßordnung, das Ermessen des Anlegungs­ beamten.

§ 12. Wer im Grundsteuerkataster als Besitzer bezeichnet ist, wird als Eigenthümer eingetragen, wenn fein Eigenthum glaubhaft gemacht ist. Zur Glaubhaftmachung genügt insbesondere die Beibringung der Erwerbsurkunde. § 13. Wer im Grundsteuerkataster nicht als Besitzer bezeichnet ist, wird, falls er das Eigenthum als Rechtsnachfolger des im Grundsteuer­ kataster als Besitzer Bezeichneten in Anspruch nimmt, als Eigenthümer einge­ tragen, wenn dessen Eigenthum und die Rechtsnachfolge glaubhaft gemacht sind.

§ 14. Wird in anderen Fällen das Eigenthum von einem nicht im Grundsteuerkataster als Besitzer Bezeichneten beansprucht, so ist zur Eintragung außer der Glaubhaftmachung des Eigenthums erforderlich, daß der im Grundsteuerkataster als Besitzer Bezeichnete oder sein Rechtsnach­ folger der Eintragung zustimmt. Die Zustimmung gilt als ertheilt, wenn der im Grundsteuerkataster als Besitzer Bezeichnete oder sein Rechtsnachfolger auf eine Aufforderung des Anlegüngsbeamten nicht binnen zwei Wochen Widerspruch erhebt. Der Rechtsnachtheil ist in der Aufforderung anzudrohen. Ist- die Mittheilung der Aufforderung an die im Absatz 2 Ge­ nannten unthunlich, so ist die Aufforderung an die Gerichtstafel anzuheften und einmal in das für die Bekantmachungen des Amtsgerichts bestimmte Blatt einzurücken. Die Frist beginnt mit dem Ablaufe von zwei Wochen seit der Einrückung. § 15. Wird im Falle des 8 14 Widerspruch erhoben oder liegen sonst einander widerstreitende Eigenthumsansprüche vor, so hat der An­ legungsbeamte zunächst unter den Betheiligten zu vermitteln. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, so wird derjenige als Eigenthümer eingetragen, von dem der Anlegungsbeamte auf Grund der vorhandenen Belege und der Ermittelungen annimmt, daß er Eigenthümer ist. Zugleich ist für den andern Betheiligten eine Protestation einzutragen. Die Protestation ist von Amtswegen zu löschen, wenn derjenige, für den sie eingetragen wird, nicht binnen einer ihm vom Anlegungsbeamten zu bestimmenden Frist von mindestens drei Monaten nachweist, daß er den Rechsstreit gegen den als Eigenthümer Eingetragenen anhängig gemacht hat. Die Vorschriften des 8 14 Abs. 3 finden entsprechende Anwendung.

§ 16. Miteigentümer können auf die Erklärung eines einzelnen Miteigenthümers eingetragen werden, wenn der Anlegungsbeamte die Vernehmung der übrigen Miteigenthümer nicht für erforderlich erachtet. Vor der Eintragung sind die nicht vernommenen Miteigenthümer davon zu benachrichtigen, welche Eintragung in Aussicht genommen ist; damit

XLII. Verordnung, die Anlegung des Grundbuchs rechts b. Rh bett.

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ist die Bestimmung einer Frist und die Aufforderung zu verbinden, einen Widerspruch binnen der Frist zu erheben. Die Vorschriften des § 14 Abs. 3 finden entsprechende Anwendung. Wird binnen der Frist Wider­

spruch nicht erhoben, so erfolgt die Eintragung.

§ 17. Bei einem im Miteigenthum stehenden Gebäude, bei welchem die Benutzung nach räumlich getrennten Theilen ausgeschieden ist (Stockwerks- oder Geschoßeigenthum, Herbergsrechte), werden die einzelnen An­ theile als besondere Grundstücke behandelt.

K 18. Die vererblichen tmb veräußerlichen Rechte, welche an den Grundstücken der im Artikel 164 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche bezeichneten Verbände bestehen, werden, soweit nicht die Be­ rechtigung an Grundbesitz geknüpft ist, gleich den Grundstücken behandelt.

Die Eintragung erfolgt nur auf Antrag.

§ 19. Stehen mehrere .Grundstücke int Eigenthums derselben Person, so bestimmt der Anlegungsbeamte, ob und inwieweit für die Grundstücke ein gemeinschaftliches Folium geführt werden soll oder besondere Folien angelegt werden sollen.

§ 20. Die Grundstücke, für welche ein Folium «richt angelegt worden ist, weil die Eigenthumsverhältnisse nicht sestgestellt werdm konnten, find nach Steuergemeinden zu verzeichnen. Zweiter Abschnitt.

Anmeldung der nicht eingetragenen Rechte.

§ 21. Nach dem Abschlüsse des im ersten Abschnitte geregelten Verfahrens hat das Amtsgericht die Betheiligten aufzufordern, binnen drei Monaten 1. die Eintragung der von ihneir beanspruchten, nicht im Hypotheken­ buch eingetragenen und nicht in einer Grunddienstbarkeit bestehenden Rechte an den im Hypothckenbuch eingetragenen Grundstücken und der Rechte an einem solchen Rechte, 2. die Eintragung der zu ihren Gunsten bestehenden Beschränkungen des Berechtigten in der Verfügung über ein im Hypothekenbuch ein­ getragenes Recht, B. die Eintragung ihrer Verwahrungen gegen den Inhalt des Hhpothekenbuchs zu erwirken. Dabei ist bekannt zu machen, daß nach dem Ablaufe der Frist das Grundbuch für angelegt erklärt werden kann nnd daß die Betheiligten nach dieser Erklärung den öffentlichen Glauben des Grundbuchs gegen fich gelten lasten müssen. § 22. Die im § 21 bezeichnete Aufforderung ist durch Anheften an die Gerichtstafel und in den Gemeinden an dem hiefür üblichen Platze sowie durch Einrückung in das für die Bekanntmachungen des Amtsgerichts bestimmte Blatt zu veröffentlichen.

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XLII. Verordnung, die Anlegung des Grundbuchs rechts d Rh betr

Der Anfang und das Ende der Frist sind in der Bekanntmachung anzugeben. Das Schriftstück soll Währmd der ganzen Dauer der Frist angehestet bleiben. Die Einrückung soll einen Monat vor dem Ablaufe der Frist wiederholt werden. Das Amtsgericht kann die Einrückung in weitere Blätter sowie andere Veröffentlichungen anordnen.

K 23. Die Behandlung der in Folge der Aufforderung eingehenden Eintragungsgesuche richtet sich nach den Vorschriften des Hypothekengesetzes. Dritter Abschnitt. Erklärung des HypothekevbnchS zum Grundbuche.

§ 24. Die in den Landestheilen rechts des Rheins bestehenden Hypothekenbücher gelten von dem Zeitpunkt an, den das Staatsministerium der Justiz für die einzelnen Bezirke bestimmt (§ 26), als Grundbücher im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Bei dem Amtsgerichte München I gilt von diesem Zeitpunkt an für die Ewiggelder, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 18. Juni 1898, die Vorbereitung der Anlegung des Grundbuchs in den Landestheilen rechts deS Rheins betreffend, im Münchener Grundbuch eingetragen worden sind, dieses zusammen mit dem Hypothekenbuch als Grundbuch im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Im Hvpothekenbuch ist auf die im Münchener Grundbuch eingetragenen Ewiggeloer zu verweisen. § 25. Nach der im § 22 Abs. 3 vorgeschriebenen zweiten Ein­ rückung der Aufforderung hat das Amtsgericht dem Staatsministerium der Justiz über die erfolgten Veröffentlichungen und über den Tag, an welchem die dreimonatige Frist abläust, zu berichten und eine Abschrift des im § 20 vorgeschriebenen Verzeichnisses der Grundstücke vorzulegen, für welche Folien nicht angelegt worden sind.

§ 28. Das Staatsministerium der Justiz bestimmt den Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch für einen Bezirk als angelegt anzusehen ist; dabei bezeichnet es die Grundstücke, welche von der Anlegung des Grund­ buchs ausgenommen sind. Die Verfügung ist durch das Amtsgericht in Gemäßheit des § 22 Abs. 1 zu veröffentlichen. Das Staatsministerium der Justiz kann weitere Veröffentlichungen anordnen. Zwischen der Einrückung der Bekanntmachung und dem im Abs. 1 bezeichneten Zeitpunkte niuß eine Frist von zwei Wochen liegen. § 27. Sobald in Ansehung eines Grundstücks, das von der An­ legung des Grundbuchs ausgenommen worden ist (§ 26 Abs. 1), die Hinder­ nisse beseitigt sind, welche im Anlegungsverfahren der Anlegung eines Foliums entgegenstanden, hat das Amtsgericht von Amtswegen ein Grund­ buchblatt anzulegen. Auf dem Grundbuchblatt ist zu vermerken, daß das Grundstück von der Anlegung des Grundbuchs noch ausgenommen ist.

XLII. Verordnung, die Anlegung des Grundbuchs rechts d. Rh. bett.

1145

Die Vorschriften der §§ 21 bis 23, 25, 26 finden entsprechende Anwendung. Nach dem Eintritte des Zeitpunkts, in dem das Grundbuch für das Grundstück als angelegt anzusehen ist, wird der Vermerk im Grundbuche gelöscht.

vierter Abschnitt. Schlutzbestimmuugen.

§ 28. Die Vorschriften dieser Verordnilng finden auf das Berg­ werkseigenthum, auf die unbeweglichen Kuxe (Gewerkschaftsantheile nach älterem Bergrecht) und auf die für die Bergwerke geführten besonderen Hhpothekenbücher entsprechende Anwendilng. All die Stelle des Grund­ steuerkatasters treten die bezirksbergamtlichen Bücher. In der Eintragung ist, sofern nicht der Bergwerkseigenthümer oder der Gewerke der Anlegung eines Foliums im Hypothekenbuche zustimmt, zu vermerken, daß sie erst mit der Erklärung des Hypothekenbuchs zum Grundbuche wirksam wird.

§ 28. Die Vorschriften dieser Verordnung finden auf das Recht, auf oder unter der Oberfläche eines fremden Grundstücks ein selbständiges Bauwerk zu haben (Erbbaurecht im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs), entsprechende Anwendung. Ein besonderes Folium wird für das Recht nur auf Antrag angelegt. Auf die übrigen Rechte, welche Gegenstand einer Hypothek sein können, finden die Vorschriften im zweiten und dritten Abschnitte dieser Verordnung Anwendung, wenn für das Recht ein Folium im Hyyothekenbuch angelegt ist. § 30. Die zum Vollzüge dieser Verordnung erforderlichen An­ ordnungen werden vom Staatsministerium der Justiz erlassen. Gegeben zu Wildenwart, den 23. Juli 1898.

Luitpold,

Prinz von Bayern, des Königreichs Bahem Verweser.

Frhr. v. Feilitzsch.

Staatsrath v. May.

Staatsrath v. Heller.

Auf Allerhöchsten Befehl: Der Generalsekretär: Mintsterialrath Thelemann.

1146 XLIIL Verordnung, die Anlegung des Grundbuchs in der Pfalz betr

XLIII. Königlich Allerhöchste Verordnung, die Anlegung des Grundbuchs in der Mz betreffend, vom 28. August 1898. (Gesetz- und Verordnungsblatt 1898 Nr. 44 S. 561 bis 569.*)

Im Namen Seiner Majestät des Königs.

Luitpold, von Gottes

Gnaden Königlicher Prinz von Bayern,

Regent.

Wir finden Uns bewogen, zum Vollzüge des Artikel 186 des Ein­ führungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch und des § 91 der Grund­ buchordnung zu verordnen, was folgt:

K 1. Die Anlegung des Grundbuchs erfolgt von Amtswegen. Die Grundbücher sind für Steuergemeinden einzurichten. Das Staatsministerium der Justiz kann in besonderen Fällen eine andere Ein­ richtung anordnen. K 2. Die Bezeichnung der Grundstücke int Grundbuch erfolgt nach den Plannummern, unter denen sie im Grundsteuerkataster und int Flur­ buch eingetragen sind.

§ 3. Die Anlegung des Grundbuchs wird von dem Amtsgerichte vorgenommen, in dessen Bezirke die Steuergemeinde liegt. Das Staats­ ministerium der Justiz bezeichnet die Steuergemeinden, in denen die An­ legung vorgenommen wird, und die Beamten des Gerichts, denen die Anlegungsarbeiten in den einzelnen Steuergemeinden obliegen. § 4. Der Beginn des Anlegungsverfahrens in einer Gemeinde ist vom Gericht öffentlich bekannt zu machen. § 5. Der Eintragung in das Grundbuch geht ein Ermittelungs­ verfahren voraus, in dem das Eigenthum an den Grundstücken und, soweit andere Rechte angemeldet werden, auch diese festgestellt werden. Die für die Voraussetzung der Eintragung des Eigenthums erforder­ lichen Ermittelungen nimmt das Gericht, soweit nöthig, von Amtswegen vor. § 6. Zu dem in § 5 bezeichneten Zwecke findet die Vemehmung der Betheiligten und eine Verhandlung vor dem Gerichte statt. Zu dem hiezu anberaumten Termine hat das Gericht zu laden: 1. den im Flurbuch als Besitzer Bezeichneten oder seinen Rechtsnachfolger; 2. diejenigen Personen, welche von den in Nr. 1 Genannten als Eigen­ thümer bezeichnet werden oder für deren Eigenthum sich sonst Anzeichen *) Ausgegeben am 10. September 1898.

XLIII. Verordnung, die Anlegung des Grundbuchs in der Pfalz betr.

1147

ergeben, sowie diejenigen Personen, welche einen Eigenthumsanspruch bei dem Gerichte geltend gemacht haben; 3. diejenigen Personen, für welche Rechte an einem Grundstück ange­ meldet wurden. § 7. Die Ladung kann unterbleiben, 1. wenn sie unthunlich ist, oder wenn der zu Vernehmende im Auslande wohnt; ist dem Gerichte bekannt, daß er im Inland einen Vertreter hat, so ist dieser zu laden; 2. wenn das Gericht glaubt, sich mit einer schriftlichen oder mündlichen Erklärung der Person begnügen zu könnm, von der ein Aufschluß verlangt wird. Die Beamten, welche zur Verwaltung der dem Buchungszwange nicht unterliegenden Grundstücke berufen sind, werden nur dann geladm, wenn ihre schriftlichen Erklärungen mündliche Aufschlüsse im Termine noth­ wendig machen. § 8. Jedermann ist verpflichtet, der Ladung Folge zu leisten, auf Verlangen Auskunft über die ihm bekannten Rechtsverhältnisse eines Grundstücks zu ertheilen, sowie die darauf bezüglichen Urkunden vorzulegen, soweit sie ihm gehören und sich in seinem Besitze befinden. § 9. Das Gericht kann Zeugen und Sachverständige nach Maß­ gabe der Vorschriften der Civilprozeßordnung vernehmen. Ueber die Be­ eidigung eines Zeugen oder Sachverständigen entscheidet jedoch, unbeschadet der 88 358 , 367 der Civilprozeßordnung, das Ermessen des Gerichts.

§ 19. Das Gericht kann die Erfüllung der im 8 8 bezeichneten Verpflichtungen durch Geldstrafen erzwingen. Die einzelne Strafe darf den Betrag von einhundertfünfzig Mark nicht übersteigen. Der Festsetzung der Strafe muß eine Androhung vorausgehen. Eine Anfechtung der Entscheidung des Beschwerdegerichts ist unzulässig. Erfolgt nachträglich genügende Entschuldigung, so ist die Strafverfügung aufzuheben. Das Gericht kann sich die verweigerten Aufschlüsse auf Kosten des Säumigen verschaffen. § 11. Die Betheiligten können mit Beiständen erscheinen; sie können sich, soweit nicht das Gericht das persönliche Erscheinen anordnet, auch durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Die Bevollmächtigten haben auf Anordnung des Gerichtes oder auf Verlangen eines Betheiligten die Bevollmächtigung durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Vollmacht nachzuweisen. Die Bevollmächtigung zur Ertheilung der Eintragungsbewilligung kann nur durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Vollmacht nach­ gewiesen werden.

§ 12. Wer das Eigenthum an einem Grundstücke beansprucht, hat dem Gericht über den Erwerb des Eigenthums Aufschluß zu geben, seinen Rechtsvorgänger zu benennen und die in seinem Besitze befindlichen Er­ werbsurkunden und sonstigen Belege, sowie einen berichtigten Auszug aus dem Grundstellerkataster vorzulegen.

1148

XLIII. Verordnung, die Anlegung des Grundbuchs in der Pfalz betr.

§ 13. Wer im Flurbuch als Besitzer bezeichnet ist, wird als Eigenthümer eingetragen, wenn sein Eigenthum glaubhaft gemacht ist. Zur Glaubhaftmachung genügt die Beibringung der Erwerbs­ urkunde oder der vom Bürgermeister ausgestellten Eigenthumsbescheinigung. Der Bürgermeister hat auf Verlangen eine Bescheinigung darüber auszustellen, ob der Besitzer in der Gemeinde- als Eigenthümer gilt. Für die Ausstellung wird eine Gebühr nicht erhoben.

§ 14. Wer nicht im Flurbuch als Besitzer bezeichnet ist, wird, falls er das Eigenthum als Rechtsnachfolger des im Flurbuch als Besitzer Bezeichneten in Anspruch nimmt, als Eigenthümer eingetragen, wenn besten Eigenthum und die Rechtsnachfolge glaubhaft gemacht sind. § 15. Wird in anderen Fällen das Eigenthum von einem nicht im Flurbuch als Besitzer Bezeichneten beansprucht, so ist zur Eintragung außer der Glaubhaftmachung des Eigenthums erforderlich, daß der im Flurbuch als Besitzer Bezeichnete oder sein Rechtsnachfolger der Eintragung zustimmt. Die Zustimmung gilt als ertheilt, wenn der im Flurbuch als Besitzer Bezeichnete oder sein Rechtsnachfolger auf eine Aufforderung des Gerichts nicht binnen zwei Wochen Widerspruch erhebt. Der Rechtsnachtheil ist in der Aufforderung anzudrohen. Ist die Mittheilung der Aufforderung unthunlich, so ist die Auf­ forderung an die Gerichtstafel anzuheften und einmal in' das für die Be­ kanntmachungen des Gerichts bestimmte Blatt einzurücken. Die Frist beginnt mit dem Ablaufe von zwei Wochen seit der Einrückung.

K 16. Wird im Falle des § 15 Widerspruch erhoben oder liegen sonst einander widerstreitende Eigenthumsansprüche vor, so hat das Gericht zunächst unter den Betheiligten zu vermitteln. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, so wird derjenige als Eigenthümer eingetragen, von welchem das Gericht auf Grund der vorhandenen Belege und der Er­ mittelungen annimmt, daß er Eigenthümer ist. Zugleich ist für den anderen Betheiligten ein Widerspruch einzutragen. Der Widerspruch ist von Amtswegen zu löschen, wenn derjenige, für beit er eingetragen wird, nicht bis zur Beendigung des Anlegungsverfahrens oder, wenn das Anlegungsverfahrcn voraussichtlich nicht mehr drei Monate lang dauert, binnen einer ihm vom Gerichte zu bestimmenden Frist von drei Monatm nachweist, daß er den Rechtsstreit gegen den als Eigenthümer Ein­ getragenen anhängig gemacht hat. Die Vorschriften des 8 15 Abs. 3 finden entsprechende Anwendung. § 17. Miteigenthümer können auf die Erklärung eines einzelnen Miteigenthümers eingetragen werden, wenn das Gericht die Vernehmung der übrigen Miteigenthümer nicht für erforderlich erachtet. Vor der Ein­ tragung sind die nicht vernommenen Miteigenthümer davon zu benach­ richtigen, welche Eintragung in Aussicht genommen ist; damit ist die Mittheilung zu verbinden, daß sie bei dem Gerichte schriftlich oder mündlich Einwendungen gegen die Eintragung erheben können, und daß die Ein­ tragung erfolgt, wenn sie bis zum Ablaufe der Ausschlußfrist (§ 24) Ein­ wendungen nicht erheben.

XLIII. Verordnung, die Anlegung des Grundbuchs in der Pfalz betr

1149

K 18. Die Eintragung von Rechten, mit denen ein Grundstück belastet ist, erfolgt auf schriftliche oder mündliche Anmeldung. Die Anmeldung kann auch von dem Eigenthümer des belasteten Grundstücks ausgehen. Die von dem Eigenthümer vor dem Gericht abge­ gebene Erklärung, daß das Recht besteht, gilt als Anmeldung.

§ 19. Wer die Eintragung eines Rechtes, mit dem ein Grundstück belastet ist, verlangt, hat dem Gerichte die zum Nachweise des Rechtes erforderlichen Belege einzureichen. K 29. Die Vorschriften dieser Verordnung über Rechte, mit denen ein Gmndstück belastet ist, finden auf Rechte an solchen Rechten, auf Auflösungsrechte und auf Verfügungsbeschränkungen entsprechende An­ wendung. K 21. Rechte, mit denen ein Grundstück belastet ist, werden ein­ getragen, wenn der Eigenthümer die Eintragung bewilligt oder der Be­ rechtigte das Recht durch eine öffentliche Urkunde nachweist. Ertheilt im letzteren Falle der Eigenthümer die Eintragungsbewilligung nicht, so wird auf seinen Antrag ein Widerspruch gegen das eingetragene Recht eingetragen.

§ 22. Wird die Eintragungsbewilligung schriftlich eingereicht, so muß sie durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nach­ gewiesen sein. § 23.

das Gericht

Bei den im Hhpothekenbuch eingeschriebenen Rechten hat den Rang aus den von dem Hypoihekenbewahrer zu über­

sendenden Einschreibungsbelegcn und nach Maßgabe der Anmeldungen zu ermitteln. Soll ein anderer Rang eingetragen werden, so ist die Einwilligung aller Betheiligten erforderlich.

§ 24. Wer im Ermittelungsverfahren ein Recht nicht geltend gemacht hat, kann die Anmeldnng binnen einer nach der Beendigung des Verfahrens beginnenden Ausschlußfrist von drei Monaten nachholen. Der Beginn und das Ende der Frist sind öffentlich bekannt zu machen. Mit der Bekanntmachung muß die Aufforderung verbunden werden, alle bisher nicht angemeldeten Rechte, welche zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs der Eintragung bedürfen, binnen der Frist, und Rechte, die binnen zehn Tagen vor dem Ablaufe der Frist erworben wurden, spätestens binnen zehn Tagen nach dem Ablaufe der Frist anzumelden, widrigenfalls sie im Range hinter die angemeldeten Rechte zurücktreten. § 25. Sind die während der Ausschlußsrist eingegangenen An­ meldungen erledigt, so wird die Eintragung in das Grundbuch vor­ genommen. Die Eintragung kann schon ftühcr vorgenommen werden, wenn Veränderungen in den Rechten nicht zu erwarten sind. § 26. Nach dem Ablaufe der Ausschlußfrist bestimmt das Staats­ ministerium der Justiz den Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist; dabei bezeichnet es die Grundstücke, die von der Anlegung des Grundbuchs ausgenommen sind.

1150 XLIII. Verordnung, die Anlegung des Grundbuchs in der Pfalz bett.

Die Verfügung ist durch das Amtsgericht zu veröffentlichen. Zwischen der Veröffentlichung und dem im Abs. 1 bezeichneten Zeitpunkte muß eine Frist von zwei Wochen liegen. Mit dem Beginne des Tages, in den der nach Abs. 1 bestimmte Zeitpunkt fällt, ist das Anlegungsverfahren beendigt.

§ 27. Mit der in § 26 Abs. 2 bezeichneten Veröffentlichung hat das Gericht eine Bekanntmachung zu erlassen, durch die alle Personen, welche nach dem Ablaufe der Ausschlußsrist Rechte der im § 24 Abs. 2 bezeichneten Art an einem der nicht ausgenommenen Grundstücke erworben haben oder noch erwerben, aufgefordert werden, die Rechte vor der Be­ endigung des Anlegungsverfahrens anzumelden, widrigenfalls die Rechte im Range hinter die angemeldeten Rechte zurücktreten. § 28. Sind für ein angemeldetes Recht die Voraussetzungen zur Eintragung vor der Beendigung des Anlegungsverfahrens erfüllt, so gilt die Eintragung als im Anlegungsverfahren vorgenommen, auch wenn sie erst später erfolgt. Das Gleiche gilt, wenn die Eintragung nur deßhalb vor dem im Abs. 1 bezeichneten Zeitpunkte nicht vorgenommen werden kann, weil die Belege über die Einschreibung in das Hypothekenbuch von dem Hypotheken­ bewahrer erst später übersendet werden. Wird vor der Erledigung der in den Abs. 1, 2 erwähnten Ein­ tragungen eine andere Eintragung in das Grundbuch beantragt, durch die dasselbe Recht betroffen wird, so ist zu Gunsten des angemeldeten Rechtes von Amtswegen ein Widerspruch einzutragen.

§ 29. Von dem Tage an, an dem nach § 5 der Verordnung vom 4. Juni 1897, die Feststellung der hypothekarischen Belastung bei Anlegung des Grundbuchs in der Pfalz betreffend (Ges.- u. Verordn.-Bl. S. 213), die Bordereaux an das Gericht abgegeben werden, haben die Hypothekenbewahrer über alle Einschreibungen, die gegen Grundstücke des Gemeindebezirks vorgenommen werden, Ergänzungslisten zu führen. Die Hypothekenlisten werden mit den Bordereaux an das Gericht abgegeben. Auf die Ergänzungslisten finden die für die Hypothekenlisten be­ stehenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Am 1. und am 15. jeden Monats ist eine Abschrift der vollzogenen Eintragungen unter Anfügung der zugehörigen Bordereaux dem Gerichte mitzutheilen.. Am Tage nach der Beendigung des Anlegungsverfahrens ist die Ergänzungsliste mit den noch rückständigen Bordereaux an das Gericht abzugeben. Außer den in der Verordnung vom 4. Juni 1897 festgesetzten Gebühren kann eine Gebühr nicht beansprucht werden. § 30. Kann eine bei dem Hypothekenamte beantragte Einschreibung vor der Beendigung des Anlegungsverfahrens nicht mehr vorgenommen werden, so werdm in die Ergänzungsliste der Band und die Nummer des Hinterlegungsregisters eingetragen. Die Eintragung ist als Auszug aus dem Hinterlegungsregister kenntlich zu machen.

XLIII. Verordnung, die Anlegung des Grundbuchs in der Pfalz betr

1151

Der Antrag ist mit dem Vermerk über die Eintragung im Hinter­ legungsregister zu versehen und mit der Ergänzungsliste an das Gericht abzugeben.

§ 31, Wird während der Dauer des Anlegungsverfahrens ein Rechtsgeschäft über das Eigenthum an einem Grundstücke des Gemeinde­ bezirks beurkundet, so hat der Notar sofort dem Gerichte davon Mittheilung zu machen. § 32. Ist in Ansehung eines Grundstücks des Gemeindebezirks ein Zwangsversteigerungsverfahren anhängig, so hat das Vollstreckungs­ gericht dem Anlegungsgerichte davon Mittheilung zu machen. Die Ein­ tragung des Grundstücks in das Grundbuch unterbleibt, bis das Verfahren beendigt ist. Von der Beendigung hat das Vollstreckungsgericht dem Anlegungsgericht oder, wenn das Anlegungsverfahren schon beendigt ist, dem Grundbuchamt unter Uebersendung der Zwangsversteigerungsakten sofort Mittheilung zu machen.

§ 33. Ist über das Vermögen des Eigenthümers eines Grund­ stücks des Gemeindebezirks das Konkursverfahren eröffnet, so hat das Konkursgericht dem Anlegungsgerichte davon Mittheilung zu machen. Die Eintragung des GrundMcks in das Grundbuch unterbleibt, bis das Grundstück aus dem Vermögen des Gemeinschuldners endgiltig ausgeschieden oder das Konkursverfahren beendigt ist. Das Konkursgericht hat in beiden Fällen dem Anlegungsgericht oder, wenn das Anlegungsverfahren schon beendigt ist, dem Grundbuchamte sofort Mittheilung zu machen und die Akten über das Verfahren, aus denen sich ergibt, wer der Eigen­ thümer des Grundstücks ist, zu übersenden. § 34. Ist in Ansehung eines Grundstücks des Gemeindebezirks ein Theilungsverfahren, ein Verfahren der vertragsmäßigen Wieder­ versteigerung oder ein Hypothekenreinigungsverfahren anhängig, so unter­ bleibt die Eintragung des Grundstücks in das Grundbuch, bis das Ver­ fahren beendigt ist. Das Gleiche gilt, wenn das Grundstück zu einer Gütergemeinschaft gehört, in Ansehung deren ein Gütertrennungsverfahren anhängig ist. Die "Behörde, bei welcher das Verfahren anhängig ist, hat dem Anlegungsgericht oder, wenn das Anlegungsverfahren schon beendigt ist, dem Grundbuchamte von der Beendigung sofort Mittheilung zu machen und diejenigen Urkunden des Verfahrens zu übersenden, aus welchen sich ergibt, wer der Eigenthümer des Grundstücks ist. § 35. Ist im Gemeindebezirk ein Flurbereinigungsverfahren an­ hängig, so hat die Flurbereinigungskommisfion dem Anlegungsgerichte davon Mittheilung zu machen. Die Eintragung der in die Flurbereinigung einbezogenen Grund­ stücke unterbleibt, bis der Endentscheid der Flurbereinigungskommission rechtskräftig geworden ist. Von dem Eintritte der Rechtskraft hat die Flurbereinigungskommission dem Anlegungsgericht oder, wenn das An­ legungsverfahren schon beendigt ist, dem Grundbuchamt unter Uebersendung eines Auszugs aus dem Flurbereinigungsoperate sofort Mittheilung zu machen.

1152

XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«

§ 36» Solange in Ansehung eines Grundstücks die Voraussetzungen für die Eintragung in das Grundbuch nicht erfüllt sind, bleibt das Grundstück von der Anlegung des Grundbuchs ausgenommen.

K 37. Sobald die Hindernisse beseitigt sind, die der Eintragung des Grundstücks in das Grundbuch entgegenstanden, bestimmt das Staats­ ministerium der Justiz den Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch in An­ sehung des Grundstücks als angelegt anzusehen ist. Der § 26 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. Mit der Veröffentlichung hat das Grundbuchamt eine Bekannt­ machung zu erlaffen, durch die alle Personen, welche nach dem Ablaufe der Ausschlußfrist (§ 24 Abs. 1) Rechte der im § 24 Abs. 2 bezeichneten Art an dem Grundstück erworben haben oder noch erwerben, ausgefordert werden, die Rechte vor dem Zeitpunkte, in welchem das Grundbuch in Ansehung des Grundstücks als angelegt anzusehen ist, anzumelden, widrigen­ falls die Rechte im Range hinter die angemeldeten Rechte zurücktreten. An dem Tage, in den der nach Abs. 1 bestimmte Zeitpunkt fällt, hat das Grundbuchamt die Eintragung- des Grundstücks und der daran bestehenden Rechte in das Grundbuch vorzunehmen. Auf die angemeldeten Rechte finden die Vorschriften des § 28 entsprechende Anwendung.

8 38. Das Staatsministerium der Justiz wird ermächtigt, die für das Anlegungsverfahren erforderlichen Aizsführungsvorschriften zu er­ lassen und das Formular für das Grundbuch zu bestimmen. Gegeben Linderhof, den 28. August 1898.

Luitpold,

Prinz von Bayern, des Königreichs Bayern Verweser.

StaatSrath v. Reumahr.

Staatsrath v. Matz.

StaatSrath t>. Heller.

Auf Allerhöchsten Befehl: Der General-Sekretär: Statt dessen: Ministerialrath v. Schnell.

XLIV. (Beilage zum Gesetz- u. Berordnungsblatte 1899 Nr. 28 vom 12. Juni 1899 S. 1 bis 82.*)

Im Namen Seiner Majestät des Königs.

Luitpold, von Gottes

Gnaden Königlicher Prinz von Bayern,

Rkgmt.

Wir haben nach Vernehmung des Staatsrathes mit Beirath und Zustimmung der Kammer der Reichsräthe und der Kammer der Ab­ geordneten und in Ansehung der Artikel 135, 139, 140, des Artikel 166 *) Ausgegeben am 1. Juli 1899.

1152

XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«

§ 36» Solange in Ansehung eines Grundstücks die Voraussetzungen für die Eintragung in das Grundbuch nicht erfüllt sind, bleibt das Grundstück von der Anlegung des Grundbuchs ausgenommen.

K 37. Sobald die Hindernisse beseitigt sind, die der Eintragung des Grundstücks in das Grundbuch entgegenstanden, bestimmt das Staats­ ministerium der Justiz den Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch in An­ sehung des Grundstücks als angelegt anzusehen ist. Der § 26 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. Mit der Veröffentlichung hat das Grundbuchamt eine Bekannt­ machung zu erlaffen, durch die alle Personen, welche nach dem Ablaufe der Ausschlußfrist (§ 24 Abs. 1) Rechte der im § 24 Abs. 2 bezeichneten Art an dem Grundstück erworben haben oder noch erwerben, ausgefordert werden, die Rechte vor dem Zeitpunkte, in welchem das Grundbuch in Ansehung des Grundstücks als angelegt anzusehen ist, anzumelden, widrigen­ falls die Rechte im Range hinter die angemeldeten Rechte zurücktreten. An dem Tage, in den der nach Abs. 1 bestimmte Zeitpunkt fällt, hat das Grundbuchamt die Eintragung- des Grundstücks und der daran bestehenden Rechte in das Grundbuch vorzunehmen. Auf die angemeldeten Rechte finden die Vorschriften des § 28 entsprechende Anwendung.

8 38. Das Staatsministerium der Justiz wird ermächtigt, die für das Anlegungsverfahren erforderlichen Aizsführungsvorschriften zu er­ lassen und das Formular für das Grundbuch zu bestimmen. Gegeben Linderhof, den 28. August 1898.

Luitpold,

Prinz von Bayern, des Königreichs Bayern Verweser.

StaatSrath v. Reumahr.

Staatsrath v. Matz.

StaatSrath t>. Heller.

Auf Allerhöchsten Befehl: Der General-Sekretär: Statt dessen: Ministerialrath v. Schnell.

XLIV. (Beilage zum Gesetz- u. Berordnungsblatte 1899 Nr. 28 vom 12. Juni 1899 S. 1 bis 82.*)

Im Namen Seiner Majestät des Königs.

Luitpold, von Gottes

Gnaden Königlicher Prinz von Bayern,

Rkgmt.

Wir haben nach Vernehmung des Staatsrathes mit Beirath und Zustimmung der Kammer der Reichsräthe und der Kammer der Ab­ geordneten und in Ansehung der Artikel 135, 139, 140, des Artikel 166 *) Ausgegeben am 1. Juli 1899.

XL1V. Ausjuhrungsgesctz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

1153

Ziff. IX, des Artikel 171 Ziff. V, XI und des Artikel 174 unter Be­ obachtung der in Tit. X 8 7 der Bcrfassungsnrkunde vorgeschriebenen Formen beschlossen und verordnen, was folgt:

Aufrechterhaltung älterer Barschriste«.

Art. 1.

Neben dem Bürgerlichen Gesetzbuche bleiben die Vor­ schriften des bürgerlichen Rechtes, welche aus der Zeit vor der Erlassung der Verfassungsurkunde vom 26. Mai 1818 stammen, nur insoweit in Geltung, als sie in den Artikeln 56 bis 59, 69, 74 bis 76, 78, 80, 89, 109, 111, 132, 133 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch und im § 16 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur Civilprozeßordnung Vor­ behalten sind. Soweit in den in Kraft bleibenden Gesetzen und in diesem Gesetz auf örtliche Verordnungen oder auf das Herkommen verwiesen ist, behalten die bestehenden Verordnungen und das Herkommen ihre Geltung. BolljährigkeitSerklärung.

Art. 2.

Für die Volljährigkeitserklärung ist das Staatsministerium

d°- 3*

Art. 3. Der Familienname kann, soweit nicht ein Anderes vor­ geschrieben ist, nur mit Bewilligung des Königs geändert werden. Zu einer Aenderung des Vornamens ist die Bewilligung der zu­ ständigen Behörde erforderlich. Die Ausführungsbestimmungen werden von den zuständigen Staats­ ministerien erlassen. . Bereine. Art. 4. Für die Entziehung der Rechtsfähigkeit eines Vereins nach § 43 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und für die Erhebung des Ein­ spruchs gegen die Eintragung eines Vereins oder einer Aenderung der Satzung in das Vereinsregister nach § 61 Abs. 2 und § 71 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist die Distriktspolizeibehörde, in München die Polizeidirektion, zuständig. Gegen den Beschluß auf Entziehung der Rechtsfähigkeit sowie gegen den Einspruch findet binnen einer Frist von zwei Wochen Beschwerde an die Regierung, Kammer des Innern, statt. Gegen die Entscheidung der Regierung ist weitere Beschwerde an den Verwattungsgerichtshof zulässig. Für die Beschwerde an den Verwaltungs­ gerichtshof gelten die Vorschriften des Artikel 45 Abs. 2, 3 des Gesetzes vom 8. August 1878, betreffend die Errichtung eines Verwaltungsgerichts­ hofes und das Verfahren in Verwaltungsrechtssachen. Stiftungen. Art. 5. Erlischt eine Stiftung des bürgerlichen Rechtes, so fällt das Stiftungsvermögen in Ermangelung eines anderen Anfallberechtigtcn an den Fiskus. Die Vorschrift des Titel IV § 9 Abs. 4 der Verfassungs­ urkunde bleibt unberührt. Art. 6. Für den Vollzug von Stiftungsbestimmungcn und für die Aufsicht über die Stiftungen sind, unbeschadet der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs, die Verwaltungsbehörden zuständig, sofern nicht die Stiftung ausschließlich privaten Zwecken dient. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze (Bayern).

1154

XL1V. Aussührungsgeseh zum Bürgerlichen Gesehbuche.

Bcjchränknngeii des Erwerbe- juristischer Personen.

Art. 7.

Schenkungen oder Zuwendungen von Todeswegen an geistliche Gesellschaften bedürfen zu ihrer Wirksamkeit dein vollen Betrage nach der landesherrlichen Genehmigung, wenn sie Gegenstände im Werthe von mehr als zehntausend Mark betreffen. Der Berechnung des Werthes wiederkehrender Leistungen wird ein Zinssatz von vier von: Hundert zu Grunde gelegt.

Art» 8» Zum Erwerbe von Gegenständen des unbeweglichen Ver­ mögens, deren Werth den Betrag von zehntausend Mark übersteigt, bedürfeil geistliche Gesellschaften auch außer dem Falle des Artikel 7 der landes­ herrlichen Genehmigung. Zum unbeweglichen Vermögen im Sinne dieser Vorschrift gehören auch Rechte an einem Grundstücke mit Ausnahme der Hypotheken, Grund­ schulden und Rentenschulden. Art. 9. Die Vorschriften der Artikel 7, 8 erstrecken sich nicht auf die Englischen Fräulein in Bayern. Art» 10. Die Vorschriften der Artikel 7, 8 finden auf ausländische juristische Personen, die religiöse oder wohlthätige Zwecke oder Zwecke des Unterrichts oder der Erziehung verfolgen, mit der Maßgabe Anwendung, daß die Geuehmigung bei einem den Betrag von fünftausend Mark über­ steigenden Werthe, im Falle des Erwerbes des Eigenthums an einem Grundstück ohne Rücksicht auf den Werth erforderlich ist. Zahlungen ans öffentlichen Kaffen.

Art» 11.

Zahlungen aus öffentlichen Kassen sind, soweit nicht ein Anderes bestimmt ist, an der Kasse in Empfang zu nehmen, welche die Zahlung zu leisten hat.

Aufrechnung gegen Gehälter und Prnfione«. Uebertragung von Wittwen- «nd Waisenbefiigen.

Art. 12. Gegen die Ansprüche der Hof-, Staats- und Gemeinde­ beamten, öffentlichen Diener und Geistlichen auf Gehalt oder Pension können Ansprüche aus dein Amts- oder Dienstverhältnisse sowie die von dem Gehalt oder der Pension zu entrichtenden Steuern oder Umlagen unbeschränkt aufgerechnet werden. Für die Ansprüche der Hinterbliebenen der iin Abs. 1 bezeichneten Bediensteten aus Wittwen- und Waisenbezüge gilt das Gleiche in Ansehung der von den Bezügen zu entrichtenden Stenern oder Umlagen. Die Wittlven- und Waisenbczüge können weder abgetreten noch verpfändet werden. Alls die Bezüge der Angehörigen des Heeres und deren Wittwen und Waisen finden diese Vorschriften keine Anwendung. VierlirfernngSvertrag.

Art. 13.

Wird zwischen einem Brauer und einem Wirthe ein Vertrag über die Lieferung von Bier ohne Bestiinmung der Menge des zu liefernden Bieres geschloffen, so gilt, soweit nicht ein Anderes vereinbart wird, als Gegenstand des Vertrags der gesammte Bedarf an Bier, der

XLIV. Ausführungsgeseh zum Bürgerlichen Gesehbuche.

1155

sich in dem Gewerbebetriebe des Wirthes während der Dauer des Vertrags­ verhältnisses ergibt. Der Wirth ist verpflichtet, den Bedarf ausschließlich von dem Brauer zu beziehen, der Brauer hat dem Wirthe die jeweils verlangten Mengen zu liefern. Ist die Dauer des Vertragsverhältnifses nicht bestimmt, so kann dieses von jedem Theile für den Schluß des Monats September jedes Jahres gekündigt werden. Geht das Geschäft des einen oder des anderen Theiles durch Rechts­ geschäft unter Lebenden auf einen Dritten über, so hat der bisherige Inhaber dafür einzustehen, daß der neue Inhaber in den Vertrag eintritt.

Art. 14. Ist bei dem Bestehen eines Vertragsverhältnisses der im Artikel 13 Abs. 1 bezeichneten Art der Wirth Eigenthümer des Grundstücks, auf welchem er sein Geschäft betreibt, so kann der Brauer verlangen, daß ihm für den gestundeten oder rückständigen Kaufpreis des gelieferten Bieres eine Sicherungshypothek an dem Grundstücke bestellt wird. Hat der Wirth noch andere Grundstücke, die mit dem seinem Geschäftsbetriebe dienenden Grundstücke gemeinschaftlich bewirthschaftet werden, so kann die Erstreckung der Sicherungshypothek auf diese Grund­ stücke verlangt werden, soweit sie erforderlich ist, damit der Betrag des Kaufpreises durch den Werth der Grundstücke doppelt gedeckt wird. Der Werth wird unter Abzug der Belastungen berechnet, die der Sicherungs­ hypothek im Range vorgehen. Gesmderecht.

Art. 15. Auf das Rechtsverhältniß zwischen der Dienstherrschaft und dem Dienstboten finden die allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes nur insoweit Anwendung, als sich nicht aus den Artikeln 16 bis 28 ein Anderes ergibt. Art. 16. Personen, die nicht im Besitze der bürgerlichen Ehren­ rechte sind oder unter Polizeiaufsicht stehen, kann die Polizeibehörde das Halten von Dienstboten unter achtzehn Jahren untersagen. Personen, die nach § 361 Nr. 6 des Strafgesetzbuchs polizeilicher Aufsicht unterstellt sind, dürfen Dienstboten unter einundzwanzig Jahren nicht halten. Die Entlassung von Dienstboten, welche diesen Vorschriften zuwider gehalten werden, kann von der Polizeibehörde erzwungen werden. Art. 17. Verdingt sich ein Dienstbote an mehrere Dienstherrschaften für dieselbe Zeit, so hat er bei derjenigen Dienstherrschaft auf deren Verlangen einzutreten, mit welcher er den Dienstvertrag zuerst ge­ schloffen hat; den übrigen Dienstherrschaften ist er zum Schadensersätze verpflichtet. Art. 18. Das Draufgeld wird im Zweifel nicht vom Lohne abgezogen und im Falle der Aufhebung des Dienstverhältnisses, wenn die Dienstherrschaft zum Schadensersätze verpflichtet ist, nicht auf den zu ersetzenden Betrag angerechnet. Art. 19. pflichtet;

Der Dienstbote ist der Dienstherrschaft zur Treue ver­ er hat den Anordnungen der Dienstherrschaft oder ihres Ver73*

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XLIV. Ausfüqrungsgcsetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

treters in Ansehung der ihm nach dem Vertrag und der Sitte obliegenden Verrichtungen und der häuslichen Einrichtungen Folge zu leisten, der Dienstherrschaft und ihrem Vertreter Achtung zu erweisen und sich an­ ständig zu führen. In Fällen der Noth hat er vorübergehend auch solche seinen Kräften und seiner Stellung entsprechende Dienste zu leisten, die nicht zu seinen im Vertrage bestimmten Obliegenheiten gehören.

Art. 20. Ist der dem Dienstboten zn gewährende Lohn nach längeren Zeitabschnitten als Vierteljahren bemessen, so kann der Dienst­ bote nach dem Ablaufe von je drei Monaten der Dienstzeit die Zahlung der Hälfte des auf diesen Zeitraum treffenden Betrags verlangen. Art. 21. Die Dienstherrschaft kann ihre Entschädigungsansprüche wegen einer auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhenden Verletzung der dem Dienstboten obliegenden Verpflichtungen gegen dessen Lohnforderung unbeschränkt aufrechnen.

Art. 22. Das Dienstverhältniß eines landwirthschafllichen Dienst­ boten ist im Zweifel als für ein Dienstjahr und, falls es im Laufe eines Dienstjahrs beginnt, als für die Zeit bis zum Schluffe dieses Dienstjahrs eingegangen anzusehen. Ist das Dienstverhältniß auf unbestimmte Zeit eingegangen, so ist die Kündigung nur für den Schluß eines Dienstjahrs und nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zulässig. Das Dienstjahr beginnt am 1. Februar. Bei anderen Dienstboten tritt an die Stelle der im § 621 Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmten Kündigungsfrist von sechs Wochen eine solche von einem Monate.

Art. 23. Das Dienstverhältniß kann von jedem Theile ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Die Kündigung ist auch schon vor dem Antritte des Dienstes zulässig. Art. 24. Als ein wichtiger Grund, der die Dienstherrschaft zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt, ist es, sofern nicht besondere Umstände eine andere Beurtheilung rechtfertigen, namentlich anzusehen: 1. wenn der Dienstbote die Dienstherrschaft bei Eingehung des Dienst­ vertrags durch Vorzeigung eines falschen oder gefälschten Dienstzeug­ nisses oder Dienstbotenbuchs hintergangen oder über das Bestehen eines anderen, ihn gleichzeitig verpflichtenden Dienstverhältnisses in einen Irrthum versetzt hat; 2. wenn der Dienstbote sich eines Diebstahls, mehrmaliger Entwendung, einer Unterschlagung, eines Betrugs oder eines liederlichen Lebens­ wandels schuldig macht; 3. wenn der Dienstbote den Antritt des Dienstes ohne rechtfertigenden Grund verweigert oder in erheblichem Maße verzögert, wenn er den Dienst während einer den Umständen nach erheblichen Zeit unbefugt verläßt oder den ihm obliegenden Verpflichtungen nachzukommen beharrlich verweigert;

XL1V. AusführungS-esetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

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4. wenn der Dienstbote die ihni obliegenden Verpflichtungen beharrlich in grober Weise vernachlässigt, die ihm anvertrauten Personen oder Thiere schlecht behandelt oder durch Vernachlässigung gefährdet; 5. wenn der Dienstbote der Verwarnung ungeachtet mit Feuer und Licht unvorsichtig umgeht; 6. wenn der Dienstbote sich Thätlichkeiten oder grobe Beleidigungen gegen die Dienstherrschaft oder ihren Vertreter oder gegen die Familien­ angehörigen der Dienstherrschaft oder des Vertreters zu Schulden kommen läßt; 7. wenn der Dienstbote sich einer vorsätzlichen rechtswidrigen Sach­ beschädigung zum Nachtheile der Dienstherrschaft, ihres Vertreters, ihrer Familienangehörigen oder des Nebengesindes schuldig macht; 8. wenn der Dienstbote Familienangehörige der Dienstherrschaft oder ihres Vertreters oder das Nebengesinde zu Handlungen verleitet oder zu verleiten versucht oder mit Familienangehörigen der Dienstherrschaft oder des Vertreters Handlungen begeht, die wider die Gesetze oder die guten Sitten verstoßen; 9. wenn der Dienstbote die Behausung zur Nachtzeit heimlich verläßt oder jemand zur Nachtzeit heimlich in die Behausung einläßt; 10. wenn der Dienstbote zu den ihm obliegenden Dienstleistungen unfähig ist oder an der Verrichtung der Dienste durch anhaltende Krankheit oder eine mehr als eine Woche dauernde Freiheitsstrafe oder eine die Zeit von vier Wochen übersteigende militärische Dienstleistung verhindert wird; 11. wenn der Dienstbote an einer ansteckenden oder abschreckenden Krankheit leidet; 12. wenn ein weiblicher Dienstbote sich verheirathet; 13. wenn ein unverheirateter weiblicher Dienstbote sich im Zustande der Schwangerschaft befindet. In den unter Ziff. 1 bis 9, 12 genannten Fällen ist die Kündigung wegen Thatsachen, die der Dienstherrschaft länger als eine Woche bekannt sind, nicht mehr zulässig.

Art. 25. Als ein wichtiger Grund, der den Dienstboten zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt, ist es, sofern nicht besondere Umstände eine andere Beurtheilung rechtfertigen, namentlich anzusehen: 1. wenn die Dienstherrschaft die Aufnahme des Dienstboten verweigert oder den Dienstboten vor Beendigung des Dienstverhältnisses entläßt; 2. wenn der Dienstbote zu den ihm obliegenden Verrichtungen unfähig wird oder wenn sich ergibt, daß die Fortsetzung der Verrichtungen das Leben oder die Gesundheit des Dienstboten einer erheblichen Gefahr ausfetzen würde, die ihm bei Eingehung des Dienstverhältniffes nicht bekannt war; 3. wenn die Dienstherrschaft oder ihr Vertreter sich Thätlichkeiten oder grobe Beleidigungen gegen den Dienstboten zu Schulden kommen läßt oder es verweigert, den Dienstboten gegen solche Handlungen eines Familienangehörigen der Dienstherrschaft oder des Vertreters, eines anderen Dienstboten oder eines Angestellten zu schützen;

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XL1V. Au-führungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

4. wenn die Dienstherrschaft oder ihr Vertreter oder Familienangehörige der Dienstherrschaft oder des Vertreters dem Dienstboten Handlungen zumuthen, die wider die Gesetze oder die guten Sitten verstoßen; 5. wenn die Dienstherrschaft den Lohn oder den gebührenden Unterhalt nicht gewährt oder den ihr nach § 618 des Bürgerlichen Gesetzbuchs obliegenden Verpflichtungen nachzukommen verweigert; 6. wenn der Dienstherrschaft das Halten des Dienstboten nach Artikel 16 verboten ist. In den unter Ziff. 3 genannten Fällen ist die Kündigung wegen Thatsachen, die dem Dienstboten länger als eine Woche bekannt sind, nicht mehr zulässig.

Art. 26. Wird das Dienstverhältniß wegen vertragswidrigen Ver­ haltens des einen Theiles nach Artikel 23 gekündigt, so kann der andere Theil als Schadensersatz den Betrag der Hälfte des auf ein Vierteljahr treffenden Lohnes verlangen. Bei landwirthschaftlichen Dienstboten erhöht sich der Schadensersatz auf den Betrag des vierten Theiles des Jahres­ lohns, wenn die Kündigung von Seite der Dienstherrschaft in der Zeit vom 1. Juni bis zum 31. Oktober oder von Seite des Dienstboten in der Zeit vom 1. Oktober bis zum Schluffe des Monats Februar erfolgt. Ist das Dienstverhältniß auf kürzere Zeit als ein Vierteljahr oder so eingegangen, daß es nach kürzeren Zeiträumen als von Vierteljahr zu Vierteljahr gekündigt werden kann, so ist als Schadensersatz im ersteren Falle der Betrag der Hälfte des für die Dienstzeit vereinbarten, im letzteren Falle der Betrag der Hälfte des auf den Zeitraum von einem Kündigungstermine zum anderen treffenden Lohnes zu leisten. Der in den Abs. 1, 2 bestimmte Schadensersatz kann verlangt werden, ohne daß der Eintritt eines Schadens dargelegt wird. Durch die Geltendmachung des Anspruchs auf diesen Schadensersatz wird das Verlangen eines weiteren Schadensersatzes ausgeschlossen. Diese Vorschriften finden auch in den Fällen des Artikel 16 Abs. 3, des Artikel 17 und des Artikel 25 Abs. 1 Ziff. 6 Anwendung. Art. 27. Würde der Dienstbote durch den Antritt des Dienstes oder die Fortsetzung des Dienstverhältnisses verhindert, von der ihm ge­ botenen Gelegenheit zur Verheirathuug oder zur Begründung eines eigenen Hausstandes Gebrauch zu machen, so ist er zur Kündigung berechtigt. Die Kündigung ist nach dem Antritte des Dienstes nur für den Schluß eines Kalendermonats zulässig; sie hat spätestens am fünfzehnten des Monats zu erfolgen. Art. 28. Ist die Dienstherrschaft in Folge einer wesentlichen Veränderung der Umstände, insbesondere wegen Verlegung des Wohnsitzes oder wegen Veräußerung des Gutes, zu deffen Bewirtschaftung der Dienstbote ausgenommen ist, dauernd verhindert, von der Dienstleistung Gebrauch zu machen, so kann sie ein auf längere Zeit eingegangenes Dienst­ verhältniß einem landwirthschaftlichen Dienstboten gegenüber nach Maßgabe des Artikel 22 Abs. 1 Satz 2, 3, einem andereil Dienstboten gegenüber unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist für den Schluß des Kalendervietteljahres kündigen.

XL1V. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

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Im Falle des Todes der Dienstherrschaft ist sowohl der Erbe als der Dienstbote zu der Kündigung nach Abs. 1 berechtigt.

Art. 29. Ertheilt die Dienstherrschaft einem Dienstboten, der gegen sie eine schwere Veruntreuung begangen hat, in Kenntniß dieser Thatsache das Zeugniß treuen Verhaltens, so ist sie für den Schaden verantwortlich, welcher der nachfolgenden Dienstherrschaft aus dem Vertrauen auf die Nichtigkeit des Zeugnisses entsteht. Die Verantwortlichket erlischt mit dem Ablaufe von drei Jahren seit der Ertheilnng des Zeugnisses, soweit sie nicht vorher gerichtlich geltend gemacht wird.

Art. 30. Wer einen Dienstboten verleitet, den Dienst ohne recht­ fertigenden Grund nicht anzutreten oder vor der Beendigung des Dienst­ verhältnisses zu verlassen, ist der Dienstherrschaft für den daraus ent­ stehenden Schaden verantwortlich; er hastet neben dem Dienstboten als Gesainmtschuldner. Die Vorschriften des Artikel 26 finden Anwendung. In gleicher Weise haftet derjenige, welcher wissentlich einen bereits verdungenen Dienstboten für die nämliche Zeit für sich dingt. Art. 31. Ein zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehendes Dienstverhältniß bestimmt sich, wenn nicht die Kündigung nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs für den ersten Termin erfolgt, für den sie nach den bisherigen Gesetzen zulässig ist, von diesem Termin an nach den neuen Vorschriften. LeibgedingSvertrag. Art. 32. Steht mit der Ueberlassung eines Grundstücks ein Leibgedingsvertrag (Leibzuchts-, Altentheils- oder Auszugsvertrag) in Ver­ bindung, so gelten für das sich aus dem Vertrag ergebende Schuldver­ hältniß, soweit nicht besondere Vereinbarungen getroffen sind, neben den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzhuchs über die Leibrente die besonderen Vorschriften der Artikel 33 bis 48.

Art 33. Die dem Berechtigten gebührenden Leistungen sind auf dem überlaffenen Grundstücke zu bewirken. Ist dem Berechtigten auf dem Grundstück eine abgesonderte Wohnung zu gewähren, so hat die Leistung ui der Wohnung zu erfolgen. Art. 34. Hat der Verpflichtete dem Berechtigten Erzeugnisse von der Gattung derjenigen zu liefern, welche auf dem Grundstücke gewonnen werden, so kann der Berechtigte nur Erzeugnisse von der mittleren Art und Güte derjenigen verlangen, welche auf dem Grundstücke bei ordnungs­ mäßiger Bewirthschastung gewonnen werden.

Art. 35. Hat der Verpflichtete dem Berechtigten Erzeugniffe des Feld- oder Wiesenbaus, des Obstbaus oder des Weinbaus als Jahresvorrath zu liefern, so hat die Lieferung zu der Zeit zu erfolgen, zu welcher die zu liefernden Erzeugnisse nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirth­ schaft gewonnen und, soweit der Lieferung eine Bearbeitung voranzugehen hat, bearbeitet sind.

XLIV. AussührungSgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

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Art. 36. Ist dem Berechtigten ein Theil des Grundstücks, ins­ besondere ein auf diesem befindliches Gebäude, zur Benutzung zu gewähren, so hat der Verpflichtete die auf diesen Theil des Grundstücks treffenden Lasten zu tragen. Art. 37. Ist dem Berechtigten auf dem Grundstück eine abge­ sonderte Wohnung zu gewähren, so hat der Verpflichtete die Wohnung dem Berechtigten in einem zu dem vertragsmäßigen Gebrauche geeigneten Zustande zu überlaffen und sie während der Dauer seiner Verpflichtung in diesem Zustande zu erhalten. Wird das Gebäude durch Zufall zerstört, so hat der Verpflichtete die Wohnung wiederherzustellen. Hat der Zufall eine so wesentliche Ver­ schlechterung der Vermögensverhältnisfe des Verpflichteten zur Folge, daß diesem die Wiederherstellung nicht zugemuthet werden kann, so ist dem Berechtigten in solcher Weise Wohnung zu gewähren, wie es den Um­ ständen nach der Billigkeit entspricht. Das Gleiche gilt, wenn das Ge­ bäude wiederherzustellen ist, für die zur Wiederherstellung erforderliche Zeit. Der Verpflichtete hat auf Verlangen des Berechtigten für das Ge­ bäude Versicherung gegen Brandschaden zu nehmen. Art. 38. Ist dem Berechtigten eine abgesonderte Wohnung zu gewähren, so ist er befugt, seine Familie sowie die zur standesmäßigen Bedienung und zur Pflege erforderlichen Personen in die Wohnung auf­ zunehmen. Hat der Verpflichtete dem Berechtigten die Mitbenutzung seiner Wohnung zu gestatten, so erstreckt sich die Befugniß des Berechtigten zur Aufnahme seiner Familie nicht aus Personen, die durch eine erst nach der Schließung des Leibgedingsvertrags eingegangene Ehe oder durch eine nach diesem Zeitpunkt erfolgte Ehelichkeitserklärung oder Annahme an Kindes­ statt Familienangehörige geworden sind, und nicht auf Kinder, die aus dem Hausstande des Berechtigten ausgeschieden waren.

Art. 39. stimmung gesammten gewähren; jedoch dem

Ist die Verpflegung des Berechtigten ohne nähere Be­ vereinbart, so hat der Verpflichtete dem Berechtigten den Lebensbedarf in standesmäßiger und ortsüblicher Weise zu die Kosten der ärztlichen Behandlung und der Heilmittel fallen Berechtigten zur Last.

Art. 40. Im Falle des Todes des Berechtigten hat der Ver­ pflichtete die.Kosten der standesmäßigen Beerdigung zu tragen, soweit die Bezahlung nicht von dem Erben zu erlangen ist. Art. 41. Der Berechtigte kann, falls ihm ein auf dem Grundstücke befindliches Gebäude oder ein Theil eines solchen Gebäudes als Wohnung zum ausschließlichen Gebrauche zu gewähren ist, die Bestellung eines Wohnungsrechts, falls ihm ein Theil des Grundstücks zu sonstiger Be­ nutzung zu gewähren ist, die Bestellung einer entsprechenden persönlichen Dienstbarkeit und, soweit andere wiederkehrende Leistungen zu entrichten find, die Bestellung einer entsprechenden Reallast an dem Grundstücke verlangen. Die Rechte sind mit dem Range unmittelbar hinter den zur Zeit der Ueberlaffung des Grundstücks bestehenden Belastungen zu bestellen.

XLIV. AusfiihrungSgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

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Art. 42. Ist der Verpflichtete mit der'Bewirkung einer ihm ob­ liegenden Leistung im Rückstände, so steht dem Berechtigten nicht das Recht zu, wegen der Nichterfüllung oder des Verzugs nach § 325 Abs. 2 oder § 326 des Bürgerlichen Gesetzbuchs von dem Vertrage zurückzutreten oder nach § 527 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Herausgabe des Grund­ stücks zu fordern. Art. 43. Ist der Berechtigte durch besondere Gründe genöthigt, das Grundstück dauernd zu verlassen, so hat der Verpflichtete ihm eine Geldrente zu leisten, welche dem Werthe der Befreiung von der Ver­ pflichtung zur Gewährung der Wohnung und zu Dienstleistungen nach billigem Ermessen entspricht, und für andere Leistungen, die für den Be­ rechtigten in Folge der Abwesenheit von dem Grundstück ohne Interesse sind, den Werth zu vergüten, den sie auf dem Grundstücke haben. Art. 44. Veranlaßt der Berechtigte durch sein Verhallen eine solche Störung der persönlichen Beziehungen zu dem Verpflichteten, daß diesem nicht niehr zugemuthet werden kann, ihm das Wohnen aus dem Grundstücke zu gestatten, so kann der Verpflichtete ihm die Wohnung unter Gewährung einer angemesienen Räumungssrist kündigen. Macht er von dieser Befugniß Gebrauch, so finden die Vorschriften des Artikel 43 An­ wendung.

Art. 45. Veranlaßt der Verpflichtete durch sein Verhalten eine solche Störung der persönlichen Beziehungen zu dem Berechtigten, daß diesem nicht zugemuthet werden kann, die Wohnung auf dem Grundstücke zu behalten, so hat er dem Berechtigten, falls dieser die Wohnung auf dem Grundstück aufgibt, den für die Beschaffung einer anderen angemesienen Wohnung erforderlichen Aufwand zu ersetzen. In gleicher Weise hat er dem Berechtigten den Schaden zu ersetzen, der daraus entsteht, daß -dieser andere ihm gebührende Leistungen nicht aus dem Grundstück in Enipsang nehmen kann. Art. 46. Wird das Grundstück veräußert, so stehen dem Be­ rechtigten die im Artikel 45 bestimmten Rechte zu. Er verliert diese Rechte, wenn er nicht vor dem Ablause des Kalendervierteljahrs, in welchem er von dem Uebergange des Eigenthums Kenntniß erlangt, und des folgenden Vierteljahrs das Grundstück räumt. Sie stehen ihm nicht zu, wenn die Veräußerung mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht an einen gesetzlichen Erben des Verpflichteten erfolgt. Die nach den Artikel 44, 45 sich aus einer Störung der persönlichen Beziehungen zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten ergebenden Rechte treten im Falle der Veräußerung des Grundstücks ein, wenn die persönlichen Beziehungen zwischen dem Berechtigten und dem Erwerber von dem einen oder dem anderen in der dort angegebenen Weise gestört werden. Art. 47. Ist ein Leibgeding für Ehegatten vereinbart, so kann, wenn der eine Ehegatte stirbt, der andere Ehegatte das volle Leibgeding mit Ausnahme der Leistungen verlangen, die unmittelbar für den besonderen Bedarf des verstorbenen Ehegatten bestimmt waren.

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XLIV. AuMhrungsgcsetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

In anderen Fällen Lines für mehrere Berechtigte vereinbarten Leib­ gedinges wird der Verpflichtete durch den Tod eines der Berechtigten zu dem Kopftheile des Verstorbenen von seiner Verpflichtung frei, soweit die geschuldeten Leistungen zum Zwecke des Gebrauchs oder Verbrauchs unter den Berechtigten getheilt werden mußten.

Art. 48. Bei der Beendigung des Rechtsverhältnisses hat der Verpflichtete, wenn er dem Berechtigten die Benutzung eines Theiles des Grundstücks zu gewähren hatte, die Kosten, die der Berechtigte auf die noch nicht getrennten, jedoch nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft vor dem Ende des Nutzungsjahrs zu trennenden Früchte ver­ wendet hat, insoweit zu ersetzen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirthschaft entsprechen und den Werth dieser Früchte nicht übersteigen. Hatte der Verpflichtete den Theil des Grundstücks für den Berechtigten zu bestellen, so bleiben die von ihm geleisteten Bestellungsarbeiten außer Ansatz. Schuldverschreibungen de- Staate- und der übrigen juristischen Personen de» öffentliche» Rechte-.

Art. 49. Wird eine auf den Inhaber ausgestellte Staatsschuld­ verschreibung auf den Namen des Gläubigers umgeschrieben, so ist die Staatskasse nur gegen Aushändigung der Schuldverschreibung zur Zahlung verpflichtet.

Art. 50. Zu der Stellung von Anträgen, welche eine Verfügung über die Schuldverschreibung enthalten, sowie zum Empfange der in der Schuldverschreibung versprochenen Zahlung sind nur der Gläubiger, auf dessen Namen die Schuldverschreibung umgeschrieben ist, seine gesetzlichen Vertreter und Bevollmächtigten, der Konkursverwalter und der Testaments­ vollstrecker sowie diejenigen Personen berechtigt, welche die Schuldver­ schreibung von Todeswegen oder im Wege der Auseinandersetzung in An­ sehung eines Nachlasses oder des Gesammtguts einer Gütergenleinschaft erworben haben. Ist die Schuldverschreibung zum Zwecke der Zwangsvollstreckung gepfändet, so kann der Gläubiger, zu dessen Gunsten die Pfändung er­ folgt ist, die Löschung der Umschreibung beantragen. Eine Ehefrau wird zur Stellung von Anträgen und zum Empfange der Zahlung ohne Zustimmung des Ehemanns zugelassen. . In Ansehung der zu einem Familienfideikommiß oder einem Lehen gehörenden Schuldverschreibungen verbleibt es bei den bestehenden Vor­ schriften. Art. 51. Der Antragsteller muß sich im Besitze der Schuldver­ schreibung befinden. Der Antrag muß öffentlich beurkundet oder öffentlich beglaubigt sein. Anträge einer öffentlichen Behörde bedürfen einer besonderen Be­ glaubigung nicht. Für eine Vollmacht oder eine sonstige Vertretungs- oder Verwaltungsbefugniß ist derselbe Nachweis erforderlich wie bei der Bewilligllng einer Eintragung in das Grundbuch. Zum Nachweise des Erwerbes von Todes­ wegen ist ein Zeugniß, des Nachlaßgerichts erforderlich. Bei dem Erwerb

XLIV. AussuhruugSgcsetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

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im Wege der Auseinandersetzung genügt ein Zeugniß des zuständigen Gerichts oder Notars. Für die Beglaubigung des Antrags und der Vollmacht ist auch die Genieindebehörde des Wohnorts des Antragstellers oder des Vollmacht­ gebers zuständig. Ist seit der Umschreibung eine Aenderung in der Person des Gläubigers (Verheirathung einer Frau, Aenderung des Namens, des Standes oder des Gewerbes, des Wohnorts) eingetreten, so kann verlangt werden, daß die Identität durch eine öffentliche Urkunde nachgewiesen wird. Diese Vorschriften gelten auch für die Quittung über den Empfang der Zahlung.

Art. 52. Ist das Versügungsrecht des Antragstellers oder des Empfängers der Zahlung in der im Artikel 51 bestimmten Weise nach­ gewiesen, so ist die Staatsschuldenverwaltung ohne weitere Prüfung zll der Annahme berechtigt, daß der Antragsteller oder der Empfänger der Zahlung über die Schuldverschreibung rechtswirksam verfügen kann.

Art. 53. Eine Uebertragung der Schuldverschreibung wird der Staatskasse gegenüber erst mit der Umschreibung wirksam. Art. 54. Die Vorschriften der 88 798 bis 803, 805 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs gelten auch für die auf den Namcu des Gläubigers um­ geschriebenen Schuldverschreibungen. Auf das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Kraftloserklärung einer solchen Schuldverschreibung finden die Vorschriften der §§ 1010 bis 1014 der Civilprozeßordnung keine Anwendung. Art. 55. Die Vorschriften der Artikel 49 bis 54 gelten auch für die Staatsschuldverschreibungen, deren Umschreibung auf den Namen des Gläubigers vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs erfolgt ist. An dem Rechte aus einem vor diesem Zeitpunkt ausgestellten Er­ neuerungsscheine wird nichts geändert. Art. 56. Das Erlöschen und die Verjährung der Ansprüche aus einer Sta-tsschuldverschreibnng oder einem Zinsscheine kommt dem Fonds zu statten, aus welchem die Zahlung zll leisten war.

Art. 57. Die Vorschriften der Artikel 49 bis 55 finden entsprechende Anwendung auf Schuldverschreibungeil, die von einer dem bayerischen Staate angehörenden Körperschaft, «Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Sied,leä ous*“t

6WW M »m.».., M-Mch» oder Gewässer zu Anlagen »der Betrieben.

Art. 58.

Werden öffentliche Straßen oder Plätze mit Genehmigung der zuständigen Behörde zu dem Betrieb einer Eisenbahu benutzt, so ist der Unternehmer auch für den Schaden verantwortlich, der bei dem Be­ trieb in Folge des öffentlichen Gebrauchs der Straßen oder Plätze an einer fremden Sache entsteht, sofern nicht der Unfall durch höhere Gewalt oder durch Verschulden des Inhabers der Sache verursacht ist.

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XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

Der Anspruch aus Schadensersatz verjährt in zwei Jahren von dem Unfall an.

Akt. 59. Wird die Benutzung eines dem öffentlichen Gebrauche dienenden Grundstücks oder eines öffentlichen Gewässers zu einer Anlage oder einem Betriebe gestattet, so kann bei der Ertheilung der Genehmigung von der zuständigen Behörde bestimmt werden, daß der Unternehmer für den Schaden, der bei dem öffentlichen Gebrauche des Grundstücks oder des Gewäffers durch die Anlage oder den Betrieb verursacht wird, oder für gewiffe Arten eines solchen Schadens verantwortlich ist. Im Falle der Tödtung oder einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eines Menschen finden die Vorschriften der 88 842 bis 844 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Anwendung. Die Ersatzpflicht des Unternehmers erstreckt sich nicht auf einen Schaden, der durch höhere Gewalt oder durch Verschulden des Verletzten oder des Inhabers der beschädigten Sache verursacht ist. Der Anspruch auf Schadensersatz verjährt.in zwei Jahren von dem Unfall an. Im Falle einer Tödtung beginnt die Verjährung der im 8 844 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmten Ansprüche mit dem Eintritte des Todes. Hast»«- des Staate» ««» der Komm««alvrrbä»de für Beamt».

Akt» 60, Verletzt ein Beamter des Staates, einer Gemeinde oder eines anderen Kommunalverbandes in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegen­ über obliegende Amtspflicht, so trifft dem Dritten gegenüber die im 8 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmte Verantwortlichkeit an Stelle des Beamten den Staat oder den Verband, in dessen Dienste der Beamte steht. Bei den Amtsgeschäften der Gerichtsvollzieher gilt dies auch für die Verletzung der Pflichten gegenüber dem Auftraggeber. Ausländern kann die Entschädigung, vorbehaltlich der Haftung des Beamten, verweigert werden, wenn nicht nachgewiesen ist, daß in dem Heimathstaate des Beschädigten eine der Vorschrift des Ws. 1 Satz 1 entsprechende Haftung Deutschen gegenüber wenigstens insoweit anerkannt wird, als der Ersatz des Schadens von dem Beamten nicht zu erlangen ist. Die für einzelne Klaffen von Beamten bestehenden besonderen Vor­ schriften bleiben unberührt. Der Beamte hat dem Staate oder dem Verband, in dessen Dienste er steht, den Schaden zu ersetzen, der dem Staate oder dem Verband aus der Verletzung der Amtspflicht entsteht. Die Vorschriften des 8 852 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden mit der Maßgabe Anwendung, daß die dreijährige Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkte beginnt, in dem die ErsaAflicht des Staates oder des Verbandes dem Beschädigten gegenüber anerkannt oder rechtskräftig sestgestellt ist.

Akt. 61. Ist ein Beamter des Staates, anderen Kommunalverbandes für einen Schaden bezeichneten Art deswegen nicht verantwortlich, der Bewußtlosigkeit oder in einem die freie

einer Gemeinde oder eines der im Artikel 60 Abs. 1 weil er sich im Zustande Willensbestimmung aus-

XL1V. Ausiührungsgesctz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

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schließenden Zustande krankhafter Störung der Gcistesthätigkcit befunden hat, so kann der Beschädigte von dem Staate oder dem Verbände Schadens­ ersatz verlangen. Für den Schaden, der daraus entsteht, daß der Beamte bei einem Urtheil in einer Rechtssache die Amtspflicht verletzt, ist der Staat oder der Verband in dem Falle des Abs. 1 nicht verantwortlich. Die Vorschriften des § 839 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Artikel 60 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 3 finden entsprechende Anwendung.

Rachbarrecht. Art. 62.

Sind Fenster weniger als 0,60 m von der Grenze eines Nachbargrundstücks entfernt, das mit Gebäuden versehen ist oder als Hofraum oder Hausgarten dient, so müssen sie aus Verlangen des Eigenthümers dieses Grundstücks so eingerichtet werden, daß bis zur Höhe von 1,80 m über dem hinter ihnen befindlichen Boden weder das Oeffnen noch das Durchblicken möglich ist. Die Entfernung wird von dem Fuße der Wand, in der sich das Fenster befindet, unterhalb der zunächst an der Grenze befindlichen Allßenkante der Fensteröffnung ab gemessen. Den Fenstern stehen Lichtöffnungen jeder Art gleich.

Art. 63. Balköne, Erker, Gallerten und ähnliche Anlagen, die weniger als 0,60 m von der Grenze eines Nachbargrundstücks abstehen, das mit Gebäuden versehen ist oder als Hofranm oder Hansgarten dient, müssen aus der dem Nachbargrundstücke zugekehrten Seite ans Verlangen des Nachbars mit einem der Vorschrift des Artikel 62 entsprechenden Ab­ schlüsse versehen werden. Der Abstand wird bei vorspringenden Anlagen von dem zunächst an der Grenze befindlichen Vorsprung ab, bei anderen Anlagen nach Artikel 62 Abs. 1 Satz 2 gemessen.

Art. 64. Die Vorschriften der Artikel 62, 63 kommen auch gegenüber einem Grundstücke, das einer öffentlichen Eisenbahnanlage dient, zur Anwendung. Die Fenster und anderen Lichtöffnungen sowie der Ab­ schluß der im Artikel 63 bezeichneten Anlagen dürfen jedoch so eingerichtet werden, daß sie das Durchblicken gestatten. Art. 65. Für Fenster, andere Lichtöffnungen und Anlagen der im Artikel 63 bezeichneten Art, die sich an der Baulinie befinden, gelten die Vorschriften der Artikel 62 bis 64 nicht.

Art. 66. Für die zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehenden Lichtöffnungen, Fenster, Balköne, Erker und ähn­ lichen Anlagen bleiben die bisherigen Vorschriften in Geltung, soweit sie eine geringere Beschränkung bestimmen als die Artikel 62 bis 65. Art. 67. Hat der Eigenthümer eines Gebändes vor dem Inkraft­ treten des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach den Vorschriften des preußischen Landrechts durch Zeitablauf das Recht erlangt, daß zum Schutze seiner Fenster vor Verdunkelung mit Anlagen aus einem Nachbargrundstück ein bestimmter Abstand eingehaltcn werden muß, so gilt dieses Recht als Grunddienstbarkeit.

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XLIV. AuSführungsgeseh zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

Das Gleiche gilt, wenn der Eigenthümer eines Gebäudes vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach den Vorschriften des Pfälzischen Rechtes durch Zeitablauf das Recht erlangt hat, Fenster, andere Lichtöffnungen oder Anlagen der im Artikel 63 bezeichneten Art zu halten, die den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechen.

Art. 68. Werden zwei Grundstücke durch eine Mauer geschieden, zu deren Benutzung die Eigenthümer der Grundstücke gemeinschaftlich berechtigt sind, so kann der Eigenthümer des einen Grundstücks dem Eigen­ thümer des anderen Grundstücks nicht verbieten, die Mauer ihrer ganzen Dicke nach zu erhöhen, wenn ihm nachgewiesen wird, daß durch die Er­ höhung die Mauer nicht gefährdet wird. Der Eigenthümer des Grundstücks, von dem aus die Erhöhung erfolgt ist, kann dem Eigenthümer des anderen Grundstücks die Benutzung des Aufbaus verbieten, bis ihm für die Hälfte oder, wenn nur ein Theil des Aufbaus benutzt werden soll, für den entsprechenden Theil der Bau­ kosten Ersatz geleistet wird. Ist der Bauwerth geringer als der Betrag der Baukosten, so bestimmt sich der zu ersetzende Betrag nach dem Bau­ werthe. Die Ersatzleistung kann auch durch Hinterlegung oder durch Auf­ rechnung erfolgen. Solange das Verbietungsrecht besteht, hat der Be­ rechtigte den Mehraufwand zu tragen, den die Unterhaltung der Mauer in Folge der Erhöhung verursacht. Wird die Mauer zum Zwecke der Erhöhung verstärkt, so ist die Verstärkung auf dem Grundstück anzubringen, dessen Eigenthümer die Erhöhung unternimmt. Der nach Abs. 2 von dem Eigenthümer des anderen Grundstücks zu ersetzende Betrag erhöht sich um den entsprechenden Theil des Werthes der zu der Verstärkung verwendeten Grundfläche. Verlangt der Eigenthümer des Grundstücks, auf dem die Verstärkung angebracht worden ist, die Ersatzleistung, so ist er verpflichtet, dem Eigen­ thümer des anderen Grundstücks das Eigenthum an der zu der Mauer verwendeten Grundfläche seines Grundstücks soweit zu übertragen, daß die neue Grenzlinie durch die Mitte der verstärkten Mauer geht; die Vor­ schriften über den Kauf finden Anwendung.

Art. 69. Ist eine Mauer der im Artikel 68 Abs. 1 bezeichneten Art vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs von dem Eigen­ thümer des einen Grundstücks erhöht worden, so finden, soweit nach den bisherigen Vorschriften für die Benutzung des Aufbaus seitens des Eigenthümers des anderen Grundstücks ein Theil der Kosten zu ersetzen oder eine sonstige Vergütung zu leisten ist, die Vorschriften der Artikel 68 Abs. 2,3 Anwendung, es sei denn, daß die Vergütung schon vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs fällig geworden ist. Art. 70. Hat zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Ge­ setzbuchs der Eigenthümer eines Grundstücks auf Grund eines ihm nach den bisherigen Vorschriften gegenüber dem Eigenthümer eines Nachbar­ grundstücks zustehendcn Zwangsrechts eine Maner, durch welche die Grund­ stücke geschieden werden, zu gemeinschaftlicher Benutzung zu errichten be­ gonnen, so bleiben diese Vorschriften für das Recht und die Pflicht zur Herstellung der Mauer maßgebend.

XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

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Ist eine Mauer, durch welche zwei Grundstücke geschieden werden, von dem Eigenthümer des einen Grundstücks ans Grund eines ihm nach den bisherigen Vorschriften gegenüber dem Eigenthümer des anderen Grund­ stücks zustehenden Zwangsrechts zu gemeinschaftlicher Benutzung hergestellt worden, so finden an Stelle der bisherigen Vorschriften, nach welchen im Falle der Benutzung der Mauer seitens des Eigenthümers des anderen Grundstücks ein Theil der Kosten zu ersetzen ist, die Vorschriften des Artikel 68 Abs. 2, 3 entsprechende Anwendung, es sei denn, daß der Ersatz­ anspruch schon vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs fällig geworden ist.

Art. 71. Der Eigenthümer eines Grundstücks kann verlangen, daß^äuf einem Nachbargrundstücke nicht Bänme, Sträucher oder Hecken, Weinstöcke oder Hopfenstöcke in einer geringeren Entfernung als 0,50 m oder, falls sie über 2 m hoch sind, in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze seines Grundstücks gehalten werden. Zu Gunsten eines Waldgrundstücks kann nur die Einhaltung eines Abstandes von 0,50 m verlangt werden. Das Gleiche gilt, wenn Wein oder Hopfen auf einem Grundstück angebaut wird, in dessen Lage dieser Anbau nach den örtlichen Verhältnissen üblich ist. Art. 72. Gegenüber einem landwirthschaftlich benutzten Grund­ stücke, deffen wirthschaftliche Bestimmung durch Schmälerung des Sonnen­ lichts erheblich beeinträchtigt werden wiirde, ist mit Bäumen von mehr als 2 m Höhe ein Abstand von 4 m einzuhalten. Auf Stein- und Kern­ obstbäume findet diese Vorschrift keine Anwendung. Die Einhaltung des im" Abs. 1 bestimmten Abstandes kann nur ver­ langt werden, wenn das Grundstück die bezeichnete wirthschaftliche Be­ stimmung schon zu der Zeit gehabt hat, zu welcher die Bäume die Höhe von 2 m überschritten haben.

Art. 73. Der nach den Artikeln 71, 72 einzuhaltende Abstand wird von der Mitte des Stammes an der Stelle, wo dieser ans dem Boden hervortritt, bei Sträuchern und Hecken von der Mitte der zunächst an der Grenze befindlichen Triebe, bei Hopfenstöcken von der Hopfenstange oder dem Steigdraht ab gemessen. Art. 74. Die Vorschriften der Artikel 71, 72 finden keine An­ wendung auf Gewächse, die sich hinter einer Mauer oder einer sonstigen dichten Einfriedigung befinden und diese nicht oder nicht erheblich über­ ragen. Sie gelten ferner nicht für Bänme, die längs einer öffentlichen Straße oder auf einem öffentlichen Platze gehalten werden, sowie für Pflanzungen, die zum Uferschntze, zum Schutze von Abhängen oder Bösch­ ungen oder zum Schutze einer Eisenbahn dienen. Die Vorschrift des Artikel 72 Abs. 1 gilt auch nicht für Bäume, die sich in einem Hofranm oder einem Hansgarten befinden. Im Falle einer Aufforstung kann die Einhaltung des im Artikel 72 Abs. 1 bestimmten Abstandes nicht verlangt werden, wenn die Anfforstung nach der Lage des anfzuforstenden Grundstücks der wirthschaftlichen Zweckmäß.'gkeit entspricht.

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XLIV. AussührungSgeseh zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

Art. 75. Für die zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorhandenen Bäume, Sträucher und Hecken, Weinstöcke und Hopfenstöcke verbleibt es bei den bisherigen Vorschriften, soweit sie das Halten der Gewächse in einer geringeren als der nach den Artikeln 71 bis 74 einzuhaltenden Entfernung von der Grenze des Nachbargrundstücks gestatten. Bei einem Grundstücke, das zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit Wald bestanden ist, gilt bis zur nächsten Verjüngung des Waldes das Gleiche auch für neue Bäume und Sträucher. Im Falle der Verjüngung kann die Einhaltung eines mehr als 2 m betragenden Abstandes nicht verlangt werden. Die Verjüngung gilt im Falle des Plenterbetriebs am 1. Januar 1950 als eingetreten. Art. 76. Soweit in den Landestheilen rechts des Rheins nach örtlichem Herkommen bei der Bestellung landwirthschaftlicher Grundstücke die Ueberschreitnng der Grenze eines Nachbargrundstücks gestattet ist (Anwenderecht), bleibt diese Befugniß mit dem bisherigen Inhalte bestehen.

Art. 77. Die im Artikel 68 Abs. 2, im Artikel 69, im Artikel 70 Abs. 2 und im Artikel 76 bezeichneten nachbarrechtlichen Befugnisse erlöschen durch Verzicht des Berechtigten. "Der Verzicht erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Eigenthümer des Nachbargrundstücks. Die Erklärung muß im Falle des Artikel 76 in öffentlich beglaubigter Form abgegeben werden. Ist das Grundstück des Berechtigten mit dem Rechte eines Dritten belastet, so finden die Vorschriften des 8 876 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung. Im Falle der Belastung mit einer Reallast, einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld ist der Verzicht auf das im Artikel 68 Abs. 2, im Artikel 69 und im Artikel 70 Abs. 2 bezeichnete Verbietungsrecht dem Dritten gegenüber wirksam, wenn er erfolgt, bevor das Grundstück zu Gunsten des Dritten in Beschlag genommen worden ist. Art. 78. Die sich aus den Vorschriften der Artikel 62 bis 66 und des Artikel 68 Abs. 1 ergebenden Ansprüche unterliegen nicht der Verjährung. Der Anspruch auf Beseitigung eines die Vorschriften der Artikel 71 bis 75 verletzenden Zustandes verjährt in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablaufe des Kalenderjahrs, in welchem die Verletzung erkennbar wird. Werden Gewächse, in Ansehung deren der Anspruch verjährt ist, durch neue ersetzt, so ist die vollendete Verjährung ohne Einfluß auf das Recht des Eigenthümers des Nachbargrundstücks, in Ansehung der neuen Gewächse die Einhaltung des in den Artikeln 71 bis 74 und im Artikel 75 Abs. 2 vorgeschriebenen Abstandes zu verlangen. Art. 78. Ein Anwenderecht erlischt mit dem Ablaufe von zehn Jahren nach der letzten Ausübung. Die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 202 bis 207, 209 bis 212, 216, 217, 219, 220 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung. Art. 80. Die Vorschrift des § 26 der Gewerbeordnung findet auf Eisenbahn-, Dampfschiffahrts- und ähnliche Unternehmungen, welche dem öffentlichen Verkehre dienen, entsprechende Anwendung.

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XLIV, Ausführungsgesctz zum Bürgerllchen Gesetzbuch«.

F»rm der Auslastung.

Art. 81. In Ansehung der in Bayern liegenden Grundstücke kann d:e Einigung der Parteien bei der Uebertragung des Eigenthums und der Bestellung eines Erbbaurechts außer vor dem Grundbuchamt auch vor einem bayerischen Notar erklärt werden. Art. 82. Werden Grundstücke durch einen Notar versteigert, so bedarf es bei der Auflassung, sofern sie noch in dem Versteigerungstermine stattfindet, nicht der gleichzeitigen Anwesenheit beider Theile. Uebertragung -eS Eigenthums, Begründung «nd Aushebung von Dienstbarkeiten an bnchnngsfreien Grundstücken.

Art. 83. Zur Uebertragung des Eigenthums an einem Grund­ stücke, das im Grundbuche nicht eingetragen ist und nach den Vorschriften der Grundbuchordnung auch nach der Uebertragung nicht eingetragen zu werden braucht, ist die Einigung des Veräußerers und des Erwerbers darüber, daß das Eigenthum übergehen soll, und die öffentliche Beur­ kundung der Erklärungen der beiden Theile erforderlich. Die Uebertragung des Eigenthums kann nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgen. Art. 84. Zur Begründung einer Dienstbarkeit an einem Grund­ stücke, das im Grundbuche nicht eingetragen ist und nach den Vorschriften der Grundbuchordnung nicht eingetragen zu werden braucht, ist die Einigung des Bestellers und des Erwerbers darüber, daß das Grundstück mit der Dienstbarkeit belastet werden soll, erforderlich. Die Erklärung des Bestellers muß in öffentlich beglaubigter Form abgegeben werden. Zur Aufhebung einer Dienstbarkeit an einem Grundstücke der im Abs. 1 bezeichneten Art ist die Erklärung des Berechtigten gegenüber dem Eigenthümer erforderlich, daß er die Dienstbarkeit aufgebe; die Erklärung muß in öffentlich beglaubigter Form abgegeben werden. Die Vorschriften des 8 876 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung. Eine Dienstbarkeit an einem Grundstücke der im Asts. 1 bezeichneten Art erlischt mit dem Ablaufe von zehn Jahren nach der letzten Ausübung. Hat eine Ausübung nicht stattgefunden, so beginnt die zehnjährige Frist mit dem Zeitpunkte, von dem an die Ausübung zulässig war. Die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 202 bis 207, 209 bis 212, 216, 217, 219, 220 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung. Der Lauf der Erlöschungsftist wird nicht dadurch gehemmt, daß die Dienstbarkeit nur zeitweise ausgeübt werden kann. Die Frist endigt jedoch in diesem Falle nicht, bevor die Zeit, zu welcher die Ausübung zulässig war, zum zweiten Male eingetreten und seit dem zweiten Eintritt ein Jahr verstrichen ist. Ausschließung du« Dienstbarkeit«« nnd Reallaste«.

Art. 85. Als Reallast kann außer dem Rechte auf Leistungen, die zu einer Leibrente, insbesondere zu einem Leibgedinge, gehören, nur das Recht auf die regelmäßig wiederkehrende Leistung von fest bestimmten Geldbeträgen oder fest bestimmten Mengen von Bodenerzengnissen bestellt werden. Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze (Bayern).

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XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

Bei der Bestellung einer Reallast solcher Art muß der Geldbetrag bestimmt werden, durch desien Zahlung der Elgenthümer die Reallast ablösen kann. Auf die Ablösung der Reallast finden die für die Ablösung einer Rentenschuld geltenden Vorschriften des § 1202 des Bürgerlichen Gesetz­ buchs entsprechende Anwendung. Haftet der Eigenthümer für die während der Dauer seines Eigenthums fällig werdenden Leistungen auch persönlich, so erstreckt sich im Falle der Kündigung die persönliche Haftung auf die Ablösungssumme.

Art. 86. Forstberechtigungen, Jagdberechtigungen und Weiderechte können auch in der Pfalz nicht begründet werden. Amtliche Ermittel««- des Werthes v»« Grundstücke«.

Art. 87.

Der Eigenthümer eines Grundstücks kann den Werth des Grundstücks mit Rücksicht auf die Sicherheit von Hypotheken, Grund­ schulden oder Rentenschulden durch Sachverständige amtlich feststellen lassen. Für die Ernennung, Beeidigung und Vernehmung der Sachverständigen ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirke das Grundstück liegt. Die Vernehmung kann auch durch einen Notar erfolgen. Die Staatsministerien der Justiz und des Innern können die Grundsätze bestimmen, nach denen der Werth der Grundstücke festzustellen ist, und das bei der Feststellung zu beobachtende Verfahren regeln.

Art. 88. Verletzt ein zur amtlichen Feststellung des Werthes von Grundstücken mit Rücksicht auf die Sicherheit von Hypotheken, Grund­ schulden oder Rentenschulden bestellter Schätzer vorsätzlich oder aus Fahr­ lässigkeit die ihm obliegende Berufspflicht, so hat er den daraus für einen Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuldgläubiger entstehenden Schaden dem Gläubiger zu ersetzen. Fällt dem Schützer nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Beschädigte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

Recht der Gemeinde« und Stiftungen aus Sicherungs­ hypothek gegenüber ihre« Verwalter«.

Art. 89. Die Gemeinden und die anderen Kommunalverbände, die Stiftungen des öffentlichen Rechtes und die unter der Verwaltung einer öffentlichen Behörde stehenden Stiftungen sind berechtigt, zu verlangen, daß für die Forderungen, die aus der Verwaltung ihres Vermögens gegen den Verwalter entstehen, eine Sicherungshypothek an Grundstücken des Verwalters in das.Grundbuch eingetragen wird. Die Eintragung der Hypothek ist für den Betrag zu erwirken, für welchen der Ver­ walter Sicherheit zu leisten hat, soweit nicht die Sicherheit anderweit geleistet wird. Die Eintragung der Hypothek erfolgt auf Ersuchen der Behörde, welcher die Ausführung der über die Sicherheitsleistung getroffenen Be­ stimmung obliegt. Ergibt sich eine Haftung des Verwalters, so kann das Ersuchen auch von der für die Feststellung der Haftung zuständigen Behörde gestellt werden.

XLIV. AussuhrungSgesctz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

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Die Eintragung der Hypothek an mehreren Grundstücken darf nur soweit »erlangt werden, daß der Werth der Grundstücke das Doppelte des zu sichernden Betrags erreicht; der Werth wird unter Abzug der Belastungen berechnet, welche der Hypothek im Range vorgehen.

Bekanntmachung des Verluste« bau Jnhaberpapieren.

Art. 90. Die Distriktspolizeibehörden haben auf Antrag desjenigen, welchem ein Jnhaberpapier gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, den Verlust im Reichsanzeiger bekannt zu machen, wenn der Verlust glaubhaft gemacht wird. Der Antragsteller hat die Kosten vorzuschießen. Bei dem Verluste von Banknoten und anderen auf Sicht zahlbaren unverzinslichen Jnhaberpapieren kann die Bekanntmachung nicht verlangt werden; für abhanden gekommene Zins-, Renten- oder Gewinnantheil­ scheine kann sie nur verlangt werden, wenn die Scheine später als in dem nächsten auf die Bekanntmachung folgenden Einlösungstermine fällig werden. Lösnngsanspruch der öffentliche» Psaudleihanstalten.

Art. 91. Oeffentlichen Pfandleihanstalten steht das Recht zu, Sachen, an denen sie nach den Vorschriften des § 935 Abs. 1 und der §§ 1207, 1208 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein Pfandrecht nicht oder nur im Range nach dem Rechte eines Dritten, mit welchem die Sache belastet ist, erwerben, dem Berechtigten nur gegen Bezahlung des auf die Sache gewährten Darlehens sammt Zinsen herauszugeben. Die Vorschriften des § 1003 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung. Anlegung von Mündelgeld in Hypothekensorderungen.

Art. 92.

Für die Anlegung von Mündelgeld ist eine Hypothek, eine Grundfchuld oder eine Rentenschuld als sicher nur zu erachten, wenn sie innerhalb der ersten Hälfte des Werthes des Grundstücks zu stehen kommt. „ . t ..

Gememdrwaisenrath.

Art. 93.

Für jede Gemeinde wird ein Gemeindewaisenrath bestellt. In Städten mit mehr als 100,000 Einwohnern können mehrere Gemeindewaisenräthe, jeder für einen abgegrenzten Theil des Stadtbezirkes, gebildet werden.

Art. 94. Der Gemeindewaisenrath besteht in Gemeinden mit städtischer Verfassung sowie in Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern aus dem Bürgermeister, wo deren mehrere vorhanden sind, aus dem ersten, als Vorsitzenden unb aus einer Anzahl gewählter Waisenräthe. Der Bürgermeister kann sich durch ein Mitglied des Magistrats oder der Gemeindeverwaltung vertreten lassen. In den übrigen Gemeinden werden ein oder mehrere Waisenräthe aufgestellt. Bei der Aufstellung mehrerer Waisenräthe ist jedem ein örtlich abgegrenzter Bezirk zuzuweisen. Art. 95. Die Zahl der Waisenräthe wird in Gemeinden mit städtischer Verfassung tioni Magistrat unter Zustimmung der Gemeinde­ bevollmächtigten, in anderen Geineinden von der Gemeideverwaltung fest­ gesetzt. Das Gleiche gilt von der Bildung mehrerer Gemeindewaisenrätbe 74*

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XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«

nach Artikel 93 Abs. 2, Die Gemeindeverwaltung bestimmt in den Fällen des Artikel 94 Abs. 2 auch die Bezirke der einzelnen Waisenräthe.

Art. 96. Die Waisenräthe werden in Gemeinden mit städtischer Verfassung von den in einen Wahlkörper vereinigten Magistratsmitgliedern und Gemeindebevollmächtigten, in den übrigen Gemeiilden von der Gemeindeverwaltung gewählt. Znr Wahl der Waisenräthe ist nach der Vollendung der ordentlichen Gemeindewahl und nach der Bildung des Armenpflegschaftsraths zu schreiten. Wählbar ist, wer zum Mitgliede des Armenpflegschaftsraths gewählt werden kann. Ms gewählt ist zu erachten, wer bei der Wahl die meisten Stimmen erhalten hat. Die Wahl gilt für die Zeit bis zu der nächsten nach Abs. 2 stattfindenden Wahl. Abgänge in dem Personalstande der Waisenräthe sind sofort durch Neuwahl zu ersetzen. Die Gewählten werden durch den Bürgermeister auf Handgelübde verpflichtet.

Art. 97.

Das Amt

des Waisenraths

ist

ein unentgeltliches

Gemeindeamt.

Art. 98. Der Gemeindewaisenrath ist befugt, Frauen, welche hiezu bereit sind, als Waisenpflegerinnen in widerruflicher Weise aufzustellen. In den im Artikel 94 Abs. 2 bezeichneten Gemeinden erfolgt die Aufstellung auf den Vorschlag des Waisenraths durch den Bürgermeister. Die Waisenpflegerinnen haben unter Leitung des Gemeindewaisen­ raths bei der Beaufsichtigung der im Kindesalter stehenden Mündel und bei der Ueberwachung weiblicher Mündel mitzuwirken.

Art. 99. Die Geschäftsführung des Gemeindewaisenraths, ins­ besondere der Verkehr mit dem Vormundschaftsgerichte, wird durch die Staatsministerien der Justiz und des Innern geregelt. Es kann insbesondere angeordnet werden, daß die Waisenräthe eines Bezirkes zeitweise unter der Leitung des Vormundschaftsrichters zusammentreten, um von dem Zustande der Aufficht über die Erziehung und körperliche Pflege der Mündel in dem Bezirke Kenntniß zu erlangen sowie allgemeine Fragen ihrer Amtsführung zu besprechen und Mängel abzustellen.

Anstaltsvormund.

Akt. 100.

Für eine unter staatlicher Verwaltung oder Aufficht stehende Erziehungs- oder Verpflegungsanstalt kann durch Anordnung der zuständigen Staatsministerien bestimmt werden, daß der Vorstand der Anstalt die Rechte und Pflichten eines Vormundes für die zur Erziehung oder zur Verpflegung in die Anstalt aufgenommenen Minder­ jährigen hat. Der Vorstand behält die Rechte und Pflichten des Vormundes auch nach der Beendigung der Erziehung oder der Verpflegung bis zur Voll­ jährigkeit des Mündels.

XLIV. Aussührungsgesctz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

1173

Dem Vorstande stehen die nach § 1852 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zulässigen Befreiungen zu. Ein Gegenvormund ist nicht zu bestellen. Der Vorstand hat die Aufnahme des Minderjährigen in die Anstalt dem Vormundschaftsgericht anzuzeigen. Die Befugniß des Vormundschaftsgerichts, einen anderen Vormund zu bestellen, bleibt unberührt. Auf Antrag des Vorstandes ist ein anderer

Vormund zu bestellen.

Stechte der öffentlichen WahlthätiakeitSauftalte« i« Awfthwwg des Nachlasses unterstützter oder verpflegter Personen.

Art. 101. Oeffentliche Wohlthätigkeitsanstalten können aus dem Nachlasse der von ihnen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Tode unterstützten oder unentgeltlich verpflegten Personen Ersatz der für die Unterstützung oder die Verpflegung gemachten Aufwendungen für die ganze Dauer der Leistung verlangen, soweit nicht durch die Geltendmachung des Anspruchs der nothdürftige Unterhalt eines pflichttheilsberechtigten Angehörigen des Erblassers gefährdet werden würde. Der Ersatzanspruch kann nicht zum Nachtheile der Nachlaßgläubiger geltend gemacht werden. Verbindlichkeiten aus Pflichttheilsrechten, Ver­ mächtnissen und Auflagen bleiben außer Betracht.

Art. 102. Durch die Satzungen einer öffentlichen Verpflegungs­ anstalt kann der Anstalt ein Recht auf die Sachen eingeräumt werden, welche von einer Person, die in der Anstalt bis zum Tode unentgeltlich verpflegt worden ist, zum Zwecke des Gebrauchs in der Anstalt eingebracht worden sind. Das Eigenthum an den der Anstalt zufallenden Sachen geht mit dem Eintritte des Erbfalls auf die Anstalt über. Der Werth der Sachen wird auf den der Anstalt zustehenden Ersatzanspruch angerechnet. Festsetzung des KrtragswerthS.

Aki. 103.

Soweit in Fällen der Erbfolge oder der Aufhebung einer fortgesetzten Gütergemeinschaft der Ertragswerth eines Landguts sestzusetzen ist, gilt als solcher, vorbehaltlich der Berücksichtigung besonderer Umstände, der fünfundzwanzigfache Betrag des jährlichen Reinertrags. Durch Königliche Verordnung kann eine andere Verhältnißzahl bestimmt werden. Die Grundsätze, nach welchen der Reinertrag festzustellen ist, und die bei der Ermittelung des Ertragswerths zu berücksichtigenden besonderen Umstände werden von den Staatsministerien der Justiz und des Innern durch allgemeine Anordnung bestimmt.

Bermittelung per AuSeimmdersetzuug iw Ansehung eines NachlaffeS »der eines Gesammtguts.

Art. 104.

sehung

Für die Vermittelung der Auseinandersetzung in An­ eines Nachlaßes zwischen mehreren Erben oder in Ansehung des

Gesammtguts einer aufgehobenen ehelichen oder fortgesetzten Güter­ gemeinschaft zwischen den Betheiligten sind neben den Amtsgerichten die Notare zuständig.

1174

XLIV. Aussuhrungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

Der Antrag sann, sofern nicht die Bethciligtcn die Wahl eines anderen Notars vereinbaren, nur bei einem Notar gestellt werden, der im Bezirk oder am Sitze des für die Vermittelung zuständigen Gerichts aufgestellt ist. Bei den nach den Vorschriften der Civilprozeßordnung erfolgenden Zustellungen obliegen dem Notar auch die Verrichtungen des Gerichts­ schreibers. Der Notar ist auch für die Festsetzung der einem Betheiligten zu erstattenden Kosten zuständig.

Mitwirkung der Gemeindebehörde« bei der Sicherung eine- Nachlasses.

Art. 105. Die Anlegung von Siegeln zur Sicherung eines Nach­ lasses, der sich nicht in der Gemeinde befindet, in welcher das zuständige Amtsgericht seinen Sitz hat, kann dem Bürgermeister übertragen werden. In dringenden Fällen hat der Bürgermeister für die Sicherung des Nachlaffes vorläufig durch Anlegung von Siegeln zu sorgen; die getroffene Maßregel ist sofort dem Amtsgericht anzuzeigen. Dem Bürgermeister kann auch die Entsiegelung übertragen werden. SichernngSmaßregrl« bei dem Tode eines Beamte«.

Art. 106.

Durch Königliche Verordnung können für den Fall des Todes eines Beamten des Staates, einer Krcisgemeinde, einer Distrikts­ gemeinde oder einer nicht unter gemeindlicher Verwaltung stehenden öffentlichen Stiftung Bestimmungen über die Sicherung der amtlichen Schriftstücke, Gelder und sonstigen Gegenstände, die der Verstorbene in Verwahrung gehabt hat, insbesondere über die Anlegung von Siegeln, getroffen werden.

Vollziehung einer Auslage von öffentlichem Znterrffe.

Art. 107.

Bezweckt in den Fällen des § 525 Abs. 2 oder des § 2194 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Auflage die Förderung von Jntereffen, die zum Wirkungskreis einer Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechtes gehören, so ist deren Behörde zuständig, die Vollziehung der Auflage zu verlangen.

Eröffnung von Testamenten «ab Erbverträge«.

Art. 108.

Befindet sich ein Testament oder ein Erbvertrag seit mehr als vierundfünfzig Jahren in amtlicher Verwahrung, so ist die Eröffnung vorzunehmen, sofern nicht bekannt ist, daß der Erblasser noch lebt. Die Vorschriften des § 2259 Abs. 2 und der §§ 2260 bis 2262 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung.

Oeffentliche Sparkassen.

Art. 109.

Bei einer öffentlichen Sparkaffe können Ehefrauen ohne Zustimmung des Ehemanns, Minderjährige und andere in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Personen ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters Spareinlagen machen.

Art. 110. Ist eine öffentliche Sparkasse nach ihrer Satzung bei der Zahlung eines Guthabens an den Inhaber der Sparurkunde (Sparbuch, Sparschein) nicht verpflichtet, die Berechtigung des Inhabers zu prüfen, so ist sie, sofern nicht in der Urkunde eine abweichende Bestimmung

XL1Y Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

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getroffen ist, ohne weitere Prüfung zu der Annahme berechtigt, daß der Inhaber das Guthaben rechtswirksam kündigen nnd einziehen kann.

Art. 111. Die Kraftloserklärung einer abhanden gekonnncnen oder vernichteten Sparurkunde einer öffentlichen Sparkaffe kann auch bei dem Borstande der Sparkasse beantragt werden. Für das bei der Kraftloserklärung durch den Vorstand zu beobachtende Verfahren gelten die Vorschriften der Artikel 112 bis 120. Art. 112. Der Antragsteller hat den Verlust der Urkunde und die Thatsachen, von welchen feine Berechtigung abhängt, glaubhaft zu machen. Ueber die Wahrheit seiner Angaben kann ihm eine Versicherung an Eidesstatt abgenommen werden. Art. 113. Der Vorstand erläßt ein Aufgebot und ordnet, wenn die Urkunde abhanden gekommen ist, die Sperre des Guthabens an. Art. 114. Das Aufgebot hat zu enthalten: 1. die Bezeichnung des Antragstellers und der Urkunde; 2. die Aufforderung an den Inhaber der Urkunde, binnen drei Monaten seine Rechte unter Vorlegung der Urkunde anzumelden, widrigenfalls die Urkunde für kraftlos erklärt werden würde.

Die Bezeichnung der Urkunde soll die Angabe enthalten, für wen dir Urkunde bei der ersten Einzahlung ausgestellt worden rst. Ist in der Satzung der Sparkasse vorgeschrieben, daß die Sparbücher zeitweise behufs Richtigstellung der Bücher oder zu anderem Zwecke eingefordert werden, so muß die Aumeldungsfrist so bestimmt werden, daß sie nicht vor dem nächsten Termine, für welchen die Bücher ein­ gefordert werden, beginnt.

Art. 115. Das Aufgebot ist durch Aushang bei der Sparkasse und durch einmalige Einrückung eines Auszugs in das für die Bekannt­ machungen der Sparkasse bestimmte Blatt zu veröffentlichen. Der Vorstand kann die einmalige Einrückung in noch ein anderes Blatt oder die einmalige Wiederholung der Einrückung in das im Abs. 1 bestimmte Blatt anordnen.

Art. 116. Meldet der Inhaber der Urkunde seine Rechte unter Vorlegung der Urkunde an, so hat der Vorstand den Antragsteller hievon zu benachrichtigen und ihm die Einsicht der Urkunde innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu gestatten. Auf Antrag des Inhabers der Urkunde ist zu deren Vorlegung ein Termin zu bestimmen. Die Sperre des Guthabens darf erst aufgehoben werden, nachdem dem Antragsteller die Einsicht nach Maßgabe des Abs. 1 gestattet worden ist.

Art. 117. Wird die Urkunde nicht vorgelegt, so ist sie durch Beschluß des Vorstandes für kraftlos zu erklären. Vor der Erlassung des Beschlusses kann dem Antragsteller über die Wahrheit einer von ihm aufgestellten Behauptung eine Versicherung an Eidesstatt abgenommen werden.

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XL1V. Aussührungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

Der Beschluß, durch den die Urkunde für kraftlos erklärt wird, ist durch Aushang ■ bei der Sparkasse und durch einmalige Einrückung des wesentlichen Inhalts in das im Artikel 115 Abs. 1 bezeichnete Blatt zu veröffentlichen.

Art. 118. An Stelle der für kraftlos erklärten Urkunde erhält der Antragsteller eine neue Urkunde. Art. 119. Der Beschluß des Vorstandes, durch den die Urkunde für kraftlos erklärt wird, kann nur durch Klage nach Maßgabe der §§ 957, 958 der Civilprozeßordnung angefochten werden. Zuständig ist das Landgericht oder, falls der in der Urkunde angegebene Betrag nicht die Summe von dreihundert Mark übersteigt, das Amtsgericht, in dessen Bezirke die Sparkaffe ihren Sitz hat. Das auf die Anfechtungsklage ergangene Urtheil ist, soweit es die Kraflloserklärung aufhebt, nach dem Eintritte der Rechtskraft in der im Artikel 117 Abs. 3 für die Kraftloserklärung vorgeschriebenen Weise zu veröffenllichen. Art. 120. Die Kraftloserklärung und das vorangehende Ver­ fahren sind gebührenfrei. Die baaren Auslagen hat der Antragsteller zu tragen. Für die Ausstellung der neuen Urkunde kann eine Gebühr bis zu fündig Pfennig erhoben werden.

Art. 121. Die Vorschriften der Artikel 110 bis 120 finden auch auf die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ausgegebenen Sparurkunden Anwendung.

Ansprüche a«8 Rechtsverhältnisse« des öffentliche« Rechte» ««d Gruudgefällen.

Art. 122. Für Leistungen, die auf Grund eines Rechtsverhältniffes des öffentlichen Rechtes von einem Grundstücke zu entrichten sind, hastet das Grundstück. Die Haftung für fällige Leistungen erlischt mit dem Ablaufe von zwei Jahren nach dem Eintritte des Zeitpunkts, von dem an die Leistung gefordert werden kann, wenn nicht vorher die Be­ schlagnahme des Grundstücks erfolgt ist. Art. 123. Die Staatskasse ist berechtigt, für ihre Ansprüche wegen fälliger öffentlicher Abgaben und Kosten eines Verfahrens die Ein­ tragung einer Sicherungshhpothek an den Grundstücken des Schuldners zu verlangen. Die Eintragung der Sicherungshypothek an mehreren Grund­ stücken darf nur soweit verlangt werden, daß der Werth der Grundstücke den zweifachen Betrag des zu sichernden Anspruchs erreicht; der Werth wird unter Abzug der Belastungen berechnet, welche der Sicherungshypothek im Range vorgehen. Die Eintragung der Sicherungshhpothek erfolgt auf das Ersuchen der Behörde, welcher die Beitreibung der Leistung obliegt. Art. 124. Die aus Rechtsverhältnissen des öffentlichen Rechtes entstandenen Ansprüche des Staates, einer Gemeinde oder eines anderen Kommunalverbandes auf eine Geldzahlung erloschen, soweit nicht ein

XLIV. Ausführungsgesetz zuin Bürgerlichen Gesetzbuche.

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Anderes vorgeschrieben ist, mit dem Ablaufe von drei Jahren, wenn die Thatsachen festgestellt sind, auf welchen der Anspruch beruht. Die Frist beginnt mit dem Schlüsse des Kalenderjahrs, in welchem der Zeitpunkt eintritt, von dem an die Leistung auf Grund der festgestellten Thatsachen gefordert werden kann. Die Vorschriften über die Hemmung und die Unterbrechung der Verjährung finden entsprechende Anwendung. Der Lauf der Frist wird auch durch die im Beitreibungsverfahren an den Pflichtigen gerichtete Aufforderung zur Zahlung unterbrochen. Besteht für den Anspruch ein Pfandrecht oder eine Hypothek, so wird durch das Erlöschen des Anspruchs die Geltendmachung des Rechtes, Befriedigung aus dem verhafteten Gegenstände zu suchen, nicht gehindert.

Art. 125. Die aus Rechtsverhältnissen des öffentlichen Rechtes entstandenen Ansprüche gegen den Staat, eine Gemeinde oder einen anderen Kommunalverband auf eine Geldzahlung erlöschen, soweit nicht ein Anderes vorgeschrieben ist, mit dem Ablaufe von drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Schluffe des Kalenderjahrs, in welchem der Zeitpunkt eintritt, von dem an die Leistung gefordert werden kann. Die Vorschriften über die Hemmung und die Unterbrechung der Verjährung finden entsprechende Anwendung. Das Erlöschen ist ausgeschlossen, wenn der Empfangsberechtigte fich vor dem Ablaufe der Frist bei der Kasse, welche die Zahlung zu leisten hat, zum Empfange meldet. Diese Vorschriften gelten insbesondere auch für die Ansprüche auf Rückerstattung mit Unrecht erhobener Abgaben oder Kosten eines Ver­ fahrens. Art. 126. Die Vorschriften des Artikel 124 finden auf die An­ sprüche der Kirchen, der Geistlichen und der sonstigen Kirchenbediensteten wegen der Gebühren für kirchliche Handlungen, auf die Ansprüche einer Genoffenschast des öffentlichen Rechtes auf Leistungen, die den Mitgliedern aus dem Genoffenschaftsverband obliegen, sowie auf die Ansprüche auf Brückenzölle, Pflasterzölle und ähnliche Abgaben, die in Folge eines be­ sonderen Rechtsverhältnisses an eine Privatperson zu entrichten sind, ent­ sprechende Anwendung. An die Stelle der Feststellung der Thatsachen, auf welchen der Anspruch beruht, tritt die Fälligkeit des Anspruchs. Auf die Ansprüche auf Rückerstattung mit Unrecht erhobener Leist­ ungen der im Abs. 1 bezeichneten Art finden die Vorschriften des Artikel 125 Abs. 1 entsprechende Anwendung. Akt. 127. Die Vorschriften der Artikel 124 bis 126 gelten auch kür noch nicht verjährte Ansprüche, die vor dem Inkrafttreten des Bürger­ lichen Gesetzbuchs entstanden sind. Die Vorschriften des Artikel 169 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden entsprechende An­ wendung. Art. 128. Die Grundgefälle des Staates und der Ablösungskaffe sowie die an deren Stelle getretenen Lasten bedürfen zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht der Eintragung in das Grundbuch.

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XLIV. Ausiuhnmgsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

Die Vorschriften der Artikel 123, 124, 127 gelten auch für die wiederkehrenden Leistungen mi§ den im Abs. 1 bezeichneten Lasten.

Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

Akt. 129.

Die Vorschriften der §§ 2 bis 27, 29 bis 34 und des § 199 Abs. 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten, soweit nicht ein Anderes vorgeschrieben ist, auch für diejenigen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, für welche die landesgesetzlichen Vorschriften maßgebend sind. Eine Anfechtung der Ent­ scheidungen des Obersten Landesgerichts als Beschwerdegerichts findet nicht statt.

Art. 130. In den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbar­ keit ist, soweit nicht ein Anderes vorgeschrieben ist, die Anwendung unmittelbaren Zwanges zum Vollzug einer Verfügung zulässig, durch welche die Herausgabe einer Sache oder der Person eines Kindes, Mündels oder Pflegebefohlenen oder eine Maßregel angeordnet wird, deren Aus­ führung die Anwendung unmittelbaren Zwanges erfordert. Die Zwangsmaßregeln werden von dem Gericht erster Instanz an­ geordnet. Wird die herauszugebende Person oder Sache nicht vorgefunden, so kann der zur Herausgabe Verpflichtete zur Leistung des Offenbarungs­ eids angehalten werden. Die Vorschriften des § 883 Abs. 2, 3, des § 900 Abs. 1 und der §§ 901, 902, 904 bis 910, 912, 913 der Civilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung.

Art. 131. In den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, mit Einschluß der Grundbuchsachen, sind die Kosten, soweit nicht besondere Vorschriften bestehen, von demjenigen zu tragen, in dessen Angelegenheit die amtliche Verrichtung stattfindet. Die einem anderen Betheiligten ent­ standenen Kosten sind diesem zu erstatten, soweit die gemachten Auf­ wendungen zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit noth­ wendig waren. Die durch einen unbegründeten Antrag, eine unbegründete Be­ schwerde oder durch Verschulden eines Betheiligten verursachten Kosten, mit Einschluß der Aufwendungen eines anderen Betheiligten, soweit diese den Umständen nach nothwendig waren, fallen dem Betheiligten zur Last, der sie verursacht hat. Die Vorschriften des § 91 Abs. 1 Satz 2, des § 100 Abs. 1, 2 und des § 102 der Civilprozeßordnung finden ent­ sprechende Anwendung.

Art. 132. Die Kosten des im Artikel 104 bezeichneten Verfahrens fallen, soweit fie durch das gemeinschaftliche Verfahren entstehen, bei der Auseinandersetzung in Ansehung eines Nachlaßes dem Nachlaße, bei der Auseinandersetzung in Ansehung des Gesammtguts einer aufgehobenen ehelichen oder fortgesetzten Gütergemeinschaft dem Gesammtgute zur Last. Art. 133. Die Kosten, welche einem Betheiligten zu erstatten sind, werden auf Antrag durch das Gericht erster Instanz, in Vormund­ schaftssachen, falls ein Familienrath bestellt ist, durch den Vorsitzenden festgesetzt. Gegen die Verfügung, durch welche die Festsetzung erfolgt, findet die sofortige Beschwerde statt.

XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

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Aus der Verfügung, durch welche die zu erstattenden Kosten fest­ gesetzt werden, findet die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften statt, welche für die Zwangsvollstreckung aus den in bürgerlichen Rechtsstreitig­ keiten erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlüssen gelten. Einsicht des Grundsteuerkatasters, des Bergwerks­ verleihungsbuchs und der Fideikommißmatrikel.

Art. 134. Die Einsicht des Grundsteuerkatasters und des Der­ lei hungsbuchs der Bergbehörde ist Jedem gestattet. Von den Eintragungen kann eine Abschrift gefordert werden; die Abschrift ist aus Verlangen zu beglaubigen. Von den zu dem Kataster oder den Büchern gehörigen Plänen und Messungsverzeichnissen können Auszüge gefordert werden; die Auszüge sind auf Verlangen zu beglaubigen. Auf das Recht, von der Fideikommißmatrikel, den Urkunden, auf die in der Fideikommißmatrikel zur Ergänzung einer Eintragung Bezug genommen ist, und den noch nicht erledigten Eintragungsanträgen Ein­ sicht zu nehmen und von den Eintragungen, den Urkunden und den Anträgen Abschrift zu fordern, finden die für das Grundbuch, die Urkunden, auf die im Grundbuche zur Ergänzung einer Eintragung Bezug genommen ist, und die noch nicht erledigten Anträge auf Eintragung in das Grund­ buch geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Aender««gm der seit 1818 erlassene« Gesetze.

Art. 135.

Die Vecfassungsurkunde vorn

26. Mai 1818 wird

dahin geändert:

I. Titel V § 4 Abs. 2 Nr. 4 und § 5 werden aufgehoben.

II. In der VII. Beilage erhält 1. der § 14 Abs. 3 folgende Fassung: Die Anfechtung der Entscheidungen richtet sich nach den für die Beschwerde in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts­ barkeit geltenden Vorschriften. 2. Der § 28 Satz 2 und der § 109 werden aufgehoben. III. Die VIII. Beilage wird aufgehoben. In der Pfalz können Familienfideikommisse auch in Zukunft nicht errichtet werden.

Art. 136. Das Gesetz vom 15. August 1828, die allgemeine Grundsteuer betreffend, in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Juni 1881 wird dahin geändert: I. Als § 71a werden folgende Vorschriften eingestellt: Die Umschreibung eines Grundstücks auf einen neuen Be­ sitzer setzt den Nachweis voraus, daß der neue Besitzer Eigen­ thümer des Grundstücks ist. Die Umschreibung auf den neuen Besitzer erfolgt, wenn zu dem Erwerbe des Eigenthums die Eintragung in das Grundbuch erforderlich ist, auf Grund der Eintragung im Grundbuche. In den übrigen Fällen muß das Eigenthum des neuen Besitzers in der für die Eintragung in das Grund­ buch vorgeschricbenen Weise nachgewiesen werden.

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XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

Zur Eintragung einer Aenderung in dem Bestand eines Grundstücks, abgesehen von der Vereinigung ganzer Grund­ stücke, insbesondere zur Eintragung einer Theilung, ist die Vorlage eines von der Messungsbehörde angefertigten Planes, in welchem die Aenderung ersichtlich gemacht ist, und eines Auszugs aus dem Messungsverzeichniß erforderlich.

II. Der § 72 erhält folgende Fassung: Jede Aenderung, durch die nach § 71 eine Umschreibung veranlaßt wird, ist bei der Umschreibbehörde anzumelden. Die Anmeldepflicht obliegt bei Aenderungen, zu denen die Eintragung in das Grundbuch erforderlich ist, den Grund­ buchämtern, bei anderen Aenderungen den Behörden oder Notaren, von welchen eine die Aenderung betreffende Urkunde ausgenommen oder eine die Aenderung betreffende Entscheidung erlassen wird, im Falle einer neuen Messung der Messungs­ behörde, in den übrigen Fällen den Parteien. Die Art der Anmeldung wird durch Ministerialvorschrift bestimmt.

III. Der 8 73 Abs. 1 erhält folgende Fassung: Unterlasten die Parteien die ihnen nach § 72 Abs. 2 ob­ liegende Anmeldung, so hat die Umschreibbehörde sie unter Festsetzung einer Frist von mindestens zwei Wochen und An­ drohung der im § 74 bestimmten Ordnungsstrafe zu der An­ meldung aufzufordern. IV. Der § 81 erhält folgenden Abs. 3: Ueberläßt der Eigenthümer das Grundstück einem Anderen ohne Uebertragung des Eigenthums zum Eigenbesitze, so bleibt er neben dem Besitzer für die Grundsteuer haftbar. V. Der § 116 Abs. 2, 3 wird aufgehoben.

Art. 137. In dem Gesetze vom 15. August 1828, die allgemeine Haussteuer betreffend, in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Juni 1881 wird der § 37 Abs. 2, 3 aufgehoben.

Art. 138. Das Forststrafgesetz für die Pfalz vom 28. Dezember 1831 in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Oktober 1879 und des Gesetzes vom 17. Juni 1896 wird dahin geändert: I. Im Artikel 8 wird der Satz 2 durch fotzenden Abs. 2 ersetzt: Diese Verfügung ist jedoch in Betreff der Strafe auf Personen einer und derselben Familie (Artikel 13 Abs. 1 Ziff. 1 bis 5) nicht anwendbar, welche gemeinschaftlich einen Forstfrevel nach Art. 19, 22 oder 23 begehen; diese werden solidarisch in die Strafe verurtheilt. In dem Urtheil oder den Strafbefehlen ist auszusprechen, gegen welchen oder welche Frevler die Umwandlung der Geldstrafe in Haststrafe ein­ zutreten hat, wenn erstere nicht beigetrieben werden kann. Geschieht die Umwandlung gleichzeitig gegen mehrere dieser

XLIV. AuMhrungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

II.

III.

IV.

V.

VI.

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Frevler, so darf dennoch die von den Einzelnen zu erstehende Haft zusammengerechnet die nach Art. 5 der Geldstrafe entsprechende Dauer nicht überschreiten. Der Artikel 13 Abs. 1 erhält folgende Fassung: Als civilverantwortlich sind außer dem Forstfrevler vorzuladen und als haftbar für Geldstrafe, Werth- und Schadensersatz, dann für die Kosten — vorbehaltlich des Rück­ griffs, wo ein solcher statthat, — mitzuverurtheilen: 1) die Ehemänner wegen der Frevel ihrer bei ihnen wohnenden Ehefrauen; 2) die Väter und nach ihrem Tode die Mütter wegen der Frevel ihrer bei ihnen wohnenden und noch unverheiratheten Kinder (leibliche Kinder, Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder); 3) die Vormünder und Pfleger sowie überhaupt diejenigen, welchen Minderjährige in Pflege gegeben sind, wegen der Frevel der bei ihnen wohnenden Pflegebefohlenen; 4) die Dienstherrschaften wegen der Frevel ihrer bei ihnen wohnenden Dienstboten; 5) die Lehrmeister und Gewerbsleute wegen der Frevel ihrer Zöglinge, Gesellen und Gehilfen, solange diese Personen unter ihrer Ausicht stehen; 6) die Geschäftsgeber wegen der Frevel ihrer Arbeiter und Geschäftsträger, wenn der Frevel in oder bei der Ausführung der aufgetragenen oder anvertrauten Verrichtungen geschah. Im Artikel 16 wird 1. der Eingang des Abs. 1 dahin geändert: Die öffentliche Klage wegen Forstfrevels verjährt: 2. der Abs. 3 aufgehoben. Im Artikel 26 erhält der Abs. 4 folgenden Zusatz: Hiebei finden die Bestimmungen des Art. 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 gleichmäßige Anwendung. Der Artikel 66 erhält folgende Fassung: Die Vorladung des Angeklagten sowie der civilverantwort­ lichen Person muß enthalten: 1) Namen, Stand, Wohn- oder Aufenthaltsort des Vorzu­ ladenden ; 2) eine kurze Bezeichnung der Forstrügesache; 3) die beantragte Strafe und Entschädigung; 4) Tag und Stunde der Verhandlung; 5) den Hinweis darauf, daß gegen den Angeklagten und gegen die civilverantwortliche Person auch dann, wenn weder sie noch Be­ vollmächtigte erscheinen, zur Hauptverhandlung geschritten würde. Der Artikel 67 erhält folgende Fassung: Die Zustellung der Vorladung hat wenigstens drei Tage vor der Sitzung zu geschehen. In Fällen, in denen Gefahr aus Verzug ist, kann der Richter die Abkürzung der im Abs. 1 bestimmten Frist verfügen; von der Verfügung ist in der Vorladung Mittheilung zu machen.

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XLIV Aiisfliylnngsgesrh zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

VII. Der Artikel 91 erhalt folgende Abs. 2, 3: Für die durch den Gerichtsdiener erfolgenden Zustellungen in dem Verfahren vor den Amtsgerichten kann das Staats­ ministerium der Justiz anordnen, daß das Schriftstück offen übergeben wird, und eine abgekürzte Beurkundung in tabellarischer Form vorschreibrn. Das offen zu übergebende Schriftstück wird mit der Geschästsnummer bezeichnet, unter der es in dein zur Beurkundung der Zustellung bestimmten Verzeichniß eingetragen ist. Der Tag der Zustellung ist auf dem Schriftstücke zu vermerken. VIII. Der Artikel 68 wird aufgehoben.

Art. 139. Das Gesetz vom 17. November 1837, die Zwangs­ abtretung von Grund-Eigenthum für öffentliche Zwecke betreffend, wird dahin geändert-: I. Im Artikel XV werden 1. im Satz 2 die Worte: „durch Anschlagung an dem Gerichtssitze und in sämmtlichen betheiligten Gemeinden" ersetzt durch die Worte: „durch Veröffentlichung in dem ihr zu amtlichen Kundmachungen dienenden Blatte und durch Anheftung in den betheiligten Gemeinden", 2. in der Ziff. 2 des Satz 3 die Worte: „für die Angerufenen" ersetzt durch die Worte: „für die Abtretungspflichtigen", 3. als Ziff. 3 folgende Vorschrift beigefügt: 3. für die übrigen Betheiligten, in der Voraussetzung des Erschienenseins der Anrufenden, Ausschließung mit den etwaigen Einwendungen gegen die angesprochene Abtretung. 4. folgende Vorschriften als Abs. 2, 3 eingestellt: Die schriftliche Mittheilung an die Betheiligten und die Antragsteller oder deren Vertreter ist durch die Gemeinde­ behörde oder durch die Post gegen Nachweis zuzustellen. Die Zustellung unterbleibt, wenn der Wohnort der zu ladenden Person nicht bekannt ist. Soweit die im Artikel XI bezeichneten Betheiligten nicht im Grundbuch eingetragen sind, werden sie nur berücksichtigt, wenn sie Erben eines eingetragenen Berechtigten sind oder wenn ihre Rechte angemeldet und auf Verlangen der Distrikts­ polizeibehörde glaubhaft gemacht sind. Die Rechtswirksamkeit der Ladung ist bei den im Artikel XI bezeichneten Betheiligten von der Zustellung der schriftlichen Mittheilung nur abhängig, wenn der Betheiligte sich zur Theilnahme an dem Verfahren gemeldet und erforderlichen Falles sein Recht glaubhaft ge­ macht hat. II. Der Eingang des Artikel XVI hat zu lauten: Die Distriktspolizeibehörde hat, sobald die Ladung erfolgt ist, bezüglich der in Anspruch genommenen Gegenstände.... III. Der Artikel XXII Ziff. 1 bis 4 wird aufgehoben.

XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

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Art. 140. Der Artikel 5 Abs. 2 Ziff. 1 des Gesetzes vom 4. Juni 1848, die Wahl der Landtags-Abgeordneten betreffend, in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. März 1881 erhält folgende Faffung: 1) Personen, welche entmündigt oder nach § 1906 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs unter vorläufige Vormundschaft gestellt sind.

Art. 141. Das Gesetz vom 4. Juni 1848 über die Aufhebung der standes- und gutsherrlichen Gerichtsbarkeit, dann die Aufhebung, Fixirung und Ablösung von Grundlasten wird dahin geändert: I. Der Artikel 29 Abs. 2 Satz 1 erhält folgende Fassung: Solche Bodenzinskapitalien haben denselben Rang wie die Grundrenten, an deren Stelle sie treten. II. Der Artikel 30 Abs. 2 Satz 1 erhält folgende Fassung: Solche Annuitäten haben den Rang der Gefälle, an deren Stelle sie getreten sind.

Art. 142. Die noch geltenden Vorschriften des Gesetzes voin 12. März 1850, die Verpflichtung zum Ersätze des bei Aufläufen diesseits des Rheins verursachten Schadens betreffend, werden aus die Pfalz erstreckt. Die Schließung einer gütlichen Uebereinkunft mit dem Beschädigten nach Artikel 4 Abs. 1 und die Dertheilung der Umlage auf die Pflichtigen nach Artikel 10 Abs. 1 des Gesetzes vom 12. März 1850 erfolgt in der Pfalz durch den Gemeinderath. Art. 143. Das Gesetz vom 30. März 1850, die Ausübung der Jagd betreffend, wird dahin geändert: I. Als Artikel la werden folgende Vorschriften eingestellt: Dem Jagdrecht unterliegen die wilden Säugethiere und Vögel, deren Fleisch, Pelzwerk oder Gefieder verwerthet zu werden pflegt oder die als Raubthiere diesem Wilde nachstellen. Die Thiergattungen, welche zu dem jagdbaren Wilde gehören, können durch Königliche Verordnung bestimmt werden. Das ausschließliche Recht des Jagdberechtigten erstreckt sich auf die verendeten Thiere sowie auf die Eier des Federwildes. II. Im Artikel 18 erhält die Ziff. 1 folgende Fassung: 1) den wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche Entmündigten und den notorisch Geisteskranken. III. Im Artikel 19 erhält die Ziff. 1 folgende Fassung: 1) den Minderjährigen, den wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht Entmündigten und den nach § 1906 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs unter vorläufige Vormundschaft gestellten Personen. Die in der Ziff. I enthaltenen Vorschriften gelten auch für die Pfalz.

Art. 144. Das Gesetz vom 15. Juni 1850, Wildschadens betreffend, wird dahin geändert:

den Ersatz des

I. Der Artikel 1 erhält folgende Fassung: Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Ver­ pflichtung zum Ersätze des Wildschadens werden durch die folgenden Bestimmungen ergänzt.

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XLIV. Aussührungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche

II. Der Artikel 2 erhält folgende Fassung: Die Ersatzpflicht erstreckt sich auf den Schaden, welcher durch jagdbare Säugethiere anderer als der im Bürgerlichen Gesetz­ buche bezeichneten Gattungen angerichtet wird. III. Der Artikel 3 Abs. 1, 2 erhält folgende Fassung: Ist das Jagdrecht auf den zu einem Jagdbezirke vereinigten Grundstücken nach den gesetzlichen Vorschriften über die Ausübung der Jagd von der Gemeinde verpachtet oder wird es von der Gemeinde in Selbstverwaltung ausgeübt, so haftet dem Be­ schädigten an Stelle der Grundeigenthümer die Gemeinde. Sind mehrere Gemeindebezirke zu einem Jagdbezirke vereinigt, so hasten die Gemeinden als Gesammtschuldner. IV. Der Artikel 5 erhält folgende Fassung: Der vom Wilde in Baumschulen, in Obstgärten oder an einzeln stehenden jungen Bäumen verursachte Schaden wird nicht vergütet, wenn die Herstellung von Schutzvorrichtungen unter­ blieben ist, die unter gewöhnlichen Umständen zur Abwendung des Schadens ausreichen. V. Als Artikel 8a wird folgende Vorschrift eingestellt: Der Beschädigte hat den Anspruch auf Ersatz des Wildschadens bei Verlust des Anspruchs binnen sechs Tagen, nachdem er von der Beschädigung Kenntniß erlangt hat, bei der Ortspolizei­ behörde anzumelden, in deren Bezirke der Schaden entstanden ist. Zur Wahrung der Frist genügt die Absendung der An­ meldung. Die Ortspolizeibehörde soll die Anmeldung sofort dem ErsaHrflichtigen mittheilen. VI. Die Artikel 4, 6 werden aufgehoben. Die Artikel 1, 2, 5, 7 bis 8a des Gesetzes vom 15. Juni 1850 werden auf die Pfalz erstreckt.

Art. 145. Im Artikel 14 des Gesetzes vom 4. Mai 1851, das Einschreiten der bewaffneten Macht zur Erhaltung der gesetzlichen Ordnung betreffend, werden die Worte: „in dem Pfalzkreise die Bestimmungen des einschlägigen Gesetzes vom 10. Vend. IV" gestrichen. Art. 146. Das Forstgesetz vom 28. März 1852 in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Juli 1896 wird dahin geändert: I. Der Artikel 154 erhält folgende Fassung: Die Vorladung des Angeklagten sowie der civilverantwortlichen Person muß enthalten: 1. Namen, Stand, Wohn- oder Aufenthaltsort des Vorzuladenden; 2. eine kurze Bezeichnung der Forstrügesache; 3. die beantragte Strafe und Entschädigung; 4. Tag und Stunde der Verhandlung; 5. den Hinweis darauf, daß gegen den Angeklagten und gegen die civilverantwortliche Person auch dann, wenn weder sie noch Bevollmächtigte erscheinen, zur Hauptverhandlung geschritten würde.

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XL1V. Ausführungsgcsetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«

II. Der Artikel 155 erhält folgende Fassung: Die Zustellung der Vorladung hat wenigstens drei Tage vor der Sitzung zu geschehen. In Fällen, in denen Gefahr auf Verzug ist, kann der Richter die Abkürzung der im Abs. 1 bestimmten Frist verfügen; von der Verfügung ist in der Vorladung Mittheilung zu machen. III. Der Artikel 188 erhält folgende Abs. 2, 3: Für die durch den Gerichtsdiener erfolgenden Zustellungen in dem Verfahren vor den Amtsgerichten kann das Staatsministerium der Justiz anordnen, daß das Schriftstück offen übergeben wird, und eine abgekürzte Beurkundung in tabellarischer Form vorschreiben. Das offen zu übergebende Schriftstück wird mit der Geschäfts­ nummer bezeichnet, unter der es in dem zur Beurkundung der Zustellung bestimmten Verzeichniß eingetragen ist. Der Tag der Zustellung ist auf dem Schriftstücke zu vermerken. IV. Der Artikel 156 wird aufgehoben.

Art. 147. Das Gesetz vom 28. Mai 1852 über die Benützung des Wassers wird dahin geändert: I. Der Artikel 21 erhält folgende Fassung: Für Beschädigungen, die nicht eine nothwendige Folge der Benützung des Leinpfads sind, sondern durch Mißbrauch oder Nachlässigkeit der bei der Schiff- oder Floßfahrt beschäftigten Personen verursacht werden, sind die Urheber und ihre Dienst­ herrn nach den bestehenden Vorschriften verantwortlich. II Der Artikel 37 erhält folgende Fassung: Durch Begründung einer Dienstbarkeit können von den Bestimmungen der Artikel 34 und 35 abweichende Verhältnisse festgesetzt werden. III. Im Artikel 39 Abs. 1 werden die Worte : „als Zubehör der Grund­ stücke" ersetzt durch die Worte: „als zu den Grundstücken gehörig". IV Der Artikel 47 Abs. 1 erhält folgende Fassung: Wo nicht durch Lokalverordnungen, Herkommen oder besondere Rechtsverhältnisse etwas Anderes festgesetzt ist, liegt jedem Ufer­ eigenthümer die Pflicht ob, sein Ufer von allen Hinderniffen des Wafferablaufs frei zu erhalten. V. Der Eingang des Artikel 54 hat zu lauten: Sofern nicht Lokalverordnungen, Herkommen oder besondere Rechtsverhältnisse eine Ausnahme begründen, . VI. Der Eingang des Artikel 59 Abs. 1 hat zu lauten: Die durch Lokalverordnungen, Herkommen oder besondere Rechtsverhältnisse festgesetzte Verkeilung des Waffers .... VII. Im Artikel 60 Abs. 1 und im Artikel 68 Abs. 1 werden die Worte: „Herkommen, besondere Rechtstitel oder Verjährung" ersetzt durch die Worte: „Herkommen oder besondere Rechtsverhältnisse". VIII. Der Artikel 103 wird aufgehoben. Bürgerliches Gesetzbuch und Ncbcngcsetzc (Bayern).

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XL1V. Aussuhrungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

Art. 148. In dem Gesetze vom 28. Mai 1852 über die Bewässerungs- und Entwässerungs-Unternehmungen zum Zwecke der BodenCultur erhält der Artikel 14 folgende Fassung: Die Beitragsverbindlichkeit zu den Unterhaltungskosten ist öffentliche Last der betheiligten Grundstücke und erlischt nur mit dem vorschriftsmäßigen Ausscheiden des Grundstücks oder mit der Auflösung der Genossenschaft. Art. 149. Der Artikel 29 des Gesetzes vom 28. Mai 1852 über den Uferschutz und den Schutz gegen Ueberschwemmungen wird aufgehoben. Art. 150. Das Gesetz vom 28. Mai 1852 über die Ausübung und Ablösung des Weiderechtes auf fremdem Grund und Boden wird dahin geändert: I. Im Artikel 17 werden die Worte: „mit den in § 12 Ziffer 3 und 4 des Hypothekengesetzes und § 12 Ziffer 7 der Prioritätsordnung vom 1. Juni 1822 festgesetzten Vorzügen" ersetzt durch die Worte: „mit dem Range des Weiderechts". II. Im Artikel 18 werden die Worte: „welches gleichfalls die im Artikel 17 erwähnten Vorrechte des Hypothekengesetzes und der Prioritätsordnung genießt" ersetzt durch die Worte: „welches gleichfalls den im Artikel 17 bestimmten Rang hat". III. Im Artikel 42 werden die Worte: „mit den im Artikel 17 bestimmten Vorrechten" ersetzt durch die Worte: „mit dem im Artikel 17 bestimmten Range".

Art. 151. Der Artikel 8 Abs. 2 und der Artikel 9 Abs. 3 des Gesetzes vom 28. Mai 1852, die Sicherung, Fixirung und Ablösung der auf dem Zehentrechte lastenden kirchlichen Baupflicht betreffend, werden aufgehoben. Art. 152. Das Gesetz vom 22. Februar 1855, die landwirthschaftlichen Erbgüter betreffend, wird dahin geändert: I. Der Schluß des Artikel 4 Abs. 2 erhält folgende Fassung: .... daß ihre Forderungen dergestalt, wie sie angezeigt sind, und für Forderungen, für die eine dingliche Haftung nicht besteht, Sicherungshypotheken auf das Erbgut eingetragen werden sollen. II. Am Artikel 6 erhält 1. der Abs. 4 Satz 3 folgende Fassung: Zur Gültigkeit solcher Rechtsgeschäfte ist die Bestätigung des zuständigen Gerichts (Art. 3) erforderlich. 2. An die Stelle der Abs 6, 7 treten folgende Vorschriften: Zu einer Belastung des Erbguts, zu der der Eigen­ thümer nach den Vorschriften dieses Gesetzes verpflichtet ist, ist die Zustimmung des Anerben nicht erforderlich. Wegen anderer als derjenigen Verbindlichkeiten, die auf dem Erbgute haften oder den Eigenthümer nach den Vor­ schriften dieses Gesetzes treffen, findet die Zwangsvollstreckung in das Erbgut nur mittelst Zwangsverwaltung statt.

XLIV. Aussuhrungsgejetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch».

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III. Im Artikel 8 werden die Worte: „vorbehaltlich der Bestimmungen des Hypothekengesetzes §§ 24—26" ersetzt durch die Worte: „vorbehaltlich der Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten,". IV. Der Art. 10 Abs. 5 erhält folgende Fassung: Zur Gutsübergabe unter Lebenden ist die Bestätigung durch das nach Art. 3 zuständige Gericht erforderlich. V. Im Artikel 27 erhält 1. der Eingang folgende Fassung: Die Bestellung einer Sicherungshypothek an dem Erbgute können verlangen: 2. Die Ziff. 3 wird durch folgenden Abs. 2 ersetzt: Die Personen, welche nach den Art. 20, 24 Alimente anzusprechen haben, können, falls ihnen ein zu dem Erbgute gehörendes Gebäude oder ein Theil eines solchen Gebäudes als Wohnung zum ausschließlichen Gebrauche zu gewähren ist, die Bestellung eines Wohnungsrechts, falls ihnen ein Theil des Erbguts zu sonstiger Benützung zu gewähren ist, die Bestellung einer entsprechenden persönlichen Dienstbarkeit und, soweit andere wiederkehrende Leistungen zu entrichten sind, die Bestellung einer entsprechenden Reallast an dem Erbgute verlangen. VI. Die Artikel 2, 30, 33 werden aufgehoben.

Art. 153. Das Gesetz vom 23. Februar 1868, die Ablösbarkeit der aus Grund und Boden haftenden oder mit einer Gewerbsrealität verbundenen Ehehafts-Verhältnisse betreffend, wird dahin geändert: I. Im Artikel 11 Abs. 1 Satz 1 werden die Worte: „mit fünf vom Hundert" ersetzt durch die Worte: „mit vier vom Hundert". II. Der Artikel 12 Abs. 1 erhält folgende Fassung: Für die Ablösungssumme haftet das Grundstück in gleicher Weise wie für ein Bodenzinskapital; die Ablösungssumme hat den Rang der Reichnisse, an deren Stelle sie tritt. Für die im Falle des Verzugs zu entrichtenden Zinsen gelten die Vor­ schriften über die aus einer Reallast zu entrichtenden wieder­ kehrenden Leistungen. III. An die Stelle der Artikel 13, 14 tritt folgende Vorschrift: Ist die Ehehaftsgerechtigkeit mit Rechten Dritter belastet, so ist die Beiziehung und die Zustimmung der Berechtigten zu der Ablösung nicht erforderlich. An dem Anspruch auf die Ablösungssumme haben die Dritten, soweit ihre Rechte beeinträchtigt werden, dieselben Rechte, die ihnen im Falle des Erlöschens ihrer Rechte durch Zwangs­ versteigerung an dem Erlöse zustehen. Die Vorschriften des § 1128 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende An­ wendung; die im § 1128 vorgeschriebene Benachrichtigung der Berechtigten erfolgt nach dem Vollzüge der im Artikel 2 vor75*

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XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«

geschriebenen Protokollirung oder nach dem Abschlüsse der in Gemäßheit der Artikel 3 bis 8 gepflogenen Ablösungsverhand­ lungen durch die Distriktsverwaltungsbehörde. Erhebt ein Berechtigter innerhalb der im § 1128 bestimmten Frist Widerspruch gegen die Zahlung der Ablösungssumme an den Bezugsberechtigten, so kann dieser und jeder der Berech­ tigten die Eröffnung eines Vertheilungsverfahrens nach den für die Vertheilung des Erlöses im Falle der Zwangsversteigerung geltenden Vorschriften beantragen. Die Zahlung hat in diesem Falle an das für das Vertheilungsverfahren zuständige Gericht zu erfolgm.

Akt. 154. Das Gesetz vom 16. April 1868 über Heimat, Ver­ ehelichung und Aufenthalt wird dahin geändert: I. Der Artikel 1 Abs. 3 erhalt folgende Fasfung: Den ehelichen Kindern werden die Kinder gleichgeachtet, welche nach dem bürgerlichen Rechte die rechtliche Stellung von ehelichen Kindern haben. II. Im Artikel 4 erhält 1. der Abs. 2 folgende Fassung: Einer geschiedenen Frau bleibt die Heimat, welche der Mann zur Zeit der Scheidung hatte. Die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft nach § 1575 des Bürgerlichen Gesetz­ buchs wird der Scheidung gleichgeachtet. 2. der Abs. 3 folgende Faffung: Ist die Ehe nichtig, so behält die Frau die Heimat, die der Mann zur Zeit der Nichtigkeitserklärung oder der Auflösung der Ehe hat, wenn ihr die Nichtigkeit der Ehe bei der Eheschließung nicht bekannt war; die Vorschriften des 8 1345 Abs. 2 und des § 1704 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung. III. Im Artikel 6 in der Fasfung des Gesetzes vom 17. Juni 1896 wird 1. dem Abs. 3 folgender Satz beigefügt: Die Vorschriften des Art. 1 Abs. 3 und des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 finden Anwendung. 2. Die Abs. 5, 6 erhalten folgende Faffung: Als selbständig sind nicht zu erachten: 1) entmündigte Personen; 2) Dienstboten und Gewerbsgehilfen, die in die häus­ liche Gemeinschaft des Dienstherrn ausgenommen find, sowie Kinder, die dem elterlichen Hausstand angehoren und von dem Familienhaupt unter­ halten werden. Steuern der Ehefrau, sofern nicht die eheliche Ge­ meinschaft nach 8 1575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf­ gehoben ist, und der minderjährigen im elterlichen Unter­ halte stehenden Kinder sind dem Familienhaupte zuzu­ rechnen.

XLIV. AuMhrungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

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IV Der Artikel 12 erhält folgende Fassung: Für Verhandlungen über den Vollzug der Art. 6 bis 7a wird eine andere als die Gebühr, welche für die Urkunde über die Verleihung des Heimatrechts zu entrichten ist, nicht erhoben. V. Im Artikel 13 Abs. 3, 5 treten an die Stelle der Worte: „die aus dieser Ehe hervorgegangenen Kinder" die Worte: „die Kinder dieser Ehe sowie die durch die Ehe legitimirten Kinder". VI. Der Artikel 17 Abs. 1 erhält folgende Fassung: Der auf Grund der Artikel 15,16 einem Manne ange­ wiesenen vorläufigen Heimat folgt auch seine Ehefrau, es sei denn, daß die eheliche Gemeinschaft nach § 1575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs aufgehoben ist. VII. Im Artikel 18 Abs. 2 werden die Worte: „der angewiesenen Heimatgemeinde" ersetzt durch die Worte: „der vorläufigen Heimatgemeinde". VIII. Im Artikel 24 Ziff. 2 werden die Worte: „angewiesene Heimat" ersetzt durch die Worte: „vorläufige Heimat". IX. Im Artikel 25 werden die Worte: „vorbehaltlich dessen, was das Gesetz über den obersten Derwaltungsgerichtshof bestimmen wird" ersetzt durch die Worte: „unbeschadet dessen, was das Gesetz vom 8. August 1878, betreffend die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes und das Verfahren in Verwaltungsrechtssachen, bestimmt". X. Im Artikel 31 werden die Worte: „und nach dem örtlichen Her­ kommen" gestrichen. XI. Im Artikel 33 in der Fassung des Gesetzes vom 17. März 1892 erhält 1. der Abs. 1 folgende Fassung: Ein in den Landestheilen rechts des Rheins heimat­ berechtigter Mann darf eine Ehe erst eingehen, wenn durch ein von der zuständigen Behörde ausgestelltes Zeugniß fest­ gestellt ist, daß der Eheschließung das im Artikel 36 bestimmte Einspruchsrecht nicht entgegensteht. 2. Im Abs. 2 werden ersetzt im Sah 1 die Worte: „die aus der Ehe entsproffenen oder durch dieselbe legitimirten Kinder" durch die Worte: „die Kinder dieser Ehe sowie die durch die Ehe legiti­ mirten Kinder" und im Satz 3 die Worte: „mit ihren aus dieser Ehe ent­ sprossenen oder durch dieselbe legitimirten Kindern" durch die Worte: „mit den Kindern dieser Ehe sowie den durch die Ehe legitimirten Kindern". 3. Als Abs. 5 wird folgende Vorschrift beigefügt: Das Zeugniß verliert seine Kraft, wenn die Ehe nicht binnen sechs Monaten nach der Ausstellung des Zeug­ nisses geschlossen wird.

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XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

XII. Im Artikel 36 erhalten 1. im Abs. 1 in der Fassung der Königlichen Deklaration vom 21. April 1884 die Ziff. 3, 7 folgende Fassung: 3) wenn der Mann oder die Braut zu einer Zuchthausstrafe oder wegen Verbrechens oder Vergehens gegen die Sittlichkeit oder wegen Raubes, Diebstahls, Unterschlagung, Betrugs, Hehlerei, Fälschung, Gaukelei zu einer Freiheitsstrafe von wenigstens vier Wochen verurtheilt worden ist und feit Abbüßung oder Nachlaß der Strafe drei Jahre noch nicht verflossen sind, sowie wenn der Mann oder die Braut inner­ halb der unmittelbar vorhergehenden drei Jahre mindestens dreimal wegen Arbeitsscheue, Landstreicherei oder Bettels verurtheilt worden ist; 7) wenn und solange der Mann unter Vormundschaft steht oder das Entmündigungsverfahren gegen ihn eingeleitet oder über sein Vermögen das Konkursverfahren eröffnet ist. 2. Im Abs. 3 werden ersetzt die Worte: „eine angewiesene Heimat" durch die Worte: „eine vorläufige Heimat" und die Worte: „die angewiesene Heimatgemeinde" durch die Worte: „die vorläufige Heimatgemeinde". XIII. Im Artikel 37 Abs. 3 werden die Worte: „eine angewiesene Heimat" ersetzt durch die Worte: „eine vorläufige Heimat". XIV. Im Artikel 40 erhält 1. der Abs. 1 folgende Fassung: Hinsichtlich der Beschwerden gegen Beschlüffe der Distrikts­ verwaltungsbehörde, durch welche das nach Artikel 33 aus­ zustellende Verehelichungszeugniß verweigert oder gegen einen auf Grund des Art. 36 erhobenen Einspruch ertheilt wird» bestimmt sich die Zuständigkeit und das Verfahren nach dem Gesetze vom 8. August 1878, betreffend die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes und das Verfahren in Verwaltungs­ rechtssachen. Im Uebrigen können die Betheiligten gegen die Beschlüffe der Distriktsverwaltungsbehörde innerhalb einer Nothfrist von 14 Tagen Beschwerde an die vorgesetzte Kreis­ regierung, Kammer des Innern, ergreifen, welche nach kollegialer Berathung in zweiter und letzter Instanz zu entscheiden hat. 2. Der Abs. 2 Ziff. 3 wird aufgehoben. XV. Im Artikel 41 in der Fassung des Gesetzes vom 23. Februar 1872 werden ersetzt 1. im Abs. 1 die Worte: „bis zu fünfzig Thalern" durch die Worte: „bis zu einhundertfünfzig Mark", 2. im Abs. 3 die Worte: „wieder aufgelöst worden ist" durch die Worte: „für nichtig erllärt oder aufgelöst worden ist".

XLIV Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

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XVI. Im Artikel 43 Abs. 1 in der Fassung des Gesetzes vom 23. Februar 1872 treten an die Stelle der Worte: „nach Maßgabe des Artikels 45 Ziff. 5, 6 und 9" die Worte: „nach Maßgabe des Artikel 45 Ziff. 5, 6". XVII. Im Artikel 44 treten 1. im Abs. 2 an die Stelle der Worte: „bis zu 10 fl." die Worte = „bis zu achtzehn Mark", 2. Im Abs. 3 wird das Wort: „taxfreie" ersetzt durch das Wort: „gebührenfreie". XVIII. Im Artikel 45 in der Fassung des Gesetzes vom 23. Februar 1872 werden ersetzt 1. in der Ziff. 5 die Worte: „wegen Diebstahls" durch die Worte: „wegen Raubes, Diebstahls", 2. in der Ziff. 6 die Worte: „nach Artikel 149 Abs. I des Polizeistrafgesetzbuches" durch die Worte: „nach § 148 Abs. 1 Nr. 5 oder 7 oder § 149 Abs. 1 Nr. 1, 3 oder 5 bei Gewerbeordnung" und die Worte: „oder Artikel 10 des Gesetzes, den Vollzug der Einführung des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich in Bayern betreffend," durch die Worte: „oder 8 153 der Gewerbeordnung". XIX. Im Artikel 51 ist statt „Art. 50 Abs. 111" zu setzen: „Art. 50 Abs. 1". XX. Im Artikel 52 werden ersetzt 1. im Abs. 1 die Worte: „vorbehaltlich dessen, was das Gesetz über die Errichtung eines obersten Verwaltungsgerichtshofes bestimmen wird" durch die Worte: „unbeschadet dessen, was das Gesetz von 8. August 1878, betreffend die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes und das Verfahren in Derwaltllngsrechtssachen, bestimmt",

2. im Abs. 5 die Worte: „von der Tax- und Stempelpflicht befreit" durch das Wort: „gebührenfrei". XXL Die noch bestehenden Ueberschriften vor einzelnen Artikeln werden gestrichen. XXII. Die Artikel 20, 26, 32, 34, 35, 38 werden aufgehoben. Die vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs vereinkindschasteten Kinder stehen in Ansehung der Heimat den ehelichen Kindern gleich. Für das der Eheschließung vorangehende Aufgebot verbleibt es bei den bisherigen Vorschriften, wenn die Bekanntmachung vor dem Inkraft­ treten des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeheftet worden ist. Ein auf Grund eivilrechtlnher Bestimmungen nach den bisherigen Vorschriften bei der Gemeindeveuvaltnng oder der Distriktsverwaltungs­ behörde erhobener Einspruch gegen die Eheschließung ist dem Standes­ beamten mitzutheilen.

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XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

Art. 155. Das Gesetz vom 16. Mai 1868 über den Malz­ aufschlag in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Dezember 1889 wird dahin geändert: I. Der Artikel 52 Abs. 3 erhält folgende Fassung: Ist eine solche Mühle im Besitz einer politischen Ge­ meinde, so hastet die Gemeindekasse; ist sie im Besitz einer Genossenschaft, so hasten die Genossenschaft und die Genossen für Strafe und Kosten nach den für Genossenschastsverbindlichkeiten geltenden Vorschriften; in beiden Fällen bleibt der Rückgriff gegen denjenigen, welcher die Uebertretung veranlaßt hat, Vorbehalten. II. Der Artikel 60 Abs. 2 Satz 2 Satz 2 werden aufgehoben.

und

der Artikel 61

Art. 156. Das Gesetz vom 16. Mai 1868, der Grundstücke betreffend, wird dahin geändert:

Abs. 2

die Vermarkung

I. Der Eingang des Artikel 2 Abs. 1 hat zu lauten. Zur Abmarkung zwischen Nachbargrundstücken von jedem betheiligten Grundeigenthümer

kann

II. Der Artikel 5 erhält folgende Fassung: Verständigen sich die betheiligten Grundeigenthümer, die bestehende Grenzlinie mittelst Austausches von Grund und Boden zu verändern, oder nehmen die Feldgeschworenen wahr, daß eine Verrückung der bisherigen Grenze beabsichtigt wird, so darf die Vermarkung erst erfolgen, wenn die Aenderungen im Bestände der Grundstücke und in den Eigenthumsverhältniffen in das Grundbuch eingetragen sind.

III. Der Eingang des Artikel 7 hat zu lauten: Streitigkeiten über den Anspruch auf Errichtung oder Wiederherstellung fester Grenzzeichen und über die Art der Vermarkung, insbesondere

IV. Im Artikel 8 werden die Worte: „unter Darlegung des Bedürfniffes" ersetzt durch die Worte: „unter Darlegung der Beschaffenheit der Grenze". V. Die Artikel 1, 3, 4 werden aufgehoben.

Art. 157.

Das Berggesetz vom 20. März 1869

wird

dahin

geändert: I. Der Artikel 6 erhält folgenden Abs. 3: Auf die jährlich zu leistende Entschädigung finden die Vor­ schriften des Art. 129 a, auf den Ersatz des Minderwerths finden die Vorschriften des Art. 134 entsprechende Anwendung.

II. Als Artikel 36 a werden folgende Vorschriften eingestellt: Die Bergbehörde hat dem Grundbuchamt eine beglaubigte Abschrift der VerleihungsUrkunde und eine beglaubigte Zeichnung des Planes (Art. 33) zur Eintragung des verliehenen Berg­ werkseigenthums in das Grundbuch mitzutheilen.

XLIV. AuSführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«

1193

In den Fällen des Art. 35 Abs. 2 hat die Bergbehörde das Grundbuchamt um die erforderlichen Eintragrmgen zu ersuchen. SoweitHyPothekcn, Grundschulden oder Rcntenschulden von der Aenderung oder Aushebung der Verleihung betroffen werden, finden aus die Eintragung die Vorschriften der §§ 42 bis 44 der Grundbuchordnung keine Anwendung. Das Grund­ buchamt hat den Besitzer des Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuldbriefs zur Vorlegung anzuhalten, um nach den Vorschriften des § 62 Abs. 1, des § 69 und des § 70 Abs. 1 der Grundbuchordnung zu verfahren.

III. Der Artikel 40 erhält folgende Fassung: Auf das Bergwerkseigenthum finden die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften entsprechende Anwendung.

IV. Der Artikel 41 erhält folgende Fassung: Für den Erwerb eines bestehenden Bergwerkseigenthums gelten dieselben Vorschriften wie für den Erwerb des Eigen­ thums an einem Grundstücke. Auf die Ansprüche aus dem Bergwerkseigenthlime finden die für die Ansprüche aus dem Eigenthume geltenden Vor­ schriften entsprechende Anwendung. V. Der Artikel 50 erhält folgenden Abs. 2: Auf die Entschädigungsfordcruiig finden die Vorschriften des Art. 134 Abs. 1 entsprechende Anwendung. VI. Der Artikel 55 erhält folgenden Zusatz: Die Vereinbarung muß öffentlich beurkundet oder öffentlich beglaubigt sein.

VII. Als Artikel 62 a wird folgende Vorschrift eingestellt: Ist die Bestätigung der Vereinigung mehrerer Bergwerke, der Theilung des Feldes eines Bergwerkes in selbständige Felder oder des Austausches von Feldestheilen erfolgt, so hat die Bergbehörde das Grundbuchamt unter Mittheilung einer beglaubigten Abschrift der Bestätigungsurkunde und beglaubigter Planzeichnungen um die Eintragungen zu ersuchen, welche durch die eingetretenen Rechtsänderungen veranlaßt werden. Soweit Hypotheken, Grundschulden oder Rentenschulden von der Rechtsänderung betroffen werden, finden die Vorschriften des Art. 36 a Abs. 2 Satz 2, 3 entsprechende Anwendung. VIII. An die Stelle des Artikel 93 Abs. 5 treten folgende Vorschriften: Ein abhanden gekommener oder vernichteter Kuxschein kann, wenn nicht das Gegentheil bestimmt ist, im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt werden. Die Vorschriften der §§ 798, 800 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden auf Kuxscheine entsprechende Anwendung. IX. Der Artikel 101 Abs. 3 hat zu lauten: Gewerken, die nicht im Deutschen Reiche wohnen, haben zur Empfangnahme der Einladungen einen im Deutschen Reiche wohnenden Bevollmächtigten zu bestellen.

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XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche

X. An die Stelle des Artikel 112 Satz 2, 3 tritt folgende Vorschrift: Bestellt die Gewerkschaft einen Grubenvorstand, so kann die Zustellung an jedes Mitglied des Grubenvorstandes erfolgen.

XI. Im Artikel 117 wird das Wort: durch das Wort: „Auftrag".

„Vollmachtsvertrag"

ersetzt

XII. Als Artikel 129 a wird folgende Vorschrift eingestellt: Die int Art. 126 und im Art. 129 Abs. 1 bezeichneten Entschädigungsforderungen haften, wenn das benützte Grundstück oder das Grundstück, dessen jeweiligem Eigenthümer die Dienst­ barkeit an dem benützten Grundstücke zusteht, mit Reallasten, Hypotheken, Grundschulden oder Rentenschulden belastet ist, für diese Rechte. Die Vorschriften des § 1123 Abs. 2 Satz 1 und der §§ 1124, 1125 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß Verfügungen über die Entschädigungsforderungen den Berechtigten gegenüber unwirksam sind, soweit die Fälligkeit erst später als drei Monate nach der Beschlagnahme eintritt. XIII. Der Artikel 134 erhält folgende Fassung: Die von dem Grundeigenthümer nach der Vorschrift des Art. 127 Abs. 1 erworbenen Ansprüche auf Ersatz des Minder­ werths haften, wenn das beschädigte Grundstück oder das Grundstück, deffen jeweiligem Eigenthümer die Dienstbarkeit an dem beschädigten Grundstücke zusteht, mit Reallasten, Hypotheken, Grundschulden oder Rentenschulden belastet ist, für diese Rechte nach Maßgabe der Vorschriften des § 1127 Abs. 2 und des § 1128 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Erhebt ein Berechtigter innerhalb der im § 1128 bestimmten Frist Widerspruch gegen die Zahlung der Entschädigung an den Eigenthümer, so kann der Eigenthümer und jeder Berechtigte die Eröffnung eines Vertheilungsverfahrens nach den für die Vertheilung des Erlöses im Falle der Zwangsversteigerung geltenden Vorschriften beantragen. Die Zahlung hat in diesem Falle an das für das Vertheilungsverfahren zuständige Gericht zu erfolgen. Das Recht, die im Ark. 127 Abs. 2 bezeichnete Sicher­ heitsleistung zu verlangen, steht auch den im Abs. 1 bezeichneten Berechtigten zu. Macht einer der Berechtigten von dieser Befugniß Gebrauch, so ist die Sicherheit in der Weise zu leisten, daß fie auch dem Berechtigten haftet. XIV. Im Artikel 135 wird der Satz 2 durch folgenden Abs. 2 ersetzt-: Auf die in den Fällen des Art. 127 Abs. 3, des Art. 128, des Art. 129 Abs. 2 und des Art. 132 zu leistenden Entschädigungen finden, wenn das betroffene Grundstück oder das Grundstück, dessen jeweiligem Eigenthümer das betroffene Recht zusteht, mit Hypotheken, Grundschulden oder Rentenschulden oder mit anderen Rechten belastet ist, für

XLIV. AussührungSgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

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welche eine besondere Entschädigung nicht gewährt wird, die für die Entschädigung im Falle der Zwangsenteignung gelten­ den Vorschriften Anwendung.

XV. Der Artikel 151 erhält folgenden Abs. 2: Auf die Entschädigungsforderung finden im Falle der Be­ schädigung eines Grundstücks die Vorschriften des Art. 134 Abs. 1 entsprechende Anwendung; im Falle der Beschädigung von Zubehörstücken hastet die Entschädigungsforderung den im Art. 134 Abs. 1 bezeichneten Berechtigten nach Maßgabe der Vorschriften des § 1123 Abs. 2 Satz 1, des § 1124 Abs. 1, 3 und des § 1127 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. XVI. Der Artikel 154 erhält folgende Fassung:

Ansprüche auf Ersatz eines durch den Bergbau ver­ ursachten Schadens (Art. 151,152), welche sich nicht auf Vertrag gründen, verjähren nach den für Ersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen geltenden Vorschriften. XVII. Der Artikel 162 erhält folgenden Abs. 3: Die Vorschriften des Art. 36 a Abs. 2 finden entsprechende Anwendung. XVIII. Der Eingang des Artikel 227 erhält folgende Fassung:

Die

Art. 85 bis 88, 91, 93, 95, 96, 98 und 99

finden XIX. Der Artikel 228 Abs. 2 erhält folgende Fassung: Die Kuxe behalten die Eigenschaft von Rechten, die den Grundstücken gleichstehen. Die Vorschrift des Art. 41 Abs. 1 findet entsprechende Anwendung. XX. Im Artikel 229 Satz 2 werden die Worte: Kuxen und" gestrichen.

„Veräußerung von

XXL Der Artikel 232 erhält folgende Fassung : In den Fällen der Art. 119, 121 müssen die Er­ klärungen des Gewerken und der Gläubiger öffentlich be­ urkundet oder öffentlich beglaubigt sein. In dem Falle der Art. 119,120 erfolgt der Verkauf des Antheils im Wege der Zwangsversteigerung unbeweglicher Sachen. Ein unverkäuflicher Antheil wird in den Fällen der Art. 120, 121 der Gewerkschaft im Grundbuche zugeschrieben. XXII. Der Artikel 48 Abs. 3, der Artikel 94 Abs. 2 und der Artikel 115 Abs. 2 werden aufgehoben.

Art. 158. Das Gesetz vom 29. April 1869, die Gemeinde­ ordnung für die Landestheile diesseits des Rheins betreffend, wird dahin geändert: I. Im Artikel 11 erhalten die Abs. 2, 3 folgende Fassung:

1196

XLIV. Ausfuhrungsgeseh zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

Als selbständig sind nicht zu erachten: 1) Personen, welche entmündigt sind; 2) Dienstboten und Gewcrbsgehilfen, die in die häus­ liche Gemeinschaft des Diensthcrrn ausgenommen sind, sowie Kinder, die dem elterlichen Hausstand angehören und von dem Familienhaupt unterhalten werden. Steuern der Ehefrau, sofern nicht die eheliche Gemein­ schaft nach § 1575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs aufgehoben ist, und der minderjährigen im elterlichen Unterhalte stehenden Kinder sind dem Familienhaupte zuzurechnen. II. Der Artikel 13 Abs. 2 lit. f erhält folgende Fassung: f) wenn das Entmündigungsverfahren gegen ihn ein­ geleitet ist; HI. Im Artikel 15 Abs. 5 werden die Worte: „minderjährige und andere unselbständige Personen" und im Artikel 47 Abs. 4 Satz 3 werden die Worte: „minderjährige und unter Kuratel stehende Personen" ersetzt durch die Worte: „Minderjährige und Personen, die entmündigt oder nach § 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unter vorläufige Vor­ mundschaft gestellt sind".

IV.

Der Artikel 67 erhält folgende Fassung: Ist die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich ge­ worden oder gefährdet sie das Gemeinwohl, so finden auch bei Stiftungen des öffentlichen Rechtes die Vorschriften des 8 87 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Anwendung. Zu der zu treffenden Verfügung ist in Gemeinden mit städtischer Verfassung die Zustimmung der Gemeindebevoll­ mächtigten, in den übrigen Gemeinden die Zustimmung der Gemeinde- beziehungsweise Ortsversammlung erforderlich. Der Beschluß bedarf der Genehmigung der vorgesetzten Verwaltungs­ behörde.

V Der Artikel 156 Abs. 6 wird aufgehoben.

Art. 159. Das Gesetz vom 29. April 1869, die Gemeindeordnung für die Pfalz betreffend, wird dahin geändert: I.

Im Artikel 10 erhalten die Abs. 2, 3 folgende Fasiung: Als selbständig sind nicht zu erachten: 1) Personen, welche entmündigt sind; 2) Dienstboten und Gewerbsgchilfen, die in die häus­ liche Gemeinschaft des Dienstherrn ausgenommen sind, sowie Kinder, die dem elterlichen Hausstand angehören und von dem Familienhaupt unterhalten werden. Steuern der Ehefrau, sofern nicht die eheliche Gemein­ schaft nach § 1575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs aufgehoben ist, und der minderjährigen im elterlichen Unterhalte stehenden Kinder sind dem Familienhaupte zuzurechncn.

XLIV. Aussuhrungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

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II Der Artikel 11 Abs. 2 lit. k erhalt folgende Fassung: f) wenn das Entmündigungsverfahren gegen ihn eiilgeleitet ist; III. Im Artikel 37 Abs. 3 Satz 3 werden die Worte-.„minderjährige und unter Kuratel stehende Personen" ersetzt durch die Worte: „Minderjährige und Personen, die entmündigt oder nach § 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unter vorläufige Vor­ mundschaft gestellt sind". IV. Der Artikel 51 erhält folgende Fassung: Ist die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden oder gefährdet sie das Gemeinwohl, so finden auck> bei Stiftungen des öffentlichen Rechtes die Vorschriften des § 87 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Anwendung. Zu der zu treffenden Verfügung bedarf der Gemeinderath der Genehmigung der vorgesetzten Verwaltungsbehörde.

Art. 160. Das Gesetz vom 29. April 1869, die öffentliche Armenund Kranken-Pflege betreffend, wird dahin geändert: I. Der Artikel 5 Abs. 2 erhält folgende Fassung: Desgleichen haben diejenigen, welche einem Hilfsbedürftigen gegenüber nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs unterhaltspflichtig waren, Ersatz der in Folge der Nichterfüllung ihrer Verpflichtung für dessen Unterhalt gemachten Aufwendungen zu leisten.

II. Der Artikel 5 a Abs. 1 in der Fassung des Gesetzes vom 3. Februar 1888 hat zu lauten: Auf Antrag der Armenpflege können der Ehegatte und der frühere Ehegatte, die Eltern und Großeltern, die Kinder und Enkel eines Hilfsbedürftigen durch Beschluß der Distrikts­ verwaltungsbehörde angehalten werden, dem Hilfsbedürftigen nach Maßgabe ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht die erforderliche Unterstützung zu gewähren und Ersatz der in Folge der Nicht­ erfüllung ihrer Verpflichtung für den Unterhalt gemachten Aufwendungen zu leisten. Das Gleiche gilt in Ansehung eines unehelichen Kindes von dem Vater, sofern er seine Vaterschaft nach 8 1718 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anerkannt hat oder seine Unterhaltspflicht in einem vollstreckbaren Titel festgestellt ist. III. Im Artikel 7 in der Faffung des Gesetzes vom 3. Februar 1888 werden j 1. die Worte: „wenn nicht arme Notherben vorhanden sind oder der Unterstützte von einer Wohlthätigkeitsanstalt beerbt wird" ersetzt durch die Worte: „wenn nicht arme Pflichttheilsberechtigte vorhanden sind". 2. Als Abs. 2 werden folgende Vorschriften beigefügt: Der Ersatzanspruch kann nicht zum Nachtheile der Nach­ laßgläubiger geltend gemacht werden; Verbindlichkeiten aus Pflichttheilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen bleiben außer Betracht. Trifft er mit dem Ersatzanspruch einer öffentlichen

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XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

Wohlthätigkeitsanstalt zusammen, von der der Verstorbene innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Tode unterstützt oder unentgeltlich verpflegt worden ist, so kann er auch nicht zum Nachtheile dieses Anspruchs geltend gemacht werden. IV. Im Artikel 8 werden 1. im Abs. 1 die Worte: „tax- und stempelfrei zu behandeln" ersetzt durch das Wort: „gebührenfrei". 2. Der Abs. 2 erhält folgende Fassung: In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten steht den Armenpflegen in dem Verfahren vor den bayerischen Gerichten Gebühren­ freiheit zu.

V. Im Artikel 11 Abs. 1 werden hinter den Worten: „im Dienste oder in einer ständigen Arbeit stehen" die Worte eingeschaltet: „und nicht kraft Gesetzes oder statutarischer Bestimmung der Krankenversicherungspflicht unterliegen". VI. Im Artikel 20 Abs. 1 in der Fassung des § 41 des Landtags­ abschieds vom 15. April 1875 wird das Wort „Reichswährung" gestrichen. VII. Im Artikel 23 Abs. 3 erhalten die Ziff. 1, 3 folgende Fassung: 1) Personen, die entmündigt oder nach § 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unter vorläufige Vormund­ schaft gestellt sind; 3) Personen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet ist.

VIII. Der Artikel 36 Abs. 4 erhält folgende Fassung: Der Armenpflegschaftsrath ist berechtigt, die Entmündigung wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht zu beantragen, wenn Grund zu der Besorgniß besteht, daß der zu Ent­ mündigende der Armenkasse zur Last fallen werde.

IX. Im Artikel 43 Abs. 1 werden die Worte: „vorbehaltlich deffen, was das Gesetz über den obersten Verwaltungsgerichtshof be­ stimmen wird" ersetzt durch die Worte: „unbeschadet dessen, was das Gesetz vom 8. August 1878, betreffend die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes und das Verfahren in Verwaltungsrechtssachen, bestimmt". X. Im Eingänge des Artikel 44 tritt an die Stelle des Wortes: „Arrest" das Wort: „Haft".

Art. 161. Das Gesetz vom 29. April 1869, die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschaftsgesellschaften betreffend, wird für die noch bestehenden registrirten Gesellschaften dahin geändert: I. An die Stelle des Artikel 38 Abs. 3 tritt folgende Vorschrift: In jedem Falle kann die Gesellschaft einen Gesellschafter aus den im Gesellschastsvertrage festgesetzten Gründen sowie wegen Verlustes der bürgerlichen Ehrenrechte ausschließen.

XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

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II. An die Stelle des Artikel 74 Abf. 1 tritt folgende Vorschrift: Das Register für die registrirten Gesellschaften wird von bett Gerichten geführt, denen die Führung des Handelsregisters obliegt. III. Der Artikel 43 Abf. 2 wird aufgehoben.

Art. 162. Das Polizeistrafgesetzbuch vom 26. Dezember 1871 wird dahin geändert: 1. Der Artikel 81 Ws. 2 erhält folgenden Zusatz: Die Ermächtigung ist, wenn es sich um eine Maßregel handelt, zu der eine Anordnung des Vormundschaftsgerichts erforderlich ist, von der Erlassuitg dieser Anordnung abhängig zu machen. II. Im Artikel 122 Abf. 2 wird statt „113" gesetzt „113 Ziff. 2, 3".

Art. 163. In dem Gesetze vom 28. Wril 1872, die Grund­ entlastung betreffend, erhält der Satz 2 des Artikel 17 Abf. 1 folgende Fassung: Sie haben den gleichen Rang wie die Grundabgabe und die belasteten Grundstücke haften für sie in gleicher Weise wie für diese. Art. 164. Das Gesetz vom 3. April 1875, die Brandversicherungs­ anstalt für Gebäude in den Landestheilen rechts des Rheins betreffend, wird dahin geändert: I. Der Artikel 3 Abf. 1 erhält folgende Fassung: Ausnahmsweise müssen der Anstalt einverleibt werden: 1) die sämmtlichen Gebäude des Staates; 2) die Gebäude der Gemeinden, der Kirchen, Schul- und sonstigen Stiftungen;

der

3) die Gebäude der Pfarreien, Benefizien, ständigen Curatien, Pfarrvikariate und Exposituren.

II. Im Artikel 8 wird die Verweisung „(Art. 3 Ziff. 5)" gestrichen.

III. In den Artikel 10 wird zwischen Abs. 1 und Abf. 2 folgender neue Absatz eingefügt: Die Versicherung kann auch von dem Nießbraucher zu Gunsten des Eigenthümers und für ein Gebäude, das im Eigenthume Mehrerer steht, von einem der Miteigenthümer zu Gunsten der sämnttlichen Eigenthüuter genommen werden.

IV. Der Artikel 14 erhält folgende Fassung: Bei den im Art. 3 Abs. 1 bezeichneten Gebäuden richtet sich der Mindestbetrag der Versicherung nach den jeweiligen besonderen Ministerialvorschriftctt, er darf jedoch nicht auf weniger als den halben Werth der verbrennbaren Theile bestimmt werden. V. Der Artikel 15 Abs. 3 erhält folgende Fassung:

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XLIV

Aussuhrungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbucht.

Die Minderung tritt mit dem nächstfolgenden Jahre in Wirksamkeit. Ist das Grundstück mit Hypotheken. Grund­ schulden oder Rentenschulden belastet, so ist der Nachweis erfrrderlrch, daß die Gläubiger ihre Zustimmung in rechtsverbindlicher Weise erklärt haben.

VI. Der Artikel 39 Abs. 3 erhält folgende Fassung: Die Bewilligung zum Wiederaufbau des abgebrannten Gebäudes auf einem Grundstücke mit anderer Plannummcr sowie die Bewilligung zu einer anderen Verwendung der Ent­ schädigungsgelder setzt, wenn das Grundstück mit Neallasten, Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden oder mit einem Nießbrauche belastet ist, den Nachweis voraus, daß die Be­ rechtigten ihre Zustimmung in rechtsverbindlicher Weise er­ klärt haben. Der Nachweis ist zu den Akten zu bringen. Bei Reallasten, Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden genügt der Nachweis, daß die Berechtigten innerhalb der im § 1128 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmten Frist einen Widerspruch nicht erhoben haben; die Anzeige von dem Eintritte des Schadens kann durch die nach Abs. 2 zuständige Behörde eifrigen. Der Nachweis ist nicht erforderlich, wenn das zuständige Gericht festgestellt hat, daß die Bewilligung für die Berechtigten unschädlich ist.

VII. Der Artikel 43 Satz 1, 2 erhält folgende Fassung: Der Anspruch auf Entschädigungsgelder kann, soweit diese zu einem bestimmten Zwecke, insbesondere nach Art. 38, 39 zum Wiederaufbau des Gebäudes, zu verwenden sind, vor­ behaltlich der Bestimmung des Art. 41 Abs. 2, nicht ab­ getreten werden. Der Anspruch auf die zum Wiederaufbau zu verwendenden Entschädigungsgelder kann jedoch mit der Bau­ stelle unter der Bedingung des Wiederaufbaus veräußert werden. VIII. Der Artikel 46 erhält folgende Fassung: Ist das beschädigte Gebäude eines der vorsätzlichen oder fahrlässigen Brandstiftung beschuldigten Versicherten mit Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden oder mit einem Nießbrauche belastet oder ist von den Miteigenthümern des Gebäudes einer beschuldigt, so wird zwar zum Besten der Be­ rechtigten oder der anderen Miteigenthümer die Entschädigungs­ summe gegen dereinstigen Ersatz aus dem Vermögen des Schuldigen von der Anstalt vorgeschossen, jedoch zu keinem anderen Zwecke als zu dem der Wiederherstellung der be­ schädigten Gegenstände. Die Versicherungskammer ist berechtigt, für die fest­ gesetzte Entschädigungssumme eine Sicherungshypothek an den Grundstücken des Beschuldigten eintragen zu lassen. Die Eintragung der Hypothek an mehreren Grund­ stücken des Beschuldigten darf nur soweit verlangt werden,

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XLIV Aussührungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

daß der Werth der Grundstücke das Doppelte des zu sichernde» Betrags erreicht; der Werth wird unter Abzug der Belastungen berechnet, welche der Hypothek im Range vorgehen. IX. Der Artikel 71 erhält folgende Fassung: Steht das versicherte Gebäude im Miteigenthume Mehrerer, so hasten die Miteigenthümer, welche die Ver­ sicherung genommen haben, für die Beiträge als Gesammtschuldner. Das Grundstück haftet im Ganzen, auch wenn nur einer der Miteigenthümer die Versicherung genommen hat. Das Gleiche gilt, wenn der Nießbraucher die Versicherung zu Gunsten des Eigenthümers genommen hat. X. Der Artikel 75 erhält folgende Fassung: Werden Brandversicherungsbeiträge von einem Stellver­ treter (Art. 70, 73, 74) vorgeschossen, so geht der Anspruch der Anstalt auf diesen über.

XL Im Artikel 77 Abs. 1 werden die Worte: „insbesondere auch die Einwilligung der sämmtlichen Hypothekgläubiger oder amtliche Bescheinigung der Hypothekfreiheit" gestrichen. XII. Der Artikel 9 Abs. 2, der Artikel 32 Abs. 4 Satz 2, der Artikel 47 Abs. 2, der Artikel 72, der Artikel 78 Abs. 1 Ziff. 3 und der Artikel 88 Satz 2 werden aufgehoben. Die Aufhebung des Artikel 3 Abs. 1 Ziff. 6 und des Artikel 32 Abs. 4 Satz 2 sowie die Aenderungen der Artikel 10, 15, 71 treten schon vor der Zeit, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, in Kraft.

Art. 165. Das Gesetz vom 8. August 1878, betreffend die Er­ richtung eines Berwaltungsgerichtshofes und das Verfahren in Verwaktungsrechtssachen, wird dahin geändert: I. An die Stelle des Artikel 7 Abs. 2 treten folgende Vorschriften: Der Verwaltungsgerichtshof ist berufen, in den Fällen, in welchen der Staat, eine Gemeinde oder ein anderer Kommunalverband wegen des Schadens in Anspruch genommen werden soll, den ein Beamter in Ausübung der ihm anver­ trauten öffentlichen Gewalt vorsätzlich oder fahrlässig einem Dritten zugefügt hat, die Vorentscheidung darüber zu treffen, ob der Beamte sich einer Ueberschreitung seiner Amtsbefugniffe oder der Unterlaffung einer ihm obliegenden Amtshandlung schuldig gemacht hat. Das Gleiche gilt, wenn ein Beamter wegen des Schadens in Anspruch genommen werden soll, den er durch eine in Ausübung oder in Veranlaffung der Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt vorgenommene Handlung einem Dritten zugefügt hat. Soweit der Staat oder der Verband, in dessen Dienste der Beamte steht, einen Schaden zu ersetzen hat, für den der Beamte selbst nicht verantwortlich ist, hat der Verwaltungsgerichtshof die Vorentscheidung darüber 8iir(iei(l($c» Keseyvuch und Rebengesetz« (Bayern).

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XL1V. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesekbuchr.

zu treffen, ob der Beamte seine Amtsbefugniffe überschritten oder eine ihm obliegende Amtshandlung Unterlasten hat. Bei Handlungen eines Beamten der streitigen oder der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Vorentscheidung nicht erforderlich. Die Vorentscheidung ist für das Gericht bindend. Soll der Anspruch gegen den Staat oder den Verband wegen schuldhafter Verletzung der Amtspflicht erhoben werden, so wirkt die Vorentscheidung auch für das Verhältniß zwischen dem Staate oder dem Verband und dem Beamten. Auf das Verfahren finden die für Derwaltungsrechtssachen geltenden Vorschriften Anwendung. Vor Erlassung der Vor­ entscheidung ist auch im Falle des Abs. 2 Satz 1 der Beamte zu hören.

II. In den Artikel 10 wird folgende Vorschrift als Ziff. 3a ein­ gestellt: 3 a) Umwandlung des Zweckes oder Aufhebung einer Stiftung nach den Vorschriften des § 87 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn von dem Vorstande der Stiftung oder von einem zum Genuß oder zum Mitgenuffe der Stiftung Berechtigten bestritten wird, daß die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich ge­ worden sei oder das Gemeinwohl gefährde.

Art. 166. Das Gesetz vom 23. Februar 1879 zur Ausführung der Reichs-Civilprozeßordnung und Konkursordnung wird dahin geändert: I. Im Artikel 3 werden die Worte: „unbeschadet der Vorschriften in den 83 394 und 397 der Civichrozeßordnung" ersetzt durch die Worte: „unbeschadet der Vorschriften der 88 310, 811 des Bürgerlichen Gesetzbuchs". II. Als Artikel 9a wird folgende Vorschrift eingestellt:

Ueber das Vermögen einer der im Art. 9 Abs. 2 be­ zeichneten juristischen Personen des öffentlichen Rechtes findet ein Konkurs nicht statt. III. Im Artikel 10 erhält

1. der Abs. 1 folgende Fassung:

Die Ansprüche aus der Haftung des Staates oder der Gemeinden für den bei Zusammenrottungen verursachten Schaden sowie die Ansprüche des Fiskus gegen die betheiligten Gemeinden auf Ersatz der Kosten, die aus dem Einschreiten der bewaffneten Macht zur Erhaltung der inneren Sicherheit oder der ge­ setzlichen Ordnung entstehen, erlöschen mit dem Ablauf eines Jahres, wenn nicht vorher die Klage erhoben wird. Die einjährige Frist beginnt für die Ansprüche der ersteren Art mit der Beschädigung, für die Ansprüche der letzteren Art mit dem Zeitpunkt, in welchem die Verwendung der bewaffueteil Macht ihr Ende erreicht.

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XLIV. Ausführungsgeseh zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

2. der Ms. 3 Satz 1 folgende Fassung: Hinsichtlich des Vollzugs der gegen die Beklagten er­ gehenden Urtheile verbleibt es bei den Bestimmungen der Ge­ setze vom 12. März 1850 und vom 4. Mai 1851.

IV. Im Artikel 20 Abs. 1 werden die Worte: „in den nicht zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit gehörenden Sachen" ersetzt durch die Worte: „in den Angelegenheiten, für welche die Land sgesetze maßgebend sind". V. Die Ueberschrist vor dem Artikel 45 hat zu lauten: „Zwangsenteignung".

VI. Im Artikel 46 Abs. 1 werden 1. im Satz 1 die Worte: „und unter den Betl.eiligten nur noch die Frage über die Art oder den Betrag der zu leistenden Entschädigung streitig" gestrichen. 2. An die Stelle des Satz 2 treten folgende Vorschriften: Der Antrag hat die genaue Bezeichnung des abzu­ tretenden Grundstücks sowie die Angabe des Abtretungspflichtigm und der sonstigen Betheiligten zu enthalten. Der Antrag soll soweit thunlich für die in demselben Verwaltungs­ bezirke belegenen Grundstücke gleichzeitig gestellt werden. VII. In den Artikel 47 Abs. 2 wird zwischen Satz 1 und Satz 2 folgende Vorschrift eingestellt:

Auf die Ladung finden die Vorschriften des Art. XV Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 3 des Gesetzes vom 17. November 1837 entsprechende Anwendung; schriftliche Mittheilung erfolgt nur an den Abtretungsberechtigten, die AbtretungsPflichtigen und die sonstigen Betheiligten, die sich zur Theilnahme an dem Schätzungsverfahren bei der Distriktsverwaltungsbehörde ge­ meldet haben. VIII. Der Abs. 2 des Artikel 50 erhält folgende Fassung: Für die Klage ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirke das abzutretende Grundstück liegt.

IX. Der Artikel 51 Satz 2 erhält folgende Fassung: Ist der Abtretungsberechtigte der Staat, so kann an Stelle der Einweisung in den Besitz die sofortige Zwangs­ abtretung erwirkt werden; zu einer Sicherheitsleistung ist der Staat nicht verpflichtet. X. Der Artikel 53 erhält folgende Fassung: An der Entschädigungssumme stehen den Betheiligten, deren Rechte nach Art. XI des Gesetzes vom 17. November 1837 auf die Entschädigungssumme übergegangen sind, dieselben Rechte zu, die sie im Falle des Erlöschens ihrer Rechte durch Zwangsversteigerung an dem Erlöse haben würden. Der bisherige Eigenthümer und jeder Berechtigte kann die Er­ öffnung eines Vertheilungsverfahrens nach den für die 76*

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XLIV. Ausführungsgesetz »um Bürgerlichen Gesetzbuch-

Dertheilung des Erlöses im Falle der Zwangsversteigerung geltenden Vorschriften beantragen. Das Gericht hat bei der Eröffnung des Verfahrens voll Amtswegen das Grundbuchamt um die im § 19 Abs. 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangs­ verwaltung bezeichneten Mittheilungen zu ersuchen. Als Betheiligte im Sinne des 8 9 Nr. 1 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung gelten diejenigen, für welche zur Zeit der Ertheilung der beglaubigten Abschrift des Grundbuchblatts ein Recht im Grundbuch eingetragen oder durch Eintragung gesichert ist; die in Folge der Zwangsabtretung erfolgten Rechtsänderungen bleiben außer Betracht. Als Beschlagnahme im Sinne des 8 13 des angeführten Gesetzes ist die Zwangsabtretung, im Falle der Einweisung des Äbtretungsberechtigten in den Besitz

die Einweisung anzusehen. XL Der Artikel 55 erhält folgenden Zusatz:

Vor dieser kann auch die Auflaffung erklärt werden. XII. Als Artikel 55a wird unter der Ueberschrist: „Ablösung" folgende Vorschrift eingestellt: Bei der Ablösung eines Rechtes, das dem jeweiligen Eigenthümer eines Grundstücks zusteht, finden, wenn das Grundstück des Berechtigten mit Rechten Dritter belastet ist, auf die Ablösungssumme, soweit nicht besondere Vorschriften bestehen, die im Falle der Zwangsenteignung für die Ent­ schädigung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.

XIII. Als Artikel 68a wird unter der Ueberschrist: „Zwangsvoll­ streckung bei Fideikommiffen, Lehen und landwirthschastlichen Erbgütern gegen den Nachfolger" folgende Vorschrift eingestellt: Bei Familienfideikommissen, Lehen mit Einschluß der allodifizirten Lehen, Stammgütern und landwirthschastlichen Erbgütern finden auf die Zwangsvollstreckung gegen den Rechtsnachfolger des Schuldners die für die Zwangsvoll­ streckung gegen den Erben des Schuldners geltenden Vor­ schriften entsprechende Anwmdung.

XIV. An die Stelle des Artikel 69 traten unter der Ueberschrist: „Auf­ gebotsverfahren" folgende Vorschriften: Art. 69. Für das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Kraftloserklärung ist bei Schuldverschreibungen des bayerischen Staates das Amtsgericht, bei welchem die Staatsschulden­ tilgungsanstalt ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, bei Schuld­ verschreibungen, die von einer dem bayerischen Staate an­ gehörenden Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechtes ausgestellt sind, das Amtsgericht, bei welchem die Körperschaft, Stiftung oder Anstalt ihren allgemeinen Gerichts­ stand hat ausschließlich zuständig.

XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

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Art. 69 a. Für das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Kraftloserklärung einer Urkunde der im § 808 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs bezeichneten Art, für welche Zins- oder Rentenscheine nicht ausgegeben sind, sowie eines Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuldbriefs gelten die nachfolgenden besonderen Bestimmungen. Die öffentliche Bekanntmachung des Aufgebots und der Zahlungssperre erfolgt durch Anheftung an die Gerichtstafel und durch zweimalige Einrückung in das für die Bekannt­ machungen des Gerichts bestimmte Blatt. Das Gericht kann anordnen, daß die Bekanntmachung noch in anderen Blättern erfolgen soll. Die Aufgebotsfrist muß mindestens drei Monate betragen. Sie beginnt mit der ersten Einrückung in das für die Bekanntmachungen des Gerichts bestimmte Blatt. Die im 8 1017 Abs. 2, 3 und im § 1022 Abs. 1 der Civilprozeßordnung vorgeschriebenen Bekanntmachungen erfolgen in dem für die Bekanntmachungen des Gerichts bestimmten Blatte. Auf Bersicherungspolizen sowie auf Grundschuld- und Rentenschuldbriefe, die auf den Inhaber ausgestellt sind, finden diese Vorschriften keine Anwendung. Art, 69 b. Die öffentliche Bekanntmachung der in den 88 977, 982, 988, 1002 der Civilprozeßordnung bezeichneten Aufgebote erfolgt durch Anheftung an die Gerichtstafel und einnialige Einrückung in das für die Bekanntmachungen des Gerichts bestimmte Blatt. Die Aüfgebotsftist beginnt mit der Einrückung in dieses Blatt. Wird die öffentliche Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts des Ausjchlußurtheils angeordnet, so erfolgt sie durch das im Abs. 1 bezeichnete Blatt. XV. Der Artikel 88 wird unter der Ueberschrift: „Feststellung des Datums einer Privaturkunde" als Artikel 70 a eingestellt. XVI Die Artikel 12 bis 19, 23 bis 33, 56 bis 67, 71 bis 77, 79 bis 87, 89 bis 121, 123 bis 126, 135, 140 bis 168, 171 bis 174, 176 bis 219, 222 bis 224 werden aufgehoben. Die Vorschriften der Artikel 25 bis 33, 125, 171 bleiben jedoch in Kraft, bis das Grundbuch als angelegt anzusehen ist. Für das im 8 82 des Hypothekengesetzes bestimmte Aufgebot verbleibt es in Ansehung des Verfahrens bei den bisherigen Vor­ schriften mit der Maßgabe, daß die Vorschriften des Artikel 69 b entsprechende Anwendung finden und die Aufgebotsfrist mindestens sechs Wochen betragen muß. Bei einer vertragsmäßigen Ver­ steigerung von Grundstücken nach Artikel 202 bleiben für das Verfahren die Vorschriften des Artikel 202 Abs. 1, 4 bis 7 maßgebend. Die Artikel 127 bis 134, 136 bleiben in Ansehung der Hypotheken in Kraft, welche zu der Zeit bestehen, zu der das Grundbuch als angelegt anzusehen ist.

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XLIV. AuSführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

Der Artikel 169 bleibt für Rechtsverhältnisse, die sich nach den bisherigen Vorschriften bestimmen, in Kraft, sofern der Wohnsitz vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs erwählt worden ist.

Die Artikel 220, 221 bleiben für die nach den bisherigen Vor­ schriften errichteten Urkunden der in ihnen bezeichneten Art in Kraft.

Die noch geltenden Vorschriften der Preußischen Allgemeinen Gerichts­ ordnung und der Pfälzischen Civilprozeßordnung werden aufgehoben. Die Vorschrift des § 128 Theil I Titel 10 der Preußischen Allgemeinen Gerichtsordnung bleibt jedoch für die vor dem 1. Januar 1876 erfolgten Eintragungen in die Kirchenbücher in Kraft.

Soweit nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs das in Theil I Titel 51 §§ 100 bis 109 der Preußischen Allgemeinen Gerichts­ ordnung bestimmte Aufgebot stattfindet, verbleibt es in Ansehung des Verfahrens bei den bisherigen Vorschriften. Das Gleiche gilt für das Hypothekenreinigungsverfahren nach Pfälzischem Rechte.

Art. 167. Das Ausführungsgesetz vom 23. Februar 1879 zum Reichs-Gerichtsverfassungsgesetze wird dahin geändert: I. Der Artikel 15 erhält folgende Fassung:

Die Amtsgerichte sind, soweit nicht andere Bestimmungen getroffen sind, für die Angelegenheiten zuständig, welche zur Zuständigkeit der Stadt- und Landgerichte gehört haben.

Die Amtsgerichte sind liefen den Notaren zuständig für die Beurkundung von Vereinbarungen zwischen dem Vater eines unehelichen Kindes und diesem über den Unterhalt für die Zukunft oder über eine an Stelle des Unterhalts zu ge­ währende Abfindung sowie für die Beurkundung einer Ver­ einbarung zwischen dem Vater eines unehelichen Kindes und der Mutter über die der Mutter aus der Beiwohnung und der Entbindung entstandenen Ansprüche, sofern diese Ver­ einbarung mit der Vereinbarung über den Unterhalt des Kindes in derselben Urkunde verbunden wird. Die Amts­ gerichte sind nicht zuständig für die Beurkundungen, die nach den Vorschriften der Reichsgesetze durch ein Gericht oder einen Notar zu bewirken find, sowie für die öffentliche Beglaubigung einer Unterschrift oder eines Handzeichens. Die Amtsgerichte sind als Nachlaßgerichte nicht zuständig zur Aufnahme des Inventars. II. Als Artikel 15 a wird folgende Vorschrift eingestellt:

Die Amtsgerichte können für bestimmte Arten von Gut­ achten, soweit nicht besondere Vorschriften maßgebend sind, Sachverständige öffentlich bestellen und im Allgemeinen beeidigen. III. Dem Artikel 17 Abs. 2 wird folgende Vorschrift beigefügt:

Ist die Dienstaufsicht zwischen mehreren Amtsrichtern getheilt, so bestimmt das Staatsmiuisterium der Justiz den­ jenigen, welchem die Vertheilung der Geschäfte znsteht.

XLIV. Ausführungsgesetz zuin Bürgerlichen Gesetzbuche.

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IV. Der Artikel 21 erhält folgende Fassung: Die im Art. 20 Abs. 1 angeordnete Stellvertretung erstreckt sich nicht auf den Fall rechtlicher Verhinderung des Gerichts.

V. Der Artikel 22 erhält folgende Fassung:

Die Ausfertigungen in den nicht zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit gehörenden Angelegenheiten werden, soweit nicht besondere Vorschriften bestehen, von dem Amtsrichter unter­ schrieben. VI. Der Artikel 29 erhält folgende Fassung: Die in dem gegenwärtigen Gesetze den Landgerichten zugewiesenen, nicht zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit gehörenden Angelegenheiten werden von den Civilkammern erledigt.

VII. Im Artikel 30 erhält: 1. der Abs. 1 folgende Fassung: Die Vorschriften der §§ 61 bis 68, 77 des ReichsGerichtsverfassungsgesetzes gelten auch für die zur Zuständigkeit der Landgerichte gehörenden Angelegenheiten, für welche die Vorschriften der Landesgesetze maßgebend sind.

2. Im Abs. 3 werden die Worte: „in den Fällen des § 100 des Reichs-Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen" gestrichen. 3. Der Abs. 4 erhält folgende Fassung: Ausfertigungen in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit werden von dem Gerichtsschreiber unterschrieben. VIII. Im Artikel 36 Ziff. 2 werden die Worte: „nach den Vor­ schriften des gegenwärtigen Gesetzes" ersetzt durch die Worte: „nach Art. 28".

IX. Im Artikel 37 werden die Worte: „mit Ausnahme der Be­ handlung der im Art. 41 bezeichneten Strafsachen" gestrichen.

X. Der Artikel 38 erhält folgende Fassung: Die Vorschriften der 88 121, 124 des Reichs-Gerichts­ verfassungsgesetzes gelten auch für die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehörenden Angelegenheiten, für welche die Vorschriften der Landesgesetze maßgebend sind. Auf die Vertretung des Präsidenten finden die Vor­ schriften des Art. 32 entsprechende Anwendung.

XI. Der Artikel 39 erhält folgende Fassung: Die Vorschriften des Art. 30 Abs. 3, 5 finden bei den Oberlandesgerichten entsprechende Anwendung. Ausfertigungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, für die das Oberlandesgericht als oberes Gericht zuständig ist, werden von dem Gerichtsschreiber unter­ schrieben.

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XLIV. Aussührungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

XII. An die Stelle des Artikel 42 Abs. 3 treten folgende Vorschriften: Dem Obersten Landesgerichte wird ferner die Ver­ handlung und Entscheidung der zur Zuständigkeit der Ober­ landesgerichte gehörenden Revisionen und Beschwerden in Strafsachen sowie, unbeschadet der Zuständigkeit des Reichs­ gerichts, die Entscheidung über das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde in Grundbuchsachen und anderen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen. Das Oberste Landesgericht ist, soweit nicht andere Be­ stimmungen getroffen sind, für die Angelegenheiten zuständig, welche zur Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs ge­ hört haben.

XIII. Der Artikel 48 erhält folgende Fassung: Die Civilsenate des Obersten Landesgerichts entscheiden in den Angelegenheiten, für welche die Vorschriften der Landes­ gesetze maßgebend sind, in der Besetzung von sieben Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden, über das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte als Beschwerdegerichte und über die Bestimmung des zuständigen Gerichts jedoch in der Besetzung von fünf Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. XIV. Der Artikel 51 Abs. 1 erhält folgende Fassung: Bei dem Obersten Landesgerichte wird ein General­ staatsanwalt, bei jedem Oberlandesgerichte wird ein Ober­ staatsanwalt, bei jedem Landgerichte wird ein Erster Staats­ anwalt aufgestellt. XV. Der Artikel 52 Abs. 1 erhält folgende Fassung: Der Generalstaatsanwalt, die Oberstaatsanwälte und die Staatsanwälte werden vom König ernannt.

XVI. Der Artikel 63 erhält folgende Fassung: Die Gerichtsschreiber bei den Amtsgerichten sind zu­ ständig, Siegelungen und Entfiegelungen sowie die Ver­ richtungen einer Urkundsperson gemäß § 123 der Konkurs­ ordnung vorzunehmen und Bermögensverzeichniffe aufzunehmen, die nach gesetzlicher Vorschrift dem Vormundschaftsgericht ein­ zureichen sind. Sie sollen sich diesen Geschäften nur auf An­ ordnung des Richters unterziehen. Den Gerichtsschreibern bei den Amtsgerichten kann von dem Nachlaßgerichte die Aufnahme des Inventars über­ tragen werden. Die Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses nach Abs. 1 oder eines Inventars nach Abs. 2 soll nur angeordnet werden, wenn anzunehmen ist, daß der Werth des Vermögens oder des Nachlaffes ohne Abzug der Schulden den Betrag von zweitausend Mark nicht oder nicht erheblich übersteigt.

XVII. Im Artikel 64 werden die Worte: „verpflichteten Schreiber" er­ setzt durch das Wort: „Gerichtsschreibereibediensteten".

XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

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XVIII. Im Artikel 65 werden die Worte: „sowie des Zustellungswesens in Sachen der nichtstreitigen Rechtspflege" gestrichen. XIX. Im Artikel 69 erhält 1. die Ziff. 6 folgende Fassung : 6) dem Generalstaatsanwalte hinsichtlich der Staatsanwaltschaft bei dem Obersten Landesgerichte, dem Oberstaatsanwalt und dem Ersten Staatsanwalte hinsichtlich der Staats­ anwaltschaften ihres Bezirkes. 2. Zwischen Abs. 1 und Abs. 2 wird folgender neue Absatz ein­ gefügt: Der Präsident des Oberlandesgerichts und des Land­ gerichts kann sich mit Genehmigung des Staatsministeriums der Justiz bei der Erledigung einzelner Aufsichtsgeschäfte, die sich auf ein untergebenes Gericht beziehen, durch einen richterlichen Beamten des Gerichts, dessen Vorstand er ist, vertreten lassen. 3. Der bisherige Abs. 2 erhält folgenden Zusatz: Wird der Präsident nach Abs. 2 durch einen richter­ lichen Beamten vertreten, der nicht Mitglied des Präsidiums ist, so nimmt dieser an der Beschlußfassung des Präsidiums mit berathender Stimme theil.

XX. Als Artikel 74a wird folgende Vorschrift eingestellt:

Die Aufsicht über die Amtsführung der Standesbeamten in der Pfalz gehört zu den Gegenständen der Justizverwaltung. Die erforderlichen Ausführungsbestimmungen erläßt das Staats­ ministerium der Justiz.

XXL Der dreizehnte Titel erhält die Ueberschrift: „Hinterlegungswesen". XXII. Der Artikel 76 erhält folgende Fassung: Für die in Angelegenheiten des bürgerlichen Rechtes oder nach den Vorschriften über das gerichtliche Verfahren erfolgenden Hinterlegungen werden bei den Amtsgerichten Hinterlegungsstellen errichtet. Für mehrere Amtsgerichtsbezirke kann eine Hinterlegungsstelle errichtet werden. Die näheren Bestimmungen über die Hinterlegung werden durch Königliche Verordnung getroffen. Die Staatsregierung kann die Besorgung des Hinter­ legungswesens der Königlichen Bank übertragen und die hiefür erforderlichen Ausführungsvorfchristen erfassen. Bei den amtsgerichtlichen Hinterlegungsstellen findet die Anlegung von Mündelgeld nach § 1808 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht statt. XXIII. Der Artikel 77 Abs. 1 erhält folgende Fassung:

Die Gerichte haben sich in den Angelegenheiten, für welche die Vorschriften der Landesgesetze maßgebend sind, Rechts­ hülfe zu leisten.

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XLIV. AuSsührungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

XXIV. Im Artikel 78 Abs. 1 und im Artikel 79 werden die Worte: „in den nicht zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit gehörenden Angelegenheiten" ersetzt durch die Worte: „in den Angelegenheiten, für welche die Borschriften der Landesgesetze maßgebend sind". XXV. Der Artikel 28 Abs. 2, 3 und die Artikel 41, 46, 47 werden auf­ gehoben.

Art. 188. Das Gesetz vom 18. August 1879 zur Ausführung der Reichs-Strafprozeßordnung wird dahin geändert: I. Im Artikel 107 werden die Worte: „Notare oder" gestrichen. II. Die Artikel, 14, 30, 31, 117 bis 121 werden aufgehoben.

Art. 169. Das Gesetz vom 18. August 1879 über die Erb­ schaftssteuer wird dahin geändert: I. Im Artikel 1 Abs. 1 erhält 1. die lit. a folgende Fassung: a) von Erbschaften, Vermächtnissen und Schenkungen auf den Todesfall, aus Auflagen auf Zuwendungen dieser Art, die dem Empfänger der Leistnng einen Vermögensvortheil zu verschaffen bezwecken, sowie aus Pflichttheilsrechten; 2. die lit. b fällt weg. II. Im Artikel 4 erhält 1. die Ziff. 1 folgende Fassung: 1) Als Verwandtschaft gilt auch die durch Annahme an Kindes­ statt begründete Verwandtschaft sowie das Verhältniß zwischen einem unehelichen Kinde und dessen Abkömmlingen einerseits und dem Vater und dessen Verwandten andererseits, sofern die Vaterschaft erweislich anerkannt ist. 2. die Ziff. 2 folgenden Zusatz: Die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft nach § 1575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs steht der Scheidung gleich. III. An die Stelle der Artikel 7, 8 treten folgende Vorschriften: Artikel 7. Auf Grundstücke und denselben gleichstehende Rechte, welche sich außerhalb Bayerns befinden, erstreckt sich die Steuerpflicht nicht. Innerhalb Bayerns befindliche Grundstücke und denselben gleichstehende Rechte unterliegen der Erbschaftssteuer ohne Unter­ schied, ob der Erblasser Bayer oder Nichtbaher war und ot er seinen Wohnsitz in Bayern hatte oder nicht. Artikel 8. Anderes als das im Art. 7 bezeichnete Ver­ mögen unterliegt der Erbschaftssteuer, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, im Falle der Todeserklärung bei dem Beginne der Verschollenheit, seinen Wohnsitz in Bayern hatte. Soweit hienach außerhalb Bayerns befindliches Vermögen der Besteuerung unterliegt, wird auf die Erbschaftssteuer die in dem Staate, in welchem sich das Vermögen befindet, von diesem Vermögen zu entrichtende Erbschaftsabgabe angerechnet.

XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

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Hatte der Erblasser zur Zeit seines Todes, im Falle der Todeserklärung bei dem Beginne der Verschollenheit, keinen Wohnsitz, so unterliegt das bewegliche Vermögen der Erbschafts­ steuer, soweit es zur Zeit des Todes des Erblassers, im Falle der Todeserklärung zur Zeit der Erlassung des die Todes­ erklärung aussprechenden Urtheils, sich in Bayern befindet. Artikel 8 a. Für den Fall, daß der Erblasser seinen Wohnsitz in einem Staate gehabt hat, in dem die Erbschafts­ steuer nach anderen als den im Art. 8 bestimmten Grundsätzen erhoben wird, oder Angehöriger eines solchen Staates gewesen ist, kann das Staatsministerium der Finanzen zum Zwecke der Ausgleichung und thunlichster Vermeidung einer Doppel­ besteuerung anordnen, daß das bewegliche Vermögen 1) ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des Erblassers der Erb­ schaftssteuer unterliegt, wenn der Erblasser bayerischer Staatsangehöriger gewesen ist; 2) ohne Rücksicht auf den Wohnsitz und die Staatsangehörigkeit des Erblassers der Erbschaftssteuer unterliegt, wenir das Ver­ mögen sich in Bayern befindet.

IV

Im Artikel 11 werden die Worte: „oder die Einweisung in den Besitz des Vermögens eines Abwesenden (Art. lb)" gestrichen.

V. Der Artikel 22 erhält folgende Fassung: Bei einer Nacherbfolge oder einem Nachvermächtnisse wird der Vorerbe oder der erste Vermächtnißnehmer als Nieß­ braucher und der Nacherbe oder der Nachvermächtnißnehmer als Erwerber der Substanz des an ihn herauszugebenden Vermögens behandelt. Ist jedoch die Einsetzung des Nacherben oder das Nachvermächtniß auf dasjenige beschränkt, was bei dem Eintritte des Falles der Nacherbfolge oder des Nachvermächtnifses übrig sein wird, so haben sowohl der Vorerbe oder der erste Vermächtnißnehmer von dem vollen Betrage des ihm angefallenen als der Nacherbe oder der Nachvermächtnißnehmer von dem vollen Betrage des an ihn herausgegebenen Vermögens nach ihrem Verhältnisse zum Erblasser die Erbschaftssteuer zu ent­ richten. Die von dem Vorerben oder dem Vorvermächtnißnehmer entrichtete Steuer wird für den Betrag, für welchen der Nacherbe oder der Nachvermächtnißnehmer steuerpflichtig ist, insoweit zurückvergütet, als sie den Betrag übersteigt, den der Vorerbe oder der Vorvermächtnißnehmer als Nießbraucher schulden würde.

VI. Im Artikel 23 erhält der Satz 1 folgende Fassung: Haben Ehegatten gemeinschafllich Verwandte des einen oder beider Ehegatten als Erben eingesetzt oder mit anderen Zuwendungen von Todeswegen bedacht, so wird angenommen, daß der Anfall von deni den: Bedachten am nächsten verwandten Ehegatten herrühre, soweit dessen Nachlaß reicht, sofern sich

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XLIV. AuSfÜhrungSgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch».

VII.

VIII.

IX.

X.

XL

nicht aus den UinstSnden ergibt, daß die Zuwendung von dem anderen Ehegatten ausgegangen ist. Der Artikel 26 erhält folgende Fassung: Testamentsvollstrecker, gesetzliche Vertreter und Bevoll­ mächtigte der Erbintereffentcn, Nachlaßpfleger sowie die Verwalter von Familienstiftungen haften persönlich für die Steuer, wenn sie vor deren Entrichtung oder Sicherstellung die Erbschaft, einzelne Erbtheile, Vermächtniffe, Schenkungen auf den Todesfall, Pflichttheile oder Bezüge aus Familienstiftungen ausantworten oder steuerpflichtige Auflagen erfüllen. Im Artikel 28 Abs. 2 werden die Worte „oder auf Einweisung in den Besitz des Vermögens eines Abwesenden" gestrichen. Im Artikel 30 werden ersetzt im Satz 1 die Worte: „letztwilliger Verfügungen" durch die Worte: „einer Verfügung von Todeswegen" und im Satz 2 die Worte: „letztwillige Verfügungen" durch die Worte: „die Verfügungen von Todeswegen". Im Artikel 31 Abs. 1 wird statt „notarielles Inventar" gesetzt „vorschriftmäßig errichtetes Inventar". Der Artikel 34 erhält folgende Faffung: Für Personen, die unter elterlicher Gewalt, unter Vor­ mundschaft, oder unter Pflegschaft stehen, sowie für juristische

Personen sind die in den Art- 29, 31 bis 33 aufgestellten Verpflichtungen von den gesetzlichen Vertretern zu erfüllen. XII. Im Artikel 35 Abs. 1 wird das Wort „notariellen" gestrichen. XIII. Als Artikel 44 a wird der Abs. 4 des Artikel 46 eingestellt. XIV. Der Artikel 25 Abs. 3 Satz 2 und der Artikel 46 Abs. 1 bis 3 werden aufgehoben. Soweit für einen nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetz­ buchs eintretenden Anfall die Vorschriften des bisherigen bürgerlichen Rechtes maßgebend bleiben, gilt das Gleiche von den bisherigen Vor­ schriften des Gesetzes über die Erbschaftssteuer; die Vorschriften der Artikel 7 bis 8 a der neuen Faffung gelten jedoch auch für solche Anfälle.

Art. 170. Das Gesetz vom 21. April 1884, die LandeskulturRentenanstalt betreffend, wird dahin geändert; I. Im Artikel 7 erhält der Satz 2 folgende Faffung: Grundbesitz, welcher schon mit Hypotheken, Grundschulden oder Rentenschuloen belastet ist, kann überdieß nur dann al« Sicherheit angenommen werden, wenn die Gläubiger der für das Darlehen und die Kulturrente zu bestellenden Hypothek im Range ausweichen. II. Der Artikel 8 erhält folgende Faffung: Die Sicherheit kann auch in der Weise geleistet werden, daß land- und forstwirthschaftlich benützbarer Grundbesitz mit der. Kulturrente als ablösbarer Reallast belastet wird. Die Ablösungssumme muß innerhalb der ersten Werthshälfte zu

XLIV. AuSiuhrungsgesetz zum Bürgerlichen Gesehbuche.

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stehen kommen. Ist der Grundbesitz schon mit Hypotheken, Grundschulden oder Rentenschulden belastet, so muß der Reallast der Vorrang eingeräumt werden. Die Ablösung der Reallast kann binnen sechs Monaten von der Kommission gefordert werden 1) in den Fällen des Artikel 5 Abs. II Zifs. 1 und 2, 2) wenn der Erwerber des belasteten Grundbesitzes die persönliche Haftung für rückständige Renten nicht übernimmt, 3) wenn ohne Einwilligung der Anstaltsverwaltung und ohne gerichtliche Feststellung der Unschädlichkeit von dem belasteten Grundbesitz ein Grundstück oder eine Theilfläche oder ein Realrecht abgetrennt worden ist.

III. Der Artikel 9 Abs. 2 Zifs. 3 erhält folgende Fassung: 3) Die ermittelten Theilrenten find öffentliche Lasten der Grund­ stücke, auf die sie nach Ziff. 2 vertheilt worden sind.

IV. Der Artikel 10 Abs. 2 Satz 3 erhält folgende Faffung: Das Gesuch hat die Erklärung zu enthalten, ob die Sicherheit nach Artikel 7 oder nach Artikel 8 bestellt werden soll.

V. Im Artikel 12 werden 1. die Eingangsworte durch folgende Vorschriften ersetzt: Soll als Sicherheit für das Darlehen und die Kultur­ rente eine Hypothek oder eine Reallast an dem Grundstücke bestellt werden, zu deffen Verbefferung das Darlehen gewährt wird, so findet auf Antrag des Gesuchstellers eine gerichtliche Aufforderung der Hypotheken-, Grundschuld- und Renteuschuldgläubiger zur Erklärung darüber statt, ob fie dem Vorrange der zu bestellenden Hypothek oder Reallast widersprechen. Ist das Recht eines der Gläubiger mit dem Rechte eines Dritten belastet, so ist die gerichtliche Aufforderung auch an den Dritten zu richten. Für die gerichtliche Aufforderung gelten die nachfolgenden Bestimmungen: 2. Die Ziff. 2 erhält folgende Fassung: Nach Zusicherung des Darlehms läßt die Kommission ihren Bescheid und das Darlehmsgesuch mit den Beilagen durch die Distriktsverwaltungsbehörde dem Amtsgerichte, bei welchem das Grundbuch für das Grundstück geführt wird, mittheilen und das Amtsgericht um Erlaffung der Auf­ forderung an die Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuld­ gläubiger und, sofern ein Recht, das zurücktreten soll, mit dem Rechte eines Dritten belastet ist, an den Dritten ersuchen. 3. Die Ziff. 3 lit. b, c, d erhält folgende Fassung: b) die Bezeichnung der Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden, welche der als Sicherheit für das Dar­ lehen und die Kulturrente zu bestellenden Hypothek oder Reallast im Range ausweichen sollen;

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XLIV. AusführungSgeseh zum Bürgerlichen Gesehbuche.

c) die Mittheilung, daß die Beschreibung des Unternehinens mit den Plänen und Kostenvoranschlägen und der Bescheid der Kommission auf der Gerichtsschreiberei ein­ gesehen werden können ; d) die Eröffnung, daß die Zustimmung des Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuldgläubigers und, sofern deffen Recht mit dem Rechte eines Dritten belastet ist, auch die Zustimmung des Dritten zu der Rang­ ausweichung angenommen werde, wenn nicht innerhalb eines Monats bei dem Amtsgerichte schriftlich oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers Widerspruch er­ hoben wird. 4. An die Stelle der Ziff. 3 Abs. 2 Satz 2 treten folgende Vorschriften: Die öffentliche Zustellung erfolgt durch Anheftung an die Gerichtstafel und einmalige Einrückung in das für die Be­ kanntmachungen des Amtsgerichts bestimmte Blatt. Das Amtsgericht kann anordnen, daß die Veröffentlichung noch in einem anderen Blatte erfolgen soll. Die Erklärungsftist beginnt mit dem Ablaufe von zwei Wochen seit der Ein­ rückung, im Falle mehrfacher Einrückung seit der letzten Einrückung.

5. Die Ziff. 3 erhält folgenden Abs. 3: Berechtigte, die nicht im Grundbuch eingetragen sind, werden nur berücksichtigt, wenn sie Erben eines eingetragenen Berechtigten sind oder wenn ihre Rechte angemeldet und auf Verlangen des Amtsgerichts glaubhaft gemacht sind. 6. Die Ziff. 4 erhält folgende Fassung: Soweit innerhalb der Frist Widerspruch nicht erhoben ist, hat das Amtsgericht auszusprechen, daß die Rangaus­ weichung als von den aufgeforderten Berechtigten bewilligt zu erachten ist. Die Berechtigten sind in dem Beschlusie zu bezeichnen. 7. Als Ziff. 6 wird folgende Vorschrift hinzugefügt: In dem Falle der Ziff. 4 finden auf die Eintragung des Vorranges der als Sicherheit für das Darlehen und die Kulturrente bestellten Hypothek oder Reallast, soweit durch die Eintragung eine Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld betroffen wird, die Vorschriften der §§ 42 bis 44 der Grund­ buchordnung keine Anwendung. Das Grundbuchamt hat den Besitzer des Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuldbriefs zur Vorlegung anzuhalten, um nach den Vorschriften des § 62 Abs. 1 und des § 70 Abs. 1 der Grundbuchordnung zu verfahren. VI. Im Artikel 13 Abs. 4 werden 1. die Worte: „und unterliegt nur der in dieses Grundstück stattfindenden Zwangsvollstreckung" gestrichen,

XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

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2. folgende Vorschrift beigefügt: Ist das Grundstück zum Zwecke der Zwangsvollstreckung in Beschlag genommen, so ist die Anstalt zu der Auszahlung nicht verpflichtet. VII. Der Artikel 18 erhält folgende Fassung: Die Bewilligung zur Löschung der für die LandeskulturRentenanstalt eingetragenen Hypothek oder Reallast oder zur Umschreibung der Hypothek wird von der Anstaltsverwaltung durch schriftliche Erklärung ertheilt. Hat die Hypothek den Vorrang vor den zur Zeit der Eintragung bestehenden Hypotheken, Grundschulden und Renten­ schulden nach Artikel 12 Ziff. 4 erlangt, so kann diesen Rechten gegenüber der Vorrang, soweit sich die Hypothek mit dem Eigenthum an dem belasteten Grundstück in einer Person vereinigt, nicht geltend gemacht werden. VIII. An die Stelle des Artikel 23 Ms. 1 Satz 2 treten folgende Vorschriften: Für Schuldbekenntnisse und Bestellungen von Hypotheken und Reallasten, für Rangänderungen zu Gunsten der zu bestellenden Hypotheken oder Reallasten, mit Einschluß der Berichtigung der Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuld­ briefe, sowie für Eintragung und Löschung der Hypotheken und Reallasten und für die Umschreibung der Hypotheken auf den Eigenthümer des belasteten Grundstücks werden Gebühren zur Staatskasse nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Erklärungen, welche die Aufhebung einer Hypothek, Grundschuld oder Renten­ schuld zu Gunsten der zu bestellenden Hypothek oder Reallast betreffen.

IX. Der Artikel 22 wird aufgehoben. Bis zu der Zeit, zu welcher das Grundbuch als angelegt anznsehen ist, bleibt die Geltung des Artikel 12 des Gesetzes vom 21. April 1884 auf die Landestheile rechts des Rheins beschränkt. Für die im Artikel 12 bestimmte gerichtliche Aufforderung tritt an die Stelle des Amtsgerichts, bei welchem das Grundbuch für das Grundstück geführt wird, das Amts­ gericht, bei welchem das Hypothekenbuch für das Grundstück geführt wird; soweit es nach Artikel 12 Ziff. 3 Abs. 3 auf Eintragungen im Grundbuch ankommt, treten an deren Stelle die entsprechenden Eintragungen im Hypothekenbuche. Die Vorschrift des Artikel 18 Abs. 2 findet auf das nach § 84 des Hypothekengesetzes dem Schuldner zustehende Recht ent­ sprechende Anwendung.

Art. 171. Das Gesetz vom 29. Mai 1886, die Flurbereinigung betreffend, wird dahin geändert: 1. Als Artikel 9 a wird folgende Vorschrift eingestellt: Zu den im Flurbereinigungsverfahren abzugebenden Er­ klärungen bedarf der Vater oder die Mutter als Inhaber der elterlichen Gewalt sowie ein Vormund oder Pfleger nicht

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XLIV. AussuhrungSgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche. der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts oder des Familienrclths, ein Nachlaßpfleger nicht der Genehmigung des Nachlaß­ gerichts, der gesetzliche Vertreter einer Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechtes oder einer unter der Verwaltung einer öffentlichen Behörde stehenden Stiftung nicht der Genehmigung der vorgesetzten Behörde. II. Der Artikel 10 Abs. 1 erhält folgende Fassung: Sind die in die Unternehmung einbezogenen Grundstücke desselben Eigenthümers verschieden belastet, so sind die an ihre Stelle tretenden Grundstücke in Ermangelung einer ander­ weitigen Uebereinkunft, soweit es zur Wahrung der auf sie übergehenden Rechte erforderlich ist, nach den verschiedenen Belastungen auszuscheiden und im Steuerkatasterplane mit besonderen Nummern zu bezeichnen. Berfügungsbeschränkungen stehen den Belastungen gleich.

III. Der Artikel 13 erhält folgende Fassung: Wird bei einer Flurbereinigung zum Zwecke der Aus­ gleichung eine Geldentschädigung nach Art. 6 Abs. 5 geleistet, so ist sie zunächst zur Ablösung der Grundlasten zu ver­ wenden, soweit diese wegen des Minderwerths der eingetauschten Grundstücke nicht auf diese übertragbar sind; auf den Rest finden, wenn die ausgetauschten Grundstücke mit Rechten Dritter belastet sind, die für die Haftung des Entschädigungs­ anspruchs und das Bertheilungsverfahren im Falle der Zwangs­ enteignung geltenden Vorschriften Anwendung. Eine nach Art. 6 Abs. 6 zu leistende Geldentschädigung haftet für Reallasten, Hypotheken, Grundschulden und Renten­ schulden, mit denen die ausgetauschten Grundstücke belastet find, nach Maßgabe der Vorschriften des § 1123 Abs. 2 Satz 1 und des § 1124 Abs. 1, 3 des Bürgerlichen Ge­ setzbuchs.

IV. Der Artikel 16 Abs. 1 erhält folgende Fassung: Die nach den Art. 20, 25, 32 ergehenden Ladungen und Mittheilungen sind, wenn Personen betheiligt find, die unter Vormundschaft stehen oder für welche die Bestellung eines Pflegers oder Beistandes angeordnet ist, auch an das Vormundschaftsgericht, falls eine Nachlaßpflegschaft angeordnet ist, auch an das Nachlaßgericht, für Stiftungen auch an die Aufsichtsbehörde zu richten.

V. Der Artikel 18 Abs. 4 erhält folgenden Zusatz: Bei Familienfideikommisien finden auch in solchen Fällen die Vorschriften des Art. 9 Anwendung. VI. Der Artikel 20 Abs. 1 erhält folgende Fassung: Ist eine Unternehmung als zur weiteren Jnstruirung geeignet erklärt, so sind die nach Maßgabe des hiebei fest­ gesetzten Umfanges der Unternehmung betheiligten Grundeigentbümer beziehungsweise deren gesetzliche Vertreter durch die

Distriktsverwaltungsbehördc zu einer Tagsfahrt mit der Er­ öffnung zu laben, daß 1) Einwendungen bezüglich der Voraussetzungen der Flur­ bereinigung (Art. 1 bis 5) bei Vermeidung des Aus­ schlusses entweder in der Tagsfahrt oder binnen vierzehn Tagen nach derselben bei der Distriktsverwaltungsbehörde vorgebracht werden müssen, 2) diejenigen betheiligten Grundeigenthümer, welche weder in Person erscheinen noch durch einen Bevollmächtigten vertreten sind, unbeschadet der nach Ziff. 1 zu erhebenden Einwendungen, als der Inangriffnahme der Flurbereinig­ ung zustimmend erachtet werden und auch aller Ein­ wendungen gegen die sonstigen Beschlüsse der Tagsfahrt verlustig gehen, 3) zur Stellvertretung eine von der Gemeindebehörde des Wohnorts beglaubigte Vollmacht genügt. VII. Im Artikel 21 erhält 1. der Eingang folgende Fassung: Bei der von der Distriktsverwaltungsbehörde abzu­ haltenden Tagsfahrt ist zunächst die beabsichtigte Unternehmung unter Bekanntgabe des zu erwartenden Betrags der Kosten darzulegen sowie auf den im Art. 20 Abs. 1 Ziff. 1 er­ wähnten Rechtsnachtheil hinzuweisen und sodann Beschluß zu fassen. 2. Der Abs. 5 wird aufgehoben. VIII. Als Artikel 21 a wird folgende Vorschrift eingestellt: Werden in der Tagsfahrt nach Art. 21 oder während der im Art. 20 Abs. 1 Ziff. 1 festgesetzten Frist von den Betheiligten Einwendungen bezüglich der Voraussetzungen der Flurbereinigung erhoben, so hat die Flurbereinigungs-Kom­ mission zunächst darüber zu entscheiden. Der Bescheid ist den betheiligten Grundeigenthümern in Ausfertigung zuzustellen. Gegen den Bescheid ist die Beschwerde an den Ver­ waltungsgerichtshof zulässig. Die Vorschriften des Art. 35 Abs. 3 finden Anwendung. IX. Als Artikel 23 a wird folgende Vorschrift eingestellt: Der Ausschuß oder der beauftragte Geometer hat als Geschäftsführer des Unternehmens die auf dieses bezüglichen gemeinschaftlichen Angelegenheiten der betheiligten Grund­ eigenthümer gerichtlich und außergerichtlich wahrzunehmen. X Im Artikel 25 erhält 1. der Abs. 1 folgende Fassung : Dem Ausschusie beziehungsweise dem beauftragten Geo­ meter kommt der Betrieb aller auf die Ausarbeitung des Projekts bezüglichen Angelegenheiten zu. Hierunter fällt insbe­ sondere die Herstellung des Uebersichtsplans, aus welchem das neu Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze (Bayern). 77

1218

XLIV. ÄussührungSgeseh zum Bürgerlichen Gesetzbuch»

anzulegende Wegenetz und die weiter nöthigen gemeinsamen Anlagen ersichtlich sind, die Aufstellung des Forderungsrcgisters, die Entgegennahme von Erinnerungen der drittberechtigteu Personen, die Vornahme der Werthsermittlungen, der Betrieb der Vermessungen, die Entwerfung des Vertheilungsplans mit Anfertigung der Vorschläge über die Vertheilung der Grund­ steuern und Grundlasten sowie der verschiedenen Belastungen im Falle des Art. 10 Abs. 1 und die Ausscheidung der Kosten. 2. der Abs. 4 folgenden Zusatz: Die vierzehntägige Frist beginnt mit dem Eröffnungs­ termine, wenn der Betheiligte ungeachtet ordnungsmäßiger Ladung in dem Termine nicht erschienen ist. Die Ladung er­ folgt nach Art. 20 Abs. 3 und, wenn der Wohnort des Be­ iheiligten nicht bekannt ist, nach Art. 20 Abs. 2, 4. 3. der Eingang des Abs. 5 folgende Fassung: Nach Beschluß der Flurbereinigungs-Kommission kann die Anerkennung . . . XI. Als Artikel 25 a werden folgende Vorschriften eingestellt: Nach der Absteckung der neuen Flureintheilung kann die Flurbereinigungs-Kommission die beteiligten Grund­ eigenthümer auf Antrag von mindestens drei Viertheilen derselben vorläufig in den Besitz der Neuzutheilungen durch den Flurbereinigungs-Ausschuß beziehungsweise den beauftragten Geometer setzen, wenn aus einem längeren Aufschübe der Ueberweisung den Antragstellern ein erheblicher Nachtheil er­ wachsen würde. Soweit die Flureintheilung bei der endgiltigen Feststellung geändert wird, ist den widersprechenden Betheiligten der Schaden zu ersetzen, den sie dadurch erlitten haben, daß die.Ueber­ weisung vor der endgiltigen Feststellung der Flureintheilung erfolgt ist. Der Schadensersatz gehört zu den Kosten des Unternehmens. XII. Der Artikel 26 erhält folgende Fassung: Die Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldgläubiger sowie die sonstigen nach Art. 8 Abs. 2 widerspruchsfähigen Personen sind auf Antrag des Ausschußes oder des beauftragten Geometers durch das Amtsgericht, bei welchem das Grundbuch für die auszutauschenden Grundstücke geführt wird, öffentlich aufzufordern, ihre Erinnerungen gegen die sich aus der be­ vorstehenden Flurbereinigung ergebenden Aenderungen des Gegenstandes ihrer Rechte innerhalb einer Frist von einem Monat entweder bei dem Flurbereinigungs-Ausschusse be­ ziehungsweise dem beauftragten Geometer oder schriftlich oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers bei dem Amtsgerichte geltend zu machen. Die Aufforderung hat die Mittheilung zu enthalten, daß der genaue Ausweis des gegenwärtig den Gegenstand ihrer Rechte bildenden und des bei Durchführung

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XL1V. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

der Unternehmung an dessen Stelle tretenden Grundbesitzes, der Schätzung beider und der etwaigen Geldentschädigungen auf der Gerichtsschreiberei eingefehen werden kann. In der Aufforderung ist daraus hinzuweisen, daß ein Widerspruchs­ recht nur insoweit besteht, als der Grundbesitz, auf welchen die Rechte übergehen sollen, nicht mindestens den gleichen Werth hat wie der gegenwärtig den Gegenstand der Rechte bildende Grundbesitz. Als Rechtsnachtheil ist anzudrohen, daß das Widerspruchsrecht verloren geht, wenn es nicht vor dem Ablaufe der Frist geltend gemacht wird. Die Aufforderung geschieht durch Anheftung an die Gerichtstafel und durch einmalige Einrückung in das für die Bekanntmachungen des Amtsgerichts bestimmte Blatt. Das Amtsgericht kann anordnen, daß die Veröffentlichung noch in einem anderen Blatte erfolgen soll. Die Erinnerungsfrist beginnt mit dem Ablaufe von zwei Wochen seit der Einrückung, im Falle der Einrückung in ein zweites Blatt seit der letzten Einrückung. Der im Abs. 1 erwähnte Ausweis ist von dem Flurbereinigungs-Ausschuffe beziehungsweise von dem beauftragten Geometer zu liefern. XIII. Der Artikel 27 erhält folgende Fassung: Nach dem Abläufe der im Art. 26 bestimmten Frist hat das Amtsgericht das Ergebniß der Aufforderung dem Flurbereinigungs-Ausschusse beziehungsweise dem beauftragten Geometer mitzutheilen. XIV. Im Artikel 28 Abs. 1 Satz 1 werden nach den Worten: „die Werthsermittlung" eingeschaltet die Worte: „und auf die Hohe der nach Art. 25a zu leistenden Entschädigung".

XV. Im Artikel 34 Abs. 2 werden die Worte: „dann die Hypothek­ verhältnisse, Geldentschädigungen und Geldleistungen" ersetzt durch die Worte: „die Ordnung der sich aus den Vorschriften der Art. 10, 12 ergebenden Belastungsverhältnisse, die Angabe der Geldentschädigungen und Geldleistungen". XVI. In den Artikel 36 wird als Abs. 4 folgende Vorschrift aus­ genommen : Sind Geldentschädigungen festgesetzt, so erfolgt für Grundbesitz, dessen Zuweisung mit den Entschädigungen sammenhängt, die Ertheilung der vollziehbaren Auszüge die Bezeichnung des Tages des Eigenthumsüberganges wenn die von den Betheiligten zu leistenden Geldbeträge gezahlt oder die Empfangsberechtigten befriedigt sind.

den zu­ und erst, ein­

XVII. Der Artikel 37 erhält folgende Fassung: Die Flurbereinigungs-Kommission hat das Grundbuch­ amt unter Mittheilung des Operats oder eines beglaubigten 77*

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XLIV. Ausführungsgeseh z»m Bürgerlichen Eesehbnche

Auszugs aus diesem um die erforderlichen Eintragungen in das Grundbuch zu ersuchen. In dem Ersuchen ist der Tag des Eigenthumsüberganges anzugeben. Bei Eintragungen, von denen Hypotheken, Grundschulden oder Rentenschulden betroffen werden, finden die Vorschriften der §§ 42 bis 44 der Grund­ buchordnung keine Anwendung. Das Grundbuchamt hat den Besitzer des Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuldbriefs zur Vorlegung anzuhalten, um nach den Vorschriften des § 62 Abs. 1 und des § 70 Abs. 1 der Grundbuchordnung zu verfahren. Von den nach Art. 6 Abs. 5 festgesetzten Geldcntschädigungen hat die Flurbereinigungs-Kommission dem Amts­ gerichte, welches für das im Art. 13 bezeichnete Vertheilungsverfahren zuständig ist, Mittheilung zu machen. XVIII. Im Artikel 39 Abs. 1 werden die Worte: „Operatsauszügen und Hypothekenbriefen" ersetzt durch die Worte: „Operatsauszügen, Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefen". XIX. Im Artikel 42 werden nach dem Worte: „Aussteckungspfähle" eingeschaltet die Worte: „oder Sicherungssteine". XX. Die Artikel 44 bis 50 werden ausgehoben. Bis zu der Zeit, zu welcher das Grundbuch als angelegt anznsehen ist, tritt für die im Artikel 26 des Gesetzes vom 29. Mai 1886 bestimmte gerichtliche Aufforderung an die Stelle des Amtsgerichts, bei welchem das Grundbuch für die auszutauschenden Grundstücke geführt wird, in den Landestheilen rechts des Rheins das Amtsgericht, bei welchem das Hypotheken­ buch füt die Grundstücke geführt wird, in der Pfalz das Amtsgericht, in deffen Bezirke die Grundstücke belegen sind. Die Vorschriften des Artikel 37 Abs. 1 Satz 1 finden in den Landestheilen rechts des Rheins auf die Eintragungen in das Hypothekenbuch entsprechende Anwendung. Jil der Pfalz bleiben bis dahin an Stelle des Artikel 10 Abs. 1, 2 der Artikel 46 und an Stelle des Artikel 37 Abs. 1 der Artikel 49 in Geltung.

Art. 172. Der Artikel 4 des Gesetzes vom 5. Mai 1890, die Vereinigung der Brandversichernngsanstalt der Pfalz mit jener in den Landestheilen rechts des Rheins sowie die Abänderung einiger Bestimmungen des Brandversicherungsgesetzes vom 3. April 1875 und des Polizeistraf­ gesetzbuches vom 26. Dezember 1871 betreffend, wird aufgehoben. Art. 173. In dem Gesetze vom 2. Februar 1898, die Fortsetzung der Grundentlastung betreffend, wird der Artikel 22 Abs. 1 Satz 2 auf­ gehoben. Art. 174. Was in den in Kraft bleibenden landesgesetzlichen Vorschriften von dem Hypothekenbuch und dem Hypothekenamte bestinimt ist, findet, auf das Grundbuch und das Grundbuchamt entsprechende Anwendung. Die Vorschriften über Hypotheken finden entsprechende Anwendung auf Grundschulden und Rentenschulden.

XL1V. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

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Schlußbestimmungen.

Art. 175. Aufgehoben sind: 1. das Hypothekengesetz vom 1. Juni 1822; 2. das Gesetz vom 1. Juni 1822, die Einführung des Hypothekengcsetzes und der Prioritätsordnung betreffend; 3. das Gesetz vom 11. September 1825, die Förmlichkeiten bei An­ legung und Abnahme der gerichtlichen Siegel, dann bei denjenigen Vermögensabtheilungen und Veräußerungen, welche unter Mitwirkung des Richteramts geschehen müssen, betreffend; 4. das Gesetz vom 11. September 1825, die Aufhebung einiger Be­ stimmungen des Reglements für den Geschäftsgang der Justizämter im Fürstenthume Leiningen vom 31. August 1805 betreffend; 5. der § 30 Äbs. 6 und die §§ 31 bis 34 des Finanzgesetzes vom 28. Dezember 1831; 6. das Gesetz vom 28. Dezember 1831, die Privatvereine zur Ver­ sicherung der Feldfrüchte gegen Wetter- und insbesondere Hagelschäden betreffend; 7. das Gesetz vom 28. Dezember 1831, einige civilrechtliche Gegenstände auf den Fall des Eindringens der asiatischen Cholera in Bayern betreffend; 8. die Ziff. 73 lit. a der Nummer III des Landtagsabschieds vom 29. Dezember 1831; 9. Das Gesetz vom 23. Mai 1846, die Regulierung des Biersatzes und die Verhältnisse der Bräuer zu den Wirthen und dem Publikum betreffend; 10. das Gesetz vom 29. Juni 1851, die kaufmännischen Anweisungen betreffend; 11. das Gesetz vom 29. Juni 1851, die bürgerlichen Rechte der israelitischen Glaubensgenossen betreffend; 12. das Gesetz vom 22. Februar 1855, die Statutar- und Gewohnheits­ rechte der K. Haupt- und Residenzstadt München betreffend; 13. das Gesetz vom 22. Februar 1855, die Aufhebung der lex Anastasiana und anderer bezüglich der Abtretung von Rechten vorgeschriebenen Beschränkungen betreffend; 14. das Gesetz vom 26. März 1859, die Verjährungsfristen betreffend; 15. das Gesetz vom 26. März 1859, die Gewährleistung bei Vieh­ veräußerungen betreffend; 16. das Gesetz vom 29. September 1861, die Verjährung der Forderungen aus Staats-Schuldurknnden der Staatsschulden-Tilgungsanstalt be­ treffend ; 17. der § 26 Ziff. 2 und der § 28 Ziff. 2 Abs. 2 des III. Abschnitts des Landtagsabschieds vom 10. November 1861; 18. das Gesetz vom 10. November 1861, die Einführung des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs betreffend; 19. das Gesetz vom 5. Dezember 1867, die Abänderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Zinsen betreffend;

1222

XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch«.

20. das Gesetz vom 2. Mai 1868 über die Schließung und Trennung der Ehen der keiner anerkannten Religionsgesellschaft angehörenden Personen; 21. das Gesetz vom 16. Mai 1868, Abänderung einiger Bestimmungen des in der Pfalz geltenden Civilgesetzbuchs über Privilegien und Hypotheken betreffend; 22. der § 60 des Landtagsabschieds vom 29. April 1869; 23. das Gesetz vom 29. April 1869, die privatrechtliche Stellung von Vereinen betreffend; 24. das Gesetz vom 14. Januar 1871, die Jntercessionen betreffend; 25. der § 21 des Landtagsabschieds vom 18. Februar 1871; 26. das Gesetz vom 29. Dezember 1873, die Todeserklärung der in Folge des Krieges von 1870/71 vermißten Personen betreffend; 27. das Gesetz vom 27. Juli 1874, die Todeserklärung der in Folge des Krieges von 1866 vermißten Personen betreffend; 28. das Gesetz vom 28. Februar 1880, die Abänderung des Art. 9 des pfälzischen Notariatsgesetzes vonl 25. Ventöse XI betreffend; 29. das Gesetz vom 20. März 1882, die Vollstreckungsbefehle in der Pfalz betreffend; 30. das Gesetz vom 29. Mai 1886, die Abänderung einiger Bestimmungen des Hypothekengesetzes betreffend; 31. das Gesetz vom 18. Dezember 1887, die der Pfändung nicht unter­ worfenen Sachen und Forderungen betreffend; 32. das Gesetz vom 26. April 1888, die Abänderung von Bestimmungen des in der Pfalz geltenden Hypotheken- und Vormundschastsrechts betreffend; 33. das Gesetz vom 5. Mai 1890, die Form einiger Rechtsgeschäfte betreffend; 34. das Gesetz vom 18. März 1896, die Abänderung des Art. 19 des Notariatsgesetzes vom 10. November 1861 betreffend; 35. das Gesetz vom 18. März 1896, einige Bestimmungen über die Jnhaberpapiere betreffend. Das in der Pfalz geltende Civilgesetzbuch (Code civil) tritt außer Kraft. Die im § 7 Ziff. I lit. e der Verordnung vom 31. Juli 1817, die Organisation der Generaladministration der Posten betreffend, ent­ haltene Fristbestimmung für die Beschreitung des Rechtsweges fällt weg.

Art. 176.

Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Bürgerlichen

Gesetzbuch in Kraft.

Art. 177. Die in diesem Gesetz abgeänderten oder für aufgehoben erklärten Vorschriften des Liegenschastsrechts bleiben, unbeschadet der Vor­ schriften des Artikel 67, insoweit in Kraft, als ihre Geltung im Artikel 189 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gcsetzbuche Vorbehalten ist. Art. 178. Die Wahl der Waisenräthe findet nach den Vorschriften des Artikel 96 zum ersten Male im Jahre 1899 statt.

XLIV. Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

Akt. 178.

1223

Die Staatsregierung wird ermächtigt, die Texte:

1. des Gesetzes über Heimath, Verehelichung und Aufenthalt vom 16. April 1868, 2. des Gesetzes, die öffentliche Armen- und Kranken-Pflege betreffend, vom 29. April 1869, 3. des ersten Abschnitts des Gesetzes zur Ausführung der Reichs-Civilprozeßordnung und Konkursordnung vom 23. Februar 1879, 4. des Gesetzes über die Erbschaftssteuer vom 18. August 1879, 5. des Gesetzes, die Flurbereinigung betreffend, vom 29. Mai 1886, wie sie sich aus den Aenderungen ergeben, welche in diesem Gesetze, dem Gesetze vom 26. Dezember 1871 (G.-Bl. S. 81), dem Gesetze vom 23. Februar 1872 (G.-Bl. S. 214),

dem Landtagsabschiede vom 15. April 1875 (G- u. V.-Bl. S. 345), dem Gestetze vom 28. Februar 1884 (G.- u. V.-Bl. S. 75), dem Gestetze _ vom 21. April 1884 (G.- u. V.-Bl. S. 213), dem Gesetze vom 3. Februar 1888 (®.= u. B.-Bl. S. 81), dem Gesetze vom 17. März 1892 (©.= u. B.-Bl. S. 51), dem Gesetze vom 26. Mai 1892 (G.- u. V.-Bl. S. 144), dem Ge etze vom 17. Juni 1896 (G.- u. V.-Bl. S. 297) vorgesehen find, unter fortlaufender Nummernfolge der Artikel und bei den in einzelnen Artikeln enthaltenen Aufzählungen unter fortlaufender Reihenfolge der Ziffern oder Buchstaben sowie unter Berichtigung der Verweisungen, durch das Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt zu machen.

Bei der Bekanntmachung des ersten Abschnitts des Gesetzes vom 23. Februar 1879 bleiben die Ueberschrift sowie die Vorschriften, die nur noch als Uebergangsbestimmungen gelten, weg. Gegeben zu München, den 9. Juni 1899.

Luitpold, Prinz von Bayern, des Königreichs Bayern Verweser. Dr. Frhr. v. Crailsheim. Dr Frhr. v. Medel. Frhr. v. Feilitzsch. Dr. Frhr. >. Leonrad. Frhr. v. Asch. Dr d. Landmann. Aus Allerhöchsten Befehl: Der Oberregierungsrath im l. StaatSministermm des Innern:

Dr Proebst.

1224

XLV. Gesetz, Uebergangsvorschriften zum Bürgerlichen Gesetzbuchs bett.

XLV. Gesetz, UebkMilgsvoWisten zm Pürgerliihen Gesetzbuche bettessend, vom 9. Wi 1899. (Beilage zum Gesetz- und

Verordnungsblatt 1899 Nr. 28 vom Seite 83 bis 124.*)

12. Juni 1899

Im Namen Seiner Majestät des Königs. Lltttpold, von Gottes Gnaden Königlicher Prinz von Bayern, Regent. Wir haben nach Vernehmung des Staatsrathes mit Beirath und Zustimmung der Kammer der Reichsräthe und der Kammer der Abge­ ordneten beschlossen und verordnen, was folgt:

I. Vorschriften für das ganze Königreich. Vereine.

Art. 1.

Die Vereine, welche zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Grund des Gesetzes vom 29. April 1869, die privatrechtliche Stellung von Vereinen betreffend, bestehen, gelten von diesem Zeitpunkt an als eingetragene Vereine. Das Staatsministerium der Justiz kann über die Eintragung in das Vereinsregister Anordnungen treffen.

Art. 2. Aus die zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehenden nicht rechtsfähigen Vereine finden von diesem Zeitpunkt an die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Gesellschaft Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäfte, das nach dem Inkrafttreten des Bürger­ lichen Gesetzbuchs im Namen des Vereins einem Dritten gegenüber vor­ genommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln Mehrere, so haften sie als Gesammtschuldner. Erlangt der Verein die Rechtsfähigkeit, so können von der Ver­ kündung dieses Gesetzes an bis zu dem Zeitpunkt, in welchem das Grund­ buch als angelegt anzusehen ist, Grundstücke und Rechte an Grundstücken, die zu dem bisherigen Vereinsvermögen gehören, durch notariell beurkundeten Beschluß der Mitgliederversammlung auf den rechtsfähigen Verein über­ tragen werden. Gesetzliche Zinsen.

Art. 3. Sind in einem zur Zeit des Inkrafttretens des Bürger­ lichen Gesetzbuchs bestehenden Rechtsverhältnisse für eine spätere Zeit Verzugszinsen oder andere gesetzliche Zinsen zu entrichten, so können, soweit sich der Zinssatz nach den Vorschriften der Landesgesetze bestimmt, nicht Mehr als vier vom Hundert für das Jahr verlangt werden. *) Ausgegeben am 1. Juli 1899.

XLV. Gesetz, Uebcrgangsvorschriften zum Bürgerlichen Gesetzbuch- betr.

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Bierlieferungsvertrag.

Art. 4.

Das Rechtsverhältniß aus einem vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs geschlossenen Vertrage der im Artikel 13 des Aussührungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche bezeichneten Art bestimmt sich von diesem Zeitpunkt an nach den Vorschriften der Artikel 13, 14 des A«,q-un 9. Juni 1899. (Beilage zum Gesetz- und Verordnungsblatt 1899 Nr. 28 vom 12. Juni 1899 Seite 137 bi« 166.*)

3nt Namen Seiner Majestät des Königs, ßttityolb, von Gottes Gnaden Königlicher Prinz von Bayern, Regent. Wir haben nach Vernehmung des Staatsrathes mit Beirath und Zustimmung der Kammer der Reichsräthe und der Kammer der Ab­ geordneten beschlossen und verordnen, was folgt:

Erster Abschnitt. Zuständigkeit und Organisation.

1. Zuständigkeit. Art. 1.

Die Notare sind zuständig, öffentliche Beurkundungen und Beglaubigungen zu bewirken und Urkunden in amtliche Verwahrung zu nehmen, soweit nicht nach besonderen Vorschriften andere Beamte oder Behörden ausschließlich zuständig sind, einzelne Arten von Beurkundungen und Beglaubigungen zu bewirten oder die amtliche Verwahrung einzelner Arten von Urkunden zu übernehmen. Die amtliche Verwahrung von Testamenten und Erbverträgen erfolgt nur durch die Notare. Die Notare sind zuständig, an Stelle des Nachlaß­ gerichts die von ihnen verwahrten Testamente und Erbverträge nach 88 2260, 2262, 2273, 2300 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu öffnen und bekannt zu geben.

Akt. 2. Die Notare sind zuständig: 1. für die Aufnahme von Vermögens- und Nachlaßverzeichmssen; 2. für die Anlegung und die Abnahme von Siegeln; 3. für die Vornahme von öffentlichen Versteigerungen.

Akt. 3. Die Notare sind, soweit nicht ein Anderes bestimmt ist, zuständig für die Abnahme von Versicherungen an Eidesstatt, die abgegeben werden, um einer öffentlichen Behörde eine thatsächliche Behauptung oder eine Aussage glaubhaft zu machen. Durch die Geschäftsordnung kann den Notaren die eidliche Ver­ nehmung von Zeugen und Sachverständigen, die.Abnahme von Eiden und die Bewirkung von Zustellungen in den Füllen übertragen werden, in denen die eidliche Vernehmung, die Abnahme des Eides oder die Zu­ stellung nach dem Rechte eines ausländischen Staates oder nach der Be­ stimmung einer ausländischen Behörde von einem Notar vorgeuommcn werden soll. *) Ausgegeben zu München, den 1. Juli 1899.

1267

XLVII. Notariatsgeseh.

Akt. 4. Der Notar ist verpflichtet, Gelder, Werthpapiere Kostbarkeiten, die ihm aus Anlaß eines Amtsg^schafts von den theiligten übergeben werden, zur Aufbewahrung für die Betheiligten zur Ablieferung an Dritte oder an eine Behörde zu übernehmen. Die Bestimmungen über das Verfahren bei der Uebernahme, bewahrung und Ablieferung, insbesondere über die Führung von wahrungsbüchern, werden durch Ministerialvorschrift getroffen.

und Be­ oder

Auf­ Ver­

Art. 5. Durch Königliche Verordnung kann bestimmt werden, daß die Notare bei der Berechnung und Erhebung der aus Anlaß ihrer Amtsgeschäfte dem Staate und den Gemeinden anfallenden Gebühren unter Leitung und Aufsicht der Finanzbehörden mitzuwirken haben. 2. Organisation.

Art. 6.

Für die Wahrnehmung der den Notaren obliegenden Geschäfte werden Notariate errichtet. Die Notariate sind staatliche Behörden. Die Zahl und die Sitze der Notariate werden durch Königliche Verordnung bestimmt. In jedem Amtsgerichtsbezirke soll wenigstens ein Notariat bestehen. Der Amtsbezirk jedes Notariats umfaßt den Landgerichtsbezirk, in dem es seinen Sitz hat. Befinden sich am Sitze des Notariats mehrere Landgerichte, so umfaßt sein Amtsbezirk die Bezirke dieser Landgerichte. Ein Notariatsgeschäft ist nicht aus dem Grunde unwirksam, weil es von einem Notar außerhalb seines Amtsbezirks vorgenommen ist.

Art. 7.

Jedes Notariat wird mit einem Notar besetzt.

Art. 8.

Die Notare sind öffentliche Beamte. Sie werden vom König auf Lebenszeit ernannt und können — außer bei einer Veränderung in der Organisation der Notariate oder ihrer Bezirke — wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle versetzt werden.

Art. 9. Zum Notar kann nur ernannt werden, wer die Fähig­ keit zum Richteramt erlangt und den Nachweis einer zur Vorbereitung für das Amt eines Notars genügenden Beschäftigung bei einem Notariat erbracht hat. Der Vorbereitungsdienst soll nach der Erlangung der Fähigkeit zum Richteramt abgeleistet werden und in der Regel nicht weniger als zwei Jahre dauern. Von dem Erfordernisse des Vorbereitungsdienstes kann bei Bewerbern, die das Richteramt bekleiden oder bekleidet haben, abgesehen werden.

Art. 10. Der Notar soll vor bent Antritte seines Amtes schwören, daß er die ihm obliegenden Amtspflichten nach bestem Wissen und Gewissen den Gesetzen gemäß mit Fleiß und Sorgfalt erfüllen werde. Der Eid wird in der öffentlichen Sitzung des Landgerichts geleistet. Ein Notar, der den Amtseid geleistet hat, braucht ihn im Falle der Versetzung nicht noch einmal zu leisten.

1268

XLVII. Notariatsgesetz.

Akt. 11. Der Notar hat an dem Sitze des Notariats zn wohnen. In Städten von mehr als hunderttausend Einwohnern kann ihm bei der Uebertragung des Amtes die Verpflichtung auferlegt werden, seinen Amtssitz in einem bestimmt begrenzten Theile der Stadt zu nehmen. Außerhalb seines Amtssitzes darf der Notar Geschäftsräume nicht halten.

Zweiter Abschnitt. Dienstverhältnisse und Geschäftsführung. 1. Ausschließlichkeit des Dienstes, Rebengrschäfte.

Art. 12.

Der Notar kann nicht zugleich Rechtsanwalt sein. Ein öffentliches Amt, mit dem eine Besoldung verbunden ist, darf der Notar nur mit Erlaubniß des Staatsministeriums der Justiz übernehmen.

Art. 18. Der Notar darf weder selbst Handel oder Gewerbe betreiben, noch die Verwaltung einer Handelsgesellschaft oder einer ähn­ lichen auf Erwerb gerichteten Unternehmung führen. Mitglied des Aufsichtsraths einer solchen Gesellschaft oder Unternehmung darf er nur mit Erlaubniß des Staatsministeriums der Justiz werden. Zur Uebernahme des Amtes des Testamentsvollstreckers bedarf der Notar einer dienstaufsichtlichen Erlaubniß nicht. 2. Verpflicht», zur Dienstleistung.

Art. 14.

Der Notar darf die Vornahme nicht ohne zureichenden Grund verweigern.

eines Amtsgeschästs

Art. 15. Der Notar soll, soweit er nicht durch besondere Vor­ schriften von der Ausübung seines Amtes ausgeschlosien ist, die Vornahme von Amtsgeschäften verweigern: 1. in Sachen, in denen er selbst betheiligt ist oder in denen er zu einem Betheiligten in dem Verhältniß eines Mitberechtigten oder Mit­ verpflichteten steht; 2. in Sachen seiner Ehefrau, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; 3. in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie oder im zweiten Grade der Seitenlinie verwandt oder verschwägert ist; 4. in Sachen, in denen er als Vertreter eines Betheiligten bestellt oder als gesetzlicher Vertreter eines solchen aufzutreten berechtigt ist.

Art. 16. Der Notar hat seine Amtsthätigkeit, bei Geschäften zu verweigern, die gegen ein Strafgesetz verstoßen oder offenbar nichtig sind oder nur zum Schein oder zum Scherz vorgenommen werden sollen.

Art. 17. Weigert sich der Notar, ein Amtsgeschäft vorzunehmen, so entscheidet auf Antrag das Landgericht Eine Anfechtung der Ent­ scheidung findet nicht statt. 3. Zeit und Ort der Vornahme der notariellen AmtSgeschiiste.

Art. 18.

Der Notar ist verpflichtet, in dringlichen Fällen Amts­ geschäfte auch außerhalb der ordentlichen Geschäftszeit vorziinehmen.

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XLVII Notariatsgesetz.

Art. 19. Der Notar soll die Amtsgeschäfte am Amtssitz in seinen Geschäftsräumen vornehmen, soweit nicht ein Anderes vorgeschrieben oder nach den Umständen erforderlich ist. Amtstage darf der Notar an einem anderen Orte nur mit Erlaubniß des Staatsministeriums der Justiz abhalten. 4. Verwendung von Gehilfe«.

Art. 20. Der Notar kann zu seiner Unterstützung bei den Notariats­ geschäften Gehilfen ausnehmen und sie unter seiner Aufsicht und Veralitwortlichkeit verwenden.

5. Amtsgeheimniß, Gestattung der Atteneinficht.

Art. 21.

Der Notar hat die Pflicht, das Amtsgeheimniß zu wahren. Er hat dafür gn sorgen, daß nicht Unberufene durch Anwesen­ heit bei den Verhandlungen oder durch Einsicht der in seiner Verwahrung befindlichen Schriftstücke von Privatgeheimnissen Kenntniß erlangen, und darüber zu wachen, daß nicht seine Gehilfen solche Geheimnisse verletzen.

Art. 22. Die Einsicht der Urkunden und Akten des Notariats soll außer den Betheiligten nur solchen Personen gestattet werden, die ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen. Das Gleiche gilt von der Ertheilung einer Abschrift. Die Einsicht der letztwilligen Verfügungen und der Erbverträge darf bei Lebzeiten der Verfügenden anderen Personen nur mit Einwilligung der Verfügenden gestattet werden. Weigert sich der Notar, die Einsicht der Urkunden und Akten zu gestatten oder eine Abschrift zu ertheilen, so entscheidet auf Antrag das Landgericht. Inwieweit öffentlichen Behörden auf Ersuchen die Einsicht der Ur­ kunden und Akten des Notariats zu gestatten ist und Abschriften zu er­ theilen sind, bestimmt das Staatsministerium der Justiz. 6. Geschäftsregister.

Art. 23.

Der Notar hat nach näherer Bestimmung der Geschäfts­ ordnung seine Amtsgeschäfte in einem Register (Geschäftsregister) zu ver­ zeichnen.

Dritter Abschnitt. Notarielle Urkunde«. Art. 24. Für die notariellen Urkunden gelten, soweit nicht Reichs­ gesetze oder besondere landesgesetzliche Vorschriften maßgebend sind, die Bestimmungen der Artikel 25 bis 47. 1. Vorschriften über die Errichtung notarieller Urknnden.

Art. 25.

Die notariellen Urkunden müssen den Tag und den Ort ihrer Errichtung und die Unterschrift des Notars enthalten. Sie sollen in deutscher Sprache errichtet werden. Der Unterschrift des Notars soll dessen Amtseigenschaft beigesetzt werden. Jede notarielle Urkunde soll mit dem Siegel oder dem Stempel des Notariats versehen werden.

Art. 26. . Die notariellen Urkunden sollen, soweit nicht ein Anderes bestimmt ist, in der Form von Protokollen ausgenommen werden.

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XLVIL Notariatsgesetz.

Das Protokoll soll die Bezeichnung der Personen, deren Erklärungen beurkundet werden, die Bezeichnung der Personen, die bei der Beurkundung mitwirken, die Darstellung des beurkundeten Vorganges, die Unterschriften der Personen, deren Erklärungen beurkundet worden sind, und die Unter­ schriften der Mitwirkenden enthalten. Das Protokoll soll vor der Beisetzung der Unterschriften von dem Notar oder doch in seiner Gegenwart vorgelesen werden. Liest der Notar das Protokoll nicht selbst vor, so soll er es vorher durchlesen. Er soll im Protokolle feststellen, daß das Vorlesen und Durchlesen geschehen ist.

Art. 27. Dor der Beurkundung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung hat der Notar den wahren Willen der Betheiligten zu ermitteln. Hegt er Zweifel darüber, ob die Betheiligten die Bedeutung und die Folgen des beabsichtigten Geschäfts völlig erkannt haben, so hat er ihnen die nöthige Belehrung zu ertheilen. Der Wille der Betheiligten ist im Protokolle klar, bestimmt und unzweideutig auszudrücken. Art. 28. Macht der Notar bei der Beurkundung eines Rechts­ geschäfts Wahrnehmungen, die geeignet sind, Zweifel darüber zu begründen, ob ein Betheiligter die zu dem Rechtsgeschäft erforderliche Geschäftsfähigkeit besitzt, so soll dies im Protokolle festgestellt werden. Hat der Notar sonstige Zweifel an der Gültigkeit des Geschäfts, so soll er davon den Betheiligten Mittheilung machen; gelingt es nicht, die Zweifel zu beseitigen, so ist die Mittheilung des Notars und die betrau1 von den Betheiligten abgegebene Erklärung im Protokolle festzustellen.

Art. 29. Ist ein bei der Beurkundung eines Rechtsgeschäfts Betheiligter taub, so soll das Protokoll ihm zur Durchsicht vorgelegt werden, auch wenn er es nicht verlangt. Im Protokolle soll festgestellt werden, daß die Vorlegung geschehen ist. Ist ein tauber Betheiligter nicht im Stande, Geschriebenes zu lesen, so soll eine Vertrauensperson zugezogen werden, die sich mit ihm zu ver­ ständigen vermag. Im Protokolle soll festgestellt werden, daß der Betheiligte nach der Ueberzeugung des Notars die Vertrauensperson verstanden hat. Als Vertrauensperson kann auch eine der bei der Beurkundung neben bem Notar mitwirkenden Personen dienen. Art. 30. Vor der Beurkundung einer Erklärung über die Uebertragung des Eigenthums an einem Grundstücke, die Belastung eines Grundstücks mit einem Rechte, die Uebertragung oder Belastung eines solchen Rechtes, die Aenderung eines solchen Rechtes nach Inhalt oder Rang und vor der Beurkundung eines jeden Vertrags, durch den sich der eine Theil verpflichtet, eine solche Uebertragung, Belastung oder Aenderuirg vorzunehmen, hat der Notar durch Einsicht des Grundbuchs oder eines in jüngster Zeit ausgestellten oder berichtigten Auszugs aus dem Grundbuche sich davon zu überzeugen, ob das beabsichtigte Geschäft mit dem Inhalte des Grundbuchs übereinstimmt. Zeigt sich ein Widerspruch, so hat der Notar wie im Falle des Artikel 28 Abs. 2 zu verfahren. Der Notar soll im Protokolle feststellen, ob er die Beurkundung, nach Einsicht des Grundbuchs oder eines Auszugs aus dem Grundbuche vorgenommen hat,

XLVII. Notariatsgesetz.

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und soll in letzterem Falle auch den Tag der Ausstellung oder Berichtigung des Auszugs im Protokoll angeben. Die Vorschriften des Abs. 1 gelten auch für Rechte, die den Grund­ stücken gleichstehen. Die Verpflichtung zur Einsicht des Grundbuchs oder des Auszugs aus dem Grundbuche kann von den Betheiligten nicht erlassen werden. Ausnahmen sind nur in Nothfällen zulässig. Der Notar soll den Nothsall in der Urkunde feststellen. Inwieweit der Notar sich zur Einsicht des Gmndbuchs seiner Gehilfen bedienen darf, wird durch die Geschäftsordnung bestimmt.

Art. 31. Auf notarielle Urkunden über Erklärungen, die nicht Rechtsgeschäfte enthalten, finden die Vorschriften des Artikel 28 Abs. 1 und des Artikel 29 dieses Gesetzes sowie die Vorschriften der §§ 169, 173, 174, des 8 176 Abs. 3 und der §§ 178, 179 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechende Anwendung.

Art. 32. Beurkundet der Notar in der Versammlung einer Genosienschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder eines Vereins den Gang der Verhandlung, so gelten die Theilnehmer an der Versammlung nicht als Betheiligte. In der Versammlung ist ein Verzeichniß der erschienenen Genossen, Gesellschafter oder Vereinsmitglieder mit Angabe ihres Namens und Wohnorts aufzustellen. Das Verzeichniß ist vor der ersten Abstimmung zur Einsicht auszulegen; es ist von dem Vorsitzenden zu unterschreiben und mit den Belegen über die ordnungsmäßige Berufung der Versammlung öent Protokolle beizufügen. Die Beifügung der Belege über die Berufung der Versammlung kann unterbleiben, wenn die Belege unter Angabe ihres Inhalts im Protokoll angeführt werden. Art. 33. Bei der Beglaubigung von Abschriften, der Beurkundung von Zustellungen, Lebensbescheinigungen und ähnlichen einfachen Zeugniffen bedarf es der Aufnahme eines Protokolls nicht. Art. 34. Die Beglaubigung einer Abschrift geschieht dadurch, daß unter die Abschrift ein Vermerk gesetzt wird, der die Uebereinstimmung mit dem vorgelegten oder vorliegenden Schriftstücke (der Hauptschristj bezeugt. Aus der beglaubigten Abschrift soll ersichtlich sein, ob die Haupt­ schrist eine Ausfertigung, eine beglaubigte Abschrift oder eine einfache Abschrift ist. Durchstreichungen, Aenderungen, Einschaltungen, Ausschabungen oder andere Mängel der Hauptschrift sollen in dem Beglaubigungsvermerk angegeben werden. Soll ein Auszug aus einem Schriftstücke beglaubigt werden, so sind in den Auszug außer denjenigen Theilen des Schriftstücks und seiner Anlagen, welche die Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten nach­ weisen, diejenigen Theile aufzunehmen, welche auf den Gegenstand des Auszugs Bezug haben. In dem Beglaubigungsvermerke soll der Gegenstand des Auszugs angegeben und bezeugt werden, daß das Schriftstück und seine Anlagen über diesen Gegenstand weiter nichts enthalten.

XLVII. Notanatsgesetz.

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Art. 35. Vor der Beglaubigung einer Unterschrift oder eines Handzeichens soll der Notar von dem Inhalte des Schriftstücks Kenntniß nehmen. Auf das Verfahren bei der Beglaubigung finden außer den Vorschriften des § 183 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Vorschriften in den Artikeln 28, 30 dieses Gesetzes und im § 176 Abs. 3 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechende Anwendung; der Notar braucht jedoch, wenn er denjenigen, deffen Unterschrift oder Handzeichen beglaubigt werden soll, kennt, dies im Beglaubigungsvermerke nicht ausdrücklich zu erwähnen. Art. 36. Die Vorschriften über die äußere Form der notariellen Urkunden werden, soweit sie nicht in Reichsgesetzen und in diesem Gesetz enthalten sind, in der Geschäftsordnung getroffen. Die Geschäftsordnung bestimmt insbesondere auch, wie die Aenderungen in den Urkunden vorzunehmen sind, wenn solche nothwendig werden, und welche mechanischen Mittel zur Herstellung und Vervielfältigung der Urkunden benutzt werden dürfen. 2. Vorschriften über die Verwahrn«- der Urschriften und die Ertheil««- von Ausfertigung««. Art. 37. Die Urschriften der notariellen Urkunden bleiben in der Urkllndensammlung des Notariats.

Art. 38. Inwieweit einzelne Arten von Urschriften den Betheiligten ausgehändigt werden dürfen oder an andere Beamte oder Behörden ab­ zugeben sind und inwieweit Urschriften vorübergehend anderen Beamten oder Behörden im dienstlichen Interesse zur Einsicht überlasten werden sollen, bestimmt das Staatsministerium der Justiz.

Art. 39. An Stelle der in der Urkundensammlung des Notariats verbleibenden Urschriften erhalten die Betheiligten auf Verlangen Aus­ fertigungen. Die Ausfertigungen können nur von dem Notar ertheilt der die Urschrift in seiner dauernden Verwahrung hat.

werden,

Art. 40. Die Ausfertigung besteht in einer mit dem Ausfertigungs­ vermerke versehenen Abschrift der Urschrift. Sie soll in der Überschrift und im Vermerk als Ausfertigung bezeichnet sein. Der Ausfertigungs­ vermerk soll den Ort und den Tag der Ausstellung angeben, den Betheiligten bezeichnen, dem die Ausfertigung ertheilt wird, und die Uebereinstimmung der Ausfertigung mit der Urschrift bestätigen. Er ist außer mit der Unterschrift des Notars mit dem Siegel oder dem Stempel des Notariats zu versehen. Art. . 41. ertheilt werden. Anwendung.

Art. 42. fertigung; erhalten.

Die Ausfertigung kann auf Antrag auch auszugsweise Die Vorschriften im Artikel 34 Abs. 2 finden entsprechende

Jeder Betheiligte erhält in der Regel nur eine Ausim Falle des Bedürfnisses kann er mehrere Allsfertigungen

XLVII Notarmtsgeseh

Art. 43.

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Jede Ertheilung einer Ausfertigung soll auf der Urschrift

vermerkt werden.

Art. 44. Weigert sich der Notar, einem Betheiligten eine Urschrift auszuhändigen oder eine Ausfertigung zu ertheilen, so entscheidet auf Antrag das Landgericht. Ueber die Weigerung des Notars, einem anderen Beamten oder einer anderen Behörde eine Urschrift vorübergehend oder dauernd zu über­ lassen, entscheiden die Dienstaufsichtsbehörden.

Art. 45. Für die Vollstreckbarkeit der notariellen Urkunden und die Ertheilung vollstreckbarer Ausfertigungen sind die Bestimmungen der Civilprozeßordnung maßgebend. Art. 46. Für die Fälle, in denen der Notar die Verwahrung einer Urschrift nach Artikel 38 aufgibt, bestimmt die Geschäftsordnung, inwieweit eine Ausfertigung in der Urkundensammlung des Notariats znrückbehalten werden soll. Die zurückbehaltene Ausfertigung vertritt die Stelle der Urschrift, bis diese zurückgelangt ist. Art. 47. Ist eine Urschrift zu Verlust gegangen, so kann eine Ausfertigung bei dem Notar zu dem Zwecke hinterlegt werden, daß sie die Stelle der Urschrift vertritt. Der Notar hat über die Hinterlegung ein Protokoll aufzunehmen und diesem die hinterlegte Ausfertigung bei­ zuheften. vierter Abschnitt.

Gebühre«.

Art. 48. Der Notar bezieht keinen Gehalt aus der Staatskasse, sondern Gebühren. Den Notaren, deren reines Diensteintomnlcn die Hohe der Bezüge eines Amtsrichters nicht erreicht, kann bis zu deren Höhe ein Zuschuß aus der Staatskasse bewilligt werden.

Art. 49. Die Notariatsgebühren sind von dem zu tragen, der die Thätigkeit des Notars in Anspruch genommen hat. Haben Mehrere die Thätigkeit des Notars zu einem und demselben Geschäft in Anspruch genommen, so haften sie dem Notar gegenüber als Gesammtschuldner. Vereinbarungen der Betheiligten über die Tragung der Gebühren sind nur für die Betheiligten wirksam. Art. 50. Wird die Höhe der von dem Notar angesetzten Notariats­ gebühren oder Auslagen von den Betheiligten beanstandet oder ist der Notar zur Beitreibung der Gebühren oder Auslagen veranlaßt, so hat er bei dem Landgerichte die Festsetzung zu beantragen. Als Auslagen gelten hiebei auch die Gebührenvorschüsse. Durch Klage kann der Anspruch nicht geltend gemacht werden. Mit der Einreichung des Antrags auf Festsetzung treten die Wirkungen der Erhebung der Klage ein.

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XLVII Notariatsgesetz.

Aus den rechtskräftigen Festsetzungsbeschlüssen findet die Zwangs­ vollstreckung nach Maßgabe der Bestimmungen der Civilprozeßvrdnung über die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen statt.

Art. 51. Auch die von dem Notar in Anspruch Genommenen können die Festsetzung der Gebühren und Auslagen beantragen und zwar selbst dann, wenn fie schon bezahlt haben. Die Vorschriften des Artikel 50 finden entsprechende Anwendung. Nach dem Eintritte der Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses kann der Notar im Wege der Dienstaussicht zur Erstattung des zu viel Er­ hobenen angehalten werden. Art. 52. Die Vorschriften des Artikel 50 und des Artikel 51 Abs. 1 finden auch Anwendung, wenn der Notar aus dem Amte geschieden oder gestorben ist. Der Amtsnachfolger hat auf Ersuchen für den aus dem Amte geschiedenen Notar oder für den Erben des gestorbenen Notars die Festsetzung zu betreiben. Diese selbst können an dem Verfahren nicht theilnehmen. Ein versetzter Notar kann die Festsetzung selbst betreiben; auf sein Ersuchen hat der Amtsnachfolger ihn im Verfahren (Artikel 50, 51) zu vertreten.

Art. 53. Der Notar ist, soweit nicht besondere Vorschriften maß­ gebend sind, verpflichtet, die Amtsgeschäste vorläufig unentgeltlich vor­ zunehmen, wenn die Betheiligten, die ihn um die Ausübung seines Amtes angehen, zur Bezahlung der Notariatsgebühren außer Stande sind. Ueber die Verpflichtung des Notars, sein Amt vorläufig unentgeltlich auszuüben, entscheidet auf Antrag des Betheiligten das Landgericht. Art. 54. Der Notar hat gegen den Staat keinen Anspruch auf Entschädigung wegen der im Falle des Artikel 53 ihm entgangenen Ge­ bühren. Bei auswärtigen Dienstgeschäften werden ihm Tagegelder und Reisekosten aus der Staatskasie vergütet. Art. 55. Der Notar kann bis zur Entrichtung der Gebühren und Erstattung der Auslagen die Aushändigung der Urschriften, Aus­ fertigungen und Abschriften an die Betheiligten und die Vorlegung der Urschriften, Ausfertigungen und Abschriften für die Betheiligten an Gerichte und andere Behörden verweigern, endlich die in seinen Händen befindlichen Urkunden, Gelder und Werthpapiere, soweit es erforderlich ist, zurückbehalten. Ueber die Berechtigung der Verweigerung oder der Zurückbehaltung entscheidet auf Antrag das Landgericht. Eine Anfechtung der Entscheidung findet nicht statt.

Art. 56. Der Notar hat nach näherer Bestimmung der Geschäfts­ ordnung über seine Gebühren und Auslagen Buch zu führen.

XLVII Notariatsgeskh.

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fünfter Abschnitt. Gerichtliche Entscheidung, Beschwerde. Art. 57. Der Antrag auf Entscheidung des Landgerichts in den Fällen des Artikel 17, des Artikel 22 Abs. 1, des Artikel 44 Abs. 1, der Artikel 50 bis 53 und des Artikel 55 kann schriftlich oder zum Protokolle des Notars oder des Gerichtsschreibers des Landgerichts gestellt werden. Art. 58. Für die Entscheidung ist dasjenige Landgericht zuständig, in dessen Bezirke das Notariat seinen Sitz hat. Das Landgericht entscheidet in einer Civilkammer. Der Präsident des Landgerichts hat sich in diesen Fällen der Civilkammer anzuschließen.

Art. 59. Das Gericht hat von Amtswegen die zur Feststellung der Thatsachen erforderlichen Ermittelungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Die Entscheidung erfolgt in nicht öffentlicher Sitzung ohne mündliche Verhandlung. Sie ist dem Notar und dem Betheiligten von Amtswegen zuzustellen. Art. 60. Gegen die Entscheidung des Landgerichts findet in den Fällen der Artikel 22, 44, 50 bis 53 das Rechtsmittel der Beschwerde statt. In den Fällen der Artikel 50 bis 53 steht die Beschwerde auch dem Notar zu. Ueber die Beschwerde entscheidet das Oberste Landesgericht in einem Civilsenat in der Besetzung von fünf Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. Art. 61. Die Einlegung der Beschwerde erfolgt durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder durch Erklärung zum Protokolle des Gerichts­ schreibers des Landgerichts oder des Obersten Landesgerichts. Der Unter­ zeichnung der Beschwerdeschrift durch einen Rechtsanwalt bedarf es nicht. In den Fällen der Artikel 50 bis 52 ist die Beschwerde binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem die Entscheidung des Landgerichts dem Beschwerde­ führer zugestellt worden ist. Auf das Verfahren des Obersten Landesgerichts finden die Vor­ schriften des AMel 59 Anwendung.

Art. 62. Die Entscheidungen des Landgerichts erfolgen kostenfrei. Das Gleiche gilt von den Entscheidungen des Obersten Landesgerichts in den Fällen des AMel 53. In den Fällen der AMel 22, 44, 50 bis 52 sind die Kosten einer ohne Erfolg eingelegten Beschwerde dem Beschwerde­ führer ganz oder theilweise aufzuerlegen.

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XLVII Notariatsgeseh.

Sechster Abschnitt. Dienstaussicht und Disziplin. 1. Dienstausficht. Die Dienstaufsicht steht zu: 1. dem Präsidenten des Landgerichts über die Notare des Landgerichts­ bezirks; 2. dem Präsidenten des Oberlandesgerichts über die Notare des Ober­ landesgerichtsbezirks ; 3. dem Staatsmiinsterium der Justiz über alle Notare des Königreichs. Der Präsident des Oberlandesgerichts und des Landgerichts kann sich mit Genehmigung des Staatsministeriums der Justiz bei der Er­ ledigung einzelner Aufsichtsgeschafte, die sich auf ein untergebenes Notariat beziehen, durch -einen richterlichen Beamten des Gerichts, dessen Borstand er ist, vertreten lassen.

Art. 63.

Art. 64. In dem Rechte der Aufsicht liegt die Befugniß, die ordnungsgemäße Ausführung der Geschäfte und die standesgemäße Führung der Notare zu überwachen, innerhalb des Rahmens der Gesetze Weisungen zu erlassen, die Erledigung eines Amtsgeschäfts durch Zwangsstrafen herbei­ zuführen und erforderlichenfalls die Einschreitung im Dienststrafverfahren zu veranlassen. Der Festsetzung der Zwangsstrafe muß eine schriftliche Androhung vorausgehen. Die einzelne Strafe darf den Betrag von fünfzig Mark nicht übersteigen; die Festsetzung der Strafe erfolgt schriftlich. Gegen die Strafverfügung des Präsidenten des Landgerichts und des Oberlandes­ gerichts ist Beschwerde im Dienstaufsichtswege zulässig. Art. 65. Die Notare sind verpflichtet, den Beamten, denen die Dienstaufsicht zusteht, sowie den von diesen beauftragten Beamten die Einsicht ihrer Akten und Urkunden, Bücher und Register zu gestatten, dienstliche Aufschlüsse jeder Art zu geben und auf Verlangen die in ihrer amtlichen Verwahrung befindlichen Gelder und sonstigen Gegenstände vor­ zuzeigen. Testamente und Erbverträge, die noch nicht verkündet sind, dürfen nicht eingesehen werden.

Art. 66. Die Finanzbehörden sind jederzeit berechtigt, das Depositen­ wesen der Notare (Art. 4) sowie deren Thätigkeit bei Berechnung und Erhebung von Staats- oder Gemeindegebühren (Art. 5), insbesondere die gesammte hierauf bezügliche Buch- und Kassaführung durch beauftragte Beamte prüfen zu lassen. Die Notare haben diesen Beamten gegenüber die gleichen Ver­ pflichtungen, wie sie ihnen im Artikel 65 gegenüber den dienstaufsicht­ führenden Beamten auferlegt sind, und haben den wegen Erledigung ihrer finanziellen Geschäfte, insbesondere der Buch- und Kassaführimg, ergehenden Weisungen der Finanzbehörden Folge zu leisten. Zur Erledigung der finanziellen Geschäfte sind die Notare auf Veranlassung der Finanzbehörden durch Zwangsstrafen anzuhalten; die Notare unterliegen bei Verletzung ihrer diesbezüglichen Dienstpflichten der Einschreitung im Dienststrafwege.

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XLVII Notariatsgesetz.

2. Dienststrasrecht.

Art. 67.

Der Notar, der die ihm durch sein Amt auferlegten Pflichten schuldhaft verletzt oder durch sein Verhalten in oder außer dem Amte gegen die Ehre und Würde des Standes verstößt, macht sich eines Dienstvergehens schuldig.

Art. 68. Ein Verstoß gegen die Ehre und Würde des Standes ist immer anzunehmen, wenn ein Notar: 1. Börsenspekulationen, oder Spekulationen mit Grundstücken, Rechten, Forderungen und Erbschaftsmassen oder Mäklergeschäfte betreibt; 2. sich an Geschäften betheiligt, bei denen er amtlich mitwirkt; 3. unter seinem Namen fremde Geschäfte macht oder auf seinen Namen fremde Gelder anlegt, die ihm aus Anlaß seiner Amtsgeschäfte an­ vertraut worden sind; 4. sich unter was immer für einem Titel als Gewährsmann oder Bürge für Geschäfte verpflichtet, welche durch seine amtliche Vermittelung zu Stande gekommen sind oder bei denen er aintlich Mitwirken soll.

Art. 69. Minder erhebliche Dienstvergehen sind mit Ordnungs­ strafen zu ahnden, erheblichere mit Disziplinarstrafen.

Art. 70.

Ordnungsstrafen sind:

1 Warnung, 2. Geldstrafe bis zu fünfzig Mark; Disziplinarstrafen sind: 1. Verweis, 2 Geldstrafe von mehr als fünfzig bis zu dreitausend Mark, 3 Strafversetzung, 4. Dienstentlassung. Die Art und das Maß der Strafe find nach der Schwere des Dienstvergehens unter besonderer Rücksichtnahme auf das gesummte Ver­ halten des Notars zu bestimmen. Beim Zusammentreffen mehrerer Dienstvergehen kann neben der Dienstentlassung auf eine andere Strafe nicht erkannt werden.

Art. 71. Auf Dienstentlassung ist zu erkennen, wenn ein Notar durch grobe Verletzung der Amtspflicht oder durch unsittliches oder die Achtung, welche der Beruf erfordert, entziehendes Handeln oder Verhalten sich eines Dienstvergehens von solcher Schwere schuldig macht, daß er ohne offenbaren Nachtheil für die Würde des Standes oder ohne schwere Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht im Amte belassen werden kann. Art. 72. Auf Dlenstentlaffung kann erkannt werden: in den Fällen der Artikel 103 bis 106, 109 des Ausführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung; 2. wenn in sonstigen Fällen ein Notar bereits dreimal eine Disziplinar­ bestrafung erlitten hat und neuerdings zur Verhängung einer Disziplinarstrafe Anlaß gibt.

1

XLVII NolanatSgrsetz.

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Art. 73. Die Dienstentlassung hat den Verlust des Notartitels und des dem Notar als solchem verliehenen Ehrentitels von Rechtswegen zur Folge.

Art. 74.

Auf Strafversetzung ist zu erkennen:

1. wenn ein Notar durch eine Handlung, die ein Dienstvergehen bildet, die Achtung oder das Vertrauen der Bevölkerung des Notariats­ bezirks verloren hat, so daß er in diesem Bezirke nicht belassen werden kann; 2. wenn nach Lage des Falles die Verhängung einer Geldstrafe un­ genügend und nicht die Verhängung der Dienstentlassung veranlaßt ist.

Art. 75. Die Strafverfolgung von Dienstvergehen verjährt in fünf Jahren. Jede Handlung des Richters im Strafverfahren und im Dienststraf­ verfahren, welche wegen der begangenen That gegen den Thäter gerichtet ist, unterbricht die Verjährung. Nach der Unterbrechung beginnt eine neue Verjährung. Art. 76. Ein vom Amte enthobener Notar kann wegen eines Dienstvergehens nur dann verfolgt werden, wenn auf Dienstentlassung zu erkennen wäre, falls er sich noch im Dienste befände. In diesem Falle ist statt auf Dienstentlassung auf Verlust des Titels und des Ehrentitels zu erkennen. Hat der vom Amte enthobene Notar auf den Titel und den Ehren­ titel verzichtet, so kann er wegen eines Dienstvergehens nicht mehr verfolgt werden. Wird im Laufe des wegen eines Dienstvergehens eingeleiteten Verfahrens die Bestrafung des Notars durch die Enthebung vom Amte oder den Verzicht auf Titel und Ehrentitel unzulässig, so ist das Verfahren einzustellen. Die Vorschriften des Artikel 106 des Ausführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung bleiben unberührt.

Art. 77. Hat ein Notar während seines früheren Dienstverhältniffes als Staatsbeamter oder als öffentlicher Beamter ein Dienstvergehen begangen, so unterliegt er auch hiewegen den Vorschriften dieses Gesetzes. Wegen einer Handlung, die ein Notar vor seiner Anstellung zu einer Zeit begangen hat, zu der er weder Staatsbeamter noch öffentlicher Beamter war, ist ein Einschreiten im Dienststrafverfahren nur dann zu­ lässig, wenn jene Handlung die Strafversetzung oder die Dienstentlassung begründet. Art. 78. Hat der Staatsanwalt in einem strafgerichtlichen Verfahren die öffentliche Klage erhoben, so darf gegen den Beschuldigten wegen der nämlichen Thatsachen vor Beendigung des strafrechtlichen Ver­ fahrens das Dienststrafverfahren weder eingeleitet noch fortgesetzt werden. Ist im strafgerichtlichen Verfahren wegen Abwesenheit des Be­ schuldigten die vorläufige Einstellung beschlossen, so kann das Dienst­ strafverfahren eingeleitet und fortgesetzt werden.

XLVII Notariatsgesetz.

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Art. 79. Wenn vom Strafgericht ans Freisprechung erkannt ist, so findet wegen derjenigen Thatsachen, welche im strafgerichtlichen Verfahren Gegenstand der Aburtheilung waren, ein Dienststrafverfahren nur noch insofern statt, als jene Thatsachen an sich und ohne ihre Beziehung zu dem gesetzlichen Thatbestände der strafbaren Handlung, auf welche das Sttafverfahren sich erstreckte, ein Dienstvergehen enthalten. Die Freisprechung wegen Verjährung schließt die Einleitung oder Fortsetzung des Dienststrafverfahrens nicht aus, solange die Strafverfolgung noch nicht nach Artikel 75 ausgeschlossen ist. Ist in einem strafgerichtlichen Verfahren eine Verurtheilung erfolgt, welche nicht den Verlust des Amtes zur Folge hat, so bleibt es dem Ermessen der Aufsichtsbehörden überlasten, zu entscheiden, ob die Einleitung des Dienststrafverfahrens zu veranlassen sei. Ist das Dienststrafverfahren schon eingeleitet, so bleibt die Entscheidung darüber, ob es fortzusetzen sei, dem Ermesten des Gerichts überlasten. L. Dienststrafverfahren.

Art. 80.

Die Ordnungsstrafen werden von der Civilkammer des Landgerichts verhängt, in dessen Bezirke der Notar zur Zeit der Einleitung des Verfahrens seinen Amtssitz hat. Der Präsident des Landgerichts hat sich in diesen Fällen der Civilkammer anzuschließen. Das Landgericht soll, wenn es zur Aufklärung des Sachverhältniffes nöthig ist, den Notar hören, die erforderlichen Ermittelungen von Amts­ wegen vornehmen und den Staatsanwalt von der Einleitung des Verfahrens in Kenntniß setzen; der Staatsanwalt kann die Akten einsehen und sich mündlich oder schriftlich äußern. Die Entscheidung erfolgt in nicht öffentlicher Sitzung ohne mündliche Verhandlung. Sie ist mit Gründen zu versehen, dem Verurtheilten von Amtswegen zuzustellen und dem Staatsanwalte zur Einsicht vorzulegen; die Vorlegung gilt als Zustellung an ben Staatsanwalt.

Art. 81. Gegen die Entscheidung des Landgerichts steht dem Staatsanwalt und dem Verurtheilten binnen einer Frist von zwei Wochen die Beschwerde zu. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung dem Beschwerdeführer zugestellt worden ist. Die Beschwerde ist bei dem Landgerichte durch Einreichung einer Beschwerdeschrift einzulegen. Eine Abschrift der Beschwerdeschrift ist dem Gegner des Beschwerdeführers von Amtswegen mitzutheilen. Ist die vom Staatsanwalt angefochtene Entscheidung nicht schon nach Artikel 80 Abs. 3 dem Notar zugestellt worden, so ist sie ihm mit der Beschwerdeschrift mitzutheilen. Ueber die Beschwerde entscheidet die nach dem Disziplinargesetze für richterliche Beamte vom 26. März 1881 bei dem Oberlandesgericht errichtete Disziplinarkammer als Notariatsdisziplinarkammer aus Vortrag eines Berichterstatters in nicht öffentlicher Sitzung. Im Uebrigen finden auf das Verfahren die Vorschriften des Artikel 80 entsprechende Anwendung. Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde verwerfen, die Entscheidung des Landgerichts ändern oder die Einleitung des Disziplinarstrafverfahrens beschließen. Hat nur der Notar die Beschwerde eingelegt, so kann das Beschwerdegericht die Ordnungsstrafe nicht erhöhen.

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XLVII. Notariatsgesch.

Gegen die Elltschcidung des Beschwerdegerichts findet ein Rechts­ mittel nicht statt.

Art. 82. Der Vollzug der im Ordnungsstrafverfahren verhängten Warnung erfolgt durch den Präsidenten des Landgerichts. Die Vollstreckung der Geldstrafen geschieht nach den Vorschriften der Civilprozeßordnung. Der Staatsanwalt hat auf Grund einer von dem Gerichtsschreiber des Landgerichts ertheilten, mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen Ausfertigung der Urtheilsformel die Beitreibung der Geldstrafe zu erwirken. Art. 83. Für die Entscheidungen im Disziplinarstrafverfahren find die nach dem Gesetze vom 26. März 1881 errichteten Disziplinar­ gerichte zuständig. In erster Instanz entscheidet die Disziplinarkammer als Notariatsdisziplinarkammer, in zweiter Instanz der Disziplinarhof als Notariatsdisziplinarhof.

Art. 84. Die Vorschriften der Artikel 12 bis 50, des Artikel 52 Abs. 1, des Artikel 54 Abs. 2 bis 6, der Artikel 55, 56, 58 des Gesetzes vom 26. März 1881 finden auf das Disziplinarstrafverfahren entsprechmde Anwendung. Für die Einreichung der Schriftsätze zur Rechtfertigung und Beant­ wortung der Berufung bestehen keine Fristen. Die Akten werden alsbald nach Ablauf der Frist für die Anmeldung der Berufung an den Disziplinar­ hof eingesendet. Ist die Berufung nicht auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt, oder ist eine Rechtfertigung überhaupt nicht erfolgt, so gilt der ganze Inhalt des Urtheils als angefochten. Art. 85. Findet die Disziplinarkammer oder der Disziplinarhof bei der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens, daß nur für die Annahme eines minder erheblichen Dienstvergehens hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, so ist die Sache an das Landgericht zu verweisen. Gegen den Beschluß der Disziplinarkammer auf Verweisung an das Land­ gericht steht dem Staatsanwalte die Beschwerde an den Disziplinarhof zu. Das Landgericht hat nach Maßgabe des Artikel 80 zu verfahren und hiebei die Anschauung, daß kein erheblicheres Dienstvergehen vorliegt, seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Findet die Disziplinarkammer oder der Disziplinarhof auf Grund der Hauptverhandlung, daß nicht eine Disziplinarstrafe, sondern nur eine Ordnungsstrafe zu verhängen ist, so ist durch Urtheil auf die Ordnungs­ strafe zu erkennen. Die Verweisung an das Landgericht findet nicht statt. Das Urtheil steht in Ansehung der Rechtsmittel und des Vollzugs einem Urtheile gleich, durch das eine Disziplinarstrafe ausgesprochen ist. 4. Zwaugsversetzung uni Zwaugsenthebnng.

Art. 86. Ein Notar kann wider seinen Willen auf eine andere Stelle versetzt werden: 1. wenn ohne sein Verschulden Umstände eingetreten sind, durch die seine amtliche Wirksamkeit auf der bisherigen Stelle in einer nicht blos vorübergehenden Art erheblich gestört wird;

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XLVII. Notariatsgesetz.

2. wenn solche Umstände zwar nicht ohne sein Verschulden eingetreten sind, die Verfolgung im Dienststrafverfahren aber wegen Verjährung nicht erfolgen kann. Dem auf Grund dieser Vorschriften versetzten Notar sind die Umzugskosten aus der Staatskasse zu vergüten.

Art..87. Soll ein Notar auf Grund des Artikel 86 versetzt werden, so wird ihm dies im Allftrage des Staatsministeriums der Justiz durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts schriftlich unter Angabe der Gründe und mit der Aufforderung eröffnet, binnen einer Frist von zwei Wochen eine Erklärung abzugeben. Willigt der Notar in die Versetzung, so kann diese ohne Weiteres erfolgen. Erhebt der Notar Einsprache und erachtet das Staatsministerium der Justiz die Einsprache für begründet, so erklärt es die Sache für be­ ruhend und benachrichtigt davon den Notar. Wird die Einsprache nicht für begründet erachtet oder gibt der Notar innerhalb der Frist eine Erklärung nicht ab, so entscheidet auf Veranlassung des Justizministeriums die Disziplinarkammer über die Zulässigkeit der Versetzung. Vor der Entscheidung hat der Präsident des Oberlandesgerichts oder ein von ihm beauftragter Richter die nöthigen Ermittelungen vorzunehmen. Dem Notar und dem Staatsanwalt ist Gelegenheit zu geben, sich über das Ergebniß der Ermittelungen zu äußern. Die Disziplinarkammer entscheidet in der für Disziplinarstrafsachen vor­ geschriebenen Besetzung in nicht öffentlicher Sitzung auf Vortrag eines Berichterstatters. Die Entscheidung ist in beglaubigter Abschrift dem Notar znzustellen. Eine Anfechtung der Entscheidung findet nicht statt. Art. 88.

Ein Notar kann wider seinen Willen vom Amte ent­

hoben werden: 1. wenn er wegen eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner Amts­ pflichten unfähig ist; 2 wenn ohne sein Verschulden Umstände eingetreten sind, durch die seine amtliche Wirksamkeit auch auf einer anderen Stelle nicht blos vorübergehend gestört wäre; 3. wenn solche Umstände zwar nicht ohne sein Verschulden eingetreten sind, die Verurtheilung zur Dienstentlaffung aber wegen Verjährung oder aus anderen Gründen nicht erfolgen kann.

Art. 89. Auf das Verfahren bei der Enthebung eines Notars vom Amte nach Artikel 88 finden die Vorschriften des Artikel 87 ent­ sprechende Anwendung. Vor der Entscheidung sind durch einen beauftragten Richter die erforderlichen Zeugen und Sachverständigen zu vernehmen, sowie alle zur Ermittelung des Sachverhaltes dienenden Erhebungen zu pflegen. Ueber das Gesaniintergcbniß der Erhebungen muß der Notar schriftlich oder zu Protokoll vernommen werden, sofern nicht nach ärztlichem Gutachten sein körperlicher oder geistiger Zustand die Zulässigkeit der Vernehmung aus­ schließt. Bürgerlicher Gesetzbuch und Nebengesehe (Batzern).

81

1282

XLVII. Notariatsgesetz.

Zum Zwecke der Abgabe seiner Erklärungen ist dem Notar die Einsicht der Akten zu gestatten.

Art. 90. Für das Dienststrafverfahren und das Verfahren nach den Artikeln 87, 89 werden nur baare Auslagen in Ansatz gebracht. Wird der Angeschuldigte verurtheilt oder bleibt ein von ihm ein­ gelegtes Rechtsmittel erfolglos, so hat er die im Verfahren erwachsene» Auslagen ganz oder theilweise zu erstatten. Die Kosten des nach Artikel 76 Abs. 3 eingestellten Verfahrens trägt der Beschuldigte, die Kosten eines von einem Verurtheilten zurück­ genommenen Rechtsmittels der Verurtheilte. Baare Auslagen, welche in dem in den Artikeln 87, 89 behandelten Verfahren für erfolglose, durch Schuld des Notars veranlaßte Ermittelungen erwachsen sind, sind von diesem zu erstatten. Ueber die Pflicht zur Tragung der Kosten ist gleichzeitig mit der Entscheidung in der Hauptsache zu erkennen. 5. Suspension.

Art. 91.

Die vorläufige Enthebung des Notars vom Dienste (Suspension) tritt entweder kraft des Gesetzes ein oder sie wird von dem Disziplinargericht oder dem Staatsministerium der Justiz verhängt. Der suspendirte Notar hat sich der Vornahme von Amtshandlungen zu enthalten. Amtshandlungen eines suspendirten Notars find jedoch nicht deshalb unwirksam, weil sie der Vorschrift des Abs. 2 zuwider vorgenommen worden sind.

Art. 92. Die Suspension tritt kraft des Gesetzes ein: 1. wenn im gerichtlichen Strafverfahren gegen den Notar die Unter­ suchungshaft verhängt ist, für deren Dauer; 2. wenn gegen den Notar wegen eines Verbrechens oder wegen eines Vergehens, das den Verlust des Amtes nach sich ziehen kann, das Hauptverfahren eröffnet ist, für die Zeit bis zur Erledigung des Strafverfahrens; 3. wenn im Disziplinarstrafverfahren ein noch nicht rechtskräftiges Urtheil auf Dienstentlassung ergangen ist, für die Zeit bis zur Aufhebuug oder zum Vollzüge des Urtheils; 4. mit dem Antritt einer Freiheitsstrafe für die Dauer der Vollstreckung; 5. mit der Eröffnung des Konkursverfahrens für dessen Dauer; 6. mit der Einleitung des Entmündigungsverfahrens für dessen Dauer, im Falle der Entmündigung auch für die Zeit bis zu deren Wieder­ aufhebung ; 7. mit der Stellung unter vorläufige Vorinundschaft für die Dauer der vorläufigen Vormundschaft. Art. 93. Die Suspension kann von der Disziplinarkammer ver­ hängt werden: 1. wenn gegen den Notar ein Disziplinarverfahren anhängig ist, bei dem die Veruriheilung zur Strafversetzung oder Dienstentlassung in . Aussicht steht;

XLVII. Notariatsgesetz.

1283

2. weiln außer dein Falle des Artikel 92 Nr. 2 gegen den Notar eine Voruntersuchung oder ein Hauptverfahren wegen eines Verbrechens oder Vergehens eröffnet ist; 3. wenn gegen den Notar ein Verfahren nach den Artikeln 88, 89 eingeleitet ist.

Die Entscheidung erfolgt von Amtswegen oder auf Antrag des Staatsanwalts. Sie ist mit Gründen zu versehen und dein Notar zu­ zustellen. Gegen die Entscheidung ist Beschwerde zum Disziplinürhose zu­ lässig. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Im Falle des Abs. 1 Nr. 1 kann die Suspension im Laufe des Berufungsverfahrens vom Disziplinarhof auch dann verhängt werden, wenn die Disziplinarkammer eine Entscheidung darüber nicht getroffen hat.

Art. 94. Die Suspension kann Justiz verhängt werden:

vom Staatsministerium

der

1. wenn der Notar sich ohne Urlaub von seinem Amtssitz entfernt, für die Dauer der Abwesenheit und der darauf folgenden zehn Tage; 2. wenn gegen den Notar die Zulässigkeit der Enthebung vom Amte nach Artikel 88 ausgesprochen ist, für die Zeit bis zur Enthebung; 3. wenn der Notar rechtskräftig zur Strafversetzung verurtheilt oder nach Artikel 86 für versetzbar erklärt ist, für die Zeit bis zur Ver­ setzung. Die Suspension tritt mit dem Ablaufe von sechs Monaten außer Wirksamkeit, wenn die Versetzung bis dahin nicht erfolgt ist.

Siebenter Abschnitt. Rotariatsverweser. Art. 95. Für die Dauer der Beurlaubung, der Suspension, der sonstigen Behinderung des Notars oder der vorübergehenden Erledigung eines Notariats soll die Wahrnehmung der Aintsgeschüfte einem Amts­ verweser (Notariatsverweser) übertragen werden. Ein Notariatsverweser soll ferner bestellt werden, wenn die Besetzung eines Notariats mit einem Notar wegen der Geringfügigkeit der Zahl der Amtsgeschäfte unthunlich ist.

Akt. 96. Notariatsverweser kann nur werden, wer die Voraus­ setzungen für die Ernennung zum "Notar erfüllt hat. Von dem Erfordernisse der Ableistung eines Vorbereitungsdienstes bei einem Notariate kann für die Bestellung zum Notariatsvcrweser außer bei Personen, die das Richteramt bekleiden oder bekleidet haben, auch bei den zum Richteramte befähigten Gerichtsschreibern der Arntsgerichte ab­ gesehen werden. Ein Rechtsanwalt kann nicht zum Notariatsverweser bestellt werden. Art. 97. Die Richter und die zum Richteramte befähigten Gerichts­ schreiber der Amtsgerichte sind verpflichtet, sich am Sitze des Gerichts zum Notariatsverweser bestellen zu lassen.

1284

XLVII. Notariatsgesetz.

Art. 98. Ein Notar oder Notariatsverweser soll zum Verweser eines anderen Notariats, das nicht am gleichen Orte seinen Sitz hat, nur ausnahmsweise bestellt werden. Art. 99. Wird die Bestellung eines Notariatsverwesers wegen der Erledigung des Notariats oder wegen der Suspension des Notars nothwendig, so erfolgt sie von Amtswegen. Jy allen übrigen Fällen hat zunächst der Notar auf dem Dienst­ wege die Aufstellung eines Notariatsverwesers zu beantragen und eine geeignete Person vorzuschlagen. Art. 100. Die Bestellung zum Notariatsverweser erfolgt durch das Staatsministerium der Justiz; sie ist widerruflich. In dringlichen Fällen kann der Landgerichtspräsident einen Notariats­ verweser vorläufig bestellen. Das Staatsministerium der Justiz kann die Befugniß zur Bestellung von Notariatsverwesern den Oberlandesgerichtspräsidenten oder den Land­ gerichtspräsidenten übertragen.

Art. 101. Die Amtsbefugniß des Notariatsverwesers beginnt -mit der Uebernahme der Geschäfte des Notariats und endigt mit der Uebergabe der Geschäfte an den Notar oder einen anderen Notariatsverweser. Während dieser Zeit soll sich der Notar der Vornahme von Amtsgeschäften enthalten. Art. 102. Ist ein Notar, für den wegen Erkrankung oder Ab­ wesenheit ein Notariatsverweser für bestimmte Zeit bestellt ist, mit Ablauf dieser Zeit nicht dienstfähig geworden oder nicht zurückgekehrt, so hat der Notariatsverweser hievon Anzeige zu erstatten und die Geschäfte des Notariats bis auf Weiteres fortzuführen. Das Gleiche gilt für den Fall, daß ein Notar, für den ein NotariatsVerweser bestellt ist, während der Dauer der Geschäftsführung des Notariatsverwesers stirbt.

Art. 103. Ein Notar, für den wegen Beurlaubung oder Er­ krankung für bestimmte Zeit ein Notariatsverweser bestellt ist, kann vor Ablauf dieser Zeit die Geschäfte wieder übernehmen. Art. 104. Inwieweit die Bestellung der Notariatsverweser und die Wiederübernahme der Geschäfte durch den Notar öffentlich bekannt zu machen ist und wie die Bekanntmachung zu erfolgen hat, bestimmt das Staatsministerium der Justiz. Art. 105. Der Notariatsverweser soll, sofern er nicht Richter an einem Amtsgericht ist, vor dem Amtsantritte den Amtseid der Notare leisten. Der Eid wird in der öffentlichen Sitzung des Landgerichts geleistet. Der Präsident des Landgerichts kann die Abnahme des Eides dem Amts­ gericht übertragen, in dessen Bezirke das Notariat seinen Sitz hat; die Eidesleistung erfolgt in der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts. Ein Notariatsverweser, der den Eid ° geleistet hat, braucht ihn als Verweser nicht noch einmal zu leisten.

XLVII. Notariatsgesetz.

1285

Art. 106. Der für einen verhinderten Notar bestellte Notariats­ verweser soll die Amtsgeschäfte in den Geschäftsräumen des Notars vor­ nehmen. Ist ein Notar oder ein Gerichtsbcamter für einen verhinderten Notar zum Notariatsverweser bestellt, so kann er die Geschäfte, soweit es nach den Umständen angeht, auch in seinen eigenen Amtsräumen vornehmen. Art. 107. Gerichtsbeamte, die zu Notariatsverwesern bestellt sind, bedürfen zur Uebernahme des Amtes des Testamentsvollstreckers der Ge­ nehmigung der Dienstaufsichtsbehörde. Art. 108. Ist ein Gerichtsbeamter zum Verweser eines unbesetzten Notariats bestellt, so kann das Staatsministerium der Justiz die Besorgung des gesammten Gebührenwesens dem rechnungsführenden Gerichtsschreiber des Amtsgerichts übertragen. Art. 109. Der für einen verhinderten Notar bestellte Notariats­ verweser hat die Gehilfen des Notars zum Dienste zu verwenden. Er kann nöthigenfalls Gehilfen aufnehmen und entlassen.

Art. 110. Der Notariatsverweser soll seiner Unterschrift seine amtliche Eigenschaft als Verweser beisetzen. Art. 111. Der für einen verhinderten Notar bestellte Notariats­ verweser führt die Geschäfte auf Rechnung des Notars. Er kann von dem Notar eine angemessene Vergütung für 'seine Dienstleistung beanspruchen. Entsteht Streit über die Vergütung, so entscheidet das Staatsministerium der Justiz nach Anhörung der Notariatskammer. Der Rechtsweg ist aus­ geschlossen. Einem Richter oder Gerichtsschreiber darf von dem Notar eine Ver­ gütung weder gewährt noch zugesagt werden. Das Staatsministerium der Justiz kann dem Richter oder Gerichtsschreiber bei längerer Dauer der Geschäftsführung für seine außerordentlichen Dienstleistungen eine angemessene Vergütung aus der Staatskasse bewilligen; es kann die Bestellung des Notariatsverwesers davon abhängig machen, daß der verhinderte Notar die Stellvertretungskosten dem Staate vergütet.

Art. 112. Der Verweser eines unbesetzten Notariats sührt, wenn er nicht Gerichtsbeamter ist, die Geschäfte auf eigene Rechnung. Das Staatsministerium der Justiz kann bestimmen, daß die Geschäfte auf Rechnung des Staates geführt werden. In diesem Falle ist dem Notariats­ verweser ein fester Bezug aus der Staatskasse zu bewilligen. Der Bezug soll in der Regel die Anfangsbezttge eines Amtsrichters nicht übersteigen. Art. 113. Wird ein Gerichtsbeamter zum Verweser eines un­ besetzten Notariats bestellt, so werden die Geschäfte auf Rechnung der Staatskasse geführt. Dem Verweser kann bei längerer Dauer der Geschäfts­ führung eine angemessene Vergütung bewilligt werden. Art. 114.

Rechnung

führt,

Der Noiariatsverweser, der die Geschäfte auf fremde hat von den im Artikel 55 gegebenen Befugnissen

Gebrauch zu machen. Unterläßt er dies, so haftet er für die Entrichtung der Gebühren und die Erstattung der Auslage».

Art. 115. Hat ein auf den Vorschlag des Notars bestellter Kotariatsverweser durch eine Amtshandlung einem Dritten Schaden zu­ gefügt, so ist zum Ersätze des Schadens und der bei der Geltendmachung des Ersatzanspruchs erwachsenen Kosten auch der Notar verpflichtet. Der Notar und der Notariatsverweser haften dem Beschädigten als Gesammtschuldner; im Verhältniß zwischen ihnen ist der Notariatsverweser allein verpflichtet. Art. 116. Notariatsverweser, die Gerichtsbeamte sind, unterliegen hinsichtlich der Dienstanfsicht und Disziplin den für sie als Gerichtsbeamte bestehenden Vorschriften auch bei der Führung der Notariatsgeschäfte. Andere Notariatsverweser sind wie Notare zu behandeln, doch ist die Verhängung der Strafversetzung und der Dienstentlassung gegen Notariatsverweser, foferne sie nicht Notare sind, ausgeschlossen. Statt auf Dienstentlassung ist auf Ausschluß von der Verwendung als Notariats­ verweser zu erkennen. Art. 117. Wegen eines während der Dauer der Amtsführung begangenen Dienstvergehens kann der Notariatsverweser auch nach der Beendigung der Amtsführung verfolgt werden. Die Verfolgung des Notariatsverwesers, der nicht Gerichtsbeamter ist, ist ausgeschlossen, wenn er der Dienstaufsichisbehörde gegenüber schriftlich auf die fernere Verwendung im Notariatsdienste verzichtet. Wegen eines Dienstvergehens, das ein Notariatsverweser nach der Beendigung seiner Amtsführung begangen hat, kann er, abgesehen von dem Falle des Artikel 106 des Ausführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung, nicht verfolgt werden. Art. 118. Soweit nicht in diesem Abschnitt ein Anderes bestimmt ist, finden die in den vorhergehenden Abschnitten für die Notare gegebenen Vorschriften auf die Notariatsverweser entsprechende Anwendung. Die Vorschriften der Artikel 86 bis 89, 93, 94 finden auf die Notariats­ verweser keine Anwendung.

Achter Abschnitt. Sammelarchive. Art. 119. Das Staatsministerium der Justiz kann bestimmen, daß die Urkunden, welche sich seit längerer Zeit — mindestens aber seit zwanzig Jahren — bei den Notaren in Verwahrung befinden, in Sammel­ archive abgeliefert werden. Testamente und Erbverträge, die noch nicht verkündet sind, sind von der Ablieferung ausgeschlossen. Die Ablieferung und die weitere Verwahrung erfolgt ans Staats­ kosten. Die zur Verwaltung der Sammelarchive berufenen Beamten haben bezüglich der in die Archive abgelieferten Urkunden die gleichen Befugnisse und Pflichten, welche die Notare vor der Ablieferung hatten.

XLVII. Notariatsgeseh.

1287

Neunter Abschnitt.

Notariatskammern. Art. 120. In jedem OLerlandesgerichtsbezirke wird mindestens eine Notariatskammer gebildet. Die zum Vollzüge dieser Vorschrift erforderlichen Bestimmungen werden durch Königliche Verordnungen getroffen.

Art. 121. Den Notariatskammern liegt ob: 1. über die Wahrung der Standesehre durch die Notare zu wachen: 2. Streitigkeiten unter den Notaren auf Antrag zu vermitteln; 3. Streitigkeiten zwischen Notaren und Parteien wegen der Amtsführung der Notare auf Antrag der streitenden Theile zu vermitteln. Art. 122. Den Notariatskammern liegt ferner ob, auf Verlangen der Justizverwaltungsbehörden Berichte, Uebersichten und Gutachten zu erstatten. Sie sind befugt, Vorstellungen und Anträge, die das Interesse der Rechtspflege oder des Notariats betreffen, an das Staatsministerium der Justiz zu richten. Art. 123. Die Notariatskammern haben ihre Geschäftsordnung festzustellen. Die Geschäftsordnung bedarf der Genehmigung des Staats­ ministeriums der Justiz. Die Notariatskammern haben die Mittel zur Bestreitung des für die gemeinschaftlichen Angelegenheiten erforderlichen Aufwandes festzusetzen und die Beiträge der Mitglieder zu bestimmen. Art. 124. Die Notariatskammern sind gleich den Justizverwaltungs­ behörden befugt, von de Notaren Berichte und Gutachten zu verlangen, die das Interesse der Rechtspflege oder des Notariats betreffen. Art. 125. Die Aufsicht über die Geschäftsführung der Notariats­ kammern steht dem Staatsministerium der Justiz zu. Das Staatsministerium der Justiz kann die Anflösung einer Notariatskammer verfügen. Binnen sechs Wochen nach der Auflösung ist die Neubildung der Notariatskammer zu veranlassen.

Zehnter Abschnitt. Haftung des Staates.

Art. 126. Für den Schaden, den ein Notar oder ein Notariats­ verweser in Ausübung des ihm anvertrauten Amtes durch Verletzung der Amtspflicht einem Dritten zufügt, ist der Staat nach Maßgabe der Artikel 60, 61 des Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche verantwortlich. Der Notar oder der Notariatsvcrweser hat dem Staate nach Maßgabe des Artikel 60 Abs. 4 des Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen

XLVII. Notariatszesetz.

1288

Gesetzbuch« den Schaden zu ersetzen, der dem Staate aus der Verletzung der Amtspflicht entsteht. Für den Schaden, den hienach ein Notariats­ verweser dem Staate zu ersetzen hat, haftet dem Staate neben dem Notariatsverweser der Notar nach Maßgabe des Artikel 115. Für den Schaden, den ein Notar oder ein Notariatsverweser in Ausübung des Amtes des Testamentsvollstreckers einem Dritten zufügt, haftet der Staat nicht.

Elfter Abschnitt. Versorgung der Notare nnd Notariatsgehilsen «nd ihrer Hinter­ bliebenen. Art. 127. Durch Königliche Verordnung kann bestimmt werden, daß die nach dem Tage der Verkündung dieses Gesetzes ernannten Notare Mitglieder der öffentlichen Vereine und Anstalten werden, welche die Versorgung der Notare und ihrer Hinterbliebenen zum Zwecke haben. Die Notare werden Mitglieder dieser Vereine und Anstalten mit ihrer Ernennung oder, wenn zu dieser Zeit die Vereine oder Anstalten noch nicht bestehen, mit deren Errichtung. Art. 128. Durch Königliche Verordnung kann bestimmt werden, daß die Gelder, welche auf Grund der Verhängung von Zwangsstrafen, Ordnungsstrafen oder Disziplinarstrafen gegen Notare und Notariats­ verweser eingehen, den im Artikel 127 genannten Vereinen oder Anstalten zuzuwenden' sind.

Art. 129. Das Staatsministerium der Justiz kann Vorschriften über die Aufnahme und Entlassung der Notariatsgehilsen und über die Entlohnung der nichtrechtskundigen Notariatsgehilfen erlassen und ins­ besondere bestimmen, daß nichtrechtskundige Personen als Notariatsgehilsen nur verwendet werden dürfen, wenn sie den öffentlichen Vereinen und Anstalten angehören, welche für die Versorgung der Notariatsgehilfen und ihrer Hinterbliebenen bestimmt sind.

Zwölfter Abschnitt. Schluß- und Nebergangsbestimmlmgen. Art. 130.

Aufgehoben sind:

1. das Gesetz vom 10. November 1861 über das Notariat in den Landestheilen rechts des Rheines; 2. das Gesetz vom 29. Juli 1876, die Abänderung einiger Bestimmungen des Notariatsgesctzes betreffend; 3. das pfälzische Notariatsgesetz vom 25. ventöse XI mit dem Beschlusse vom 2. nivöse XII über die Errichtung und Organisation der Notariatskammern und dem Dekrete vom 4. April 1806 über die Ernennung der Mitglieder der Notariatskammern; 4. das Gesetz vom 16. Mai 1868 über das Notariat in der Pfalz.

XLVII. Notariatsgesetz.

Art. 131.

1289

Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Bürgerlichen

Gesetzbuch in Kraft.

Art. 132. Die liegenschastsrechtlichen und erbrechtlichen Vorschriften der durch den Artikel 130 aufgehobenen Gesetze bleiben insoweit in Kraft, als ihre Geltung in den Artikeln 189, 213 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuchs Vorbehalten ist.

Art. 133. Die Notare und Notariatsverweser, welche sich zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes im Amte befinden, gelten als auf Grund dieses Gesetzes aufgestellt. Soweit nach einer Vorschrift des bisherigen Landesrechts, deren Geltung im Artikel 189 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetz­ buchs vorbehalten ist, zur Vornahme gewisser Geschäfte nur die Notare der Landestheile rechts des Rheins oder nur die Notare der Pfalz berufen wären, haben künftig alle bayerischen Notare als berufen zu gelten. Art. 134. Der Artikel 30 findet in den Landestheilen rechts des Rheins schon vor dem Zeitpunft Anwendung, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist. An die Stelle der Einsicht des Grundbuchs tritt die Einsicht des Hypothekenbuchs.

Art. 135. Für die zur Zeit des Inkrafttretens dieses 'Gesetzes anhängigen Ordnungsstrafsachen und Disziplinarstrafsachen verbleibt es in Ansehung des Verfahrens bei den bisherigen Vorschriften. Für die Ent­ scheidung darüber, ob die Strafnormen des bisherigen Dienststrafrechts oder die Strafnormen dieses Gesetzes anzuwenden sind, ist der § 2 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs maßgebend. Auf die Strafe der Suspension kann nicht mehr erkannt werden.

Art. 136. Die Vorschriften der Artikel 17, 22, 44, 55, 57 bis 62 finden auch auf diejenigen Angelegenheiten Anwendung, welche zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängig find. Ist vor dem Inkraft­ treten dieses Gesetzes schon eine Entscheidung ergangen, so finden auf das Beschwerdeverfahren die bisherigen Vorschriften Anwendung.

Art. 137. Ist vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes über die Festsetzung der Gebühren und Auslagen eines Notars schon eine richterliche Entscheidung erfolgt, oder der Anspruch auf Zahlung von Gebühren und Erstattung von Auslagen bei den ordentlichen Gerichten anhängig gemacht, so finden auf das weitere Verfahren die bisherigen Vorschriften Anwendung. Anderenfalls gelten auch für das Festsetzungsverfahren und die Beitreibung der vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entstandenen Forderungen solcher Art die Vorschriften dieses Gesetzes. Akt. 138. Die auf Grund der Artikel 100, 102 des Notariats­ gesetzes vom 10. November 1861, des Artikel 61 des pfälzischen Notariats­ gesetzes vom 25. ventose XI und des Artikel 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 16. Mai 1868, das Notariat in der Pfalz betreffend, erlassenen An­ ordnungen bleiben auch nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in Wirk­ samkeit, bis ein Notar ernannt oder ein Notariatsverweser bestellt ist.

1290

XLVIII. Hinterlegungsordnung.

Art. 139. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Vorschriften werden, soweit nicht in dem Gesetz ein Anderes bestimmt ist, einschließlich der Geschäftsordnung für die Notare, vom Staatsministerium der Justiz erlassen. Gegeben zu München, den 9. Juni 1899.

Luitpold, Prinz von Bayern, des Königreichs Bayern Verweser.

Dr. Frhr. v. Crailsheim. Dr. Frhr. v. Riedel. Frhr. v. Feilitzsch. Dr. Frhr. von Leanrad. Frhr. v. Asch. Dr. v. Landmann. Auf Allerhöchsten Befehl: Der Oberregierungsrath im k. Staatsministerium des Innern: Dr. Proebst.

XLVIII. Königlich Allerhöchste Verordnung, das gerichtliche tzinterlegungswesen betreffend Mterlegnngsordnung), vom 18. IezemberlM?) (Gesetz- und Verordnungs-Blatt für das Königreich Bayern 1899 Nr. 60 vom 23. Dezember 1899 Seite 1033 bis 1046.)

3m Namen Seiner Majestät des Königs. Luitpold, von Gottes Gnaden Königlicher Prinz von Bayern, Regent. Wir finden Uns bewogen, auf Grund des Artikel 76 des Aus­ führungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz in Betreff des gerichtlichen Hinterlegungswesens zu verordnen, was folgt:

I. Amtsgerichtliche Hinterlegungsstellen.

1. Allgemeine Bestimmungen. § 1.

Die Errichtung einer gemeinschaftlichen Hinterlegungsstelle für mehrere Amtsgerichtsbezirke steht dem Staatsministerium der Justiz zu.

§ 2. Zur Aufbewahrung der hinterlegten Gelder, Werthpapiere und Kostbarkeiten sollen feuer- und einbruchsichere, mit doppeltem Ver­ schlüsse versehene Schränke verwendet werden. In anderen Behältern soll die Verwahrung nur erfolgen, wenn die Behälter in möglichst feuersicheren, an Thüren und Fenstern gegen Einbruch befestigten Räumen aufbewahrt werden und mit doppeltem Verschlüsse versehen sind. Schlnsselduplikate werden bei dem Rcntamte verwahrt, in dessen Bezirke das Amtsgericht seinen Sitz hat. *) Siehe die Seite 1342 aufgeführten Verordnungen und Bekanntmachungen.

1290

XLVIII. Hinterlegungsordnung.

Art. 139. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Vorschriften werden, soweit nicht in dem Gesetz ein Anderes bestimmt ist, einschließlich der Geschäftsordnung für die Notare, vom Staatsministerium der Justiz erlassen. Gegeben zu München, den 9. Juni 1899.

Luitpold, Prinz von Bayern, des Königreichs Bayern Verweser.

Dr. Frhr. v. Crailsheim. Dr. Frhr. v. Riedel. Frhr. v. Feilitzsch. Dr. Frhr. von Leanrad. Frhr. v. Asch. Dr. v. Landmann. Auf Allerhöchsten Befehl: Der Oberregierungsrath im k. Staatsministerium des Innern: Dr. Proebst.

XLVIII. Königlich Allerhöchste Verordnung, das gerichtliche tzinterlegungswesen betreffend Mterlegnngsordnung), vom 18. IezemberlM?) (Gesetz- und Verordnungs-Blatt für das Königreich Bayern 1899 Nr. 60 vom 23. Dezember 1899 Seite 1033 bis 1046.)

3m Namen Seiner Majestät des Königs. Luitpold, von Gottes Gnaden Königlicher Prinz von Bayern, Regent. Wir finden Uns bewogen, auf Grund des Artikel 76 des Aus­ führungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz in Betreff des gerichtlichen Hinterlegungswesens zu verordnen, was folgt:

I. Amtsgerichtliche Hinterlegungsstellen.

1. Allgemeine Bestimmungen. § 1.

Die Errichtung einer gemeinschaftlichen Hinterlegungsstelle für mehrere Amtsgerichtsbezirke steht dem Staatsministerium der Justiz zu.

§ 2. Zur Aufbewahrung der hinterlegten Gelder, Werthpapiere und Kostbarkeiten sollen feuer- und einbruchsichere, mit doppeltem Ver­ schlüsse versehene Schränke verwendet werden. In anderen Behältern soll die Verwahrung nur erfolgen, wenn die Behälter in möglichst feuersicheren, an Thüren und Fenstern gegen Einbruch befestigten Räumen aufbewahrt werden und mit doppeltem Verschlüsse versehen sind. Schlnsselduplikate werden bei dem Rcntamte verwahrt, in dessen Bezirke das Amtsgericht seinen Sitz hat. *) Siehe die Seite 1342 aufgeführten Verordnungen und Bekanntmachungen.

XLV1II. Hinterlegungsordnung.

1291

Urkunden, die nicht Werthpapiere sind, werden nach Maßgabe der Registraturordnung verwahrt.

§ 3. Die Hinterlegungsstelle wird mit einem Richter als erstem und einem Gerichtsschreiber als zweitem Hinterlegungsbeamten besetzt. Die Bestimmung der Hinterlegungsbeamten erfolgt, wenn das Gericht mit mehreren Richtern oder Gerichtsschreibern besetzt ist, für die Dauer eines Geschäftsjahrs, dnrch den Präsidenten des Landgerichts. Die Verrichtungen der Hinterlegungsstelle obliegen, soweit nicht ein Anderes bestimmt ist, dem ersten Hinterlegungsbeamten. Die Verwahrung von Urkunden, die nicht Werthpapiere sind, obliegt dem zweiten Hinterlegungsbeamten. § 4. Ist das Gericht mit mehreren Richtern oder Gerichtsschreibern besetzt, so 'ist aus der Zahl der Richter für den ersten und ans der Zahl der Gerichtsschreiber für den zweiten Hinterlegungsbeamten ein Stell­ vertreter für die Dauer eines Geschäftsjahrs zu bestimmen. Die Be­ stimmung des Stellvertreters des ersten Hinterlegungsbeamten erfolgt durch den Präsidenten des Landgerichts, die des zweiten erfolgt durch den Vor­ stand des Amtsgerichts. Ist ein Hinterlegungsbeamter verhindert oder seine Stelle erledigt, ohne daß ein Stellvertreter vorhanden ist, so erfolgt die Aufstellung des Stellvertreters durch den Präsidenten des Landgerichts. § 5* Die Hinterlegnngsbeamten dürfen bei Annahme- und Ausgabe­ geschäften nur gemeinschaftlich handeln. Die Kasse steht unter ihrem gemeinschaftlichen Verschlüsse; keiner von ihnen darf auch nur vorüber­ gehend seinen Schlüssel dem Anderen überlassen. § 6. Mit Genehmigung des Präsidenten des Landgerichts können für den unmittelbaren Verkehr mit den Betheiligten gewisse Wochentage nnd Stunden festgesetzt werden. Die Festsetzung ist durch das für die Bekanntmachungen des Amtsgerichts bestimmte Blatt zu veröffentlichen; ist die Hinterlegungsstelle für mehrere Amtsgerichtsbezirke errichtet, so ist die Festsetzling durch jedes der für die Bekanntmachungen der Amtsgerichte bestimmten Blätter zu veröffentlichen. In dringenden Füllen müssen die erforderlichen Geschäfte während der gewöhnlichen Geschäftsstunden auch außerhalb der festgesetzten Zeit vorgcnommen werden. Als dringende Fälle gelten insbesondere die im § 40 aufgezählten. § 7, Geld soll nur in Zahlungsmitteln hinterlegt werden, welche bei den Staatskassen in Zahlung zu nehmen sind. Anderes als kassen­ mäßiges Geld soll jedoch angenommen werden, wenn es nach den Umständen des Falles als zweckmäßig erscheint. Es muß angenommen werden, wenn die Behörde, auf deren Anordnung oder Weisung die Hinterlegung beruht, dies anordnet oder der Hinterleger, welcher durch die Hinterlegung sich von einer Verbindlichkeit befreien will, seiner Erklärung (§ 13) nach die Verbindlichkeit durch Zahlung solchen Geldes erfüllen darf. § 8. Jede Masse ist gesondert zu verwahren. Hinterlegtes, kaffen­ mäßiges Geld ist, sofern es mindestens einhundert Mark beträgt und nach

1292

XLV1II. Hinterlegungsordnung.

den Umständen des Falles anznnehmen ist, daß es mehr als drei Monate hinterlegt bleibt, bei der K. Bank in solcher Weise verzinslich anzulegen, daß es jederzeit zurückgezogen werden kann. Beträgt das hinterlegte Geld mehr als eintausend Mark, so kann die Anlage auch erfolgen, wenn die Hinterlegung voraussichtlich nur" eine kürzere Zeit, mindestens aber einen Monat dauert. Die Uebersendung und die Zurückziehung des Geldes erfolgt auf Kosten und Gefahr des Hinterlegers. In keinem Falle darf hinterlegtes Geld mit anderweitigem Gelde vermischt oder zu anderen als den Zahlungen, zu deren Bewirkung es bestimmt ist, verwendet werden.

§ 9. Die Hinterlegungsstelle ist nicht verpflichtet, die Ansloosung oder Kündigung der Werthpapiere zu überwachen und für die Einziehung neuer Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine oder der Beträge fälliger Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine zu sorgen. Bei der Hinterlegung von Werthpapieren, welche der Vater oder die Mutter, der Vormund, der Pfleger oder der Beistand auf Grund der §§ 1667, 1814, 1818 oder das Nachlaßgericht auf Grund des § 1960 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bewirkt, hat die Hinterlegungsstelle, wenn sie wahrnimmt, daß eine Ausloosung oder Kündigung stattgefunden hat, die Einziehung neuer Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine erforderlich ist oder fällige Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine nicht erhoben werden, hievon dem Vormundschaftsgericht oder dem Nachlaßgerichte Mittheilung zu machen. § 10, Ueber die Beschwerde gegen eine Verfügung des ersten Hinterlegungsbeamten entscheidet das Präsidium des Landgerichts. Gegen dessen Entscheidung findet Beschwerde zum Staatsministerium der Justiz statt. § 11. Die erforderlichen Bestimmungen über die Geschäftsführung, insbesondere die Buch- und Kasseführung und die Beaufsichtigung des ge­ richtlichen Hinterlegungswesens, werden von den Staatsministerien der Justiz und der Finanzen erlassen. 2. Verfahren bei der Hinterlegung.

§ 12.

Die Hinterlegung kann unmittelbar bei der Hinterlegungs­ stelle oder mittels Einsendung durch die Post erfolgen.

§ 13. Bei der Hinterlegung ist eine schriftliche Erklärung (Hinter­ legungserklärung) in zwei Exemplaren vorzulegen. Die Erklärung muß enthalten: 1. Namen, Stand oder Gewerbe und Wohnort des Hinterlegers und seines etwaigen Vertreters; 2. die Bezeichnung der zu hinterlegenden Sache; bei Geld den Be­ trag und, wenn nicht kasscnmäßiges Geld hinterlegt wird, die Angabe der Geldforten; bei Werthpapieren die Angabe der Gattung, der Nummern und des Nennbetrags sowie der sonstigen Unterscheidungsmerkmale der einzelnen Stücke; wenn mit den Wertpapieren die dazu gehörenden Er­ neuerungsscheine, Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine hinterlegt werden, auch die hierauf bezüglichen Angaben; bei Kostbarkeiten die Angabe der

XLVIII. Hinterlegungsordnung.

1293

Gattung und des Stoffes und der etwaigen besonderen Eigenschaften und Merkmale sowie des Schätzungswerths; 8. die Angabe der Veranlassung zur Hinterlegung und, wenn die Hinterlegung in einer bei einer Behörde anhängigen Rechtssache erfolgt, die Bezeichnung der Sache und der Behörde; 4. soweit es thunlich ist, die Bezeichnung der Person, an welche die hinterlegte Sache herausgegeben werden soll, nach Namen, Stand oder Gewerbe und Wohnort.

• § 14. Bei einer Hinterlegung zum Zwecke der Befriedigung eines Gläubigers kann ein etwaiger Verzicht des Hinterlegers auf das Recht der Rücknahme in die Hinterlegungserklärung aufgenommen werden. Macht der Hinterleger das Recht des Gläubigers zur Empfang­ nahme von der Bewirkung einer Gegenleistung abhängig, so ist dies unter der Bezeichnung der Gegenleistung in der Hinterlegungserklärung an­ zugeben.

§ 15. In den Fällen der 88 H71, 1269 des Bürgerlichen Ge­ setzbuchs ist der Hinterlegungserklärung der Nachweis beizufügen, daß das Aufgebotsverfahren eingeleitet ist. § 16. Die Hinterlegung von Jnhaberpapieren mit den dazu ge­ hörenden Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheinen, von Orderpapieren, die mit Blankoindossament versehen sind, sowie von Kostbarkeiten durch den Vormund, Pfleger oder Beistand auf Grund der §§ 1814, 1818 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geschieht auf Grund einer dem Vormunde, Pfleger oder Beistände von dem Vormundschaftsgericht ertheilten Weisung. Die Weisung ist in zwei Exeniplaren vorzulegen. Sie muß den Vor­ schriften des § 13 Abs. 2 Nr. 1, 2 entsprechen und die Bezeichnung der Hinterlegungsstelle sowie der Vormundschastssache enthalten. Die Vorschriften des Abf. 1 finden aus die in Gemäßheit des § 1667 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erfolgte Hinterlegung von Wcrthpapieren und Kostbarkeiten durch den Vater oder die Mutter entsprechende Anwendung. § 17. Die Hinterlegungserklärung kann zum Protokolle des Ge­ richtsschreibers des Amtsgerichts, welches Hinterlegungsstelle ist, oder eines anderen Amtsgerichts abgegeben »erben. Ist die Rechtssache, in welcher die Hinterlegung erfolgt, bei dem Landgericht oder einem Gerichte höherer Art anhängig, so kann die Erklärung auch zum Protokolle des Gerichts­ schreibers des Gerichts erfolgen, bei dem die Sache anhängig ist. § 18. Ist die Hinterlegungserklärung vollständig und die an­ gegebene Veranlassung eine solche, für welche die Hinterlegung nach den Gesetzen zulässig ist, so darf die Annahme nicht abgelehnt werden. Wird die Annahine abgelehnt, so sind die zum Zwecke der Hinter­ legung eingegangenen Sachen dem Antragsteller auf seine Kosten und Ge­ fahr zurückzusenden. Von der Ablehnung ist der Antragsteller unter Angabe des Grundes zu verständigen. Die Ablehnung auf Grund der Unzulässigkeit einer Hinterlegung ist unstatthaft:

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XLVIII. Hiiitcrlegungsordiiung.

1. wenn der Hinterleger durch Entscheidung oder Anordnung eines Gerichts oder einer Staatsanwaltschaft zur Hinterlegung für berechtigt oder verpflichtet erklärt ist; 2. wenn ein Gericht oder eine Staatsanwaltschaft um Annahme der Sache ersucht.

§ 19, Auf dem einen Exemplare der Hinterlegungserklärung oder der Weisung des Vormundschastsgerichts (§ 16) wird die Bescheinigung über die Hinterlegung ertheilt. Das zweite Exemplar verbleibt bei der Hinterlegungsstelle. Ist die Hinterlegungserklärung zum Protokolle des Gerichtsschreibers erfolgt, so verbleibt das Protokoll bei der Hinterlegungs­ stelle, die Bescheinigung wird auf einer Abschrift des Protokolls ertheilt. Die Bescheinigung ist von beiden Hinterlegungsbeamten, bei der Hinterlegung von Urkunden, die nicht Werthpapiere sind, von dem zweiten Hinterlegungsbeamten zu unterzeichnen. Die Bescheinigung ist mit dem Gerichtssiegel zu versehen.

§ 29. In den Fällen des § 16 wird dem Vormundschaftsgerichte von der Hinterlegungsstelle kurze Anzeige von der Hinterlegung gemacht. § 21. Hinterlegte Kostbarkeiten kann die Hinterlegungsstelle durch einen Sachverständigen abschätzen oder behufs der Feststellung ihrer Be­ schaffenheit und ihres Zustandes besichtigen lassen. Der Bescheinigung über die Hinterlegung ist eine Abschrift des Gutachtens beizufügen und, daß dies geschehen, in der Bescheinigung zu vermerken. Die Kosten der Abschätzung und Besichtigung hat der Hinterleger zu tragen. Vor ihrer Erstattung kann die Herausgabe nicht beansprucht werden.

§ 22. Bei der Hinterlegung, welche ein Schuldner zum Zwecke der Befreiung von seiner Verbindlichkeit macht, hat die Hinterlegungsstelle auf Antrag des Schuldners in dessen Namen die im § 374 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgeschriebene Anzeige an den Gläubiger zu bewirken. Unterläßt der Schuldner in der Hinterlegungserklärung den Antrag, so hat ihn die Hinterlegungsstelle zu dem Nachweis aufzufordern, daß und wann der Gläubiger die Anzeige empfangen hat. Wird der Nachweis nicht vor dem Ablaufe von drei Monaten nach der Aufforderung geführt, so ist die Hinterlegungsstelle ermächtigt, die Anzeige im Namen und auf Kosten des Schuldners zu machen; die Aufforderung muß einen Hinweis auf diese Rechtsfolge enthalten. L. Verfahren bei der Herausgabe. § 23. Die Herausgabe erfolgt nur auf Antrag. Der Antrag ist schriftlich oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers des Amtsgerichts, welches Hinterlegungsstelle ist, oder eines anderen Amtsgerichts zu stellen. Die Hinterlegungsstelle kann verlangen, daß ihr die Erfüllung der Voraussetzungen, von denen der Anspruch auf Herausgabe abhüngt, durch öffentlich: oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird. § 24. Ist das Recht des Gläubigers zum Empfange der von dem Schuldner hinterlegten Sache von der Bewirkung einer Gegenleistung

XLVIII. Hinterlegungsordnunz.

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abhängig gemacht, so ist zum Nachweise der Empfangsberechtigung die Einwilligung des Schuldners erforderlich.

§ 25. Der Nachweis des Erwerbes von Todeswegen ist durch einen Erbschein zu führen; bei dem Erwerb im Wege der Auseinander­ setzung genügt ein Zeugniß des zuständigen Gerichts oder Notars. § 26. Die Herausgabe der in Gemäßheit des § 1667 oder der §§ 1814, 1818 des Bürgerlichen Gesetzbuchs von dem Vater oder der Mutter, dem Vormunde, dem Pfleger oder Beistände hinterlegten Werth­ papiere und Kostbarkeiten erfolgt auf Weisung des Vormnndschaftsgerichts. Zur Herausgabe der jeweils fälligen oder im Laufe des Jahres, in welchem die Herausgabe verlangt wird, oder des nächstfolgenden fällig werdenden Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheine ist die Weisung nur erforderlich, soweit dies in der Hinterlegungsweisung (§ 16) bemerkt ist. § 27. Der Antrag auf Herausgabe darf, unbeschadet eines gericht­ lichen Verbots, nicht abgelehnt werden: 1. wenn die Herausgabe durch Erklärung aller Betheiligten bewilligt oder die Empfangsberechtigung durch rechtskräftige Entscheidung festgestellt ist; 2. wenn die Herausgabe von dem Gericht oder der Staatsanwalt­ schaft angeordnet ist oder das Gericht oder die Staatsanwaltschaft um die Herausgabe ersucht.

§ 28. Wird die Herausgabe abgelehnt, so ist der Antragsteller unter Angabe des Grundes hievon in Kenntniß zu setzen. § 29. Die Empfangnahme geschieht in der Regel persönlich. Ueber die Herausgabe ist ein Protokoll aufzunehmcn. Das Protokoll soll eine Angabe darüber enthalten, ob die Hinterlegungsbeamten, bei der Herausgabe einer Urkunde, die kein Werthpapier ist, der zweite Hinter­ legungsbeamte, den Empfänger kennen und, sofern dies nicht der Fall ist, in welcher Weise sie sich Gewißheit über die Persönlichkeit verschafft haben. § 30. Auf schriftlichen Antrag des Empfangsberechtigten wird die herauszugebende Sache ihm mit der Anfforderung, einen Empfangsschein cinzusenden, durch die Post übersendet. Die Uebersendung geschieht auf Kosten und Gefahr des Empfangsberechtigten. Uebersteigt der Werth der herauszugebenden Sachen den Betrag von eintausend Mark oder soll die Uebersendung in das Ausland erfolgen, so muß die Unterschrift des An­ tragstellers öffentlich beglaubigt sein. Der Postschein dient der Hinterlegungsstelle als Rechnungsbeleg. § 31. Im Verkehre mit Behörden erfolgt die Herausgabe auf schriftlichem Wege mittels Postsendung. 4. Verkauf vo» Kostbarkeiten vo» Amtöwege». § 32. Ist über Kostbarkeiten innerhalb zehn Jahren vom Tage der Hinterlegung an eine Verfügung nicht getroffen worden, so kann die Hinterlegungsstelle den freihändigen Verkauf der Kostbarkeiten veranlassen. Der Verkauf von Gold- oder Silbersachen darf nur zu einem Preise

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XLVIII. Hinterlegungsordnung.

bewirkt werden, welcher den Gold- oder Silberwerth erreicht. Der Erlös, von welchem die Verkaufskosten zu kürzen sind, wird wie hinterlegtes Geld weiter verwaltet. Der Hinterleger und die bei der Hinterlegung sonst betheiligten Per­ sonen sind von dem beabsichtigten Verkaufe mindestens drei Monate vorher mittels eingeschriebenen Briefes zu benachrichtigen. Die Benachrichtigung darf unterbleiben, wenn sie unthunlich ist. Diese Vorschriften finden auf Hinterlegungen, welche erfolgt sind 1. von dem Vater oder der Mutter, dem Vormunde, Pfleger oder Beistand auf Grund des § 1667 oder der §§ 1814, 1818 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs, 2. auf Anordnung der Fideikommißbehörde in Familienfideikommißsachen, mit der Maßgabe Anwendung, daß der Verkauf nicht vor dem Ablaufe von fünf Jahren seit der Beendigung der elterlichen Gewalt oder der Vor­ mundschaft oder Pflegschaft oder seitdein die Sache die Eigenschaft als Vermögensstück des Fideikommisses verloren hat, angeordnet werden darf. 5. Erloschen des Anspruchs ans Herausgabe.

§ 33.

In den Fällen des § 382, des § 1171 Abs. 3 und des § 1269 Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erlischt der Anspruch auf Herausgabe mit dem Ablaufe von einunddreißig Jahren, wenn nicht der Empfangsberechtigte sich vorher bei der Hinterlegungsstelle meldet. Die Frist beginnt tut Falle des § 382 mit dem Ende des Monats, in dem der Gläubiger die Anzeige des Schuldners von der Hinterlegung erhalten hat, in den übrigen Füllen mit der Erlassung des Ausschlußurtheils. Das Gericht hat das Ausschlußurtheil der Hinterlegungsstelle mitztttheilen.

§ 34. In den Fällen des § 117 Abs. 2 und der §§ 120,121, 124, 126 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung erlischt der Anspruch auf Herausgabe mit dem Ablaufe von einunddreißig Jahren, wenn nicht der Empfangsberechtigte sich vorher bei der Hinter­ legungsstelle meldet. Die Frist beginnt mit der Hinterlegung, in den Fällen der §§ 120, 121 mit dem Ende des Monats, in dem die Bedingung eingetreten ist, unter welcher die Hinterlegung erfolgt ist. Kann der Ein­ tritt der Bedingung nicht ermittelt werden, so beginnt die Frist mit dein Ablaufe von 10 Jahren seit der Hinterlegung oder, wenn die Bedingung erst in einem späteren Zeitpunkt eintreten konnte, seit diesem Zeitpunkte. § 35. In den übrigen Fällen erlischt der Anspruch auf Heraus­ gabe mit dem Ablaufe von dreißig Jahren nach der Hinterlegung, wenn nicht der Empfangsberechtigte sich vorher bei der Hinterlegungsstelle meldet. Bei Hinterlegungen, welche erfolgt sind 1. auf Grund des § 1667 oder der §§ 1814, 1818 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs von dem Vater oder der Mutter, dein Vormuude, Pfleger oder Beistände, 2. auf Ersuchen der Fideikvminißbehörde in einer Familienfidcikommißsache.

XLVIII. Hinlerlegungsordnung.

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beginnt die Frist mit dem Ende des Monats, in welchem bit elterliche Gewalt, die Vormundschaft oder Pflegschaft oder die Eigenschaft der Sache als Vermögensstück des Fideikommisses aufgehört hat.

§ 36, Hat in den Fällen des § 35 innerhalb der Frist ein Be­ theiligter die Fortdauer der Veranlassung zur Hinterlegung angezeigt und nachgewiesen, so beginnt die Frist mit dem Ende des Monats, in welchem der Betheiligte die Anzeige gemacht hat, von Neuem. Im Falle der Anbringung eines Gesuchs um Herausgabe von Zins-, Renten- oder Gewinnantheilscheinen oder von Erneuerungsscheinen hinterlegter Werthpapiere sowie im Falle der Zurückweisung eines Gesuchs um Herausgabe hinterlegter Sachen findet die Vorschrift des Abs. 1 ent­ sprechende Anwendung, wenn anzunehmen ist, daß zur Zeit der Anbringung des Gesuchs die Veranlassung zur Hinterlegung noch fortdauerte. § 37,

Das Erlöschen des Anspruchs kommt dem Fiskus zu statten.

§ 38, Hinterlegte Urkunden, die nicht Werthpapiere sind, können, wenn der Anspruch auf Herausgabe erloschen ist, auf Auordnung der Hinterlegungsstelle vernichtet werden. K 39, Im Juni und im Dezember jedes Jahres hat die Hinter­ legungsstelle ein Verzeichniß der Massen, bei welchen im Laufe des nächsten Jahres das Erlöschen des Anspruchs auf Herausgabe bevorsteht, durch An­ heftung an die Gerichtstafel und durch einmalige Einrückung in das für die Bekanntmachungen des Amtsgerichts bestimmte Blatt öffentlich bekannt zu machen. In das im Juni bekannt zu machende Verzeichniß sind die Massen anfzunehmen, bei welchen der Anspruch in der ersten Hälfte des nächsten Kalenderjahrs, in das im Dezeinbcr bekannt zu machende Ver­ zeichniß sind die Massen anfzunehmen, bei welchen der Anspruch in der zweiten Hälfte des nächsten Kalenderjahrs erlischt. In das Verzeichniß sind die im § 13 Abs. 2 Nr. 1, 2, 4 bezeichneten Angaben sowie der wesentliche Inhalt der im § 13 Abs. 2 Nr. 3 bezeichneten Angabe auf­ zunehmen. Das Verzeichniß soll vor dem Ablaufe von sechs Monaten seit der Anheftung von der Gerichtstafel nicht abgenommen werden. Die Einrückung in das Blatt darf unterbleiben, wenn die Kosten dem Bestände der Massen gegenüber, bei welchen das Erlöschen des Anspruchs auf Herausgabe bevorsteht, unverhältnißmäßig groß sind. 6. Vorläufige Verwahrung.

§ 40.

Die Amtsgerichte, für deren Bezirke ein anderes Amts­ gericht als Hinterlegungsstelle bestimmt ist, haben Geld, Werthpapiere und Kostbarkeiten in vorläufige Verwahrung zu nehmen, wenn von der Hinter­ legung abhängt:

1. die Zulassung eines Dritten zur einstweiligen Prozeßführung; 2. die Zulassung eines Ausländers zur Prozeßführung;

3. 4. stellung, 5.

die der die die

Vollstreckbarkeit einer Entscheidung; Beginn, die Fortsetzung, die einstweilige Einstellung, die Ein­ Beschränkung oder die Abwendung einer Zwangsvollstreckung; Aufhebung einer erfolgten Vollstreckungsmaßregcl;

Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze (Bayern.)

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XLVm. Hinterlegungsordnung.

6. die Anordnung, die Vollziehung, die Abwendung der Vollziehung, die Bestätigung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrestes, einer einst­ weiligen Verfügung oder einer sonstigen Sicherheitsmaßregel; 7. die Freilassung des Beschuldigten; 8. der Aufschub der Strafvollstreckung. Mit der Annahme zur vorläufigen Verwahrung gilt die Hinter­ legung als bewirkt.

§ 41. Das Gesuch um Annahme zur vorläufigen Verwahrung ist bei dem Amtsgerichte schriftlich oder zum Protokolle des Gerichts­ schreibers zu stellen. Dem Gesuche muß die Hinterlegungserklärung (88 13—15) in zwei Exemplaren beigefügt werden. § 42. Die Annahme zur vorläufigen Verwahrung sowie die Herausgabe erfolgt nur auf Weisung des Amtsgerichts. Im Uebrigcn finden die Vorschriften der §8 12, 18, 19, 21 bis 31 entsprechende Anwendung. § 43. Die vorläufige Verwahrung geschieht unter gemeinschaftlichem Verschluß eines Richters und eines Gerichtsschreibers des Amtsgerichts. Die Aufstellung des Richters und des Gerichtsschreibers erfolgt für die Dauer eines Geschäftsjahrs durch den Präsidenten des Landgerichts. Die Vorschriften der 88 5, 7, des 8 8 Abs. 1 und der 88 10, 11 finden entsprechende Anwendung. § 44. Das Amtsgericht kann die Hinterlegung der Sachen bei der Hinterlegungsstelle jederzeit bethätigen. Es hat sie zu bethätigen, wenn anzunehmen ist, daß die Herausgabe nicht binnen zwei Wochen er­ folgen werde. Der Sendung an die Hinterlegungsstelle sind eine beglaubigte Ab­ schrift der amtsgerichtlichen Hinterlegungsweisung (Abs. 1) und das zurück­ behaltene Exemplar der Hinterlegungserklärung beizufügen. Die Sendung geschieht auf Kosten und Gefahr des Hinterlegers. Die Hinterlegungsstelle hat dem Hinterleger eine Bescheinigung über die Hinterlegung, dem Amtsgericht Abschrift dieser Bescheinigung mitzutheilen. § 45. Die Amtsgerichte, für deren Bezirke ein anderes Amts­ gericht als Hinterlegungsstelle bestimmt ist, können, wenn dies nach den Uinständen für zweckmäßig erachtet wird, die auf Grund der 88 1667, 1814, 1818, 1960 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu hinterlegenden Sachen nach den für die vorläufige Verwahrung geltenden Vorschriften übernehmen und die Hinterlegung selbst besorgen. Sie können in solchen Fällen auch anordnen, daß die herauszugebenden Sachen an sie übersendet werden, und die Herausgabe selbst vornehmen. Zu den in den Abs. 1, 2 bezeichneten Anordnungen ist das Vor­ mundschaftsgericht, im Falle des 8 1960 das Nachlaßgcricht zuständig.

II. Besorgung des Hinterlegungswesens durch die K. Bank. § 46. Die Nebertragung der Besorgung des Hinterlegungswesens an die K. Bank erfolgt durch Anordnung der Staatsmiuisterien der Justiz und der Finanzen.

XLV1IL Hinterlegungsordnung.

1299

§ 47. Die K. Bank kann auch nicht kassenmäßiges Geld zur Hinterlegung annehmen. Sie ist jedoch berechtigt, es in kastenmäßiges umzusetzen, wenn die Umsetzung nach den Umständen des Falles zweckmäßig erscheint und die Behörde, auf deren Anordnung oder Weisung die Hinter­ legung beruht, die Umsetzung nicht verboten hat. Die K. Bank haftet nur für den bei der Umsetzung als Reinerlös erzielten Betrag. Hinterlegtes kastenmäßiges oder in kastenmäßiges umgesetztes Geld geht in das Eigenthum der K. Bank über, welche dem Empfangsberechtigten

zur Zahlung des Kapitals und der Zinsen verpflichtet ist. Die Verzinsung wird nach dem Ablaufe von 5 Jahren seit der Hinterlegung eingestellt, wenn nicht ein Betheiligter die Fortdauer der Hinterlegung anzeigt und nachweist. Der Zinsfuß.und der Beginn der Verzinsung, ferner die Fälle, in denen nicht erhobene Zinsen bezüglich der Verzinsung als neue Anlagen zu gelten haben, werden durch die Staatsministerien der Justiz und der Finanzen bestimmt. Hinterlegte nicht kastenmäßige Gelder, Werthpapiere und Kostbarkeiten werden gesondert verwahrt.

§ 48. Die für das Verfahren bei der Hinterlegung bezüglich der amtsgerichtlichen Hinterlegungsstellen geltenden Vorschriften der §§ 12 bis 16, 18 bis 22 finden Anwendung. Die Hinterlegungserklärung kann zum Protokolle des Gerichtsschreibers des Amtsgerichts, für dessen Bezirk die K. Bank Hinterlegungsstelle ist, oder eines anderen Amtsgerichts ab­ gegeben werden; ist die Rechtssache, in welcher die Hinterlegung erfolgt, bei dem Landgericht oder einem Gerichte höherer Art anhängig, so kann die Erklärung auch zum Protokolle des Gerichtsschreibers des Gerichts er­ folgen, bei welchem die Sache anhängig ist. § 49. Die Herausgabe der hinterlegten Sachen findet nur auf Weisung des Amtsgerichts statt, für dessen Bezirk, die K. Bank Hinter­ legungsstelle ist. Tie Weisung hat den Namen, den Stand oder das Ge­ werbe und den Wohnort des Empfangsberechtigten sowie die herauszugebende Sache anzugeben. Der Weisung bedarf es nicht: 1. wenn durch rechtskräftige Entscheidung die Berechtigung zur Empfangnahme festgestellt ist; 2. wenn die Herausgabe von dem Gericht oder der Staatsanwalt­ schaft angeordnet ist oder das Gericht oder die Staatsanwaltschaft um die Herausgabe ersucht.

§ 50. Im klebrigen finden die für das Verfahren bei der Herausgabe bezüglich der amtsgerichtlichen Hinterlegungsstellen geltenden Vorschriften der §§ 23 bis 28, des § 29 Abs. 1 und der §§ 30, 31 Anwendung. Für die Weisung des Amtsgerichts gelten die §§ 27, 28. § 51. Der Antrag auf Herausgabe kann zum Protokolle des Ge­ richtsschreibers des Amtsgerichts, für dessen Bezirk die K. Bank Hinter­ legungsstelle ist, oder eines anderen Amtsgerichts gestellt werden. Der Antragsteller kann beantragen, daß das Amtsgericht die Weisung der K. Bank übersendet.

1300

XLVIII. Hinterlegungsordnung.

§ 52. Die Vorschriften der §§ 32 bis 39 finden mit nachstehenden Abweichungen Anwendung. Das Erloschen des Anspruchs auf Herausgabe tritt, wenn das hinter­ legte Geld von der K. Bank verzinst wird, nicht vor dem Ablaufe von fünf Jahren seit der Einstelltlng oder der letzten Eiitstellung der Ver­ zinsung ein. Der Anspruch auf Herausgabe erlischt zu Gunsten der K. Bank. Das im § 39 vvrgeschriebene Verzeichnis; hat die K. Bank in: Ein­ vernehmen mit dem Amtsgerichte herzustellen, für dessen Bezirk sie Hinter­ legungsstelle ist. Soweit zur Herstellung des Verzeichnisses Erhebungen erforderlich sind, hat sie das Amtsgericht vorzunehincn. § 53.

Die Vorschriften des § 9 gelten auch für die K. Bank. Der Hinterleger kann jederzeit bei der K. Bank beantragen, daß die hinterlegte Sache nach den für die Verwaltung offener Depots jeweils geltenden Grundsätzen der K. Bank verwaltet wird. Der Antrag kann in die Hinterlegungserklärung ausgenommen werden. Die Vorschriften über die Herausgabe werden durch die Uebernahme zur Ver­ waltung als offenes Depot nicht berührt.

§ 54. Ueber die Art der Verwahrung, die Einrichtung der bei der K. Bank cinznrichtenden Hinterlegungsbureaus, die Buch- und Kasseführung und die Aufsicht über die Hinterlegungsbureans werden die erforderlichen Bestimmungen durch ein nach §3 Abs.2 der Verordnung vom 13. Dezember 1878, die Formation und den Wirkungskreis der K. Bayerischen Bank betreffend, zu erlassendes Reglement getroffen.

§ 55. Ueber Beschwerden gegen die Geschäftsführung der K. Bank entscheidet das Staatsministerium der Finanzen. Für Beschwerden gegen Verfügungen des Amtsgerichts (§ 49) gelten die Vorschriften des § 10. III. Schluß- und Uebergangsbestimmuugen.

§ 56. Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1900 in Kraft. Mit dem gleichen Zeitpunkte werden die Verordnungen vom 8. September 1879, die Behandlung des Depositenwesens bei den Gerichten in den Landestheilen rechts des Rheins betreffend, vom 25. September 1879, das gerichtliche Hinterlegungswescn im Regierungsbezirke der Pfalz betreffend, und vom 17. Oktober 1888, das gerichtliche Hinterlegungswesen in der Pfalz betreffend, aufgehoben. § 57. Die Vorschriften dieser Verordnung finden glich auf frühere Hinterlegungen Anwendung. Müncheli, den 18. Dezember 1899.

Luitpold, Prinz von Bayern, des Dr. Frhr. v. Riedel. Auf Allerhöchsten Befehl:

Königreichs Bayern Verweser.

Dr. Frhr v. Leonrod.

Der General-Sekretär: Muüsterialrath

v. Thelemann.

XL1X. Zuständigkeitsverordnung.

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XLDC Königlich Allerhöchste Verordnung zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und seiner Rebengesetze (Gesetz- und Berordnnngsblatt für das Königreich Bayern 1899 Nr. 64 vom 30. Dezember 1899 Seite 1229 bis 1235.)

3in Namen Seiner Majestät des Königs. Luitpold, von Gottes Gnaden Königlicher Prinz von Bayern, Regent. Wir finden Uns bewogen, zur Ausführung des Bürgerlichen Ge­ setzbuchs und seiner Nebengesetze zu verordnen, was folgt:

Namensänderung««. § 1. Ueber Gesuche um die Bewilligung zur Aenderung des Familien­ namens hat das Staatsministerium des Innern im Benehmen mit dem Staatsministerium der Justiz und, wenn es sich um einen adeligen Namen handelt, das Staatsministerium des Königlichen Hanfes und des Aeußern im Benehmen mit den genannten Staatsministerien Uns zu berichten.

§ 2. Die zu einer Aenderung des Vornamens erforderliche Be­ willigung wird von der Distriktspolizeibehörde ertheilt, in deren Bezirke der Antragsteller seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen Aufenthalt hat. Hat der Antragsteller in Bayern weder seinen Wohnsitz noch seinen Aufenthalt, so ist die Distriktspolizeibehörde der Heimatgemeinde des Antragstellers zuständig. In München ist die Polizei­ direktion zuständig. Die Distriktspolizeibehörde hat sich vor der Entscheidung über das Gesuch mit dem Staatsanwalte bei dem Landgerichte zu benehmen. § 3. Die erforderlichen Ausführungsbestimmungen werden von den Staatsministerien der Justiz und des Innern gemeinschaftlich erlassen?) In Ansehung von adeligen Namen werden die erforderlichen Ausführungsbestimmungen vom Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Aeußern erlassen. vereine «nd Stiftungen. § 4 Die Verleihung der Rechtsfähigkeit an einen Verein, dessen Zweck auf einen wirthschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, behalten Wir Unserer Entschließung nach Vernehmung des Staatsministeriums des Innern vor. Das Gleiche gilt von der Genehmigung einer Aenderung des Zweckes des Vereins. Die Genehmigung einer sonstigen Aenderung der Satzung steht dem Staatsministerium des Innern zu. *) Bekanntmachung vom 27. Dezember 1899, G.- u. V.-Bl 1899 S. 1241—1244.

Namensänderungen betreffend,

1302

XLIX. Zuständigkeitsverordnung.

§ 5. Die Ertheilung der zur Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung erforderlichen Genehmigung behalten Wir Unserer Entschließ­ ung vor. Ermächtigung von Handelsmäklern zn Kaufgeschäften. § 6. Die öffentliche Ermächtigung, deren Handelsmäkler zu ge­ wissen Verkäufen oder Käufen bedürfen, wird vom Staatsministerium des Innern im Benehmen mit dem Staatsministerium der Justiz ertheilt. Die Ermächtigung wird erst wirksam, wenn der Handelsmäkler den Eid geleistet hat, daß er die ihm obliegenden Pflichten getreu erfüllen werde. Zur Abnahme des Eides ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirke der Handelsmäkler seine Geschäftsräume oder in Ermangelung solcher seine Wohnung hat. Die Ermächtigung kann von dem Staatsministerium des Innern jederzeit zurückgenommen werden. 6 efin bcvcdj t. § 7. Nach Artikel 16 des Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche das Halten von Dienstboten zu untersagen und die Entlassung von Dienstboten zu erzwingen, ist sowohl die Orts- als auch die Distrikts­ polizeibehörde zuständig. In München ist die Polizeidirektion zuständig. Schuldverschreibungen ans den Znhaber. § 8. Die nach dem Artikel 90 des Ausführungsgesetzes zum Bürger­ lichen Gesetzbuche der Distriktspolizeibehörde obliegenden Verrichtungen hat in München die Polizeidirektion wahrzunehmen. § 9. Die für Schuldverschreibungen aus den Inhaber nach § 795 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erforderliche Genehmigung wird durch das Staatsministerium des Innern im Benehmen mit den: Staatsministerium der Justiz und dem Staatsministerium der Finanzen ertheilt. Für Schuldverschreibungen, die von Verkehrsunternehmungen aus­ gestellt werden, erfolgt die Genehmigung durch das Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Aeußern und das Staatsministerium des Innern im Benehmen mit dem Staatsministerium der Justiz und dem Staatsministerium der Finanzen. Für Schuldverschreibungen der pfälzischen Eisenbahnen wird die Genehmigung aus Grund Unserer Ermächtigung durch das Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Aeußern und das Staatsmiuisterium der Finanzen ertheilt. § 10. Die Gläubiger, welche nach § 4 Abs. 2 des Gesetzes, be­ treffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen, vom 4. Dezember 1899 (Reichs-Gesetzblatt S. 691), bei dem Amtsgerichte den Antrag stellen, sie zur. Berufung einer Versammlung der Gläubiger zu ermächtigen, und die Gläubiger, welche in einer Versammlung der Gläubiger ihr Stimmrecht ausüben wollen (§ 10 Abs. 2 des bezeichneten Gesetzes), können ihre Schuldverschreibungen außer bei der Reichsbank oder bei einem Notar auch bei der K. Bank hinterlegen. Eintragung einer Hypothek für ein Darlehen einer Kreditanstalt. § 11. Für die im § 1115 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgesehene öffentliche Bekanntmachung der Satzung einer Kreditanstalt ist

XLIX. Zuständigkeitsverordnung

1303

das Staatsministerium des Innern zuständig. Die Bekanntmachung soll im Gesetz- und Derordnungs-Blatte veröffentlicht werden.

Befrei««- von Ehehiuderniffe« und ve« Aufgebote.

§ 12.

Die Befreiung von der Vorschrift, daß eine Frau nicht vor der Vollendung des sechzehnten Lebensjahrs eine Ehe eingehen darf, sowie von dem Verbote der Eheschließung zwischen einem wegen Ehebruchs geschiedenen Ehegatten und demjenigen, mit welchem der geschiedene Ehe­ gatte den Ehebruch begangen hat, behalten Wir Unserer Entschließung nach Vernehmung des Staatsministeriums der Justiz vor.

§ 13. Die Befreiung von der Vorschrift, daß eine Frau erst zehn Monate nach der Auflösung oder Nichtigkeitserklärung ihrer früheren Ehe eine neue Ehe eingehen darf, wird von dem Staatsministerium der Justiz ertheilt.

§ 14. Die Befreiung von dem vor der Eheschließung zu erlassenden Aufgebote wird in den Landestheilen rechts des Rheins von der Distrikts­ verwaltungsbehörde, in der Pfalz von dem Staatsanwalts bei dem Land­ gericht ertheilt, in dessen Bezirke der zur Anordnung des Aufgebots zu­ ständige Standesbeamte seinen Amtssitz hat. In München wird die Be­ freiung vom Magistrat ertheilt. Erklär««-»« über de« Familienname«.

K 15.

Nimmt eine geschiedene Frau auf Grund des § 1577 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ihren Familiennamen oder, falls sie vor der Eingehung der geschiedenen Ehe verheiratet war, den Namen, den sie zur Zeit der Eingehung dieser Ehe hatte, wieder an, so ist zur Ent­ gegennahme der hierauf gerichteten Erklärung die Distriktspolizeibehörde zuständig, in deren Bezirke die Frau ihren Wohnsitz oder in Ermangelung eines im deutschen Reiche gelegenen Wohnsitzes ihren Aufenthalt hat.

§ 16. Untersagt der Mann aus Grund des § 1577 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs der von ihm geschiedenen Frau die Führung seines Namens, so ist zur Entgegennahme der hierauf gerichteten Erklärung die Distriktspolizeibehörde zuständig, in deren Bezirke der Mann seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines im deutschen Reiche gelegenen Wohnsitzes seinen Aufenthalt hat.

§ 17. Ist nach § 1575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die eheliche Gemeinschaft ausgehoben, so finden die Vorschriften der §§ 15, 16 auf die Wiederannahme des früheren Namens und die Untersagung der Fort­ führung des Namens entsprechende Anwendung. § 18. Ertheilt der Ehemann der Mutter eines unehelichen Kindes dem Kinde mit Einwilligung der Mutter und des Kindes nach § 1706 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs seinen Namen, so ist zur Entgegen­ nahme der hierauf gerichteten Erklärung die Distriktspolizeibehörde zuständig, in deren Bezirke der Ehemann seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines im deutschen Reiche gelegenen Wohnsitzes seinen Aufenthalt hat.

§ 19. Zur Entgegennahme der in den §§ 15 bis 18 bezeichneten Erklärungen ist in München die Polizeidirektion zuständig.

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XLIX. Zuständlgkeltsverordnung

Ehelichkeitserklärnng. Die Ehelichkeitserklärung behalten Wir Unserer Ent­ schließung nach Vernehmung des Staatsministeriums der Justiz vor. Der Antrag aus Ehelichkeitserklärung ist bei dem Amtsgericht ein­ zureichen, in dessen Bezirke der Vater seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines im deutschen Reiche gelegenen Wohnsitzes seinen Aufenthalt hat. Hat der Vater in Bayern seinen Wohnsitz oder Aufenthalt nicht, so ist der Antrag bei dem Amtsgericht einzureichen, in dessen Bezirke die Heimat­ gemeinde des Vaters gelegen ist. Annahme an Kindesstatt. 8 21. Die Befreiung von dem für die Annahme an Kindesstatt erforderlichen Alter des Annehmenden behalten Wir Unserer Ent­ schließung nach Vernehmung des Staatsministeriums der Justiz vor. Das Gesuch um Bewilligung der Befreiung ist bei dem Amtsgericht anzubringen, das für die Bestätigung des Annahmevertrags zuständig ist. Ist hiezu ein bayerisches Gericht nicht zuständig, so ist das Gesuch bei dem Amtsgericht anzubringen, in dessen Bezirke die Heimatgemeinde des Annehmenden gelegen ist. Aaleguag tum Mündelgeld bei Sparkasse«. 8 22. Die Erklärung, daß eine öffentliche Sparkasse zur Anlegung von Mündelgeld geeignet ist, steht dem Staatsministerium der Justiz zu. Das Staatsministerium der Justiz kann die Zulassung zur An­ legung von Mündelgeld jederzeit widerrufen. Anftaltsvarmund. § 23. Die Anordnung, daß der Vorstand einer unter staatlicher Verwaltung oder Aufsicht stehenden Erziehungs- oder Derpflegungsanstalt die Rechte und Pflichten eines Vormundes für die zur Erziehung oder Verpflegung in die Anstalt aufgenommenen Minderjährigen hat, wird von dem Staatsministerium der Justiz und demjenigen Staatsmmisterium erlassen, unter dessen Aufsicht die Anstalt steht.

K 20.

Vollziehung einer Anslage von'öffentlichem Jntrreffe. Zuständig die im öffentlichen Interesse liegende Vollziehung einer Auflage zu verlangen (§ 525 Abs. 2, § 2194 Satz 2 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs), ist die Behörde, zu deren Wirkungskreise die Wahrung des Interesses gehört, sofern nicht nach Artikel 107 des Ausführungs­ gesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche die Behörde einer Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechtes hiefür zuständig ist.

K 24.

AnSführnngSvorschriste« znm Handelsgesetzbuche. Für die Erlassung von Bestimmungen, durch welche die Grenze des Kleingewerbes nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 des Handels­ gesetzbuchs näher festgesetzt wird, sind die Staatsministerien der Justiz und des Innern gemeinschaftlich zuständig.

8 25.

8 26. Die Vorschrift des § 25 gilt auch von der im § 30 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs vorgesehenen Bestimmung, daß benachbarte Orte oder Gemeinden als ein Ort oder als eine Gemeinde im Sinne der Vorschriften des § 30 des Handelsgesetzbuchs anzusehen sind.

8 27. Für die Ertheilung der im § 363 Abs. 2 des Handels­ gesetzbuchs bezeichneten Ermächtigung zur Ausstellung von Lagerscheinen

XLIX. Zustandlgkeitsverordmmg.

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ist das Staatsministerium des Innern im Benehmen mit dem Staats­ ministerium der Justiz zuständig.

§ 28. Zur Erlassung der Eisenbahnverkehrsordnung (§§ 453 ff. des Handelsgesetzbuchs) ist das Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Aeußern zuständig. Führung des Schiffsregisters.

§ 29.

Für die Uebertragung der Führung des Schiffsregisters für die Bezirke mehrerer Gerichte an eines von diesen (§ 120 des Gesetzes vom 15. Juni 1895, betreffend die privatrechtlichen Berhältniffe der Binnenschiffahrt) ist das Staatsministerium der Justiz zuständig.

§ 30. Für die Bestimmung, daß auch Schiffe von einer geringeren als der im § 119 des Gesetzes vom 15. Juni 1895, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, bestimmten Tragfähig­ keit in das Schiffsregister eingetragen werden, ist das Staatsministerium der Justiz zuständig. München, den 24. Dezember 1899.

Luitpold,

Prinz von Bayern, des Königreichs Bayern Verweser.

Dr Frhr. v. Crailsheim. Dr Frhr. v. Riedel. Frhr. v. Feilitzsch. Dr Frhr. v. Leonrod. Frhr. v. Asch. Dr v. Landmann

Auf Allerhöchsten Befehl: Der General-Sekretar: Ministerialrath v. Thelemann

1306

L. Ausführungsgesetz zur C.P.O. u. K.O

L. Gesetz zur Ausführung der Reilhs-kivilprozeßordumg und KonkurSorduung vom 23. Februar 1879 in der Fassung nach Artikel 166 des UnSfnhrnngsgesetzes zum Bürgerliche« Gesetz­ buch» vom 9. Juni 1899, der erste Abschnitt nach der Bekanntmachnng des K. Staats­ ministeriums der Znstiz vom 26. Jnni 1899.

(Gesetz- und Verordnungsblatt 1879 S. 63 ff., 1899 S. 304 und Beilage zu Nr. 28 vom 12. Juni S. 60ff u. S. 82, endlich 1899 S. 401 ff.)1)

Erster Abschnitt.

Bestimmungen für da§ ganze Aünigreich. Gerichtsstand der Civilliste des Königs.

Art. 1. Die Civilliste des Königs hat ihren allgemeinen Gerichts­ stand vor den Gerichten der Hauptstadt. Ist die Hauptstadt in mehrere Gerichtsbezirke getheilt, so wird das Nähere durch Verordnung bestimmt. Betretung des Administrativwegs vor der Klagestellunß gegen den k. Fiskus.

Art. 2. Ansprüche gegen den k. Fiskus können erst dann ge­ richtlich verfolgt werden, wenn der Betheiligte sich an die zunächst zuständige höhere Verwaltungsstelle um Abhülfe gewendet und entweder eine abschlägige oder -innerhalb sechs Wochen gar keine. Entschließung erhalten hat. Die Verwaltungsstellen haben über solche Gesuche' den Betheiligten die Empfangsbescheinigung ungesäumt und unentgeltlich auszufertigen. x) Auf Grund der im Art. 179 A.G. 3. B G.B. enthaltenen Ermächtigung hat das K. Staatsministerium der Justiz den Text des 1. Abschnitts unter fortlaufender Nummernfolge der Artikel und unter Berichtigung der Verweisungen in Nr. 34 des G u. V Bl. v. >0. Juli 1899 S. 401 ff. bekannt gemacht. Die in Klammern bei­ gefügten Ziffern find die bisherigen Nummern der Artikel. Abgesehen von den in Art. 166 AG. z B.G.B. enthaltenen Aenderungen sabgedruckt unter Nr. XLIV der Sammlung) kommt für die nachstehende Fassung in Betracht. a) Art 34 bis 44 waren schon vor ihrem Inkrafttreten durch das ReichsAnfechtungsgesetz soben X] ersetzt worden. b) Art. 122 ist gegenstandslos geworden. c) Art. 170 ist durch Art. 33 Nr. 1 des pfälzischen Liegenschaftsgesetzes soben XL] und d) Art. 175 durch Art. 41 Abs. 1 des Gesetzes vom 26 April 1888, die Ab­ änderung von Bestimmungen des in der Pfalz geltenden Hypotheken- und Vormundschaftsrechts betr., aufgehoben worden. Vgl im Uebrigen die einzelnen Noten. Aufgehobene, aber für die Uebergangszeit noch fortgeltende Vorschriften find durch Kursivdruck gekennzeichnet.

L. Aussührungsgesetz zur C.P.O. u. K O

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Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen werden durch die Bestimmung des Abs. 1 nicht berührt.

Urkundenedition durch öffentliche Behörden.

Art. 3. Von Urkunden, welche sich bei einer öffentlichen Behörde befinden, hat diese, unbeschadet der Vorschriften der §§ 810, 811 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Be­ stimmungen, Vorlage und Einsicht zu gewähren und beglaubigte Abschrift zu ertheilen, wenn die Zustimmung desjenigen, auf dessen Antrag oder in dessen Interesse die Urkunde bei der Behörde errichtet oder hinterlegt wurde, beigebracht oder seine Verpflichtung hiezu rechtskräftig ausgesprochen ist. Vollstreckungsrecht der Verwaltungsbehörden.

Art. 4. Die bestehenden Vorschriften über das Vollstreckungsrecht der Verwaltungsbehörden und über die Organe und die Mittel der Zwangs­ vollstreckung bleiben vorbehaltlich der Bestimmungen der Art. 6 und 7 tn Kraft.

Art^ 5. Den Hauptzollämtern steht das Vollstreckungsrecht in An­ sehung der von ihnen verwalteten Zölle, Steuern und Gebühren zu. Art. 6. Beschlüsse und Urkunden derjenigen Verwaltungsbehörden, welchen das Vollstreckungsrecht zusteht oder welchen das Gesetz die Befugniß zur Ausfertigung vollstreckbarer Urkunden einräumt, sind, wenn es sich nm eine Geldleistung handelt und eines der zum Vollzüge von Urtheilen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gegebenen Vollstreckungsmittel angewendet werden soll, von ihnen mit der Vollstreckungsklausel: „Vorstehende Urkunde (Ausfertigung) wird hiemit für vollstreckbar erklärt" zu versehen und werden dadurch im ganzen Königreiche vollstreckbar. Die Vollstreckungsklausel darf erst beigefügt werden, penn die ge­ setzlichen Voraussetzungen der Vollstreckung gegeben sind. Ob die Vollstreckungsklausel der Urschrift oder einer Ausfertigung beizufügen ist, wird durch Verordnung bestimmt.

Art. 7. Bei den auf Grund des Art. 6 stattfindenden Zwangs­ vollstreckungen sind die Bestimmungen der Civilprozeßordnung maßgebend. Die Verwaltungsbehörden können die Zwangsvollstreckung, soweit sie nicht den Gerichten zugewiesen ist, sowohl durch die ihnen zu Gebote stehenden besonderen Vollzugsorgane als auch durch Gerichtsvollzieher bewirken lasse». Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung, welche den Rechts­ bestand oder die Auslegung der Entscheidung der Verwaltungsbehörde oder die Frage betreffen, ob die Forderung, für welche die Vollstreckung stattfindet, überhaupt oder in der angesprochenen Größe entstanden ist, und Einwendungen, welche die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel betreffen, sind, soweit das Verhältniß, in welchem die Forderung ihren Grund hat, dem Verwaltungsgebiet angehört, bei der zuständigen Verwaltungsbehörde geltend zu machen. Ueber alle sonstigen Einwendungen und Streitigkeiten haben die Gerichte zu entscheiden.

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L. Ausführungsgesetz zur C.P.O u KO.

Art. 8. Die Bestimmungen der Art. 4, 6 und 7 finden aus die Gemeinde- und Stiftungsverwaltungen entsprechende Anwendung. Zwangsvollstreckung gegen den k. Fiskus, Gemeinden, Körperschaften und Stiftungen.

Art. 9. Die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen gegen den k. Fiskus findet ohne Einmischung der Gerichte auf dem Verwaltungsweg unter Verantwortlichkeit der zuständigen Verwaltungsbehörden und Minister statt. Die Unzulänglichkeit der für die einschlägigen Dienstzweige bestimmten Gelder dient nicht zur Rechtfertigung einer Verzögerung. Für die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen gegen Gemeinden und die unter Leitung des Staates oder einer Gemeinde stehenden Körper­ schaften und Stiftungen haben die vom Staate bestellten Aufsichtsbehörden Anordnung zu treffen und diese, wenn die Gemeinde, Körperschaft oder Stiftung nicht selbst, soweit es ihren organischen Befugnissen entspricht, der Verpflichtung Genüge leistet, mittelst der durch die Verwaltungsgesetz­ gebung dargebotenen Zwangsmittel ohne Einmischung der Gerichte zum Vollzüge zu bringen. Die vorstehenden Bestimmungen finden keine Anwendung, soweit dingliche Rechte verfolgt werden. Art. 10. Ueber das Vermögen einer der im Art. 9 Abs. 2 be­ zeichneten juristischen Personen des öffentlichen Rechtes findet ein Konkurs nicht statt. Klagen auf Ersatz des bei Aufläufen verursachten Schadens.

Art. 11 (10). Die Ansprüche aus der Haftung des Staates oder der Gemeinden für den bei Zusammenrottungen verursachten Schaden sowie die Ansprüche des Fiskus gegen die betheiligten Gemeinden auf Ersatz der Kosten, die aus dem Einschreiten der bewaffneten Macht zur Erhaltung der inneren Sicherheit oder der gesetzlichen Ordnung entstehen, erlöschen mit dem Ablauf eines Jahres, wenn nicht vorher die Klage erhoben wird. Die einjährige Frist beginnt für die Ansprüche der ersteren Art mit der Beschädigung, für die Ansprüche der letzteren Art mit dem Zeitpunkt, in welchem die Verwendung der bewaffneten Macht ihr Ende erreicht. Ist die Haftungsverbindlichkeit mehrerer Gemeinden begründet, so müffen dieselben gemeinsam belangt werden. Hinfichtlich des Vollzugs der gegen die Beklagten ergehenden Urtheile verbleibt es bei den Bestimmungen der Gesetze vom 12. März 1850 und vom 4. Mai 1851. Der obsiegende Kläger hat den Vollzug bei der zu­ ständigen Behörde unter Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urtheils zu beantragen. Vermittelungsamt.

Art. 12 (11). Das Vermittelungsamt der Gemeinden, Militär­ behörden und Universitätsrektorate richtet fich nach den hierüber bestehenden besonderen Bestimmungen.

L

Aussühiungsgesetz zur CP.O u. K.O

1309

Für den Kläger besteht keine Verbindlichkeit zur Anrufung eines der vorbezeichneten Vermittelungsämter, und der zu Belangende unterliegt im Falle des Nichterscheinens weder einer Strafe noch dem Kostenersatze. Die Gemeindebedicnsteten, Militärbehörden und Universitätsrektorate handeln bei Ausübung des Vermittelungsamts als öffentliche Behörden. Ist ein Vergleich oder eine sonstige auf den Rechtsstreit bezügliche Uebereinkunft vor einem der vorbezeichneten Vermittelungsämter zu Stande gekommen, so ist darüber eine von den Betheiligten zu unterzeichnende Urkunde aufzunehmen. Durch solche Urkunden werden in den Fallen, in welchen das Ge­ setz Notariatsurkunden verlangt, diese nicht ersetzt. Zustellungen an Militärpersonen.

Art. 13 (20). Bei Zustellungen an Militärpersonen und bei Ladungen von Militärpersonen als Zeugen oder Sachverständige findet auch in den Angelegenheiten, für welche die Landesgesetze maßgebend sind, eine Mitwirkung der Militärbehörden nur soweit statt, als eine solche in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vorgeschrieben ist. Soweit hienach eine Mitwirkung der Militärbehörden einzutreten hat, ist für Zustellungen die Bestimmung des § 172 der Civilprozeßordnung, für Ladungen von Militärpersonen als Zeugen oder Sachverständige die Bestimmung des § 378 der Civilprozeßordnung maßgebend. Eidesmündigkeit.

Art. 14 (21). Personen, welche das sechzehnte Lebensjahr nicht zurückgelegt haben, darf, soweit nicht die Reichsgcsctze hieriiber bestimmen, ein Eid oder eine Versicherung an Eidesstatt von öffentlichen Behörden nicht abgenommen werden. Betheuerung an Eidesstatt.

Art. 15 (22). *) Mitgliedern von Religionsgesellschaften, deren Be­ kenntniß die Eidesleistung untersagt, ist au Stelle des Eides die dem Be­ kenntniß entsprechende Betheuerung gestattet. !) Die Vorschriften der früheren Artikel 25 — 33 bleiben nach Art. 166 Abs. 1 Nr XVI Abf.2 AG z BGB in Kraft, bis das Grundbuch als angelegt anzusehen ist. Doch war durch Art 45 tos 2 Satz2 des Gesetzes vom 29. Mai 188'6, Aenderungen der Bestimmungen über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen betreffend, die Geltung der Art 25, 28, 30 A G. z. CP O. u. K O. auf die Pfalz beschränkt worden und zwar vom 1 Januar 1887 ab. (Art. 47 des Gesetzes v 29 Mai 1886) Für das rechtsrheinische Bayern hatte Art. 44 Satz 1 desf. Gesetzes bestimmt: „Die Vollziehung des Arrestes in das unbewegliche Vermögen erfolgt durch Vormerkung einer Hypothek für den in den: Arrestbefehl gemäß § 803 der Civilprozeßordnung (alter Folge, jetzt unverändert § 923] festgestellten Geldbetrag " Uebergangsrecht: Art. 52, 53 A G. z G.B O. u Z V.G (abgedruckt unter XLVI] Die Art. 25—33 lauten: Vollziehung des Arrestes in das unbewegliche Vermögen. Art. 25. Die Vollziehung des Arrestes in unbewegliches Vermögen wird durch Eintragung einer Beschlagnahme zur Sicherung der Zwangsvollstreckung in das Hypothekenbuch bewirkt. Die Bestimmungen in Art. 21 Abs. 1 und 3 und Art. 22 des Gesetzes vom 23. Februar 1879, die Zivangsvollstreckung in das

1310

L. Ausführungsgeseh zur CPO. u K.O.

Zwangsenteignung.

Art. 16 (45). An Stelle der Art. XIX, XX, XXI und XXII Ziff. 5 und 6 des Gesetzes vom 17. November 1837, die Zwangsabtretung von Grundeigenthum für öffentliche Zwecke betreffend, treten nachstehende Bestimmungen.

Art. 17 (46). Wird die Abtretung des angesprochenen Grund­ eigenthums nicht verweigert oder ist über die Verpflichtung zur Abtretung von der zuständigen Administrativjustizstelle ein rechtskräftiges Erkenntniß erlaffen, so hat auf Antrag des Abtretungsberechtigten die Feststellung der Entschädigung im Wege der Schätzung durch die zuständige Distriktsverwaltungsbehörde zu erfolgen. Der Antrag hat die genaue Bezeichnung des abzutretenden Grundstücks sowie die Angabe des Abtretungspflichtigen und der sonstigen Betheiligten zu enthalten. Der Antrag soll soweit thunlich für die in demselben Verwaltungsbezirke belegenen Grundstücke gleichzeitig gestellt werden. Wird die Einleftung des Schätzungsverfahrens bezüglich eines zur Abtretung angesprochenen Gegenstandes nicht binnen sechs Monaten von der freiwilligen Anerkennung der Abtretungspflicht oder dem hierüber er­ gangenen rechtskräftigen Erkenntniß an von Seite des Abtretungsberechtigten beantragt, so ist der Abtretungspflichtige zur Stellung des Antrags befugt. unbewegliche Vermögen wegen Geldforderungen betreffend, finden entsprechende Anwendung. Welche Gegenstände in Ansehung des Arrestes zum unbeweglichen Ver­ mögen gehörent bestimmt sich nach Art. 2 des in Abs. 1 angeführten Gesetzes. Die Eintragung der Beschlagnahme zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wird dadurch nicht gehindert, dass bereits eine Beschlagnahme zum Zwecke der Zwangsvollstreckung eingetragen ist. Art. 26. Demjenigen, welcher einen Arrestbefehl erwirkt hat, stehen die nämlichen Rechte fciu welche das Gesetz vom 23. Februar 1879, die Zwangs­ vollstreckung in das unbewegliche Vermögen wegen Geldforderungen betreffend, in Art. 13 und Art H 2 dem mit einer vollstreckbaren Urkunde versehenen Gläubiger einräumt Art. 27. Der Antrag auf Vollziehung des Arrestes ist von der Partei, welche den Arrestbefehl erwirkt hat, bei dem Hypothekenamte zu stellen. In der Pfalz finden die Bestimmungen der Art. 2148 und 2149 des pfälzischen Civilgesetzbuchs entsprechende Anwendung Mit dem Anträge ist der Arrestbefehl sowie der Nachweis vorzulegen, dass die in § 809 Abs. 2 der (Zivilprozessordnung vorgeschriebene Frist eingehalten, und dass der Arrestbefehl dem Gerichtsvollzieher zur Bewirkung der Zustellung übergeben oder de» Gericlitssckieiber um Bewirkung derselben ersucht ist. In den Fällen der §§ 182 bis 184 der Civilprozessordnung ist der Nachweis, dass das Ersuchschreiben erlassen ist im Falle einer öffentlichen Zustellung der Nach­ weis, dass dieselbe von dem Gerichte bewilligt ist, erforderlich. Bin Antrag, welcher den Erfordernissen des Abs. 2 nicht entspricht, ist zuruckzuweisen. Art. 28. Die Eintragung hat in der für Eintragungen überhaupt vor­ geschriebenen Weise nach Massgabe des Inhalts des Arrestbefehls und unter Be­ zugnahme auf diesen zu geschehen In der Pfalz finden die Bestimmungen des Art. 2150 des pfälzischen Cirdgesetzbuchs entsprechende Anwendung. Der Eintrag muss insbesondere den Anspruch unter Angabe des Geld­ betrags oder Geldwerths bezeichnen und den nach § 803 der Civilprozessordnung festgestellten Geldbetrag angeben

L. AuSführungsgesetz zur CP.O u. KO.

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Art. 18 (47). Die Distriktsverwaltungsbehörde bestimmt sofort einen Termin zur Abschätzung der in dem Anträge bezeichneten Gegen­ stände. Nach Lage der Sache können zur Abschätzung einzelner Gegen­ stände oder bestimmter Gruppen derselben gesonderte Termine bestimmt werden. Zu dem Termine sind die Betheiligten zu laden sowie drei Sach­ verständige als Schätzleute entweder für alle zur Abschätzung bestimmten Gegenstände oder einzelne Arten derselben beizuziehen. Auf die Ladung finden die Vorschriften des Art. XV Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 3 des Gesetzes vom 17. November 1837 entsprechende Anwendung; schriftliche Mittheilung erfolgt nur an den Abtretungsberechtigten, die Abtretungspflichtigen und die sonstigen Betheiligten, die sich zur Theilnahme an dem Schätzungs­ verfahren bei der Distriktsverwaltungsbehörde gemeldet haben. Die Schätz­ leute sind, sofern sich nicht die Betheiligten über deren Wahl geeinigt und spätestens eine Woche vor dem Termine hievon Anzeige gemacht haben, von der Distriktsverwaltungsbehörde zu ernennen. Personen, welche als Entschädigungsberechtigte von der Enteignung betroffen sind oder welche Art. 29. Das Hypothekenamt hat dem Gegner des Antragstellers von der erfolgten Eintragung von Amtswegen Nachricht zu geben, soferne nicht eine öffentliche Zustellung erforderlich wird. Art. 30. Die Eintragung der Beschlagnahme zur Sicherung der Zwangs­ vollstreckung begründet für den Anspruch, für welchen der Arrest erwirkt ist, bis zu dem nach § 803 der Civilprozessordnung festgestellten Geldbeträge ein Vorzugsrecht, auf welches die Bestimmungen der Art. fO und 11 des Gesetzes vom 23. Februar 1879, die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen wegen Geldforderungen betreffend, anwendbar sind. Veräusserungen, Belastungen und Verpfandungen des beschlagnahmten Gegenstandes gegenüber hat die Eintragung der Beschlagnahme zur Sicherung der Zwangsvollstreckung die nämliche Wirkung wie die Beschlagnahme zum Zwecke der Zwangsvollstreckung. Diejenigen, welche nach der Eintragung Fechte an dem beschlagnahmten Gegenstände erworben haben, sind berechtigt, denselben durch Hinterlegung des nach § 803 der Civilprozessordnung festgestellten Geldbetrags von dem Arreste zu befreien. Art. 31. Im Falle des Art. 21 Abs. 3 des Gesetzes vom 23. Februar 1879, die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen wegen Geldforderungen betreffend, finden die Bestimmungen in Art. 30 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 1 des angeführtem- Gesetzes entsprechende Anwendung. Eintragung des Veräusserungsverbots im Hypothekenbuche. Art. 32. Ein in einer einstweiligen Verfügung enthaltenes Verbot der Veräusserung, Belastung oder Verpfändung einer unbeweglichen Sache wirkt gegen Dritte von dem Zeitpunkte der Eintragung im Hypothekenbuche an. Eintragungen in das Hypothekenbuch bei Eröffnung und Aufhebung des Konkurses. Art. 33. Begreift die Konkursmasse unbewegliches Vermögen des Gemein­ schuldners in sich, so hat die Eintragung des Konkurseröffnungsbeschlusses im Hypothekenbuche zu erfolgen. Zu diesem Behufe hat der Gerichtsschreiber des Konkursgerichts dem Hypothekenamte beglaubigte Abschrift der Formel des Eröffnungsbeschlusses mit Angabe des Datums desselben unverzüglich mitzutheilen. Ist das zur Konkursmasse gehörende unbewegliche Vermögen des Gemein­ schuldners oder ein Theil desselben im Hypothekenbuche noch nicht eingetragen, so hat der Konkursverwalter die Eintragung unter Vorlage der zur Eröffnung eines Hypothekfohums erforderlichen Nachweise bei dem Hypothekenamte zu veranlassen. Auf die Aufhebung, Einstellung und Wiederaufnahme des .Konkurs­ verfahrens findet die Vorschrift in Abs. 1 entsprechende Anwendung.

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L. Ausfkhrungsgefetz zur C.P O u. K.O

an der Feststellung der Entschädigungssumme sonst ein rechtliches Interesse haben, können nicht als Schätzleute bestimmt werden.

Art. 19 (48). In dem Abschätzungstermine hat zunächst mit Zuziehung der Schätzleute Einnahme des Augenscheins und Vernehmung der Betheiligten über etwaige besondere auf die Werthsbestimmung Ein­ stuß äußernde Verhältniffe sowie über die von den Abtretungspflichtigen beanspruchten und von dem Abtretungsberechtigten angebotenen Summen zu Protokoll zu erfolgen und ist unter den Betheiligten eine gütliche Einigung zu versuchen. Im Falle des Nichtzustandekommens derselben wird sodann nach Beeidigung und entsprechender Belehrung der Schätzleute zur protokollarischen Aufnahmeder Schätzungen geschritten. Für die Schätzung sind die in Tit. II des Gesetzes vom 17. November 1837 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Den Schätzleuten kann nach Lage der Sache auch eine kurze Frist zur schriftlichen Abgabe der Schätzung eröffnet werden. In diesem Falle sind die zu beantwortenden Fragen zum Protokolle festzustellen und den Schätzleuten in Abschrift zu übergebm.

Art. 30 (49). Auf Grund der von den Schätzleuten abgegebenen Erklärungen hat die Distriktsverwaltungsbehörde die Entschädigungssummen für die einzelnen Abtretungsgegenstände auszusprechen. Hiebei ist dieselbe, falls die Werthsbestimmungen der Schätzleute übereinstimmen, an den hienach sich ergebenden Betrag gebunden. Besteht Meinungsverschiedenheit unter den Schätzleuten, so ist die Entschädigungssumme unter Würdigung der Begründung der verschiedenen Werthsangaben, jedoch innerhalb der Grenze derselben, festzustellen. Art. 31 (50). Gegen die Feststellung der Entschädigungssumme dmch die DistriktsverwMungsbehdrde steht sowohl ben Abtretungspflichtigen als auch dem AbtretungsberechÜgten innerhalb einer von Bekanntgabe der festgestellten Beträge an laufenden Ausschlußfrist von einem Monate die Betretung des Rechtswegs behufs richterlicher Entscheidung über den Betrag der zu leistenden Entschädigung offen. Für die Klage ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirke das abzutretende Grundstück liegt. Auf Verlangen einer Partei ist eine neue Schätzung.vorzunehmen. Die Schätzleute, welche den Abtretnngsgegenstand im Verfahren vor der Distriktsverwaltungsbehörde geschätzt haben, dürfen ohne Zustimmung der Parteien nicht als Sachverständige ernannt werden. Art. 33 (51). Nach Feststellung der Entschädigungssumme durch die Distriktsverwaltungsbehörde ist der Abtretungsberechtigte ohne Rücksicht darauf, ob die Frist zur Betretung des Rechtswegs noch läuft oder der­ selbe betreten wurde, befugt, gegen Erläge der festgestellten Entschädigungs­ summe und des Betrag der dem Abtretungspflichtigen erwachsenen Kosten die Einweisung in den Besitz der Abtretungsgegenstände durch die Distrikts­ verwaltungsbehörde zu erwirken und sodann über dieselben nach Maßgabe der Zweckbestimmung ftei zu verfttgen, insoweit dies nicht auf Antrag des Abtretungspflichtigen nach Anordnung des angerufenen Gerichts von vor-

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L. Ausführungsgesetz zur C.P O. u. K.O

heriger Sicherheitsleistung für den Fall der Erhöhung der Entschädigungs­ summe durch richterliches Urtheil abhängig gemacht wird. Ist der Ab­ tretungsberechtigte der Staat, so kann an Stelle der Einweisung in den Besitz die sofortige Zwangsabtretung erwirkt werden; zu einer Sicherheits­ leistung ist der Staat nicht verpflichtet.

Art. 23 (52). Die Kosten des nach Art. XIII bis XVII des Gesetzes vom 17. November 1837 und nach vorstehenden Art. 16 bis 22 stattfindenden Administrativverfahrens sowie die Vergütung der den Be­ theiligten hiedurch verursachten nothwendigen Auslagen fallen dem Ab­ tretungsberechtigten zur Last. Das Administrativverfahren ist gebührenfrei. Ueber Tragung der durch die anhängig gemachten Prozesse erwachsenden Kosten haben die Gerichte nach Maßgabe der Bestimmungen der Civilprozeßordnung zu entscheiden. Art. 24 (53). An der Entschädigungssumme stehen den Betheiligten, deren Rechte nach Art. XI des Gesetzes vom 17. November 1837 auf die Entschädigungssumme übergegangen sind, dieselben Rechte zu, die sie im Falle des Erlöschens ihrer Rechte durch Zwangsversteigerung an dem Erlöse haben würden. Der bisherige Eigenthümer und jeder Be­ rechtigte kann die Eröffnung eines Vertheilungsverfahrens nach den für die Vertheilung des Erlöses im Falle der Zwangsversteigerung geltenden Vor­ schriften beantragen. Das Gericht hat bei der Eröffnung des Verfahrens von Amtswegen das Grundbuchamt um die im § 19 Abs. 2 des Gesetzes über die Zwangs­ versteigerung und die Zwangsverwaltung bezeichneten Mittheilungen zu ersuchen. Als Betheiligte im Sinne des 8 9 Nr. 1 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung gelten diejenigen, für welche zur Zeit der Ertheilung der beglaubigten Abschrift des Grundbuch­ blatts ein Recht im Grundbuch eingetragen oder durch Eintragung ge­ sichert ist; die in Folge der Zwangsabtretung erfolgten Rechtsänderungen bleiben außer Betracht. Als Beschlagnahme im Sinne des 8 13 des an­ geführten Gesetzes ist die Zwangsabtretung, im Falle der Einweisung des Abtretungsberechtigen in den Besitz die Einweisung anzusehen.

Art. 25 (54). Vorstehende Bestimmungen finden entsprechende Anwendung, wenn es sich um zwangsweise Beschwerung des Grundeigenthums mit einer Dienstbarkeit für öffentliche Zwecke oder um Rechte handelt, welche mit dem zu entwehrenden Grundeigenthume verbunden sind (Art. II des Gesetzes vom 17. November 1837). Art. 26 (55). Eine gütliche Einigung der Betheiligten über die Abtretung oder über die zu leistende Entschädigung wird mit der Protokollirung durch die Distriktsverwaltungsbehörde rechtswirksam. Vor dieser kann auch die Auflaffung erklärt- werden. Ablösung.

Art. 27. Bei der Ablösung eines Rechtes, das dem jeweiligen Eigenthümer eines Grundstücks zusteht, finden, wenn das Grundstück des Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze (Bayern).

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L. Ausfuhrungsgesetz zur CPO u KO.

Berechtigten mit Rechten Dritter belastet ist, auf die Ablösungssumme, soweit nicht besondere Vorschriften bestehen, die im Falle der Zwangs­ enteignung für die Entschädigung geltenden Vorschriften entsprechende An­ wendung.

Zwangsvollstreckung bei Fideikommissen, Lehen und landwirthschaftlichen Erbgütern gegen den Nachfolger.

Art. 28. Bei Familienfideikommissen, Lehen mit Einschluß der allodifizirten Lehen, Stammgütern und landwirthschaftlichen Erbgütern finden auf die Zwangsvollstreckung gegen den Rechtsnachfolger des Schuldners die für die Zwangsvollstreckung gegen den Erben des Schuldners geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Aufgebotsverfahren.

Art. 29 (69). Für das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Kraftloserklärung ist bei Schuldverschreibungen des bayerischen Staates das Amtsgericht, bei welchem die Staatsschuldentilgungsanstalt ihren all­ gemeinen Gerichtsstand hat, bei Schuldverschreibungen, die von einer dem bayerischen Staate angehörenden Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechtes ausgestellt sind, das Amtsgericht, bei welchem die Körperschaft, Stiftung oder Anstalt ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, ausschließlich zuständig. Art. 30. Für das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Kraftlos­ erklärung einer Urkunde der im § 808 des Bürgerlichen Gesetzbuchs be­ zeichneten Art, für welche Zins- oder Rentenscheine nicht ausgegeben sind, sowie eines Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuldbriefs gelten die nachfolgenden besonderen Bestimmungen. Die öffentliche Bekanntmachung des Aufgebots und der Zahlungs­ sperre erfolgt durch Anheftung an die Gerichtstafel und durch zweimalige Einrückung in das für die Bekanntmachungen des Gerichts bestimmte Blatt. Das Gericht kann anordnen, daß die Bekanntmachung noch in anderen Blättern erfolgen soll. Die Aufgebotsfrist muß mindestens drei Monate betragen. Sie beginnt mit der ersten Einrückung in das für die Bekanntmachungen des Gerichts bestimmte Blatt. Die im 8 1017 Abs. 2, 3 und im § 1022 Abs. 1 der Civilprozeßordnung vorgeschriebenen Bekanntmachungen erfolgen in dem für die Bekanntmachungen des Gerichts bestimmten Blatte. Auf Dersicherungspolizen sowie auf Grundschuld- und Rentenschuld­ briefe, die auf den Inhaber ausgestellt sind, finden diese Vorschriften keine Anwendung.

Art. 31. Die öffentliche Bekanntmachung der in den 88 977, 982, 988, 1002 der Civilprozeßordnung bezeichneten Aufgebote erfolgt durch Anheftung an die Gerichtstafel und einmalige Einrückung in das für die Bekanntmachungen des Gerichts bestimmte Blatt. Die Ausgebots­ frist beginnt mit der Einrückung in dieses Blatt.

L. Ausfnhrungsgesetz zur C.P.O u K.O.

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Wird die öffentliche Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts des Ausschlußurtheils angeordnet, so erfolgt sie durch das im Abs. 1 bezeichnete Blatt. Oeffentliche Vorladungen bei Fideikommissen und landwirthschaftlichen Erbgütern.

Art. 32 (70)1). Bei Familienfideikommissen nach Maßgabe der VII. Beilage zur Verfassungsurkunde, desgleichen bei landwirthschaftlichen Erbgütern finden die Bestimmungen der Civilprozeßordnung über das Aufgebotsverfahren keine Anwendung und verbleibt es bei den Vorschriften des § 26 der VII. Beilage zur Verfassungsurkunde sowie des Art. 4 des Gesetzes vom 22. Februar 1855, die landwirthschaftlichen Erbgüter be­ treffend. Feststellung des Datums einer Privaturkunde.

Art. 33 (88). Der Inhaber einer Privaturkunde kann dieselbe sowohl bei dem Gekichtsschreiber eines Amtsgerichts als bei einem Notar in Vorlage bringen, um durch denselben bezeugen zu laffen, daß die Urkunde zu der Zeit, in welcher sie vorgelegt wurde, vorhanden war. Werden Privaturkunden zu diesem Zwecke vorgelegt, so sind sie von dem Gerichtsschreiber oder Notar sofort ihrem wesentlichen Inhalte nach in ein dazu bestimmtes, für den Gerichtsschreiber von dem Amtsrichter, welchem die Dienstaufsicht zusteht, für den Notar von dem Präsidenten des Landgerichts mit Seitenzahl und Handzug versehenes Buch einzutragen. Bei der Eintragung sind zugleich alle Auffälligkeiten, welche die Urkunde darbietet, kurz vorzumerken, insbesondere Ausstreichungen, Radirungen, Ueberschreibungen, Korrekturen, Nachträge und Rand­ bemerkungen, welche nicht durch die sämmtlichen auf der Urkunde befind­ lichen Unterschriften besonders genehmigt sind. Ueber die Vorlage ist eine den Tag derselben bezeichnende Be­ scheinigung auf der vorgelegten Urkunde auszustellen. Sind bei dem Eintrags Auffälligkeiten vorgemerkt worden, so hat die Bescheinigung auch hievon Erwähnung zu thun. *) Die Art. 71—73 alter Fassung komme» nach Art. 161 E G. z. B.G.B. für die Uebergangszeit noch in Betracht. Eenen ausdrücklichen Vorbehalt hat die Begründung zum Entwürfe des A.G. z. B.G B. (amtl Ausgabe S. 50 s, Becher Materialien Bd. II, S. 98) für überflüssig erachtet. Die Vorschriften lauten: Todeserklärung der in Folge der Kriege von 1866 und 1870171 vermissten Personen. Art 71. Die Gesetze vom 29. Dezember 1873, die Todeserklärung der in Folge des Krieges von 1870/71 vermissten Personen betreffend, und vom 27. Juli 1874, die Todeserklärung der in Folge des Krieges von 1866 vermissten Personen betreffend, bleiben unberührt, soweit die Art. 72—74 keine Abänderungen enthalten. Art. 72. An Stelle der Bestimmungen der bayerischen Prozessordnung treten die Bestimmungen der Reichs-Cirilprozessordnitng über das Aufgebotsverfahren (§§ 824—836) nach Massgabe des Art. 2 des Gesetzes vom 29. Dezember 1873. Art. 73. Die Art. 9 und 13 des Gesetzes vom 29. Dezember 1873 sind aufgehoben. An Stelle der Art. 3 5, 12. 14 Abs. 3 desselben Gesetzes treten die Be­ stimmungen in den Art. 106 Abs. 1. 109, 116, 119 des gegenwärtigen Gesetzes. 2) Das im Gesetz- und Verordnungsblatte von 1879 stehende Wort „Antrag" beruht, wie sich aus Art. 359 Abs 3 Satz 2 der Prozeßordnung vom 29 April 1869 ergibt, auf einem Druckfehler

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L. Ausführungsgesetz zur C.P.O u K.O.

Jedem Betheiligten ist auf Verlangen Abschrift der Einträge zu ertheilen. Weitere Vorschriften über die Einrichtung und Führung der be­ treffenden Bücher sowie über die Form der auszustellenden Bescheinigungen bleiben dem Verordnungswege Vorbehalten.

Abänderungen des Berggesetzes vom 20. März 1869.

Art. 34 (78). Die Art. 10, 99, 236 des Berggesetzes für das Königreich Bayern vom 20. März 1869 werden in der nachstehenden Weise abgeändert: 1) Art. 10 Abs. 4 erhält folgende Fassung: „Auf diese Sicherheitsleistung finden die Art. 8 und 9 mit Aus­ nahme der Bestimmungen über Zuständigkeit des Gerichts und über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens Anwendung." 2) Art. 99 Abs. 2 erhält folgende Fassung: „Der Ansteigerer haftet der Gewerkschaft für die noch nicht be­ zahlten Beiträge."

3) Art. 236 Abs. 2 und 3 erhalten folgende Fassung: „Der Antragsteller hat bei Meldung des Schadensersatzes den Versteigerungstermin sämmtlichen aus dem Kuxschein ersichtlichen seitherigen Hypothekgläubigern bekannt zu machen. Durch den Verkauf erlöschen alle Pfandrechte der seitherigen Hypothekgläubiger an dem verkauften Antheile."

II. Abschnitt.

Bestimmungen für die TsndeStheile rechts des Rheins» Art. 93?) Die Nichtigkeitsklage (§ 592 der Civilprozessordnung) kann auch von einem der Ehegatten erhoben werden, desgleichen von einem Dritten, wenn dieser ein rechtliches Interesse daran hat, dass die Ehe für nichtig erklärt werde.

Todeserklärung Verschollener. 1) Voraussetzungen.

Art. 103.) Ist über das Leben eines Abwesenden seit zehn Jahren keine Nachricht vorhanden, so kann beantragt werden, dass der Verschollene durch Richterspruch für todt ei klart werde. Die Frist ist von der Zeit an, auf welche sich die letzte Lebenskunde bezieht, falls aber diese Zeit in das Alter der Minderjährigkeit fällt, von dem Tage der Volljährigkeit an zu rechnen, kann dieser Tag nicht festgestellt werden, so ist ein Zeitablauf von fünfzehn Jahren erforderlich T) Diese Vorschrift ist nach Art. 198 Abs 1 E G z BGB für eine vor Inkraft­ treten des B.G.B geschlossene Ebe auch ferner maßgebend Emen dahin lautenden Vorbehalt hat die Begründung zum Entw des A G z B G B. für überflüssig erachtet (amtl. Ausgabe S 51, Becher Material II S 98). Für d. neue Recht siehe §632 C.P.O. a) Für die Art 103—119, 121 gilt, was in der Note zu Art 32 bemerkt ist

L. Ausführungsgesetz zur C.P.O u. KO.

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Art» 104» Hat der Verschollene zur Zeit der letzten Lebenskunde schon das sechzigste, aber noch nicht das funfundsechzigste Lebensjahr zurückgelegtf so genügt zur Todeserklärung der Ablauf eines das siebenzigste Altersjahr voll­ endenden Zeitraums, hatte der Verschollene zur Zeit der letzten Lebenskunde bereits das funfundsechzigste Lebensjahr zurückgelegt, so bedarf es nur des Ab­ laufs von weiteren fünf Jahren. Art» 105. Befand sich Jemand auf einem Schiffe, während dasselbe in Seegefahr verunglückte, so kann auf Todeserklärung angetragen werden, wenn über sein Leben seit drei Jahren von dem Unglücke an keine Nachricht vor­ handen ist. 2) Zuständiges Gericht.

Art. 106» Für die Todeserklärung ist das Amtsgericht zuständig, bei welchem der Verschollene zuletzt den Gerichtsstand des Wohnsitzes gehabt hat. Besteht jedoch für den Verschollenen eine Pflegschaft, so ist das Amts­ gericht, welches dieselbe fuhrt, wenn aber die Pflegschaft von einem andern Gerichte geführt wird, das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirke das Pflegschafts­ gericht seinen Sitz hat. 3) Antragsberechtigte. Art» 107. Zu dem Anträge auf Todeserklärung sind berechtigt die nächsten gesetzlichen Erben des Verschollenen, der Ehegatte desselben und wer sonst ein rechtliches Interesse darzulegen vermag. Besteht eine Pflegschaft über das Vermögen des Verschollenen, so kann die Todeserklärung auch von dem Pfleqer mit Genehmigung oder auf Anweisung des Vormundschaftsgerichts beantragt werden. 4) Verfahren.

Art» 108.

Die Todeserklärung erfolgt im Aufgebotsverfahren nach Massgabe der Civilprozessordnung (§§ 824—836) und der nachfolgenden be­ sonderen Vorschriften.

Art. 100. Mit dem Anträge auf Todeserklärung hat der Antragsteller über die thatsächlichen Voraussetzungen derselben die ihm zu Gebote stehenden Urkunden vorzulegen und seine sonstigen Beweismittel unter Angabe der zu er­ hebenden Thatsachen zu bezeichnen. Art» 110. Das Aufgebot hat die Aufforderung zu enthalten * 1) an den Verschollenen, spätestens im Aufgebotstermine persönlich oder schrift­ lich bei Gericht sich anzumelden, widrigenfalls er für todt erklärt werde, 2) an die Erbbetheiligten, ihre Interessen im Aufgebotsverfahren wahrzunehmen, 3) an alle diejenigen, welche über das Leben des Verschollenen Kunde geben können, Mittheilung hierüber bei Gericht zu machen.

Art» 111. Die öffentliche Bekanntmachung des Aufgebots hat neben den in ff 825 der Civilprozessordnung bezeichneten und den in ff 187 daselbst für Ladungen vorgeschriebenen Arten auch durch Anheftung an dem üblichen Orte in der Gemeinde zu geschehen, wo der Verschollene seine Heimath hat. Art» 112» Zwischen dem Tage, an welchem die Einrückung oder die erste Einrückung des Aufgebots in den Deutschen Reichsanzeiger erfolgt ist, und dem Aufgebotstermine muss ein Zeitraum von mindestens neun Monaten liegen. Art. 113. Wenn derjenige, welcher die Todeserklärung beantragt hat, während des Verfahrens stirbt so ist ein anderer Antragsberechtigter befugt, das Verfahren fortzusetzen.

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L Ausfuhrungsgesetz zur CPO. u. K.O

Art. 114. Werden die Ansprüche der als Erbbetheiligte auftretenden Personen bestritten, so wild hiedurch die Todesei klarung nicht aufgehalten.

Art. 115. Das Gericht kann dem Antragsteller auferlegen, eidlich zu versichern, dass er von dem Leben des Verschollenen keine oder keine anderen als die dem Gerichte mitgetheilten Nachrichten erhalten habe und auch keine Personen zu bezeichnen wisse, von welchen er vermuthe. dass sie über das Leben des Verschollenen Nachricht empfangen haben. Art. 116. Der Ausspruch der Todeserklärung ist an die Gerichtstafel und im Heimathsorte des Verschollenen anzuheften. Dem Antragsteller ist eine Ausfertigung von Amtswegen zuzustellen. Art. 117. Die Kosten des Verfahrens sind im Falle der Todeserklärung aus dem Vermögen des Verschollenen zu ersetzen. 5) Wirkung der Todeserklärung.

Art. 118. Die Todeserklärung begründet die Vermuthung, dass der Ver­ schollene nicht mehr am Leben sei. In Ansehung des zuruckgelassenen Vermögens der für todt erklärten Person wird vermuthet, dass dieselbe an dem Tage des Ausspruchs der Todeserklärung gestorben sei; in denjenigen Fallen jedoch, in welchen der Ausspruch nach dem Ablaufe von siebenzig Jahren seit der Geburt des Verschollenen erfolgt, ist der Tag, an welchem siebenzig Jahre seit der Geburt abgelaufen sind, wenn aber die Verschollenheitsfrist erst nach diesem Zeitpunkte geendet hat, der Tag, an welchem dieselbe abgelaufen ist, als Todestag anzusehen. In dem Urtheile ist der Todestag anzugeben.

Art. 119. Die Ausfertigung des Urtheils auf Todeserklärung vertritt die Stelle der Sterbeurkunde. Der Gegenbeweis, dass der Verschollene noch am Leben oder zu einet' anderen als der im Urtheile angegebenen Zeit gestorben sei, ist zulässig. 7) Rechtsverhältnisse bei nachträglicher Meldung Verschollener.

Art. 121. Meldet sich der Verschollene nach der Todeserklärung, so steht ihm gegen diejenigen, welche auf Grund der Todeserklärung Bestandtheile seines Vermögens erlangt haben, de» Anspruch auf Rückerstattung nach Massgabe der Grundsätze zu, die für den Anspruch eines Erben gegen den Besitzer von Erb­ schaftsgegenständen gelten. Die in Ansehung dieses Vermögens Dritten gegenüber vorgenommenen Rechtshandlungen von Personen, welche auf Grund der Todeserklärung Vermögens­ bestandtheile erlangt haben, werden in ihre,r Rechtsuirkung nach den Grund­ sätzen beurtheilt, die von Rechtshandlungen eines nach Aussen legitimirten Erben gelten. Eintragung der Pfändung einer Forderung im Hypothekenbuche.

Art. 125. ) Wird eine Hypothekforderunq oder ein Ewiggeld gepfändet, so hat das Vollstreckungsgencht die Eintragung der Pfändung im Hypotheken­ oder Grundbuche von Amtswegen zu veranlassen. T) Dle Vorschrift bleibt in Kraft, bis ist (Art 166 Abs. 1 Nr. XVI A G z B.G.B.).

Grundbuch als angelegt anzusehen

L. Ausführungsgesetz zur C.P.O. u KO.

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Vollstreckbarkeit von Hypothekenurkunden und Ewiggeldbriefen

Art. 127.1)

Aus Hypothekenurkunden findet die Zwangsvollstreckung statt wenn die Hypothek vertragsmässig für einen Anspruch bestellt ist, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstände hat und durch die Urkunde festgestellt ist. Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung ist nicht erforderlich.

Art. 128. Die Zwangsvollstreckung aus Hypothekenurkunden findet auch gegen den dritten Besitzer der Sache statt. Art. 120. Die Zwangsvollstreckung aus Hypothekenurkunden findet sowohl in das bewegliche als in das unbewegliche Vermögen statt. Gegen den dritten Besitzer der Sache ist der Gläubiger nur soweit mit der Zwangsvollstreckung vorzugehen berechtigt, als dessen Haftung nach dem Hypo­ thekengesetze begründet ist.

Art. 130. Die vollstreckbare Ausfertigung wird von dem Notare, welcher die Hypothekenurkunde verwahrt, oder von dem Gerichtsschreiber des Gerichts ertheilt, welches die Urkunde über die Hypothekbestellung ausgenommen hat. Art. 131. Wenn die Zwangsvollstreckung wegen eines Theils der be­ urkundeten Ansprüche von dem durch den Gläubiger zu beweisenden Eintritte einer Thatsache abhangt und diese Thatsache noch nicht eingetragen ist, so wird eine vollstreckbare Ausfertigung nur wegen jener Ansprüche ertheilt, wegen deren die Zwangsvollstreckung ohne Rücksicht auf den Eintritt der Thatsache zulässig ist. Die Beschränkung der Vollstreckbarkeit ist in der Vollstreckungsklausel auszudrücken. Art. 132. Ist eine vollstreckbare Ausfertigung ertheilt, deren Voll­ streckbarkeit auf einen Theil der beurkundeten Ansprüche beschrankt ist, so ist nach dem Eintritte der Thatsache, von deren Eintritte die Zwangsvollstreckung wegen eines anderen Theils der beurkundeten Ansprüche abhangt, auf Antrag des Gläubigers statt der Ertheilung einer neuen vollstreckbaren Ausfertigung der früher ertheilten eine neue, die Vollstreckbarkeit entsprechend ausdehnende Vollstreckungsklausel beizufügen. In gleicher Weise ist in ^anderen Fällen, wenn ein Umstand eingetreten ist, welcher eine neue Vollstreckungsklausel erforderlich macht, auf Antrag des Gläubigers die neue, der eingetretenen Veränderung entsprechende Vollstreckungs­ klausel der früher ertheilten vollstreckbaren Ausfertigung beizufügen. Zur Ertheilung der neuen Vollstreckungsklausel ist sowohl der Beamte, welcher die vollstreckbare Ausfertigung zu ertheilen hat (Art. 130), als das Hypothekenamt zuständig. Art. 133. Ist eine vollstreckbare Ausfertigung ertheilt, deren Voll­ streckbarkeit auf einen Theil der beurkundeten Ansprüche beschränkt ist, so kann eine neue vollstreckbare Ausfertigung, auch wenn sie nur wegen derjenigen An­ sprüche verlangt wird, auf welche die Vollstreckbarkeit der früher ertheilten sich nicht erstreckt, nur nach Massgabe der Vorschriften ertheilt werden, welche für die Ertheilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung gelten. Art. 134. Zum Nachweise eines Umstandes, welchen der Gläubiger zu beweisen hat, um die vollstreckbare Ausfertigung oder die neue Vollstreckungs*) Die Art. 127—134, 136 bleiben in Ansehung der Hypotheken in Kraft, welche zu der Zeit bestehen, zu der das Grundbuch als angelegt anzusehen ist. (Art. 166 Abs. 2 A G. z. B.G.B). Für später entstandene Hypotheken stehe die §§ 799.800 C.P.O. neuer Folge.

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L. Ausführungsgesetz zur CP.O. u. K.O.

Klausel zu erhalten, genügt ein Eintrag im Hypothekenbuche, aus welchem der zu beweisende Umstand erhellt. Wird die vollstreckbare Ausfertigung oder die neue Vollstreckungsklausel auf Grund des Eintrags im Hypothekenbuche ertheilt, so ist dies in der Voll­ streckungsklausel zu erwähnen. Die Zustellung einer Abschrift des Eintrags findet nicht statt. Art. 136. Im Uebrigen finden auf die Zwangsvollstreckung aus Hypo­ thekenurkunden die Bestimmungen der Civilprozessordnung entsprechende An-

Avt. 137?) Die Bestimmungen der Art. 128—136 gelten auch für die vollstreckbaren 'Ausfertigungen, welche nach dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes von den vor diesem Zeitpunkte unter der Herrschaft des Notariats­ gesetzes vom 10. November 1861 errichteten Hypothekenurkunden ertheilt werden. DieVoraussetzungen, unter welchen die Zwangsvollstreckung aus den vor dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes ertheilten vollstreckbaren Ausfertigungen stattfindet, sind nach den bisherigen Bestimmungen zu beurtheilen. Art. 138. Aus den Hypothekenbriefen, welche vor dem 1. Juli 1862 errichtet sind, findet die Zwangsvollstreckung in gleicher Weise wie aus den in Art. 137 Abs. 2 genannten vollstreckbaren Ausfertigungen statt. Art. 139.3) Aus den Ewiggeldbriefen findet wegen rückständiger Gilten Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung der belasteten Sache statt. Ewiggeldbrißfe bedürfen der Vollstreckungsklausel nicht. Für einen Rechtsnachfolger des ursprünglichen Ewiggeldgläubigers findet die Zwangsvollstreckung aus dem Ewiggeldbriefe nur dann statt, wenn das Ewig­ geld im Grundbuche* auf denselben umgeschrieben ist. Erbschaftlicher Liquidationsprozess. Art. ISO.3) Die Bestimmungen der preussischen Gerichtsordnung über den erbschaftlichen Liquidationsprozess bleiben nur soweit w Geltung, als in den nachstehenden Artikeln darauf Bezug genommen ist. Art. 151. Das für den erbschaftlichen TÄqwdatwnsprozess erforderliche Inventar muss durch einen Notar errichtet werden. Art. 152. Der Benefizialerbe, welcher den Nachlass nach Massgabe des § 73 Thl. I TU. 51 der preussischen Gerichtsordnung an die Gläubiger abtreten will, hat seine desfallsige Erklärung bei dem Amtsgerichte des Ortes, wo sich die Erbschaft eröffnet hat, schriftlich einzureichen oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers anzubringen. Wenn ein oder mehrere Gläubiger beantragen, dass dem Benefizialerben nach Massgabe des §r70 Thl. I Tit. 51 der preussischen Gerichtsordnung die Ver­ waltung des Nachlasses entzogen werde, so haben sie deshalb gegen denselben Klage zu erheben.

Art. 153. Der Benefizialerbe kann, wenn nicht der Konkurs über die Erbschaft eröffnet ist, auf Eröffnung des erbschaftlichen Liquidationsprozesses antragen und hiezu in dem in § 59 Thl. I Tit. 51 der preussischen Gerichts*) Für die vor dem'Inkrafttreten der C.P.O erachteten Hypothekenurkunden bleiben die Art 137. 138 in Geltung Siehe Note zn Art 127. 2) Der Artikel bleibt für die nach den bisherlgen Vorschriften begründeten Ewiggelder in Kraft (§ 801 C.P O. neuer Folge) 8) Nach Art. 213 E G. z B.G.B. sind die Art. 150—157,161 für die Uebergangszeit noch von Bedeutung Ein ausdrücklicher Vorbehalt ist auch hier nicht gemacht. Siehe Note zu Art. 93.

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Ordnung bezeichneten Falle durch die Erbschaftsgläubiger angehalten werden. Die Erbschaftsgläubiger haben ihr Begehren in dem zwischen ihnen und dem Benefizidlerben anhängigen Rechtsstreite zu erheben. Das Gericht hat, wenn sich das Begehren als begründet darstellt, dem Benefizialerben aufzugeben, dass er innerhalb einer festgesetzten Frist den Antrag auf Eröffnung des erbschaftlichen Liquidationsprozesses stelle, widrigenfalls er der Rechtswohlthat verlustig und als ein Solcher geachtet werden wurde, der die Erbschaft ohne Vorbehalt angetreten hat. Das Gericht ist befugt, die festgesetzte Frist auf Begehren des Benefizial­ erben zu verlängern, wenn genügende Gründe hiefur vorgebracht werden. Nach fruchtlosem Ablaufe der Frist kann jeder Erbschaftsgläubiger be­ antragen, dass der angedrohte Rechtsnachtheil als verwirkt erklärt werde. Das Gericht muss diesem Anträge entsprechen, es sei denn, dass der Benefizialerbe seine Verzögerung genügend entschuldigt. Im letzteren Falle ist ihm eine neue Frist zu bestimmen. Der Benefizial­ erbe kann die Folgen seiner Versaumniss noch bis zur Verhandlung dadurch abwenden, dass er den Antrag auf Eröffnung des erbschaftlichen Liquidations­ prozesses stellt.

Art. 154. Der Antrag auf Eröffnung des erbschaftlichen Liquidations­ prozesses hat die in den §§ 61 und 76 Thl. I Tit. 51 der preussischen Gerichts­ ordnung bezeichneten Wirkungen. Diejenigen Gläubiger jedoch, welchen nach Massgabe der Konkursordnung ein Absonderungsrecht zusteht, sind von der Einlassung in den erbschaftlichen Liquidationsprozess befreit, soweit sie ihre Befriedigung aus den ihnen verhafteten Nachlassgegenständen suchen. Diese Befreiung hat zur Wirkung, dass die be­ zeichneten Gläubiger die Befugniss haben, ohne Rücksicht auf die erfolgte Er­ öffnung des Liquidationsverfahrens nach den allgemeinen Vorschriften ihre Forderungen geltend zu machen und an den ihnen verhafteten Gegenständen zur Vollstreckung zu bringen. Art. 155» Der Antrag (Art. 154 Abs. 1) ist bei dem Amtsgerichte des Ortes, wo sich die Erbschaft eröffnet hat, zu stellen. Das Gericht erlässt an alle diejenigen, welche Ansprüche an den Nachlass geltend zu machen gedenken, die A ufforderung, diese Ansprüche unter Beifügung der Beweisurkunden oder Bezeichnung der sonstigen Beweismittel schriftlich oder mündlich bei dem Gerichtsschreiber anzumelden und in einem Termine, welcher nicht auf früher als einen Monat und nicht auf später als zwei Monate, vom Tage der öffentlichen Bekanntmachung der Aufforderung an gerechnet, an­ beraumt werden darf, persönlich oder durch Bevollmächtigte vor dem Gerichte zu erscheinen, um über die Richtigkeit der angemeldeten Forderungen und die angesprochenen Vorrangsrechte zu verhandeln. Mit dieser Aufforderung ist die Erklärung zu verbinden, dass diejenigen Gläubiger, welche der Aufforderung nicht nachkommen, soweit sie nicht ab­ sonderungsberechtigt sind, aller Vorrangsrechte verlustig werden und sich mit ihren Forderungen nur an dasjenige halten können, was nach Befriedigung der Gläubiger, deren Forderungen in der angegebenen Weise angemeldet worden sind, übrig bleibt. Die. Aufforderung ist durch wenigstens drei vom Gerichte zu bestimmende öffentliche Blätter, und zwar durch jedes derselben wenigstens zweimal, in ge­ eigneten Zwischenräumen bekannt zu machen. Dem Benefizialerben ist besondere Mittheilung mit der Aufforderung zu machen, in dem anberaumten Termine zu erscheinen und den Gläubigern über den Stand der Aktivmasse unter Vorlage der betreffenden Urkunden die erforderlichen Aufschlüsse zu geben. Besondere Mittheilung an die bekannten Gläubiger ist nicht erforderlich.

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Art. 156. St) eitigkeiten. welche über angemeldete Forderungen oder über Vorrangsrechte entstehen —156 mil folgenden Abänderungen und näheren Be-

1) Zuständig ist das Amtsgericht des Ortes, wo sich die Erbschaft eröffnet hat. Dasselbe hat die Sache als Gegenstand der nichtstreitigen Rechtspflege zu behandeln. 2) Die Erlassung eines förmlichen Präklusionsbescheids steht diesem Gerichte nicht zu. Dasselbe hat sich vielmehr darauf zu beschranken, nach frucht­ losem Ablaufe des Termins den Extrahenten als rechtmassigen Erben an­ zuerkennen, die Verabfolgung des Nachlasses an denselben zu seiner freien Disposition zu verfugen und ihm hierüber ein Zeugniss auszustellen, wobei der Ausspruch über die Folgen der Versäumung des Termins im Falle des späteren Auftretens eines Erbpratendenten dem Prozessgerichte vorbehalten bleibt. 3) Die Art der Bekanntmachung der Ediktalladung, insbesondere die öffentlichen Blätter, worin dieselbe zu geschehen hat, sowie der in der Ediktalladung festzusetzende Termin werden von dem Amtsgerichte nach Erwägung der Umstände des Falls bestimmt.

V. Abschnitt.

Bestimmungen für die Pfalz. Zustellung im erwählten Wohnsitze

Art. 166. ) Hat Jemand an einem anderen Orte als an dem seines wirklichen Wohnsitzes fui em Rechtsgeschäft Wohnsitz erwählt, so können ihm die Zustellungen, welche sich auf dieses Geschäft beziehen, auch in dem erwählten Wohnsitze gemacht werden. Eintragungen in das Hypothekenbuch.

Art. 171.-) Die nach Art. 31 des Gesetzes vom 23. Februar 1879, die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen wegen Geldforderungen betreffend, vorzunehmende Eintragung der Beschlagnahme in das Hypothekenbuch, ferner die in Art. 32 und 33 Abs. 1 und 3 des gegenwärtigen Gesetzes vor­ geschriebenen Eintragungen in das Hypothekenbuch erfolgen in einem dazu be­ stimmten Register in der durch Verordnung näher anzugebenden Weise. Die Bestimmung in Art. 33 Abs. 2 des gegenwärtigen Gesetzes findet auf die Pfalz keine Anwendung. *) Der Artikel bleibt für Rechtsverhältnisse, die sich nach den bisherigen Vor­ schriften bestimmen, in Kraft, sofern der Wohnsitz vor dem Inkrafttreten des B.G.B. erwählt worden ist (Art 157 E.G. z B.G B, Art 166 Abs. 3 AG z. B.G.P.). 2) Der Artikel bleibt in Kraft, bis das Grundbuch als angelegt anzusehen ist (Art. 166 Abs. 1 Nr XVI A G. z. B G B.).

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Vertragsmässige Versteigerung. Art. 202.) Bei der Veräusserung von Grundstücken kann dem Ver­ äusserer vertragsmässig das Recht eingeräumt werden, im Falle der Nichtzahlung des Kaufpreises die betreffenden Grundstücke nach Zustellung einer Zahlungs­ aufforderung und fruchtlosem Ablaufe der darin festgesetzten Frist, die jedoch in keinem Fälle unter zwei Wochen betragen darf durch einen von ihm gewählten Notar öffentlich versteigern zu lassen.

Die Zahlungsaufforderung hat die Bezeichnung der Grundstücke, welche der Gläubiger versteigern lassen will, und die Androhung zu enthalten, dass, wenn innerhalb der festgesetzten Frist die Zahlung nicht erfolgt, zur Versteigerung der bezeichneten Grundstücke in der in Abs. 1 angegebenen Weise werde ge­ schritten werden. Sollen Grundstücke zur Versteigerung gebracht werden, welche nicht mehr im Eigenthume des Schuldners sind, so ist dem Drittbesitzer Abschrift der Zahlungsaufforderung und der Urkunde, auf welche sich die Forderung des Gläubigers gründet, zustellen zu lassen. Die Versteigerung ist bei Strafe der Nichtigkeit durch Einrückung in eines der in der Gegend verbreitetsten öffentlichen Blätter wenigstens zweimal, zum ersten Male mindestens zwei Wochen vor dem Versteigerungstermine, bekannt zu machen. Gleichzeitig mit der ersten Ausschreibung ist dem Schuldner und dem etwaigen Dnttbesitzer von dem Versteigerungstermine durch Gerichtsvollzieher urkunde Kenntmss zu geben. Hat der die Versteigerung betreibende Gläubiger nur einen Theil des für die betreffenden Grundstücke noch geschuldeten Kaufpreises zu fordern, so muss er die übrigen Berechtigten, falls dieselben aus der Urkunde, auf welche sich seine Forderung gründet, oder aus dem Hypothekenbuche ersichtlich oder ihm aus den von ihm selbst abgeschlossenen Verträgen bekannt sind, von der Ver­ steigerung wenigstens zwei Wochen vorher durch Gerichtsvollzieherakt in Kenntniss setzen lassen. Art. 203.2) -£>ie Bestimmungen der Art. 2181—2195 des pfälzischen Civilgesetzbuchs, der Staatsrathsgutachten vom 9. Mai (genehmigt am 1. Juni) 1807 und 5. Mai (genehmigt am 8. Mai) 1812 und der Art. 833—835 der pfälzischen Civilprozessordnung bleiben in Kraft, soweit nicht in den nach­ stehenden Artikeln etwas Anderes bestimmt ist. Art. 204. In den nach Art. 2183 und 2185 des pfälzischen Civilgesetz­ buchs zu machenden Zustellungen hat die zustellende Partei einen bei dem Land­ gerichte der belegenen Sache zugelassenen Rechtsanwalt zu bezeichnen, welcher sie als Bevollmächtigter in dem Verfahren vertritt. *) Soweit nach dem Inkrafttreten des B G.B. eine vertragsmäßige Versteigerung von Grundstücken zulässig ist, bleiben die Verfahrens-Borschriften der bisherigen Absätze 1, 4 bis 7 in Geltung (Art. 18 Satz 2 des Gesetzes vom 1. Juli 1898 über das Liegen­ schaftsrecht in der Pfalz, abgedruckt unter XL; Art 166 Abs. 1 Nr XVI A.G. z. B G.B.). 2) Die Art 203—209 bleiben für ein vor vollendeter Anlegung des Grund­ buchs anhängig gewordenes Hhpothekenreinigungsverfahren in Kraft (Art. 166 Abs. 6 A.G. z. D.G.B). Das vom Verfahren betroffene Grundstück wird erst nach Beendigung des Verfahrens in das Grundbuch eingetragen (§ 34 der Allerhöchsten Verordnung, die Anlegung des Grundbuchs in der Pfalz betreffend, vom 28 August 1898, abgedruckt unter XLIII).

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Art. 205. Ueber Anträge. Einwendungen und Erinnerungen, welche das Verfahren betreffen. das nach den in Art. 203 angeführten Gesetzes­ bestimmungen zu beobachten ist, insbesondere auch über die Zulänglichkeit einer angebotenen Sicherheitsleistung, entscheidet das Landgericht der belegenen Sache. Die Entscheidungen des Landgerichts können ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Gegen dieselben findet sofortige Beschwerde gemäss § 540 der Civilprozessordnung statt. Art. 206. Die Bestellung der nach Art. 2185 Ziff. 5 des pfälzischen CZivilgesetzbuchs zu leistenden Sicherheit ist durch Hinterlegung in baarem Gelde oder in kursfähigen Werthpapieren oder durch Stellung eines vermöglichen, leicht zu belangenden Bürgen zu bewirken. Mit der durch Art. 2185 des pfälzischen Civilgesetzbuchs vorgeschriebenen Zustellung ist noch weiter zuzustellen • 1) wenn die Sicherheitsleistung in baarem Gelde oder in Werthpapieren an­ geboten wird, eine Abschrift der Hinterlegungsbescheinigung, 2) wenn die Sicherheitsleistung durch die Stellung eines Bürgen angeboten wird: a) eine Abschrift der Notariatsurkunde, worin der Bürge die einzugehende Verpflichtung unter Verzicht auf die Rechtswohlthat der Vorausklagung, beim Vorhandensein mehrerer Burgen auch unter Verzicht auf die Rechtswohlthat der Theilung, übernimmt und sich wegen dieser Ver­ pflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft; b) die Erklärung, dass die Nachweise über die Zulänglichkeit der angebotenen Bürgschaft auf der Gerichtsschreiberei des Landgerichts hinterlegt sind. Einwendungen gegen die Zulänglichkeit der angebotenen Sicherheitsleistung sind bei Meldung des Ausschlusses spätestens eine Woche nach der Zustellung bei dem Landgerichte zu erheben. Vor der Entscheidung über die Einwendungen sind die Betheiligten zu hören. Art. 207. Die in Art. 2194 des pfälzischen Civilgesetzbuchs vorgeschriebene Veröffentlichung hat durch Anheftung des Auszugs an die Gerichtstafel des Landgerichts, die in dem, Staatsrathsgutachten vom 9. Mai 1807 für den dort vorgesehenen Fall vorgeschriebene, Bekanntmachung hat in dem Blatte zu ge­ schehen, welches für den Sitz des Landgerichts zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen bestimmt ist. Art. 208. Auf die Versteigerung auf Uebergebot finden die Vorschriften über das Verfahren bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen wegen Geldforderungen mit nachstehenden näheren Bestimmungen und Aenderungen entsprechende Anwendung * 1) Auf Gesuch des betreibenden Theils e- nennt das Amtsgericht denVersteigerungsbeamten und übermittelt demselben die Akten zum Zwecke der Vornahme der Versteigerung. Dem Gesuche sind sämmtliche bisher erwachsenen Akten, namentlich die gegenseitigen Zustellungen, die Urkunde über die frühere Veräusserung oder der aus derselben gefertigte und zugestellte Auszug, ferner ein be­ glaubigter Auszug aus den Hypothekenregistern über diejenigen Einschreib­ ungen, welche innerhalb der in Art. 834 der pfälzischen Cwilprozessordnung, Art. 2194 des pfälzischen Civilgesetzbuchs und den Staatsrathsgutachten vom 9. Mai 1807 und 5. Mai 1812 festgesetzten Fristen eingetragen worden sind, beizulegen. Das Gesuch hat unter Anführung der dasselbe begründenden That­ sachen und unter Bezugnahme auf die ihm beigefugten Urkunden die Angabe.

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der von dem betreibenden Theile vorgeschlagenen Versteigerungsbedingungen , die etwaigen Anträge desselben in Bezug auf Ort, Zeit und Art der Ver­ steigerung, auf die Person des Versteigerungsbeamten und auf die Ver­ öffentlichung der Versteigerungsbekanntmachung zu enthalten, 2) Die Versteigerungsbekanntmachung hat statt der in Art. 48 Ziff. 1 und 2 des Gesetzes vom 23. Februar 1879, die Zwangsvollstreckung in das un­ bewegliche Vermögen wegen Geldforderungen betreffend, vorgeschrittenen Angaben zu enthalten a) die Erwähnung, dass die Versteigerung auf Uebergebot im Hypotheken­ reinigungsverfahren durch den Notar als Versteigerungsbeamten erfolgt, b) die Bezeichnung des neuen Eigenthumers, welcher das Hypotheken­ reinigungsverfahren emgeleitet, sowie des Gläubigers, welcher das Ueber­ gebot gemacht hat, nach Vor- und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort unter Anfuhrung der Urkunde über die frühere Ver­ äusserung und der Zustellung, durch welche der Gläubiger die Versteigerung beantragt hat. 3) Ausser den übrigen in Art 48 des in Ziff. 2 bezeichneten Gesetzes vor­ geschriebenen Angaben hat die Versteigerungsbekanntmachung noch weiter die Angabe des Preises zu enthalten, den der Gläubiger nach Art. 2185 Ziff. 2 des pfälzischen Civilgesetzbuchs zu bieten oder zu erzielen sich an­ geboten hat, mit der Bemerkung, dass dieser Preis das erste Gebot bei der Versteigerung bildet. Die nach Art. 55 Ziff. 5 des in Ziff. 2 bezeichneten Gesetzes stillschweigend geltende Versteigerungsbedingung ist in der Versteigerungsbekanntmachung ausdrücklich dahin abzuändern, dass dei Ansteigerer nicht nur die Kosten des Versteigerungsprotokolls mit Inbegriff der die Versteigerung betreffenden Gebühren des Versteigerungsbeamten, sondern auch die in Art. 2188 des pfälzischen Civilgesetzbuchs angegebenen Kosten ausser dem Kaufpreise so­ gleich bei der Versteigerung zu berichtigen hat. 4) Die nach Ziff. 3 Abs. 1 erforderliche Angabe ist auch in den Auszug der Versteigerungsbekanntmachung (Art. 64 des in Ziff. 2 bezeichneten Gesetzes) aufzunehmen. 5) Zahlungsfristen können nur mit Zustimmung aller Betheiligten festgesetzt werden. 6) Hat der neue Eigenthümer mehrere auf Uebergebot zur Versteigerung kom­ mende Grundstücke miteinander um einen Gesammtpreis erworben, so kann der Gläubiger demungeachtet verlangen, dass die Versteigerung im Einzelnen vorgenommen werde. Ist nach Vorschrift des Art. 2192 des pfälzischen Civilgesetzbuchs eine Ausscheidung des angebotenen Preises auf die einzelnen zu versteigernden Grundstücke vorhergegangen, so hat diese der Versteigerung zur Grundlage zu dienen. Ist dies nicht der Fall, so hat der Gläubiger in der nach Art. 2185 zu machenden Zustellung zugleich zu erklären, in welcher Weise der angebotene Kaufpreis auf die einzelnen Versteigerungsgegenstände verthdlt werden soll. 7) Die in Art. 62 des in Ziff. 2 bezeichneten Gesetzes vorgeschriebene Zustellung hat an den neuen Eigenthümer, an die betheiligten Gläubiger und an den Schuldner zu geschehen, an den letzteren jedoch nur, soferne nicht eine Zu­ stellung im Auslande oder eine öffentliche Zustellung erforderlich wird. 8) Wird im Versteigerungstermine kein Angebot gelegt, so erfolgt der Zuschlag an den Gläubiger, welcher das Uebergebot gemacht hat, zu dem von ihm gemäss Art. 2185 Ziff. 2 des pfälzischen Civilgesetzbuchs angebotenen Preise. Art. 209. Ist auf die Zustellungen, welche der neue Eigenthümer zum Zwecke der Einleitung des Hypothekenreinigungsverfahrens machen liess, die

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Versteigerung nicht beantragt worden, so können, wenn über die Vertheilung zwischen mehreren Gläubigern Streit besteht, der neue Erwerber, jeder Hypothek­ gläubiger und der Schuldner die Einleitung des gerichtlichen Vertheilungs verfahrens bei dem Amtsgerichte der belegenen Sache nachsuchen. Dem Gesuche sind die in Art. 208 Zijf. 1 Abs. 2 bezeichneten Schrift­ stücke beizulegen. Wird dem Gesuch stattgegeben, so richtet sich das weitere Verfahren nach den Vorschriften der Art. 97 jig. des Gesetzes vom 23. Februar 1879, die Zwangs­ vollstreckung in das unbewegliche Vermögen wegen Geldforderungen betreffend. Die in Art. 97 des in Abs. 3 bezeichneten Gesetzes vorgeschriebene Auf­ forderung muss an sämmtliche im Hypothekenbuche rechtzeitig eingetragenen Gläubiger geschehen.

Erwerb von Eigenthum und dinglichen Rechten an unbeweglichen Sachen. Art. 219. ) Ueber alle Verträge, welche das Eigenthum unbeweglicher Sachen oder dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen betreffen, sind bei Strafe der Nichtigkeit Notäriatsurkunden zu errichten. Bezüglich des Uebertrags eines Vorzugs- oder Unterpfandsrechts sowie des Verzichts darauf findet Abs. 1 keine Anwendung und verbleibt es bei den bisherigen

Vollstreckbarkeit von Notariatsurkunden. Art. 220.2) pnncrJialb des Regierungsbezirks der Pfalz findet die Zwangsvollstreckung auch aus folgenden Schuldtiteln statt: 1) aus Notariatsurkunden über freiwillige gerichtliche Versteigerungen von Liegenschaften, 2) aus Notariatsurkunden über die Theilung einer Erb- oder sonstigen Masse oder eines sonstigen ungetheilten Gegenstandes sowie über die Theilungsversteigerungen (Licitationen). Art. 221. Auf die Zwangsvollstreckung aus den in dem vorstehenden Artikel erwähnten Urkunden finden die Bestimmungen des § 703 der (Zivilprozess­ ordnung Anwendung. Hat der Anspruch, über welchen die Notariatsurkunde errichtet ist, eine unbewegliche Sache zum Gegenstände, so ist für die Klagen gemäss §* 703 Abs. 5 der (Zivilprozessordnung das Gericht ausschliesslich zuständig, in dessen Bezirke die Sache belegen ist.

') 3M Art. 189 E.G. z. B.G.B., Art. 177 A.G. z. B.G.B. noch für die Uebergangszeit maßgebend. Die entsprechende Vorschrift im Art. 14 des rechtsrheinischen NotariatsgefetzeS vom 10. Nov. 1861, die nach Art. 132 des neuen Notariatsgesetzes (unter XLVII) gleichfalls noch für die Uebergangszeit maßgebend ist, lautet: Art. 14. Ueber alle Verträge, welche die Besitzveränderung oder das Eigenthum unbeweglicher Sachen oder diesen gleichgeachteter Rechte, sowie über alle Verträge, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen betreffen, sind bei Strafe der Nichtigkeit Notariatsurkunden zu errichten. 2) Die Art. 220, 221 bleiben für die nach den bisherigen Vorschriften errichteten Urkunden der in ihnen bezeichneten Art in Kraft.

L. Ausführungsgesetz zur CPO u. K.O.

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VI. Abschnitt.

Schluszbestimmungen. *) Art. 225. Insoweit auf Prozesse, Zwangsvollstreckungen und Konkurse nach dem Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes die bisherigen Prozeßgesehe An­ wendung zu finden haben, treten in Ansehung der Zuständigkeit 1) an Stelle der Einzelrichter und Einzelgerichte die Amtsrichter und Amtsgerichte 2) an Stelle der Bezirksgerichte und der Handelsgerichte die Landgerichte, 3) an Stelle der Appellationsgerichte und der Handelsappellationsgerichte die Ober­ landesgerichte, 4) an Stelle des obersten Gerichtshofs das oberste Landesgericht. Die bei den Handelsgerichten anhängigen Prozesse sind in den Kammern für Handelssachen oder, wo solche nicht gebildet sind, in den Civilkammern zu erledigen. Art. 226. Prozesse (§ 18 Abs. 1 des Einsührungsqesetzes zur Civilprozeßordnung) sind bis zur rechtskräftigen Entscheidung nach den bisherigen Prozeßgesetzen zu erledigen, wenn vor dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung 1) die Klaae erhoben, 2) das Gesuch oder die einfache Vorstellung bei Gericht eingereicht ist. Art. 227. Insoweit nach dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung die bisherigen Prozeßgesetze auf die Erledigung früher anhängig gewordener Prozesse Anivendung 3u finden haben, treten die Vorschriften in Art 807 uno 809 der bayerischen Prozeßordnung über die Betheiligung der Staatsanwaltschaft außer Kraft Art. 226. In den nach dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung nach den bisherigen Prozeßgesetzen zu erledigenden Prozessen hat die Zustellung der mit Be­ rufung oder Nichtigkeitsbeschwerde anfechtbaren Urtheile, losem dieselbe nicht schon vor dem bezeichneten Zeitpunkte stattgefunden hat, binnen drei Monaten zu geschehen, widrigenfalls Unterwerfung unter das Urtheil anzunehmen ist Die Frist beginnt bei den vor dem Inkrafttreten der Civilprozeßordiiung verkündeten Urtheilen nut diesem Zeitpunkte, bei den nach demselben verkündeten Urtheilen mit der Verkündung. Einspruch, Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde, welche in einem solchen Prozesse eingelegt worden sind, gelten als zurückgenommen, wenn nicht die Anmeldung der Sache binnen drei Monaten von dem Zeitpunkte an, in welchem sie nach Art. 313 Abs. 1, Art. 713 Abs. 2, Art 716 oder Art. 803 Abs. 1 der bayerischen Prozeßordnung geschehen konnte, bewerkstelligt worden ist. Die in Abs. 1 und 2 bezeichneten Fristen unterliegen nicht der Erweiterung nach Art 209 der bayerischen Prozeßordnung. Art. 229. Nichtigkeitsklagen oder Restitutionsklagen gegen die auf Grund bisheriger Prozeßvorschristen erlassenen Enduriheile (§ 20 des Einführungsgesetzes zur Civilprozeßordnung) sind in derjenigen Instanz, zu erheben, in welcher das an­ gefochtene Urtheil erlassen worden ist. Ist die Nichtigkeitsklage oder Restitutionsklage gegen Entscheidungen ver­ schiedener Instanzen gerichtet, so ist dieselbe in der höheren Instanz zu erheben. Gegen ein vor dem 1. Juli 1870 verkündetes Urtheil findet Anfechtung auf Grund der bayerischen Gerichtsordnung Kap. XVI § 2 unter keiner Voraussetzung nach dem 30 Juni 1880 statt.'

Art. 260. Zwangsvollstreckungen, mit Inbegriff der Anschlreßung, der weiteren Pfändung im Falle des Art. 924 Abs 2 der bayerischen Prozeßordnung und des Vertheilungsverfahrens, sind nach den bisherigen Prozeßgesetzen zu erledigen, wenn vor dem Inkrafttreten der Civilprozeßordnung 1) im Falle der Zwangsvollstreckung in Fahrnisse oder in Früchte auf der Wurzel die Pfändung durch den Gerichtsvollzieher vorqenommen ist, 2) im Falle des Arrestes auf Forderungen (Vollstreckungs- und Sicherheitsarrest) die Arrestanlegungsurkunde dem Drittschuldner zugestellt ist, 3) im Falle der Perjonalhaft die Verhaftung durch den Gerichtsvollzieher vor­ genommen oder Zustellung gemäß Art. 1151 der bayerischen Prozeßordnung erfolgt ist, *) Die Schlußbestimmungen find nicht aufgehoben, aber fernerhin gegenstandslos

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L. Ausführungsgesetz zur C.P.O. u. K.O.

4) im Falle des Art. 860 der bayerischen Prozeßordnung die Sache durch den Gerichtsvollzieher weggenommen ist, 5) im Falle des Art. 861 der bayerischen Prozeßordnung der Gerichtsvollzieher von der Sache Besitz ergriffen hat.

Art. 231. Ein Konkursverfahren ist nach den bisherigen Gesetzen zu er­ ledigen, wenn vor dem Inkrafttreten der Konkursordnung das Ganterkenntniß in öffentlicher Sitzung verkündet ist Art. 232. In den Landestheilen rechts des Rheins haben die Förderungen der Pflegebefohlenen des Gemeinschuldners in Ansehung ihres gesetzlich der Ver­ waltung desselben unterworfenen Vermögens, wenn die Vermögensverwaltung vor dem Inkrafttreten der Konkursordnung beendigt worden ist, das in § 54 Ziff. 5 derselben bestimmte Vorrecht auch dann, wenn dieselben nicht geltend gemacht oder nicht verfolgt worden sind. Das Vorrecht steht ihnen nicht za, wenn das Konkurs­ verfahren erst nach Ablauf von fünf Jahren nach dem Inkrafttreten der Konkurs­ ordnung eröffnet wird. Art. 233. In den Landestheilen rechts des Rheins haben die vor dem Inkrafttreten der Konkursordnung entstandenen Forderungen der Kinder des Gemein­ schuldners, welchen bisher ein Vorzugsrecht in vierter Klasse zustand, soweit sie nicht unter die Bestimmung des § 54 Ziff. 5 der Konkursordnung fallen, ein Vorrecht vor den nicht bevorzugten Konkursforderungen (§ 54 Ziff. 6 der Konkursordnung). Das Vorrecht steht ihnen nicht zu, wenn das Konkursverfahren erst nach Ab­ lauf von fünf Jahren nach dem Inkrafttreten der Konkursordnung eröffnet wird.

Art. 234. In den Landestheilen rechts des Rheins haben die vor dem Inkrafttreten der Konkursordnung entstandenen Forderungen der Ehefrau des Gemein­ schuldners in Ansehung des Heirathsguts und ihres eingebrachten Vermögens, des­ gleichen in Ansehung der Morgengabe und Widerlage oder des statt derselben be­ dungenen Wittibsitzes auch fernerhin ein Vorrecht vor den nicht bevorzugten Konkurs­ forderungen (§ 54 Ziff. 6 der Konkursordnung) Dieses Vorrecht hat gleichen Rang mit dem Vorrechte der in Art 233 bezeichneten Forderungen der Kinder des Gemein­ schuldners. Die Forderungen der Ehefrau müssen bis zum Ablaufe von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten der Konkursordnung bei dem Amtsgerichte, bei welchem der Ehe­ mann seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, zur Eintragung in das hiefur bestimmte Register vorschriftsmäßig anqemeldet sein, widrigenfalls ihnen das Vorrecht in einem zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Konkursordnung eröffneten Konkursverfahren nicht zufteht Die Anmeldung kann sowohl durch die Eheftau als durch den Ehemann geschehen. Dieselbe muß eine genaue Bezeichnung der Ehegatten sowie die Angabe des Entstehungsgrundes der an gemeldeten Forderungen und des Betrags, für welchen das Vorrecht angesprochen wird, enthalten Zur Anmeldung sind auch die Rechts­ nachfolger der Ehefrau und diejenigen befugt, welche die Forderung derselben in Folge einer Verpfändung oder aus einem anderen Grunde für sich geltend zu machen berechtigt sind. Die Anmeldung muß in diesem Falle eine genaue Bezeichnung des Berechtigten, sowie die Angabe des Verhältnisses enthalten, aus welchem de-r Anmeldende sein Recht ableitet, und wirkt nur für ihn und seine Rechtsnachfolger. Von dem Register und den Anmeldungen Einsicht zu nehmen und Auszüge oder Abschriften davon zu verlangen steht Jedermann frei Die näheren Bestimmungen über die Führung des Registers werden vom Staatsministerium der Justiz getroffen Art. 235. Aufgehoben sind: 1) die Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern vom 29. April 1869, 2) das Gesetz vom 29 April 1869, die Einführung einer Prozeßordnung in bürger­ lichen Rechtsstreitigkeiteu für das Königreich Bayern betreffend, 3) die Prioritatsordnung für das Königreich Bayern vom 1 Juni 1822, 4) das Gesetz vom 1 Juli 1856, den § 19 der Prioritatsordnung vom 1. Juni 1822 betreffend,

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L Ausführungsgesetz zur C.P.O. u. K.O.

5) das Gesetz vom 26. März 1859, bie Einrede des nicht gezahlten Geldes oder Heirathäuts betreffend, 6) das Gesetz vom 27. Juli 1874, die Abänderung des Art. 19 Abs. 1 des Gesetzes vom 10. November 1861 über die Einführung des allgemeinen deutschen Handels­ gesetzbuchs betreffend, 7) die in der Pfalz bisher noch geltenden Bestimmungen der pfälzischen Civilprozeßordnung (Code de procedure civile von 1806), insoweit dieselben nicht in dem gegenwärtigen Gesetze als sortbestehend bezeichnet finb,1) 8) die in der Pfalz bisher noch geltenden Bestimmungen des pfälzischen Handels­ gesetzbuchs (Code de commerce von 1807), 9) das Gesetz vom 2. Veftdemiaire VIII über Entscheidung der beim Gemeindeoctroi entstehenden Streitigkeiten, 10) die §§ 68, 70, 118, 156 des Hyvothekengesetzes vom 1. Juni 1822, 11) die Art. 85, 86, 88, 89, 97 des Gesetzes vom 10 November 1861, das Notariat betreffend, 12) dre Art 4 Abs. 2, 27, 43-46, 52-62, 66, 67, 69, 80, 81 des Gesetzes vom 10. November 1861, die Einführung des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbiichs betreffend, 13) die 88 172-178 Thl I Tit 51 der preußischen Gerichtsordnung 2)

Art 236. Gegenwärtiges Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Gerichtsverfassungs­ gesetze für das Deutsche Reich vom 27. Januar 1877 in Kraft *) Die pfälzische C.P.O. ist nun ganz aufgehoben (Art. 166 Abs. 5 A G. z. B.G.B). 2) Siehe nun Art 166 Abs. 5 und 6 A G z. B.G.B.

Bürgerliches Gesetzbuch und Nebengesetze (Bayern).

84

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LI Ausführungsgesetz zum Relchs-Gerichtsverfassungsgesetze.

LI.

AilSsuhruugSgesetz zm ReiP-GerilhtSverUMgSgesetze vom 23. Februar 1879 i« der Fassung «ach Artikel 167 des Aussühr««gsgesetzes zum Bürgerliche« Gesetz­ buch« v»m 9. Ju«i 1899?), (Gesetz, und Verordnungsblatt 1879 S 273 sf. 1899 S. 304 und Beilage zu Nr. 28 vom 12 Jun, 1899 S 64ff.)

Erster Titel.

Alchteramt. Art. 1. Die Richter, einschließlich der Handelsrichter, werden vom Könige ernannt. Für jede Stelle eines Handelsrichters haben die zur Vertretung des Handelsstandes berufenen Organe zwei Kandidaten vorzuschlagen. Art. 2. Jeder Richter hat den Amtseid dahin zu leisten, die ihm obliegenden Richteramtspflichten nach bestem Wissen und Gewissen mit Fleiß und Sorgfalt zu erfüllen, keine Partei zu begünstigen, keiner mit Rat zu dienen, von keiner ein Geschenk oder Versprechen, weder unmittel­ bar noch mittelbar anzunehmen, nirgends aus Haß, Gunst, Furcht, Rück­ sicht auf die Person oder aus ähnlichen Ursachen zu handeln, sondern bei allen Richteramtshandlungen nur Gott, die Gesetze, die Gerechtigkeit und Wahrheit vor Augen zu haben.

Art. 3.

Der Richteramtseid wird in öffentlicher Sitzung geleistet. Die Amtsrichter, welchen die Dienstaufstcht zusteht, leisten denselben bei dem vorgesetzten Landgerichte, die übrigen Richter bei dem Gerichte, an welchem sie angestellt sind.

Art. 4. Der Amts- oder Diensteid, welchen ein Richter in dieser Eigenschaft nach früheren Vorschriften geleistet hat, wird dem in Art. 2 bezeichneten Eide gleich geachtet. Eine wiederholte Beeidigung unterbleibt, auch wenn ein solcher Richter zu einer anderen Richterstelle berufen wird.

Art. 5. An einem Kollegialgerichte dürfen Richter, welche mit­ einander oder mit einem bei dem Gerichte angestellten Staatsanwalte in gerader Linie oder im zweiten Grade der Seitenlinie verwandt oder ver­ schwägert sind, nicht angestellt werden. Besteht das Gericht aus mehr als zehn Richtern, so kann von dieser Vorschrift Umgang genommen werden. Art. 6. Der Richter muß an dem Orte des Gerichts, an welchem er angestellt ist, seinen Wohnsitz nehmen. Inwieweit benachbarte Orte im Sinne dieser Vorschrift als ein Ort anzusehen sind, bestimmt das Staatsministerium der Justiz. *) Abgedruckt unter XLIV

LI Ausführungsgesetz zum Reichs-Ecrichtsversasiungsgesetze.

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Zweiter Titel.

Gerichtsbarkeit. Art. 7. Die nachstehend bezeichneten Gerichte werden ausgehoben: der oberste Gerichtshof, die Appellationsgerichte und Handelsappellationsgerichte, die Bezirksgerichte und Handelsgerichte, die Stadtgerichte, die Landgerichte, sowie die Stadt- und Landgerichte. Das Merkantil-Friedens- und Schiedsgericht der Stadt Nürnberg wird als Vermittelungsamt für Streitigkeiten in Handelssachen in seiner bisherigen Einrichtung beibehalten. Die bisherige Zuständigkeit desselben 1) 2) 3) 4)

zur öffentlichen Beglaubigung der Handelsbuchsauszüge und Handelsvoll­ mächten bleibt aufrecht.

Art. 8. Die Gerichtsbarkeit der in Art. 7 Ziff. 1—4 bezeichneten Gerichte in den nicht zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit gehörenden Angelegenheiten geht in dem Umfange, in welchem sie in den einzelnen Lattdestheilen bisher bestand, nach den näheren Bestimmungen des gegen­ wärtigen Gesetzes auf die nach Maßgabe des Reichs-Gerichtsverfassungs­ gesetzes und des Einsuhrungsgesetzes zu demselben zu bildenden Landes­ gerichte über. Art. 9. Die Gerichtsbarkeit nach der revidirten Rheinschiffahrts­ akte vom 17. Oktober 1868 wird, soweit sic bisher den ordentlichen Ge­ richten übertragen war, in erster Instanz Amtsgerichten, in zweiter Instanz einem oder mehreren Landgerichten der Pfalz im Verordnungswege übertragen.

Art. 10. Ist die örtliche Zuständigkeit in einer durch das gegen­ wärtige Gesetz den ordentlichen Gerichten übertragenen, nicht zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit gehörenden Angelegenheit zwischen zwei oder mehreren Gerichteir streitig, so entscheidet das nächste gemeinsame Ober­ gericht und beim Mangel eines solchen das oberste Landesgericht. Ist das an sich zuständige Gericht in einer der in Abs. 1 bezeichneten Angelegenheiten an der Ausübung des Richtcramts rechtlich oder that­ sächlich verhindert, so hat, vorbehaltlich der in Art. 21 des gegenwärtigen Gesetzes für die Amtsgerichte gegebenen besonderen Vorschriften, gleichfalls das nächst höhere Gericht das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen. Art. 11.*) Besteht zwischen Civil- und Militärgerichten Streit über die Zuständigkeit, oder haben sowohl Civil- als Militärgerichte, von welchen eines das zuständige ist, durch Entscheidungen, welche nicht mehr anfechtbar sind, ihre Unzuständigkeit ausgesprochen, so bestimmt ein Senat, welcher aus dem Präsidenten und drei Räthen des Oberlandesgerichts in München, dann drei Richtern des Militärobergerichts zusamniengesetzt ist, das zu­ ständige Gericht.

Art. 12. In den Fällen des Art. 11 sind sowohl Civil- als Militärgerichte und Untersuchungsrichter verpflichtet, dem Oberstaatsanwälte *) Die Artikel 11—14 treten mit Einführung der Militärstrafgerichtsordnung Dom 1 Dezember 1898 (R -E -Bl 1898 S. 1189—1288), b. h. am 1 Oktober 1900 (Kaiser! Verordnung vom 28 Dezember 1899, R -E.-Bl 1900 S. 1) außer Kraft. Vgl. § 14 E.G. z. M St.G.O. (R -G -Bl S. 1289-1296).

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LI. Ausführungsgesetz zum Rerchs-Gerichtsverfassungsgesetze.

am Oberlandesgerichte in München unter Vorlage der Akten sofort An­ zeige zu erstatten. Der bezeichnete Oberstaatsanwalt ist auch ohne eine solche Anzeige berechtigt und verpflichtet, die Vorlage der Akten zu veranlassen, sobald er auf irgend welche Weise von dem Bestehen eines Streits über die Zu­ ständigkeit verlässige Nachricht erhalten hat.

Art. 13. Mit dem Eintritte eines Streits über die Zuständigkeit haben sich die im Streite befangenen Gerichte oder Untersuchungsrichter des weiteren Verfahrens in der Hauptsache zu enthalten. Eine Ausnahme tritt ein hinsichtlich der zur Vorbereitung der öffentlichen Klage, beziehungsweise Einleitung der Untersuchung und Er­ hebung des Thatbestandes nöthigen Handlungen, insbesondere aller der­ jenigen, bei welchen Gefahr im Verzüge obwaltet. Art. 14. Der Oberstaatsanwalt (Art. 12) veranlaßt weitere Er­ hebungen, wenn er solche für nothwendig erachtet. Die Entscheidung über die Zuständigkeit wird in geheimer Sitzung aus mündlichen Vortrag des Berichterstatters und nach Anhörung des Oberstaatsanwalts erlassen. Die Abstimmung erfolgt nach den Vorschriften des sechzehnten Titels des Reichs-Gerichtsversassungsgesetzes mit der Maßgabe, daß zuerst der jüngste der anwesenden Räthe des Oberlandesgerichts, dann das jüngste Mitglied des Militärobergerichts seine Stimme abgibt und in dieser Weise abwechselungsweise fortgefahren, die Stimme des Vorfitzenden aber zuletzt abgegeben wird.

Dritter Titel.

Amtsgerichte. Art. 15. Die Amtsgerichte sind, soweit nicht andere Bestimmungen getroffen sind, für die Angelegenheiten zuständig, welche zur Zuständigkeit der Stadt- und Landgerichte gehört haben. Die Amtsgerichte sind neben den Notaren zuständig für die Be­ urkundung von Vereinbarungen zwischen dem Vater eines unehelichen Kindes und diesem über den Unterhalt für die Zukunft oder über eine an Stelle des Unterhalts zu gewährende Abfindung sowie für die Be­ urkundung einer Vereinbarung zwischen dem Vater eines unehelichen Kindes und der Mutter über die der Mutter aus der Beiwohnung und der Ent­ bindung entstandenen Ansprüche, sofern diese Vereinbarung mit der Ver­ einbarung über den Unterhalt des Kindes in derselben Urkunde verbunden wird. Die Amtsgerichte sind nicht zuständig für die Beurkundungen, die nach den Vorschriften der Reichsgesetze durch ein Gericht oder einen Notar zu bewirken sind, sowie für die öffentliche Beglaubigung einer Unterschrift oder eines Handzeichens. Die Amtsgerichte sind als Nachlaßgerichte nicht zuständig zur Auf­ nahme des Inventars.

Art. 15 a. Die Amtsgerichte können für bestimmte Arten von Gutachten, soweit nicht besondere Vorschriften maßgebend sind, Sach­ verständige öffentlich bestellen und im Allgemeinen beeidigen.

LI. Ausführungsgesetz zum Reichs-Gerichtsverfassungsgesetze.

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Art. 16. Die Amtsgerichte werden mit der erforderlichen Anzahl von Amtsrichtern besetzt.

Art. 17. Bei den mit mehreren Richtern besetzten Amtsgerichten werden die Geschäfte aus die Dauer eines Geschäftsjahres im Voraus vertheilt. Die Vertheilung erfolgt durch denjenigen Amtsrichter, welchem die allgemeine Dienstaufsicht übertragen ist. Ist die Dienstaufsicht zwischen mehreren Amtsrichtern getheilt, so bestimmt das Staatsministerium der Justiz denjenigen, welchem die Vertheilung der Geschäfte zusteht. Das Präsidium des Landgerichts ist befugt, im Falle wahrgenommenen Bedürfnisses Aenderungen der vom Amtsrichter vorgenommenen Geschästsvertheilung anzuordnen. Das Staatsministerium der Justiz kann über die bei der Vertheilung der Geschäfte zu beobachtenden Grundsätze allgemeine Vorschriften erlassen und bei den mit mehr als drei Richtern besetzten Amtsgerichten selbst einzelne Anordnungen über die Geschäftsvertheilung treffen.

Art. 18. Jeder Amtsrichter erledigt auch die aus dem landes­ gesetzlich bestimmten Wirkungskreise des Gerichts ihm zugewiesenen Ge­ schäfte selbständig als Einzelrichter; denselben trifft die dafür gesetzlich be­ stehende Haftung und Dienstverantwortlichkeit. )

Art. 19.

Mehrere Richter desselben Amtsgerichts vertreten sich

gegenseitig. Bei Verhinderung des mit der allgemeinen Dienstaufsicht betrauten Amtsrichters oder Erledigung der Stelle desselben sind die übrigen Amts­ richter nach ihrem Range und, wenn dieser gleich ist, nach ihrem Dienst­ alter zur Stellvertretung berufen, soferne nicht vom Präsidium des Land­ gerichts eine andere Anordnung getroffen wurde.

Art. 20. Für diejenigen Amtsgerichte, an welchen nur ein Richter angestellt ist, wird von dem Präsidium des Landgerichts ein Richter eines benachbarten Amtsgerichts oder ein Mitglied des Landgerichts ständig mit der Stellvertretung des Amtsrichters beauftragt und die Aufstellung im Amtsblatt« des Kreises veröffentlicht. Wird in einzelnen Fällen die Anordnung einer weiteren Stellver­ tretung an einem Amtsgerichte nöthig, so beauftragt das Präsidium des Landgerichts einen Richter eines benachbarten Amtsgerichts oder ein Mit­ glied des Landgerichts mit derselben.

Art. 21. Die im Art. 20 Abs. 1 angeordnete Stellvertretung erstreckt sich nicht auf den Fall rechtlicher Verhinderung des Gerichts.

Art. 22. Die Ausfertigungen in den nicht zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit gehörenden Angelegenheiten werden, soweit nicht besondere Vorschriften bestehen, von dem Amtsrichter unterschrieben.

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LI. Aussührungsgesetz zum Reichs-Gerichtsverfassungsgesetze.

vierter Titel.

Schöffengerichte. Art. 23. Zu dem Amte eines Schöffen sollen der Präsident, der Direktor und die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofs nicht berufen werden.

Art. 24. Die gemäß § 40 des Reichs-Gerichtsverfassungsgesetzes aus den Einwohnern eines jeden Amtsgerichtsbezirks zu wählenden Ver­ trauensmänner werden in den der Kreisregierung unmittelbar unter­ geordneten Städten von den in einen Wablkörper vereinigten Magistraten und Gemeindebevollmächtigten, in den Distrikten durch den versammelten Distriktsrath gewählt. Umfaßt eine Distriktsgemeinde oder unmittelbare Stadt mehrere Amtsgerichtsbezirke, so wählt die Distrikts- oder Stadtvertretung für jedes Amtsgericht aus den Einwohnern seines Bezirks besondere Vertrauens­ männer. Umfaßt ein Amtsgerichtsbezirk mehrere wahlberechtigte Verbände, so ist die Zahl der zu wählenden Vertrauensmänner nach Verhältniß der Bevölkerung zu vertheilen, jedem Verbände aber mindestens ein Vertrauens­ mann zuzutheilen. Ergeben sich Bruchtheile, so erfolgt die Zutheilung nach der Reihenfolge ihrer Größe. Art. 25. Die Vorschriften der §§ 32—35 und 53 des ReichsGerichtsverfassungsgesetzes, dann des Art. 23 des gegenwärtigen Gesetzes finden auf die Vertrauensmänner entsprechende Anwendung. Die Wahl erfolgt nach absoluter Stimmenmehrheit.

Fünfter Titel.

Landgerichte. Art. 26.

Den Landgerichten werden ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes ausschließlich zugewiesen: 1) Ansprüche der Staatsbeamten gegen den Staat aus ihrem Dienst­ verhältnisse, 2) Ansprüche gegen den Staat wegen Verschuldung von Staatsbeamten, 3) Ansprüche gegen öffentliche Beamte wegen Ueberschreitung ihrer amt­ lichen Befugniffe oder wegen pflichtwidriger Unterlassung von Amts­ handlungen, 4) Ansprüche gegen den Staat wegen Verfügungen der Verwaltungs­ behörden, 5) Ansprüche gegen den Staat wegen Aufhebung von Privilegien, 6) Ansprüche in Betreff von Staatsabgaben.

Art. 27. Die Landgerichte find zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel in den Angelegenheiten, welche durch das gegenwärtige Gesetz den Amtsgerichten zugewiesen sind. Art. 28. Soweit nicht andere Bestimmungen getroffen sind, ge­ hören zur Zuständigkeit der Landgerichte alle Angelegenheiten, für welche bisher die Bezirksgerichte in erster Instanz zuständig waren?) Die früheren Absätze 2 u 3 sind A.G. z B.G B.

aufgehoben durch Art. 167 Ziff. XXV

LI Ausführungsgesetz zum Reichs-Gerichtsverfassungsgesetze.

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Art. 29. Die in dem gegenwärtigen Gesetze den Landgerichten zugewiesenen, nicht zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit gehörenden Angelegenheiten werden von den Civilkammern erledigt.

Art. 30. Die Vorschriften der §§ 61 bis 68, 77 des ReichsGerichtsverfassungsgesetzes gelten auch für die zur Zuständigkeit der Land­ gerichte gehörenden Angelegenheiten, für welche die Vorschriften der Landes­ gesetze maßgebend sind. Die Bestimmungen über die Bestellung der Vorsitzenden der Kammern für Handelssachen und über die Stellvertretung derselben werden im Ver­ ordnungswege getroffen. Ausfertigungen der Landgerichte, insoweit hiefür nicht die Bestimmungen der Reichs-Prozeßordnungen maßgebend sind, unterzeichnet der Präsident. Ausfertigungen in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbar­ keit werden von dem Gerichtsschreiber unterschrieben. Soweit dem Direktor des Bezirksgerichts die Erledigung einzelner Geschäfte durch besondere.Bestimmung zugewiesen ist, geht diese Verpflich­ tung auf den Präsidenten des Landgerichts über. Art. 31. Die gerichtliche Beglaubigung amtlicher Unterschriften zum Zwecke der Legalisation im diplomatischen Wege erfolgt durch den Präsi­ denten des Landgerichts. Art. 32. Der Präsident des Landgerichts wird, unbeschadet der Vorschriften des § 65 des Reichs-Gerichtsverfassungsgesetzes, in allen seinen Dienstgeschäften durch dasjenige Mitglied des Präsidiums vertreten, welches dem Range nach, bei gleichem Range dem Dienstalter nach und bei gleichem Dienstalter der Geburt nach das älteste ist. Art. 33. Wenn in einzelnen Fällen bei einem Landgerichte die zur Beschlußfassung erforderliche Zahl von Gerichtsmitgliedern nicht vor­ handen ist, so können ausnahmsweise durch den Präsidenten Richter der am Gerichtssitze befindlichen oder benachbarten Amtsgerichte des Land­ gerichtsbezirkes beigezogen werden. Sechster Titel.

Schwurgerichte. Art. 34. Die Vorschrift des § 23 über die Berufung zum Schöffen­ amte findet auch auf die Schwurgerichte Anwendung. Art. 35. Die Schwurgerichte urtheilen über die mittels eines Preßerzeugniffes (§ 2 des Reichsgesetzes vom 7. Mai 1874 über die Presse) verübten Verbrechen und Vergehen) mit Ausnahme 1. der in den §§ 18 und 28 des Reichsgesetzes vom 7. Mai 1874 über die Preffe mit Strafe bedrohten Vergehen, 2. der nach Art. 6 des Gesetzes zur Ausführung der Reichsstrafprozeß­ ordnung mit Strafe bedrohten Vergehen, 3. der nur auf Antrag zu verfolgenden Beleidigungen, wenn entweder § 185 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich maßgebend und keiner der in § 196 erwähnten Fälle gegeben ist, oder wenn und so lange die Verfolgung im Wege der Privatklage geschieht.

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LI. Ausführungsgesetz zum Reichs-Gerichtsverfassungsgesetze. Siebenter Titel.

LberlandeSgerichte. Art. 36. Zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehören: 1) alle Angelegenheiten, für welche bisher die Appellationsgerichte als Gerichte erster Instanz zuständig waren ; ihre Zuständigkeit in Fideikommißsachen umfaßt die Familienfideikommisse nach Maßgabe der VII. Beilage zur Verfassungsurkunde; 2) die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel in den An­ gelegenheiten, welche nach Art. 28 in erster Instanz zur Zuständig­ keit der Landgerichte gehören. Art. 37. Die Verhandlung und Entscheidung über die den Oberlandesgerichten durch das gegenwärtige Gesetz zugewiesenen Gegen­ stände erfolgt in den Civilsenaten.

Art. 38. Die Vorschriften der §§ 121, 124 des Reichs-Gerichtsverfaffungsgesetzes Igelten auch für die zur Zuständigkeit der Oberlandes­ gerichte gehörenden Angelegenheiten, für welche die Vorschriften der Landes­ gesetze maßgebend sind. Auf, die Vertretung des Präsidenten finden die Vorschriften des Art. 32 entsprechende Anwendung.

Art. 39. Die Vorschriften des Art. 30 Abs. 3, 5 finden bei den Oberlandesgerichten, entsprechende Anwendung. Ausfertigungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, für die das Oberlandesgericht als oberes Gericht zuständig ist, werden von dem Gerichtsschreiber unterschrieben. Art. 40. Ist in einem einzelnen Falle bei einem Oberlandes­ gerichte die zur Entscheidung erforderliche Zahl von Gerichtsmitgliedern nicht vorhanden, so kann der Präsident den Senat durch von ihm ein­ zuberufende Mitglieder nicht betheiligter Landgerichte des Oberlandes­ gerichtsbezirks ergänzen.

Art. 41

ist aufgehoben durch Art. 167 Ziff. XXV A.G. z. B.G.B.

Achter Titel.

Oberstes Landesgericht. Art. 42. Gemäß der §§ 8 und 10 des Einführungsgesetzes zum Reichs-Gerichtsverfaffungsgesetze wird ein oberstes Landesgericht errichtet. Demselben wird die Verhandlung und Entscheidung der zur Zu­ ständigkeit des Reichsgerichts gehörenden Revisionen und Beschwerden nach Maßgabe des § 8 des Einführungsgesetzes zum Reichs-Gerichtsverfassungsgesetze zugewiesen. Dem Obersten Landesgerichte wird ferner die Verhandlung und Ent­ scheidung der zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehörenden Re­ visionen und Beschwerden in Strafsachen sowie, unbeschadet der Zuständig­ keit des Reichsgerichts, die Entscheidung über das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde in Grundbuchsachen und anderen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen.

LI. Ausführungsgesetz zum Reichs-Gerichtsverfassungsgesetze

1337

Das Oberste Landesgericht ist, soweit nicht andere Bestimmungen getroffen sind, für die Angelegenheiten zuständig, welche zur Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs gehört haben.

Art. 43. Das oberste Landesgericht wird mit einem Präsidenten und der erforderlichen Anzahl von Senatspräsidenten und Räthen besetzt. Art. 44. gebildet.

Bei dem obersten Landesgerichte werden mehrere Senate Die Zahl derselben bestimmt das Staatsministerium der Justiz.

Art. 45. Die Bestimmungen der 88 61—68 des Reichs-Gerichtsverfassungsgesetzes finden auch auf das oberste Landesgericht bezüglich aller zu seiner Zuständigkeit gehörenden Rechtssachen mit der Maßgabe ent­ sprechende Anwendung, daß zu dem Präsidium die vier ältesten Mitglieder des Gerichts zuzuziehen sind. Bei der ersten Einrichtung des obersten Landgerichts und während der Dauer des ersten Geschäftsjahres erfolgen die Geschäftsvertheilung und die Bestimmung der Mitglieder der Senate sowie der regelmäßigen Ver­ treter derselben durch das Staatsministerium der Justiz. Art. 46, 47 sind aufgehoben durch Art. 167 Ziff. XXV A .G. z. B.G.B.

Art. 48. Die Civilsenate des Obersten Landesgerichts entscheiden in den Angelegenheiten, für welche die Vorschriften der Landesgesetze maß­ gebend sind, in der Besetzung von sieben Mitgliedern mit Einschluß des Vorfitzenden, über das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gegen Ent­ scheidungen der Landgerichte als Beschwerdegerichte und über die Be­ stimmung des zuständigen Gerichts jedoch in der Besetzung von fünf Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden.

Art. 49. Der Geschäftsgang bei dem obersten Landesgerichte wird durch eine Geschäftsordnung geregelt, welche das Plenum auszuarbeiten und dem Staatsministerium der Justiz zur Genehmigung vorzulegen hat. Neunter Titel.

LtaatsaMaltschast. Art. 50. Die bestehenden staatsanwaltschaftlichen Behörden sind aufgehoben. Die Zuständigkeit derselbm in den durch die Reichs-Prozeßordnungen nicht betroffenen Angelegenheiten geht, vorbehaltlich anderweitiger besonderer Bestimmungen, nach Maßgabe der in den einzelnen Landestheilen geltenden gesetzlichen Vorschriften auf die Staatsanwaltschaft an den ordentlichen Landesgerichten über.

Art. 51. Bei dem Obersten Landesgerichte wird ein General­ staatsanwalt, bei jedem Oberlandesgerichte wird ein Oberstaatsanwalt, bei jedem Landgerichte wird ein Erster Staatsanwalt aufgestellt.Denselben wird die erforderliche Anzahl von Staatsanwälten bei­ gegeben.

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LI. Ausführungsgesetz zum Reichs-Gerichtsverfassungsgesetze.

Art. 52. Der Generalstaatsanwalt, die Oberstaatsanwälte und die Staatsanwälte werden vom König ernannt. Dieselben sind nicht richterliche Beamte.

Art. 53. Die Art. 5 und 6 des gegenwärtigen Gesetzes finden auch auf die Staatsanwälte entsprechende Anwendung. Art. 54. Bei den Amtsgerichten werden die Geschäfte der Staats­ anwaltschaft entweder von besonders hiefür aufgestellten Amtsanwälten versehen, oder es werden mit denselben durch die einschlägigen Staats­ ministerien andere Beamte oder sonst geeignete Personen beauftragte Art. 55. Die einer Kreisregierung unmittelbar untergeordneten Stadtgemeinden irtit Ausnahme von München sind verpflichtet, die Ge­ schäfte der Amtsanwaltschaft für den Stadtbezirk gegen Entschädigung durch Gemeindebeamte besorgen zu lassen. Die Aufstellung derselben als Amtsanwälte erfolgt auf Vorschlag der Gemeindebehörden durch das Staatsministerium der Justiz im Ein­ verständnisse mit dem Staatsministerium des Innern. In anderen als den in Abs. 1 bezeichneten Gemeinden kann die Verwendung von Gemeindebeamten nur unter Zustimmung der gesetzlichen Vertreter der Gemeinde stattfinden. Art. 56. Die als Amtsanwälte aufgestellten Gemeinde-Beamten, die Bürgermeister und deren Stellvertreter sowie die Polizeikommiffäre in der Pfalz gehören zu den Hülfsbeamten der Staatsanwaltschaft. Im Falle des Bedürfnisses können auch weitere Gemeinde-Beamte und Bedienstete als Hülfsbeamte der Staatsanwaltschaft bezeichnet werden.

Art. 57. Bei Verhinderung der Staatsanwälte an den Kollegial­ gerichten haben, insoferne nicht die Wahrnehmung der Geschäfte durch den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft einem anderen Staatsanwalte übertragen werden kann, die Gerichtsmitglieder, welche der Ge­ richtsvorstand hiefür bestimmt, die Aushülfe zu leisten. Im Falle länger dauernden Bedürfnisses geschieht die Aufstellung der erforderlichen Aushülfsbeamten durch das Staatsministerium der Justiz. Art. 58. Für Fälle der Verhinderung des Amtsanwalts hat der Oberstaatsanwalt am Oberlandesgerichte die Stellvertretung ständig zu regeln. Ist der Amtsanwalt ein Beamter der inneren Verwaltung oder ein Gemeindebeamter, so hat dies nach Vereinbarung mit der einschlägigen Kreisregierung zu geschehen. Bei plötzlich eintretender Verhinderung des Amtsanwalts hat der Amtsrichter, welchem die Dienstaufsicht zusteht, den Stellvertreter für be­ sonders dringende Fälle zu bezeichnen, hievon aber sofort dem Oberstaats­ anwälte Anzeige zu erstatten. Zur Uebernahme einer solchen Stellvertretung sind die Beamten des Amtsgerichts, einschließlich der Richter, verpflichtet. In einzelnen dringenden Fällen, in welchen eine andere Fürsorge nicht sofort möglich ist, können die Bürgermeister zur Amtsanwaltschaft beigezogen werden; dieselben sind aber berechtigt, sich durch ihre Stell­ vertreter, in der Pfalz auch durch den für die Gemeinde aufgestellten Polizeikommissär, ersetzen zu lassen.

LI Ausführungsgejetz zum Relchs-Gerichtsverfassungsgesetze

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Zehnter Titel.

Aki. 59. Bei dem obersten Landesgerichte, den Oberlandesgerichten und den Landgerichten wird je ein Obergerichtsschreiber und die erforderliche Anzahl von Gerichtsschreibern angestellt. Jedes Amtsgericht erhält einen Gerichtsschreiber. Im Bedürfniß­ falle können bei einem Amtsgerichte auch mehrere Gerichtsschreiber an­ gestellt werden. Einem derselben wird alsdann vom Staatsministerium der Justiz die Geschäftsleitnng der Gcrichtsschreiberei übertragen.

Art. 60.

Die Gerichtsschreiber werden vom Könige ernannt.

Art. 61. Der Gerichtsschreiber hat bei dem Gerichte, bei welchem er angestellt ist, in öffentlicher Sitzung den Amtseid dahin zu leisten, die ihm obliegenden Amtspflichten nach den bestehenden Gesetzen und Ver­ ordnungen treu zu erfüllen, den dienstlichen Aufträgen seiner Vorgesetzten pünktlich nachzukommen und das Amtsgeheimniß sorgfältig zu bewahren. Bä Gerichtsschreibern, welche als solche oder als Gerichtssekretäre schon vor dem Tage des Inkrafttretens des gegenwärtigen Gesetzes eidlich verpflichtet waren, vertritt der nach Vorschrift geleistete Diensteid den in Abs. 1 bezeichneten Eid.

Art. 62. Die Geschäftseinrichtung der Gerichtsschreibereien bleibt den auf dem Verordnungswege zu erlassenden Dienstvorschriften und den zur Durchführung derselben vom Staatsministerium der Justiz zu er­ lassenden Anordnungen Vorbehalten. Art. 63. Die Gerichtsschreiber bei den Amtsgerichten sind zu­ ständig, Siegelungen und Entsiegclungen sowie die Verrichtungen einer Urkuudsperson gemäß § 123 der Konkursordnung') vorzunehmen und Dermdgensverzeichnisse aufzunehmen, die nach gesetzlicher Vorschrift dem Vor­ mundschaftsgericht einzureichen sind. Sie sollen sich diesen Geschäften nur auf Anordnung des Richters unterziehen. Den Gerichtsschreibern bei den Amtsgerichten kann von dem Nach­ laßgerichte die Aufnahine des Inventars übertragen werden.

Die Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses nach Abs. 1 oder eines Inventars nach Abs. 2 soll nur angeordnet werden, wenn anzunehmen ist, daß der Werth des Vermögens oder des Nachlasses ohne Abzug der Schulden den Betrag von zweitausend Mark nicht oder nicht erheblich übersteigt.

Art. 64. Tritt die können die Geschäfte eines Rechtskandidaten und, wenn schreibereibediensteten besorgt x) Neuer Folge.

Nothwendigkeit einer Stellvertretung ein, so Gerichtsschreibers durch einen verpflichteten dies nicht thunlich ist, durch einen Gerichts­ werden.

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LI. Ausführungsgesetz zum Reichs-Gerichtsverfassungsgesetze.

Elster Titel.

Gerichtsvollzieher. Art. 65. Die Regelung der Dienst- und Geschäftsverhältnisse der Gerichtsvollzieher bleibt den auf dem Verordnungswege zu erlassenden An­ ordnungen Vorbehalten. *)

Art. 66. Zur Zuständigkeit der Gerichtsvollzieher gehören neben den ihnen in anderen Gesetzen zugewiesenen Geschäften: 1) die Aufnahme von Wechselprotesten, 2) in den Fällen der §§ 112 und 113*2) der Reichs-Konkursordnung die Vornahme von Siegelungen und Entsiegelungen sowie die Vornahme der Verrichtungen einer Urkundsperson. Art. 67. Die Bestimmungen des § 156 des Reichs-Gerichtsver­ fassungsgesetzes finden in den durch die Reichs-Prozeßordnungen nicht be­ troffenen Angelegenheiten entsprechende Anwmdung. Zwölfter Titel.

Justizverwaltung. Art. 68. Die Vorstände der Gerichte und der Staatsanwaltschaft sind nach Maßgabe der bestehenden und noch zu erlaffenden Vorschriften die Organe des Staatsministeriums der Justiz bei den Geschäften der Justizverwaltung. Sie können bei Erledigung dieser Geschäfte die Mitwirkung der ihrer Aufficht unterstellten Beamten in Anspruch nehmen. Art. 69. Das Recht der Aufsicht steht zu: 1.) dem Staatsministerium der Justiz hinsichtlich sämmtlicher Gerichte und Staatsanwaltschaften, 2) dem Präsidenten des obersten Landesgerichts hinsichtlich dieses Gerichts, 3) dem Präsidenten des Oberlandesgerichts hinsichtlich dieses Gerichts sowie der Gerichte des Bezirks, 4) dem Präsidenten des Landgerichts hinsichtlich dieses Gerichts sowie der Gerichte des Bezirks. 5) dem Amtsrichter, welchem die Dienstaufsicht zusteht, hinsichtlich des Amtsgerichts, 6) dem Generalstaatsanwalte hinsichtlich der Staatsanwaltschaft bei dem Obersten Landesgerichte, dem Oberstaatsanwalt und dem Ersten Staatsanwalt« hinsichtlich der Staatsanwaltschaften ihres Bezirkes. Der Präsident des Oberlandesgerichts und des Landgerichts kann sich mit Genehmigung des Staatsministeriums der Justiz bei der Erledi­ gung einzelner Aufsichtsgeschäste, die sich auf ein untergebenes Gericht be­ ziehen, durch einen richterlichen Beamten des Gerichts, deffen Vorstand er ist, vertreten fassen. *) K. V., bie Gerichtsvollzieherordnung betr, vom 16 Dezember 1899 (J.-M.-Bl. S. 517) und Bek des St.-M. d. Just, vom 28. Dezember 1899, Dienstvorschriften für die Gerichtsvollzieher betr. (I -M.-Bl. S. 1133) 2) Jetzt § 122. 123 K.O

LI. Ausführungsgesetz zum Reichs-Gerichtsverfassungsgesetze.

1341

Der Präsident des obersten Landesgerichts, des Oberlandesgerichts und des Landgerichts hat in wichtigeren Angelegenheiten, welche sich auf die Aufsicht über das Gericht beziehen, dessen Vorstand er ist, namentlich bei Auflegung von Zwangsstrafen, sowie bei allen auf untergebene Gerichte bezüglichen Aufsichtssachen den Beschluß des Präsidiums zu erwirken. Wird der Präsident nach Abs. 2 durch einen richterlichen Beamten vertreten, der nicht Mitglied des Präsidiums ist, so nimmt dieser an der Beschluß­ fassung des Präsidiums mit berathender Stimme Theil.

Art. 70. Das Recht der Aufsicht erstreckt sich auf alle bei den in Art. 69 bezeichneten Behörden angestellten oder beschäftigten Beamten.

Art. 71. In dem Rechte der Aufsicht liegt die Befugniß, die ordnungsgemäße Ausführung der Geschäfte zu überwachen und gegenüber nicht richterlichen Beamten die Erledigung eines Amtsgeschäfts durch Zwangsstrafen bis zum Gesammtbetrage von einhundert Mark herbei­ zuführen Gegen Gemeindebeamte oder nicht unmittelbar unter dem Staats­ ministerium der Justiz stehende Verwaltungsbeamte, welche als Amtsanwälte aufgestellt werden, findet die Auflegung von Zwangsstrafen durch die Staatsanwälte nicht statt. Art. 72. Gegen die gemäß Art. 71 ausgesprochenen Zwangs­ strafen ist die Beschwerde zulässig. Diese sowie alle sonstigen Beschwerden, welche Gegenstände der Justizverwaltung betreffen, werden im Aufsichts­ wege erledigt.

Art. 73. Beschwerden der Betheiligten gegen Gerichte, Gerichts­ vorstände und Richter wegen Verzögerung der Rechtspflege können bei dem Vorstande des unmittelbar vorgesetzten Gerichts und, wenn sie gegen ein Mitglied eines Kollegialgerichts gerichtet sind, auch bei dem Vorstande des Gerichts angebracht werden. Der angerufene Gerichtsvorstand hat die Beschwerde, wenn er sie nicht augenscheinlich ungegründet findet, dem betreffenden Gerichte oder Richter gegen Empfangsbestätigung unter Beifügung der Aufforderung mitzutheilen, binnen bestimmter Frist die Beschwerde zu heben und darüber, daß dies geschehen, Anzeige zu erstatten oder die bestehenden Hinderniffe bekannt zu geben. Mit der Aufforderung kann nach Umständen die Androhüng einer Zwangsstrase bis zu einhundert Mart verbunden werden, deren Auflegung, soferne der Aufforderung nicht Folge geleistet wird, sofort von dem Prä­ sidium des angerufenen Gerichts auszusprechen ist. Gegen die Strafverfügung findet sofortige Beschwerde gemäß § 540 *) der Reichs-Civilprozeßordnung statt.

Art. 74. Verzögerungsbeschwerden gegen die Oberlandesgerichte und das oberste Landesgericht sowie gegen die Präsidenten dieser Gerichte sind bei dem Staatsministerium der Justiz einzubringen, von welchem ge­ gebenen Falls die in Art. 73 bezeichneten Verfügungen auszugehen haben, ohne daß dagegen ein Rechtsmittel Platz greift. ') Jetzt § 577 C.P O

1342

LI. Ausführungsgesetz zum Reichs-Gerichtsverfassungsgesetze.

Art. 74 a. Die Aufsicht über die Amtsführung der Standes­ beamten in der Pfalz gehört zu den Gegenständen der Justizverwaltung. Die erforderlichen Ausführungsbestimmungen erläßt das Staatsministerium der Justiz.

Art. 75. Die Gerichte und Staatsanwälte sind verpflichtet, auf Verlangen der Aufsichtsbehörden über Angelegenheiten der Gesetzgebung und der Justizverwaltung Gutachten abzugeben.

Dreizehnter Titel.

HinterlegungSwesey. Art. 76. Für die in Angelegenheiten des -bürgerlichen Rechtes oder nach den Vorschriften über das gerichtliche Verfahren erfolgenden Hinterlegungen werden bei den Amtsgerichten Hinterlegungsstellen errichtet. Für mehrere Amtsgerichtsbezirke kann eine Hinterlegungsstelle errichtet werden. Die näheren Bestimmungen über die Hinterlegung werden durch Königliche Verordnung getroffen?) Die Staatsregierung kann die Besorgung des Hinterlegungswesens der Königlichen Bank übertragen und die hiefür erforderlichen Änsführungsvorschriften erlassen.*2) Bei den amtsgerichtlichen Hinterlegungsstellen findet die Anlegung von Mündelgeld nach § 1808 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht statt,

vierzehnter Titel.

Rechlshülse. Art. 77. Die Gerichte haben sich in den Angelegenheiten, für welche die Vorschriften der Landesgesetze maßgebend sind, Rechtshülfe zu leisten. Die Bestimmungen der §§ 158—160, 162, 164, 167 des ReichsGerichtsverfassungsgesetzes finden hiebei entsprechende Anwendung. Civil- und Militärgerichte haben sich gegenseitig Rechtshülfe zu leisten, wobei gleichfalls die in Abs. 2 bezeichneten Vorschriften entsprechende An­ wendung finden. *) Siehe die unter XLVIII abgedruckte Hinterlegungsordnung und die Bekannt­ machung der Kgl Staatsministerien der Justiz und der Finanzen vom 28. Dezember 1899, die Geschäftsführung der amtsgerichtlichen Hinterlegungsstellen betr. (Justiz­ ministerialblatt 1899 S 1080—1113). DieErhebunng von Hinterlegungsgebühren ist durch Kgl. Verordnung vom 25. Dezember 1899 (G. u V.-Bl 1899 S. 1235-^1239) und Vollzugsbekanntmachung der Kgl StaatsMinisterien der Justiz und der Finanzen vom 12. Januar 1900 (J.-M -Bl S. 301-307) geregelt. 2) Sie oben XLVIII 46—55; ferner die Bekanntmachungen der Kgl Staatsministerlen der Justiz und der Finanzen vom 28. Dezember 1899, die Uebertragung der Besorgung des gerichtlichen Hinterlegungswefens an die Kgl. Bank betr (Justrzmimsterialblatt 1899 S 1115—1116), und die Besorgung des gerichtlichen Hinter­ legungswesens durch die Kgl. Bank betr. (daselbst S. 1116—1119), endlich die Be­ kanntmachungen des Kgl Staatsministeriums der Justiz vom 28 Dezember 1899, die Anlage der gerichtlichen Depositen bei der Kgl. Bank betr. (ebenda S. 1121—1123), und vom 30. Dezember 1899, das Reglement für die Hinterlegungsstellen der Kgl Bank betr, (ebenda S. 1124—1131)

LI. Ausführungsgesetz zum Reichs-Gerichtsverfassungsgesetze.

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Ueber die Beschwerde gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts im Falle des § 160 Abs. 1 des Reichs-Gerichtsverfassungsgesetzes entscheidet das oberste Landesgericht. Fünfzehnter Titel.

Leffentlichkeit Md Titzungspolizei. Art. 78. Die Vorschriften des Reichs-Gerichtsverfassungsgesetzes über Sitzungspolizei (§§ 177—185 des Reichs-Gerichtsverfasiungsgesetzes mit 8 10 des Einführungsgesetzes zu demselben) finden auch in den An­ gelegenheiten, für welche die Vorschriften der Landesgesetze maßgebend sind, entsprechende Anwendung. Finden in diesen Angelegenheiten mündliche Verhandlungen nach Vorschrift der Reichs-Civilprozeßordnung statt, so erfolgen dieselben öffentlich nach Maßgabe der §§ 170—176 des Reichs-Gerichtsverfassungsgesetzes. Sechzehnter Titel.

Berathung und Abstimmung. Art. 79. Die Berathung und Abstimmung erfolgt in den An­ gelegenheiten, für welche die Vorschriften der Landesgesetze maßgebend sind nach Maßgabe der 88 1 94 — 199 des Reichs-Gerichtsverfassungsgesetzes. Liebenzehnter Titel.

Schlnßbestimmnngen. Art. 80. Die Vornahme des in 8 420 der Reichs-Strafprozeß­ ordnung vorgeschriebenen Sühneversuchs kann Gemeindebehörden übertragen werden. Die Vorschriften des Art. 100 Abs. 2 und 3, dann des Art. 144 Abs. 2 und 3 der Gemeindeordnung für die Landestheile diesseits des Rheins vom 29. April 1869 finden hiebei für den gesammten Umfang des Königreichs entsprechende Anwendung.

Art. 81. Das Gerichtsverfassungsgesetz vonl 10. November 1861 mit Ausnahme der Art. 7, 67, 70 und 76 Abs. 3 sowie alle den Vor­ schriften des gegenwärtigen Gesetzes entgegenstehenden Bestimmungen sind aufgehoben. Die bezüglich der Gerichtsbarkeit in Angelegenheiten der Mitglieder der Königlichen Familie geltenden Vorschriften bleiben unberührt. Art. 82. Das gegenwärtige Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Ge­ richtsverfassungsgesetze für das Deutsche Reich vom 27. Januar 1877 in Kraft.

Die römischen Zahlen verweisen auf die einzelnen Gesetze, Verordnungen und Bekanntmachungen, die durchlaufend mimmcrirt und über jeder linken Sette mit ihrer Nummer bezeichnet sind. Die arabischen Zahlen bedeuten Paragraphen und Artikel Wo die römische Zahl fehlt, ist die letztvorhergehende noch maßgebend.

A.

actio Pauliana siehe Anfechtung, actio pigneraticia in personam 11214 ff.,

Aba«do»XXVI864 ff., Abandonrevers 871. Abgesonderte Befriedigung vm 47—52, 221. Abholungsrecht I 867. Abkomme» zur Regelung von Fragen des

actio quanti minoris stehe Minderung, actio redhibitoria siehe Wandelung, actus legitim! siehe Unzulässigkeit der

internationalen Privatrechts XXV.

Ablehnung

von Gericht-personen VI

42—49, XIV 6, des Versteigerungs­ beamten XLVI 25. Ablösung von Reallasten XLIV85, L 27. Eintrag XLVI 19 Ablösungsrecht I 268, 1150, 1249. Abschriften aus dem Grundbuch und den Eintragungsurkunden XII111, 93, aus den Grundakten 94 — aus dem Grundsteuerkataster XLIV 134, aus Notariatsakten XLVH 22, Be­ glaubigung 33 f.

Absonderung im Konkursverfahren vm 47-52, 221.

Abstammung, eheliche, I 1591—1600. Abstand für Fenster XLIV 62. 64 ff., Balköne u s. w 63 ff, Bäume, Sträucher u s. w. 71 ff Abstimmung IV 195—200. — Bayern: LI 79. Abtretung von Forderungen 1398—413, des Eigenthums an beweglichen Sachen 929—936, der Rechte aus dem Meist­ gebot bei Zwangsversteigerungen XI 81, 97. Abwesende stehe Todeserklärung.

Abzahlungsgeschäfte XVIII. Abzug-einrede I 1990—1992. Acceptation stehe Annahme, accessio I 947. accessio possessionis u. temporis I 221, 943 f. Accreseenz siehe Anwachsung, actio ad exhibendum I 809—811. actio confessoria I 1027—1029,1065, 1090. actio (—Handlung) Jibera in causa (im Civilrecht) I 827 Sah 2.

actio negatoria I 1004, 1027, 1065, 1090, 1227.

1223 f., 1226.

Bedingung und Befristung

Adoption stehe Annahme an Kindesstatt, a drittura XXVUI 53 Aenderung der bayer Gesetze seit 1818 XLIV 135 ff.

affinltas illegitimst als Ehehinderniß I 1310, Abs. 2.

Aktie XXVI, Amortisation 227, Aufgebots­ verfahren 228, auf Inhaber 179, auf Namen 179, 183, Betrag 180,184,209, Eintragung ins Aktienbuch 222, mehrerer Mitberechtigter 225, Neuausstellung 229, 230, Stimmrecht 252, Uebergang und Uebertragung 222, 223, Umwandlung 183, Unterzeichnung 181, untheilbar 179, (Ueberaangsrecht 24—26). Aktiengesellschaft XXVI 178-319, Ab­ änderungen des GesellschaftsvertragS 274—291, Aktienbuch 222. — Aktionär, Aufforderung zur Einzahlung 219, Aufrechnung ausgeschlossen 221, Ausschluß 219, 220,221, Ausübung der Rechte 250, Gewinnantheil 214, Haftung für Einzahlung 217, 218, 219, Indi­ vidualrechte 276, Rückforderung der Ein­ lagen 213, Verpflichtung 211, 212, Ver­ pflichtung zu wiederkehrenden Leistungen 216, Zinsengewährung 215, Zinsenpflicht 218 — Allgemeines 178—209, Amortisation von Aktien 227, Anmeldung 195, 201, Anmeldung der Zweigniederlassung 201, Anmeldung von Abänderungen des Gesell­ schaftsvertrags 297, Anzeige bei Ver­ lusten 240, Auflösung 292—308. — Aufstchtsrath, Abänderungen des Gesellschaftsvertrags 274, Aenderung 244, Be­ stellung 190, 243, Haftung 249, Jn-^ kompatibilität mit Vorstand 248, Ueberwachung 246, Vergütung 245, Vertretung der Gesellschaft 247, Zusammensetzung 243.

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Aktiengesellschaft — Annahme an Kindesstatt.

Aktiengesellschaft, Begriff 178. Bekannt­

Konkurs 240, Beschränkungen 235, Bestellung 190. Bücherführung 239,Gewinnmachung der Bilanz, Gewmn- und Ver­ I lustrechnung 265, Bilanzirung 260, 261, Antheil 237, Haftung 241, Konkurrenz 263, 264, Eintragung 198, Erhöhung des verbot 236, Stellvertreter 242, Vertretung 231, Willenserklärungen 232, Zeichnung Grundkapitals 278—287, Errichtung in Generalversammlung 196, Firmen­ 232, 233. Aktiengesellschaft, Vorzugsrechte der Aktio­ erlöschung 308, Fusion 305, 306, 307, Geltendmachung der Gründungsansprüche näre 186, Willenserklärungen 232, 238, Zeichnung der Aktien 189, Zeichnungs­ 268, 269, 270. schein 189, Zurückzahlung des Grund­ — Generalversammlung, Abänderung des kapitals 288—291, Uebergangsrecht Gesellschaftsvertrags 274, 275, AktienXXVII 23, 27, 28. verzeichniß 258, 259, Anfechtung der Aktiengesellschaften, Konkurs VIII 207 Beschlüsse 271—273, Auflösung der —208, Strafe gegen Vorstandsmit­ Gesellschaft 292, Berufung 197, 253glieder wegen Zuwiderhandlung gegen 257. Beschlußfassung 197, 251, Beur­ dle K. O. 244, Löschung im Handels­ kundung 259, Entlastung des Aufsichts­ register wegen Nichtigkeit XIV 144 raths 260, Entlastung des Vorstandes Allgemeine Gütergemeinschaft I 1437— 260, erste 196, Gewinnvertheilung 260, 1518, bayer. Uebergangsrecht XLV 62 Gründungsansprüche 268, Jahresbilanz —74, 97—104, 124—130, 138, 140. 200, 264, Neviforenernennung 266,

Stimmrecht 252. — Geschäftsbeginn vor Eintragung 200, Geschäftsführung 231 — 273, Gesell­ schaftsvertragsinhalt 182, Gewinnrech­ nung 260, 263, Gewinnvertheilung 185, Gründer 187, Gründungsprufung 192 —194, Haftung der Emmissionshäuser 203, 209, Haftung der Gründer 202, Haftung des Aufsichtsraths 204, Haftung des Vorstandes 204, Handelsgesellschaft 210, Herabsetzung des Grundkapitals 288—291, juristische Person 210, Konkurs 292, VIII 207 f., 244, kon­ stituierende Generalversammlung XXVI 196, Liquidation 294—302, Nach­ gründung 207, 208, Nichtigkeit 309— 311, im Handelsregister Löschung (wegen Nichtigkeit) XIV 144, Prokura XXVI 232, rechtliche Existenz' 200, Rechtsver­ hältniß der Aktionäre 210 —230, Reserve­ fonds 262, Revisoren 192—194, Sach­ einlagen 186, 191, Simultangründung 188, Strafvorschriften 312—319, Succesfivgründung 189, 196, Uebernahme des Vermögens durch andere Aktiengesell­ schaft 305, 306, 307, Uebernahme des Vermögens durch öffentlich-rechtliche Per­ sonen 304,Uebertragung derAntheilsrechte 200, Veräußerung des ganzen Vermögens 303, 307, Verbot des Aktienerwerbes 226, Verfassung 231—273, Vergleiche bei Gründungsansprüchen 205, Ver­ jährung der Gründungsansprüche 206, Verlustrechnung 260, 263, Veröffent­ lichung 199, 201, 214, Vertretung 231, Verzichtleistungen auf Gründungsan­ sprüche 205, — Vertheilung des Gesell­ schaftsvermögens 185.

— Vorstand, Aenderung 234, Antrag auf Bürgerliches Gesetzbilch und Nebengesetze (Bnt

alluvio II 65 Altentheil, Eintragung im Grundbuch XIII 50, bei der Zwangsversteigerung XI 9, Landesrecht II 96. Bayern: XLIV 32—48, 116—118, XLVI 27.

alveus derelictus II 65. Amortisation siehe Kraftloserklärung. Amortifationsgesetze II 86. — Bayern: XLIV 7—10.

Amtsgerichte, Besetzung IV 22, Zuständig­ keit und Geschäftskreis 23, 24, XI 1, 2, 163, 172, Xni 100, 101, Verfahren vor den A. VI 495—510. — Bayern: LI 15—22. Amtskautionen n 90. Aneignung herrenloser beweglicher Sachen I 958—964. aufgegebener Grundstücke 928, II 129, 190.

Anerbenrecht II 64. Anerkennung einer Schuld siehe Schuldanerkenntniß.

Anfall der Erbschaft I 1942, 1953,2139, 2344, des Vermächtnisses 2176—2179 2269 2280 Anfechtbarkeit! 119 ff.. 142 ff., insbe­ sondere der Ehe 1330—1343, stehe Nichtigkeit. Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners im Konkursverfahren VIII 29—42, außerhalb des Konkursver­ fahrens X 1-14. Anmeldung im Konkurse I 209, 215, VIII 138—141, bei der Zwangsver­ steigerung XI 9, 45, 46, 66, 88, 97, 114, 140, 167, XII 8. Annahme an Kindesstatt I 1741—1772, Bestätigung durch die Gerichte XIV 65-68 — Bayern: Zuständigkeit XLIX 21. t)

85

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Annahme — Ausländer

Annahme der Erbschaft I 1942-1966, des Vermächtnisses 2180, im Konkurse VIII 9. Annahme des Wechsels xxvm 21-24. Annahmeverzug s. Verzug des Gläubigers. Anrechnung bei Mehrheit gleichartiger Schulden I 366 f., bei der Aufrechnung 396, bei der Absonderung VIII 48, bei der Subhastation XI 12. Ansbacher Giiterrecht, Ueberleitung XLV 83, 85. Anschaffungsgeschäfte XXVI 1 Anschlußpsandung VI 826 f. Anspruch I 194. Anstaltsvormund xliv 100, XLIX 23. antichresis tacita I 1213 f. Antrag auf Auseinandersetzung eines Nach­ lasses XIV 86—99, auf Eintragung m das Grundbuch XIII 8, 11, 13—18, 28, 30, 32, 46, 55, 90, auf Eintragung von Schiffspfandrechten in das Schiffs­ register XIV 100,108-110, 114, 121, auf Konkurseröffnung VIII 103—107, auf Nachlaßkonkurseroffnung 217— 220, auf Schließung eines Vertrags I 145—150, auf Zwangsversteigerung XI 15—18, 25, 27, 29, 31, 41, 162, 164, 171, 172 Anwachsung eines Erbtheils 12007, 2094, 2095 Anweisung I 783—792, Anweisung keine Zahlung 788, kaufmännische XXVI363, 365. Anwenderecht XLIV 76, 79. Arbeitslohn, Unpfändbarkeit VI 850 und Note hiezu, Vorrecht im Konkurse VIII 61, bei der Zwangsversteigerung XI 10 Nr. 2. Armenrecht, Bewilligung für Rechtsstreite VI 114—127, in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit XIV14, siehe auch Ausländer. - Bayern: Grundbuch XLVI 8, Notar XLVH 53 f.

Arrest VI 916-934. Arrefthhpothek VI 932. - Bayern: XLVI 56 f. ArreftvoLziehung in den Nachlaß I 1984, gegen den Vorerben 2115. Arrha siehe Draufgabe. Aufbewahrung fremder Werthpapiere XXXIV, im Uebrigen siehe Verwahrung. Aufenthaltsort, Gerichtsstand VI 16. Ausgeben des Besitzes I 856, des Eigen­ thums 928, 959. Aufgebot der Verlobten I 1316, 1322, xvn 44 ff., der Nachztaßgläubiger I 1970—1974, VI 989—1001. - Bayern: Befreiung vom Aufgebote vor der Eheschließung, Zuständigkeit

XLIX 14, Aufgebotsverfahren (bei Ur­ kunden) L 29—31. Aufgebotsverfahren VI 946—1024, VII 11, bei der Zwangsversteigerung und Zwangsverwalrung XI138,140, XII12

Aufhebung eines Testaments 12252—2258, eines Erbvertrags 2290, II 24, 214, eines Erbverzichts I 2351, II 217. Auslage bei der Schenkung I 525—527, im Testament 1940, 2192—2196 — siehe auch Vollziehung.

Auslassung I 449, 925-928, II 143, XIII 20, 31, 98. — Bayern: vor einem Notar XLIV 81 f, Vorlegung des Veräußerungsvertrags XLVI 12. Ausrechnung von Leistungen I 387—396, im Civilptozesse VI 146, 302, 322, 529, im Konkurse VIII 53—56.

Aufschiebende Einreden des Erben I 2014 —2017, in der Zwangsvollstreckung VI 782, 783, 785, Urtheilsvorbehalt VI305. Ausficht des Vormundschaftsgerichts 11837 —1848. Auftrag I 169, 662—676, Konkurs des Auftraggebers VIII 23, 27. Aufwendungen siehe Verwendungen. Augenschein, Beweis durch A. VI371, 372. Augsburger Güterrecht (Ueberleitung) XLV 83, 87. Auseinandersetzung der Gesellschafter I 730—734, der Miterben 2042—2049, bei Wiederverheirathung 1314, 1669, 1670, 1761, 1845, nach allgemeiner Gütergemeinschaft 1471— 1481, nach fortgesetzter Gütergemeinschaft 1497— 1504, nach Errungenschaftsgemeinschaft 1546; im Konkurse VIII 2, 16; vor­ bereitendes Verfahren im Civilprozesse VI 348—354; Grundbuchvorschriften XIII 37, 38, 99; Zwangsversteigerung zwecks Auseinandersetzung XI180—182. Ausfertigung notarieller Urkunden XLVII 39 ff.

Aussührnngsgesetz: zum B.G.B XLIV; z. G.B.O. u. Z.B.G. XLVI; z. C.PO. u K.O L; zum G.V G LI. Ausgedinge siehe Altentheil. Ausgleichung zwischen Gesammtschuldnern I 426, zwischen Miterben 1503, 2050 —2057, 2095, 2316, 2372 Anskunstspflicht I 260. Ausländer, Armenrecht VI 114, XXV 14—16, Beerbung II 25, XIV 73, Ent­ mündigung II 8, Grunderwerb 88, Prozeßfähigkeit VI55, Sicherheitsleistung 110, XXV 11—13, Todeserklärung — — — —

1347

Ausländische — Bergwerke.

II 9, Vergeltungsrecht 31, VII 24, VIII 5, 237, Vormundschaft II 23. - Bayern: XLIV 10, 60 Ausländische Erbschaft I 2369, II 26, Grundstücke 7, Güterstände I 1433, Schiffe (Zwangsversteigerung) XI 171, Urkunden VI 438, Urtheile 328, 722, 723, Vereine II 10, Währung I 244. Auslandskonkurs VIII 237 Auslegung I 133, 157, 2066 ff, 2084. Auslobung I 657-661 Ausnahmegerichte (unstatthaft) IV 16 Ausschlagung der Erbschaft I 1942—1966, der Nacherbschaft 2142. des Vermächt­ nisses 2176, 2180, kerne Schenkung 517, durch die Ehefrau 1406, 1453, durch den Gemeinschuldner VIII 9, durch den Vater I 1643, durch den Vormund 1822. Ausschließlicher Gerichtsstand VI 24, 40, 802 Ausschließung und Ablehnung von Ge­ richtspersonen VI 41—49, XIV 6, 7, 170—172. Ausschlußurtheil stehe Aufgebotsverfahren; rar Zwangsverstergerungsversahren XI 141 Aussetzung des Verfahrens ui Rechts­ streitigkeiten VI 246—252, des Vertherlungsverfahrens XI 108, 116 Aussonderung rm Konkurse VIII 43- -46 Ausspielvertrag I 763. Ausstattung I 1624. AuSstener I 1620-1623 AuSträgalgericht IV 7 Ausübung (chikanose) der Rechte T 226. Auszüge aus dem Grundbuch XIII 57, 58, 97. Auszug (Auszugsvertrag) siehe Alteutherl Aval (Wechselbürge) XXVHI 81. a vista XXVIII 4 Nr. 4

B. Baargebot bei der Zwangsversteigerung von Grundstücken XI 49, 50.

Bäuerliche Nutzungsrechte II 197. Bahueinheit n 112. BambergerGüterrecht,UeberleitungXLIV 67, 72 f, 82 ff.

Bank, Königliche, Hinterlegung XLVIII 46 ff., LI 76 mit Note 2.

Bankerutt, bezüglicher VIII 197, 239, 244; einfacher 240, 244; Grund der Unzulässigkeit eines Zwangsvergteichs 175, 196-198. Bankiergeschäste XXVI 1. Bauunternehmer, gesetzlicher Anspruch auf Sicherungshypothek I 648 Bayerisches Landrecht, Ueberleitung des ehel. Güterrechts XLIV 83 f, 96

i BayrentherGüterrecht,Ueberleitung XLIV ! 63, 67, 69 f

Beamte, Haftung wegen Verletzung der -

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Amtspflicht I 839, 840, II 77; Haf­ tung des Staates für die Amtsführung der Grundbuchbeamten XIII12; ZwanqsVollstreckung gegen Beamte VI 811,850, 910 Bedingung bei Rechtsgeschäften 1158—162, bei letztwilliger Zuwendung 2074— 2076; Unzulässigkeit 388, 925, 1317, 1598, 1724, 1742, 1768, 1947, 2180, 2202; Berücksichtigung bedingter An­ sprüche bei Zwangsversteigerung XI14, 48, 50, Behandlung im Theilungsplan 119, 120, 125, im Konkurs VI 154, 156, 171 Beerdigungskosten I 844, 1615, 1713, 1968, VIII 224. Befangenheit des Richters VI42,551,579. Befreite Vormundschaft I 1852—1857, Pflegschaft 1917. Befristung siehe Zeitbestimmung Beglaubigte Abschriften VI 191, 194, 196. 204, 435, 544; XIV 34, 78. Beglaubigung einer Erklärung 1129, der Privatvollmacht VI80, des Handzeichens 440, von Unterschriften XIV 167, 183, 191. Bayern: durch die Notare XLVII1, 33 ff, Begründung des Urtheils VI 286. Bersitzrecht XLV 5, 28 Beistand der Mutter I 1687 ff., eines Verschwenders II 156, eines Geistes­ schwachen 211, der Parteien im Rechts­ streite VI 90. Beiwohnung 1 825, 847, 1300, 1591, IV 23. '

Bekanntmachungen im Konkursverfahren VIII 76, 93,' 111, 116, insbesondere über Vertheilung der Masse-. 151, 152, über Aufhebung des Verfahrens 163, über den Zwangsvergleich 179, 190, über Einstellung des Verfahrens 203, 205; des Termins zu Zwangsversteiger­ ungen XI41,43,168,171; einer Bevoll­ mächtigung 1171,173; der Eintragung in das Güterrechtsregister 1562. Berathung und Abstimmung bei den bürger­ lichen Gerichten IV 194—200. — Bayern: LI 79 Bereicherung ungerechtfertigte 1812—822, der Konkursmasse VIII 59 Berggesetz, bayerisches, Aenderungen XLIV 157 Bergleute, Vorzugsrecht XLVI 38. Bergrecht II 67. Bergwerke (Bayern), Grundbuch: XLVI7, 17 f, Zwangsvollstreckung 37 ff.

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1348

Bergung in Seenoth — Bodmerei.

Bergung i« Seenoth XXVI 740—753, bet der Binnenschiffahrt XXXI92—101, emes Flosses XXXII 29 Berichtigung des Grundbuchs I 894 ff., des Schiffsregisters 1263, der Standes­ register XVli 65, 66

Berufung im Civilprozesse VI 511—544. Beschlagnahme von Grundstücken bet der Zwangsversteigerung XI 20—23, 26, 36, 66,173, bei der Zwangsverwaltung 148, 151, 152, von Schiffen 165 Beschränkte Haftung der Erben 1 1975 ff., 2012, 2206, II 24, in der Zwangs­ vollstreckung VI 780, 781, 785.

Beschrankte persönliche Dienstbarkeiten I 1090—1093 n 115, 191.

Beschwerde im Civilprozesse VI567—577; im Zwangsversteigerungsverfahren XI 95 ff., XII13; gegen die Entscheidungen des Grundbuchamts XIII 71 ff, 81, 100 ff.; in Angelegenheiten der steiw. Gerichtsbarkeit XIV 19—30, 57—64, 68, 70, 76,77,80,81,84,96,122—124, 126, 132, 139, 141—144, 146, 147, 148, 150, 157, 159—161, 199; im Konkursverfahren VIII 73, 74, 109, 158, 189, 230. Besichtigung, Vorlegung von Sachen zur Besichtigung I 809—811. Besitz von Sachen I 854-872, Besitzschutz bei Dienstbarkeiten 1029, 1090, II191. Befitzdiener I 855 »esttzmittler I 868 Besitzzeit, Anrechnung I 211, 943. Besondere Gerichte IV 13, 14, V 3; Verjährung I 220. Bestandtheile von Sachen I 93—96, Eigenthumserwerb 953 - 957. Bestätigung des nichtigen und des wirk­ sam angefochtenen Geschäfts I 141 (mit 142 Abs. 1), 1325 (Ehe), des anfecht­ baren Geschäfts 144, 1337 (Ehe), 2284 (Erbvertrag). Betagte Ansprüche im Konkurse VIII 54, 65, bei der Zwangsversteigerung XI111. Betagte Verbindlichkeiten, vorzeitige Er' füllung I 813.

Betheiligung Dritter am Rechtsstreite VI 64—77.

BetriebSnnternehmer, Haftung II 105, 106.

Betrug f. Täuschung. Beurkundung des Personenstandes II 40, 46, XIV 69—71,186,197,198; XVII; von Rechtsgeschäften 1154,11141, XIV 167—184, 191, 200, gerichtliche oder notarielle B. I 81, 126, 128, 129, 152, 311, 312 Abs. 2, 313, 518, 873, 877, 880. 1017, 1434, 1491, 1492 Abs. 2, 1501, 1516, 1517, 1730, 1748, 2033,

2282, 2296, 2348, 2351, 2352, 2371, H 141, 151; Kosten der B. 449. — Bayern: durch bte Notare XI.VII 1, 27 ff. Bevollmächtigte im Civilprozesse VI 97 ff, 157 f, 613; siehe ferner Vollmacht Bewegliche Sachen, Eigenthumserwerb I 929 ff., Ersitzung 937 ff., Nießbrauch 1032 f, Pfandrecht 1204 ff. Bewegliches Vermögen, Zwangsvoll­ streckung VI 803—863; siehe auch Pfändung. Beweisaufnahme in Rechtsstreiten: all­ gemeine Bestimmungen VI 355—370, durch Augenschein 371, 372. Zeugen­ beweis 374—401, Sachverständigenbe­ weis 402—414, Urkundenbeweis 415— 444, Eidesbeweis 445—477, Verfahren bei der Eidesabnahme 478—484, Sicherung des Beweises 485-494, freie Beweiswürdigung 286. BeWeiSlast I 282, 345, 358, 442, 542 Abs. 3, 636 Abs. 2,831, 832, 834, 2336.

Bienenschwarm I 961 ff. Bierlieferungsvertrag XI.IV 13 f., XLV 4. Bieter bei der Zwangsversteigerung. Sicher­ heitsleistung XI67—70,72, Beschwerde­ recht 97, 103. Bigamie siehe Doppelehe. Bilanz des Kaufmanns XXVI 30, 40. 41. Binnenschiffahrt, Gesetz XXVII 12, 13, XXXI. Inhalt: Schiffseigner XXXI 1—6, Schiffer 7—20, Schiffsmannschaft 21 -25, Frachtgeschäft 26—77, Haverei 78—91, Zusammenstoß von Schiffen, Bergung und Hülfeleistung 92—101, Schiffsgläubiger 102—116, Verjährung 117—118, Schiffsregister 119-129, Schlußbestimmungen 130—133. — Flaggenrecht der Binnenschiffe XXXVII 26. Blanko-Indossament XXVIII12, 13, 36. Gleichstellung der Blankopapiere mit den Jnhaberpapieren I 234, 1081, 1084, 1362, 1381, 1392, 1550, 1646, 1814, 2116, VI 1004. Blinde, Pflegschaft I 1910. Bodmerei XXVI 679-699, Aufgabe der Unternehmung vor Antritt der Bodmerei­ reise 698, Befriedigung des Gläubigers aus den verbodmeten Sachen 696, Be­ griff 679,759, Bodmereibrief 682-686, Bödmereibriefe an Order 363, 364, 365, Bodmereiprämie 681, Gläubiger 688, 689, Haftung der verbodmeten Gegen­ stände 691, Haftung des Schiffers 693, 694, 695, Haftung des Empfängers ver­ bodmeter Güter 697, Haverei 690, Schiffer, Eigenthümer von Schiff oder

1349

Börsengesetz — Depositum.

Ladung 699, Sorge für die verbodmeten Gegenstände 692, Zahlungsort für die Bodmereischuld 687, Zahlungszeit für die Bodmereischuld 687, Zulässigkeit 680. Börsengesetz XXVII14; XXXIII. Inhalt: Die Börsen und ihre Organe XXXIII 1—28, Feststellung des Börsenpreises und Maklerwesen 29—35, Zulassung von Werthpapieren zum Börsenhandel 63— 47, Bdrsentermmhandel 48—69, Strafund Schlutzbestimmungen 75—82. Börsenordnungen XXXIII 4 ff. BöSliche Verfassung I 1567. bona fides stehe Guter Glaube. Brandversicherung, des Hypothekengegen­ standes I 1127—1130; des Nießbrauchgegenstandes 1045, 1046. Brandverficherungsanftalt, Hypotheken­ titel XLV 50, 55. Brauttinder II 208 brevi manu traditio I 929 Sah 2, 932. Briefhhpothek I 1116 Abs. 2, siehe auch Hypothekenbrief. Bruchtheile, Gemeinschaft nach B. 1741 ff, II 173 Buchhandel XXVI 1. »«»Hypothek I 1116 Abs. 2 u. 3, H 192. BuchnngSsreie Grundstücke II 127, 128, XIII 90. Bayern: Verordnung XLI; Uebereignung XLIV 83, Belastung 84. Bürgerliches Gesetzbuch I, Einführungs­ gesetz hiezu II, Inkrafttreten 1, An­ wendung in Handelssachen XXVII 2. Bürgschaft I 765—778, beim Zwangs­ vergleich VIII 193, handelsrechtliche Bürgschaft XXVI 349-351, Wechsel­ bürgschaft (per aval) XXVIII 81. Bundesangehörigkeit n 41. BundeSrath, Ernennung des Präsidenten und der Mitglieder des Reichsgerichts auf Vorschlag des B. durch den Kaiser IV127, des Ober-Reichsanwalts und der Reichsanwälte 150, Bestätigung der Geschäftsordnung des Reichsgerichts 141; Verleihung der Rechtsfähigkeit an Vereine 123,33,44, II10; Genehmigung einer Stiftung I 80; Bestimmung der Mündelficherheit von Werthpapieren 1807; Zustimmung zur Anwendung des Vergeltungsrechts II 31, VII 24, VIII 5 237. Bundesstaat, Elsaß-Lothringen als solcher II 5.

C. Casteller Güterrecht (Ueberleitung) XLV 65, 72, 76, 95, 100.

cautio dainni infecti siehe Einsturz cautio indiscreta I 780.

cautio usufructuaria 11039,1051,1067. Cession siehe Abtretung Certifikat (Schiffs-Cert.) XXXVII 10 ff. Chartrepartie XXVI 557, 651, 729, 884. Check, Landesrecht XXVII 17. Chikaneverbot I 226. Civilliste, Gerichtsstand L 1. Civilprozetzordnung VI, Einführungsgefetz hiezu VII, Einführungsgefetz zur Cwilprozeßnovelle Seite 429 in der Note — Bayer. Ausführungsgesetz LI. Civilftandsgesetz XVI, stehe Beurkundung, clausula rebus sic stantibus I 321. Code civil, Aushebung XLIV 175. Kollation siehe Ausgleichung. Commodat siehe Leihe.

Commorienten I 20 condictio sine causa I 812 ff., VIII 59 Im Einzelnen: — condictio causa data, causa non secuta < Nichteintritt des mit emer Leistung nach dem Inhalte des Rechts­ geschäfts bezweckten Erfolgs) 1812 Abs 1 Satz 2 Fall 2, 815, 817—822. — condictio causa finita (späterer Wegfall des rechtlichen Grundes) I 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 1, 818-822. — condictio indebiti (Leistung auf eine Nichtschuld) 1812—814,819—822; Ausschluß dieser Rückforderung 222, 656, 762 f, 814. — condictio ob inius tarn ober ob turpem causam (gesetzwidriger oder unsittlicher Empfang) I 817, 819.

Condonation XLV 95 confnsio siehe Konfusion, consolidatio stehe Konsolidation constitutum possessorium I 930, 936 Konvaleszenz I 185, 816. Konventionalstrafe siehe Vertragsstrafe. Konversion 1 140. culpa siehe Sorgfalt

D. Darlehen 1607—610,Darlehensgewährung der Hypothekenbanken XXXV 10—21.

datio in solutum siehe Zahlungsstatt Datowechsel XXVIII 4 Nr 4, 34. I Datum einer Privaturkunde, Fest­ stellung L 33.

Deichrecht II 66, Deflorationsanspruch der unbescholtenen Braut I 1300, 1302.

Delation siehe Anfall. Delikt siehe unerlaubte Handlung Deliktsfähigkeit I 827-829. Delkredereprovifion XXVI 394. Depositum siehe Verwahrung; depositum irreguläre I 700.

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Depotgesetz — Eigener Wechsel.

De-otgesetz XXXIV. Dereliktion siehe Aufgeben. Deutschorden an der Tauber, Ueberleitung des Güterrechts XLV 77

Dienstbarkeiten I 1018-1093, II 113, 115; Werthersatz bei Zwangsversteigerung XI62,121; landesgefetzliche Vorschriften darüber 9; Eintragung in das Grund­ buch XIE 6, 50. — Bayern: an buchungsfreien Grund­ stücken XLIV 84; Uebergangsrecht XLV 10—18, 44 f., XLVT 27 Dienstboten siehe Gefinderecht. Dienfteinkommen, Abtretung I 411; siehe auch Arbeitslohn. Dienftlohn siehe Arbeitslohn. Dienstvertrag I 611—630, Konkurs des Dienstberechtigten VIII 23, 27. dies siehe Termin, diei adiectio pro reo est I 271, dies interpellat pro homine 284 Abs. 2. Differenzgeschäst I 764 diligentia omnis I 277, quam in suis 277. Dinglicher Arrest VI 917 Dinglicher Gerichtsstand VI 24-26. Dinglicher Vertrag siehe Einigung Dinkelsbühler Gnterrecht XLV 67, 69 f. Diskont siehe Zwischenzins. Dispache XXVI 706 Nr 7, 728 ff., 834 f XXXI 84 ff. Dissens I 154, 155, Dolmetscher bei der Testamentserrichtung I 2244, 2245, 2250; xnt Civilprozesse VI 142, 159, 483; in Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit XIV 9, 178 —180. — in Grundbuchsachen XLVI 8. dolus siehe Täuschung, Vorsatz. Domizilwechsel XXVIII 24, 43. 97, 99. donatio inofficiosa I 2325 ff. — mortis causa 1 2201. Doppelehe I 1309, 1326, 1565, 2335. Dorsteftament I 2249, 2266, n 150. Dotalrecht, Ueberleitung XLV 90 ff., 139. Dransgabe bei Verträgen I 336—338. Dreißigste der I 1969. Dritter, Vertrag auf Leistung an einen Dritten I 328—335, Anweisung zur Leistung an einen Dritten 783—792, Leistung durch einen Dritten statt durch den Schuldner 267, 268, XI 75, Rechte Dritter bei der Zwangsversteigerung 37,55,128, Zahlungspflicht eines Dritten bei der Zwangsversteigerung 61, 82, 116 Drittschuldner bei der Zwangsvollstreckung VI 829, 840, 845, 853-856, bei der Zwangsversteigerung und der Zwangs­ verwaltung XI 22, 151.

Drohung

als Anfechtungsgrund I 123 (Willenserklärung im Allgemeinen), 1335 lEhe), 2078 iletztwillige Verfügung) Druckereien XXVI 1. Duldung, Zwangsvollstreckung zur Er­ wirkung einer Duldung VI 890 Duplikat siehe Wechsel.

E. Echtheit einer Urkunde VI 437 ff. Edition siehe Urkunde, Editionseid VI 426 ff, 441.

„effektiv" XXVIII 37 Ehe, bürgerliche 1 1297—1588, Eingehung 1303—1322, II 40. 46, XVII 41—55, Verurtheilung zur Eingehung VI 888, 894, Nichtigkeit und Anfechtbarkeit I 1323—1347, Nichtigkeits- und An­ fechtungsklage VI606, Verfahren hiebei 617, 622, 625, 631 ff, Scheidung der Ehe I 1564—1587, II 201. 202, 206, Ehescheidungsklage VT 608, 612, 615, 616, 639 Ehebruch 11312,1328,1565,2335, VI624 «hehinderniffe I 1303-1313. — Bayern: Befreiung von Ehebinder­ nissen, Zuständigkeit XLIX 12, 13. Eheliche Abstammung I 1591-1600. Eheliche Kinder, rechtliche Stellung I 1616—1698; siehe auch Kinder. Eheliche- Gnterrecht I 1363-1563, II 15, 16, 200; gesetzlicher Güterstand (Verwaltung und Nutznießung) I 1363 —1431, allgemeine Gütergemeinschaft 1437—1518, Errungenschaftsgemeinfchaft 1519—1557, Güterrechtsregister 1585—1563, Konkurs VIII 2. 236 — Bayern: Uebergüüqsrecht 1 allge­ meine Vorschriften XLV 19, 31, 2. rechts des Rheins 62-104,3 Pfalz 124—140 Ehelichkeitserklärung 1 1723 ff., XIV 53, 55, 62. Ehemakellohn I 656. Ehemundigkeit I 1303. Ehescheidung siehe Ehe, Scheidung. Eheschließung siehe Ehe, Eingehung. Ehrenanuahme XXVIII 56—61. Ehreruahlnng XXVIII 62-65. Erchftatter Gnterrecht (Ueberleitung) XLV 67. Eid, Beweis durch Eid in Rechtsstreitig­ keiten VI 445—484, siehe auch Offen­ barungseid, Betheuerung an Eidesstatt L 15. — Zuständigkeit der Notare XLVII 3 Eidesmnndigkeit VI 393, 473, L 14. EideSnorm VI 459. Eigener Wechsel siehe Wechsel.

Eigenmacht — Erbvertrag.

Eigenmacht stehe verbotene Eigenmacht Eigenthum I 903—1011, Inhalt 903 .

—924, Erwerb und Verlust des E. an Grundstücken 925—928, II 113, an beweglichen Sachen I 929—984, XXVI 366 f., Ansprüche aus dem E. I 985— 1007, Miteigentum 1008—1011, Eigen­

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I tbumsanspruch 985 ff — Bayern: siehe Auflassung, buchungs­ i freie Grundstücke Eigenthümergrundschuld I 1196, 1197. I EigenthLmerhypothek 11163,1168,1170, i I 1171, 2165.

Einbringung von Sachen bei Gastwirthen i II, zum I G.V G. V, zur C.P.O. VII, zur Civilprozeßnovelle S 429, zur K O IX, zur Konkursnovelle S. 605, zum Z.V.G. XII. I I 701—704

EinsührungSgesetz zum BGB

67. I Erbbaurecht I 1012—1017, n 143,184,

I j I I 1

Einkausskommission XXVI 391, 400, 406, Verfolgungsrecht VIII 44

Eintindschast XLV 72 f, 88. Einreden aufschiebende s. aufsch Einreden; 1 prozeßhindernde VI 274—277

Einsturz I 836—839, drohender 908 Einstweilige Verfügung VI 935—945.

Eintragung in das Grundbuch I 313,446, 873, 879 ff, 891 f., XIII13-55, über bte Zwangsversteigerung von Grund­ stücken XI 19, 22, 23, 34, 130, 134, der Konkurseröffnung VIII 113. Eiutraguugsbewiüigilng I 873 f., 885, 899, XIII 19 ff, 28 f Einwilligung zu Rechtsgeschäften 1 182 —185. Eisenbahnen, Güterbeförderung XXVI 453—471, Ablehnung der Uebernahme 453, Ausnahmetarife 461, Beschränkung der Haftung 462, Frachtbrief 455, Fracht­ geschäft 454, gesetzlicher Haftungsausschluß 459, 467, Gewichtsverlust 460, Haftung 456—471, Haftung mehrerer Bahnen 469, Lieferungsrnteresse 463, örtliche Beschränkung der Haftung 468, Rersegepäck 465, Schadensberechnung 457, Verjährung 470, Verpflichtung zur Be­ förderung 453, Versäumung der Liefer­

frist 466, zeitlrche Haftungsbeschränkung 464, zunngendes Recht 471 Eisenbahnen, Personenbeförderung XXVI 472. Elterliche Gewalt I 1626-1698, elter­ liche Nutznießung I 1649 ff., II 204 Eltern I 1616 ff.. Streitigkeiten zur Fest­ stellung des elterlichen Verhältnisses VI 604 ff. Empfängnitzzeit I 1591 ff., 1717, 1720. Emphyteusis II 63. Englische Fräulein XLIV 9. Enteignung II 52,53,109, VI26, VII15. — Bayern: XLIV 139, L 16-26 Enterbung I 2333 ff. Entmündigung I 6, 104, 114 ff., II 8, 155 s, Entmündigungsverfahren VI 645 —687, Entmündigung Volljähriger XIV 52, 61. Entwehrung siehe Gewährleistung.

1 I Erbacher Güterrecht (Ueberlertung) XLV

Eingebrachtes Gut I 1363 ff., 1520 ff., 1550, 2008. — Bayern: XLV 97 f., 125. Eingebrachte Sachen, gesetzliche Pfandrechte I 559 ff, 581, 585, 704, VIII 49 Eingetragene Genossenschaften siehe Ge­ nossenschaften. Eingetragene Vereine I 55—79 EinsichtSzeit, gesetzliche, s. mitteleuropäische Zelt Einigung (dinglicher Vertrag) I 854, 873, 878, 925,929,1205,1260,1272, II143.

1351

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Eintragung in das Grundbuch XIII 7, 20, 22, 31, 84, 99. — Bestellung in Bayern siehe Auflassung Eibe, rechtliche Stellung I 1942-2063, Annahme und Ausschlagung der Erbschaft 1942-1966, VIII 9, Haftung für die Nachlaßverbmdllchkeiten I 1967—2017, V[ 305, 778—785, handelsrechtliche XXVI 27, 1 siehe auch Nachlaßkonkurs, Nachlaßverwaltung), Erbschaftsanspruch I 2018—2031, Mehrheit von Erben 2032-2063, Erbeinsetzung 2087— 2099, Einsetzung eines Nacherben 2100 — 2146, Eintragung als Gläubiger in das Grundbuch XIII 37, 41, 52, 53, Erbe von Grundstücken bei Zwangs­ versteigerung XI 17, 175, 181, Antrag fräs Nachlaßtheilung XIV 86—98, im Nachlaßkonkurse VIII 217, 223, 225, 232, Konkurs des Erben 234. Erbfolge I 1922—1941; Nachweis bei Grundbucheinträgen XIII 36, 37, s. auch Erbschem. Erbpacht II 63 Erbrecht I 1922-2385 Erbschaft, Begriff I 1922, Anfall 1942, Annahme und Ausschlagung 1942— 1966, VIII 9, Gerichtsstand VI 27. Erbschaftsanspruch I 2018-2031. Erbschastskanf I 2371—2385, VIE 232. Erbschein 1 2353—2370, VIII 792, XIII 36, XIV 85, öffentlicher Glaubtz I 2366 f. Erbunwürdigkeit I 2339—2345. Erbvertrag 12274—2302, Errichtung und Beurkundung XIV 168. — Bayern: XLIV 108, XLVII1,22,119.

1352

Erbverzicht — Flaggenrecht.

Erbverzicht I 2346-2352. Erfüllung der Schuldverhältnisse I 362 —371, der Rechtsgeschäfte eines Gemein­ schuldners Vin 17—28. Erfüllungsort, Gerichtsstand VI 29, siehe auch Leistungsort. Erlaß I 397. Erlös der Vollstreckung VI 720, 805, 818, 827, 885, 930; XI105-145, 167,169. Erlöschen der Schuldverhältnisse I 362 —397, durch Erfüllung 362-371, durch Hinterlegung 372—386, durch Aufrech­ nung I 387—396, durch Erlab 397. Erneuerungsschein lTalon) I 234, 805, 1081 f, 1814, 2116. Eröffnung des Konkurses VIII 102—116. Errichtung eines Testaments 12229—2264 Errungenschaft-gemeinschaft I 1519— 1557. — daher Uedergangsrecht XLV 75—89, 97—104, 124—130.138, 140. Ersatzerbe I 2096 - 2099 , 2051, 2053, 2102. Ersitzung beweglicher Sachen I 937—945, II 185; von Erbschaftssachen I 2026; von Grundstücken 900, II 189; des Nießbrauchs I 1033. Erfteher von Grundstücken bei Zwangs­ versteigerung XI 50, 51, 58, 81, 90, 93, 125, 128, von Schiffen 169, 171; Beschwerderecht des Erstehers 97; Ein­ tragung als Eigenthümer im Grundbuch 130; Zwangsvollstreckung gegen ihn 132 —134. 144. Ersuchungsschreiben un internationalen Verkehr XXV 5-10. Erwerb des Eigenthums an Grundstücken I 925—928; an beweglichen Sachen 929—984; Erwerb von Erzeugnissen und Bestandtheilen einer Sache 953—957.

Erwerbs- u. Wirthschaft-genossenschaften siehe Genossenschaften.

Erzeugnisse von Sachen, Erwerb I 953 —957.

Europäische Häsen XXVI 483 Eviktion I 440, 541, stehe auch Gewähr­ leistung.

Ewiggeld XLV 47 exceptio doli generalis I 242. — excussionis siehe Borausklage. — non (non rite) adimpleti con­ tractu« I 320, 322, 363, siehe auch Zug um Zug. — vitiosae possessionis I 861 9lbs. 2, 862 Abs. 2. exheredatio bona mente facta I 2338 f Expropriation siehe Enteignung. Exterritoriale VI 15, 200.

F* Fahrlässigkeit I 276. Fahrnißgemeinschast I 1549—1557. — pfälz. UebergangSrecht XLV 124—136, 138, 140 Falsche Wechsel XXVHI 75-76 Familienfideikommisse II 59, VIII 52, IX 5. — Bayern: XLIV 135, XLVI 13, 34-36. Familienrath 11858—1881,1905, II210. Familienrecht I 1297—1921; bürgerliche Ehe 1297—1588; Verwandtschaft 1589 —1772; Vormundschaft 1773—1921. Fautfracht XXVI 508 ff Fehlerhafter Besitz I 858 ff. Feiertag I 193, VI 188, 216, 222, 761. Fenster XLIV 62, 64—67. Feriensachen IV 202—204, Ferienkammern 203, Ferienfenate 203. Fernsprecher (Bertragsschluß) I 147. Feststellung der KonkurSsorderungen VIH 146 f. Feststellung-klage VI 256, 280. Fideikommissarifche Substitution siehe Nacherbfolge.

Finderlohn I 971. Firma, Aenderung des Namens XXVI 21, Anmeldung der Erlöschung 31, An­ meldung einer Aenderung 31, Anmeldung zum Handelsregister 29. Begriff 17, bei Ausscheiden eines Gesellschafters 24, bei Eintritt eines Gesellschafters 24, bei Er­ werb des Handelsgeschäfts 22, bei Zweig­ niederlassungen 13, der Aktiengesellschaft 19, der Kommanditgesellschaft 19, der Kommanditgesellschaft auf Aktien 20, der offenen Handelsgesellschaft 19, der stillen Gesellschaft 18, des Einzelkaufmanns 18, in der Klage 17, Kleingewerbe 4, Ord­ nungsstrafe für unbefugten Gebrauch 37, unbefugter Gebrauch 37, Unterscheidung von anderen 30, Veräußerung 23, Löschung XIV 140, 141, Uebergangsrecht XXVn 22. Fischereirecht II 69. — Bayern: XLVI 17 FiSkuS, Aneignungsrecht 1928; Anfallrecht 45, 46, 88; Erbrecht 1936, 1942, 1964-1966; 2011, 2104, 2149, II 138 f.; VI780; Haftung für Beamte 189, XIH 12; Befreiung fiskalischer Grund­ stücke vom BuchungSzwange XIII 90 — Bayern: Klage gegen Fiskus erst nach erfolgloser Betretung des Administrativ­ wegs L 2 Zwangsvollstreckung gegen Fiskus 9. Fixgeschäft I 361, VIII 18. Flaggenrecht d. Kauffahrteischiffe XXXVII.

1353

Flaggenzeugniß — Gemeinschaft

Flaggenzenguiß über das Recht von Schiffen > Fürsorge des Nachlaßgerichts I 1996 ff. Fuldaer Güterrecht (Üeberleitung) XLV im Auslande zur Führung der Reichs­

I

flagge XXXVII 12, 25.

67, 72, 74.

Flößer, Streitigkeiten mit Reisenden IV ! Fund von Sachen I 965—984; 23, VI 709

1

Fusion XXVI 305, 306.

FlSßereigrsetz XXXII. Flößereirecht II 65 (landesrechtl. Vor­

G.

behalt).

Flotzführer XXXII 1 ff., Dienstverhältmß 15 ff., Verjährung der Forderungen 30, Befähigungsnachweis 32. loßmannschast XXXII 17-21. lußbett II 65. oliensreie Grundstücke, Eintragung XXXIX 1-3, 11; XLII 1—20 Forderungen, Uebertragung I 398 ff., Kauf 437, 439, Nießbrauch 1074 ff., Pfandrecht 1279 ff., Vermachtniß 2173, 2175; Zwangsvollstreckung in Forder­ ungen VI 828 ff. (siehe auch Geldfor­ derungen); Anmeldung im Konkurse VIII 138 ff. Form der Rechtsgeschäfte I 125 ff ; II 11 (internationales Privatrecht). Forstwirtschaftliche Grundstücke II 64, 164; XI 10, 21, 55, 148. Forstwirthschaftlicher Betrieb XXVI 3. Fortgesetzte Gütergemeinschaft 11483 ff., 1557; Konkurs VIH 2, 9, 236. — Bayern: XLV 29, 65?, 69-73, 124. Forum stehe Gerichtsstand. Frachtbrief XXVI 426. Frachtslößer XXXI 1. Frachtführer, Begriff XXVI 425, 451, gesetzliches Pfandrecht 366,368, Haftung 429, Haftung für andere Frachtführer 432, Haftung für Gehilfen 431, nachfolgender 432, Pfandrecht 440, 441, Schadensersahpflicht 429, 430.

Frachtgeschäft XXV1 1, 425, Ablieferung 434, Ankunft des Gutes 435, Annahme des Gutes 436, 438, AnnahmeverWeigerung 437, Anspruchsverjährung 439, Anweisungen des Absenders 433, Aushändigung des Frachtbriefs 436, Beförderungszeit 428, Begleitpapiere 427, Ladeschein 444—450, Pfandrecht der Frachtführer 440—443, Unbekanntsein des Empfängers 437, zur Beförder­ ung von Reisenden 664—678. — bei derBinuenschisfahrt XXXI26—77 Freiwillige Gerichtsbarkeit n 1, XIV. — Bayern: XLIV 129—133, XLV24 Freizügigkeit II 37. Fristen, Auslegungsvorschriften I 186— 193; in Rechtsstreitigkeiten VI 217, 222—229; Anmeldungsfrist im Konkurse VIII 138.

— in Grundbuchsachen XLVI 8.

Früchte I 99.

Vor­

schriften des Bundesraths XXIII.

Gastwirthe, Einbringung von Sachen I 701-704., Namenschild XXVII 9.

GattungSschuld I 243, 279. Gattungsvermächtnitz I 2155, 2182 f. Gebot, Gebundenheit bei der Versteigerung 1156; geringstes Gebot bei der Zwangs­ versteigerung XI 44 ff., 59, 62 ff., 82, 83 Nr. 11, 169, 174, 179, 182. Gebrauchsleihe I 598—606. Geburten, Beurkundung XVII 17—27, 61-64. Gefahr, Tragung I 270 (Geldsendung), 300 (Annahmeverzug), 323 (gegenseitiger Vertrag), 350 (Rücktritt). 379 (Hinter­ legung), 446 f, 451, 2380 (Kauf und Erbschaftskauf), 588 (Pacht), 644 (Werk­ vertrag), 811 (Vorlegung von Sachen), 848 (unerlaubte Entziehung). Gegenseitiger Bertrag s 320—327, VIII 17. > Gegenvormund I 1792 1 Gehalt siehe Diensteinkommen. Geheimer Vorbehalt stehe Vorbehalt. ! Geisteskranke, Entmündigung I 6, II155, VI 645—663, Geschäftsunfähigkeit I | ! 104, Ehescheidung 1478, 1569, 1583, I VI 623 1 Geistesschwache, Entmündigung I 6, VI 645—663, Beschränkung der Geschäfts­ ! fähigkeit 114 f, II 210 f. Zwangsvollstreckung i Geldforderungen, : wegen derselben VI 803—863 (in das bewegliche), 864—871 (in das unbe­ ! wegliche Vermögen), 872—882 (Veri theilungsverfahren). : Geldstrafen im Konkurse VIII 63, 226, 230. ! Geldwechslergejchäste XXVI 1. ! Gelegenheitsgeschenke, gebräuchliche X III 32, X 3 (Unanfechtbarkeit), stehe auch I 534, 814, 1446, 1641, 1804, 2113, 2205, 2330. Gemeindewaisenrath 11675,1779,1849 ff, 1862, XIV 49. — Bayern: XLIV 93 — 99, 178 ! Gemeinschaft: nach Bruchtheilen I 741— > 758, II173; Erbengemeinschaft 12032ff., i eheliche Gütergemeinschaft siehe Güter­ 1 gemeinschaft ; im Konkurse VIII16, 51 ; — Aufhebung in Bayern XLV 43, 113— 115. I .

i

1354

Gemeinschaftliches Testament — Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Gemeinschaftliches Testament I 2265— 2273.

Genehmigung (nachträgliche Zustimmung) I 184, 185.

Genossenschaften (Erwerbs- u.Wirthfchaftsgenossenschaften): Erricht­ ung XXIX 1—16, Rechtsverhältnisse der Genossenschaft und der Genossen 17—23, Vertretung und Geschäfts­ führung 24—52, Revision 53—64, Aus­ scheiden von Genossen 65—77, Auflösung und Nichtigkeit der Genossenschaft 78— 97, Nichtigkeitsklage XIV147, Genossenschaftskonkurs und Haftpflicht der Ge­ nossen XXIX 98—118, besondere Be­ stimmungen für Genossenschaften mit unbeschränkter Haftung 119—125, mit unbeschränkter Nachschußpflicht!26—130, mit beschränkter Haftpflicht 131—142, Umwandlung von Genossenschaften 143— 145, Strafnormen 146—154, VIII 244, Schlußbestimmungen XXIX 156—161.

GenoffenschastSgesetzXXIX, Abänderungen des Gesetzes vom 1. Mai 1889 XIV 187, XXVII 10, Ermächtigung des Kanzlers zur Neuparagraphirung 13. GenofsenschaftSregifter, Führung und Ein­ tragungen XIV 147, 148, XXIX 10— 16, 26—29, 33, 51, 63, 156-158, 161; insbesondere Eintragung über Auflösung und Nichtigkeit der Genossen­ schaft 78, 82-85, 89, 95, 97, 133. 145, über Eröffnung des Konkurses 102, 158, siehe auch Liste der Genossen.

GenofsenschastSverbände zur Bestellung eines Revisors für mehrere Genossen­ schaften XXIX 54—61, 150. Gerade Linie der Verwandtschaft I 1589. Gerichte, Verfassung und Zuständigkeit IV 22—141, unabhängige ordentliche Ge­ richte 1, 12, 13, 15, besondere Gerichte 14, sachliche Zuständigkeit 1—11; ört­ liche Zuständigkeit (Gerichtsstand) 12— 37, Vereinbarung über die Zuständig­ keit 38—40, siehe auch unter Zuständig­ keit, Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen 41—49, XIV 6, 7, 170—172. Gerichtliche Hypothek (Pfalz) XLV 126, XLVI 56 Gerichtsbarkeit, allgemeine Vorschriften IV 12—21, XIV 1—34, LI 7-14, siehe auch freiwillige Gerichtsbarkeit. GerichtSserieu IV 201-204, XIV 10. — Grundbuchsachen XLVI 8.

Gerichtspersonen, Ausschließung und Ab­ lehnung VI 41—49, XIV 6, 7, 170— 172; siehe auch Richteramt. Gerichtsfchreibereien, Einrichtung bei den

Gerichten IV 154; Ausschließung und Ablehnung der Gerichtsschreiber 49 — Bayern: LI 59—64. Gerichtssprache IV 186-193, XIV 8. Gerichtsstand VI 12—37, Parteiverembarung 38-40. — Gerichtsstand der Civilliste des Königs L 1 GerichtsverfaffungSgefetz II 1, 33, IV, Richteramt 1—11, Gerichtsbarkeit 12 —21, Amtsgerichte 22—24, Schöffen­ gerichte 25—57, Landgerichte 58—78, Schwurgerichte 79—99, Kammern für Handelssachen 100—118, Oberlandes­ gerichte 119—124, Reichsgericht 125— 141, Staatsanwaltschaft 142—153, Ge­ richtsschreiber 154, Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte 155, 156, Rechts­ hülfe 157—169, Oeffentlichkeit und Sitzungspolizei 170 -185, Gerichts­ sprache 186—193, Berathung und Ab­ stimmung 194—200, Gerichtsferien 201 —204. — bayer Ausführungsgeseh XLI Gerichtsvollzieher, Bestellung und Zu­ ständigkeit IV 155, 156. — Bayern: LI 65—67. Geringstes Gebot bei Zwangsversteiger­ ungen XI 44—65, 182, XII 8, 9 Gesammtausgebot mehrerer Grundstücke zur Zwangsversteigerung XI 63, 64, 83. Gefammtgebot (Gesammterlos) für mehrere versteigerte Grundstücke XI 112, 122 Gefammthypothekl 1132,1172 ff., 1181 f., XI 50, 59, 63 f., 112, 122 f. — Bayern (rechts d. Rh.): XXXIX 5—9. Gesammtprokura XXVI 48. Gesammtschnldverhältniß I 420—432, VIII 68, Gesammtschuldner für das Meistgebot bei Zwangsversteigerungen XI 81 f. Geschäft des Gemeinschuldners VIII 117, 129 f., 132 ff. Geschäftsbücher 1,117,122. Geschäftsfähigkeit I 104—115. Geschäftsführung ohne Auftrag I 677 -687. Geschäftsordnung d. Reichsgerichts IV141 Gefchäftsverbindnng, Vertragsabschluß XXVI 362. Gefchworenenamt IV 84-99, 194, 197, 199, 200. Gesellschaft des bürgerlichen Rechts I 705 —740, vni 16, 28, 51, Zwangsvoll­ streckung in das Gesellschaftsvermbgen VI 736, in den Antheil eines Gesell­ schafters 859

Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Gesetz XXVII 11, 13, XXX; Erricht­ ung XXX 1—12, Rechtsverhältnisse der

Gesetzliche Eigenthumsbeschrankungen. — Grundgefalle des Staates.

Grade der Verwandtschaft I 1589, der

Gesellschaft und der Gesellschafter 13— 34, Vertretung und Geschäftsführung 35—52, Abänderung des Statuts 53— 59, Auflösung und Nichtigkeit 60—77, XIV 148, Anmeldung zum Handels­ register XXX 78-82, Umwandlung 80 f., Strafnormen 82—84

Schwägerschaft 1590

Grenzverhältniffe I 919 ff. Grenzmauern XLIV 68—70. Grotzkauslente XXVI 4 Grundbuch, Führung vom Grundbuchamt

Gesetzliche Eigenthumsbeschrankungen I 905—924, II 105 ff., stehe auch Nach­ barrecht. Gesetzliche Erbfolge I 1924-1936 Gesetzlicher Vertreter einet nicht prozeß­ fähigen Partei VI 51 Gesetzliches Güterrecht I 1363—1431, allgemeine Vorschriften 1363—1372, Verwaltung und Nutznießung 1373— 1409, Schuldenhaftuna 1410—1417, Beendigung der Verwaltung und Nutz­ nießung 1418—1425, Gütertrennung 1426—1431. Gefindedieuste XXVI 83. Gefinderecht II 95, stehe auch Arbeitslohn. -Bayern: XLIV 15-31, Geständnis, gerichtliches VI 138, 288— 290. Gewährleistung beim Kauf wegen Mangel im Rechte I 433—443, wegen Mängel der Sache 459—493, Ausschluß der Gewahrpflicht bei Zwangsveräußerungen 461, 806, XI 56, Anlaß zur Streit­ verkündung VI 72, siehe auch Vieh­ gewährschaft. Gewerbepolizei XXVI 7 Gewinnantheilscheine I 231, 799. 801, 804 f, 1081, 1296, 1814, 1818, II 174, 176 Gezähmte Thiere T 960. Giro siehe Wechsel, Indossament Glaube guter, stehe Guter Glaube. Glaubhaftmachung VI 294. Gläubiger, Verpflichtung des Schuldners zur Leistung an ihn I 241—292, Verzug des Gläubigers 293—304, Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern 420—432, siehe auch Konkurs-, Massegläubiger GläubigerauSfchutz, Bestellung und Be­ fugnisse im Konkursverfahren Vsll 87 —94, 100, 110; Befugnisse hinsichtlich der Verwaltung und Verwerthung der Theilungsmafse 123, 129—137, der Vertheilung der Masse 150, 159, eines Zwangsvergleichs 176—180, 184

Gläubigerverfammlung im Konkurse VIII 80, 84, 86 f , 91 f, 94 ff, 131 ff, 204, Glaubigerversammlung der Besitzer von Schuldverschreibungen mit im Voraus bestimmten Nennweithen, Berufung XXXVI 2—7, 16-18, Beschlusse 1, 9—14, strafbare Abstimmung 21, 23

1355

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XIII 1--4, 86 f., Zeitpunkt der An­ legung II 186, XÖ1153, Einsichtnahme und Ertheilung von Abschriften 11, 93, Eintragung der Konkurseröffnung und des allgemeinenVeräußerungSverbots VIII 113-116, öffentlicher Glaube I 892 ff., 1138 ff., II 61, 118, 168, 187 f., VI 266, 325, 898, VIII 7, 15, 42, Unrichtigkeit XIII 54, Vermerk über Ertheilung von Hypothekenbriefen 68, 70, besondere Grundbücher 85, 87—89, Wiederherstellung zerstörter Grund­ bücher 92; — Berücksichtigung der Grundbucheinträge bei der Zwangsversteigerung XI 9, 17, 34, 37 Nr 4, 45, 114, Berichtigung des Grundbuchs, siehe Grundbuchbe­ richtigung. — Bayerisches Recht. 1. Rechts des Rheins, Vorbereitung der Anlegung, Gesetz XXXIX, Anlegungsverordnung XI.II; 2 Pfalz, Gesetz XL? Verordnung XL1II; 3 gemeinsame Vorschriften: Führung XLVI 4—7, Einsicht durch Behörden 11, durch Notare XLVII 30. Grundbuchamt, Führung des Grundbuchs XIII 1, Aufbewahrung der Urkunden 9, Eintragungen 13 ff., Ertheilung von Hypothekenbriefen 56,59,61, von Grunduud Rölltenschüldbriefen 70, Beschwerde gegen die Entscheidungen des Grund­ buchamts 7 t—76, 80, 81, 100. — Bayern (Zuständigkeit der Amts­ gerichte) XLVI 1-8. Grundbuchbeamte, Eintragungen in das Grundbuch XI]I 10, Unterschrift unter den Eintragungen 45, vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Amtspflicht 12 Grundbuchberichtigung 1894—898,1138, 1155, 1157, 1263, XI 130, XIII 19, 22 ff. Grundbuchbezirke XIH 2, 72, 82, 85 Grundbuchblatt für ein einzelnes oder mehrere Grundstücke XIII 3, 4, 7, 28, 86—91; Angabe der Nummer im Hypo­ thekenbriefe 57. Grundbuchordnung II 1, XIII, Inkraft­ treten 82 — daher Anssührungsgesetz XLVI Grunddienstbarkeiten I 1018—1029, II 115, 184, 187, 191 Grnndgefälle deS Staates XLIV 128, XLVI 27.

1356

Grundschuld — Handelsregister.

Grundschuld 11191-1198; Grundfchuldbfiefe XHI 69, 70, 97; Eintragung in das Grundbuch 26, 43, 51, 54, 65, Löschung 27, Eintragung neuer Gläubiger 37, 38; bei der Zwangsversteigerung XI 50, 53 f., 64, 67, 126 f. 131. 136, 158. Grundfteuerkataster, Abschriften u. Ein­ sicht XLIV 134 Grundstücke, allgemeine Bestimmungen über Rechte an denselben I 873—902 Erwerb und Verlust deS Eigenthums 925—928, Miteigentum 1008—1011, Erbbaurecht 1012—1017, Grunddienst­ barkeiten f. diese, Vorkaufsrecht 1094— 1104, Reallasten 1105—1112, Hypo­ theken 1113—1190, Grundschulden 1191 —1198, Rentenschulden 1199—1203; — Zwangsversteigerung und Zwangsver­ waltung XI 1—161, 172—184; XII; einer Mehrheit von Grundstücken XI 2, 18, 63, 64, 76, 83 Nr. 2, 112, 122, 123. — Bezeichnung der Grundstücke im Grund­ buche XUI 2—6, 85—88, im Hypo­ thekenbrief 56, 57, 59, 63, fiskalische Grundstücke 90, Eintragung belasteter Grundstücktheile 6, 49, 96 Gütergemeinschaft, allgemeine I 1437— 1518; s. fortgesetzte G., Fahrniß-, Errungenfchaftsgemeinschaft. Gülerrechl der Ehegatten, Eintragung in das Grundbuch XIII 34—36, 38, 99. Guterrechtsregister I 1558-1563. XIV 161 f., xxvn 4. Gütertrennung in der Ehe 11426—1431 Guter Glaube, originärer Rechts­ erwerb auf Grund des guten Glaubens I 892f (Grundbuchrecht), 926 (Grundstückszubehör), 932—936 (Eigenthumserwerb an beweglichen Sachen), 937 (Ersitzung), 955, 957 (Fruchterwerb), 1032 (Nießbrauch), 1207 (Pfandbestellung), 1244 (Pfandveräußerung), 1262 (Schiffspfand), 2366, 2367, 2370 (Erbschein), VI 898 (Zwangs­ ersatz rechtsgeschäftlicher Erklärung), XXVI366 s. (Erwerb des Kaufmannes), XXVHI 74 (Wechselrecht). Gute Sitten I 138, 826. GutSüberUahme 1330, siehe auch Auszug.

H. Haager Konvention XXV. habitatio siehe Wohnungsrecht. tiaSlerkecht n 67. »ft des Gemeinschuldners (Sicherungs­ haft) VIII 101, 106, Haft zur Er­

zwingung des Offenbarungseides VI 901—915, siehe auch Personalhaft. Haftpstichtgesetz II 42, XV. HafttMg deS Erben für die Nachlaß­ verbindlichkeiten I 1967—2017, VIII 3, 225, 232—234, Beschränkung dieser Haftung I 1975—1992, unbeschrankte Haftung 2005—2013, 2016, Vorbehalt der beschränkten Haftung im Urtheile VI 305, Zwangsvollstreckung gegen den Erben 780—785 Haftung des Staates für seine Beamten XLIV 60 f., XLVH 126, siehe auch Beamte arrdelSbriese XXVI 38. andelSbücher, Art der Führung XXVI 43, Aufbewahrung 44, Inhalt 38, Klein­ gewerbe 4, Vorlage bei Gericht 45,46,47. tandelsfirma siehe Firma. andelsgeschäste, Allgemeines XXVI 343 —372, Abschluß bei Geschäftsverbindung 362, Begriff 343, einseitige 345, Ent­ fernungen 361, Haftungsgrad 347, LeistungSgegenstand 360, Leistungszeit 358, 359, Maße 361, präsumtive 344, Usancen 346, Währung 361, Zeitrechnung 361 Handelsgesellschaften, Kaufleute XXVI6, Konkurs Vm 209 ff. Handelsgesetzbuch XXVI. Handgeld siehe Draufgabe. HaudelSgewerbe XXVI, Begriff 1, 2, 3, präsumtives bei Frrmeneintrag 5. Handelskammern siehe Kammern für Handelssachen. HandelSkaus XXVI 373—382, Annahme­ verzug deS Käufers 373, 374, Aufbe­ wahrung der Waare 379, Bestimmung des Käufers bez. der Waare 375, Ge­ währleistung bei Viehmängeln 382, Selbsthülfeverkauf 373,379, Taragewlcht 380, Termingeschäfte 376, Untersuchung der Waare 377, 378, Werthpapiere 381. HandelSmäkler, Annahme von Leistungen. XXVI 97, Aufbewahrung der Probe 96, Begriff, Pflichten und Rechte 93, Haftung 98, Handelsgewerbe 1, Kleinverkehr 104, Mäklergebühr 99, Schlußnote 94, 95, Tagebuch 100, Auszüge 101, Vorlage bei Gerrcht 102. — Bayern: öffentliche Ermächtigung zu Kaufgesihäften, Zuständigkeit XLIX 6. HandelSmederlastnng, Anmeldung zum Handelsregister XXVI 29. Handelsregister, Abschriften XXVI 9, Be­ kanntmachung der Eintragungen 10, Be­ scheinigungen 9, Bezeichnung der Bekannt­ machungsblätter 11, der Zweignieder­ lassung 1Z, Eintragung auf Grund voll­ streckbarer Entscheidungen 16, Einsicht 9, Form der Anmeldungen und Vollmachten

S

Handelsrichter — Hypothekenbuch 12, gerichtliche Führung 8, öffentlicher Glaube 15, Ordnungsstrafen 14, rechts­ kräftig unzulässige Eintragung 16. Handelsrichter IV 11, 113, 114 (Fähig­ keit), 109 (Sitz und Stimme in der Handelskammer), 111 (Ehrenamt) 112, (Ernennung), 115 (Beeidigung), 116 (richterliche Beamte), 117 (Enthebung)

Handlungsagenten,als Handlungsreisender XXVI 87, Annahme von Zahlungen 86, außerordentliche Kündigung 92, Aus­ lagen 90, Begriff, Pflichten und Rechte 84, Buchauszug 91, Geschäftsabschluß ohne Vollmacht 85, Handelsgewerbe 1, Kosten 90, Mängelanzeigen 86, ordent­ liche Kündigung 92, Provision 88, 89.

Haudlungsgehnlseu, außerordentliche Kün­ digung XXVI 70, 71, 72, Begriff, Pflichten und Rechte 59, Gehaltszahluiig 64, Konkurrenzverbot 60,74,75, Pflichten des Prinzipals 59, 62, Provision 65, ordentliche Kündigung 66, 67, 68, 69, Schadensersatzansprüche des Prinzipals 61, Unmöglichkeit der Dienstleistung 63, Zeugniß 73. Handlungslehrlinge XXVI 76, Austritt aus der Lehre 78, 79, Endigung des Dienstverhältnisses 77, 78, Kündigung 77, Lehrherrneigenfchaften 81, Lehrzeit 77, Probezeit 77, Strafen gegen Lehr­ herrn 82, Zeugniß 80 andlungsreifeude XXVI 55 andlnngSVallmacht XXVI 54, Uebertragung 58, Zeichnung 57. Handwerker keine Großkaufleute XXVI 4

t

Handzeichen,

notarielle

Beglaubigung

XLVII 35.

Hauptmängel beim Viehkaufe I 482 ff., Verordnung XXIII

HanSdersassungen n 58, VII 5, IX 7, XIV 189.

Häuslerrecht II 63 Haverei XXVI 700,

Auslieferung der Güter 731. — besondere, Begriff 701, besondere Fälle 707. — Bestimmung der Vergütungshohe 711 —715, dingliche Haftuäg 726, Dis­ pacheure 729. — große, Ausbesserungskosten 709, 710, Ausschluß von der Schadensberechnung 708, Begriff 700, Fülle 706, Schadensvertheilung 716—724, Verhältniß zu besonderer Haverei 704, 705, Verschulden Dritter oder Betheiligter 702 — Ort der Aufmachung der Dispache 727, Sicherheitsbestellung 730 Veräußer­ ung der Ladung 732, 733, Vergütungs­ berechtigte sind Schiffsglaubiger 7*25,

1357

Verzug bei Aufmachung der Dispache 728. Haverei, Binnenschiffahrt XXXI 78-91. Havereivertheilnng XXVI 703. Heimathshafen XXVI 480 Heirathsregifter 11318,1324,1699, XVII 12, 54 f.

Heirathsvermittler I 656. Hemmung der Verjährung I 202—205 Herbergsrecht siehe Stockwerkseigenthum, hereditatis petitio siehe Erbschafts­ anspruch.

errenloses Gut siehe Aneignung. erstellung des ehelichen Lebens I 1353,

B

1567, VI 606, 608, 612, 615, 888.

Heuer stehe unter Schiffer. Hingabe an Zahlungsstatt siehe Zahlungsstatt

Hinterlegung von Geld und Werthpapieren zur Erfüllung von Leistungen I 372— 386, zur Sicherheitsleistung 232—235, VI 108, 713, 720, 817, 819, 839, 868, 923, 934, XI 49, 69, 94, 107, 108, 115, des Erlöses der Zwangs­ vollstreckung VI 720, 805, 827, 854, 930, der Zwangsversteigerung XI 65, 107, 117, 120, 126, 142, von Ein­ künften bei der Zwangsverwaltung 157, Hinterlegung einer zur Ver­ wahrung übergebenen Sache 1688—700, im Prozesse der Forderungsprätendenten VI 75.

-- Bayern: XLVHI, LI 76. Hinterlegungsvertrag siehe Verwahrung. Höhere Gewalt I 203, 701,1996, VI 233. HohenloherGjiterrecht(Ueberleitung)XLV 62, 66, 68

Hoher Adel II 57 f. Holographisches Testament I 2231 Nr. 2, 2246 Abs 2, 2247, 2248, 2259, 2267 tolschnld I 295, 697 797, II 92. ülfeleiftnng in Seenoth XXVI 740— 753, bet der Binnenschiffahrt XXXI 92-101. Hypothek E 1113—1190. Eintragung in das Grundbuch XIII 26, 40, 42, 44, 51, 54, 65, Löschung XIII 27, Ein­ tragung neuer Gläubiger XIII 37 f., Zwangsversteigerung XI 10 Nr. 4, 50, 53 f, 64, 67, 126 s, 131, 136, 158, Konkurs VIII 15, 47, 193. Hypothekenbanken XXXV 1, Geschäfts­ betrieb und Aufsicht 1, 3 ff., bereits be­ stehende Banken 45—53

Hypothekenbankgesetz XXXV. tzypothekenbewahrer XLV 148. typothekeubrief I 952, XIII 56-69, 97. ypothekenbuch, Erklärung zum Grund­ buch (rechts des Rheins) XLII 24—27;

1358

Hypothekenpfandbriefe — Klage.

79, Stiftungen 80—88, Personen des offentl. Rechtes 89; Eintragung von Grundstücken juristischer Personen ut das Grundbuch XIII 90; Konkurs VIII 213, Anmeldungen zum Handelsregister XXVI 33, 34, 35. — Erwerbsbeschränkungen ui Bayern XLIV 7-10. ins offerendi siehe Abldsungsrecht, — tollen di siehe Wegnahmerecht institiuni I 203, VI 245. Justizverwaltung LI 68—75.

beim Amtsgericht München I: XXXIX 4; güterrechtliche Einträge XLV 26, 28,30. Hypothekenpsandbriese, Ausgabe XXXV 5—10, 12, 14, 22, 23, 26, 27, 30 Hhpothekenregister XXXV 22, 23, 30qo qR q7 Xn rq

Hhpothekentitel I 648, II 91, XIV 54. — Bayern: XLV 50 - 56, 120.

I Zagdrecht II 69. — Bayern: XLIV 86, 143

K.

Jahr, Berechnung I 189, 191. Immission I 906 iinpedimenta matrimonii siehe

Ehe­ hindernisse Jmpmsen stehe Verwendungen implantatio und inaediflcatio I 94 f., 946, 949, 951. Imponderabilien I 906. Zndoffable Papiere I 1187 ff, 1270, 1292,1294, 1822, VI 831, 1004, 1019, stehe auch Wechsel Ingolstädter Güterrecht (Ueberleitung) XLV 67. Jnhabergrnndfchnld 11195, Inhaber­ hypothek 1187 ff. — Bayern: XLV 49 Znhaberpapiere I 793—808, mit Prä­ mien XVI, Erwerb abhanden gekom­ mener Jnhaberpapiere J 935, 1006 f., XXVI 367. Justanzenzng siehe Rechtsmittel, insula in flumine nata JI 65 JnterimSschein, Amortisation XXVI 227, Aufgebotsverfahren 228, Erfordernisse 180, 209, Neuausstellung 229, 230, Uebergang und Uebertragung 224, Unterzeichnung 181, Uebergangsrecht XXVH 24. Internationales Privalrecht II 7—31, Wechselrecht XXVIII 84-86, Haager Konvention XXV. interusnrimn siehe Zwischenzins. Intervention siehe Wechsel Jnteftaterbfolge I 1924-1936. invecta et illata siehe emgebrachte Sachen. Inventar des Kaufmanns XXVI 39, 41. Inventar des Nachlasses I 1993, 2001 ff., 2063, 2144, 2215, 2383, II 140, der Konkursmasse VI 124 f., 224. Jnventarsrift I 1994, 2003, 2011. Inzidentfeststellungsklage VI 280. Irrthum bei Willenserklärungen I 119, 121 f., bei der Eheschließung 1332— 1334, bei der Erbschastsannahme 1949, bei letztwilliger Verfügung 2078, 2080. Juristische Personen I 21—89, n 86, 163—167, insbesondere Vereine 21—

Kaiserliche Verordnung über Hauptmangel

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1

und Gewahrfristen beim Viehkaufe I 482, XXIV. Kaminkehrerlöhne bei der Zwangsver­ steigerung XLVI 23. Kammern für Handelssachen IV 100— 118. Kaplaken siehe unter Schiffer. Kans, allgemeine Vorschriften I 433—458, Gewährleistung 459—493, Kauf nach und auf Probe 494—496, Wiederkauf 497-503, Vorkauf 504—514, Anwen­ dung der Vorschriften auf den Tausch 515, Erbschaftskauf 2371—2385, VIR 232, Handelskauf siehe diesen. Kaufbeuren (Güterrecht, Ueberleitung) XLV 67, 71. Kauf bricht nicht Miethe I 571—579, II 172, VIII 21 Abs. 3, XI 57, 183. Kauffahrteischiffe, Begriff XXXVII 1, Flaggenrecht XXXV LI. Kaufmann, Begriff XXVI 1, Klein­ gewerbe 4. Kautionshypothek 1119Q, VI 837 Abs. 3. Kempten (Güterrecht, Ueberleitung) XLV 67-70. „Kennen müssen" I 122 Abs. 2. Kinder, rechtliche Stellung der ehelichen Kinder I 1616—1698, Rechtsverhältniß zwischen Eltern und Kindern im All­ gemeinen 1616—1625, elterliche Ge­ walt des Vaters 1627—1683. der Mutter 1684—1698, rechtliche Stellung der Kinder aus nichtigen Ehen 1699— 1704, der unehelichen Kinder 1705 —1718, Legitimation der letzteren 1719 —1740, Annahme an Kindesstatt siehe Annahme; Streitigkeiten zur Fest­ stellung des Rechtsverhältnisses der Kinder zu den Eltern VI 640—644. Kirchliche Verpflichtungen in Ansehung der Ehe I 1588. Klage in Rechtsstreitigkeiten VI 253—299, Verjührungsunterbrechung I 209—211, siehe auch Anfechtung, Nichtigkeitsklage, Restitutionsklage.

1359

Klageänderung — Kunsthandel.

Klageänderung VI 264, 268—270, 527 ; 230, Zwangsvergleich 179, 181, 184, 193. Klageantrag VI 253, 268, 323, 467, 529. | ! Konkursmasse, Umfang VIII 1, 2, 238, Klagebeantwortung VI 272. Aufzeichnung 123, Inbesitznahme durch Klagegrnnd VI 146, 253 den Verwalter 117, stehe auch Ab­ Klagenhausung, objektive VI 260, 615, subjektive 59, 60, Häufungsverbote 633, 667. Klageschrift VI 253, Zustellung 261, 497 Klagezurücknahme VI 113, 271. Kleingewerbe, Bayern: Abgrenzung, Zuständigkeit XLIX 25 Kollation stehe Ausgleichung. Kollektivprokura siehe Gesammtprokura. ; Kommanditgesellschaft XXVI 161-177, Firma 19, 20, Kleingewerbe 4, Ueber- I tragung des Vermögens auf eine Aktien­ ! gesellschaft 305 ff., Konkurs VIII 209 ff. Kommanditgesellschaft aus Aktien XXVI 320—334, XXVII 9, 23 ff, Konkurs VIII 209 ff Kommissionär, Anzeige der Ausführung I XXVI 405, Begriff 383, 406, gesetz- i llches Pfandrecht 366, 368, Haftung für Dritte 394, Haftungsgrad 390, Haftungs­ umfang 390, Handelsgewerbe 1, Pfand­ recht 397, 398, 399, Preisbeschränkung 386, Provision 396, Rechte 389, 396, 397, 398, Schadensersatzpflicht 385,388, Selbstemtritt 400—404, Verpflichtungen 384. Kommissionsgeschäft XXVI 383-406, Beschädigung des Gutes 388, Delkredere­ provision 394, Einkaufskommission 391, 400, 406, Forderungsabtretung 392, I Mangelhaftigkeit des Guts 388, Stund­ i ung 393, Verkauf auf Kredit 393, Verkaufskommrssion 400, 406, Vortheile aus dem Geschäfte 387, Vorschüsse 393, Wechselankauf 395, Widerruf 405.

Kommunale Verbände siehe Wohnplätze i Kompensation siehe Aufrechnung. \ Konfusion (Vereinigung von Recht und ,

sonderung, Aussonderung

Konkursordnung II1,33, VIH, xxxv 43. Konkursrecht VIH 1—70. KonkurSstrasrecht VIII 239-244. Konkursverfahren VHI 71—238, Ferien­ sachen IV 204, konkurs.

siehe

auch Nachlaß­

Konkursverwalter, Ernennung und Be­ fugnisse im Allgemeinen VIII 79—86, 88, 93, 95, 96, 99, 100, hinsichtlich des Eroffnungsverfahrens 110,112,113, der Verwaltung und Verwerthung der Konkursmasse 6,117—137, Prüfung der Schuldenmasse 142,144, der Verkeilung der Masse 150-153, 157, 159, 167, 169—172, des Zwangsvergleiches 176, 179, 184, 191, Antrag auf Zwangsverstelgerung oder Zwangsverwaltung von Grundstücken XI 172, 178.

Konnossement XXVI 642—662, an Order 363-365

Konsolidation (Vereinigung von Recht u. Belastung), kein Erlöschungsgrund im Liegenschaftsrecht I 889, beschränkter Erlöschungsgrund im Mobiliarrecht 1063, 1073, 1256, 1273; dre K. durch Erbfall wird rückgängig: 1976, 1991, 2143, 2175, 2377. Kontokurrent XXVI 355—357. Kontrahiern mit sich selbst i 181. KonvaleScenz I 185, 816. Konventionalstrafe siehe Vertragsstrafe. Konversion l 140. Kopie siehe Wechsel. Korrespektive Verfügungen I 2270 f, 2298 Korrefpondentrheder XXVI 492—499. Kostgeld, Konkursvorrecht VIII 61. Krastloserklärnng von Urkunden VI 1003—1024, I 176, 799 f., 2361, U 102, 174, 178.

Verbindlichkeit) durch Erbfall wird rück- | gängig bei Nachlaßsonderung I 1976, | 1991, weitere Fälle: 2143, 2175, 2377, Wirkung bei Gesammtschulden 425 u. Gesammtforderungen 429. Kreditauftrag (mandatum qualificatuin) Konkurreuzverbot XXVI 74, XXVII 9. I 778, XXVI 349, 351. Konkurrirendes Verschulden I 254, 846. Kreditanstalt, Bayern: Bekanntmachung Konkurs einer Partei VI 240, Eintrag der Satzung, Zuständigkeit XLIX 11 im Handelsregister XXVI 32. Kriegsverschollenheit I 15. Konkurssorderungen VUi 3,226, siehe auch Konkursgläubiger. Kündigung bei Miethe und Pacht 1542 ff., 553 ff, '564 ff, 569, 5.95 s., VIH 19, Konkursgericht VIII 71, 214 21 Abs. 3, bei der Leihe 1 605, beim Konkursgläubiger VIII 61—70, aus­ Darlehn 609, beim Dienstvertrag 620 ff., ländische 5, Anmeldung der Konkurs­ VIII 22, bei der Gesellschaft I 712, forderungen 138—140, XXI 35, 43, 723 ff., 736, der Prozeßvollmacht VI 87. Prüfung VIII 141, Rangordnung 61, 226, IX 17, Stimmrecht VIII 95, 96, Kunsthandel XXVI 1.

1360

Kur- und Wegekosten — Lotterievertrag.

Kur- und Pflegekosten, Konkursvorrecht vm gl

KnrSmakler XXXHI 30 ff. Kux XLVI 17 f., 37—51.

L.

Ladescheine XXVI 363—365. Ladungen (Vorladungen) im Rechtsstreit VI 214-218.

Lagergeschäft XXVI416—424, Anspruchs­ verjährung 423. Lagerscheine 424, Lager­ zeit 422, Lagerung vertretbarer Sachen 419, Zurücknahme des Gutes 422. Lagerhalter, Begriff XXVI 416, Eigen­ thum 419, gesetzliches Pfandrecht 366, 368, Gestattung der Überwachung 418, Lagergeld 420, Lagerkosten 420, Pfand­ recht 421, Pflichten 417, Rechte 417. Lagerschein XXVI 424, Lagerscheine an Order 363, 364, 365. — Bayern: Ermächtigung zur Aus­ stellung, Zuständigkeit XLIX 25. Lagerverwalter, Handelsgewerbe XXV11 Landesgesetze, Verhältniß zum B.G.G. H 55—152, 218. Landesherren, Grundbuchrecht XIII 90. Laudesrnftizverwaltung, Anordnung über Einrichtung und Führung der Grund­ bücher xni 1, 96 f., über Einsicht des Grundbuchs und der Grundbuchakten, Ertheilungen von Abschriften 93—95. Landgerichte, Besetzung, Geschäftsvertherluug, Zuständigkeit IV 58—78, Bildung von Kammern für Handels­ sachen 100, Verfahren vor den Land­ gerichten VI 253-494, Entscheidung auf Beschwerden über Grundbuchein­ träge xni 72 f., 76—78, 81, Ein­ legung weiterer Beschwerden beim Land­ gericht 80. — Bayern: LI 26—33. Landsäsfiger Adel n 57. Landwirftchastliche Erbgüter XLIV 152, XLVI 13, 36. Landwirthschastliche Grundstücke, Pacht I 582 ff., Befriedigung der Wirthschafts­ beamten bei der Zwangsversteigerung XI 10 Nr. 2, Mttversteigerung von Zubehörstücken 21, 55. Lasten siehe öffentliche Lasten. Lausende Rechnung siehe Kontokurrent. Lebensalter, Berechnung I 187.

Lebensvermnthung I 19. Lebensversicherung I 330. Leckage XXVI 456, 616; XXXI 59. Legalisation von Urkunden VI 438 Legalservituten siehe gesetzliche Eigen­ thumsbeschränkungen.

Legitimation unehelicher Kinder

durch

nachfolgende Ehe I 1719—1722, durch Ehelichkeitserklärung 1723—1740, Legi­ timation des gesetzlichen Vertreters VI 56, des Gerichtsvollziehers 755. — Bayern: Uebergangsrecht XLV 105, 141; Zuständigkeit für die Ehelichkeits­ erklärung XLIX 20. Legitimatiouspapier I 808, II 102, 177. Lehenrecht n 59. — Bayern: Eintragung XLVI 14, 15, Zwangsverwaltung 36. Lehrling XXIV 76-82 Leibesfrucht, Pflegschaft I 1912, 1918, als Erbe 1923, 1963, 2043, 2141 Leibgedinge (Lerbzucht) siehe Altentheil Leibrente, Verpflichtung zur Gewährung, I 759—761. Leichtersahrzeug XXVI 706, 824, 825, 851; XXXI 57, 82. Leihe (Gebrauchsleihe) I 598—606. Leistung, Verpflichtung des Schuldners zur Leistung I 241—292, Verzug des Gläu­ bigers 293—304, Mehrheit von Schuld­ nern und Gläubigern 420—432, Ver­ sprechen der Leistung an einen Dritten im Vertrag 328—335; Leistung an einen Gemeinschuldner VHI 8; siehe auch Wiederkehrende Leistungen. Leistungsort I 269 f, 697, 811, 1194; siehe auch Erfüllungsort. LeistungSverzng siehe Verzug des Schuld­ ners. Leistungszeit I 271 f

Letztwillige Verfügung I 1937. lex commissoria (Pfandverfallsklausel) I 1149, 1229, 1277.

LiegenschastSgefetz, pfälzisches XL. Lindan (Güterrecht, Ueberleitung) XLV 67, 69 f., 72.

Linie (gerade und Seitenlinie) der Verwandtschaft I 1589, der Schwägerschaft 1590. Liquidation juristischer Personen I 47 ff ; 76, 88. Lifte der Genoffen, Oeffentlichkeit und Einreichung bei Gericht XXIX 12, 14, 30,137, 158, Vermerk über Ausscherden von Genossen 68—72, 76, 77. Liste der Gesellschafter von Gesellschaften mit beschränkter Haftung XXX 8, 12, 40, 57. LitiSdennntiatiou siehe Streitverkündung. Litispendenz siehe Rechtshängigkeit, locus regit actum n 11, 13 Abs. 3. Löschung im Grundbuch I 875, XNI 18, 22 f.. 25, 27, 41 f., 47, 54, 69, 71, 76 LösnngSanspruch der Pfandleihanstalten XLIV 91. Lohn siehe Arbeitslohn. Lotterievertrag I 763.

'

1361

Mäklervcrtrag — Nachlatzverb Bildlichkeiten.

M.

Miteigenthum 11008-1011, II131,181. — Bayern: Uebergangsrecht XLV 40,

41, 43, 113. Mäklervertrag I 652—656 Mängel der Sache, Gewährleistung beim Miterben 1 2032—2063 Kauf I 459—493, Mängel im Rechte i Mitrheder XXVI 489 ff. 433—443, siehe auch Gewährleistung. Mitte eines Monats I 192, XXVIII30. Mahnung I 284. Mittelbarer Besitz I 868-871, 930, 934, Mahnverfahren VI 688—703, Ferien­ 936, 986, 991, 1006, 1205. sache IV 204. Mitteleuropäische Zeit Seite 463 Fußnote. Mainzer Landrecht (Güterrecht, UeberMitvormnnd I 1778, 1792, 1797 f., 1810, lertung) XLV 20, 83, 88

1833, 1894

Malzaufschlag XLIV 155, XLVI 24. Mandat siehe Auftrag, mandatum qualificatum siehe Kreditauftrag Marktpreis I 453. Marttwechsel XXVIII 4 Nr 4, 18 Maffegläubiger VIII 27, 28, 57-60, 224, Massekosten 58, Masseschulden 27 s., 59, 224 Maximalhypothek siehe Kautionshyvothek Mehrheit von Schuldnern und Gläubigern I 420—432, von Erben 2032—2063, von Testamentsvollstreckern 2219, 2224, von Wohnsitzen 7, von Gerichtsständen VI 35, Stimmenmehrheit beim Zwangs­ vergleich VIII 182, 230 Meistbietender bet der Zwangsversteigerung XI 81, 85, 88, 105, 116, 132, Be­ schwerderecht 97, 103. Meiftgebat bei der Zwangsversteigerung von Grundstücken XI 49, 61, 63, 73, 81, 85, 97, von Schiffen 169, 171. Meliorationsdarlehen II 118 Memmingen (Güterrecht, Neberleitung) XLV 78, 81 Mentalreservation i 116. Metzwechsel XXVIII 4 Nr 4, 18. Miethe I 535—580, Miethverhältnrß des Gemeinschuldners VIII19—21, Zwangs­ versteigerung und Zwangsverwaltung XJ 21, 57, 148, 152, 183, Miethstre'itigkeiten IV 23, VI 8, 709 — Bayern: Uebergangsrecht XLV 5, 6; XLVI 28, 36. Miethpsandrecht I 559-561, 581, 585, VIII 49 Militärteftament II 44 nut Note MinderjährigeI2,Volljährigkeitserklärung 3—5, beschränkte Geschäftsfähigkeit 106 —113, Haftung aus Delikten 828 t, Vormundschaft 1773—1895, Pflegschaft 1909 ff., Testamentserrlchtung 2229, 2238, 2247, Eid VI 393, 426, 473, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 232. Mindelheim (Güterrecht, Neberleitung) XLV 67. Minderung beim Kaufe I 462 ff, beim Werkverträge 634 ff. Mitbürgen I 769, 774, 776

liiodus siehe Auslage Mönchsrother Observanz

, i j

: I

| I

(Guterrecht, Neberleitung) XLV 67. Monat, Frist- und Terminsberechnung I 188 f., 191 f, VI 222. niora solvendi und accipiendi siehe Verzug des Schuldners und des Gläubigers Moratorium VII 14; IX 4, siehe auch Stundung. Mühlenrecht II 65 Mündel siehe Vormundschaft Mündelgelder, Anlegung I 1807, II 212. — Bayern: XLIV 92, XLV 32, XLIX 22 Mündliche Verhandlung VI 128—165. Münzsorte 1 245 Mutter, elterliche Gewalt 1 1684—1698; siehe auch Eltern: Ansprüche der unehelichen Mutter 715 ff., II 21.

N. Rachbarrecht I 906-924, II 124. — Bayern- XLIV 62—80

Racherbe 1 2100—2146, vi 242, 246, 326, 773, 863, VIII128, 131, XHI 52.

Nachindoffament XXVIII 16. Rachlatz, Auseinandersetzung XLIV, 104 f, l

132. i Rachlatzgericht H 147, XIV 72, Für­ sorge I 1960 ff., Verfahren XIV 72—99, i 192 s., 195. | - in der Pfalz XLV 143-146. I Nachlatzgläubiger, Aufgebot derselben I 1970-1974, VI 989-1001, Befriedi­ gung bei der Zwangsversteigerung XI 175, 179, stehe auch Nachlaßverbmdlichkeiten.

Nachlatzkonkurs I 1975 ff., 1988, 2000, 2060, VI 243, 782, 784, 993, VIII 214-234, XI 178.

Nachlaßpflegschast I 1960 ff. Rachlatzverbindlichkeiten, Begriff I 1967

Bürgerliches Gesetzbuch und Nebeugesene (Bayern)

—1969, Beschränkung der Haftung des Erbeli 1975—1992, unbeschränkte Haf­ tung 2005—2013, aufschiebende Ein­ reden 2014 - 2017, Rangordnung im Nachlaßkonkurse VIII 226, siehe auch Erbe

86

1362

Nachlaßverwaltung — Oberste Landesgerichte.

Rachlatzverwattnng 11975 ff.. 2000,2013, 2062, 2205, VI 241, 246, 784, VIII 217 232 234 Rachlaßverzeichniß I 1960, II 140; siehe auch Inventar. Rachschnßpsticht, Genossenschaften mit be­ schränkter N. XXIX 2, 7, 126—130; N. bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung XXX 26—28. «achfichtwechsel XXVm 19, 20, 32. NachtragSdertheilnng im Konkurse VIII 166, 172, bei der Zwangsversteigerung XI 137, 139, 141. Nachdermächtniß I 2190 f, 2338. Käme der Frau I 1355, der geschiedenen 1577, ehelicher Kinder 1616, Adoptirter 1758, 1772, eines Vereins 57 65. Ramenrecht I 12. Namensänderung XLiv 3, XLIX 1—3, 15 -19. nasciturus siehe Leibesfrucht,

ne eat iudex ultra petita partium VI 308.

Nebenintervention VI66—71, 101, 265, 449, 501.

negotiorum gestio I 677—687. nemo subrogat contra se I 268 Abs. 3 Satz 2, 774 Abs. 1 Satz 2, 1143, 1176, 1249. Nennwerth, Forderungsüberweisung zum Nennwerth VI 835. „Richt an Order" XXVIII 9, 15. Nichterscheinen der Partei im Verhand­ lungstermine VI 251, 330 ff. Richtigkeit einer Willenserklärung I 105, 116—118. 125, 134, 138 ff., der Ehe I 1323—1347, Klage und Verfahren VI606, 617, 622, 625,631 ff., Stellung der Kinder aus nichtiger Ehe I 1699 —1704 Nichtigkeitsklage gegen rechtskräftige Endurtheile VI 578, 579, 583—591. Richtschnld (condictio indebiti) I 812 ff, Ausschluß der Rückforderung I 222, 656, 762, 814. Niederlassung, Gerichtsstand VI 21. Nießbrauch an Sachen I 1030—1067, an Rechten 1068—1084, an einem Ver­ mögen 1085—1089, VI 737 s., an Grundstücken bei derZwangsversteigerung XI 92, 121; uneigentlicher Nieß­ brauch I 1067. nominatio auctoris VI 76 f. nonduin conceptus I 844, 1923, 1963. 2043, 2141. Nördlingen (Güterrecht,Ueberleitung) XLV 67, 71. Notare, Ehevertrag I 1434, Testament 2231 ff., Erbvertrag 2276, Inventar­ errichtung 1035, 1372, 1528, 2002 s,

2121, 2215, 2314, Annahme an Kindes­ statt 1750, eidesstattliche Versicherung 2356, Antrag auf Eintragung in das Grundbuch XIII 15, Beschwerde gegen die Eintragung 80, Herstellung von Theilhypothekenbriefen 61, Auseinander­ setzung eines Nachlasses, einer Güterge­ meinschaft XIV 193,Aufnahme öffentlicher Urkunden und öffentliche Beglaubigung 191, Protokollirung von Gesellschafts­ verträgen XXVI 182, 321, XXX 2. Notare, Bayern: Amt XLVII12, Amts­ bezirk 6, Amtseid 10, der Verweser 105, Amtsgeheimniß 21, Amtsgeschäfte 14 —17 (Verweigerung der Vornahme», 18, 19 (Zeit und Ort der Vornahme), Amtspflicht-Verletzung 126 (Haftung des Staates), Amtssitz 11,19, Amtstage 19, Dienstverhältnisse und Geschäftsführung 12—23, Dienstaufsicht und Disziplin 63—94, Ernennung 8, 9, Gebühren 48 —56, Gericht!. Entscheidung, Beschwerde 57—62, Notariatsgehilfen 20,109,129, Notariatsverweser 95—118, Zuständig­ keit und Organisation 1—11; siehe auch Zuständigkeit. Notariatsgesetz, bayerisches XLVII. Notariatskammer XLVH 83, 87, 93 Notarielle Urkunden I 126, 128 f., 152, n 141, VI 794, 797, XIV 167—184, iqi OHA — Bayern: XLVII 24-47.

Rothsrift VI 223 f., 251, die einzelnen Fälle: 339, 516, 552, 577, 586, 958, 1044, siehe auch Wiedereinsetzung. Nothbülse I 904. Nothstand l 228. Nothweg I 917 f., XI 52 Nothwehr I 227 Notorietät stehe offenkundige Thatsachen. Nürnberg (Güterrecht, Ueberleitung) XLV 83, 86, 100. Nutznießung des eingebrachten Guts I 1373—1409, Beendigung der Nutz­ nießung 1418—1425, elterliche Nutz­ nießung 1649—1664. Nntzpsand I 1213, 1214 Nutzungen I 100.

O. Oberfläche eines Grundstücks, Eigenthums­ verhältniß I 905.

OberlandeSgerichte IV 119—124, LI 36 —40 XLV

^4^(S Mttrrecht be, Kauf nach Probe I 494, auf Probe 495 f. Prokura, Anmeldung XXVI 53, Be­ schränkungen 50, Erlöschen 52, Ertherlungsbefugniß 48, Inhalt 49, Klein­ gewerbe 4, Widerruf 52, Zeichnung 51. Prokura-Indossament XXVIII 17. Protest siehe Wechsel Protokoll, Sitzungsprotokoll VI159—164, 313, 314; Protokoll über die Zwangs­ vollstreckung 762 f, über die Zwangs­ versteigerung XI 78, 80. 127, über Be­ urkundung von Rechtsgeschäften XIV 175—182, 184. — Bayern: Protokollrrung der Erklär­ ungen vor dem Grundbuchamte XLVI 9, 10. Provision XXVI 354. Prozetzbevollmächtigte VI78—90, Zurück­ weisung 157 f. Prozetzsähigkeit VI 51-58, Einrede der Mangelnden Prozetzsähigkeit 274. Prozeßhindernde Einreden VI 274—277, 504, 528, 538, 566, 594. Prozetzkoften VI 97-107. Prozeßleitung VI 141-158. Prozeßzmsen I 291. Prüfnngstermin im Konkurse VIII140— 146, 164 f., 180. publica fides stehe öffentlicher Glaube Punktatiou I 154. Putativehe I 1344 ff., 1699 ff.

Quarantcmegrlder — Reichsnngehorigkert

1365

Q.

RechtSanwalt,B ayern: Rechtsanwaltschaft

Limrantänegelder XXV [ 621. quasi usus fructus I 1067 Cmttmig 1368—370, Beweiskraft Vll 17.

Rechtsfähigkeit phvsischer Personen I 1.

R. Räumung,

unvereinbar mit Notariat XLVII12, 96. juristischer Personen I 21 ff, 42 ff., 73, — Bayern: Verleihung der Rechtsfähig­ keit XLIX 4, Entziehung XLIV 4, Uebergangsrecht XLV 1, 2 Rechtsgeschäfte I 104—185, Geschäfts­ fähigkeit 104—115, Willenserklärung 116—144, Vertrag 145—157, Be­ dingung u Zeitbestimmung 158—163, Vertretung und Vollmacht 164—181, Einwilligung und Genehmigung 182— 185, Rechtsgeschäfte des Gemeinschuld­ ners, Erfüllung im Konkurse VIII17— 28, Anfechtung 29—42, relative Nich­ tigkeit 7 Rechtshängigkeit VI 263 ff., 276, 281, 505, 506, 693, Einrede der Rechts­ hängigkeit 274. RechtSHÄlfe VI 157-169, XIV 2. — Bayern: XLVI 8, LI 77. Rechtskraft, materielle VI 322, formelle 705, VII 19, 20, Zeugniß VI 706, XIV 31, Rechtskraft gegenüber dem Rechtsiiachfolger VI 325, dem Nacherben 326, den Erben 327, in Ehesachen 620, 999, des die Todeserklärung aufhebeliden oder berichtigenden Urtheils 976 Abs 3, Rechtskraft des Schieds­ spruches 1040, der Eintragung in die Konkurstabelle VIII145, des Zwangsveigleichs 190. Rechtsmittel, im Civilprozesse Berufung VI 511-544, Revision 545-566, Be­ schwerde 567—577, Wiederaufnahme des Verfahrens 578—591. Rechtsnachfolger, Aufnahme des Ver­ fahrens VI 239, 265 f., vollstreckbare Ausfertigung 727 ff, 795 f, 799 f., Wirksamkeit des Urtheils gegen den Rechtsnachfolger 265, 325, Anfechtung VIIJ 40, X 11 Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, Feststellung durch Rechtsstreit VI 640—644, siehe noch Feststellungstlage Rechtsweg, Unzulässigkeit VI 274, 547. Refaktie XXVI 380

landesrechtliche Räumungs­ fristen II 93, Klage auf Räumung VI 257, richterliche Räumungsfrist 721, im Wege der Zwangsvollstreckung 885, bei der Zwangsversteigerung XE 93, bei der Zwangsverwaltung 149. Rangordnung eingetragener Rechte I 879, 880, xni 46, 66, der Ueberbau- und Nothwegrente I 914, 917, von Theil­ hypotheken 1151, von Pfandrechten 1209, von Schiffspfandrechten insbe­ sondere 1261, im Konkurse VIII 49 (Absonderungsrechte), 60 (Massegläubi­ ger), 61, 62 (Konkursforderungen), 226 iNachlaßkonkursforderungen insbeson­ dere) , bei Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung XI 10—12, 110, 155, XII 2—4. Rangvorbehalt I 881. — Ravern - Uebergangsrecht XLV 58 f Rath I 676. Rahongefetz II 54 Realgewerberechte II 74 — Grundbuchblatt XLVI 17. Reallasten I 1105-1112, II 113-115, 120 f., Eintragung in das Grundbuch XIII 6, 50, Werthersatz bei Zwangs­ versteigerung XI 92, 121, Zwangsvoll­ streckung in Reallasten VI 857. — Bayern: XLIV 85 f, Uebergangsrecht XLV 46, 48, 116—118 Rechenschaftspflicht I 259, Klage auf Rechnungslegung VI 254, Rechnungs­ pflicht des Beauftragten I 666, des un­ beauftragten Geschäftsführers 681, des Gesellschafters 713, 740, des Ehe­ manns 1421, des Vaters 1681, des Vormunds 1690 ff.; 1840 ff, des Vor­ erben 2130, des Testamentsvoll­ streckers 2218, des Konkursverwal­ ters VIII 86, 132, 162, des Zwangs­ verwalters XI 154 Regalien II 73. Rechnungssachen, vorbereitendes Verfahren j Regensbnrg(Güterrecht,Ueberleitung) XLV | 75, 78, 79 f VI 348—354. Rechte, Ausübung der Rechte I 226—231, Regreß mangels Annahme XXVIII 25— Gemeinschaft an Rechten 741—758, 28, wegen Unsicherheit des Acceptanten allgemeine Vorschriften über Rechte an 29, mangels Zahlung 41—45. Grunostücken 873—902, Nießbrauch rei vindicatio I 985 ff. an Rechten 1068—1084, Pfandrecht Reichsangehörigkeit II 41, ohne Einzelstaatsangehorigkeit XXI 6, Sondervoran Rechten 1273—1296. schriften für diesen Fall: I 1320, 1322, Rechtsanwalt, Parteivertreter im Civil1723, 1745, 1936, XIV 36 prozesse VI 78

1366

Reichsbank — Scheidung.

Reichsbank, Hinterlegung I 1082, 1814, 2116, Anlegung von Mündelgeld 1808. Reichsbeamte I 1315, II 43. ReichSfiSknS, Erbrecht I 1936. ReichSstagge, Führung auf den Kauf­ fahrteischiffen XXXVII1-4,8,10—12, 16; auf Binnenschiffen 26; strafbare Führung der Flagge 18, 19. Reichsgericht II 6, IV 125-141, VI 576, VH 7, 9, XHI 79, 81, XIV 30. Reichsgesetze, Verhältniß zum B.G.B. II 32—54, Verhältniß zum H.G.B. XXVII 2. Reichskanzler, Ermächtigungsgesetz III. Reichsmintargesetz U 44 f. ReichSschuldbach H 50, XIV 188, XX. ReichSstandschast U 57 Reichswahrung I 244, VIII 69. Reisegat, Beförderung im Seerecht XXVI 672 ff., 723, 768. Religiöse Kiadererziehang I 43, 44, 61, n 134. religiosus, Erwerbsbeschränkung II 87. RembourSregretz XXVIII 51 Rentengüter II 62. «entenschuld I 1199-1203, II 117 f., Zwangsvollstreckung in Rentenfchulden VI 857, Eintragung in das Grundbuch XHI 26, 43, 51, 54, 65, Löschung da­ selbst 27, Eintragung neuer Gläubiger daselbst 37 f., Behandlung bei Zwangs­ versteigerung XI50, 53 f., 64,67,126 f., 131, 136, 158 Rentenschalddries I 952, XIII 69 f., 97, XIV 70. Residenzpslicht des Notars XLVII 11 Reftitntionsklage gegen rechtskräftige Endurtheile VI 578, 580—591. Rettenberger Güterrecht (Ueberleitung) XLV 78—80. Reugeld I 336, 359 Revenüenhhpothek II 60, 192. Revision im Civilprozesse VI 545—566, Revisionsanträge 554, Revrsionsfrist 552, Revlsionsgrund 549—551, Revisions­ schrift 554 f., Revisionssumme 546. Rheder XXVI 484—488, Begriff 484, Gerichtsstand 488, Haftung aus An­ sprüchen der Schiffsmannschaft 487, Haftung aus Ansprüchen Dritter 486, Haftung aus Rechtsgeschäften des Schiffers 533, 534, Haftung für Schiffsmann­ schaft XXVI 485. für Schiffsbesatzung XXVII 7. Rhederei XXVI489, Aenderung der Mrtrheder 505, Auflösung 506, Ausgaben 500, Befreiung von Einzahlungen 501, Begriff 489, Einnahmenvertherlung 502, Gerichtsstand 508, Gewinnvertherlung 502, Haftung der Mitrheder gegenüber

Dritten 507, Korrespondentrheder 492— 499, Rechtsverhältniß nach innen 490, 491, Veräußerung der Schiffspart 503, 504, Verlustvertheilung 502. Richteramt, Befähigung IV 1—11, Aus­ schließung und Ablehnung VI 41—48, Verletzung der Amtspflicht I 839—841, n 77, VI 580, xm 12. — Bayern: LI 1—6 Richterlicher Eid VI 475-477. Rimesse XXVIU 51 Ristorno XXVI 894 ff Rothenburger Güterrecht (Ueberleitung) XLV 78-80. Rothenselser Güterrecht (Ueberleitung) 78—80 Rückgriff des Bürgen I 774. Rücktritt vom Vertrage I 325—327, 346 —361, vom Verlöbniß 1298 ff., vom Erbvertrag 2293 ff, im Konkurse (Miethe und Pacht) VHI 20. — des Leibgedingsberechtigten XLIV 42. Rückwechsel XXVni 53. Ruhen der elterlichen Gewalt I 1676 ff., 1696, des Prozesses VI 251. Ruhestand, Versetzung in den Ruhestand beim Reichsgericht IV 130 f

S. Sache, Begriff und allgemeine Vorschriften I 90—103, vertretbare 91, verbrauch­ bare 92, wesentliche Bestandtheile 93; Einbringung bei Gastwirthen 701— 704; Vorlegung zur Besichtigung 809—811; Besitz von Sachen 854— 872; Eigenthum 929—984; Nießbrauch 1030-1067; Pfandrecht 1204—1272; Zwangsvollstreckung in körperliche Sachen VI808—827; zur Erwirkung der Heraus­ gabe von Sachen 883—886. Sachenrecht I 854-1296. Sachliche Zuständigkeit der Gerichte VI 1-11. Sachverständige, Beweis im Rechtsstreit VI 402—414, XIV 164, sachverständige Zeugen VI 414. Sammelarchiv des Notars XLVII 119. Schadensersatz, Inhalt und Umfang I 249—255, bei unerlaubter Handlung 823 ff., 842 ff. — Haftpflichtgesetz XV. — Bayern: Haftpflicht bei Benutzung öffentlicher Grundstücke zu Anlagen oder Betrieben XLIV 58, Klagen auf Ersatz des bei Auslaufen verursachten Schadens L 11 Schankwirthe, Namenschild XXVII 9.

Schatz I 984, 1040. Scheidung der Ehe, siehe unter Ehe.

Scheingeschäft — Schuldschein.

Scheingrschäft I 117, 405. Schenknng I 516—534, Anfechtung VIII

1367

von Dritten 577, Lieferung bis ans Schiff 561, Liegegeld 567, 572 574, 581, 594, 598, 602, Löschung 592— 603, Loschzeit 577, 594-599, Pfandrecht des Verfrachters 623, Rücktritt vom Vertrage 580—586, Ueberliegezeit 560 —571, 573, 594, 597, Uebertretung der Abladungsvorschriften 563, Umfang des Schadensersatzes bei Güterverlust 611— 613, Umladungen 565, Unrichtige Be­ zeichnung der Güter 563, Verbotene Güter 563, Verfrachtung eines Schiffs­ theils 587,603, Verladung an die Schiffs­ seiten 566, Verladung auf Verdeck 566, Verladung in ein anderes Schiff 565, Verladung ohne Wissen des Schiffers 564, Verlorene Güter 617, 618, Wartezeit 579, Wiederansladung 581, Wirkung der Güterannahme 614, Zeitfracht 622, Zureise in Ballast nach Abladungshafen 640, 641, Zustellung der Papiere 591. Schiff-gläubiger XXVI 754, Befriedigung 761, große Haverei 775, persönliche Haftung des Rheders 762, 773, 774, Pfandrecht 755—766, Pfandrecht an der Fracht 771, 772, Rangfolge 766- 770, 777, Rhederei 763, Vorzug vor anderen Gläubigem 776. — Binnenschiffahrt XXXI 102-116. Schiffsmannschaft bei der Binnenschiffahrt XXXI 21—25. Schiffspart I 1272, Veräußerung XXVI 474—477. Schiffsrath XXVI 518. Schiffsregister, Eintragung der Pfandrechte XIV 100—124, bei der Binnenschiffahrt XXXI 119—129, Eintragung der zur Führung der Reichsflagge befugten Kauffahrteischiffe XXXVII 4-10, 13-17, 25, 27. — Bayern: Zuständigkeitsnormen XLIX 29 f. Schiffstagebuch XXVI 519-521. Schiffszubehör XXVI 478 Schlüsselgewalt I 1357, H 16. Schmerzensgeld I 847. Schöffengerichte IV 25-57, LI 23-25 SchreibrnSnnknndige I 2238, 2247, XIV 156. Schriftliche Form I 126 f Schnldanerkenntnitz I 781 f. Schnldenhaftnng des eingebrachten Gutes 11410—1417, bei Erwerb eines Handels­ geschäfts XXVI 25, bei Eintritt eines Gesellschafters 28, stehe auch Erbe (Haftung). Schnldenmaffe im Konkurse VIII138—148. Schuldner, Verpflichtung zur Leistung I 241-292.

32, 37, X 3, 7; keine Konkursforderung | 69. I Scherz I 118, 122. Schiedsrichterliches Verfahren VI 1025 i —1048, Einrede des Schredsvertrags 1 1 274, Schiedsspruch 1038-1040. Schiffe, Pfandrecht an registrirten Schiffen I 1242 ff., XIV 100-124, Zwangs­ vollstreckung VI 864 f, 870, 885, Zwangsversteigerung XI 162—171 Schiffer XXVI 511—555, Aenderung der Reise 536, Antritt der Reise 516, An­ weisungen des Rheders 512, Anwesen­ heit aus dem Schiffe 517, Anzeigepflicht I 534, Auflösung des Frachtvertrags 536, I Belohnungen 543, Betheiligung mit Schiffspart 552, Bodmereigeschäfte 528, | 538, Dienstdauer 551, Entlassung 545 l —549, Entschädigungen 543, Erkrankung i 553, große Haverei 539, Güterverladvng I 544, Haftungsgläubiger 512, Haftungs­ ! grad 511, Heuer 549, 550, 554, 555, 1 Kaplaken 543, Kreditgeschäfte 529, 537, Primage 543, Rechtsgeschäfte für Rheder | 526—534, rechtsgeschäftliche Beschränk­ ungen 531, Rückbeförderung 550, Schiffs­ ■ rath 518, Sorge für Ladung 535, Sorge für das Schiff 513, 514, Tagebuch 519 i —521, Tod 554, Uebertretung aus­ ländischer Gesetze 515, Unterhalts­ kosten 555, Verfügung über Ladung 538—542, Verkauf des Schiffes 530, ! Verklarung 522—525,555, Verwundung ! 553, Vorschüsse 532, Wechselverbrndlich| feiten 529. — Binnenschiffahrt XXXI 7- 20 Schiffseigner XXXI 1-6. SchiffSsrachtgeschiist XXVI 556, Abnahme von Stückgütern 604, 605, Annahme anderer Güter 562, Annahme der Guter an Zahlungsstatt durch Verfrachter 616, I Antritt der Reise ohne volle Ladung 578, Aufhebung des Frachtvertrags 628 —639, 641, Ausbesserung des Schiffes 638, 641, Auslieferung der Güter 615, , Befriedigung des Verfrachters 624—627, I Besichtigung der Güter 608—610, Charte­ partie 557, Distanzfracht 630, 631,641, i Einnahme der Ladung 560, Fautfracht 580—586, Frachtvertrag 556, Fracht­ i vertrag über Stückgüter 588—590, 604, 605, Frachtzahlung bei Güterverlust 618, Haftung des Verfrachters 559, 606, 607, Hin:erlegungsverfahren 602, 603, 604, I Höhe der Fracht 619, Kajüte 558, Kosten in einem Zwischen- oder Nothhafen 635, 641, Kriegskontrebande 563, Ladezeit 567—571, 573, 575, 576, 577, Ladung Schuldschein I 371, 952, VII 17.

1368

Schuldtitel — Standesbeamter.

Schuldtitel, vollstreckbarer VI 845. Schuldüberuahme I 414—419. Schuldverbältniffe I 241—853, II 170. Schuldverschreibung auf den Inhaber siehe Jnhaberpapiere, gemeinsame Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen mit im Voraus bestimmten Nennwerten XXXVI; Konkurs des Schuldners 11, 18, 19, Strafnormen 21, 22. — Bayern: Sch des Staates und an­ derer öffentlich-rechtlicher Korporationen XLIV 49-57, Uebergangsrecht XLV 8, Zuständigkeitsnormen XLIX 8—10. Schuldversprecheu I 780—782. Schutzgebiete, Rechtsverhältnisse XXI. Schwägerschast I 1590, n 33. Schweinfurter Güterrecht (Ueberleitung) XLV 65, 72, 76, 95. Schwurgerichte IV 79—99, LI 34—35 Seeschiff, Veräußerung eines nicht zur See­ fahrt bestimmten XXVII 6. Seeuutüchtigkeit des Schiffes XXVI 479. Seeversicherung XXVI778—905, Abandon 861 ff.. Allgemeines 778—805, Anzeigen beim Vertragsabschluß 806—811, Auf­ hebung 894—900, Ausrüstungskosten 796, bei schon eingetretenem oder aus­ geschlossenem Schaden 785, Bodmerei­ gelder 779, 807, Bezahlung des Schadens 882-893, Doppelversicherung 787-791, Eintritt des Versicherers in die Rechte des Versicherten 804, 805, für eigene Rechnung 781, für fremde Rechnung 781, 782, Fracht 797, 798, 800, Gegenstand 778—780, Heuer 780, 796, 800, imaginärer Gewinn 779, 801, 802, in fremdem Namen 783,Polize 784, Provision 779, 801, 802, Rückzahlung der Prämie 894—900, taxirte Polize 793, 794, 795, Verjährung 901—905, Verpflichtungen des Versicherten 812— 818, Versicherungskosten 796, Ver­ sicherungswerth 786, 794, 799, Ueberversicherung 786,787, Umfang der Gefahr 820—853, Umfang des Schadens 854— 881, unter Versicherungswerth 792. Seiteuverwandte I 1589. Sekuudawechsel XXVIU 66. Selbfthülse I 229—231, Selbsthülfever­ kauf XXVI 373, 379, 388 f. Selbftkoutrahireu I 181. Selbstschuldnerische Bürgschaft I 773 Selbftvertheidiguug I 228 f. Senate, Oberlandesgericht IV 119—124, Reichsgericht 132, 137—140, Ferren­ senate 203. Sicherheitsleistung, Art und Weise I 232—240, prozessuale VI 108—113, für das Gebot bei Zwangsversteigerungen XI 61, 67—69, 85, 108, 115, 184, bei

bedingten Ansprüchen daselbst 120, des Verwalters bei der Zwangsverwaltung daselbst 153. Sicherheitsleistung, B a y er n: ber Zwangs­ versteigerungen XLVI 30 f. Sicherheitsregreß XXVIII 25 ff. Sicherung des Beweises I 477 f., 485, VI 485—494. SicherungShypothek I 1184—1190, II 192, 193; kraft Gesetzes entstehend I 1287 Satz 2, VI 848 Abs 2; noth­ wendige I 1187, 1190, VI 866-868, 932, XI 118, 128, 129 und die Falle der „Hypothekentitel" (siehe diese). — Bayern: kraft Gesetzes entstehend (Uebergangsrecht) XLV 60, 123, S. des Brauers XLIV 14, öffentlich-rechtlicher Korporationen gegenVermogensverwalter 89, der Staatskasse gegen Steuerschuldner 123, des Bevormundeten XLV 56, des Gemeinschaftsgenossen 114. Sichtwechsel XXVHI 4 Nr. 4.

Sielrecht II 66. Sitz eines Vereins I 24, 55, einer Stif­ tung 80, allgemeiner Gerichtsstand des Sitzes VI 17—19. SitzungSpolizeilV 177-185, XIV 8,LI 78 Sitzungsprotokoll VI 159—164. Sofortige Beschwerde VI 577. Solawechsel siehe Wechsel, eigener. Solidarobligatiou siehe GesammtschuldVerhältniß. Solmser Güterrecht (Ueberleitung) XLV 20, 83, 89. Sorgfalt, Haftung I 276, 277. Sparkaffen II 99, Sparkassenbücher I 808. — siehe auch öffentliche Sparkassen. Spediteur XXVI, Begriff 407, 415, ge­ setzliches Pfandrecht 366, 368, 410, Haftungsgrad 408, Handelsgewerbe 1, Pflichten 407, 408, Provision 409, Rechte 407, 409, Gefahrübergang mit Uebergabe des Gutes an den Spediteur I 447. Speditionsgeschäft XXVI407-415, An­ spruchsverjährung 414, Beförderung des Gutes 412,413, Beförderungskosten 413. Frachtberechnung 409 Spezifikation I 950, 951 Spiel I 762-764 Staat, Haftung für Beamte II 77, XIII 12, siehe auch Fiskus. Staatsangehörigkeit II 41 Staatsanwaltschaft IV142—153, LI 50 -58 Staatszuschuß des Notars XLV11 48. Stämme, Erbfolge nach Stämmen 1 1924, 1927. Stammgüter n 59 Standesbeamter, Mitwirkung bei der Ehe­ schließung I 1317 ff, xvn 44 ff., Be-

1369

Standesmäßiger Unterhalt — Todeswegen.

urkundung der Geburten 17—27, der Sterbefälle 56—60, Anzeigen an das Vormundschaftsgericht XIV 48, Zu­ ständigkeit zur Beurkundung der Aner­ kennung der Vaterschaft XfV 167. Standesmäßiger Unterhalt I 1610. StandeSregifter XIV 69-71, XVII12 ff, Berechtigung 65, 66. — Bayern: Berichtigung in der Uebergangszeit XLV 35, 147. Statut siehe die einzelnen Gesellschaften. Stalulenkollision siehe internationales Privatrecht. Stellvertreter siehe Vertreter. Sterbefälle, Beurkundung XXII 56—60, 61—64 Stiftungen I 80—88. — Bayern: XLIV 5, 6, XLIX 5. Stille Gesellschaft XXVI 335—342, An­ fechtung der Einlagenrückgewähr 342, Antherl des stillen Gesellschafters 336, Auf­ lösung 339, Auseinandersetzung 340, Begriff 335, Einsicht des stillen Gesell­ schafters 338, Gewinn- und Verlust­ berechnung 337, Konkurs 341, 342, Kün­ digung 339, Tod des stillen Gesell­ schafters 339. Stillstand der Rechtspflege I 203, VI 245. Ltockwerkseigenthum n 182. — Bayern: Ueberleitung in Mtterqenthum XL 20 (Pfalz), XLV 42 (rechtsrhem Bayern). Strafbestimmungen, konkursrechtliche VIII 239—244 Streitgegenstand, Werth VI2-9,97,130,

253

T. Tabelle (Konkurstabelle), Eintragung VIII :

i Ta«te, Pflegschaft I 1910. ! — Bayern: Errichtung eines NotariatsI aktes XLVII 29. : Täuschung, arglistige I 123, 124, 1334, 2339. I Tausch I 515. ! Termin I 186—193, im Rechtsstreit VI ! 218—220, 227—229, Prüfungstermin



vni

,

XLVI 26.

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I — im Zwangsversteigerungsverfahren

! Testament,Begriff 11937, allgemeine Vor1

' ! !

|

schriften 2064—2086, Erbeinsetzung 2087—2099, Einsetzung eines Nach­ erben 2100—2146, Errichtung und Aufhebung 2229—2264, II 214, ge­ meinschaftliches Testament 12265—2273, Beurkundung XIV 168, Offenbarungs­ eid 83. — Bayern: ausschließliche Zuständigkeit des Notars zur Errichtung des ordentlichen öffentlichen Testaments LI 15 Abs 2 Satz 2 (Fassung nach XLIV 167), Eröffnung XLIV 108, amtliche VerWahrung XL VH 1, 119.

Testamentsvollstrecker I 2197-2228, VI ,

I i



Streitgenoffenschast VI 59—63, nothwen­ dige 62.

Strettverknndung I 209, 215, 478, 485, VI 72-77, 101, 501, 841.

Stückeverzeichniß der kommissionsweise ein­ gekauften Werthpapiere XXXIV 3, 7.

Stumme, Pflegschaft I 1910, Testament 2243

Stundung I 201 f., 409, 452, 454, VT ! 775

140, 145, 165, Vollstreckungstitel 164

I Tabularersitzung I 900.

i

! Substitution siehe Ersatzerbe, Nacherbe Sühneversrrch in Ehesachen I 1571, VI 609—611, bei Beleidigungen LI 80.

Miperflcies siehe Erbbaurecht, superficies solo cedit I 94, 946. Snrrogation, einzelne Fälle I 281, 1370, 1381 f, 1473. 1497, 1524, 1554, 1638, 1646, 2019, 2041, 2111, 2164, 2288, 2374 Suspensiveffekt der Berufung, der Revi­ sion und des Einspruchs VI 704 f., der Beschwerde 572. Suspension eines Notars XLVII 91—94 Stzndikatsklage I 839 Abs. 2 u 3 i

243, 327, 748 f, 779 f., 991, VIII 217, 224. XHI 36, 41, 53. — Notar als solcher XLVII13, 107,126. Testirfahigkeit I 2229 f, II 215. Theilbesitz I 865 Theilhhpothekenbries 1266, 283, XIII61. — Bayern: XLVI 21. Teilleistung (Theilzahlung) I 266, 320 Abs. 2, XXVIII 38, 39. Theilungsmaffe im Konkurse VIII 117— 137, bei der Zwangsversteigerung XI 107. Theilnngsplan VI 874-877, XI 106, 107, 113 ff., 156—159 TheilungSsachen XIV 72 ff. Theilurtheil VI 301, 353

Thiere, Aneignung I 960, Schaden 828 f Thurnau (Güterrecht, Ueberleitung) XLV 67.

Thurn u. Taxis, Uebergang der Gerichts­ barkeit XLV 106. Tod, Zeitpunkt I 18, 20. Todeserklärung I 13—19, VI960—976, Wiederverheirathung I 1348—1352. — Abwesenheilssachen (Pfalz) XLV 107 ff. Todesvermuthung I 18, 20. Todeswegen, „Erwerb von Todeswegen", Begriff I 1369

1370

Der Todte erbt den Lebendigen — Unzurechnungsfähigkeit.

Der Todte erbt de« Lebendigen (le mort saisit le vif) I 1922. Todte Hand, Erwerbsschranken U 86, 87. Tradition siehe Uebergabe. Transport, Gefahr I 447 (Kauf), 644 (Werkvertrag), Kosten 448 (Kauf). TranSportverfichernngSpolice XXVI 363 —365. Trafsirt- eigener Wechsel XXVIU 6. Tratte siehe Wechsel, gezogener. Trennung von Tisch und Bett n 202, 206. Tren und «landen I 157,162,242, 320, 815. Treuhänder bei Hypotheken für Order- und Jnhaberschulden I 1189, XHI 44; als Vertreter der Pfandbriefgläubiger XXXV 29—38. Trockener Wechsel siehe unter Wechsel. Trunksucht, Entmündigung I 6, 114 f., VI 680 ff.

u. Ueberbau I 912 ff., II 116, XI 52. Uebersahrtsgelder XXVI666 f., 670, 677. UeberfahrtSvertrag XXVI 666-677. Uebersall von Früchten I 911. Uebergabe von bewegl Sachen zu Eigen­ thum I 929 ff.

Uebergang der Gefahr I 446, 447, 450, 644.

Uebergangsgesetz, bayerisches XLV. UebergangSrecht n 153-218, VII18-23, IX 8-12, XHI 83, XIV 200.

Uebergebot bei der Zwangsversteigerung XI 72.

Ueberhang von Pflanzen I 910. Uebernahme eines Vermögens I 419, VI 729; siehe Schuldübernahme; Uebernahme eines Rechtsstreits VI 76, 256, 266. Ueberretz, Nacherbsolge I 2137. Überschüsse der Zwangsverwaltung, Aus­ zahlung XLVI 32. Uebertragnng von Forderungen I 398— 413, des Eigenthums an beweglichen Sachen 929—936, Uebertragbarkeit als Voraussetzung der Pfändung VI 851. Ueberweisnng 1408,1155, VI835—840, 853, UeberweisungSbefchluß 836, 837. Ueberzeugung, richterliche VI 286 f. Ulm (Güterrecht, Ueberleitung) XLV 67 Unbeschränkte Haftung des Erben 12013, im Uebrigen siehe Haftung. Unbewegliches Vermögen, Begriff bei der Fahrnißgemeinschaft I 1551, im Voll­ streckungsrecht VI 864, Zwangsvoll­ streckung und Arrestvollziehung in das unbewegt. Vermögen 810, 864—871, 932.

Undank, Schenkungswiderruf I 530, 533. Uneheliche Kinder, Rechtsstellung I 1705 —1718, II 20-22, 208, Legitimation.

siehe

auch

Unentgeltliche Verfügungen, Anfechtung Vui 32 37 X 3.

Unerlaubte Handlung 1823-853, II12, Gerichtsstand VI 32.

Ungerechtfertigte Bereicherung siehe Be­ reicherung.

Universalpdeikommiß siehe Nacherbe Uvmöglichkeit der Leistung I 275,280 ff, 306 ff.

Unpfäudbare Forderungen VI850,323 ff, unpfändbare bewegliche Sachen 811, Unpfändbarkeit steht entgegen der Auf­ rechnung I 394, der Uebertragung 400, dem gesetzl. Pfandrecht an eingebrachten Sachen 559, 581, 704 (Ausnahme 585 Sah 2), dem Konkursbefchlage VIII 1. Unschadlichkeitszeugnitz II 120. Bayer Gesetz XXXVIII Unterbrechung der Verjährung 1208—217, 477; der Ersitzung 940—942; des Verfahrens VI 239—245, 249 f. Unterhalt des Gemeinschuldners VIII 58, 60, 129, 132. Unterhaltspflicht der Ehegatten 1 1360 s, VI627, der geschiedenen Gatten 11578 ff, der Verwandten 1601—1615, des un­ ehelichen Vaters 1708—1714, 1716, II 21, 208, des Adoptanten I 1766, des Gemeinschuldners VIII 3. Unterlassungen, Zwangsvollstreckung zur Erwirkung solcher VI 890—892 Untermiete I 549, Unterpacht 581, 596 Unterschriften, öffentliche Beglaubigung XIV 167, 183. — Bayern: notarielle Beglaubigung XLVII 35. Untersuchung von Sachen, Feststellung ihres Werthes VI 488, XIV 164. Untheilbarkeit der Leistung I 431, 432 Unvererblichkeit von Rechtsverhältnissen I 38, 81, 514, 530, 673, 727, 759, 847, 1061, 1090, 1098, 1300, 1351, 1360, 1502, 1580, 1583, 1584, 1703, 1713. Unvermögen des Schuldners zur Leistung I 275, 279. Unverzüglich I 121. Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften 1108, 110, 111, 131. Unzulänglichkeit der Konkursmasse VIII 60, 107, 204. Unzulänglichkeits-Einrede 1 1990—1992 Unznläffigkeit der Bedingung und Zeit­ bestimmung I 388, 925, 1317, 1598, 1724, 1742, 1768, 1947, 2180, 2202. Unzurechnungsfähigkeit siehe Zurechnungs­ unfähigkeit.

Urkunden — Verlust.

Urkunden, gerichtliche und notarielle XIV 167—184, 191, 200, zur Eintragung ui das Grundbuch XIII 9, 11, 29, 44, 57 f 93 95. Urkundenbeweis VI 415—444. Urkundenedition durch öffentliche Behörden L 3. Urkundenprozeß VI 592—605. Urschriften, notarielle XLVII37-39,44, 46 f Urtheil VI 300—328, Versaumnißurtheil 330-347, Urtheilsformel 313. Urtheilshhpothek siehe gerichtliche Hypothek, usus fructus siehe Nießbrauch.

B. Baler, elterliche Gewalt I 1627—1683,

1371

Verfahren 1 im Civilprozeffe, allgemeine Vor­ schriften VI 128—165, Zustellungen 166—213, Ladungen, Termine, Fristen 214—229, Folgen der Versäumung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 230—238, Unterbrechung und Aus­ setzung 239—252, Verfahren vor den Landgerichten 253—494, vor den Amtsgerichten 495—510, vorbereiten­ des in Rechnungssachen 348—354, Rechtsmittel 511—577, Wiederauf­ nahme 578—591, Urkunden - und Wechselprozeß 592—605, Ehe- u. Ent­ mündigungssachen 606—687, Mahn­ verfahren 688—703, Zwangsvoll­ streckung 704—945, Aufgebotsverfahren 946—1024, schiedsrichterliches. Verfahren 1025—1048 2. in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit XIV 8—34. Berfolgungsrecht vni 44. Bersügungsbefchränkungen I 135 f., 892 —894, 895 insbesondere der Ehefrau 1395 ff., des Erben 1984, 2211 f., 2217, des Gemeinschuldners VIII 6, 192, 206; Eintragung oder Löschung im Grundbuche XÜI 22, 47.

Nutznießung 1656, Verpflichtungen des unehelichen Vaters 1708 ff. Vaterschaft, Anerkennung I 1718, 1720, Feststellung 1707, 1710, II 208, VI 644. Veräußerung des Aussonderungsgegen­ standes VH! 46, der Streitsache VI 265, 266 Verärrtzeruugsverbot I 135—137, 888 1136, vni 13, als Wirkung der Be­ Bergeltungsrecht siehe Ausländer. schlagnahme von Grundstücken XI 23, Vergleich I 779, Protokollierung VI 160, allgemeines Veräußerungsverbot vor Vollmacht 81, 83, Vollstreckungstitel Konkurseröffnung VIII 106, 113, 115. 794, 797, Kosten 98, siehe auch Zwangs­ vergleich Verarbeitung I 950 f. Verbindung beweglicher Sachen mit einem Verhandlung, mündliche VI 128, Ver­ Grundstück oder nut einander 1946—951, handlungstermin 332. der Prozesse VI 147. Verjährung 1194—225,11169, Hemmung I 202-205, Unterbrechung 208—217, Verbindung-verbot, Aufhebung für in­ ländische Vereine XXII. VI 207, 267, Wirkung I 222, Wechsel! Verjährung XXVIII 77—80, 100. Verbodmung siehe Bodmerei. Verbotene Eigenmacht 1858—864, 992, »erkaufskommisfion XXVI 400, 406 2025. Berkehrshhpothek („gewöhnliche Hypo­ thek") I 1113—1183, Umwandlung in Verbrauchbare Sachen I 92, Nießbrauch 1 1067. Sicherungshypothek 1186 Vereine, allgemeine Vorschriften I 21—54, »erkehrsfitte I 81, 97, 119, 151, 242. eingetragene 55—79, rechtsunfähige Verkehrsordnung für die Eisenbahnen, 54, ausländische II 10, anerkannte Zuständigkeit zur Erlassung in Bayern 165, Sitz I 24, Gerichtsstand VI 17, XLIX 28 22, Parteifähigkeit 50, Zwangsvoll­ Berkehrsunternehmunge« n 125. streckung gegen rechtsunfähige verklag­ — Bayern XLIV 80 bare Vereine 735, Konkurs der letzteren Verklarung XXVI 522-525, 555. VIII 213, Verbindung inländischer Verkündung im Civilprozeffe VI 136, 310-312, 315, 329, des Beschlusses Vereine XXII. über den Zuschlag bei der Zwangs­ — stehe auch Rechtsfähigkeit; — Uebergangsrecht. XLV 1, 2. versteigerung XI 87 Bereinsregifter I 21, 55 f., 71, 74 ff, 79, Berlagsgeschäfte XXVI 1. XIV 159, 160, 162 Verlagsrecht II 76. Vereinigung von Grundstücken 1 890, Derlöbniß I 1297-1302 XIII5; von Wohnplätzen in den Schutz­ Verlust des Eigenthums an Grundstücken gebieten S 765 Note 1. I 925—928, an beweglichen Sachen 929 -984, des Besitzes 856. Vereitelung der Bedingung I 162

1372

Vermächtniß — Verzug.

Vermächtniß 11939. 1967, 2147-2191;

seitiger 320—325, zu Gunsten Dritter Gattungsvermächtniß 2155; Nachver328—335, Rücktritt 346—361, Wider­ mächtniß 2191; Verschaffungsvermächtruf 178, Vertragsschluß durch Brief 127, niß 2129; Vorausvermächtniß 2110, ohne Vertretungsmacht 177 ff. 2150, 2373; Wahlvermächtniß 2154; Vertragsmäßiges Gnterrecht I 1432— Vermächtnißanspruch 2174; BehandlÜng 1557. der Vermächtnisse im Nachlaßkonkurse — Uebergangsrecht XLV 94—96. Vni 222, 226, 227, 230. ! Vertragsstrafe I 339—345, VIII 62, XXVI 348, 351. Vermischung, untrennbare, beweglicher ! Sachen mit einander I 948—951. I Vertretbare Sachen I 91. BermittelungSamt L 12. Vertretung bei Rechtsgeschäften I 164— 181, nicht geschäftsfähiger Personen im Vermögen, Nießbrauch I 1085—1089; Uebernahme 419, VI 729; Vertrag Prozesse VI 51 ff.. Einrede der mangeln­ über das gegenwärtige I 311, über das den Vertretung 274, 528. künftige Vermögen 310. VertretnngSmacht I 164 ff., 171 ff, 180, des Vormunds insbesondere 1793, Vermuthung, Beweis VL292; siehe praesumtio 1795 f Verpfändung siehe Pfandrecht. Verwahrung (Verwahrungsvertrag) I 688 Bertragsschüch mit sich selbst I 181. —700; für mehrere Gläubiger 432, Berpstich1nngSscheine,kaufmünnischeXXVI XIV 165. 363, 365. — amtliche durch Notare XLVII 1 Bersänmnitzurtheil VI 330—347 Verwaltungsbehörden, Vollstreckungsrecht L 4-8 Verschollenheit I 13 ff., II 9, 161; siehe auch Todeserklärung. Verwandtschaft I 1589-1772, II 33; Ehehinderniß 11310,1327; VerwandtenVerschulden siehe Sorgfalt. Verschwender, Entmündigung I 6, II156, Erbfolge 1924 ff. VI 680- 687, beschränkte Geschäftsfähig­ Verweisung eines Rechtsstreits an das Amtsgericht VI 276, an das Landgericht keit I 114 s., Testirunfähigkeit 2229. 505, 506 Bersendnngskans I 447 f., VIH 44. Verwendungen (Aufwendungen) des BeBer icherungSrecht II 75. schwerten I 2185, des Besitzers 994— Verspätete Annahme eines Antrags 1150. I 999, 1001—1003, deS Ehegatten 1390, Versprechen der Leistung an einen Dritten ! 1429, 1466, des Entleihers 601, des I 328—335. Erben 1978, des Erbschaftsbesitzers 2022, Verstaatlichung einer Aktiengesellschaft XXVI 304. !■ des Erbschaftsverkäufers 2381, des Finders 970, des Geschäftsbesorgers 669, Versteigerung 1156, öffentliche 383—386 | 675, 683, des Kindes 1618, des Maklers (hinterlegter Sachen), gerichtliche oder notarielle Beurkundung XIV 181, Ver­ 652, des Miethers und Pächters 547, steigerung gepfändeter Sachen VI 814, 581, des Nießbrauchers und Wohnungs­ 816—820, 824, 827, siehe auch Zwangs­ berechtigten 1049, 1093, des Pfand­ versteigerung gläubigers 1210, 1216, des Testaments­ — Bayern: Zuständigkeit der Notare vollstreckers 2218, des Vaters 1648, des XLVI 25, XLVII 2 Verkäufers 450, des Verwahrers 693, BerfteigernngSbediugungen XI 44-62, des Vorerben 2124, des Vormunds 1835, 66, 82, 83 Nr. 1, 100. des Vorstands 27, 86, des Wiederver­ käufers 500, bei Rücktritt und Wandelung BerfteigernugserlöS siehe Erlös. VersteigerungStermin bei der Zwangs­ 347, 467, bei Verzug 304; Zurück­ versteigerung XI 36 — 38 (Termins­ behaltungsrecht wegen V 273, bestimmung), 39—41 (Bekanntmachung), 1000, VIII 49 Nr. 3; Verzinsung 43, 85 (neue Ansetzung), 66, 73 f., 174 1 256, XXVI 354; Befreiungsan­ (Gang der Verhandlung). 78 (Protokoll) spruch I 257 Bertheilnngsversahren VI872—882, bei Verwirkung der elterlichen Gewalt 11495, der Zwangsverstelgerung XI109—112, 1680, 1684, 1686, 1771, 1773; des 117—126 (Vertheilung des Erlöses), Rechtes zur Beschränkung der Erben­ 116 (Aussetzung der Vertheilung), 137, haftung 1994, 2005, 2006, 2013, 2063, 139, 141 (nachträgliche Vertheilung), XXVI 25; siehe auch lex commissoria 143,144 (außergerichtliche), Vertheilung Verzicht auf den Klageanspruch VI 306, der Einkünfte bei der Zwangsverwaltung auf Rechtsmittel 514, 521, 566, auf 157—160. den Einspruch 346 Vertrag I 145—157, 305—361, gegen­ Verzug des Schuldners I 281—292, des

1373

Verzugszinsen — Wechsel, gezogener.

Gläubigers 293—304, bei einer Mehr­ heu von Schuldnern und Gläubigern 424, 425, 429; insbesondere Verzug bei gegenseitigen Verträgen 322, 324, 326 f. Verzugszinsen I 288 f Biehgewährschaft 1481 ff., IV 23, XXIV, XXVI 382. Viehvcrficherungsbeiträge bei der Zwangs­ versteigerung XLVI 23. Vierteljahr J 188 f. Vis niaior siehe höhere Gewalt. Volljährige, Bevormundung 11896—1908, Pflegschaft 1910, Eheschließung 1303, 1308 Volljährigkeit I 2, 187,1303, II 7, 153 f. BolljährigkeitSerklärung I 3—5, 1847, II 7, 153, XIV 56, 196. — Bayern: XLIV 2 (Zuständigkeit des Justizministeriums). Vollmacht I 166-181, siehe auch Bevoll­ mächtigte ; Vollmacht zum Bieten bei der Zwangsversteigerung XI 71, 81; zum Antrag auf Eintragung in das Grundbuch XIII 30-32. Vollstreckbare Ausfertigung VI 724 ff Vollstreckbare Urkunden VI 794, 797,807, VII 22. Vollstreckbarkeit der Endurtheile VI 704, vorläufige 704, 708—721. — notarieller Urkunden XLVII 45 Vollstreckung siehe Zwangsvollstreckung Vollstreckung-beamte IV 155 f, VI 753. BoüstreckungSbesehl VI 699-702, 866. Vollstreckung-gericht Vl 764. Xl 1 f, 140, 163, xn 13. Vollstreckung-hypothek VI 866 f, 932. — Bayern (Uebergangsrecht)). XLVI 56, 57. BollftreckungSklausel VI 724 f, 750, 796, 929 »oüftreckungstitel VI 704, 794. Bollftrecknngsurtheil VI 722 f, 1042 f, 1046. Vollziehung einer Auflage im öffentlichen Interesse I 525, 2194, XLIV 107, XLIX 24. Vollziehung des Arrests VI 928-933. Voraus des Ehegatten I 1932 f., 2311. VoranSklage I 202,239, 771 ff., VIII194, XXVI 349, 351. Borausvermächtnitz I 2110, 2150, 2373. Vorauszahlung des Miethzinses I 543, 574, VIH 21, XI 57. Vorbehalt, geheimer I 116; Vorbehalt des Eigenthums 455; Rangvorbehalt 881 Vorbereitende Schriftsätze VI 130, 253, 519, 554, 588.

Vorbereitendes Verfahren VI 277, 348 -354.

Borbereitungspraxis IV 2, 3 Borderösterreichisches Recht (Güterrecht, Ueberleitung) XLV 90, 92.

»oreid VI 391, 402. Borempfang, Ausgleichung I 2050 ff. Borerbe I 2105, 2110 ff., 2363, VI 773, Vin 128, 231, XHI 52

Vorkaufsrecht I 504 ff (allgemeine Vor­ schriften), 1094 ff. (an Grundstücken), 2034 ff (der Miterben).

Vorläufige Vollstreckbarkeitserklärung VI 708 ff.

Vorläufige Vormundschaft 1114 f., 1781, 1906 ff., VI 426, 473.

Vorlegung von Sachen zur Besichtigung I 809—811.

Vormerkung I 883-888, 1971, 2016, VIII 14, 24, 193, 221, XI 48, XIII 18, 25, 76 Vormundschaft über Minderjährige 11773 —1895, II 23, 136, 210, über Voll­ jährige I 1896—1908, siehe auch be­ freite V. und vorläufige V. Vormundschaft-behörde II 147, VI 657, XI 6, 181. Bormundschastsgericht, Fürsorge und Auf­ sicht I 1837—1848, siehe auch Vor­ mundschaftsbehörde Vormundschaft-sachen, Verfahren XIV 35—64, 190, 195. Borpfändung VI 845. Vorrang-einräumung I 880, 1165. Vorrecht im Konkurse VHI 61. IX 12, 13, 17, XXXV 35, 43 Vorsatz I 276 (Haftung im Allgemeinen), 300 (bei Verzug des Gläubigers), 521, 529 (Schenkung), 599 (Leihe), 680 (Ge­ schäftsführung ohne Auftrag), 912 (Ueberbau), 968 (Fund), vorsätzliche Amts­ pflichtverletzung I 839 Vorschutz beim Auftrag I 669 Vorvertrag I 154. Vorzugsrechte I 401, 418, 766, siehe auch Vorrecht. Bulgarsubstitution siehe Ersatzerbe.

W. Währung I 244, VIII 69, XIII 28. Wahlvermächtnitz I 2154 Warsenrath siehe Gemeinde - Waisenrath. Wandelung beim Kauf I 462 ff, 487 ff., beim Werkverträge I 634 ff.

Wartezeit der Wittwe I 1313. Wasserrecht II 65 Wechsel, eigener (trockener) XXVIII 96— 100;

— gezogener: 1. Erfordernisse 4—7, 2.

1374

Wechselordnung — Zahlnngsverbot.

Verpflichtung des Ausstellers 8, 3 In­ dossament 9—17, 4. Präsentation zur An­ nahme 18—20, 5. Annahme 21—24, 6. Regreß auf Sicherstellung: a) wegen nicht erhaltener Annahme 25—28, b) wegen Unsicherheit des Acceptanten 29, 7. Er­ füllung der Wechselverbindlichkeit: a) Zahlungstag 30—35, b) Zahlung 36— 40, 8 Regreß mangels Zahlung 41—55, 9. Intervention: a) Ehrenannahme 56— 61, b) Ehrenzahlung 62—65, 10. Ver­ vielfältigung eines Wechsels • a) Wechsel­ duplikate 66—69, b) Wechselkopien 70 —72, 11. Abhanden gekommene Wechsel 73, 74, 12. Falsche Wechsel 75, 76, 13. Wechselverjährung 77—80,14 Klage­ recht des Wechselglaubigers 81—83, 15 Ausländische Gesetzgebung 84—86, 16. Protest 87—90, 17. Ort und Zeit für Präsentation u. s. w. 91—93, 18. Mangelhafte Unterschriften 94, 95. Wechselordnung XXVIII. Wechselprozeß VI602-605, Wechselsachen sind Feriensachen IV 202 Wegnahmerecht I 258; besondere Fälle 500 (des Wiederverkäufers), 547, 558, 581 (des Miethers u. Pächters), 601, 606 (des Entleihers), 997 (des Besitzers), 1049, 1057, 1093 (des Nießbrauchers und Wohnungsberechtigten), 1216, 1226 (des Pfandgläubigers), 2125 (des Vor­ erben). Weiderechte (Ausschluß einer Neubegrün­ dung) XLIV 86 Gnterrecht (Ueberleitung)

Weitere Beschwerde VI 568, XIII 78 ff., XIV 27 ff.

Werkvertrag 1631-651,675, vni 23,27. WerklieserungSverttag I 651. Werthpapiere, Aufbewahrung fremder XXXIV, Uebereignung kommissionsweise eingekaufter W durch Absendung des Stückeverzerchnisses 7. Wesentliche Bestandtheile einer Sache I 93, 94. Wesentlicher Irrthum I 119. Wette I 762. Widerklage VI 33 (Gerichtsstand), 145 (Trennung der Prozesse), 278f. (Zeit der Erhebung), 281 (Rechtshängigkeit), 301 (Theilurtheil), 322 (Rechtskraft), 347 (Versäumnrßverfahren), im Ur­ kundenprozesse 595, in Ehesachen 614 ff., 627,633,638,640 f., in Entmündigungs­ sachen 667, 684, 686. Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs I 899, 927,1140, XH118, 23, 25, 42, 54, 71, 76, des Schiffs­ registers 11263, XIV 113,115, Dritter

gegen die Zwangsvollstreckung VI 771— 774, im Zwangsversteigerungsverfahren XI 70, 72,85,115 f, 124,137,139,159 Wiederanshebung der Entmündigung 16, VI 675—679, 685—687. Wiederausnahme des Verfahrens VI 578 —591, des Konkursverfahrens VIII 198—201.

Wirdereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung einer Nothfrist VI 233—238, 501, XIV 26 ff., ber Ver­ säumung des Prüfungstermins VII1165. Wiederkauf I 497-503. Wiederkehrende Leistungen I 197, 218, 223, 902 (Verjährung), VI 9 (Werth­ berechnung), 258 (Klage auf künftige Entrichtung), 323 (Rechtskraft), VIII 70 (Kapitalisirunq im Konkurse), Befriedi­ gung bei Subhastation XI 10, 12, 13, 45-47, 49, 114, 155, XII 2, 3 Wiederverheirathnng im Falle der Todes­ erklärung 1 1348—1352, 1637, II 159. Wilde Theere, Aneignung I 960. Wildschaden I 835, II 69-72, IV 23. Willenserklärung bei Rechtsgeschäften I 116—144, Willensmängel 116-124, 166. Windsheimer Gnterrecht (Ueberleitung) XLV 67, 71. WohtthätigkeitSanstalteu, Rechte am Nach­ lasse verpflegter Personen I1139, XLIV 101, 102. Wohnplätze in den Schutzgebieten, Ver­ einigung zu kommunalen Verbanden durch den Reichskanzler, Seite 765 in Note 1. Wohnsitz I 7—11, erwählter II157, Ge­ richtsstand des Wohnsitzes V113 ff., 899 WohnungSränmnug siehe Räumung. WohnnngSrecht (Dienstbarkeit) I 1093. Wuchergesetz II 47, XIX.

Z.

Zahlung einer Geldschuld I 244 f, siehe auch Leistung.

Zahlungsbefehl VI683-693, 701-703, Widerspruch 694—698.

Zahlungsfristen für das Meistgebot von Zwangsversteigerungen XI 60f.,67,118.

ZahlnngSsperre I 799, 801 f., n 102, 174, 176, VI 1019 ff.

ZahlungSstatt (Erfüllungsstatt), Leistung an Z. I 364, 365, 422, 429; Ueberweisung an Z VI 835, Anspruch des Pfandgläubigers auf Abtretung an Z I 1282 ZahlnngSverbot an Drittschuldner VI829 (Pfändung einer Geldforderung), XI 22,

Zeitbestimmung — Zwangsvergleich.

151 (Zwangsversteigerung u. ZwangsVerwaltung), VIII 118 (offener Arrest). Zeitbestimmung beim Rechtsgeschäft 1163, siehe auch Einheitszeit, Unzulässigkelt. Zeugenbeweis VI 373—401. Zengnißverweigerung VI 383—385. Zinsen, Höhe der gesetzlichen 1246, handelsgesetzl. XXVI 352, 353, der vertrags­ mäßigen I 247, II 39, Verjährung der Zinsrückstände 1197, Zinszahlung unter­ bricht Verjährung 208, Rangstellung der Zinsen im Konkurse VIII 61, 63, im Nachlaßkonkurse 226 f., ber Zwangs­ versteigerungen XI 10 Nr 4 u 8, Ver­ zinsung des Baargebots bei Zwangsver­ steigerungen 49—51, siehe auch Znnschenzms. — Uebergangsrecht (Zinssatz): XLV 3, XLVI 54. Zinseszinsen I 248, 289, XXVI 355. ZinSscheine I 799, 801 803 f Zubehör I 97 f Zug um Zug I 274, 322, 348, VI 726, 756, 765. Zurechnungsunsähigkeit I 104, 105 (Rechtsgeschäft), 827-829 (Delikt). Zurückbehaltungsrecht I 273 f., insbesondere des Besitzers 1000, iul Konkurse VIII15,49,223, 231 ff, kaufmännisches XXVI 369-372, im Konkurse VIII49 Nr 4 Zurücknahme der Klage VI113,271,501, 635, 638, des Einspruchs 346, 501, eines Rechtsmittels 515, 522, 566 tusammenlegung von Grundstücken II113. nfammenstotz von Schiffen XX VT 734 739, XXXI 92—101 Zuschlag bei der Versteigerung I 156, bei der Zwangsversteigerung XI 79—94, 162, Beschwerde 96—104, vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses über den Zuschlag 132 — Ertheilung durch den Notar im Zwangs­ versteigerungsverfahren XLVI 25. Zuschreibung rm Grundbuch I 890,1131, xin 5. — Bayern: XLVI 6.

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1375

2. nach der Civilprozeßordnung (VI): sachliche Zuständigkeit VI1—11, örtliche 12—37, Vereinbarung 38—40 3. nach derKonkursordnung(VIII)Amtsgericht als Konkursgericht VIII 71, 146, insbesondere beim Nachlaß­ konkurs 214, beim Jnlandskonkurs des Ausländers 238 4. nach dem Gesetz über die frei­ willige Gerichtsbarkeit (XIV): örtliche Zuständigkeit XIV 3—7, 194, Zuständigkeit in Vormundschaftssachen 36—50, 90, 195, in Personenstands­ sachen 69, bei Annahme an Kindes­ statt 65, 66, in Nachlaß- und Theil­ ungssachen 72—75, 192, 295, in Handelssachen 125, 145, 149, 158, hinsichtlich der Untersuchung und Ver­ wahrung von Sachen 164 f., des Pfandverkaufs 166, zur gerichtl. Be­ urkundung von Rechtsgeschäften 167, 184, 191 5 nach dem Zwangsversteiger­ ungsgesetze (XI): Zuständigkeit des Amtsgerichts zur Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung von Grund­ stücken XI 1, 2, 140, zur Zwangs­ versteigerung von Schiffen 163 6 nach der Gr undbuchordnung (XIII) Zuständigkeit der Grundbuch­ ämter Xm 1, Zuständigkeit für die Beschwerde 72, 79, 81.

Zuständigkeit der Notare(Bayern): XLVII

1—5, neben den Amtsgerichten und unter Ausschluß von diesen XLTV 167, LI 15, zur Auseinandersetzung eines Nach­ lasses oder Gefammtgutes XLIV 104, ! 132, zur Auflassung 81, 82, zur Auf­ nahme des Veräußerungsvertrages XLVI 12, zur Zwangsversteigerung 25. Zuftändigkeitsverordnung, bayer. XLIX Zustandekommen des Vertrags I 151 f. Zustellung im Rechtsstreit auf Partei­ betrieb VI 166—207, von Amtswegen 208-213, im Konkurse VIII 73, 77, 111, im Zwangsversteigerungsverfahren XI 3—8, Zustellungsbeamte (Bestellung Zuständigkeit der Gerichte: und Zuständigkeit) IV 155 f., inter­ 1 nach dem Gerichtsverfassungs­ nationaler Verkehr XXV 1—4. gesetze (IV): der Amtsgerichte IV 23, — an Militarpersonen L 13. 24, der Schöffengerichte 27—29, 75, Zustimmung (Einwilligung, Genehmigung) der Civilkammern der Landgerichte I 182—184. und der Kammern für Handelssacheii Zwangsenteignung siehe Enteignung 70 f., 101 f., der Strafkammern 72 Zwangshhporhek s. Arrest-, Vollstreckungs­ —75, der Schwurgerichte 80, der hypothek Oberlandesgerichte 123, des Reichs­ gerichts 135 f., der Beamten der Zwangsrechte II 74. Zwangsvergleich VIII173—201, im Nach­ Staatsanwaltschaft 143 —146, bei laßkonkurse 230, im Gesellschaftskonkurse Leistung der Rechtshülfe 157—161, 211, Fortsetzung der Gesellschaft XXVI 167.

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Zwangsversteigerung — Zwischenzins.

144,161 Abs. 2, 307 Abs. 2, 320 Abs. 3, XXVI111, XXX 60; Unzulässigkeit im Genossenschaftskonkurse XXIX 116; Erbenhaftung nach Zwangsvergleich im Nachlatzkonkurse I 1989, 2013, 2060 Nr. 3. Zwangsversteigerung von Grundstücken XI 1—145, von Schiffen 162—171, XXVI 482, XXVII 20, in besonderen Fällen XI 172—184 — Bayerisches Ausführungsgefetz XLVL Zwangsverwattnug von Grundstücken XI 1—14, 146-161, 172—174. Zwangsvollstreckung, allgemeine Vorschrif­ ten VI704—802, wegen Geldforderungen 803—882, zur Erwirkung der Heraus­ gabe von Sachen und zur Erwirkung

von Handlungen und Unterlassungen 883—898, Gerichtsferien ohne Einfluß IV 204. — Bayern: in Lehen, Famrlien-Fidelkommisse und Erbgüter XLVI 34—36, L 28, 32; Vollstreckungsrecht der Ver­ waltungsbehörden L 4—8; Z gegen Fiskus, Gemeinden uf.ro 9, 10. Zweigniederlastnng XXVI 13, 15, 30, 201, 286, XXVII 10, 11. Zwischenftreit VI 303, 347, 350, 366, 461. ZwifchenurtheU VI 71, 135, 303 f, 387, bedingtes 461 Zwifcheuzins, Ausschluß 6ei vorzeltiger Leistung 1272,813, Abzug des Zwischen­ zinses 1133, 1192, 1200, 1217, VIII 65, XI 111

I. Schweitzer Verlag (Arthur Leuier) München. Soeben ist erschienen:

Meikel, (6g., t in.

Staatsanwalt,

Bit bayerischen Ansftthrungsgesetze

pim Snrgerl. Gcfetzbnche = mit Wiedergabe der verwiesenen Paragraphen und

Anmerkungen. = Die Ausgabe erfolgt in Lieferungen, der Preis ist äußerst mäßig gehalten

und wird bei einem Umfange von etwa 40 Druckbogen MK. 6.— betragen,

ßoilfdjnb, betr. die

Direktor der Bayerischen Landwirthschaftsbank, 8llS Erwerbs- und wirthschaftsgenolsenschaften, vom i

Mat 1889.

In der Fassung des gemäß Art. 13 des E G. zum H G B vom 10 Mai 1897 revidirten Textes. 1899 In Ganzleinen gebd Mir. 3.—.

Sonschab, Fr., Direktor der Bayer vom 13 Juli 1899.

register

Landwirthschaftsbank,

ijljpotl)£kcilb(!1tkgc|ct$

Handausgabe Mit Erläuterungen und ausführlichem Sach­

1899. In Ganzleinen gebunden Mir. 1.8V.

Sonschab, Fr., Direktor der Bayer. Landwirthschastsbant, Gesetz, betr. die gemeinsamen liechte der Stützer von Zchnldverschreibungen. Handansgabe mit Erläuterungen und ausführlichem Sachregister. Gebunden M'k. 1.—.

Frankenburger, Dr. H., Rechtsanwalt, Das nene Handelsgesetzbuch für das Deutsche lieich (ohne Seerecht) nebst Einsührungsgesetz. Handausgabe mit Erläuterungen und Sachieglster.



(30 Bogen.)

In Ganzleinen gebd.

MK. 4.-.

Meisner, Christian, Rechtsanwalt. Die Vorschriften des Üiirgerlichen Gesetzbuchs Uber die Viehgewährschaft. Kommentirte Handausgabe. (11V» Bogen.)

In Ganzleinen gebd MK. 3.40.

Meyer, Karl, t. Landgerlchtsrath, Die Konkursordnnng für das Deutsche Keich nebst de» Mgchöngen Emführiingszefetzen und da» keichsgesctz, betr. die 2tnfechtnng vou Uechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens

vom 20. Mai 1898.

Handausgabe mit Erläuterungen, ausführlichem Sach­

register und einem Anhang, enthaltend die konkursrechtlichen Bestimmungen des

Genossenschaftsgesetzes und des Gesetzes, betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, eine vergleichende Zusammenstellung der Paragraphenfolge der alten

und neuen Konkursordnung und Formulare. 8°. (30 Bogen.)

In Ganzleinen

gebd. MK. 6.—.

wochinger, Karl,

Die proictzgebührengesetze

t Amtsgerichtssekretar. für da, Deutsche Ueich in der Neutextirung vom 20. Mai 1898, umfassend: Vas Gerichts-

koftengefetz, die Gebührenordnung für beugen und Sachverständige, die Gebühren­

ordnung für Gerichtsvollzieher, die Gebührenordnung für Nechtsanwälte. Handaus­ gabe mit Erläuterungen, Tabellen und ausführlichem Sachregister

8°. (19 Bogen)

In Ganzleinen gebunden MK. 4.20.

3. Schweitzer Verlag (Arthur Miro) München Schmitt, Gottfr.,

k. I. Staats anwalt im k. bayer. Staatsministermm der Justiz,

Sammlung von Landesgesetzen fiir die Uechtspflege nach dem Stande der Zeit des Inkrafttretens des Bürger!. Gesetzbuchs. Lfg. 1.

(8 Bogen.) Mr. 1.60.

Hermann, 3oh., Livilrechtliche Fristen und Verjährungen »er veutschm Neichogesetze.

8°.

ca. Mlr. 3.—.

Zu dem Werke erscheint em bie bayer. Gesetze betreffendes Ergänzungsbändchen

zum Preise von ca. Mk. 1.—.

Zchweihro's altes und neues Handelsgesetzbuch (mit Seroecht) nebst Linführungsgeseh. Vergleichende alphabetischem Sachregister.

Textausgabe mit In 'Ganzleinen gebunden Mr. 3.50.

Lchweitzer'g alte und neue Livitprozeßordnnng und Gerichtsverfastungsgesetz. Vergleichende Textausgabe mit alphabetischem In Ganzlernen gebd. Mlr. 3.—.

Sachregister.

Lchweiher's alte nnd neue KonKursordnuug, nebst den zugehörigen Einsührungsgefetzen und Gesetz, betr die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkurs-Verf.

Textausgabe mit alphabetischem Sachregister.

H., gr. 8°.

vom 9. Juni 1899

Kommentar zum bW)tt.

1. Lieferung.

5 Bogen

Vergleichende

In Ganzleinen gebd. Mr. 1.50.

Mir. 1.50.

Der Gesammtumfang dieses Kommentars wird etwa 35 Druckbogen, der Preis circa Mk. 10.— betragen.

Da das Manuskript nahezu vollendet ist,

steht einem schnellen Erscheinen nichts im Wege.

ÄöhM,

Rath am k. Obersten Landesgericht, und

Klein, Mar, «. Oberrum S.G.S. gr. 8°.

landesgerichtsrath, Das Sayer. Äusfnhrungsgesetz 1 Lieferung. (5 Bogen) Mlr. 1.50.

(Soeben erschienen!)

Der Umfang des Werkes ist auf etwa 25 Druckbogen zu veranschlagen, und da auch hier das Manuskript nahezu vollendet ist, werden die Lieferungen schnell

auseinander folgen.

Uenmiller, 3.,

Rath am t Landgerichte München I,

fiir das Deutsche Leich.

Die Livilproreiiordnung

In der Fassung des Reichsgefetzes vom 17 Mai 1898

nach der Bekanntmachung vom 20. Mai 1898.

Handausgabe mit Erläuterungen

unter besonderer Berücksichtigung der bayerischen Gesetzgebung und Rechtspflege, nebst einem Anhänge, enthaltend das Gerichtsverfastungsgesetz, die Lostengesetze und sonstige wichtige Nebengesetze.

8°.

1. Liefg.

(5 Bogen.)

Mk. 1.—.

(Erscheint demnächst.)

Gesammtumfang ca. 30 Druckbogen, Gesammtpreis ca. Mk. 6.—.

3. Zchwkitzer Verlag «Lrthm smier» München. Lecher, Dr. H., t. Landgerichtsrath in nun Sürgerlichen (5csc^btld)c.

München.

Die Ansführnngsgesehe

Sammlung der von den Sunderstaaten zur Ausführung -es Siirgerlicheu Gesetzbuchs und ferner Nebengesetze erlassenen Gesetze und mit Gesetzeskraft versehenen Verordnungen. Lref. 1—6. (78 Bogen.) Mk. 11.90. Die Anlage des Merkes ist derart, daß jeder Bundesstaat eine vollständige Abtheilung mit eigenen fortlaufenden Nummern und Seitenzahlen erhält.

Die

Reihenfolge der 26 Bundesstaaten ist der Ueberfichtlichkeit und des leichten Auf­

schlagens wegen alphabetisch.

Innerhalb jeder Abtheilung (Bundesstaat) werden

die Gesetze und Verordnungen in chronologischer Reihenfolge gebracht.

Das Recht der Grundstücke

Männer, Karl,

t. Oberlandesgerichtsrath, «ach -em Siirgerlrchen Gesetzbuche und -er Grun-buchor-nung für das Deutsche Neich. 8°

(VIII 408 Seiten), broschirt Mir. 9.-, in Halbfranz gebd. MK. 1L-.

DispeKer, Dr. Z., Rechtsanwalt, Alphabetisch geordneter Führer durch das Sttrgerliche Gesetzbuch und dessen Nebengesehe mit besonderer Berücksichtigung der für Bayern geltenden Bestimmungen, Eleg. in Halbfranz gebunden

gr. 8°.

(24l/a Bogen.)

Mk. 9.—.

Leidet, J., k. Amtsrichter, Gesetz über die Angelegenheiten der frei­ willigen Gerichtsbarkeit v. 17. Mai 1898. Handausgabe mit Erläuterungen und Sachregister. 8°. (10 Bogen) In Ganzleinen gebd. Mk. 3.20.

(Das die daher. Ausführungsbestimmungen enthaltende Ergänzungsbändchen erscheint demnächst.)

Frankenburger, Dr. Heinrich, Rechtsanwalt, Das neue Handelsgesetz­ buch für das deutsche Reich (ohne Seerecht) nebst Einführungsgesetz Handausgabe mit Erläuterungen und Sachregister. 8°. (30 Bogen.) In Ganz­ leinen gebd.

Mk. 4.—♦

Lahn, Dr. Julius, Rechtsanw. u. Sekr. der Handels- u. Gewerbekammer für Oberbayern, Das Gesetz ?iit SeKärnpfnng des unlauteren Wett­ bewerbs vom 27. V. 1896. Handausgabe mit Erläuterungen. 8°. (8 Bogen.) In Ganzleinen gebd. Mk. 2.40.

Lecher, Dr. H., Die gesummten Materialien

zu den das snrgerüche Gesetzbuch un- seine Uebengesetze betreffenden bayerischen Gesetzen un- Verordnungen.

Die bisher erschienenen 17 Lieferungen kosten Mk. 50—.

Zu jeder voll­

ständigen Abtheilung können Einbanddecken zum Preise von je 50 Pfg. bezogen werden.

Einzelne Theile des Werkes werden nicht abgegeben.

Mit der im

Druck befindlichen Lieferung 18 (Preis ca. MK. 3.—) werden alle Abtheilungen

abgeschlossen vorliegen, mit Ausnahme der I., zu der noch eine Ministerialververordnung aussteht.

3. Schweitzer Verlag

(Arthur Sellin)

München.

Laisenberg, Heim., k. Notar in Augsburg, Gesetz, das Unschädlichtzeitsjeugnik bttt., vom 15. Juni 1898 Handausgabe mit einleitendem Text, Bemerkungen, Sachregister und Beispielen. 1899 In Ganzleinen gebd. MK. 3.—.

Singer, X, t. Amtsrichter, Die Verrichtungen des vormnndschaftsgerichts und des Rachlakgerichts unter besonderer Berücksichtigung der bayerischen Verhältnisse in alphabetischer Ordnung dargestellt.



(11 Bogen) Gebunden llllu 3.40.

Staudinger, Dr. Lutins v., Kommentar rum üürgerlichen Gesetz­ buche für das Deutsche Reich nebst Linsührnngsgesetz. Die bisher erschienenen 11 Lieferungen enthalten: Bd. I. Allgemeiner Theil (§§ 1—18) erläutert von Th. Löwcnfeld.

Bd. II.

Kecht -er Schul-verhaltnisse (§§ 241—328) erläutert v. PH. Mayring.

Bd. III. Sachenrecht (vollständig) erläutert von ß. Loder.

Bd IV. Familienrecht (vollständig) erläutert v. Th. Engelmann u. 2. v. Staubinger.

Bd. V. Bd. VI

Erbrecht (§§ 1922—1982) erläutert von F. Herzfelder. Einfnhrnngsgesetz (vollständig) erläutert von 3. Wagner.

Der Preis dieser 11 Lieferungen beträgt MK. 32.— ; zu den vollständigen

Bänden III und IV können Einbanddecken in Halbfranz zum Preise von ä MK. 1.50 bezogen werden. Band VI wird mit einem Gesammtregister zusammengebunden

Müller, Dr. G., k Amtsrichter in München, und MeiKet, Gg„ k. III. Staatsanwalt in Nürnberg, Das ßnrgertiche Recht in seiner neuen Gestaltung. dargestellt und durch Beispiele erläutert.

2 Bde

Systematisch

87 Bogen Elegant gebunden

MK. 15.—. Diese leichtfaßliche und durch überaus zahlreiche Beispiele sich vortheilhrft von ähnlichen Werken unterscheidende Darstellung hat sich in den Kreisen aller

jüngeren wie älteren Juristen und Verwaltungsbeamten eingebürgert und ist diesen bereits zum unentbehrlichen Rathgeber geworden!

MeiKel, G., Das bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich und Einführnngsgesetz mit toititrgitbt der verwiesenen Paragraphen lind anvfnhrlichem Sachregister, gr. 8°. 38 Bogen. In Ganzleinen geb. MK. 3.6V. Dasselbe. Ausgabe ans Schreibpapier mit breiten Nandern. Format des Reichs­

gesetzblattes

Gebunden MK. 6.—.

Ein viel beklagter Uebelstand des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind die ungemein häufigen Verweisungen auf andere Paragraphen des Gesetzes selbst, wie anderer Gesetze. Der Herausgeber vorliegender Ausgaben hat es übernommen, bei jedem Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches, in welchem Verweisungen vorkommen, diese, sei es in wörtlichem Abdruck, sei es in möglichst dem Gesetzes­ text angepaßter Fassung, wiederzugeben. Durch entsprechend verschiedenen Satz (Antiqua und Cursiv) ist für große Deutlichkeit der Anordnung gesorgt. Die Ausstattung beider Ausgaben ist in jeder Hinsicht vorzüglich und der Preis­ außerordentlich billig.