Das Anwartschaftsrecht aus Eigentumsvorbehalt in der Einzelzwangsvollstreckung [1 ed.] 9783428470440, 9783428070442

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Das Anwartschaftsrecht aus Eigentumsvorbehalt in der Einzelzwangsvollstreckung [1 ed.]
 9783428470440, 9783428070442

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BERND ERleH BANKE

Das Anwartschaftsrecht aus Eigentumsvorbehalt in der Einzelzwangsvollstreckung

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 134

Das Anwartschaftsrecht aus Eigentumsvorbehalt in der Einzelzwangsvollstreckung

Von

Bernd Erich Banke

Duncker & Humblot . Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Banke, Bernd Erich:

Das Anwartschaftsrecht aus Eigentumsvorbehalt in der Einzelzwangsvollstreckung / von Bemd Erich Banke. - Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Schriften zum Bürgerlichen Recht; Bd. 134) Zugl.: Mainz, Univ., Diss., 1990 ISBN 3-428-07044-5 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübemahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-07044-5

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1989/90 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als juristische Dissertation angenommen. Die Literatur konnte berücksichtigt werden, soweit sie bis zum August 1989 erschienen war. Für die Anregung zu dieser Arbeit und die immer vorhandene Bereitschaft, im wissenschaftlichen Streitgespräch die Schlüssigkeit der getroffenen Aussagen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, habe ich meinem Doktorvater Herrn Professor Doktor Klaus Müller besonders zu danken. Dank schulde ich auch meinen Kollegen und Freunden Herrn Assessor Stefan Breinersdorfer, Herrn Doktor Jörg Christen und Herrn Doktor Vero Severain, die mir in vielen Gesprächen wertvolle Anregungen für die Arbeit gegeben haben. An dieser Stelle möchte ich auch meiner Freundin und Lebensgefährtin Frau Monika Toman M. A. danken, die mich in meiner Arbeit bestärkte und mir dadurch den Mut und die Kraft gab, auch in den Zeiten von Zweifel den einmal eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Ihr sowie Frau Michaela Jahnke sage ich schließlich Dank für die Mühen, als Fachfremde und ,juristische Laien" das Manuskript Korrektur gelesen zu haben. Schließlich seien hier nochmals meine Eltern genannt, die meinen Weg ohne Fragen akzeptierten, und ohne die weder mein Studium noch diese Arbeit überhaupt möglich gewesen wären. Mainz, im September 1990

Bernd Banke

Inhaltsverzeichnis Einleitung .............................................................................

15

Erstes Kapitel

Wirtschaftliche und rechtliche Grundlagen der Problematik A. Die Divergenz zwischen Rechtslage und wirtschaftlichen Interessen ......... I. Die Interessenlage im Wirtschaftsverkehr als Ausgangspunkt der Rechtsentwicklung .................................................................. 11. Das Faustpfandrecht im Wirtschaftsverkehr .................. ........ .....

17

B. Die rechtlichen Grundlagen der Problematik ................................... I. Der Eigentumsvorbehalt im materiellen Recht ............................ 1. Die zivilrechtliche Grundkonstruktion ...... ............................ 2. Die Rechtsposition des bedingt berechtigten Eigentumsvorbehaltskäufers .................................................................... 11. Die Konsequenzen des Eigentumsvorbehalts .............................. m. Die vollstreckungsrechtliche Problematik ................................. 1. Die Zwangsvollstreckung in die Rechtsstellung des zukünftigen Eigentümers .................................................................... 2. Die Zwangsvollstreckung in das vorbehaltene Eigentum .............

20 21 21

17 18

22 24 26 27 27

Zweites Kapitel

Die Lösungsansätze A. Die Vollstreckung in die Rechtsposition des Vorbehaltskäufers ..... . . . . . . . . . I. Die historische Entwicklung der Lösungsansätze ......................... 1. Der Eigentumsverschaffungsanspruch als Objekt der Zwangsvollstrekkung ...................................................................... 2. Die Sachverwertung als Vollstreckungsziel ............................ 11. Der Rechtspfandungsansatz ................................................. 1. Die Grundthesen ......................................................... 2. Kritik ..................................................................... a) Die Problematik des § 267 BGB .................................... b) Die Schaffung einer Sachverwertungsmöglichkeit ................. aa) Der Surrogationsgedanke ........................ ............... bb) Die deklaratorische Funktion der Sachpfandung .............. cc) Die analoge Anwendung der Sachpfandungsvorschriften .....

29 29 29 31 34 34 37 37 39 41 45 47

10

Inhaltsverzeichnis 111. Der Sachpfandungsansatz ..... .............. ..... ... ................. .......

51

1. Die Grundthesen .........................................................

51

2. Die Theorie des Volleigentums des Eigentumsvorbehaltskäufers .....

54

3. Der Eigentumsvorbehalt als Verfallpfandrecht .........................

55

4. Das Verhältnis von Sach- und Rechtspfandungstheorie ...............

57

5. Kritik der Theorie der reinen Sachpfandung ...........................

59

6. Verfügungsrechtliche Lösungsansätze ..................................

63

a) Die Grundthesen .....................................................

63

b) Kritik des verfügungsrechtlichen Ansatzes .........................

68

IV. Die Doppelpfandung ... .....................................................

72

1. Die Grundthesen .........................................................

72

2. Kritik .....................................................................

76

a) Nachteile des Doppelpfandungsverfahrens .................. .... ...

76

b) Die Theorie des "wesensgleichen minus" im Besonderen.........

78

3. Das Anwartschaftsrecht als belastetes Eigentum ......................

85

a) Die Grundthesen ..... ................................................

85

b) Kritik ..................................................................

88

B. Die Zwangsvollstreckung in das vorbehaltene Eigentum ......................

90

C. Zwischenergebnis .................................................................

94

Drittes Kapitel Das Anwartschaftsrecht A. Das Anwartschaftsrecht als subjektiv dingliches Recht ........................ I. Das Anwartschaftsrecht als subjektives Recht ............................ 11. Die dingliche Struktur des Anwartschaftsrechts ...........................

97

B. Das Anwartschaftsrecht im System der Vermögensrechte ... ...... ............

102

98 99

I. Abgrenzung zu künftigen Rechten .........................................

102

11. Abgrenzung zu obligatorischen Rechten ...................................

103

ill. Abgrenzung von Anwartschaftsrecht und Vorbehaltseigentum . .......... 1. Wirtschaftliche Wertigkeit und Zwangsvollstreckungsrecht ...........

104 104

2. Die materiellrechtliche Qualifikation der Rechtspositionen im Eigentumsvorbehaltskauf ................... .................... ..... ..........

106

a) Die Absicherung von Anwartschaftsrecht und Vorbehaltseigentum durch das Gesetz .....................................................

108

b) Die Bewertung von Anwartschaftsrecht und Vorbehaltseigentum durch den Rechts- und Wirtschaftsverkehr .......... ...... .........

110

c) Die Bewertung des Eigentumsvorbehalts im internationalen Wirtschaftsverkehr ........................................................

110

d) Die Gesamtbewertung der Rechtspositionen .......................

111

Inhaltsverzeichnis

11

Viertes Kapitel Die Vollstreckung in das Anwartschaftsrecht A. Die Interessenlage der Beteiligten...............................................

112

B. Die Trennbarkeit von Pfändungs- und Verwertungsproblematik .... ..........

114

C. Die Verwirklichung des Sachverwertungsinteresses .......... ......... ......... I. Das Sachverwertungsinteresse im Rechtspfändungsverfahren ............ 11. Das Sachverwertungsinteresse im Sachpfändungsverfahren ..............

116 116 119

D. Die Rechtsstellung des Vorbehaltseigentümers . .......... ....... .......... ..... I. Die materielle Rechtslage................................................... 11. Der Rechtsschutz des Vorbehaltseigentümers ............................. 1. Der Rechtsschutz vor der Verwertung der Eigentumsvorbehaltssache 2. Der Rechtsschutz nach der Verwertung der Eigentumsvorbehaltssache

121 121 123 123 127

Fünftes Kapitel Die Zwangsvollstreckung in das vorbehaltene Eigentum

A. Das Vollstreckungsobjekt ........................................................

130

B. Der Rechtsschutz des Anwartschaftsberechtigten ... ...... ........ ..............

131

Zusammenfassung ..................................................................

132

Literaturverzeichnis ................................................................

134

Abkürzungsverzeichnis a.A.

a.E. Abschn. AcP AG Anm. AO Aufl. Bd. bes. BGB BGH BGHZ BVerfGE BWNotZ bzw. DB ders. d.h. Diss. DJT f. ff. Fn. gern. GO Grdz. Halbbd. HGB Hrsgb. i.e. i.E. insbes. Jura JurBüro JuS JW JZ

anderer Ansicht am Ende Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis Amtsgericht Anmerkung Abgabenordnung Auflage Band besonders Bürgerliches Gestzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg beziehungsweise Der Betrieb derselbe das heißt Dissertation Deutscher Juristentag folgend(e) fortfolgend( e) Fußnote gemäß Grundgesetz Grundzüge Halbband Handelsgestzbuch Herausgeber im einzelnen im Ergebnis insbesondere Juristische Ausbildung Das Juristische Büro Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Jurlstenzeitung

Abkürzungsverzeichnis Kap. Sächs.Arch. KG KGBL KrVJSchr LM MDR Mot. m.w.N.

NJW

Nr. OLG OLGE Prot. Recht RG RGRK RGZ Rn. Rspr.·

S. u. a.

unstr.

v.

vgl. VwVfG ZAkDR z.B. ZHR ZPO

ZZP

13

Kapitel Sächsisches Archiv für Rechtspflege Kammergericht Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichtes Kritische Vierteljahreschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes, begründet von Fritz Lindenmaier und Philipp Möhring Monatsschrift für deutsches Recht Motive der ersten Kommission zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Nummer Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Protokolle der Kommmission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuches Das Recht Reichsgericht Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern, 12. Aufl. ab 1974 Entscheidungen des Reichsgerichtes in Zivilsachen Randnummer Rechtsprechung Seite/Satz (bei §-Angaben) und andere unstrittig von vergleiche Verwaltungsverfahrensgesetz Zeitschrift der Akademie für deutsches Recht zum Beispiel Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Zivilprozeß

Einleitung Eine Abwandlung des römischen Rechtssatzes ,,nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet" im Sinne eines ,,nemo plus iuris adimi potest quam ipse habet" umschreibt wohl am zutreffendsten den Kern einer zwangsvollstreckungsrechtlichen Problematik, die sich aus der Existenz eines Rechtsinstituts ergibt, das seit Beginn des 20. Jahrhunderts stetig und unaufhaltsam an Bedeutung gewonnen hat und dessen endgültige Einordnung in die Systematik des Zivilund Zwangsvollstreckungsrechtes nach wie vor nicht endgültig geklärt ist. Die Wurzeln des Problems liegen in den rechtlichen Auswirkungen der Entwicklungen im Inneren eines immer komplexer werdenden Handels- und Wirtschaftsverkehrs begründet, der versucht, seine Interessen innerhalb eines Rechtssystems zu verwirklichen, das von dem Gesetzgeber nicht immer an dieser Interessenlage orientiert wurde. Seit jeher ist die Entscheidungsgrundlage für die am Rechts- und Wirtschaftsverkehr teilnehmenden Privatrechtssubjekte zwiespältig. Einerseits besteht ein Interesse auch risikoreiche Geschäfte abzuschließen, bei denen der Eintritt des wirtschaftlichen Erfolges wegen einer Unsicherheit hinsichtlich der Leistungsfahigkeit des Geschäftspartners ungewiß ist, um so jegliche Gewinnchance realisieren zu können und sich im Wettbewerb mit den Konkurrenten einen Vorteil zu verschaffen. Auf der anderen Seite muß die Realisierung dieses Risikos, also das tatsächliche Fehlschlagen solcher Geschäfte mit der Folge, daß der wirtschaftliche Gewinn ausbleibt oder sogar Schäden am bestehenden Vermögen eintreten, letztlich die wirtschaftliche Existenz des Handelnden bedrohen. Dieser Interessenwiderstreit zwischen Gewinnstreben und Vermeidung von geschäftlichen Gefahren wurde in der jüngsten Vergangenheit durch die wirtschaftliche Situation unserer Zeit zusätzlich noch verstärkt. Es sind vor allem zwei Ursachen, die zu einer Verschärfung der Lage geführt haben. Dies ist zum einen die im Vergleich zu den Nachkriegsjahren deutlich schwächere Konjunktur, zum anderen das Entstehen eines sich ständig verdichtenden, internationalen Marktes mit nahezu unbegrenzt vielen Anbietern, die in einem harten Wettbewerb zueinander stehen. Um trotz dieser wirtschaftlichen Rahmenbedingungen am Markt bestehen zu können, sind die konkurrierenden Wettbewerber noch weit mehr als bisher gezwungen, auch wirtschaftlich riskante Geschäfte einzugehen, nicht nur um so jede Gewinnchance zu nutzen und die konkurrierenden Marktteilnehmer zu überbieten, sondern in erster Linie um überhaupt handlungs- und konkurrenzfahig zu bleiben.

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Einleitung

Ein weitverbreitetes Mittel zur Absicherung vor Vennögensschäden aus solchen Geschäften ist der Eigentumsvorbehaltskauf, der in seiner historischen Entwicklung zunächst nur die Absicherung der Kaufpreisforderung des vorleistenden Warenverkäufers bezweckte. Quasi als Nebenprodukt aus der Eigentumsvorbehaltskonstruktion entstand aber auf seiten des Vorbehaltskäufers ebenfalls ein neuer Vennögenswert in Fonn des Anwartschaftsrechts aufEigentumserwerb. Ziel dieser Arbeit ist es, das Anwartschaftsrecht aus Eigentumsvorbehalt unter Berücksichtigung sämtlicher beteiligter Interessen in die Systematik des Zwangsvollstreckungsrechtes einzuordnen und konkrete Lösungsvorschläge für eine vollstreckungsrechtliche Realisierung des darin verkörperten Vennögenswertes zu entwickeln.

Erstes Kapitel

Wirtschaftliche- und rechtliche Grundlagen der Problematik A. Die Divergenz zwischen Rechtslage und wirtschaftlichen Interessen I. Die Interessenlage im Wirtschaftsverkehr als Ausgangspunkt der Rechtsentwicklung Der Zwang, mit Rücksicht auf die fragliche Bonität des Geschäftspartners, auch riskante Geschäfte abzuschliessen, ist unter dem Eindruck eines starken Konkurrenzdruckes für die am Wirtschaftsverkehr teilnehmenden Privatrechtssubjekte heute zum Normalfall geworden. Diese wirtschaftliche Ausgangssituation wird zudem durch die Tatsache verschärft, daß sich seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts im Bereich des Warenverkehrs mit beweglichen Gütern für Kaufverträge eine Form der Geschäftsabwicklung durchgesetzt hat, in deren Ablauf der Erwerber den Besitz an dem Kaufgegenstand erhält, bevor er die ihm obliegende Leistungspflicht in Form der Bezahlung des Kaufpreises erfüllt hat 1. Die deutlich gesteigerte Anzahl der Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzverfahren 2, die sich in den letzten Jahren zeigte, ist zu einem nicht geringen Anteil auf diese Entwicklungen zurückzuführen. Die Suche nach geeigneten Sicherungsmitteln insbesondere für Geldforderungen aus Vertragsgestaltungen, bei denen eine Seite ihre Leistungspflicht im voraus erbringt, ohne sofort die vereinbarte Gegenleistung zu erhalten, war und ist daher im Hinblick auf die soeben beschriebene Sachlage ein vorrangiges Ziel des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs. Der Leistungsausfall eines Vertragspartners soll zunächst nicht dazu führen, daß der Vorleistende neben dem Ausfall des erstrebten Geschäftsgewinns, der wegen der nicht zu realisierenden Forderung 1 Cohen, Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Abzahlungsgeschäftes, 1891, S. 50 ff.; Schwartz, Der Eigentumsvorbehalt vom Standpunkt der Industrie, in: Der Eigentumsvorbehalt in Wirtschaft und Recht, Hrsgb. Industrie- und Handelskammer Berlin, 1931, S. 18; Sponer, Das Anwartschaftsrecht und seine Pfändung, 1965, S. 81 ff.; Thiemann, Die Entwicklung der Eigentumsanwartschaft beim Vorbehaltskauf in der neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, 1974, S. 109 ff. (m. w.N.); für die Situation heute: Walter, Kaufrecht, 1987, S. 443. 2 Statt aller: Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht, 18. Aufl. 1987, § 38.x.

2 Banke

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1. Kapitel: Grundlagen der Problematik

aus dem Vertrag eintritt, eine weitere Vermögenseinbuße durch den ersatzlosen Verlust seiner Vorleistung erleidet. Als Sicherungsobjekt für eine solche Vertragsgestaltung bietet sich in erster Linie die Ware selbst an, die Gegenstand des Geschäftes ist. Dieser Vorrang ist darauf zurückzuführen, daß andere Sicherungsmittel wie zum Beispiel Immobiliarsicherheiten nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen oder sie wegen ihrer strengen Formerfordernisse nicht den auf eine schnelle Vertragsabwicklung gerichteten Interessen des Wirtschaftsverkehrs mit Mobilien entsprechen 3. Zudem ist dem Gläubiger der Kaufpreisforderung wegen seines geschäftlichen Kontaktes zu dem Käufer die Existenz des in der Kaufsache bestehenden Vermögenswertes definfitiv bekannt und er ist nicht gezwungen, sich im Falle eines Leistungsausfalls des Vertragspartners mit Hilfe langwieriger staatlicher Verfahren Kenntnis von möglichen Vermögens werten des Schuldners zu verschaffen. Neben dieser reinen Schutzfunktion übernehmen die Sicherungsrechte zunehmend eine weitere bedeutende Aufgabe. Durch Absicherung der gesamten gegen den Vertragspartner bestehenden Kaufpreisforderung wird grundsätzlich nicht nur der durch die eigene Vorleistung latent drohende Schaden abgedeckt, sondern es soll soweit als möglich auch der erstrebte Geschäftsgewinn durch die Sicherung miterfaßt werden. Die Qualität des Sicherungsmittels wird damit zu einem Garant nicht nur für die Erhaltung und Absicherung des "status quo ante", sondern sie sichert in letzter Konsequenz auch die Erreichung des Ziels der Tätigkeit am Markt im Rechts- und Wirtschaftsverkehr, die Erwirtschaftung von Gewinnen. Die "Qualität" eines Sicherungsrechtes ist für den Rechtsverkehr mithin in erster Linie danach zu beurteilen, ob es in der Lage ist Forderungen des Sicherungsnehmers vor jeglichen Beeinträchtigungen zu bewahren und gegen den Zugriff anderer konkurrierender Gläubiger auf das Sicherungsobjekt zu schützen. Je weiter die Sicherungsintention des Warenlieferanten vor einer Vereitelung durch Konkurrenten und Mitgläubiger geschützt ist, desto höher wird die Qualität der Forderungssicherung eingestuft werden. 11. Das Faustpfandrecht im Wirtschaftsverkehr Die nächstliegende Möglichkeit einer Forderungssicherung durch die Einräumung eines Verwertungsrechtes an beweglichen Sachen zugunsten des persönlichen Gläubigers, das im Gestz ausdrücklich vorgesehene Pfandrecht gemäß §§ 1204 ff. BGB, entspricht den Interessen des Rechtsverkehrs nicht. Wie bereits festgestellt wurde, ist der Warenlieferant häufig zu einer Vorleistung verpflichtet, 3 Statt aller: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 14. Auf!. 1987, § 56.11.4; Sponer, Das Anwartschaftsrecht und seine Pfändung, 1965, S. 82.

A. Rechtslage und wirtschaftliche Interessen

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im Rahmen derer er, ohne die Gegenleistung erhalten zu haben, die betroffenen Waren liefert. Diese Vorgehensweise entspricht einem wirtschaftlichen Bedürfnis, das darin begründet liegt, daß die Erwerber häufig nicht in der Lage sind, die gewünschten Waren sofort zu finanzieren. Regelmäßig werden sie sich die erforderlichen Mittel erst durch ein eigenes Rechtsgeschäft mit den Gegenständen verschaffen, wie dies zum Beispiel bei Zwischenhändlern häufig der Fall ist, oder aber den Kaufpreis in einzelnen Raten über einen längeren Zeitraum hin entrichten, wobei diese finanziellen Mittel zur Berichtigung der einzelnen Teilzahlungen erst durch die Nutzung der Sache etwa als Produktionsmittel beschafft werden 4 • In beiden Fällen haben die Abnehmer ein Interesse daran, die Sachen bereits vor Entrichtung des Kaufpreises in Besitz zu nehmen. Das Interesse der Zwischenhändlergruppe richtet sich darüberhinaus auch darauf, bereits vor Erfüllung der eigenen Verbindlichkeit über die Waren verfügen zu können, um sich auf dem oben beschriebenen Weg liquide Mittel zur Erfüllung der Verbindlichkeiten zu beschaffen. Die Verkäufer sind zumeist gezwungen, diesen Interessen nachzugeben, da insbesondere bei kostspieligen Wirtschafts gütern keine Käufer existieren werden, die über ausreichende Geldmengen verfügen, um die angebotenen Waren zu kaufen und den Kaufpreis sofort zu entrichten. Keines dieser Interessen aber vermag das BGB-Pfandrecht zu erfüllen. Nach seiner Regelungskonzeption steht dem Schuldner einer pfandrechtlich gesicherten Geldforderung nach § 1205 BGB unabdingbar weder der Besitz noch - wegen des § 1276 BGB - die Verfügungsbefugnis am Sicherungsobjekt zu. Dieser Mangel an Besitz- und Verfügungsmöglichkeit auf seiten des Sicherungsgebers führt praktisch zu dessen wirtschaftlicher Lähmung und nimmt ihm die Chance, die zur Begleichung des Kaufpreises erforderlichen Mittel zu erwerben und am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen. Allein aus dieser Zwangslage heraus entwickelte sich im Rechtsverkehr das Institut des Eigentumsvorbehalts 5 als ein reines Sicherungsrnittel für den vorleistenden Verkäufer als einem Warenkreditgeber. Der endgültige Eigentumsübergang und damit auch der endgültige Eigentumsverlust des Veräußerers wurde an den Eintritt einer Bedingung in Form der vollständigen Erfüllung des Kaufpreisanspruches geknüpft. Die daraus resultierende Änderung der Rechtsstellung des Erwerbers im Hinblick auf die Eigentumsvorbehaltssache erfuhr zunächst keine Beachtung in der Rechtswissenschaft. Obwohl die dogmatischen Grundlagen 4 Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 14. Aufl. 1987, § 56.11.4; Brox, Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers, JuS 1984, S. 657. 5 Hübner, Zur dogmatischen Einordnung der Rechtsposition des Vorbehaltskäufers, NJW 1980, S.729; Sponer, Das Anwartschaftsrecht und seine Pfändung, 1965, S. 81; Thiemann, Die Entwicklung der Eigentumsanwartschaft beim Vorbehaltskauf in der neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, 1974, S. 110 ff.; mit Bedenken wegen der Verletzung des ,,numerus clausus" der Sachenrechte und des Publizitätsprinzips kritisch zur Anerkennung von Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung bis heute etwa: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 14. Aufl. 1987, § 56.

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1. Kapitel: Grundlagen der Problematik

eines Anwartschaftsrechts bereits in der gemeinrechtlichen Forschung erkannt worden waren, trat es als Rechtsinstitut zunächst nicht in Erscheinung 6 • Die Verbindung von schuldrechtlichem Grundgeschäft und sachenrechtlicher Verfügung mit den Mitteln der Bedingungslehre wurde vom Rechtsverkehr anfanglieh nur genutzt, um die Anerkennung des Sicherungsinteresses des vorleistenden Verkäufers ohne Inkaufnahme der Nachteile des gesetzlichen Sicherungsrechtes durchzusetzen. Der Warenkreditgeber erhielt die erstrebte Absicherung seiner noch nicht erfüllten Forderungen und dennoch konnte der Erwerber bereits die Vorteile des Besitzes und gegebenenfalls der Verfügungsmöglichkeit an der Sache nutzen. Weitere Konsequenzen wurden zunächst insbesondere im Hinblick auf die Rechtsposition des Eigentumsvorbehaltskäufers nicht gezogen. Es waren dann wiederum die Interessen des Wirtschaftsverkehrs, die die Aufmerksamkeit auf die rechtlichen Besonderheiten der Rechtsstellung der Käuferseite im Eigentumsvorbehaltskauf lenkten. Die Gläubiger des zukünftigen und bereits bedingt berechtigten Eigentümers versuchten, den Vermögenswert auch dieses besonderen Rechtes zu realisieren und deckten damit einen der schwierigsten Problemkreise aus dem Bereich des Eigentumsvorbehalts auf 7 •

B. Die rechtlichen Grundlagen der Problematik Die Wurzeln der Probleme, die sich aus dem Zusammentreffen von Eigentumsvorbehalt und Zwangsvollstreckungsrecht ergeben, liegen wesentlich im Aufeinandertreffen zweier Rechtsmaterien begründet, die von weitgehend unterschiedlichen Axiomen ausgehen. Das Anwartschaftsrecht verdankt seine Existenz allein seiner Zugehörigkeit zum materiellen Zivilrecht und dem dort geltenden Grundsatz der Privatautonomie, der den Rechtssubjekten eine weitestgehende Gestaltungsfreiheit in der Regelung ihrer Rechtsverhältnisse einräumt. Nur infolge dieses Grundkonzeptes war es möglich, die strenge Grenzziehung des Abstraktionsprinzips für einen Teilbereich rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen zu lokkern und eine Verbindung zwischen schuldrechtlichem Kausalgeschäft und dinglicher Erfüllung herzustellen. Demgegenüber fällt das Zwangsvollstreckungsrecht in die Regelungsmaterie des öffentlichen Rechtes, indem es die Befugnisse und Verfahrensweise staatlicher Vollstreckungsorgane reglementiert. Es handelt sich bei dieser zwangsweisen, hoheitlichen Durchsetzung privater Rechte um einen typischen Bereich der Eingriffsverwaltung. Daher sind die gesetzliche Eingriffsermächtigung und die Regelung des Verfahrensrechtes, das nicht nur die grundrechtsrelevanten Schran6 Berger, Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht - Besitzloses Pfandrecht und Eigentum, 1984, S. 25 f.; Thiemann, Die Entwicklung der Eigentumsanwartschaft beim Vorbehaltskauf in der neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, 1974, S. 85 ff., 110. 7 Vgl. Fn. 6, sowie Sponer, Das Anwartschaftsrechtund seine Pfandung, 1965, S. 81 f.

B. Rechtliche Grundlagen der Problematik

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ken jeglicher staatlicher Tätigkeit beachten muß, sondern das darüberhinaus wie auch das materielle öffentliche Recht bereits durch die Verfahrensgestaltung letztlich der Sicherung dieser Grundrechte zu dienen bestimmt ist 8 , strengen gesetzlichen Bestimmtheitserfordernissen zu unterwerfen. Den rein hoheitlich handelnden Vollstreckungsorganen müssen eindeutige Eingriffsvoraussetzungen, die dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entsprechen, an die Hand gegeben werden. Außerdem sind auch im Zwangsvollstreckungsverfahren die Grundsätze der Gewaltenteilung zu wahren, die die Beurteilung der materiellen Rechtslage allein den Gerichten übertragen und es so ausschliessen, daß die Vollstreckungsorgane eine abschließende Entscheidungskompetenz im Hinblick auf die beteiligten rechtlichen Interessen erhalten. Um diese Erfordernisse erfüllen zu können und dennoch eine effektive Durchsetzung titulierter Ansprüche zu ermöglichen, sind die Vollstreckungsorgane bei der Durchführung des Vollstreckungsverfahrens streng an das Vorliegen formalisierter Eingriffsvoraussetzungen gebunden. Dieses Prinzip kann die gestellten Anforderungen erfüllen, solange der Gesetzgeber in der Lage ist, Verfahren der Zwangsvollstreckung zur Verfügung zu stellen, die auf alle Besonderheiten der möglichen Vollstreckungsobjekte eingehen. Es muß aber zu Schwierigkeiten führen, sobald vermögenswerte Rechtspositionen den Rahmen und damit auch die rechtlichen Grenzen der gesetzlich vorgesehenen Grundmuster verlassen und sich damit nicht mehr in den Rahmen der formalisierten Eingriffstatbestände einfügen. Gerade die Möglichkeit der Schaffung neuer vom Gesetz nicht vorgesehener Typen von Rechten durch verbindliche rechtsgeschäftliche Vereinbarungen Privater aber ist ein wesentliches Merkmal der im BGB verwirklichten Privatautonomie. Lücken und auch Wertungswidersprüche in den Bereichen, in denen diese beiden Rechtsmaterien gemeinschaftlich Anwendung finden, sind damit praktisch vorbestimmt.

I. Der Eigentumsvorbehalt im materiellen Recht 1. Die zivilrechtliche Grundkonstruktion

Die besondere Problematik der Behandlung des Eigentumsvorbehalts im Zwangsvollstreckungsrecht liegt in seiner zivilrechtlichen Konstruktion und deren materiellrechtlichen Konsequenzen begründet. Die auf den ersten Blick einfach wirkende Grundkonzeption der Übertragung der Regeln bezüglich der Bedingung von Rechtsgeschäften gemäß § 158 ff. BGB auf die rechtsgeschäftliche Übereignungserklärung des § 929 BGB zeitigt eine materiellrechtlich ebenso unkompliziert zu umschreibende Rechtsfolge. Der Empfänger der bedingten Übereignungserklärung erhält das erstrebte Eigentum nach § 158 BGB erst mit 8 Für den Bereich der Zwangsvollstreckung ausdrüctlich: BVerfGE 46, S. 325 (334); 49, S. 220 (225); grundlegend für aile hoheitlichen Verfahren 53, S. 30 (65) - MülheimKärlich - .

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1. Kapitel: Grundlagen der Problematik

dem Eintritt der vereinbarten Bedingung, wird aber durch die §§ 161 f. BGB bereits von dem Zeitpunkt der Erklärung der bedingten Übereignung in seinem Erwerbsinteresse geschützt. Die Besonderheit gerade der Eigentumsvorbehaltskonstruktion im Bereich der bedingten Rechtsgeschäfte ergibt sich aus der Bestimmung der Bedingung für den Eintritt des Eigentumserwerbs, die zumeist, wie sich auch aus der Auslegungsregel des § 455 BGB ergibt, mit der Erfüllung des Kausalgeschäftes durch den Käufer, also der vollständigen Kaufpreiszahlung festgesetzt wird. Nur diese Vertragsgestaltung soll auch im folgenden Gegenstand dieser Untersuchung sein. Die Möglichkeit einer solchen Sicherung kaufvertraglicher Verbindlichkeiten durch die Nutzung der Vorschriften über die bedingte Einigung bei Rechtsgeschäften hatte bereits der historische Gesetzgeber des BGB erkannt 9 und trotz des für das Sachenrecht geltenden Grundsatzes des ,,numerus clausus" dinglicher Rechte als neues Sicherungsmittel für den Rechtsverkehr gebilligt. Der sachenrechtliche Eigentumsübergang und das schuldrechtliche Kausalgeschäft können damit nach der Regelungskonzeption des Gesetzes ohne Zweifel in rechtlich zulässiger Weise miteinander verbunden und im Eintritt ihrer Rechtsfolgen trotz der grundsätzlichen Entscheidung für die Einführung des Abstraktionsprinzips voneinander abhängig gemacht werden. Ohne die Erfüllung des Verpflichtungsgeschäftes kann es zu keinem Eigentumsübergang kommen und der Käufer hat es allein in der Hand, durch die Erbringung der im Kaufvertrag vereinbarten Leistung seinen Eigentumserwerb herbeizuführen. Darüberhinaus aber erfährt der beabsichtigte sachenrechtliche Rechtsübergang wegen der durch die Bedingungslehre erfolgten Verknüpfung mit der Kausalbeziehung eine zusätzliche, über die bloße obligatorische Verpflichtung des Verkäufers hinausgehende Absicherung, die einer gesonderten Betrachtung bedarf. 2. Die Rechtsposition des bedingt berechtigten Eigentumsvorbehaltskäufers

Der wesentliche Unterschied der Rechtsposition des Eigentumsvorbehaltskäufers im Verhältnis zu der Rechtsstellung des nur obligatorisch berechtigten Inhabers eines kaufvertraglichen Übereignungsanspruches, der sich noch nicht unter der Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung mit dem Verkäufer über den Eigentumsübergang an der Sache geeinigt hat, ergibt sich aus den Vorschriften über die Rechtsfolgen bedingt abgeschlossener Rechtsgeschäfte nach §§ 160 Abs. 1, 162 Abs. 1 und vor allem § 161 Abs. 1 BGBIO. Die Regelungen dieser Mot. Bd. I, S. 254 ff. (259 f.); Prot. Bd. I, S. 181 ff Statt aller: Jauemig, BGB, 4. Aufl. 1987, Anm. 6.E. zu § 929; Walter, Kaufrecht, 1987, S. 469 f.; H. P. Westermann, Münchener Kommentar zum BGB, 2. Auf!. 1988, Rn. 43 zu § 455; in der Rspr. unstr. vgl. nur BGH, NJW 1954, S. 1325. 9

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B. Rechtliche Grundlagen der Problematik

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Normen führen dazu, daß der Käufer nach der bedingten Einigung über die Übertragung des Eigentums nach §§ 158, 929 BGB eben dieses Eigentum an der Kaufsache nicht nur beim gewöhnlichen und ungestörten Ablauf des Geschäfts erhalten wird, sondern daß er bereits im Stadium vor dem Bedingungseintritt eine Rechtsposition erlangt hat, die nicht einmal vom Vorbehaltseigentümer angetastet werden kann. Die Tatsache, daß durch den Abschluß eines Eigentumsvorbehaltskaufes für den Käufer eine Rechtsstellung geschaffen wird, die weder mit den Maßstäben des Schuldrechts, noch mit den Kriterien des Sachenrechts eindeutig erfaßt und einer erschöpfenden Regelung unterworfen werden kann, da sie Elemente beider Rechtsgebiete beinhaltet, war auch vor Erlaß des BGB bereits erkannt worden. Die genauen Rechtsfolgen dieser Form der Eigentumsübertragung im Hinblick auf die Rechtsverhältnisse an dem Eigentumsvorbehaltsobjekt wurden dennoch vom Gesetzgeber des BGB nicht mehr geregelt und einer Rechtsentwicklung durch Forschung und Rechtsprechung überlassen 11, da eine endgültige Klärung der im Zusammenhang mit dem Eigentumsvorbehalt auftretenden Fragen zu Zeitpunkt der Konzeption des BGB noch nicht ersichtlich war. Die Tatsache, daß, sobald der Erwerber den Besitz an der Sache erlangt hat, die Verfügungsbeschränkung des Eigentümers gern. § 161 Abs. 1,2 BGB wegen der Regelungen der § 935 und der Anwendbarkeit des Rechtsgedankens des § 936 BGB auch im Wege des gutgläubig lastenfreien Erwerbes ohne den Willen des Käufers kaum noch überwunden werden kann, nimmt die heute überwiegende Auffassung in der Literatur, sowie die Rechtsprechung zum Anlaß, dem Käufer eine Rechtsposition in Form eines sogenannten Anwartschaftsrechtes im Hinblick auf das Eigentum zuzuweisen 12. Einwände hinsichtlich des Bestehens eines solchen Rechtes 13 können im Rahmen dieses Kapitels vorerst nicht berücksichtigt werden, da es sich auf einen Überblick über die Problematik beschränkt. Es ist im übrigen gleichgültig, ob die Rechtsstellung des Erwerbers dort als zukünftiges Eigentum 14 oder auflösend bedingtes Volleigentum, das mit einem besitzlosen Pfandrecht des Vorbehaltseigentümers belastet ist 15, definiert wird oder aber die auftretenden Probleme durch einen Rückzug auf die allgemeinen Grundsätze der 11 Prot. Bd. I, S. 181, wo der Versuch einer Regelung der Problematik aus den genannten Gründen aufgegeben wird. 12 Vgl. statt aller: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 14. Aufl. 1987, § 59 V.I.; Müller, Sachenrecht, 1988, Rn. 2433 f.; Staudinger /Honsell, BGB, 12. Aufl. 1978, Rn. 35 zu § 455; Staudinger /Wiegand, BGB, 12. Aufl. 1987, Rn. 7 zu § 929; Wolf, Studienkommentar zumBGB, 2. Aufl. 1979, Anrn. V.3.a) zu §§ 929-931; BGHNJW 1954, S. 1325;; BGHZ 20,89 (94); NJW 1980, S. 175. 13 Etwa: Hübner, Zur dogmatischen Einordnung der Rechtsposition des Vorbehaltskäufers, NJW 1980, S. 729 (731, 735); Kupisch, Durchgangserwerb oder Direkterwerb? , IZ 1976, S. 417 ff. (428 f.); Marotzke, Das Anwartschaftsrecht ein Beispiel sinnvoller Rechtsfortbildung?, 1977, S. 134 ff.; vgl. i. E. unten 2. Kap. ill.4. 14 Kupisch, Durchgangserwerb oder Direkterwerb?, IZ 1976, S. 417 ff. (427). 15 Hübner, Zur dogmatischen Einordnung der Rechtsposition des Vorbehaltskäufers, NJW 1980, S. 729 (735).

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1. Kapitel: Grundlagen der Problematik

Bedingungslehre und des Prioritätsgedankens gelöst werden 16. Die Bestrebungen sind immer darauf gerichtet, die Besonderheiten der Verbindung von Kausalund eigentumsübertragendem Verfügungsgeschäft unter dem Blickwinkel der §§ 160-162 BGB zu würdigen. Insbesondere dem Fragenkreis der Bewertung der Rechtspositionen von Eigentumsvorbehaltskäufer und -verkäufer im Zwangsvollstreckungsverfahren stellen sich sämtliche Autoren und diskutieren dort Problemstellungen und Lösungsansätze 17, die denjenigen der ein Anwartschaftsrecht anerkennenden Verfasser gleichen. Für die hier zu erörternden Problematik handelt es sich daher zunächst lediglich um eine Frage der Begriffswahl, nicht um eine echte essentielle Frage des Bestehens oder der Lösung rechtlicher Probleme.

11. Die Konsequenzen des Eigentumsvorbehalts Der strenge und auch starre Formalisierungsgrundsatz des Zwangsvollstrekkungsrechtes führt dazu, daß vollstreckungsrechtlich die nahezu unbegrenzten Möglichkeiten der Schaffung von subjektiven Rechten, die das Prinzip der Privatautonomie den Privatrechtssubjekten eröffnet, nicht immer erfaßt werden können. Der Eigentumsvorbehalt als ein im materiellen Recht nicht abschließend geregeltes und in die Regelungen des Zwangsvollstreckungsrechtes nicht einbezogenes Sicherungsrecht des privaten Rechtsverkehrs zeigt diese Problematik deutlich auf. Aus den oben beschriebenen Vorteilen des Eigentumsvorbehaltskaufes ergeben sich unter dem Blickwinkel einer vollstreckungsrechtlichen Betrachtung unmittelbar auch dessen Nachteile. Das kennzeichnende Wesensmerkmal des Eigentumsvorbehaltskaufes selbst, die Verknüpfung des rechtlichen Schicksals von Kausal- und dinglichem Erfüllungsgeschäft durch die Möglichkeiten der Bedingungslehre, birgt die rechtlichen Probleme. Die Tatsache, daß der Vorbehaltskäufer den Besitz und zumeist auch die Verfügungsmöglichkeit an dem Kaufobjekt bereits innehat und durch die schuldrechtliche Bindung des Verkäufers sein endgültiger Eigentumserwerb in der Zukunft schon abgesichert und weitestgehend ungefährdet erscheint, ließen schon vor Inkrafttreten des BGB den Rechtsverkehr und im besonderen die Gläubiger des Käufers auf einen Vermögenswert ihres Schuldners schließen, der im Wege der Zwangsvollstrekkung in die Kaufsache selbst nach § 808 ZPO zur Grundlage der Befriedigung ihrer Forderungen gemacht werden konnte 18. Aber auch ohne den rechtlichen 16 Marotzke, Das Anwartschaftsrecht ein Beispiel sinnvoller Rechtsfortbildung?, 1977, S. 134 ff. 17 Hübner, Zur dogmatischen Einordnung der Rechtsposition des Vorbehaltskäufers, NJW 1980, S.729 (733); Kupisch, Durchgangserwerb oder Direkterwerb?, JZ 1976, S. 417 ff. (425 f.); Marotzke, Das Anwartschaftsrecht ein Beispiel sinnvoller Rechtsfortbildung?, 1977, S. 87 ff. 18 Rühl, Eigentumsvorbehalt und Abzahlungsgeschäft, Berlin 1930, S. 168; Sponer, Das Anwartschaftsrecht und seine Pfändung, 1965, S. 82; Thiemann, Die Entwicklung

B. Rechtliche Grundlagen der Problematik

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Hintergrund des Eigentumsvorbehaltsgeschäftes zu kennen, griffen andere Gläubiger lediglich aufgrund des nach der Vermutung des § 808 ZPO für das Eigentum des Käufers sprechenden Sachgewahrsams ebenfalls auf die unter Eigentumsvorbehalt stehende Sache zu. Gegen einen solchen vollstreckungsrechtlichen Eingriff setzte sich aber regelmäßig der Vorbehaltseigentümer, der die Sicherung seiner Forderung gefährdet sah, mit der Drittwiderspruchsklage gern. § 771 ZPO zur Wehr. Ausgehend von der Vorstellung, daß der Verkäufer letztlich noch immer der Inhaber der umfassenden Eigentümerposition ist, wurde und wird dem Vorbehaltseigentümer diese Möglichkeit, die Freigabe der Eigentumsvorbehaltssache in der Zwangsvollstrekkung zu erzwingen, überwiegend eingeräumt 19. Es blieb aber die insbesondere durch die Bemühungen des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs immer wieder belebte Frage, ob nicht, insbesondere dann, wenn der Eigentumsvorbehaltskäufer bereits Leistungen auf den Kaufvertrag erbracht hat und damit dem Eintritt der Bedingung für den Vollrechtserwerb entscheidend näherkommt, auch bei ihm schon eine vollstreckungsrechtlich erfassbare Vermögensposition entstanden ist 20 • Andererseits wird aber auch der Eigentumsvorbehaltskäufer gegen eine, wegen des ihm zustehenden Sachbesitzes in der Praxis nur selten vorkommende, Vollstreckung in die Sache wegen eines Titels gegen den besitzenden Vorbehaltseigentümer vorzugehen versuchen 21 , da ein solches Verfahren seine künftige und wegen der bedingten Übereignung durch §§ 161, 162 BGB schon rechtlich geschützte Rechtsposition bedroht. Die gesamte Konstellation der beteiligten und durch die Rechtsordnung auch anerkannten - Interessen zeigt bereits die Kernproblematik der Einordnung des Eigentumsvorbehalts in die Systematik des Zwangsvollstreckungsrechts auf:

der Eigentumsanwartschaft beim Vorbehaltskauf in der neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, 1974, S. 111. 19 Asch, Zum Recht des Grundgeschäfts beim Eigentumsvorbehalt, AcP 139 (1934), S.201 (223); Cohen, Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Abzahlungsgeschäftes, 1891 S. 55 f.; Lazarus, Das Recht des Abzahlungsgeschäfts nach geltendem Recht und nach dem BGB, 1898, S. 120 (noch zur alten Rechtslage); Orgler, Der Eigentumsvorbehalt in Interventionsprozessen, in: Der Eigentumsvorbehalt in Wirtschaft und Recht, Hrsgb. Industrie- und Handelskammer Berlin, 1931, S. 136 (140); Rühl, Eigentumsvorbehalt und Abzahlungsgeschäft, Berlin 1930, S. 170; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. 1 1963, S. 296 f.; Thiemann, Die Entwicklung der Eigentumsanwartschaft beim Vorbehaltskauf in der neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, 1974, S. 110; RGZ 18, S. 366; zur h. M. heute hier statt aller nur: Grunsky, Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung und Eigentumsvorbehalt in der Zwangsvollstreckung und im Konkurs des Schuldners, JuS 1984, S.497 (503). 20 Cohen, Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Abzahlungsgeschäftes, 1891, S. 50 ff.; Lazarus, Das Recht des Abzahlungsgeschäfts nach geltendem Recht und nach dem BGB, 1898, S. 121; Thiemann, Die Entwicklung der Eigentumsanwartschaft beim Vorbehaltskauf in der neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, 1974, S. 111 m. w.N. 21 Vgl. statt aller hier nur: Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. 1 1963, S. 291 ff.; im Einzelnen unten 2. Kap. B.

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1. Kapitel: Grundlagen der Problematik

Die zwangsnotwendige Involvierung der rechtlich anerkannten Interessen bisher unbeteiligter Dritter in ein Zwangsvollstreckungsverfahren.

III. Die vollstreckungsrechtliche Problematik Die Erfassung und Wertung des so umschriebenen Eigentumsvorbehalts, bzw. der aus ihm resultierenden Rechtspositionen von Vorbehaltseigentümer und Eigentumserwerber unter dem Blickwinkel des Vollstreckungsrechts stößt nun auf Schwierigkeiten, die auf die Grundkonzeption des Vollstreckungsrechtes zurückzuführen sind. Ausgangspunkt der gesamten Problematik ist die Tatsache, daß sich das Vollstreckungsrecht in seiner Funktion und Ausgestaltung immer nur als Spiegelbild des materiellen Rechts darstellen kann 22 . Dies ist bereits dadurch vorgegeben, daß die Zwangsvollstreckung allein der Durchsetzung privater Rechte dient und daher auf den jeweiligen durchzusetzenden Anspruchsinhalt besonders eingehen muß. Diese Eigenschaft zeigt sich aber insbesondere auch bei dem Eingriff in das Vermögen eines Schuldners zur Durchsetzung von Geldansprüchen. Die dogmatische Grundlage dieses starken Bezuges zum materiellen Zivilrecht findet sich in dem vom Vollstreckungsrecht vorausgesetzten Vermögensbegriff. Vermögen im Sinne dieser Regelungsmaterie sind immer nur die einer Person zugeordneten Rechtspositionen, soweit diese nicht höchstpersönlicher Art sind. Erst irgendeine Form der Berechtigung an einer Sache hat im Rechtsverkehr einen wirtschaftlichen - und damit in der Zwangsvollstreckung als Vermögen realisierbaren Wert. Die Unterteilung der Zwangsvollstreckungsverfahren in solche zur Vollstreckung in Sachen und solche zur Vollstreckung in Forderungen und sonstige Rechte bedarf daher einer Präzisierung. Die vom Gesetz gewählten Begriffe sind unscharf und verwehren den Blick auf die eigentlichen Vollstrekkungsobjekte. Auch die Pfändung einer Sache gem. §§ 808 ff. ZPO soll nicht die Sache in ihrer Materie ergreifen, sondern sie ist Ausdruck des Zugriffes auf die umfassenden Herrschaftsbefugnisse des Eigentümers gem. § 903 BGB23. Die Sachsubstanz selbst ist vollstreckungsrechtlich ohne Wert. Erst ihre rechtliche 22 Bauknecht, Nochmals: Die Pfändung des Anwartschaftsrechts aus aufschiebend bedingter Übereignung, NJW 1955, S. 451 f.; Blomeyer, Zivilprozßrecht 11 - Vollstrekkungsverfahren - , 1975, § 63.I1.2.; Grunsky, Grundzüge des Zwangsvollstreckungsund Konkursrechts, 3. Auf!. 1983, § 3.I. (S. 33 ff.); Peters, Die Pfändung einer unter Eigentumsvorbehalt veräußerten Sache, 1970, S. 26 f. 23 Vgl. nur: Bauknecht, Die Pfändung des Anwartschaftsrechts aus bedingter Übereignung, NJW 1954, S. 1749 ff. (1751); Blomeyer, Zivilprozeßrecht 11 - Vollstreckungsverfahren - , 1975, § 45.4.I, S. 194; Grunsky, Grundzüge des Zwangsvollstreckungsund Konkursrechts, 3. Auf!. 1983, § 4.ill.l.a) (S. 64 f.); Marotzke, Das Anwartschaftsrecht ein Beispiel sinnvoller Rechtsfortbildung? , 1977, S. 106; Raiser, Dingliche Anwartschaften, 1961, S. 91; trotz gleicher Begründung im Ergebnis anders nur: Raacke, Zur ,,Pfandverstrickung" von Vorbehaltsware, NJW 1975, S. 248.

B. Rechtliche Grundlagen der Problematik

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Zuordnung zu einer Person, der die Eigentumsrechte zustehen, macht sie zum tauglichen Objekt einer Zwangsvollstreckung. Die Sachpfandung stellt sich damit nur als erster Schritt eines Verfahrens dar, das letztlich zu einer völligen Auflösung des umfassenden Herrschaftsrechts des Schuldners an einer Sache, das heißt also des Eigentums, führen muß. Wenn aber jede Form der Zwangsvollstreckung eine Vollstreckung in Rechte ist, stellt sich die Frage, nach welchen rechtlichen Kriterien letztlich die Abgrenzung der einzelnen Verfahren zu erfolgen hat. Die Erarbeitung zutreffender Abgrenzungsmerkmale für den Eigentumsvorbehalt soll im folgenden vorgenommen werden.

1. Die Zwangsvollstreckung in die Rechtsstellung

des zukünftigen Eigentümers

Gegenstand der Zwangsvollstreckung ist das gesamte Schuldnervermögen, mithin im Falle der Vollstreckung gegen eine an einem Eigentumsvorbehaltsgeschäft beteiligte Person auch die sich etwa aus dem Eigentumsvorbehalt ergebenden Rechtspositionen. Die Feststellung einer auf seiten des Eigentumsvorbehaltskäufers bestehenden Rechtsstellung aus den §§ 161-162 BGB allein aber birgt für das Zwangsvollstreckungsrecht und -verfahren noch keine weitere Erkenntnis als den Hinweis auf gegebenenfalls verwertbares Vermögen. Wie ein solcher Vermögenswert zu erfassen ist, muß dann erst aufgrund einer eingehenden materiellrechtlichen Analyse und einer Wertung der damit erzielten Ergebnisse anband vollstreckungsrechtlicher Grundsätze ermittelt werden. Denn nur das materielle Recht bestimmt über die Zuordnung einzelner Sachen zu einem konkreten Vermögen. Wie oben gezeigt wurde, wird aber jeglicher Zugriff auf die Rechtsposition des Eigentumsvorbehaltskäufers den Vorbehaltseigentümer dazu veranlassen einzuschreiten. Er muß durch die Vollstreckung gegen seinen Vertragspartner auch die Sicherung seiner eigenen Forderung gefabrdet sehen, da gegebenenfalls das Sicherungsobjekt zugunsten eines anderen verwertet werden soll. Auch der somit erforderlich werdende Rechts- und Interessenausgleich zwischen Vollstreckungsgläubiger, Vorbehaltseigentümer und Eigentumsvorbehaltskäufer kann seine Grundlagen nur in einer auf das materielle Recht gestützten Untersuchung der genauen Verteilung der Rechtsrnacht unter den Beteiligten haben, da nur so ermittelt werden kann, in welcher Vermögenssphäre ein vollstreckungsrechtlicher Zugriff möglich und erfolgversprechend ist.

2. Die Zwangsvollstreckung in das vorbehaltene Eigentum

Allein aus der Konstruktion eines "vorbehaltenen Eigentums" auf seiten des Veräußerers einer Sache ist unschwer zu erkennen, daß eine sachenrechtliche

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1. Kapitel: Grundlagen der Problematik

Beziehung des Eigentumsübertragenden zur Kaufsache noch existiert. Damit besteht aus dem Blickwinkel des Vollstreckungsrechtes ein Hinweis auf erfassbare und verwertbare Vermögensgegenstände. Andererseits aber ergibt sich ebenso wie in der Vollstreckung gegen den zukünftigen Eigentümer das Problem der Beeinträchtigung einer fremden Rechtssphäre des Eigentumsvorbehaltskäufers. Auch er muß den Verlust seiner bereits durch §§ 161-162 BGB gesicherten Rechtsposition wegen der vollstreckungsrechtlichen Eingriffe Dritter bei dem Eigentumsvorbehaltsinhaber befürchten. Der Schlüssel für eine zutreffende vollstreckungsrechtliche Analyse und Wertung der Rechte der Beteiligten kann sich hier wie im Falle der Zwangsvollstreckung gegen den Eigentumsvorbehaltskäufer nur aus einer umfassenden Untersuchung der materiellrechtlichen Beziehungen der am Eigentumsvorbehaltsgeschäft Teilnehmenden ergeben. Damit ist nun endgültig die zu behandelnde Problematik einschließlich des einzig möglichen Lösungsansatzes erfaßt: Die zwangsnotwendige Involvierung bisher unbeteiligter Dritter in ein Zwangsvollstreckungsverfahren, wobei die materiellrechtliche Qualifikation dieser Einbeziehung sich als zentrales Element einer zutreffenden Analyse der Befugnisse und Möglichkeiten der Betroffenen darstellt.

Zweites Kapitel

Die Lösungsansätze A. Die Vollstreckung in die Rechtsposition des Vorbehaltskäufers I. Die historische Entwicklung der Lösungsansätze Die Problematik der inhaltlichen Abgrenzung und qualitativen Bestimmung der Rechtspositionen von Vorbehaltseigentümer und zukünftigem Rechtsinhaber stand seit Beginn der Beschäftigung mit der Thematik des Eigentumsvorbehaltes in der Zwangsvollstreckung im Mittelpunkt der Erörterungen. Nachdem der Gesetzgeber zwar - wie gezeigt - zu Beginn des 20. Jahrhunderts die sich abzeichnenden Probleme des Eigentumsvorbehalts und des Anwartschaftsrechts auf materiellrechtlichem, prozessualem und vollstreckungsrechtlichem Gebiet erkannt, es aber mit Rücksicht auf die noch andauernde wissenschaftliche Diskussion unterlassen hatte, die Einzelfragen einer Regelung zu unterwerfen 24, waren Rechtsprechung und Lehre aufgerufen, auf der Grundlage des insoweit bewußt lückenhaften positiven Rechtes Lösungen zu entwickeln. 1. Der EigentumsverschatTungsanspruch als Objekt der Zwangsvollstreckung

Praktisch trat das Problem des vollstreckungsrechtlichen Zugriffs auf die Rechtsstellung des Empfängers einer bedingten Übereignungserklärung zunächst vorwiegend im Zusammenhang mit den sog. ,,Leihmöbelverträgen" auf. Einer Vertragsgestaltung, bei der zumeist Möbel, aber auch andere Wirtschaftsgüter dergestalt veräußert wurden, daß im Rahmen eines Kaufvertrages mit Teilzahlungsabrede dem Erwerber bis zur vollständigen Entrichtung des Kaufpreises der Besitz an den Kaufobjekten auf der Grundlage eines auflösend bedingten Leihvertrages überlassen wurde. Zugleich wurde von dem Verkäufer eine bedingte Übereignungserklärung zugunsten des Erwerbers abgegeben. Die Zahlung des 24 Berger, Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht - Besitzloses Pfandrecht und Eigentum, 1984, S. 24 f.; Hübner, Zur dogmatischen Einordnung der Rechtsposition des Vorbehaltskäufers, NJW 1980, S. 729 (730); Thiemann, Die Entwicklung der Eigentumsanwartschaft beim Vorbehaltskauf in der neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, 1974, S. 107 f.; Protokolle, Bd. 1, S. 181.

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2. Kapitel: Die Lösungsansätze

Kaufpreises schließlich wurde zum einen als auflösende Bedingung des Leihvertrages und zum anderen als aufschiebende Bedingung des Eigentumsübergangs auf den Käufer eingesetzt. Diese Vertragsgestaltung entsprach damit dem Erscheinungsbild und der Funktion eines reinen Eigentumsvorbehaltskaufes 25 • Die mangelnde Erforschung des genauen Inhaltes und Umfanges der Rechtsposition des Empfangers einer bedingten Übereignungserklärung führten anfänglich den überwiegenden Teil der Praxis 26 und einen Teil der Literatur 27 dazu, sowohl im Hinblick auf den Eigentumsvorbehalt beim Kauf als auch bei den Leihmöbelverträgen, den wesentlichen Inhalt und vollstreckungsrechtlich erfassbaren Wert der Rechtsstellung des Erwerbers in dem nur relativ wirkenden Recht auf die Übertragung des Sacheigentums gegen den Veräußerer zu sehen. Umstritten war lediglich, ob es sich um eine rein obligatorische Rechtsstellung 28 oder um ein wesenseigenes Recht "sui generis" handelte 29 • Dieser Streit entsprang der zutreffenden Erkenntnis, daß im Unterschied zu dem nur schuldrechtlichen Anspruch auf Übereignung aus einem Kaufvertrag die Eigentumsübertragung durch die Automatik der Bedingungslehre gegenüber dem Veräußerer nicht mehr erzwungen werden mußte, der kaufvertragliche Eigentumsverschaffungsanspruch mithin einen neuen, umfangreicheren Inhalt erhalten hatte. Trotz der unterschiedlichen Auffassung bezüglich der materiellrechtlichen QualifIkation der Rechtsstellung des zukünftigen Eigentümers, sahen die Vertreter beider Ansätze in diesem Anspruch einen im Wege der Zwangsvollstreckung realisierbaren Vermögenswert. Ihr vorrangiges Ziel war es nun, dieses Recht im Vollstreckungswege zu erfassen und zugunsten des Vollstreckungsgläubigers der Dispositionsbefugnis von Vorbehaltseigentümer und Erwerber zu entziehen. Möglichkeiten hierfür ergaben sich zunächst nur aus den §§ 847, 857 ZPO, denn diese Rechtsposition des zukünftigen Eigentümers war eindeutig weder Eigentum noch Geldforderung und konnte mithin nicht der Sachpfandung nach § 808 ZPO oder der Forderungspfandung gemäß § 829 ZPO unterworfen werden. Zudem bot insbesondere die Anwendung des § 847 ZPO die Chance, den berechtigten 25 Vertagsmuster bei: Cohen, Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Abzahlungsgeschäftes, 1891, S. 171 ff.; Hausmann, Die Veräußerung beweglicher Sachen gegen Ratenzahlung, 1891, S ..98 ff.; für Gleichstellung mit Eigentumsvorbehaltskauf: Lazarus, Das Recht des Abzahlungsgeschäfts nach geltendem Recht und nach dem BGB, 1898, S. 62; Samoje, Zwangsvollstreckung in Leihmöbel, 1907, S. 4; beide m. W.N. 26 KG OLGE 4, S. 366; KG KGBI1904, S. 38; OLG Dresden OLGE, 35, S. 181. 27 Bing, Vollstreckung in dem Schuldner nicht gehörige Sachen, Recht 1907, S. 1247; Frornherz, Vollstreckungsarten bei Leihmöbeln, JW 1913, S. 575 (576); Kuhnt, Nochmals zur Konkurrenz der Hypothekengläubiger und Vermieter bei Pfändung von LeihmöbeIn, JW 1913, S. 191; Samoje, Zwangsvollstreckung in Leihmöbel, 1907, S. 35 f. 28 Frornherz, Vollstreckungsarten bei Leihmöbeln, JW 1913, S.575 (576); Kuhnt, Nochmals zur Konkurrenz der Hypothekengläubiger und Vermieter bei Pfändung von LeihmöbeIn, JW 1913, S. 191. 29 Lazarus, Das Recht des Abzahlungsgeschäftes nach geltendem Recht und nach dem BGB, 1898, S. 122; Samoje, Zwangsvollstreckung in Leihmöbel, 1907, S. 10 f.

A. Die Vollstreckung in die Rechtsposition des Vorbehaltskäufers

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und damit vennögenswerten Besitz auf seiten des Eigentumserwerbers als Symbol des sich entwickelnden Eigentumsrechts zu erfassen 30, denn die Verwertung des bloßen Eigentumsverschaffungsanspruches des Käufers ohne Eigentumszuweisung an den Ersteigerer wurde bereits früh als wenig ertragreich erkannt 31 • Trotz der weitgehenden rechtlichen Absicherung des Eigentumsvorbehaltskäufers war und ist der Marktwert seiner Rechtsposition bis in die Gegenwart nur als gering anzusehen 32. Der Wirtschaftsverkehr kann wegen der kaum konkret vorstellbaren Qualität dieses Vennögensrechtes einen rational begründbaren Marktpreis nicht einmal annähernd entwickeln. Die Verwertung des Anwartschaftsrechts selbst wird daher regelmäßig zu keinem Ergebnis führen oder wie in dem angeführten Beispiel mehr einer Zerschlagung von Vennögensgegenständen des Schuldners gleichen als einen adäquaten Verwertungserlös erbringen. 2. Die Sachverwertung als Vollstreckungsziel

Ein tatsächlich für den Vollstreckungsgläubiger realisierbarer Vennögenswert schien nur in dem Anspruch des Käufers zu bestehen, das Eigentum an der Kaufsache zu erwerben. Diesem Recht wurde zudem wegen des damit verbundenen Besitzrechtes eine gewisse Strukturähnlichkeit zu einem Herausgabeanspruch im Sinne des § 847 ZPO beigelegt. In der Folge dessen sollte die Position des Vollstreckungsgläubigers nach einer Pfändung eben dieses Anspruches allein dazu dienen, ihm die Zahlung des Restkaufpreises anstelle des Vorbehaltskäufers an den Verkäufer zu ennöglichen. Die Leistung des Gläubigers führte dann den Bedingungseintritt herbei und machte den Erwerber zum Eigentümer. Dieses Eigentum konnte dann durch eine Sachvollstreckung und Verwertung gern. §§ 808, 817 ZPO zur Befriedigung des Gläubigeranspruches herangezogen werden. Aus der konsequenten Fortführung des Gedankens, daß der durch die Bedingungslehre verstärkte Anspruch auf die Eigentumsverschaffung der einzige Vermögenswert des Eigentumsvorbehaltskäufers sei, stellte sich der Ausschluß der Möglichkeiten von Vorbehaltseigentümer und Erwerber aus § 267 BGB als die zentrale Problematik des Verfahrens dar, denn das nur relativ wirkende Recht 30 Frornherz, Vollstreckungsarten bei Leihmöbeln, JW 1913, S. 575 f.; Lazarus, Das Recht des Abzahlungsgeschäftes nach geltendem Recht und nach dem BGB, 1898, S. 121 f.; Samoje, Zwangsvollstreckung in Leihmöbel, 1907, S. 34; so etwa RGZ 64,204 (207). 31 Frornherz, Vollstreckungsarten bei Leihmöbeln, JW 1913, S.575 (576); sowie bereits unter Anerkennung eines Anwartschaftsrechts: Kuhnt, Nochmals zur Konkurrenz des Hypothekengläubigers und Vermieters bei Pfändung von Leihmöbeln, JW 1913, S. 191; zum heutigen Meinungsstand vgl. unten: 2. Kap. II.2.b). 32 Scheinbar einziges Beispiel der Verwertung eines Anwartschaftsrechts bei: Boecker, Die Zwangsvollstreckung in das Anwartschaftsrecht aus aufschiebend bedingter Übereignung, 1956, S. 23 f. nach AG Zwickau, Sächs. Arch. 1909, S. 328 f.

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2. Kapitel: Die Lösungsansätze

des Käufers und zukünftigen Eigentümers konnte der Vollstreckungsgläubiger nur in dem Rechtszustand erfassen, den es bei dem Vollstreckungsschuldner erfahren hatte. Der Übereignungsanspruch war dort aber unzweifelhaft mit der Einwendungsmöglichkeit des § 267 BGB für die am Eigentumsvorbehaltskauf beteiligten Parteien behaftet. Die Regelung des § 267 Abs. 2 BGB kann bei einem Zusammenwirken von Vorbehaltseigentümer und Eigentumsvorbehaltskäufer die zwangsvollstrekkungsweise Befriedigung des titulierten Anspruches des Vollstreckungsgläubigers durch einen Zugriff auf das bedingte Recht des Käufers praktisch unbegrenzt verhindern 33. Die Parteien des Kaufvertrages haben es durch diese Vorschrift in der Hand, die Herbeiführung des Bedingungseintritts durch eine Zahlung des Vollstreckungsgläubigers auf die Kaufpreisschuld unmöglich zu machen. Der für die erstrebte Sachverwertung erforderliche Volleigentumserwerb des Käufers und Vollstreckungsschuldners kann auf nahezu unbegrenzte Zeit aufgehalten werden. Der Käufer selbst, der regelmäßig kein Interesse daran hat, Eigentum nur zu dem Zweck zu erwerben, einem Gläubiger Vollstreckungsobjekte zur Verfügung zu stellen, wird auf die Restkaufpreisforderung, soweit sie im Moment der Vollstreckung noch nicht erfüllt ist, nicht mehr leisten. Einer Leistung des Vollstreckungsgläubigers, die nach § 267 Abs. 1 BGB grundsätzlich möglich wäre, wird er nach § 267 Abs. 2 BGB zulässigerweise widersprechen, da sonst bei einer Verwertung des Eigentums seine bereits erbrachten Zahlungen ohne Nutzen für ihn zu einer Befriedigung des Gläubigers dienen würden. Der Vorbehaltseigentümer und Verkäufer schließlich, der im Rahmen des § 267 Abs.2 BGB über die Annahme des Leistungsangebotes zu entscheiden hat, wird sich im Regelfalle diesem Wunsch des Eigentumsvorbehaltskäufers fügen und die Zahlung des Vollstreckungsgläubigers ablehnen. Er muß befürchten bei einem Verhalten gegen den erklärten Willen des Käufers, seines Geschäftspartners, einen Kunden zu verlieren, während ihm aus der Nichtannahme der Leistung kein Nachteil erwächst, da er die Geschäftsbeziehung mit dem Eigentumsvorbehaltskäufer für die Zukunft erhält. Zumeist wird er demgegenüber mit dem Vollstreckungsgläubiger keine Geschäftsbeziehung unterhalten. Die Befriedigung seiner Forderung gegen den Käufer ist schließlich durch den dort vereinbarten Eigentumsvorbehalt ausreichend gesichert. Diese Rechtslage steht aber im Widerspruch zu den Intentionen und der gesamten Regelungskonzeption des Vollstreckungsrechtes. Danach erhält der Vollstrekkungsgläubiger als Ausgleich für das ihm wegen des staatlichen Gewaltmonopols fehlende Selbsthilferecht zur Durchsetzung seiner titulierten Forderungen gegen andere Privatrechtssubjekte ein subjektiv-öffentliches Recht auf die Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, einen Leistungsanpruch gegen den 33 Fromherz, Vollstreckungsarten bei Leihmöbeln, JW 1913, S. 575 f.; Lazarus, Das Recht des Abzahlungsgeschäftes nach geltendem Recht und nach dem BOB, 1898, S. 121 f.; Samoje, Zwangsvollstreckung in Leihmöbel, 1907, S. 34 ff.

A. Die Vollstreckung in die Rechtsposition des Vorbehaltskäufers

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Staat. Die Möglichkeiten der Einflußnahme Privater auf dieses hoheitliche Verfahren sind streng auf den Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Befugnisse beschränkt. In plan widriger Durchbrechung dieses Grundsatzes gäbe die oben beschriebene Anwendung des § 267 Abs. 2 BGB den Parteien des Eigentumsvorbehaltskaufes als Privatrechtssubjekten die faktische Möglichkeit, den Staat an der Durchführung seiner Aufgaben in Form der Erfüllung des subjektiv-öffentlichen Anspruches des Vollstreckungsgläubigers zu hindern 34• Um zu verhindern, daß die vollstreckungsrechtliche Realisierung von Vermögenswerten eines Schuldners auf diesem Wege zum Nachteil eines Dritten aufgehalten werden kann, wurde versucht, die Qualität der Rechtsfolge des hoheitlichen Eingriffes in Form der Vollstreckungsmaßnahme umzudeuten und ihr verstärkte zivilrechtliche Folgen beizumessen. Der zunächst beschrittene Weg, die Ablehnung des Restkaufpreises durch den Vorbehaltseigentümer nach einer Vollstrekkungsmaßnahme als rechtsmißbräuchlich und unzulässig zu qualifizieren 35, wurde bald als nicht zutreffend erkannt 36• Gleich, ob dem Vollstreckungsgläubiger lediglich im Interventionsprozeß des Vorbehaltseigentümers eine Einrede aus § 242 BGB gegeben - oder ob an die Ablehnung die Rechtsfolge des § 162 BGB 37 geknüpft wurde, war man nicht in der Lage konstruktiv zu begründen, warum die Erfassung des Eigentumsverschaffungsanspuches des Vollstreckungsschuldners die Befugnis des Vorbehaltseigentümers aus § 267 Abs. 2 BGB, die Leistungserbringung durch einen anderen als den persönlichen Schuldner abzulehnen, beschneiden sollte. Eine zivilrechtliche Pflicht zu nur sachgemäßer Rechtsausübung gibt es nicht 38 und kann auch durch die Grundsätze des Zwangsvollstreckungsrechtes nicht begründet werden. Zudem wird durch die Vollstrekkungsmaßnahme im Verhältnis zum Vorbehaltseigentümer nur das auf Eigentumsübertragung gerichtete Recht des Eigentumsvorbehaltskäufers, nicht aber dessen Leistungspflicht erfaßt. Aus dem gleichen Grunde konnte andererseits dem Schuldner wegen einer solchen Vollstreckungsmaßnahme die Ausübung seines Widerspruchsrechtes 34 In diesem Sinne auch: Georgiades, Die Eigentumsanwartschaft beim Vorbehaltskauf, 1963, S. 141 m.w.N. in Fn. 17. 35 KG, Rechtsprechung der OLG IV, S. 366; Kuhnt, Nochmals zur Konkurrenz des Hypothekengläubigers und Vermieters bei Pfändung von Leihmöbeln, JW 1913, S. 191; Lazarus, Das Recht des Abzahlungsgeschäftes nach geltendem Recht und nach dem BGB, 1898, S. 112; Nußbaum, Die Pfändbarkeit der sogenannten Leihmöbel, KGBL 1904, S. 53. 36 Bing, Vollstreckung in dem Schuldner nicht gehörige Sachen, Recht 1907, S. 1247; Samoje, Zwangsvollstreckung in Leihmöbel, 1907, S. 42 ff.(48); KG OLGE, 20, S. 349. 37 Kuhnt, Nochmals zur Konkurrenz des Hypothekengläubigers und Vermieters bei Pfändung von Leihmöbeln, JW 1913, S. 191; Lazarus, Das Recht des Abzahlungsgeschäftes nach geltendem Recht und nach dem BGB, 1898, S. 112; Nußbaum, Die Pfändbarkeit der sogenannten Leihmöbel, KGBL 1904, S.53; KG, Rechtsprechung der OLG IV,

S.366. 38

Vgl. auch Samoje, Zwangsvollstreckung in Leihmöbel, 1907, S. 44.

3 Banke

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2. Kapitel: Die Lösungsansätze

nicht verboten werden. Die Möglichkeit des § 267 Abs. 2 BGB ist allein Ausfluß seiner schuldrechtlichen Schuldnerposition. Sie wird von einer Pfändung seiner GläubigersteIlung im Hinblick auf den Eigentumsverschaffungsanspruch nicht erfaßt 39 • Andererseits kann sie mangels eines eigenen wirtschaftlichen Vermögenswertes aber auch nicht selbst Gegenstand eines zwangsvollstreckungsrechtlichen Zugriffes des Vollstreckungsgläubigers sein. Es bestand mithin für ihn keine Möglichkeit, diese Befugnis im Vollstreckungswege zu erfassen und als reine Leistungspflicht selbst auszuüben 4O • Sogar der Versuch einer Hilfspfändung mußte schließlich scheitern, weil die Möglichkeit des Widerspruches im Sinne von § 267 Abs. 2 BGB ohne Einfluß auf Bestehen und Durchsetzbarkeit des Eigentumsverschaffungsanspruches ist und zur Ausübung der Rechte des Vollstreckungsgläubigers nicht unerläßlich erscheint. Bleibt es doch immer allein dem Vorbehaltseigentümer überlassen, ob er der Pflicht zur Übereignung auch ohne Zahlung des Kaufpreises durch den Käufer nachkommen will oder nicht. Eine Lösung dieser Probleme wurde erst auf der Grundlage neuerer Erkenntnisse über das Wesen der Rechtsstellung des Eigentumsvorbehaltskäufers und der Anerkennung einer eigenständigen, vom obligatorischen Eigentumsverschaffungsanspruch weitestgehend losgelösten Rechtsposition auf seiner Seite möglich.

n. Der Rechtspfändungsansatz 1. Die Grundthesen

Nachdem sich in der rechtswissenschaflichen Forschung und auch in der Rechtsprechung überwiegend die Ansicht durchgesetzt hatte, daß die Rechtsposition des Eigentumsvorbehaltskäufers sich nicht in einem zwar verstärkten, seiner Rechtsnatur nach aber nur nur relativ wirkenden Anspruch erschöpft, sondern daß ein neues subjektives Recht entsteht 41 , wurde nach anderen konstruktiven Möglichkeiten gesucht, die bekannten Probleme umfassend und befriedigend zu lösen. Ein Lösungsansatz geht davon aus, daß es sich bei dem Anwartschaftsrecht aus Eigentumsvorbehalt um ein völlig selbständiges Recht mit einer eigenen spezifischen Rechtsnatur, ein Recht "sui generis", handelt und macht diesen Grundgedanken zum Ausgangspunkt einer Bewältigung auch der zwangsvoll39 So schon Samoje, Zwangsvollstreckung in Leihmöbel, 1907, S. 40 f.; heute für das Anwartschaftsrecht, Georgiades, Die Eigentumsanwartschaft beim Vorbehaltskauf, 1963, S. 139 a.E. 40 Samoje, Zwangsvollstreckung in Leihmöbel, 1907, S. 40 f.; Sponer, Das Anwartschaftsrecht und seine Pfändung, 1965 S. 148 m.w.N. 41 So schon Samoje, Zwangsvollstreckung in Leihmöbel, 1907, S. 10, m. w.N.; vgl. statt aller Rühl, Eigentumsvorbehalt und Abzahlungsgeschäft, 1930, S. 87; RGZ 140, S.223 (225 f.); im einzelnen dann unten 3. Kap. zum Anwartschaftsrecht.

A. Die Vollstreckung in die Rechtsposition des Vorbehaltskäufers

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streckungsrechtlichen Problematik. Die neue Rechtsfigur entspricht demnach nicht dem allumfassenden Herrschaftsrecht des Eigentums, das den Regeln der Sachpfändung nach § 808 ff. ZPO zu unterwerfen ist, noch greifen mangels eines auf Geldleistung gerichteten Anspruches die Regeln der Forderungspfändung gern. § 829 ff. ZPO ein. Schließlich ist auch die Anwendung des § 847 ZPO auf der Grundlage der neuen Erkenntnisse nicht mehr denkbar. Der bereits im Sachbesitz befmdliche Eigentumsvorbehaltskäufer kann wegen der insofern schon eingetretenen Erfüllung keinen schuldrechtlich oder dinglich gearteten Herausgabeanspruch bezüglich des Sachbesitzes mehr gegen den Vorbehaltseigentümer haben. Ein solcher Anspruch besteht vielmehr nur noch aufschiebend bedingt zugunsten des Vorbehaltseigentümers für den Fall der Nichterfüllung der Kaufpreisforderung durch den Käufer und einer daher erforderlich werdenden Rückabwicklung des Schuldverhältnisses. Aufgrund des vom Verkäuferwillen unabhängigen Eigentumsüberganges existiert aber andererseits auch kein vollstreckungsrechtlich erfassbarer Eigentumsverschaffungsanspruch mehr gegen den Vorbehaltseigentümer 42 . Dieser hat bereits alles getan, um dem Eigentumsvorbehaltskäufer das Eigentum zu verschaffen und seine vormalige Verpflichtung zur Leistung besteht nun nur noch als Rechtsgrund für den bedingten Rechtsübergang fort. Ein möglicherweise vermögenswerter und damit vollstreckungsrechtlich verwertbarer Leistungsanspruch ist nicht mehr existent. Es ergibt sich damit nach dieser Auffassung praktisch im Subtraktionsweg die Möglichkeit einer Vollstreckung nach der Generalklausel des § 857 ZP043. Durch die Rechtspfändung nach dem § 857 ZPO soll die Anwartschaftsrechtsposition des Eigentumsvorbehaltskäufers selbst vollstreckungsrechtlich erfaßt und zugunsten des Vollstreckungsgläubigers mit einem Pfändungspfandrecht an eben diesem Anwartschaftsrecht als solchem versehen werden. Wie bereits oben 44 dargestellt wurde, entspricht aber die zwangsweise Verwertung eines Anwartschaftsrechts selbst den Interessen der am Eigentumsvorbehaltskauf und dem Zwangsvollstreckungsverfahren Beteiligten im allgemeinen nicht. Anwartschaftsrechte unterliegen wegen ihrer schwer verständlichen rechtlichen. Kon42 So auch bereits Lazarus, Das Recht des Abzahlungsgeschäftes nach geltendem Recht und nach dem BGB, 1898, S. 121; Meister, Die Pfändung aufschiebend bedingten und künftigen Eigentum, NJW 1959 S. 608 (609); Rühl, Eigentumsvorbehalt und Abzahlungsgeschäft, 1930, S. 168/194; Stöber, Forderungspfändung, 8. Aufl. 1987, Rn. 1487, insbes. Fn. 3; Walter, Kaufrecht, 1987, S. 449; BGH, NJW 1954 S. 1325 (1328), deutlicher aber: BGHZ 20, S. 88 (100). 43 Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 14. Aufl. 1987, § 59 V.4.a); Letzgus, Die Anwartschaft des Käufers unter Eigentumsvorbehalt, 1938 S. 40; Medicus, Bürgerliches Recht, 14. Aufl. 1989, Rn. 486; Müller, Sachenrecht, 1988, Rn. 2443; Rühl, Eigentumsvorbehalt und Abzahlungsgeschäft, 1930, S.171; Stöber, Forderungspfändung, 8. Aufl. 1987, Rn. 1487; Strutz, Pfändung der Eigentumsanwartschaft bei einer beweglichen Sache und Zustellung an den Drittschuldner, NJW 1969, S.831; Weber, Sicherungsgeschäfte, 3. Aufl. 1986, S. 126; RGZ 140, S. 223 (225); nur im Ansatz zustimmend: BGH NJW 1954, S. 1325. 44 Vgl. 2. Kap. A.1.1. a. E. 3*

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2. Kapitel: Die Lösungsansätze

struktion im Rechts- und Wirtschaftsverkehr keiner konkreten Wertvorstellung. Ihre Verwertung wird daher zumeist nicht einmal annähernd den wirklichen Wert der in dem Recht tatsächlich verkörperten Vermögensposition erbringen, da es faktisch an konkurrierenden Kaufinteressenten in der Versteigerung fehlen wird 45 , die als Grundvoraussetzung einer sinnvollen Preisbildung unerläßlich sind. Dies ziehen auch die meisten Vertreter der Rechtspfändungstheorie nicht in Zweifel 46 und gehen daher davon aus, daß die Pfändung nach § 857 ZPO nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer Sach-, beziehungsweise Eigentumsverwertung sein kann. Als deren essentielle Voraussetzung wird auch hier zunächst die Herbeiführung des Vollrechtserwerbes auf seiten des Schuldners gesehen, da die Versteigerung des Vollstreckungsobjektes nach § 817 ZPO sich als hoheitlicher Zugriff auf das Eigentum darstellt, der nach dieser Ansicht nur zulässig sein kann, falls dem Vollstreckungsschuldner dieses Eigentum auch tatsächlich zusteht. Der erforderliche Eigentumsübergang soll, wie auch bei den geschilderten historischen Auffassungen, durch die Herbeiführung des Bedingungseintritts in Form einer Restkaufpreiszahlung durch den Vollstreckungsgläubiger anstelle des Käufers bewirkt werden. In der Durchführung einer solchen Rechtspfändung nach § 857 ZPO wird zunächst ein Lösungsansatz für das alte Problem des § 267 Abs. 2 BGB und das die Vollstreckung hindernde Widerspruchsrecht des Käufers und Vollstreckungsschuldners gegen eine Erfüllung des Restkaufpreisanspruches durch einen Dritten gesehen. Die Zwangsvollstreckung in das Anwartschaftsrecht hat nach dieser Theorie die Wirkung, daß die gesamten rechtlichen Befugnisse des Eigentumsvorbehaltskäufers einschließlich seines Widerspruchsrechts durch das nach § 829 Abs. 2 S. 1 ZPO eintretende Inhibitorium mit einem Verfügungsverbot zugunsten des Vollstreckungsgläubigers belegt werden. Daraus wird die Folge abgeleitet, daß der Käufer in seiner Eigenschaft als Vollstreckungsschuldner gehindert ist, dieses Recht zu lasten seines Gläubigers auszuüben, da auch der Widerspruch nach § 267 BGB dem erweiterten Verfügungsbegriff des § 829 Abs. 2 S. 1 ZPO unterfällt 47 • Lehnt der Vorbehaltseigentümer und Verkäufer die Annahme der Leistung durch den Vollstreckungsgläubiger trotz des dann unwirksamen Widerspruches des Eigentumsvorbehaltskäufers ab, so soll zugunsten des vollstrekkenden Gläubigers die Bedingung nach § 162 Abs. 1 BGB als eingetreten gelten 48. 45 Einziges bekanntes Beispiel: AG Zwickau, Sächs. Arch. 1909, S. 328 f., dort wurde ein Anwartschaftsrecht im Wert von ca. 1 000.- Mark für 10.- Mark versteigert; zitiert nach Boecker, Die Zwangsvollstreckung in das Anwartschaftsrecht aus aufschiebend bedingter Übereignung, 1956, S. 23 f. 46 Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 14. Aufl. 1987, § 59 VA.a); Baur / Stürner, Zwangsvollstreckungs- Konkurs- und Vergleichsrecht, 11. Aufl. 1983, Rn. 550; Medicus, Bürgerliches Recht, 14. Aufl. 1989, Rn. 486; Müller, Sachenrecht, 1988, Rn. 2443; Weber, Sicherungsgeschäfte, 3. Aufl. 1986, S. 126. 47 Rühl, Eigentumsvorbehalt und Abzahlungsgeschäft, 1930, S. 172; BGH NJW 1954, S. 1325, sowie die zuvor in Fn. 46 Genannten.

A Die Vollstreckung in die Rechtsposition des Vorbehaltskäufers

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Er ist dann wegen des damit verbundenen Vollrechtserwerbes des Schuldners zur Verwertung des Sacheigentums selbst berechtigt.

2. Kritik

a) Die Problematik des § 267 BGB Ob dieser Schluß zulässig ist, muß allerdings angezweifelt werden, da gerade die Feststellung, daß es sich bei dem Anwartschaftsrecht um ein selbständiges Recht handelt, wiederum die bereits oben 49 im Zusammenhang mit der schuldrechtlichen Auffassung vom Anwartschaftsrecht aufgezeigten Bedenken aufkommen läßt. Die Pfändung der insbesondere durch die bedingte Übereignung mit sachenrechtlichen Vorwirkungen ausgestatteten Rechtsposition des Eigentumsvorbehaltskäufers ist grundsätzlich nicht in der Lage, die nur auf das Kausalverhältnis bezogenen Befugnisse des Käufers zu erfassen 50. Der Wortlaut des § 267 BGB aber und seine gesetzessystematische Einordnung in den Bereich des allgemeinen Schuldrechts zeigen, daß es sich hier um die Festlegung ausschließlich schuldrechtlicher Befugnisse des Eigentumsvorbehaltskäufers in seiner Eigenschaft als Schuldner des Kaufpreisanspruches handelt. Das Anwartschaftsrecht ist zwar in seinem wirtschaftlichen Wert und seiner rechtlichen Existenz wesentlich geprägt durch das zugrundeliegende Kausalverhältnis, aber die durch das Abstraktionsprinzip vorgeschriebene strenge Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungs geschäft kann nicht ohne zwingende Gründe zugunsten einer pauschalierenden Gesamtbetrachtung übergangen werden. Dieses Ergebnis wird zusätzlich durch die von der Mehrzahl der Autoren vertretene Ansicht bestätigt, daß es sich bei dem Anwartschaftsrecht aus Eigentumsvorbehaltskaufum eine echte dingliche Rechtsposition 51 handelt. Bei konsequenter Befolgung dieser Auffassung ist der Schluß zu ziehen, daß die Vollstrekkung in das Anwartschaftsrecht eine Erfassung der zugrunde liegenden schuld48 Statt aller: Gerhardt, Grundbegriffe des Vollstreckungs- und Insolvenzrechts, 1985, Rn. 134; Palandt, BGB, 48. Aufl. 1989, Anm. 6. D.a)cc); Stein / Jonas / Münzberg, ZPO, 20. Aufl. 1986, Rn. 85 zu § 857 ZPO; Weber, Sicherungsgeschäfte, 3. Aufl. 1986, S. 125 beide letztgenannten m. w.N.; BGH NJW 1954, S. 1325 (1328). 49 Vgl. oben 2. Kap. AI.2., sowie Angaben in Fn. 38 f.

50 Boecker, Die Zwangsvollstreckung in das Anwartschaftsrecht aus aufschiebend bedingter Übereignung, 1956, S. 110 f.; Eichenhofer, Anwartschaftslehre und Pendenztheorie, AcP 185 (1985), S. 162 (181); Georgiades, Die Eigentumsanwartschaft beim Vorbehaltskauf, 1963, S. 139 a.E.; Peters, Die Pfändung einer unter Eigentumsvorbehalt veräußerten Sache, 1970, S. 73 f. 51 Vgl nur: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 14. Aufl. 1987, § 59 V.I.; Müller, Sachenrecht, 1988, Rn. 2434; Weber, Sicherungsgeschäfte, 3. Aufl. 1986, S. 120; einschränkend BGH NJW 1980, S. 175 (176); a. A etwa: Georgiades, Die Eigentumsanwartschaft beim Vorbehaltskauf, 1963, S. 110 f.; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. 1 1963, S. 246 f.

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2. Kapitel: Die Lösungsansätze

rechtlichen Beziehungen schlechthin ausschließt. Das schuldrechtliche Band der Vertragsparteien kann dann durch die auf die dingliche Ebene einwirkende hoheitliche Vollstreckungsmaßnahme nicht beeinträchtigt werden. Auch die öffentlich-rechtlichen Verfahrensvorschriften des Vollstreckungsrechtes sind nicht in der Lage, die Grundsätze des Zivilrechts, wie sie auch durch das Abstraktionsprinzip verkörpert werden, zu überwinden. Die Systematik des Zwangsvollstreckungsrechts in §§ 803 ff. ZPO ist vielmehr darauf ausgerichtet im Rahmen des materiellen Zivilrechts und unter Beachtung der dort getroffenen Regelungen in Vermögensrechte eines Vollstreckungsschuldners einzugreifen und ihren Wert zur Befriedigung der titulierten Forderung zu realisieren. Das materielle Recht allein bestimmt über die Zuordnung einzelner Sachen zu dem Vermögen einer Person und regelt zugleich den Umfang und Inhalt der Berechtigung. Erst aufgrund dieser Vorgaben kann mit vollstreckungsrechtlichen Verfahren, die dann aber die materiellrechtlichen Besonderheiten jedes der zum Schuldnervermögen gehörenden Rechte zu berücksichtigen haben, ein konkreter Vermögens gegenstand erfaßt werden. Das Zwangsvollstreckungsverfahren baut mithin -auf der durch das materielle Recht geschaffenen Vermögensordnung auf, es kann aber nicht außerhalb der gesetzlich festgelegten Grenzen rechtsgestaltend in materiellrechtlich defmierte Vermögenspositionen eingreifen, ihren Inhalt und damit aber auch ihre Rechtsqualität verändern. Nur mit Hilfe einer solchen scharfen Funktionsaufteilung zwischen beiden Rechtsmaterien kann dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot, dem der einseitige staatliche Eingriff in die Rechtssphäre eines Schuldners unterfallt, im Hinblick auf die verschiedenartigen Rechtspositionen des Privatrechts in ihrer Eigenschaft als potentiellen Vollstreckungsobjekten Genüge getan werden. Die Normen des Zwangsvollstreckungsrechtes setzen in ihrer Funktion eine durch die Regelungen des materiellen Zivilrechts geschaffene Vermögens ordnung voraus und dienen gerade nicht dazu, diese zu durchbrechen oder weiter als im Rahmen der Zweckbestimmung des gesamten Zwangsvollstreckungsverfahrens inhaltlich umzugestalten. Der vOllstreckungsrechtliche Zugriff auf eine dingliche Rechtsposition kann daher im Rahmen seiner spezifischen materiell- und vermögensrechtlichen Zielrichtung, die wegen des Rechtsstaatsprinzips zugleich seine Fähigkeit, materiellrechtliche Sachverhalte inhaltlich zu beeinflussen, beschränkt, das schuldrechtliche Kausalverhältnis nicht erreichen. Insofern ist eine Durchbrechung des Abstraktionsprinzips vom Gesetz selbst nicht vorgesehen. Die Lösung einer Problematik aber ist grundsätzlich und in erster Linie innerhalb des Systems zu suchen. Der Versuch der Bewältigung von Detailproblemen darf nicht zur sofortigen Aufgabe der Grundsätze des Gesamtgefüges führen. Durchbrechungen sind nur zulässig, falls sie unvermeidlich werden, das heißt zur Lösung sonst unauflösbarer Wertungswidersprüchen zwischen der Rechtslage, wie sie sich "de lege lata" darstellt, und der eigentlich hinter den Normen stehenden Gesetzesintention als

A. Die Vollstreckung in die Rechtsposition des Vorbehaltskäufers

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dem Ausdruck des dem Rechtssystem insgesamt zugrundeliegenden "consensus omnium". Wie auch bereits oben S2 dargestellt wurde, ist das Widerspruchsrecht des Schuldners aus § 267 Abs. 2 BGB darüberhinaus auch im Wege einer Hilfspfändung nach § 857 ZPO nicht erfassbar. Es hat schlechthin keinen in einem Zwangsvollstreckungsverfahren realisierbaren eigenen Vermögens wert und ist zudem für die Existenz und das Fortbestehen des dinglichen Anwartschaftsrechts völlig ohne Bedeutung 53, denn die Ausübung des Widerspruchsrechtes bleibt mangels einer anderslautenden Regelung ohne jeden rechtlichen Einfluß auf den dem Anwartschaftsrecht zugrundeliegenden Eigentumsvorbehaltskauf. Zusammenfassend ergibt sich, daß diese Theorie nicht in der Lage ist, das selbst gesetzte Ziel zu erreichen. Es wird hier, wie bei den bereits geschilderten historischen Auffassungen, das Eigentumsrecht als einziger vollstreckungsrechtlich realisierbarer Vermögenswert gesehen. Andererseits gehen auch die Vertreter dieser Ansicht davon aus, daß eine Eigentumsverwertung aber grundsätzlich nur rechtmäßig ist, falls mit einem Pfändungspfandrecht des Gläubigers belastetes Eigentum des Schuldners versteigert wird. Um das für die Entstehung des Pfändungspfandrechts notwendige Schuldnereigentum an dem Vollstreckungsobjekt herzustellen, muß dem Gläubiger schließlich auch nach dieser Ansicht die Bezahlung des Restkaufpreises ermöglicht werden, die dann den Vollrechtserwerb bei dem Schuldner bewirkt. Die sichere Eröffnung dieser Möglichkeit unter Ausschluß einer möglichen Beeinträchtigung des Vollstreckungsverfahrens durch die am Eigentumsvorbehaltsgeschäft Beteiligten vermag aber eine Rechtspfändung des Anwartschaftsrechts nach § 857 ZPO - wie gezeigt - gerade nicht zu erreichen. b) Die Schaffung einer Sachverwertungsmöglichkeit Ausgehend von dem Gedanken, daß das Anwartschaftsrecht ein wesenseigenes Recht ist und seiner Rechtsnatur nach dem Eigentum gerade nicht entspricht, ergibt sich aus der reinen Rechtspfändung des Anwartschaftsrechts nach § 857 ZPO eine weitere Problematik, die zunächst einem sinnvollen und interessengerechten Vollstreckungsverfahren entgegensteht. Wie sich bereits aus der historischen Betrachtung der Problematik ergeben hat 54, ist der Marktwert eines Anwartschaftsrechts trotz der weitgehenden rechtlichen Absicherung dieser Rechtsposition so gering, daß eine vollstreckungsweise Verwertung des Anwartschaftsrechts

Vgl. oben A.I.2. a. E. Bauknecht, Die Pfändung des Anwartschaftsrechts aus bedingter Übereignung, NJW 1954, S. 1749 (1750); Samoje, Zwangsvollstreckung in Leihmöbel, 1907, S. 40 f.; Sponer, Das Anwartschaftsrecht und seine Pfändung, 1965, S. 148 m. w.N. 54 Vgl. 2. Kap. A.I.1. Fn. 31. S2 53

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2. Kapitel: Die Lösungsansätze

als solchem wenig sinnvoll erscheint 55. Potentielle Erwerber haben bei der Versteigerung von Mobilien lediglich ein Interesse an dem Volleigentum und der damit verbundenen umfassenden Herrschaftsmacht des Eigentümers aus § 903 BGB. Die allein erfolgversprechende Sachverwertung, die dem Erwerber iin Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens nach § 808 ff. ZPO durch eine Versteigerung das volle Eigentum verschafft, ist aber Ausdruck des Zugriffes auf den durch das Eigentumsrecht verkörperten Vermögenswert 56• Dieses ist aber nach dem Grundgedanken der Rechtspfändungstheorie gerade nicht mit dem Anwartschaftsrecht identisch, das den bei dem Schuldner zu erfassenden Vermögens wert darstellt. Bei strikter Befolgung dieses Grundsatzes kommmt es zu einer unbefriedigenden Konsequenz. Zwar soll der Vollstreckungsgläubiger nach Pfändung des Anwartschaftsrechtes durch die Bezahlung des Restkaufpreises den Bedingungseintritt herbeiführen und so die Grundlage für eine Sachverwertung des dann entstandenen Schuldnereigentums schaffen können. Wegen der Rechtsfolgen der Bedingungslehre insbesondere des § 158 Abs. 1 BGB aber wird das Anwartschaftsrecht automatisch von dem entstehenden Vollrecht des Eigentums ersetzt, sobald die Bedingung eintritt. Es hört auf in seiner ursprünglichen Rechtsqualität zu existieren und geht unter. Mit dem Untergang des Anwartschaftsrechts aber fallen auch sämtliche an ihm bestehenden Rechte einschließlich etwaiger Pfändungspfandrechte ersatzlos fort 57. Der Vollstreckungsgläubiger, der den restlichen Kaufpreis bezahlt und das Anwartschaftsrecht zum Vollrecht erstarken läßt, um eine Sachverwertung zu ermöglichen, bewirkt den Untergang eben dieses Anwartschaftsrechts. Er beseitigt damit zugleich seine eigene in der Vollstreckung erworbene Rechtsposition in Form des Pfändungspfandrechts an dem Anwartschaftsrecht. Es fehlt damit zunächst an jeglichem Rechtsgrund für eine Auskehr eines etwaigen Verwertungserlöses an den Vollstreckungsgläubiger. Das gesamte Verfahren war damit für den Gläubiger zwecklos, seine Aufwendungen auf den Restkaufpreis zunächst vergeblich. Um dieses widersinnige Ergebnis zu vermeiden werden von den Vertretern dieser Theorie, die als Ansatzpunkt einer vollstreckungsrechtlichen Erfassung 55 Statt aller: Flurne, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Bd. ,3. Auf!. 1979, § 42.4.f); Stöber, Forderungspfändung, 8. Auf!. 1987, Rn. 1494; Palandt/Bassenge, BGB, 48. Auf!. 1989, Anm. 6.D.b) zu § 929; Raiser, Dingliche Anwartschaften, 1961, S. 90; H. P. Westermann, MÜßchener Kommentar zum BGB, 2. Auf!. 1988, Rn. 74 a.E. zu § 455. 56 Bauknecht, Die Pfändung des Anwartschaftsrechts aus bedingter Übereignung, NJW 1954 S. 1749 ff. (1751); Blomeyer, Zivilprozeßrecht 11 - Vollstreckungsverfahren -, 1975, § 45 4.1, S. 194; Marotzke, Das Anwartschaftsrecht ein Beispiel sinnvoller Rechtsfortbildung?, 1977, S. 106; Raiser, Dingliche Anwartschaften, 1961, S. 91. 57 Im einzelnen unten 2. Kap. A.lV.1., vgl. hier nur statt aller: Reinicke / Tiedtke, Kaufrecht, 3. Auf!. 1987, S. 257 f.; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. 1 1963, S. 305; Stöber, Forderungspfändung, 8. Auf!. 1987, Rn. 1490; ders. in Zöller, ZPO, 15. Auf!. 1987, Rn. 6 zu § 857; BGH NJW 1954, S. 1325 f.

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des Anwartschaftsrechts eine Rechtspfändung gern. § 857 ZPO für erfoderlich halten, grundsätzlich drei Möglichkeiten vorgeschlagen, um dem Vollstreckungsgläubiger den Verwertungserlös zur Befriedigung seiner Forderung zu verschaffen. Ein Teil der Autoren und auch die Rechtsprechung nimmt dieses aus den materiellrechtlichen Besonderheiten des Anwartschaftsrechts resultierende Ergebnis als unumgänglich hin und sucht eine am Zwangsvollstreckungsverfahren ansetzende Lösung zu entwickeln, die berücksichtigt, daß nur eine Verwertung des Eigentumsrechtes nach § 817 ZPO interessengerecht erscheint. Es wird hier in erster Linie auf den Gedanken zurückgegriffen, daß für das Eigentum als dem für die Vollstreckung relevanten Vermögenswert ein gesetzlich geregeltes Verfahren in den §§ 808 ff. ZPO zur Verfügung steht. Die Lösung der Problematik, die sich aus dem Wechsel der Rechtsnatur des Anwartschaftsrechtes bei Bedingungseintritt ergibt, soll durch eine kumulative Anwendung der Rechts- und Sachpfändung erreicht werden. Der Vollstreckungsgläubiger muß mithin nach der Pfändung des Anwartschaftsrechts in einem zweiten Verfahrensschritt zusätzlich die Sachpfändung betreiben, um auch an dem nach Zahlung des Restkaufpreises neu entstehenden Eigentum des Schuldners ein Pfändungspfandrecht zu erhalten. Diese Theorie der sog. "Doppelpfändung" wird später noch eingehend zu behandeln und kritisch zu würdigen sein 58. aa) Der Surrogationsgedanke Eine andere Autorengruppe ~tützt ihren Lösungsvorschlag auf materiellrechtliche Erwägungen aus dem Bereich der Pfandrechtsvorschriften des BGB. Ausgehend von der Tatsache, daß, soweit keine spezialgesetzlichen Regelungen vorliegen, das Pfändungspfandrecht des § 804 Abs. 1 ZPO den Regeln der §§ 1204 ff. und 1273 ff. BGB unterworfen ist 59, wird der Surrogationsgedanke der §§ 1247, 1287 BGB als Grundlage einer Argumentation genutzt. Zur Lösung der Frage, ob ein Pfändungspfandrecht, das an einem Anwartschaftsrecht auf Eigentumserwerb entstanden war, bei Eintritt der Bedingung für den Vollrechtserwerb am Eigentum fortbestehen kann, wird eine Parallele insbesondere zu der Regelungskonzeption der §§ 1287 BGB und 847 ZPO gezogen. Mit Eintritt der Bedingung und Erstarken des Anwartschaftsrechts zum Vollrecht soll analog §§ 1287 BGB und 847 ZPO eine dingliche Surrogation des ehedem am Anwartschaftsrecht existenten Pfändungspfandrechts an der Sache selbst, beziehungsweise dem Eigentum daran, stattfinden 60. Vgl. unten 2. Kap. A.lV. Statt aller: Brox / Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 2. Auf!. 1988, Rn. 374; Zöller / Stöber, ZPO, 15. Auf!. 1987, § 804 Rn. 2; beide ffi. w.N. 60 Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 14. Auf!. 1987, § 59 V.4.a); Baur / Stümer, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, 11. Auf!. 1983, Rn. 550; Larenz, 58

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2. Kapitel: Die Lösungsansätze

Diesem Ansatz ist insoweit zuzustimmen, als davon ausgegangen wird, daß dem deutschen Zivilrecht die Möglichkeit einer Surrogation von Rechten bekannt ist. Der Untergang eines Rechtes muß nach den gesetzlichen Regelungen zum Beispiel in §§ 1247, 1287 BGB, 847 ZPO nicht zwangsläufig zum ersatzlosen Verlust jeglicher Rechtspositionen, die an diesem Recht bestanden haben, führen. Es wird in diesem Lösungsversuch aber übersehen, daß die Rechtsfolge einer dinglichen Surrogation immer nur bei Vorliegen genau festgelegter Tatbestandsmerkmale eintreten kann. Die analoge Anwendung einer Norm oder des Regelungsgedankens einer Normengruppe im Wege der Rechtsanalogie setzt aber voraus, daß Normzweck und Interessenlage bei dem analog zu lösenden Fall derjenigen des gesetzlichen Regelfalles entsprechen 61 • Dies ist aber bei der hier zu erörternden Problematik nicht der Fall. Die Gemeinsamkeit sämtlicher Regeln bezüglich der Surrogation von Rechten ist darin zu sehen, daß ein Ausgleich des Interesses eines einzelnen Rechtsinhabers am Fortbestand seiner Rechtspositon und den Interessen der Allgemeinheit an der Eindeutigkeit und Erkennbarkeit der dinglichen Rechtslage an einer Sache geschaffen wird. Maßgebliches Kriterium zur Schaffung eines solchen Interessenausgleichs ist Erkennbarkeit der individuellen Rechtsposition nach außen, deren Publizität für den Rechtsverkehr. Der durch die Dogmatik vorgeschriebene Rechtsverlust unterbleibt, sofern der Rechtsverkehr zuvor die Möglichkeit hatte, die bedrohte Rechtsposition zu erkennen und sich auf ihre Existenz einzustellen 62. Dies gilt für alle von den Grundsätzen der Surrogation erfaßten Rechte, einschließlich des besitzlosen Vermieterpfandrechtes, bei dem der Berechtigte zwar keinen Besitz an der Sache hat, dafür aber eine andere räumliche Beziehung als Publizitätsmerkmal seiner Berechtigung an der Sache vorliegt 63. Fehlt es an dem jeweiligen Publizitätsmerkmal in Form des Sachbesitzes oder der Einbringung (§ 559 BGB), so entsteht das jeweilige Pfandrecht nicht oder es geht bei Wegfall des Publizitätsmerkmales unter (§§ 1253 Abs. 1, 560 BGB). Diese Grundvoraussetzung der Publizität der Rechtsverhältnisse liegt aber bei einem Vollstreckungsgläubiger, der aufgrund einer reinen Rechtspfandung ein Pfandungspfandrecht an einem Anwartschaftsrecht erlangt hat, gerade nicht vor. Die Rechtspfandung gern. § 857 ZPO schafft ein solches nach außen wirkendes Lehrbuch des Schuldrechts 2. Bd. I .. Halbbd., 13. Aufl. 1986, § 43 II.c) (S. 118 f.); Medicus, Bürgerliches Recht, 14. Aufl. 1989, Rn. 486; Müller, Sachenrecht, 1988, Rn. 2443; mit anderer Begründung auch Weber, Sicherungsgeschäfte, 3. Aufl. 1986, S.120. 61 Vgl. nur: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, S. 365 f. 62 Rothoeft, Zur Bedeutung des Prinzips der Publizität im Vollstreckungsrecht, 1966, S.22. 63 U. a.: Reinicke /Tiedtke, Kaufrecht, 3. Aufl. 1987, S. 257 f.; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. 1 1963, S.305; Stöber, Forderungspfandung, 8. Aufl. 1987, Rn. 1496; Brox, Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers, JuS 1984, S.657 (665) m. w.N.; BGH NJW 1954, S. 1325 f.

A. Die Vollstreckung in die Rechtsposition des Vorbehaltskäufers

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und jedem erkennbares Publizitätsmoment nicht. Es fehlt damit an dem wesentlichen Tatbestandsmerkmal, das die Durchbrechung der dogmatischen Regel zugunsten des gesetzlich geregelten Ausnahmefalles der dinglichen Surrogation rechtfertigt. Das Publizitätsprinzip ist kein verzichtbares, rein formales Element unserer Rechtsordnung, sondern es erfüllt konkrete Aufgaben im System. Der Schutz der Sicherheit des Rechtsverkehrs bei der Begründung von Sachenrechten und der Verfügung über sie ist die vorrangige Aufgabe des Publizitätsprinzips 64. Diesem Zweck entsprechend stellt es die Grundlage für eine ganze Reihe grundlegender positivrechtlicher Regelungen im materiellen und Verfahrensrecht - wie zum Beispiel die §§ 1006 BGB und 808 ZPO - dar 65. Seine Durchbrechung berührt einen der Grundgedanken des Sachenrechts. Wegen dieser Bedeutung des Publizitätsprinzips kann es nicht allein für die Lösung eines Einzelfalles aufgegeben werden. Es bekommt daher wieder das im Publizitätsprinzip verkörperte und zum Regelfall erhobene Allgemeininteresse an einer übersichtlichen und eindeutigen Rechtslage, das sich in erster Linie an Publizitätsmomenten orientiert, den Vorrang vor dem Interesse des Einzelnen an der Erhaltung seiner nach außen nicht erkennbaren Individualrechtsposition. Sachliche Gründe, die es gebieten den für den Rege1fall vorgesehenen Rechtsverlust des Inhabers eines nicht publiken Rechtes hier entfallen zu lassen, werden nicht angeführt und sind auch nicht ersichtlich. Eine Surrogation des Anwartschaftsrechtspfändungspfandrechts am Volleigentum kann nicht stattfinden 66. Die mangeln"e Publizität einer reinen Rechtspfändung des Anwartschaftrechtes aus Eigentumsvorbehalt der Allgemeinheit gegenüber läßt aber ein zweites und noch schwerwiegenderes Bedenken gegen die Theorie der reinen Rechtspfändung und der Surrogation des Pfändungspfandrechts aufkommen. Die fehlende Publizität verhindert nämlich bereits im Ansatz ein wirksames Entstehen eines Pfändungspfandrechts an der Sache selbst, bzw. dem Sacheigentum. Das Pfändungspfandrecht unterscheidet sich in seiner Entstehung, die durch einen hoheitlichen Eingriff in die Individualrechtssphäre einer Person bewirkt wird, von dem rechtsgeschäftlichen Pfandrecht des BGB. Der zwangsweise Eingriff des Staates steht im Vordergrund und verdrängt die sonst im Rechtsverkehr übliche freiwillige Einräumung eines Rechtes nach den Grundsätzen der Privatau64 Deshalb kritisch zum Eigentumsvorbehalt schon: Cohen, Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Abzahlungsgeschäftes, 1891, S. 57 ff.; in neuerer Zeit: Rothoeft, Zur Bedeutung des Prinzips der Publizität im Vollstreckungsrecht, 1966, S. 15 ff. (22); Müller, Sachenrecht, 1988, Rn. 50 ff. m. w.N. 65 Vgl. die zuvor Genannten. 66 Brox, Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers, JuS 1984,657 (665); Bruns / Peters, Zwangsvollstreckungsrecht, 3. Auf!. 1987, S. 199; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 3. Auf!. 1987, S. 257 f.; Rothoeft, Zur Bedeutung des Prinzips der Publizität im Vollstrekkungsrecht, 1966, S. 22; Schnorr v. Carolsfeld, KrVJSchr 66, S. 174 (188); Schuschke, Vollstreckungsrecht, 2. Auf!. 1987, S. 151; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. 1 1963, S. 305; Stöber, Forderungspfändung, 8. Auf!. 1987, Rn. 1496.

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2. Kapitel: Die Lösungsansätze

tonomie. Die Besonderheiten der Zwangsvollstreckung als der staatlichen Tätigkeit zur Durchsetzung privater Rechte kommen hier besonders zum Tragen. Die Verbindung von öffentlich-rechtlich geregeltem Verfahrensrecht auf der einen Seite und dem Ziel der Befriedigung eines privatrechtlichen Anspruches auf der anderen Seite, bestimmen die Rechtsnatur des Pfandungspfandrechts maßgeblich. Nur der nach den Grundsätzen des öffentlichen Rechts zunächst wirksame hoheitliche Zugriff auf das Schuldnervermögen vermag die Grundlagen für ein wirksames Befriedigungsrecht des Vollstreckungsgläubigers zu schaffen 67. Damit erhält die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes der Verstrickung von Gegenständen des Schuldnervermögens den Rang einer konstitutiven Voraussetzung für das Pfandungspfandrecht des Vollstreckungs gläubigers. Wie jeder Verwaltungs akt so ist auch die Verstrickung selbst bei einer etwaigen Rechtswidrigkeit grundsätzlich bis zu ihrer Aufhebung durch ein zuständiges Organ rechtswirksam. Einzig die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führt "ipso iure" zum Fehlen jeglicher rechtlicher Relevanz der getroffenen Maßnahme auch ohne ihre förmliche Aufhebung durch ein Gericht oder eine andere zuständige staatliche Stelle. Für das zu behandelnde Problem ergibt sich daraus notwendig die Konsequenz, daß die Entstehung eines Pfandungspfandrecht für den Vollstrekkungsgläubiger immer dann ausgeschlossen ist, falls es von Anfang an an einer wirksamen Verstrickung fehlt, falls also die Verstrickung nichtig ist. Diese Rechtslage ist es, die eine Übertragung des Surrogationsgedankens der

§§ 1247, 1287 BGB, 847 ZPO auf die Zwangsvollstreckung in das Anwartschafts-

recht und die Problematik des Fortbestehens etwaiger Pfandungspfandrechte an dem Volleigentum ausschließt 68 • Greift der Staat auf individuelle Rechtspositionen des Bürgers zu, so hat er aus Gründen der Rechtssicherheit diesen Eingriff eindeutig zu bestimmen und den Umfang des Eingriffes genau festzulegen. Die Funktion dieser inhaltlichen Bestimmung übernimmt bei dem Verwaltungsakt der Verstrickung einer beweglichen Sache des Schuldners im Zwangsvollstrekkungsverfahren die Siegelung der Sache oder die Inbesitznahme durch den Gerichtsvollzieher nach § 808 ZPO. Das Publizitätsmoment ist essentielle Wirksamkeitsvoraussetzung der Verstrickung, sein Fehlen macht die hoheitliche Maßnah67 Ganz herrschende Meinung vgl. nur: Brox /Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 2. Auf!. 1988, Rn. 393; Henckel, Vom Wert und Unwert juristischer Konstruktionen, Festschrift für Friedrich Weber, 1975, S. 237 (245); Jauemig, Zwangsvollstreckungsund Konkursrecht, 18. Auf!. 1987, § 16.Ill.CA.; Lippross, Vollstreckungsrecht, 5. Auf!. 1987, § 13 Ill.; Säcker, Der Streit um die Rechtsnatur des Pfandungspfandrechts, JZ 1971, S. 156 ff. (162); auch BGH NJW 1954, S. 1325 (1327); a.A., die nur auf die Wirksamkeit der Verstrickung als Voraussetzung eines Pfandungspfandrechtes abstellt etwa Zöller / Stöber, ZPO, 15. Auf!. 1987, Rn. 3 zu § 804. Eine Entscheidung zwischen beiden Auffassungen kann hier unterbleiben, da, wie zumeist in der konkreten Anwendung, so auch in der hier behandelten Problematik, gleiche Ergebnisse erzielt werden. 68 Ähnlich: Henckel, ZZP 84 (1971), S. 447 (454); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. 1 1963, S. 305.

A. Die Vollstreckung in die Rechtsposition des Vorbehaltskäufers

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me nicht nur unwirksam, sondern sogar nichtig 69, da Grundvoraussetzungen eines staatlichen Eingriffes in die Rechte Privater nicht beachtet wurden. Nur die publike Siegelung oder Inbesitznahme dokumentiert den Übergang der Verfügungsbefugnis an einer Sache auf den Staat. Noch weit mehr als im Zivilrecht übernimmt im Rahmen staatlichen Handeins das Publizitätsprinzip die Funktion der Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, indem der äußeren Erkennbarkeit rechtlicher Vorgänge konstitutive Bedeutung beigelegt wird und so dem verfassungsrechtlichen Gebot der Vorhersehbarkeit und Meßbarkeit staatlichen Handeins Geltung verschafft wird. Gerade diese Erkennbarkeit des Überganges der Verfügungsbefugnis auf den Staat entfällt aber bei Bejahung der Surrogation eines im Wege der Rechtspfändung nach § 857 ZPO am Anwartschaftsrecht entstandenen Pfändungspfandrechts an der Sache, beziehungsweise dem Volleigentum daran. Ob das nach rechtsstaatlichen Grundsätzen erforderliche Publizitätsmoment durch eine solche zivilrechtliehe Konstruktion umgangen werden kann, erscheint mehr als fraglich und ist im Ergebnis zu verneinen. Der Bruch zwischen dem Surrogationsgedanken und der Zwangsvollstreckung in das Anwartschaftsrecht verläuft dort, wo Grundsätze des öffentlichen Rechts materiell-zivilrechtlichen Erwägungen entgegenstehen. Hier kann der Surrogationsgedanke des BOB nicht eingreifen, da - wie oben gezeigt - die speziellen Vorschriften für das Pfändungspfandrecht immer den allgemeinen Regeln des BGB-Pfandrechtes vorgehen. Die durch das öffentliche Recht geregelte Entstehung des Pfändungspfandrechts ist eine solche spezielle Regelung. Die konstitutive Schaffung eines Pfändungspfandrechts an einer Sache bzw. dem Eigentum daran ohne eine wirksame Verstrickung ist dieser Regelung fremd. Wegen der überragenden Bedeutung des Tatbestandsmerkmals der Erkennbarkeit staatlicher Maßnahmen für die Entstehung von Rechten in dieser Regelungsmaterie, ist insofern eine ergänzende Heranziehung gegenläufiger zivilrechtlicher Vorschriften nicht zulässig. Dem steht der Grundsatz des "lex specialis derogat legern generalern" entgegen. bb) Die deklaratorische Funktion der Sachpfändung Sponer 70 bejaht zwar eine Surrogationsmöglichkeit, sieht aber das vorrangige Problem einer reinen Rechtspfändung des Anwartschaftsrechts zur Ermöglichung einer Sachverwertung in der Unsicherheit des durch Surrogation entstandenen Pfändungspfandrechts des Vollstreckungsgläubigers am Volleigentum, die er zutreffend auf die fehlende Publizität dieser Rechtspositon zurückführt. Zum Schutz seines Verwertungsrechtes gewährt er dem Vollstreckenden nach Zahlung des Restkaufpreises und dem damit verbundenen Eintritt der Bedingung für den 69 Vgl. nur: Brox / Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 2. Aufl. 1988, Rn. 1233; Zöller / Stöber, ZPO 15. Aufl. 1987, Rn. 35 vor § 704; OLG Hamrn, OLGZ 87, S. 270. 70 Sponer, Das Anwartschaftsrecht und seine Pfändung, 1965, S. 190.

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2. Kapitel: Die Lösungsansätze

Vollrechtserwerb seines Schuldners, die Möglichkeit einer zusätzlichen Sachpfändung nach § 808 ZPO an dem Vollstreckungsobjekt. Diese soll nur noch eine deklaratorische Wirkung gegenüber dem Rechtsverkehr haben, da ja das Pfändungspfandrecht an der Sache nach dieser Theorie bereits durch eine dingliche Surrogation wirksam entstanden ist. Aber auch mit diesem Ansatz können die Probleme nicht umfassend gelöst werden. Bedenken ergeben sich vor allem in zweierlei Hinsicht. Entgegen der Ansicht Sponers hat die Sachpfändung nicht nur deklaratorische Wirkung, sie ist vielmehr nach den oben gewonnenen Erkenntnissen für die Entstehung der Verstrickung und damit des Pfändungspfandrechts konstitutiv. Die Annahme einer nur deklaratorischen Wirkung dieser Vollstreckungsmaßnahme würde voraussetzen, daß bereits eine wirksame, wenn auch unter Umständen rechtswidrige, Verstrickung vorliegt. Dies ist nach den oben getroffenen Feststellungen aber gerade nicht der Fall. Die nachträgliche Sachpfändung muß daher selbst konstitutiv die Verstrickung und das Entstehen eines Pfändungspfandrechts am Eigentum bewirken. Aus dem gleichen Grund kommt auch eine Heilung des Verwaltungsakts der Verstrickung durch die Sachpfändung nicht in Betracht. Eine Heilung ist grundsätzlich nur bei lediglich rechtswidrigen Maßnahmen überhaupt möglich. Nach den oben entwickelten Grundsätzen aber steht fest, daß die Publizität des staatlichen Zugriffes auf die Eigentümerbefugnisse des Vollstreckungsschuldners an einer Sache im Rahmen einer Vollstreckungsmaßnahme von essentieller Bedeutung für die Verstrickung und das Pfändungspfandrecht ist. Ihr Fehlen führt zu einer Nichtigkeit. Die nichtige Verstrickung kann nach den Grundsätzen des öffentlichen Rechts nicht geheilt werden 71. Entgegen der Ansicht Sponers kommt damit in dogmatischer Hinsicht der Sachpfändung keine deklaratorische Bedeutung mit der Folge, daß dadurch Fehler der Vollstreckungsmaßnahme geheilt werden können, zu. Eine zutreffende Begründung für die Überwindung des nach dem öffentlichen Recht vorgeschriebenen Publizitätsmerkmals der Sachpfändung durch den Surrogationsgedanken fmdet sich auch im übrigen nicht. Wird aber in Abkehr nur von der Begründung Sponers eine konstitutive Wirkung des zweiten Zwangsvollstreckungsaktes bejaht und die Entstehung von Verstrickung und gegebenenfalls auch Pfändungspfandrecht in diesem Zeitpunkt angenommen, so ist der einzige Vorteil der reinen Rechtspfändungstheorie aufgegeben: die Reduzierung der Vollstreckung in das Anwartschaftsrecht auf nur einen Vollstreckungsakt, der zudem bereits die Grundlage für eine spätere Sachverwertung schafft. Man befindet sich wiederum in einem zweiaktigen, langwierigen und wegen der Inanspruchnahme mehrerer Vollstreckungsorgane kostspieli-

71 Statt aller: Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 2. Aufl. 1988, Rn. 1233; Zöller / Stöber, ZPO, 15. Aufl. 1987, Rn. 35 vor § 704; OLG Hamm, OLGZ 87, S. 270.

A. Die Vollstreckung in die Rechtsposition des Vorbehaltskäufers

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gen Zwangsvollstreckungsverfahren, das unten als das sogenannte Doppelpfändungsverfahren noch eingehend und kritisch zu würdigen sein wird 72 • cc) Die analoge Anwendung der Sachpfändungsvorschriften Ein anderer Teil der Autoren geht im Grundsatz ebenfalls davon aus, daß es sich bei dem Anwartschaftsrecht um ein wesenseigenes Recht handelt, das mit dem Eigentum nicht identisch ist und demzufolge einer Fonn der Rechtspfändung unterfallen muß. Anders als bei den Vertretern der Theorie der reinen Rechtspfändung wird hier aber die sich aus der fehlenden Publizität des Vollstreckungsaktes der Rechtspfändung ergebende rechtliche Unmöglichkeit einer Surrogation des Anwartschaftsrechtspfändungspfandrechts am Volleigentum anerkannt 73. Zur Bewältigung dieser Problematik wird eine analoge Anwendung der Vorschriften bzgl. des Sachpfändungsverfahrens gern. §§ 808 ff. ZPO für die Durchführung einer Rechtspfändung des Anwartschaftsrechts vorgeschlagen. Der eigentlich erforderlichen Rechtspfändung des Anwartschaftsrechts als solchem wird hier nur die Fonn einer Sachpfändung gegeben 74, um die Publizität des vollstreckungsrechtlichen Zugriffes herbeizuführen und seine Erkennbarkeit dem Rechtsverkehr gegenüber zu gewährleisten. Damit soll das wesentliche Hindernis einer dinglichen Surrogation des Pfändungspfandrechtes, die fehlende Publizität, beseitigt werden. Der Gerichtsvollzieher führt danach auf der Grundlage eines Pfändungsbeschlusses des Vollstreckungsgerichtes eine Vollstreckungsmaßnahme aus, die in ihrem Erscheinungsbild dem Verfahren der §§ 808 ff. ZPO entspricht, inhaltlich aber nach § 857 ZPO das Anwartschaftsrecht selbst als "sonstiges Recht" erfaßt. Die Rechtsfolgen eines solchen Vorgehens verwirklichen nach der Ansicht der Vertreter dieser Meinung weitgehend die Vorteile einer reinen Rechtspfändung, insbesondere den Ausschluß einer Widerspruchsmöglichkeit des Schuldners nach § 267 BGB. Zugleich sollen aber ihre Nachteile vennieden werden, die in erster Linie aus der mangelnden Publizität entstehen. Die Sachpfändung wird auch hier nicht als Ausdruck des Zugriffes auf das Eigentumsrecht gesehen, sondern in ihrer Wirkung auf die Kenntlichmachung der vollstreckungsrechtlichen Erfassung des Anwartschaftsrechts beschränkt. Nach außen, dem Rechtsverkehr gegenüber, wird diese Besonderheit zur WahVgl. unten 2. Kap. A.lV. Fenn, AcP 170 (1970), S. 459 (460); Schnorr v. Carolsfeld, KrVJSchr 66, S. 174 (188); mit anderer Begründung auch Flume, Die Rechtsstellung des Vorbehaltskäufers, AcP 161 (1962), S. 385 (bes. S. 402 ff.). 74 Brox, Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers, JuS 1984, S. 657 (665); Brox / Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 2. Auf!. 1988, Rn. 812 ff.; Flume, Die RechtssteIlung des Vorbehaltskäufers, AcP 161 (1962), S. 385 (S.404); ders., Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Bd., 3. Auf!. 1979, § 42.4.f); Schnorr v. Carolsfeld, KrVJSchr 66, S. 174 (188). 72

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2. Kapitel: Die Lösungsansätze

rung des vollstreckungsrechtlichen Publizitätsgrundsatzes durch eine entsprechende Eintragung im Pfändungsprotokoll dokumentiert. Das Eigentumsrecht des Vorbehaltseigentümers soll bei diesem Verfahren nicht beeinträchtigt werden, da die Verstrickung und gegebenenfalls das Pfändungspfandrecht nur das Anwartschaftsrecht selbst als eine Rechtsposition und damit einen Vermögenswert des Eigentumsvorbehaltskäufers ergreifen. Aus diesem Grunde kann der Vorbehaltseigentümer nach dieser Ansicht nicht mit Aussicht auf Erfolg eine Drittwiderspruchsklage gern. § 771 ZPO erheben, denn sein Eigentumsrecht ist nicht gefährdet. Darüberhinaus soll durch die bloße Pfändung des Anwartschaftsrechts, wie auch bei der reinen Rechtspfändung, dem Gläubiger die Möglichkeit einer Zahlung des Restkaufpreises selbst gegen den Widerspruch des Schuldners nach § 267 BGB gegeben werden. Die Stärke der Theorie der analogen Sachpfändung liegt darin, daß sie den konstitutiven Charakter des Publizitätsmomentes der Sachpfändung für die Wirksamkeit der Verstrickung und gegebenenfalls des Pfändungspfandrechts am Sacheigentum anerkennt. Auf der Grundlage der Theorie der analogen Sachpfändung ist es damit möglich, einen Weg aufzuzeigen, auf dem sich bei Eintritt der Bedingung für den Vollrechtserwerb die Surrogation des Pfändungspfandrechts, das am Anwartschaftsrecht bestanden hat, am Eigentum vollzieht. Eine Durchbrechung der öffentlich-rechtlichen Regelungsprinzipien ist nach dieser Auffassung nicht mehr erforderlich. Sie beachtet die Strukturprinzipien eines hoheitlich geregelten Zwangsvollstreckungsverfahrens und bietet dennoch die Möglichkeit eines nur einaktigen und damit kostengünstigeren und weniger zeitaufwendigen Verfahrens, als es vor allem bei der Doppelpfändung der Fall ist. Soweit aber der Ausschluß des § 267 BGB angestrebt wird, schlägt dieser Versuch fehl. Daß dieser Erfolg bei der reinen Rechtspfändung tatsächlich nicht eintritt, wurde bereits oben 75 nachgewiesen. Aber auch durch eine Anwendung der Sachpfändung ist man nicht in der Lage die Grundsätze des Abstraktionsprinzips zu durchbrechen und durch die Erfassung dinglicher Rechtspositionen wie Eigentum oder Anwartschaftsrecht Einfluß auf schuldrechtliche Befugnisse der Beteiligten zu nehmen. Der Ausschluß der Widerspruchsmöglichkeit des § 267 BGB wird auch im Wege der analogen Sachpfändung aus den gleichen Gründen wie bei einer reinen Rechtspfändung nicht erreicht. Soweit der Ausschluß des Widerspruchsrechtes stattdessen auf eine analoge Anwendung des § 268 BGB gestüzt wird 76 , kann dem ebenfalls nicht zugestimmt werden. Eine vergleichbare Interessenlage, die eine analoge Anwendung des § 268 BGB rechtfertigen würde, liegt bei dem Vollstreckungsgläubiger gerade nicht vor. Ihm droht nicht die Gefahr, daß er ein Recht an dem Gegenstand verliert, sofern er nicht zur Ablösung der Verbindlichkeit des Eigentumsvorbe75 76

V gl. 2. Kap. A.II.2.a). Georgiades, Die Eigentumsanwartschaft beim Vorbehaltskauf, 1963, S. 147.

A. Die Vollstreckung in die Rechtsposition des Vorbehaltskäufers

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haltskäufers berechtigt wird. Für ihn stellt sich die Rechtslage genau im gegenteiligen Sinne dar. Er hat noch kein Recht an der Sache bzw. dem Eigentum an ihr, sondern er will sich ein solches Recht erst schaffen. Die Berechtigung am Anwartschafisrecht seines Schuldners ist demgegenüber aber nach der gedanklichen Grundkonstruktion dieser Ansicht bereits durch die pran~ung entstanden, sie ist zudem unabhängig von dein Eigentum an der Sache selbst. Zum anderen bewirkt er durch die erstrebte Restkaufpreiszahlung nicht den Schutz, sondern im Gegenteil den Untergang seiner Rechtsposition. Das bei dem Vollstreckungsgläubiger lediglich vorhandene bloße Interesse an der Durchfühqlng eines Zwangsvollstrekkungsverfahrens ist schließlich mit den in § 268 BGB erfaBten dinglichen Rechten nicht gleichzusetzen. Dieses Interesse findet seine Ausprägung und rechtliche Anerkennung bereits in einem ausschließlich als subjektiv-öffentliches Recht ausgestalteten Anspruch des Vollstreckungs gläubigers auf Durchführung des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Neben der Tatsache, daB auch die analoge Rechtspfandung nicht in der Lage ist unter Überwindung des § 267 BGB die Grundlage für eine Sachverwertung zu schaffen, bleibt zudem grundsätzlich die Frage offen, ob es überhaupt eine Rechtspfandung in der Form der Sachpfandung geben kann und ob eine solche Kombination zweier Vollstreckungsverfahren erforderlich ist. Die Sachpfandung nach § § 808 ZPO ist, wie bereits mehrfach dargeigt wurde, nur eine besondere Form der Vollstreckung in ein Recht, nämlich das Eigentumsrecht. Alle Rechte, die nicht speziellen Regelungen unterworfen sind, unterfallen im übrigen der Generalklausel des § 857 ZPO. Es stellt in diesem Zusammenhang einen Widerspruch in sich selbst dar, wenn nun von den Vertretern der Theorie der analogen Sachpfandung zunächst das Anwartschaftsrecht aus dem Anwendungsbereich der §§ 808 ff. ZPO mit dem Argument herausgelöst wird, das Anwartschaftsrecht sei von dem Eigentum so wesensverschieden, daß eine einheitliche Behandlung nicht möglich sei. Auf der anderen Seite wird dann aber dieselbe Vorschrift mit ihrer für den Zugriff auf das Eigentumsrecht typischen Charakteristik wieder herangezogen, um in der Zwangsvollstreckung die materiellrechtlichen Besonderheiten der Rechtsnatur des Anwartschaftsrechts zutreffend berücksichtigen zu können. Die analoge Anwendung einer Vorschrift aus letztlich materiellrechtlichen Gründen, deren Regelung zuvor mit einer auf das materielle Recht gestützten Argumentation abgelehnt worden war, erscheint als eine an sich nicht erforderliche systemwidrige Vermischung 77 und damit auch Komplizierung zweier Vollstreckungsverfahren. Es drängt sich bei dieser ArgumenQJ.tion die Frage auf, ob hier nicht doch in Abkehr von den durch die Vertreter dieser Ansicht selbst gesetzten Prämissen das Anwartschaftsrecht vollstreckungsrechtlich mit dem Eigentum auf eine Stufe 77 Jauemig, Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht, 17. Aufl. 1985, § 20 III 2; Lüke, Zwangsvollstreckungsrecht, Prüfe Dein Wissen, 1985, Nr.216c); Rosenberg / Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl. 1987, § 59.4. (S. 686).

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2. Kapitel: Die Lösungsansätze

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gestellt und die direkte Anwendung der §§ 808 ff. ZPO nur durch begriffliche Korrekturen umgangen wird. Es ist darüberhinaus zu fragen, ob tatsächlich noch die Herbeiführung des Vollrechtserwerbes des Schuldners als Grundlage einer späteren Sachverwertung erforderlich ist 78 , oder ob nicht durch die Sachpfändung schon das zukünftige Eigentum erfaßt und selbst für eine Verwertung bereitgestellt wird. Durch dieses Erfordernis der Herbeiführung des Bedingungseintritts wird das Verfahren verlängert und zudem, wie auch bei der Rechts- und Doppelpfändung, zunächst von einem eigenen Finanzaufwand des Gläubigers für die Erfüllung der Kaufpreisforderung abhängig gemacht. Beide Aspekte aber lassen es für den Vollstreckungsgläubiger häufig wirtschaftlich sinnlos werden, einen Vollstreckungsversuch in ein Anwartschaftsrecht des Schuldners aus Eigentumsvorbehalt überhaupt in Angriff zu nehmen. Gegen die Möglichkeit einer Zwangsvollstreckung in das Anwartschaftsrecht aus Eigentumsvorbehaltskauf durch eine Rechtspfändung in Form einer Gerichtsvollzieher-Vollstreckung nach §§ 808 ff. ZPO sprechen letztlich auch dogmatische Bedenken, die sich aus der Systematik und den grundlegenden Strukturprinzipien des Vollstreckungsrechts ergeben. Die Zuweisung bestimmter Zuständigkeiten im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens an konkret bestimmte Zwangsvollstreckungsorgane ist Ausfluß des hoheitlichen Charakters der gesamten Zwangsvollstreckung und dient letztlich den rechtsstaatlichen Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Der Verstoß gegen Zuständigkeitsregelungen, insbesondere gegen die funktionelle Zuständigkeitsverteilung zwischen den einzelnen Zwangsvollstreckungsorganen erhält auf diesem Hintergrund eine besondere Gewichtung. Denn regelmäßig hat die Überschreitung des Kompetenzbereiches eines Vollstreckungsorgans sogar die Nichtigkeit der ausgebrachten Vollstreckungsmaßnahme zur Folge 79. Die Übertragung der Zuständigkeit eines bestimmten Vollstreckungsorganes zur Erfassung bestimmter Vollstreckungsobjekte auf ein anderes Organ im Rahmen eines Analogieschlusses ist daher im Grundsatz äußerst problematisch, da die Gefahr besteht, daß dann das vom Gesetzgeber vorgesehene System der Zuständigkeiten leerlaufen würde. Eine solche Aushöhlung der gesetzlichen Kompetenzverteilung verstößt in letzter Konsequenz gegen das Prinzip des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG. Der Adressat einer Vollstreckungsmaßnahme kann bei der Vermischung zweier an sich unterschiedlicher Verfahren nicht mehr erkennen, nach welchen Normen sich der konkrete Eingriff richtet und mit welchem Rechtsbehelf er dagegen vorgehen kann. Die Überwindung gesetzlicher Zuständigkeitsvorschriften im Wege der Analogie begegnet im Zwangsvollstreckungsrecht wie in jedem hoheitlichen Verfahren, Vgl. dazu unten 4. Kap. C. Statt aller: Brox / Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 2. Aufl. 1988, Rn. 207, 364; Zöller /Stöber, ZPO, 15. Aufl. 1987, Rn. 34, vor § 704; OLG Hamm, OLGZ 87, S. 270. 78

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das in die Rechtssphäre des Bürgers eingreift, der vielen und hochrangigen Rechtsgüter wegen, die bei einer solchen Ausnahme betroffen werden, erheblichen Bedenken und ist deswegen abzulehnen. Die Durchbrechung der gesetzlichen Regelungen in diesem Bereich sollte nur konkreten Ausnahmeflillen vorbehalten bleiben, in denen die Anwendung des positiven geschriebenen Rechts zu für das Billigkeitsempfinden unerträglichen Ergebnissen oder völliger Rechtsunsicherheit führt. 111. Der Sachpfändungsansatz 1. Die Grundthesen

Während die Verfechter der Rechtspfändungstheorien bei der materiellrechtliehen Betrachtung des Anwartschaftsrechts wesentlich dessen Eigenschaft als selbständiges und arteigenes Recht "sui generis" betonen und von diesem Ausgangspunkt die Lösung der Vollstreckungsproblematik zu finden suchen, stellen die Anhänger einer anderen Auffassung, der Theorie der Sachpfändung, die große Ähnlichkeit der Rechtsnatur von Anwartschaftsrecht und Volleigentum in den Vordergrund ihrer Betrachtungen. Die rechtliche Vergleichbarkeit dieser beiden Rechtspositionen wird dabei von einem Teil der Autoren vorrangig durch eine Untersuchung der Behandlung von Eigentum und Anwartschaftsrecht bei einer Reihe von sachenrechtlich relevanten Vorgängen im materiellen Recht begründet. Dies betrifft zunächst die Übertragung der Eigentumsanwartschaft, die nach überwiegender Ansicht 80 nicht etwa dem allgemeinen Grundsatz der §§ 413, 398 BGB, sondern der für das Vollleigenturn geltenden Übereignungsvorschrift des § 929 BGß folgt. Beschränkte dingliche Rechte wie Nießbrauch oder Pfandrecht werden am Anwartschaftsrecht in der gleichen Weise wie an dem Vollrecht bestellt und das Anwartschaftsrecht auf Eigentumserwerb an Mobilien kann als Zubehör eines Grundstückes ebenso in den Haftungsverband einer Hypothek fallen wie das Volleigentum 81 • Schließlich wird das Anwartschaftsrecht wie auch das Eigentum selbst bei Vorliegen 80 Ganz herrschende Meinung: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 14. Aufl. 1987, § 59 V 2.a); Jauernig, BGB-Kommentar, 4. Aufl. 1987, Anrn.6.F.c)aa) zu § 929; Müller, Sachenrecht, 1988, Rn. 2436 f.; Staudinger / Honsell, BGB, 12. Aufl. 1978, Rn. 38 zu §455; Staudinger/Wiegand, BGB, 12. Aufl. 1987, Rn. 7 zu §929; H. Westennann, Sachenrecht, 5. Aufl. 1966, § 44.2.; BGHZ 20, S. 88; 28, S. 16 (21); 75, S. 221 (225); scheinbar a.A., aber nicht eindeutig bestimmbar: Flume, Die Rechtsstellung des Vorbehaltskäufers, AcP 161 (1962), S. 385 (393 f., 402 f.); ders., Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Bd. , 3. Aufl. 1979, § 42.4.b). 81 Statt aller: Jauernig, BGB-Kommentar, 4. Aufl. 1987, Anrn. 6.F. d); Lippross, Vollstreckungsrecht, 5. Aufl. 1987, § 9 Fall 18; Müller, Sachenrecht, 1988, Rn. 1601; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. 1 1963, S. 279 ff.; Staudinger / Honsell, BGB, 12. Aufl. 1978, Rn. 43 zu § 455; BGHZ 35, S.85 (90 ff.). .



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2. Kapitel: Die Lösungsansätze

der tatbestandlichen Voraussetzungen Objekt gesetzlicher Pfandrechte 82. Aus dieser Gleichbehandlung des Anwartschaftsrechts und des Vollrechtes Eigentum im materiellen Recht, insbesondere im Hinblick auf sachenrechtliche Verfügungstatbestände wird hier geschlossen, daß auch im Zwangsvollstreckungsrecht als dem Spiegel des materiellen Rechtes diese Parallelität nachvollzogen werden muß 83 • Das Anwartschaftsrecht soll- wie auch das Eigentum - nach §§ 808 ff. ZPO dem Zwangsvollstreckungsverfahren der Sach- beziehungsweise Eigentumspfändung unterworfen werden. Dogmatisch stellt sich diese These als konsequente Fortführung des Grundgedankens der materiellrechtlichen Gleichstellung von Anwartschaftsrecht und Eigentum im Recht der Verfügungen dar. Denn letztlich soll das Vollstreckungsverfahren und insbesondere die hoheitliche Verwertung von Vermögensgegenständen des Schuldners nur eine eigene freiwillige Verfügung des Schuldners im Rahmen einer Veräußerung von Teilen seiner Vermögenswerte zur Beschaffung von Geldmitteln ersetzen. Die Pfändung eines Vermögensgegenstandes des Betroffenen und die damit ausgebrachte öffentlich-rechtliche Verstrickung bewirkt dementsprechend im Verfahren allein die erforderliche Übertragung der Verfügungsbefugnis von dem Schuldner als einem Privatrechtssubjekt auf den Staat als Träger des hoheitlichen Gewalt- und Zwangsvollstreckungsmonopols. Der Pfändungsvorgang ersetzt mithin lediglich eine Rechtsübertragung, die im Bereich des Rechtsverkehrs unter Privaten durch eine Verfügung vorzunehmen wäre und die nach den dargestellten Grundsätzen für Eigentum und Anwartschaftsrecht den gleichen Regelungsgedanken folgen müßte. Dieser Ansatz findet auch im Gesetz z. B. in §§ 161 Abs. 1 und 184 Abs. 2 BGB Ausdruck, indem Eingriffe im Wege der Zwangsvollstreckung privatrechtlichen Verfügungen gleichgestellt werden. Die Rechtsfolge einer solchen Vollstreckung ist nach der Auffassung der hier vertretenen Autoren, die Erfassung nur des Anwartschaftsrechts im Vermögen des Eigentumsvorbehaltskäufers. Das vorbehaltene Eigentum des Vorbehaltsei82 Vgl. nur: Jauemig, BGB-Kommentar, 4. Aufl. 1987, Anm. 6.F.; Raiser, Dingliche Anwartschaften, 1961, S. 97 ff.; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. 1 1963, S. 279 ff.; Staudinger / Honsell, BGB, 12. Aufl. 1978, Rn. 35 zu § 455; H. Westermann, Sachenrecht, 5. Aufl. 1966, § 44.3.; BGH NJW 1965, S. 1475. 83 So schon v. Thur, Der allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts Bd. II, 2. Halbbd. 1918, S. 296 ff. (308); in neuerer Zeit: Bauknecht, Die Pfändung des Anwartschaftsrechts aus bedingter Übereignung, NJW 1954, S. 1749 (1751), insbes. NJW 1955, S. 451 f.; Boecker, Die Zwangsvollstreckung in das Anwartschaftsrecht aus aufschiebend bedingter Übereignung, 1956, S. 95 f.; Georgiades, Die Eigentumsanwartschaft beim Vorbehaltskauf, 1963, S. 140; i.E. ohne Entscheidung, aber in diesem Sinne argumentierend: Grunsky, Grundzüge des Zwangsvollstreckungs- und Konkursrechts, 3. Aufl. 1983, § 3.4.; Peters, Die Pfändung einer unter Eigentumsvorbehalt veräusserten Sache, 1970, S. 32 ff.; Raacke, Zur "Pfandverstrickung" von Vorbehaltsware, NJW 1975, S. 248 f.; Stoll, Bemerkungen zu Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, ZHR 128 (1966), S. 239 (247, 250); H. P. Westermann, Münchener Kommentar zum BGB, 2. Aufl. 1988, Rn. 76 a.E. zu § 455.

A. Die Vollstreckung in die Rechtsposition des Vorbehaltskäufers

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gentümers wird nicht tangiert, er ist daher nicht berechtigt die Einstellung der Zwangsvollstreckung im Wege einer Klage nach § 771 ZPO herbeizuführen 84 • Um zu verhindern, daß sein Vorbehaltseigentum bei einer Verwertung der Sache nach §§ 817 Abs. 2 ZPO durch die hoheitliche Eigentumszuweisung an einen Ersteigerer beseitigt wird, soll entweder durch eine Eintragung im Pfändungsprotokoll analog § 826 ZPO oder durch einen Vermerk in den Versteigerungsbedingungen klargestellt werden, daß durch die Pfändung nur die Erfassung des Anwartschaftsrechts bewirkt wurde, beziehungsweise die Versteigerung nur das Anwartschaftsrecht betraf85. Nach einer anderen Ansicht soll