Das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch: Nebst den Preußenischen Einführungsgesetze vom 24. Juni 1861 und der Instruktion vom 12. Dezember 1861 [8. Aufl. Reprint 2019] 9783111525198, 9783111156866

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Das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch: Nebst den Preußenischen Einführungsgesetze vom 24. Juni 1861 und der Instruktion vom 12. Dezember 1861 [8. Aufl. Reprint 2019]
 9783111525198, 9783111156866

Table of contents :
Vorrede zur ersten Auflage
Vorrede zur zweiten Auflage
Vorrede zur dritten bis achten Auflage
Abkürzungen
Inhalt
Einleitung
V. Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch
Allgemeine Bestimmungen
Erstes Buch. Vom Handrlsftandr
Zweites Buch. Von den Handelsgesellschaften
Drittes Buch. Von der stillen Gesellschaft und von der Vereinigung zu einzelnen Handelsgeschäften für gemeinschaftliche Rechnung
Viertes Buch. von den Handelsgeschäften
Fünftes Buch. Vom Seehandel. Part 1
Fünftes Buch. Vom Seehandel. Part 2
VI. Anhang
Sachregister

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Das allgemeine

Deutsche Handelsgesetzbuch nebst dem

Preußischen EinführungSgesetze vom 24. Juul 1861

und der Instruktion vom 12. Dezember 1861.

Für -en praktischen Gebrauch aus den Cluellen erläutert

von

H. Makower und S. Meyer.

»erntest«, aa»

vtrUfftrtt

»»fr««,.

Berlin. Verlag von I. Guttentag (D. Collin). 1880.

Das allgemeine

Deutsche Handelsgesetzbuch.

Mit Lommentar herausgegeben

von

H. Ma ko wer, Rechtsanwalt und Notar.

Acht», »«r»«yrte «n» ottitfftrit »vfka-«.

Berlin. Verlag von I. Guttentag (D. Collin).

1880.

Vorrede zur ersten Auflage. Aas allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch ist auf Grund des Preußischen Ent­ wurfs in drei, und soweit es das Scerecht angeht, in zwei Lesungen berathen und festgestellt worden. Die Schlußredaktion hat Gesetzeskraft erhalten. Der Preußische Entwurf, dessen Motive veröffentlicht worden sind, hat hiebei die wesentlichsten Aen­ derungen erlitten, so daß diese Motive nicht überall zu den nunmehr mit Gesetzes­ kraft ausgestatteten Bestimmungen passen. Dennoch ist in jenen Motiven ein reich­ haltiges Material zur Erklärung des H.G.B. enthalten. Bei den Berathungen der Nürnberger und Hamburger Konferenz sind fast zu jedem Artikel des Preuß. Entwurfs Streichungs- und beziehungsweise Abänderungs­ anträge gestellt worden; die Begründung dieser Anträge findet sich in den veröffent­ lichten Konferenzprotokollen. Man kann sagen, daß die Feststellung fast jedes einzelnen Artikels aus einem besonderen Kampfe hervorgegangen ist, und daß sowohl die Nothwendigkeit einer gesetzlichen Regulirung der betreffenden Materie überhaupt, als die Möglichkeit einer allgemeinen Bestimmung für ganz Deutschland in jedem einzelnen Falle erwogen worden ist. Neben diesen Erwägungen allgemeinerer Natur finden sich in den Protokollen überwiegend auch die besonderen Erörterungen der einzelnen Abänderungsanträge, und zwar die Gründe, welche für und gegen die Feststellung der einzelnen Artikel in einem bestimmten Sinne und in einer konkreten Faffung geltend gemacht worden find. Der Natur von Konferenzprotokollen entspricht es, daß zuvörderst der Inhalt der Debatten über die verschiedenen Anträge angegeben, und sodann das Resultat der Abstimmung vermerkt ist. Bei dieser Beschaffenheit der Protokolle ist es jedoch häufig sehr schwer zu erkennen, welches die Gründe gewesen sind, aus denen die Mehrheit sich für einen bestimmten Antrag erllärt hat. Nicht immer ist anzunehmen, daß sie der Begründung des Antragstellers beipflichtete. Dadurch besteht eine besondere Schwierigkeit für die kritische Aussonderung der Gründe, von welchen nach Lage der Protokolle anzunehmen ist, daß sie muthmaßlich der Absicht der Konferenz bei An­ nahme gewisser Bestimmungen entsprechen. Diese Untersuchung wird um so mehr er­ schwert, als in den verschiedenen Berathungen wiederholt zu den einzelnen Artikeln neue Anträge gestellt und Beschlüffe gefaßt worden sind. Trotzdem ergiebt sich aus der Vergleichung und Prüfung Alles deffen, was zu einer bestimmten Materie angeführt worden ist, ein reichliches Material zur Erkenntniß der von der Konferenz schließlich angenommenen Prinzipien und zum Verständnisse der gewählten Fassungen. Dem Praktiker, welcher im einzelnen Falle Aufllärung über eine gesetzliche Be­ stimmung sucht, und derselben häufig schnell bedarf, ist es nicht immer zuzumuthen, daß er sich in diese weitschichtigen Materialien, welche über die Entstehung des Ge­ setzes Aufschluß geben, vertiefe. Es liegt auch die Gefahr nahe, daß er wegen der wiederholten Aenderungen, welche die einzelnen Materien erlitten haben, sich bei der

VI

Vorrede.

Prüfung einer vereinzelten Frage verirre, und Prinzipien oder Gründe, welche zwar einmal geltend gemacht und von der Konferenz gebilligt, nachher aber in Folge anderweitiger Beschlüsse verlassen worden sind, für die richtigen annehme. Die vorliegende Bearbeitung des Handelsgesetzbuchs soll jenen Irrthümern mög­ lichst vorbeugen. Unter steter Bezugnahme auf die Preuß. Motive und die Konferenz­ protokolle, und unter möglichster Benutzung der in denselben gewählten Ausdrucks­ weise ist es versucht worden, zu den einzelnen Artikeln Alles das zusammen zu stellen, was sich aus diesen Quellen zur Erläuterung deS Handelsgesetzbuchs in seiner gegen­ wärtigen Gestalt ergiebt. Das Bestreben war vorzüglich darauf gerichtet, dasjenige auszuscheiden, was in der Schlußredaktion keinen gesetzlichen Ausdruck erlangt hat, sowie dasjenige anzufi'ihren, was zur Aufllärung der angenommenen Prinzipien dienlich schien. Hiebei war aber gerade des Ausgeschiedenen, also von der Konferenz nicht Angenommenen mehrfach zu gedenken, sei es, daß die Ablehnung die Folge einer An­ nahme entgegengesetzter Grundsätze war, sei es, daß die Konferenz mit der Ab­ lehnung nur bezweckte, die angeregte Frage offen zu lassen. Ein solcher qus den Gesetzesquellen geschöpfter Kommentar schien um so mehr für den praktischen Gebrauch des Handelsgesetzbuches angemessen, als dasselbe nicht eine Kodifikation aller gesetzlichen Bestimmungen innerhalb eines bestimmt um­ schriebenen Rechtsgebietes darstellt, sondern sich mehr wie eine Novelle zu dem Civil­ rechte der verschiedenen deutschen Staaten verhält. Die Einfügung in dasselbe wird durch die Kenntniß der Motive, welche den Gesetzgeber bei Annahme der einzelnen Bestimmungen geleitet haben, wesentlich erleichtert. Es kommt hinzu, daß das Handels­ gesetzbuch nicht die systematische und konsequente Entwickelung einiger wenigen Grund­ prinzipien enthält, sondern — und hierin besteht sein besonderer Vorzug — daß cs von den bereits bestehenden rechtlichen Ueberzeugungen und Rechtsanschauungen der Handelswelt ausgeht und diese zu rechtlichen Satzungen gestaltet. Diese Entstehungsart hat aber zur Folge, daß nicht aus jeder Bestimmung selbst, und auch nicht aus ihrem Zusammenhänge mit den übrigen immer, der innere Grund derselben erhellt. Ohne Kenntniß der ratio legis ist die sachgemäße Anwendung eines Gesetzes selten möglich, und am wenigsten dann zu erwarten, wenn das Gesetz, wie es im vorlie­ genden geschehen, von Grundsätzen ausgeht, welche ganz oder doch sehr erheblich ver­ schieden find von denjenigen, welche bisher gegolten haben. Diese Rücksichten sind die Veranlassung zur Herausgabe des vorliegenden Kom­ mentars gewesen, welcher sich im Wesentlichen auf Exzerpte aus den vorhandenen Ge­ setzesquellen beschränkt. Woher die einzelnen Erläuterungen geschöpft sind, ist jedes­ mal angegeben worden, um die Aufsuchung der Quellen zu erleichtern, wo sie er­ forderlich scheint. Wörtliche Anführungen aus denselben waren jedoch wegen der Be­ schaffenheit der Quellen in der Regel unmöglich ; es liegen daher fast in jedem Falle Bearbeitungen vor. Es darf die Hoffnung ausgesprochen werden, daß durch die gegenwärtige Zu­ sammentragung des vorhandenen Materials künftigen Kommentarien vorgearbeitet ist, welche theüs die Einfügung des Handelsgesetzbuchs in das sonst geltende Civilrecht, thells die Vergleichung desselben mit den Handelsgesetzbüchern anderer Länder, und namentlich dem Code de commerce, zum besonderen Dorwurfe haben. Es sei schließlich die Bemerkung gestattet, daß der Erstunterzeichnete wesentlich die vier ersten Bücher, und der Zweitunterzeichnete vorzugsweise das fünfte Buch (Vom Seehandel) bearbeitet hat.

H. Makowrr. 2. Meyer.

Borrede.

VII

Vorrede zur zweiten Auflage. Die erste Auflage dieses Buchs erschien unmittelbar nachdem das A. D. H.G.B. in Preußeu Gesetzeskraft erlangt hatte; sie bezweckte, durch passende Auszüge aus den umfangreichen Quellen so wie durch eine übersichtliche Zusammenstellung der­ selben die großen Gesichtspunkte leicht erkennbar zu machen, von denen das neue, bedeutsame Gesetz ausgegangen ist. Bei der gegenwärtigen Auflage — deren Bearbeitung von dem Unterzeichneten allein vorgenommen wurde — ist der Versuch gemacht worden, einen Schritt weiter zu gehen. Unter freierer Benutzung der Gesetzesquellen zur Verdeutlichung dessen, was der Gesetzgeber hat bestimmen wollen, ist besonderer Werth darauf gelegt worden, die einzelnen Rechtssätze scharf auszusondern und die Voraussetzungen anzugeben, von welchen die Anwendbarkeit der einzelnen Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs abhängig erscheint. Hierbei sind die entstandenen Streitfragen berücksichtigt, und zum Theil ist ihre Lösung versucht worden. Zum anderen Theile hat man die Lösung derselben der weiteren Entwickelung des Handelsrechts durch Theorie und Praxis überlassen zu müssen geglaubt. Bei der neuen Bearbeitung hat ferner das Streben vorgewaltet, an das ältere Recht anzuknüpfen und — soweit dies jetzt schon angcht — zu zeigen, wie das Handelsgesetzbuch mit dem in den altländischen Provinzen Preußens geltenden Civilrechte in Einklang zu bringen ist. Zu diesem Zwecke sind die sämmtlichen veröffent­ lichten Entscheidungen des Obertribunals, welche das Gebiet des Handelsrechts be­ rühren, geprüft und soweit sie noch jetzt von Erheblichkeit sein dürsten, unter An­ gabe ihres wesentlichen Inhalts angezogen worden. Endlich hat eine Benutzung der neueren handelsrechtlichen Literatur insoweit stattgefunden, als diese zur Herbeiführung eines besseren Verständnisses des Gesetz­ buchs angethan schien; Citate sind in der Regel nur dann erfolgt, wenn Abhand­ lungen über Detallstagen anzuführen waren, deren Auffindung, weil in verschiedenen Zeitschriften zerstreut, schwierig wäre. Die angegebenen Ziele konnten — wie ich nicht verkenne — bei der Neu­ heit des Handelsgesetzbuchs, bei seiner eingreifenden Aenderung des bisherigen Rechts und der häufig hervortretenden Kollision mit dem sonstigen Civllrechte, sowie bei dem Mangel einer Durcharbeitung desselben in gerichtlichen Entscheidungen und bei den durch wissenschaftliche Bearbeitungen immerhin noch spärlich gewährten Hülfsmitteln nur verfolgt, aber nicht erreicht werden, zumal nicht, wenn man in den engen Schranken eines für die Praxis bestimmten, und deshalb übersichtlich zu erhaltenden Kommentars verbleiben wollte. Wenn indeß diese erneute Bearbeitung jenen Zielen sich auch nur genähert hat, so wird dieselbe — wie ich hoffe — eine billige Beurtheilung finden.

Berlin im Januar 1864.

H. Makowrr.

Vorrede.

vm

Vorrede zur dritten bis achten Auflage. Die seit der zweiten Auflage dieses Buchs ergangenen Urtheile des höchsten Gerichts­

hofs (und zwar des R.O.H. bis einschl. Bd. 24 und des Obertrib. bis einschl. Bd. 81), welche zum besseren Verständniß des H.G.B. dienen oder Kontroversen desselben entscheiden, find nachgetragen, und mehrere Aenderungen in den Noten vorgenommen. Die Zusammenstellung der Urtheile bei den einzelnen Artikeln be­ zweckt, aus den Entscheidungen mehrerer concreter Fälle die Theorie des höchsten Gerichtshofes in den einzelnen Materien erkennbar zu machen. Es ist selbstver­ ständlich, daß die kurzen Auszüge nicht das Studium der vollen Urtheile entbehrlich machen, sondern nur die Aufsuchung derselben dann erleichtern sollen, wenn es darauf ankommt, die Meinung des höchsten Gerichtshofes über eine concrete Frage zu erforschen. Die seit Emanation des H.G.B. erlafienen Gesetze, welche mit demselben in naher Verbindung stehen, find theils dem Texte vorangeschickt, theils in erkennbarer Weise demselben eingefügt, theils in einem Anhänge nachgetragen. Das JnhaltsDerzeichniß giebt hierüber näheren Aufschluß. Das Register endlich erleichtert die Auffindung derjenigen Materien, welche in den Noten behandelt sind und mit dem Texte der Gesetze manchmal nur in loser Verbindung stehen. Die achte Auflage trägt dem Uebergangs-Zustande, in welchem wir uns hinfichllich des gerichtlichen Verfahrens zur Zeit befinden, besondere Rechnung. Es war nothwendig, die bis zum 1. October d. I. und die von da ab gültigen Bestimmungen neben einander zu geben, theils weil die ersteren transitorisch noch über jenen Zeit­ punkt hinaus zur Anwendung kommen, theils weil sie historisch von Bedeutung sind. Die vorangeschickten Auszüge aus einigen der neuen Justizgesetze haben lediglich den Zweck, diejenigen Bestimmungen derselben zu sammeln, welche in dem Verfahren vor den Kammern für Handelssachen vermuthlich am meisten werden gebraucht werden.

Berlin im Juli 1879.

Abkürzungen.

ix

Abkürzungen. H.G.B. — Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch.

P. ---- Protokolle der Kommission zur Berathung eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs. Herausgegeben von I. Lutz. Würzburg, Verlag der Stahel'schen Buch - und Kunsthandlung. 1858. Pr. Entw. — Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten. Erster Theil: Ent­ wurf. Verlag der Kgl. Ober-Hofbuchdruckerei. Berlin, 1859. M. — Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten. Zweiter Theil: Motive. Verlag der Königlichen Ober-Hofbuchdruckerei. Berlin, 1859. M. z. Eins. - Ges. — Motive zum Entwurf des Einführungsgesetzes zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch.

K.B. A. = Kommissionsbericht des Hauses der Abgeordneten über den Entwurf eines Allge­ meinen Deutschen Handelsgesetzbuchs. (Nr. 223, 224, 225, de 1861.) K.B. H. — Kommissionsbericht des Herrenhauses zu demselben Entwürfe. (Nr. 134, de 1861.)

Einf.-Ges. --- Einführungsgesetz. Wo dieses ohne Zusatz citirt worden, ist darunter der 1. Titel, I. Abschnitt: „Bestimmungen für alle Landestheile der Monarchie" enthaltend, verstanden. Einf.-Ges. (A.L.R. und A.G.O.) — Einführungsgesetz. 1. Titel, II. Abschnitt. Bestimmungen für die Landestheile, in welchen das Allgemeine Landrecht, und die Allgemeine Gerichtsord­ nung Gesetzeskraft haben. Einf.-Ges. (gern. R.) — Einführungsgesetz. 1. Titel, III. Abschnitt. Bestimmungen für die Landestheile, in welchen das gemeine Deutsche Recht gilt. Einf.-Ges. (Köln.) = Einführungsgesetz. 1. Titel, IV. Abschnitt. Bestimmungen für den Be­ zirk des Appellationsgerichtshofes zu Köln. Jnstr. — Instruktion des Justizministers vom 12. Dezember 1861. (Just.Min.Blatt 1861 S. 328 bis 374.) Entsch. — Entscheidungen des Königl. Geheimen Obertribunals, herausgegeben im amtlichen Auf­ trage. Berlin. Str. — Striethorst, Archiv für Rechtsfälle aus der Praxis der Rechtsanwälte des Königl. Obertribunals. Berlin, Verlag von I. Guttentag (Collin). R.O.H. — Entscheidungen des Reichs - Oberhandelsgerichts, herausgegeben von den Räthen des Gerichtshofes. Erlangen. Steg. — Stegemann, die Rechtsprechung des Deutschen Oberhandelsgerichts zu Leipzig. Berlin, Verlag von I. Guttentag (Collin). Centralorgan = Centralorgan für den deutschen Handelsstand. Köln, sodann Elberfeld.

C.P.O. — Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich.

v. Gerber = v. Gerber, System des deutschen Privatrechts. 8. Auflage. Jena, 1863. Goldschmidt — Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts. Erlangen, 1864. v. Hahn — v. Hahn, Kommentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuche. Braunschweig, 1862. 1. Aufl. Die Citate aus den spateren Auflagen sind als solche besonders bezeichnet. Kaltenborn — Kaltenborn, Grundsätze des praktischen Europäischen Seerechts. Berlin, 1851. K.O. ---- Konkursordnung für das Deutsche Reich. Koch = Koch, Kommentar zum Allgemeinen Landrecht Band III, Abth. 2. Verlag von I. Guttentag (Collin).

Berlin, 1863.

Renaud = Renaud, das Recht der Aktiengesellschaften. Leipzig, 1863. Thöl = Thöl, das Handelsrecht in Verbindung mit dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetz­ buche. 4. Auflage. Göttingen, 1862.

Ullr. = Ullrich, Sammlung von seerechtlichen Erkenntnissen. Hamburg, 1861. Die anderweitigen Citate werden auch ohne Erklärung der bei ihnen vorgenommenen Abkür­ zungen verständlich sein.

Inhalt.

XI

Inhalt. Einleitung. I.

Auszüge aus dem Gerichtsverfassungs-Gesetze, der Civil-Prozeß-Ordnung und den Einführungsgesetzen zu denselben.

II.

Bundesgesetz, betreffend die Errichtung eines obersten Gerichtshofes für

Handelssachen, vom 12. Juni 1869 (B.G.Bl. S. 201).

III.

Bundesgesetz, betreffend die Einführung der allgemeinen deutschen Wechsel­ ordnung, der Nürnberger Wechsel-Novellen und deö Allgemeinen Deut­ schen Handelsgesetzbuchs als Bundesgesetze, vom 5. Juni 1869 (B.G.Bl. S. 379).

IV.

Bundesgesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, vom 11. Juni 1870 (B.G.Bl. S. 375).

V. Vas Allgemeine Deutsche Handelsgcsetzlmch. Inhalt desselben:

Artikel

Allgemeine Bestimmungen

1 —3

ßrstes WuiH. vom HandrlsstanLe.

Erster Titel. Von Kaufleuten Zweiter Titel. Dritter Titel.

Von dem Handelsregister Von Handelsfirmen

Vierter Titel.Von den Handelsbüchern Fünfter Titel. Sechster Titel.

Von den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten . Von den Handlungsgehülfen

Siebenter Titel. Von den Handelsmäklern oder Sensalen

.



4— 11

*

12— 14 15— 27

-

28— 40

-

41— 56 57— 65

-

66— 84

-

85— 89

>

90—109

Zweites Wrrch. von Len Handelsgesellschaften. Erster Titel. Von der offenen Handelsgesellschaft. Erster Abschnitt. Von der Errichtung der Gesellschaft

Zweiter Abschnitt. Von dem Rechtsverhältniffe der Gesellschafter unter ein­

ander Dritter Abschnitt.

Von dem Rechtsverhältniffe der Gesellschaft zu dritten •

110-122

Vierter Abschnitt. Von der Auflösung der Gesellschaft und dem Austteten einzelner Gesellschafter aus derselben

«

123—132

Fünfter Abschnitt. Von der Liquidation der Gesellschaft



133—145

Sechster Abschnitt. Von der Verjährung der Klagen gegen die Gesellschafter

-

146—149

...



150—172

Zweiter Abschnitt. Von der Kommanditgesellschaft auf Aktten insbesondere



173—206

Personen

Zweiter Titel. Von der Kommanditgesellschaft. Erster Abschnitt. Von der Kommanditgesellschaft im Allgemeinen

Dritter Titel. Don der Aktiengesellschaft.

Erster Abschnitt. Allgemeine Grundsätze Zweiter Abschnitt. Rechtsverhältnisse der Aktionäre

Artikel 207—215 216—226

-

227—241

Auflösung der Gesellschaft

*

242—248

Schlußbestimmungen.......................................................

-

249

-

250—265



266—270

Dritter Abschnitt.

Rechte und Pflichten des Vorstandes

Vierter Abschnitt. Fünfter Abschnitt.

Drittes Wrrch. Non der stillen Gesellschaft und von der Vereinigung zu einzelnen Handelsgeschäften für gemeinschaftliche Nechnung. Erster Titel. Von der stillen Gesellschaft

Zweiter Titel.

Von der Vereinigung zu einzelnen Handelsgeschäften für

gemeinschaftliche Rechnung

Viertes Wrr, daß er eine Ausdehnung der im Art. 131 enthaltenen Bestimmung aus den Fall des Art. 126 enthält.

1) a. Nach Auflösung der Gesellschaft muß die Feststellung und Versilberung des Gesellschastsvermögens, sowie die Auseinandersetzung der Gesellschafter unter einander erfolgen.

ist der Zweck des Liquidationsverfahrens.

DieS

Die A. G.O. Th. I, Tit. 46, §§. 35 -40, Tit. 51,

§§. 162—168 enthielt nur Vorschriften über gerichtliche Auseinandersetzungen von Gesellschaftem. Die Weitläufigkeiten und Kosten solcher gerichtlichen Theilungsprozeduren entsprechen aber weder dem Jntereffe der Gesellschafter, noch den Jntereffen der Gesellschastsgläubiger.

Der Handels­

gebrauch hat daher in zweckmäßiger Weise die außergerichtliche Liquidirung deS Gesellschafts­ vermögens herausgebildet.

Mit dem Momente der Auflösung der Gesellschaft hört dieselbe streng

genommen auf zu bestehen.

Es gewährt indessen für die Liquidation selbst die erheblichsten

Vortheile und entspricht auch der Ansicht deS Handelsstandes, die Fortdauer der Gesellschaft, soweit es die Liquidation betrifft, bis zur thatsächlichen Auseinandersetzung zu fingiren.

Die

Gesellschaft bedient sich namentlich in Folge dessen während der Liquidation noch ihrer bisherigen Gesellschaftsfirma als Liquidationsfirma (Art. 139) und behält ihren alten Gerichtsstand. M. 70.

(Art. 144.)

Die Liquidation des Geschäfts eines Einzelkaufmanns hat in rechtlicher Beziehung

nichts Besonderes. — Der Eintritt des Liquidationszustandes ist nicht obligatorisch, denn er ist nicht durch die öffentliche Ordnung oder das Interesse der Gläubiger hervorgemfen, sondem durch

das Interesse der Gesellschafter, welche jede andere Art der Herbeiführung der Theilung

oder auch eine Auseinandersetzung ohne Theilung vereinbaren können (R.O.H. Bd. 24, S. 145).

b. Ist eine beabsichtigte offene Handelsgesellschaft noch vor Eintritt ihrer Gmndlagen (der Leistung der vertraglichen Einlagen) vertraglich aufgehoben worden, obschon sie bereits ihre Geschäfte begonnen hatte, so ist im Verhältniß unter den Gesellschaftern anzunehmen, daß

alle Vertragsleistungen, welche bis dahin noch nicht bewirkt waren, in Wegfall kommen sollen,

und die bis dahin bewirkte Gemeinschaft ist nur als eine thatsächliche zu bettachten, deren

Auseinandersetzung nicht im Wege der Liquidation einer offenen Handelsgesellschaft, sondem nach den Gmndsätzen der communio incidens (Tit. 17, Th. I, A. L.R.) zu erfolgen hat.

(R.O.H.

Bd. 22, S. 201.) 2) a. Verfällt eine offene Gesellschaft in Konkurs, so erfolgt die Liquidation nach den

Vorschriften der Konkursordnung.

Wird dieselbe aus anderen Gründen aufgelöst (z. B. durch

die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines der Gesellschafter, Art. 123, Z. 3),

so erfolgt die Liquidation nach den Vorschriften dieses fünften Abschnitts. Beschließen die Gesell­

schafter in Fällen letzterer Art einstimmig, einzelnen Gesellschaftem oder anderen Personen (z. B. ihren Gläubigern oder einem Ausschuß derselben, R.O.H. Bd. 9, S. 215) die Liqui-

180

Zweites Buch.

Von den Handelsgesellschaften.

Art. 133.

Auf den Antrag eines Gesellschafters kann aus wichtigen Gründen die Ernen­ nung von Liquidatoren durch den Richter erfolgen. Der Richter kann in einem solchen Falle Personen zu Liquidatoren ernennen oder als solche beiordnen, welche nicht zu den Gesellschaftern gehörens.

prot. S. prot. 3. prot. 3. Einf.-Ges. (A. L.R. u. A. G.O.) Art. 33.

pr. Sntw. Art. 128. Entw. I. Art. 127. Latw. II. Art. 127.

250. 1018. 1028—1030. 4528.

Wenn in Folge der Artikel 123,

dation zu übertragen, so hat es hierbei sein Bewenden. Sind schon im Gesellschaftsvertrage (vgl. Note 24, b zu Art. 99) im Voraus Liquidatoren bestellt, so bildet diese Bestimmung einen Theil des Vertrages und kann nur durch den übereinstimmenden Willen aller Gesellschafter oder gemäß Abs. 2 des Art. 133, nach Analogie des Art. 101, aus wichtigen Gründen durch den Richter aufgehoben werden (M. 71, P. 1012). Ein solcher Grund wird z. B. vorhanden sein, wenn die Liquidation durch den Gesellschaftsvertrag gerade demjenigen Gesellschafter übertragen ist, dessen unredliches Verfahren (Art. 125, Ziffer 2) die Auslösung der Gesellschaft veranlaßt hat. Fehlt es an einem Gesellschaftsbeschluffe oder an einer vertraglichen Bestimmung über die zur Liquidation befugten Personen, so erfolgt dieselbe durch die sämmtlichen bisherigen Ge­ sellschafter, weil mit der Auslösung der Gesellschaft die Vollmacht der geschästsführenden Ge­ sellschafter alS erloschen anzusehen ist, und deshalb zwischen den ehemals geschästsführenden und den von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschaftern gar kein Unterschied mehr besteht. (P. 1029,1049.) Hieraus folgt (Erk. des Obertr. v. 27. Sept. 1866, Str. Bd. 64, S. 266), daß alsdann die einzelnen Gesellschafter als solche nicht mehr zur Vertretung des Gesell sch ast Svermögens oder ihres Antheils an demselben legitimirt sind. — Die Liquidatoren vertreten aber nur die Gesellschaft, nicht die einzelnen Gesellschafter und zwar weder unter einander bei der actio pro socio, noch wenn diese aus der Solidarhaft von Dritten persönlich in Anspruch ge­ nommen sind, um aus ihrem Privatvermögen sich zu befriedigen. (R.O.H. Bd. 5, S. 390 ff.) b. Die Worte „oder deren Vertreter" beziehen sich auf die Fälle, wenn Einer der Gesellschafter in Konkurs verfallen, oder sonst zur selbständigen Vermögensverwaltung unfähig geworden ist, u. dgl. m. P. 250, 1011. 3) Daß die Rechtsnachfolger eines verstorbenen Gesellschafters einen gemeinschaftlichen Vertreter bestellen müssen, ist erst in dritter Lesung (P. 4528) hinzugefügt worden. Mit dieser Be­ stimmung soll verhütet werden, daß nicht alle Erben des Verstorbenen an seiner Statt als Liquidatoren zugelaffen werden muffen. Die Vorschrift gilt übrigens sowohl dann, wenn der Tod eines Gesellschafters den Grund zur Auflösung der Gesellschaft gab, als auch dann, wenn die Auflösung aus einem anderen Grunde erfolgte, einer der Gesellschafter aber vor beendigter Li­ quidation, sei es vor oder nach der Auflösung der Gesellschaft, gestorben ist. 4) a. AlS solche wichtige Gründe können die im Art. 125 aufgefühtten Fälle, so wie ein begründetes Mißttauen der übrigen Sozien angesehen werden, auch kann der Antrag auf Er­ nennung eines Liquidators durch den Richter schon vor Beginn der Liquidatton gestellt werden. . II. Art. 205. pro». 3. — Artikel 221. Ist im GesellschastSvertrage keine besondere Form, wie die Aufforderung zur Einzahlung geschehen soll, bestimmt, so geschieht dieselbe in der Form, in welcher die Bekanntmachungen der Gesellschaft nach dem GesellschastSvertrage überhaupt erfolgen müssen (Artikel 209, Ziff. 11)*). Jedoch kann in keinem Falle ein Aktionair seines Anrechts verlustig erklärt wer­ den, wenn nicht die Auffordemng zur Zahlung mindestens dreimal in den hierzu be­ stimmten öffentlichen Blättern (Artikel 209, Ziff. 11)*), daS letzte Mal wenigstens vier Wochen vor dem für die Einzahlungen gesetzten Schlußtermine, bekannt gemacht worden ist. Wenn die Aktien auf Namen lauten und ohne Einwilligung der übrigen Aktionaire nicht übertragbar sind, so kann die Bekanntmachung dieser Aufforderungen durch besondere Erlasse an die einzelnen Aktionaire statt der Einrückungen in die öffentlichen Blätter erfolgen. pr. enlai. Art. 187 Abf. 3. pro». 3. 334. «nun. I. Art. 200. pro». 3. 1045. S-tw. II. Art. 206. Pro». 3. 1447-1449.

Artikel 222*). Wenn die Aktien oder Aktienantheile auf Inhaber gestellt werden, so kommen folgende Grundsätze zur Anwendung: 1) Die Ausgabe der Aktien darf vor Einzahlung deS ganzen Nominalbetrages 7) a. Die Nothwendigkeit der Festsetzung strengerer aiS der gewöhnlichen Rechtsnachtheile für den Fall der verzögerten Einzahlung der Betröge ergiebt sich auS der Erwägung, daß durch derartige Verzögerungen das ganze Unternehmen gehemmt werden, und für di« Gesellschaft unter Umständen rin bedeutender Nachtheil entstehen kann. Da diese Verzugsstrafen im GesellschastS­ vertrage angeordnet werden müssen, so ist die Gefahr einer übermäßigen Härte nicht zu befürchten. Die Bestimmung entspricht dem §. 14 des G. über A.G. v. 9. Nov. 1843. M. 94. b. ES wurde anerkannt, daß in dem Schlußsätze deS Artikels zugleich die Befugniß begriffen sei, nicht rechtzeitig bezahlte Aktien weiter zu verkaufen, und im GesellschastSvertrage zu be­ stimmen, daß für den Fall deS Verzugs Verzugszinsen und Konventionalstrafen zugleich bezahlt werden müßten. P. 334. ') DaS Citat muß jetzt Art. 209, Ziff. 12 heißen, weil in Folg« der Einrückung der Ziff. 6 in Art. 209 durch das G. v. 11. Juni 1870 die ferneren Ziffern um eine Zahl vorgerückt sind. 8) Die Artt. 222 u. 223 enthalten Nachbildungen der §§. 11, 12 u. 13 deS G. v. 9. Nov. 1843, von welchen sie jedoch auch in manchen Beziehungen abweichen. Der Art. 222 handelt von den Aktien au porteur, der Art. 223 von den Namenaktien; gemeinschaftlich ist ihnen der Zweck (P. 336), durch gewiffe Beschränkungen des Verkehrs den Schwindel mit Aktien möglichst fern zu halten.

Zweites Buch.

246

Art. 223.

Von den Handelsgesellschaften.

derselben nicht erfolgen; ebensowenig

dürfen über die

geleisteten Partial­

zahlungen Promessen oder JnterimSscheine, welche auf Inhaber lauten, aus­

gestellt werden. 2) Der Zeichner

der Aktie

Nominalbetrages

ist für die Einzahlung

der Aktie unbedingt

verhaftet;

von

vierzig Prozent deS

von

dieser Verpflichtung

kann derselbe weder durch Uebertragung seines Anrechtes auf

sich

noch

befreien,

seitens

der Gesellschaft

entbunden

einen Dritten

werden;

wird der

Zeichner der Aktie, wegen verzögerter Einzahlung, seines Anrechtes auS der verlustig erklärt (Artikel 220), so bleibt er deflenungeachtet zur

Zeichnung

Einzahlung

von

40 Prozent

der Aktie verpflichtet.

des Nominalbetrages

3) Im Gesellschaftsvertrage kann bestimmt werden, daß und unter welchen Maß­ gaben nach erfolgter Einzahlung von 40 Prozent die Befreiung des Zeichners von der Haftung für weitere Einzahlungen zulässig sei, und daß im Falle der eingetretenen Befreiung über die geleisteten Einzahlungen Pro­

messen oder JnterimSscheine, welche auf Inhaber lauten, ausgestellt werden

dürfen. Diejenigen Landesgesetze,

welche die Höhe der Einzahlung (Artikel 222,

ans 25 Prozent des

Ziff. 2 und 3)

Nominalbetrages

der Aktie

herabgesetzt

haben, werden hierdurch nicht berührt').

pr. «ulw. M. 190. -utw. I. Art. 201. ento. II. Art. 207.

pwt. S. 336—343. prot. 3. 1045—1047. prot. S. — Artikel 223.

Wenn die Aktien auf Namen lauten, so kommen die bei der Kommanditgesell9) a. Der Art. 222 verbietet (Abs. 1) die Ausgabe von Inhaberaktien vor Einzahlung deS ganzen Nominalbetrages, sowie von Promesien (d.h. Anweisungen auf Aktien, P. 339) und

JnterimSscheinen auf Inhaber (nicht auf Namen) über die geleisteten Theilzahlungen.

DaS

Verbot der No. 1 kann indessen (Strieth. Bd. 95, S. 143) nur aus die Einzelaktie vor Ein­ zahlung ihres ganzen Nominalbetrages bezogen werden und eine Zuwiderhandlung hat nickt die

Nichtigkeit der ausgegebenen Werthpapiere, sondern nach Art. 241, Abs. 2 nur Nachtheile für die Emittenten zur Folge.

Der Art. 222 erklärt serner (Abs. 2) den Zeichner der Aktte für 40%

des Nominalbetrages der Aktie so verhaftet, daß er von dieser Verpflichtung weder durch Leber-

tragung seines Anrechts auf einen Dritter« sich befteien, noch Seitens der Gesellschaft rechtSzültig

entbunden werden kann.

Auch für den Rest ist er auf Grund seiner Zeichnung verhaftet, doch

kann (Abs. 3) das Statut bestimmen, daß und unter welchen Maßgaben nach Einzahlung von

40% die Befreiung des Zeichners von der Haftung für fernere Einzahlungen zulässig sei.

DaS

Statut kann serner bestimmen, daß, wenn hiernach die Befreiung eines Zeichners von den weiteren

Einzahlungen eintritt, Promesien und JnterimSscheine auf Inhaber über die geleisteten Ein­ zahlungen ausgestellt werden dürfen.

b. Kann sich der Zeichner gegen seine Verpflichtung zur Einzahlung durch den Einvand schützen, eS seien ihm Zusicherungen gemacht, er brauche nicht einzuzahlen, oder er sei zur Zeich-

nung durch Täuschungen Dritter verleitet?

Vgl. Note 27, b zu Art. 184 u. Note 5, a zu Art 208.

Kann er einwenden, daß die A.G. außer Stande sei, ihm die Attienbriefe zu gewähren (RO.H.

Dd. 19, S. 232)?

Vgl. Note 5, b zu Art. 208.

Dritter Titel.

Von der Aktiengesellschaft.

Art. 223.

247

schäft auf Aktien gegebenen Bestimmungen über die Eintragung der Aktien in daS Aktienbuch der Gesellschaft und über die Uebertragung derselben auf Andere (Artikel 182, 183) auch hier zur Anwendung"). So lange' der Betrag der Aktie nicht vollständig eingezahlt ist, wird der Aktionair durch Uebertragung seines Anrechts auf einen Anderen von der Verbindlichkeit zur Zahlung des Rückstandes nur dann befreit, wenn die Gesellschaft den neuen Erwerber an seiner Stelle annimmt und ihn der Verbindlichkeit entläßt. Auch in diesem Falle bleibt der austretende Aktionair auf Höhe deS Rückstandes für alle bis dahin von der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten noch auf ein Jahr, vom Tage des Austritts an gerechnet, subsidiarisch verhaftet"). pr. Sutv. Art. 191. Sntw. I. Art. 202. Sntw. II. Art. 208.

Vrot. S. 343. Prot. L. 1047. Prot. S. —

10) Vgl. die Noten zu Att. 182, 183. — In Ermangelung besonderer, einen anderen Willen erkennbar machender Umstände verpflichtet flch der Käufer von NamenSaktien, auf welche volle Einzahlung noch nicht geleistet ist, durch den Kauf dem Verkäufer gegenüber die noch aus­ stehenden Zahlungen statt feiner zu leisten, bezw. sie ihm zu erstatten, falls er ste auf rechtmäßigeVerlangen der A.G. leistet (R.O.H. Bd. 22, S. 233). 11) a. Es war beantragt worden (P. 344,1047), den driften Abs. deS Art. 233 zu stteichen, weil eS angemessen scheine, daß der seiner Verbindlichketten entlassene Attionär auch sofort ftei werde, waS um so mehr geschehen könne, alS die Gläubiger gegen den einzelnen Attionär kein Forderungsrecht hätten, vielmehr sich nur an daS Gesellschaft-vermögen hatten könnten. -—Da­ gegen wurde jedoch bemertt: Die Entlassung solle nach Inhalt deS Art. 223 nur unbeschadet der Rechte der Gläubiger erfolgen können, damit nicht alle zahlungsfähigen Aktionäre austteten und Leute substttuiren könnten, von denen nicht einmal die gezeichneten Summen zu erhalten seien. Auf diese Summen hätten aber die Gläubiger auch gegen jeden einzelnen Attionär ein Recht, denn soweit haste er für die GesellschastSschulden. Diese- Recht der Gläubiger könne doch nicht durch die Mitschuldner, d. i. durch die übrigen Gesellschafter wirksam aufgegeben werden. Inso­ weit aber die Haftung des AttionärS auf ein Jahr eingeschräntt werde, enthalte der Artikel eine Begünstigung des austretenden Aktionärs, denn, werde der Absatz gesttichen, dann bestehe seine Haftung für die ganze Dauer der ordenttichen Verjährungszeit. — Die Richttgkeit deS zuletzt angeführten Grundes wurde aber von gegnerischer Seite bezweifelt, da der Gläubiger der Gesell­ schaft gegen den Attionär auf dessen Einlage kein unmittelbares Recht habe, sondern nur ex jure cesso der Gesellschaft klagen könne, somit die Handlungen der Gesellschaft gegen sich gelten lassen müsse. — Der Abs. 3 wurde indeß bei der Abstimmung angenommen. Er stimmt wörtlich mit dem zweiten Absatz im §.13 deS G. v. 9. Nov. 1843 überein. b. Nach Abs. 3 hastet der Aktionär, welcher seiner Verbindlichkeit zur Zahlung des Rück­ standes von der Gesellschaft entlassen ist, ttotzdem auf Höhe desselben für alle biS zu seiner Entlassung von der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten subsidiarisch, jedoch nur auf ein Jahr vom Tage des Austrittes gerechnet. Der Sinn dieser Vorschrift ist sehr dunkel. Die Stellung *be6 Abs. 3 zum Abs. 2 und die Stellung des Art. 223 überhaupt weisen darauf

hin, daß die gedachte subsidiäre Haftung des ausgetretenen Attionärs gegenüber der Aktien­ gesellschaft stattfinden soll; subsidiär ist die Haftung desselben im Gegensatze zu der Prinzipalen Haftung des in seine Stelle getretenen Aktionärs. Ist gegen diesen der Rückstand nicht einzutteiben, so muß der ausgetretene Aktionär dafür auflommen, sofern er nur innerhalb Jahresfrist

Zweites Buch.

248

Von den Handelsgesellschaften.

Art. 224.

Artikel 224.

Die Rechte, welche den Aktronairen in dm Angelegenheiten der Gesellschaft, insbesondere in Beziehung aus die Führung der Geschäfte, die Einsicht und Prüfung

der Bilanz und die Bestimmung der Gewinnvertheilung zustehen, werdm von der Gesammtheit der Aktionaire in der Generalversammlung auSgeübt.

Jede Aktie gewährt dem Inhaber Eine Stimme, wenn nicht der Gesellschafts­ vertrag ein Anderes festsetzt**). pr Entw Art 192 Alis. 2. Entw. I. Art. 203. Entw. II. Art. 209.

prot A. — prot. S. 1047. prot. 3. —

nach seinem Austritte durch Klage in Anspruch genommen ist.

Die faktischen Schwierigkeiten,

welche Koch (Kommentar, Note 108 z. d. Art.) und Renaud (S. 695) hinsichtlich der rechtzeitigen

Geltendmachung dieses Rechts hervorheben, lasten sich überwinden, denn es kann gegen den sub­ sidiär Verpflichteten auf Anerkennung, daß er im konkreten Falle in subsidium haste, geklagt

werden, noch bevor der Prinzipakschuldner fruchtlos exequirt ist.

Dagegen macht die Einschrän­

kung , daß der ausgetretene Aktionär nur für die bis zu seiner Entlastung von der Gesellschaft emgegangenrn Verbindlichkeiten hastet, unlösbare Schwierigkeiten, wenn nicht der Fall eines

Konkurses der A.G. vorliegt, denn die Einziehung der rückständigen Aktienbeträge steht in gar

keiner rechtlichen Beziehung zu den einzelnen Verbindlichkeiten der Gesellschaft, und es ist kaum denkbar; daß die klagende Gesellschaft den Nachweis sollte führen müsteü, zur Tilgung welcher Berlundlichkeit sie des eingeklagten Rückstandes bedürfe.

Die gedachte Bestimmung hätte auch

außerhalb eines Konkurses der A.G. eine Bedeutung gehabt, wenn beabsichtigt war, den betref­

fenden Gläubigern ein direktes Klagerecht zuzugestehen; es läßt sich jedoch nicht annehmen,

daß man den Gläubigern der A.G., welche regelmäßig kein direktes Klagerecht gegen die einzelnen aktuellen Aktionäre haben

439

Artikel 396. Wenn auf Grund deS vorhergehenden Artikels von dem Frachtführer für Verlust oder Beschädigung des Guts Ersatz geleistet werden muß, so ist der Berechnung deS Schadens nur der gemeine Handelswerth des Guts zu Grunde zu legen"). Kunstgegenstände von ungewöhnlichem Werthe rc., P. 2301), für Gelder und Werthpapiere auS dem Frachtverträge (ex recepto) nur dann haftet, wenn ihm diese Beschaffenheit oder der Werth des Guts angegeben ist. Grund dieser Bestimmung ist (P. 2299), daß man dem Fracht­ führer billiger Weise nicht zumuthen darf, für ganz außerordentlich große Summen selbst dann zu hasten, wenn ihm über die Größe seiner Haftbarkeit (durch Angabe der Beschaffenhett oder des Werths der Güter) gar keine Andeutung gegeben worden ist, er also keine Veranlaffung ge­ habt hat, eine ungewöhnliche Sorgfalt anzuwenden. Sind die gedachten Gegenstände nicht deklarirt, so hat er für gar Nichts, auch nicht etwa für einen mittleren Werth derselben aufzukommen, weil anzunehmen ist, daß er bei erfolgter Angabe besondere Vorsichtsmaßregeln getroffen und den Verlust überhaupt verhütet hätte. — Es findet daher der Abs. 5 deS Art. 396 auf den Abs. 2 des Art. 395 keine Anwendung, weil der Frachtführer im letzteren Falle eben aus dem receptum gar nicht hastet (R.O.H. Bd. 8, S. *272). S. die nachfolgende Note c. b. ES war beantragt worden, der ausdrücklichen Angabe des Abladers (Absenders) über den kostbaren Inhalt oder den hohen Werth deS Frachtstücks die anderweitig erlangte Wiffenschäft des-Frachtführers von diesen Thatsachen gleichzustellen. Dieser Antrag wurde jedoch mit Rücksicht auf die mit seiner Anwendung verknüpften mißlichen Beweisführungen über die Wissenschäft des Frachtführers und die hierdurch möglicherweise entstehende Rechtsunstcherheit bekämpft, und dabei hervorgehoben, daß er auch keinen praktischen Werth habe, da die erwähnten Beweis­ führungen gewiß nur höchst selten gelingen würden. P. 2300. c. Man hat es nicht für erforderlich gehalten (P. 2300), ausdrücklich im Gesetze auSzusprechen, daß der Frachtführer, auch wenn er auS dem Frachtverträge nicht zu hasten hat, weil die Beschaffenheit oder der Werth deS Guts ihm nicht angegeben worden ist, immerhin noch für diejenigen Thatsachen haftbar gemacht werden kann, für welche er zu hasten hätte, wenn er ohne Frachtvertrag zufällig in den Besitz deS Frachtguts gelangt wäre, — also für dolose Be­ schädigungen und Verminderungen des Frachtguts und für dasjenige Verschulden, für welches auch jeder Dritte einzustehen hätte, wenn durch ihn eine Beschädigung oder ein Verlust am Frachtgute herbeigeführt wurde. 12) a. Die Abs. 1—4 deS Art. 396 beschäftigen sich allein mit der Frage, wie der Schaden zu berechnen ist, wenn einfach auS dem Frachtverträge („auf Grund deS vorhergehenden Artikels") Schadensersatz verlangt wird. Dies geht noch schärfer auS dem Gegensatze deS Ms. 5 hervor, welcher die weitere Bestimmung enthält, wie der Schaden zu berechnen ist, wenn dem Frachtführer eine bösliche Handlungsweise nachgewiesen werden kann. — Vgl. Artt. 612—614

im Seerecht. b. Der Abs. 1 spricht den Grundsatz aus, daß der Frachtführer, wenn er ex recepto Er­ satz leisten muß, nur verpflichtet ist, den gemeinen HandelSwerth der betteffenden Waaren (die aestimatio rey.zu vergüten, nicht aber auch den dem Absender und beziehungsweise Em­ pfänger entgangenen Gewinn und dessen individuelles Interesse an der glücklichen An­ kunft der Waaren am Bestimmungsorte (P. 4708—4715). Die Abs. 2 u. 3 enthalten Anwen­ dungen dieses Prinzips auf die beiden Fälle, wenn die Waare verloren und bez. wenn sie beschädigt ist; der Abs. 4 endlich dient zur Aushülfe, wenn die Waare einen gemeinen HandelS­ werth nicht hat.

440

Viertes Buch. Von den Handelsgeschäften. Art. 396.

3m Falle deS Verlustes ist der gemeine Handelswerth zu ersetzen, welchen Gut derselben Art und Beschaffenheit am Ort der Ablieferung zu der Zeit hatte, in welcher daS Gut abzuliefem war; davon kommt in Abzug, was in Folge deö Ver­ lustes an Zöllen und Unkosten erspart ist1S * ). * * * * * 13 14 Im Falle der Beschädigung ist der Unterschied zwischen dem Verkaufswerth deS Guts im beschädigten Zustande und dem gemeinen Handelswerth zu ersetzen, welchen das Gut ohne diese Beschädigung am Ort und zur Zeit der Ablieferung gehabt haben würde, nach Abzug der Zölle und Unkosten, soweit sie in Folge der Beschä­

digung erspart sind"). c. Durch den Art. 396 wird selbstverständlich nicht ausgeschlossen, daß ein höherer Schadens­ ersatz als der gemeine Handelswerth deS Guts bedungen werden kann. Dem Anträge, im Ge­ setze den interpretativen Satz aufzustellen, daß ein solcher Vertrag dann alS geschloffen anzusehen sei, wenn im Einverständniffe des Frachtführers eine WerthSangabe bezüglich der Güter in dem Frachtbriefe enthalten fei, wurde nicht stattgegeben (P. 4716), weil die Deklaration des Werths der Güter auch zu anderen Zwecken erfolgt sein könne. 13) a. Maßgebend für die Höhe des im Falle deS Verlustes zu leistenden Schadensersatzes ist der gemeine HandelSwerth, welchen Güter derselben Art und Beschaffenheit am Ort der Ab­ lieferung (nicht der Aufgabe, P. 4708—4715) zu der Zeit hatten, in welcher das Gut abzuliefern war. Dieser Grundsatz kommt (abweichend von der Besttmmung des §. 612, Abs. 4 im Seerecht) auch dann zur Anwendung (P. 4715), wenn die Güter gar nicht an den im Frachtvertrage festgesetzten Bestimmungsort gelangen. — Gleichgültig ist, ob der stipulirte KautpreiS der Güter höher oder niedriger als der gemeine Handelswerth ist; nur der letztere ist für die Berechnung des Schadens maßgebend (R.O.H. Dd. 13, S. 395). Neben der Entschädigung für den Verlust deS Frachtguts kann nicht noch eine besondere Entschädigung wegen Nichteinhaltung der Lieferzeit verlangt werden. b. Von dem zu ersetzenden gemeinen HandelSwerthe kommt in Abzug, was in Folge deS Verlustes an Zöllen und Unkosten erspart ist. Abweichend von der Bestimmung des §. 612 Abs. 3 im Seerecht ist hier nicht auch eines Abzuges deffen, was in Folge deS Verlustes an Fracht erspart ist, Erwähnung gethan, weil man bemerkte (P. 4714): Der seerechtliche Satz: „verlorenes Gut zahlt keine Fracht" sei für den Landfrachtverkehr nicht aufgestellt. Wenn der Frachtführer den Werth der verlorenen Sache ersetze, so gebühre ihm auch die ganze Fracht, und könne somit nicht von ersparter Fracht die Rede sein, indem entweder der ganze Werth der Sache von dem Frachtführer bezahlt und sodann von dem Absender auch die ganze Fracht entrichtet werden müsse, oder unter einer Abkürzung deS Verfahrens von dem Werthe der Waare sogleich die ganze Fracht in Abzug komme; letzteres geschehe jedoch dann nicht deshalb, weil die Fracht erspart worden, sondern aus dem Grunde, damit dadurch die schuldige Fracht (compensando) bezahlt werde. 14) a. Vgl. die vorstehenden Noten 13, a u. b. — Die Ersatzpflicht beschränkt sich bei theilweiser Beschädigung nur auf die beschädigten Theile, wenn nicht dargethan wird, daß im konkreten Falle dadurch zugleich die unbeschädigten Thelle entwerthet oder völlig werthloS geworden sind (R.O.H. Bd. 15, S. 375). b. Der Pr. Entw. (Art. 312) wollte in dem Falle, wenn durch die Beschädigung das Gm nicht unverkäuflich oder nicht unbrauchbar geworden, dem Frachtführer die Wahl zugestehen, ob er die Beschädigung vergüten oder den Werth des Guts gegen Uebernahme deffelben ersetzen wolle

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft.

Art. 397.

441

Hat das Gut keinen Handelswerth, so ist der Berechnung des Schadens der gemeine Werth des Guts zu Grunde zu fegenl6 * *).* * * 15 Wenn dem Frachtführer eine bösliche Handlungsweise nachgewiesen wird, so hat

er den vollen Schaden zu ersetzen").

pr. Gntw. Art. — Entw. T. Art. — Entw. II. Ärt. —

Prot. S. prot. S. — prot. S. 4708-4716. 5049 f. 5112-5115. 5123. Artikel 397.

Der Frachtführer haftet für den Schaden, welcher durch Versäumung der be-

dungenenen oder üblichen Lieferungszeit entstanden ist, sofern er nicht beweist, daß er

Diese Bestimmung wurde jedoch vorzüglich aus dem Grunde abgelehnt (P. 803), weil dadurch der Destinatär bloß deshalb gezwungen würde, sich einer Sache zu entäußern, die er vielleicht nie zu

veräußern gedacht habe, weil er eine Beschädigung der Sache dem Frachtführer nicht ohne Schadens­

ersatz nachsehen wolle, und weil die Frage, ob eine Sache noch verkäuflich oder brauchbar sei, zu

vielen Prozessen Anlaß geben würde.

15) Der Abs. 4 ist durch die Erwägung veranlaßt worden (P. 5095), daß man von einem gemeinen Handelswerthe doch nur bei denjenigen Gütern sprechen könne, welche im Handelsver­

kehre regelmäßig vorkämen, und bei denen deshalb feststehe oder sestgestellt werden könne, um welchen Preis man sie im Handel zu kaufen oder zu verkaufen pflege, und daß deshalb für andere Sachen

welche gewöhnlich nicht im Handel vorkämen, bei denen aber dennoch der Art. 396 zur Anwen­ dung kommen könne, ein entsprechender Satz aufzustellen sei. — Das A. L.R. (§. 112, Th. I, Tit. 2) besinnt den „gemeinen Werth" als den Nutzen, welchen die Sache einem jeden Besitzer gewähren kann.

16) Wenn dem Frachtführer (oder denjenigen Personen, für welche er gemäß Art. 400 haftet,

P. 4714, anal. Art. 427, Abs. 3) eine bösliche Handlungsweise nachgewiesen wird, so hat er den

vollen Schaden (Art. 283) zu ersetzen.

Die Beweislast hat derjenige, welcher den vollen

Schaden fordert (R.O.H. Bd. 6, S. 429). Der Ausdruck: „bösliche Handlungsweise" soll nicht nur

die Fälle des eigentlichen dolus, sondern auch die schwersten Fälle von Nachlässigkeit umfassen (Str. Bd. 58, S. 20, R.O.H. Bd. 1, S. 158, Bd. 6, S. 432, Bd. 8, S. 429, Bd. 17, S. 123

u. 301, Steg. Bd. 2, S. 13, Bd. 3, S. 247).

führt — treffe auch die Fälle der luxuria.

Jener Ausdruck — so wurde (P. 5114) ausge­

Der Begriff des dolus sei nach der Verschiedenheit

der Rechtsverhältnisse, bei denen er rechtliche Folgen habe, ein sehr dehnbarer.

Hier handle es

sich um Erfüllung kontraktlich übernommener Verpflichtungen; in einem solchen Falle liege nicht

bloß dann eine bösliche Handlungsweise vor, wenn der Schaden der bestimmten Absicht des Thäters entspreche (dolus im eminenten Sinne), sondern auch dann, wenn der Schuldner durch

sein pflichtwidriges Handeln zwar die Beschädigung nicht zunächst bezwecke, er sich aber bei seinem Verfahren der damit verbundenen Gefahr bewußt war und dennoch Nichts zur Abwendung der­

selben that.

(Ebenso R.O.H. Bd. 9, S. 302, Bd. 17, S. 301.)

Eine solche ftevelhaste Hand­

lungsweise werde gewiß als eine bösliche gelten müssen, denn böslich sei immer die Pflichtwidrig­ keit im Bewußtsein der damit verbundenen dringenden Gefahr (fraude non caret), ohne Rücksicht

darauf, ob auch der Eintritt des Schadens beabsichtigt war. — Der Begriff der „böslichen Hand­ lungsweise" ist mit „grober Fahrlässigkeit" nicht identisch (R.O.H. Bd. 10, S. 218), ebensowenig

mit dem Begriffe eines „groben Verschuldens" (Bd. 12, S. 282, Bd. 17, S. 302).

Viertes Buch.

442

Von den Handelsgeschäften.

Art. 398, 399.

die Verspätung durch Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht

habe abwenden sönnen17).

Prot. 3. 798. 801—803. Prot. 3. 1229. Prot. 3. 4719.

Pr. Entw. Art. — Entw. I. Art. 336. Lntw. II. Art. 372.

Artikel 398.

Ist für den Fall verspäteter Ablieferung ein Abzug an der Fracht oder der Verlust der Fracht oder sonst eine Konventionalstrafe bedungen, so kann im Zweifel

außerdem

auch

der Ersatz

des

diesen

Betrag

übersteigenden

Schadens

gefordert

werden, welcher durch die verspätete Ablieferung entstanden ist18). Pr. Entw. Art. 311. Prot. 3. 795. Lntw. I. Art. 337 Abs. 1. prot. 3. 1229. Entw. II. Art. 373 Abs. 1. Prot. 3. 4719. 5096. Artikel 399.

Beweist der Frachtführer, daß er die Verspätung durch die Sorgfalt eines ordent­ lichen Frachtführers

nicht habe abwenden können, so kann die bedungene gänzliche

oder theilweise Einbehaltung der Fracht, oder die Konventionalstrafe wegen verspäteter 17) a. Die Artt. 397, 398 u. 399 gehören zusammen. Der erste spricht das Prinzip aus,

inwiefern der Frachtführer für den durch Versäumung der bedungenen oder üblichen Lieferungs­

zeit entstandenen Schaden haftet, die beiden letzteren wenden das Prinzip auf den Fall an, wenn

für die verspätete Ablieferung vertraglich gewisse Nachtheile festgesetzt sind. b. Während bei der Frage, inwieweit der Frachtführer für Verlust und Beschädigung des Frachtguts hastet, im Art. 395 der strengere Maßstab angelegt ist, daß der Frachtführer sich

in der Regel nicht durch den Nachweis der konkreten beschädigenden Thatsache und der überhaupt

angewendeten Sorgfalt erkulpiren kann, sondern die vis major darthun muß, hat man im Art. 397

bei der Frage, inwieweit der Frachtführer für Verspätung in der Ablieferung hastet, einen mil­ deren Maßstab zugelaffen, weil es gemeinhin leichter sei (P. 798 u. 801), die Beschädigung oder

den Verlust des Frachtguts, als eine Verzögerung der Reise zu verhüten.

Der Frachtführer hat

keinen Schadensersatz zu leisten, wenn er beweist, daß er die Verspätung durch Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht habe abwenden können. Ebenso R.O.H.

Bd. 13, S. 319. 18) a. Der Art. 398 enthält (P. 4719) nur eine Jnterpretationsregel darüber, wie die Ab­

rede, daß im Falle verspäteter Ablieferung ein Abzug an der Fracht oder Verlust der Fracht oder

sonst eine Konventionalstrafe stattfinden solle, im Zweifel zu verstehen ist.

eine andere Absicht erhellt,

Es soll, wenn nicht

konform mit Art. 284 angenommen werden, daß hiermit nur ein

Minimum des Schadensersatzes im Voraus fixirt (P. 802), nicht aber eine darüber hinaus gehende Ersatzforderung ausgeschlossen sei.»

b. Wenn für den Fall verspäteter Ablieferung eine Konventtonalstrafe bedungen und der

Frachtvertrag nur theilweise nicht oder nicht gehörig erfüllt worden ist, so fragt es sich, ob die ganze Strafe oder nur der entsprechende Theil derselben als verwirkt anzusehen ist.

Beide

Ansichten fanden in der Konferenz Vertreter (P. 1229), es überwog jedoch die Meinung, daß sich

keine allgemeine Bestimmung treffen lasse. Von mehreren Mitgliedern wurde bemerkt; es komme

darauf an, ob die in Frage stehende Lieferung eine theilbare sei oder nicht; der Richter habe also nach Erwägung aller Umstände die wahre Meinung der Parteien in jedem einzelnen Falle zu er­

gründen und damach zu entscheiden.

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft.

Art. 400r 401.

443

Ablieferung nicht in Anspruch genommen werden, eS sei denn, daß sich auS dem Vertrage eine entgegenstehende Absicht ergiebt"). pr. Sntw. Art. — Lutw. I. Art. 337 Abs. 2. Sntw. II. Art. 373 Abs. 2.

prot. S. 803. prot. S. 1230. prot. S. 4720. 5096.

Artikel 400. Der Frachtführer hastet für feine Leute und für andere Personen; deren er sich bei Ausführung des von ihm übernommenen Transports bedient"). pr. Sntw. Art. 313 Abs. 1. Sntw. I. Art. 338 Abs. 1. Entw. II. Art. 374.

prot. S. 815-818. prot. S. 1230. prot. S. 4720-4724.

Artikel 401. Wenn der Frachtführer zur gänzlichen oder theilweisen Ausführung deS von ihm übernommenen Transports das Gut einem anderen Frachtführer übergiebt, so hastet er für diesen und die etwa folgenden Frachtführer bis zur Ablieferung"). 19) Auch der Art. 899 ist nur interpretativ (P. 602, 4720). Wenn sich nicht auS dem Ver­

trage die Absicht ergiebt, daß im Falle einer verspäteten Ablieferung die Konventionalstrafe ohne Weiteres und ohne Rücksicht auf Schuld oder Nichtschnld deS Frachtführers verwirtt sein solle,

dann wird angenommen, die Konventionalstrafe sei nur für den Fall bedungen, wenn der Fracht­ führer gemäß Art. 397 überhaupt Schadensersatz leisten muß; sie ist also nicht verwirtt, wenn

der Frachtführer nachweist, daß er die Verspätung durch die Sorgfalt eines ordentlichen Fracht­ führers nicht habe abwenden können. 20) Nach Art. 400 hastet der Frachtführer für seine Leute (d. h. für diejenigen, welche in

einem dauernden Dienstverhältnisse zu ihm stehen) und für andere Personen, deren er sich bei Ausführung des von ihm übernommenen Transports bedient. Nach bisherigem Preuß. Rechte (vgl. Erk. des Obertrib. v. 20. März 1860, Str. Bd. 86, S. 117) haftete er nur für die Ersteren. Zur Rechtfertigung deS im Art. 400 ausgesprochenen Grundsatzes wurde bemertt (P. 816—818): ES

handle sich hier um den Frachtunternehmer im Gegensatze zu dem gewöhnlichen Spediteur. Der Frachtführer, er möge ein tteiner Unternehmer sein, der den Transport persönlich auSführe, oder ein großer, der umfangreiche Anstalten zum Zwecke deS Waarentransports unterhalte, habe die

Pflicht, die Waare von einem Orte zum anderen zu schaffen (er übernehme ein vpus, nicht einzelne Dienste, opera, R.O.H. Bd. 13, S. 135); wie er daS auSführe, daS sei seine Sache; eS

sei demgemäß ganz gleich, ob er den Transport selbst, durch seine eigenen Leute oder Anstalten, oder durch andere Unternehmer ausführen laffe.' Besonderes Gewicht sei auf die Worte „von ihm übernommenen" gelegt, denn es könne auch vorkommen, daß bei Eingehung eineS Fracht­

vertrages bedungen werde, der Frachtführer solle dafür sorgen, daß die bis zu einem gewissen

Orte von ihm geschasste Waare, die er selbst nur bis zu diesem Orte zu tranSportiren sich

verpflichtet habe, von da weiter geschafft werde.

Solche Uebereinkommen seien Nebenverträge,

aus welche der Art. 400 keine Anwendung finde. Ob im einzelnen Falle die Existenz eineS solchen

Nebenvertrages,

oder ob anzunehmen sei, daß der Frachtführer auch den Weitertransport der

Waare selbst übernommen habe, gehöre zur Thatftage.

Dgl. auch P. 4721—4723.

21) Der Abs. 1 d. Art. spricht nur aus, waS sich schon auS dem Art. 400 ergiebt, daß nämlich der Frachtführer, welcher zur Ausführung deS von ihm übernommenen Transports, fei eS zur

gänzlichen oder zur theilweifen Ausführung desselben, sich einen anderen Frachtführer substituirt, für diesen sowie für die bis zur Ablieferung etwa auf einander folgenden Substituten hastet.

Der

444

Viertes Buch.

Von den Handelsgeschäften.

Art. 401.

Jeder Frachtführer, welcher auf einen anderen Frachtführer folgt, tritt dadurch, daß er das Gut mit dem ursprünglichen Frachtbrief annimmt, in den Frachtvertrag

gemäß dem Frachtbrief ein, übernimmt eine selbständige Verpflichtung, den Trans­

port nach Inhalt des Frachtbriefes auszuführen, und hat auch in Bezug

auf den

von den früheren Frachtführern bereits ausgeführten Transport für die Verbindlich­

keiten derselben einzustehen").

Prot. S. 807. 815—818. 822. prot. S. 1230. 1437. prot. S. 4720-4725. 4738-4754. 5043-5045. 5097.

pr. Entw. Art. 313. Lntw. T. Art. 338. Lntw. II. Art. 375.

Abs. 1 dient jedoch als Uebergang zu der unmittelbar auf denselben folgenden Vorschrift. — Ueber die Haftung der sog. Rollfuhrunternehmer s. Entsch. des Obertrib. Str. Bd. 58, S. 21, R.O.H. Bd. 7, S. 100, Bd. 22, S. 224, Steg. Bd. 8, S. 141, und über die Haftung der Eisen­

bahn, wenn ein ihrem Rollfuhrunternehmer übergebenes Gut während des Transports zur Bahn verloren geht, R.O.H. Bd. 24, S. 303.

22) a. Der Abs. 2 des Art. 401 bestimmt, welche Folgen es hat, wenn ein Frachtführer, welcher auf einen anderen Frachtführer folgt, das Gut mit dem ursprünglichen Frachtbriefe zum

Weitertransport annimmt.

Das Gesetz unterscheidet hierbei nicht (P. 4722),

ob der folgende

Frachtführer ein Substitut (Unterftachtführer) des vorangehenden ist, welcher die Ausführung des ganzen Transports übernommen hat, oder ob er an die Stelle des vorangehenden Fracht­

führers erst da als Successor (Zwischenfrachtführer) eintritt, wo die Verpflichtung des voran­ gehenden zum Weitertransport, weil dieser nur einen Theil des ganzen Transports übernommen hat, endet.

Zn beiden Fällen treten für den folgenden Frachtführer dieselben Folgen ein, wenn

er das Gut mit dem ursprünglichen Frachtbriefe annimmt. b. Durch Annahme des Guts mit dem ursprünglichen Frachtbriefe tritt der folgende Frachtführer (Stote a) in den Frachtvertrag gemäß dem Frachtbriefe ein, übernimmt eine selbstän­

dige Verpflichtung, den Transport nach Inhalt des Frachtbriefs auszuführen und hat auch in Bezug auf den von den früheren Frachtführern bereits ausgeführten Transport für die Verbindlich­ keiten derselben einzustehen.

Mit dieser Bestimmung soll ausgedrückt werden (P. 4724, 5098),

daß der folgende Frachtführer durch Annahme des Guts mit dem ursprünglichen Frachtbriefe nicht bloß seinem Normanne, mit dem er kontrahirt hat, sondern direkt auch dem Absender verant­

wortlich wird, und zwar nicht nur wegen Erfüllung derjenigen Obliegenheiten, welche aus dem

von ihm abgeschlossenen Frachtverträge folgen, also wegen Ausführung des ihm obliegenden Theils der Reise, sondern wegen der Verbindlichkeiten, die sich aus dem Frachtbriefe überhaupt ergeben, gleich als wenn er den ursprünglichen Frachtvertrag abgeschlosien und den Transportverirag von

Anfang an ausgeführt hätte, daß also ein solcher Frachtführer sich nicht darauf berufen könne,

er habe die Waare von seinem Vormann beschädigt erhallen und dgl., sondern die Verpflichtung

habe, für die Ausführung des Transports und alle Verpflichtungen aus dem receptnm von Zeit der Uebergabe der Güter bis zur Ablieferung, derselben an den Empfänger, somit auch für die Ausführung des Frachtvertrages durch seine Vor- und Nachmänner einzustehen. (Hieraus folgt

nicht, daß er ohne Weiteres auch für das von dem ersten Seeverftachter etwa gezeichnete Kon­

nossement einzustehen hat, R.O.H. Bd. 16, S. 138.) — Jene Wirkung der Annahme des Guts mit dem ursprünglichen Frachtbriefe kann der folgende Frachtführer weder durch Vorbehalte, sei es auch in der Form von Protesten, noch durch Abreden mit seinem Normanne (oder Notizen

auf dem ursprünglichen Frachtbriefe über den abweichenden Befund) gegenüber dem Absender

und dem Empfänger des Guts beseitigen (P. 823, 4739), vielmehr ist ihm nur gestattet, wenn

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft.

Art. 402.

445

Artikel 402.

Der Frachtführer hat den späteren Anweisungen des Absenders wegen Zurück­ gabe des Guts oder wegen Auslieferung desselben an einen anderen als den im

Frachtbriefe bezeichneten Empfänger so lange Folge zu leisten, als er nicht letzterem nach Ankunft des Guts am Ort der Ablieferung den Frachtbrief übergeben hat.

Ist dies bereits geschehen, so hat er nur die Anweisungen des bezeichneten Em­ pfängers zu beachten, widrigenfalls er demselben für das Gut verhaftet ist33). pr. Lntw. Art. — Sntw. I. Art. 340. Eutw. II. Art. 377.

prot. 3. 851. prot. 3. 1232-1234. prot. 3. 4731—4733. 5098.

er die Haftbarkeit aus dem ursprünglichen Frachtbriefe nicht übernehmen will, die Ausführung des Transportes mit dem alten Frachtbriefe abzulehnen, und sich einen neuen, bloß für seine

Strecke, ausstellen zu lasien. — Das R.O.H. (Bd. 11, S. 212) ist diesen Ausführungen überall

beigetreten und hat angenommen, daß Vorbehalte und Proteste der gedachten Art nur für das Regreßverhältniß der einzelnen Frachtführer unter einander von Bedeutung seien.

c. Der folgende Frachtführer tritt unter der mehrgedachten Voraussetzung ganz an die Stelle des früheren Frachtführers (fingirte Delegation), und deshalb haben der Absender (vgl. Str.

Bd. 63, S. 312) wie der Empfänger ganz dieselben Rechte gegen ihn, welche ihnen gegen den

ersten Frachtführer zustehen würden (Artt. 402, 404, 405).

Dgl. P. 4750.

Hieraus folgert das

Obertr. (Str. Bd. 75, S. 216), daß, wenn eine Eisenbahngesellschast von einer andern ein Gut

mit dem ursprünglichen Frachtbrief zum Weitertransport übernommen hat, das Vertragsverhaltmß

lediglich nach Inhalt des bei der Aufgabe des Guts geschloffenen Frachtvertrages, resp, der­ jenigen reglementsmäßigen Bedingungen zu beurtheilen ist, welche als Norm für den Güterverkehr

auf der das Gut zum Transport übernehmenden Bahn ein integrirender Theil jenes Fracht­

vertrages geworden sind. — Mit anderen Worten: die abliefernde Bahn kann sich nicht auf ihre Reglements und die der Zwischenbahnen berufen. 23) a. Der Art. 402 behandelt nur die Frage, wie lange der Frachtführer den An­ weisungen des Absenders oder Desjenigen, welchen er als solchen ansehen maß (R.O.H. Bd. 22,

S. 134), und von wann ab er denen des Empfängers folgen muffe; er betrifft aber nicht das

unmittelbar zwischen dem Absender und dem Empfänger bestehende Rechtsverhältniß, insbe­

sondere nicht die Frage, wann der Eigenthumsübergang als erfolgt anzusehen ist (R.O.H. Bd. 11,

S. 329), oder unter welchen Voraussetzungen und bis zu welchem Zeitpunkte der Absender dem

Empfänger gegenüber befugt ist, die Nichtauslieferung der Waare an denselben zu erwirken (stoppage in transitu, droit de suite). P. 4776—4778, 5047, 5048.

Vgl. in letzterer Hinsicht

§. 36 der deutschen K.O. — Ob der Bürge des Destinatärs durch Ausübung des Verfolgungs­

rechts seitens des Absenders befreit wird, s. R.O.H. Bd. 20, S. 386. — Giebt der Destinatär den Frachtbrief dem Absender, dem eigentlichen Kontrahenten des Frachtführers, zurück, so wird

die zu Gunsten des Destinatärs im Verhältniß zum Absender eingetretene Dispositionsbeschränkung wieder aufgehoben, und es tritt die Verbindlichkeit des Frachtführers, das Gut zur Verfügung des Ab­ senders zu halten, wieder ein. Der Absender ist in solchem Falle nicht etwa Cessionar des Destinatärs,

sondern ist aus eigenem Recht zur Verfügung über das Gut befugt (R.O.H Bd. 6, S. 276).

b. Der Frachtführer hat den späteren Anweisungen des Absenders wegen Zurückgabe oder Auslieferung des Guts so lange Folge zu leisten, als er nicht letzterem nach Ankunft des Guts

am Ort der Ablieferung den Frachtbrief übergeben hat. Anweisungen des bezeichneten Empfängers zu befolgen.

Demnächst hat er nur noch die

Entscheidend also ist die Uebergabe des

446

Viertes Buch.

Von den Handelsgeschäften.

Art. 403.

Artikel 403.

Der Frachtführer ist verpflichtet, am Ort der Abliefemng dem durch den Fracht­ brief bezeichneten Empfänger das Frachtgut auszuhändigen"). Prot. 3. 853. Prot. S. 1240. Prot. 3. 5098.

Pr. Entw. Art. 322. 323. Entw. I. Art. 347. Lntw. II. Art. 378.

Frachtbriefes nach Ankunft des Guts am Bestimmungsorte; man hat unter solchen Umstanden in der Aushändigung des Frachtbriefes einen Anfang der wirklichen Uebergabe der Waare ge­ funden (P. 1232).

So lange aber die letzteren am Bestimmungsorte noch nicht angekommen sind,

ist es für das Dispositionsrecht des Absenders ohne Einfluß, ob der Frachtführer sich mit dem im Frachtbriefe bezeichneten Empfänger in Verbindung gesetzt, oder diesem sogar den Frachtbrief übersandt hat (P. 852, 4732).

Ebenso Str. Bd. 63, S. 313. Vgl. auch R.O.H. Bd. 20, S. 194.

c. Als selbstverständlich wurde angesehen (P. 4732), daß auch die am Bestimmungsorte er­

folgende Uebergabe der Güter allein ohne Aushändigung des Frachtbriefs dem Dispositionsrechte

des Absenders ein Ende macht, weil der Frachtführer dadurch den Vertrag erfüllt, die von ihm ausgelieferten Güter nicht zurückfordern kann und also einer anderweitigen Anweisung des Ab­

senders faktisch nicht mehr Folge leisten könnte. — Ueber das Dispositionsrecht des Absenders, wenn ein Ladeschein ausgestellt ist, s. Art. 416. d. Aus dem Art. 402 kann nicht entnommen werden, daß der Frachtführer verpflichtet

ist, in Folge späterer Anweisung des Absenders wegen Rückgabe des Guts, dasselbe vorher zurückzutransportiren; die Rückgabe kann nur da verlangt werden, wo es sich eben befindet

(R.O.H. Bd. 16, S. 198). 24) a. Ueber die Frage, ob der Frachtführer, wenn er das Gut dem Empfänger aushändigt,

Empfangsbescheinigung fordern kann, ist absichtlich Nichts bestimmt und die Entscheidung

dem sonstigen Civilrechte überlassen worden (P. 854); bei der Berathung wurde angeführt, daß, abgesehen von dem Verkehre mit der Post, den Eisenbahnen rc., die Ertheilung solcher Empfangs­ scheine nicht üblich sei, was übrigens nicht auffällig erscheine, da auch der Fuhrmann keine Empfangsscheine über die zum Transporte erhaltenen Waaren ausstelle. — Vgl. Art. 418, Inhalts dessen auf Ladescheinen die Ablieferung des Guts zu bescheinigen ist.

b. Unter Aushändigung — sagt das R.O.H. Bd. 2, S. 253, 264, Steg. Bd. 2, S. 170,

185 — ist der Akt zu verstehen, durch welchen der Frachtführer die Gewahrsam der Sache nach beendetem Transport mit ausdrücklicher oder stillschweigender Einwilligung des Empfängers

wieder aufgiebt (restituit).

Jenes interessante Urtheil behandelt einen Fall der Ablieferung an

eine Zoll stelle für den Empfänger nach beendetem Transporte.

S. 27.

Jngleichen der Rechtsfall Bd. 8,

Dgl. Note 10, e zu Art. 395.

c. Sofern nicht ein Anderes bestimmt ist (oder aus der Natur der Sache sich ergiebt), ist

der Frachtführer verbunden, (den genügend bezeichneten Destinatär von der Ankunft der Waare in Kenntniß zu setzen fR.O.H. Bd. 14, S. 279] und) dem Destinatär die Waare zu überbringen; die

Verbindlichkeit des Frachtführers endet nicht schon mit der Ankunft an dem Orte, wo der Letztere

wohnt; erklärt der Destinatär, nicht abnehmen oder die Fracht nicht zahlen zu wollen, so braucht der

Frachtführer nicht die Waare trotzdem vor das Haus des Destinatärs zu bringen und das Anerbieten der Auslieferung zu wiederholen. Ist dieser mit der Empfangnahme im Verzüge, so muß er dem­

nächst die Waare holen und die Verpflichtung des Frachtführers besteht dann nur darin, die Waare dem abholenden Destinatär gegen Zahlung der Fracht auszuliefern (R.O.H. Bd. 2, S. 418,

Steg. Bd. 3, S.134).

Fünfter Titel,

Don dem Frachtgeschäft.

Art. 404, 405.

447

Artikel 404").

Der im Frachtbrief bezeichnete Empfänger ist vor Ankunft deS Guts am Ort der Abliefemng dem Frachtführer gegenüber berechtigt, alle zur Sicherstellung deS Guts erforderlichen Maßregeln zu ergreifen und dem Frachtführer die zu diesem Zweck nothwendigen Anweisungen zu ertheilen; die Ausliefemng deS Guts kann er vor dessen Ankunft am Orte der Abliefemng nur dann fordem, wenn der Absender den Frachtführer zu derselben ermächtigt hat"). pr. Elltw. Art. — Lntw. I. XtL Sutw. II. Art. -

Prot. S. — prot. S. 1233. prot. S. 4755. 4758. 5098.

Artikel 405.

Nach Ankunft deS Frachtführers am Ort der Ablieferung ist der im Fracht­ briefe bezeichnete Empfänger berechtigt, die durch den Frachtvertrag begründeten Rechte gegen Erfüllung der Verpflichtungen, wie sie der Frachtbrief ergiebt, in eigenem Namen gegen den Frachtführer geltend zu machen, sei eS, daß er hierbei in eigenem oder fremdem Jntereffe handle; er ist insbesondere berechtigt, den Frachtführer auf Uebergabe des Frachtbriefes und AuSliefemng deS Guts zu belangen, sofern nicht 25) Die Artt. 404 u. 405 gehen zur Befriedigung eines im Verkehre hervorgetretenen Be­ dürfnisses davon auS (P. 818—822, 1234—1236, 4733—4735, 5045), daß dem tm Frachtbriefe

bezeichneten Empfänger gegenüber dem Frachtführer (nicht gegenüber dem bloßen Spediteur, R.O.H. Bd. 12, S. 384) ein eigenes, wenn auch durch die Einwirkungen des Absenders (Art. 402)

beeinflußtes Recht zusteht.

Alle Anträge, welche darauf abzielten, dem Empfänger nur die Rechte

eines Mandatars deS Absenders zu verleihen, wurden abgelehnt, theils weil die Präsumtion

eines Mandates nicht überall passen würde, z. B. nicht, wenn Jemand Waaren abgesendet habe,

um sie am Bestimmungsorte selbst wieder in Empfang zu nehmen, theils weil bei der Annahme eines Mandats der Frachtführer mit Einreden, welche dasselbe betreffen, gehört werden müßte,

dann aber dem Bedürfnisse deS Verkehrs kein Genüge geschehen würde.

Das Maß der dem

Empfänger gegenüber dem Frachtführer zugestandenen Rechte ist verschieden bestimmt, je nachdem

der Letztere mit dem Frachtgute noch auf der Reise (Art. 404), oder am Orte der Ablieferung

bereits angekommen ist (Art. 405).

26) Vor Ankunft des Guts am Orte der Ablieferung ist der im Frachtbriefe bezeichnete Empfänger gegenüber dem Frachtführer berechtigt, alle zur Sicherstellung deS GutS erforderlichen Maßregeln zu treffen, und dem Frachtführer die zu diesem Zwecke nothwendigen Anweisungen zu ertheilen; die Auslieferung deS Guts kann er jedoch nur verlangen, wenn der Absender den

Frachtführer zu derselben ermächtigt hat (s. die vorstehende Note 23, b).

Man erwog (P. 1233),

daß, wenn man dem Destinatär gänzlich daS Recht nähme, vor Vollendung der Reise Dispositionen

über die Waare zu treffen, dies ebenso ost zum Nachtheil deS Versenders, als deS Empfängers gereichen würde.

Dies fei z. B. der Fall, wenn die Vollendung der Reise durch Naturereignisse,

Einstieren des Schiffes u.dgl. verhindert werde und der Absender entfernt wohne.

In solchen

Fallen müsse der Empfänger diejenigen Verfügungen treffen können, die zur Vollendung der Reise aso zur Ausführung deS Willens deS Absenders erforderlich schienen.

Viertes Buch.

448

Von den Handelsgeschäften.

Art. 405.

der Absender demselben vor Anstellung der Klage eine nach Maßgabe des Artikels 402 noch zulässige entgegenstehende Anweisung gegeben hat").

prot. S. 816-822. prot. S. 1234-1236. prot. 3. 4733-4735. 4754-4758. 5044—5047. 5099.

yr. Entw. Art. — Sntw. I. Art. 341 Abf. 1. Gntw. II. Art. 379 Abf. 1.

27) a. Nach Ankunft des Frachtführers am Orte der Ablieferung hat der im Frachtbriefe

bezeichnete Empfänger die nachstehend näher erörterten Rechte gegen den Frachtführer..

Der Re­

daktionsentwurf in dritter Lesung (P. 5099) begann diesen Artikel im Hinblick auf den Art. 404 mit den Worten: „Nach Ankunft des Guts am Orte der Ablieferung rc."; gegen diese Fassung wurde erinnert, daß, wenn diese Worte beibehalten würden, der Empfänger ohne Rechte sein würde,

wenn das Gut, obschon der Frachtführer mit dem Güterwagen anzekommen sei, zur Lieferungszeit fehle, ja selbst wenn es nach Ablauf der Frist fehle, nach wecher es vertragsmäßig (z. B. nach den Eisenbahnreglements) als verloren behandelt werden dürfe. Mit Rücksicht auf dieses Monitum

wurde die Fassung dahin geändert: „Nach Ankunft des Frachtführers rc."; es wurde jedoch

nicht verkannt, daß bei Festhaltung am Wortlaute auch dieser Ausdruck nicht vollkommen richtig sei. — Er paßt z. B. nicht, wenn der Frachtführer dem Transporte vorauseilt, oder wenn der Frachtführer nicht eine physische Person ist, u. dgl. m.; man ist daher auch trotz der vorgenommenen Aenderung auf eine sinngemäße Anwendung der Anfangsworte dieses Artikels hingewiesen.

I). Von dem in Note a erwähnten Zeitpunkte ab ist der im Frachtbriefe bezeichnete Empfänger berechtigt, die durch den Frachtvertrag begründeten Rechte gegen Erfüllung der Verpflichtungen,

wie sie der Frachtbrief ergiebt, gegen den Frachtführer geltend zu machen.

Diese Vorschrift ent­

hält eine mit Bewußtsein (P. 819—822) gegenüber dem Frachtführer (aber nur diesem, nicht dem

Spediteur gegenüber, R.O.H. Bd. 13, S. 326) zugelassene Ausnahme von den civilrechtlichen Regeln (§. 75, Th. I, Tit. 5 A. L.R.) über die Berechtigung Dritter aus einem zwischen anderen

Personen geschloffenen Vertrage.

Der Empfänger kann gegen den Frachtführer die Rechte auS

dem zwischen diesem und dem Absender geschloffenen Frachtverträge verfolgen; der Inhalt des

Frachtbriefs ist für den Umfang dieser Rechte nicht unbedingt entscheidend, denn derselbe ist nur Beweisurkunde und kann entweder von Anfang an unrichtig gewesen oder in Folge späterer An­

weisungen des Absenders zu einem unrichtigen geworden sein (P. 5044—5047).

In Folge jener

Vorschrift kann der Empfänger nicht nur die Uebergabe des Frachtbriefs und die Auslieferung des Guts, sondern auch den Ersatz für Beschädigungen (P. 4757) oder den Ersatz wegen überhaupt nicht oder wegen zu spät gelieferten Guts (R.O.H. Bd. 4, S. 362) einklagen und die sonstigen aus dem Frachtverträge originirenden Rechte geltend machen.

Der Frachtführer ist zur Aushändigung der

Waare nur gegen Zahlung der Fracht verpflichtet; bis dahin kann er die Auslieferung der ganzen

Waare verweigern und ist nicht auf die Einbehaltung eines seine Forderung deckenden Theils beschränkt (R.O.H. Bd. 14, S. 273). c. Bei Verfolgung der erwähnten Rechte tritt der Empfänger in eigenem Namen auf,

sei es, daß er hierbei in eigenem Interesse (z. B. als Eigenthümer des Guts) oder in fremdem Interesse (z. B. als Kommissionär für das eines Kommittenten oder für den Absender, R.O.H.

Bd. 22, S. 331) handelt; zu einer Erklärung, in wessen Interesse er handle, ist der Empfänger nicht verpflichtet (P. 5099). Durch die Vorschrift, daß der Empfänger die Rechte „in eigenem

Namen" geltend machen kann, soll erkennbar gemacht werden, daß er nicht als bloßer Mandatar oder sonstiger Vertreter des Absenders anzusehen ist, sondern daß ihm persönlich gewisse Befugnisse zustehen.

Der Ausdruck „in eigenem Namen" wurde den ftüher tut Entwürfe an dieser Stelle

befindlichen Worten: „aus eigenem Rechte" substituirt (P. 5045), weil die letzteren zu der

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft.

Art. 406, 407.

449

Artikel 406. Durch Annahme des Guts und des Frachtbriefes wird der Empfänger verpflichtet,

dem Frachtführer nach Maßgabe des Frachtbriefes Zahlung zu leisten28 * *).* * * * * * * prot. S. 816. 822. prot. S. — prot. S. 4751. 4753. 5099-5102.

pr. Eutw. Art. — Entw. I. Art. 341 Abs. 3. Sntw. II. Art. 379 Abs. 3.

Artikel 407. Wenn der bezeichnete Empfänger des Guts nicht auszumitteln ist oder die An­ nahme verweigert, oder wenn Streit über die Annahme oder den Zustand des Guts

entsteht, so kann der Betheiligte den letzteren durch Sachverständige festftellen lassen. Die Sachverständigen ernennt auf das Ansuchen des Betheiligten das Handels­

gericht oder in dessen Ermangelung der Richter des Orts. irrigen Auffassung verleiten könnten, als sei der Frachtbrief wenigstens im Verhältniß des Fracht­ führers zu dem Empfänger eine Art von Verpflichtungsschein, aus welchem der Empfänger unbedingte, den Rechten des Absenders präjudizirende Rechte ableiten dürfte.

d. Die Schlußworte des Art. 405 wahren das dem Absender im Art. 402 zugestandene DisposttionSrecht, in Bezug auf welches sie einen festen Endtermin für den Fall bestimmen

(P. 4755—4758, 5099), wenn der Frachtführer nach Ankunft des Guts am Orte der Ablieferung

mit der Aushändigung des Frachtbriefs oder des Guts zögert.

Sobald in einem solchen Falle

bet Empfänger die Klage angestellt hat, hat der Frachtführer spatere Anweisungen des Absenders nicht mehr zu befolgen und kann sich auf solche gegenüber dem Klager nicht berufen. 28) a. Die Fassung des Art. 406 wurde bei der Schlußredaktion (P. 5101) bemängelt, weil

in demselben die Zahlungsverbindlichkeit des Empfängers von der „Annahme des Guts und des

Frachtbriefes" abhängig gemacht sei, währendrichtiger zu sagen wäre: „durch Annahme des Guts auf Grund des Frachtbriefes rc." Hierzu wurde geltend gemacht: Wenn man die jetzige Fassung

presse, so müßte die Klage eines Frachtführers, der seiner Klage einen Frachtbrief beilege, unter welchem der Empfänger die Ablieferung des Guts bescheinigt habe, angebrachtermaßen zurückge­ wiesen werden, weil aus der Klage selber hervorgehe, daß der Frachtführer noch im Besitze des

Frachtbriefes sich befinde.

Dies widerstreite aber der Absicht des Art. 406, welcher nur den Ge­

danken auSsprechen wolle: Der Empfänger, welcher daS Frachtgut unter derjenigen Bedingung

annehme, unter welcher der Absender ihm das Gut zur Empfangnahme vorstelle, acceptire dem Frachtführer gegenüber die in dem Frachtbriefe enthaltene Anweisung zur Zahlung der Fracht.

Daraus ergebe sich schon, daß nach der Natur der Sache die Anweisung, hier der Frachtbrief, dem

Empfänger nur vorgelegt oder präsentirt werden müsse, daß aber der als Anweisung dienende Frachtbrief in den Händen des

Gläubigers bis zur

Zahlung verbleibe,

und erst nach der

Zahlung dem Schuldner i. e. dem Empfänger ausgeliefert werden könne. — Die dargelegte Absicht des Art. 406 wurde als richtig anerkannt, eine Aenderung seiner Fassung jedoch abgelehnt, weil das

angedeutete Mißverständniß desselben nicht zu befürchten sei. b. Der Art. 406 bestimmt die Grenzen der den Empfänger betreffenden persönlichen Ver­ pflichtung, nämlich nach Maßgabe des Frachtbriefes (und des darin angezogenen Reglements und

Tarifs, R.O.H. Bd. 21, S. 184 und 186) Zahlung zu leisten; er haftet daher für die aus dem

Frachtbrief hervorgehenden Nachnahmen, gleichviel ob sie Auslagen betreffen, wegen deren der Frachtführer einen Vormann befriedigt hat oder ob sie ein Einkassirungsmandat des Absenders

enthalten (Entsch. Bd. 76, S. 65); er hastet jedoch nicht persönlich für die etwa auf der Ladung ruhenden, aber nicht aus dem Frachtbrief hervorgehenden Aufwendungen (Str. Bd. 71, S. 45).

M a k o w e r, Handelsgesetzbuch. 8. Aufl.

29

Viertes Buch.

450

Don den Handelsgeschäften.

Art. 407.

Die Sachverständigen haben ihr Gutachten schriftlich oder zu Protokoll zu er­ statten. Das Gericht kann auf Ansuchen des Betheiligten verordnen, daß das Gut in einem öffentlichen Lagerhause oder bei einem Dritten niedergelegt, und daß es ganz

oder zu einem entsprechenden Theile behufs Bezahlung der Fracht und der übrigen

Forderungen des Frachtführers öffentlich verkauft wird.

Ueber das Ansuchen um Ernennung von Sachverständigen oder um Verfügung des Gerichts wegen Niederlegung und wegen 'Verkaufs des Guts wird die Gegen­ partei, wenn sie am Orte anwesend ist, gehört"). pr. Entw. Art. 314. Gnt®. I. Art. 342. Sntw. II. Art. 380.

prot. 3. 807. prot. 3. 1238. prot. 3. 4736.

Andererseits kann der Empfänger, wenn er Gut und Frachtbrief annimmt, durch sein Ver­

halten bei der Abnahme, durch Verzögerungen rc. zu Mehrerem als der Frachtbrief enthält verpflichtet werden, z. B. zur Zahlung von Liegegeldern (R.O.H. Bd. 20, S. 410). — Der Art. 409

ergiebt, inwieweit der Frachtführer ein dingliches Recht an dem Gute hat. 29) a. Vgl. Note 27, a u. d zu Art. 348, und den (hinter Art. 348 abgedruckten) §. 13, Abs. 4 des Einf.-Ges. zur C.P.O., durch welchen die prozessualischen Bestimmungen des Art. 407

theilweise abgeändert sind. — Die ganze Fasiung des Art. 407 ergiebt, daß hier nur ein Recht des Frachtführers zur Konstatirung der Mängel, nicht aber eine Pflicht desselben vorgeschrieben

ist (R.O.H. Bd. 8, S. 329, Bd. 12, S. 118).

b. Der Antrag auf Ernennung von Sachverständigen kann sowohl von dem Frachtführer als auch von dem Empfänger gestellt werden; der Antrag ist zulässig, wenn der (im Frachtbriefe oder sonst vom Absender) bezeichnete Empfänger nicht auszumitteln ist oder die Annahme verweigert,

oder wenn Streit über die Annahme oder den Zustand des Guts entsteht.

Zn diesen Fällen kann

das Gericht auf Antrag des Betheiligten auch die Deposition des Guts, und sogar den gänzlichen

oder theilweisen öffentlichen Verkauf desselben zur Deckung der Forderungen des Frachtführers ver­ ordnen, alles dies auf Gefahr des Antragstellers, welcher trotz der Einmischung des Gerichts dafür haftet, daß die materiellen Voraussetzungen des Antrags in Wahrheit vorhanden sind, und sie

demnächst im Streitfälle beweisen muß (Str. Bd. 77, S. 123).

Ueber die in diesem Art. ge­

dachten Anträge wird die Gegenpartei, wenn sie am Orte anwesend ist, gehört, d. h. (R.O.H. Bd. 17, S. 181) das Gericht ist in diesem Falle verpflichtet, die Gegenpartei zu hören, aber

andererseits auch nicht gehindert, das vorgängige Gehör der nicht am Orte anwesenden Ge­

genpartei nach seinem Ermessen anzuordnen. — Aus diesen Bestimmungen ergiebt sich, daß von einem förmlichen Prozeßverfahren nicht die Rede ist, da selbst das Anhören des Gegners nur von einem äußerlichen Umstande abhängig gemacht, und auch dieses nach den M. (S. 173)

nur aus dem Grunde vorgeschrieben ist, weil dasselbe erfahrungsmäßig die Sachen vereinfacht und

Vergleiche befördert.

Das Gehör der Gegenpartei, auch wo es stattfindet, macht das Verfahren

nicht zu einem ordentlichen, konttadittorischen Prozeßverfahren, sondern ist lediglich ein Element für die extraordinaria cognitio des Gerichts.

Dasselbe erläßt auf summarische Kognition eine

Verordnung (ordonnance) und hat, abgesehen etwa von seiner Mitwirkung bei der Vollstreckung derselben, Nichts weiter mit der Sache zu thun, bis eine der Parteien durch förmliche Klage das

Gericht von Neuem mit der Sache befaßt.

Fünfter Titel.

Don dem Frachtgeschäft.

Art. 408.

451

Artikel 408. Durch Annahme deS Guts und Bezahlung der Fracht erlischt jeder gegen den Frachtführer. Nur wegen Verlustes oder Beschädigung, welche bei der Ablieferung nicht erkennbar waren, kgnn der Frachtführer selbst nach der Annahme und zahlung der Fracht in Anspruch genommen werden, wenn die Feststellung

Anspruch

äußerlich nach Be­ deS Ver­

lustes oder der Beschädigung ohne Verzug nach der Entdeckung nachgesucht worden ist, und bewiesen wird, daß der Verlust oder die Beschädigung während der Zeit seit der Empfangnahme bis zur Ablieferung entstanden ist. Die Bestimmungen über die Verjährung der Klagen und Einreden gegen den Spediteur wegen Verlustes, Beschädigung oder verspäteter Ablieferung deS Guts (Artikel 386) finden auch auf den Frachtführer Anwendung"). pr. Satw. Art. 315. Entw. I. Art. 343. Cntw. II. Art. 381.

prot. S. 830-832. 858. prot. S. 1239. prot. S. 4737. 5102.

30) a. Der Art. 408 handelt nur von dem Verhältniffe deS Empfängers zu dem Frachtführer, nicht zu dem Spediteur (R.O.H. Bd. 24, S. 289).

Die Frage, inwieweit dem Em­

pfänger im Verhältnisse zu dem Absender die Pflicht obliegt, für die Feststellung und Anzeige

etwaiger Mängel der übersandten Waare zu sorgen, und welche Folgen die Unterlassung nach stch zieht, ist durch besondere Vorschriften geregelt (Arttt 347,365,367), Vgl. R.OH. Bd. 6, S. 107. b. Durch Annahme deS Guts und Bezahlung der Fracht erlischt, abgesehen von der im Abs. 2 d. Art. zugrlaffenen Ausnahme, jeder Anspruch gegen den Frachtführer.

Der Empfänger

muß daher, wenn eS sich um Mängel oder Manco handelt, für welche der Frachtführer verant­ wortlich ist, und nicht etwa um solche, die in einer fehlerhaften Vertragserfüllung des Absenderihren Grund haben, da- Guthaben deS Frachtführer- einbehalten.

ES wurde jedoch anerkannt

(P. 830), daß hiermit keine-wegS ein gütliches Uebereiukommen deS Empfänger- mit dem

Frachtführer für unzulässig erklärt werden solle, wonach (vielleicht sogar im Interesse des Fracht­

führers, damit derselbe an seiner Weiterreise nicht gehindert werde rc.) die Waare einstweilen ab­

geliefert und die Frage, ob und wer für eine Beschädigung, für theilweisen Verlust derselben rc. aufzukommen habe, erst später zum Austrage gebracht werden solle.

Nur dies sollte abgeschnitten

werden, daß der Empfänger unter dem Vorwande, er könne die Waaren nicht sofort untersuchen, dieselben nur unter Protest annehme und die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Fracht­

führer stch biS auf Weiteres vorbehalte.

Also: ein einseitiger Vorbehalt ist wirkungslos, eine

vorgängige Uebereinkunft statthaft (R.OH. Bd. 1, S. 181, Steg. Bd. 2, S. 28).

Die

Beschädigung deS Guts, die unvollständige oder verspätete Liefemng desselben begründen einen SchadenSersatzanspruch, berechtigen aber nicht dazu, das Gut gänzlich zurückzurveisen und den Ersatz seines Werthes zu verlangen (R.O.H. Bd. 11, S. 294). Der Abs. 1 des Art. 408 hat den

Sinn, daß in der Annahme des Guts und der Zahlung der Fracht eine thatsächliche Billigung deS auSgeführten Transports liegt; dagegen läßt die Annahme deS Guts allein keinen begründeten

Schluß auf jene Billigung zu; folglich ist der Abs. 1 nur dann anwendbar, wenn nach der TranSportbeendigung die Fracht bezahlt wird, nicht aber wenn sie, wie bei Frankosendungen,

vorher bezahlt ist (RD.H, Bd. 13, S. 417).

Ebensowenig ist der Abs. 1 anwendbar, wenn eS

stch nicht um Mängel oder Manco deS Empfangenen, sondern um Totalverlust an Stückgütern

handelt, da solche eben nicht empfangen sein können; ist für solche die Fracht mttbezahlt, so ist in

Erwartung der nachttäglichen Lieferung oder aus Irrthum gezahlt (N.O.H. Bd. 15, S. 144). 29*

Viertes Buch. Bon den Handelsgeschäften. Art. 409.

452

Artikel 409.

Der

Frachtführer

hat wegen aller durch den Frachtvertrag begründeten For­

derungen, insbesondere der Fracht- und Liegegelder, sowie wegen der Zollgelder und anderer Auslagen ein Pfandrecht an dem Frachtgut.

Dieses Pfandrecht besteht, so

lange das Gut zurückbehalten oder niedergelegt ist; es dauert auch nach der Abliefe­

rung noch fort, insofern der Frachtführer es binnen drei Tagen nach der Ablieferung gerichtlich geltend macht, und das Gut noch bei dem Empfänger

oder bei einem

Dritten sich befindet, welcher es für den Empfänger besitzt.

Er kann zu seiner Befriedigung den Verkauf des Guts oder eines Theiles des­ selben veranlassen (Artikel 407).

Er hat dieses Recht auch gegenüber den übrigen Gläubigem und der Konkurs­ masse des Eigenthümer^').

pr. Entw. Art. 316. Entw. I. Art. 344. Entw. II. Art. 382.

prot. 3. 832—834. prot. 3.1239. prot. 3. 4759—4761. 5102.

c. Der Abs. 2 läßt nach Annahme des Guts und Bezahlung der Fracht Ansprüche des Empfängers gegen den Frachtführer nur wegen Verlustes oder Beschädigung zu, welche bei der

Ablieferung äußerlich nicht erkennbar waren (sog. verborgene Mängel), auch dies jedoch nur unter der Bedingung, wenn die Feststellung des Verlustes oder der Beschädigung in Gemäßheit des

Art. 407 (P. 4737) ohne Verzug nach der Entdeckung nachgesucht worden ist, und der Empfänger in dem gegen den Frachtführer demnächst anzustellenden Prozesse beweist, daß der Verlust oder

die Beschädigung während der Zeit eingetreten ist, auf welche sich nach Art. 395 die Haftbarkeit des Frachtführers erstreckt.

Wird ein Antrag auf Feststellung des Verlustes oder der Beschädi­

gung nicht ohne Verzug nach der Entdeckung gestellt, so ist der Anspruch gegen den Fracht­ führer erloschen, und kann nicht etwa durch spätere, im Laufe des Prozesses gestellte Anträge auf

Untersuchung durch Sachverständige erhalten werden.

Ob ein Antrag ohne Verzug nach der

Entdeckung des Mangels gestellt worden, ist quaestio facti.

d. Der Pr. Entw. (Art. 315) ging noch weiter als der Abs. 2 d. Art. und verlangte Fest­

stellung des Verlustes oder Schadens ohne Verzug nach der Annahme.

Hierfür wurde geltend

gemacht, der Frachtführer habe noch ein weit größeres Interesse, von einem Geschäfte schnell und

definitiv loszukommen, als jeder Verkäufer, damit er nicht bei seinen weiteren Reisen aufgehalten

werde.

Man begnügte sich jedoch mit der sofortigen Feststellung des Verlustes oder Schadens

nach der Entdeckung, damit die Pflicht der Untersuchung einer Waare nicht zu einer unbilligen

Härte gegen den Empfänger werde.

Es sei nicht abzusehen, — so meinte man (P. 831) —

weshalb ein Empfänger, der die Waare vielleicht nicht einmal behalten wolle, dieselbe augen­ blicklich auspacken und untersuchen solle, bloß weil er sie durch einen Frachtführer zugestellt er­

halten habe.

Gegen übermäßige Belästigung schütze den Frachtführer die kurze Verjährungsfrist

(Abs. 3 d. Art.).

31) a. Der Art. 409 gewährt dem Frachtführer wegen aller durch den Frachtvertrag begründeten (also — Str. Bd. 71, S. 45 — nicht bloß wegen der aus dem Frachtbrief her­

vorgehenden) Forderungen (folglich auch wegen der Ansprüche, welche sich auf ein Verschulden des Absenders gründen, Entsch. Bd. 63, S. 314) und wegen der Forderungen aus einem mit

dem Frachtvertrags verbundenen Auftrage oder sonstigem Nebenvertrage (Zollgelder und andere Auslagen, R.O.H. Bd. 24, S. 212) ein Pfandrecht an dem Frachtgute. Das Pfandrecht würde

nach allgemeinen ctvilrechtlichen Regeln (§. 253, Th. I, Tit. 20 A. L.R.) mit der Auslieferung deS

Fünfter Titel,

Don dem Frachtgeschäft.

Art. 410.

453

Artikel 410. Geht das Gut durch die Hände mehrerer Frachtführer, so hat der letzte bei der Ablieferung, sofern nicht der Frachtbrief das Gegentheil bestimmt, auch die aus dem Frachtbriefe sich ergebenden Forderungen der vorhergehenden einzuziehen und deren Mochte, insbesondere auch das Pfandrecht, auSzuüben. Der vorhergehende Frachtführer, welcher von dem nachfolgenden befriedigt ist, überträgt auf diesen von Rechtswegen seine Forderung und sein Pfandrecht. In gleicher Art wird die Forderung und das Pfandrecht deS Spediteurs auf den nachfolgenden Spediteur und den Frachtführer übertragen. DaS Pfandrecht der Vormänner besteht so lange, als das Pfandrecht des letzten Frachtführers"). pr. Entw. Art. 317. Prot. L. 834. 841-843. (Intw. I. Art. 345. Prot. 3.1239. 1436-1439. Sntw. II. Art. 383. Prot. S. 5103. Guts an den Empfänger erlöschen.

Hiervon macht der Art. 409 eine Ausnahme, indem er daS

Pfandrecht auch nach der Ablieferung noch für fortbestehend erklärt, insofern der Frachtführer es binnen drei Tagen nach der Ablieferung gerichtlich geltend macht, und daS Gut noch bei dem

Mit dieser

Empfänger oder bei einem Dritten sich befindet, welcher es für den Empfänger besitzt.

tief in das Civilrecht eingreifenden Vorschrift ist bezweckt worden, den Frachtführer durch die ihm zugestandene Fortdauer seines Pfandrechts zu veranlagen, mit seiner Leistung voranzugehen,

obschon davon auSgegangen wurde (ebenso R.O.H. Bd. 20, S. 377), daß er rechtlich hierzu nicht verpflichtet sei, sondern die Erfüllung Zug um Zug verlangen könne.

Vgl. P. 4764.

b. ES war beantragt worden, den Frachtführer (ähnlich wie beim Seetransport im Art. 625)

für verpflichtet zu erklären, das Gut dem Destinatär gegen Deposition der Schuld seitens deffelben auszuhändigen und ihm dagegen das Recht einzuräumen, die einstweilige Auszahlung der depo-

nirten Summe gegen eine genügende Kaution durch Bürgen u. dgl. zu verlangen.

Der Antrag

wurde jedoch abgelehnt (P. 4759—4761), nachdem gegen denselben geltend gemacht war: eine

solche Bestimmung werde manchen Frachtführer, der keine genügende Bürgschaft stellen könne, zu Grunde richten; chikanöse Vorenthaltungen eines Frachtlohns, um einen Nachlaß an demselben

zu erzwingen, seien erfahrungSmäßig nicht selten und müßten verhütet werden; es muffe daher

bei der im Texte des Gesetzbuchs enthaltenen Bestimmung verbleiben, aus welcher in Verbindung mit den Artt. 407 und 310 sich ergebe, daß der Verkauf auch vor rechtskräftiger Feststellung der Forderung des Frachtführers statthaft sei, und daß die gerichtliche Deposition der Schuld an und für sich den Verkauf des Guts ebenso wenig abzuwenden vermöge als im Falle des Art. 810.

c.

Ueber die Wirksamkeit dieses Pfandrechts gegenüber dritten Personen, welche ein früher

begründetes Eigenthum, Pfandrecht oder sonstiges dingliches Recht an diesen Gegenständen haben, s. Art. 306, über die Kollision von Pfandrechten der Kommissionäre, Spediteure und Frachtführer

s. Art. 411, und über die Wirkung dieses Pfandrechts im Konkurse früher Einf.-Ges. (A. L.R.

und A. G.O.) Art. 28 und (Köln) Art. 45, jetzt §. 41, Ziff. 8 der deutschen K.O. 32) Nach dem Art. 410 hat der letzte Frachtführer, wenn das Gut durch die Hände mehrerer Frachtführer gegangen ist, auch die aus dem Frachtbriefe sich ergebenden Forderungen der vor­

hergehenden einzuziehen, und deren Rechte, insbesondere auch das Pfandrecht, auszuüben, ohne daß er einer förmlichen Vollmacht bedarf.

jedoch

seinen Vormann befriedigt,

Er handelt hierbei als Mandatar derselben.

so geht die Forderung

und

Hat er

das Pfandrecht deffelben von

Viertes Buch.

454

Von den Handelsgeschäften.

Art. 411, 412.

Artikel 411.

Wenn auf demselben Gute zwei oder mehrere gemäß den Artikeln 374, 382 und 409 begründete Pfandrechte

bestehen, so geht unter

denjenigen Pfandrechten,

welche durch die Versendung oder durch den Transport des Guts entstanden sind, das später entstandene dem früher entstandenen vor; diese Pfandrechte haben sämmtlich

den Vorrang vor dem Pfandrecht des Kommissionairs und vor dem Pfandrecht des

Spediteurs für Vorschüsse; unter den letzteren Pfandrechten geht das früher entstandene

dem später entstandenen vor"). prot. 3. 855. 859—861. prot. 3. — prot. 3. 4625. 5103.

pr. Entw. Art. — entw. I. Art. — ($ntw. II. Art. —

Artikel 412.

Wenn der Frachtführer das Gut ohne Bezahlung abliefert und das Pfandrecht nicht binnen drei Tagen nach der Ablieferung gerichtlich geltend macht, so wird er, sowie die vorhergehenden Frachtführer und die Spediteure, des Rückgriffs gegen die

Vormänner verlustig.

Der Anspruch gegen den Empfänger bleibt in Kraft").

pr. entw. Art. 318. entw. I. Art. 346. entw. II. Art. 384.

prot. 3. 843-845. prot. 3. 1240. prot. 3. 4762-4765. 5104.

Rechtswegen (d. h. ohne daß es einer förmlichen Cession bedarf) auf ihn über (P. 835, 841, 1437).

Vgl. Art. 382.

33)

Schon in erster Lesung (P. 856, 859—861) war beantragt worden, eine Bestimmung

über das Rangverhältniß der Pfandrechte des Kommissionärs (Art. 374), des Spediteurs (Art. 382)

und des Frachtführers (Art. 409) in das Gesetz aufzunehmen.

Dem Anträge wurde jedoch erst

in dritter Lesung (P. 4625, 5103) stattgegeben. Rach Art. 411 geht unter mehreren Pfandrechten, welche durch die Versendung oder den Transport des Guts entstanden sind, das später ent­

standene dem früher entstandenen vor, und diese Pfandrechte haben sämmtlich den Vorrang vor

dem Pfandrechte des Kommissionärs und vor dem exceptionellen Pfandrechte des Spediteurs für

Vorschüsie, welche unter einander nach der Rechtsregel prior tempore potior jure rangiren. Diese Rangordnung hat ihren Grund darin, daß durch die Thätigkeit der Spediteure und Fracht­ führer überhaupt, und durch den Hinzutritt neuer Spediteure und Frachtführer insbesondere, die Waare ihrem Bestimmungsorte näher rückt und dadurch an Werth gewinnt.

34) a.

Die Ablieferung des Guts an den Empfänger ohne Empfang der Zahlung und

ohne Konservirung des Pfandrechts durch rechtzeitige Geltendmachung bewirkt, daß der letzte

Frachtführer sowie die vorhergehenden Frachtführer und die Spediteure des Rückgriffs (wegen aller ihnen aus dem Frachtgeschäfte zustehenden Forderungen, Entsch. Bd. 63, S. 315) gegen die Vormänner, d. h. gegen alle diejenigen Personen, welche ihnen sonst regreßpflichtig wären,

insbesondere auch gegen den Absender (Entsch. 1. c.), verlustig werden und nur noch den An­ spruch gegen den Empfänger behalten Bd. 71, S. 46).

(soweit dieser nach Art. 406 überhaupt besteht, Str.

Die Bestimmung, daß auch die vorhergehenden Frachtführer und Spedi­

teure jenem Präjudize unterliegen, wurde (P. 843) durch die Erwägung gerechtfertigt, daß sie ihre Forderung dem Nachmanne anvertraut hätten, und also das Risiko aus einem solchen Ver­

trauen nur sie, und nicht den Absender treffen könne. — Aus dem Art. 412 ergiebt sich, daß die

Ausübung des Pfandrechts für den Frachtführer die Natur einer Verpflichtung gegen seine

Vormänner hat (Entsch. 1. c.).

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft.

Art. 413.

455

Artikel 413°°). Der Absender und der Frachtführer können Übereinkommen, daß der letztere dem ersteren einen Ladeschein ausstellt°°).

Der Ladeschein ist eine Urkunde, durch welche der Frachtführer sich zur Aushän­ digung des Guts verpflichtet. prot. S. 845—850. Prot. S. 1241. 1246. 1443. prot. S. 4033. 4130. 4699. 4769. 4779. 5104.

pr. Sntw. Art. 319. Sntw. I. Art. 348. Sntw. II. Art. 385.

b.

In dritter Lesung (P. 4762—4765) wurde auf die große Gefahr aufmerksam gemacht,

welche der Absender laufe, wenn der Frachtführer (abweichend vom Art. 627 im Seerecht) gegen

ihn den Regreß behalte, sobald er nur innerhalb 3 Tagen nach der Ablieferung des Guts die

Klage gegen die Empfänger anstelle.

Der Absender, welcher mit seinem Kommittenten verrechnet

habe, könne dann noch nach Jahren belangt werden, ohne sich an dem abgelieferten Gute immer

erholen zu können. — Es wurde jedoch erwidert, daß diese Bestimmung nur eine Folge des im Art. 409 aufgestellten Prinzips über die Dauer des Pfandrechts des Frachtführers sei, und gleiche

Gefahren den Absender treffen könnten, auch wenn man ein anderes Prinzip annehme.

Uebrigens

könne fich der Absender z. B. dadurch decken, daß er dem Frachtführer beim Abschluffe des Fracht-

verttages zur Pflicht mache, entweder nur Zug um Zug zu leisten, oder doch, wenn es wegen Geltendmachung des Pfandrechts zum Prozeffe komme,

gelangen zu lassen.

c.

schleunigst an ihn Nachricht hiervon

S. 4765.

Der Art. 412 bestimmt nur über die Regreßklage des Frachtführers aus dem Fracht­

verträge.

Durch denselben wird nicht ausgeschlossen (P. 845, 4763—4765), daß bei dem ein»

getretenen Verluste jener Klage aus sonstigen civilrechtlichen Gründen, insbesondere aus der Bereicherung, wenn der Transport auf Rechnung des Absenders erfolgte, ein Anspruch an

den Letzteren noch erhoben werden kann. 35) Die Artt. 413—419 enthalten Vorschriften über Ladescheine.

Unter Ladeschein ist,

im Gegensatze zum Frachtbriefe, der nur eine Beweisurkunde bildet, eine Urkunde verstanden, durch welche der Frachtführer sich zur Aushändigung des Guts verpflichtet (Abs. 2 d. Art.), also

ein Verpflichtungsschein.

Gegen die Aufnahme von Bestimmungen über Ladescheine in das

H.G.B. erhob sich in der Konferenz der lebhatteste Widerspruch (P. 448, 851, 1240, 1242), und noch in

dritter Lesung (P. 4766 — 4768) wurde

die

Stteichung aller

auf

sie bezüglichen

Vorschriften beantragt.

Dieselbe wurde jedoch abgelehnt, nachdem gegen den Antrag insbesondere

geltend gemacht war:

Der Art. 405 gewähre dem Empfänger nicht schnell genug eine direkte,

entgegenstehende Anweisungen des Absenders ausschließende Einwirkung auf das Frachtgut.

Es

bestehe ein Bedürfniß, ein negoziables Papier zu schaffen, durch welches dem Empfänger die Möglichkeit gewährt werde, über die Ladung schon zu der Zeit zu verfügen, während sie sich noch

auf dem Transporte befinde.

Der Ladeschein sei auch nicht ein ganz neues Institut, sondern

existire wenigstens bei Transporten auf Binnengewässern in großer Ausdehnung schon lange, wenn auch vielleicht da und dort unter einem verschiedenen Namen (als Konnossement des Flußschiffers

u. dgl.). Eben deshalb könne das H.G.B. sich nicht aller Bestimmungen über denselben enthalten; seien die Artt. 413—419 auch nicht ausreichend, so würden die Lücken doch durch analoge An­ wendung der seerechtlicheu Bestimmungen über das Konnossement thunlichst ausgefüllt werden. 36) In erster Lesung (P. 845—849) war angenommen worden, daß der Frachtführer ver­

pflichtet sei, auf Verlangen des Absenders einen Ladeschein auszustellen; in zweiter Lesung wurde zuvörderst (P. 1242—1246) nur eine Berechtigung, demnächst jedoch (P. 1444) wiederum

Viertes Buch.

456

Von den Handelsgeschäften.

Art. 414.

Artikel 414. Der Ladeschein enthält"): 1) die Bezeichnung der geladenen Güter nach Beschaffenheit, Menge und Merk­

zeichen; 2) den Namen und Wohnort des Frachtführers;

3) den Namen des Absenders; 4) den Namen werden soll.

desjenigen,

an den oder an dessen Ordre das Gut abgeliefert

Als solcher ist der Absender zu verstehen, wenn der Ladeschein

lediglich an Ordre gestellt ist38 * *); 39 * * * 37

5) den Ort der Ablieferung; 6) die Bestimmung in Ansehung der Fracht; 7) den Ort und Tag der Ausstellung.

Der Ladeschein muß von dem Frachtführer unterzeichnet sein. Der Absender hat dem Frachtführer auf dessen Verlangen eine von ihm unter­

zeichnete gleichlautende Kopie des Ladescheins auszuhändigen").

pr. Entw. Art. — Entw. I. Art. 349. Sntw. II. Art. 386.

Prot. S. 845—849. prot. S. 1242. 1247. 1250. 1326—1332. 2203 f. Prot. S. 4005. 4563. 4569. 4769-4771. 5104.

eine Verpflichtung zur Ausstellung von Ladescheinen, aber nur für den Frachtführer, welcher nicht zu den gewöhnlichen Fuhrleuten, den gewöhnlichen Schiffern oder den PostLnstalten gehört, an­ erkannt; in dritter Lesung (P. 4769) wurde endlich beschlossen, daß es in allen Fällen dem freien

Uebereinkommen des Frachtführers mit dem Absender zu überlassen sei, ob ein Ladeschein aus­ gestellt werden solle. 37) Der Art. 414, Abs. 1 bezeichnet die Punkte, über welche ein Ladeschein Bestimmungen

enthalten soll (die üblichen Bestandtheile, R.O.H. Bd. 17, S. 97), ohne daß die Ungültigkeit des Ladescheins vorgeschrieben ist, wenn eines oder das andere der unter Ziffer 1—7 erwähnten Momente nicht beachtet ist.

(Vgl. Artt. 392, 645.)

Es muß daher im konkreten Falle, wenn

ein Mangel vorhanden ist, geprüft werden, ob er ein wesentlicher ist (P. 4770).

Als unbedingt

erforderlich zur Gültigkeit des Ladescheins ist die Unterschrift des Frachtführers erklärt (Art. 414, Abs. 2).

Fehlt dieselbe, so findet in Prozessen §.259 der C.P.O. über die freie Beweiswürdi­

gunz des Richters hinsichtlich der Frage Anwendung, was dnrch eine solche Urkunde bewiesen wird. 38) Der Ladeschein muß nicht nothwendig an Ordre lauten (P. 849), aber nur wenn dies

der Fall ist (Artt. 302, 417),

kann er durch Indossament mit den in den Artt. 303 u. 305 be­

zeichneten materiellen Wirkungen übertragen werden, und

gerade in der Herbeiführung dieser

Möglichkeit liegt der hauptsächlichste Zweck des ganzen Jnstttuts der Ladescheine (P. 4769). —

Der Antrag, die Angabe einer Noth ad resse im Ladescheine für obligatorisch zu erklären, damit

der Frachtführer am Bestimmungsorte Jemand vorfinde, an welchen er das Frachtgut abliefern könne, wurde abgelehnt (P. 1241, 1250), weil angenommen wurde, der Verkehr werde auch hier,

wie bei dem Seehandel bereits geschehen, die nöthigen Maßregeln hervorbringen, damit der Fracht­

führer und der legitimirte Empfänger sich finden könnten. 39) Der letzte Abs. des Art. 414 ist zu dem Zwecke ausgenommen worden (P. 1241), damit

der Frachtführer für sich und zum Gebrauche bei den Zollbehörden ein Dokument erlangen könne.

Dagegen hat man es abgelehnt (P. 1247, 4775), über Duplikate von Ladescheinen irgend Etwas in das Gesetz aufzunehmen, um deren Beurtheilung und Ausbildung, wenn sich in der Folge

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft.

Art. 416/416.

457

Artikel 415. Der Ladeschein entscheidet für die RechtSverhältniffe zwischen dem Frachtführer und dem Empfänger deS GutS; die nicht in denselben aufgenommenm Bestimmungen des Frachtvertrages haben gegenüber dem Empfänger keine rechtliche Wirkung, sofern nicht auf dieselben ausdrücklich Bezug genommen ist40 * ). * Für die Rechtsverhältnisse zwischen Frachtführer und Absender bleiben die Be­ stimmungen des Frachtvertrages maßgebend. Pr. tohn. Art. — tolw. I. Art. 350. total. II. Art. 387.

-rot. S. — Prot. S. 1242. 1247. prot. S. 4771—4774. 5105,

Artikel 416.

Wenn der Frachtführer einen Ladeschein ausgestellt hat, darf er späteren Anwei­ sungen des Absenders wegen Zurückgabe oder Auslieferung des Guts an einen an­ deren als den durch den Ladeschein legitimirten Empfänger nur dann Folge leisten, ein Bedürfniß für solche ergeben sollte, zunächst der Praxis zu überlassen und deren Einführung durch den Verkehr abzuwarten. 40) a. Es war beantragt worden, auS dem analogen Art. 653 im Seerecht zu den Ein­ gangsworten dieses Art.: „Der Ladeschein entscheidet für die RechtSverhältniffe zwischen dem Frachtführer und dem Empfänger deS Gntö" den Zusatz aufzunehmen: „insbesondere muß die Ablieferung der Güter an den Empfänger nach Inhalt deS Ladescheins erfolgen", und eS wurde hierfür geltend gemacht, daß sich diese Folgerung schon auS Abs. 2, Art. 303 ergebe, und den für Konnossemente, dem Vorbilde der Ladescheine, angenommenen Prinzipien entspreche. Der gedachte Zusatz, welcher zur Folge haben würde, daß der Frachtführer dem Destinatär gegen­ über den Ladeschein vertreten müßte, ganz gleich, waS er wirklich vom Absender zur Transportirung erhalten hätte, wurde jedoch abgelehnt. Gegen denselben wurde namentlich angeführt, daß jene schon für Konnoffemente der Seeschiffer bedenkliche Bestimmung doch für dieselben durch die Zulässigkeit der Klausel „Inhalt unbekannt" (Art. 656) gemildert werde. An und für fich nehme so wenig der Frachtführer im Ladescheine alS der Seeschiffer im Konnoffemente die unbe­ dingte Verpflichtung auf sich, dem Empfänger die in dieser Urkunde bezeichneten Güter abzu­ liefern; er verspreche vielmehr darin nur, daS, was er erhalten, und waS angeblich diesen oder jenen Inhalt habe, auch wieder abzuliefern. ES solle deshalb der Beurtheilung im einzelnen Falle überlassen bleiben, zu entscheiden, in wie wett der Frachtführer in dieser Beziehung den Ladeschein vertteten müsse. P. 4771—4774. b. Das Obettrib. (Str. Bd. 68, S. 176) hält den Frachtführer für befugt, gegen sein im Ladeschein enthaltenes Bekenntniß, die Waare ttocken erhalten zu haben, den Gegenbeweis zu führen, und sich darauf zu berufen, daß er für eingettetene Beschädigungen und Verluste am Frachtgut nach Art. 395 nicht aufzukommen habe. Vgl. hierzu R.O.H. Bd. 8, S. 414. c. DaS Obertr. (Entsch. Bd. 55, S. 154) nimmt an, daß die in den Ladeschein nicht auf­ genommenen Bestimmungen deS Frachtverttages zwar dem Empfänger gegenüber keine rechtliche Wirkung haben, wohl aber gegenüber dem Frachtführer; eS könne daher der Empfänger sich auf Verabredungen deS Frachtführers mit dem Absender, welche ihm — dem Empfänger — günstiger seien, berufen; dies sei keine exc. de jure tertii, weil der Frachtführer seine Rechte auch gegen den Empfänger lediglich aus den Abreden mit dem Absender herleite.

Viertes Buch.

458

Von den Handelsgeschäften.

wenn ihm der Ladeschein zurückgegeben wird.

Art. 417—420.

Handelt er dieser Bestimmung ent­

gegen, so ist er dem rechtmäßigen Inhaber des Ladescheins für das Gut verpflichtet"). pr. Entw. Art. 320. Entw. I. Ar». 352. Entw. II. Art. 389.

prot. S. 850. pro». S. 1248. pro». S. 4775. 5105.

Artikel 417.

Zum Empfange des Guts legitimirt ist derjenige, an welchen das Gut nach dem

Ladeschein abgeliefert werden soll, oder auf welchen der Ladeschein, wenn er an Ordre

lautet, durch Indossament übertragen ist41).42 43 pro». S. 853. pro». S. 1249. prot. S. 4775. 5105.

pr. Entw. Art. 323. Entw. I. Art. 354. Entw. II. Art. 390.

Artikel 418. Der Frachtführer ist zur Ablieferung des Guts nur gegen Rückgabe des Lade­

scheins, auf welchem die Ablieferung des Guts zu bescheinigen ist, verpflichtet44). pr. Entw. Ar». 324. Entw. I. Art. 355. «ntw. II. Art. 391.

pro«. S. 853-855. prot. S. 1249. prot. S. 4775. 5105.

Artikel 419.

Im Uebrigen kommen die Bestimmungen über die Rechte und Pflichten des Frachtführers

auch

in dem

Falle zur

Anwendung, wenn

ein Ladeschein ausge­

stellt ist44). pr. Entw. Art. — Entw. I. Art. 356. Entw. II. Art. 392.

prot. S. 850. 862. prot. S. 1249. prot. S. 4775-5105.

Artikel 420. Wenn

ein Kaufmann, dessen gewöhnlicher

Handelsbetrieb sich nicht auf die

Ausfühmng von Frachtgeschäften erstreckt, in einem einzelnen Falle einen Transport 41) Der Art. 416 erklärt die Bestimmung des Art. 402 als unanwendbar auf den Fall,

wenn der Frachtführer einen Ladeschein ertheilt hat; in einem solchen Falle darf er den späteren Anweisungen des Absenders nur dann Folge leisten, wenn dieser ihm den ausgestellten Verpflich­ tungsschein zurückgiebt, widrigenfalls er dem rechtmäßigen Inhaber jenes Scheines für das Gut

verhaftet ist.

Hat der Absender den Ladeschein außer Händen gegeben, aber gleichwohl ein recht­

liches Interesse,

die Auslieferung des Guts zu verhindern, so kann er sich nur durch Arreste

helfen (P. 853), falls er solche nach allgemeinen Regeln herbeizuführen im Stande ist.

42) Vgl. Art. 647, Abs. 2 und die Note zu demselben im Seerecht. 43) Durch die Fassung des Art. 418 soll erkennbar gemacht werden (P. 853, 1249), daß

die Rückgabe des quittirten Ladescheins und die Auslieferung des Guts, soweit als thunlich, Zug um Zug erfolgen müssen. 44) Der Art. 419 bestimmt, daß im Uebrigen die Bestimmungen über die Rechte und

Pflichten des Frachtführers auch in dem Falle zur Anwendung kommen, wenn ein Ladeschein

ausgestellt ist, d. h. daß die gedachten allgemeinen Bestimmungen subsidiär gelten, insoweit nicht

in den Artt. 413—418 etwas Anderes ausdrücklich angeordnet ist (wie z. B. im Art. 416) oder sich aus dem Sinne und Zusammenhänge dieser Artikel ergiebt (wie z. B. die Unanwendbarkeit

der Artt. 404 u. 405).

Vgl. P. 850, 862.

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft.

Art. 421.

459

von Gutem zu Land oder auf Flüssen und Binnengewäfsem auszuführen übernimmt,

so kommen die Bestimmungen dieses Titels auch in Bezug auf ein solches Geschäft zur Anwendung").

prot. S. 855. Prof. 3. 1464. prot. 3. 4775.

pr. Entw. Art. 236 Abs. 2. Entw. I. Art. — entw. II. Art. 393.

Artikel 421.

Die Bestimmungen dieses Abschnitts finden auch Anwendung auf Frachtgeschäfte von Eisenbahnen und anderen öffentlichen Transportanstalten**).

Sie gelten jedoch für die Postanstalten nur insoweit, als nicht durch besondere Gesetze oder Verordnungen für dieselben ein Anderes bestimmt ist").

45) Vgl. die analogen Artt. 378, 388 u. R.O.H. Bd. 13, S. 135.

*) Dahin gehören auch Personen-Fuhrwerke in Ansehung des Reisegepäcks der Passagiere (Str. Bd. 61, S. 25 u. Entsch. Bd. 55, S. 150). 46) a. Wie aus der Zusammenstellung der Worte:

„Eisenbahnen und andere öffentliche

Transportanstalten" hervorgehl, zielt der Ausdruck „öffentlich im Abs. 1 d. Art. nicht lediglich auf die vom Staate betriebenen Anstalten ab, sondern (P. 855) umfaßt auch die durch größere

Gesellschaften betriebenen Transportunternehmungen im Gegensatz zu den Unternehmungen ein­ zelner Privatpersonen. b. Davon ausgehend, daß die Post als eine Staatsanstalt erscheine zur Förderung des ge­ meinen Wohls (als ein Regal), und nicht als ein Institut zur Erzielung von Gewinn durch

Betrieb eines Handelsgewerbes, daß ferner dem postalischen Gewohnheitsrechte seine Wirkung

nicht genommen werden könne, und auch anderweitige Bestimmungen des H.G.B. auf die Post

unanwendbar seien, wurde der Antrag gestellt: das H.G.B. auf die Verhältnisse der Post über­ haupt für unanwendbar zu erklären.

(P. 1231, 1250, 5050—5053.)

Hiergegen wurde jedoch

geltend gemacht: Es stehe längst fest, daß die Geschäfte der Post in Ansehung der Versendung

von Gepäckstücken (nicht von Briefen) den Charakter von Frachtgeschäften hätten; diese privat rechtliche Seite des Postwesens könne ohne Verkennung des Postoberhoheitsrechts privatrechtlich

behandelt werden, wie denn auch bei anderen unter das Civilgesetz fallenden, gleichviel ob auf

Ausübung von Regalien gerichteten oder sonstigen Geschäften des Staats dieser dem Civilrecht unterworfen worden sei. Wenn auch die Einigung darüber, daß die Posten in den hier gedachten

Beziehungen überhaupt den Eisenbahnen gleichzustellen, jetzt noch nicht zu erzielen sei, so solle man

wenigstens subsidiär die Bestimmungen des H.G.B. über das Frachtgeschäft und nicht das un­

sichere postalische Gewohnheitsrecht auf dieselben anwenden, hierdurch aber einen Grund legen zu einem künftigen einheitlichen postalischen Rechte. gefaßt.

In diesem Sinne wurde denn auch Beschluß

(R.O.H. Bd. 13, S. 314, Bd. 17, S. 127.)

Die Beförderung der von den Verlegern

der Reichspost übergebenen Zeitschriften an die Abonnenten ist als ein Frachtgeschäft im Sinne

der Artt. 390, 421 anzusehen, wenngleich sie mit der Briefpost geschieht, und zwar verbunden mit Mandatsgeschästen von der Art der buchhändlerischen Kommissionsgeschäfte (R.O.H. Bd. 23,

S. 19). — Vgl. Art. 449 im Seerecht. c.

Es wurde anerkannt (P. 5053), daß im Abs. 2 d. Art. mit dem Ausdrucke „bestimmt

ist" nicht allein die bestehenden, sondern auch die unter den entsprechenden Formen noch in der Folge zu erlassenden besonderen Gesetze und Verordnungen gemeint seien. Zu den letzteren gehört

namentlich das G. über das Postwesen des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871 (R.G.Bl.

Viertes Buch.

460

Von den Handelsgeschäften. Art. 422.

Für die Eisenbahnen kommen ferner die Bestimmungen des folgenden Abschnitts zur Anwendung").

Pr. «ntw. Art. 326 Abs. 1. «litte. I. Art. 357. «ntw. II. Art. 394.

prot. L. 855. Prot. S. 1250. prot. S. 5048—5053. 5105. Iweiter Abschnitt.

Aon dem Frachtgeschäft der Eisenbahnen insbesondere*). Artikel 422. Eine Eisenbahn, welche dem Publikum zur Benutzung für den Gütertransport eröffnet ist, kann die bei ihr nachgesuchte Eingehung eines Frachtgeschäfts für ihre

Bahnstrecke nicht verweigern, insofern:

1) die Güter, an sich oder vermöge ihrer Verpackung, nach den Reglements, und

im Falle die letzteren fehlen oder keinen Anhalt gewähren, nach den Ein­ richtungen und der Benutzungsweise der Bahn zum Transport sich eignen;

2) der Absender in Bezug auf die Fracht, die Auflieferung der Güter und die sonstigen den Eisenbahnen freigestellten Transportbedingungen sich den allge­

mein geltenden Anordnungen der Bahnverwaltung unterwirft; 3) die regelmäßigen Transportmittel der Bahn zur Ausführung des Transports

genügen. Die Eisenbahnen sind nicht verpflichtet, die Güter zum Transport eher anzu­ nehmen, als bis die Beförderung derselben geschehen kann. In Ansehung der Zeit der Beförderung darf kein Absender vor dem Anderen S. 347), dessen Abschnitts von der Garantie handelt. — Ueber die Haftung des Posthalters gegen den Postfiskus vgl. R.O.H. Bd. 18, S. 89.

47)

In erster Lesung (P. 827—830) war, obschon mit besonderer Rücksicht auf die Eisen­

bahnen, welche ihre Haftbarkeit durch ihre Reglements beschränkten, doch der allgemeine Satz angenommen worden: Verträge, durch welche die Verbindlichkeit des Frachtführers, für den

Schaden zu haften, welcher durch die von ihm oder seinen Leuten oder anderen Personen unterlassene Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers verursacht worden ist, beschränkt oder gänzlich aufge­ hoben wird, sind unverbindlich (Art. 339 Entw. erster Lesung). In zweiter Lesung (P. 1230—1232)

wurde ein Zusatz von dem Inhalte angenommen, daß die gedachte Beschränkung der Vertrags­ freiheit auf den gewöhnlichen Fuhrmann (Frachtführer) und die Post nicht Anwendung finden

solle (Art. 376 Entw. zweiter Lesung).

In dritter Lesung (P. 4671—4673, 4689—4692, 4778)

wurde jedoch ausdrücklich die Begrenzung des gedachten Satzes auf die Eisenbahnen beschlossen,

und so entstand der Art. 423 des H.G.B., welcher wieder eine Reihe von Ausnahmen (Artt. 424

bis 431) nothwendig machte (P. 4778—5043).

Die bezeichnete Regel und die zugelaffenen Aus­

nahmen bilden den Inhalt des folgenden zweiten Abschnittes. Der von der Redattionskommission

auf Grund der Berathungen vorgelegte Entw. dieses Abschnittes (P. 5120—5124) erlitt bei der definitiven Feststellung (P. 5106—5116) nur einige geringfügige Abänderungen. *)

Zu diesem Abschnitte ist die im Anhänge abgedruckte Bekanntmachung, betr. das

Betriebs-Reglement für die Eisenbahnen Deutschlands vom 11. Mai 1874 (Centtalblatt für das Deutsche Reich Nr. 21) zu vergleichen.

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft.

Art. 423.

461

ohne einen in den Einrichtungen der Bahn, in den Transportverhältnissen, oder im öffentlichen Interesse liegenden Grund begünstigt werden.

Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Artikels begründen den An­

spruch auf Ersatz des dadurch entstandenen Schadens^. prot. 3. 786. 788. prot. 3. 1228. prot. 3. 4680-4683. 5037-5042. 5106. 5120.

pr. Lntw. Art. — Lntw. I. Art. 334 Abs. 2. Entw. II. Art. 370 Abf. 2.

Artikel 423.

Die im Artikel 422 bezeichneten Eisenbahnen sind nicht befugt, die Anwendung

der in den Artikeln 395, 396, 397, 400, 401, 408 enthaltenen Bestimmungen über die Verpflichtung des Frachtführers zum Schadensersätze, sei es in Bezug auf den

Eintritt, den Umfang oder die Dauer der Verpflichtung oder in Bezug auf die Be­

weislast, zu ihrem Vortheil durch Verträge (mittelst Reglements oder durch besondere Uebereinkunft) im Voraus auszuschließen oder zu beschränken, außer, soweit solches

durch die nachfolgenden Artikel zugelassen ist. Vertragsbestimmungen,

welche

dieser Vorschrift

entgegenstehen,

haben

keine

rechtliche Wirkung'). pr. Lntw. Art. — Lntw. I. Art. 339. Lntw. II. Art. 376. 1) a.

prot. 3. 827—830. prot. 3. 1230. prot. 3. 4698. 4778. 4786. 5108. 5120.

In erster Lesung (P. 786—788) war für alle Frachtführer die Vorschrift ausge­

nommen worden: „In allen Fällen hat der Frachtführer unter gleichen Umständen den Trans­ port soviel als möglich nach der Reihenfolge der Anmeldung der Frachtstücke zu bewirken (Art. 334,

Abs. 2 Entw. erster Lesung; Art. 370, Abs. 2 Entw. zweiter Lesung).

In dritter Lesung (P. 4680

bis 4683) wurde zunächst die Streichung dieses Absatzes und zwar vorzüglich deshalb beschloffen,

weil er nicht für alle Frachtführer passe.

Demnächst (P. 5037—5042) wurde, um den Zweck

jener Vorschrift, daß in Ansehung der Zeit der Beförderung kein Absender vor dem anderen ohne genügende Gründe begünstigt werde, hinsichtlich der Eisenbahnen aufrecht zu erhalten, der Satz proponirt und angenommen, welcher mit einigen Ergänzungen (P. 5042, 5107) den Art. 422

Bei der Begründung dieses Vorschlages wurde hervorgehoben, daß der Zweck, die Be­

bildet.

günstigung einzelner Absender zu verhüten, unerreichbar sei, wenn nicht der andere Satz voraus­

gehe (Abs. 1 d. Art.), daß eine Eisenbahn,

welche dem Publikum für die Benutzung für den

Gütertransport eröffnet worden, regelmäßig einen bei ihr nachgesuchten Transport von Gütern

innerhalb ihres Bahnbezirks nicht verweigern dürfe, weil sonst in der willkürlichen Zurückweisung der Güter des einen oder des anderen Absenders ein indirektes Mittel zu Begünstigungen von der Art liege, wie sie eben vermieden werden sollten. — Einen Fall der ausgesprochenen Schadens­ ersatzpflicht wegen unrichtiger Angabe des Frachttarifs, als Verletzung der obligatio ex lege

gegenüber allen Absendern die Fracht zu gleichen Preisen zu berechnen, s. R.O.H. Bd. 20, S. 375.

b.

Die Ziff. 1 d. Art. wurde so verstanden (P. 5107), daß eine Eisenbahn den ihr ange­

tragenen Transport nicht verweigern dürfe, wenn die Güter entweder an sich, d. i. auch ohne

Verpackung zum Transport sich eigneten, oder durch die Verpackung zum Transport geeignet gemacht seien. — Darüber, ob Güter, deren Transport nachgesucht, aber verweigert worden, sich gemäß der Ziff. 1 zum Transporte eigneten, entscheidet, wenn Schadensersatz wegen Verweigerung

(Abs. 4) verlangt wird, selbstverständlich der Richter.

P. 5042.

2) a. Der Art. 423, über dessen Entstehung Note 47 zu Art. 421 zu vergleichen ist, beschränkt

462

Viertes Buch. Von den Handelsgeschäften. Art. 423.

die VertragSfreiheit derjenigen Eisenbahnen, welche dem Publikum zur Benutzung für den Gütertransport eröffnet sind (R.O.H. Bd. 21, S. 60), dahin, daß sie nicht befugt sind, die An­

wendung der in den Artt. 395, 396, 397, 400, 401, 408 enthaltenen Bestimmungen über die Verpflichtung des Frachtführers zum Schadensersätze zu ihrem Vortheile vertraglich im Voraus auszuschließen oder zu beschranken, außer soweit solches durch die Artt. 424—431 zugelaffen ist.

Vertragsbestimmungen, welche dieser Vorschrift entgegenstehen, gelten pro non scripto. Als Grund dieser Beschränkung ist wiederholt hervorgehoben worden, daß die Eisenbahnen ein faktisches Monopol zur Ausführung von Frachtverträgen auf ihren Bahnbezirken besitzen, und hierin so­

gar durch Privilegien (Ausschluß von Konkurrenzbahnen, Verleihung von Expropriationsrechten

u. bergt) unterstützt werden, so daß der einzelne Absender in der Regel gezwungen sei, sich den Transportbedingungen der Eisenbahnen zu unterwerfen. — Der Art. 403 ist nicht unter den Artikeln, deren Abänderung nach Art. 423 ausgeschloffen ist (R.O.H. Bd. 8, S. 26 u. 28). b. Um anzudeuten, daß, insoweit eine vertragliche Beschränkung oder Ausschließung der Haft­

barkeit der Eisenbahnen für unzuläsffg erklärt ist, dies nach allen Richtungen gilt und auch nicht auf Umwegen erfolgen darf (P. 5025—5029), sind in den Art. 423 die Worte ausgenommen

worden: „sei es in Bezug auf den Eintritt, den Umfang oder die Dauer der Verpflichtung

oder in Bezug auf die Beweislast." — Ueber die Anwendbarkeit des Art. 423 auf den Fall,

wenn eine deutsche Bahn in den mit einer ausländischen Bahn geschloffenen Frachtvertrag eintritt

s. R.O.H. Bd. 22, S. 346. c. Der Antrag, die Worte „mittelst Reglements oder durch besondere Uebereinkunst" zu streichen, — weil sie zu der Meinung Anlaß geben könnten, als sollten alle Bestimmungen des

Reglements, sobald den Eisenbahnen ein Transport angetragen und von denselben übernommen worden, unter allen Umständen als vertragsmäßige Stipulation zwischen der Eisenbahnver­

waltung und dem betr. Absender angesehen werden — wurde abgelehnt, nachdem hierauf erwidert

war (P. 5108):

Die Frage, ob und wann auf Grund des Umstandes, daß die Eisenbahnen in

ihren Reglements sich nur unter gewiffen Bedingungen zum Transport von Gütern erböten, eine vertragsmäßige Uebereinkunst rücksichtlich der Reglementsbestimmungen anzunehmen sei, solle in

diesem Artikel nicht entschieden werden.

Es handle sich nur darum, anzudeuten, daß ein solcher

Vertrag unter den gewöhnlichen Umständen und regelmäßig sich werde annehmen laffen, wo­

durch das Gegentheil für gewisse Fälle nicht ausgeschloffen sei, z. B. wenn eine Aenderung im

Betriebsreglement noch nicht gehörig bekannt gemacht gewesen sei. Um diese Absicht auszudrücken,

seien die Worte: „mittelst Reglements" gebraucht, doch empfehle es sich, um Mißdeutungen zu ver­ hüten, die ftaglichen Worte in Klammern zu setzen. — Dem letzteren Vorschläge wurde stattgegeben. d. Der §. 25 des G. über die Eisenbahn-Unternehmungen vom 3. November 1838 (G.S. S. 505) bestimmt:

Die Gesellschaft ist znm Ersatz verpflichtet für allen Schaden*), welcher bei der Beför*) Ueber die Bedeutung des Ausdrucks „für allen Schaden" s. R.O.H. Bd. 6, S. 10, über die Begründung der Schadensklage (welche keine Deliktsklage ist, R.O.H. Bd. 12, S. 79) u. die Beweislast Bd. 8, S. 371, über den Anfang der Verjährung Bd. 9, S. 115, über den Sinn der Worte „bei der Beförderung" Bd. 8, S. 422, über den erforderlichen Kausalnexus Bd. 12, S. 163, über die Frage, ob der Bahneigenthümer oder der Betriebs Unternehmer haftet, oder beide solidarisch, Bo. 9, S. 148, und welche von mehreren Bahnen bei Konkurrenz-Betrieb auf dem­ selben Geleise Bd. 21, S. 267 u. 362, Bd. 23, S. 3, über die Grenzen der Hafchflicht Bd. 9, S. 213, über die Frage, von welchem Zeitpunct ab (der Verkehrseröffnung) die Gesellschaft haftet Bd. 12, S. 12, Bd. 19, S. 119, Bd. 21, S. 237, über die Frage, auf welche Eisenbahnen der §. 25 sich bezieht Bd. 20, S. 153, endlich über die Haftung der Transportanstalten für den durch ein Verschulden ihrer Bediensteten in Ausübung ihres Dienstes verursachten Schaden nach gemeinem Recht Bd. 12, S. 79.

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft.

Art. 423.

463

Reichsgesetz betr. die Verbindlichkeit zum Schadensersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken etc. herbeigeführten Tödtungen und Körperverletzungen vom 7. Juni 1871 (R.G.B1. 8. 207): §. 1. Wenn bei dem Betriebe einer Eisenbahn ein Mensch getödtet oder körperlich verletzt wird3*),* so haftet der Betriebs-Unternehmer4)5für den dadurch entstandenen Schaden, sofern er nicht beweist, dass der Unfall durch höhere Gewalt oder durch eigenes Verschulden des Getödteten oder Ver­ letzten verursacht ist6). derung, auf der Bahn an den auf derselben beförderten Personen und Gütern, oder auch an anderen Personen und deren Sachen entsteht, und sie kann sich von dieser Verpflich­ tung nur durch den Nachweis befreien, dass der Schade entweder durch die eigene Schuld des Beschädigten, oder durch einen unabwendbaren äusseren Zufall bewirkt worden ist. Die gefährliche Natur der Unternehmung selbst ist als ein solcher, von dem Schadensersätze be­ freiender Zufall nicht zu betrachten. Der einzige Artikel des G. vom 3. Mai 1869 (G.S. S. 665), welcher dem obigen Art. 423 nachgebildet ist, lautet:

Die Eisenbahnen sind nicht befugt, die Anwendung der im $. 25 des G. über die Eisen­ bahn - Unternehmungen v. 3. Nov. 1838 enthaltenen Bestimmungen über die Verpflichtung zum Ersätze des Schadens, welcher bei der Beförderung auf der Bahn an den auf derselben beförderten Personen oder auch an anderen Personen entsteht, zu ihrem Vortheile durch Verträge (mittelst Reglements oder durch besondere Uebereinkunft) im Voraus auszuschliessen oder zu beschränken. — Vertragsbestimmungen, welche dieser Vorschrift entgegenstehen, haben keine rechtliche Wirkung. 3) Es ist gleichgültig, ob die Körperverletzung durch unmittelbare körperliche Einwirkung

oder in Folge der Schreckwirkungen unmittelbar eingetreten ist (R.O.H. Bd. 21, S. 414). 4) Betriebs-Unternehmer ist nicht derjenige, welcher den technischen Betrieb leitet oder aus-

führt, sondern derjenige, für bessert Rechnung der Betrieb erfolgt (Bd. 14, S. 425, Bd. 21,

S. 176).

Ueber die Frage, welche Bahn bei durchgehenden Zügen als Betriebs-Unternehmerin

anzusehen ist, s. Bd. 22, S. 10.

5) a. Vgl. Bd. 10, S. 446 und Bd. 11, S. 340, „Eisenbahn" Bd. 13, S. 374, zu welchen

auch Pferdebahnen und solche (sog. Arbeits-) Eisenbahnen gehören, welche nicht öffentliche Der-

kehrsanstalten zum gewerblichen Transport von Gütern oder Personen sind, aber doch in Ansehung der Gefährlichkeit des Betriebes jenen gleichzuachten sind, Bd. 20, S. 156, Bd. 21, S. 237, „bei dem Betriebe" Bd. 12, S. 236, Bd. 13, S. 82, 84, Bd. 14, S. 426, Bd. 16, S. 373, Bd. 19,

S. 120, Bd. 21, S. 246 u. 281. b. Die Verletzung muß in einem, wenn auch nur mittelbaren (Bd. 24, S. 277) Kausal­

zusammenhangs stehen mit den besonderen Gefahren des Eisenbahnbetriebes, sei es bei der Vor­ bereitung, also schon bei der Herstellung der Betriebsfähigkeit der Bahn, insbesondere bei dem Baue des unfertigen Bahnkörpers und ohne Rücksicht auf die polizeiliche Abnahme der Bahn und der Uebergabe zum öffentlichen Verkehr, sei es bei der Durchführung oder Abschließung des Betriebes, welcher weder in seinem Anfänge noch in seinem Ende auf die Tran Sportbewegung

beschränkt ist (Bd. 23, S. 2).

Daher ist das Rangiren der Wagen mit oder ohne Dampfkraft

behufs Vorbereitung eines Zuges (Bd. 19, S. 101), ingleichen das Wenden der Lokomotive auf der Drehscheibe zum Zwecke des Rangirens (Bd. 21, S. 354) als eine Betriebshandlung anzu-

46j4

Wertes Buch. Von den Handelsgeschäften. Art. 423.

§. 2, Wer6)-ein Bergwerk, einen Steinbruch7),, eine Gräberei (Grube)8) oder eine .Fabrik9); betreibt^ haftet, .wenn ein Bevollmächtigter oder, ein Be­

sehen. — Der Schade muß in Folge Benutzung der elementaren Kräfte bei dem Betriebe ent­ standen sein, ohne daß jedoch die Feststellung erforderlich ist (Sb. 21, S. 9), auf welche be­ stimmte mit dem Betriebe verbundene Gefahr der einzelne Unfall mehr oder weniger zurückzu­ führen ist. c. Zm §. 1 ist die Haftpflicht nicht durch ein Verschulden der Leute des Betriebs-Un­ ternehmer- bedingt, jedoch darauf beschränkt, daß der Unfall mit der den Eisenbahnen eigen­ thümlichen Betriebsart in Verbindung steht; in beiden Beziehungen beruht der § 2 des Ge­ setzes auf anderen Prinzipien (Bd. 21, S. 278). — Die im obigen Gesetze verordnete Haftpflicht deS Unternehmers ist,als obligatio ex legnicht als obligatio nuasi ex delicto zu erachten (Bd. 13, S. 72). . d» Der §. l gedenkt eineL Verschuldens des Unternehmers überhaupt nicht, entscheidet also die Frage auch nicht, wäS Rechtens sein soll, wenn rin solches mit dem Verschulden deS Getödteten oder Verletzten konkurrirt (Bd. 16, S. 112). Hier, wie im §. 2 des Gesetzes, ist an­ zunehmen, daß die Folgen des konkurrirenden Verschuldens nach einheitlichem Rechte zu be­ urtheilen ffab ; nicht nach Landesrecht, also z. D. nicht nach den §§. 18—21 A. L.lld. I. 6., noch nach dem gemeinrechtlichen Grundsätze, daß jedes eigene Verschulden deS Beschädigten, sofern rtur dem Urheber deS Schaden- kein dolus zur Last fallt, den Entschädigungsanspruch auSschließt. — Jede-Verschulden deS Getödteten oder. Verletzten, also auch culpa levis, schließt die Haftung des Unternehmers, wenn nicht auch Dieser in culpa ist, auS; ob aber eine gewisse Hand­ lungsweise alS Verschulden anzunehmen, muß auch mit Rücksicht auf den Beruf deS Betref­ fenden geprüft werden, (Bd. ,19, S. 296, Bd. 20, 242). Das instruktionswidrige Verhalten deS Beschädigten ist als ein eigenes Verschulden desselben dann nicht anzusehen, wenn die Instruktion nicht befolgt rperdep konnte oder mit stillschweigender Zulassung deS Vorgesetzten dauernd, unbesolgt blieb (Bd. 15, ®. 165). i , e. Lu den Entschadigungöberechsigten gehören nicht Leben-versicherungSanstalten, welche in Folge der Tödtung die Versicherungssumme zahlen mußten , da durch die Tödtung nicht in ihre Recht-sphäre eingegriffen ist (Bd. 13, S. 428). .6) Der Ausdruck im §. 2: „Wer betreibt" ist identisch mit dem Ausdrucke im §. 1: ^BetriebS-Unteruehmer"; eS wird mit dieser Bezeichnung derjenige.getroffen, auf dessen Gefahr und Kostey der Betrieb stattfiudet, so daß da- ökonomische Ergebniß des Betriebs ihm Vortheil oder Nachtheil. hringt. , Daher ist, zwar derjenige als Betriebs-Unternehmer anzuseh«, welcher die gewerbliche Anlage von dem Eigenthümer zu eigener Ausnutzung pachtet, nicht ater derjenige, welcher, zur Ausnutzung derselben, durch den Eigenthümer Arbeiten (wenn auch in Mord) übernimmt. (Bd. 21, S. 176.) , 7) Unter dem „Betriebe eines Steinbruchs" ist ein Unternehmen zu verstehen., desstn Zweck sich unmittelbar auf da-Gewinnen von Steinen.und «deren Verwerthung bezw. Benutzurg richtet, bei welchem also die Steine selbst als das zu erzielende Produkt erscheinen, nicht aber (in Unternehmen (der Bau. eines Eisenbahntunnels, einer Straßenanlage), bei dessen Ausführung drBrechen der Steine lediglich, erfolgt, , um ein Hinderniß zu beseitigen; aus gleichem Grunde ist in dex Anlage eines Tunnels nicht der Betrieb eines Bergwerks oder in dem Ausgraben der Funlamente . eineS Gebäudes nicht, der Betrieb einer Gräberei zu finden (Bd. 20, S- 5). tz) Die Ausdrücke „Gräberez", „Grube" sind hierum bergtechnischen Sinne gebraucht pr Bezeichnung von Anlagen behufs Gewinnung der in sog. oberflächlichen Lagerstätten vorkommenden

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft.

Art. 423.

465

präsentant oder eine zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes oder der Arbeiter angenommene Person10) durch ein Verschulden11) in Ausführung der Dienstverrichtungen12) den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen herbeigeführt hat, für den dadurch entstandenen Schaden13). Fossilien.

Von den Gruben unterscheiden sich die Gräbereien dadurch, daß sie unmittelbar am

Tage geführt werden und eigentlicher bergmännischer Vorkehrungen nicht bedürfen (Bd. 21, S. 405). 9) Die Worte: „Wer eine Fabrik betreibt" setzen für ihre Anwendung voraus, daß die

Fabrik zur Zeit des Unfalls ferttggestellt und der wirkliche Gewerbebettieb begonnen ist (Bd. 20, S. 15).

Dagegen ist es nicht erforderlich, daß in der bezüglichen Anstalt ein Handelsgewerbe

betrieben wird (Bd. 22, S. 415).

Gleichgültig ist auch,

ob die Anstalt die Herstellung von

Fabrikaten lediglich für den Unternehmer der Anstalt oder für den Handel überhaupt bezweckt

(Bd. 24, S. 104).

10) Der Betriebsunternehmer haftet nicht für die Fehler seiner gewöhnlichen Arbeiter, ab­ weichend von Art. 1384 code civil, vielmehr nur für die Fehler der im §.2 bezeichneten Personen; wer aus §. 2 einen Anspruch erhebt, muß daher darthun, daß der Urheber des Unfalls

zu den darin bezeichneten Kategorien gehört (Bd. 14, S. 197).

Diese Kategorien sind jedoch im

weitesten Sinne aufzufassen, namentlich sind nicht nur solche Personen darunter zu verstehen,

welche als Angestellte und Untergebene des Detriebsunternehmers sich in einem Verhältniß der Abhängigkeit und Unterordnung ihm gegenüber befinden, sondern auch solche, welche die zum

Betriebe gehörigen Arbeiten für eigene Rechnung übernommen haben (Bd. 21, S. 178).

Als ein

Repräsentant der Fabrik im Sinne des §. 2 würde z. B. auch der mit der technischen Leitung des Fabrikbetriebes betraute Theilhaber der Fabrik anzusehen sein (Bd. 18, S. 217); ebenso der

Vorsteher einer A.G., wenn diese die Unternehmerin ist (Bd. 19, S. 400).

11) a. Der Schadensanspruch aus §. 2 ist ein rein persönlicher, entspringt aus außerkontrakt­ lichem Verschulden und ist als obligatio quasi ex delicto zu erachten; er richtet sich aber nicht gegen den, welcher das Verschulden begangen, sondern gegen den Machtgeber oder Dienst­

herrn, gleichgültig ob dieser der Eigenthümer des Bergwerks rc. ist oder nicht; gegen denselben ist daher der dingliche Gerichtsstand aus §.112, I, 2 A.G.O. (jetzt §§. 25—27 C.P.O.) nicht

begründet (Bd. 16, S. 8). b. Ueber den Begriff des Verschuldens durch unterlassenes Einschreiten s. Bd. 12, S. 304, Bd. 15, S. 93, Bd. 19, S. 413. Die Pflicht der Betriebsunternehmer zur thunlichsten Beseitigung

der ihren Arbeitern drohenden Gefahren beschränkt sich nicht auf die verborgenen oder schwer zu

entdeckenden, sondern erstteckt sich auch auf die offensichtlichen Gefahren unter Berücksichtigung der thatsächlichen, durchschnittlichen Beschaffenheit der Arbeiter.

Die unterlassene Herstellung oder

Unterhaltung solcher mit Rücksicht auf die Beschaffenheit des Gewerbebettiebes oder der Betriebs­ stätte erforderlichen Einrichtungen ist als ein Verschulden des Betriebsunternehmers zu erachten

(Bd. 20, S. 242). 12) Die Haftpflicht erstreckt sich nicht lediglich auf solche Unfälle, welche mit einer der betr.

Unternehmung eigenthümlichen Gefährlichkeit des Betriebs in Verbindung stehen, sondern auf das Verschulden der Vertreter bei allen Verrichtungen, welche mit dem technischen oder mecha­

nischen Betriebe des Unternehmens in Verbindung stehen (Bd. 21, S. 281).

Immer aber wird

doch wie im §. 1 ein ursächlicher Zusammenhang des Unfalls mit dem Betriebe (der Fabrik) erforderlich sein, also z. B. ein Schade nicht in Bettacht kommen können, der sich nach vollständig

fertiger Herstellung des Fabrikats auf dem weiteren Transporte außerhalb der Geschäftsräume

ereignet (Bd. 22, S. 312).

Mako wer, Handelsgesetzbuch. 8. Aufl.

ZO

Viertes Buch.

466

Don den Handelsgeschäften.

Art. 423.

§. 3. Der Schadenersatz (§§. 1 u. 2) ist zu leisten13 14).15 1) im Falle der Tödtung durch Ersatz der Kosten einer versuchten Hei­ lung und der Beerdigung, sowie des Vermögensnachtheils, welchen der Getödtete während der Krankheit durch Erwerbsunfähigkeit oder Verminderung der Erwerbsfähigkeit erlitten hat. War der Getödtete zur Zeit seines Todes vermöge Gesetzes verpflichtet, einem Andern Unterhalt zu gewähren, so kann dieser insoweit Ersatz fordern, als ihm in Folge des Todesfalles der Unterhalt entzogen worden ist16). 13) Die Frage, welchen Einfluß auf die Haftung ein konkurrirendeS Verschulden des Beschädigten hat, ist nicht nach Landesrecht, sondern nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu entscheiden.

Nach diesen ist jedenfalls dann die Haftung ausgeschlossen, wenn mit dem Ver­

sehen deS Bevollmächtigten rc. der dolus deS Beschädigten, oder mit dem unbedeutenden Versehen deS Ersteren der ftevelmüthige Leichtsinn deS Letzteren konkurrirt (Bd. 16, S. 114, Bd. 19, S. 27).

Hinsichtlich der Frage eines konkurrirenden Verschuldens ist gegenüber den Arbeitern aus den Bd. 20, S. 242 zutreffend angegebenen Gründen kein allzustrenger Maßstab anzulegen. — Die ungeheißene Vornahme eines Rettungsversuchs gegenüber verunglückten Mitarbeitern ist an sich

nicht als ein eignes Verschulden anzusehen (Bd. 22, S. 316). 14) a. Nach dem Plenarbeschlüsse deS R.O.H. (Bd. 24, S. 314) ist die Anwendung der

dem Beschädigten

günstigeren Bestimmungen der Landesgesetze hinsichtlich deS Umfangs deS

Schadensersatzes auch in den Fällen, welche unter §. 2 dieses Gesetzes fallen, nicht ausgeschlossen.

b. Im §.3 handelt es sich nur um eine Ersatz-, nicht um eine Alimentenforderung mit deren gesetzlichen Vorzügen, und zwar auch dann nicht, wenn Ersatz für entzogene Alimente gewährt werden muß (Bd. 22, S. 344 u. 348).

Waren diese, wie nach Preuß. Recht der Fall,

im Voraus vierteljährlich zu entrichten, so muß die Entschädigung in gleicher Weise geleistet

werden (Bd. 23, S. 220). 15) a. Die Ersatzforderung besteht, falls nur der Getödtete gesetzlich zur Gewährung deS

Unterhalts unbedingt verpflichtet war (Bd. 13, S. 87, Bd. 14, S. 411), wenn er auch thatsächlich ihn nicht oder nicht in vollem Umfange leistete (Bd. 18, S. 5), gleichviel ob der AlimentationSBerechtigte seinen Unterhalt auS eigenen Mitteln bestreiten kann und ob subsidiär zur Leistung

des Unterhalts verpflichtete Personen vorhanden sind oder nicht (Bd. 13, S. 24, Bd. 14, S. 408).

b. Zu den Alimentations-Berechtigten gehören nach Preuß. Recht auch uneheliche Kinder, selbst wenn sie zur Zeit deS Todes des Vaters empfangen, aber noch nicht geboren waren; ferner die Geschwängerte wegen der Sechswochenkosten (Bd. 23, S. 198).

Für die Frage,

wer Ersatz fordern kann, ist die Zeit deS TodeS des Verletzten (nicht oeS Unfalls) entscheidend; der Anspruch ist also zugelassen, auch wenn die zur Zeit des TodeS bestehende Alimentationspflicht erst nach dem Unfälle (z. B. durch Derheirathung) entstanden ist (Bd. 24, S. 115, in welchem

Rechtsfalle jedoch eine arglistige Vermehrung der Alimentationspflicht nicht festgestellt war). c. Der Tod deS Ernährers ist der Anfangspunkt für die Ersatzforderung deS UnterhaltsBerechtigten (Bd. 13, S. 87), doch entscheidet für die Höhe der Entschädigung nicht unbedingt

daS von ihm gerade zur Zeit deS TodeS geleistete Maß von Unterhalt (Bd. 14, S. 343), zumal

wenn dieses aus Liberalität über die vorhandene Rechtspflicht hinausging (Bd. 23, S. 299), andererseits aber auch nicht allein das Bedürfniß deS Alimentations-Berechtigten. d. Unter dem Ausdrucke „Unterhalt" ist nicht der Anspruch der Töchter auf künftige AuS-

stattung zu verstehen (Bd. 23, S. 221).

Fünfter Titel.

Don dem Frachtgeschäft.

Art. 423.

467

2) im Fall einer Körperverletzung durch Ersatz der Heilungskosten und des Vermögensnachtheils, welchen der Verletzte durch eine in Folge der Verletzung eingetretene zeitweise oder dauernde Erwerbsunfähig­ keit oder Verminderung der Erwerbsfähigkeit erleidet18 * ).* * 16 17 §. 4. War der Getödtete oder Verletzte unter Mitleistung von Prämien oder anderen Beiträgen durch den Betriebs - Unternehmer bei einer Ver­ sicherungsanstalt, Knappschafts-, Unterstützungs-, Kranken- oder ähnlichen Kasse17) gegen den Unfall versichert, so ist die Leistung der letzteren an den Ersatzberechtigten auf die Entschädigung einzurechnen, wenn die Mit­ leistung des Betriebs-Unternehmers nicht unter einem Drittel der Gesammtleistung beträgt. §. 5. Die in den §§. 1 u. 2 bezeichneten Unternehmer sind nicht be­ fugt, die Anwendung der in den §§. 1—3 enthaltenen Bestimmungen zu ihrem Vortheil durch Verträge (mittelst Reglements oder durch besondere Uebereinkunft) im Voraus auszuschliessen oder zu beschränken. Vertragsbestimmungen, welche dieser Vorschrift entgegenstehen, haben keine rechtliche Wirkung. §. 618) aufgehoben durch §. 13 Ziff. 3 des Einf.-Ges. zur C.P.O. Derselbe lautete wie folgt: §. 6. Das Gericht hat über die Wahrheit der thatsächlichen Behauptungen unter Be­ rücksichtigung des gelammten Inhalts der Verhandlungen nach freier Ueberzeugung zu ent­ scheiden. Die Vorschriften der Landesgesetze über den Beweis durch Eid, sowie über die Beweis­ kraft öffentlicher Urkunden und gerichtlicher Geständnisse bleiben unberührt.

e. Ist ein gesetzlich nur subsidiär zur Alimentation Verpflichteter getödtet worden, so kann, insoweit der prinzipal Verpflichtete seiner Pflicht nicht genügen kann oder nicht genügt, doch Ersatz

gefordert werden (Bd. 23, S. 331). 16)

Ueber die Begründung deS Vermögensnachtheils in diesen Fällen s. Bd. 8, S. 370,

Bd. 14, S. 45.

Die verbliebene Arbeitskraft deS Verletzten kann bei

der Ausmessung

der

Benachtheiligung nur ihrem gemeinen Werthe nach in Anrechnung kommen, nicht nach dem Werthe, den sie etwa speziell nur für den Entschädigungspflichtigen hat, da der Verletzte nicht

gezwungen werden kann, seine Dienste auf Lebenszeit grade nur dem Letzteren zu widmen (Bd. 19, S. 14, Bd. 21, S. 355). 17)

— z. B. Beamten-Pensionskaffe (Bd. 13, S. 26), gleichviel ob der Beitrag deS

BetriebS-UnternehmerS auf rechtlicher Verpflichtung beruht oder nicht, wenn dieser nur einen dauernden Charakter hat und nicht bloß ein gelegentlicher Zuschuß ist;

eS kommt nur darauf

an, daß bei dauernder Kontribution die Summe der Beiträge deS Betriebs-Unternehmers zur Zeit, wenn die Schadensersatzpflicht entsteht, das Drittel der bisherigen Gesammtbeiträge erreicht,

und eS entscheidet nicht,

ob

auch in

jedem

einzelnen Jahre daS

gleiche Verhältniß bestand

(Bd. 22, S. 261).

18)

An dessen Stelle treten die Grundsätze von der fteien BeweiSwürdigung und dem

freien Ermessen deS Richters §§. 259, 260 C.P.O.

468

Viertes Buch.

Don den Handelsgeschäften.

Art. 423.

Ob einer Partei über die Wahrheit oder Unwahrheit einer thatsächlichen Behauptung noch ein Eid aufzulegen, sowie ob und inwieweit über die Höhe des Schadens eine beantragte Be­ weisaufnahme anzuordnen oder Sachverständige mit ihrem Gutachten zu hören, bleibt dem Er­ messen des Gerichts überlassen.

§. 7. Das Gericht hat unter Würdigung aller Umstände über die Höhe des Schadens, sowie darüber, ob, in welcher Art und in welcher Höhe Sicher­ heit zu bestellen ist, nach freiem Ermessen zu erkennen. Als Ersatz für den zukünftigen Unterhalt oder Erwerb ist, wenn nicht beide Theile über die Abfindung in Kapital einverstanden sind, in der Regel eine Rente zu­ zubilligen 19). Der Verpflichtete kann jederzeit die Aufhebung oder Minderung der Rente fordern, wenn diejenigen Verhältnisse, welche die Zuerkennung oder Höhe der Rente bedingt hatten, inzwischen wesentlich verändert sind20). Ebenso kann der Verletzte, dafern er den Anspruch auf Schadenersatz innerhalb der Verjährungsfrist (§. 8) geltend gemacht hat, jederzeit die Er­ höhung oder Wiedergewährung der Rente fordern, wenn die Verhältnisse, welche für die Feststellung, Minderung oder Aufhebung der Rente mass­ gebend waren, wesentlich verändert sind21). Der Berechtigte kann auch nachträglich die Bestellung einer Sicherheit oder Erhöhung derselben fordern, wenn die Vermögens Verhältnisse des Ver­ pflichteten inzwischen sich verschlechtert haben. 19) Selbstverständlich schließt ein in Gemäßheit des Abs. 1 ergehendes verurteilendes Erkennt­

niß, auch wenn eS rechtskräftig geworden ist, die spätere Geltendmachung der Rechte aus den Abs. 2 und 3 dieses §. nicht aus (Bd. 8, S. 374).

Im Falle der Tödtung eines Menschen ist die Rente

nach der Zeit zu bemessen, in welcher er präsumtiv gelebt haben würde; ob aber diese präsumtive

Lebensdauer nach partikularrechtlichen Bestimmungen oder gemäß §. 7 nach freiem Ermessen zu

entscheiden ist, ließ das R.O.H. Bd. 14, S. 411 dahingestellt. 20) Dahin kann die Wiederverheirathung der Wittwe des Verunglückten, wenn ihr eine Rente zugesprochen worden und sie von ihrem nunmehrigen Gatten gleichen Unterhalt zu erwarten

hat, gehören (Bd. 22, S. 349, Bd. 24, S. 367).

Ist einmal dauernd die gänzliche Erwerbs­

unfähigkeit deS Verletzten eingetreten, so kann auf spätere Ereignisse (z. B. Schwangerschaft), welche

die Erwerbsfähigkeit geschmälert hätten, wenn sie noch vorhanden gewesen wäre, keine Rücksicht genommen werden (Bd. 23, S. 50).

21) Die Erhöhung der Rente kann nicht bloß durch veränderte Verhältnisse in der Person deS Beschädigten, sondern auch durch äußere Umstände, welche sich seit der früheren Feststellung verändert haben, begründet werden (Bd. 22, S. 155).

Andererseits vermindert sich die Rente

nicht nothwendig in demselben Verhältniß wie die Zahl der zu Verpflegenden (Bd. 23, S. 300). — DaS die Rente festsetzende oder sie abändernde Urtheil ist konstitutiver Natur; deshalb können

Renten, welche auf Grund eines Urtheils bezogen sind, auch wenn die Umstände sich geändert haben, nicht zurückgefordert werden; vielmehr kann nur Minderung für die Zukunft ver­

langt werden (Bd. 24, S. 370, doch blieb in diesem Urtheil dahingestellt, welchen Einfluß auf

die Rückforderung eS haben würde, wenn der Empfänger der Rente arglistig die Umstände verschwieg, welche die Minderung rechtfertigten).

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft.

Art. 423.

469

§. 8. Die Forderungen auf Schadenersatz (§§. 1—3) verjähren in zwei Jahren vom Tage des Unfalls an. Gegen denjenigen, welchem der Getödtete Unterhalt zu gewähren hatte (§. 3 Nr. 1), beginnt die Verjährung mit dem Todestage. Die Verjährung läuft auch gegen Minderjährige und diesen gleich­ gestellte Personen von denselben Zeitpunkten an, mit Ausschluss der Wieder­ einsetzung22 23). §. 9. Die Bestimmungen der Landesgesetze, nach welchen ausser den in diesem Gesetz vorgesehenen Fällen28) der Unternehmer einer in den §§. 1 u. 2 bezeichneten Anlage oder eine andere Person, insbesondere wegen eines eigenen Verschuldens24) für den bei dem Betriebe der Anlage durch Tödtung oder Körperverletzung eines Menschen entstandenen Schaden haftet, bleiben unberührt. Die Vorschriften der §§. 3, 4, 6 bis 8 finden auch in diesen Fällen An­ wendung, jedoch unbeschadet derjenigen Bestimmungen der Landesgesetze, welche dem Beschädigten einen höheren Ersatzanspruch gewähren25).* * §. 10. Die Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die Errichtung eines obersten Gerichtshofes für Handelssachen, vom 12. Juni 1869, sowie die Er­ gänzungen desselben werden auf diejenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ausgedehnt, in welchen durch die Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Grund des gegenwärtigen Gesetzes oder der in §. 9 erwähnten landesgesetz­ lichen Bestimmungen geltend gemacht wird. 22) Der §. 8 führt lediglich für die durch Tödtung oder Körperverletzung einer Person entstandenen Ansprüche eine Verjährung ein, bezieht sich aber nicht auf Sachbeschädigungen,

ebensowenig der §. 9 des Gesetzes. Die Verjährung des ganzen Schadensanspruchs beginnt vom

Tage des Unfalls an, und nicht gemäß §. 545, I, 9 A.L.R. vom Tage ab, an welchem die Er­

füllung zuerst gefordert werden konnte.

Die Verjährung kann nach Preuß. Recht durch Anstellung

resp. Anmeldung der Klage (§.-551 1. c.) oder durch gegenseitiges formloses oder durch kon­

kludente Handlungen ausgedrücktes Anerkenntniß (§. 562 1. c.) unterbrochen werden (R.O.H. Bd. 18, S. 61).

Nach gem. Recht (Bd. 21, S. 365) wird die Verjährung der Klage erst durch

deren Behändigung unterbrochen.

Nach Reichsrecht (§§.239, 235, 230, 190 C.P.O.) wird

die Verjährung in der Regel nur durch Erhebung der Klage oder durch die Anmeldung

zum Konkurse (§. 13 der deutschen K.O.) unterbrochen.

23) Sächsisches Recht s. Bd. 21, S. 287. 24) Der §. 9 handelt unter Anderem von der Schadensersatzpflicht durch ein Verschulden

des Beschädigers, während im §. 1 die Schadensersatzpflicht ohne Rücksicht auf die Verübung

eines Delikts aus dem Gesetze entspringt und das Verschulden des Beschädigers nur zur Ver­

theidigung des Beschädigten gegen die ihm entgegengesetzte Einrede des

eigenen Verschuldens

geltend gemacht werden kann (Bd. 20, S. 137). 25) Ueber die Anwendung der Vorschriften über die Verjährung auf solche Unfälle, welche

sich vor der Gültigkeit des Reichshaftpflichtgesetzes ereignet haben und solche Unfälle, in welchen die Haftpflicht durch die Landesgesetzgebung begründet ist, s. Bd. 20, S. 2, Bd. 21, S. 408.

470

Viertes Buch. Von den Handelsgeschäften. Art. 424.

Artikel 424“). ES kann bedungen werden: 1) in Ansehung der Güter, welche nach Vereinbarung mit dem Absender in un­ bedeckten Wagen tranSportirt werden: daß für den Schaden nicht gehastet werde, welcher auS der mit dieser Trans­ portart verbundenen Gefahr entstanden ist17); 26) a. Der Art. 424 bezieht sich auf den Art. 395, nicht auch auf den Art. 397, welcher vom Schaden dnrch versäumte Lieferfrist handelt (R.O.H. Bd. 12, S. 24); er gestattet den Eisen­ bahnen, in gewissen Fallen (Ziff. 1—6) ihre Haftung für entstandenen Schaden vertraglich auSzu sch ließ en, also auch dieselbe zu beschränken. Das System, welches stch bei der Berathung herausgebildet hat und dem Art. 424 zum Grunde liegt, ist etwa folgendes: Wenn der Absender (durch ausdrückliche Erklärung oder Unterwerfung unter reglementarische Bestimmungen der Eisen­ bahn, R.O.H. Bd. 3, S. 62, Bd. 17, S. 499, Steg. Bd. 2, S. 313) zu erkennen giebt, daß er sich mit einer geringeren Diligenz deS Frachtführers, alS der gesetzlich zu gewährenden, begnügen will (Ziff. 1), wenn er auf eigene Gefahr geringere Vorsichtsmaßregeln gegen Verlust und Beschädigungen trifft, als er treffen müßte (Ziff. 2), wenn er selbst das Auf- und Abladen der Güter (Ziff. 3) oder deren Begleitung (Ziff. 6) übernimmt, endlich wenn er solche Güter aufgiebt, deren Transport mit einer besonderen Gefahr für dieselben verbunden ist (Ziff. 4 u. 5), dann kann be­ dungen werden, daß ein in Folge dieser Umstände entstandener Schade von der Eisenbahn nicht zu vergüten ist. Ist also auch ein Vertrag der bezeichneten Art geschloffen, so hastet doch die Eisenbahn für einen Schaden, der eintritt, aber in anderen Umständen seinen Grund hat (R.O.H. Bd. 17, S. 304). Hieraus würde folgen, daß die Eisenbahn sich gegen die Pflicht zum Schadensersätze nur durch den Nachweis schützen könnte, daß ein eingetretener Schade in jenen besonders vorgesehenen Umständen seinen Grund hat. Um dem abzuhelfen, ist die Präsumtion anfgestellt (Abs.2), daß ein eingetretener Schaden, wenn er aus der nicht übernommenen Gefahr Nach den Umständen des konkreten Falles (P. 4799) entstehen konnte, aus derselben wirklich entstanden ist. Dem Absender bleibt jedoch der Beweis offen, daß der Schaden in anderen, von der Eisenbahn zu vertretenden Umständen seinen Grund hat. Endlich ist angenommen worden (Abs. 3), daß eine nach diesem Art. bedungene Befreiung von der Haftpflicht nicht geltend ge­ macht werden kann, wenn nachgewiesen wird, daß der Schaven durch Verschulden der Bahn­ verwaltung oder ihrer Leute entstanden ist. b. Falls ein Transport über den Bereich mehrerer Eisenbahnen übernommen wird, so ist in der Regel davon auszugehen (und dem entsprechen die formularmäßigen Frachtbriefe), daß die Verwaltung der Aufgabestatton zwar nach Maßgabe ihres eigenen Reglements für die Strecke, auf welche stch ihr Reglement bezieht, konttahirt, hingegen nach Maßgabe der möglicherweise an­ wendbaren fremden Reglements für diejenigen Sttecken, welche über ihre eigene Bahn hinausliegen, gleich als hätte sie in Vertretung der Verwaltung der übrigen betheiligten Bahnen den Transport übernommen (R.O.H. Bd. 3, S. 61). 27) a. Vgl. P. 4795—4799. Man ging in der Konferenz davon auS, daß unter Umständen auch der Diebstahl als eine Folge deS Transportes in unbedeckten (d. h. offenen, wenngleich freglementsmäßig oder nicht, entgeltlich oder ohne Vergütung R.O.H. Bd. 14, S. 219, Bd. 20, S. 239] mit einem Decktuch, Persenning, Theerplane versehenen, R.O.H. Bd. 12, S. 120, Bd. 13, S. 432) Wagen anzusehen, und deshalb von der Eisenbahn im Falle der Ziff. 1 d. Art. nicht zu vertreten sei, eS wurde jedoch (P. 4797, 4799) der Redaktionskommisston zu erwägen überlaffm, ob es einer ausdrücklichen Erwähnung deS Diebstahls bedürfe. Auf den Vorschlag der gedachten

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft.

Art. 424.

471

2) in Ansehung der Güter, welche, ungeachtet ihre Natur eine Verpackung zum Schutz gegen Verlust oder Beschädigung auf dem Transport erfordert, nach

Erklärung des Absenders auf dem Frachtbrief unverpackt oder mit mangel­ hafter Verpackung aufgegeben sind: daß für den Schaden nicht gehaftet werde, welcher auS der mit dem Mangel der Verpackung oder mit der mangelhaften Beschaffenheit der Verpackung

verbundenen Gefahr entstanden ist”);

3) in Ansehung der Güter, deren Auf- und Abladen nach Vereinbarung mit dem Absender von diesem besorgt wird: daß für den Schaden nicht gehaftet werde, der auS der mit dem Auf- und

Abladen oder mit mangelhafter Verladung verbundenen Gefahr entstan­ den ist”);

4) in Ansehung der Güter, welche vermöge ihrer eigenthümlichen natürlichen Beschaffenheit der besonderen Gefahr auSgesetzt sind, gänzlichen oder theilweisen Verlust oder Beschädigung, namentlich Bruch, Rost, inneren Verderb, außergewöhnliche Leckage u. s. w. zu erleiden:

Kommission (P. 5109) unterblieb die besondere Erwähnung desselben. — Dgl. R.O.H. Bd. 6,

S. 178, Bd. 19, S. 134.

b. Trägt hiernach der Absender die Gefahr der Verladung in offenen Wagen, so trägt er sie auch im Falle einer Transportverzögerung, wenn er nicht darthun kann, daß eben durch diese der Schade herbeigeführt ist; er hat also den Kausalnexus zwischen der Verzögerung und

dem Schaden zu beweisen (R.O.H. Bd. 13, S. 399).

28) Vgl. P. 5008, 5009.

ES war beantragt worden, aus dem Texte die Worte:

„auf

dem Frachtbrief" fortzulaffen, weil auch jede anderweitige Erklärung deS Absenders genügen

müsse.

Der Antrag wurde jedoch abgelehnt (P. 5009), nachdem bemerkt worden war:

Nach

Art. 395, Abs. 1 habe der Frachtführer, wenn er die Güter mit äußerlich erkennbar schlechter

Verpackung annehme, selbst wenn der Absender diese Fehler der Verpackung veranlaßt habe, für die daraus entstehenden Schäden zu hasten; er müsse nach diesem Art., wenn er solche Güter angenommen habe, entweder die Fehler der Verpackung beseitigen lassen oder den daraus ent­ springenden Schaden bezahlen.

Um dieser Bestimmung gegenüber keine Verwirrung zu veran­

lassen, erscheine es erforderlich, zu bestimmen, daß sich der Absender in leicht erkennbarer Weise

darüber aussprechen müsse, ob er die Gefahr der schlechten oder fehlenden Verpackung über sich nehmen wolle, wenn es in seiner Absicht liege, daß die hier in Rede stehende Ausnahmebestim­

mung zur Anwendung kommen solle. 29) Vgl. P. 5001—5007.

Daß der Empfänger, und nicht der Absender daS Abladen be­

sorgt, schließt die Anwendbarkeit der Ziff. 3 nicht auS (R.O.H. Bd. 6, S. 180); bei der Fassung des Gesetzes ist an den letzteren, gewöhnlicheren Fall gedacht, doch ist der Sinn des Gesetzes der, daß in allen Fällen, in welchen vereinbart ist, daß das Frachtgut im Zustande der Ver­ ladung von der Bahn übernommen werde, diese der Sorge für die Verladung und der Haftung

für sachgemäße Verladung enthoben sein soll; es ist daher gleichgültig, an welchem Orte, wann

und von wem die Verladung besorgt wurde (R.O.H. Bd. 13, S. 131).

In einem solchen Falle

genügt zum Beweise deS verladenen Quantums der Frachtbrief allein nicht (R.O.H. Bd. 15, S. 376).

Viertes Buch.

472

Von den Handelsgeschäften.

Art. 425.

daß für den Schaden nicht gehastet werde, welcher aus dieser Gefahr ent­

standen ist30); 5) in Ansehung lebender Thiere: daß für den Schaden nicht gehaftet werde, welcher aus der mit dem Trans­ port dieser Thiere für dieselben verbundenen besonderen Gefahr entstanden ist31); 32 33

6) in Ansehung begleiteter Güter: daß für den Schaden nicht gehaftet werde, welcher aus der Gefahr ent­

standen ist, deren Abwendung durch die Begleitung bezweckt totrb52). Ist eine der in diesem Artikel zugelassenen Bestimmungen bedungen, so gilt zu­

gleich als bedungen, daß bis zum Nachweise des Gegentheils vermuthet werden soll, daß

ein eingetretener Schaden, wenn er aus der nicht übernommenen Gefahr ent­

stehen konnte, aus derselben wirklich entstanden ist"). Eine nach diesem Artikel bedungene Befreiung von der Haftpflicht kann nicht

geltend gemacht werden, wenn nachgewiesen wird, daß der Schaden durch Verschulden der Bahnverwaltung oder ihrer Leute entstanden ist34). pr. Sntw. Art. — Entw. I. Art. — Entw. II. Art. -

prot. S. — prot. S. — prot. S. 4701. 4787. 4795-5024. 5108 f. 5121.

Artikel 425. In Ansehung des Reisegepäcks kann bedungen werden:

1)

daß für Verlust oder Beschädigung von Reisegepäck, welches nicht zum Trans­

port aufgegeben ist, nur gehaftet werde, wenn ein Verschulden der Bahnverwaltung oder ihrer Leute nachgewiesen wird.

Dasselbe kann in Ansehung von Gegenständen

bedungen werden, welche sich in Reise-Equipagen befinden;

2) daß für Verlust von Reisegepäck, welches zum Transport 30) Vgl. P. 5018—5022, 5109, 5110.

aufgegeben ist,

Die Frage, ob ein bestimmtes Gut zu den in Ziff. 4

aufgezählten Gütern zu rechnen ist, unterliegt nicht der willkürlichen Bestimmung der Eisenbahnen,

sondern ist im Streitfälle durch den Richter zu entscheiden. 31) Vgl. P. 5015—5017. — Es war der Antrag gestellt worden (P. 5109), in Ziff. 5 die

Worte „für dieselben" zu streichen, weil es nicht darauf ankomme, daß den Thieren selbst ein

Schaden geschehe, sondern daß deren Eigenthümer 2c. beschädigt werde, wie sich bei Erwägung des Falles ergebe, wenn die Thiere so schlecht verwahrt seien, daß sie entkämen.

Der Antrag

wurde jedoch abgelehnt. 32) Vgl. P. 5017, 5110. — Es wurde nicht für nöthig erachtet, den Ausdruck „begleitete

Güter" im Gesetze näher zu erläutern.

Man versteht unter dieser Bezeichnung solche Güter,

welche von dem Absender oder einer von ihm beauftragten Person begleitet werden. 33) Vgl. P. 4799, 5007, 5009, 5016 u. die vorstehende Note 26 a. 34) Vgl. P. 5023.

Mit dem Ausdrucke „ihrer Leute" hat man nicht bloß die ange­

stellten Bediensteten der Bahnverwaltungen bezeichnen wollen, sondern auch die anderen Per­ sonen, deren sie sich bedienen. — Der Beschädigte hat nicht nur das Verschulden der Bahn­ verwaltung oder ihrer Leute, sondern auch den Kausalnexus zwischen dem Verschulden und

dem eingetretenen Schaden nachzuweisen (R.O.H. Bd. 15, S. 86).

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft.

Art. 426.

473

nur gehaftet werde, wenn das Gepäck binnen einer bestimmten Frist nach der Ab­ lieferungszeit abgefordert wird.

Die Frist darf nicht kürzer als drei Tage fein96). Pr. Entw. Art. — Entw. I. Art. — Entw. II. Art. -

Prot. 3. — Prot. 3. — Prot. 3. 4701. 4786. 5010-5014. 5111. 5122.

Artikel 426.

In Ansehung der Güter, welche nach ihrer natürlichen Beschaffenheit bei dem Transport regelmäßig einen Verlust an Gewicht oder an Maß erleiden, kann be­

dungen werden, daß bis zu einem im Voraus bestimmten Normalsatze für Verlust an Gewicht oder Maß nicht gehaftet werde.

Der Normalsatz muß, im Falle mehrere

Stücke zusammen transportirt worden sind, für jedes einzelne Stück besonders be­

rechnet werden, wenn das Gewicht oder Maß der einzelnen Stücke im Frachtbrief

verzeichnet oder sonst erweislich ist.

Die hier bezeichnete Bestimmung kann nicht geltend gemacht werden, wenn nach­ gewiesen wird, daß der Verlust nach den Umständen des Falles nicht in Folge der

natürlichen Beschaffenheit des Guts entstanden ist, oder daß der bestimmte Normalsatz dieser Beschaffenheit oder den sonstigen Umständen des Falles nicht entspricht"). pr. Entw. Art. — prot. A. — Entw. I. Art. — prot. 3. — Entw. II. Art. — prot. 3. 4700. 4785-4795. 5122. 35)

Vgl. P. 5010-5014, 5111.

Der Abs. 1 d. Art. betrifft Verlust oder Beschädi­

gung von nicht aufgegebenem Reisegepäck (welchem die in Reiseequipagen befindlichen Gegenstände gleichgestellt werden können), der Abs. 2 handelt nur von dem Verluste aufgegebenen Reise­ gepäcks, weil hinsichtlich einer Beschädigung deffelben nicht dieselbe ratio wie beim Verluste zutrifft, und hinsichtlich jener der Art. 428 allgemein den Eisenbahnen die nöthige Freiheit der

Vereinbarung gewährt.

Die im Abs. 1 enthaltene Bestimmung wurde als sich von selbst ergebend

bezeichnet, weil bei dem nicht übergebenen Gepäcke von einer Haftung ex recepto nicht die Rede sein könne.

Zur Rechtfertigung des Abs. 2 wurde bemerkt (P. 5011):

das Reisegepäck müsse

meistens so schnell expedirt und auf die Wagen gebracht werden, daß eine überall genügende Kartirung desselben nicht möglich sei.

Unter diesen Umständen könnten die Eisenbahnen wegen

deroutirter Gepäckstücke nicht auf lange Zeit hinaus Rede stehen,

sondern müßten das Recht

haben, die fraglichen Ansprüche an die Bedingung zu knüpfen, daß sie in einer verhältnißmäßig

kurzen Frist angemeldet würden. — Als selbstverständlich wurde übrigens angesehen, daß im Falle des Abs. 2 bei versäumter Frist zur Abforderung des Guts nur kein Schadenersatz für Verlust verlangt werden kann, der Anspruch auf Herausgabe des Guts, wenn dasselbe erweislich vorhanden, aber nicht ausgeschlossen ist.

36) a. Vergl. P. 4785 — 4795. — Der Sinn des Art. 426 wurde, wie folgt, erläutert

(P. 4793): „Nach Art. 395, Abs. 1 hasten die Eisenbahnen nicht für die in der besonderen Be­ schaffenheit der Güter sich gründenden Gewichts- und Maßverluste, so hoch dieselben sich auch be­

laufen mögen, sie müssen aber bei jedem Verluste, selbst wenn er ziemlich unbedeutend ist, nach Vorschrift desselben Artikels den Beweis liefern, daß der Verlust sich in der natürlichen Be­ schaffenheit des Guts gründet.

Der Art. 426 gewährt den Eisenbahnen das Recht, zu bedingen,

daß sie bis zu einem gewissen Normalsatze von dem erwähnten Beweise befteit sein sollten.

474

Viertes Buch. Don den Handelsgeschäften. Art. 427.

Artikel 427. ES kann bedungen werden: 1) daß der nach Artikel 396 der Schadensberechnung zu Grunde zu legende Werth den im Frachtbrief, im Ladeschein oder im Gepäckschein alö Werth deS Guts angegebenen Betrag und in Ermangelung einer solchen Angabe .einen im Voraus be­ stimmten Normalsatz nicht übersteigen soll; 2) daß die Höhe deS nach Artikel 397 wegen verspäteter Lieferung zu leistenden Schadenersatzes den im Frachtbrief, im Ladeschein oder im Gepäckschein als die Höhe des Interesses an der rechtzeitigen Lieferung angegebenen Betrag und in Er­ mangelung einer solchen Angabe einen im Voraus bestimmten Normalsatz, welcher auch in dem Verluste der Fracht oder eines Theiles derselben bestehen kann, nicht übersteigen soll. Im Falle einer böslichen Handlungsweise der Eisenbahnverwaltung oder ihrer Leute kann die Beschränkung der Haftpflicht auf den Normalsatz oder den angegebenen Werth deS Guts nicht geltend gemacht werden"). Pr. Sutw. Art. — Sutw. I. Art. — Sutw. II. Art. -

prot. S. — Prot. S. — Prot. S. 4700. 4779-4784. 5112-5115. 5122.

Dadurch wird denselben nicht daS ursprünglich ihnen schon zustehende Recht genommen, zu be­ weisen, daß der natürliche Gewichtsverlust im konkreten Falle den Normalsatz überstiegen hat und um wieviel dieS der Fall ist, sowie andererseits dem Absender daS Recht bleibt, nachzuweisen, daß dieser Verlust weniger alS den Normalsatz betragen hat." — Die Bestimmung eines Normal­ satzes hat daher nur den Werth einer Präsumtion, und läßt den Gegenbeweis beiden Parteien offen. Der Abs. 2 gestaltet indeß dem Absender nicht bloß den Beweis, daß der Verlust in con­ creto nicht in Folge der natürlichen Beschaffenheit des Guts entstanden ist, sondern geht viel weiter; er läßt dem Absender gegen die exceptio des bedungenen Normalsahes die Replik zu, daß der bestimmte Normalsatz der natürlichen Beschaffenheit des GutS überhaupt und im Allgemeinen, oder daß er den sonstigen Umständen deS Falles nicht entspreche (P. 4794). Wird diese Replik für durchgreifend befunden, dann bestimmt sich die Beweispflicht, aber auch die Hastpflicht, wie im Eingänge dieser Note bemerkt, nach Art. 395, Abs. 1. b. Der zweite Satz im Abs. 1 d. Art. will den Mißbrauch verhüten (P. 4789), daß der Normalsatz nach dem ganzen verladenen Quantum auch dann berechnet werde, wenn mehrere Stücke zum Transport aufgegeben sind. Ließe man dies zu, so würde gegen die Absicht deS Gesetzes ein Verlust über den Normalsatz bei einem Stücke nicht ersetzt werden, weil bei einem anderen Stücke der Verlust unter dem Normalsatze geblieben ist. Diese Vorschrift ist aber, wie sich von selbst ergiebt, nur anwendbar, wenn das Gewicht oder Maß der einzelnen Stücke irgend wie erweislich ist. 37) a. Der Art. 427 hat nicht den Charakter einer.Ausnahmebestimmung, sondern stellt in gewissen Grenzen die Vertragsfreiheit gegenüber der in Art. 423 getroffenen Ausnahme­ bestimmung wieder her. Ersatzklagen, welche auf Grund der dem Art. 427, Ziff. 1 entsprechenden Bestimmung deS Betriebsreglements erhoben werden, entspringen weder aus der Regel noch auS einer Ausnahmebestimmung des Gesetzes, sondern auS dem Frachtverträge, welcher durch daS Reglement ergänzt wird. ES gehört daher zur Begründung der Klage der Nachweis, welchen Werth das verlorene Frachtgut hatte und daß derselbe den als Maximum festgestellten Normalsatz nicht übersteigt (R.O.H. Bd. 20, S. 406).

Fünfter Diel.

Von dem Frachtgeschäft.

Art. 428.

475

Artikel 428. Es kann bedungen werden, daß nach erfolgter Empfangnahme deS Guts und Bezahlung der Fracht jeder Anspmch wegen Verlustes an dem Gut oder wegen Beschädigung desselben auch dann, wenn dieselben bei der Ablieferung nicht erkennbar waren und erst später entdeckt worden sind (Artikel 408, Abs. 2), erlischt, wenn der Anspmch nicht binnen einer bestimmten Frist nach der Abliefemng bei der Eisen­ bahnverwaltung angemeldet worden ist. b.

Die Ziff. 1 u. 2 deS Art. 427 gestatten die Begrenzung deS Umfangs der Haftung,

nämlich die Abreden, daß, wenn nach Art. 395 für Verlust oder Beschädigung (R.O.H. 93b. 9,

S. 278) Schadenersatz zu leisten ist, der nach Art. 396 der Schadensberechnung zu Grunde zu legende Werth den deklarirten Werth, und in dessen Ermangelung einen im Voraus be-

stimmten Normalsatz nicht übersteigen soll, ferner daß die Höhe deS nach Art. 397 wegen ver­

späteter Lieferung zu leistenden Schadenersatzes das deklarirte Jnteresie an der rechtzeitigen Lieferung, und in Ermangelung einer solchen Angabe einen im Voraus bestimmten Normalsatz

(z. B. die Fracht, d. h. diejenige, welche die Bahn als Gegenleistung für den Transport auf ihrer Strecke erhalten würde, R.O.H. Bd. 14, S. 200) nicht übersteigen soll.

Der Abs. 2 d. Art. fügt

hinzu, daß die Beschränkung der Haftpflicht auf den Normalsatz (Ziff. 1 u. 2) oder auf den deklarirten Werth deS Guts (Ziff. 1) im Falle einer böslichen Handlungsweise der Eisenbahn­

verwaltung oder ihrer Leute (P. 4780, 5112—5115) nicht geltend gemacht werden kann. Zu beachten

ist, daß für den Fall der Ziff. 2, wenn daS Interesse an der rechtzeitigen Lieferung deklarirt wurde, keine gleiche Ausnahme gemacht worden ist; man erklärte dies dadurch (P. 5113), daß

der durch Verspätung der Ablieferung entstehende Schaden nicht in derselben Weise objekttv zu fixiren sei, wie dies bei dem durch Verlust (oder Beschädigung) des Frachtguts entstehenden Schaden

durch Fixirung desselben auf den Werth deS Guts geschehen könne. — Ueber den Begriff der

„böslichen Handlungsweise" s. Note 16 zu Art. 396, Str. Dd. 58, S. 20; R.O.H. Bd. 1, S. 158, Bd. 9, S. 302, Bd, 10. S. 218, Bd. 12, S. 282, Bd. 13, S. 320, Bd. 17, S. 123 u. 301,

Steg. Bd. 3, S. 247.

DaS R.O.H. (Bd. 8, S. 430) erachtet den Umstand, daß ein Frachtgut

verschwunden ist und die Eisenbahn keinen Aufschluß über den Verbleib geben kann, nicht für genügend, eine „bösliche Handlungsweise" als vorhanden anzunehmen, verlangt vielmehr zur An­ wendung dieser Besttmmung den Nachweis, daß der Verlust mit einem böslichen Handeln des EisenbahN'PersonalS (oder der Bahnverwaltung, R.O.H. Bd. 12, S. 430) in Verbindung steht.

Vgl. jedoch den RechtSfall Bd. 21, S. 22.

c. Wenn gemäß Ziff. 2 auch die Höhe des Interesse- an der rechtzeitigen Lieferung deklarirt ist, so ist nicht damit daS Quantum des für die Verspätung der Lieferung zu leistenden

Ersatzes im Voraus verttagsmäßig fixirt, sondern nur die Maximalgrenze der Haftbarkeit der Eisenbahn bezeichnet.

Der Schade selbst muß daher auch seinem Quantum nach von dem Ab­

sender nachgewiesen werden (R.O.H. Bd. 11, S. 229 u. 424).

d.

Der Absender, welcher bei der Aufgabe deS Guts dessen Werth deklarirt, giebt hier­

durch auch an, daß fein Interesse, wenn durch Tranöportverzögerung daS Gut selbst zu

Grunde geht, mindestens soviel als der deklarirte Werth deS Guts beträgt.

S. 26.)

(R.O.H. Bd. 12,

Dagegen ist die Deklaration des Interesses der rechtzeitigen Lieferung eines Fracht­

guts nicht maßgebend für die Höhe deS Entschädigungsanspruchs wegen Verluste- diese- Guts

(Bd. 17, S. 129).

Viertes Buch.

476

Bon den Handelsgeschäften.

Art. 429.

Die Frist darf nicht kürzer als vier Wochen fein38).39

Pr. Eutw. Art. — Sntw. I. Art. — Entw. II. Art. —

Prot. S. — Prot. S. — prot. S. 4701. 5025—5029. 5123. Artikel 429.

Wenn eine Eisenbahn das Gut mit einem Frachtbrief übernimmt, nach welchem

der Transport durch mehrere sich an einander anschließende Eisenbahnen zu bewirken

ist, so kann bedungen werden, daß nicht sämmtliche Eisenbahnen, welche das Gut mit dem Frachtbrief übernommen haben, nach Maßgabe des Artikels 401 als Fracht­ führer für den ganzen Transport haften, sondern daß nur die erste Bahn und die­

jenige Bahn, welche das Gut mit dem Frachtbriefe zuletzt übernommen hat, dieser

Haftpflicht für den ganzen Transport unterliegt, vorbehaltlich des Rückgriffs der Eisenbahnen gegeneinander, daß dagegen eine der übrigen, in der Mitte liegenden,

Eisenbahnen nur dann als Frachtführer in Anspruch genommen werden kann, wenn

ihr nachgewiesen wird, daß der Schaden auf ihrer Bahn sich ereignet hat3°).

Pr. Lutw. Art. — Entw. I. Art. — Entw. II. Art. — 38)

Prot. S. — Prot. S. — Prot. S. 4702. 5030—5037. 5115. 5123.

Vgl. P. 4737, 5025—5029. — Der Art. 423 erklärt unter Anderem diejenigen Ver­

träge für wirkungslos, durch welche die Eisenbahnen die Anwendung der in dem Art. 408 ent­

haltenen Bestimmungen über die Entschädigungspflicht, sei es auch nur in Bezug auf den Ein­

tritt dieser Verpflichtung, zu ihrem Vortheil ausschließen oder beschränken.

In Folge deffen

könnten sie ihre Pflicht zum Schadenersätze für sog. verborgene Mängel (Art. 408, Abs. 2) nicht davon abhängig machen, daß der Destinatär innerhalb einer bestimmten Frist nach dem Em­

pfange des Guts eine nachträglich entdeckte Beschädigung des Guts anmelde.

Der Art. 428

gestattet ihnen jedoch, abweichend von der Regel des Art. 423, eine solche Frist, die jedoch nicht kürzer als vier Wochen sein darf, für die Anmeldung von Ansprüchen wegen nachträglich ent­

deckten Verlustes an dem Gute (Manco) oder wegen Beschädigung (nicht aber wegen gänzlichen

Verlustes) zu bedingen. 39)

Vgl. P. 5030—5037. — Nach Art. 401 hasten mehrere Frachtführer, welche sich an

der Ausführung eines mit einem durchgehenden Frachtbriefe übernommenen Transports betheiligen, ein Jeder solidarisch für den ganzen Transport. — Der Art. 429 läßt die hiervon

abweichende Verabredung zu, daß nur die erste und die letzte Bahn für den ganzen Transport hasten,

eine der in der Mitte liegenden Eisenbahnen aber nur in Anspruch genommen werden

kann, wenn ihr nachgewiesen wird, daß der Schaden auf ihrer Bahn sich ereignet hat. Der Ausdruck: „sich an einander anschließende Eisenbahnen" wurde als nicht ganz deutlich bemängelt.

Hierauf wurde jedoch (P. 5115) bemerkt: Es könne nicht zweifelhaft sein, was man unter „an­ schließenden" Eisenbahnen zu verstehen habe.

Es komme weder darauf an, daß die Schienen­

geleise beider Bahnen in einander liefen, noch darauf, ob die Weiterbeförderung des Guts bis zur unmittelbaren Uebergabe an die nächste Eisenbahn in einem und demselben Eisenbahnbetriebe

statthabe, gleichviel welcher Mittel sich die Bahnverwaltung bediene, um das Gut von ihren

Schienen auf die der anderen Bahn zu bringen (z. B. durch Wagen oder Schiffe); der Ausdruck „anschließend" habe eine juristische Bedeutung und beziehe sich auf die an einander anschließende

Haftbarkeit der Bahnverwaltungen. — Vgl. den Rechtsfall R.O.H. Bd. 13, S. 318 und wegen des Regreffes der Bahnen unter einander Bd. 24, S. 209.

Fünfter Titel.

Von dem Frachtgeschäft.

Art. 430, 431.

477

Artikel 430"). Wenn eine Eisenbahn daS Gut mit einem Frachtbriefe zum Transport über­

nimmt, in welchem als Ort der Ablieferung ein weder an ihrer Bahn, noch an einer

der sich an sie anschließenden Bahnen liegender Ort bezeichnet ist, so kann bedungen werden, daß die Haftpflicht der Eisenbahn oder der Eisenbahnen als Frachtführer

nicht für den ganzen Transport bis zum Ort der Ablieferung, sondem nur für den Transport bis zu dem Orte bestehe, wo der Transport mittelst Eisenbahn enden

soll; ist dies bedungen, so treten in Bezug auf die Weiterbefördemng nur die Ver­

pflichtungen des Spediteurs ein. Pr. Sntw. Art. — Sntw. I. Art. — Sntw. II. Art. -

pro!. S. — prot. 3. — prot. 3. 4702. 5030-5037. 5116. 5123.

Artikel 431. Ist von dem Absender auf dem Frachtbriefe bestimmt, daß daS Gut an einem an der Eisenbahn liegenden Ort abgegeben werden oder liegen bleiben soll, so gilt, ungeachtet im Frachtbrief ein anderweitiger Bestimmungsort angegeben ist, der Trans­

port als nur bis zu jenem an der Bahn liegenden Ort übernommen, und die Bahn ist nur bis zur Abliefemng an diesem Ort verantwortlich. pr. Sntw. Art. — Sntw. I. Art. — Sntw. II. Art. -

prot. 3. — prot. 3. — prot. 3. 4702. 5030-5037. 5116. 5124.

40) Zu den Artt. 430 u. 431 vgl. P. 5030—5037 und die §§.65, 66 Betriebsreglement

v. 11. Mai 1874 (im Anhänge).

Fünftes Such. Bom Seehandel') Erster Fitek. Allgemeine Bestimmungen. Artikel 432. Für die zum Erwerb durch die Seefahrt bestimmten Schiffe, welchen das Recht,

die Landesflagge zu führen, zusteht, ist ein Schiffsregister zu führen.

DaS Schiffsregister ist öffentlich; die Einsicht deffelben ist während der gewöhn­ lichen Dienststunden einem Jeden gestattet').

pr. ento. Art. 386. zehn Tausendtheile betragen. In der Masse aber müssen daS Normalgewicht uni) der Normalgehalt bet allen Silbermünzen innegehalten werden. §. 2. Die Silbermünzen über ein Mark tragen auf der einen Sette den Reichsadler mit der Inschrift „Deutsches Reich" und mit der Angabe des Werthes in Mark, sowie mit der JahreS»

zahl der Ausprägung, auf der anderen Seite das Bildniß des Landesherrn beziehungsweise daS Hoheitszeichen der freien Städte mit einer entsprechenden Umschrift und dem Münzzeichen. Durch­ messer der Münzen, Beschaffenheit und Verzierung der Ränder derselben werden vom Bundes­ rathe festgestellt.

§. 3. Die übrigen Silbermünzen, die Nickel- und Kupfermünzen tragen auf der einen Seite die Werthangabe, die Jahreszahl und die Inschrift „Deutsches Reich", auf der anderen Seite den Reichsadler und das Münzzeichen. Die näheren Bestimmungen über Zusammenstellung, Gewicht

und Durchmeffer dieser Münzen, sowie über die Verzierung der Schriftseite und die Beschaffenheit der Ränder werden vom BundeSrathe festgestellt.

§. 4.

Die Silber-, Nickel- und Kupfermünzen werden auf den Münzstätten derjenigen Bundes­ staaten, welche sich dazu bereit erklären, ausgeprägt. Die Ausprägung und Ausgabe dieser Münzen unterliegt der Beaufsichtigung von Setten des Reichs. Der Reichskanzler bestimmt unter Zu­ stimmung des BundesratheS die auszuprägenden Bettäge, die Verkeilung dieser Bettäge auf die

einzelnen Münzgattungen und die einzelnen Münzstätten und die den letzteren für die Prägung jeder einzelnen Münzgattung gleichmäßig zu gewährende Vergütung. Die Beschaffung der Münz­

metalle für die Münzstätten erfolgt auf Anordnung des Reichskanzlers. Artikel 4. Der Gesammtbetrag der Reichsstlbermünzen soll bis auf Weiteres zehn Mark für den Kopf

der Bevölkerung des Reichs nicht übersteigen. Bei jeder Ausgabe dieser Münzen ist eine dem Werthe nach gleiche Menge der umlaufenden groben Landessilbermünzen und zwar zunächst der nicht dem Dreißigthalerfuße angehörenden

einzuziehen.

Der Werth wird nach der Vorschrift im Art. 14, §. 2 berechnet.

Artikel 5. Der Gesammtbetrag der Nickel- und Kupfermünzen soll zwei und eine halbe Mark für den Kopf der Bevölkerung des Reichs nicht übersteigen.

Artikel 6.

Von den Landesscheidemünzen sind:

1) die auf andere als Thalerwährung lautenden, mit Ausschluß der bayerischen Heller und der mecklenburgischen nach dem Marksystem ausgeprägten Fünf-, Zwei- und Einpfennigstücke, 2) die auf der Zwölftheilung deS Groschens beruhenden Scheidemünzen zu zwei und vier

Pfennigen,

3) die Scheidemünzen der Thalerwährung, welche auf einer anderen Eintheilung deS ThalerS, als der in 30 Groschen beruhen, mit Ausnahme der Stücke im Werthe von Vi* Thaler bis zum Zeitpunkte des Einttitts der Reichswährung (Art. 1) einzuziehen.

Nach diesem Zeitpunkte ist Niemand verpflichtet, diese Scheidemünzen in Zahlung zu nehmen, als die mit der Einlösung derselben beauftragten Kaffen.

Artikel 7. Die Ausprägung der Silber-, Nickel- und Kupfermünzen (Art. 3), sowie, die vom Reichs-

938

Anhang.

kanzler anzuordnende Einziehung der Landesstlbermünzen und Landesscheidemünzen erfolgt auf Rechnung des Reichs.

Artikel 8. Die Anordnung der Außerkurssetzung von LandeSmünzen und Feststellung der für dieselbe erforderlichen Vorschriften erfolgt durch den Bundesrath*).

Die Bekanntmachungen über Außerkurssetzung von Landesmünzen sind außer in den zu der Veröffentlichung von Landesverordnungen bestimmten Blättern auch durch daS Reichs-Gesetz­

blatt zu veröffentlichen. Erne'Außerkurssetzung darf erst eintteten, wenn eine EinlösungSftist von mindestens vier Wochen festgesetzt und mindestens drei Monate vor ihrem Ablaufe durch die vorbezeichneten

Blätter bekannt gemacht worden ist. Artikel 9. Niemand ist verpflichtet, Reichssilbermünzen im Bettage von mehr als zwanzig Mark und Nickel- und Kupfermünzen im Betrage von mehr als einer Mark in Zahlung zu nehmen.

Von den Reichs- und Landeskaffen werden Reichsstlbermünzen in jedem Bettage in Zahlung

genommen. Der Bundesrath wird diejenigen Kaffen bezeichnen, welche Reichsgoldmünzen gegen Einzahlung von Reichsstlbermünzen in Beträgen von mindestens 20 Mark oder von Nickel- und Kupfermünzen in Bettägen von mindestens 50 Mark auf Verlangen verabfolgen. Derselbe wird zugleich die näheren Bedingungen des Umtausches sestsetzen. Artikel 10. Die Verpflichtung zur Annahme und zum Umtausch (Art. 9) findet auf durchlöcherte und

anders, als durch den gewöhnlichen Umlauf im Gewicht verringerte, ingleichen auf verfälschte Münzstücke keine Anwendung.

Reichs-Silber-, Nickel- und Kupfermünzen, welche in Folge längerer Cirkulation und AbNutzung an Gewicht oder Erkennbarkeit erheblich eingebüßt haben, werden zwar noch in allen Reichs- und Landeskaffeu angenommen, sind aber auf Rechnung des Reichs einzuziehen. Artikel 11. Eine Ausprägung von anderen, alö den durch dieses Gesetz eingeführten Silber-, Nickel­ und Kuvferinünzen findet nicht ferner statt. Die durch die Bestimmung im §. 10 des Gesetzes, betreffend die Ausprägung von Reichsgoldmünzen, vom 4. Dezember 1871 (Reichs-Gesetzblatt

S. 404), vorbehaltene Befugniß, Silbermünzen als Denkmünzen auSzuprägen, erlischt mit dem

31. Dezember 1873. Artikel 12. Die Ausprägung von Reichsgoldmünzen geschieht auch ferner nach Maßgabe der Bestimmung im §. 6 des Gesetzes, betreffend die Ausprägung von Reichsgoldmünzen, vom 4. Dezember 1871

(ReichS-Gesetzbl. S. 404), auf Rechnung des Reichs. Privatpersonen haben das Recht, auf denjenigen Münzstätten, welche sich zur Ausprägung auf Reichsrechnung bereit erklärt haben, Zwanzigmarkstücke für ihre Rechnung auspragen zu lasten, soweit diese Münzstätten nicht sür das Reich beschäftigt sind. Die für solche Ausprägungen zu erhebende Gebühr wird vom Reichskanzler mit Zustimmung

deS Dundesrathes festgestellt, darf aber das Maximum von 7 Mark auf das Pfund fein Gold nicht übersteigen. Die Differenz zwischen dieser Gebühr und der Vergütung, welche die Münzstätte für die Ausprägung in Anspruch nimmt, fließt in die Reichskaffe. Diese Differenz muß für alle deutschen Münzstätten dieselbe sein. Die Münzstätten dürfen für die Ausprägung keine höhere Vergütung in Anspruch nehmen, alS dle ReichSkaffe für die Ausprägung von Zwanzigmarkstücken gewährt.

*) Vgl. Bekanntmachung bett, die Außerkurssetzung der Landesgoldmünzen und der landes­ gesetzlich den inländischen Münzen gleichgestellten ausländischen Goldmünzen v. 6. Dezember 1873 (R.G.Bl. S. 375).

18. Münzgesetz vom 9. Juli 1873.

089

Artikel 13.

Der Bundesrath ist befugt:

1) den Werth zu bestimmen, über welchen hinaus fremde Gold- und Silbermünzen nicht in Zahlung angeboren und gegeben werden dürfen, sowie den Umlauf fremder Münzen

gänzlich zu untersagen; 2) zu bestimmen, ob ausländische Münzen von Reichs- oder Landeskassen zu einem öffentlich bekannt zu machenden Kurse im inländischen Verkehr in Zahlung genommen weichen

dürfen, auch in solchem Falle den Kurs festzusetzen. Gewohnheitsmäßige oder gewerbsmäßige Zuwiderhandlungen gegen die vom Bundxsrathe in Gemäßheit der Bestimmungen unter 1 getroffenen Anordnungen werden belrraft, mit Geld­

strafe bis zu 150 Mark oder mit Hast biS zu sechs Wochen.

Artikel 14*). Don dem Eintritt der Reichswährung an gelten folgende Vorschriften:

§. 1Alle Zahlungen, welche biS dahin in Münzen einer inländischen Währung oder in landeSgesetzlich den inländischen Münzen gleichgestellten ausländischen Münzen zu leisten waren, sind

vorbehaltlich der Vorschriften Artt. 9, 15 und 16 in Reichsmünzen zu leisten. §. 2. Die Umrechnung solcher Goldmünzen, für welche ein bestimmtes Verhältniß zu Silbermünzen gesetzlich nicht feststeht, erfolgt nach Maßgabe des Verhältnisses des gesetzlichen Feingehalts der­

jenigen Münzen, auf welche die Zahlungsverpflichtung lautet, zu dem gesetzlichen Feingehalte der

Reichsgoldmünzen. Bei der Umrechnung anderer Münzen werden der Thaler zum Werthe von 3 Mark, der Gulden süddeutscher Währung zum Werthe von 1sa Mark, die Mark lübischer oder hamburgischer Kurantwährung zum Werthe von 1% Mark, die übrigen Münzen derselben Währungen zu entsprechenden Werthen nach ihrem Verhältniß zu den

genannten berechnet. Bei der Umrechnung werden Bruchtheile von Pfennigen der Reichswährung zu einem Pfennig berechnet, wenn sie einen halben Pfennig oder mehr betragen, Druchtheile unter einem

halben Pfennig werden nicht gerechnet.

§. 3. Werden Zahlungsverpflichtungen nach Einttitt der Reichswährung unter Zugrundelegung vormaliger inländischer Geld- oder Rechnungswährungen begründet, so ist die Zahlung vorbe-

halllich der Vorschriften Art. 9, 15 und 16 in Reichsmünzen unter Anwendung der Vorschriften des §. 2 zu leisten.

§. 4. In allen gerichtlich oder notariell aufgenommenen Urkunden, welche auf einen Geldbettag lauten, desgleichen in allen zu einem Geldbettag verurtheilenden gerichtlichen Entscheidungen ist dieser Geldbetrag, wenn für denselben ein bestimmtes Verhältniß zur Reichswährung gesetzlich

feststeht, in Reichswährung auszudrücken; woneben jedoch dessen gleichzeitige Bezeichnung nach derjenigen Währung, in welcher ursprünglich die Verbindlichkeit begründet war, gestattet bleibt.

Artikel 15. An Stelle der Reichsmünzen sind bei allen Zahlungen bis zur Außerkurssetzung anzunehmen

1) im gesammten Bundesgebiete an Stelle aller Reichsmünzen die Ein- und Zweithakrpücke deutschen Gepräges unter Berechnung deS Thalers zu 3 Mark,

Ges. v. 20. April 1874 betr. die Abänderung des Art. 15 des Münz­ gesetzes v. 9. Juli 1873 (R.G.B1. S. 35). Einziger Artikel:

*) Dgl. R.O.H. Bd. 23 S. 205.

Die Bestimmung im Art. 15 Ziff. 1 des Münzgesetzes

940

Anhang.

v» 9. Jtili 1873 (B.G.B1. 8. 233) findet auch auf die in Oesterreich bis zum Schlüsse des Jahres 1867 geprägten Vereinsthaler und Vereinsdoppelthaler Anwendung; Ges. v. 6. Januar 1876, betr. die Abänderung des Art. 15 des Mü nzgesetzes v. 9. Juli 1873 (R.G.B1. 8. 3): Der Art. 15 des Münzgesetzes v. 9. Juli 1873 (R.G.B1. 8. 233) erhält fol­ genden Zusatz: Der Bundesrath ist befugt, zu bestimmen, dass die Einthaleratücke deutschen Gepräges, sowie die in Oesterreich bis zum Schlüsse des Jahres 1867 geprägten Vereinsthaler bis zu ihrer Ausserkurssetzung nur noch an Stelle der Reichssilbermünzen, unter Berechnung des Thalers zu 3 Mark, in Zahlung anzunehmen sind. Eine solche Bestimmung ist durch das Reichs­ gesetzblatt zu veröffentlichen und tritt frühestens einen Monat nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. 2) im gesammten Bundesgebiete

deutschen Gepräges zu

und

der Reichssilbermünzen,

an Stelle

Silberkurantmünzen

Thaler unter Berechnung des '/» Thalerstücks zu einer

Mark und des 7. Thalerstücks zu einer halben Mark;

3) in denjenigen Ländern, in welchen gegenwärtig die Thalerwährung gilt, an Stelle der

Reichs-, Nickel- und Kupfermünzen die nachbezeichneten Münzen der Thalerwährung zu den daneben bezeichneten Werthen:

7i, Thalerstücke -um Werthe von 25 Pfennig,

7i»

-

v3,





• 20



io

-

7, Groschenstücke -

-

-

5

7,



64 5

-

*

2

7i. und 7.»



'





1

4) in denjenigen Ländern, in welchen die Zwölstheilung des Groschens besteht, an Stelle der Reichs-, Nickel- und Kupfermünzen die auf der Zwölftheilung des Groschens beruhenden

Drerpfenm'gstücke zum Werthe von 2'/, Pfennig; 5) in Bayern an Stelle der Reichskupfermünzen die Hellerstücke zum Werthe von 7, Pfennig;

6) in Mecklenburg an Stelle der Reichskupfermünzen die nach dem Marksystem ausgeprägten Fünfpfennigstücke, Zweipfennigstücke

und Einpfennigstücke zum Werthe von 5, 2 und

1 Pfennig.

Die sämmtlichen snb 3 und 4 verzeichneten Münzen sind an allen öffentlichen Kaffen deS gesammten Bundesgebietes zu den angegebenen Werthen bis zur Außerkurssetzung in Zahlung

anzuuehmen. Artikel 16. Deutsche

Goldkronen,

Landesgoldmünzen

und

landesgesetzlich

den inländischen Münzen

gleichgestellte ausländische Goldmünzen, sowie grobe Silbermünzen, welche einer anderen Landes­

währung als btt Thalerwährung angehören, sind bis zur Außerkurssetzung als Zahlung anzunehrritrr, soweit/die Zahlung nach den bisherigen Vorschriften in diesen Münzsorten angenommen

werden mußte. Artikel 17.

Schon vor Eintritt der ReichSgoldwährung können alle Zahlungen, Münzen einer inländischen Währung

welche

gesetzlich

in

oder in ausländischen, den inländischen Münzen landes­

gesetzlich ■ gleichgestellten Münzen geleistet werden dürfen, ganz oder theilweise in ReichSmürzen,

vorbehältlich der Vorschrift Art. 9, dergestalt geleistet werden, daß die Umrechnung nach den Lor-

schriften Art. 14 §. 2 erfolgt. Artikel 18.

BiS zum 1. Januar 1876 find sämmtliche nicht auf Reichswährung lautenden Noten der

Banken einzuziehen.

Von diesem Termine an dürfen nur solche Banknoten, welche auf Reichs-

19.

Reichsgesetz vom 30. April 1874.

941

Währung in Beträgen von nicht weniger alS 100 Mark lauten, in Umlauf bleiben oder aus­ gegeben werden. Dieselben Bestimmungen gelten für die bis jetzt von Korporationen ausgegebenen Scheine.

Das von den einzelnen Bundesstaaten ausgegebene Papiergeld ist spätestens bis zum 1. Zanuar 1876 einzuziehen und spätestens sechs Monate vor diesem Termine öffentlich aufzurufen. Dagegen wird nach Maßgabe eines zu erlassenden Reichsgesetzes eine Ausgabe von Reichspapier­

geld stattfinden. Das Reichsgesetz wird über die Ausgabe und den Umlauf des Reichspapiergeldes,

sowie über die den einzelnen Bundesstaaten zum Zweck der Einziehung ihres Papiergeldes zu gewährenden Erleichterungen die näheren Bestimmungen treffen. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen

Jnsiegel.

Gegeben Bad Ems, den 9. Juli 1873.

(L. S.)

Wilhelm. Fürst v. Bismarck.

19. Nrichsgesetz, betreffend die Ausgabe von Reichskassenscheinen.

Dom 30. April 1874 (R.G.Bl. S. 40).

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen rc. verordnen

im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichs­ tags, was folgt: §. 1. Der Reichskanzler wird ermächtigt, Reichskaffenscheine zum Gesammtbetrage von 120 Mil­ lionen Mark in Abschnitten zu 5, 20 und 50 Mark ausferttgen zu lassen und unter die Bundes­ staaten nach dem Maßstabe ihrer durch die Zählung vom 1. Dezember 1871 festgestellten Be­

völkerung zu »ertheilen. Ueber die Bertheilung des Gesammtbettages auf die einzelnen Abschnitte beschließt der

Bundesrath. §. 2. Jeder Bundesstaat hat das von ihm seither ausgegebene Staatspapiergeld spätestens bis

zum 1. Juli 1875 zur Einlösung öffentlich aufzurufen und thunlichst schnell einzuziehen.

Zur Annahme von Staatspapiergeld sind vom 1. Januar 1876 an nur die Kaffen des­ jenigen Staats verpflichtet, welcher das Papiergeld ausgegeben hat.

§. 3.

Denjenigen Staaten, deren Papiergeld den ihnen nach §. 1 zu überweisenden Bettag von Reichskassenscheinen übersteigt, werden zwei Drittheile des überschießenden Betrages aus der Retchskaffe als ein Vorschuß überwiesen und zwar, soweit die Bestände der letzteren eS gestatten,

in baarem Gelde, soweit sie es nicht gestatten, in Reichskassenscheinen. Der Reichskanzler wird zu diesem Zwecke ermächtigt, Reichskaflenscheine über den im §. 1 festgesetzten Bettag hinaus bis auf Höhe des zu leistenden Vorschusses anfertigen zu lassen und soweit als nöthig in Umlauf zu setzen. Ueber die Art der Tilgung dieses Vorschusses wird gleichzeitig mit der Ordnung des Zettel­

bankwesens Bestimmung getroffen.

In Ermangelung einer solchen Besttmmung hat die Rück­

zahlung des Vorschusses innerhalb 15 Jahren, vom 1. Januar 1876 an gerechnet, in gleichen Jahresraten zu erfolgen. Die auf den Vorschuß eingehenden Rückzahlungen sind zunächst zur Einziehung der nach

vorstehenden Bestimmungen ausgeferttgten Reichskaffenscheine zu verwenden.

942

Anhang.

S- 4. Diejenigen Bundesstaaten, welche Papiergeld ausgegeben haben, werden die ihnen aus­ gefolgten Reichskaffenscheine (§§. 1 und 3), soweit der Betrag der letzteren den Betrag des aus­ gegebenen Staatspapiergeldes nicht übersteigt, nur in dem Maße in Umlauf setzen, als Staats­ papiergeld zur Einziehung gelangt. §. 5. Die Reichskassenscheine werden bei allen Kassen deS Reichs und sämmtlicher Bundesstaaten nach ihrem Nennwerthe in Zahlung angenommen und von der Reichs-Hauptkaffe für Rechnung des Reichs jederzeit auf Erfordern gegen baares Geld eingelöst. Zitt Ptivatverkehr findet ein Zwang zu ihrer Annahme nicht statt. §. 6. Die Ausfertigung der Reichskaffenscheine wird der Preußischen Haupt-Verwaltung der Staatsschulden unter der Benennung „Reichsschulden-Verwaltung" übertragen. Die Reichsschulden-Verwaltung hat für beschädigte oder unbrauchbar gewordene Exemplare für Rechnung deS Reichs Ersatz zu leisten, wenn das vorgelegte Stück zu einem echten Reichskaffenscheine gehört und mehr als die Hälfte eines solchen beträgt. Ob in anderen Fällen aus­ nahmsweise ein Ersatz geleistet werden kann, bleibt ihrem pflichtmäßigen Ermeffen überlassen. §. 7. Vor der Ausgabe der Reichskaffenscheine ist eine genaue Beschreibung derselben öffentlich bekannt zu machen. Die Kontrole über die Ausfertigung und Ausgabe der Reichskaffenscheine übt die ReichSschulden-Kommisston. §. 8. Pon den Bundesstaaten darf auch ferner nur auf Grund eines Reichsgesetzes Papiergeld ausgegeben oder dessen Ausgabe gestattet werden. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Jnfiegel. Gegeben Berlin, den 30. April 1874.

(L. S.)

Wilhelm. Fürst v. Bismarck.

20.

Ueichsgesrtz über den Markenschutz. Vom 30. November 1874 (R.G.Bl. S. 143)»).

§. 1. Gewerbetreibende, deren Firma im Handelsregister eingetragen ist, können Zeichen, welche -ur^ Unterscheidung ihrer Waaren von den Waaren anderer Gewerbetteibenden auf den Waaren selbst oder auf deren Verpackung angebracht werden sollen, zur Einttagung in das Handelsregister deS Ortes ihrer Hauptniederlaffung bei dem zuständigen Gerichte anmelben1 2).

1) Rach §.101 Ziff. 3o gehören vor die Kammern für Handelssachen diejenigen den Landgerichten in erster Instanz zugewiesenen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch die Klage ein Anspruch aus den Rechtsverhältnissen geltend gemacht wird, welche stch auf den Schutz der Marken beziehen. 2) Ist eine Figur mit einem Namen, einer Firma rc. combinirt, so liegt ein einheitliches Waarenzeichen vor (R.O.H. Bd. 20, S. 359). Sofern daher durch die außer der Figur verwen­ deten Zahlen, Buchstaben oder Worte das Gesammtbild des Waarenzeichens so wesentlich ver­ ändert toirb; dich dasselbe ohne Anwendung besonderer Aufmerksamkeit unterschieden werden kann, liegt keine Jdentttät vor (Bd. 21, S> 412, Bd. 22, S. 377).

20.

Reichsgesetz über den Markenschutz vom 30. Novbr. 1874.

943

§. 2. Der Anmeldung muß

eine deutliche Darstellung des Waarenzeichens (§. 1) nebst einem

Verzeichniß der Waarengattungen, für welche das Zeichen bestimmt ist, mit der Unterschrift der

Firma versehen, beigefügt sein.

§. 3. Die Eintragung von Waarenzeichen, deren Benutzung für den Anmeldenden landesgesetzlich

geschützt ist, ferner von solchen Zeichen, welche bis zum Beginn des Jahres 1875 im Verkehr allgemein als Kennzeichen der Waaren eines bestimmten Gewerbetreibenden gegolten haben, darf

nicht versagt werdens. Im Uebrigen ist die Eintragung zu versagen, wenn die Zeichen ausschließlich in Zahlen, Buchstaben oder Worten bestehen, oder wenn sie öffentliche Wappen oder Aergerniß erregende

Darstellungen enthaltens.

§. 4. Die Eintragung erfolgt unter der Firma des Anmeldenden. dabei zu vermerken.

Die Zeit der Anmeldung ist

Gelangt ein bereits eingetragenes Waarenzeichen aus Anlaß der Verlegung

der Hauptniederlassung wiederholt zur Eintragung, so ist dabei die Zeit der ersten Anmeldung

zu vermerken.

§.5. Auf Antrag des Inhabers der Firma wird das eingetragene Waarenzeichen gelöscht. Don Amiswegen erfolgt die Löschung: 1) wenn die Firma im Handelsregister gelöscht wird^); 2) wenn eine Aenderung der Firma und nicht zugleich die Beibehaltung des Zeichens an­

gemeldet wird; 3) wenn seit der Eintragung des Zeichens, ohne daß dessen weitere Beibehaltung angemeldet worden, oder seit einer solchen Anmeldung, ohne daß dieselbe wiederholt worden, zehn

Jahre verflossen sind; 4) wenn das Zeichen nach §. 3 nicht hätte eingetragen werden dürfen.

§. 6. Die erste Eintragung und die Löschung eines Zeichens wird im „Deutschen Reichs-Anzeiger" bekannt gemacht. Die Kosten der Bekanntmachung der Eintragung hat der Inhaber der Firma zu tragen.

§. 7. Für die erste Eintragung eines Zeichens, welches landesgesetzlich nicht geschützt ist, wird eine Gebühr von fünfzig Mark entrichtet. Von der Entrichtung einer Gebühr für die Eintragung solcher Zeichen, welche bis zum

Beginn des Jahres 1875 im Verkehr allgemein als Kennzeichen der Waaren eines bestimmten Gewerbetreibenden gegolten haben, können die Landesregierungen entbinden. Andere Eintragungen und Löschungen geschehen unentgeltlich.

». 8. Das Recht, Waaren oder deren Verpackung mit einem für diese Wraren zum Handels­ register angemeldeten Zeichen zu versehen oder auf solche Art bezeichnete Waaren in Verkehr zu

bringen, sicht dem Inhaber derjenigen Firma, für welche zuerst die Anmeldung bewirkt ist, aus­

schließlich ju63).4 5 3) Der Richter hat die Eintragung zu bewirken, wenn die Anmeldung den gesetzlichen Er­ fordernissen entspricht, ohne Rücksicht darauf, ob Rechte Dritter entgegenstehen. Der Eintrag beurkundet angemeldete Rechte, bringt aber nicht solche zur Entstehung, welche nicht bereits durch die Anmeldung begründet sind (R.O.H. Bd. 24, S. 79). 4) Im Abs. 2 des §. 3 ist nur die Aufnahme inländischer öffentlicher Wappen in ein Waarenzeichen verboten, jedoch in weiterem Umfange als in §. 360 Ziff. 7 des Reichs-Strafgesetz­ buchs (R.O.H. Bd. 24, S. 294). 5) Die wirkliche Löschung der Firma ist die Voraussetzung der Löschung des Waaren­ zeichens (§. 12 Ziff. 2); das letztere verliert aber seine rechtliche Wirkung nicht schon dann, wenn

944

Anhang. §- 9.

Auf Waarenzeichen, welche landesgesetzlich geschützt sind, ferner auf solche Zeichen, welche bis zum Beginn des Jahres 1875 im Verkehr allgemein als Kennzeichen der Waaren eines be­ stimmten^) Gewerbetreibenden gegolten haben, kann durch die Anmeldung außer den gesetzlich

geschützten oder im Verkehr allgemein anerkannten Inhabern niemand ein Recht erwerben, sofern

diese vor dem 1. Oktober 1875 die Anmeldung bewirken.

§. 10. Durch die Anmeldung eines Waarenzeichens, welches Buchstaben oder Worte enthält, wird niemand gehindert, seinen Namen oder seine Firma, sei es auch in abgekürzter Gestalt zur Kenn­ zeichnung seiner Waaren zu gebrauchen.

Auf Waarenzeichen, welche bisher im freien Gebrauche aller oder gewisser Klaffen von

Gewerbetreibenden sich befunden haben, oder deren Eintragung nicht zulässig ist, kann durch An­

meldung niemand ein Recht erwerben8*).9 *67

§. 11. Der Inhaber einer Firma, für welche ein Waarenzeichen eingetragen ist, hat daffelbe auf Verlangen desjenigen, welcher ihn von der Benutzung des Zeichens auszuschließen berechtigt ist,

oder sofern das Waarenzeichen zu den im §. 10 Absatz 2 erwähnten gehört, auf Verlangen eineS Betheiligten löschen zu laffen.

§. 12. Das durch die Anmeldung eines Waarenzeichens erlangte Recht erlischt:

1) mit der Zurücknahme der Anmeldung, oder mit dem Anträge auf Löschung seitens des

Inhabers der berechtigten Firma; 2) mit dem Eintritte eines der im §. 5 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Fälle.

§. 13. Jeder inländische Produzent oder Handeltreibende kann gegen denjenigen, welcher Waaren oder deren Verpackung mit einem für den Ersteren nach Maßgabe dieses Gesetzes zu schützenden

Waarenzeichen oder mit dem Namen oder der Firma des Ersteren widerrechtlich bezeichnet, im Wege der Klage beantragen, daß derselbe für nicht berechtigt erklärt werde, diese Bezeichnung zu

gebrauchen^). Desgleichen kann der Produzent oder Handeltreibende gegen denjenigen, welcher dergleichen

nur dargelegt werden kann, daß die fragliche Firma mit Unrecht eingetragen worden sei (Entsch. Bd. 80, S. 421). 6) Da die Priorität sich nach der Anmeldung (nicht der Eintragung) richtet, so ist unter derselben eine vollständige, mit den vom Gesetze geforderten Unterlagen ausgestattete Anmeldung verstanden (R.O.H. Bd. 24, S. 75). Dem in das Handelsregister eingetragenen Inhaber der Firma, für welche das Zeichen zuerst angemeldet worden ist, kann das Recht, daffelbe zu führen nicht aus dem Grunde bestritten werden, weil er zur Führung der Firma nicht berechtigt sei, vielmehr kann nur die Berichtigung des Handelsregisters nachgesucht werden (Bd. 24, S. 301). 7) „Eines bestimmten Gewerbtreibenden" heißt nicht „eines bestimmten Gewerbtteibenden"; es können sehr wohl mehrere sein (R.O.H. Bd. 20, S. 369). Voraussetzung für die Anwendbarkeit des §. 9 ist, daß der Besitzstand ein tadelloser war (Bd. 22, S. 380), daß er innerhalb Deutschlands bestand oder dort durch Landesrecht geschützt war (Bd. 24, S. 81) oder doch thatsächliche Anerkennung im Verkehre daselbst gefunden hatte (Bd. 24, S. 222). 8) Freizeichen können als Bestand theile von Waarenzeichen verwendet werden. Andere werden dadurch von der Benutzung deffelben Freizeichens für ein anderes Waarenzeichen nicht ausgeschloffen (R.O.H. Bd. 24, S. 293). 9) Das R.O.H. Bd. 24, S. 229 führt aus, daß eine Uebertretung des Verbots, sich einer fremden Firma ohne Bewilligung ihres Inhabers zur Waarenbezeichnung zu bedienen, auch dann vorliegt, wenn die Firma nicht allein, sondern in Verbindung mit anderen Worten oder mit Figuren, und nicht als Unterschrift, sondern als Bestandtheil eines Waarenzeichens zu diesem Zwecke benutzt wird, und ferner: daß der §. 13 zwar nur die Feststellungsklage regelt, aber eine Klage auf Untersagung künftiger Zuwiderhandlungen und die Androhung einer Strafe für den Fall der Uebertretung des Verbots nicht ausschließt. Außerdem kann im Falle des §. 14 noch Schadensersatz gefordert werden.

20.

Reichsgesetz über den Markenschutz vom 30. Novbr. 1874.

945

widerrechtlich bezeichnete Waaren in Verkehr bringt oder feilhält, im Wege der Klage beantragen,

daß derselbe für nicht berechtigt erklärt werde, so bezeichnete Waaren in Bekehr zu bringen oder feil zu halten. 14. Wer Waaren oder deren Verpackung wissentlich mit einem nach. Maßgabe dieses Gesetzes

zu schützenden Waarenzeichen, oder mit dem Namen oder der Firma eines inländischen Produ­ zenten oder Handeltreibenden widerrechtlich bezeichnet, oder wiffentlich dergleichen widerrechtlich

bezeichnete Waaren in Verkehr bringt oder seilhält, wird mit Geldstrafe von einhundertfünfzig biS dreitausend Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft und ist dem Verletzten zur Entschädigung verpflichtetl0).11 12 13

Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein. §. 15. Statt jeder aus diesem Gesetze entspringenden Entschädigung kann auf Verlangen deS Beschädigten neben der Strafe auf eine an ihn zu erlegende Buße bis zum Betrage von fünf­

tausend Mark erkannt werden.

Für diese Buße hasten die zu derselben Derurtheilten als Ge-

sammtschuldner. Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruchs auS.

§. 16. Darüber, ob ein Schaden entstanden ist, und wie hoch sich derselbe beläuft, entscheidet daS Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Ueberzeugung.

§. 17. Erfolgt eine Verurtheilung auf Grund des §. 14"), so ist auf Antrag deS Verletzten be­ züglich der im Besitze deS Derurtheilten befindlichen Waaren auf Vernichtung der Zeichen auf der Verpackung oder den Waaren, oder, wenn die Beseitigung der Zeichen in anderer Weise nicht

möglich ist, auf Vernichtung der Verpackung oder der Waaren selbst zu erkennen. Erfolgt die Verurtheilung im Strafverfahren, so ist dem Verletzten die Defugniß zuzusprechen, die Verurtheilung auf Kasten des Verurtheilten öffentlich bekannt zu machen. Die Tri

der Bekanntmachung, sowie die Frist zu derselben ist in dem Urtheil zu bestimmen,

§. 18. Der dem Inhaber eines Waarenzeichens, eines NamenS oder einer Firma nach Inhalt dieses Gesetzes gewährte Schutz wird dadurch nicht ausgeschloffen, daß das Waarenzeichen, der

Name oder die Firma mit Abänderungen wiedergegeben sind, welche nur durch Anwendung be­ sonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können'"). §. 19. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch die Klage ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes erhoben wird, gelten im Sinne der Reichs- und Landesgesetze alS Handelssachen. §. 20. Auf Waarenzeichen von Gewerbetreibenden, welche im Inlands eine HandelSniederlaffuyg nicht besitzen, sowie auf die Namen oder die Firmen ausländischer Produzenten oder Handel­

treibenden finden, wenn in dem Staate, wo ihre Niederlassung sich befindet, nach einer in dem

Reichs-Gesetzblatt enthaltenen Bekanntmachung'*) deutsche Waarenzeichen, Namen und Firmen 10) „Wiffentlich widerrechtlich" bedeutet: mit dem Bewußtsein, der Widerrechtlichkeit, setzt aber nicht außerdem eine auf Beschädigung oder einen sonstigen Erfolg gerichtete Absicht voraus (R.O.H. Bd. 24, S. 233). 11) -7- gleichviel ob im Civil- oder Strafverfahren, R.O.H. Bd. 24, S. 234. 12) ES kommt auf das Gesammtbild an; daher sind die Abänderungen nicht getrennt v/)n den übrigen Bestandtheilen zu vergleichen, und es bedarf nicht der Feststellung, daß die Täuschung auch dann, wenn beide Waarenzeichen zugleich vor Augen liegen, eintreten würde (R.H.H. Bd. 21, S. 3, Bd. 22, S. 378, Bd. 23, S. 136). Der §. 16 bezieht sich offensichtlich nur'auf schutzberecktigte Waarenzeichen, nicht auf Freizeichen (Bd. 24, S. 294). 13) Eine solche Bekanntmachung hinsichtlich Großbritanniens und Italiens befindet sich im R.G.Bl. S. 199 u. 200 und hinsichtlich Oesterxeich-UngarnS ©♦ 259, hinslchllich Malower, Handelsgesetzbuch. 8. Aust.

GO

Anhang.

946

einen Schutz genießen, die Bestimmungen dieses Gesetzes Anwendung, jedoch in Ansehung der Waarenzeichen (§. 1) mit folgenden Maßgaben:

1) die Anmeldung eines Waarenzeichentz hat bei dem Handelsgerichte in Leipzig mit der Er-

klärung zu erfolgen, daß sich der Anmeldende für Klagen auf Grund dieses Gesetzes der

Gerichtsbarkeit des genannten Gerichts unterwirft, 2) mit der Anmeldung ist der Nachweis zu verbinden, daß in dem ftemden Staate die Voraussetzungen erfüllt sind, unter welchen der Anmeldende dort einen Schutz für das

Zeichen beanspruchen kann; 3) die Anmeldung begründet ein Recht auf das Zeichen nur insofern und auf so lange, als in dem fremden Staate der Anmeldende in der Benutzung des Zeichens geschützt ist. §. 21. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Mai 1875 in Kraft.

Auf Waarenzeichen, welche bis zu diesem Tage landesgesetzlich geschützt waren, finden jedoch die landesgesetzlichen Bestimmungen noch bis dahin, daß die Anmeldung nach Maßgabe gegen­ wärtigen Gesetzes erfolgt ist, längstens bis zum 1. Oktober 1875 Anwendung.

21. Äekanntmachungen des BundeSrathS zur Ausführung des G. über den Markenschutz.

(Centralblatt für das deutsche Reich S. 123 und 131 de 1875.) Die nachfolgenden Bestimmungen zur Ausführung des Gesetzes über Markenschutz sind vom Bundesrathe erlassen worden. 1) In dem Handelsregister wird eine besondere Abtheilung für die Eintragung der Waarenzeichen angelegt, welche den Namen „Zeichenregister" führt.

Das Zeichenregister umfaßt fünf

Spalten. Sie sind bestimmt: 1) für die Benennung der anmeldenden Firma, und die Bezeichnung des Orts ihrer Haupt­ niederlassung, sowie der Stelle, an welcher die Firma im Handelsregister eingettagen steht;

2) für die Angabe von Tag und Stunde der Anmeldung; 3) . für die Angabe der Waarengattungen, für welche das Zeichen bestimmt ist; 4) für die Darstellung des angemeldeten Zeichens;

5) für sonstige Bemerkungen. Im Uebrigen finden auf .die Zeichenregister die in Betreff der Handelsregister erlassenen Bestimmungen Anwendung. 2) Die Anmeldung der Zeichen erfolgt in den für Anmeldungen zum Handelsregister über­

haupt vorgeschriebenen Formen. Die der Anmeldung anzuschließende Darstellung der Zeichen hat in einer Abbildung von höchstens 3 Zentimeter Höhe und Breite auf dauerhaftem Papier und, soweit dies die Deutlichkeit

erfordert, in einer Angabe über die Art der Verwendung der Zeichen zu bestehen. Die Abbildung ist in vier Exemplaren einzureichen. Den Stock für den Abdruck der Zeichen beizufügen, sieht der meldenden Firma frei.

3) Die Eintragung jedes einzelnen Zeichens erfolgt der Reihe nach unter fortlaufender

Nummer.

Bei der Eintragung ist in der für die Darstellung der Zeichen bestimmten Spalte ein Exemplar der eingereichten Abbildung zu befestigen. .Belgiens S. 301 de 1875, hinsichtlich Luxemburgs S. 169 de 1876, hinsichtlich Brasiliens S. 406 de 1877, hinsichtlich Dänemarks S. 123 de 1879.

21. Bekanntmachungen d. Bundesraths zur Ausführung d. Ges. über d. Markenschutz.

947

Die Löschung von Zeichen wird durch den Vermerk: „gelöscht" in der Spalte für Bemer­ kungen bewirkt.

Die Löschung kann außerdem nach den für die Handelsregister erlassenen Be-

stlmnnmgen kenntlich gewacht werden.

4) Wird gemäß §.5 Nr. 2 des Gesetzes die Aenderung einer Firma und zugleich die Bei­ behaltung des für sie eingetragenen Zeichens angemeldet, so ist an Stelle der früheren die neue

Bezeichnung der Firma in die für die Eintragung der Firmen bestimmte Spalte einzutragen.

5) Wird gemäß §. 5 Nr. 3 des Gesetzes vor dem Ablaufe der gesetzlichen Schutzfrist die weitere Beibehaltung eines eingetragenen Zeichens angemeldet, so ist Tag und' Stunde der neuen statt der ftüheren Anmeldung in der dafür bestimmten Spalte zu vermerken.

6) Jeder Vermerk in dem Zeichenregister hat am Schlusie das Datum der Verfügung, auf welcher er beruht, die Angabe, an welcher Stelle der Akten die Verfügung sich befindet, und soweit eine solche für die Handelsregister vorgeschrieben ist, die Unterschrift des einttagenden

Beamten zu enthalten. 7) Von dem Vollzüge, sowie von der Ablehnung einer Eintragung ist die Firma, welche die Anmeldung bewirkt hat, und zwar im letzteren Falle unter Mittheilung der HinderungSgründe

zu benachrichtigen. 8) Die Bekanntmachung der Einttagungen und Löschungen ist, soweit das Gesetz sie vor­ schreibt, durch das Gericht, welches das Zeichenregister führt, unverzüglich zu veranlassen.

Bei

Einttagungen sind gleichzeittg zwei Exemplare der eingereichten Abbildungen, oder, falls der Stock für das Zeichen eingereicht ist, bet letztere der Expedition deS „Deutschen Reichs-Anzeigers" zu übersenden, um danach den Abdruck des Zeichens zu bewttken.

Ueber die geschehene Bekanntmachung ist ein Belagblatt zu den Akten zu bringen. 9) Die Bekanntmachung einer Eintragung hat zu enthalten: die laufende Nummer der Einttagung, den Namen der Firma und den Ort ihrer Haupt-

niederlasiung, Tag und Stunde der Anmeldung,

die Waarengattungen, für welche das

Zeichen bestimmt ist, die Abbildung des Zeichens und die Unterschrift des Gerichtes. Sie ist nach folgendem Muster abzufaflen: Als Marke ist eingetragen unter Nr. 10 zu der Firma I. Haupt in Leipzig nach Anmeldung vom 1. Juli 1875 Morgens 9 Uhr für ätherische Oele und Seifen daS Zeichen 9. Königliches Handelsgericht zu Leipzig. 10) Die Bekanntmachung einer Löschung hat zu enthalten: die laufende Nummer der Einttagung, den Namen der Firma und den Ort ihrer Hauptniederlaflung, die Nummer deS Deutschen Reichs-Anzeigers, welche die Bekanntmachung der Einttagung enthält, ferner, sofern die Löschung nur für einzelne Waarengattungen erfolgt, deren Angabe, endlich die Unterschrift des Gerichts. Sie ist nach folgendem Muster 'abzufassen:

Als Marke ist gelöscht das unter Nr. 10 zu der Firma I. Haupt in Leipzig laut Be­ kanntmachung in Nr. 150 deS „Deutschen Reichs-Anzeigers" von 1875 für ©eisen einge­

tragene Zeichen.

Königliches Handelsgericht zu Leipzig.

Berlin, den 8. Februar 1875. Der Reichskanzler. In Verttetung:

Delbrück.

In Betreff der Kosten für die Veröffentlichung der nach §. 6 zu bewirkenden

Bekanntmachungen im

„Deutschen Reichs-Anzeiger" hat der BundeSrath auf den

Anttag des Reichskanzler-Amts bestimmt:

948

Anhang. „2)ie Kosten der nach §. 6 des Gesetzes durch den „Deutschen Reichs-Anzeiger" zu bewirkenden

Bekanntmachungen sind bis auf Weiteres, wie folgt, festgesetzt: 1) für die Bekanntmachung einer Eintragung ausschließlich der Kosten für das Schneiden des Zeichenstocks, auf 6 M.; 2) für die Bekanntmachung einer Löschung auf 2 M., der Art, daß in beiden Fallen für Rückporto, Belagblätter, Verpackung und Rücksendung der Kliches u. dergl. Kosten nicht

berechnet werden."

Berlin, den 8. Februar 1875.

Das Reichskanzleramt. Delbrück.

22.

Neichsgesetz, betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen. Vom 11. Januar 1876.

(R.G.Bl. S. 11)!).

§. 1. Das Recht, ein gewerbliches Muster oder Modell ganz oder theilweise nachzubilden, steht dem Urheber desselben ausschließlich zu. Als Muster oder Modelle im Sinne dieses Gesetzes werden nur neue und eigenthümliche Erzeugniffe angesehen 1 2).

§. 2. Bei solchen Mustern und Modellen, welche von den in einer inländischen gewerblichen

Anstalt beschäftigten Zeichnern, Malern, Bildhauern rc. im Auftrage oder für Rechnung des Eigentümers der gewerblichen Anstatt angefertigt werden, gilt der letztere, wenn durch Vertrag

nichts anderes bestimmt ist, als der Urheber der Muster und Modelle. §. 3. Das Recht des Urhebers geht auf dessen Erben über.

Dieses Recht kann beschränkt oder

unbeschränkt durch Vertrag oder durch Verfügung von Todeswegen aus Andere übertragen werden.

§. 4. Die freie Benutzung einzelner Motive eines Musters oder Modells zur Herstellung eines

neuen Musters oder Modells ist als Nachbildung nicht anzusehen.

§. 5. Jede Nachbildung eines Musters oder Modells, welche in der Absicht, dieselbe zu verbreiten, ohne Genehmigung des Berechtigten (§§. 1—3) hergestellt wird, ist verboten.

Als verbotene

Nachbildung ist es auch anzusehen:

1) wenn bei Hervorbringung derselben ein anderes Verfahren angewendet worden ist, als bei dem Originalwerke, oder wenn die Nachbildung für einen anderen Gewerbszweig bestimmt ist, als das Original;

1) Nach §. 101 Ziff. 3c des Gerichtsverfaffungsgesetzes gehören vor die Kammern für Handelssachen diejenigen den Landgerichten in erster Instanz zugewiesenen bürgerlichen Rechts­ streitigkeiten, in welchen durch die Klage ein Anspruch aus den Rechtsverhältnissen geltend gemacht wird, welche sich auf den Schutz der Muster und Modelle beziehen. 2) Das Gesetz will nur die äußere Erscheinung der Industrie-Erzeugnisse nach Zeichnung, Farbe und plastischer Gestalt, also blos die Form schützen, wenn diese neu und eigenthümlich ist und hierdurch dem Erzeugniffe besonderen Verkaufswerth giebt, gleichviel ob sie den Kunstsinn befriedigt oder der Mode dient (Geschmacksmuster). Für Nützlichkeits- oder Gebrauchsmuster, bei welchen nur die an die Form sich knüpfende besondere Nützlichkeit oder Brauchbarkeit des Erzeugnisses diesem den besonderen Werth verleiht, ist der Patentschutz gewährt. (R.O.H. Bd. 24 S. 109).

Reichsges., betr. d. Urheberrecht an Mustern u. Modellen v. 11. Jan. 1876.

22.

949

2) wenn die Nachbildung in anderen räumlichen Abmessungen oder Farben hergestellt wird, als

das Original,

unterscheidet,

welche

oder wenn sie sich vom Original Nur durch solche Abänderungen

nur

bei

Anwendung

besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen

werden können;

3) wenn die Nachbildung nicht unmittelbar nach dem Originalwerke, sondern mittelbar nach einer Nachbildung desselben geschaffen ist.

§. 6. Als verbotene Nachbildung ist nicht anzusehen:

1) die Einzelkopie eines Musters oder Modells, sofern dieselbe ohne die Absicht der gewerbs­ mäßigen Verbreitung und Verwerthung angefertigt wird; 2) die Nachbildung von Mustern, welche für Flächenerzeugniffe bestimmt sind, durch plastische

Erzeugnisse, und umgekehrt; 3) die Aufnahme von Nachbildungen einzelner Muster oder Modelle in ein Schriftwerk.

§. 7. Der Urheber eines Musters oder Modells genießt den Schutz gegen Nachbildung nur dann,

wenn er dasselbe zur Einttagung in das Musterregister angemeldet und ein Exemplar oder eine

Abbildung

des Musters rc.

bei

der mit Führung

des

Musterregisters beauftragten Behörde

niedergelegt hat. Die Anmeldung und Niederlegung muß erfolgen, bevor ein nach dem Muster oder Modelle geferttgteS Erzeugniß verbreitet wird.

§. 8. Der Schutz deS gegenwärtigen Gesetzes gegen Nachbildung wird dem Urheber des MusterS oder Modells nach seiner Wahl ein bis drei Jahre lang, vom Tage der Anmeldung (§. 7) ab,

gewährt.

Der Urheber ist berechtigt, gegen Zahlung der im §. 12 Absatz 3 bestimmten Gebühr, eine

Ausdehnung der Schutzfrist bis auf höchstens fünfzehn Jahre zu verlangen.

Die Verlängerung

der Schutzfrist wird in dem Musterregister eingetragen. Der Urheber kann das ihm nach Absatz 2 znstehende Recht außer bei der Anmeldung auch

bei Ablauf der dreijährigen und der zehnjährigen Schutzftist ausüben.

§. 9. Das Musterregister wird von den mit der Führung der Handelsregister beauftragten Gerichts­

behörden geführt. Der Urheber hat die Anmeldung und Niederlegung des Musters oder Modells bet der

Gerichtsbehörde seiner Hauptniederlassung, und falls er eine eingettagene Firma nicht besitzt, bei der Betreff enben Gerichtsbehörde seines Wohnortes zu bewirken. Urheber, welche im Znlande weder eine Niederlassung, noch einen Wohnsitz haben, müssen die Anmeldung und Niederlegung bei dem Handelsgericht in Leipzig bewirken.

Die Muster oder Modelle können offen oder versiegelt, einzeln oder in Packeten nieder­

gelegt werden.

Die Packete dürfen jedoch nicht mehr alS 50 Muster oder Modelle enthalten und

nicht mehr als 10 Kilogramm wiegen.

Die näheren Vorschriften über die Führung deS Muster­

registers erläßt das Reichskanzler-Amt.

Die Eröffnung der versiegelt niedergelegten Muster erfolgt drei Jahre nach der Anmeldung (§. 7), beziehentlich, wenn die Schutzftist eine kürzere ist, nach dem Ablaufe derselben.

Die Einttagung und die Verlängerung der Schutzftist (§. 8 Alinea 2) wird monallich im Deutschen Reichsanzeiger bekannt gemacht.

Die Kosten der Bekanntmachung hat der Anmeldende

zu tragen.

§. 10. Die Eintragungen in das Musterregister werden bewirkt, ohne daß eine zuvorige Prüfung über die Berechttgung des Anttagstellers oder über die Richttgkeit der zur Einttagung angemeldeten Thatsachen stattfindet.

950

Anhang.

§. 11. Es ist Jedermann gestattet, von dem Musterregister und den nicht versiegelten Mustern und Modellen Einsicht zu nehmen und sich beglaubigte Auszüge aus dem Musterregister ertheilen

zu lasten.

In (Streitfällen darüber, ob ein Muster oder Modell gegen Nachbildung geschützt ist,

können zur Herbeiführung der Entscheidung auch die versiegelten Packete von der mit der Führung des Musterregisters beauftragten Behörde geöffnet werden.

§. 12. Alle Eingaben, Verhandlungen, Atteste, Beglaubigungen, Zeugniste, Auszüge rc., welche die Eintragung in das Musterregister betreffen, sind stempelfrei.

Für jede (Eintragung und Niederlegung eines einzelnen Musters oder eines Packeis mit

Mustern rc. (§. 9) wird, insofern die Schutzftist auf nicht länger als drei Jahre beansprucht wird (§. 8 Absatz 1), eine Gebühr von 1 Mark für jedes Jahr erhoben. Nimmt der Urheber in Gemäßheit des §. 8 Absatz 2 eine längere Schutzftist in Anspruch,

so hat er für jedes weitere Jahr bis zum zehnten Jahr einschließlich eine Gebühr von 2 Mark,

von elf bis fünfzehn Jahren eine Gebühr von 3 Mark für jedes einzelne Muster oder Modell zu enttichten.

Für jeden Einttagungsschein, sowie für jeden sonstigen Auszug aus dem Musterregister

wird eine Gebühr von je 1 Mark erhoben.

§. 13. Derjenige, welcher nach Maßgabe des §. 7 das Muster oder Modell zur Eintragung in das Musterregister angemeldet und niedergelegt hat, gilt bis zum Gegenbeweise als Urheber.

§. 14. Die Bestimmungen in den §§. 18—36, 38 des Gesetzes vom 11. Juni 1870, betreffen das Urheberrecht an Schriftwerken rc. (Bundes-Gesetzbl. 1870 S. 339)*), finden auch auf das Urheber*) Jene Bestimmungen lauten wie folgt: Entschädigung und Strafen. §. 18. Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit einen Nachdruck (§§. 4 ff.) in der Absicht, denselben innerhalb oder außerhalb des Deutschen Reichs zu verbreiten, veranstaltet, ist den Urheber oder deffen Rechtsnachfolger zu entschädigen verpflichtet und wird außerdem mit einer Geldstrafe bis zu Eintausend Thaler bestraft. Die Besttafung des Nachdrucks bleibt jedoch ausgeschloffen, wenn der Veranstalter desselben auf Grund entschuldbaren, thatsächlichen oder rechtlichen Irrthums in gutem Glauben gehandelt hat. Kann die verwirke Geldstrafe nicht beigetrieben werden, so wird dieselbe nach Maßgabe der allgemeinen Strafgesetze in eine entsprechende Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten umgewandelt. Statt jeder aus diesem Gesetze entspringenden Entschädigung kann auf Verlangen des Be­ schädigten neben der (Strafe auf eine an den Beschädigten zu erlegende Geldbuße bis zum Betrage von zweitausend Thalern erkannt werden. Für diese Buße hasten die zu derselben Verurtheilten als Gesammtschuldner. Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus. Wenn den Veranstalter des Nachdrucks kein 'Verschulden trifft, so hastet er dem Urheber oder deffen Rechtsnachfolger für den entstandenen Schaden nur bis zur Höhe seiner Bereicherung. §. 19. Darüber, ob ein Schaden entstanden ist, und wie hoch sich derselbe beläuft, desgleichen über den Bestand und die Höhe einer Bereicherung, entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Ueberzeugung. §. 20. Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit einen Anderen zur Veranstaltung eines Nachdrucks veranlaßt, hat die im §. 18 festgesetzte Strafe verwirk, und ist den Urheber oder deffen Rechts­ nachfolger nach Maßgabe der §§. 18 und 19 zu entschädigen verpflichtet und zwar selbst dann, wenn der Veranstalter des Nachdrucks nach §. 18 nicht strafbar oder ersatzpflichtig sein sollte. Wenn der Veranstalter des Nachdrucks ebenfalls vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit gehandelt hat, so hasten Beide dem Berechtigten solidarisch. Die Sttafbarkeit und die Ersatzverbindlichkeit der übrigen Theilnehmer am Nachdruck richtet sich nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften. §. 21. Die vorräthigen Nachdrucks - Exemplare und die zur widerrechtlichen Vervielfältigung aus­ schließlich bestimmten Vorrichtungen, wie Formen, Platten, Steine, Stereotypabgüffe rc. unterliegen

22. ReichSges., betr. das Urheberrecht an Mustern u. Modellen v. 11. Jan. 1876.

95}

der Einziehung. Dieselben find, nachdem die Einziehung dem Eigenthümer rechtskräftig erkannt ist, entweder zu vernichten oder ihrer gefährdenden Form zu entkleiden und alsdann pem Eigen? thümer zurüchugeben. Wenn nur ein Theil des Werkes als Nachdruck anzusehen ist, so erstreckt pch die Einziehung nur auf den als Nachdruck erkannten Theil des Werkes und die Vorrichtungen zu diesem Tyerle/ Die Einziehung erstreckt sich auf alle diejenigen Nachdrucks-Exemplare und Vorrichtungen^ welche sich im Eigenthum des Veranstalters des Nachdrucks, des Druckers, der SortimentsbuchHändler, der gewerbsmäßigen Verbreiter und Desjenigen, welcher den Nachdruck veranlaßt hat (§. 20), befinden. Die Einziehung tritt auch dann ein, wenn der Veranstalter oder Veranlasser des Nachdrucks weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hat (§. 18). Sie erfolgt auch gegen die' Erben desselben. Es steht dem Beschädigten frei, die Nachdrucks-Exemplare und Vorrichtungen ganz oder theilweise gegen die Herstellungskosten zu übernehmen, insofern nicht die Rechte eines Dritten dadurch verletzt oder gefährdet werden. §. 22. Das Vergehen des Nachdrucks ist vollendet, sobald ein Nach drucks-Exemplar eineö Werks den Vollchristen des gegenwärtigen Gesetzes zuwider, sei es im Gebiete des Deutschen Reichs, sei es außerhalb desselben, hergestellt worden ist. Im Falle des bloßen Versuchs des Nachdrucks tritt weder eine Bestrafung noch eine Entschädigungsverbindlichkeit des Nachdruckers ein. Die Einziehung der Nachdrucksvorrichtungen (§. 21) erfolgt auch in diesem Falle. §. 23. Wegen Rückfalls findet eine Erhöhung der Sttafe über das höchste gesetzliche Maß (§• 18) nicht statt. §. 24. Wenn in den Fällen des §. 7 Littr. a die Angabe der Quelle oder des Namens des Ur­ hebers vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit Unterlasten wird, so haben der Veranstalter und der Veranlasser des Abdrucks eine Geldsttafe bis zu zwanzig Thalern verwirtt. Eine Umwandlung der Geldsttafe in Freiheitssttafe findet nicht statt. Eine Entschädigungspflicht tritt nicht ein. ß. 2b. Wer vorsäulich Exemplare eines Werks, welche den Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes zuwider angefertigt worden sind, innerhalb oder außerhalb des Deutschen Reichs gewerbemäßig feilhält, verkauft oder in sonstiger Weise verbreitet, ist nach Maßgabe deS von ihm verursachten Schadens den Urheber oder dessen Rechtsnachfolger zu entschädigen verpflichtet und wird außerdem mit Geldsttafe nach §. 18 bestraft. Die Einziehung der zur gewerbmäßigen Verbreitung bestimmten Nachdrucks-Exemplare nach Maßgabe des §. 21 findet auch dann statt, wenn der Verbreiter nicht vorsätzlich gehandelt hat, Der Entschädigungspflicht, sowie der Bestrafung wegen Verbreitung unterliegen auch der Veranstalter und Veranlasser des Nachdrucks, wenn sie nicht schon als solche entschädigungspflichtig und strafbar sind. Verfahren. §. 26 Sowohl die Entscheidung über den Entschädigungsanspruch, als auch die Verhängung der im gegenwärtigen Gesetze angedrohten Sttafen und die Einziehung, der Nachdrucks-Exemplare rc. gehört zur Kompetenz der ordentlichen Gerichte. Die Einziehung der Nachdrucks-Exemplare rc. kann sowohl im SttasrechtSwege beantragt, als im Civilrechtswege verfolgt werden. §. 27. DaS gerichtliche Sttafverfahren ist nicht von Amtswegen, sondern nur auf den Antrag des Verletzten einzuleiten. Der Anttag zur ^Bestrafung kann bis zur Verkündung eines auf Sttafe lautenden Erkenntnisses zurückgenommen werden. §. 28. Die Verfolgung des Nachdrucks steht Jedem zu, dessen Urheber- oder Verlagsrechte durch die widerrechtliche Vervielfältigung beeinttächtigt oder gefährdet sind. Bei Werken, welche bereits veröffentlicht sind, gilt bis zum Gegenbeweise derjenige als Ur­ heber, welcher nach Maßgabe des §. 11 Absatz 1, 2 auf dem Werke als Urheber angegeben ist. Bei anonymen und pseudonymen Werken ist der Herausgeber, und wenn ein solcher nicht angegeben ist, der Verleger berechtigt, die dem Urheber zustehenoen Rechte unhrzuuehmen. Der auf oem Werke angegebene Verleger gilt ohne weiteren Nachweis als der Rechtsnachfolger deS anonymen oder pseudonymen Urhebers. §. 29. In den Rechtsstteitigketten wegen Nachdrucks, einschließlich der Klagen wegen Bereicherung

952

Anhang.

aus dem Nachdruck, hat der Richter, ohne an positive Regeln über die Wirkung der Beweismittel gebunden zu sein, den Thatbestand nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlungen ge­ schöpften Ueberzeugung festzustellen. Ebenso ist der Richter bei Entscheidung der Frage: ob der Nachdrucker oder der Veranlasser des Nachdrucks (§§. 18, 20) fahrlässig gehandelt hat, an die in den Landesgesetzen vorgeschriebenen verschiedenen Grade der Fahrlässigkeit nicht gebunden. §. 30. Sind technische Fragen, von welchen der Thatbestand des Nachdrucks oder der Betrag des Schadens oder der Bereicherung abhängt, zweifelhaft oder streitig, so ist der Richter befugt, das Gutachten Sachverständiger einzuholeu. §. 31. In allen Staaten des Deutschen Reichs sollen aus Gelehrten, Schriftstellern, Buchhändlern und anderen geeigneten Personen Sachverständigen-Vereine gebildet werden, welche, auf Erfordern des Richters, Gutachten über die an sie gerichteten Fragen abzugeben verpflichtet sind. Es bleibt den einzelnen Staaten überlaffen, sich zu diesem Behufe an andere Staaten des Deutschen Reichs anzuschließen, oder auch mit denselben sich zur Bildung gemeinschaftlicher Sachverständigen-Vereine zu verbinden. Die Sachverständigen-Vereine sind befugt, auf Anrufen der Betheiligten über streitige Entschädigungsansprüche und die Einziehung nach Maßgabe der §§. 18 bis 21 als Schiedsrichter zu verhandeln und zu entscheiden. Das Bundeskanzler-Amt erläßt die Instruktion über die Zusammensetzung und den Ge­ schäftsbetrieb der Sachverständigen-Vereine. §. 32. Die in den §§. 12 und 13 des Gesetzes, betreffend die Errichtung eines obersten Gerichts­ hofes für Handelssachen vom 12. Juni 1869 (Bundesgesetzbl. S. 201) geregelte Zuständigkeit des Bundes-Oberhandelsgerichts zu Leipzig wird auf diejenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten aus­ gedehnt , in welchen auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes durch die Klage ein Entschä­ digungsanspruch oder ein Anspruch auf Einziehung gellend gemacht wird. Das Bundes-Oberhandelsgericht tritt auch in den nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu beurtheilenden Straftachen an die Stelle des für das Gebiet, in welchem die Sache in erster Instanz anhängig geworden ist, nach den Landesgesetzen bestehenden obersten Gerichtshofes, und zwar mit derjenigen Zuständigkeit, welche nach diesen Landesgesetzen dem obersten Gerichtshöfe gebührt. In den zufolge der vorstehenden Bestimmung zur Zuständigkeit des Bundes-Oberhandels ­ gerichts gehörenden Strafsachen bestimmt sich das Verfahren auch bei diesem Gerichtshöfe nach den für das Gebiet, aus welchem die Sache an das Bundes-Oberhandelsgericht gelangt, geltenden Strafprozeßgesetzen. Die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft in diesen Straftachen werden bei dem Bundes - Oberhandelsaericht von dem Staatsanwalt wahrgenommen, welcher dieselben bei dem betreffenden obersten Landesgerichtshofe wahrzunehmen hat. Der bezeichnete Staatsanwalt kann sich jedoch bei der mündlichen Verhandlung durch einen in Leipzig angestellten Staatsanwalt oder durch einen in Leipzig wohnenden Advokaten vertreten laffen. Strafsachen, für welche in letzter Instanz das Bundes-Oberhandelsgericht zuständig ist, und Straffachen, für welche in letzter Instanz der oberste Landesgerichtshof zuständig ist, können in Einem Strafverfahren nicht verbunden werden. Die Bestimmungen der §§. 1, 10, 12 Absatz 2, §. 16 Absatz 2, §§. 17, 18, 21 und 22 des Gesetzes vom 12. Juni 1869 finden auch auf die zur Zuständigkeit des Bundes-Oberhandelsgerichts gehörenden Strafsachen entsprechende Anwendung. Verjährung. §. 33. Die Strafverfolgung des Nachdrucks und die Klage auf Entschädigung wegen Nachdrucks, einschließlich der Klage wegen Bereicherung (§. 18) verjähren in drei Jahren. Der Lauf der Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Verbreitung der Nach­ drucks-Exemplare zuerst stattgefunden hat. §. 34. Die Strafverfolgung der Verbreitung von Nachdrucks-Exemplaren und die Klage auf Ent­ schädigung wegen dieser Verbreitung (§. 25) verjähren ebenfalls in drei Jahren. Der Lauf der Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Verbreitung zuletzt statt­ gefunden. §. 35. Der Nachdruck und die Verbreitung von Nachdrucks-Exemplaren sollen sttaflos bleiben, wenn der zum Sttafanttage Berechtigte den Antrag binnen drei Monaten nach erlangter Kenntniß von dem begangenen Vergehen und von der Person des Thäters zu machen unterläßt. §. 36. Der Anttag auf Einziehung und Vernichtung der Nachdrucks-Exemplare sowie der zur wider-

23. Best. d. Reichskanzleramts über d. Führung des MusterregisterS v. 29. Febr. 1876.

ggZ

recht an Mustern und Modellen mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß die vorräthigen Nachbildungen und die zur widerrechtlichen Vervielfältigung bestimmten Vorrichtungen nicht ver­ nichtet, sondern auf Kosten des Eigenthümers und nach Wahl desselben entweder ihrer gefähr­ denden Form entkleidet, oder bis zum Ablauf der Schutzfrist amtlich aufbewahrt werden. Die Sachverständigen-Vereine, welche nach §. 31 des genannten Gesetzes Gutachten über die Nachbildung von Mustern oder Modellen abzngeben haben, sollen aus Künstlern, auS Gewerbtreibenden verschiedener Gewerbzweige und aus sonstigen Personen, welche mit dem Muster- und Modellwesen vertraut sind, zusammengesetzt werden. §. 15. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in welchen auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes eine Klage wegen Entschädigung, Bereicherung oder Einziehung angestellt wird, gelten im Sinne der Reichs- und Landesgesetze alS Handelssachen. §. 16. Das gegenwärtige Gesetz findet Anwendung auf alle Muster und Modelle inländischer Urheber, sofern die nach den Mustern oder Modellen hergestellten Erzeugnisse im Inlands verfertigt sind, gleichviel ob dieselben im Inlands oder Auslande verbreitet werden. Wenn ausländische Urheber im Gebiete des Deutschen Reichs ihre gewerbliche Niederlassung haben, so genießen sie für die im Jnlande gefertigten Erzeugnisse den Schutz des gegenwärtigen Gesetzes, Im Uebrigen richtet sich der Schutz der ausländischen Urheber nach den bestehenden StaatsVerträgen. §. 17. Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. April 1876 in Kraft. Es findet Anwendung auf alle Muster und Modelle, welche nach dem Inkrafttreten desselben angefertigt worden sind. Muster und Modelle, welche vor diesem Tage angefertigt worden sind, genießen den Schutz deS Gesetzes nur dann, wenn das erste nach dem Muster rc. gefertigte Erzeugniß erst nach dem Jnkrasttteten des Gesetzes verbreitet worden ist. Muster und Modelle, welche schon bisher landeSgesetzlich gegen Nachbildung geschützt waren, behalten diesen Schutz; jedoch kann derselbe nur für denjenigen räumlichen Umfang geltend gemacht werden, für welchen er durch die Landesgesetzgebung ertheilt war.

23. Vestimrnungen des Ueichskanzleramts über die Führung des Musterregisters.

Vorn 29. Februar 1876.

(Centtalblatt für das Deutsche Reich 1876 S. 123.)

§. 1. Das Musterregister wird von den mit der Führung der Handelsregister beaufttagten Gerichtsbehörden geführt (§. 9 des Gesetzes vom 11. Januar 1876, betreffend daS Urheberrecht an

rechtlichen Vervielfältigung ausschließlich bestimmten Vorrichtungen (§. 21) ist so lange zulässig, als solche Exemplare und Vorrichtungen vorhanden sind. §. 38. Die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften bestimmen, durch welche Handlungen die Verjährung unterbrochen wird. Die Einleitung des Sttafverfahrens unterbricht die Verjährung der EntschädigungSklage nicht, und eben so wenig unterbricht die Anstellung der EntschädigungSklage die Verjährung deS Sttafverfahrens.

954 Mustern und Modellen — Reichsgesetzblatt S. 11). Soweit im Nachstehenden nichts Abweichendes bestimmt ist, kommen die Vorschriften über die Führung des Handelsregisters auch bei dem Muster­ register zur Anwendung.

§. 2.

DaS Musterregister wird nach dem anliegenden Formular A eingerichtet.

Zn dem­

selben ist ein Verzeichniß anzulegen, welches die eingetragenen Namen, beziehungsweise Firmen in alphabetischer Reihenfolge enthalt. §. 3.

Zu dem Musterregister werden Akten angelegt, in welche, nach der Zeitfolge alle das­

selbe betreffenden Eingaben, Verhandlungen, Urkunden rc., gebracht werden.

Eingaben und Verhandlungen, in welchen ein Antrag auf Eintragung in das Muster­

register enthalten ist, müffen mit dem Vermerke versehen werden, an welchem Tage und zu

welcher Stunde sie bei dem Gerichte eingegangen sind. §. 4.

Die Exemplare und Abbildungen der Muster rc., welche in Gemäßheit des §. 7 des

Gesetzes beim Gerichte niedergelegt werden, sind in einem besonderen leicht zugänglichen Behältniffe sicher aufzubewahren und mit einem Papierstreifen zu versehen,

auf welchen das betreffende Blatt

des Musterregisters und der Akten Angegeben ist.

§. 5. Die Anträge auf Einttagung in das Musterregister können schriftlich oder mündlich zu Protokoll gestellt werden. Im ersteren Falle muß die Echtheit der Unterschrift des Anttag-

stellers von einer zur Führung eines öffentlichen Siegels berechtigten Person, unter Beidrückung dieses Siegels, amtlich beglaubigt sein; in letzterem Falle muß die Identität der Person des An­

tragstellers, sofern derselbe dem Gericht nicht bekannt ist, durch einen bekannten und glaubhaften

Zeugen erwiesen werden. §. 6.

Bei der Anmeldung muß bestimmt angegeben werden, ob daS Muster rc., dessen Ein­

ttagung verlangt wird, für Flächenerzeugniffe oder für plastische Erzeugniffe bestimmt ist (§. 6 Nr. 2 des Gesetzes). Wenn der Anmeldende eine solche Angabe unterlaßen hat, so ist er zur nach­ ttäglichen Beibringung derselben mit dem Bemerken anfzusordern, daß die Einttagung des Musters rc.

vor Abgabe dieser Erklärung nicht erfolgen könne. Die Anmeldung eines und desselben Musters rc.

für Flächenerzeugniffe und für plastische Erzeugniffe ist unzulässig. §. 7. Die Muster können offen oder versiegelt, einzeln oder in Packeten niedergelegt werden. Die Packete dürfen aber nicht mehr als 50 Muster rc. enthalten und nicht mehr als 10 Kilogramm

wiegen (§. 9 Abs. 4 des Gesetzes). Wenn bei der Gerichtsbehörde ein Packet eingeht, welches mehr als 10 Kilogramm wiegt oder welches — nach der Aufschrift bezw. nach dem Anschreiben — mehr als 50 Muster enthält, so ist dasselbe zurückzusenden und die Einttagung in das Muster­

register zu verweigern.

Auf den Packeten muß äußerlich angegeben fein, wieviel Muster rc. in

denselben enthalten sind. Außerdem müffen an jedem Muster, bezw. an jedem Packete mit Muster die Fabriknummern

oder die Geschäftsnummern, unter welchen die Muster in den Geschäftsbüchern des Urhebers oder seines Rechtsnachfolgers eingetragen sind, angegeben sein. §. 8. Alle Eingaben, Verhandlungen, Atteste, Beglaubigungen, Zeugniffe, Auszüge rc., welche

die Eintragung in das Musterregister betreffen, sind stempelfrei. Die Gebühren, welche für die Einttagung und Niederlegung der Muster rc., enttichtet werden müffen, sind im §. 12 des Gesetzes angegeben. Außerdem hat der Anmeldende nach §. 9 des Gesetzes die Kosten der Bekanntmachung im

Deutschen Reichsanzeiger zu tragen. Eintragung 1 Mark 50 Pf. Anmeldenden ertheilt.

Diese Kosten betragen für die Bekanntmachung jeder einzelnen

Eintragungsscheine werden nur auf ausdrückliches Verlangen des

Für jeden solchen Schein, sowie für jeden sonstigen Auszug aus dem

Musterregister wird eine Gebühr von 1 Mark erhoben (§. 12 des Gesetzes). Die Gebühren sind entweder baar an das Gericht einzusenden oder, auf Verlangen des

Anmeldenden, durch Postvorschuß von demselben einzuziehen. §. 9. Wenn in Gemäßheit des §. 8 des Gesetzes eine Verlängerung der Schutzfrist beantragt

wird, so ist diese Verlängerung im Musterregister in der Spalte 7 einzuttagen. Die Verlängerung der Schutzftist wird ebenfalls im Deutschen Reichsanzeiger bekannt ge-

23.

Best. d. Reichskanzleramis über d. Führung d. Musterregisters v. 29. Febr. 1876.

955

macht, und es hat derjenige, welcher die Verlängerung nachsucht, außer den im §. 12 deS Gesetzes bestimmten Gebühren die Kosten der Bekanntmachung mit 1 Mark 50 Pf. zu tragen.

§. 10. Die Eintragung und die Verlängerung der Schutzfrist wird monatlich im Deutschen Reichsanzeiger bekannt gemacht (§. 9 des Gesetzes). Die mit der Führung des Musterregisters

betraute Behörde hat am Schlüsse jedes Monats ein Verzeichniß der von ihr im Laufe des ver­

flossenen Monats bewirkten Eintragungen an die „Expedition des Deutschen Reichs- und Preu­ ßischen Staatsanzeigers in Berlin" portofrei einzusenden und zugleich den Kostenbetrag für die Bekanntmachung (§§. 8, 9) beizufügen. Die Expedition des Deutschen Reichsanzeigers rc. übersendet dem. Gerichte über die erfolgte Bekanntmachung kostenfrei ein Belagsblatt, welches zu den Akten zu bringen ist.

Die Bekanntmachung ist nach folgendem Muster abzufassen:

Nr. 1.

A. In das Musterregister ist eingetragen: Firma Schmidt & Co. in Leipzig: 1 Muster für Teppiche; offen;, Flächenmuster;

Nr. 2.

9 Uhr; Fabrikant Schulz in Leipzig: 1 Packet mit 20 Mustern für Tapeten; Flächenmuster;

Fabriknummer 100; Schutzfrist 1 Jahr; angemeldet am 1. April 1876, Vormittags

Fabriknummer 10—29; Schutzfrist 3 Jahre; angemeldet am 3. April 1876, Vor­

Nr. 3.

mittags 10 Uhr ; Glasfabrik von Müller in Leipzig: 1 Glaskrone; versiegelt; Muster für plastische

Erzeugnisse; Fabriknummer 20; Schutzfrist 10 Jahre; angemeldet am 3. April 1876, Vormittags 11 Uhr.

Leipzig, den 30. April 1876. bei Nr. 1.

Königliches Handelsgericht.

B. In das Musterregister ist eingetragen: Firma Schmidt & Co. in Leipzig hat für das unter Nr. 1 eingetragene Teppich­

muster die Verlängerung der Schutzfrist bis auf 3 Jahre angemeldet. Leipzig, den 31. Dezember 1876. Königliches Handelsgericht. §. 11. Die versiegelt niedergelegten Muster rc. werden nach Ablauf der Schutzfrist, oder,

falls die Schutzfrist drei Jahre übersteigt, nach Ablauf von drei Jahren, von der Anmeldung ab gerechnet, von Amtswegen eröffnet und können alsdann von Jedermann eingesehen werden. Damit die Eröffnung rechtzeitig erfolge, ist über die versiegelt niedergelegten Muster ein besonderes Verzeichniß zu führen, in welchem der Tag vermerkt wird, an welchem die amtliche Eröffnung vorzunehmen ist. Ueber die erfolgte Oeffnung ist eine kurze Verhandlung aufzunehmen, welche bei den Akten verbleibt. §. 12. Die niedergelegten Muster rc., sowie deren Abbildungen werden vier Jahre nach

Ablauf der Schutzfrist aufbewahrt. Demnächst ist der Urheber bezw. sein Rechtsnachfolger aufzu­

fordern, die Muster rc. wieder in Empfang zu nehmen, widrigenfalls über dieselben anderweitig verfügt werden würde. Wenn der Urheber, bezw. sein Rechtsnachfolger die Muster rc. nicht in Entpfang nimmt, so ist wegen deren weiterer Verwendung die Bestimmung deS ReichSkanzler-Amts im geordneten

Geschäftswege einzuholen. Berlin, den 29. Februar 1876.

DaS Reichskanzleramt. Delbrück.

956

Anhang. 24. RetchSgesetz v. 7. Juni 1871. 25. Bekanntmachung v. 11. Mai 1874.

A. Cf? a

t 1

8

L 1.

2.

Name

bezw. Firma

deAmueldendeu.

2.

Bezeichnung deS

Tag und

angemeldeten

Stunde der

Musters oder

Anmeldung.

Modell«.

3.

1. April Firma 1876 Schmidt & Co. Vormittags in Leipzig. 9 Uhr 2. April Fabrikant 1876 Schutt Vormittags in Leipzig. 10 Uhr

Angabe: ob daS Muster für Flächen­ erzeugnisse oder für plastische Erzeugnisse bestimmt ist.

Verlän­

Schutz-

gerung der

frist.

Schutz­

frist.

4.

5.

6.

1 Muster für Teppiche, offen, Fabrik­ nummer 100 1 versiegeltes Packet mit 20 Mustern für Tapeten, Fabriknum­ mer 10—29

Flächen­ erzeugnisse

1 Jahr

Flächenerzeugniffe

3 Jahr«

7.

Akten

über daö

Bemer­

Muster­

kungen.

register.

8.

9.

Bd. 1