Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen: Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Spezialaspekte [1. Aufl. 2019] 978-3-658-27722-2, 978-3-658-27723-9

Die in diesem Band vorgelegten Beiträge verorten das Controlling im Spannungsfeld von Digitalisierung und Nachhaltigkeit

4,587 265 13MB

German Pages XXVI, 534 [543] Year 2019

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen: Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Spezialaspekte [1. Aufl. 2019]
 978-3-658-27722-2, 978-3-658-27723-9

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XXVI
Front Matter ....Pages 19-19
Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers (Tanja Wolf, Melanie Heidlmayer)....Pages 21-48
Die Rolle des Controllers – lokale Entwicklungen, globale Trends und Ausblick in die Zukunft (Erik Strauß, Christoph Reuter)....Pages 49-63
Controlling und Digitalisierung – Änderungen im Kompetenzprofil (Gernot Mödritscher, Friederike Wall)....Pages 65-81
Controlling und Business Intelligence & Analytics (Daniel Pabinger, Stefan Mayr)....Pages 83-105
Controlling und digitale Transformation: Eine Analyse wechselseitiger Gestaltungschancen und Spannungsfelder (Robert Obermaier)....Pages 107-135
Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung (Albert Mayr)....Pages 137-161
Die Auswirkungen von ERP-Systemen auf die Unternehmensziele: Quantitativ-empirische Ergebnisse österreichischer Groß- und Mittelunternehmen (Bernhard Gärtner, Christine Duller, Andreas Stadler)....Pages 163-182
Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling – praktische Aspekte der Steuer- und Unternehmensberatung (Dietmar Ploier, Stefan Mayr)....Pages 183-206
Digitalizing Management Accounting (Rafael Heinzelmann)....Pages 207-226
Front Matter ....Pages 227-227
Nachhaltigkeitscontrolling in Klein- und Mittelunternehmen (Christoph Endenich, Rouven Trapp)....Pages 229-246
Nachhaltigkeitsberichterstattung von Elektrizitätsversorgungsunternehmen: Ein internationaler Vergleich (Dorothea Greiling, Johannes Slacik)....Pages 247-268
Corporate Social Responsibility-Controlling: Eine instrumentelle Perspektive (Michael Kuttner)....Pages 269-282
CSR als Risikomanagement-Tool (Eva Wagner)....Pages 283-302
Strategisches CSR-Controlling in Familienunternehmen (Reinhard Altenburger)....Pages 303-316
Front Matter ....Pages 317-317
Finanzmanagement und -controlling in Familienunternehmen (Markus Dick)....Pages 319-336
Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen (Martin R. W. Hiebl)....Pages 337-354
Die Bedeutung des strategischen Controllings für das Turnaround Management von Familienunternehmen (Alexandra Bertschi-Michel, Thomas Wittig, Andreas Hack)....Pages 355-374
Anforderungen an Controller: Qualitativ-empirische Ergebnisse von KMU (Michael Kuttner, Jürgen Konyen, Bernhard Gärtner)....Pages 375-395
Front Matter ....Pages 397-397
Karriereentwicklung im Controlling (Johannes Thaller, Bernhard Gärtner, Christine Duller, Birgit Feldbauer-Durstmüller)....Pages 399-431
Stellenprofile von Controllern – es kommt auf das Unternehmen an (Martina Sageder, Katja Wiedemann)....Pages 433-453
Die Rolle des Controllers im Prozess der Geschäftsmodellinnovation (Wolfgang Hora, Norbert Kailer)....Pages 455-469
Einfluss kultureller Unterschiede auf das Controlling – eine systematische Analyse des Forschungsstands (Tanja Fellner, Christine Mitter)....Pages 471-490
Erfolg und Erfolgssteuerung in Non-Profit-Organisationen (René Andeßner)....Pages 491-510
Von operativer Projektperformance zur strategischen Unternehmensperformance: Innovatives Multi-Projektportfolio-Modell im Anlagen- und Maschinenbau (Sandra Mühlböck, David Kronawettleitner)....Pages 511-526
Anforderungen an die Ermittlung von Wertschöpfungsbeiträgen immaterieller Werte durch BEPS – eine prozesskostenorientierte Betrachtung am Beispiel digitaler bzw. hybrider Geschäftsmodelle (Eva Rohn, Sabine Urnik)....Pages 527-552

Citation preview

Birgit Feldbauer-Durstmüller Stefan Mayr Hrsg.

Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Spezialaspekte

Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

Birgit Feldbauer-Durstmüller · Stefan Mayr (Hrsg.)

Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Spezialaspekte

Hrsg. Birgit Feldbauer-Durstmüller Institut für Controlling & Consulting Johannes Kepler Universität Linz Linz, Österreich

Stefan Mayr Institut für Controlling & Consulting Johannes Kepler Universität Linz Linz, Österreich

Wir danken dem Linzer Hochschulfonds, der Wissenschaftshilfe der Wirtschaftskammer Oberösterreich, dem AKV Europa – Alpenländischer Kreditorenverband, dem KSV1870 – Kreditschutzverband von 1870 und der OVILAVA Wirtschaftsprüfungsund Steuerberatungsges.m.b.H. für die finanzielle Unterstützung.

ISBN 978-3-658-27723-9  (eBook) ISBN 978-3-658-27722-2 https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Inhaltsverzeichnis Birgit Feldbauer-Durstmüller, Stefan Mayr und Nadine Bachmann Einleitung ............................................................................................................. 1 Über die Herausgeber .......................................................................................... 9 Über die Autoren ............................................................................................... 11

I Digitalisierung ................................................................................................ 19 Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers ............................... 21

Erik Strauß und Christoph Reuter Die Rolle des Controllers – lokale Entwicklungen, globale Trends und Ausblick in die Zukunft ................................................................................. 49

Gernot Mödritscher und Friederike Wall Controlling und Digitalisierung – Änderungen im Kompetenzprofil ................................ 65

Daniel Pabinger und Stefan Mayr Controlling und Business Intelligence & Analytics........................................................... 83

Robert Obermaier Controlling und digitale Transformation: Eine Analyse wechselseitiger Gestaltungschancen und Spannungsfelder ............................................ 107

Albert Mayr Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung .................................137

Bernhard Gärtner, Christine Duller und Andreas Stadler Die Auswirkungen von ERP-Systemen auf die Unternehmensziele: Quantitativ-empirische Ergebnisse österreichischer Groß- und Mittelunternehmen ....... 163

Dietmar Ploier und Stefan Mayr Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling – praktische Aspekte der Steuer- und Unternehmensberatung ........................................... 183

Rafael Heinzelmann Digitalizing Management Accounting............................................................................. 207

VI

Inhaltsverzeichnis

II Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility ............................... 227 Christoph Endenich und Rouven Trapp Nachhaltigkeitscontrolling in Klein- und Mittelunternehmen ........................................ 229

Dorothea Greiling und Johannes Slacik Nachhaltigkeitsberichterstattung von Elektrizitätsversorgungsunternehmen: Ein internationaler Vergleich ................................................................... 247

Michael Kuttner Corporate Social Responsibility-Controlling: Eine instrumentelle Perspektive .............. 269

Eva Wagner CSR als Risikomanagement-Tool ................................................................................... 283

Reinhard Altenburger Strategisches CSR-Controlling in Familienunternehmen ............................................... 303

III Familienunternehmen und Klein- und Mittelunternehmen .................. 317 Markus Dick Finanzmanagement und -controlling in Familienunternehmen ....................................... 319

Martin R. W. Hiebl Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen...................................... 337

Alexandra Bertschi-Michel, Thomas Wittig und Andreas Hack Die Bedeutung des strategischen Controllings für das Turnaround Management von Familienunternehmen ...................................................... 355

Michael Kuttner, Jürgen Konyen und Bernhard Gärtner Anforderungen an Controller: Qualitativ-empirische Ergebnisse von KMU ...................................................................................................... 375

Einleitung

VII

IV Spezialaspekte ............................................................................................ 397 Johannes Thaller, Bernhard Gärtner, Christine Duller und Birgit Feldbauer-Durstmüller Karriereentwicklung im Controlling ............................................................................... 399

Martina Sageder und Katja Wiedemann Stellenprofile von Controllern – es kommt auf das Unternehmen an .............................. 433

Wolfgang Hora und Norbert Kailer Die Rolle des Controllers im Prozess der Geschäftsmodellinnovation ............................ 455

Tanja Fellner und Christine Mitter Einfluss kultureller Unterschiede auf das Controlling – eine systematische Analyse des Forschungsstands .......................................................... 471

René Andeßner Erfolg und Erfolgssteuerung in Non-Profit-Organisationen ........................................... 491

Sandra Mühlböck und David Kronawettleitner Von operativer Projektperformance zur strategischen Unternehmensperformance: Innovatives Multi-Projektportfolio-Modell im Anlagen- und Maschinenbau ........................................................................................... 511

Eva Rohn und Sabine Urnik Anforderungen an die Ermittlung von Wertschöpfungsbeiträgen immaterieller Werte durch BEPS – eine prozesskostenorientierte Betrachtung am Beispiel digitaler bzw. hybrider Geschäftsmodelle ............................... 527

Einleitung

Birgit Feldbauer-Durstmüller, Stefan Mayr und Nadine Bachmann In Anbetracht aktueller weitreichender Veränderungen sieht sich das Controlling mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Diese Entwicklungen verändern nicht nur die Controllerrolle maßgeblich, sondern haben auch einen großen Einfluss auf Klein- und Mittelunternehmen (KMU) sowie Familienunternehmen (FU), die für die wirtschaftliche Entwicklung im DACH-Raum von zentraler Bedeutung sind. Die unterschiedlichen Facetten von Familienunternehmen und KMU werden in diesem Sammelband mit verschiedenen thematischen Schwerpunkten und konzeptionellen Grundlagen und Definitionen behandelt. Als zentrale Herausforderungen für das Controlling sind unter anderem die voranschreitende Digitalisierung sowie Nachhaltigkeitsforderungen an Unternehmen sowohl von gesetzlicher als auch von Verbraucher-Seite (Stichwort Corporate Social Responsibility) zu nennen. Dieser vielschichtigen Problemlage wird der Sammelband mit einem klaren Wissenschafts- und Praxisbezug gerecht: Empirische Befunde qualitativer und quantitativer Art werden theoretisch fundiert dargelegt sowie durch praktische Beispiele und Fallstudien ergänzt, wobei ebenfalls Empfehlungen für die Praxis abgeleitet werden. Die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Controlling verändern nicht nur das Aufgabenspektrum und das Kompetenzprofil des Controllers. So kommt es durch den verstärkten Einsatz von Business Intelligence zu gravierenden Umgestaltungen, etwa im Kostenmanagement oder im Einsatz von ERPSystemen. Diese Aspekte werden tiefgehend diskutiert und in einer Reihe von Beiträgen praxisnah, aus unterschiedlichen Perspektiven, dargestellt. Die Themen Nachhaltigkeit und CSR gewinnen zunehmend an gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bedeutung, wie etwa anhand der aktuellen politischen Diskussion („Fridays for Future“-Bewegung) zu erkennen ist. Diesem

2

Birgit Feldbauer-Durstmüller, Stefan Mayr und Nadine Bachmann

Trend wird mit einer Reihe von Beiträgen, etwa zum Nachhaltigkeitscontrolling oder der Nachhaltigkeitsberichterstattung, Rechnung getragen. Das Buch adressiert einen breiten Leserkreis, der nicht auf einzelne Fachdisziplinen beschränkt ist, und richtet sich an Theoretiker und Praktiker1 gleichermaßen. Dabei sind im Einzelnen Dozierende und Studierende der Fachgebiete Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftswissenschaften, Sozialwirtschaft, Recht und Wirtschaft, Kultur und Wirtschaft, International Business, Finance and Accounting und General Management, sowie Praktiker aus Unternehmen und Banken als auch Berater gemeint. Unser ausdrücklicher Dank gilt allen Autoren, ohne deren unentgeltliche Mitarbeit das Erscheinen des vorliegenden Sammelbandes nicht möglich – oder zumindest nicht finanzierbar – gewesen wäre. Besonders danken wir unserem studentischen Mitarbeiter Johannes Thaller, der das Projekt bis zur Einreichung beim Verlag tatkräftig unterstützt hat. Unser Dank gilt ebenfalls den studentischen Mitarbeitern Marina Aschauer BSc, Luis Fischerlehner und Matthias Baschinger, die mit Genauigkeit, Engagement und einem Blick für Details die Korrekturen und die Formatierung des Manuskripts vorgenommen haben. Zu guter Letzt möchten wir Dr. Michael Kuttner, Forschungsparter des Instituts für Controlling & Consulting der JKU Linz, unseren Dank für die Hilfe bei der Vorbereitung der Drucklegung aussprechen. Nachfolgend möchten wir die einzelnen Beiträge kurz vorstellen: Der Themenbereich Digitalisierung legt dar, welche Auswirkungen technische Entwicklungen wie ERP-Systeme oder Business Intelligence and -Analytics (BI&A) auf die Prozesse des Controllings und die erforderlichen Kompetenzen der Controller haben. Es wird eine Weiterentwicklung des Controllings zum Business Modelling vorausgesagt, und eine Festigung der Rolle des Controllers als Business Partner festgestellt, der das Management bei der Entscheidungsfindung und Unternehmenssteuerung unterstützt. TANJA WOLF und MELANIE HEIDLMAYER beschreiben in ihrem Beitrag Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers anhand einer Literaturanalyse das Aufkommen neuer Rollenbilder. Grundsätzlich führen die mit der Digitalisierung verbundenen Herausforderungen zu veränderten Aufgabenfeldern und Denkweisen von Controllern, weswegen in der Literatur eine Stärkung der Business Partner Rolle sowie zukünftige Rollen als Business Partner 2.0, Data Scientist, digitaler Controller, Business Analyst oder Chief Digital Performance Officer diskutiert werden. 1

Um eine leichtere Lesbarkeit des Textes zu gewährleisten, wurde in dem vorliegenden Sammelband teilweise auf die explizite geschlechtsneutrale Schreibweise verzichtet. Hierfür wurde als Vereinfachung stellvertretend für beide Geschlechtsformen meist nur die männliche Schreibweise angewandt.

Einleitung

3

ERIK STRAUß und CHRISTOPH REUTER geben in ihrem Beitrag Die Rolle des Controllers – lokale Entwicklungen, globale Trends und Ausblick in die Zukunft einen Überblick über den weltweiten Status quo der Profession und zeigen auf, dass sich trotz lokaler Unterschiede ein globaler Kern an Controlleraufgaben gebildet hat. Technologische Entwicklungen und die Digitalisierung bringen zukünftig tiefgreifende Veränderungen mit sich und können das Controlling in Richtung Business Modelling weiterentwickeln, verlangen Controllern jedoch auch neue Kompetenzen ab. GERNOT MÖDRITSCHER und FRIEDERIKE WALL befassen sich in ihrem Beitrag Controlling und Digitalisierung – Änderungen im Kompetenzprofil mit den derzeitigen Entwicklungen des Controllings – insbesondere im Zusammenhang mit der Digitalisierung – und stellen den damit verbundenen Anpassungsbedarf der Controlling-Kompetenzen, -Fähigkeiten sowie -Prozesse dar. Im Beitrag Controlling und Business Intelligence & Analytics beleuchten DANIEL PABINGER und STEFAN MAYR wie Business Intelligence and -Analytics (BI&A) der Identifizierung relevanter Informationen aus der stetig wachsenden Menge externer und interner Daten dienen können. Hierbei sind Controller gefragt, die Informationen zu validieren und an die jeweiligen Empfänger zu kommunizieren, wodurch sie in der Folge zunehmend die Rolle eines Partners des Managements bei der Entscheidungsfindung einnehmen. ROBERT OBERMAIER untersucht in seinem Beitrag Controlling und digitale Transformation: Eine Analyse wechselseitiger Gestaltungschancen und Spannungsfelder die erwarteten Herausforderungen und Umgestaltungen des Controllings aufgrund der Digitalisierung und des technologischen Fortschritts. Hierbei sieht er die künftige Funktion des Controllings darin Unternehmen steuerbar zu machen bzw. zu halten, und das Management bei der erfolgreichen Bewältigung dieser Aufgabe zu unterstützen. ALBERT MAYR legt in seinem Beitrag Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung anhand einer Interviewstudie mit Experten dar, inwiefern die voranschreitende Digitalisierung und die damit verbundenen Investitionen den Bedarf an Investitions- und Produktlebenszyklusrechnungen in Unternehmen erweitern. Hieraus ergibt sich ein Wandel der Aufgaben, Bezugsobjekte und grundlegenden Merkmale des Kostenmanagements, um einer zunehmend intransparenter werdenden Kostenstruktur gerecht werden zu können. BERNHARD GÄRTNER, CHRISTINE DULLER und ANDREAS STADLER untersuchen in ihrem Beitrag Die Auswirkungen von ERP-Systemen auf die Unternehmensziele: Quantitativ-empirische Ergebnisse österreichischer Groß- und Mittelunternehmen inwiefern durch die Implementierung von ERP-Systemen eine Verbesserung finanzieller sowie nicht-finanzieller Unternehmensziele erreicht werden kann. Hierbei konnte ein positiver Einfluss auf die Unternehmens-

4

Birgit Feldbauer-Durstmüller, Stefan Mayr und Nadine Bachmann

ziele nicht bestätigt werden, lediglich eine Erhöhung der Mitarbeitermotivation wurde nachgewiesen. DIETMAR PLOIER und STEFAN MAYR verfolgen im Beitrag Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling – praktische Aspekte der Steuer- und Unternehmensberatung das Ziel, die Digitalisierung in Rechnungswesen und Controlling aus einer praxisnahen Perspektive der Steuer- und Unternehmensberatung darzustellen. Hierunter fallen insbesondere Aspekte wie Herausforderungen in Bezug auf das Arbeitsumfeld von Mitarbeitern, zukünftige Berufsbilder und mögliche Auswirkungen auf Rechnungswesen und Controlling. RAFAEL HEINZELMANN beschreibt in seinem Beitrag Digitalizing Management Accounting den Einfluss technologischer Veränderungsprozesse und der daraus resultierenden Herausforderungen für das Controlling bzw. Management Accounting. Digitale Geschäftsmodelle ziehen Veränderungen im Controlling nach sich und verlangen von Controllern die Einnahme der neuen Rollen des Datenexperten oder Business Partners. Im Kapitel Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility werden für KMU geeignete Controlling-Instrumente vorgestellt, welche die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen unterstützen können. Positive Auswirkungen von CSR sind eine Verringerung der (Eigen-)Kapitalkosten, Schutz in Krisenzeiten sowie eine Absicherung der Reputation. Insbesondere Nachhaltigkeitsberichte sind ein wichtiges Instrument einer negativen Reputation entgegenzuwirken. Aufgrund ihrer Langfristorientierung und Werthaltungen gelten Familienunternehmen als Vorreiter der Nachhaltigkeit. CHRISTOPH ENDENICH und ROUVEN TRAPP stellen in ihrem Beitrag Nachhaltigkeitscontrolling in Klein- und Mittelunternehmen die Herausforderungen dar, mit denen Klein- und Mittelunternehmen aufgrund der zunehmenden Forderungen nach nachhaltigem Handeln konfrontiert sind. Es werden ControllingInstrumente vorgestellt, die für KMU geeignet sind und bei der Verfolgung der Nachhaltigkeitsziele unterstützend sein können. DOROTHEA GREILING und JOHANNES SLACIK analysieren im Beitrag Nachhaltigkeitsberichterstattung von Elektrizitätsversorgungsunternehmen: Ein internationaler Vergleich die Nachhaltigkeitsberichte von Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU). Da Stakeholder heutzutage stärker über nichtfinanzielle Aspekte des Unternehmens informiert werden wollen, hat sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu einer relevanten Praxis in Unternehmen entwickelt. Besonders für EVU ist dies ein wichtiges Instrument einer negativen Reputation entgegenzuwirken.

Einleitung

5

MICHAEL KUTTNER gibt im Beitrag Corporate Social ResponsibilityControlling: Eine instrumentelle Perspektive anhand einer Analyse der bisherigen wissenschaftlichen und praxisorientierten Literatur eine Bestandsaufnahme über die verwendeten Instrumente des CSR-Controllings. Die Ergebnisse zeigen, dass die Planung, Kontrolle und Informationsversorgung als zentrale Bereiche des Controllings innerhalb der CSR-Controlling-Instrumente adressiert werden. EVA WAGNER setzt sich in ihrem Beitrag CSR als Risikomanagement-Tool mit der Frage auseinander, ob Corporate Social Responsibility als Risikomanagement-Tool eingesetzt werden kann und untersucht den Einfluss von CSR auf das Unternehmensrisiko und die Kapitalkosten. Die Evidenz spricht insgesamt dafür, dass CSR die (Eigen-)Kapitalkosten verringern kann, ein protektives Element enthält und in Krisenzeiten Schutz sowie eine Absicherung der Reputation bietet. REINHARD ALTENBURGER beschreibt in seinem Beitrag Strategisches CSR-Controlling in Familienunternehmen wie Familienunternehmen (FU) aufgrund ihrer Langfristorientierung und Werthaltungen oftmals Vorreiter der Nachhaltigkeit sind. Dabei hängt die konkrete Ausgestaltung des CSRControllings vom Stellenwert der CSR im jeweiligen FU ab. Zur Sicherstellung einer generationsübergreifenden Zielsetzung ist u. a. die Formulierung einer aus der Familienstrategie abgeleiteten CSR-Strategie empfehlenswert. Das Kapitel Familienunternehmen und Klein- und Mittelunternehmen betrachtet die Vorteile, die ein existierendes Controlling für Familienunternehmen (FU) mit sich bringen kann. Der Professionalisierung eines ControllingInstrumentariums steht in erster Linie das Ziel des langfristigen Kontrollerhalts der Eigentümerfamilie entgegen, obwohl das Controlling entscheidend zu einem generationenübergreifenden Weiterbestehen beitragen kann. Insbesondere während Unternehmenskrisen ist das Controlling ein wichtiger Faktor für einen erfolgreichen Turnaround. MARKUS DICK zeigt im Beitrag Finanzmanagement und -controlling in Familienunternehmen auf, dass FU gegenüber Nicht-FU bei der Entwicklung und Anwendung derartiger Instrumente noch immer zurückstehen. Eine Professionalisierung in den Bereichen Finanzmanagement und -controlling wird dadurch erschwert, dass FU i. d. R. das Ziel des langfristigen Kontrollerhalts der Eigentümerfamilie verfolgen. MARTIN R. W. HIEBL stellt in seinem Beitrag Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen den Bedarf an Controlling-Instrumenten zur Entscheidungsunterstützung für ein generationenübergreifendes Weiterbestehen dieser eigentümergeführten Unternehmen dar. Eine stärkere Professionalisierung zeigt sich u. a. in einer höheren Formalisierung, Etablierung von Controlling-Abteilungen und einem erhöhten Einfluss von Controlling-Führungskräften.

6

Birgit Feldbauer-Durstmüller, Stefan Mayr und Nadine Bachmann

ALEXANDRA BERTSCHI-MICHEL, THOMAS WITTIG und ANDREAS HACK analysieren im Beitrag Die Bedeutung des strategischen Controllings für das Turnaround Management von Familienunternehmen die Rolle des Controllings in Krisenzeiten und insbesondere den Mehrwert, den ein Controlling für krisengeplagte FU erzeugen kann. In der Praxis hat sich gezeigt, dass Krisen in FU wahrscheinlicher sind und der Turnaround oftmals an einem nicht ausreichend vorhandenen (strategischen) Controlling und Instrumentarium scheitert. MICHAEL KUTTNER, JÜRGEN KONYEN und BERNHARD GÄRTNER analysieren im Beitrag Anforderungen an Controller: Qualitativ-empirische Ergebnisse von KMU die Anforderungen an Controller in KMU mittels einer explorativen, qualitativ-empirischen Studie. Ziel der Untersuchung ist, die aktuellen Anforderungen an Controller in KMU aus einer Eigen- (Controller) und Fremdperspektive (Geschäftsführer) darzulegen sowie ein Anforderungsprofil mit speziellem Fokus auf KMU abzuleiten. Der Themenbereich Spezialaspekte eröffnet vielfältige Betrachtungsweisen auf das Controlling: Angefangen bei beruflichen Laufbahnmodellen und Anforderungsprofilen an Controller, über die Funktion des Controllings in der Geschäftsmodellinnovation, bis hin zu der Betrachtung des Einflussfaktors Kultur auf das Controlling. Ferner werden die Erfolgssteuerung in NonprofitOrganisationen, die wirtschaftliche Bewertung von Projekten sowie die Ermittlung von Wertschöpfungsbeiträgen immaterieller Werte angesprochen. JOHANNES THALLER, BERNHARD GÄRTNER, CHRISTINE DULLER und BIRGIT FELDBAUER-DURSTMÜLLER befassen sich im Beitrag Karriereentwicklung im Controlling mit dem Status quo von beruflichen Laufbahnmodellen sowie Karriereprädiktoren im Controlling. In der Fachliteratur existieren wenig gesicherte Erkenntnisse, jedoch herrscht Konsens über den Wandel zu flexiblen und dynamischen Karrieremustern. Die Ergebnisse der durchgeführten quantitativ-empirischen Studie deuten auf Indizien diesbezüglich hin, wenngleich die Charakteristika des Controllings das traditionelle Karriereverständnis aufrechtzuerhalten scheinen. MARTINA SAGEDER und KATJA WIEDEMANN untersuchen im Beitrag Stellenprofile von Controllern – es kommt auf das Unternehmen an anhand von Controllerprofilen aus Stellenanzeigen sowie Unternehmensdaten, welche Aufgaben Controllern übertragen und welche persönlichen und fachlichen Anforderungen an sie gestellt werden. Anhand ihrer Untersuchung empfehlen die Autorinnen den Unternehmen Stellenprofile auf die jeweiligen unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen abzustimmen, um geeignete Bewerber anzuziehen. WOLFGANG HORA und NORBERT KAILER gehen in ihrem Beitrag Die Rolle des Controllers im Prozess der Geschäftsmodellinnovation auf die sich durch Digitalisierung und Internationalisierung verändernde Rolle des Controllers ein.

Einleitung

7

Sie erläutern die Funktion des Controllings im Prozess der Geschäftsmodellinnovation sowie die veränderten Rahmenbedingungen und Rollen, die Controller zukünftig einnehmen werden. TANJA FELLNER und CHRISTINE MITTER analysieren in ihrem Beitrag Einfluss kultureller Unterschiede auf das Controlling – eine systematische Analyse des Forschungsstands mithilfe ihrer systematischen Literaturanalyse den Einflussfaktor Kultur auf das Controlling. Die Autorinnen geben Einblicke in die Methodik ihrer durchgeführten systematischen Literaturanalyse sowie die daraus erzielten Ergebnisse, die den Einfluss nationaler Kulturen auf das Controlling nahelegen. In Zeiten einer voranschreitenden Internationalisierung gewinnt diese Thematik für die Unternehmenspraxis zunehmend an Relevanz. RENÉ ANDEßNER beschäftigt sich im Beitrag Erfolg und Erfolgssteuerung in Non-Profit-Organisationen mit dem Problem, wie der Erfolg von Non-ProfitOrganisationen (NPO) bei ihrer Missionserfüllung gemessen werden kann. Um die Schwierigkeit zu umgehen nicht-messbare Ziele messen zu wollen, bedarf es einer klaren Darstellung der Zielerreichung mit detaillierten Wirkungsketten. Kennzahlen und ein ausgeprägtes Performance-Measurement und -Management tragen zur Messbarkeit der geplanten Ziele bei. SANDRA MÜHLBÖCK und DAVID KRONAWETTLEITNER beschreiben im Beitrag Von operativer Projektperformance zur strategischen Unternehmensperformance: Innovatives Multi-Projektportfolio-Modell im Anlagen- und Maschinenbau ein Portfolio-Modell zur wirtschaftlichen Bewertung von Projekten. Die Autoren positionieren ihren Ansatz an der Schnittstelle zwischen den strategischen Zielsetzungen und dem operativen Projektmanagement: In der Empirie resultiert daraus eine Bewusstseinsbildung über zentrale Faktoren des Projektes und eine Erhöhung der Rationalitätssicherung sowie des Lerneffektes bei Abweichungen. EVA ROHN und SABINE URNIK gehen in ihrem Beitrag Anforderungen an die Ermittlung von Wertschöpfungsbeiträgen immaterieller Werte durch BEPS – eine prozesskostenorientierte Betrachtung am Beispiel digitaler bzw. hybrider Geschäftsmodelle auf die Problematik der Ermittlung geeigneter Verrechnungspreise bei immateriellen Werten aufgrund konzerninterner, grenzüberschreitender Transaktionen ein und begründen in diesem Zusammenhang die Prozesskostenrechnung als geeignetes Leistungsverrechnungssystem.

Über die Herausgeber

Univ.-Prof. Dr. Birgit Feldbauer-Durstmüller ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre/Controlling und Vorstand des Instituts für Controlling & Consulting der Johannes Kepler Universität Linz. Ihre Forschungsbereiche liegen im Controlling unter Einbeziehung spezieller Kontextfaktoren wie Familienunternehmen und KMU, Krisenmanagement – Sanierung – Insolvenz sowie Management und Religion. Assoz. Univ-Prof. Dr. Stefan Mayr ist stellvertretender Vorstand des Instituts für Controlling & Consulting der Johannes Kepler Universität Linz mit den wissenschaftlichen Schwerpunkten Unternehmenssanierung, Controlling und CSR. Er ist als Unternehmensberater und Trainer tätig. Redaktionelle Bearbeitung Nadine Bachmann, MA MA ist Stipendiatin der EQUA Stiftung (München) und Projektmitarbeiterin am Institut für Controlling & Consulting der Johannes Kepler Universität Linz. Nach Masterabschlüssen in Germanistik und Kulturwirtschaft promoviert sie zum Thema der Stigmatisierung der unternehmerischen Insolvenz.

Über die Autoren

Prof. Dr. Reinhard Altenburger ist Professor im Department of Business an der IMC Fachhochschule Krems mit den wissenschaftlichen Schwerpunkten Corporate Social Repsonsibility, Innovationsmanagement, Familienunternehmen und Strategisches Management. a.Univ.-Prof. Dr. René Andeßner ist stellvertretender Institutsvorstand am Institut für Public und Nonprofit Management der Johannes Kepler Universität Linz. In seiner Forschung beschäftigt er sich u. a. mit Fragen des Rechnungswesens, Controllings und Ressourcenmanagements in Nonprofit-Organisationen. Nadine Bachmann, MA MA ist Stipendiatin der EQUA Stiftung (München) und Projektmitarbeiterin am Institut für Controlling & Consulting der Johannes Kepler Universität Linz. Nach Masterabschlüssen in Germanistik und Kulturwirtschaft promoviert sie zum Thema der Stigmatisierung der unternehmerischen Insolvenz. Dr. Alexandra Bertschi-Michel ist wissenschaftliche Oberassistentin am Institut für Organisation und Personal der Universität Bern und als Beraterin von Familienunternehmen und KMU tätig. Ihr Doktorgrad wurde ihr 2016 am Center for Family Business der Universität St. Gallen verliehen und ihr wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt in der Familienunternehmensforschung. Assoz. Univ.-Prof. Dr. Markus Dick ist assoziierter Professor an der Abteilung für Corporate Finance, Institut für betriebliche Finanzwirtschaft, der Johannes Kepler Universität Linz. Seine Forschungsinteressen liegen insbesondere in der Finanzierung und Corporate Governance von Familienunternehmen sowie der Finanzierung in Emerging Markets.

12

Über die Autoren

a.Univ.-Prof. Dr. Christine Duller ist am Institut für Angewandte Statistik der Johannes Kepler Universität Linz tätig. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen in der Nichtparametrischen Statistik und in der Angewandten Statistik (meist in den Bereichen Betriebswirtschaft oder Medizin). Associate Professor Dr. Christoph Endenich forscht und lehrt an der ESSEC Business School, Paris. Seine Forschungsschwerpunkte liegen vor allem in den Bereichen Performance Measurement und Management Kontroll-Systeme in wissensintensiven Branchen. Univ.-Prof. Dr. Birgit Feldbauer-Durstmüller ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre/Controlling und Vorstand des Instituts für Controlling & Consulting der Johannes Kepler Universität Linz. Ihre Forschungsbereiche liegen im Controlling unter Einbeziehung spezieller Kontextfaktoren wie Familienunternehmen und KMU, Krisenmanagement – Sanierung – Insolvenz sowie Management und Religion. Tanja Fellner, MSc leitet als Entity-Controllerin den Finanzbereich eines internationalen Großkonzerns in der Automobilindustrie. Ihr Masterstudium Finance and Accounting absolvierte sie an der Johannes Kepler Universität in Linz. Dr. Bernhard Gärtner ist Lektor im Studiengang Mechatronik und Wirtschaft sowie Verfahrenstechnische Produktion an der Fachhochschule Oberösterreich und Forschungspartner des Instituts für Controlling & Consulting der Johannes Kepler Universität Linz. Seine Forschungsinteressen umfassen ERP-Systeme, Digitalisierung und Controlling-Fragestellungen. Univ.-Prof. Dr. Dorothea Greiling ist Vorstand des Instituts für Management Accounting an der Johannes Kepler Universität Linz. Ihre Forschungsgebiete liegen im Bereich des strategischen und verhaltenswissenschaftlichen Management Accountings sowie im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Univ.-Prof. Dr. Andreas Hack ist Direktor des Instituts für Organisation und Personal der Universität Bern und Gastprofessor am Institut für Familienunternehmen der Universität Witten/Herdecke. Seine Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit den Besonderheiten von Familienunternehmen und deren Auswirkungen auf betriebswirtschaftliches Handeln.

Über die Autoren

13

Melanie Heidlmayer studiert seit September 2014 Wirtschaftspädagogik und Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Controlling an der Johannes Kepler Universität Linz. Sie befasst sich vor allem mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers. Assoz. Univ.-Prof. Dr. Rafael Heinzelmann ist assoziierter Universitätsprofessor an der School of Business and Law, Universität Agder, Kristiansand, Norwegen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Performance Management, Budgetierung, Controlling und IT, Rolle von Controllern sowie der komparativen Controllingforschung. Univ.-Prof. Dr. Martin R.W. Hiebl ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Management Accounting and Control an der Universität Siegen. Seine Forschung konzentriert sich u. a. auf Controlling und strategisches Management in KMU und Familienunternehmen. Mag. Wolfgang Hora ist neben seiner Funktion als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Entrepreneurship an der Universität Liechtenstein als selbständiger Unternehmensberater tätig. Seine Forschung richtet sich auf den Bereich Entrepreneurship. Univ.-Prof. Dr. Norbert Kailer ist Vorstand des Instituts für Unternehmensgründung und Unternehmensentwicklung der Johannes Kepler Universität Linz, psychologischer Berater und Supervisor. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Entrepreneurship, Kompetenzentwicklung, Kooperation von StartUps und Großunternehmen, sinnzentrierte Gründung und Führung. Jürgen Konyen, MSc, CPM ist Rentenportfoliomanager mit Schwerpunkt Unternehmensanleihen bei der Kepler-Fonds KAG in Linz. Zuvor war er als Projektmitarbeiter in der Abteilung für Asset Management, Institut für betriebliche Finanzwirtschaft der Johannes Kepler Universität Linz tätig und beschäftigte sich mit Fragen der Bankenregulierung und der Effizienz von Private-Banking-Anbietern. Dr. David Kronawettleitner ist Professor für Anlagenbau und Projektmanagement der FH Oberösterreich, Campus Wels und verfügt über mehrjährige Erfahrung als Projektleiter im Bereich Anlagenbau. Er ist darüber hinaus selbständig als Unternehmensberater für Projektmanagement tätig.

14

Über die Autoren

Dr. Michael Kuttner ist Lektor im Fachbereich Controlling und Finance im Studiengang Betriebswirtschaft der Fachhochschule Salzburg und Forschungspartner des Instituts für Controlling & Consulting der Johannes Kepler Universität Linz. Seine Forschungsinteressen umfassen Corporate Social Responsibility und Controlling-Fragestellungen. FH-Prof. Dr. Albert Mayr ist Professor für Controlling an der FH Oberösterreich, Fakultät für Management. Seine Forschungsbereiche liegen im Controlling und Kostenmanagement. Er ist Regionalleiter Österreich des Internationalen Controllervereins und Managementtrainer. Assoz. Univ-Prof. Dr. Stefan Mayr ist stellvertretender Vorstand des Instituts für Controlling & Consulting der Johannes Kepler Universität Linz mit den wissenschaftlichen Schwerpunkten Unternehmenssanierung, Controlling und CSR. Er ist als Unternehmensberater und Trainer tätig. Priv.-Doz. FH-Prof. Dr. Christine Mitter leitet den Fachbereich Controlling und Finance im Studiengang Betriebswirtschaft der Fachhochschule Salzburg. Ihre Forschungsinteressen liegen in den Bereichen Krisenmanagement, Controlling in KMU und Familienunternehmen. Ao.Univ.-Prof. Dr. Gernot Mödritscher lehrt Controlling und Strategische Unternehmensführung an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt, Österreich. Er beschäftigt sich mit den Themen Digitalisierung von Geschäftsmodellen, Digitalisierung im Controlling, qualitatives Unternehmenswachstum und Customer Value Management. FH-Prof. Dr. Sandra Mühlböck ist Professorin für Industriebetriebslehre und Produktentwicklung an der FH Oberösterreich, Campus Wels und verfügt über mehrjährige Praxiserfahrung im Bereich Innovations- und F&E-Controlling. Ihre Forschungsbereiche liegen im Bereich Controlling, Projektsteuerung und Geschäftsmodellentwicklung. Univ.-Prof. Dr. Robert Obermaier ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Accounting und Controlling und leitet das Center for Digital Business Transformation an der Universität Passau. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Controlling, Unternehmensbewertung, Produktion und Entscheidungstheorie.

Über die Autoren

15

Mag. Daniel Pabinger ist Universitätsassistent am Institut für Controlling & Consulting der Johannes Kepler Universität Linz mit den wissenschaftlichen Schwerpunkten Digitalisierung und Controlling und promoviert zu diesem Themenbereich. Mag. Dietmar Ploier ist Wirtschaftsprüfer in Wels und Universitätslektor an der Johannes Kepler Universität Linz. Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit beschäftigt er sich intensiv mit der Digitalisierung im Rechnungswesen. Dr. Christoph Reuter ist als Unternehmensberater beim zeb tätig. Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Dr. Werner Jackstädt-Stiftungslehrstuhl für Controlling und Unternehmenssteuerung an der Universität Witten/Herdecke, wo er sich mit dem Einfluss neuer Technologien auf die Unternehmenssteuerung befasste. Ass.-Prof. Dr. Eva Rohn, LLM.oec. ist Assistenzprofessorin im Bereich der Steuerlehre und Rechnungslegung am Fachbereich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Paris-Lodron-Universität Salzburg sowie Fachvortragende und Fachbuchautorin insbesondere zu Themen der Rechnungslegung. Dr. Martina Sageder ist Senior Lecturer im Fachbereich Controlling & Finance, Studiengang Betriebswirtschaft an der FH Salzburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Controlling im internationalen Kontext sowie Familienunternehmen und KMU. Mag. Johannes Slacik ist Universitätsassistent am Institut für Management Accounting der Johannes Kepler Universität Linz sowie Inhaber einer Unternehmensberatungskanzlei. Sein besonderes Forschungsinteresse liegt im Bereich der Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Mag. Andreas Stadler arbeitet als Financial Controller für ein Wiener Krebsforschungsunternehmen. Davor war er im Konzerncontrolling eines internationalen Logistikdienstleisters tätig.

16

Über die Autoren

Univ.-Prof. Dr. Erik Strauß ist Inhaber des Dr. Werner JackstädtStiftungslehrstuhls für Controlling und Unternehmenssteuerung an der Universität Witten/Herdecke. Seine Forschungsbereiche liegen im Einfluss neuer Technologien auf das Controlling, dem Change Management innerhalb der Finanzfunktion und der Rolle des Controllers. Johannes Thaller ist studentischer Mitarbeiter in der Forschung am Institut für Controlling & Consulting der Johannes Kepler Universität Linz und studiert seit 2015 Wirtschaftspädagogik mit den Schwerpunkten Controlling und Volkswirtschaftslehre. Univ.-Prof. Dr. Rouven Trapp ist Inhaber der Professur für Controlling & Gesundheitsmanagement am Institut für Controlling der Universität Ulm. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen das Controlling im Krankenhauswesen sowie Management Kontroll-Systeme und Risikomanagement und -controlling. Univ.-Prof. Dr. Sabine Urnik ist Vizedekanin der Rechtswissenschaftlichen Fakultät und Universitätsprofessorin für Rechnungslegung und Steuerlehre am Fachbereich für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Paris-LodronUniversität Salzburg. Assoz. Univ.-Prof. Dr. Eva Wagner ist assoziierte Universitätsprofessorin an der Abteilung für Corporate Finance, Institut für betriebliche Finanzwirtschaft der Johannes Kepler Universität Linz mit den wissenschaftlichen Schwerpunkten CSR, Familienunternehmen sowie Kreditrisiko. Univ.-Prof. Dr. Friederike Wall ist Inhaberin der Professur für Controlling und Strategische Unternehmensführung und Vizerektorin für Forschung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Österreich. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der agentenbasierten Simulation im Controlling sowie in der Evolution von Management Kontroll-Systemen. Dr. Katja Wiedemann ist Senior Lecturer im Fachbereich Human Resource Management & Leadership, Studiengang Betriebswirtschaft an der FH Salzburg. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Befähigung von Führungskräften und Mitarbeitern für die Arbeitswelt 4.0.

Über die Autoren

17

Dr. Thomas Wittig ist Geschäftsführer eines mittelständischen Maschinenbauunternehmens in der Nähe von Düsseldorf. Er promovierte 2016 an der Universität Witten/Herdecke. Seine Forschung fokussiert sich auf die Analyse von Veränderungssituationen in KMU und den Besonderheiten von Familienunternehmen in solchen Situationen. Dr. Tanja Wolf ist seit 2018 als Senior Scientist am Institut für Controlling & Consulting der Johannes Kepler Universität Linz tätig, dem Institut jedoch seit 1996 als Universitätsassistentin oder als Lektorin verbunden. Forschungsschwerpunkte sind Controlling-spezifische Themen, wie Controlling in KMU und Anforderungen an Controller.

I

Digitalisierung

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers

Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer 1.

Einleitung

Digitalisierung wird in der Wissenschaft und Praxis als maßgebendes Thema der Zukunft diskutiert. Der Themenkomplex Digitalisierung und dessen Auswirkungen lassen sich aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. 1 Digitalisierung bedeutet nicht nur die Umwandlung von analogen in digitale Darstellungen,2 sondern umfasst aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Veränderungen des Kundenverhaltens und der Märkte durch digitale Technologien, sowie den notwendigen Wandel von Geschäftsmodellen, Wertschöpfungsketten und Organisationsstrukturen in den Unternehmen. 3 Digitalisierung führt somit neben den Veränderungen im Bereich Daten und Informationen zu tiefgreifenden Umgestaltungen von Branchen und Unternehmen. Beabsichtigt der Controller seine Rolle als Business Partner weiterhin kompetent auszuüben, wird er ein entsprechendes Verständnis für die Möglichkeiten und Wirkungen digitaler Informationen auf Geschäftsmodelle und Prozesse benötigen. 4 Der Umgang mit Informationen wird traditionell als eine Stärke des Controllers gesehen und durch die Informationsversorgung als zentrale Aufgabe war der Controller mit der IT (Informationstechnologie) stets eng verbunden.5 Die Informationsversorgung wird durch die 1

2 3 4 5

Vgl. Hamidian/Kraijo (2013), S. 11 f.; Mertens et al. (2017), S. 35 ff.; Wolf/Strohschen (2018), S. 56; Becker/Pflaum (2019), S. 4; Nobach (2019), S. 247. Vgl. Baker (2015), S. 20; Mertens et al. (2017), S. 35; Becker (2019), S. 15 ff. Vgl. Berman (2012), S. 16 ff.; Bühler/Maas (2017), S. 46. Vgl. Seufert et al. (2017), S. 48; Nobach (2019), S. 265. Vgl. Biel et al. (2017), S. 38 ff.; Gärtner/Hiebl (2018), S. 2; Heimel/Müller (2019), S. 397.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_1

22

Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer

Digitalisierung auf eine neue Basis gestellt, denn es geht nicht mehr allein darum, Informationen als Grundlage für Entscheidungen aufzubereiten, sondern Informationen als strategische Ressourcen zu betrachten, welche Geschäftsmodelle grundlegend verändern. Die Digitalisierung führt zu einer Neuausrichtung der Aufgaben und Rollen in der Informationsversorgung, folglich entstehen Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen für den Controller. 6 Die Literatur zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf den Controller diskutiert vorrangig dessen neue Aufgaben, Instrumente und Kompetenzen. 7 Eine kritische Auseinandersetzung mit der Digitalisierung findet kaum statt, da dies häufig als Fortschrittsverweigerung angesehen wird. Der Controller ist jedoch gefordert, die Digitalisierung kritisch zu betrachten, da auf eine veränderte Bedeutung der Rolle des Controllers hingewiesen wird. Es werden Bedenken geäußert, dass die Zahl der Controller zurückgehen und diese überflüssig werden könnten.8 Welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Rolle des Controllers haben wird, ist bisher kaum systematisch erforscht.9 Einerseits werden neue Rollen wie der Data Scientist,10 der digitale Controller,11 der Business Analyst,12 oder der Chief Digital Performance Officer 13 angeführt, andererseits wird angegeben, dass durch die Digitalisierung die Rolle des Business Partners nochmals gestärkt wird.14 Die Rollen werden in der Literatur überwiegend skizzenhaft dargestellt und nur ansatzweise mit konkreten Kompetenzen verknüpft. Die Rollenbeschreibungen beinhalten Überschneidungen und in manchen Artikeln wird nur auf Auswirkungen von Teilaspekten, wie Big Data oder Business Analytics eingegangen.15 Ziel dieses Beitrages ist es, die wesentlichen Auswirkungen der Digitalisierung auf den Controller darzustellen, mögliche neue Rollen zu

6

7

8

9 10

11 12 13 14 15

Vgl. Deinert (2012), S. 110; Streibich (2012), S. 102; Biel et al. (2017), S. 38 ff.; Seufert et al. (2017), S. 51 ff.; Gärtner/Hiebl (2018), S. 1. Vgl. Azan/Bollecker (2011) S. 190; Malinić/Todorović (2012), S. 741 ff.; Schönbohm/Egle (2016), S. 5; Schulte/Bülchmann (2016), S. 57 f.; Seufert/Treitz (2017), S. 13 ff.; Drerup et al. (2018), S. 16; Rieg (2018), S. 203; Heidlmayer (2019), o. S. Vgl. Becker et al. (2016), S. 116; Kieninger et al. (2016), S.8; Oehler et al. (2016), S. 62; Schäffer/Weber (2016), S. 9 ff.; Biel et al. (2017), S. 43; Dufft (2018), S. 38; Mayer/Wiesehahn (2018), S. 30; Nobach (2019), S. 252. Vgl. Deinert (2012), S. 110; Weber et al. (2012), S. 105; Schäffer/Weber (2016), S. 15 f. Vgl. Kieninger et al. (2015), S. 7; Schulte/Bülchmann (2016), S. 57; Steiner/Welker (2016), S. 69 f.; Weber (2018), S. 22. Vgl. Ploss (2016), S. 60; Egle/Keimer (2018), S. 49 ff. Vgl. Lederer Antonucci/Goeke (2011), S. 127 ff.; Sonteya/Seymour (2012), S. 43 ff. Vgl. Schönbohm/Egle (2016), S. 8. Vgl. Wiegmann et al. (2014), S. 201; Schulte/Bülchmann (2016), S. 56 f.; Drerup et al. (2018), S. 12. Vgl. Oehler et al. (2016), S. 62 ff.; Schulte/Bülchmann (2016), S. 55 ff.; Mödritscher/Wall (2017), S. 422 ff.; Nielsen (2018), S. 67 ff.; Rikhardsson/Yigitbasioglu (2018), S. 37 ff.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers

23

beschreiben und kritisch zu hinterfragen.16 Der Beitrag setzt sich aus sechs Kapiteln zusammen. Kapitel zwei beinhaltet begriffliche Abgrenzungen und in Kapitel drei wird die Rollentheorie als theoretische Basis skizziert. Anschließend beschreibt Kapitel vier das aktuelle Rollenverständnis als Ausgangsbasis, um in Kapitel fünf die wesentlichen Herausforderungen der Digitalisierung für den Controller sowie mögliche neue Rollen diskutieren zu können. Resümee und kritische Reflexion bieten einen abschließenden Überblick. 2.

Begriffliche Abgrenzungen

2.1. Digitalisierung Für die Digitalisierung konnte sich bisher noch kein einheitliches Begriffsverständnis in der Betriebswirtschaft etablieren.17 Die betriebswirtschaftliche Forschung ist zu diesem Thema noch überschaubar, es stehen praktisch-orientierte und von Beratungen dominierte Publikationen im Vordergrund. 18 Das Spektrum der Definitionen reicht von technischen Erklärungen bis zunehmender Berücksichtigung ökonomischer Aspekte. Während im englischen Sprachgebrauch eine Unterscheidung zwischen „digitization“ als Beschreibung des technischen Umwandlungsprozesses von analogen in digitale Daten und „digitalization“ als Veränderung der Alltagswelten durch digitale Technologien unterschieden wird, gibt es im deutschen Sprachgebrauch diese Unterscheidung nicht. Digitalisierung kann für beide Bedeutungsinhalte herangezogen werden. Um jedoch vermehrt die Veränderung der Alltagswelten zu betonen, wird der Begriff „digitale Transformation“ verwendet.19 Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive geht es in erster Linie um den Zusammenhang zwischen Digitalisierung und der Transformation von Geschäftsmodellen. Daher wird in diesem Beitrag Digitalisierung als strategisch orientierte Umgestaltung von Geschäftsmodellen unter Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien verstanden.20 Als Geschäftsmodell wird die vereinfachende, jedoch strukturgebende Darstellung von 16

17

18 19

20

Der Beitrag greift auf eine Literaturanalyse im Rahmen einer Diplomarbeit am Institut für Controlling & Consulting bezüglich der Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers zurück, wobei sich die Diplomarbeit von Frau Heidlmayer noch in Arbeit befindet. Vgl. Krickel (2015), S. 42; Mertens et al. (2017), S. 54 ff.; Schauberger (2017), S. 19; Wolf/Strohschen (2018), S. 57; Nobach (2019), S. 248. Vgl. Schulte/Bülchmann (2016), S. 54 ff.; Seufert/Treitz (2017), S. 16; Becker (2019), S. 17. Vgl. Bühler/Maas (2017), S. 46; Seufert et al. (2017), S. 48 ff.; Singh/Hess (2017), S. 1 ff.; Becker/Pflaum (2019), S. 7 ff. Vgl. Becker et al. (2015), S. 263 ff.; Becker/Pflaum (2019), S. 9; Nobach (2019), S. 248.

24

Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer

ausgewählten Aspekten des Unternehmens, dessen Ressourcentransformation und Austauschbeziehungen mit anderen Marktteilnehmern verstanden. 21 2.2. Controller Grundsätzlich ist unter dem Controller ein Stelleninhaber zu verstehen, der für Manager bestimmte Aufgaben wahrnimmt, wobei jedoch von einem sehr vielfältigen Aufgabenspektrum auszugehen ist. Controller werden als hochqualifizierte Mitarbeiter betrachtet, die aus Akzeptanzgründen dem Anforderungsniveau von Managern nicht nachstehen.22 Als wesentliche Aufgaben des Controllers werden Planung, Kontrolle, Steuerung, Berichtswesen, Entscheidungsunterstützung und Performance Measurement genannt. 23 Der Controller hat Planungs- und Kontrollsysteme aufzubauen, Informationen aufzubereiten, sowie Ergebnisse und daraus abzuleitende Konsequenzen darzustellen. Dabei hat er dafür zu sorgen, dass die Informationsempfänger die Informationen verstehen und als Basis von Entscheidungen in den richtigen Gesamtzusammenhang bringen. 24 Der Controller hat sich vom Informationslieferanten zum Koordinator und betriebswirtschaftlichen Berater entwickelt, der die Rationalität im Unternehmen sichert. Der Controller wird als Business Partner des Managements propagiert und es wird eine immer stärkere Entscheidungsbeteiligung beobachtet. Die Digitalisierung stellt dem Controller Informationen zur Verfügung, welche seine Entscheidungsunterstützung erweitern.25 3.

Rollentheorie als theoretischer Bezugsrahmen

Der Rollenbegriff stammt aus der antiken Theaterwelt, in der die gewünschten Verhaltensweisen und Charaktere der Schauspieler auf hölzernen, mit Pergament umwickelten Rollen erfasst wurden. Ab den 1920er Jahren wurde der Rollenbegriff in der Wissenschaft verwendet. Dahrendorf definierte die soziale Rolle als Gesamtheit der Ansprüche, welche die Gesellschaft an den jeweiligen Träger einer Rolle bezüglich Verhalten, Aufgaben, Charakter und Erscheinungsbild 21 22

23

24 25

Vgl. Schoegel (2001), S. 7 ff.; Becker/Ulrich (2013), S. 12 ff.; Becker (2019), S. 18. Vgl. Becker et al. (2012), S. 208 ff.; Preis (2012), S. 9 ff.; Küpper et al. (2013), S. 694 ff.; Mitter/Mühlberger (2014), S. 94 ff.; Weber/Schäffer (2016), S. 491 ff. Vgl. Rom/Rohde (2007), S. 40 ff.; Atkinson et al. (2011), S. 3 ff.; Rikhardsson/Yigitbasioglu (2018), S. 38. Vgl. Becker (2005), S. 10 ff.; Horváth et al. (2015), S. 22 ff. Vgl. Weber/Schäffer (1999), S. 734 ff.; Horváth et al. (2015), S. 25 ff.; Biel et al. (2017), S. 38 ff.; Gärtner/Hiebl (2018), S. 2; Heimel/Müller (2019), S. 397.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers

25

stellt. Grundsätzlich sind zwei Perspektiven auf Rollen zu unterscheiden: Während die funktionalistische Sichtweise Rolle eher unveränderlich als ein Set an verhaltensspezifischen Erwartungen betreffend der Aufgabenerfüllung bestimmter Positionen betrachtet, geht die interaktionistische Perspektive davon aus, dass Rollen sich entwickeln und zwischen Individuen verhandelt werden. 26 Rollentheorien werden in der deutschsprachigen Controller-Literatur wie auch in internationalen Publikationen verwendet. 27 Als theoretischer Bezugsrahmen wird in der Literatur zumeist die Rollentheorie von Katz und Kahn herangezogen, in der Rollen als spezifische Formen des Verhaltens beschrieben werden, die mit bestimmten Positionen verbunden sind. Dabei wird explizit festgehalten, dass es bei Rollen in erster Linie um Erwartungen bezüglich der Aufgabenerfüllung geht.28 Bei Katz und Kahn stehen die Rollenbeziehungen zwischen den Organisationsmitgliedern im Vordergrund: Rollenerwartungen werden dem Rollenempfänger übermittelt, um dessen Verhalten zu beeinflussen und als gesendete Rolle des Rollensenders bezeichnet. Diese Erwartungen beinhalten, welche Aufgaben zu verrichten sind, welche Kompetenzen der Rollenempfänger besitzt und wie er sich anderen Mitgliedern gegenüber zu verhalten hat. Der Rollenempfänger nimmt diese Erwartungen als empfangene Rolle auf und reagiert auf diese. Es findet eine Rückkoppelung über das Rollenverhalten des Rollenempfängers zum Rollensender statt, der wiederum seine Erwartungen revidiert.29 Der Prozess der Rollenentstehung wird als ein zyklischer Vorgang betrachtet, der von organisatorischen, individuellen und interpersonellen Kontextfaktoren beeinflusst wird. Rollen werden in einem bestimmten Ausmaß von organisatorischen Einflussfaktoren wie Unternehmensgröße, Organisationsstruktur, Technologie und Anreizsysteme geprägt. Zusätzlich sind die persönlichen Eigenschaften des Rolleninhabers, seine Kompetenzen, Motive und Werte entscheidend. Ebenso beeinflussen zwischenmenschliche Beziehungen die Rolle, da die Erwartungen, die an die Rolleninhaber gespiegelt und von ihm wahrgenommen werden, auch von der Qualität der Beziehung zu den anderen Organisationsmitgliedern abhängen.30 Controller haben nicht nur die Erwartungen ihrer Vorgesetzten, Kollegen und der Manager zu berücksichtigen, sondern besitzen Erwartungen an sich selbst. Daher wird auf die Identität des Rolleninhabers verwiesen, welche die Ziele, Werte, Überzeugungen und Normen umfasst, die mit einer Rolle verbun26

27

28 29 30

Vgl. Linton (1936), S. 113; Claessens (1974), S 12 f.; Ashforth (2000), S. 3 ff.; Dahrendorf (2006), S. 26 ff.; Heidlmayer (2019), o. S. Vgl. z. B. Burns/Baldvinsdottir (2005); Byrne/Pierce (2007); Goretzki et al. (2010); Goretzki/Weber (2010); Goretzki et al. (2013). Vgl. Katz/Kahn (1966) S. 179 ff.; Katz/Kahn (1978) S. 43 ff. Vgl. Kahn et al. (1964), S. 11 ff.; Neuberger (1976), S. 79; Katz/Kahn (1978), S. 194 ff. Vgl. Katz/Kahn (1978), S. 184 ff.

26

Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer

den sind. Rolle und Identität sind eng verknüpft: Externe Beschreibungen beeinflussen wie Rolleninhaber über ihre Rolle nachdenken, die Identität einer Person wirkt auf die Art und Weise, wie diese Rolle ausgeübt wird. 31 Rollenveränderungen des Controllers bedürfen der Berücksichtigung beider Betrachtungsweisen: Jener der Rolle, welche auf die äußere Erscheinungsform, Interaktionen und Organisationsstrukturen fokussiert und jene der Identität, welche das Innere und die Selbst-Definition der Rolleninhaber in den Vordergrund stellt. Rollenveränderungen sind komplexe soziale Prozesse und benötigen nicht nur die Bereitschaft des Controllers, sondern auch die Unterstützung vom Management. Zusätzlich zur organisationalen Einbettung neuer Rollen ist deren institutionelle Verankerung in Berufsverbänden, Controller-Vereinigungen und Universitäten entscheidend.32 4.

Aktuelles Rollenverständnis des Controllers

In zahlreichen deutschsprachigen,33 aber auch internationalen Beiträgen34 wird der Rollenwandel des Controllers vom Erbsenzähler zum Business Partner thematisiert. In der Literatur wird der Erbsenzähler als distanziert, auf Kosten und Details konzentriert, ohne ausgeprägte Kontaktaufnahme mit Management und anderen Abteilungen beschrieben. Im Gegensatz dazu wird der Business Partner als proaktive und vorausschauende Rolle dargestellt, in welcher der Controller unternehmensorientiert und ganzheitlich agiert.35 Institutionen, wie der Controllerverein im deutschsprachigen Raum oder Berufsverbände im angloamerikanischen Bereich, sowie Hochschulen, Wissenschaftler, und Berater propagieren die BusinessPartner-Rolle des Controllers. Dabei geht es auch um Überlegungen, den Status einer Berufsgruppe zu festigen und auszubauen. Der Internationale Controllerverein (ICV) betont in seinem Leitbild, dass Controller als Partner des Managements einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg eines Unternehmens leisten.36 Die Business-Partner-Rolle hängt entscheidend von den Beziehungen zum Management ab, welche jedoch nicht immer friedlich und stabil sind. Studien 31

32

33 34 35

36

Vgl. Barley (1989), S. 41 ff.; Ashfort (2000), S. 6; Chreim et al. (2007), S. 1517 ff.; Goretzki (2012), S. 64 ff.; Preis (2012), S. 77 f.; Goretzki et al. (2013), S. 43; Heinzelmann (2018), S. 466 ff. Vgl. Chreim et al. (2007), S. 1523 ff.; Goretzki (2012), S. 64 ff.; Goretzki et al. (2013), S. 43 ff.; Vereinfachend wird in der Controlling-Literatur – wie auch in diesem Beitrag – zumeist von der Rolle des Controllers gesprochen, dahinter befinden sich jedoch komplexere theoretische Überlegungen. Siehe dazu Goretzki/Weber (2012); Schäffer/Weber (2012); Wiegmann et al. (2014). Siehe dazu Friedman/Lyne (1997); Granlund/Lukka (1998); Järvenpää (2007). Vgl. Granlund/Lukka (1997), S. 213 ff.; Friedman/Lyne (2001), S. 423 ff.; Byrne/Pierce (2007), S. 469 ff; Järvenpää (2007), S. 115; Baldvinsdottir et al. (2009), S. 858 ff; Goretzki et al. (2013), S. 59; Heidlmayer (2019), o. S.; Langmann (2019), S. 42. Vgl. Ahrens/Chapmann (2000), S. 480 ff.; Goretzki et al. (2013), S. 41 ff.; ICV (2013), Internet.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers

27

beschreiben die Schwierigkeiten für Controller, die Erwartungen der Manager richtig zu interpretieren. Controller haben sich an unterschiedliche ManagementStile anzupassen und Spannungen zu meistern, wenn eine vermehrte Entscheidungseinbindung von Managern nicht erwünscht ist. Entwickeln sich Controller zu Business Partnern, müssen Manager einen Teil ihrer Macht an diese abgeben. Konflikte sind möglich, denn Manager müssen überzeugt sein, dass die vermehrte Entscheidungseinbindung von Controllern auch zu besseren Ergebnissen führt. Stärkere Entscheidungsbeteiligung des Controllers setzt eine gemeinsame Betrachtungsweise der Business-Partner-Rolle von Controllern und Managern voraus.37 Unterschiedliche Rollenerwartungen und mögliche Konflikte zwischen der Unabhängigkeit des Controllers und seiner Zusammenarbeit mit dem Management werden seit den 1980er Jahren diskutiert. Einerseits soll der Controller gemeinsam mit dem Management an Entscheidungen aktiv mitwirken, anderseits bedarf er einer für seine Kontroll- und Governance-Aufgaben entsprechenden Unabhängigkeit.38 Manche Autoren betonen, dass es sich beim Business Partner lediglich um eine Rollenerweiterung und nicht um eine neue Rolle handelt. Studien zeigen, dass Controller eine Erweiterung ihrer Aufgaben erfahren und vermehrt höherwertige Analysen ausführen. Diese veränderten Aufgaben haben jedoch die ursprünglichen Tätigkeiten des Controllers nicht ersetzt, sondern nur ergänzt. Die Literatur diskutiert „hybride“ Rollen, da Controller zugleich Erbsenzählerund Business-Partner-Tätigkeiten ausführen. Diese Hybridität, daraus resultierende Unklarheiten und die angeführten Konflikte zwischen Unabhängigkeit und enger Zusammenarbeit deuten an, dass sich die Rolle des Business Partners nicht immer als eindeutige Rolle präsentiert.39 5.

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers

5.1. Wesentliche Herausforderungen für den Controller Die Digitalisierung verändert nicht nur Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten, sondern überdies die Unternehmenssteuerung. Zukünftige Unterneh37

38

39

Vgl. Pierce/O’Dea (2003), S. 259 ff.; Burns/Baldvinsdottir (2005), S. 732 ff.; Byrne/Pierce (2007), S. 470 ff.; Windeck et al., (2015), S. 617 ff. Vgl. Hopper (1980), S. 401 ff.; Sathe (1983), S. 31 ff.; Matherly et al. (2005), S. 19 ff.; Byrne/Pierce (2007), S. 486 ff.; de Loo et al. (2011), S. 289 ff.; Goretzki/Weber (2012), S. 25 f.; Gänßlen et al. (2013), S. 59. Vgl. Friedman/Lyne (1997), S. 32 ff.; Granlund/Lukka (1998), S. 185 ff.; Caglio (2003), S. 123 ff.; Burns/Baldvinsdottir (2005), S. 725 ff.; Byrne/Pierce (2007), S. 123 ff.; Goretzki (2012), S. 62 ff.; Horton/Wanderley (2018), S. 40 ff.; Rieg (2018), S. 183 ff.

28

Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer

mensstrukturen werden als flexibel und agil beschrieben, da agile Unternehmen Umweltveränderungen rasch wahrnehmen und schnell auf diese reagieren können.40 In der Literatur werden die Herausforderungen für den Controller aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert, einige Gemeinsamkeiten sind jedoch erkennbar: Angeführt werden veränderte Datenverfügbarkeit durch Big Data und verbesserte Analysemöglichkeiten durch Business Analytics,41 grundlegende Umgestaltungen der Unternehmenssteuerung, Änderungen in Kompetenzen, Rolle und Denkweisen des Controllers sowie die Entwicklung einer neuen Leistungskultur.42

Abb. 1: Herausforderungen für den Controller Da Katz und Kahn anführen, dass es sich bei Rollen in erster Linie um Erwartungen bezüglich der Aufgabenerfüllung handelt,43 sollen die Herausforderungen für den Controller anhand dessen zentraler Aufgabenfelder erläutert werden. Die Informationsversorgung gehört auch in der digitalen Transformation zu den elementaren Aufgaben des Controllers. Digitalisierung führt zu einer verstärkten Vernetzung über Unternehmensgrenzen hinweg, interne und externe, strukturierte, aber auch unstrukturierte Daten sind vermehrt für die Unternehmenssteuerung 40

41

42

43

Vgl. Dove (2005), S. 313 ff.; Overby et al. (2006), S. 120 ff.; Kieninger et al. (2015), S. 3 ff.; Egle/Keimer (2018), S. 49 f.; Wolf/Strohschen (2018), S. 57 ff. Vgl. Oehler et al. (2016), S. 62 ff.; Schäffer/Weber (2016), S. 10; Biel et al. (2017), S. 40; Mödritscher/Wall (2017), S. 422 ff.; Nielsen (2018), S. 167 ff.; Heimel/Müller (2019), S. 398; Nobach (2019), S. 253 ff. Vgl. Franken (2015), S. 130 f.; Kieninger et al. (2015), S. 4 ff.; Schäffer/Weber (2016), S. 10; Schönbohm/Egle (2016), S. 5 ff.; Biel et al. (2017), S. 40. Vgl. Katz/Kahn (1978) S. 43 ff.; Nobach (2019), S. 253 ff.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers

29

verfügbar. Der Controller ist gefordert, die insgesamt breitere Informationsbasis für die Unternehmenssteuerung aufzubereiten. 44 Bei der Gestaltung und Weiterentwicklung der Informationsversorgung hat sich der Controller mit den Forderungen der Manager nach zusätzlichen Informationen und Beratung sowie entsprechenden Herausforderungen bezüglich Qualität, Konsistenz, Verfügbarkeit und Sicherheit der Daten auseinanderzusetzen. Die Aufnahme neuer digitaler Datenquellen und der Anstieg des Datenvolumens führen zu Konsequenzen für das Datenmanagement, dabei kommt fehlerfreien Roh- und Stammdaten eine entscheidende Bedeutung zu. Der Controller hat durch die Erstellung zentraler Richtlinien die Datensicherheit, -qualität, -verfügbarkeit und -konsistenz sicherzustellen, damit die Verwendung unterschiedlichster Daten nicht zu inkonsistenten dezentralen Ansätzen und suboptimaler Informationsversorgung führt.45 Es wird von fundamentalen Veränderungen in den Steuerungsprozessen und von einem Paradigmenwechsel von reaktiv-analytischen zu proaktivprognostizierenden Prozessen ausgegangen. Der Controller hat sich stärker auf eine zukunftsorientierte Steuerung zu konzentrieren, denn die Digitalisierung bedingt ein rascheres, unterjähriges Agieren auf Basis einer schnellen, integrierten und agilen Unternehmenssteuerung. Vom Controller wird erwartet, das Steuerungssystem an den digitalen Wandel anzupassen und neue Steuerungsgrößen wie beispielsweise digitale Kennzahlen (Reichweiten, Interaktivität, Conversion Rate, Digital- und Online-Werbeumsätze) zu integrieren. Um seine Informationshoheit nicht zu verlieren, hat sich der Controller aktiv in digitale Projekte einzubringen und den Entscheidungsträgern aufzuzeigen, wie der Erfolg der digitalen Transformation zu messen und bewerten ist. 46 Im Bereich Planung, Forecasting und Kontrolle steht der Controller vor der Herausforderung der Verschlankung und Flexibilisierung der Planungsprozesse, einer verstärkten Automatisierung der Forecasts und dem Einsatz von Predictive Analytics.47 Eine teilweise automatisierte Planung bewirkt freie Controller-Kapazitäten, daher wird im Rahmen der Planung mehr Entscheidungsund Szenario-Orientierung, ein höherer Integrationsgrad sowie eine vermehrte Beschäftigung mit disruptiven Veränderungen erwartet. Im Rahmen der strategischen Planung ist das Management bei der Erarbeitung und Umsetzung einer 44 45 46

47

Vgl. Kieninger et al. (2015), S. 4 ff.; Egle/Keimer (2018), S. 50. Vgl. Schäffer/Weber (2016), S. 9 f.; Biel et al. (2017), S. 42; Nobach (2019), S. 252 ff. Vgl. Kieninger et al. (2015), S. 3 ff.; Franken (2016), S. 67; Schönbohm/Egle (2016), S. 5ff.; Grönke et al. (2017), S. 97 ff.; Egle/Keimer (2018), S. 49 f.; Nobach (2019), S. 252 f. Vgl. Schönbohm/Egle (2016), S. 4; Nobach (2019), S. 253 ff. Im Rahmen von Business Analytics wird in Descriptive Analytics als vergangenheitsbezogene Analyse, Predictive Analytics als Prognose möglicher zukünftiger Ereignisse sowie Prescriptive Analytics im Sinne von Handlungsempfehlungen und möglichen Lösungsvorschlägen unterschieden. Siehe dazu Appelbaum et al. (2017), S. 32; Nielsen (2018), S. 170.

30

Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer

Digitalstrategie zu unterstützen. Die Planbarkeit des Geschäfts geht zurück und aktuelle Forecasts werden wichtiger. Es wird postuliert, dass durch PredictiveAnalytics erstellte, teilweise automatisierte Forecasts zum wesentlichen Startpunkt für Analysen werden und jährliche Steuerungszyklen sowie vergangenheitsbezogene Auswertungen an Bedeutung verlieren. Bei diesen normativen Aussagen der Literatur wird jedoch der enge Bezug des Controllings zu Rechnungswesen und Jahresabschluss vernachlässigt. Die abweichungs- und ex-postorientierte Steuerungslogik wird durch eine explorative real-time Optimierungslogik ergänzt, da Daten unabhängig von Soll-Ist-Abweichungen nach Optimierungspotenzialen durchsucht werden. 48 Im Aufgabenfeld Berichtswesen und Analysen werden eine steigende Bedeutung von Self-Service-Anwendungen, Automatisierung von Standardabweichungsanalysen, sowie zunehmende Nutzung von Business Analytics angeführt. Es kommt zu einer Verschiebung der Controllertätigkeiten, da bestimmte Aufgaben durch Self-Service-Anwendungen vom Management erledigt werden. 49 SelfControlling ist wie bereits in den 1990er Jahren50 wieder ein Thema, da Manager nicht nur Steuerungsinformationen direkt aus den Systemen erlangen, sondern standardisierte Analysen oder Diskussionen unterstützt durch Visualisierungsmöglichkeiten mit Echtzeitdaten und Simulationen auch ohne Controller möglich sind. Controller besitzen nicht mehr die Rolle des Gatekeepers der Informationen und Analysen werden nicht mehr als Mehrwert des Controllers gesehen, wenn diese standardisiert und personenunabhängig durchgeführt werden können. 51 Der Controller hat zu hinterfragen, ob durch Echtzeit-Reporting bessere Entscheidungen entstehen. Es besteht die Gefahr, dass in Meetings, je nach Zeitpunkt des Datenabrufs, unterschiedliche Informationen kursieren. Zudem wird kritisch angemerkt, dass Business Analytics nicht vor falschen Schlüssen schützt, wenn der Anwender die Ergebnisse nicht richtig interpretieren kann. 52 Business Analytics verändert die Datenanalysen und -interpretationen des Controllers, da er über seine bestehenden Berichte hinaus verfügbare Daten analysieren und wichtige Zusammenhänge entdecken kann, aber auch jene des Managements und anderer Abteilungen. Die neuen Auswertungsmöglichkeiten können zu unkoordinierten Ansätzen führen, welche bereichsübergreifende Zusammenhänge nicht berück-

48

49

50 51 52

Vgl. Kieninger et al. (2015), S. 4 ff.; Franken (2016), S. 67; Schäffer/Weber (2016), S. 11 ff.; Schönbohm/Egle (2017a), S. 224; Kappes/Leyk (2018), S. 5 ff. Vgl. Wiegmann et al. (2014), S. 200 f.; Brands/Holtzblatt (2015), S. 1 ff.; Nielsen (2018), S. 167 ff.; Nobach (2019), S. 253. Vgl. Deyhle (1992); Müller (1997). Vgl. Schäffer/Weber (2016), S. 10 f. Vgl. Mayer/Wiesehahn (2018), S. 31.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers

31

sichtigen und das Management mit inkonsistenten Entscheidungsvorschlägen versorgen, daher ist die Koordination durch den Controller entscheidend. 53 Zusätzlich werden Veränderungen in der Unternehmenskultur diskutiert, da die Generationen Y und Z eine neue Leistungskultur in die Unternehmen einbringen, welche die bisherige Planungs- und Kontrollkultur herausfordern wird.54 Für digitale Unternehmen mit agiler Projektmanagementkultur sowie kreativen und digitalaffinen Mitarbeitern wird eine Balance zwischen kreativen Freiräumen, Leistungstransparenz und -beurteilung relevant. Es werden Mitarbeiter mit Verständnis für Zusammenhänge, Fähigkeiten zur interdisziplinären Kommunikation, Lern- und Veränderungsbereitschaft und Selbstorganisation beschäftigt, welche die traditionellen Planungs- und Kontrollsysteme kritisch betrachten.55 Es stellt sich die Frage, wie der Controller seine Rolle als Garant der Leistungsorientierung auch in digitalen Unternehmen behaupten kann. Es werden neue Denkweisen gefordert, um mit der Volatilität, Unsicherheit und Ambiguität umgehen zu können. Dies ist herausfordernd für den Controller, dessen Denken von Berechenbarkeit, Kausalität und Objektivität geprägt ist. 56 Neben den Anforderungen technischer Natur bezüglich der Qualität und Verwertbarkeit von Informationen, geht es vor allem um die Etablierung einer digitalen Steuerung mit klaren Regeln sowie strukturierter Personal- und Organisationsentwicklung. Durch die Digitalisierung ergibt sich ein erweitertes Aufgabenfeld für den Controller, welches Rollenveränderungen bewirkt. 57 5.2. Neue Rollen des Controllers 5.2.1. Grundlegendes In der Controlling-Literatur werden mögliche Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers in mancher Hinsicht noch sehr vage beschrieben und bildhafte Beschreibungen wie Pathfinder, Innovator oder der bereits bekannte Navigator werden verwendet.58 Teilweise wird im Rahmen dieser Diskussionen

53

54 55 56 57 58

Vgl. Brands/Holzblatt (2015), S. 10 f.; Kieninger et al. (2015), S. 4 ff.; Egle/Keimer (2018), S. 50 f.; Nielsen (2018), S. 172 ff. Vgl. Franken (2016), S. 84 f.; Schönbohm/Egle (2016), S. 5 ff.; Heidlmayer (2019), o. S. Vgl. Franken (2015), S. 130 f.; Kieninger et al. (2015), S. 8; Schönbohm/Egle (2016), S. 5 ff. Vgl. Schönbohm/Egle (2016), S. 5 ff.; Dufft et al. (2018), S. 35. Vgl. Kieninger et al. (2015), S. 9 ff.; Mödritscher/Wall (2017), S. 419. Vgl. Schönbohm/Egle (2016), S. 4 ff.; Langmann (2019), S. 44 ff.

32

Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer

bereits auf einzelne Kompetenzen eingegangen.59 Als konkretere neue Rollen werden einerseits der Data Scientist, der digitale Controller, der Business Analyst oder der Chief Digital Performance Officer 60 diskutiert, andererseits wird angegeben, dass durch die Digitalisierung die Business-Partner-Rolle nochmals gestärkt wird.61 Wie in den folgenden Darstellungen ersichtlich, beinhalten die verschiedenen Rollenbeschreibungen Überschneidungen. 62

Abb. 2: Neue Rollen des Controllers

5.2.2. Business Partner 2.0 Da sich durch die Digitalisierung neue Geschäftsmodelle und -prozesse ergeben, ist der Controller als Business Partner gefragt, wenn er diese Rolle weiterhin kompetent ausfüllen möchte.63 Manche Autoren führen an, dass durch die Digitalisierung die Business-Partner-Rolle nochmals gestärkt wird, in diesem Zusam-

59

60

61

62

63

Vgl. Drerup et al. (2018), S. 12 f.; Egle/Keimer (2018), S. 49. Da den Kompetenzen des Controllers ein eigener Beitrag in diesem Buch gewidmet ist, soll im Folgenden auf diese nur partiell im Zusammenhang mit den Rollen eingegangen werden. Vgl. Kieninger et al. (2015), S. 7; Ploss (2016), S. 60; Schönbohm/Egle (2016), S. 8; Schulte/Bülchmann (2016), S. 57; Steiner/Welker (2016), S. 69 f.; Zschech et al. (2017), S. 25 ff.; Egle/Keimer (2018), S. 49 ff.; Weber (2018), S. 22. Vgl. Wiegmann et al. (2014), S. 201; Schulte/Bülchmann (2016), S. 56 f.; Drerup et al. (2018), S. 12; Nobach (2019), S. 265. Vgl. Kieninger et al. (2015), S. 7; Ploss (2016), S. 60; Schönbohm/Egle (2016), S. 8; Schulte/Bülchmann (2016), S. 57; Steiner/Welker (2016), S. 69 f.; Egle/Keimer (2018), S. 49 ff. Vgl. Seufert et al. (2017), S. 48.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers

33

menhang erfolgt auch die Bezeichnung „Business Partner 2.0“. 64 Dabei wird dessen Koordinationskompetenz betont, da die entscheidende Aufgabe des Business Partners ist, die digitale Transformation des Unternehmens konstruktivkritisch zu begleiten. Zudem hat dieser die Ressourcenallokation zwischen digitalen und analogen Geschäftsfeldern zu hinterfragen und die Balance zwischen dem Vorantreiben der digitalen Transformation und Aufrechterhaltung der Profitabilität zu überprüfen. Zusätzlich ist ein Unternehmenskulturwandel zu begleiten.65 Es wird hervorgehoben, dass die Business-Partner-Rolle nur mit einer entsprechenden Controller-Persönlichkeit möglich ist und nur jene Controller, die bisher proaktiv unterwegs waren, ihre Business-Partner-Rolle stärken können.66 Gewissermaßen erfährt die Rolle des Business Partners durch die Digitalisierung nun jene Aufwertung, welche ihr schon theoretisch beigemessen, in der Praxis aber noch nicht umgesetzt wurde. 67 Demzufolge wären genauere empirische Studien interessant, die analysieren, aus welchen Gründen die Umsetzung der Business-Partner-Rolle in der Praxis bisher nicht möglich war. Intensiv diskutiert wird die Relevanz von IT-Kompetenzen innerhalb der Business-Partner-Rolle. Es wird erwartet, dass für eine aktive Rolle des Controllers dessen IT-Kompetenzen fundierter werden müssen, denn im Kontext von Big Data und Business Analytics sind erweiterte Kenntnisse über die Erschließung, Vernetzung und analytische Nutzung von Informationen notwendig. 68 Kieninger et al. betonen, dass der Erhalt und Ausbau der Business-Partner-Rolle über Data-Science Kompetenzen des Controllers führt, wobei als Kernanforderungen eine grundlegende Beurteilungskompetenz der neuen Analyseinstrumente, die Prozess-Koordination von der Initiierung über Analysen bis zu Entscheidungsvorschlägen sowie die Interpretation der Ergebnisse für das Management bestehen.69 Aufgrund der Relevanz der IT innerhalb der Business-Partner-Rolle wird auch diskutiert, ob dieser zukünftig als Data Analyst oder Data Manager zu bezeichnen ist. Dem wird entgegensetzt, dass die Rolle des Business Partners nicht verwässert werden sollte, auch wenn notwendige IT-Kompetenzen zu ergänzen sind, dürfen diese die inhaltlich fundierte betriebswirtschaftliche Reflexion als Kernkompetenz der Controller nicht verdrängen. Die Ergänzung der ITKompetenzen wäre auch durch eine zusätzliche IT-Einheit beim Business Part-

64

65

66 67 68 69

Vgl. Wiegmann et al. (2014), S. 201; Oehler et al. (2016), S. 69; Schäffer/Weber (2016), S. 13 f.; Mödritscher/Wall (2017), S. 427 f.; Drerup et al. (2018), S. 12; Nobach (2019), S. 265. Vgl. Becker et al. (2016), S. 116; Oehler et al. (2016), S. 69; Schäffer/Weber (2016), S. 13 f.; Nobach (2019), S. 265. Vgl. Kieninger et al. (2015), S. 8; Schäffer/Weber (2016), S. 15 f.; Mödritscher/Wall (2017), S. 427 f. Vgl. Biel et al. (2017), S. 43; Langmann (2019), S. 42 f. Vgl Seufert/Oehler (2016), S. 81; Biel et al. (2017), S. 41; Heimel/Müller (2019), S. 417. Vgl. Kieninger et al. (2015), S. 7.

34

Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer

ner70 oder durch eine intensive Zusammenarbeit mit Data Scientists oder Mitarbeitern in der IT oder Marktforschung denkbar, welche über diese Kompetenzen verfügen. Festzuhalten ist, dass der Controller zumindest bestimmte Grundkenntnisse aufweisen muss, um erläutern zu können, welcher Mehrwert durch die Erschließung von Datenquellen und Anwendung entsprechender Analysemethoden für die Unternehmenssteuerung entsteht.71 Für die Rolle als Business Partner ist der regelmäßige Kontakt zum Management bedeutsam. Hier werden zwei Tendenzen diskutiert: Einerseits besteht durch Self-Service-Anwendungen die Gefahr, den Kontakt zum Management zu verlieren. Anderseits wird sich das Management durch zunehmende Volatilität, Unsicherheit und Ambiguität vermehrt in komplexen Entscheidungssituationen finden, in der ein kritischer Sparringpartner gefragt ist. 72 Der Controller kann sich in derartigen Entscheidungskonstellationen positionieren, indem er das Management bei der kritischen Beurteilung von Informationen bezüglich ihrer Herkunft und Nutzen für Problemlösungen unterstützt. 73 Durch Veränderungen der Geschäftsmodelle werden die Interaktionen mit dem Management herausfordernder und vom Controller wird erwartet mit strategischer Unsicherheit und einer Kultur des Probierens und Lernens umzugehen. 74 5.2.3. Data Scientist Eine Rolle, die in Zusammenhang mit der Digitalisierung auch in anderen Disziplinen diskutiert wird, ist der Data Scientist. Bei Data Science geht es darum, umfangreich vorhandene Daten in relevante Informationen umzuwandeln.75 Davenport und Patil bezeichnen den Data Scientist als „high-ranking professional with the training and curiosity to make discoveries in the world of big data”. 76 Dabei wird betont, dass beide Teile der Berufsbezeichnung entscheidend sind: Einerseits stehen die Daten (data) im Vordergrund, die Rolle des Wissenschaftlers (scientist) ist jedoch genauso wichtig, da analytisches und assoziatives Denken in der Arbeit mit komplexen und unstrukturierten Daten entscheidend ist. Zusätzlich wird die Wichtigkeit von kommunikativen und kreativen Fähigkeiten 70 71 72 73 74 75

76

Vgl. Mayer/Wiesehahn (2018), S. 32 f. Vgl. Mödritscher/Wall (2017), S. 427 f. Vgl. Wiegmann et al. (2014), S. 200 f.; Müller-Seitz et al. (2016), S. 30 ff. Vgl. Müller-Seitz et al. (2016), S. 30 ff.; Quattrone (2016), S. 120. Vgl. Schäffer/Weber (2016), S. 15 f. Vgl. Davenport/Patil (2012), S. 70 ff.; Aalst (2014), S. 13 ff.; Kieninger et al. (2015), S. 7; Schulte/Bülchmann (2016), S. 57; Steiner/Welker (2016), S. 69 f.; Aalst (2016), S. 3 ff.; Weber (2018), S. 22. Davenport/Patil (2012), S. 72.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers

35

betont, da der Data Scientist beliebige Anforderungen aus den Fachabteilungen schnell zu verstehen, eigenständige Lösungen zu konzipieren und diese dem Management zu erläutern hat. Der Begriff „Data Scientist“ wurde bereits ab den 1960er Jahren als alternative Berufsbezeichnung für Informatiker verwendet. Die Statistik begann Ende des 20. Jahrhunderts den Begriff zu übernehmen und verlagerte den ursprünglichen Bedeutungsschwerpunkt. Heutzutage ist von einem eher unklaren Begriff „Data Scientist“ auszugehen, da alle offenen Aspekte bezüglich Business Intelligence und Big Data in dieser Rolle verdichtet werden. Er wird als Forscher, Entwickler, Marketing-Spezialist und Verkäufer in einer Person beschrieben. Gefordert werden eine Ausbildung in Statistik und Mathematik, Wissen aus der praktischen Informatik über Betriebssysteme, Datenbanken, Netzwerke, Programmiersprachen und Analysetools sowie Kenntnisse über soziale Netzwerke.77 In der Controlling-Literatur wird diskutiert, ob Controller die Rolle des Data Scientists gänzlich oder teilweise übernehmen könnten, wie eine Zusammenarbeit auszusehen hat78 oder wie sich Controller von einem möglichen Konkurrenten79 abzugrenzen haben. Die Aufgaben und Instrumente des Data Scientists scheinen eine gewisse Ähnlichkeit mit jenen des Controllers zu besitzen, daher wird die Frage diskutiert, ob der Controller als Data Scientist im Unternehmen agieren kann.80 Heimel und Müller plädieren dafür, Controller zu Data Scientists auszubilden, während Steiner und Welker davon ausgehen, dass Controller nicht zusätzlich zu ihrem umfangreichen Aufgabenbereich auch noch die Rolle des Data Scientists übernehmen können. Betont werden die NichtÜbereinstimmung der Anforderungen und Ziele der beiden Rollen, denn die zentralen Aufgaben des Controllers bestehen in Aufbereitung, Analyse und Kommunikation von vorrangig unternehmensinternen, gut strukturierten Informationen. Controller denken zumeist in bestimmten Auswertungsstrukturen und benützen kaum heterogene Daten, welche für den Data Scientist selbstverständlich sind.81 Auch wenn Controller nicht die Rolle des Data Scientists übernehmen, so müssen sie doch dessen Berufsbild, Stärken und Schwächen kennen und mit ihm zusammenarbeiten.82

77

78

79

80 81

82

Vgl. Davenport/Patil (2012), S. 70 ff.; Aalst (2014), S. 13 ff.; Steiner/Welker (2016), S. 69 f.; Heidlmayer (2019), o. S. Vgl. Schäffer/Weber (2016), S. 14 f.; Schulte/Bülchmann (2016), S. 57 ff.; Steiner/Welker (2016), S. 69 ff.; Heimel/Müller (2019), S. 426. Vgl. Tschandl/Mallaschitz (2016), S. 99; Biel et al. (2017), S. 41 f.; Seufert/Treitz (2017), S. 16; Drerup et al. (2018), S. 13. Vgl. Schulte/Bülchmann (2016), S. 57 ff.; Steiner/Welker (2016), S. 69 ff. Vgl. Oehler et al. (2016), S. 63 ff.; Steiner/Welker (2016), S. 70 f.; Weber (2018), S. 22; Heidlmayer (2019), o. S.; Heimel/Müller (2019), S. 426. Vgl. Schulte/Bülchmann (2016), S. 59; Steiner/Welker (2016), S. 71 f.; Heidlmayer (2019), o. S.

36

Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer

Bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Data Scientist und Controller existieren unterschiedliche Aussagen. Schäffer und Weber kritisieren, dass sich Controller noch zu wenig mit der Frage auseinandergesetzt haben, wie die Zusammenarbeit mit Data Scientists erfolgen kann. Es wird zumeist eine Zusammenarbeit angestrebt, bei der Controller die statistischen Methoden nicht im Detail beherrschen müssen, sondern es ausreichend ist, ein Überblickwissen zu besitzen, die richtigen Fragen zu stellen und die Sprache der Data Scientists zu beherrschen. Hier stellt sich jedoch die Frage, worin dann der Mehrwert der Controller liegt und aus welchem Grund sich Manager nicht gleich direkt an Data Scientists wenden sollten.83 Daher nehmen einige Autoren den Data Scientist als starken Konkurrenten für den Controller wahr und gehen davon aus, dass Controller ihr Kompetenzprofil in Informationstechnologie und Statistik zu erweitern haben.84 Es wird erwartet, dass der Controller seine Kompetenzen bezüglich Algorithmen, Datenanalyse, Statistik, ERP-System- und Datenbankkenntnisse auszubauen hat, um führungsnahe Aufgaben nicht an den Data Scientist zu verlieren.85 Manche Autoren weisen auf die Notwendigkeit einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit hin, da Controller und Data Scientists voneinander profitieren können und nur durch eine enge Zusammenarbeit die Bereitstellung richtiger Entscheidungsgrundlagen für das Management möglich ist.86 Laut Biel et al. wird der Controller schon teilweise durch Data Scientists unterstützt und diese Kooperation wird als das Arbeitsmodell der Zukunft betrachtet.87 Der Controller soll auf den Analysen des Data Scientist aufsetzen und diese im Rahmen seiner BusinessPartner-Rolle um spezifische Auswertungen, Kommentare und Handlungsempfehlungen ergänzen. Während Data Scientists die Daten nach steuerungsrelevanten Zusammenhängen analysieren, erfolgt beim Controller die Interpretation der Ergebnisse gemeinsam mit dem Management. Oehler et al. betonen jedoch, dass zwei sehr unterschiedliche Welten zusammenwachsen müssen, denn Data Scientists besitzen nicht das betriebswirtschaftliche Verständnis für Dateninterpretation, während dem Controller das technische Know-how fehlt, um Daten adäquat modellieren zu können. Für die Koordination dieser Zusammenarbeit sieht die Controlling-

83

84

85 86

87

Vgl. Schäffer/Weber (2016), S. 14 f.; Biel et al. (2017), S. 41 f.; Heimel/Müller (2019), S. 418; Langmann (2019), S. 46 f. Vgl. Schäffer/Weber (2016), S. 14 f.; Seufert/Oehler (2016), S. 81; Tschandl/Mallaschitz (2016), S. 99; Biel et al. (2017), S. 41 f.; Seufert/Treitz (2017), S. 16; Drerup et al. (2018), S. 13; Heimel/Müller (2019), S. 418; Langmann (2019), S. 46 f. Vgl. Tschandl/Mallaschitz (2016), S. 99; Drerup et al. (2018), S. 13 f.; Nobach (2019), S. 264 f. Vgl. Schulte/Bülchmann (2016), S. 59; Steiner/Welker (2016), S. 71 f.; Heidlmayer (2019), o. S.; Nobach (2019), S. 262. Vgl. Biel et al. (2017), S. 41 f.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers

37

Literatur die Verantwortung beim Controller.88 Die Aufgaben- und Kompetenzbereiche zwischen Data Scientist und dem Controller sind genau abzugrenzen. Es bedarf einer eindeutigen Kommunikation der Erwartungen – einer klar gesendeten Rolle des Managements an den Controller – und einer deutlichen Positionierung des Controllers.89 5.2.4. Digitaler Controller Eine mögliche Rolle ist die Weiterentwicklung des Business Partners zum digitalen Controller, der die Entwicklungen der Digitalisierung kritisch hinterfragt und deren praktische Anwendung im Unternehmen gestaltet. Es werden jedoch sehr unterschiedliche digitale Controller in der Literatur dargestellt. Ploss konzentriert sich in seinen Ausführungen zum digitalen Controller auf die Herausforderung, wichtiger Ansprechpartner für das Management zu bleiben. Diskutiert wird die veränderte Nutzung von Informationen im Self-Service-Reporting, da das Management Berichte ohne Einbindung des Controllers abrufen kann. Es besteht die Gefahr, dass der Austausch zwischen Controller und Manager reduziert wird und Fehlinterpretationen entstehen. Der Controller muss darauf achten, die Daten- und Deutungshoheit über Informationen zu behalten und Sparringpartner des Managements zu bleiben. Daher ist der Austausch mit dem Management aktiv zu suchen, der Controller hat als Wissensvermittler zu agieren und sich um Vermittlung eines entsprechenden Controlling-Verständnisses zu bemühen. Zusätzlich sollte sich der Controller auf die Weiterentwicklung neuer Möglichkeiten der Digitalisierung konzentrieren und dabei zusammen mit der IT als Innovator agieren. Ein digitaler Controller tritt nicht nur beratend als Business Partner auf, der mit dem Management über Geschäftsmodelle diskutiert, sondern kann ebenso mit dem CIO die Entwicklungen der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf das Unternehmen erörtern. 90 Die Rolle des digitalen Controllers bei Egle und Keimer ist weiter gefasst und umfasst die Fachgebiete Controlling, Business, Data Science, ITManagement sowie Leistungskultur. Jedem Fachgebiet werden Kompetenzen zugewiesen, wobei nicht ein einzelner Controller diese zu erfüllen hat, sondern das Controlling-Team das gesamte Portfolio abdecken sollte. Neben dem Controlling-Fachwissen und dem schon bisher geforderten Geschäftsverständnis, wird die Bereitwilligkeit der Controller angesprochen, bestehende Arbeitsweisen 88

89 90

Vgl. Kieninger et al. (2015), S. 8; Oehler et al. (2016), S. 69; Biel et al. (2017), S. 41 f.; Grönke et al. (2017), S. 97 ff.; Mayer/Wiesehahn (2018), S. 32. Vgl. Schäffer/Weber (2016c), S. 9 f.; Heidlmayer (2019), o. S. Vgl. Ploss (2016), S. 60 ff.; Heidlmayer (2019), o. S.

38

Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer

zu hinterfragen und sich auf neue Technologien und Tätigkeiten einzulassen. Eine enge Zusammenarbeit mit der IT und die Generierung eines „digitalen Mindsets“ erfordern beim digitalen Controller zusätzliche Kompetenzen bezüglich IT-Management, Data Science und Leistungskultur. Während zum ITManagement IT-Architekturen und -governance sowie Datenmanagement, Skriptsprachen und IT-Security zählen, umfasst das neue Fachgebiet Data Science Statistik- und Programmierkenntnisse sowie Kompetenzen bezüglich Business Intelligence, Business Analytics und Visualisierung. In dieser Rolle ist es nicht mehr ausreichend zu wissen, mit welchen Analysen zielführende Auswertungen erstellt werden können, sondern es sind auch die Voraussetzungen für Analysen zu prüfen. Falls standardisierte Programme nicht ausreichen, sind bei individuellen Analysen auch Programmierkenntnisse notwendig. Der Bereich Leistungskultur umfasst Anforderungen bezüglich hoher Kundenorientierung, verknüpfter Denkweise, Eigeninitiative sowie Kommunikation mit dem Management, den Fachabteilungen, vor allem mit der IT.91 5.2.5. Business Analyst Eine weitere Rolle, die in Zusammenhang mit der Digitalisierung als Schlüsselrolle diskutiert wird, ist der Business Analyst. Dieser agiert an der Schnittstelle zwischen Business und IT, wobei die Bezeichnung „Business Analyst“ einen betriebswirtschaftlichen Schwerpunkt andeutet. Der „Business Analyst“ wird als Vermittlerrolle zwischen Managern, Mitarbeitern und Kunden einerseits sowie den Experten einer Lösung andererseits beschrieben, wobei sich diese Lösungen zumeist auf IT-Anwendungen beziehen, jedoch auch Geschäftsprozesse oder Organisationsstrukturen umfassen können. Vom Business Analysten wird erwartet, die sich aus der Strategie oder den Unternehmenszielen ergebenden Anforderungen zu ermitteln und dafür zu sorgen, dass diese Anforderungen in einer anwendungsreifen Lösung umgesetzt werden. Auch wenn die technische Umsetzung zumeist durch Data Scientists erfolgt, benötigen Business Analysten ebenso IT-nahe Kompetenzen, um an der Schnittstelle zwischen Business-Anforderungen und ITintensiven Prozessen agieren zu können. Als Vermittler werden von ihnen analytische Fähigkeiten sowie Problemlösungs-, Kommunikations- und Kooperationskompetenzen erwartet, um Differenzen zwischen den verschiedenen Denk- und Sprachwelten der beteiligten Spezialisten aufzulösen. Die Bedeutsamkeit der Rolle wird daraus abgeleitet, dass die für die Lösung zuständigen Experten häufig Schwierigkeiten haben, mit den Nutzern im Unternehmen zu kommunizieren und 91

Vgl. Egle/Keimer (2018), S. 51 ff.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers

39

sich Fachfremden verständlich zu machen. In Bezug auf die Digitalisierung wird der Business Analyst vorrangig als zentraler Projektmanager bei der Implementierung von Big Data Lösungen im Unternehmen angeführt. Bei der Analyse großer Datenmengen agiert er als Schnittstelle zwischen den Nutzern der Daten und den Spezialisten, welche die geforderten Daten bereitstellen.92 In einigen Beiträgen wird vermehrt das ganzheitliche Denken und der Prozessaspekt dieser Rolle betont und daher die Bezeichnung „Business Process Analyst“ verwendet, wobei die Abgrenzung zur Rolle des Business Analysten nicht immer eindeutig erkennbar ist.93 Im deutschsprachigen Raum wird die Rolle des Prozessanalysten angeführt, bei der die neuen Ansätze der Datenanalyse im Vordergrund stehen. Konkret geht es darum, durch Data- und Process Mining verborgene Zusammenhänge, Muster und Trends in großen Datenmengen zu erkennen und als Entscheidungsgrundlagen nutzbar zu machen. Es wird vom Controller Aufgeschlossenheit gegenüber den neuen Ansätzen der Datenanalyse gefordert und eine explorative Rolle mit der Entschlossenheit, Neues auszuprobieren, erwartet.94 5.2.6. Chief Digital Performance Officer Manche Autoren plädieren dafür, den Controller als Chief Digital Performance Officer dem Chief Digital Officer zur Seite zu stellen. Bei dieser Controllerrolle werden Erwartungen bezüglich eines Navigators durch die digitale Transformation und eines digitalen Strategen beschrieben, der den Paradigmenwechsel im Unternehmen begleitet. Dabei stehen das Denken in digitalen Geschäftsmodellen, das Steuern und Messen digitaler Prozesse, Produkte und Dienstleistungen sowie eine neue Leistungskultur im Vordergrund. Das Markt- und Geschäftswissen des Controllers ist um digitales Wissens zu ergänzen, um als Gesprächspartner für das Management relevant zu bleiben. Das Denken in traditionellen Funktionsbereichen, Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgern entspricht nicht den digitalen Geschäftsmodellen. Im Rahmen des Performance Measurements wird eine Adaption der Controlling-Instrumente gefordert, um den Beitrag der Digitalisierung auch messbar zu machen. Daher wird vom Controller ein mehrdimensionales Steuerungssystem erwartet, welche zusätzlich zu den traditionellen finanziellen Informationen auch Kennzahlen bezüglich der Digitalisierung berücksichtigt. Als Herausforderung wird die agile Projektmanagementkultur mit kreativen Mitarbeitern beschrieben, welche eine Balance zwischen Freiräumen und Leistungstransparenz fordert. Dem Controller wird die Rolle eines „strategischen 92 93 94

Vgl. Schmidt (2013), S. 438 ff.; ICV (2014), S. 32 ff.; Kägi/Ebert (2019), S. 76 ff. Vgl. Lederer Antonucci/Goeke (2011), S. 127 ff.; Sonteya/Seymour (2012), S. 43 ff. Vgl. Gentsch (2003), S. 14 ff.; Biel et al. (2017), S. 43; Zschech et al. (2017), S. 25 ff.

40

Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer

Coaches“ zugeschrieben, der diese Ausgewogenheit zwischen kreativer Start-up Kultur, Leistungsbeurteilung und wertorientierter Unternehmenssteuerung zustande bringen kann. In dieser Rolle wird vom Controller explizit erwartet, über traditionelle Rollengrenzen hinauszugehen, daher wird die als zeitgemäß erachtete Bezeichnung Chief Digital Performance Officer eingeführt.95 6.

Resümee und kritische Reflexion

Da die Konsequenzen der Digitalisierung auf die Unternehmen noch unklar sind, können auch die Auswirkungen auf die Rolle des Controllers zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend geklärt werden. Die analysierte Literatur stellt sich als sehr heterogen dar, praktisch-orientierte und durch Berater dominierte Publikationen stehen im Vordergrund, eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas ist noch ausständig. Die beschriebenen Herausforderungen der Digitalisierung auf die wesentlichen Aufgaben des Controllers lassen veränderte Aufgabenfelder und Denkweisen für den Controller erkennen. Vorrangig werden in der Literatur der Business Partner 2.0, der Data Scientist, der digitale Controller, der Business Analyst und der Chief Digital Performance Officer als mögliche zukünftige Rollen des Controllers, aber auch als denkbare Konkurrenz diskutiert. Von der Business-Partner-Rolle wird vor allem Koordination und konstruktiv-kritische Begleitung der digitalen Transformation erwartet. Dabei werden intensiv die Relevanz von IT-Kompetenzen und die zukünftigen Beziehungen zum Management diskutiert. Beim Data Scientist wird erörtert, ob der Controller diese Rolle gesamt oder teilweise übernehmen könnte, wie eine Zusammenarbeit auszusehen oder wie sich der Controller von einem möglichen Konkurrenten abzugrenzen hat. Der digitale Controller wird in der Literatur sehr unterschiedlich beschrieben. Einerseits wird er als eine Weiterentwicklung der Business-Partner-Rolle dargestellt, andere Autoren beschreiben den digitalen Controller mit umfassenden Kompetenzen bezüglich IT-Management und Data Science, sodass eine Abgrenzung zum Data Scientist kaum mehr erkennbar ist. Bei der Vermittlerrolle des Business Analyst wird dessen ganzheitliches und prozessuales Denken bei der Begleitung notwendiger Veränderungen von ITAnwendungen, Geschäftsmodellen oder Organisationsstrukturen hervorgehoben. Der Paradigmenwechsel durch digitale Geschäftsmodelle und eine neue Leistungskultur stehen beim Chief Digital Performance Officer im Vordergrund. Es wird die Herausforderung zwischen kreativer Unternehmenskultur, Leistungsbe95

Vgl. Kieninger et al. (2015), S. 8; Schönbohm/Egle (2016), S. 5 ff.; Schönbohm/Egle (2017a), S. 225; Schönbohm/Egle (2017b), S. 105 ff.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers

41

urteilung und Unternehmenssteuerung betont, bei der vom Controller erwartet wird, über traditionelle Rollengrenzen hinauszugehen. Daher erhalten Controller die Bezeichnung als „Officer“, um eine entsprechende Position beispielsweise im Vergleich zum Chief Digital Officer innezuhaben. Rollenübergreifend sind Diskussionen bezüglich der IT- und Data Science Kompetenzen der Rolleninhaber, die Veränderung der interpersonellen Beziehungen zu Management und Mitarbeitern sowie die Betonung eines Unternehmenskulturwandels erkennbar, der neue Denkweisen fordert. Festzuhalten ist, dass die konkrete Ausgestaltung der neuen Rollen von allgemeinen Kontextfaktoren des Unternehmens, wie Größe, Ressourcen und Investitionsspielräume, vor allem aber vom Digitalisierungsgrad des Unternehmens abhängt.96 Zudem sind individuelle Unterschiede zu berücksichtigen, auf die bei der Beschreibung der Rollen kaum eingegangen wird. Lediglich bei der Business Partner 2.0 Rolle wird erwähnt, dass diese nur mit einer entsprechenden Controller-Persönlichkeit realisierbar sei. Der Controller wird je nach Unternehmen und Persönlichkeit andere Schwerpunkte bezüglich seiner Rollengestaltung in der Digitalisierung setzen.97 Neben der organisationalen Einbettung neuer Rollen sind die Institutionen und die Wissenschaft gefordert, eine klare zukünftige Rolle des Controllers herauszuarbeiten. Für Controller wird es entscheidend sein, nicht nur auf die hier dargestellten Rollenerwartungen zu reagieren, sondern diese auch kritisch zu hinterfragen. In diesem Beitrag wurde vorwiegend die Sichtweise der Controlling-Literatur präsentiert. Demzufolge erscheint es ergänzend sinnvoll, sich bezüglich der Rollen im Rahmen der Digitalisierung auch mit Literatur aus der (Wirtschafts-) Informatik, Statistik und anderen Disziplinen zu beschäftigen. Ein Vergleich mit der Literatur im Bereich Wirtschaftsinformatik bezüglich des Chief Digital Officers zeigt zahlreiche Ähnlichkeiten mit den hier beschriebenen Rollen des Controllers. Auch der Chief Digital Officer soll die digitale Transformation im Unternehmen steuern, eine Digitalstrategie erarbeiten, bereichsübergreifend als Koordinator und Treiber der Digitalisierung und Kulturänderung agieren. 98 Der Controller, der die Koordination der Digitalisierung wahrzunehmen hat, ist möglicherweise ausschließlich eine Betrachtungsweise der Controlling-Literatur. Die Darstellungen über die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Controller reichen vom möglichen Verschwinden dieser Berufsgruppe bis zu einer zentralen Steuerungsfunktion der mit der Digitalisierung verbundenen Veränderungen. Überlassen Controller dem Chief Digital Officer die Transfor96 97 98

Vgl. Mödritscher/Wall (2017), S. 427 f.; Singh/Hess (2017), S. 11; Nobach (2019), S. 250. Vgl. Wiegmann et al (2014), S. 200 f.; Biel et al. (2017), S. 43. Vgl. Horlacher/Hess (2016), S. 5126 ff.; Singh/Hess (2017), S. 2 ff.; Walchshofer/Reidl (2017), S. 324 ff.

42

Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer

mation der digitalen Wertschöpfungsprozesse, um sich weiterhin auf die Steuerung des bewährten Geschäfts zu konzentrieren, kann der Controller im Unternehmen bedeutungslos werden.99 Entscheidungen beruhen jedoch trotz verbesserter Analysemöglichkeiten weiterhin auf Informationen, die zu hinterfragen sind und das Management steht durch zunehmende Volatilität, Unsicherheit und Ambiguität wachsenden Herausforderungen gegenüber. Der Controller kann folglich bei komplexen Themen und Entscheidungen, die Kommunikationsfähigkeit, ganzheitliche Sichtweisen und kritische Reflexion erfordern, weiterhin eine entscheidende Rolle innehaben. Vorausgesetzt, Controller können diesen Mehrwert liefern, indem sie zuhören, mitdenken und ein Gespür für komplexe Entscheidungssituationen entwickeln.100 Der Controller ist gefordert, die Digitalisierung kritisch zu betrachten. Dabei geht es nicht nur um seine Rolle, sondern auch um unterschiedliches Digitalisierungsverständnis und fehlenden Strategiebezug in den Unternehmen, sowie möglichen Interessen der IT- und Beratungsbranche im Rahmen der Digitalisierung. Der wirkliche Nutzen der Digitalisierung im Unternehmen ist zu hinterfragen, denn wenn technisch alles möglich scheint, ist eine fundierte betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise durch den Controller unentbehrlich.101

99

100

101

Vgl. Schäffer/Weber (2016), S. 15 f.; Singh/Hess (2017), S. 1 ff.; Weber (2017), S. 42; Mayer/Wiesehahn (2018), S. 30. Vgl. Becker et al. (2016), S. 116; Müller-Seitz et al. (2016), S. 30 ff.; Quattrone (2016), S. 120 ff.; Schäffer/Weber (2016), S. 13 f.; Wullenkord (2018), S. 128; Heidlmayer (2019), o. S. Vgl. Mayer/Wiesehahn (2018), S. 30, Rikhardsson/Yigitbasioglu (2018), S. 49.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers

43

Literatur Aalst, W. M. van der (2014): Data scientist: The engineer of the future. Enterprise interoperability, 4 Jg., S. 13-26. Aalst, W. M. van der (2016): Data science in action. In: Aalst, W. van der (Hrsg.), Process Mining (S. 3-23). Berlin, Heidelberg: Springer. Ahrens, T./Chapman, C. S. (2000): Occupational identity of management accountants in Britain and Germany. European Accounting Review, 9 Jg., Nr. 4, S. 477-498. Appelbaum, D./Kogan, A./Vasarhelyi, M./Yan, Z. (2017): Impact of business analytics and enterprise systems on managerial accounting. International Journal of Accounting Information Systems, 25 Jg., S. 29-44. Ashforth, B. (2000): Role transitions in organizational life. An identity-based perspective. New York: Routledge. Atkinson, A. A./Kaplan, R. S./Young, S. M. (2011): Management accounting. International Edition. New Jersey: Pearson Prentice Hall. Azan, W./Bollecker, M. (2011): Management control competencies and ERP: An empirical analysis in France. Journal of Modelling in Management, 6 Jg., Nr. 2, S. 178-199. Baker, M. (2015): Digital transformation. 4. Auflage. Buckingham: Business Monographs. Baldvinsdottir, G./Burns, J./Nørreklit, H./Scapens, R. W. (2009): The image of accountants: from bean counters to extreme accountants. Accounting, Auditing & Accountability Journal, 22 Jg., Nr. 6, S. 858-882. Barley, S. R. (1989): Careers, Identities, and Institutions: The Legacy of the Chicago School of Sociology. In: Arthur, M. B./Hall, D. T./Lawrence, B. S. (Hrsg.), Handbook of Career Theory (S. 41-65). Cambridge: Cambridge University Press. Becker, H. J. (2005): Controller und Controlling. 3. Auflage. Renningen: Expert. Becker, W. (2019): Digitale Transformation von Geschäftsmodellen – Ein konzeptioneller Bezugsrahmen. In: Becker, W./Eierle, B./Fliaster, A./Ivens, B./Leischnig, A./Pflaum, A./Sucky, E. (Hrsg.), Geschäftsmodelle in der digitalen Welt. Strategien, Prozesse und Praxiserfahrungen (S. 15-33). Wiesbaden: Springer Gabler. Becker, W./Pflaum, A. (2019): Begriff der Digitalisierung-Extension und Intension aus betriebswirtschaftlicher Perspektive. In: Becker, W./Eierle, B./Fliaster, A./Ivens, B./Leischnig, A./Pflaum, A./Sucky, E. (Hrsg.), Geschäftsmodelle in der digitalen Welt. Strategien, Prozesse und Praxiserfahrungen (S. 3-13). Wiesbaden: Springer Gabler. Becker, W./Ulrich, P. (2013): Geschäftsmodelle im Mittelstand. Stuttgart: Kohlhammer. Becker, W./Ulrich, P./Zimmermann, L. (2012): Betriebsgröße als Gestaltungsparameter des Controllings. Controlling, 24 Jg., Nr. 4-5, S. 208-213. Becker, W./Ulrich, P./Botzkowski, T./Eurich, S. (2015): Data Analytics in Familienunternehmen-Implikationen für das Controlling. Controlling, 27 Jg., Nr. 4-5, S. 263-268. Becker, W./Ulrich, P./Botzkowski, T./Eurich, S. (2016): Controlling von Digitalisierungsprozessen – Veränderungstendenzen und empirische Erfahrungswerte aus dem Mittelstand. In: Obermaier, R. (Hrsg.), Industrie 4.0 als unternehmerische Gestaltungsaufgabe (S. 97-118). Wiesbaden: Springer Gabler. Berman, S. J. (2012): Digital transformation: opportunities to create new business models. Strategy & Leadership, 40 Jg., Nr. 2, S. 16-24. Biel, A./Michel, U./Tobias, S. (2017): Was bedeutet Digitalisierung für Controller. Controller Magazin, 2017, Nr. 5, S. 38-43. Brands, K./Holtzblatt, M. (2015): Business Analytics: Transforming the Role of Management Accountants. Management Accounting Quarterly, 16 Jg., Nr. 3, S. 1-12. Bühler, P./Maas, P. (2017): Transformation von Geschäftsmodellen in einer digitalisierten Welt. In: Bruhn, M./Hadwich, K. (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0 (S. 43-70). Wiesbaden: Springer Gabler.

44

Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer

Burns, J./Baldvinsdottir, G. H. (2005): An Institutional Perspective of Accountants’ New Roles – The Interplay of Contradictions and Praxis. European Accounting Review, 14 Jg., Nr. 4, S. 725-757. Byrne, S./Pierce, B. (2007): Towards a More Comprehensive Understanding of the Roles of Management Accountants. European Accounting Review, 16 Jg., Nr. 3, S. 469-498. Caglio, A. (2003): Enterprise Resource Planning Systems and Accountants: Towards Hybridisation?. European Accounting Review, 12 Jg., Nr. 1, S. 123-153. Chreim, S./Williams, B. E./Hinings, C. R. (2007): Interlevel Influences on the Reconstruction of Professional Role Identity. Academy of Management Journal, 50 Jg., Nr. 6, S. 1515-1539. Claessens, D. (1974): Rolle und Macht. 3. Auflage. München: Juventa. Dahrendorf, R. (2006): Homo sociologicus: ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Davenport, T. H./Patil, D. J. (2012): Data scientist. Harvard Business Review, 90 Jg., Nr. 5, S. 70-76. Deinert, M. (2012): BI Goes Mobile – wie sich das Controlling bei SAP verändern wird. Controlling & Management, 56 Jg., Nr. 2, S. 110-112. Deyhle, A. (1992): Entwicklungsperspektiven des Controllings. In: Risak, J./Deyhle, A. (Hrsg.), Controlling (S. 359-385). Wiesbaden: Springer Gabler. Dove, R. (2005): Agile enterprise cornerstones: knowledge, values, and response ability. In: Baskerville, R. L./Mathiassen, L./Pries-Heje, J./DeGross, J. I. (Hrsg.), Business Agility and Information Technology Diffusion (S. 313-330). Boston: Springer. Drerup, B./Suprano, F./Wömpener, A. (2018): Controller 4.0-Anforderungsprofil des Controllers im digitalen Zeitalter. Controlling, 30 Jg., S, S. 12-19. Dufft, N./Remmel, U./Breden, T. (2018): Neues Denken für Controller. Controlling & Management Review, 62 Jg., Nr. 4, S. 34-39. Egle, U./Keimer, I. (2018): Kompetenzprofil “Digitaler Controller”. Controller Magazin, 43 Jg., Nr. 5, S. 49-53. Franken, S. (2015): Arbeitswelt 4.0: Arbeit und Führung in der Industrie 4.0. Industrie, 4 Jg., S. 110-145. Franken, S. (2016): Führungskonzepte für die Digitalisierung. In Franken, S. (Hrsg.), Führen in der Arbeitswelt der Zukunft (S. 57-88). Wiesbaden: Springer-Gabler. Friedman, A. L./Lyne, S. R. (1997): Activity-based techniques and the death of the beancounter. European Accounting Review, 6 Jg., Nr. 1, S. 19-44. Friedman, A. L./Lyne, S. R. (2001): The beancounter stereotype: towards a general model of stereotype generation. Critical perspectives on accounting, 12 Jg., Nr. 4, S. 423-451. Gänßlen, S./Losbichler, H./Niedermayr, R./Rieder, L./Schäffer, U./Weber, J. (2013): Die Kernelemente des Controllings – Das Verständnis von ICV und IGC. Controlling & Management Review, 57 Jg., Nr. 3, S. 56-61. Gärtner, B./Hiebl, M. R. (2018): Issues with Big Data. In: Quinn, M./Strauß, E. (Hrsg.), The Routledge Companion to Accounting Information Systems (S. 161-172). New York: Routledge. Gentsch, P. (2003): Data Mining im Controlling – Methoden, Anwendungsfelder und Entwicklungsperspektiven. In: Hess, T. (Hrsg.), Anwendungssysteme im Controlling: Was treibt die Entwicklung? (S. 14-23). Wiesbaden: Springer Gabler. Goretzki, L. (2012): Rollenwandel der Controller zum Business Partner–Erkenntnisse aus der qualitativen Controllerforschung. Zeitschrift für Controlling & Management, 2012, Nr. 1, S. 64-66. Goretzki, L./Weber, J. (2010): Der Wandel der Controller – Eine rollentheoretische Betrachtung am Beispiel der Hansgrohe AG. Zeitschrift für Controlling & Management, 54 Jg., Nr. 3, S. 163-169.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers

45

Goretzki, L./Weber, J. (2012): Die Zukunft des Business Partners–Ergebnisse einer empirischen Studie zur Zukunft des Controllings. Controlling & Management, 56 Jg., Nr. 1, S. 22-29. Goretzki, L./Strauss, E./Weber, J. (2013): An Institutional Perspective on the Changes in Management Accountants’ Professional Role. Management Accounting Research, 24 Jg., Nr. 1, S. 41-63. Goretzki, L./Weber, J./Zubler, S. (2010): Die Rollen der Controller. Controllermagazin, 35 Jg., Nr. 2, S. 56-62. Granlund, M./Lukka, K. (1997): From bean-counters to change agents: the Finnish management accounting culture in transition. Liiketaloudellinen aikakauskirja, 97, Nr. 3, S. 213-255. Granlund, M./Lukka, K. (1998): Towards increasing business orientation: Finnish management accountants in a changing cultural context. Management accounting research, 9 Jg., Nr. 2, S. 185-211. Grönke, K./Wenning, A./Glöckner, A. (2017): Die digitale Finanzorganisation – Automatisierte Prozesse, veränderte Rollen und neue Organisationsformen. In: Horváth, P./Michel, U. (Hrsg.), Unternehmenssteuerung der Zukunft, Innovativ, flexibel, proaktiv (S. 97-111). Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Hamidian, K./Kraijo, C. (2013): DigITalisierung – Status quo. In: Keuper, F./Hamidian, K./Verwaayen, E./Kalinowski, T./Kraijo, C. (Hrsg.), Digitalisierung und Innovation (S. 1-23): Wiesbaden: Springer Gabler. Heidlmayer, M. (2019): Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers (Diplomarbeit in Arbeit). Johannes Kepler Universität Linz. Heimel, J./Müller, M. (2019): Controlling 4.0. In: Erner, M. (Hrsg.), Management 4.0 – Unternehmensführung im digitalen Zeitalter (S. 389-430). Berlin, Heidelberg: Springer Gabler. Heinzelmann, R. (2018): Occupational Identities of Management Accountants: The Role of the IT System. Journal of Applied Accounting Research, 19 Jg., Nr. 4, S. 465-482. Hopper, T. M. (1980): Role Conflicts of Management Accountants and Their Position within Organisation Structures. Accounting, Organizations and Society, 5 Jg., Nr. 4, 401-411. Horlacher, A./Hess, T. (2016): What Does a Chief Digital Officer Do? Managerial Tasks and Roles of a New C-level Position in the Context of Digital Transformation. 49th Hawaii International Conference on System Sciences, S. 5126-5135. Horton, K. E./Wanderley, C. de A. (2018): Identity Conflict and the Paradox of Embedded Agency in the Management Accounting Profession: Adding a New Piece to the Theoretical Jigsaw. Management Accounting Research, 38 Jg., S. 39-50. Horváth, P./Gleich, R./Seiter, M. (2015): Controlling. 13. Auflage. München: Vahlen. Järvenpää, M. (2007): Making business partners: a case study on how management accounting culture was changed. European Accounting Review, 16 Jg., Nr. 1, S. 99-142. Kägi, P./Ebert, N. (2019): Die Rolle des Business-Analysten: Kompetenz-und Qualifikationsanforderungen aus Stellenanzeigen. Zeitschrift Führung + Organisation, 88 Jg., Nr. 2, S. 76-82. Kahn, R. L./Wolfe, D. M./Quinn, R. P./Snoek, J. D./Rosenthal, R. A. (1964): Organizational stress: studies in role conflict and ambiguity. New York: Wiley. Kappes, M./Leyk, J. (2018): Digitale Planung. Controlling, 30 Jg., Nr.6, S. 4-12. Katz, D./Kahn, R.L. (1966): The social psychology of organizations. New York: Wiley. Katz, D./Kahn, R. L. (1978): The social psychology of organizations. 2. Auflage. New York: Wiley. Kieninger, M./Mehanna, W./Michel, U. (2015): Auswirkungen der Digitalisierung auf die Unternehmenssteuerung. In: Horváth, P./Michel, U. (Hrsg.), Controlling im digitalen Zeitalter (S. 3-13). Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

46

Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer

Krickel, F. (2015): Digitalisierung in der Energiewirtschaft. In: Hecker, W./Lau, C./Müller, A. (Hrsg.), Zukunftsorientierte Unternehmenssteuerung in der Energiewirtschaft (S. 4173). Wiesbaden: Springer Gabler. Küpper, H. U./Friedl, G./Hofmann, C./Hofmann, Y./Pedell, B. (2013): Controlling. Konzeption, Aufgaben, Instrumente. 6. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Langmann, C. (2019): Digitalisierung im Controlling. Wiesbaden: Springer Gabler. Lederer Antonucci, Y./Goeke, R. J. (2011). Identification of appropriate responsibilities and positions for business process management success: Seeking a valid and reliable framework. Business process management Journal, 17 Jg., Nr. 1, S. 127-146. Linton, R. (1936): The study of man: an introduction. Oxford, England: Appleton-Century. Loo, I. de/Verstegen, B./Swagerman, D. (2011): Understanding the Roles of Management Accountants. European Business Review, 23 Jg., Nr. 3, S. 287-313. Malinić, S./Todorović, M. (2012): How does management accounting change under the influence of ERP?. Economic Research, 25 Jg., Nr. 3, S. 722-751. Matherly, C. M./McWhorter, L. B./Frizzell, D. M. (2005): Management accountants’ response to SOX: A survey of controllers. Management Accounting Quarterly, 6 Jg., Nr. 4, S. 19-23. Mayer, C./Wiesehahn, A. (2018): Controlling im Digitalisierungswahn? Controller Magazin, 43 Jg., Nr. 5, S. 29-33. Mertens, P./Barbian, D./Baier, S. (2017): Begriffe von Digitalisierung und Industrie 4.0. In: Mertens, P./Barbian, D./Baier, S. (Hrsg.), Digitalisierung und Industrie 4.0 – eine Relativierung (S. 35-61). Wiesbaden: Springer Vieweg. Mitter, C./Mühlberger, J. (2014): Rolle, Aufgaben und Anforderungsprofil des Controllers. In: Seicht, G. (Hrsg.), Jahrbuch für Controlling und Rechnungswesen (S. 93120). Wien: LexisNexis. Mödritscher, G./Wall, F. (2017): Controlling als interner Dienstleister 4.0. In: Bruhn, M./Hadwich, K. (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0 (S. 422-433). Wiesbaden: Springer Gabler. Müller, S. (1997): Controlling als Instrument der mittelständischen Unternehmensführung. In: Müller, S. (Hrsg.), Controllingkompetenz für mittelständische Führungskräfte (S. 47-114). Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag. Müller-Seitz, G./Beham, F./Thielen, T. (2016): Die digitale Transformation der Wertschöpfung. Controlling & Management Review, 60 Jg., Nr. 6, S. 24-31. Neuberger, O. (1976): Führungsverhalten und Führungserfolg. Berlin: Duncker & Humblot. Nielsen, S. (2018): Reflections on the applicability of business analytics for management accounting and future perspectives for the accountant. Journal of Accounting & Organizational Change, 14 Jg., Nr. 2, S. 167-187. Nobach, K. (2019): Bedeutung der Digitalisierung für das Controlling und den Controller. In: Ulrich, P./Baltzer, B. (Hrsg.), Wertschöpfung in der Betriebswirtschaftslehre (S. 247-269). Wiesbaden: Springer Gabler. Oehler, K./Schmidt, W./Seufert, A. (2016): Bedeutung von Big Data für Controller – Chancen der Digitalisierung bei der Umsetzung moderner Wertorientierung. Controller Magazin, 41 Jg., Nr. 3, S. 62-69. Overby, E./Bharadwaj, A./Sambamurthy, V. (2006): Enterprise agility and the enabling role of information technology. European Journal of Information Systems, 15 Jg., Nr. 2, 120-131. Ploss, R. (2016): Der digitale Controller. Controlling & Management Review, 60 Jg., Nr. 2, 60-65. Preis, A. (2012): Controller-Anforderungsprofile: Eine empirische Untersuchung. Wiesbaden: Gabler.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle des Controllers

47

Quattrone, P. (2016): Management accounting goes digital: Will the move make it wiser? Management Accounting Research, 31 Jg., S. 118-122. Rieg, R. (2018): Tasks, interaction and role perception of management accountants: evidence from Germany. Journal of Management Control, 29 Jg., Nr. 2, S. 183-220. Rikhardsson, P./Yigitbasioglu, O. (2018): Business intelligence & analytics in management accounting research: Status and future focus. International Journal of Accounting Information Systems, 29 Jg., S. 37-58. Rom, A./Rohde, C. (2007): Management accounting and integrated information systems: A literature review. International Journal of Accounting Information Systems, 8 Jg., Nr. 1, S. 40-68. Sathe, V. (1983): The controller's role in management. Organizational Dynamics, 11 Jg., Nr. 3, S. 31-48. Schäffer, U./Weber, J. (2012): Business Partner – Fata Morgana oder Leitstern für die Entwicklung der Controller? Zeitschrift für Controlling und Management, 56 Jg., Nr. 1, S. 1. Schäffer, U./Weber, J. (2016): Die Digitalisierung wird das Controlling radikal verändern. Controlling & Management Review, 60 Jg., Nr. 6, S. 6-17. Schauberger, A. (2017): Implikationen der Digitalisierung für die Geschäftsmodelle von Industriegüter-Unternehmen: Eine empirische Analyse (Dissertation). Johannes Kepler Universität Linz. Schmidt, G. (2013): Business Analyst: ein neues Berufsbild? Zeitschrift für Führung und Organisation, 82 Jg., Nr. 6, S. 438-443. Schoegel, K. (2001): Geschäftsmodelle: Konstrukt-Bezugsrahmen-Management. München: FGM. Schönbohm, A./Egle, U. (2016): Der Controller als Navigator durch die digitale Transformation. Controller Magazin, 41 Jg., Nr. 6, S. 4-8. Schönbohm, A./Egle, U. (2017a): Controlling der digitalen Transformation. In: Schallmo, D./Rusnjak, A./Anzengruber, J./Werani, T./Jünger, M. (Hrsg.), Digitale Transformation von Geschäftsmodellen (S. 213-236). Wiesbaden: Springer Gabler. Schönbohm, A./Egle, U. (2017b): Der Chief Digital Performance Officer: Mit Gamification zur digitalen Unternehmenskultur. In: Schönbohm, A./Marwede, L./Graffius, M. (Hrsg.), Spielräume: Facetten von Gamification in Unternehmen und Weiterbildung (S. 105-116). Dollerup: Flying Kiwi Media. Schulte, A./Bülchmann, O. (2016): Wie Big Data die Rolle des Controllers verändert. Controlling & Management Review, 60 Jg., Nr. 1, S. 54-61. Seufert, A./Oehler, K. (2016): Controlling und Big Data: Anforderungen an die Methodenkompetenz. Controlling & Management Review, 2016, Sonderheft 1, S. 74-81. Seufert, A./Treitz, R. (2017): Digitale Transformation – Trends und Implikationen für das Controlling. Controller Magazin, 2017, Special (Mai/Juni), S. 12-16. Seufert, A./Treitz, R./von Daacke, M. (2017): Information als strategische Ressource. Digitale Transformation – Trend und Implikationen für das Controlling. Controller Magazin, 2017, Special (Juli/August), S. 48-53. Singh, A./Hess, T. (2017): How Chief Digital Officers Promote the Digital Transformation of their Companies. MIS Quarterly Executive, 16 Jg., Nr. 1, S. 1-17. Sonteya, T./Seymour, L. F. (2012). Towards an understanding of the business process analyst: An analysis of competencies. Journal of Information Technology Education: Research, 11 Jg., Nr. 1, S. 43-63. Steiner, H./Welker, P. (2016): Wird der Controller zum Data Scientist? Controlling & Management Review, 2016, Sonderheft 1, S. 68-73. Streibich, K. H. (2012): Die Digitalisierung hat die Rolle der IT für das Controlling bereits nachhaltig verändert und wird auch in Zukunft noch einen hohen Einflussfaktor darstellen. Controlling & Management, 56 Jg., Nr. 2, S. 102-104.

48

Tanja Wolf und Melanie Heidlmayer

Tschandl, M./Mallaschitz, C. (2016): Industrie 4.0: Controller als Treiber einer strategischen Neuausrichtung. Controlling und Industrie, 4 Jg., S. 85-106. Walchshofer, M./Riedl, R. (2017): Der Chief Digital Officer (CDO): Eine empirische Untersuchung. HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, 54 Jg., Nr. 3, S. 324-337. Weber, J./Strauß, E./Spittler, S. (2012): Controlling & IT: Wie Trends und Herausforderungen der IT die Controllingfunktion verändern. Controlling & Management, 56 Jg., Nr. 2, S. 105-109. Weber, J./Schäffer, U. (1999): Sicherung der Rationalität von Führung als Funktion des Controlling. Die Betriebswirtschaft, 59 Jg., Nr. 6, S. 731-747. Weber, J./Schäffer, U. (2016): Einführung in das Controlling. 15. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Weber, J. (2018): Der Digitalisierungshebel ist sehr schnell wirksam. Controlling & Management Review, 62 Jg., Nr. 3, S. 16-23. Weber, J. (2017): Was muss ein Controller alles wissen, wenn er die Digitalisierung steuern will?. Controller Magazin, 42 Jg., Nr. 5, S. 42-43. Wiegmann, L./Tretbar, T./Strauß, E. (2014): Business Partner 2.0. Controlling, 26 Jg., Nr. 3, S. 197-201. Windeck, D./Weber, J./Strauss, E. (2015): Enrolling managers to accept the business partner: the role of boundary objects. Journal of Management & Governance, 19 Jg., Nr. 3, S. 617-653. Wolf, T./Strohschen, J. H. (2018): Digitalisierung: Definition und Reife. InformatikSpektrum, 41 Jg., Nr. 1, S. 56-64. Wullenkord, A. (2018): Künstliche Intelligenz im Controlling und Rechnungswesen. In: Wiesehahn, A./Kißler, M. (Hrsg.), Erfolgreiches Controlling. Theorie, Praxis und Perspektiven (S. 113-130). Baden-Baden: Nomos. Zschech, P./Pfitzner, M./Hilbert, A. (2017): Vom Controller zum Prozessanalysten. Controlling & Management Review, 61 Jg., Nr. 4, S. 24-33. Internetquellen ICV (2013): Das Controller Leitbild, https://www.icv-controlling.com/fileadmin/Verein/ Verein_Dateien/Sonstiges/Das_Controller-Leitbild.pdf, Abfrage: 15.04. 2019. ICV (2014): Big Data – Potenzial für den Controller, https://www.icv-controlling.com/ fileadmin/Assets/Content/AK/Ideenwerkstatt/Files/ICV_Ideenwerkstatt_DreamCar Bericht_BigData.pdf, Abfrage: 30.4.2019.

Die Rolle des Controllers – lokale Entwicklungen, globale Trends und Ausblick in die Zukunft

Erik Strauß und Christoph Reuter 1.

Status quo zur Rolle des Controllers

Die Entwicklung des Controllings und des Controllers hat seit der Entstehung der Funktion und Profession in den 1970er Jahren viel Aufmerksamkeit sowohl in der wissenschaftlichen als auch praxisorientierten Literatur auf sich gezogen. 1 Mit Blick auf die täglichen Aufgaben des Controllers zeigt sich eine enorme Bandbreite, die von der Abbildung relativ simpler buchhalterischer Vorgänge bis zur fortgeschrittenen Datenanalyse mit Hilfe von Monte Carlo-Simulationen reicht. Diese Vielfalt wurde bisher primär über intraorganisationale Faktoren wie z. B. die Organisationsstruktur, den Status oder die Autorität der Controllingfunktion im spezifischen Unternehmen, persönliche Eigenschaften oder über landesspezifische Faktoren wie die Ausbildungswege des Controllers, den relativen Status der Controllerprofession im Vergleich zu anderen Professionen oder nationale Kultureinflüsse begründet. 2 Gleichzeitig basieren jedoch viele Studien über die sich verändernde Rolle des Controllers auf Datensätzen aus angelsächsisch geprägten Ländern – wie z. B. England oder die USA.3 Als Konsequenz bleibt offen, inwieweit weltweit die gleichen Faktoren bei der Entwicklung des Controllings und des Controllers eine wesentliche Rolle spielen und welche Anforderungen sich daraus für die Zukunft des Controllings und des Controllers ergeben. 1 2 3

Vgl. z. B. Messner et al. (2008). Die Ausführungen dieses Buchbeitrages beruhen in weiten Teilen auf Goretzki/Strauss (2017). Vgl. u. a. Simon et al. (1954); Mouritsen (1996); Burns/Baldvinsdottir (2005); Byrne/Pierce (2007); Järvenpää (2007); Lambert/Sponem (2012); Goretzki et al. (2013); Morales/Lambert (2013).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_2

50

Erik Strauß und Christoph Reuter

Vor diesem Hintergrund ist es das erste Ziel des vorliegenden Beitrags, die lokalen Entwicklungen des Controllings und speziell des Controllers in unterschiedlichen Ländern zusammenzufassen, um einen entsprechenden Überblick über den weltweiten Status quo der Profession zu geben. Ergänzend ist es das zweite Ziel des Beitrages gleichzeitig auch wesentliche globale Einflussfaktoren aufzuzeigen, die die Rolle des Controllings und des Controllers (relativ) unabhängig vom nationalen Kontext beeinflusst haben bzw. noch werden. Abschließend werden die zukünftigen An- und Herausforderungen an das Controlling und den Controller im Rahmen dieses Beitrages diskutiert, wobei insbesondere ein Fokus auf den Einfluss der Digitalisierung auf den Controller gelegt wird. 2.

Lokale Variationen der Rolle des Controllers

Aufbauend auf den detaillierten Ausführungen der jeweiligen Experten des entsprechenden Landes,4 gibt dieses Unterkapitel einen Überblick über die Entwicklung der Profession und Funktion in den G8-Staaten.5 Zuerst lässt sich konstatieren, dass es weltweit durchaus einen „Kern“ an Controlleraufgaben zu geben scheint, der bspw. Budgetierung, Forecasting oder Varianzanalyse beinhaltet. Gleichzeitig offenbaren sich bei näherer Betrachtung aber sehr große, lokale Unterschiede, sodass aus einer internationalen Perspektive nicht von „dem Controller“ gesprochen werden kann. Obwohl angenommen werden könnte, dass Mitglieder der Finanzfunktion aufgrund ihrer wesentlichen Aufgabe, „neutral objektive Daten bereitzustellen“ keinen nationalen (oder personenbezogenen) Einflüssen unterliegen sollten, weist ein internationaler Vergleich signifikante lokale Differenzen auf, welche die Interpretation des Controllings als soziale Praktik untermauern, die vom jeweiligen Kontext beeinflusst wird. 6 Vor diesem Hintergrund mag es nicht überraschend sein, wenn erste Unterschiede bereits bei der Bezeichnung der Profession auftreten. Zum Beispiel werden Angehörige der Controlling-Profession in Brasilien, Canada, Deutschland, Finnland und den Niederlanden als Controller betitelt. In den angelsächsischen Ländern wie England oder den USA sowie in deren früheren Kolonien wie bspw. Indien werden sie hingegen als „management accountants“ bezeichnet. In anderen europäischen Ländern finden sich teilweise auch gänzlich abweichende Berufstitel wie etwa „Business Analysts“ in Italien. 4

5

6

Vgl. Goretzki/Strauss (2017). Es handelt sich dabei um die Länder Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Indien, Japan, Kanada, Südafrika, Taiwan und die USA. Obwohl Mexiko offiziell zu den G8-Staaten zählt, wird es an dieser Stelle aufgrund der relativ hohen Heterogenität der Entwicklung des Controllings und Controllers innerhalb des Landes ausgeschlossen. Vgl. Goretzki/Strauss (2017).

Die Rolle des Controllers – lokale Entwicklungen, globale Trends und Ausblick in die Zukunft

51

Die signifikanten Unterschiede zwischen Controllern in den verschiedenen Ländern lassen sich auch bis zu einem gewissen Grad auf die divergierenden Laufbahnen und die Rolle der Berufsvereinigungen im Rahmen der Controllerausbildung zurückführen, die international existieren, um Controller zu werden. In einigen Ländern wie bspw. England oder Canada verfügen privatrechtliche Berufsvereinigungen wie z. B. das Chartered Institute of Management Accountants (CIMA) über die Hoheit der Controllerausbildung. Aufgrund des privatwirtschaftlichen Interesses der Berufsvereinigungen etablieren diese starke soziale Gruppenstrukturen, um Mitglieder von nicht-Mitgliedern zu differenzieren. Eine Maßnahme zur Etablierung solcher Strukturen ist bspw. der Aufbau eines bestimmten Rollenbildes wie der Controller als Business Partner. In anderen gesellschaftlichen Kontexten wie China oder Deutschland übernehmen hingegen eher Universitäten die Ausbildung der Controller. In Ländern wie z. B. Japan wird die gesamte Ausbildung den Unternehmen selbst überlassen, in denen Controller nachher tätig werden. In Abhängigkeit der Relevanz der Berufsvereinigung und der rechtlichen Verankerung der Controller ergeben sich global sehr unterschiedliche organisationale wie auch gesellschaftliche Stati der Controller. In Russland ist die Etablierung einer Controllerstelle gesetzliche verankert und macht Controller damit zu einer verpflichtenden Voraussetzung für das Management von Unternehmen.7 Daraus resultiert gleichzeitig auch eine starke strategische Rolle des Controllers in Russland. Im Vergleich dazu nimmt der Controller in Ländern wie Indien oder Japan eher sehr traditionelle Rollen ein und übernimmt dort klassische Aufgaben wie die Datensammlung. Dies führt auch zu einem vergleichsweisen niedrigen Status. In den meisten europäischen Ländern jedoch genießt der Controller einen relativ hohen intraorganisationalen Status, der entsprechend regelmäßig von anderen Professionen herausgefordert wird. Aktuell reklamieren z. B. Data Scientists (in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern) die Hoheit der Sammlung, Aufbereitung und Analyse von Daten aus digitalen Informationssystemen für sich. Damit beanspruchen sie einen Tätigkeitsbereich, der nicht nur klassischerweise dem Controlling zugerechnet wird, sondern gleichzeitig auch einen der wesentlichen Eckpfeiler des Controllerberufs darstellt. Ob am Ende Data Scientists oder Controller die Hoheit über dieses zukünftig sicherlich absolut bedeutsame Aufgabengebiet erhalten, ist momentan noch völlig unklar, da auch Controller vermehrt die „digitale Vorherrschaftsstellung“ für sich beanspruchen. Welche weiteren zukünftigen Herausforderungen Controller in Zukunft begegnen werden und welche Chancen sich daraus ergeben, wird in Unterkapitel 4 diskutiert, nachdem im Unterkapitel 3 die globalen Trends, welche das Controlling und den Controller beeinflusst haben und weiterhin beeinflussen werden, beschrieben wurden. 7

Vgl. Falko (2017).

52 3.

Erik Strauß und Christoph Reuter

Globale Trends mit Einfluss auf die Rolle des Controllers

Abgesehen von starken lokalen Einflüssen spielen auch globale Faktoren eine wesentliche Rolle im Rahmen der Entwicklung des Controllings und der Controllerprofession. Dementsprechend verwundert es nicht, wie durchaus dynamisch sich die Entwicklung im Zeitablauf darstellt. In den nachfolgenden Ausführungen gibt der vorliegende Beitrag einen Überblick über wesentliche, globale Faktoren, die die Funktion und Profession bereits beeinflusst haben oder immer noch beeinflussen.8 Als ein erstes, globales Phänomen, welches in vielen Ländern signifikant die Entwicklung des Controllings und Controller beeinflusst hat, ist die Kolonialisierung zu nennen. In früheren Kolonien wie bspw. Indien und Südafrika finden sich in zahlreichen gesellschaftlichen Bereichen weiterhin die Spuren der Besatzungsmächte aus der Kolonialzeit. Diese Aussage gilt auch für die Ausbildung und Struktur der Berufsvereinigung der Controller in den beiden Ländern. Als Konsequenz weisen Controller – dort allerdings als „management accountants“ bezeichnet – große Parallelen zum britischen „management accountant“ auf. Die Gemeinsamkeiten gehen sogar soweit, dass in beiden früheren Kolonien heute die gleichen Berufsvereinigungen (bspw. das Chartered Institute of Management Accountants, CIMA) aktiv sind und den Markt dominieren. Aufgrund dieser Marktstellung verläuft die Entwicklung der Profession und Funktion in den ehemaligen Kolonien und Besatzungsmächten auch heutzutage noch sehr ähnlich. Zwei weitere Beispiele für globale Einflussfaktoren, die sehr nachhaltig die Entwicklung des Controllings und Controllers beeinflusst haben, sind der Zweite Weltkrieg und die Industrialisierung. Obwohl beide Epochen historisch gesehen, unterschiedlicher kaum sein könnten, entstand in beiden eine Notwendigkeit zur Kostenkontrolle. Im Rahmen des Zweiten Weltkrieges musste vor allem Deutschland seine Rüstungs- und Kriegsausgaben sehr genau planen, um den Krieg finanzierbar zu gestalten.9 Hierdurch rückten die Informationen und Methoden der Kostenrechnung in den Fokus staatlichen Interesses, was zu einer schnellen Weiterentwicklung führte. Die Finanzierbarkeit des Weltkrieges durch eine genaue Kalkulation und Vorgabe der Kosten führte auch in anderen, beteiligten Ländern wie bspw. England zur Erweiterung der methodischen und inhaltlichen Komponenten des Controllings. 10 In der Epoche der Industrialisierung im 19. Jahrhundert bedingte das überdurchschnittliche, wirtschaftliche Wachstum, dass die meisten Unternehmen ihre Produktionskapazitäten massiv erweitern 8

9 10

Die Auswahl der Faktoren ist dabei nicht als abschließend zu verstehen, denn sie beruht auf einer ersten Analyse der lokalen Entwicklungen und ist zukünftig noch auszubauen. Vgl. z. B. Funnell (1998). Vgl. z. B. Matthews et al. (1997).

Die Rolle des Controllers – lokale Entwicklungen, globale Trends und Ausblick in die Zukunft

53

mussten. Aufgrund der damit einhergehenden Investitionen und Kosten-NutzenAnalyse gewannen das Controlling und der Controller erneut an Bedeutung für die unternehmerische Entscheidungsunterstützung. Aufbauend auf einer kostenrechnerischen Basis entwickelte sich in dem Zeitraum vor allem die Investitionsrechnung weiter. Ein weiterer globaler Trend, der sowohl die Funktion als auch Profession der Controller beeinflusst hat, ist das Thema Nachhaltigkeit. 11 Wie im vorherigen Abschnitt erläutert, gewannen sowohl die Kalkulation der Kosten als auch der Preise (und damit zwei originäre Aufgabenbereiche des Controllings) in kurzer Zeit immens an Bedeutung. Jedoch berücksichtigten die Kosten- und Preiskalkulation zu jener Zeit lediglich die internen Kosten. Anders formuliert, wurden die Kosten der Externalitäten, wie z. B. einer Verschmutzung der Umwelt, weder in die Berechnungen inkludiert noch in der unternehmerischen Entscheidungsfindung berücksichtigt. Während die Vernachlässigung einer Internalisierung externer Effekte in den vorangegangenen Epochen gesellschaftlich toleriert wurden, änderten sich spätestens seit dem Brundtland-Bericht12 1987 die Anforderungen an Unternehmen. Durch die wachsenden Erkenntnisse über die negativen Konsequenzen der externen Effekte für die Weltbevölkerung und die sich verändernden gesellschaftlichen Grundwerte (wie bspw. einer abnehmenden Bedeutung von monetären Anreizen bei gleichzeitiger Bedeutungszunahme von Autonomiestreben) in den meisten westlichen Gesellschaften, entstand ein klares Bedürfnis, diese Effekte mit in das unternehmerische Kalkül zu integrieren. Bei einer fehlenden Berücksichtigung dieser gesellschaftlichen Forderung droht der Entzug der „licence to operate“ – sowohl auf eine reine soziale Art und Weise (bspw. durch Proteste gegen die entsprechenden Unternehmen) als auch gesetzlich (z. B. durch Klimazertifikate). Diese Forderungen hatten selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Ausgestaltung des Controllings und Arbeit der Controller. Beispielsweise sahen (und sehen) sich Controller mit der Herausforderung konfrontiert, dass sie ein Leistungsverständnis entwickeln müssen, was kein kontinuierliches Wachstum als Grundannahme vorsieht und die Bedürfnisse zukünftiger Generationen bereits heute berücksichtigt und einpreist. Ein weiterer globaler Trend, der wesentliche, ökonomische Grundannahmen in Frage stellte und einen entsprechend nachhaltigen Einfluss auf das Controlling ausübte (und weiterhin ausübt), ist die Finanzkrise 2008.13 Bis zu diesem Zeitpunkt galten Grundsätze wie „banks are too big too fail“ oder Annahmen über risikolose Zinssätze von bis zu 5 %. Aufgrund der massiven Markteinbrüche und der daraus resultierenden Unsicherheit änderten sich die primären Auf11 12 13

Vgl. Schaltegger (2017). Vgl. z. B. Hauff (1987). Vgl. Becker/Mahlendorf (2017).

54

Erik Strauß und Christoph Reuter

gaben der Controller. Speziell Cash Flow-orientierte Aufgaben sowie die operative Planung stehen nun vermehrt im Zentrum der Controlleraufgaben. Die CashFlow-Orientierung ergab sich aus Verlusten bedingt durch Forderungsausfälle sowie den grundsätzlichen Auftragsrückgang aufgrund des wirtschaftlichen Abschwungs (bzw. der Krise). Die gesteigerte Notwendigkeit, sich mit der operativen Planung auseinanderzusetzen, resultierte aus dem Ausmaß der Finanzkrise 2008, welches fundamentale Planungsannahmen, die essentielle Bestandteile fast aller Planungsmodelle waren, komplett in Zweifel zog. Beispielhaft lassen sich Annahmen über das kontinuierliche volkswirtschaftliche Wachstum, das Kreditrisiko von Staatsanleihen oder die Höhe risikofreier Zinssätze anführen. Als Folge beschäftigen sich Controller bis heute vermehrt mit der Anpassung bereits bestehender Planungen oder der völligen Neuplanung der Geschäftsentwicklung. Abgesehen von einer Veränderung des Aufgabenschwerpunktes hatte die Finanzkrise auch Auswirkungen auf den Status und die Rolle des Controllers. Aufgrund der höheren Kosten- und Cash-Relevanz nahm die Bedeutung der Controller für die unternehmerische Entscheidungsfindung innerhalb der Organisationen beträchtlich zu und sorgte für eine noch größere Nähe zum Management, d. h. die Finanzkrise erhöhte den intraorganisationalen Status und förderte die Weiterentwicklung des Controllers hin zum Business Partner-Rollenmodell. Die oben aufgeführte Entwicklung zum Business Partner-Rollenmodell selbst lässt sich als ein weiterer globaler Trend festhalten, der in den meisten untersuchten Ländern vorzufinden ist. 14 Im Rahmen der Analyse der lokalen Einflussfaktoren in den unterschiedlichen Ländern tauchte vermehrt die Idee auf, dass sich Controller in Richtung eines Business Partners für das Management weiterentwickelt haben oder entwickeln sollten. Bei einer näheren Analyse der Business Partner-Rolle und der Faktoren, die deren Eintreten positiv beeinflussen, zeigt sich jedoch ein viel differenzierteres und teilweise sogar kritisches Bild dieses speziellen Rollenmodells. Vor allem für dezentrale Controller, die in strategischen Geschäftseinheiten verortet sind, kann die Business Partner-Rolle in sog. Rollenstress münden. 15 Der Grund dafür liegt in der geteilten Verantwortung dezentraler Controller. Einerseits erwartet die Unternehmenszentrale, dass dezentrale Controller als „corporate watchdogs“ agieren und die Einhaltung der Strategie, Politik, Regeln und Regulierungen der Gesamtunternehmung sicherstellen. Andererseits erwartet das dezentrale Management, dass die dezentralen Controller als ihre Business Partner fungieren und damit tiefgehend in das tägliche Geschäft und die Belange der lokalen Einheit involviert sind. Diese beiden Anforderungen sind jedoch nur im Idealfall konfliktfrei. Des Weiteren führt, wie oben bereits ausgeführt, die Business Partner-Rolle zu einer stärkeren Integration 14 15

Vgl. Goretzki et al. (2017). Vgl. z. B. Kahn et al. (1964).

Die Rolle des Controllers – lokale Entwicklungen, globale Trends und Ausblick in die Zukunft

55

des Controllers in das tatsächliche Management des Unternehmens und geht damit über die reine Entscheidungsunterstützung hinaus. Diese Involvierung kann jedoch die Bereitschaft der Controller erhöhen, an unethischem Verhalten zu partizipieren.16 Zugleich führt es dazu, dass sich dezentrale Controller bei Konfliktsituationen eher für die dezentrale und damit gegen die Sichtweise der Gesamtunternehmensleitung entscheiden.17 Gleichzeitig kann das verstärke lokale Engagement der Controller in der täglichen Managementarbeit als Bedrohung der eigenen Kompetenzen durch das lokale Management wahrgenommen werden. Dies wiederum kann die Controller daran hindern, als kritische Akteure die Rolle des „advocatus diaboli“ im Rahmen der Business Partner-Rolle einzunehmen.18 Dementsprechend kann argumentiert werden, dass die Entwicklung zur Business Partner-Rolle oder deren Ausübung auch existenzbedrohend für die Controller sein kann. Obwohl es den Konflikt zwischen Finanzbuchhaltern und Controllern seit Entstehung der beiden Professionen gibt, hält er bis heute an und kann als ein weiterer globaler Trend bezeichnet werden, welcher die Entwicklung der Controller-Rolle nachhaltig beeinflusst.19 Die Existenz der Controller als separate Profession wird durch einen „professional drift“ und einen „cognitive drift“ bedroht, da beide den Wettbewerb und die Konflikte zwischen beiden Professionen schüren. Unter dem „professional drift“ werden Abwanderungen der Berufsvereinigungen in die Verantwortungsbereiche anderer Berufsvereinigungen verstanden, die durch eine Emigration ihrer Mitglieder innerhalb der jeweiligen Organisationen entstehen. Als „cognitive drift“ hingegen wird eine wachsende Schnittmenge der Wissensbasis von unterschiedlichen Professionen verstanden – wie bspw. die zuvor bereits erwähnte Kenntnis digitaler Informationssysteme. In der unternehmerischen Realität scheint dieser Konflikt zunehmend zumindest für den Konflikt zwischen Mitarbeitern des internen und externen Rechnungswesens durch eine Harmonisierung des internen und externen Rechnungswesens gelöst zu werden.20 Gleichzeitig fokussiert das Controlling aber als eine managementunterstützende Funktion die besonderen Bedürfnisse der jeweiligen Managerin/des jeweiligen Managers im Rahmen der Strategieimplementierung und im Umgang mit den diversen Stakeholdern des Unternehmens. Diese Zielsetzung erschwert die Einhaltung klarer Professionsgrenzen bzw. lässt diese u. U. als nicht sinnvoll erscheinen.

16 17 18 19 20

Vgl. Hartmann/Maas (2010). Vgl. Maas/Matejka (2009). Vgl. Messner et al. (2008). Vgl. Richardson (2017). Vgl. z. B. Haring/Prantner (2005).

56

Erik Strauß und Christoph Reuter

Des Weiteren wird die Harmonisierungstendenz auch durch regulatorische Werke wie die International Financial Reporting Standards unterstützt, die eine klare Orientierung der externen Berichterstattung an den Bedürfnissen der internen Unternehmensleitung fordern (sog. „Managementansatz“). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit von einer Unabhängigkeit bzw. separaten Existenz der Controller als Profession ausgegangen werden kann. Auf der einen Seite kann durch die Weiterentwicklung des Controllings von einer reinen Fokussierung auf die Unterstützung von Investitionsentscheidungen hin zu einem breiteren Ansatz der Managementunterstützung mittelfristig damit gerechnet werden, dass Controller weiterhin als Berufsgruppe gebraucht werden. Auf der anderen Seite wird die langfristige Herausforderung sein, die Grenzen zur externen Berichterstattung zu wahren, die sich immer mehr Richtung Management entwickelt oder gar gänzlich neue Professionen wie Data Scientists die Aufgabengebiete des Controllers für sich reklamieren. Abgesehen von neuen Berufsgruppen wie die soeben erwähnten Data Scientists bringen neue Technologien wie Big Data und die damit einhergehenden Möglichkeiten der Automatisierung auch noch einen weiteren globalen Trend mit sich, der das Controlling und die Controller weltweit bedroht – Outsourcing in Shared Service Center.21 Das konventionelle Verständnis in der betriebswirtschaftlichen Literatur zu Shared Service Models (SSM) tendiert dazu, Controlling als eine von vielen Funktionen zu sehen, die das operative Geschäft unterstützt und dementsprechend davon entkoppelt und in eine spezialisierte Einheit ausgelagert werden kann, welche durch Benchmarking und Prozesskennzahlen gesteuert wird. Diese Art der Entkoppelung aus dem unternehmerischen Alltag hat natürlich Konsequenzen für die Profession, die die entsprechenden Aufgaben bisher verantwortete. Wenn Controller in ihrer jeweiligen Organisation weiterhin primär für die Datensammlung und -aufbereitung zuständig sind oder originär das Kostenmanagement verantworten, besteht eine große Gefahr des Outsourcings. Bei einer genaueren Analyse der zugrundeliegenden Logiken des Outsourcings stellt sich jedoch heraus, dass Controller selbst häufig als Unterstützer des Outsourcings agieren, wenn sie ihren Aufgabenschwerpunkt nicht rechtzeitig auf mehrwertstiftende Aufgabenbereiche – wie bspw. die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells aus einer finanzorientierten Sichtweise – verlagern. Dementsprechend sollten Controller ihre intimen Geschäftskenntnisse nutzen, um auch in Zukunft unentbehrlich für ihr Management zu sein. Als letzten, dafür aber sicherlich bedeutendsten, Trend für die Entwicklung des Controllings und der Controller der letzten Jahrzehnte lässt sich der Einfluss neuer Informationstechnologie anführen.22 Die Arbeit der Controller wird seit jeher 21 22

Vgl. Seal (2017). Vgl. Becker/Heinzelmann (2017).

Die Rolle des Controllers – lokale Entwicklungen, globale Trends und Ausblick in die Zukunft

57

von der Einführung neuer Technologien beeinflusst. Die Sumerer nutzten bspw. den Abakus bereits ca. 2.700-2.300 v. Chr., um komplexe Berechnungen durchzuführen. Frühe Vorläufer des Controllings im alten Ägypten wandten unterschiedliche Medien zur Aufzeichnung und Berechnung ihrer Geschäftstransaktionen an.23 Zu Beginn des 16. Jahrhunderts begannen jesuitische Klöster24, die christliche Kirche, Universitäten und andere Ausbildungsinstitutionen mit der Entwicklung sophistizierter Techniken zur Messung und Aufzeichnung performancerelevanter Informationen.25 Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die neu entwickelten Mainframe Computer und später Personal Computer wesentliche Datensammlungs- und -verarbeitungsaufgaben und bereiteten die Grundlage für den Siegeszug der Tabellenkalkulationssoftware wie bspw. Microsoft Excel26 und der Enterprise Ressource Planning Software27 wie SAP vor. Die aktuellsten Technologien umfassen bspw. Cloud-basierte Services oder mobile Endgeräte28 sowie künstliche Intelligenz29. Die Arbeit mit diesen neuen Technologien und Werkzeugen hat die Rolle des Controllers (und seiner Vorgänger) und des Controllings stets verändert. Welche Herausforderungen und Chancen sich vor dem Hintergrund der aktuellen technologischen Entwicklungen für das Controlling und den Controller ergeben, wird im nächsten Unterkapitel behandelt. 4.

Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der Rolle des Controllers

Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, wie dynamisch die Entwicklung des Controllings und Controllers seit der Entstehung in den 1970er Jahren verlaufen ist. Durch die vielfältigen lokalen und globalen Einflussfaktoren konnte und musste sich die Funktion und Profession immer wieder verändern und neu erfinden. Als wesentlicher Faktor, der über die Jahrzehnte die größten Veränderungen hervorgerufen hat, wurden neue Technologien wie Personal Computer, Big Data oder Cloud Computing identifiziert. 30 Dementsprechend sehen sich Controlling und Controller im „Zeitalter der Digitalisierung“ und den dadurch entstehenden Professionen neuen Herausforderungen gegenüber, die neben einem gewissen Gefahrenpotential auch Chancen für die nachhaltige Sicherung und Erweiterung des Wertbeitrags durch Controller ermöglichen. Um 23 24 25 26 27 28 29 30

Vgl. Ezzamel (2009). Jesuitische Klöster wurden offiziell 1540 päpstlich anerkannt. Vgl. Quattrone (2004). Vgl. McMickle (2014). Vgl. Pollock/Williams (2009). Vgl. Strauss et al. (2015). Vgl. Strauss (2018). Vgl. für die Rolle von Accounting Information Systems auch Quinn/Strauss (2017).

58

Erik Strauß und Christoph Reuter

ein konkretes Beispiel zu nennen, soll an dieser Stelle auf IBM Watson verwiesen werden.31 Watson ist eine äußerst leistungsstarke künstliche Intelligenz, die große Datenmengen mit Hilfe einer zuvor festgelegten Wissensdatenbank analysieren kann. Zudem ist die Technologie in der Lage, über ein Sprachinterface mit den Nutzern zu kommunizieren, d. h. Manager können verbal Fragen artikulieren und Watson liefert die Antworten. Mittlerweile ist die Technologie (in Abhängigkeit des spezifischen Wissensgebietes) so fortgeschritten, dass Watson sogar „Streitgespräche“ führen kann.32 Dies bedeutet, dass Watson entsprechende Daten über das jeweilige Thema des Gespräches analysiert und darauf aufbauend, ein Argument bildet. Durch die Interaktion mit dem menschlichen Gegenpart erhält Watson neue Informationen, die er in seine Analyse inkludiert und neue bzw. Gegenargumente formuliert. Diese Form der Interkation verdeutlicht, dass Nutzer – wie bspw. Manager – nicht mehr über ein fundiertes IT-Wissen verfügen müssen, um das System anwenden zu können. Die Entwicklung von Watson wird von einem wachsenden Bedarf an einer Profession begleitet, welche das System anlernt und inhaltlich die Wissensdatenbank weiterentwickelt. Momentan gibt es noch keine eindeutige Zuordnung zu einer Profession, jedoch reklamieren Data Scientists recht erfolgreich dieses neue Verantwortungs- und Aufgabengebiet für sich.33 Sollten sie damit erfolgreich sein, würden sie eines der berufsdefinierenden Felder der Controller vereinnahmen und die „licence to operate“ für das Controlling in Frage stellen. Um weiterhin einen erfolgreichen Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten und als eigenständige Profession zu existieren, werden im Rahmen des vorliegenden Beitrages vier Wissensbereiche vorgeschlagen, in denen sich Controller (mindestens) entwickeln sollten. Ein erster Wissensbereich kann in der (Weiter-) Entwicklung eines tiefgehenden Geschäftsverständnisses gesehen werden. Obwohl ein grundsätzliches Geschäftsverständnis seit Aufkommen des Rollenmodells des Business Partners bereits in der akademischen Literatur diskutiert wird,34 hat die Bedeutung aufgrund der zunehmenden Automatisierung der bisherigen Controlleraufgaben (wie die Datensammlung) immens an Bedeutung gewonnen. Nur bei einer intimen Kenntnis des Geschäftes ist der Controller bspw. in der Lage „Scheinkorrelationen“, die von einer künstlichen Intelligenz als Muster erkannt werden, kritisch zu hinterfragen und als irrelevant oder gar falsch zu identifizieren. Diese Fähigkeit kann gleichzeitig die Grundlage für den Aufbau einer „unique selling proposition“ der Controller im Vergleich zu anderen Professionen (wie Data Scientists) darstellen, die die Existenz und Relevanz der Controller in Zukunft sichern könnte. 31 32 33 34

Vgl. z. B. O’Leary (2017). Vgl. Krishna (2018), Internet. Vgl. z. B. Horváth/Aschenbrücker (2014). Vgl. z. B. Järvenpää (2007); Goretzki et al. (2013).

Die Rolle des Controllers – lokale Entwicklungen, globale Trends und Ausblick in die Zukunft

59

Das zweite Wissensgebiet, in das Controller sich in Zukunft verstärkt einarbeiten sollten, ist die zugrundliegende Technik, auf der künstliche Intelligenz und Algorithmen basieren. Es ist damit explizit nicht gemeint, dass Controller zu „IT-Experten“ werden müssen; vielmehr geht es darum, zu verstehen, wie Algorithmen aufgebaut sind, welche Annahmen getroffen werden und welche Auswirkungen dies auf die Ergebnisse hat. Dieses Wissen ist notwendig, um die Ergebnisse, die auf künstlicher Intelligenz oder Algorithmen basieren, zu verstehen, zu interpretieren und in den jeweiligen Kontext des entsprechenden Geschäftsumfeldes einzuordnen. Zudem ermöglicht die Kenntnis der Funktionsweise den Controllern auch, die Möglichkeiten und Grenzen der Systeme in die eigenen Überlegungen mit einzubeziehen. Damit ist gemeint, dass Systeme, die auf künstlicher Intelligenz basieren und mit Big Data arbeiten, nahezu jede Antwort liefern können. Dementsprechend muss der Controller die Kompetenz entwickeln, die richtigen Fragen zu stellen. Diese Abkehr vom „Lieferant der Antworten“ zu demjenigen, der die richtigen Fragen stellt, bedarf nicht nur eines guten Geschäfts-, sondern auch Technikverständnisses, um die Fragen optimal zu formulieren. Diese Veränderung ist weitreichender als es auf den ersten Blick scheinen mag. Das Stellen der richtigen Fragen verschiebt die Aufgabe des Controllers vom „sense-making“ zum „sense-giving“, d. h. anstatt einer Analyse und Interpretation vorhandener Daten, muss der Controller nun einen neuen Sinn aus ihnen generieren, um weiterhin einen Wertbeitrag für das Unternehmen zu leisten. Die Sinnstiftung setzt aber ein weitaus größeres Maß an Kreativität und Geschäftsverständnis voraus als es bei der reinen Interpretation der Fall ist. Gleichzeitig ermöglicht das eben beschriebene, vertiefte Technikwissen den Controllern auch eine Moderator-Rolle zwischen der Technik und dem Management einzunehmen. Durch das Verständnis für „beide Seiten“ ist es dem Controller möglich, eine Übersetzungsleistung vorzunehmen, d. h. mit Hilfe des Geschäftsverständnisses die Ergebnisse der bspw. künstlichen Intelligenz in eine für das Management verständliche Sprache zu überführen. Als Moderator kann der Controller dem Management helfen, neue Geschäftsideen zu entwickeln und Verbesserungspotenziale mit Hilfe der neuen Technologien zu identifizieren. Gleichzeitig versetzt die Kombination aus Technik- und Geschäftsverständnis den Controller in die Lage, Vertrauen des Managements (und anderer Mitarbeiter) in das System zu schaffen. Dieses Vertrauen kann als wichtige Grundlage für Organisationen gesehen werden, damit ihre Mitarbeiter sich nicht nur auf die Anwendung neuer Technologien einlassen, sondern auch das volle Potenzial dieser ausschöpfen. Zur Etablierung des Vertrauens des Managements und weiterer Mitarbeiter müssen Controller sich in Zukunft verstärkt noch Wissen aus einem dritten (für eine Profession innerhalb der Finanzfunktion eventuell überraschenden) Gebiet

60

Erik Strauß und Christoph Reuter

aneignen – der Psychologie. Zuerst sollten Controller verstehen, wie das menschliche Gehirn Informationen verarbeitet, damit sie in der Lage sind, mögliche Quellen für Fehlinterpretationen frühzeitig zu identifizieren und entgegenzuwirken. Diese Thematik ist in der Wissenschaft auch unter der Bezeichnung „Verhaltensorientiertes Controlling“ bekannt.35 Zudem kann dieses Wissen den Controllern bei der Informationsaufbereitung – bspw. beim graphischen Design von Tabellen oder Präsentationen – helfen, um diese möglichst adressatengerecht auf die jeweilige Managerin oder den jeweiligen Manager abzustimmen. Nur auf diese Art und Weise können Controller dem Management helfen, bestmögliche im Sinne von rationalen Entscheidungen zu treffen. Psychologische Kenntnisse unterstützen den Controller zudem beim Aufbau einer Empathie für seine Managerin oder seinen Manager. Gerade wenn Controller die Business Partner-Rolle einnehmen wollen, müssen sie sich in ihr Gegenüber hineinversetzen können, um die Bedürfnisse genau zu verstehen und ihr eigenes Verhalten entsprechend anzupassen. Ohne Empathie für das Management können Controller z. B. nicht identifizieren, wenn ihr Gegenüber Verständnisprobleme bei der Interpretation der Datengrundlage für die Entscheidungsfindung hat oder sich bei Entscheidungen unsicher ist und weiterführende Informationen benötigt. Als letzter Bereich, in dem Controller zukünftig Expertise aufbauen sollten, lässt sich „Business Modelling“ anführen. Ein grundsätzliches Geschäftsverständnis ist – wie oben bereits ausgeführt – notwendig für die Unterstützung des Managements. Business Modelling hingegen bedeutet jedoch, dass Controller selbst Fähigkeiten aufbauen, um neue Geschäftsideen und -modelle zu entwickeln. Während im Zeitalter der Industrialisierung physische Produkte im Zentrum der Geschäftsmodelle standen, hat bereits eine Verlagerung zu digitalen – und damit in den meisten Fällen – informationsbasierten Produkten und Services stattgefunden, die in den kommenden Jahren anhalten wird. Wenn Informationen und deren Aufbereitung einen wesentlichen Mehrwert für die Kunden darstellen, besteht für Controller die einzigartige Möglichkeit, ihre Erfahrungen mit Informationsaufbereitung und -verarbeitung direkt in Geschäftsmodelle zu überführen. Sollten Controller diese Aufgabe übernehmen, können sie damit einen klaren Wertbeitrag für das Unternehmen leisten. Gleichzeitig geht mit der Übernahme dieser Aufgabe allerdings die Gefahr einher, dass Controller ihren „neutralen Status“ gegenüber dem Management verlieren. Wenn sie einen eigenen Geschäftsbereich verantworten und damit u. U. eigenständige Agenda verfolgen, könnte das Management dem Controller Opportunitätsgedanken unterstellen. Dementsprechend müssen Controller, die ihre eigenen Geschäftsmodelle entwickeln, besonders auf die Kongruenz mit den Zielen des Gesamtunternehmens achten und die Neutralität ihrer eigenen Empfehlungen an das Management kritisch reflektieren. 35

Vgl. z. B. Weber (2013).

Die Rolle des Controllers – lokale Entwicklungen, globale Trends und Ausblick in die Zukunft

5.

61

Fazit

Wie viele andere Funktionen auch, deren Haupttätigkeiten in der Aufbereitung und Verarbeitung von Informationen liegen, sieht sich das Controlling und damit die Profession der Controller großen Herausforderungen im Zeitalter der Digitalisierung gegenüber. Obwohl Controlling und Controller seit ihrer Entstehung stets signifikant von technologischen Entwicklungen beeinflusst wurden, verändern Technologien wie künstliche Intelligenz tiefgreifender als je zuvor ihre Arbeitswelt. Gleichzeitig bieten diese Entwicklungen auch einmalige Möglichkeiten für Controller, Routineaufgaben dem System zu übergeben und sich Aufgaben mit einem höheren Mehrwert für das Unternehmen zu widmen. Wenn Controller sich dieser Möglichkeiten bewusstwerden und bereit sind, sich entsprechend weiterzuentwickeln, können sie in Zukunft eventuell sogar eine noch bedeutendere Rolle für den Unternehmenserfolg spielen als momentan. Gleichzeitig stellt die Weiterentwicklung in Richtung Business Modelling hohe Ansprüche an die Lernbereitschaft der Controller, denn es werden zum Teil gänzlich neue Fähigkeiten verlangt (wie bspw. Kreativität), die bisher nicht im Fokus der Controller lagen. Sollte diese Veränderung jedoch gelingen, könnten damit auch positive Effekte für das Image des Controllerberufes verbunden sein, die ihn auch in Zukunft als attraktiven Beruf erscheinen lassen.

62

Erik Strauß und Christoph Reuter

Literatur Becker, A./Heinzelmann, R. (2017): IT and the management accountant. In: Goretzki, L./Strauss, E. (Hrsg.), The Role of the Management Accountant (S. 219-232). Abingdon: Routledge. Becker, S. D./Mahlendorf, M. D. (2017): The influence of the economic crisis on the tasks and roles of management accountants. In: Goretzki, L./Strauss, E. (Hrsg.), The Role of the Management Accountant (S. 292-304). Abingdon: Routledge. Burns, J./Baldvinsdottir, G. (2005): An institutional perspective of accountants' new roles–the interplay of contradictions and praxis. European Accounting Review, 14 Jg., Nr. 4, S. 725-757. Byrne, S./Pierce, B. (2007): Towards a more comprehensive understanding of the roles of management accountants. European Accounting Review, 16 Jg., Nr. 3, S. 469-498. Ezzamel, M. (2009): Order and accounting as a performative ritual: Evidence from ancient Egypt. Accounting, Organizations and Society, 34 Jg., Nr. 3-4, S. 348-380. Falko, S. G. (2017): Management accountants in Russia. In: Goretzki, L./Strauss, E. (Hrsg.), The Role of the Management Accountant (S. 151-168). Abingdon: Routledge. Funnel, W. (1998): Accounting in the service of the Holocaust. Critical Perspectives on Accounting, 9 Jg., Nr. 4, S. 435-464. Goretzki, L./Strauss, E. (Hrsg.) (2017): The Role of the Management Accountant: Local Variations and Global Influences. Abingdon: Routledge. Goretzki, L./Strauss, E./Weber, J. (2013): An institutional perspective on the changes in management accountants’ professional role. Management Accounting Research, 24 Jg., Nr. 1, S. 41-63. Haring, N./Prantner, R. (2005): Konvergenz des Rechnungswesens. Controlling, 17 Jg., Nr. 3, S. 147-154. Hartmann, F. G./Maas, V. S. (2010): Why business unit controllers create budget slack: Involvement in management, social pressure, and machiavellianism. Behavioral research in accounting, 22 Jg., Nr. 2, S. 27-49. Hauff, V. (Hrsg.) (1987): Unsere gemeinsame Zukunft: Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Greven: Eggenkamp. Horváth, P./Aschenbrücker, A. (2014): Data Scientist: Konkurrenz oder Katalysator für den Controller?. In: Gleich, R./Grönke, K./Kirchmann, M./Leyk, J. (Hrsg.), Controlling und Big Data: Anforderungen, Auswirkungen, Lösungen (S. 47-62). München: Haufe. Järvenpää, M. (2007): Making business partners: a case study on how management accounting culture was changed. European Accounting Review, 16 Jg., Nr. 1, S. 99-142. Kahn, R. L./Wolfe, D. M./Quinn, R. P./Snoek, J. D./Rosenthal, R. A. (1964): Organizational stress: Studies in role conflict and ambiguity. New York: Wiley. Krishna, A. (2018): o. T., https://www.ibm.com/blogs/research/2018/06/ai-debate/, Abfrage: 27.04.2019. Lambert, C./Sponem, S. (2012): Roles, authority and involvement of the management accounting function: a multiple case-study perspective. European Accounting Review, 21 Jg., Nr. 3, S. 565-589. Maas, V. S./Matejka, M. (2009): Balancing the dual responsibilities of business unit controllers: Field and survey evidence. The Accounting Review, 84 Jg., Nr. 4, S. 1233-1253. Matthews, D./Anderson, M./Edwards, J. R. (1997): The rise of the professional accountant in British management. The Economic History Review, 50 Jg., Nr. 3, S. 407-429. McMickle, P. L. (2014): Computing technology in the West: The impact on the profession of accounting. In: Chatfield, M./Vandermeersch, R. (Hrsg.), The history of accounting: An international encyclopedia (S. 145-150). London: Routledge:

Die Rolle des Controllers – lokale Entwicklungen, globale Trends und Ausblick in die Zukunft

63

Messner, M./Becker, C./Schäffer, U./Binder, C. (2008): Legitimacy and identity in Germanic management accounting research. European Accounting Review, 17 Jg., Nr. 1, S. 129-159. Morales, J./Lambert, C. (2013): Dirty work and the construction of identity. An ethnographic study of management accounting practices. Accounting, Organizations and Society, 38 Jg, Nr. 3, S. 228-244. Mouritsen, J. (1996): Five aspects of accounting departments' work. Management Accounting Research, 7 Jg., Nr. 3, S. 283-303. O’Leary, D. (2017): Big Data and Knowledge Management with Applications in Accounting and Auditing: The Case of Watson. In: Quinn, M./Strauss, E. (Hrsg.), The Routledge Companion to Accounting Information Systems (S. 145-160). Abingdon: Routledge. Pollock, N./Williams, R. (2009): The sociology of a market analysis tool: How industry analysts sort vendors and organize markets. Information and Organization, 19 Jg, Nr. 2, S. 129-151. Quattrone, P. (2004): Accounting for God: accounting and accountability practices in the Society of Jesus (Italy, XVI–XVII centuries). Accounting, organizations and society, 29 Jg., Nr. 7, S. 647-683. Quinn, M./Strauss, E. (Hrsg.) (2017): The Routledge Companion to Accounting Information Systems. Abingdon: Routledge. Richardson, A. J. (2017): The Relationship between Management and Financial Accounting as Professions and Technologies of Practice. In: Goretzki, L./Strauss, E. (Hrsg.), The Role of the Management Accountant (S. 246-261). Abingdon: Routledge. Schaltegger, S. (2017): Sustainability as a fundamental challenge for management accountants. In: Goretzki, L./Strauss, E. (Hrsg.), The Role of the Management Accountant (S. 274-291). Abingdon: Routledge. Seal, W. (2017): Agent or victim?. In: Goretzki, L./Strauss, E. (Hrsg.), The Role of the Management Accountant (S. 233-245). Abingdon: Routledge. Simon, H. A./Guetzkow, H./Kozmetsky, G./Tyndall, G. (1954): Centralization vs. decentralization in organizing the controller's department. New York: Controllership Foundation. Strauss, E. (2018): De Controller – Internationaal Perspectief en Blik op de Toekomst, in: We are finance (VRC), 12/18, S. 14-19. Strauss, E./Kristandl, G./Quinn, M. (2015): The effects of cloud technology on management accounting and decision-making. Management and Financial Accounting Report, 10(6). Weber, J. (2013): Verhaltensorientiertes Controlling. Controlling, 25 Jg., Nr. 4-5, S. 217-222.

Controlling und Digitalisierung – Änderungen im Kompetenzprofil

Gernot Mödritscher und Friederike Wall 1.

Einleitung

Das Controlling hat sich in der Vergangenheit sowohl hinsichtlich seines Rollenverständnisses als auch seiner Instrumente deutlich weiterentwickelt. So prägen heute unterschiedliche Controlling-Konzeptionen und Rollenbilder die Unternehmenspraxis, gleichzeitig besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass sich beides auch aktuell ändert bzw. in Zukunft ändern wird. Vorangetrieben wird diese Entwicklung derzeit massiv durch die Digitalisierung, und zwar sowohl im Hinblick auf das Aufgabenfeld (Controlling der Digitalisierung) als auch durch neue Ansätze für das Controlling selbst (neue Instrumente, Systeme usw.). Neben einer kurzen Skizzierung der diesbezüglichen Entwicklungen im Controlling wird vor allem darauf eingegangen, welche Kompetenzen und Fähigkeiten im Controlling künftig von Bedeutung sein werden. 2.

Aktuelles und zukünftiges Rollenbild im Controlling

Eine zentrale Herausforderung und gleichzeitig auch Chance für das Controlling stellen jene Entwicklungen dar, die gemeinhin als Digitalisierung beschrieben werden. Es sind davon sowohl die Controlling-Prozesse als auch die Controllingund IT-Systeme umfangreich betroffen. Big Data, Business Analytics, RPA (Software-Roboter für wiederkehrende und regelbasierte Prozessschritte) etc.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_3

66

Gernot Mödritscher und Friederike Wall

sind Begriffe, die in diesem Zusammenhang genannt werden können. 1 Dies hat Einfluss auf die Rolle und Stellung des Controllings im Unternehmen und damit auch auf die notwendigen Kompetenzen. Bevor jedoch auf diese Aspekte vertiefend eingegangen wird, soll der Blick auf die Entwicklung des Controllings bzw. der Controlling-Konzeptionen gelenkt werden. So hat sich das Controlling-Verständnis in der Vergangenheit deutlich weiterentwickelt und inhaltlich ausdifferenziert. Eine grundlegende Sichtweise zur Controlling-Funktion ist jene der Informationsversorgung für das Management. Informationserzeugung und -bereitstellung sind danach so zu gestalten, dass dem Informationsbedarf der Entscheidungsträger entsprochen wird und diese die zur Verfügung gestellten Informationen als relevant erachten. So ist Controlling nach Reichmann „die zielbezogene Unterstützung von Führungsaufgaben, die der systemgestützten Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung zur Planerstellung, Koordination und Kontrolle dient; es ist eine rechnungswesen- und vorsystemgestützte Systematik zur Verbesserung der Entscheidungsqualität auf allen Führungsstufen der Unternehmung“2. Hinsichtlich der Controlling-Instrumente liegt der Fokus auf dem Rechnungswesen und den darauf aufbauenden Systemen (wie z. B. den Kennzahlensystemen). Wesentliche Voraussetzung für die Gestaltung dieser Controlling-Systeme sind wiederum IT-Systeme in den unterschiedlichen Ebenen und Bereichen der Organisation. Mit den Arbeiten von Horváth rückte die Koordinationsfunktion des Controllings zunehmend in den Vordergrund des Interesses und damit ein stärker planungs- und kontrollorientiertes Controlling-Verständnis. Zur Erreichung des Ergebniszieles des Unternehmens bedeutet Controlling in dieser Sichtweise die „Koordination von Planung, Kontrolle und Informationsversorgung“3. Im Hinblick auf die sogenannte systembildende Koordination des Führungssystems wird zunächst das Planungs-, Kontroll- und Informationssystem gestaltet. Darauf aufbauend betrifft die systemkoppelnde Koordination die Reaktion auf Ereignisse und Entwicklungen. Die inhaltlich-materielle Planung und Kontrolle (z. B. Absatzplanung) erfolgt durch die jeweiligen Funktionsbereiche; eine zentrale Funktion des Controllings ist die Koordination der Teilplanungen zu einer Gesamtplanung. Die bislang skizzierten Controlling-Konzeptionen sind vor allem auf die Entscheidungsunterstützung der Entscheidungsträger fokussiert. In den 1990er Jahren erfuhr diese Sichtweise durch die zunehmende Betrachtung der Verhaltenssteuerungsfunktion eine signifikante Erweiterung. Um diese erfüllen zu können, sehen es Küpper et al. als sinnvoll an, neben dem Planungs-, Kontroll- und Informationssystem auch noch das Organisations- und insbesondere auch das 1 2 3

Vgl. Langmann (2019), S. 5 f. Reichmann (2016), S. 310, sowie Reichmann (2011), S. 12. Horváth (1978), S. 208.

Controlling und Digitalisierung – Änderungen im Kompetenzprofil

67

Personalführungssystem in die Koordinationsfunktion des Controllings einzubeziehen. So ist das Personalführungssystem „jenes Teilsystem der Führung, das unmittelbar auf die Mitarbeitersteuerung gerichtet ist“4. Es umfasst jene Prozesse und Instrumente, die auf die Beeinflussung des Verhaltens von Entscheidungsträgern ausgerichtet sind (wie beispielsweise Anreizsysteme, Budgetierungsansätze und Kennzahlen mit spezifischer Anreizwirkung). Auf Basis der Integration von Erkenntnissen der Prinzipal-Agenten-Theorie wird nach diesem Controlling-Verständnis auch versucht, das Problem konfliktärer Interessenslagen und Informationsassymmetrien handzuhaben. 5 Pietsch und Scherm6 wiederum erkennen den Kern des Controllings in einer Reflexionsfunktion als „kritischdistanzierende Gedankenarbeit“7, die als abweichungsorientierte Reflexion von Entscheidungen (Kontrollfunktion) oder als perspektivenorientierte Reflexion (Innovationsfähigkeit) in Erscheinung treten kann. Schließlich gilt es in diesem Zusammenhang auch, das ControllingVerständnis nach Weber und Schäffer8 zu erwähnen, wonach Controlling als Rationalitätssicherung der Führung gesehen wird. Das Controlling soll durch sein Methodenwissen etwaigen Könnensdefiziten entgegenwirken und zudem Wollensdefiziten (z. B. opportunistisches Verhalten) begegnen. Im Unternehmen können nun dem Controlling in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Controlling-Konzeption verschiedene Funktionen zukommen und die Rolle des Controllings im Führungsprozess kann entsprechend unterschiedlich ausgeprägt sein. Damit einhergehend stellt sich die Frage, wie die institutionelle Stellung des Controllings in der Organisation gestaltet wird. Es ist die Frage zu beantworten, ob etwa die Koordination des Führungssystems im konkreten Fall einer expliziten Controlling-Stelle bedarf oder ob diese Koordination als Rolle nicht durch die Führungskräfte selbst erfolgen kann. 9 Betrachtet man weitergehend die Informationsversorgungsfunktion, dann übernimmt das Controlling eine Dienstleistungsfunktion, mit der es die Führung entlastet und zur Sicherung der Rationalität beiträgt – was wiederum im konkreten Fall zur Etablierung einer Controlling-Institution führen kann. Mit einem Blick auf die Unternehmenspraxis scheint sich derzeit für das Controlling die Rolle als Business Partner zu manifestieren. Der Internationale Controller Verein (ICV) und die International Group of Controlling (IGC) formulieren dies so: 4 5 6 7 8 9

Küpper et al. (2013), S. 283. Vgl. Ewert/Wagenhofer (2014). Vgl. Pietsch/Scherm (2004). Pietsch (2003); Pietsch/Scherm (2004), S. 538. Vgl. Weber/Schäffer (2001). Vgl. Küpper et al. (2013), S. XX.

68

Gernot Mödritscher und Friederike Wall

„Controller gehen damit weit über Zahlen hinaus. Motivation und Anreizgestaltung stehen ebenso auf ihrer Agenda wie Strategie, Organisation und Kultur. Gerade die Breite der Führungsunterstützung macht Controller aus, gerade diese Breite ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Sie mündet im Bild des umfassenden Begleiters des Managers, dem 'Management Partner' oder 'Business Partner'.“10

Management und Controlling sollen sich auf Augenhöhe begegnen, wodurch aber das Controlling auch Mitverantwortung für die Erreichung der Unternehmensziele trägt. Ziel ist es, in einem Push-Pull-Prinzip Entscheidungsträgern einerseits Informationen zur Verfügung zu stellen. Andererseits sollen die Entscheidungsträger selbst Informationen vom Controlling einfordern oder gegebenenfalls sogar in die Lage versetzt werden, Informationen aus den Controlling-Systemen selbst zu generieren (Selbst-Controlling). Dieser letztgenannte Aspekt ergibt sich vor allem daraus, dass das wirtschaftliche Umfeld mit zunehmender Geschwindigkeit dynamische Veränderungen zeigt und somit dem Faktor Zeit bei der Zurverfügungstellung von Informationen bzw. Entscheidungsgrundlagen besondere Bedeutung zukommt. Wie später auch noch gezeigt wird, ermöglicht die Digitalisierung der Controlling-Prozesse eine Veränderung des Rollenbildes und bringt eine Veränderung der Aufgabenstellungen mit sich. So rücken die Aufgaben der Datensammlung und -aufbereitung eher in den Hintergrund; Planung, Reporting und vor allem die Beratungsleistungen bzw. die Entscheidungsunterstützung treten in den Vordergrund des Interesses. Dies wird dadurch möglich, als integrierte Systeme und Automatisierung die Datensammlung und -aufbereitung unterstützen und zumindest teilweise automatisieren. Getrieben beispielsweise durch die Entwicklungen rund um Industrie 4.0, Big Data, Data Analytics usw. verlagert sich der Schwerpunkt für das Controlling weg von einer vergangenheitsbezogenen Erklärung hin zu einer Unterstützung der Realtime- sowie vorausschauenden Steuerung. In der folgenden Abbildung 1 wird diese Veränderung dargestellt.

10

Gänßlen et al. (2012), S. 6.

Controlling und Digitalisierung – Änderungen im Kompetenzprofil

69

Abb. 1: Controlling als Dienstleister 4.011 Nicht zuletzt auch mit Blick auf die Unternehmenspraxis differenzieren sich Rolle und Aufgabenspektrum des Controllings deutlich aus. Im Zuge der Gestaltung der Strategie für den Controlling-Bereich eines Unternehmens zeigte sich in einer Fallstudie der Chemie-Industrie folgendes: „Wir hatten bisher eigentlich immer als Zielbild, dass jeder Controller ein möglichst guter Business Partner sein müsse. Das hat aber zu einer sehr einseitigen Sicht auf das Controlling geführt, sowohl intern als auch extern. Diese Sicht war nicht per se schlecht, aber sie war in der Tat zu einseitig und hat gewisse Rollen nicht dargestellt, teilweise sogar diskreditiert und damit auch zu Frustrationen geführt.“12

In dem betreffenden Unternehmen wurde daher dieses Controlling-Verständnis in vier Rollen manifestiert, wie in der folgenden Abbildung 2 dargestellt wird.

11 12

Quelle: In Anlehnung an Niedermayr (2015), S. 4; Mödritscher/Wall (2018), S. 429. Seufert (2017), S. 82, Interview mit Stefan Schnell, Leiter des Corporate Controlling bei BASF.

70

Gernot Mödritscher und Friederike Wall

Abb. 2: Controlling-Rollen am Beispiel des Unternehmens BASF13 Eine solche Ausdifferenzierung der Rollen erweitert das Aufgabenspektrum und die Kompetenzanforderungen erheblich. Im nachfolgenden Abschnitt wird auf das Thema der Kompetenzen und der Kompetenzentwicklung näher eingegangen. 3.

Notwendigkeiten zur Kompetenzentwicklung für das aktuelle und zukünftige Rollenverständnis

3.1. Kompetenzen folgen dem Controlling-Prozessmodell der IGC Die International Group of Controlling (IGC) hat ein Kompetenzmodell 14 entwickelt. Dieser hierarchische Kompetenzkatalog basiert auf dem IGCProzessmodell15 und dem Leitbild für Controlling. In diesem Modell werden prozessspezifische und prozessübergreifende Kompetenzen für das Controlling tiefgehend dargestellt. Ergänzt durch musterhafte Funktionsprofile und daraus abgeleitete Muster-Kompetenzprofile wird damit u. a. eine geeignete Basis für die Kompetenzentwicklung im Sinne einer Personalentwicklung geschaffen.16

13 14 15 16

Quelle: In Anlehnung an Seufert (2017), S. 83. Vgl. IGC (2015). Vgl. IGC (2011). Vgl. Niedermayr-Kruse/Losbichler (2016), S. 59.

Controlling und Digitalisierung – Änderungen im Kompetenzprofil

71

Das Kompetenzmodell der IGC aus dem Jahre 2015 umfasst Kompetenzen in den folgenden Bereichen:17  Prozessspezifische Controllerkompetenzen: Diese sind im besonderen Maß für einen oder wenige, jedoch nicht für die Mehrheit der ControllingHauptprozesse erfolgskritisch.  Prozessübergreifende Controllerkompetenzen: Sind im besonderen Maß für die Mehrheit der Controlling-Hauptprozesse erfolgskritisch.  Basiskompetenzen für Wissensarbeiter: Diese sind grundlegend für die Produktivität in allen Bereichen der Wissensarbeit. 18 Die Grundlage für dieses Kompetenzmodell bildet der – gemeinhin weit verbreitete und etablierte – Kompetenzatlas nach Heyse und Erpenbeck19, in dem Fach- und Methodenkompetenzen, personale Kompetenzen, Aktivitäts- und Handlungskompetenzen, sowie soziale- und kommunikative Kompetenzen unterschieden werden. Auf der Grundlage des Kompetenzmodells werden für die einzelnen Controlling-Teilprozesse Kompetenzmatrizen entwickelt und daran anschließend auf Hauptprozessebene erfolgskritische Kompetenzen herausgearbeitet. Beispielhaft wird dies für den Bereich der Weiterentwicklung der Organisation, Prozesse, Instrumente und Systeme in der folgenden Abbildung 3 dargestellt.

17 18

19

Vgl. IGC (2015), S. 42. Zur Definition von Wissensarbeit vgl. u. a. North/Güldenberg (2008), S. 22: „(…) eine auf kognitiven Fähigkeiten basierende Tätigkeit mit immateriellem Arbeitsergebnis, deren Wertschöpfung in der Verarbeitung von Informationen, der Kreativität und daraus folgend der Generierung und Kommunikation von Wissen begründet ist.“ Vgl. Heyse/Erpenbeck (2009).

72

Gernot Mödritscher und Friederike Wall

Dimension/ Teilprozess

Personale Kompetenz

Qualität des Controllings überprüfen

- Schöpferische Fähigkeiten - Ganzheitliches Denken

- Nur berufsübergreifende Fähigkeiten

Controlling permanent (weiter-) entwickeln

- Schöpferische Fähigkeit - Offenheit für Veränderungen - Glaubwürdigkeit - Ganzheitliches Denken

-

Zusammenwirken ControllerEbenen organisieren Richtlinien und Standards erarbeiten und dokumentieren Wissen über Veränderungen vermitteln und dokumentieren

Aktivitäts- und Umsetzungskompetenz

Sozialkommunikative Kompetenz - Nur berufsübergreifende Fähigkeiten

Fach- und Methodenkompetenz - Beurteilungsvermögen - Systematisch methodisches Vorgehen - Analytische Fähigkeiten - Systematisch methodisches Vorgehen - Projektmanagement - Konzeptionsstärke

Innovationsfreudigkeit Gestaltungswillen Impulsgeben Beharrlichkeit & Konsequenz

- Experimentierfreude - Integrationsfähigkeit - Verständnisbereitschaft

- Nur berufsübergreifende Fähigkeiten

- Experimentierfreude

- Nur berufsübergreifende Fähigkeiten

- Schöpferische Fähigkeit - Ganzheitliches Denken

- Nur berufsübergreifende Fähigkeiten

- Dialogfähigkeit & Kundenorientierung

- Konzeptionsstärke - Systematischmethodisches Vorgehen

- Schöpferische Fähigkeit

- Nur berufsübergreifende Fähigkeiten

- Dialogfähigkeit & Kundenorientierung

- Konzeptionsstärke - Systematischmethodisches Vorgehen

Ebene Wissensarbeit Geschäftsprozessebene Weiterentwicklung der Organisation, Prozesse, Instrumente & Systeme Personale Kompetenz - Ganzheitliches Denken - Offenheit für Veränderung - Schöpferische Fähigkeiten

Aktivitäts- und Umsetzungskompetenz - Gestaltungswille - Impulsgeben - Innovationsfreudigkeit

Sozial-kommunikative Kompetenz - Verständnisbereitschaft - Integrationsfähigkeit - Experimentierfreude

-

Fach- und Methodenkompetenz Beurteilungsvermögen Konzeptionsstärke Projektmanagement Prozessspezifisches Fachwissen

Abb. 3: Kompetenzmatrix auf Teilprozess-Ebene für den Hauptprozess Weiterentwicklung der Organisation, Prozesse, Instrumente und Systeme20

20

Quelle: IGC (2015), S. 44.

73

Controlling und Digitalisierung – Änderungen im Kompetenzprofil

Nun basiert dieses Kompetenzmodell aus dem Jahre 201521 auf dem ControllingProzessmodell aus dem Jahre 201122. Im Jahr 2017 wurde dieses Kompetenzmodell in einer 2. Auflage einer grundlegenden Überarbeitung unterzogen. Die Autoren des Modells definieren dabei zehn Hauptprozesse sowie die dafür notwendigen Inputs und die daraus resultierenden Outputs. In der folgenden Abbildung 4 wird dieses Prozessmodell dargestellt.

Targe t

Settin g

Analytics

Function Controlling (Production-, Sales-, R&D Controlling etc.

Analytics

Control

Strategic Planning Planning, Budgeting and Forecasting Investment Controlling Cost Accounting Management Reporting Business Partnering Project Controlling Risk Controlling Data Management Further Development of Organisation, Process, Instruments and Systems

Analytics

P

g in n n la

Abb. 4: IGC Controlling Prozessmodell 2.023 Auffallend an diesem Prozessmodell ist u. a., dass der Gesamtprozess gegenüber dem Modell aus 2011 nun zirkulär gestaltet wurde und die Bereiche Planning, Budgeting und Forecasting zusammengeführt wurden. Vor allem aber wurde ein 21 22 23

Vgl. IGC (2015). Vgl. IGC (2011). Quelle: IGC (2017), S. 20.

74

Gernot Mödritscher und Friederike Wall

neuer Prozess Data Management eingeführt sowie der Bereich Analytics als Teil aller Controlling-Prozesse explizit angeführt.24 Der Hauptprozess Data Management beispielsweise ist wie in der Abbildung 4 dargestellt gestaltet.

Abb. 5: Der Prozess Data Management im IGC Controlling Prozessmodell 2.025 Zum Bereich der Analytics wird im Prozessmodell an mehreren Stellen auf dessen gesteigerte Bedeutung hingewiesen. Zudem werden unterschiedliche Anwendungsfelder, wie z. B. Forecast Analytics, Simulation Analytics etc. genannt. Vor allem wird auch dargestellt, welche erfolgskritische Bedeutung die Auswahl der adäquaten IT-bzw. Softwaresysteme in diesem Bereich hat. 26 Weniger Hinweise findet man allerdings auf die notwendigen Kompetenzen und Fähigkeiten in diesem Bereich. In weiterer Folge soll dafür ein Beitrag zur Diskussion geleistet werden, indem explizit auf dieses Kompetenzfeld näher eingegangen wird. 3.2. Erforderliche Kompetenzen in den Bereichen Data Analytics Aufgrund begrenzter Rechnerkapazitäten wurde in früheren Zeiten oftmals die Frage gestellt, welche Daten für eine Analyse im Controlling tatsächlich benötigt werden und ob diese Rechnerkapazitäten dann auch tatsächlich für eine entsprechende Datenanalyse ausreichen. Mittlerweile sind die Datenspeicherungsund -verarbeitungskapazitäten enorm, insbesondere wenn auch die Entwicklungen 24 25 26

Vgl. Möller (2017), S. 57. Quelle: IGC (2017), S. 57. Vgl. IGC (2017), S. 25 f.

Controlling und Digitalisierung – Änderungen im Kompetenzprofil

75

im Bereich Cloud Computing mit einbezogen werden. Zugleich stellt sich die Frage, wie große Datenmengen effektiv und effizient genutzt werden können.27 Neben dem reinen Sammeln von Daten ist es vor allem dann die Datenanalyse, die einen wirtschaftlichen Nutzen für das Unternehmen bringt.28 In diesem Zusammenhang wird oftmals von Big Data gesprochen. Unter Big Data wird eine enorme Menge (volume) an Daten verstanden, die in hoher velocity (hohe Geschwindigkeit der Datenentstehung) und variety (Vielfalt möglicher Daten) zur Verfügung stehen.29 Über mathematisch-statistische Verfahren können differenzierte Auswertungen durchgeführt und über das Reporting den Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt werden. So können beispielsweise Szenarien zukünftiger Entwicklungen generiert werden, da im Sinne der Advanced Analytics UrsacheWirkungsketten bei der treiberbasierten Planung Szenarien fundierter analysiert und zudem über Simulationsverfahren Risiken sichtbar gemacht werden.30 Advanced Analytics (oftmals auch als Business Analytics bezeichnet) erweitern das Analysespektrum im Controlling erheblich. In Abbildung 6 werden die Reifegrade für diese Advanced (Business) Analytics aufgezeigt.

Abb. 6: Reifegrad im Bereich der Business Analytics31

27 28 29 30 31

Vgl. Schaar (2014), S. 842. Vgl. Lanquillon/Mallow (2015), S. 55. Vgl. Gandomi/Haider (2015), S. 138. Vgl. Derwisch et al. (2016). Quelle: Schnell (2019), S. 29.

76

Gernot Mödritscher und Friederike Wall

Die Aufgabenstellung für das Controlling besteht darin, die Datenmengen für Steuerungszwecke auszuwerten, Ergebnisse darzustellen, zu integrieren und zu aggregieren. Eine zentrale Zielsetzung kann sein, dies in real time zu bewerkstelligen. Im Bereich der Produktionssteuerung kann beispielsweise ein Echtzeitabbild der Fertigung erstellt werden, wodurch eine regelbasierte Produktionssteuerung und -optimierung möglich wird.32 Dies bedeutet, dass die Datenströme permanent analysiert, validiert und ggf. adaptiert werden, was voraussetzt, dass Systeme und Methoden des Data-Mining zum Einsatz gelangen.33 Gronau und Thim34 zufolge stellt jedoch fehlendes fachlich-methodisches Know-how in diesem Bereich eine deutliche Umsetzungshürde in den Unternehmen dar. Oftmals greift das Controlling daher auf Expertise aus anderen Unternehmensbereichen oder auf externe Expertise zurück. Controller müssen sich dafür nicht zum Data Scientist entwickeln, sich aber mit Data Scientists austauschen können. Dafür müssen sie sich entsprechende Methodenkompetenz und fachliches Wissen im Sinne der Digitalisierung aneignen.35 Der Begriff Data Scientist findet sich zunehmend im einschlägigen Schrifttum zum Controlling. Im Bereich Data Science sollen relevante Erkenntnisse aus Daten gezogen und Lösungen vorgeschlagen werden. Data Scientists verfügen über tiefgehendes Know-how etwa in den Bereichen Data Mining, Machine Learning, Statistik, Mathematik usw. Es kann jedoch diskutiert werden, ob diese Trennung in die Rollen Controlling und Data Science zukünftig aufrechterhalten werden kann. In einer ersten Annäherung wird es notwendig sein, dass das Controlling soweit fachlich-methodische Kompetenzen aufweist, um die Potentiale und Umsetzungsmöglichkeiten von Data Analytics fundiert einschätzen zu können. Bei der Entwicklung in Richtung eines Intelligenten Unternehmens (siehe Abbildung 6) werden die Kompetenzanforderungen auch im Controlling selbst steigen, d. h., möchte ein Unternehmen bzw. das Controlling den gezeigten Reifegrad erhöhen, so sind auch die entsprechenden Kompetenzen im Bereich der Data Science weiterzuentwickeln. Zudem kann diesem Aspekt im Zuge des Recruitings für das Controlling Rechnung getragen werden: „Wir suchen Neueinsteiger, die einen vielleicht noch stärker analytischen Hintergrund haben, auch einen fachlichen Hintergrund im Sinne der digitalen Kompetenz, aber gleichzeitig auch persönlich aufgeschlossen sind. Also nicht klassische ‚Nerds‘, sondern eine gute Kombination von Kandidaten mit digitalem analytischem Hintergrund und Offenheit und Aufgeschlossenheit, sich ins operative Geschäft aktiv einzubringen.“36

32 33 34 35 36

Vgl. Obermaier (2016), S. 301 ff. Vgl. Iffert (2016), S. 17 f. Vgl. Gronau/Thim (2016), S. 472 ff. Vgl. Seufert (2017), S. 81. Seufert (2017), S. 82.

Controlling und Digitalisierung – Änderungen im Kompetenzprofil

77

Im Hinblick auf das Kompetenzprofil der ICG sind zunächst die fachlichmethodischen Kompetenzen zu betrachten. In der Abbildung 7 wird der Versuch unternommen, für die einzelnen Bereiche der Data Science die notwendigen fachlich-methodischen Kompetenzen darzustellen. Aufgabenbereich

Teilprozess

Business Analyse

 Erhebung von Anforderungen bei den Entscheidungsträgern  Anforderungsmanagement

Datenbereitstellung

   

Datenanalyse und Modellierung

 Auswahl von Modellen und Algorithmen  Modellierung und Programmierung  Test und Validierung  Interpretation der Ergebnisse

Transfer in die Unternehmenssteuerung und das Business

 Reporting  Präsentation und Adhoc(Self)-Reporting

Datenmodellierung Datenbereinigung Datentransformation Datenspeicherung und -sicherung

Erforderliche Fach- und Methodenkompetenzen zu …  Geschäfts- und Geschäftsprozessanalyse, Process Mining  Anforderungsmanagement  Werttreiberanalyse  Betriebswirtschaft  usw.  Datenqualität und Stammdatenmanagement  Datenbanken  Data Warehouses und Marts  Mathematische und statistische Methoden  Statistiksoftware (SPSS, R etc.)  OLAP  SQL  usw.  Business Intelligence (BI) und Advanced Analytics Lösungen (Formeleditoren, Algorithmenbibliotheken)  Mathematische und statistische Methoden  Statistiksoftware (SPSS, R etc.)  Software für die mathematische Modellierung und Simulation (Mathlab, Oracle Crystal Ball etc.)  Visual Analytics  usw.  Business Intelligence (BI)  Performance Dashboards  Performance Managementsysteme, Digital Boardrooms  ERP-Systeme  Betriebswirtschaft  Controlling  etc.

Abb. 7: Fach- und Methodenkompetenzen im Bereich der Business Analytics im Controlling37

37

Quelle: Eigene Darstellung.

78

Gernot Mödritscher und Friederike Wall

Weber und Schäffer38 plädieren für ein neues Mindset im Controlling, in dem – nicht zuletzt getrieben durch die Digitalisierung – ein Lernen unter Unsicherheit stattfinden muss. Die neuen, verstärkt erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen in den Bereichen Mathematik, Statistik und Informationstechnologie erfordern umfangreiche Lern- und Entwicklungsprozesse. Gleichzeitig wird es notwendig sein, auch die sozialen, kommunikativen Fähigkeiten sowie die Geschäftskenntnis zu entwickeln, um der Rolle des Business Partners sowie dem Bild einer Intelligenten Unternehmung näher zu kommen.39 4.

Fazit

Es wurde im vorliegenden Beitrag gezeigt, dass es im Zuge der Digitalisierung zu erheblichen Veränderungen bei den Controlling-Prozessen und den notwendigen Kompetenzen kommt. Die Frage ist nun, wie sich Controlling-Bereiche im Unternehmen auf diese vorbereiten können und wie eine Weiterentwicklung des diesbezüglichen Reifegrades bewerkstelligt werden kann. Ein wesentlicher Ansatz ist hier die Aus- und Weiterbildung im Zuge der betrieblichen Personalentwicklung. Als ein weiterer Ansatz kann jedoch auch das Recruiting bzw. die betriebliche Diversität gesehen werden. „Und so werden künftig Controlling-Teams fachlich noch breiter aufgestellt sein müssen als heute: von der unternehmerischen Business-Partner-Rolle über ein starkes Prozess-Knowhow bis hin zur Kompetenz, deutlich mehr und deutlich komplexere Datenstrukturen zu verstehen, für Steuerungsprozesse nutzbar zu machen und sich hierzu moderner IT-Tools zu bedienen. (…) Hier wird eine gezielte Diversität an persönlichen und fachlichen Kompetenzen und damit auch unterschiedliche Ausbildungs- und Karrierewege die Voraussetzung dafür sein, ein leistungsfähiges Controlling-Team zu bilden.“40

Schließlich sollte auch noch erwähnt werden, dass in betriebswirtschaftlichen Studiengängen zwar zumeist die Entwicklung der mathematischen, statistischen und IT-bezogenen Kompetenzen und Fähigkeiten betont wird, dass aber noch Verbesserungspotentiale in der Verknüpfung hin zum Controlling bestehen und zudem dadurch auch der Nutzen einer Ausbildung in diesen Bereichen für die Studierenden sichtbarer gemacht werden kann.

38 39 40

Vgl. Weber/Schäffer (2018). Vgl. Weber/Schäffer (2018), S. 10. Weber (2018), S. 22.

Controlling und Digitalisierung – Änderungen im Kompetenzprofil

79

„Diesen Anforderungen wird die Ausbildung an den Hochschulen in einigen Bereichen noch nicht in gleichem Maße gerecht. Die Anwendung von ERP-Systemen, die Priorisierung von Aufgaben, das Erkennen des Wesentlichen aus einer Datenmenge sowie der konstruktive Umgang mit Konflikten – diese Kompetenzen werden bisher in der Lehre nicht genügend berücksichtigt.“41

Es wird notwendig sein, verstärkt einen diesbezüglich kritischen Blick in die Curricula zu werfen, um kompetenzorientierte Lernziele zu entwickeln und deren Erreichung durch neue Lernformate (Flipped Classroom, Blended Learning, Planspiele und Simulationen etc.) zu unterstützen. Vor allem der Blick auf die Ausbildung der Digital Natives lässt hoffen, dass über deren adäquate Controlling-Ausbildung unter dem Aspekt der Digitalisierung dann Veränderungen in den Controlling-Bereichen beschleunigt werden können.

41

Reißig-Thust (2018), S. 29.

80

Gernot Mödritscher und Friederike Wall

Literatur Derwisch, S./Iffert, L./Fuchs, C./Bange, C. (2016): Business Analytics Software für das Controlling – eine Marktübersicht. Controlling, 28 Jg., Nr. 8-9, S. 480-487. Ewert, R./Wagenhofer, A. (2014): Interne Unternehmensrechnung. 8. Auflage. Berlin/Heidelberg: Springer. Gandomi, A./Haider, M. (2015): Beyond the hype: Big data concepts, methods, and analytics. International Journal of Information Management, 35 Jg., Nr. 2, S. 137-144. Gänßlen, S./Losbichler, H./Niedermayr, R./Rieder, L./Schäffer, U./Weber, J. (2012): Grundsatzposition des Internationalen Controller Vereins (ICV) und der International Group of Controlling (IGC), https://www.icv-control-ling.com/fileadmin/Verein/ VereinDateien/Grundsatzpapier/GrundsatzpapierDEUTSCH.pdf, Abfrage: 15.06.2019. Gronau, N./Thim, C. (2016): Business Analytics in der deutschen Praxis. Controlling, 28 Jg., Nr. 8-9, S. 472-479. Heyse, V./Erpenbeck, J. (2009): Kompetenztraining. 64 Modulare Informations- und Trainingsprogramme. 2. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Horváth, P. (1978): Controlling – Entwicklung und Stand einer Konzeption zur Lösung der Adaptions- und Koordinationsprobleme der Führung. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 48 Jg., Nr. 3, S. 194-208. Iffert, L. (2016): Predictive Analytics richtig einsetzen. Controlling & Management Review, Sonderheft 1, S. 16-23. IGC International Group of Controlling (2011): Controlling-Prozessmodell – ein Leitfaden für die Beschreibung und Gestaltung von Controlling-Prozessen. Freiburg. IGC International Group of Controlling (2015): Controller-Kompetenzmodell – ein Leitfaden für die moderne Controller-Entwicklung mit Muster-Kompetenzprofilen. Freiburg. IGC International Group of Controlling (2015): Controlling-Prozessmodell 2.0 – ein Leitfaden für die Beschreibung und Gestaltung von Controlling-Prozessen. 2. Auflage. Freiburg. Küpper, H.-U./Friedl, G./Hofmann, C./Hofmann, Y./Pedell, B. (2013): Controlling – Konzeption, Aufgaben, Instrumente. 6. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Langmann, C. (2019): Digitalisierung im Controlling. Wiesbaden: Springer. Lanquillon C./Mallow H. (2015): Advanced Analytics mit Big Data. In: Dorschel, J. (Hrsg), Praxishandbuch Big Data (S. 55-58). Wiesbaden: Gabler. Mödritscher, G./Wall, F. (2018): Controlling als interner Dienstleister 4.0. In: Bruhn, M./Hadwich, K. (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0 – Konzepte, Methoden, Instrumente, Band 1 (S. 411-434). Wiesbaden: Springer. Möller, K. (2017): Controlling Prozessmodell 2.0. 2. Auflage. Freiburg: Haufe Gruppe. North, K./Güldenberg, S. (2008): Produktive Wissensarbeit(er). Wiesbaden: Gabler. Niedermayr-Kruse, R./Losbichler, H. (2016): Ein Leitfaden für die ControllerEntwicklung. Controlling & Management Review, 60 Jg., Nr. 4, S. 58-62. Niedermayr, R. (2015): Kompetenzen entwickeln, Performance steigern – neue Chancen durch ein professionelles Kompetenzmanagement in Controlling und Finance, 40. Controller Congress, ICV München, https://www.icv-controlling.com/fileadmin/ Veranstaltungen/VA_Dateien/Congress_der_Controller/Vorträge_2015/Unverschlüsselt/13_Professionelles_Kompetenzmanagement_Rita_NiedermayrKruse.pdf, Abfrage: 03.04.2019. Obermaier, R. (2016): Controlling 4.0 – zu den Möglichkeiten eines regelungsbasierten Controllings (nicht nur) von Supply Chains in einer Industrie 4.0. Controlling, 28 Jg., Nr. 6, S. 301-307. Pietsch, G. (2003): Reflexionsorientiertes Controlling. Wiesbaden: Springer.

Controlling und Digitalisierung – Änderungen im Kompetenzprofil

81

Pietsch, G./Scherm, E. (2004): Reflexionsorientiertes Controlling. In: Scherm, E./Pietsch, G. (Hrsg.), Controlling: Theorien und Konzeptionen (S. 529-553). München: Vahlen. Reichmann, T. (2011): Controlling mit Kennzahlen: Die systemgestützte ControllingKonzeption mit Analyse- und Reportinstrumenten. 8. Auflage. München: Vahlen. Reichmann, T. (2016): Die systemgestützte Controllingkonzeption und ihre IT-gestützte Umsetzung. Controlling, 28 Jg., Nr. 6, S. 308-317. Reißig-Thust, S. (2018): Controller-Kompetenzen in Praxis und Lehre. Controlling & Management Review, 62 Jg., Nr. 6, S. 20-31. Schnell, S. (2019): Digitalization at finance & controlling in BASF – from business partnering and pathfinding. ACMAR Vallendar 2019. Seufert, A. (2017): Information als strategische Ressource. Controller Magazin, S. 79-83. Weber, J. (2018): Der Digitalisierungshebel ist sehr schnell wirksam. Controlling & Management Review, 62 Jg., Nr. 3, S. 16-23. Weber, J./Schäffer, U. (2001): Controlling als Rationalitätssicherung der Führung. Die Unternehmung, 55 Jg., S. 75-79. Weber, J./Schäffer, U. (2018): Digitalisierung ante portas. Controlling, Sonderheft, 30 Jg., S. 5-11.

Controlling und Business Intelligence & Analytics

Daniel Pabinger und Stefan Mayr 1.

Einleitung und zentrale Fragestellungen

Der zunehmende Umfang unterschiedlichster interner sowie externer Daten, die sich in betrieblichen Prozessen ergeben1, stellt Unternehmen vor große Herausforderungen.2 Vor dem Hintergrund erhöhter Wettbewerbsintensität – und folglich verstärktem Innovationsdruck – investieren Unternehmen weltweit hohe Summen in neue Ressourcenplanungs- und Analysetechnologien,3 womit Transformationsprozesse aufgrund der Digitalisierung eingeleitet werden.4 Zudem zeigt sich, dass Unternehmen, die bereits moderne ERP (Enterprise Resource Planning)- und Analyseinstrumente in Verwendung haben, mittlerweile so hohe Datenbestände aufweisen, dass sie gar nicht im Stande sind, diese effektiv zu nutzen.5 Die Steigerung der Performance des Unternehmens durch den Einsatz moderner IT stellt in erster Linie nicht ein rein technisches, sondern auch ein organisatorisches Problem dar6 und bedarf daher einer

1 2

3

4 5 6

Vgl. Bhimani/Willcocks (2014), S. 469. Vgl. Bozic/Dimovski (2019), S. 93; Langmann (2019), S. 13; Müller/Lenz (2013), S. 1; CôrteReal et al. (2017), S. 379; Vidgen et al. (2017), S. 626. Vgl. Holsapple et al. (2014), S. 130; LaValle et al. (2011), S. 22; dabei prognostiziert Gartner Inc. in ihrem „Global IT Spending Forecast“ eine weltweite Zunahme an IT-Ausgaben von 2018 auf 2019 in der Höhe von 4 % auf rund 3,79 Billionen USD. Vgl. Becker/Nolte (2018), S. 75 f. Vgl. LaValle et al. (2011), S. 22. Vgl. Pousttchi et al. (2015), S. 3 f.; Matt et al. (2015), S. 339 f.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_4

84

Daniel Pabinger und Stefan Mayr

agilen Organisationsstruktur,7 die es ermöglicht, neue Chancen aus dem vorhandenen Datenmaterial aufzuspüren und einzugrenzen, um darauf aufbauend eine fundierte Basis zur Entscheidungsunterstützung zu generieren.8 Letztendlich wird mit diesen Maßnahmen eine Erhöhung der Performance angestrebt, welche sich wiederum in nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen und darauf aufbauend steigenden Gewinnen widerspiegeln sollte. 9 Demzufolge wird Themengebieten wie Business Intelligence und Business Analytics (BI&A) eine enorm hohe Relevanz zugesprochen, um aus Daten Mehrwert zu generieren.10 Dabei bedarf es einer sorgfältigen Analyse, Aufbereitung und Visualisierung des gesammelten Datenmaterials, um die Entscheidungsfindung bestmöglich zu unterstützen.11 Im Sinne einer rationalen Unternehmensführung und vor dem Hintergrund, dass neben Planungs- und Kontrollaufgaben die Informationsversorgung – zur faktenbasierten Entscheidungsfindung des Managements – zu den Hauptaufgaben des Controllings zählt,12 lässt sich der Zusammenhang zwischen Controllingaufgaben und modernen Informations- und Analysetechnologien ableiten.13 Daher ist vor allem das Controlling dazu angehalten, faktenbasierte Entscheidungsunterstützung – die letztendlich Handlungen einleiten und zur Wertsteigerung beitragen soll – zu evozieren.14 Dieser Beitrag widmet sich auf Basis der soeben skizzierten Problemstellung folgenden Fragen: Welchen Herausforderungen begegnet das Controlling bei der Verwendung moderner BI&A-Technologien und welche Handlungsempfehlungen lassen sich für die Praxis ableiten, um diesen Herausforderungen zu begegnen? Welchen Nutzen stiftet BI&A für das Controlling und wo liegen die Grenzen der faktenbasierten Entscheidungsunterstützung? Zu Beginn dieses Beitrags werden die zentralen Begriffe und Definitionen sowie der Dynamic Capabilities-Ansatz (DC-Ansatz), welcher den theoretischen Bezugsrahmen darstellt, erläutert. Im Anschluss daran werden Herausforderungen und damit verbundene Handlungsempfehlungen zur Vermeidung bzw. zur Bewältigung der zuvor genannten Herausforderungen dargelegt. Auf Basis des DC-Ansatzes werden vereinzelte Nutzenaspekte von BI&A im Controlling vor7

8 9 10 11 12 13 14

Unter Agilität wird im Kontext von Organisationen die Fähigkeit bezeichnet, organisationale Strukturen zeitnah, effektiv und nachhaltig zu ändern (Worley et al., 2014, S. 144). Teece et al. bezeichnen Agilität als die Fähigkeit eines Unternehmens, Ressourcen effizient und effektiv einzusetzen und umzustrukturieren, um nachhaltig die Performance des Unternehmens zu stabilisieren oder zu verbessern (Teece et al., 2016, S. 17). Vgl. Bozic/Dimovski (2019), S. 379. Vgl. Bozic/Dimovski (2019), S. 379. Vgl. Vidgen et al. (2017), S. 626; Chen et al. (2012), S. 1165; Chea et al. (2014), S. 119. Vgl. Trieu (2017), S. 111. Vgl. Horváth et al. (2015), S. 295. Vgl. Weber/Schäffer (2016), S. 104; Rikhardsson/Yigitbasiohlu (2018), S. 37. Vgl. Nielsen (2018), S. 179; Holzblatt/Brands (2015), S. 1.

Controlling und Business Intelligence & Analytics

85

gestellt. Darauffolgend wird auf die Grenzen der faktenbasierten Entscheidungsunterstützung eingegangen. Der Beitrag schließt mit einem zusammenfassenden Fazit sowie einem Ausblick. 2.

Konzeptionelle und theoretische Fundierung

2.1. Methodik der Literatursuche Zur strukturierten Einarbeitung in das Themengebiet wurde eine umfassende traditionelle Literaturanalyse durchgeführt. Dabei wurde zuerst mit dem Suchstring („Controlling“ UND „Business Intelligence“) in den Datenbanken EBSCO und Emerald Insight sowie in der Suchmaschine Google Scholar nach Beiträgen gesucht. Aufgrund dessen, dass in der reinen informationstechnologieorientierten Literatur zwar viele Beiträge zu den Themen Business Intelligence und Business Analytics vorhanden sind, jedoch der Bezug zum Controlling bzw. Management Accounting Großteils fehlt, wurde der Suchstring im Laufe der Literaturrecherche weiter verfeinert und erweitert. Der finale Suchstring, der in allen verwendeten Datenbanken angewendet wurde, lautet folgendermaßen: ("Management Accounting" OR "Managerial Accounting" OR "Management Control") AND ("Business Intelligence" OR "Business Analytics").

Auf Basis der formulierten Forschungsfragen wurden zunächst alle Titel der ermittelten Suchergebnisse gesichtet und auf deren Relevanz geprüft. Darauf aufbauend wurden die Abstracts durchgelesen und wiederum auf Relevanz kontrolliert. In einem letzten Analyseschritt wurden die Beiträge zur Gänze gelesen und nochmals in Hinblick auf die eingangs formulierten Forschungsfragen geprüft. Ebenso wurde mittels Schneeballsuche nach relevanten Beiträgen gesucht. 2.2. Controlling als Rationalitätssicherung der Führung Der Einsatz von BI&A-Technologien soll entscheidungsrelevante Informationen für das Management bereitstellen, um die Performance des Unternehmens zu verbessern.15 Damit der effektive und effiziente Einsatz von BI&A auch sichergestellt wird, bedarf es neben der exakten Kenntnis des Geschäftsmodells auch 15

Vgl. Zamecnik/Rajnoha (2015), S. 775; Vidgen et al. (2017), S. 626; Bozic/Dimovski (2019), S. 93.

86

Daniel Pabinger und Stefan Mayr

der Kenntnis der Informationssysteme, um externe Chancen und Risiken rasch aufzuspüren und adäquate Handlungen einzuleiten, 16 womit das Controlling einen wesentlichen Beitrag zur Unternehmenssteuerung leistet.17 Als Controlling-Ansatz wird somit der Rationalitätssicherungsansatz der Führung von Weber und Schäffer verwendet.18 Ausgangspunkt dieser Konzeption sind Rationalitätsdefizite (wie zum Beispiel die unzureichende Nutzung vorhandener Datenquellen, die unvollständige Deckung des objektiven Informationsbedarfs, oder die unvollständige Analyse von Ursachen).19 Damit dennoch zur Zielerreichung eine antizipierte Zweck-Mittel-Relation sichergestellt wird, ist es die Aufgabe des Controllings, Rationalitätsdefizite zu erkennen und in Folge zu vermindern oder zu beseitigen. Vergleichbar ist diese Konzeption mit dem Management Control-Ansatz,20 welcher bereits durch Anthony 1965 folgendermaßen definiert wurde: „the process by which managers ensure that resources are obtained and used effectively and efficiently in the accomplishment of the organization’s objectives.“21 Diese Controlling-Konzeption fußt auf keinem konkreten Problemlösungsansatz, weshalb Rationalitätsdefizite kontextspezifisch zu beheben sind. Deshalb umfasst der Rationalitätsorientierte Ansatz sowohl die Informations-, Planungs- bzw. Koordinationsfunktion als auch die Kontrollfunktion. 2.3. Business Intelligence & Analytics 2.3.1. Grundlagen Bereits in den 90er Jahren begannen Unternehmen mit der Implementierung von ERP-Systemen grundlegend in ihre IT-Strukturen zu investieren, um funktionsübergreifend Unternehmensprozesse zu optimieren und eine einheitliche Datenbasis als Grundlage zur Entscheidungsunterstützung des Managements zu schaffen.22 Wie bereits jedoch einleitend erwähnt, führte die verstärkte Wettbewerbsintensität zu erhöhten Investitionen in Ressourcenplanungs- und Analysetechnologien, womit Transformationsprozesse aufgrund der Digitalisierung in 16

17 18 19 20 21 22

Vgl. Elbashir et al. (2011), S. 155; Torres et al. (2018), S. 823; Bozic/Dimovski (2019), S. 379; Vidgen et al. (2017), S. 626; Chen et al. (2012), S. 1165; Chea et al. (2014), S. 119. Vgl. Weber/Schäffer (2016), S. 104. Vgl. Weber/Schäffer (2016), S. 27. Vgl. Friedl (2013), S. 115 ff. Vgl. Weber/Schäffer (2016). S. 27. Anthony (1965), S. 17. Vgl. Grabski et al. (2011), S. 38.

Controlling und Business Intelligence & Analytics

87

die Wege geleitet wurden.23 Digitale Transformation bezeichnet den durch Informationstechnologien hervorgerufenen Wandel und bedeutet für Unternehmen ein Agieren in veränderten Märkten mit modifizierten Wertschöpfungsstrukturen.24 Das rasante Datenwachstum und der damit verbundene erhöhte Anspruch an das Qualitätsmanagement der Datenhaltung sowie neue Datenbanktechnologien werden zum Anlass genommen, um in moderne Analysetechnologien zu investieren und demzufolge Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern zu generieren.25 Daher werden Daten auch als „das neue Öl“ bezeichnet.26 Luhn beschreibt in seinem Beitrag A Business Intelligence System BI als ein System zur integrierten Sicht auf Unternehmensdaten, um infolgedessen gesammelte und analysierte Daten für das Unternehmen verwenden zu können. 27 Das Controlling nutzt Business Intelligence-Verfahren zur Beschreibung und Interpretation historischer Geschäftsprozesse, um darauf aufbauend Standardreports und Dashboards für das Management zu erstellen. 28 Um jedoch Wettbewerbsvorteile zu generieren, reicht es nicht mehr aus, vergangenheitsbezogene Daten deskriptiv dem Management darzulegen. Es bedarf einer zunehmend in die Zukunft gerichteten Fokussierung, angereichert um Vorhersagen inklusive den darauf aufbauenden Konsequenzen, um die Grundlage für performancesteigernde Entscheidungen zu ebnen.29 2.3.2. Klassifikation von Business Intelligence und Business Analytics In der Literatur werden die Begriffe Business Intelligence und Business Analytics oftmals synonym verwendet (BI&A). 30 In Anlehnung an das AnalyticsReifegradmodell nach Gartner, können die Begriffe jedoch gemäß den Kriterien Wettbewerbsvorteil sowie Analysekomplexität einerseits voneinander abgegrenzt und andererseits in einem gemeinsamen Zusammenhang gebracht werden.

23 24 25 26 27 28 29 30

Siehe dazu Kapitel Einleitung und zentrale Fragestellungen. Vgl. Matt et al. (2019), S. 339. Vgl. Elbashir et al. (2013), S. 88; Vidgen et al. (2017), S. 626; Bozic/Dimovski (2019), S. 93. Vgl. Büst (2013), S. 42 f.; Acito/Khatri (2014), S. 565. Vgl. Luhn (1985), S. 314 ff. Vgl. Appelbaum et al. (2017), S. 30. Vgl. Schläfke et al. (2012), S. 112 f.; Appelbaum et al. (2017), S. 30; Nielsen (2018), S. 179 ff. Siehe dazu beispielsweise Chen et al. (2012), Bozic/Dimovski (2019), Rikhardsson/Yigitbasioglu (2018), Kowalczyk/Buxmann (2015), Torres et al. (2018).

88

Daniel Pabinger und Stefan Mayr

Abb. 1: Analytics-Reifegradmodell31 Deskriptive Analysen beantworten Fragestellungen aus vergangenen Geschäftsfällen („Was ist geschehen?“ und „Warum ist etwas passiert?“) und stellen im Kontext des Controllings die gängigsten Analysen dar.32 Deskriptive Analysen fassen Geschehnisse übersichtlich zusammen und bilden die Basis zur Berechnung von Key Performance Indicators, welche in Dashboards oder anderen Managementberichterstattungen dargestellt werden. 33 Business IntelligenceApplikationen dienen den soeben beschriebenen Anwendungsfällen, wonach deskriptive sowie diagnostische Analysen unter BI subsumiert werden können.34 Prädiktive Analysen beschreiben einen weiteren Schritt in der Analyse von Daten und bauen auf deskriptiven Analysen auf. Charakterisiert werden diese Analysen durch Wahrscheinlichkeitsberechnungen, Regressions- oder Scoringmodelle.35 Präskriptive Analysen leiten auf Basis deskriptiver sowie prädiktiver Analysen Handlungsempfehlungen ab. Verwendet werden hier neben Simulationen und Entscheidungsbäumen beispielsweise auch Optimierungsverfahren. 36

31 32 33 34 35 36

Quelle: Gartner (2019), Internet. Appelbaum et al. (2017), S. 32; Davenport/Kim (2013), S. 3, Nielsen (2018), S. 169 ff. Vgl. Appelbaum et al. (2017), S. 32. Vgl. Weber/Schäffer (2016), S. 104 f. Vgl. Appelbaum et al. (2017), S. 32; Davenport/Kim (2013), S. 3. Vgl. Appelbaum et al. (2017), S. 32; Davenport/Kim (2013), S. 3.

Controlling und Business Intelligence & Analytics

89

Prädiktive sowie präskriptive Analysen stellen somit fortschrittlichere und vor allem anspruchsvollere Analysemethoden dar und werden demnach auch als Advanced Analytics bezeichnet. Business Analytics beschreibt somit als eine Art Klammer sowohl deskriptive Analysen (BI) als auch prädiktive und präskriptive Analysen (Advanced Analytics).37 Davenport und Harris38 definieren Business Analytics folglich: „The extensive use of data, statistical and quantitative analysis, explanatory and predictive models, and factbases management to drive decisions and actions.“ 2.3.3. Analyseprozess zur Entscheidungsfindung und Handlungsinitiierung Um den Analyseprozess zur Entscheidungsfindung bzw. zur Initiierung von Handlungen zu veranschaulichen, entwickelten Davenport und Kim das Dreiphasen-Modell zur Datenanalyse.

Abb. 2: Dreiphasen-Modell zur Datenanalyse39 Die Erste Phase beschreibt dabei die Problemwahrnehmung und Eingrenzung der Fragestellung.40 In der zweiten Phase werden auf Basis gesammelter Daten erste Lösungsansätze modelliert und Daten analysiert.41 In Phase drei erfolgt die Kommunikation der Ergebnisse an das Management, um folglich Handlungen einzuleiten.42 Diese Handlungen nehmen Einfluss auf die Organisationsstruktur und/oder den Geschäftsprozess, um in weiterer Folge die Performance des Unternehmens zu steigern.43

37 38 39 40 41 42 43

Vgl. Chamoni/Gluchowski (2017), S. 9; Torres et al. (2018), S. 823; Spalek (2017), Internet. Davenport/Harris (2017), S. 7, 30. Quelle: Davenport/Kim (2013), S. 122. Vgl. Nielsen (2015), S. 6 f. Vgl. Davenport/Kim (2013), S. 122. Vgl. Nielsen (2015), S. 7. Vgl. Vidgen et al. (2017), S. 626.

90

Daniel Pabinger und Stefan Mayr

2.4. Dynamic Capabilities-Ansatz BI&A wird als organisatorische Fähigkeit umschrieben, welche die Nutzung von Ressourcen, die Interaktion zwischen IT, menschlichen Akteuren und organisatorischen Prozessen sowie die Verwertbarkeit von Analyseergebnissen voraussetzt.44 Damit BI&A-Technologien die Unternehmensperformance erhöhen können, bedarf es einer agilen Organisationsstruktur. 45 Unternehmen, die nicht in der Lage sind, Fähigkeiten zur zielgerichteten Verwendung von BI&A aufzubauen, werden beim Versuch, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu generieren, scheitern.46 Côrte-Real, Oliveira und Ruivo zeigten in ihrer Studie, dass Datenanalyse-Applikationen dabei helfen, die organisationale Agilität – als dynamische Fähigkeit - durch das Aufspüren von Chancen und Risiken, das Ergreifen potentieller Chancen (zum Beispiel die Nutzung neuer Expansionsmöglichkeiten) und letztendlich durch die Anpassung an neue Umweltbedingungen, zu verbessern. 47 Auf Basis dieser Ausführungen wurde zur theoretischen Fundierung dieses Beitrages der Dynamic Capabilities-Ansatz (DC-Ansatz) gewählt. Diese Theorie basiert auf dem ressourcenbasierten Ansatz und hebt die Relevanz zur Erneuerung bzw. Neukonfiguration von Ressourcen, als Reaktion auf rasche Umweltveränderungen, hervor. 48 Teece, Pisano und Shuen49 definieren Dynamic Capabilities folgendermaßen: „the firm's ability to integrate, build, and reconfigure internal and external competences to address rapidly changing environments“. Dabei werden dynamic capabilities als Fähigkeiten zur Wahrnehmung („to sense“) von Chancen und Risiken, Determinierung von Handlungsoptionen („to seize“) und schließlich Transformierung von Organisationsprozessen („to transform“) beschrieben. 50 BI&A besitzen im Kontext der Dynamic Capabilities-Theorie demnach die Fähigkeit, Chancen durch die Erfassung und Analyse von Daten zu identifizieren und zu gestalten. Darauf aufbauend werden durch die Nutzung von BI&A Entscheidungen getroffen, die ein gemeinsames Strategieverständnis zwischen den relevanten Stakeholdern entwickeln und so zu einem Aktionsplan gelangen, der es ermöglicht auf die

44 45 46 47

48 49 50

Vgl.Torres et al. (2018), S. 824. Vgl. Chen et al. (2013), S. 14. Vgl. Côrte-Real et al. (2017), S. 380. Vgl. Côrte-Real et al. (2017), S. 385. Die Studie wurde im Jahr 2015 mit einer Online-Umfrage durchgeführt. 500 Manager wurden mittels E-Mail unterschiedlichster Branchen in ganz Europa kontaktiert. Die Rücklaufquote betrug 35 %. Vgl. Teece et al. (1997), S. 515 ff. Teece et al. (1997), S. 516. Vgl. Teece (2007), S. 1322 ff.

Controlling und Business Intelligence & Analytics

91

eingangs ermittelten Chancen adäquat reagieren zu können. 51 Diese beiden Aspekte moderieren wiederum die Transformation bestehender Geschäftsprozesse, womit in weiterer Folge die Performance des Unternehmens erhöht wird.52 Um positive Auswirkungen auf die Unternehmensperformance zu erwirken, reicht es nicht aus, beispielsweise eine eigene F&E-Abteilung – im Sinne von Dynamic Capabilities – zu besitzen.53 Vielmehr bedarf es einer zeitgerechten Entscheidungsfindung und darauf aufbauende Handlungen, um die Performance positiv zu beeinflussen. 54 Bei genauerer Betrachtung des Dynamic Capabilities-Ansatzes lässt sich ein Zusammenhang mit dem Dreiphasen-Modell zur Datenanalyse erkennen. Die Identifikation und Eingrenzung von Problemstellungen kann mit der Wahrnehmung von Chancen und Risiken im DC-Ansatz verglichen werden. Die Modellierung und Analyse von Daten sowie die Kommunikation der Ergebnisse (Phase zwei und Phase drei) ist vergleichbar mit der Bestimmung von Handlungsoptionen, welche schließlich zur Transformation von Geschäftsprozessen beitragen.

51 52 53 54

Vgl. Torres et al. (2018), S. 825. Vgl. Torres et al. (2018), S. 826 f. Vgl. Ambrosini/Bowman (2009), S. 44. Vgl. Torres et al. (2018), S. 824. Zur strukturierten Darstellung aktueller Herausforderungen sowie potentieller Handlungsempfehlungen im Zusammenhang mit BI&A wird auf das Business Analytics Capability-Rahmenwerk von Vidgen et al. zurückgegriffen. Vidgen et al. adaptierten das Diamond Model of Organisations nach Leavitt um die Herausforderungen einer datengetriebenen Organisation zu untersuchen. Dabei gehen die Autoren davon aus, dass die Business Analytics-Fähigkeit einer Organisation als Mittler zwischen den von der Organisation (intern und extern) generierten Daten und dem daraus resultierenden Mehrwert verstanden werden kann, den die Organisation durch Maßnahmen auf der Grundlage besserer Entscheidungen erzeugt. Auf Basis dieses Rahmenwerkes konzentriert sich die Darstellung aktueller Herausforderungen und Handlungsempfehlungen von BI&A im Kontext des Controllings auf die Bereiche Daten bzw. Datenqualität, Strategie und Geschäftsprozesse sowie technologische Aspekte und Human Resources. Zwar werden diese Bereiche separat beschrieben, jedoch zeigt sich im weiteren Verlauf, dass diese beleuchteten Aspekte nicht gänzlich getrennt voneinander betrachtet werden können und folglich ineinanderwirken. Mehr dazu siehe Vidgen et al. (2017).

92 3.

Daniel Pabinger und Stefan Mayr

Herausforderungen und Handlungsempfehlungen

3.1. Datenqualität 3.1.1. Herausforderungen Eine zentrale Herausforderung im Zusammenhang mit BI&A stellt die Qualität der zur Verfügung stehenden Daten dar.55 Die Komplexität der Daten, der erhöhte Umfang sowie unterschiedlichste Quellen aus denen Datenbestände gespeist werden, können als wesentlichste Problembereiche genannt werden. Damit BI&A effektiv und effizient eingesetzt werden kann, müssen sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Daten in künftige Analysen miteinbezogen werden.56 Während interne Daten – die im besten Fall aus einem ERP-System stammen – hauptsächlich strukturierte Daten darstellen, liefert das Internet zunehmend unstrukturierte Daten in Form von Texten, Ton- oder Videoaufnahmen, weshalb die Analyse dieser inkonsistenten Datenbestände für Unternehmen im Allgemeinen und für das Controlling im Besonderen als herausfordernd gilt.57 Durch den Anstieg an unstrukturierten (qualitativen) Daten speichern und verwalten Unternehmen immer größere Datenmengen.58 Schätzungen zufolge existieren weltweit über 30 Millionen vernetzte Sensorknoten 59 in den Bereichen Transport, Automobil, Industrie sowie im Einzelhandel, wobei sich diese Menge in den kommenden Jahren noch deutlich erhöhen wird. 60 Ein weiterer Aspekt der Datenqualität ergibt sich aus der Datenspeicherung in unterschiedlichsten Quellsystemen.61 Aufgrund der Tatsache, dass sich Datenbestände sowohl in der Art der Konsistenz als auch in ihrem Umfang deutlich verändert haben, kann eine erhöhte Vielfalt an implementierten ITAnwendungen beobachtet werden, weshalb verstärkte Integrationsprobleme damit verbunden sind. Diese mangelnde Integration führt zu einer inkonsistenten Datendefinition, unzusammenhängenden Geschäftsprozessen und einem unzu55

56 57 58 59

60 61

Vgl. dazu Appelbaum et al. (2017), Hawking/Sellitto, (2010), Holzblatt/Brands (2015), Isik et al. (2013), Ziemba/Olszak (2012). Vgl. Appelbaum et al. (2017), S. 40. Vgl. Holzblatt/Brands (2015), S. 4. Vgl. Isik et al. (2013), S. 14. Beispielsweise sind in Geräten wie Mobiltelefonen, Energiezählern, Autos und Industriemaschinen vernetzte Sensorknoten eingebettet, die im Zeitalter des Internet of Things (IoT) Daten erfassen, erstellen und kommunizieren. Mehr dazu beispielsweise in Baesens et al. (2016). Vgl. Manyika et al. (2011), S. 2. Vgl. Vidgen et al. (2017), S. 632.

Controlling und Business Intelligence & Analytics

93

reichenden Informationszugriff aufgrund der Vielzahl an Benutzeroberflächen, womit die effektive Entscheidungsfindung beeinträchtigt wird.62 Darüber hinaus kann es vorkommen, dass Daten aufgrund der erhöhten Vielfalt an unterschiedlichsten Applikationen, mehrere Male im System gehalten werden, womit kein „single point of truth“ gewährleistet werden kann.63 3.1.2. Handlungsempfehlungen Um aus den gesammelten und aufbereiteten Daten entscheidungsrelevante Informationen für das Management zu erhalten, müssen – in Abstimmung mit der strategischen Ausrichtung von BI&A-Maßnahmen – bereits im Vorfeld zielgerichtete Fragen an das Datenmaterial definiert werden.64 Diese Vorgehensweise führt dazu, dass Speicherkapazitäten geschont werden und die Bereinigung und Aufbereitung von Datenmaterial ökonomischer durchgeführt wird.65 Das Controlling kann im Sinne der Rationalitätssicherung bereits bei der Formulierung und Evaluierung von vordefinierten Fragestellungen unterstützend wirken, um Analyseprozesse zielgerichtet zu evozieren. Darüber hinaus müssen Controller gewährleisten, dass die Systeme, aus denen Informationen gewonnen werden, bedarfsgerecht funktionieren. Um diese Aufgabe auch in ihrem vollen Umfang erfassen und bearbeiten zu können, sollten folgende Kriterien66 beachtet werden:  Einheitlichkeit und Konsistenz: Gewährleistung eines „single point of truth“ durch standardisierte Benennungen und Definitionen unterschiedlichster Rechengrößen.  Richtigkeit und Verlässlichkeit: Evaluierung von automatisierten Prozessen, um Unrichtigkeiten zu vermeiden.  Zeitnähe: Richtige Daten zum falschen Zeitpunkt sind genauso wertlos wie falsche Daten.  Funktionsfähigkeit: Die termingerechte und umfassende Bereitstellung an Informationen ist möglicherweise an komplexe Vorsysteme gebunden, weshalb auch hier Fehlerquellen bedacht werden müssen.

62 63 64 65 66

Vgl. Hawking/Sellitto, (2010), S. 1. Vgl. Vidgen et al. (2017), S. 632. Vgl. LaValle et al. (2011), S. 25 f.; Holzblatt/Brands (2015), S. 11. Vgl. Bozic/Dimovski (2019), S. 98. Vgl. Weber/Schäffer (2016), S. 95.

94

Daniel Pabinger und Stefan Mayr

3.2. Strategie- und Prozessgestaltung 3.2.1. Herausforderungen Bei der Etablierung von BI&A ist vor allem die mangelnde Unterstützung des Managements zu erwähnen.67 Wenn konkrete Richtlinien sowie das Commitment von Seiten des Managements fehlen und damit einhergehend mangelnde Ressourcenallokation vorliegt, droht der Transformationsprozess zu einem datengetriebenen Unternehmen zu scheitern.68 Falls keine Abstimmung zwischen der Unternehmensstrategie und der BI&A-Strategie vorgenommen wurde, oder eine BI&A-Strategie zur Gänze fehlt, ist die Gefahr groß, dass BI&A-Projekte scheitern.69 Diese Situation führt dazu, dass Ressourcen ineffizient eingesetzt werden und die Analysequalität folglich darunter leidet.70 Die Tatsache, dass große Datenpools für Analysen zur Verfügung stehen, reicht noch lange nicht aus, um entscheidungsrelevante Informationen zu erhalten, wie Malik folgendermaßen formuliert: „An Daten fehlt es heute kaum in einem Unternehmen. Wir haben eher zu viel davon. Information hingegen ist noch immer Mangelware, und man kann sich nicht darauf verlassen, dass alle Manager wissen, wie man von Daten zu Informationen kommt.“71

Wie bereits eingangs erwähnt, kann mit Hilfe des gezielten Einsatzes von BI&A vordefiniertes Datenmaterial beleuchtet und analysiert werden, um schließlich externe Chancen und Risiken mit internen Stärken und Schwächen abzugleichen, um daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten und Maßnahmen zu evozieren. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn Organisationsstrukturen und Geschäftsprozesse im Sinne der Agilität zeitnah, effektiv und nachhaltig verändert werden können, um Handlungsempfehlungen auch dementsprechend umzusetzen. 72 Eine der zentralsten Herausforderungen für Unternehmen besteht demnach darin, Strukturen und Prozesse so auszugestalten, dass innerhalb kürzester Zeit Veränderungen an der Ressourcenbasis (beispielsweise in Bezug auf Absatzmärkte, Sortiment, Supply Chain Management oder einem Prozess zum Wissenstransfer) auf der Grundlage von Analyseergebnissen vorgenommen werden können. 73 67 68 69 70 71 72 73

Vgl. Bozic/Dimovski (2019), S. 99; LaValle et al. (2011), S. 23; Holsapple et al. (2014), S. 136. Vgl. Torres et al. (2018), S. 830. Mikalef et al. (2019), S. 269 ff. Vgl. Holzblatt/Brands (2015), S. 3. Malik (2000), S. 350. Vgl. Chen et al. (2013), S. 3; Torres et al. (2018), S. 826. Vgl. Côrte-Real et al. (2017), S. 382.

Controlling und Business Intelligence & Analytics

95

3.2.2. Handlungsempfehlungen Das Commitment des Managements, analytisch getriebene Entscheidungen zu forcieren, wird als notwendige Grundlage zur unternehmensweiten Etablierung von BI&A angesehen.74 Die Unterstützung des Managements wirkt sich vor allem positiv auf die Fähigkeit aus, externe Chancen zu identifizieren bzw. wahrzunehmen, womit die erste Komponente („to sense“) des DynamicCapabilities-Ansatzes insofern bekräftigt wird, als dass dadurch erforderliche Ressourcen (finanzielle, technische sowie personale Ressourcen) zur Verfügung gestellt und Regelungen implementiert werden. 75 Schlegel et al. empfehlen eine Organisationsstruktur, in der zentrale und dezentrale Aspekte für die Etablierung von BI&A bereitgestellt werden. Dabei wird die Analysestrategie mit der Unternehmensstrategie in Einklang gebracht, Governance-Strukturen festgelegt sowie die Datenhaltung zentral kontrolliert. Dezentrale Strukturen bieten einzelnen Organisationseinheiten die Flexibilität, ihre Analysen bedarfsgerecht zu entwickeln und zu verwalten, ohne jedoch übergeordnete Ziele zu vernachlässigen. 76 Vor allem in der Strategieentwicklung kann das Controlling wesentlich dazu beitragen, die BI&A-Strategie von der Gesamtstrategie abzuleiten und konkrete Umsetzungsmaßnahmen zu definieren. Besonders dann, wenn das Commitment von Seiten des Managements vorhanden ist, BI&A im Unternehmen zu etablieren, bedarf es der Überwachung der Kopplung der Strategieformulierung mit den konkreten Aktivitäten des Unternehmens, wobei ein wesentliches Merkmal auf die Allokation der unternehmerischen Ressourcen gelegt werden soll. Ein weiteres zentrales Element im Hinblick auf die Strategieformulierung bildet die Unternehmenskultur.77 McAfee und Brynjolfsson betonen dabei, dass Unternehmen zwar vermehrt Ressourcen für Analytics-Maßnahmen freisetzen, aber im Entscheidungsprozess letztendlich noch immer auf Erfahrung und Intuition, anstelle von Fakten vertrauen. 78 Um die Strategieformulierung zu unterstützen, können unter anderem folgende Maßnahmen 79 getroffen werden:  Beachtung der Zusammensetzung des Strategiefindungsteams um ausreichend fachliche Breite zu gewährleisten,  Verwendung von strategischen Planungsinstrumenten, wie zum Beispiel der Balanced Scorecard (BSC),80 74

75 76 77 78 79 80

Siehe dazu Appelbaum et al. (2017); Hawking/Sellitto (2010); McAfee/Brynjolfsson (2012); Vidgen et al. (2017), Bozic/Domovski (2019). Vgl. Torres et al. (2018), S. 824. Vgl. Schlegel et al. (2014), Internet. Vgl. Weber/Schäffer (2016), 393. Vgl. McAfee/Brynjolfsson (2012), S. 7 f. Vgl. Weber/Schäffer (2016), 404 f. Zur Kombination von Business Analytics und Controlling mittels BSC siehe Nielsen (2015).

96

Daniel Pabinger und Stefan Mayr

 Angabe der geplanten Meilensteine hinsichtlich Zeit und Ressourcen,  sowie die qualitative und quantitative Beschreibung der zu eröffnenden Erfolgspotenziale. 4.

Technologische Aspekte und Human Resources

4.1. Herausforderungen Die technologische Infrastruktur umfasst sowohl die Datenspeicherung als auch das Datenmanagement, wobei sich beide Teilbereiche unmittelbar auf die Datenqualität auswirken.81 Eine technologische Herausforderung besteht in der Integration der BI&A-Software in bestehende Systeme, besonders dann, wenn Daten aus unterschiedlichsten Datenquellen gesammelt und gespeichert werden.82 Mangelhafte Skalierbarkeit und lange Reaktions- bzw. Aktualisierungszeiten stellen weitere technologische Herausforderungen im Umgang mit BI&ASystemen dar.83 Um relevante Unternehmensinformation zu schützen, existieren unterschiedlichste Zugriffsberechtigungen zu BI&A-Systemen. Die Anforderungen an den Benutzerzugriff variieren innerhalb einer Organisation. Auf operativer Ebene müssen Benutzer Daten nahezu in Echtzeit aufrufen können, wohingegen das Management die Ausführung strategischer Ziele überblicken muss und demnach Zugang zu anderen Ebenen des Systems benötigten als einzelne operative Bereiche.84 Das zugrundeliegende Zugriffsberechtigungssystem spielt aufgrund der soeben skizzierten Situation eine wesentliche Rolle bei der Beachtung möglicher Herausforderungen im Umgang mit BI&A-Systemen, da zeitliche Einschränkungen aufgrund ungeregelter Zugriffsstrategien ein hohes Frustpotential im Anwendungsbereich bergen. 85 Eine wesentliche Herausforderung stellt die Fachexpertise der Anwender von BI&A-Applikationen dar.86 Dabei stellten Jensen et al. fest, dass Novizen Daten zur Entscheidungsunterstützung kaum validieren können und somit zunehmend den Empfehlungen des Systems nachkamen, während hingegen erfahrene Anwender Daten kritisch analysierten und Systemempfehlungen vermehrt

81 82 83 84 85 86

Vgl. Torres et al. (2018), S. 826. Vgl. Isik et al. (2013), S. 14; Torres et al. (2018), S. 826. Vgl. Bozic/Dimovski (2019), S. 99; Trieu (2017), S. 118. Vgl. Isik et al. (2013), S. 15. Vgl. Bozic/Dimovski (2019), S. 99; Isik et al. (2013), S. 15. Vgl. Rikhardsson/Yigitbasiohlu (2018), S. 42.

Controlling und Business Intelligence & Analytics

97

revidierten.87 In diesem Zusammenhang wird vermehrt das Berufsbild des Data Scientists erwähnt.88 Data Scientists stellen gemäß Davenport und Patil ein Fähigkeiten-Repertoire, bestehend aus Programmierfähigkeiten, Mathematik- sowie Statistikfähigkeiten, zur Verfügung, um mit bestehenden Ressourcen neue Problemlösungen zu generieren. 89 4.2. Handlungsempfehlungen Unabhängig vom soeben skizzierten Berufsbild des Data Scientists, stehen Controller vor der Herausforderung, neben ex post-Betrachtungen, vermehrt ex anteAnalysen dem Management zur Entscheidungsunterstützung zur Verfügung zu stellen, weshalb verstärkt Kompetenzen in den Bereichen IT, Statistik sowie Mathematik aufgebaut werden sollten.90 Côrte-Real, Oliveira und Ruivo betonen, dass die Fähigkeit des Unternehmens, Chancen zu identifizieren bzw. wahrzunehmen („to sense“) und darauf aufbauend Handlungsalternativen zu generieren („to seize“) vor allem durch die Art und Weise wie BI&A-Technologie genutzt werden, gewährleistet wird. Trainingsprogramme (etwa zum Thema Datenanalyse, Datenmodellierung oder Datenvisualisierung) können demnach dazu beitragen, aus (Roh-)Daten Wissen zu erhalten.91 Darüber hinaus müssen Trainingsprogramme sicherstellen, dass BI&A-Verantwortliche die technologischen Hintergründe und Funktionsweisen der Software kennen und beherrschen.92 Neben Trainingsprogrammen setzen Unternehmen vermehrt auf interdisziplinäre Teams. Dabei werden Teams aus dem IT-, und Statistikbereich mit Fachkräften aus den jeweiligen Domänen (zum Beispiel aus dem Marketing, der Produktion oder der Logistik) und dem Controlling gebildet, um an spezifischen Analyseprojekten zu arbeiten.93 Zusätzlich ist neben dem analytisch-technischem Know-how die Schulung der Kommunikationsfähigkeit relevant, um das aus dem Analyseprozess generierte Wissen auch zielgruppenorientiert weiter vermitteln zu können.94

87 88 89 90 91 92 93 94

Vgl. Jensen et al. (2010), S. 193. Vgl. McAfee/Brynjolfsson (2012), S. 67; Vidgen et al. (2017), S. 633. Siehe dazu Davenport/Patil (2012). Vgl. Appelbaum et al. (2017), S. 30. Vgl. Côrte-Real et al. (2017), S. 387. Vgl. Holzblatt/Brands (2015), S. 11. Vgl. Bozic/Dimovski (2019), S. 100; Holzblatt/Brands (2015), S. 11; Weber/Schäffer (2016), S. 105 f. Vgl. Chen et al. (2012), S. 1183; Weber/Schäffer (2016), S. 105 f.

98 5.

Daniel Pabinger und Stefan Mayr

Der Nutzen von BI&A im Controlling aus der Sicht des DC-Ansatzes

5.1. Grundlagen Business Intelligence & Analytics bietet dem Controlling weitrechende Möglichkeiten, Rationalitätssicherung des Managements zu gewährleisten. Auf der Grundlage des Dynamic Capabilities-Ansatzes werden im Folgenden die Nutzungsmöglichkeiten dargestellt. 5.2. Wahrnehmung von Chancen und Risiken („to sense“) Die strukturierte Analyse externer sowie interner Datenquellen ermöglicht es dem Unternehmen, das Wissensmanagement zu verbessern und stellt somit eine zentrale Fähigkeit des Unternehmens dar.95 Das Ziel dieser ersten Phase des Analyseprozesses besteht darin, zuerst Daten zu bereinigen und aufzubereiten, um in weiterer Folge von reinen Datenbeständen hin zu (aktuellerem) Wissen zu gelangen. Dabei sollte die bestehende Wissensbasis kontinuierlich erneuert bzw. angepasst werden, indem neues Wissen mit bestehendem Wissen in Verbindung gebracht wird.96 Ebenso sollten Unternehmen in der Lage sein, mithilfe von BI&A-Technologien Wissen in neue Routinen umzuwandeln um somit Ressourcen effizient und effektiv einzusetzen und bei Bedarf umzustrukturieren, um nachhaltig die Performance des Unternehmens zu stabilisieren oder zu verbessern.97 Auf operativer Ebene werden laufend Analysen von internen Unternehmensprozessen durchgeführt und Erkenntnisse unternehmensweit geteilt. Auf strategischer Ebene bietet BI&A die Möglichkeit, einen umfassenden Status des Unternehmens darzustellen, Trends, Chancen und Risiken im Geschäftsumfeld zu identifizieren und wichtige Impulse bei der Formulierung der Unternehmensstrategie zu liefern.98 Beispielhaft sei hier die Analyse von Onlinerecherchen über Produktinformationen von Kunden noch vor dem eigentlichen Kauf eines bestimmten Produktes erwähnt. Bei effektiver Erfassung und Analyse von individuellen Kaufentscheidungen lernen Unternehmen bei jeder Kundentransaktion, woraus sich künftige Marketingstrategien ableiten lassen. 99 95 96 97 98 99

Vgl. Côrte-Real et al. (2017), S. 381; Fink et al. (2017), S. 52; Sidorova/Torres (2014), S. 1 ff. Vgl. Bozic/Dimovski (2019), S. 97 f. Vgl. Côrte-Real et al. (2017), S. 381. Vgl. Fink et al. (2017), S. 50. Vgl. Bhimani/Willcocks (2014), S. 475.

Controlling und Business Intelligence & Analytics

99

5.3. Determinierung von Handlungsoptionen („to seize“) Um das neu generierte Wissen auch nutzen zu können, müssen im Vorfeld gezielte Fragen an das vorhandene Datenmodell gestellt werden, um in weiterer Folge Handlungsoptionen aufzeigen zu können. 100 Mittels digitaler Forecasts lassen sich strategische Optionen sowie Business Cases valider quantifizieren. 101 Im Rahmen von Optimierungen könnten beispielsweise Fragen hinsichtlich der künftigen Sortimentsgestaltung zur Absatzmaximierung beantwortet werden. 102 Die Wahrnehmung von Handlungsoptionen hängt jedoch – im Sinne der Agilität – von der Fähigkeit ab, die Unternehmensorganisation und die zugrundeliegenden Prozesse zeitnah, effektiv und nachhaltig zu verändern, weshalb Agilität als Mediator zwischen neu generiertem Wissen und der daraus resultierenden Unternehmensperformance definiert wird.103 Sidorova und Torres gehen davon aus, dass der Hauptnutzen von BI&A dadurch determiniert ist, dass konkrete Veränderungsprozesse auf der Basis von neuem Wissen – generiert durch BI&A-Maßnahmen – initiiert werden.104 Gemäß dem Dynamic Capabilities-Ansatz kommt es mittels sensing und seizing zur Transformation von Geschäftsprozessen.105 Das Controlling besitzt durch ihre Unabhängigkeit gute Voraussetzungen, um das Management im Zuge von Veränderungsprozessen zu begleiten und zu unterstützen.106 BI&A bietet hier Controllern die Möglichkeit, mittels der Anwendung von Optimierungsverfahren, ihre Qualität als Change Agent zu verstärken, um angestrebte Unternehmensziele zu erreichen.107 6.

Grenzen der faktenbasierten Entscheidungsunterstützung

Nach McAfee und Brynjolfsson, sind Unternehmen, deren Entscheidungsgrundlage auf Daten basieren und sich selbst als datengetriebene Organisation bezeichnen, profitabler als deren Mitbewerber, die ihre Entscheidungsfindung mehr auf intuitive Aspekte als auf Fakten stützen.108 Aus der Perspektive des Controllings setzt die Entscheidungsfindung immer einen kommunikativen Prozess – einen zwischenmenschlichen Austausch von Meinungen und Gefühlen – voraus, 100 101 102 103 104 105 106 107 108

Vgl. Bozic/Dimovski (2019), S. 97 f. Vgl. Mehanna et al. (2016), S. 504. Vgl. Weber/Schäffer (2016), S. 105. Vgl. Côrte-Real et al. (2017), S. 382; Torres et al. (2018), S. 826. Vgl. Sidorova/Torres (2014), S. 7. Vgl. Torres et al. (2018), S. 824 f. Vgl. Weber/Schäffer (2016), S. 17. Vgl. Weber/Schäffer (2016), S. 505. Vgl. McAfee/Brynjolfsson (2012), S.60 ff.

100

Daniel Pabinger und Stefan Mayr

welcher durch noch so eine fundierte Datengrundlage nicht ersetzt werden kann,109 was Quattrone wie folgt konstatiert: „(…) figures and numbers have to be listened, discussed and understood because numbers, as much as facts, do not speak for themselves. The same applies, I would argue, to digits. Those who assume that figures, numbers and digits convey immutable truths, use them badly, think badly, and act badly.“110

Mittels BI&A sollen große Datenmengen aufbereitet, analysiert und in weiterer Folge dem Management als faktenbasierte Entscheidungsgrundlage dienen. Dadurch, dass das Controlling umfassendes Wissen über Geschäftsprozesse und Marktgeschehnisse besitzt, wird das Einbringen von Know-how im Entscheidungsprozess, vor dem Hintergrund von BI&A, für das Controlling zunehmend wichtiger, um als kritischer Sparringpartner111 zu fungieren. Neben explizitem Wissen stellt vor allem implizites Wissen über das Geschäftsmodell ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal des Controllings dar. Damit dieses nicht-formalisierte Wissen im Entscheidungsprozess nicht gänzlich verloren geht, bedarf es zunehmend eines intensiven Austausches im Entscheidungsprozess,112 was BI&A per se nicht leisten kann. Statistische Methoden und mathematische Verfahren im Rahmen von BI&A stellen noch kein Wissen zur Verfügung. Erst durch Kombination dieser Informationen mit unterschiedlichsten Erfahrungen, dem Abgleich mit vorhandenem Wissen sowie dem kommunikativen Austausch innerhalb der Organisation kann die Wissensbasis im Unternehmen gefestigt und weiterentwickelt werden.113 Daher bedarf es zunehmend der zwischenmenschlichen Interaktion, um den Sinn und Zweck der analysierten Daten überhaupt richtig verstehen und einordnen zu können.114 Dadurch, dass das Controlling durch die Informationsversorgungsaufgabe tiefe Kenntnisse über die geschäftlichen Zusammenhänge aufweist, kann es sich im Kontext von BI&A als wichtiger Counterpart positionieren, womit ein zusätzlicher Nutzen für das Management besteht.115

109 110 111 112 113 114 115

Vgl. Quattrone (2016), S. 118 ff. Quattrone (2016), S. 119. Zur Kompetenz des kritischen Sparringpartners siehe Weber/Schäffer (2016), S. 507. Vgl. Bhimani/Willcocks (2014), S. 472 f. Vgl. Nielsen (2018), S. 180. Vgl. Bozic/Dimovski (2019), S. 98 f. Vgl. Weber/Schäffer (2016), S. 507.

Controlling und Business Intelligence & Analytics

7.

101

Fazit und Ausblick

Der zunehmende Innovationsdruck aufgrund erhöhter Wettbewerbsintensität führt dazu, dass Unternehmen verstärkt in analytische Technologien investieren, um ihre Geschäftsprozesse, das Marktumfeld sowie Kundenpotenziale noch exakter analysieren zu können, um daraus faktenbasierte Entscheidungsgrundlagen in Form von Szenarioanalysen und Optimierungsverfahren zu erhalten. Daraus lassen sich unterschiedlichste Handlungsalternativen herauskristallisieren, die in weiterer Folge zu Veränderungen in der Kundenansprache, in der Sortimentsgestaltung oder in der Supply Chain führen, um letztendlich die Performance des Unternehmens zu erhöhen. Diese Situation beeinflusst zunehmend auch die Informationsversorgungsfunktion des Controllings mit dem Ziel, die Unternehmensführung mit faktenbasierten Informationen zu unterstützen. Besonderes Augenmerk sollte auf die Qualität der Daten im Rahmen von BI&A-Maßnahmen gelegt werden. Die enorme Datenmenge, deren Inkonsistenz und die Datengenerierung aus unterschiedlichsten Quellsystemen stellen das Controlling vor die Herausforderung, den „single point of truth“ nicht mehr gewährleisten zu können. Durch die gezielte Vorabdefinition von Fragen kann der Analyseprozess zielgerichteter gestaltet werden, womit das Datenmanagement fokussierter erfolgt. Darüber hinaus muss die Integrität unterschiedlichster Systeme gewährt werden, um sowohl die Funktionsfähigkeit der Systeme als auch die Richtigkeit der daraus gewonnenen Informationen sicherzustellen. Auf strategischer Ebene stellen das mangelnde Commitment des Managements sowie eine fehlende Analysestrategie, welche im Einklang mit der Gesamtunternehmensstrategie stehen soll, die wesentlichsten Herausforderungen dar. Das Controlling kann hier vor allem in der Phase der Strategieformulierung dazu beitragen, dass konkrete Aktivitäten mit der vorab definierten Strategie übereinstimmen. Die Fachexpertise im Bereich BI&A stellt eine weitere wesentliche Herausforderung dar. Controller sehen sich zunehmend damit konfrontiert, neben rückwärtsgerichteten Reports ebenfalls Trendprognosen und Handlungsempfehlungen auf Basis von Echtzeitdaten bereitzustellen. In diesem Zusammenhang wird vermehrt betont, Programmierfähigkeiten und Statistikkompetenzen aufzubauen. Eine bereits gängige Handlungsempfehlung stellen interdisziplinäre Teams dar, in dem IT- und Statistikfachkräfte gemeinsam mit Domänen- und Finanzexperten an BI&A-Projekten arbeiten. Vor dem Hintergrund der soeben skizzierten Herausforderungen und möglichen Handlungsempfehlungen stellt die Generierung von Wissen im Rahmen von BI&A den wohl größten Nutzen für Unternehmen im Sinne des Dynamic Capabilities-Ansatzes dar. Dabei werden gezielt interne Unternehmensprozesse analysiert und die Erkenntnisse daraus innerhalb der gesamten Organisati-

102

Daniel Pabinger und Stefan Mayr

on geteilt. Neben der internen Analyse wird auch das Geschäftsumfeld nach neuen Trends und den sich daraus ergebenden Chancen und Risiken untersucht. Auf Basis der gewonnenen Informationen werden Handlungsoptionen formuliert, die zur Veränderung von Organisationsstrukturen oder Geschäftsprozessen beitragen bzw. bei der Formulierung von Strategien behilflich sein sollen. Dabei ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Entscheidungsfindung einen kommunikativen Prozess voraussetzt und somit durch eine noch so fundierte Datengrundlage nicht ersetzt werden kann. Das Controlling, welches neben formalisiertem auch implizites Wissen über die Geschäftsabläufe besitzt, sollte die zunehmende Digitalisierung als Chance sehen, künftig noch mehr als betriebswirtschaftlicher Berater des Managements zu fungieren.

Controlling und Business Intelligence & Analytics

103

Literatur Acito, F./Khatri, V. (2014): Business analytics: Why now and what next?. Business Horizons, 57 Jg., Nr. 5, S. 565-570. Ambrosini, V./Bowman, C. (2009): What are dynamic capabilities and are they a useful construct in strategic management?. International Journal of Management Reviews, 11 Jg., Nr. 1, S. 29-49. Anthony, R. N. (1965): Planning and Control Systems: Framework for Analysis. Boston: Graduate School of Business Administration, Harvard University. Appelbaum, D./Kogan, A./Vasarhelyi, M./Yan, Z. (2017): Impact of business analytics and enterprise systems on managerial accounting. International Journal of Accounting Information Systems, 25 Jg., S. 29-44. Baesens, B./Bapna, R./Marsden, J. R./Vanthienen, J./Zhao, J. L. (2016): Transformational Issues of Big Data and Analytics in Networked Business. MIS Quarterly, 40 Jg., Nr. 4, S. 807-818. Becker, W./Nolte, M. (2019): Die Rolle des Controllings im Rahmen der Digitalisierung – Funktionen und Aufgaben, in: Becker, W./Eierle, B./Fliaster, A./Ivens, B./Leischnig, A./Pflaum, A., & Sucky, E. (Hrsg.), Geschäftsmodelle in der digitalen Welt (S. 7589). Wiesbaden: Springer Gabler. Bhimani, A./Willcocks, L. (2014): Digitisation, ‘Big Data‘ and the transformation of accounting information. Accounting and Business Research, 44 Jg., Nr. 4, S. 469-490. Bozic, K., & Dimovski, V. (2019): Business Intelligence and analytics for value creation: The role of absorptive capacity. International Journal of Information Management, 46 Jg., S. 93-103. Büst, R. (2013): Daten sind das neue Öl. Daten als Wettbewerbsvorteile in der Cloud verarbeiten. Wirtschaftsinformatik & Management, 2 Jg., S. 40-46. Chae, B./Yang, C./Olson, D./Sheu, C. (2014): The impact of advanced analytics and data accuracy on operational performance: A contingent resource based theory (RBT) perspective. Decision Support Systems, 59 Jg., S. 119-126. Chamoni, P./Gluchowski, P. (2017): Business Analytics – State of the Art. Controlling & Management Review, 4 Jg., S. 8-17. Chen, H./Chiang, R./Storey, V. (2012): Business Intelligence and Analytics: From Big Data to Big Impact. MIS Quarterly, 36 Jg.Nr. 4, S. 1165-1188. Chen, Y./Wang, Y./Nevo, S./Jin, J./Wang, L. (2013): IT capability and organizational performance: the roles of business process agility and environmental factors. European Journal of Information Systems, 23 Jg., Nr. 3, S. 1-17. Côrte-Real, N./Oliveira, T./Ruivo, P. (2017): Assessing business value of Big Data Analytics in European firm. Journal of Business Research Assessing, 70 Jg., S. 379-390. Davenport, T. H./Harris J. G. (2017): Competing on analytics: The new science of winning. Boston: Harvard Business Review. Davenport, T. H./Kim, J. (2013): Keeping Up with the Quants. Boston: Harvard Business Review Press. Davenport, T. H./Patil, D. J. (2012): Data Scientist: The Sexiest Job of the 21st Century. Harvard Business Review, 70 Jg., S. 72-76. Elbashir, M. Z./Collier, P. A./Sutton, S. G. (2011): The Role of Organizational Absorptive Capacity in Strategic Use of Business Management Control Systems. The Accounting Review, 86 Jg., Nr. 1, S. 155-186. Elbashir, M. Z./Collier, P. A./Sutton, S. G./Davern, M. J./Leech, S. A. (2013): Enhancing the Business Value of Business Intelligence: The Role of Shared Knowledge and Assimilation. Journal of Information Systems, 27 Jg., Nr. 2, S. 87-105.

104

Daniel Pabinger und Stefan Mayr

Fink, L./Yogev, N./Even, A. (2017): Business intelligence and organizational learning: An empirical investigation of value creation processes. Information and Management, 54 Jg., Nr.1, S. 38-56. Friedl, B. (2013): Controlling. 2. Auflage. Konstanz: UVK GmbH. Gartner, I. (2019): Gartner Says Global IT Spending to Grow 1.1 Percent in 2019, https://www.gartner.com/en/newsroom/press-releases/2019-04-17-gartner-says-global -it-spending-to-grow-1-1-percent-i, Abfrage: 26.04.2019 Gartner, I. (2019). Big Data Analytics, https://www.gartner.com/it-glossary/predictiveanalytics/, Abfrage: 02.05.2019. Grabski, S. V./Leech, S. A./Schmidt, P. J. (2011): A Review of ERP Research:A Future Agenda for Accounting Information Systems. Journal of Information Systems, 25 Jg., Nr. 1, S. 37-78. Hawking, P./Sellitto, C. (2010). Business Intelligence (BI) Critical Success Factors, ACIS 2010 Proceedings. 4, http://aisel.aisnet.org/acis2010/4, Abfrage: 01.05.2019. Holsapple, C./Lee-Post, A./Pakath, R. (2014): A unified foundation for business analytics. Decicion Support Systems, 64 Jg., S. 130-141. Holzblatt, M./Brands, K. (2015): Business Analytics: Transforming the Role of Management Accountants. Management Accounting Quarterly, 16 Jg., Nr. 3, S. 1-12. Horváth, P./Gleich, R./Seiter, M. (2015): Controlling. 13. Auflage, München: Vahlen. Işik, O./Jones, M./Sidorova, A. (2013): Business intelligence success: The roles of BI capabilities and decision environments. Information and Management, 50 Jg., Nr. 1, S. 13-23. Jensen, M. L./Lowry, P. B./Burgoon, J. K./Nunamaker, J. F. (2010): Technology Dominance in Complex Decision Making: The Case of Aided Credibility Assessment, Journal of Management Information Systems, 27 Jg., Nr. 1, S. 175-202. Kowalczyk, M/Buxmann, P. (2015): An ambidextrous perspective on business intelligence and analytics support in decision processes: Insights from a multiple case study. Decision Support Systems, 80 Jg., S. 1-13. Langmann, C. (2019): Digitalisierung im Controlling. Wiesbaden: Springer VS. LaValle, S./Lesser, E./Shockley, R./Hopkins, M. S./Kruschwitz, N. (2011): Big Data, Analytics and the Path From Insights to Value. MIT Sloan Management Review, 52 Jg., Nr. 2, S. 20-32. Luhn, H. (1985): A Business Intelligence System. IBM Journal of Research and Development, 2 Jg., Nr. 4, S. 314-319. McAfee, A./Brynjolfsson, E. (2012): Big Data: The Management Revolution. Harvard Business Review, 90 Jg., S. 60-68. Malik, F. (2000): Führen, Leisten Leben: Wirksames Management für eine neue Zeit. 3. Auflage. Stuttgart/München: Deutsche Verlagsanstalt. Manyika, J./Chui, M/Brown B./Bughin, J./Dobbs R./Roxburgh, C./Byers, A. H. (2011): Big Data. The Next Frontier for Innovation, Competition, and Productivity, https://bigdatawg.nist.gov/pdf/MGI_big_data_full_report.pdf, Abfrage: 01.05.2019. Matt, C./Hess, T./Benlian, A. (2015): Digital Transformation Strategies, Business and Information Systems Engineering, 57 Jg., Nr. 5, S. 339-343. Mehanna, W./Tatzel, J./Vogel, P. (2016): Business Analytics im Controlling– Fünf Anwendungsfelder. Controlling – Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung, 28 Jg., Nr. 8-9, S. 502-508. Mikalef, F./Boura, M./Lekakos, G/Krokstie, J. (2019): Big data analytics and firm performance: Findings from a mixed method approach. Journal of Business Research, 98 Jg., S. 261-276. Müller, R. M./Lenz, H.-J. (2013). Business Intelligence. Berlin: Springer.

Controlling und Business Intelligence & Analytics

105

Nielsen, S. (2015): The Impact of Business Analytics on Management Accounting, https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2616363, Abfrage: 04.05.2019. Nielsen, S. (2018): Reflections on the applicability of business analytics for management accounting – and future perspectives for the accountant. Journal of Accounting & Organizational Change, 14 Jg., Nr. 2, S. 167-187. Pousttchi, K./Moormann, J./Felten, J. (2015): The impact of new media on bank processes: a Delphi study. International Journal of Electronic Business, 12 Jg., Nr. 1, S. 1-45. Quattrone, P. (2016). Management accounting goes digital: Will the move make it wiser?. Management Accounting Research, 31 Jg., S. 118-122. Rikhardsson, P./Yigitbasioglu, O. (2018): Business Intelligence & analytics in management accounting research: Status and future focus. International Journal of Accounting Information Systems, 29 Jg., S. 37-58. Schläfke, M./Silvi, R./Möller, K. (2012): A framework for business analytics in performance management. International Journal of Productivity and Performance Management, 62 Jg., Nr. 1, S. 110-122. Schlegel, K./Owen, M./Buytendijk, F./Sommer, D. (2014): Create a Centralized and Decentralized Organizational Model for Business Intelligence, https://www.gartner .com/en/documents/289771816, Abgerufen: 05.05.2019. Sidorova, A./Torres, R. (2014): Business Intelligence and Analytics: A Capabilities Dynamization View. Twentieth Americas Conference on Information Systems, S. 1-9. Spalek, K. (2017): Advanced Analytics II: Definition, Schritte und Tools von Advanced Analytics, https://blog.brockhaus-ag.de/blog/2017/05/22/advanced-analytics-2-wiekuenstliche-intelligenz-versicherungsunternehmen-bei-entscheidungen-hilft/, Abfrage: 20.04.2019. Teece, D. J. (2007): Explicating dynamic Capabilities: The Nature and Microfoundations of (sustainable) Enterprise Performance. Strategic Management Journal, 28 Jg., Nr. 13, S. 1319-1350. Teece, D./Peteraf, M./Leih, S. (2016): Dynamic Capabilities and Organizational Agility: Risk, Uncertainity, and Strategy in the Innovation Economy. California Management Review, 58 Jg., Nr. 4, S. 13-34. Teece, D. J./Pisano, G./Shuen A. (1997): Dynamic Capabilities and Strategic Management. Strategic Management Journal, 18 Jg., Nr. 7, S. 509-533. Torres, R./Sidorova, A./Jones, M. C. (2018): Enabling firm performance through business intelligence and analytics: A dynamic capabilities perspective. Information & Management, 55 Jg., S. 822-839. Trieu, V.-H. (2017): Getting value from Business Intelligence systems: A review and research agenda. Decision Support Systems, 93 Jg., S. 111-124. Vidgen, R./Shaw, S./Grant, D. B. (2017): Management challenges in creating value from business analytics. European Journal of Operational Research, 261 Jg., S. 626-639. Weber, J./Schäffer, U. (2016): Einführung in das Controlling. 15. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschl. Worley, C. G./Williams, T./Lawler, E. E./O’Toole, J. (2014): The Agility Factor: Building Adaptable Organizations for Superior Performance. San Francisco: Wiley & Sons. Zamecnik, R./Rajnoha, R. (2015): Strategic Business Performance Management on the Base of Controlling and Managerial Information Support. Procedia Economics and Finance, 26 Jg., S. 769-776. Ziemba, E./Olszak, C. M. (2012): Critical Success Factors for Implementing Business Intelligence Systems in Small and Medium Enterprises on the Example of Upper Silesia, Poland. Interdisciplinary Journal of Information, Knowledge and Management, 7 Jg., S. 3-6.

Controlling und digitale Transformation: Eine Analyse wechselseitiger Gestaltungschancen und Spannungsfelder

Robert Obermaier 1.

Problemstellung

Unter dem Stichwort der digitalen Transformation wird in der Unternehmenspraxis die Entwicklung hin zu einer Form industrieller Wertschöpfung beschrieben, die durch weitgehende Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung aller an der Wertschöpfung beteiligten Akteure gekennzeichnet ist und entsprechend auf Prozesse, Produkte und Geschäftsmodelle von Unternehmen einwirkt. 1 Den technologischen Kern dieser Vernetzung bilden sog. Cyber-Physische Systeme (CPS), die (a) mittels Sensoren Daten erfassen, (b) mittels eingebetteter Software aufbereiten und analysieren und (c) mit Fähigkeit zur Entscheidungsunterstützung und Selbststeuerung (Regler) ausgestattet (d) mittels Aktoren auf reale Vorgänge einwirken, zudem (e) über eine Dateninfrastruktur, wie z. B. das Internet, kommunizieren und (f) über Mensch-Maschine-Schnittstellen verfügen und ihrerseits selbst mit anderen CPS zu einem Internet-of-Things (IoT) vernetzt werden können. Eine zentrale Rolle zur Etablierung von solchen CPS spielen im Wesentlichen: (1) Internet- und Kommunikationstechnologie, (2) Automatisierung, Fertigungstechnologie und Robotik, (3) Sensorik und Aktorik, (4) Eingebettete Systeme, Analytik und Systemtechnik sowie (5) Mensch-MaschineSchnittstellen. Betriebswirtschaftlich ermöglichen CPS neuartige Kombinationen der Elementarfaktoren Betriebsmittel, Werkstoffe und Mensch und damit letztlich eine Veränderung betrieblicher Produktionsfunktionen und – unter Einschluss des Kunden – auch der Absatzfunktionen. Zusätzlich kommt den CPS 1

Vgl. Obermaier (2016); Obermaier (2019).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_5

108

Robert Obermaier

mit ihrer Fähigkeit zur Selbststeuerung eine Funktion als dispositiver Faktor zu, der in der Lage ist, (teil-)autonom agieren zu können. Für das Controlling ergeben sich daraus Herausforderungen, mit diesen technologisch induzierten Änderungen umzugehen, aber auch Ansatzpunkte für eine Veränderung des Controllings und der Controller selbst. Daher versucht dieser Beitrag, aufbauend auf einem steuerungsorientierten Controlling-Begriff, sich den Fragen zu stellen, (1) welche Veränderungen daraus für das Controlling von Unternehmen zu erwarten sind, (2) welchen Beitrag das Controlling hierbei leisten kann und (3) welche Veränderungen für das Controlling und für Controller zu erwarten sind.2 2.

Controlling als System zur Unternehmenssteuerung

Controlling soll Unternehmen steuerbar machen, damit Manager Unternehmen steuern können. Grundlegend hierfür ist bis heute die empirische Untersuchung von Simon et al.3 Ihr auf 400 Interviews basierender Blick in die ControllingAbteilungen amerikanischer Großunternehmen zeigt, dass Manager zur Erledigung ihrer Führungsaufgaben auf ein Controlling zurückgreifen, das ihnen (1) Informationen über den Ist-Zustand relevanter Zielgrößen liefern (scorecard keeping), (2) Abweichungen von Vorgabewerten ermitteln und relevante Problemfelder identifizieren (attention directing) und (3) Hilfestellungen bei der Analyse und Beseitigung dieser Problemfelder gewähren (problem solving) soll. Diese klassische, auf Steuerungsprobleme komplexer Systeme zurückführende Funktionsbeschreibung bezieht sich implizit auf einen kybernetischen Steuerungsbegriff mit zu etablierenden Regelkreissystemen, die durch laufende Kontrolle von Ist- mit Vorgabewerten ein Steuerungssystem für das Management liefern sollen. Folgende Schritte verdeutlichen das Regelungsprinzip (siehe auch Abb. 1): 1. Der als sog. Regelgröße ständig zu erfassende Ist-Zustand des zu steuernden Systems (Regelstrecke) wird (laufend, regelmäßig oder fallweise) über Sensoren gemessen und rückgemeldet (Rückkopplung; Feedback). 2. Zum Zweck der Kontrolle wird dieser Istwert mit einem Vorgabewert (SollWert) verglichen, der z. B. durch Planung bestimmt wird. 3. Ergibt dieser Soll-Ist-Vergleich eine Abweichung des Istwerts vom Vorgabewert, so ist eine Entscheidung über eine Maßnahme zur Beseitigung dieser Störung zu treffen (Regler).

2 3

Der vorliegende Beitrag greift dazu insbesondere auf Obermaier und Grottke (2017) zurück. Vgl. Simon et al. (1954).

Controlling und digitale Transformation

109

4. Der Vollzug dieser Entscheidung erfolgt über eine sog. Stellgröße, die an einen Aktor (Stellwerk) übertragen wird. 5. Nach erfolgtem Steuerungseingriff wird im Rahmen der Kontrolle erneut der Ist-Zustand gemessen und mit dem Vorgabewert verglichen.

Abb. 1: Regelungsprinzip mit Rückkopplung4 Voraussetzung für adäquate, d. h. zielorientierte Steuerungseingriffe ist eine Abweichungsanalyse, die in der Lage ist, Ursachen für die festgestellte Abweichung zu identifizieren, um mögliche Maßnahmen zur Korrektur (bzw. Vermeidung) von Abweichungen zu generieren. Das setzt Handlungswissen voraus, das entweder (regelbasiert) vorliegen oder fallweise generiert werden muss. Regelbasiertes Handlungswissen greift auf einen vorhandenen Theoriekatalog (Wenn-DannLogik) zurück, während zu generierendes Handlungswissen (empirisch belastbare) 4

Quelle: Eigene Darstellung.

110

Robert Obermaier

Hypothesen erzeugt. Diese Form der Regelung setzt implizit eine bestimmte Umfeldstabilität voraus, was bedeutet, dass auch die potentiellen Störgrößen nur in einem gewissen Umfang variieren dürfen.5 Zu beachten ist, dass sich der Regelungsvorgang stets nur nach der gemessenen und mittels Messinstrument wahrgenommenen Abweichung richtet. Dieser Umstand ist in betriebswirtschaftlichen (aber auch sozio-technischen) Systemen von Bedeutung, in denen Messergebnisse durch instrumentelle Mess- und mitunter subjektive Wahrnehmungsvorgänge gespeist werden. Zudem müssen die Stellmöglichkeiten realiter verfügbar, d. h. durchführbar sein, und die zeitliche Verzögerung zwischen Steuerungseingriff und Realisation auf der Regelstrecke sollte relativ gering sein. Offenkundig sind rückkoppelnde Regelkreise insofern vergangenheitsorientiert, als Eingriffe stets erst nach dem Einwirken einer Störgröße und der Feststellung einer Soll-IstAbweichung vorgenommen werden können. Grundsätzlich ist eine Rückkoppelung als Regelungsprinzip zudem nur dann nützlich, wenn die zu steuernden Prozesse auf der Regelstrecke regelmäßig wiederkehrend ablaufen. Eine Überwindung der Vergangenheitsorientierung des Regelungsprinzips kann erreicht werden, indem nicht auf die Realisierung und Feststellung einer Abweichung gewartet, sondern stattdessen versucht wird, die Störgrößen, beispielsweise Ursachen, (direkt) zu erfassen bzw. antizipativ über Frühindikatoren zu prognostizieren. Das Steuerungsprinzip besteht in diesem Fall in einer sog. Vorkopplung (feed forward) erwarteter Auswirkungen vorhandener oder potentieller Störgrößen in Form von sog. Wird-Größen. Entsprechend basiert diese Form einer zukunftsorientierten Kontrolle in der Durchführung von SollWird-Vergleichen (Abb. 2). In diesem Fall spaltet sich das Problem der Abweichungsanalyse in zwei Teile auf, denjenigen, in dem Soll und Wird verglichen wird und denjenigen, in dem Wird und Ist verglichen wird. Ersterer dient der Steuerung des Unternehmens, letzterer der Verbesserung des Prognoseprozesses.

5

Vgl. Zünd (1978), S. 21, der von einer „begrenzt dynamischen Umwelt“ spricht.

Controlling und digitale Transformation

111

Abb. 2: Regelungsprinzip mit Vorkopplung6 Voraussetzung für wirksame antizipierende Steuerungseingriffe ist die Kenntnis und Erfassung möglicher Störgrößen (bzw. geeigneter Frühwarnindikatoren für diese) sowie deren erwartete Auswirkungen auf die Regelgröße (Wird-Werte). Sowohl die Prognose der Wird-Werte aus beobachteten Störgrößen oder Frühwarnindikatoren als auch die Generierung möglicher Maßnahmen zur Korrektur (bzw. Vermeidung) von erwarteten Abweichungen setzen zusätzlich ein Prognosemodell und – wie auch im Fall der Rückkopplung – Handlungswissen voraus, das entweder (regelbasiert) vorliegen oder fallweise generiert werden muss. Das setzt erneut implizit eine bestimmte Umfeldstabilität und genügenden Vorlauf voraus, was bedeutet, dass die potentiellen Störgrößen nur in einem gewissen Umfang variieren und der antizipative Eingriff früh genug stattfinden kann.

6

Quelle: Eigene Darstellung.

112 3.

Robert Obermaier

Digitale Transformation als Gegenstand des Controllings

Die technologischen Möglichkeiten der als digitale Transformation bezeichneten zunehmenden Vernetzung aller an der Wertschöpfung beteiligten Akteure stellen Unternehmen vor die Aufgabe, sich diese betriebswirtschaftlich nutzbar zu machen und die damit einhergehenden Herausforderungen zu bewältigen. Grundsätzlich können zwei Stoßrichtungen unterschieden werden, die Gegenstand von Digitalisierungs- und Vernetzungsinvestitionen sein können: Zum einen die Wertschöpfungsprozesse und zum anderen Produkte und Dienstleistungen (Abb. 3).

Abb. 3: Transformationsmatrix7 Damit eröffnet sich für die Unternehmensführung ein Handlungsraum, der sowohl den Digitalisierungs- und Vernetzungsgrad von Prozessen als auch von Produkten, Dienstleistungen und damit zusammenhängenden Geschäftsmodellen 7

Quelle: Eigene Darstellung.

Controlling und digitale Transformation

113

zum Gegenstand einer betriebswirtschaftlichen Strategieplanung (Digitalisierungsstrategie) zur Realisierung von Wettbewerbsvorteilen und den damit notwendigerweise verbundenen digitalen Transformationsprozess zu einer unternehmerischen Gestaltungsaufgabe macht. 3.1. Controlling der digitalen Transformation: Prozesse Hinsichtlich der (ökonomisch messbaren) Konsequenzen vermehrten ITEinsatzes in der Industrie herrscht Ungewissheit trotz einer Vielzahl an Studien. Dieses als Solow-Paradox bekanntgewordene Phänomen besagt, dass ITInvestitionen zwar überall sichtbar, aber in ihrer ökonomischen Wirkung kaum messbar seien.8 Instrumentell steht das Controlling damit vor der Herausforderung, Wirtschaftlichkeitskalküle für digitale Prozessinnovationen zu entwickeln. Schwierigkeiten bestehen grundsätzlich darin, die Nutzenpotentiale belastbar abzuschätzen. Ein Ausweichen auf rein qualitative Bewertungsmethoden erfüllt jedoch selten die Erwartungen des Managements, belastbare Einschätzungen über die Kosten-Nutzen-Relationen derartiger Investitionen zu erhalten; besteht doch die Gefahr, qualitative Kriterien – die überdies nicht für die Planung und Kontrolle von Investitionsbudgets geeignet sind – in der Tendenz zu optimistisch zu bewerten, wenn diese eher Vor- als Nachteile auflisten oder deren nicht quantifiziertes Ausmaß gleichrangig neben quantifizierten Größen steht. Umgekehrt kann eine auf Prozesseffizienz abzielende Rationalisierungsinvestition auch strategische Wettbewerbsvorteile mit sich bringen. Und so stehen Controller unvermindert vor den Schwierigkeiten einer Quantifizierung und monetären Bewertung von Digitalisierungsinvestitionen. Hinzu kommen weitere gravierende Probleme auf dem Weg zu einem entsprechenden Instrumentarium: Die hohe Komplexität betrieblicher Produktionsprozesse, die komplexe Wirkungslogik von Digitalisierungs- und Vernetzungstechnologien, die Schwierigkeiten ihrer kausalen Abbildung auf der Ebene finanzieller Größen und schließlich der stets unternehmensspezifische Charakter derartiger Investitionen. Bislang liegen zudem nur einige wenige konkrete Berichte über den ex ante zu erwartenden oder ex post realisierten wirtschaftlichen Nutzen beim Einsatz digital vernetzter Wertschöpfungsprozesse vor. Obermaier und Kirsch9 haben mit ihrer Prozess- und Potentialanalyse bereits mehrfach in der Praxis erprobte Investitionskalküle vorgelegt, die es Controllern ermöglichen, Wirtschaftlichkeitspotentiale von Digitalisierungs- und 8 9

Vgl. Solow (1987). Vgl. Obermaier/Kirsch (2016).

114

Robert Obermaier

Vernetzungstechnologien qualitativ und quantitativ zu bewerten. Basierend auf der detaillierten Analyse der Wirkungslogik digitaler Prozessinnovationen, die sich nur durch eine tiefgehende Auseinandersetzung mit der Komplexität von Fertigungssystemen erschließen lässt, findet im Rahmen der Prozessanalyse ein ex ante Vergleich von Ist- und Soll-Prozessen und damit eine Identifikation von Wirtschaftlichkeitspotentialen statt. Kern des Vergleichs ist eine Geschäftsprozessmodellierung, die die produktive Logik der Prozessinnovation erfasst und abbildet. Das Instrument der Potentialanalyse versucht, quantitative und qualitative Wirkungsklassen von Prozessinnovationen akteursspezifisch für ein Fertigungssystem zu identifizieren, zu messen und zu bewerten. Miller und O’Leary haben darüber hinaus herausgearbeitet, dass bei der Beurteilung von Technologieinnovationen in Unternehmen neben den üblichen, z. B. auf Divisionsebene, durchgeführten Investitionskalkülen auch die technologischen und betriebswirtschaftlichen Komplementaritäten der infrage stehenden Innovationen Gegenstand der Beurteilung sein sollten.10 Diese Einschätzung stützt sich auf die Überlegung, dass „the system of assets, rather than the individual investment decision, may often be the critical unit of analysis and decision for managers.“11 Als Controlling-Instrument schlagen sie hierzu eine sog. TechnologieRoadmap vor, die zur Sicherstellung der Vorteilhaftigkeit von TechnologieInvestitionen eine Koordinationsfunktion übernimmt, „[which] sets out the shared expectations of the various groups that invest to design components, as to when these will be available, and how they will interoperate technically and economically, to achieve system-wide innovation.”12 Ein solches Instrument adressiert das Problem, dass mit zunehmender Vernetzung Interdependenzen explodieren. 3.2. Controlling der digitalen Transformation: Produkte und Services Neben Prozessinnovationen stehen Produkte und mögliche (produktbegleitende) Dienstleistungen im Fokus der Digitalisierung und Vernetzung. Damit wird die Betrachtung erweitert: Von intelligenten, vernetzten Produktionsprozessen hin zur Entwicklung von intelligenten und vernetzten Produkten. Intelligente, vernetzte Produkte bestehen grundsätzlich aus drei Kernelementen: Den herkömmlichen physischen Komponenten, eingebetteten intelligenten (smarten) Komponenten und Vernetzungskomponenten. Physische Komponenten umfassen insbesondere die mechanischen und elektrischen Bauteile eines Produkts. Intelligente Komponenten enthalten Sensoren, Aktoren, Mikroprozessoren, 10 11 12

Vgl. Miller/O’Leary (2005). Miller/O’Leary (2005), S. 177. Miller/O’Leary (2005), S. 163.

Controlling und digitale Transformation

115

Datenspeicher, Steuerungen und Software in einem eingebetteten System, und Vernetzungskomponenten beinhalten Schnittstellen, Sende- und Empfangseinheiten für drahtgebundene oder drahtlose Kommunikation. Durch die Vernetzung von Produkten über das Internet können Daten ausgetauscht werden; aber vor allem werden die verbundenen physischen Objekte zusätzlich als Datenobjekte in einem Netzwerk repräsentiert; sie werden so zu Cyber-Physischen Systemen (CPS).13 Instrumentell steht das Controlling hier zunächst ebenfalls vor der Herausforderung, Wirtschaftlichkeitskalküle für digitale Produkt- und Serviceinnovationen i. S. v. intelligenten, vernetzten Produkten und damit verbundenen, meist datengetriebenen Dienstleistungen und damit verbundenen Geschäftsmodellen zu entwickeln. Nach Teece14 ist ein Geschäftsmodell eine Managementhypothese hinsichtlich der Fragen (a) was Kunden wollen, (b) wie sie es wollen und (c) was das Unternehmen tun kann, (c 1) diese Kundennachfrage bestmöglich zu bedienen, (c2) dafür bezahlt zu werden und (c3) einen Gewinn dabei zu machen. Als Strukturierungshilfe zur Beschreibung und systematischen Generierung von Geschäftsmodellen haben mittlerweile unzählige Autoren entsprechende Instrumente vorgeschlagen.15 Das Controlling hat damit gegenüber der Prozessdigitalisierung und vernetzung einen erweiterten Blickwinkel einzunehmen, der insbesondere die Kunden- und Marktperspektive mitaufnimmt und in der Lage ist, entsprechende Geschäftsmodellinnovationen zu evaluieren. Denn schon bei der (qualitativen und quantitativen) Bewertung der Wirtschaftlichkeitspotentiale von Prozessinnovationen hat es sich für das Controlling als unerlässlich gezeigt, dies mit einer detaillierten Analyse der Wirkungslogik digitaler Innovationen zu verbinden. Diese Analyse der Wirkungslogik beginnt bei digitalen Produkt- und Serviceinnovationen mit der Analyse des Kundenbedarfs über das Preis- und Leistungsbündel (Erlösmodell) bis hin zu den Wertschöpfungsprozessen (Kostenmodell). Ausgangspunkt digital vernetzter Produktinnovationen ist, dass Produkte, die mit dem Internet vernetzt und mit smart components ausgestattet sind, gegenüber nicht-vernetzten Geräten neuartige Funktionalitäten bieten können, wobei allgemein gilt, dass umso mehr Funktionalität generiert werden kann, je umfangreicher die Vernetzung angelegt ist. Porter und Heppelmann16 unterscheiden vier Funktionalitätsstufen vernetzter Produkte: (1) Überwachung, (2) Steuerung, (3) Optimierung und (4) Autonomie. Diese, durch Vernetzung zusätzlichen Funktio13 14 15

16

Vgl. Obermaier (2016), S. 24. Vgl. Teece (2010). Häufig zitiert wird der sog. Business Model Canvas von Osterwalder und Pigneur (2010). Weitere Vorschläge stammen z. B. von Shafer et al. (2005); Casadesus-Masanell/Ricart (2010); Cavalcante et al. (2011); Gassmann et al. (2013); Fleisch et al. (2015). Vgl. Porter/Heppelmann (2014).

116

Robert Obermaier

nalitäten, eröffnen Unternehmen die Möglichkeit, produktbegleitende Dienstleistungen (Smart Services) anzubieten, die darauf basieren, dass intelligente und vernetzte Produkte auch nach dem Verkauf eine Verbindung zum Hersteller halten können und so eine weitergehende Wertschöpfung ermöglichen, indem die Hersteller ihre Produkte über den gesamten Lebenszyklus begleiten und dem Nutzer laufend Zusatzdienste anbieten können. Eine damit einhergehende Herausforderung für das Controlling wird darin bestehen, den Prozess der digitalen Produktinnovation und der entsprechenden Geschäftsmodellinnovation systematisch zu begleiten. Auch hierfür ist eine nochmalige Erweiterung des Blickwinkels erforderlich, da es unter Umständen nicht nur um interne Entwicklungsprozesse, sondern um ein systematisch auf den Endkunden hin gerichtetes Serviceangebot bzw. die Transformation eines Produktes in eine Serviceleistung geht. Die Literatur unterscheidet hier u. a. reaktive und proaktive Innovationsprozesse. 17 Erstere sind z. B. durch konkrete technologische Möglichkeiten oder Kundennachfragen getrieben, während zweitere z. B. auf Frühwarnindikatoren, Trendanalysen, Kundenworkshops oder Expertenbefragungen beruhen können. Hierbei spielen insbesondere Konzepte wie Open Innovation eine Rolle, bei denen versucht wird, den Innovationsprozess durch eine Integration der Unternehmensumwelt (insbesondere bzgl. der Kunden) zu öffnen (und zu beschleunigen) und auf dieser Basis neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.18 Als Kernprozesse gelten der Outside-in-Prozess, der das im Unternehmen vorhandene Wissen mit externem Wissen von Kunden, Lieferanten oder anderen Akteuren anreichert sowie der Inside-out-Prozess, der die externe Vermarktung z. B. durch Lizenzierung fördern soll. Im Übrigen ist die direkte Einbindung von Kunden und Geschäftspartnern in Wertschöpfungsprozesse nicht nur auf Innovationen beschränkt, sondern im Kontext des Supply Chain Managements bereits seit längerem Gegenstand zunehmend arbeitsteiliger Wertschöpfungsketten. Erste explorative Studien deuten zumindest darauf hin, dass Flexibilität, Offenheit und Marktbezug wichtige Aspekte erfolgreicher Geschäftsmodellinnovationsprozesse sind, es aber in der Praxis noch an entsprechend umfassender und strukturierter Herangehensweise mangelt.19

17 18 19

Vgl. Burmeister et al. (2016), S. 136. Vgl. Chesbrough (2003). Vgl. Burmeister et al. (2016), S. 138.

Controlling und digitale Transformation

117

3.3. Controlling der digitalen Transformation: Performance Die dargelegten Handlungsfelder weisen einen Transformationspfad hin zu einem digital vernetzten Unternehmen. Freilich ist digitale Vernetzung kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Die Erreichung des Zwecks, vom Controlling gemessen zu werden, die relevanten Handlungsfelder zu identifizieren und dabei an der Formulierung einer Digitalisierungsstrategie sowie an der damit zusammenhängenden Ideengenerierung und Bewertung mitzuwirken, gehört zu einem Controlling, das sich der Herausforderung einer digitalen Transformation stellt. Als Hilfsmittel, den Status quo und die Sollwerte dieser Transformation abzubilden und die damit verbundene Zielerreichung zu messen, kann die vorgestellte Transformationsmatrix geeignet sein (Abb. 3). Damit ist es möglich, den aktuellen Digitalisierungs- und Vernetzungsgrad z. B. von strategischen Geschäftseinheiten hinsichtlich der Prozess- und der Produktperspektive (im Zeitablauf) abzutragen, mit einem angestrebten Zielwert zu vergleichen und den Transformationspfad über die Zeit hinweg zu verfolgen und ggf. zu steuern. Zudem sind relative Performancevergleiche mit ausgewählten Konkurrenten oder dem Branchendurchschnitt möglich. Zur weiteren Interpretation der Matrix ist es hilfreich, die Abszisse als Erlöspotential aus digital vernetzten Produktund Serviceangeboten zu interpretieren, dem dazu eine Hypothese über eine kunden- und marktspezifische Wirkungslogik zugrunde liegen muss, und die Ordinate als Kostensenkungspotential zu verstehen, das aus den mit zunehmender Digitalisierung stammenden Produktivitätseffekten geschöpft wird. Wird in die Darstellung z. B. ein Benchmarking mit der Konkurrenz integriert, können daraus Indikationen über mögliche Wettbewerbsvorteile gewonnen werden. Ein Controlling, das sich der Begleitung des digitalen Wandels stellen soll, muss indes auch eine erweiterte Perspektive einnehmen, die über das bestehende Geschäftsmodell hinausreicht, dies im Grunde auch infrage stellt und nach neuen, besseren Lösungen sucht.20 Controlling in solch komplexen Umwelten steht vor einer paradox anmutenden Herausforderung: Wenn die Komplexität und Dynamik der durch die Unternehmensführung zu lösenden Probleme (ständig oder diskontinuierlich) zunimmt, dann stehen Unternehmen vor dem Dilemma, notwendigerweise Systeme der Informationsversorgung, Planung und Kontrolle entwickeln und einsetzen zu müssen, um der Komplexität Herr zu werden, während es angesichts der Umweltdynamik und allfälliger Diskontinuitäten zunehmend unwahrscheinlich wird, mit diesen Systemen den an das Unternehmen gestellten Anforderungen (z. B. hinsichtlich der Anpassungsfähigkeit) ge20

Hier wird heute häufig von Disruption gesprochen, was jedoch einen Spezialfall darstellt. Vgl. grundlegend Christensen (1997). Treffender ist im Allgemeinen der Begriff der diskontinuierlichen Innovation.

118

Robert Obermaier

recht zu werden.21 Das Controlling muss sich dazu konzeptionell öffnen und exogene Entwicklungen (Kunden, Konkurrenten, Markttrends, etc.) und Frühwarnindikatoren einbeziehen, da die Änderungsdynamik die Planbarkeit reduziert und das Controlling gefordert ist über gewohnte Systemgrenzen hinaus nach relevanten Informationen zu suchen und sich von den gewohnten Koordinationsaufgaben mehr den Adaptionsproblemen zuzuwenden. Hierbei aber kann neues generalistisches Wissen entstehen, wie mit hoher Änderungsdynamik generell (effektiv und effizient) umgegangen werden kann. Die Controlling-Forschung hat jedoch durchaus schon intensiv untersucht, dass die Existenz von Controlling und der Einsatz verschiedener Instrumente kontextabhängige Auswirkungen auf die Performance haben können und dass demzufolge Controlling kontextabhängig zu gestalten ist. Demgegenüber steht die wohl (zu) lange vorherrschende, eher implizite These, dass ControllingInstrumente neutrale Werkzeuge (Kamera) seien. Vielmehr zeigt sich in einer Reihe von Studien, dass es viele, nicht explizit intendierte und vom jeweiligen Kontext abhängige Wirkungen von Controlling-Instrumenten auf die operative Performance gibt.22 Hier geht es um einen erweiterten Begriff der Performativität, wonach grundsätzlich kein Instrument neutral ist; oder wie Latour es formuliert: „Change the instruments and you will change the entire social theory that goes with them.”23 4.

Controlling als Gegenstand einer digitalen Transformation

4.1. Status quo des Controllings Ein Blick in die Praxis des Controllings offenbart, dass nach wie vor Reportingaufgaben einen Großteil der Tätigkeit von Controllern ausmachen.24 Je nach relevanter Performancegröße werden die entsprechenden Daten aus transaktionsbasierten ERP-Systemen selektiert, konsolidiert und ggf. für das Reporting graphisch aufbereitet.25 Zum Standardrepertoire gehören heute zweifellos auch Abweichungsanalysen oder die mehr oder weniger automatisierte Signalisierung von Vorgabewert21 22

23 24 25

Vgl. dazu bereits Szyperski (1974) sowie Zünd (1978). Vgl. z. B. die diesbezüglich sehr instruktiven Fallstudien von Quattrone/Hopper (2001); Alcouffe et al. (2008); Sandelin (2008); Christner/Strömsten (2015). Latour (2009), S. 155. Vgl. Weber (2008). Zur Frage der Auswirkungen der Wahl des Darstellungsformats auf die Entscheidungsgüte vgl. z. B. Obermaier et al. (2015).

Controlling und digitale Transformation

119

überschreitungen. Ursachenanalysen identifizierter Abweichungen wurden zwar schon früh angedacht,26 diese verharren jedoch zumeist auf einer eher formallogischen Ebene (z. B. Preis- und Verbrauchsabweichung), da die Datengrundlage aus den ERP-Systemen eine sach-logische Kausalanalyse und das Abstellen auf inhaltliche Ursachen im Grunde nicht ermöglicht. Dadurch verharrt der Erklärungsgehalt für Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf niedrigem Niveau und entwickelt kaum Prognosekraft. Weitergehende Analysen sowie diverse Sonderrechnungen, neben den regelmäßig wiederkehrenden, inhaltlich vordefinierten Berichten, stoßen nicht selten an zweierlei Kapazitätsgrenzen: Zum einen ist die Informationsbeschaffung mit hohem Arbeitsaufwand verbunden und zum anderen sind nur begrenzt Informationen in den ERP-Systemen verfügbar. Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Zeitaufwendige Datenkonsolidierung, für Sonderrechnungen mitunter erheblich verzögerte Bereitstellung und selektive Datenverfügbarkeit, die sich häufig in Zahlen aus ERP-Systemen erschöpft (was nicht selten dem Erfordernis, in Tabellenkalkulationsprogrammen verarbeitet werden zu können, entgegenkommt). Informationen jenseits von ERP-Systemen bleiben mangels Verfügbarkeit zumindest in standardisierter Form unbeachtet. Ad-hoc Berichte wiederum sind stark von der Intuition der handelnden Personen getrieben. Gleiches gilt für Planungsroutinen oder Vertriebsschätzungen, die mehr aus einer zeitaufwendigen Datenbeschaffung und -konsolidierung, denn der Anreicherung mit externen Datenquellen oder der Anwendung fortgeschrittener Prognosemodelle bestehen.27 Grundsätzlich setzt die Etablierung von Regelkreisen die Fähigkeit zur (ggf. laufenden) Messung von interessierenden Ist-Zuständen zur Abweichungsanalyse, zur Ursachenidentifikation bzw. Frühwarnindikation und schließlich zur Generierung relevanten (empirischen) Handlungswissens für eine gezielte, d. h. die Vorgabegrößen wirksam anstrebende, Regelung voraus. Letztlich zeigt sich hier, dass Controlling außerhalb von formal-logischen Zusammenhängen fast ein einziger weißer Fleck ist: Weder haben sich hier Routinen etabliert, wie außerhalb der formal-logischen Zusammenhänge die eigentlich in der Vergangenheit abgelaufenen Ursache-Wirkungsbeziehungen ermittelt werden, noch wie solches Wissen handlungsleitend genutzt werden kann. 28 Nichts anderes gilt für den Einbezug der Zukunft zum Zweck des Controllings. Auch hier werden in der Regel Zahlen basierend auf Mutmaßungen oder einfachsten Projektionsmecha-

26 27 28

Vgl. Mertens et al. (1991), S. 51 f. Vgl. Davenport (2013), S. 66. Dies bedeutet freilich nicht, dass nicht an zahlreichen Stellen versucht wurde, exakt diese Flecken zu adressieren. Im Gegenteil lassen sich hier einige auch elaborierte Ansätze nennen, wie z. B. Ossadnik (2008); Ossadnik/Kaspar (2013). Es ist bislang nur nicht gelungen, entsprechendes Standardwissen zu etablieren. Vgl. auch Ittner/Larcker (2009).

120

Robert Obermaier

nismen geplant, ohne dass auf die eigentlichen Ursache-Wirkungsbeziehungen und deren Stabilität eingegangen werden kann. Das bis dato vorwiegend instrumentell ausgerichtete Controlling verfügt nur sehr selten über ausreichendes Handlungswissen dieser Art; weder in der Praxis noch in der Wissenschaft. Ein Grund hierfür mag sein, dass das Controlling in der Regel bereits mit den formal-logischen Zusammenhängen und der Interpretation allein des Zahlenmaterials hinreichend gefordert war. Ein aber wissenschaftlich noch bedeutsamerer Grund ist, dass das Controlling durch sein weitgehendes Ansetzen an finanziellen Größen zu weit von den eigentlichen Ursache-Wirkungsbeziehungen entfernt ist, da es sich bei den finanziellen Größen ja um die Wirkungs- und gerade nicht die Ursachendimension handelt. Obgleich Konzepte wie die Balanced Scorecard mit ihren Strategy Maps explizit auf die Modellierung von Ursache-Wirkungszusammenhängen zwischen finanziellen und nicht-finanziellen Größen hinweisen, zeigen Studien, dass die Praxis nicht-finanzielle Performancegrößen nicht anhand kausaler Modelle wählt, sondern statt dessen auf Intuition oder Heuristiken vertraut. 29 Aber selbst in den Fällen, in denen Unternehmen explizit hypothetische Kausalketten für die Performancemessung ihrer Geschäftsmodelle formulieren, unterbleibt zumeist deren valide empirische Überprüfung. 30 All dies ist nicht allein mangelndem Wollen, sondern mitunter der Datenverfügbarkeit sowie einem fehlenden empirischmethodischen Apparat geschuldet. Das aber stellt für ein materiell gehaltvolles Controlling eine schwerwiegende definitorische Schnittlinie zwischen Geld und Gütern dar. Hinzu kommt eine für das Controlling typische Konzentration auf sog. sekundäre Koordinationsaufgaben; das sind jene innerhalb des Leitungssystems (d. h. vor allem der Koordination von Informationsversorgung mit Planung und Kontrolle).31 Steuerbarkeit im Sinne der vorgestellten Regelungstheorie kann indes nur wirksam gewährleistet werden, wenn Regelkreise nicht nur innerhalb des Leitungssystems etabliert, sondern im Sinne sog. vermaschter Regelkreise auch auf das Leistungssystem ausgeweitet werden (sog. primäre Koordinationsaufgaben) et vice versa. Entsprechend vermaschte Regelkreise zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass die Vorgabewerte des einen Regelkreises zur Regelgröße eines anderen Regelkreises werden. Aber auch die Steuerung auf der Ebene des Leistungssystems (sog. primäre Koordinationsaufgabe) wird durch mangelnde Anbindung an das Leitungssystem erschwert. So läuft zwar z. B. die betriebswirtschaftliche Produktionsplanung zumeist im Rahmen von etablierter ERP-Software EDV-gestützt ab. Allerdings existieren bis heute kaum Anbindungen z. B. an die physische Fertigungssteuerung. Ein durchgängiger Daten29 30 31

Vgl. Ittner/Larcker (2009), S. 1236. Vgl. Ittner/Larcker (2009), S. 1237. Vgl. Horváth et al. (2015), S. 47.

Controlling und digitale Transformation

121

fluss scheitert zudem meist an der Vielzahl und Vielfalt der beteiligten Kommunikationsschnittstellen. Im Extremfall kommuniziert jeder Akteur in einer Fertigung – mit Hilfe von unterschiedlichen Schnittstellen – mit jedem anderen Akteur.32 In der Konsequenz sind sowohl die Produkte als auch die Prozesse der Leistungserstellung von einer durchgängigen Digitalisierung und Vernetzung bis heute weitgehend unberührt. 4.2. Echtzeitbasierte Datenerfassung Die im Rahmen der digitalen Transformation diskutierten Konzepte und Technologien bieten beachtliche Möglichkeiten sowohl zur Etablierung echtzeitbasierter Regelkreissysteme in Unternehmen als auch zur Ermittlung und Analyse relevanter Daten zum besseren Verständnis von Ursache-Wirkungsbeziehungen, um darauf aufbauend effektive Regelungslogiken zu entwickeln. Grundlage hierfür bietet die Kombination von Vernetzungstechnologien mit Produktionsfaktoren (v. a. Betriebsmittel, Werkstoffe und Mitarbeiter). Die hierdurch möglichen konzeptionellen und methodischen Weiterentwicklungen des Controllings, insbesondere durch (a) Datenerfassung zur (ggf. laufenden) Messung von interessierenden Ist-Zuständen, (b) Vernetzung, (c) Datenverarbeitung zur Abweichungsanalyse, Ursachenidentifikation bzw. Frühwarnindikation und (d) die Etablierung von unterschiedlich gearteten Entscheidungsunterstützungssystemen zur Generierung relevanten (empirischen) Handlungswissens für eine gezielte, d. h. die Vorgabegrößen wirksam anstrebende Regelung, sind Gegenstand der nun folgenden Ausführungen. Die Datenerfassung soll ein digitales Echtzeitabbild aller anderen interessierenden Subsysteme eines Unternehmens liefern, für die eine regelkreisbasierte Steuerung angestrebt wird. Technologische Voraussetzung hierfür sind insbesondere vernetzte Akteure (Betriebsmittel, Werkstoffe, Mitarbeiter, Produkte, etc.) und Sensoren sowie sonstige Messeinrichtungen. Durch diese vernetzte Datenerfassung wird es z. B. möglich, den Betriebszustand, die Funktionsfähigkeit und die Umgebung eines Systems über Sensoren und externe Datenquellen zu erfassen. Daneben stellt die Vernetzung aller relevanten Akteure eine weitere (technologische) Grundvoraussetzung aller weiteren Überlegungen dar. Sie basiert im Allgemeinen auf unterschiedlichen Ausformungen von Internettechnologien und ermöglicht echtzeitfähige Datenerfassung und Datenaustausch. Im Bereich der Fertigung sind z. B. sog. Manufacturing Execution Systeme (MES) ein kritischer Baustein zur informationstechnischen Vernetzung der am Fertigungsprozess beteiligten Akteure. Damit sollen Informationen bereitgestellt und 32

Vgl. Obermaier et al. (2010).

122

Robert Obermaier

Produktionsabläufe vom Anlegen eines Auftrags, über die Fertigungssteuerung bis hin zum fertigen Produkt, möglichst in Echtzeit verfolgt werden können. Der Rückgriff auf aktuelle und exakte Daten soll eine schnelle Reaktion auf den Fertigungsablauf beeinflussende Bedingungen erlauben und zu verbesserten Fertigungs- und Prozessabläufen führen.33 Von ganz zentraler Bedeutung ist dabei im Rahmen der klassischen IT-Hierarchie eines Industriebetriebs auch die damit verbundene Integrationsfunktion zwischen Leitungs- und Leistungssystem. Im Rahmen der horizontalen Integration werden die Maschinen durch das MES auf Shopfloor-Ebene informationstechnisch vernetzt. Im Rahmen der vertikalen Integration übernimmt das MES die Aufgabe, als informationstechnisches Bindeglied zwischen dem PPS- (oder ERP-) System und der physischen Fertigung, d. h. den einzelnen Produktionsanlagen, die Fertigungsaufträge zu erfassen und so deren Planung und Steuerung zu unterstützen. Basierend auf den entstehenden Überwachungsdaten vernetzter Geräte und Systeme eröffnen sich unterschiedliche Funktionalitätsstufen: Ausgehend von der (1) Überwachung der Ist-Zustände definierter Größen mittels Sensoren können (2) Steuerungseingriffe mittels Aktoren erfolgen, welche durch Soll-IstVergleiche mittels intelligenter Monitoring- und Entscheidungsprozesse zum Zweck der (3) Optimierung bis hin zur (4) Selbststeuerung (Autonomie) genutzt werden können, welche es erlauben, unter Einsatz von integrierter (oder durch Vernetzung verfügbarer) Software z. B. die Leistung, die Auslastung oder die Effizienz eines Systems zu steigern. Freilich wird die mittels echtzeitbasierter Systeme entstehende Masse an erhobenen Informationen aktuell in Unternehmen existierende ControllingAbteilungen, aber auch EDV-Systeme überfordern, wenngleich bereits durch neue Technologien Abhilfe angeboten wird, indem diese dabei assistieren, wirkungsvolle Selektionsmechanismen anzuwenden. Zu denken ist einerseits an angebotsinduziert maschinell erzeugte Vorselektionen (beispielsweise indem künstliche Intelligenz für eine Datenselektion und Transformation in handlungsleitende Informationen sorgt), die zudem nach Bedeutung im Sinne von Eskalationsstufen kategorisiert werden. Zum anderen kommen auch im Wege einer Suchmaschine (analog zu einer Google-Abfrage oder in Form des Einsatzes von Systemen künstlicher Intelligenz wie z. B. Watson von IBM), jeweils basierend auf einer konkreten Problemstellung, aus dem Datenmaterial selektierte Informationen zu potentiellen Ursache-Wirkungsbeziehungen. Unschwer lassen sich auf diesem Wege Weiterentwicklungen von Standardberichten und Ad-hocBerichterstattungen denken. Darüber hinaus lässt sich neben der Etablierung eines Echtzeitabbilds relevanter Größen des zu steuernden Systems eine Vielzahl 33

Vgl. Obermaier et al. (2010); Obermaier/Kirsch (2015); Obermaier/Kirsch (2016).

Controlling und digitale Transformation

123

weiterer Datennutzungen für Prognosezwecke denken, die auf der durch die Vernetzung aller relevanten Akteure anfallenden Daten beruhen, jedoch die Definition des jeweils relevanten Informationsbedarfs sowie den Aufbau entsprechender Informationsversorgungssysteme voraussetzen. 4.3. Evidenzbasierte Datenanalyse Voraussetzung einer echtzeitbasierten Steuerung mit Hilfe des Controllings ist es, wie dargestellt, Statusinformationen in Echtzeit zu erheben. Zudem ist eine Hinterlegung von Soll-Werten erforderlich, um etwaige Soll-Ist-Abweichungen zu ermitteln und ggf. entsprechende Maßnahmen im Sinne einer Regelkreislogik ergreifen zu können. Voraussetzung für adäquate Steuerungseingriffe ist eine Abweichungsanalyse, die in der Lage ist, Ursachen für die festgestellte Abweichung zu identifizieren, um mögliche Maßnahmen zur Korrektur (bzw. Vermeidung) von Abweichungen zu generieren. Hierfür ist regelbasiertes Handlungswissen erforderlich, das grundsätzlich auf einem belastbaren Theoriekatalog basiert oder empirisch zu generieren ist. Ersteres setzt implizit eine gewisse Umfeldstabilität und Erfahrungswerte i. S. v. geprüften Hypothesen voraus, was zudem erfordert, dass auch die potentiellen Störgrößen nur in einem gewissen Umfang variieren.34 Zweiteres setzt u. a. eine genügende Datenmenge, adäquate Analysemethoden und eine Umfeldstabilität derart voraus, dass die empirisch untersuchten Zusammenhänge auch eine gewisse Prognosekraft aufweisen. Freilich handelt es sich im Grunde um ein Henne-Ei-Problem, denn woher soll ein (empirisch gestützter) Theoriekatalog kommen, wenn nicht aus einer empirischen Überprüfung der Hypothesen. Diese Anforderungen offenbaren ein Paradoxon der Echtzeitsteuerung: Während Echtzeitverfügbarkeit von Daten die Datenmenge anschwellen lässt und eine Echtzeit-Steuerung womöglich vorstellbar macht, setzt Steuerung aber voraus, dass hinreichend kausale Kenntnis über die Wirkung von Regelungseingriffen, zumindest jedoch eine Kenntnis über relativ stabile Zusammenhänge, besteht. Diese Kenntnis kann datenbasiert, aber nicht in Echtzeit verfügbar sein, wenn sie im Sinne von Forschung erhoben werden soll. Dann dauert es umso länger, je mehr Daten und Einflüsse womöglich vorherrschen. Die im Kontext der digitalen Transformation vermehrt (um nicht zu sagen massiv) möglich werdenden Datensammlungen bieten dem Controlling jedoch beachtliche Möglichkeiten zur Entdeckung bzw. Überprüfung von UrsacheWirkungssystemen auf Basis statistischer Verfahren. Dieser Zweig wird derzeit 34

Zünd (1978), S. 21, spricht von einer begrenzt dynamischen Umwelt.

124

Robert Obermaier

unter dem Stichwort Big Data Analytics intensiv diskutiert. Inwieweit es gelingt, betriebswirtschaftlich verwendbare, d. h. hinreichend abgesicherte Zusammenhänge zu identifizieren, hängt von den Möglichkeiten der Datenerhebung und den angewendeten Untersuchungsmethoden ab. Damit kommt dem Controlling die bedeutsame Aufgabe zu, nicht nur bei der Formulierung hypothetischer Kausalketten für die Performancemessung mitzuwirken, sondern diese auch einer empirischen Prüfung zu unterziehen, was in der Praxis bislang meist unterbleibt.35 Die Produktions- und Kostentheorie könnte z. B. auf diese Weise mit empirischem Gehalt gefüllt und wiederbelebt werden. So ließe sich beispielsweise das System der Kostenbestimmungsfaktoren von Kilger unternehmensindividuell ausmessen und zu einer empirisch fundierten Plankostenrechnung entwickeln, die Klarheit darüber verschafft, welche funktionalen Zusammenhänge für die Kostenentstehung tatsächlich verantwortlich sind.36 Freilich steckt in der Vorstellung einer hypothesenfreien Aufdeckung von Ursache-Wirkungsbeziehungen mittels statistischer Verfahren auf Basis von Big Data ein immanentes Problem: Je mehr Daten vorliegen, umso mehr Zusammenhänge werden statistisch signifikant.37 Dann aber läuft die hypothesenfreie Datenanalyse in die Irre und wird noch nicht einmal einer Orientierungsfunktion gerecht. Damit wird offenbar, dass Daten an sich nichts aussagen und es stets eine gedankliche Konstruktion und nachfolgend empirische Validierung im Sinne eines funktionierenden Handlungswissens (und nicht nur statistischer Signifikanz) bedarf, um zu ermitteln, was die Daten aussagen könnten. Unterschiedliche Datenquellen so gegeneinanderzustellen, dass in einem Ausschlussverfahren sukzessive in die Irre führende Hypothesen ausgeschieden werden können, kann zu einer neuen Aufgabe des Controllings werden. Hinzu kommt, dass auch bei Vorliegen von sehr vielen Daten nicht gesichert ist, dass diese den jeweiligen methodenspezifischen Ansprüchen genügen, die erst feststehen, wenn klar ist, welche Hypothese mit welcher Methode getestet werden soll. Die hypothesenfreie Analyse würde demgegenüber statt einer gezielten Datensammlung zur gezielten Hypothesenprüfung, die Hypothesengenerierung selbst zur Hypothese aufgrund irgendwelcher, mehr oder minder zufällig vorhandener bzw. unsystematisch aufgelaufener, Daten machen, die dann aber bei zunehmendem Datenvolumen in das obige Problem gerät, dass immer mehr Zusammenhänge statistisch signifikant werden können. Grundsätzlich ist ein kybernetisches System nur in begrenzt dynamischen Umwelten sinnvoll möglich. Dies hat aber nicht zwingend zur Folge, dass Controlling-Instrumente in dynamischen bzw. sehr unsicheren Welten keine positi35 36 37

Vgl. Ittner/Larcker (2009), S. 1237. Vgl. Kilger (1988), S. 136. Vgl. Cohen (1990); Lin et al. (2013).

Controlling und digitale Transformation

125

ven Wirkungen entfalten können. Erneut bietet sich auch dann, indes nunmehr aus anderen Gründen, an, Controlling dialektisch zu führen, indem die beständigen Änderungen in Umfeld und Unternehmen gegeneinander zum Zweck einer nicht mehr nur rein einseitig, sondern wechselseitig zu denkenden Adaption ausgespielt werden. Mit anderen Worten kann nicht mehr von einfachen, stabilen Ursache-Wirkungsbeziehungen ausgegangen werden, sondern es muss mitgedacht werden, dass auch die Ursachen potentiell veränderlich sind, so dass Sensitivitätsanalysen in Bezug auf latent vorhandene Ursachen und die Veränderungssensitivität von Ursachen durchzuführen und damit die Offenheit von potentiellen Entwicklungen der Umwelt wie auch die Beeinflussbarkeit dieser einzufangen sind. Überdies kann in extrem dynamischen Umwelten selten von repetitiven Situationen ausgegangen werden. Erhebliche und häufige Bedingungsänderungen sowie eine Vielzahl von Interdependenzen erschweren Prognosen, weswegen in der Praxis nicht selten situatives, intuitives Handeln dominiert. Stellt man die beiden Fälle begrenzt dynamischer und extrem dynamischer Umwelten gegenüber, wird es nützlich sein, korrespondierend zwischen den Ebenen der traditionellen Regelkreistheorie als eines Kerns und einer modifizierten Regelkreistheorie als einer weiteren Schicht des Controllings zu unterscheiden. Anschließen könnte sich eine solche Differenzierung an die bereits existierende zwischen operativen und strategisch ausgerichteten regelungsbasierten Controlling-Systemen, wobei dem strategisch ausgerichteten System neben Koordinationsaufgaben (bei differenziertem, zu koppelndem System) noch deutlich stärker die Funktion einer Unterstützung bei Adaptionsproblemen (zur Anpassung des Systems an sich ändernde Bedingungen) oder bei Antizipation solcher im Rahmen der Etablierung von Frühwarnsystemen zukommt. Operativ ist dann auf eine Vermeidung von Störungen hin zu fokussieren, wie dies für jeweils weitgehend stabile Beziehungsgeflechte möglich ist. Ein kritischer Faktor in Bezug auf diese Entscheidung dürfte in diesem Zusammenhang auch sein, inwieweit bzw. mit welchem zeitlichen Aufwand es gelingt, die Ursachen oder Kostentreiber zu identifizieren und zu integrieren. 38 Hier greifen traditionelle Regelkreissysteme mit ihren auf die Umwelt wie auf das Unternehmen gerichteten Informationsinstrumenten (und in Zukunft auch hinsichtlich der eingesetzten Selektionsmechanismen) immer schon auf geronnene Erfahrung zurück; sie greifen bereits an diejenigen Stellen, an denen erfahrungsgemäß interessante und handlungsinduzierende Abweichungen liegen könnten. Dadurch können auch signifikante Einsparpotentiale realisiert werden, weil z. B. Teilschritte der Datenerfassung automatisiert werden können.

38

Vgl. Busco et al. (2013).

126

Robert Obermaier

Anderes gilt im zweiten Fall strategischer oder auch finanzieller Zielgrößen (z. B. für den Fall einer Koordination von primärer und sekundärer Koordination). Regelkreissysteme müssen hier über in der Wirkung nicht eindeutige (d. h. sichere) Ursache-Wirkungsbeziehungen gesteuert werden, was die Etablierung von Kausalketten schwierig und die Reaktionsfähigkeit des Regelkreises mitunter träge macht; abgesehen davon, dass sich Wirkungshypothesen auch als falsch herausstellen können, so sie einer empirischen Prüfung unterzogen werden, und einer Revision bedürfen. Die strategische Orientierung stellt das Controlling zusätzlich vor die Herausforderung, neben Zusammenhängen zwischen Kennzahlen die Ursachendimension auch in den eher multidimensionalen Bereich einer Vielzahl (qualitativer) Indikatoren bis hin zu den explizit unscharf definierten schwachen Signalen auszudehnen.39 Modifizierte, d. h. strategische Regelkreissysteme müssen darum anders vorgehen, indem sie sich dem Problem instabiler Umwelt- wie Unternehmensbedingungen stellen und damit wieder zum Ausgangspunkt der Frage nach möglichen Ursache-Wirkungskriterien zurückkehren und diese Frage bewusst offen halten, ohne vorschnell zu automatisieren oder reduzieren zu wollen. Deshalb werden auch Datensammlung und -analyse zunehmend als „critical elements in strategic measurement and control system effectiveness“40 gesehen, die die Trennlinie zwischen operativem und strategischem Controlling, traditioneller und modifizierter Regelkreistheorie markieren. Hierzu braucht es Datenspeicher, auf deren Basis dann intensiv geforscht werden kann, welche Möglichkeiten ggf. offenstehen. Hier wird der Irrglaube der hypothesenfreien Datenanalyse offenbar, der zuvor nur dadurch verdeckt wurde, dass Abweichungsanalysen Ergebnisse zeitigten, die implizite Hypothesen nicht offenzulegen erlaubten. 41 Im Kern läuft ein solches datenanalytisches Controlling freilich darauf hinaus, verdichtet Wissenschaft zu betreiben. Das setzt aber instrumentell wie auch personell eine bedeutende Veränderung gegenüber dem Status quo des Controllings voraus. Damit findet das obige Paradoxon in der Echtzeitsteuerung eine zweifache Lösung. Sind die Zusammenhänge hinreichend stabil, wird Echtzeitsteuerung tendenziell möglich. Ist dies jedoch nicht der Fall, müssen zusätzliche durch Dialektik geprägte, wissenschaftlich herangehende Überlegungen in das Controlling Eingang finden, bei denen gerade der Mensch auch weiterhin eine herausragende Rolle spielen wird.

39 40 41

Vgl. Ansoff (1976). Ittner/Larcker (2005), S. 87. Vgl. Quattrone (2016), S. 119.

Controlling und digitale Transformation

127

4.4. Die sich ändernde Rolle der Controller Mit den umrissenen Veränderungen des Controllings ändert sich selbstverständlich auch die Rolle des Controllers selbst. Zur Analyse der zu erwartenden Rolle des Controllers soll ein einfaches dynamisches Modell beschrieben werden. Demnach findet sich die Rolle des Controllers zwischen den Anforderungen, die das Management (M) an die Ausgestaltung des Controllings durch Controller (C) zur Führungsunterstützung formuliert, und den technologischen Möglichkeiten (T), die zur Automatisierung dieser Führungsunterstützungsfunktion herangezogen werden (können). Dieses MCT-Modell ist dialektisch, da einerseits sich ändernde Anforderungen des Managements, wie sich ändernde technische Möglichkeiten, zu Veränderungen der Controller-Rolle führen können. Eingebettet ist dieses Sandwich-Modell u. a. in einen personalen und organisationalen Gestaltungsrahmen, der aber ebenfalls dynamisch ist, d. h. Änderungen über die Zeit unterworfen sein kann. Andererseits sind auch technologische Veränderungen und Anforderungen des Managements an die zu leistende Führungsunterstützung durch das Controlling nicht allein exogene Größen, sondern rückgekoppelt an die Informationen des Controllings. Damit wird auch die Controller-Rolle dialektisch als einerseits allein passives Residuum in einer Status quo-Betrachtung, das sich aus der Aufteilung zwischen Management und Substitutionstechnologien ergibt, und als andererseits ein aktiver Auslöser von Wandel in einer dynamischen Betrachtung, welcher sowohl Managementanforderungen als auch den technologischen Wandel (was wird an Technologie wo im Unternehmen eingeführt) maßgeblich mitprägt. Die sich an dieses einfache Modell unmittelbar anknüpfende Frage ist nun, wie sich die quantitativen und qualitativen Anteile an der Steuerungsaufgabe des Managements zwischen den Managern, den Controllern und der Technologie (weiter) verschieben werden. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Sandwichrolle des Controllers selbst dar: Er verfügt selten über uneingeschränkte Autorität, sondern muss sie sich in der Regel mit Managern teilen, die abschließende Entscheidung z. B. im Rahmen der Budgetierung treffen und somit die Grenzen der Controller-Kompetenzen auf der einen Seite beschreiben. Auf der anderen Seite stehen eingesetzte Technologien, die die Controller bei ihrer Tätigkeit zwar grundsätzlich unterstützen, aber eben auch ersetzen können. Zwei Entwicklungslinien der Vergangenheit dürften dabei relativ unstreitig sein: Zum einen hat sich der Aufgabenumfang der Controller über die Zeit sowohl qualitativ als auch quantitativ ausgeweitet; zum anderen hat die technologische Entwicklung ebenfalls große Teile insbesondere der Informationsversorgung mitübernommen.

128

Robert Obermaier

Zur Veranschaulichung des beschriebenen MCT-Modells diene die Abbildung 4;42 eine rein schematische Darstellung dieser Entwicklung, wobei der in die Zukunft reichende Teil in zwei Szenarien abgebildet ist. In einem Szenario (2030a*) wird davon ausgegangen, dass die zur Verfügung stehende Technologie Teile der gegenwärtigen Controller-Rolle zu absorbieren in der Lage sein wird und auch die Controller in einer eher passiven Rolle verharren, während in dem zweiten Szenario (2030b*) die Controller sich aktiv der anstehenden Veränderung stellen, die technologischen Möglichkeiten aktiv zur Veränderung ihrer eigenen Rolle zu nutzen.

Abb. 4: MCT-Modell: Schematische Entwicklung der (quantitativen) Anteile an der Steuerungsaufgabe zwischen Managern, Controllern und Technologie43 Diese Einschätzung, insbesondere die technologische Entwicklung und Absorptionskraft des ersten Szenarios betreffend, wird auch durch aktuelle Studien untermauert. So kommen z. B. Frey und Osborne44 in einer Studie für die USA zu der Einschätzung, dass fast jeder zweite Beschäftigte in den USA damit rechnen muss, dass sein Arbeitsplatz von Automatisierungssubstitution betroffen ist. Frey und Osborne führen insbesondere aus, dass „algorithms for big data are 42

43 44

Der in Abbildung 4 dargestellte zeitliche Verlauf der Anteile dient lediglich der Veranschaulichung grundsätzlicher Tendenzen und beruht auf eigenen Einschätzungen. Grundthese ist, dass sich Manager in der Vergangenheit in zunehmendem Ausmaß von Controllern und Technologie (z. B. ERPSysteme) bei ihrer Steuerungsaufgabe haben unterstützen lassen. Die im folgenden diskutierte Frage lautet, welche Entwicklungen (Szenarien) in der Zukunft begründet zu erwarten sind. Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Frey/Osborne (2017).

Controlling und digitale Transformation

129

already rapidly entering domains reliant upon storing or accessing information, making it equally intuitive that office and administrative support occupations will be subject to computerisation.”45 Damit ist allerdings, wie angedeutet, nur der Status quo umrissen, nicht aber, dass Controller ihr Aufgabenspektrum unter Beachtung sich ändernder Restriktionen verändern und sogar ausweiten können. Im zweiten Szenario deuten sich gerade hier weiterreichende Potentiale an. 46 Ein wesentlicher Faktor dieser Entwicklung wird auch sein, worin der Steuerungs- und Entscheidungsunterstützungsbeitrag der Controller liegt. In gut strukturierten Steuerungs- und Entscheidungsproblemen wird die Technologie weitaus besser in der Lage sein, massenhaft anfallende Daten auszuwerten und – solange eine gewisse Umfeldstabilität gegeben ist – auch qualitativ ernstzunehmende Entscheidungsvorschläge unterbreiten können. Der Aufbau entsprechender Entscheidungsunterstützungssysteme wird damit eine neue Controlling-Aufgabe werden. So gilt, dass auch von Controllern abhängt, wie diese mit den neuen technologischen Möglichkeiten umgehen. Würde das Controlling seine bisherigen Aktivitäten beibehalten, ist von einem erheblichen Ausmaß potentieller Automatisierung auszugehen, was die Bedeutung des Controllers in seiner Sandwichrolle vermutlich verringern würde. Eine Ausweitung bzw. Veränderung der Schwerpunkte in die oben beschriebenen Richtungen würde eine inhaltliche und methodische Aufwertung des Controllers bedeuten, aber auch eine erhöhte fachliche Anforderung an ihn stellen; vor allem was die betriebswirtschaftliche Anreicherung der mehr oder minder automatisch generierten Analysen und deren Interpretation darstellt. Zudem wird die Aufgabe und Fähigkeit zur Kommunikation bei Controllern korrespondierend wichtiger werden. 47 Davenport und Patil propagieren in diesem Zusammenhang den sog. Data Scientist als „The Sexiest Job of the 21st Century“, 48 wobei deren Betätigungsfeld mehr in der Produkt- und Prozessinnovation gesehen wird als in derjenigen der Controller: „But the data scientists (…) want to build things, not just give advice to a decision maker. (…) their greatest opportunity to add value is not in creating reports or presentations for senior executives but in innovating with customer-facing products and processes.”49 Demzufolge wäre davon auszugehen, dass Data Scientists in der Entwicklung datenbasierter Geschäftsmodelle eine wichtige Rolle einnehmen werden, wobei die Rolle der Controller dabei und darüber hinaus noch offen ist. Zudem ist zu beachten, dass auch Data Scientists 45

46

47 48 49

Vgl. Frey/Osborne (2017), S. 38. Bereits die Fallstudie von Scapens und Jazayeri (2003), S. 201, beobachtete eine solche Abnahme von Routinetätigkeiten nach Einführung eines ERP-Systems. Diese beruhen auf der Annahme, dass sich die von Weber (2011) postulierte Erfolgsgeschichte des Controllers, welcher sich immer neue Aufgabenbereiche erschließt, fortsetzen lässt. Vgl. Järvenpää (2007), S. 120-123. Davenport/Patil (2012), S. 70. Davenport/Patil (2012), S. 75.

130

Robert Obermaier

in eine Komplexitätsfalle laufen können, denn „[t]he challenges of accessing and structuring big data sometimes leave little time or energy for sophisticated analytics involving prediction or optimization. Yet if executives make it clear that simple reports are not enough, data scientists will devote more effort to advanced analytics.”50 Dieses Szenario gilt gleichermaßen für Controller. „The purpose of digitization is insight, not data”, ließe sich in Abwandlung eines berühmten Ausspruchs des US-amerikanischen Mathematikers Richard Hamming formulieren.51 Nicht die Erzeugung oder Gewinnung von Daten sind Zweck der Digitalisierung, wohl auch nicht deren Verarbeitung, sondern das Generieren und Mehren von zweckorientiertem Wissen, d. h. entscheidungsrelevanter Information, steht im Vordergrund. Digitalisierung braucht Menschen, die sie beherrschen und die nicht von der Digitalisierung beherrscht werden. Gerade der Controller hat hier gute Voraussetzungen. Er kann aufdecken, wenn Informationsaufbereitungen nicht hinreichend durchdacht sind. Controlling war immer Informationssammlung und kennt deshalb bereits das Problem von Zahlenfriedhöfen, d. h. einem qualitativen und quantitativen Auseinanderklaffen von Informationsbedarf und -angebot, wie auch Ansätze, mit Daten informierend umzugehen, um eine Entscheidungsunterstützungsfunktion auszuüben und kann allein dadurch bereits auf Erfahrungen zurückgreifen, welche es erlauben, Datenfriedhöfe zu vermeiden. Hierbei wird es differenzierende Systeme bzw. einen differenzierenden Umgang mit Systemen geben müssen, nämlich derart, dass bei hinreichender Umfeldstabilität und ausreichender Datenlage sowie Datenhistorie automatisierte evidenzbasierte Entscheidungen erzeugt und validiert werden können und solche, bei denen lediglich eine entscheidungsunterstützende Funktion erwartet werden kann, weil z. B. die Datenlage unklar oder die Umfeldstabilität nicht hinreichend ist. Wenn permanenter Wandel und Unsicherheit erzeugt werden und zudem die Datenmasse explodiert, ist zudem zu erwarten, dass der Controller dem Manager nicht einfach in ebenso explodierender Anzahl Entscheidungsgrundlagen zukommen lässt. Vielmehr kann er u. U. zunehmend in dezentraler Funktion zum Submanager werden, welcher weniger herausfordernde Probleme bereits eigenständig löst, soweit diese nicht regelbasiert bereits automatisiert gelöst wurden, weil sie z. B. für eine künstliche Intelligenz (noch) zu unkonkret, mehrdeutig und darum zu komplex ausfallen. 52 Vergangene Ergebnisse deuten hier auch darauf hin, dass die gestiegene Flexibilität, sofern es nicht zu Arbeitsteilung kommt, zu der Notwendigkeit einer intensiveren Zusammenarbeit und verstärkten Rückkoppelungen zwischen Controller und Management führen wird. 53 50 51 52 53

Davenport/Patil (2012), S. 76. Bei Hamming (1962), S. 276 lautet es im Original: „The purpose of computing is insight, not numbers.“ In diese Richtung gehen die Ergebnisse der Interviewstudie von Hopper (1980), S. 401 f. Dahin deuten die Ergebnisse der Studie von Abernethy und Lillis (1995), S. 241 f.

Controlling und digitale Transformation

131

Hinzu kommt, bei aller derzeit überschäumender Technologieeuphorie, zuletzt auch eine bedeutsame mögliche Ausweitung des Aktionsradius von Controllern in Richtung eines die Rationalität von Entscheidungen sichernden, methodenkritischen Nutzers von neuen Datenerfassungs-, -analyse-, und Automatisierungstechniken, die keinesfalls fehlerfrei und unproblematisch sind. Controller hätten die Aufgabe, die auftretenden Probleme bei Ausfall bzw. Teilausfall von Technologie zu lösen bzw. die Wagniskosten für derartige Ausfälle kalkulierbar zu machen sowie die Grenzen der Informationen und die Anwendungsbedingungen der Methoden, die von den jeweiligen Systemen geliefert bzw. genutzt werden, auszudeuten. Gerade dort nach möglichen Problemen in Umfeld und Unternehmen zu suchen, wo das System nicht hinsieht oder die Informationen nicht durch den Selektionsmechanismus zu den Entscheidungsträgern übermittelt werden, wird eine zusätzliche Aufgabe der Zukunft sein. Controller kennen auch bislang schon den unterschiedlichen Grad, den Daten bei der Unterstützung von Entscheidungen spielen. Hier wurde zunächst grob in Entscheidungsautomatisierung und Entscheidungsunterstützung unterschieden; unter welchen Bedingungen welcher Ansatz in welcher Form geboten ist, ist eine sehr kontextsensitive Frage der Systemgestaltung. Hinzu kommt, dass durch den Einsatz von Datenverarbeitungstechnologie zum Zweck der Entscheidungsunterstützung eine Mensch-Maschine-Schnittstelle (Human-Machine-Interface) erzeugt wird, die komplexe Interdependenzen aufweist, die noch nicht hinreichend erforscht sind. Dieses gilt auch insbesondere hinsichtlich eines sich einstellenden Vertrauens in maschinell erzeugte Ergebnisse und das Zurückschneiden dieser auf die validierbaren Aussagen gegenüber vorschnellen Generalisierungen. Zudem ist grundsätzlich völlig unklar, wann und inwiefern Vertrauen in die Güte von maschinellen Entscheidungsvorschlägen gerechtfertigt ist und wann Zweifel angebracht sind. Aktuelle Studien zeigen, dass nicht nur solange keine Abweichungen auftreten, sondern bereits und gerade auch in den Fällen, in denen von Automaten völlig sinnlose Handlungsempfehlungen gegeben werden, Menschen versucht sind, völlig unbegründetes Vertrauen (Overtrust) aufzubauen.54 Controllern käme somit eine Sicherungsfunktion zu, automatisch generierte Informationen oder Entscheidungen auf Plausibilität zu prüfen. Allerdings sind auch Controller per se nicht gefeit davor, ihren Systemen unbegründetes Vertrauen entgegenzubringen. Die Institutionalisierung eines systematischen Systemzweifels könnte Controllern die Rolle eines kritischen, aber nicht unproblematischen Systemwächters zuweisen, was aber voraussetzt, dass eine kritische Außensicht und das dialektische Hinterfragen möglich sind.

54

Vgl. z. B. Salem et al. (2015); Robinette et al. (2016).

132 5.

Robert Obermaier

Fazit

Angesichts der anspruchsvollen Bedingungen zum Einsatz von (betriebswirtschaftlichen) Regelkreissystemen verwundert es kaum, weshalb sich diese bislang allenfalls in funktional leichter beherrsch- und damit regelbaren Subsystemen (z. B. Lagerbestandsregelung) wiederfinden. Denn komplexere Umgebungen lassen sowohl hinsichtlich der Informationsversorgung als auch hinsichtlich der verfügbaren Prognosemodelle und Regelungslogiken die notwendigerweise erforderlichen Informationen im Sinne von praktisch verfügbarem zweckorientiertem Wissen als auch im Sinne von wissenschaftlich gesichertem Zusammenhangswissen, d. h. Ursache-Wirkungszusammenhängen, vermissen. Hier offenbart das Controlling eher einen einzigen großen weißen Fleck, der durch weitere Forschungsbemühungen geschlossen werden kann. Im Grunde würde das Füllen dieser Lücken aber bedeuten, das Controlling – einer Phase voranschreitender Spezialisierung der Betriebswirtschaftslehre in gewisser Weise entgegengesetzt – zu einer umfassenden Theorie der Unternehmenssteuerung auszubauen. Fraglich ist, ob dieser Anspruch für das Controlling praktisch wie wissenschaftlich erreichbar ist. Dennoch wird die künftige Funktion und Rolle des Controllings vor allem davon abhängen, ob und wie es dazu beitragen kann, Unternehmen steuerbar zu machen bzw. zu halten, damit Manager auch angesichts sich wandelnder Herausforderungen und Technologien Unternehmen (erfolgreich) steuern können. Dabei stellt sich zum einen die Herausforderung, das Controlling enger mit dem Leistungsbereich zu koppeln, während zum anderen ganz neue Datenquellen im Bereich der Leistungserstellung erschlossen werden können, um so ein regelkreisbasiertes Controlling ermöglichen zu können. Dieses wird sicher stärker als bisher automatisiert werden können, aber in praxi freilich als soziotechnisches System realisiert werden, in dem der Mensch Verantwortungsträger bleibt. Welche Rolle der Controller zwischen den Anforderungen des Managements und den technologischen Möglichkeiten einnehmen kann, wird sich erweisen. Nicht zuletzt wird gerade dies jedoch auch davon abhängen, wie fruchtbar mit den neuen Herausforderungen in Wissenschaft und Praxis des Controllings umgegangen wird.

Controlling und digitale Transformation

133

Literatur Abernethy, M. A./Lillis, A. M. (1995): The impact of manufacturing flexibility on management control system design. Accounting, Organizations and Society, 20 Jg., Nr. 4, S. 241-258. Alcouffe, S./Berland, N./Levant, Y. (2008): Actor-networks and the diffusion of management accounting innovations: A comparative study. Management Accounting Research, 19 Jg., Nr. 1, S. 1-17. Ansoff, H. I. (1976): Die Bewältigung von Überraschungen und Diskontinuitäten durch die Unternehmensführung – strategische Reaktionen auf schwache Signale. Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 28 Jg., Nr. 2, S. 129-152. Burmeister, C./Lüttgens, D./Piller, F. T. (2016): Business model innovation for industry 4.0: Why the „industrial internet“ mandates a new perspective on innovation. Die Unternehmung, 70 Jg., Nr. 2, S. 124-152. Busco, C./Frigo, M. L./Quattrone, P./Riccaboni, A. (2013): Integrated reporting what happens when values and value creation meet. Strategic Finance, S. 33-41. Casadesus-Masanell, R./Ricart, J. E. (2010): From strategy to business models and onto tactics. Long Range Planning, 43 Jg., Nr. 2-3, S. 195-215. Cavalcante, S./Kesting, P./Ulhøi, J. (2011): Business model dynamics and innovation: (Re)establishing missing linkages. Management Decision, 49 Jg., Nr. 8, S. 1327-1342. Chesbrough, H.-W. (2003): Open innovation. The new imperative for creating and profiting from technology. Boston: Harvard Business School Press. Christensen, C. M. (1997): The innovator’s dilemma: When new technologies cause great firms to fail. Boston: Harvard Business School Press. Christner, C. H./Strömsten, T. (2015): Scientists, venture capitalists and the stock exchange: The mediating role of accounting in product innovation. Management Accounting Research, 28 Jg., S. 50-67. Cohen, J. (1990): Things I have learned (so far). American Psychologist, 45 Jg., Nr. 12, S. 1304-1312. Davenport, T. H. (2013): Analytics 3.0 – in the new era, big data will power consumer products and services. Harvard Business Review, 91 Jg., S. 65-72. Davenport, T. H./Patil, D. (2012): Data scientist: The sexiest job of the 21st century. Harvard Business Review, 90 Jg., Nr. 5, S. 70-76. Fleisch, E./Weinberger, M./Wortmann, F. (2015): Geschäftsmodelle im Internet der Dinge. Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 67 Jg., Nr. 4, S. 444-464. Frey, C. B./Osborne, M. A. (2017): The future of employment: How susceptible are jobs to computerisation? Technological Forecasting and Social Change, 114 Jg., S. 254-280. Gassmann, O./Frankenberger, K./Csik, M. (2013): Geschäftsmodelle entwickeln – 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model Navigator. München: Carl Hanser. Hamming, R. (1962): Numerical methods for scientists and engineers. New York: Dover Publications. Hopper, T. M. (1980): Role conflicts of management accountants and their position within organisation structures. Accounting, Organizations and Society, 5 Jg., Nr. 4, S. 401-411. Horváth, P./Gleich, R./Seiter, M. (2015): Controlling. 13. Auflage. München: Vahlen. Ittner, C. D./Larcker, D. F. (2005): Moving from strategic measurement to strategic data analysis. In: Chapman, C. S. (Hrsg.), Controlling strategy: Management, accounting, and performance measurement (S. 86-105). Oxford: University Press.

134

Robert Obermaier

Ittner, C. D./Larcker, D. F. (2009): Extending the boundaries: Nonfinancial performance measures. In: Chapman, C. S./Hopwood, A. G./Shields, M. D. (Hrsg.), Handbook of Management Accounting Research (S. 1235-1251). Oxford, Amsterdam: Elsevier. Järvenpää, M. (2007): Making business partners: A case study on how management accounting culture was changed. European Accounting Review, 16 Jg., Nr. 1, S. 99-142. Kilger, W. (1988): Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung. 9. Auflage. Wiesbaden: Springer Fachmedien. Latour, B. (2009): Tarde’s idea of quantification. In: Candea, M. (Hrsg.), The social after Gabriel Tarde: Debates and assessments (S. 145-163). London: Routledge. Lin, M./Lucas jr., H. C./Shmueli, G. (2013): Research commentary – too big to fail: Large samples and the p-value problem. Information Systems Research, 24 Jg., Nr. 4, S. 906-917. Mertens, P./Back-Hock, A./Fiedler, R. (1991): Einfluß der Informations- und Wissensverarbeitung auf das Controlling. Controlling: Selbstverständnis, Instrumente, Perspektiven. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Ergänzungsheft 3/1991, S. 37-59. Milgrom, P./Roberts, J. (1995): Complementarities and fit: Strategy, structure and organizational change in manufacturing. Journal of Accounting and Economics, 19 Jg., Nr. 2-3, S. 179-208. Miller, P. B./O’Leary, T. (2005): Capital budgeting, coordination, and strategy: A field study of interfirm and intrafirm mechanisms. In: Chapman, C. S. (Hrsg.), Controlling strategy: Management, accounting, and performance measurement (S. 151-182). Oxford: University Press. Obermaier, R. (2016): Industrie 4.0 als unternehmerische Gestaltungsaufgabe: Strategische und operative Handlungsfelder für Industriebetriebe. In: Obermaier, R. (Hrsg.), Industrie 4.0 als unternehmerische Gestaltungsaufgabe – betriebswirtschaftliche, technische und rechtliche Herausforderungen (S. 3-34). Wiesbaden: Springer Gabler. Obermaier, R. (2019): Industrie 4.0 und Digitale Transformation als unternehmerische Gestaltungsaufgabe. In: Obermaier, R. (Hrsg.), Handbuch Industrie 4.0 und Digitale Transformation (S. 3-46). Wiesbaden: Springer Gabler. Obermaier, R./Grottke, M. (2017): Controlling in einer „Industrie 4.0“ – neue Möglichkeiten und neue Grenzen für die Steuerung von Unternehmen. ZfbF – Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 71. Sonderheft 2017, S. 111-148. Obermaier, R./Hofmann, J./Kellner, F. (2010): Web-basierte Fertigungssteuerung in der Praxis: Produktivitätssteigerungen mit dem Manufacturing Execution System MRCM. HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik, 47 Jg., Nr. 2, S. 49-59. Obermaier, R./Kirsch, V. (2015): Wirtschaftlichkeitseffekte von Industrie 4.0Investitionen – ex post-Analysen bei der Einführung eines Manufacturing Execution Systems. Controlling, 27 Jg., Nr. 8-9, S. 493-503. Obermaier, R./Kirsch, V. (2016): Betriebswirtschaftliche Wirkungen digital vernetzter Fertigungssysteme – eine Analyse des Einsatzes moderner Manufacturing Execution Systeme in der verarbeitenden Industrie. In: Obermaier, R. (Hrsg.), Industrie 4.0 als unternehmerische Gestaltungsaufgabe – Betriebswirtschaftliche, technische und rechtliche Herausforderungen (S. 191-217). Wiesbaden: Springer Gabler. Obermaier, R./Meier, C./Himml, F. (2015): “Trust the numbers” – zum Verhältnis von Informationsaufbereitung und Entscheidungsgüte bei komplexen multikriteriellen Entscheidungsproblemen. DBW – Die Betriebswirtschaft, 75 Jg., S. 67-96. Ossadnik, W. (2008): Steuerungsorientiertes Rechnungswesen und ausgeglichener Berichtsbogen – Anmerkungen zur kausalen Fundierung des Konzepts der Balanced Scorecard. Unternehmenswert und Rechnungswesen. Festschrift für Univ.-Prof. Dr. Manfred Jürgen Matschke zum 65. Geburtstag, S. 301-321.

Controlling und digitale Transformation

135

Ossadnik, W./Kaspar, R. (2013): Mehrzielorientierter Methodeneinsatz und Softwaresupport im strategischen Controlling. Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 65 Jg., Nr. 1, S. 103-118. Osterwalder, A./Pigneur, Y. (2010): Business model generation. Hoboken, New Jersey: John Wiley & Sons. Porter, M. E./Heppelmann, J. E. (2014): How smart, connected products are transforming competition. Harvard Business Review, 92 Jg., Nr. 11, S. 65-88. Quattrone, P. (2016): Management accounting goes digital: Will the move make it wiser?. Management Accounting Research, 31 Jg., S. 118-122. Quattrone, P./Hopper, T. (2001): What does organizational change mean? Speculations on a taken for granted category. Management Accounting Research, 12 Jg., Nr. 2, S. 403-435. Robinette, P./Li, W./Howard, A. M./Wagner, A. R. (2016): Overtrust of robots in emergency evacuation scenarios. 11th ACM/IEEE International Conference on HumanRobot-Interaction 2016, S. 101-108. Salem, M./Lakatos, G./Amirabdollahian, F./Dautenhahn, K. (2015): Would you trust a (faulty) robot? Effects of error, task type and personality on human-robot cooperation and trust. Proceedings of the 10th Annual ACM/IEEE International Conference on Human-Robot-Interaction 2015, S. 141-148. Sandelin, M. (2008): Operation of management control practices as a package – a case study on control system variety in a growth firm context. Management Accounting Research, 19 Jg., Nr. 4, S. 324-343. Scapens, R. W./Jazayeri, M. (2003): ERP systems and management accounting change: Opportunities or impacts? A research note. European Accounting Review, 12 Jg., Nr. 1, S. 201-233. Shafer, S. M./Smith, H. J./Linder, J. C. (2005): The power of business models. Business Horizons, 48 Jg., Nr. 3, S. 199-207. Simon, H. A./Kozmetsky, G./Guetzkow, H./Tyndall, G. (1954): Centralization vs. decentralization in organizing the controller’s department. New York: Controllership Foundation Inc. Solow, R. M. (1987): We’d better watch out. Review of: Manufacturing matters: The myth of the post-industrial economy. New York Times, 12. Juli 1987, S. 36. Szyperski, N. (1974): Planungswissenschaft und Planungspraxis. Welchen Beitrag kann die Wissenschaft zur besseren Beherrschung von Planungsproblemen leisten. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 44 Jg., S. 667-684. Teece, D. J. (2010): Business models, business strategy and innovation. Long Range Planning, 43 Jg., Nr. 2-3, S. 172-194. Weber, J. (2008): Von Top-Controllern lernen: Controlling in den DAX 30-Unternehmen. New York: Wiley-VCH. Weber, J. (2011): The development of controller tasks: Explaining the nature of controllership and its changes. Journal of Management Control, 22 Jg., Nr. 1, S. 25-46. Zünd, A. (1978): Zum Begriff des Controlling – ein umweltbezogener Erklärungsversuch. In: Goetzke, W./Sieben, G. (Hrsg.), Controlling – Integration von Planung und Kontrolle (S. 15-26). Köln: Gebera-Schriftenreihe Band 4.

Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung

Albert Mayr 1.

Derzeitige Rahmenbedingungen im Bezug auf das Kostenmanagement

Die vergangenen Jahrzehnte waren von großen Schwankungen auf dem Wirtschaftssektor geprägt. Der enorme wirtschaftliche Aufschwung bis zum Jahr 2008 wurde abrupt durch die Bankenkrise mit einem dramatischen Rückgang der Nachfrage und enormen Überkapazitäten beendet. Es benötigte in Europa beinahe ein Jahrzehnt um wieder annähernd eine Wirtschaftslage vorzufinden wie vor 2008. Dieses letzte Jahrzehnt war stark geprägt von Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit (VUCA). Daraus ergeben sich für die Unternehmenssteuerung und das Kostenmanagement, wie in Abbildung 1 dargestellt, ganz neue Herausforderungen. Mit folgenden weiteren gravierenden Themen hatten sich Unternehmen im letzten Jahrzehnt auseinanderzusetzen:  Massive Veränderungen der Produktionsbedingungen durch Automatisierung, computer-added and -integrated manufacturing (CAM, CIM) bzw. Industrie 4.0.  Tendenz zu mehr Outsourcing und dadurch Veränderung der Lieferantenbeziehungen. Stärkere Einbindung der Lieferanten in die Produktentwicklung bzw. in das Kostenmanagement.  Höhere Ansprüche der Kunden nach individuelleren Produkten und Dienstleistungen mit entsprechend größerer Variantenvielfalt bei gleichzeitig intensiverem Wettbewerb.  Bedingt durch die vielfältigeren Kundenwünsche sind auch die Produktlebenszyklen kürzer geworden.  Die Anzahl der Wettbewerber hat sich durch neue Vertriebswege (onlineHandel) und günstigere Transportkosten erhöht. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_6

138

Albert Mayr

 Aufgrund der geänderten Produktionsbedingungen mit wesentlich höherer Anlagenintensität ergeben sich Veränderungen bei den Personalkosten hinsichtlich Höhe und Struktur. Statt Einzelakkord dominiert der Gruppenakkord. Es reduzieren sich gleichzeitig die Fertigungseinzelkosten zugunsten höherer Gemeinkostenanteile. Generell ist jedoch davon auszugehen, dass die Personalkosten sinken werden bei gleichzeitigem Anstieg der Kapitalkosten.  Anstieg der Mitarbeiteranzahl in den indirekten Bereichen, wie z. B. Fertigungssteuerung, Entwicklung, Marketing, IT und Ausbau der Digitalisierung, dadurch Reduktion der variablen Einzelkosten und Zunahme der Gemeinbzw. Fixkosten.

.

Abb. 1: Gesamtwirtschaftliche Entwicklung – Anforderungen an das Kostenmanagement1

1

Quelle: Günther (2018), S. 545.

Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung

2.

139

Kostenmanagement

2.1. Definition Kostenmanagement In der Literatur finden sich zum Kostenmanagement eine Fülle unterschiedlicher Definitionen. Während ältere Quellen2 vor allem im englischsprachigen Raum3 Kostenmanagement noch als Informationsbereitstellung für strategische Managemententscheidungen sehen, beziehen sich neuere Quellen auf gestaltungsorientierte Sichtweisen, die über die Informationsbereitstellung hinaus gehen und vor allem den Aspekt der Kostengestaltung ansprechen. 4 Quer über alle wesentlichen Vertreter des gestaltungsorientierten Ansatzes lassen sich folgende Gemeinsamkeiten feststellen: Kostenmanagement versteht sich als zielgerichtete Kostenbeeinflussung, die sowohl die Produktebene als auch die Prozess- und Ressourcenebene umfassen. Anlässe für ein Kostenmanagement bzw. eine Kostenreduktion sind häufig Unternehmenskrisen oder eine unbefriedigende Kostensituation. Unter einem derartigen Druck werden häufig undifferenzierte, sehr pauschale Kostenreduktionsmaßnahmen gesetzt. Dieser anlassbezogenen, reaktiven Vorgehensweise stellen Kajüter bzw. Franz und Kajüter5 eine proaktive Vorgehensweise gegenüber, bei der frühzeitig und nachhaltig eine Verbesserung des Unternehmenswertes bzw. der Kostensituation angestrebt wird. 2.2. Grundkonzeption Die Analyse der Literatur zum Thema Kostenmanagement hat ergeben, dass teilweise unterschiedliche konzeptionelle Bezugsrahmen gewählt wurden. Wesentliche Gestaltungsbereiche sind jedoch in vielen der Kostenmanagementkonzeptionen, Aufgaben, Instrumente, beteiligte Institutionen und Objekte (Ansatzpunkte). 6 Die Summe dieser Gestaltungsbereiche ergibt das Kostenmanagementsystem.

2 3 4 5 6

Vgl. Fröhling (1994). Vgl. Shank/Govindarajan (1993). Vgl. Männel (1995); Kajüter (2000); Fischer (2002); Himme (2009). Vgl. Kajüter (2000); Franz/Kajüter (2002), S. 12 ff. Vgl. Himme (2009), S. 1055 ff.

140

Albert Mayr

2.2.1. Gestaltungsbereich Aufgaben Dabei ist zwischen sach- und personenbezogenen Aufgaben zu unterscheiden. 7 Die sachbezogenen Aufgaben umfassen eine aktive Kostenbeeinflussung durch Vorgabe von Kostenzielen mit einer Kostenplanung, Kostensteuerung und Kostenkontrolle und zum anderen die Suche nach Kostensenkungspotentialen. Personenbezogenen Aufgaben sind darauf ausgerichtet, Entscheidungsträger für eine aktive Kostensteuerung zu motivieren und eventuelle Widerstände durch umfassende Information und partizipatives Vorgehen zu verringern. 2.2.2. Gestaltungsbereich Objekte Bei der Kostenbeeinflussung bzw. Kostensteuerung als zentrale Aufgabe des Kostenmanagements stellt sich die Frage, worauf sich diese beziehen soll. In der Kostenmanagementliteratur ist man sich weitgehend einig, 8 dass drei wesentliche Objektbereiche maßgeblich sind, nämlich Produkte bzw. Produktprogramme, Prozesse und Ressourcen. Die dahinterstehende Grundidee ist, dass sich der Leistungserstellungsprozess am Ende immer auf Produkte oder Dienstleistungen bezieht. Hierfür sind Ressourcen (Material, Personal, Anlagen) und Arbeitsprozesse erforderlich. Je nach Geschäftsmodell kann die Bedeutung der einzelnen Objekte für die Kostensteuerung unterschiedlich sein. 2.2.3. Gestaltungsbereich Instrumente Im Kostenmanagement wurden abhängig von den Aufgaben und den zu beeinflussenden Objekten eine Reihe von betriebswirtschaftlichen Instrumenten entwickelt bzw. kommen hierfür zur Anwendung. Die Instrumente bzw. Methoden haben dabei vor allem den Zweck, bei den notwendigen Entscheidungen zu unterstützen bzw. Informationen zu liefern. So bietet bspw. die flexible Plankostenrechnung wertvolle Hilfestellung bei der Aufgabenstellung Kostenplanung und kontrolle vor allem für den Objektbereich „Ressourcen“. Während das Target Costing sich eher auf den Objektbereich „Produkte“ bezieht und schon im Vorfeld der Produktentwicklung unterstützt. Ergänzend können hierfür auch die Wertanalyse und das Benchmarking herangezogen werden. Im Entwicklungszyklus dient die Wertanalyse der systematischen Suche nach günstigen Kosten7 8

Vgl. Schweitzer/Friedl (1997), S. 453. Vgl. Kajüter (2000), S. 161.

Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung

141

Nutzen-Verhältnissen am Produkt, während das Benchmarking bei der Erhebung von Kostennachteilen gegenüber der Konkurrenz mithilft. Die Prozesskostenrechnung wiederum schafft Transparenz über die Kosten einzelner Arbeitsabläufe. Wenn man über den gesamten Produktlebenszyklus die Kosten betrachten und steuern möchte, hat sich das Product Life Cycle Costing als sehr wirkungsvoll erwiesen.9 Je nach Aufgabenbereichen und den Betrachtungsobjekten gibt es noch eine Fülle weiterer Kostenmanagementinstrumente. 10 2.2.4. Gestaltungsbereich Institutionalisierung bzw. Organisation Hiermit ist die Aufgaben- und Kompetenzverteilung des Kostenmanagements gemeint. Bei den Aufgaben geht es vor allem um Kostenanalyse, Maßnahmenformulierung und -implementierung. Grundsätzlich sind alle Mitarbeiter in die Kostenbeeinflussung miteinzubeziehen. Je nach hierarchischer Stellung und Unternehmensfunktion werden die Möglichkeiten jedoch unterschiedlich groß sein. Mitarbeiter in der Konstruktionsabteilung oder im Controlling haben andere Einflusshebel als Mitarbeiter in der Montage. Nachdem Kostenmanagement aber als eine funktions- und hierarchieübergreifende Tätigkeit zu verstehen ist, sind sämtliche Organisationseinheiten miteinzubeziehen. Dabei ist zu klären, in welchem Ausmaß verschiedene Funktionsträger einzubinden sind und auf welche Art und Weise die Zusammenarbeit zu erfolgen hat. Die Koordinationsfunktion bekommt dadurch einen zentralen Stellenwert im Kostenmanagement. Die Zusammenführung der verschiedenen Gestaltungsbereiche ergibt den konzeptionellen Rahmen für das Kostenmanagement. Es gibt diesbezüglich verschiedene Ansätze.11 Den weiteren Ausführungen in diesem Beitrag liegt die Kostenmanagementkonzeption von Franz und Kajüter zugrunde.12

9 10 11 12

Vgl. Zehbold (1996); Kemminer (1999). Einen guten Überblick hierzu gibt Kajüter (2000), S. 225. Vgl. Männel (1995), S. 34; Schweitzer/Friedl (1997), S. 454 ff.; Himme (2009), S. 1057. Vgl. Franz/Kajüter (2002), S. 13.

142

Albert Mayr

Abb. 2: Konzeption proaktives Kostenmanagement 13 In dieser Konzeption wurde von Franz und Kajüter dahingehend eine Erweiterung vorgenommen, dass sie für das Problem der häufig zu späten Reaktion auf schon langandauernde Kostenprobleme eine proaktive Vorgehensweise entwickelt hat. 2.3. Proaktives versus reaktives Kostenmanagement Kostenmanagement wird häufig mit „hartem Cost-Cutting“ als Reaktion auf drohende Ergebniseinbrüche gleichgesetzt. Die Vorgehensweise ist dann häufig eine top-down angeordnete radikale Budgetkürzung über alle Funktionsbereiche, eventuell noch durch externe Berater begleitet. Dabei werden des öfteren auch Bereiche gekürzt, die eine strategisch langfristig wichtige Bedeutung haben, während Bereiche, wo die Funktionsträger aufgrund vergangener Erfahrungen sich „Budgetpuffer“ eingebaut haben, weniger stark betroffen sind. Pauschale Budgetkürzungen nach der „Rasenmäher-Methode“ und die Streichung von Projekten bzw. Einstellungsstopps lösen die Kostenprobleme zwar relativ rasch, aber wenig effektiv im Sinne einer langfristigen Verbesserung der Kostensituation.14 Der Handlungsdruck verhindert ähnlich wie bei so manchen Sanierungen eine umfassende, ganzheitliche, partizipative Entwicklung von Kostenoptimierungsmaßnahmen. Die Folge sind wenig nachhaltige Lösungen, die mit hoher Frustration und Demotivation der Mitarbeiter einhergehen. Die in Abbildung 2 angeführte Konzeption beinhaltet eine proaktive Vorgehensweise, die die genannten Probleme einer reaktiven Vorgehensweise dadurch 13 14

Quelle: Franz/Kajüter (2002), S. 13 Vgl. Franz/Kajüter (2002), S. 11 f.

Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung

143

zu umgehen versucht, indem systematisch, langfristig und frühzeitig die Wettbewerbsposition bei den Unternehmenskosten optimiert wird. Wesentliche Elemente dieser Proaktivität sind:  Eine konsequente Marktorientierung. Markt umfasst dabei sowohl die Wettbewerber als auch die Kunden und Lieferanten. Damit wird aber auch klar, dass Kostenmanagement sich nicht nur bspw. auf die Fertigung beziehen kann, sondern den integrierten Produktlebenszyklus von der Entwicklung über die Herstellung, Vermarktung und ev. sogar die Entsorgung beinhalten muss.  Damit ist das zweite wesentliche Merkmal angesprochen, die Ganzheitlichkeit. Es muss die gesamte Wertschöpfungskette in die Kostenoptimierung einbezogen werden. Lieferanten spielen dabei speziell bei Unternehmen mit geringer Fertigungstiefe eine besonders große Rolle. Umgekehrt sind auch die Kunden mit ihren speziellen Produktwünschen eine maßgebliche Größe, damit sind vor allem die Probleme aus der immer größer werdenden Produktkomplexität und der Variantenvielfalt angesprochen.  Proaktives Handeln im Kostenmanagement setzt voraus, dass man sich frühzeitig der relevanten Kostentreiber bewusst wird. Die Möglichkeiten auf Kosten einzuwirken nehmen im Verlauf des Wertschöpfungsprozesses immer mehr ab. Ehrlenspiel et al. weisen diesbezüglich darauf hin, dass sich die Möglichkeiten der Kostenbeeinflussung und die Kostenentstehung gegenläufig verhalten. D.h. in der Produktplanungsphase sind die Einflussmöglichkeiten am größten, die entstandenen Kosten vergleichsweise gering. Während in der Produktions- und Nutzungsphase genau der umgekehrte Effekt existiert.15 Die Antizipation von Kosten bedeutet auch, dass man frühzeitig erkennt, welche Wirkungen Entscheidungen auf die Kostenstrukturen haben. Ein hoher Automatisierungsgrad hat positive Wirkungen auf die Stückkosten, macht aber gleichzeitig durch den hohen Fixkostenanteil anfällig für volatile Marktsituationen.  Im Gegensatz zur aperiodischen reaktiven Kostensenkung ist proaktives Kostenmanagement eine permanente, kontinuierliche Aufgabe. Der Aufbau bzw. das Halten einer guten Kostenposition ist nicht von heute auf morgen möglich, sondern Resultat einer permanenten Anstrengung mit dem Ziel, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erzielen.  Ohne die Beteiligung aller Mitarbeiter ist ein kontinuierliches Kostenmanagement schwer zu schaffen. Dies kann auch nicht top down angeordnet werden, sondern erfordert einen partizipativen Führungsstil, wodurch den Mitarbeitern vermittelt wird, dass Kostenmanagement eine gemeinsame Aufgabe über alle Hierarchieebenen ist.

15

Vgl. Ehrlenspiel et al. (2014), S. 13 f.

144

Albert Mayr

 Eng verknüpft mit dem Merkmal der Ganzheitlichkeit ist das Merkmal Interdisziplinarität. Das bedeutet, dass für eine erfolgreiche Kostenoptimierung eine intensive Abstimmung aller Abteilungen notwendig ist. 16 Nicht das Controlling schafft niedrige Kosten, sondern es liefert relevante Informationen und koordiniert die notwendigen Maßnahmen. Ohne die Entwicklungsabteilung und die Produktionsverantwortlichen ist eine frühzeitige Kostenoptimierung kaum möglich. Nach Kajüter ist ein Kostenmanagement als proaktiv zu bezeichnen, wenn es diese sechs genannten Anforderungen erfüllt.17

3.

Digitalisierung

Damit im übernächsten Kapitel die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Kostenmanagement nachvollzogen werden können, ist es notwendig den Begriffsumfang und die Veränderungen, die in den Unternehmen durch die Digitalisierung entstehen, zu erörtern. 3.1. Zum Begriff der Digitalisierung Der Begriff Digitalisierung in seinem ursprünglichen Sinn bedeutet die Umwandlung von analogen Werten in digitale Informationen. Im weiteren Sinn kann er jedoch als Automatisierung mittels spezieller Informationstechnologien (z. B. selbststeuernde Systeme) verstanden werden. Die digitale Modifikation betrifft dabei sowohl Instrumente, Geräte und Fahrzeuge, als auch Arbeitsabläufe (z. B. Robotic Process Automation im Rechnungswesen) und Ereignisse. Insgesamt betrachtet wird die Veränderung, die derzeit in der Welt durch die Digitalisierung geschieht, auch als digitale Revolution bezeichnet. 18 Aus der Perspektive der Wirtschaft begegnet man der Digitalisierung auf verschiedenen Ebenen: Einerseits auf der Ebene digitaler Geschäftsmodelle (klassisches Beispiel ist airbnb) und der digitalen Wertschöpfung (bspw. Smart Factorys) andererseits auf der Ebene digitaler Enabler, wie z. B. Smart Devices, mobile Apps, Cloud Computing, Social Media und dem Internet der Dinge.19 Eine besondere Rolle nimmt aufgrund des enormen Zuwachses an digitalen Informationen die 16 17 18 19

Vgl. Homburg/Richter (2002), S. 62 f. Vgl. Kajüter (2000), S. 57 ff. Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (o. D.), Internet. Vgl. Kieninger et al. (2015), S. 4 f.; Nobach (2018), S. 248.

Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung

145

Thematik Big Data ein. Sie bezeichnet die Fähigkeit, sehr große und sehr heterogene interne/externe sowie strukturierte/unstrukturierte Datenmengen mittels statistischer Analysemethoden auszuwerten.20 Ziel der Unternehmensführung ist es, daraus Muster zu erkennen und zukünftige Trends abzuleiten, um die Entscheidungsqualität zu verbessern und Prozesse automatisieren zu können. Die Veränderungen, die mit der Digitalisierung einhergehen, werden oftmals auch als digitale Transformation bezeichnet. Wobei die Implementierung digitaler Technologien in Prozesse noch nicht als digitale Transformation bezeichnet werden kann, vielmehr ist auch eine Änderung bzw. Erneuerung des Geschäftsmodells erforderlich. Das Ziel dieser Geschäftsmodellinnovationen ist die dauerhafte bzw. nachhaltige Sicherung der Unternehmenswertschöpfung. 21 3.2. Digitalisierung - Auswirkungen auf Unternehmen Je nach Digitalisierungsgrad sind die Auswirkungen auf die Unternehmen höchst unterschiedlich. Voll digitalisierte Unternehmen haben ihr Geschäftsmodell gänzlich auf die Möglichkeiten, die sich aus der Digitalisierung ergeben, umgestellt. In der Regel passiert die sogenannte digitale Transformation jedoch schrittweise. Um die Auswirkungen der Digitalisierung nachvollziehen zu können, ist es hilfreich, die Wirkungen in einem sogenannten Geschäftsmodellraster darzustellen. Schallmo bezeichnet ein Geschäftsmodell als die Grundlogik eines Unternehmens, in der unter anderem beschrieben wird, welcher Nutzen auf welche Weise für Kunden und Partner gestiftet wird. 22 Ein Geschäftsmodellraster beinhaltet folgende Dimensionen und Elemente:

20 21 22

Vgl. Davenport (2014); Internationaler Controller Verein (2014), S. 5. Vgl. Nobach (2018), S. 249 ff. Vgl. Schallmo (2013), S. 22 f.

146

Albert Mayr

Abb. 3: Geschäftsmodellraster23 3.2.1. Kundendimension Sie beinhaltet die Kundensegmente, die Kundenkanäle und die Kundenbeziehungen. Die Digitalisierung schafft hier wesentlich mehr Informationsmöglichkeiten für die Kunden. Preise sind wesentlich transparenter, Produkte können besser verglichen werden. Social-Media-Kanäle ermöglichen einen intensiveren Austausch über Produkterfahrungen. Die Kommunikation erfolgt nicht mehr nur vom Unternehmen zum Kunden, sondern interaktiv auch vom Kunden an das Unternehmen. Kundenwünsche und -kritikpunkte fließen unmittelbar in die Entwicklung mit ein. Durch Big Data Analysen können personalisierte Produktempfehlungen abgegeben werden. 3.2.2. Nutzendimension Die wichtigsten Auswirkungen der Digitalisierung in dieser Dimension sind:  Losgröße 1: Hier gibt es einen klaren Trend in Richtung größerer Produktvielfalt und individuellere, maßgeschneiderte Produkte. 23

Quelle: Schallmo (2018), S. 26.

Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung

147

 Smarte Produkte: Mittels Sensortechnik lassen sich Produkte leichter überwachen, eine Fernsteuerung bzw. gezielte Eingriffe sind dadurch möglich. Letztendlich ist damit auch die Produktleistung optimierbar. Ein weiteres Merkmal ist, dass die Produkte weitgehend automatisiert arbeiten und auf spezielle Umweltinformationen gezielt reagieren können. Eng verknüpft damit sind auch die Begriffe Internet der Dinge bzw. intelligente Produkte.  Wertbasierte Preise und niedrigere Kosten: Für die Kunden können sich die Nutzungskosten von Anlagen oder Produkten reduzieren, wenn sie durch neue Bezahlmodelle nur mehr für die Nutzung der Anlage bezahlen. 3.2.3. Wertschöpfungsdimension Smarte Produkte oder das Internet der Dinge benötigen sowohl auf Kunden- als auch auf Anbieterseite eine entsprechende technische Infrastruktur. Dazu zählen auf der Produktseite bspw. Sensortechnik und Software, auf der Kundenseite ebenfalls die Softwareanbindung. Ein zentrales Element ist die Produkt Cloud, in der sich die Software für die intelligenten Produktanwendungen mit dazugehöriger Datenbank befindet. Für die Anbindung an die Cloud sind auch die dazugehörigen Netzwerkkomponenten für den Informationsaustausch zu schaffen. Unbedingt benötigt werden auch Werkzeuge für die Nutzerverwaltung und der Aufbau entsprechender Sicherheitseinrichtungen.24 Der Aufbau dieser Infrastruktur benötigt in der Anfangsphase enorme finanzielle Mittel, um später Kostenund Nutzenvorteile realisieren zu können. Auf der Wertschöpfungsebene lassen sich klassischerweise drei wesentliche Kernprozesse identifizieren, das sind Marketing und Vertrieb, die Leistungserstellung und das Innovations- und Produktmanagement. Diese drei Kernprozesse sind von Supportprozessen wie bspw. IT, Finanzen begleitet. Durch die Digitalisierung nimmt der Vernetzungsgrad innerhalb dieser Systeme massiv zu. Die Anzahl der Schnittstellen vervielfacht sich. Die Bereichsgrenzen innerhalb der Wertschöpfungssilos lösen sich auf.25 Digitale (intelligente) Fabriken sind sowohl mit den Kunden als auch untereinander über eine Vielzahl von Sensoren intensiv vernetzt. Die dabei entstehenden riesigen Datenmengen können nur mittels spezieller mathematischer Analysen (predictive Analytics) sinnvoll verwertet werden.

24 25

Vgl. Porter/Heppelmann (2014), S. 40 f. Vgl. Schallmo et al. (2018), S. 43.

148

Albert Mayr

3.2.4. Partnerdimension Die Digitalisierung ermöglicht einen wesentlich intensiveren Austausch über die klassischen horizontalen Wertschöpfungsstufen. Die typische horizontale Wertschöpfungskette mit Zulieferer, Hersteller, Handel und Kunden war in der Vergangenheit eher eindimensional ausgerichtet. In der Zukunft wird der Grad der Vernetzung zwischen den einzelnen Akteuren aufgrund der Individualisierung der Produkte stark zunehmen. Kunden und Geschäftspartner sind direkt in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse eingebunden. 26

Abb. 4: Horizontales Wertschöpfungsnetzwerk27 Die Bedeutung einzelner Akteure, wie z. B. des Großhandels, wird sich verändern. Unternehmen werden bspw. über Onlineshops oder Flagship Stores ihre Produkte vertreiben. Das klassische Supply Chain Management wird sich in Richtung Steuerung von Wertschöpfungsnetzwerken weiterentwickeln. Klassische Branchendefinitionen lösen sich auf (Automobilhersteller arbeiten mit Google, Apple etc. zusammen) und werden ganz neu definiert (Automobilhersteller als Anbieter von Mobilitätslösungen).28 26 27 28

Vgl. Kagermann et.al (2014), S. 24. Quelle: Kagermann et.al (2014), S. 26 (im Original von Hewlett-Packard 2013). acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften e. V. (2014), S. 26.

Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung

149

Die Optimierung und Steuerung dieser Wertschöpfungsnetzwerke werden nahezu in Echtzeit geschehen. Dies bedingt eine intensivere Kommunikation innerhalb des Unternehmensverbundes aber auch darüber hinaus. Die Kommunikationskosten werden dadurch massiv zunehmen. 3.2.5. Finanzdimension Die Änderung in den vorher geschilderten Dimensionen bedingen auch Änderungen auf der Kosten- und Erlösebene. Einige Beispiele hierfür sind: 29 Statt Produkten werden Dienstleistungen verkauft, wie z. B. Verträge über zeitliche Maschinennutzung statt dem Verkauf von Maschinen, CarsharingProjekte statt dem Verkauf von Kraftfahrzeugen oder Verträge über die Liftbenutzung anstatt dem Verkauf eines Liftes. Diese ergebnisbasierten Preismodelle bringen massive Veränderungen auf der Finanzierungsebene nach sich. Die Herstellung der vermieteten Produkte erhöht den Kapitalbedarf, da die Herstellkosten aktiviert werden müssen, was wiederum die Passivseite der Bilanz verändert. Erst durch die zeitverzögerten Mieterlöse erfolgt ein Ausgleich. Der Nutzer (Mieter) hat den Vorteil, dass für ihn variable Kosten entstehen und er dadurch im Falle von Konjunktureinbrüchen weniger Risiko zu tragen hat. Für den Unternehmer, der diese Dienstleistungen anbietet, entsteht der umgekehrte Effekt, nämlich eine massive Zunahme des Risikos bei schwankender Auslastung. 4.

Digitalisierung - Veränderungen im Kostenmanagement

Durch die Digitalisierung verändern sich beinahe alle Bereiche der Wertschöpfung in Unternehmen. Damit die Wirkungen auf das Kostenmanagement ausgelotet werden können, ist es sinnvoll eine mehrdimensionale Betrachtung vorzunehmen. Im Folgenden wird daher erörtert, wie weit sich die Aufgaben, die Bezugsobjekte und vor allem auch die grundlegenden Merkmale eines proaktiven Kostenmanagements verändern.

29

Vgl. Schallmo et al. (2018), S. 52 f.

150

Albert Mayr

4.1. Veränderungen bei den Aufgaben Kostenmanagement beinhaltet nach Franz und Kajüter i. e. S. Maßnahmenplanung und -implementierung. Basis für die Maßnahmenplanung ist eine fundierte Kostenanalyse. Sie beschäftigt sich mit der Analyse der vorhandenen Kostenstrukturen und der determinierenden Kostentreiber. 30 Die Kostenanalyse zeigt auf, wo Arbeitsschwerpunkte gesetzt werden sollen und wie wettbewerbsfähig ein Unternehmen im Bereich der Kosten ist. Es geht dabei nicht nur um die Kostenhöhe, sondern auch um Kostenstrukturen (Anteil fixe und variable Kosten) und Kostenverläufe (degressive, sprungfixe Kosten). Ein wesentlicher Schwerpunkt bei der Kostenanalyse ist auch herauszufinden, welche die relevanten Kostentreiber in einem Unternehmen sind. Hier kommt es häufig zu Missverständnissen, so sind bspw. hohe Energiekosten nicht unbedingt der Kostentreiber, sondern das Symptom, während die Ursache für die hohen Energiekosten veraltete technische Anlagen oder ungünstige Produktionsverfahren sind. Kostentreiber sind die Ursache für die Kostenentstehung. Ein immer wieder genanntes Argument, warum Unternehmen in die Digitalisierung und Industrie 4.0 investieren, ist, dass dadurch erhebliche Kostensenkungspotentiale geschaffen werden können. Begründet wird dies auf vielfältige Art und Weise. So wird bspw. darauf hingewiesen, dass es durch die Digitalisierung zu effizienteren Informationsflüssen kommt, was zu einer besseren Auslastung der Produktionsanlagen führt. Außerdem macht die Digitalisierung die Produktion flexibler, sie kann rascher und schneller auf Nachfrageänderungen reagieren.31 Im Bereich der Logistik sollen durch mathematische Simulationen Lagerzeiten, Lagerkosten und Transportkosten gesenkt werden können. 32 Im Verwaltungsbereich kann es durch digitale Prozesse und den Einsatz künstlicher Intelligenz zur Reduktion der Personalkosten kommen. Es ist unstrittig, dass es im Rechnungswesen oder auch im Controlling zu einer stärkeren Automatisierung der Prozesse kommt.33 Generell ist feststellbar, dass man von der Digitalisierung erwartet, dass die künftigen Anforderungen nach mehr Individualität in der Leistungserstellung, die Kosten nicht ansteigen, sondern sogar sinken lässt. Bisher galten Variantenvielfalt und Produktkomplexität als besonders wichtige strukturelle Kostentreiber und damit als wesentliche Begründungen für zu hohe Unternehmenskosten.34 Es wurde argumentiert, dass sich Kostendegressionseffekte nur durch ei30 31 32 33 34

Vgl. Franz/Kajüter (2002), S. 14 f. Vgl. Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft (2017), S. 19. Vgl. Qu et al. (2017), S. 2640 ff. Vgl. Nobach (2018), S. 253. Vgl. Shank/Govindarajan (1993), S. 19 ff.

Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung

151

nen hohen Automatisierungsgrad und möglichst homogene Produktstrukturen erzielen lassen. Eine große Variantenvielfalt verhindere diesen Effekt, da kleine Losgrößen einen hohen Ressourcenaufwand benötigen und damit hohe Kosten entstünden. Obendrein bedeuten eine kundenindividuelle Fertigung längere Wartezeiten und höhere Herstellkosten. Durch die Smart Factory (digitale Fabrik) sollen diese Zielkonflikte zwischen kundenindividueller Fertigung und damit höheren Kosten gelöst werden. Im Idealfall bedeutet dies eine Fertigung auf Losgröße 1 bei hoher Produktionsgeschwindigkeit und gleichzeitig erträglichen Kosten. Damit soll eine Kombination von Scale (Volumen und Größe) und Scope (Programmbreite) möglich werden. Diese hätte den Vorteil, dass auch Produktionsstandorte mit hohen Lohnkosten wettbewerbsfähig bleiben. 35 Gesamt betrachtet ist davon auszugehen, dass durch die großen Investitionen in die digitale Transformation der schon bestehende Trend, dass sich die Kostenstrukturen in noch mehr Fix- bzw. Gemeinkosten zu Lasten der variablen und Einzelkosten verändern, verstärkt. Die Zurechenbarkeit dieser Kosten auf Kalkulationsobjekte wird dadurch erschwert und das Risiko bei volatilen Märkten die Fixkosten nicht decken zu können, nimmt zu. Andererseits sollen gerade durch die Digitalisierung Unternehmen wesentlich flexibler werden und rascher auf geänderte Marktbedingungen reagieren können. Ein weiteres Argument für die Digitalisierung ist, dass durch die Zunahme der Sensortechnik, Prozesse und Ressourcenverbräuche wesentlich genauer erfasst werden können und dadurch auch die Kosten verursachungsgerechter zugerechnet werden können. Unechte Gemeinkosten können dadurch in Einzelkosten umgewandelt werden. Ungeachtet dessen sind die Fixkosten aus den Investitionen in die Digitalisierung durch die Deckungsbeiträge aus der nun mehr wesentlich kundengerechteren, individuelleren Leistungserstellung abzudecken. Gehofft wird dabei, dass im Sinne einer besseren Differenzierungsmöglichkeit das DB-Volumen entsprechend ansteigt. Interessant ist in diesem Zusammenhang die sogenannte Null-GrenzkostenTheorie. Diese besagt, dass sich durch die digitale Transformation die Grenzkosten verringern bzw. bei voll digitalen bzw. nicht materiellen Produkten sogar gegen Null gehen. Begründet wird dies damit, dass die Produkte beliebig oft vervielfacht werden können, ohne zusätzliche Kosten zu erzeugen (=First-Copy-Cost-Effekt). Beim Vertrieb über das Internet verringern sich die Kosten noch zusätzlich. Dies bringt höhere Deckungsbeiträge sowohl beim einzelnen Produkt als auch beim Gesamtvolumen. Der Produktdeckungsbeitrag entspricht im Idealfall dem Produkterlös (z. B. Softwareprodukte, die zum Download bereits gestellt werden). Die Fixkostendeckung wird dadurch erleichtert.36 35 36

Vgl. Brühl (2015), S. 62. Vgl. Roth-Dietrich/Gröschel (2018), S. 89.

152

Albert Mayr

4.2. Veränderungen bei den Merkmalen des Kostenmanagements Unbestritten ist, dass Kostenmanagement nicht reaktiv, sondern proaktiv erfolgen soll. Wie bereits weiter oben beschrieben umfasst eine solche Vorgehensweise nach Kajüter sechs wesentliche Merkmale, dies sind Marktorientierung, Ganzheitlichkeit, Antizipation, Kontinuität, Partizipation und Interdisziplinarität.37 Durch die Digitalisierung empfiehlt sich eine Erweiterung um folgende drei Merkmale:  Agilität  Innovationsorientierung  Intelligente Datennutzung Agilität deshalb, um schneller auf die zunehmende Marktvolatilität reagieren zu können. Unternehmen müssen schlanke Kostenstrukturen aufbauen, damit sie rasch auf geänderte Bedingungen eingehen können.38 Innovationsorientierung meint, dass Innovationen nicht nur produktseitig, sondern auch in der gesamten Wertschöpfungskette, sprich von der Entwicklung über die Logistik und die Fertigung bis zum Vertrieb erforderlich sind. Nur so sind wettbewerbsfähige Kostenstrukturen möglich. Intelligente Datennutzung ist erforderlich, um bspw. Informationen über Prozessoptimierungspotentiale und kundengerechte Vertriebsaktivitäten zu erhalten. Ohne Business Intelligence Systeme und Big Data Analytics ist die Analyse relevanter Kostentreiber heute beinahe undenkbar. In diesem Zusammenhang hat das Thema Predictive Analytics in letzter Zeit besondere Bedeutung erhalten. Predictive Analytics verwendet historische Daten, um zukünftige Ereignisse mittels mathematischer Modelle vorherzusagen. Eine solches Modell ist auch in der Lage, Aktionen, wie z. B. Prozessverbesserungen vorzuschlagen. Für die Kostenfrühaufklärung bzw. die Kostenplanung und das Forecasting haben solche Modelle erheblichen Wert.39 Der Aufbau bzw. die Weiterentwicklung von Systemen, mit denen eine intelligente Datennutzung erfolgen kann, stellt auf Dauer gesehen einen strategischen Wettbewerbsvorteil dar und ist für das Kostenmanagement unumgänglich. Generell lässt sich feststellen, dass einer der wesentlichen Vorteile der Digitalisierung und von Industrie 4.0 darin besteht, dass eine Vielzahl von vernetzten Daten generiert werden, die durch intelligente Analysen sinnvoll genutzt werden können. Je höher der Digitalisierungsgrad, desto leichter können Kostentreiber identifiziert werden und daraus geeignete Maßnahmen eingeleitet werden.40 37 38 39 40

Vgl. Kajüter (2000), S. 57 ff. Vgl. Kuusisto (2017), S. 343. Vgl. Choi et al. (2018), S. 1872 f. Vgl. Kirchner et al. (2018), S. 31 f.

Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung

153

4.3. Objektsteuerung im Kostenmanagement Ein ganzheitliches Kostenmanagement erfordert eine integrative Betrachtung des gesamten Wertschöpfungsprozesses. Das bedeutet, dass sowohl die verwendeten Ressourcen wie auch die Arbeitsprozesse und die erstellten Produkte bzw. Dienstleistungen Gegenstand des Kostenmanagements sind (vgl. Abbildung 2). Die Digitalisierung schafft hier ganz neue Möglichkeiten im Bereich der Kostensteuerung. 4.3.1. Ressourcenebene Bei den Ressourcen sind vor allem Material-, Personal- und Anlagenkosten zu betrachten. Die marktseitig bedingte größere Variantenvielfalt bringt im Bereich des Materialmanagements wesentlich größere Anforderungen mit sich, sei es durch die Vielzahl an notwendigen Materialien und Lieferanten aber auch die raschere Verfügbarkeit. Mittels intelligenter Sensortechnik wie z. B. Radio-frequency identification (RFID) ist in der Zukunft eine automatisierte, effiziente Materiallogistik und damit auch eine Reduktion der Beschaffungs- und Prozesskosten möglich.41 Auch die stärkere Vernetzung mit den Lieferanten ermöglicht eine schnellere Reaktion auf bspw. geänderte Kundenwünsche oder Marktschwankungen. Bei den Personalkosten bringt die Digitalisierung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verschiebung in Richtung höherer Maschinen- und Anlagenkosten. Wobei dies nicht zwangsläufig zu einer Mitarbeiterreduktion führen muss. Durch die Automatisierung werden vor allem im Bereich standardisierter Prozesse Mitarbeiterkapazitäten frei, die für andere höherwertige Aufgaben genutzt werden können. Diesen Vorteilen steht aber der Nachteil hoher Umschulungskosten gegenüber. Die Digitalisierung schafft die Möglichkeit einer flexibleren Arbeitsgestaltung wie z. B. bei der Arbeitszeit aber auch beim Arbeitsort, was theoretisch zu variableren Personalkosten führen könnte. Durch Mitarbeiter-Sharing und Crowdworking sind Unternehmen künftig in der Lage, ihren Personalbedarf dem Beschäftigungsgrad anzupassen.42 Im Bereich der Anlagenkosten werden sich durch die Digitalisierung und Industrie 4.0 vor allem Verbesserungen bei der Anlagennutzung ergeben. Smart factories ermöglichen eine flexiblere Fertigung mit besserer Produktivität und Auslastung der Anlagen. Dies wiederum führt zu erheblichen Kostendegressionseffekten, denen allerdings die hohen Anschaffungskosten gegenüberstehen.43 Das Problem der Fixkostenremanenz kann durch Flexibilisierung gemildert werden. 41 42 43

Vgl. Löwer/Schneider (2017), Internet. Vgl. Klotz (2018), S. 17. Vgl. Brühl (2015), S. 62.

154

Albert Mayr

4.3.2. Prozessebene Durch den Einsatz von Automatisierung, Robotik, Sensoren und anderen CyberPhysischen Systemen ergeben sich deutliche Prozessverbesserungen, da wiederkehrende Routinetätigkeiten wegfallen. Bisher vorhandene Strukturen, Abläufe und Leistungen in Unternehmen werden vollkommen neu gestaltet, was zu einer grundlegenden Prozessreorganisation führt. Softwarelösungen zur Analyse von Prozessen – sogenannte Business Process Management Systeme (BMP-Systeme) unterstützen bei Visualisierung, Modellierung, Simulation und Kostendarstellung.44 4.3.3. Produktebene Die größten Einflussmöglichkeiten auf die Kosten ergeben sich in der Entwicklungsphase von Produkten. Während der Entwicklung werden 70-80 % der Herstellkosten eines Produktes festgelegt. Gleichzeitig existiert jedoch das Dilemma, dass die Möglichkeiten zur Kostenerfassung und Kostenbeurteilung in dieser Frühphase vergleichsweise gering sind.45 Die Kostenrechnung liefert in dieser Anfangsphase keine adäquaten Informationen, da noch keine Stücklisten, Arbeitspläne etc. vorliegen. Aufgrund der Digitalisierung eröffnen sich in der Zukunft ganz neue Möglichkeiten. Durch virtuelle Produktentwicklungen, wo künftige Fertigungsprozesse bereits während der Konstruktion simuliert werden oder Eigenschaften des Produktes ohne aufwändige manuelle Prüfverfahren getestet werden können, verkürzen sich die Produktentwicklungszeiten und damit auch die Kosten. Neue Computer-Aided Design Systeme ermöglichen die Optimierung von Produktvarianten. Kombiniert mit geeigneter Planungssoftware sind wesentlich genauere Vorkalkulationen und Simulationen unter Berücksichtigung bereits vorhandener Produktionsanlagen und Materialströme möglich. 46 Wenn man die errechneten Herstellkosten um künftige Betriebskosten ergänzt, ist einer Ermittlung der Lebenszykluskosten eines Produktes möglich. Es entstehen dadurch ganz neue Möglichkeiten Produkte nicht mehr nur über die Anschaffungskosten, sondern über die Lebenszykluskosten zu vertreiben.

44 45 46

Vgl. Gadatsch (2017), S. 133 ff. Vgl. Ehrlenspiel et al. (2014), S. 15 f. Vgl. Brühl (2015), S. 101 f.

Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung

5.

155

Veränderungen des Kostenmanagements durch die Digitalisierung – Experteneinschätzung

Im Rahmen eines Forschungsprojektes wurden an der FH Oberösterreich, Campus Steyr, im Studiengang Controlling, Rechnungswesen und Finanzmanagement mit sieben Experten aus Industrie- und Beratungsunternehmen semistrukturierte Interviews durchgeführt. Ziel war es herauszufinden, wie weit sich die Aussagen aus der Literatur zur Veränderung des Kostenmanagements durch Digitalisierung und Industrie 4.0 mit den Erfahrungen bzw. Einschätzungen der Unternehmenspraxis decken. Im Folgenden werden die wesentlichsten Ergebnisse (aus Platzgründen verkürzt) wiedergegeben. 5.1. Veränderung von Kostenstruktur, Kostenverlauf und Kostenhöhe Ziemliche Einigkeit herrschte darüber, dass die nicht unerheblichen Investitionen in Digitalisierung wegen einer erwarteten Verbesserung der Wertschöpfung und der Kostenoptimierung passieren. Kostenoptimierung wird dabei nicht unbedingt mit Kostenverringerung, sondern einer besseren Kostenallokation gleichgesetzt. Die hohen Anschaffungskosten beschränken sich nicht nur auf die neuen Technologien, sondern beinhalten vor allem Implementierungskosten, Mitarbeiterschulung und Schnittstellenprogrammierung. Erwartet werden effizientere Prozesse, kürzere Durchlaufzeiten und ein verbesserter Einsatz der vorhandenen Ressourcen. Vielfach wurde eine Amortisationszeit von zwei bis drei Jahren genannt in der sich die Investitionen durch Prozessverbesserungen, Verringerung bzw. Verlagerung der Personalkosten rechnen sollten. Die Kostensituation wird sich verändern. Es werden deutlich höhere ITKosten erwartet. Hinsichtlich der Kostenstrukturen geht man von einem Anstieg sowohl der Fixkosten als auch der Gemeinkosten aus. Die Verbesserung der Prozesse sollte aber auch zu geringeren variablen Kosten führen. Die in der Literatur beschriebenen gleichbleibenden Herstellkosten bis zur Losgröße 1 können laut Meinung der Experten nur eingeschränkt erreicht werden. 5.2. Veränderung der Merkmale und Anforderungen des Kostenmanagements Bei den von Kajüter genannten Merkmalen eines proaktiven Kostenmanagements wurde vor allem die Kostenantizipation genannt. Im Rahmen der Budgetierung versucht man die Kosten frühzeitig zu beeinflussen. Die Bedeutung moderner Informationssysteme und Analysetools wurde mehrfach hervorgehoben. Ganzheitliches Kostenmanagement, Interdisziplinarität sowie Marktorientierung wurde ebenfalls für wichtig erachtet.

156

Albert Mayr

5.3. Veränderung der Aufgaben des Kostenmanagements Die Hauptaufgaben des Kostenmanagements sind Analyse, Planung, Steuerung und Kontrolle. Im Bereich der Analyse geht man davon aus, dass durch moderne BI-Lösungen, Advanced Analytic und Predictive Analytic die Kostensituation und die Kostentreiber besser analysiert werden können. Allerdings ist man diesbezüglich in der Literatur, was den Anwendungsgrad betrifft, wesentlich optimistischer als seitens der Experten. In der Unternehmenspraxis befindet man sich laut Auskunft der Befragten erst im Anfangs- bzw. Teststadium. Im Bereich der Kostenplanung erwartet man durch neuere Planungssoftwarelösungen eine Optimierung und weniger Zeitaufwand. Die Vorhersage der Kosten kann durch intelligente datenbankgestützte Systeme verbessert bzw. automatisiert werden. Bei der Kostensteuerung erwartet man sich deutliche Fortschritte, da die Mitarbeiter durch die Digitalisierung von lästigen Routineaufgaben im Planungsund Kontrollbereich entlastet werden und sich dadurch jenen Tätigkeiten im Kostenmanagement widmen können, die einen Mehrwert schaffen. Die Kostenkontrolle kann mit Hilfe moderner BI-Lösungen tagesaktueller, transparenter und schneller durchgeführt werden. Durch die Integration der Produktionssysteme mit den Controlling-Systemen können Unternehmen die Nachkalkulation der Herstellkosten unmittelbar nach Fertigstellung durchführen und müssen nicht mehr warten bis die Daten manuell rückgemeldet werden. 5.4. Veränderung des Ressourceneinsatzes im Kostenmanagement 5.4.1. Materialmanagement In diesem Bereich ist laut Expertenmeinung vieles bereits automatisiert. Das Materialmanagement profitiert von der Digitalisierung besonders stark. Im operativen Bereich sind viele Prozesse bereits vollautomatisiert. Die Integration der Lieferanten in das Unternehmen mit automatischen Bedarfsmeldungen bringt erhebliche Einsparungen. Die Lagerbestände und damit die Lagerkosten werden durch die Digitalisierung deutlich verringert. Durch automatische Lagersysteme in Verbindung mit Algorithmen, die den Verbrauch und damit auch den Zeitpunkt der Bestellung berechnen können, lassen sich die Lagerprozesse deutlich kostengünstiger gestalten.

Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung

157

5.4.2. Personalmanagement Die Experten sind sich einig, dass sich die Personalkosten sowohl durch die Menge als auch den Preis ändern werden. Bezüglich der Menge geht man davon aus, dass es zu keinem aktiven Personalabbau durch Digitalisierung bzw. Industrie 4.0 kommen wird aber sehr wohl zu einer Verlagerung in andere Stellen. Es kommt durch die Skaleneffekte bei automatisierter Fertigung zu geringeren Personalkosten je Stück. Die Tätigkeitsprofile der Mitarbeiter werden sich in Richtung höherwertigere Aufgaben verändern, was wiederum höhere Gehälter nach sich ziehen wird. Es wird auch ein höheres Maß an Flexibilität erwartet und zwar sowohl hinsichtlich des Arbeitsortes als auch der Arbeitszeit. Es wird auch von einer höheren Leiharbeiterquote ausgegangen, um Arbeitsspitzen abfangen zu können. 5.4.3. Anlagenmanagement Mit Hilfe der neuen Technologien erwarten sich die Experten eine bessere Anlagenauslastung und damit eine Erhöhung der Produktivzeit. Durch den Einsatz digitaler Sensortechnik werden auch die Umrüstzeiten und die Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten reduziert werden. Man geht auch davon aus, dass bei hochtechnologischen Maschinen das Verhältnis Mitarbeiter zur betreuten Maschinenanzahl geringer wird und es trotz der hohen Anlagenkosten zu erheblichen Skaleneffekten kommen wird. Ein von fast allen Befragten angesprochener Vorteil ist die größere Flexibilität der Anlagen und die Möglichkeit kundenindividueller Aufträge schneller produzieren zu können und dies zusätzlich in höherer Variantenanzahl. 5.5. Veränderung auf der Prozessebene im Kostenmanagement Die Umstellung auf digitale Workflows unterstützt auf der Prozessebene, indem Fehlerpotentiale aufgezeigt werden und die Fehlerquoten dadurch verringert werden. Diesbezüglich sind sich die Experten ziemlich einig. Außerdem gehen sie davon aus, dass einfache repetitive Tätigkeiten bis zu 90 % in Zukunft von Robotern übernommen werden können. Dies bedeutet einerseits erhebliche Einsparungen bei den Mitarbeitern, andererseits aber mehr Mitarbeiter für die System- und Prozessüberwachung. Die Digitalisierung bringt außerdem schnellere Prozesse und damit kürzere Durchlaufzeiten, was sich wiederum positiv auf die Kosten auswirkt.

158

Albert Mayr

Es wird aber auch einhellig die Meinung vertreten, dass noch nicht genau feststellbar ist, wie hoch die Vorteile aus der Prozessoptimierung bzw. Qualitätsverbesserung sind. Es müssten Prozesskostenrechnungen durchgeführt werden oder man bildet die Einsparungen über die Opportunitätskosten ab. 5.6. Veränderung auf der Produktebene im Kostenmanagement Durch digitale Anwendungen kann bspw. der Time-to-Market Prozess deutlich verkürzt werden und dadurch Kosten gesenkt werden. Neue Technologien wie 3D-Druck, digitale Plattformen und computerunterstützte Simulationen helfen bei der Entwicklung. Durch den 3D-Druck können Prototypen ohne großen Aufwand schnell und einfach gedruckt werden. Digitale Plattformen sorgen dafür, dass der Konstrukteur einen Überblick über ein Standardsortiment an Materialien und Kleinteilen hat. Sie beinhalten Informationen über die Abmessungen und die Kosten der Materialien. Bei Belastungs- und Crashtests können computergestützte Simulationen enorme Einsparungen bringen. Bei der Konstruktion ermöglicht die Digitalisierung die Erstellung von Schnittstellen, wodurch automatische Stücklisten sowie Arbeitsanweisungen generiert und an die Maschinen weitergeleitet werden. Außerdem unterstützen Product Lifecycle Management Software (PLM) die Entwicklung und Konstruktion bei der Planung, Vorkalkulation und über den gesamten Entwicklungsprozess hinweg. Auf der Produktebene werden zudem häufig schon Schnittstellen mitgeplant, wodurch eine bessere und kostengünstigere Wartung ermöglicht wird. Außerdem bringt dies erhebliche Fortschritte in der Produktentwicklung, da aus den Fehlern wichtige Erkenntnisse gewonnen werden können. 5.7. Veränderung im Bereich der Organisation des Kostenmanagements Von den Experten wird dem Change-Management in der Einführung digitaler Technologien erhebliche Bedeutung beigemessen. Bei der Umstellung ist in vielen Fällen mit Widerstand zu rechnen. Deshalb müssen Mitarbeiter darauf vorbereitet und begleitet werden. Alte Prozesse und Technologien sind abzuschaffen.

Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung

6.

159

Fazit

Durch die Digitalisierung und Industrie 4.0 wird sich die Produktivität und Flexibilität der Anwender deutlich verbessern. Die Vorteile betreffen beinahe alle Bereiche der Wertschöpfungskette. Die notwendigen Investitionen sollten sich laut Expertenmeinung aufgrund der Kosteneinsparungsmöglichkeiten rasch amortisieren. Die Kostensteuerung wird aufgrund der größeren Intransparenz der Kosten (Veränderung der Kostenstrukturen in Richtung mehr Gemein- bzw. Fixkosten) schwieriger werden. Die Prozesskostenrechnung kann diesbezüglich eine gewisse Verbesserung herbeiführen insbesondere dann, wenn es gelingt durch Sensortechnik die Prozesse und Ressourcenverbräuche exakter zu ermitteln. Die großen Investitionserfordernisse im Bereich der Digitalisierung stärken die Bedeutung der Produktlebenszykluskostenrechnung und von Investitionsrechnungen. In der Literatur existieren derzeitig noch viele Fragestellungen, dass es durch die Digitalisierung zu einer deutlichen Effizienzsteigerung bei gleichzeitiger Kostenverringerung kommen wird, konkrete Nachweise bzw. Berechnungen dazu sind aber noch kaum vorhanden. Hier gibt es noch einen großen Forschungsbedarf. Die Experten aus den Unternehmen teilen die Meinung aus der Literatur, sind aber deutlich vorsichtiger in der Einschätzung der positiven Wirkungen. Trotzdem ist davon auszugehen, dass jene Unternehmen, die sich der Digitalisierung verschließen, erhebliche Probleme bekommen werden, da die Kunden wesentlich höhere Ansprüche hinsichtlich Flexibilität, Produktivität, neue und rasche Produktentwicklungen haben. Diese Anforderungen können nur durch die digitale Transformation zu akzeptablen Kosten bewerkstelligt werden.

160

Albert Mayr

Literatur Brühl, V. (2015): Wirtschaft des 21. Jahrhunderts. Herausforderungen in der HightechÖkonomie. Wiesbaden: Springer Gabler. Choi, T.-M./Wallace, S. W./Wang, Y. (2018): Big data analytics in operations management. Production and operations management, 27 Jg., Nr. 10, S. 1868-1883. Davenport, T. H. (2014): Big data@work. Chancen erkennen, Risiken verstehen. München: Vahlen. Ehrlenspiel, K./Kiewert, A./Lindemann, U. (2014): Kostengünstig Entwickeln und Konstruieren. Berlin, Heidelberg: Springer. Fischer, T. M. (2002). Kosten- und Erlösmanagement. In: Küpper, H.-U./Wagenhofer, A. (Hrsg.), Handwörterbuch Unternehmensrechnung und Controlling. (S. 1089-1098). 4. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Franz, K.-P./Kajüter, P. (2002): Proaktives Kostenmanagement. In: Franz, K.-P./Kajüter, P. (Hrsg.), Kostenmanagement. Wertsteigerung durch systematische Kostensteuerung (S. 4-32). 2. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Fröhling, O. (1994): Dynamisches Kostenmanagement. Konzeptionelle Grundlagen und praktische Umsetzung im Rahmen eines strategischen Kosten- und ErfolgsControlling. München: Vahlen. Gabler Wirtschaftslexikon (o. D.): Definition: Digitalisierung, https://wirtschaftslexikon. gabler.de/definition/digitalisierung-54195/version-277247, Abfrage: 16.04.2019. Gadatsch, A. (2017): Grundkurs Geschäftsprozess-Management. Analyse, Modellierung, Optimierung und Controlling von Prozessen. 8. Auflage. Wiesbaden: Springer Vieweg. Günther, T. (2018): Strategisches Kostenmanagement – Stand der Umsetzung und neue Methoden. In: Velte, P./Müller, S./Weber, S. C. (Hrsg.), Rechnungslegung, Steuern, Corporate Governance, Wirtschaftsprüfung und Controlling. Beiträge aus Wissenschaft und Praxis (S. 543-558). Wiesbaden: Springer Gabler. Himme, A. (2009): Kostenmanagement: Bestandsaufnahme und kritische Beurteilung der empirischen Forschung. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 79 Jg., Nr. 9, S. 1051-1098. Homburg, C./Richter, M. (2002): Die Analyse von Kostenproblemen. In: Franz, K.-P./Kajüter, P. (Hrsg.), Kostenmanagement. Wertsteigerung durch systematische Kostensteuerung (S. 60-76), 2. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Internationaler Controller Verein (2014): Big Data – Potenzial für den Controller, Dream Car der Ideenwerkstatt im ICV 2014, https://www.icv-controlling.com/fileadmin/ Assets/Content/AK/Ideenwerkstatt/Files/ ICV_Ideenwerkstatt_DreamCar-Bericht_Big Data.pdf, Abfrage: 16.04.2019. Kagermann, H./Wahlster, W./Helbig, J. (2013): Deutschlands Zukunft als Produktionsstandort sichern. Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0. Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0, https://www.acatech.de/wp-content/ uploads/2018/03/Abschlussbericht_Industrie4.0_barrierefrei.pdf, Abfrage: 15.7.2019 Kajüter, P. (2000): Proaktives Kostenmanagement. Konzeption und Realprofile. Wiesbaden: DUV. Kemminer, J. (1999): Lebenszyklusorientiertes Kosten- und Erlösmanagement. Wiesbaden: Springer.

Veränderungen im Kostenmanagement durch die Digitalisierung

161

Kieninger, M./Michel, U./Mehanna, W. (2015): Auswirkungen der Digitalisierung auf die Unternehmenssteuerung. In: Horváth, P./Michel, U. (Hrsg.), Controlling im digitalen Zeitalter (S. 3-13). Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Kirchner, K./Lemke, C./Brenner, W. (2018): Neue Formen der Wertschöpfung im digitalen Zeitalter. In: Barton, T./Müller, C./Seel, C. (Hrsg.), Digitalisierung in Unternehmen. Von den theoretischen Ansätzen zur praktischen Umsetzung (S. 27-45). Wiesbaden: Springer Vieweg. Klotz, U. (2018): Zukunft der Arbeit. In: Barton, T./Müller, C./Seel, C. (Hrsg.), Digitalisierung in Unternehmen. Von den theoretischen Ansätzen zur praktischen Umsetzung (S. 11-26). Wiesbaden: Springer Vieweg. Kuusisto, M. (2017): Organizational effects of digitalization: a literature review. International Journal of Organization Theory & Behavior, 20 Jg., Nr. 3, S. 341-362. Löwer, T./Schneider, C. (2017): Der optimierte Mittelstand: Global Sourcing und Digitalisierung, https://de.expensereduction.com/wp-content/uploads/2018/05/BarometerKostenmanagement-2017.pdf, Abfrage: 19.4.2019 Männel, W. (1995): Ziele und Aufgabenfelder des Kostenmanagements. In: Reichmann, T. (Hrsg.), Handbuch Kosten- und Erfolgs-Controlling (S. 25-45). München: Vahlen. Nobach, K. (2018): Bedeutung der Digitalisierung für das Controlling und den Controller. In: Ulrich, P./Baltzer, B. (Hrsg.), Wertschöpfung in der Betriebswirtschaftslehre. Festschrift für Prof. Dr. habil. Wolfgang Becker zum 65. Geburtstag (S. 247-269). Wiesbaden: Springer Gabler. Porter, M. E./Heppelmann, J. E. (2014): Wie smarte Produkte den Wettbewerb verändern. Harvard Business Manager, 2014, Nr. 12, S. 34-60. Qu, T./Thürer, M./Wang, J./Wang, Z./Fu, H./Li, C./Huang, G. Q. (2017): System dynamics analysis for an internet-of-things-enabled production logistics system. International Journal of Production Research, 55 Jg., Nr. 9, S. 2622-2649. Roth-Dietrich, G./Gröschel, M. (2018): Matching zwischen innovativen Geschäftsmodellmustern und IT-Wirkungsbereichen. In: Barton, T./Müller, C./Seel, C. (Hrsg.), Digitalisierung in Unternehmen. Von den theoretischen Ansätzen zur praktischen Umsetzung (S. 87-109). Wiesbaden: Springer Vieweg. Schallmo, D. (2013): Geschäftsmodell-Innovation. Wiesbaden: Springer Gabler. Schallmo, D. (2018): Geschäftsmodelle erfolgreich entwickeln und implementieren. Mit Aufgaben, Kontrollfragen und Templates. 2. Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer Gabler. Schallmo, D./Reinhart, J./Kuntz, E. (2018): Digitale Transformation von Geschäftsmodellen erfolgreich gestalten. Trends, Auswirkungen und Roadmap. Wiesbaden: Springer Gabler. Schweitzer, M./Friedl, B. (1997): Kostenmanagement bei verschiedenen Wettbewerbsstrategien. In: Becker, W./Weber, J. (Hrsg.), Kostenrechnung: Stand und Entwicklungsperspektiven (S. 447-463). Wiesbaden: Gabler. Shank, J. K./Govindarajan, V. (1993): Strategic cost management. The new tool for competitive advantage. New York: Free Press. Zehbold, C. (1996). Lebenszykluskostenrechnung. Wiesbaden: Gabler. Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft (2017): Neue Wertschöpfung durch Digitalisierung Analyse und Handlungsempfehlungen, https://vbw-zukunftsrat.de/Neue-Wert-schoepfungdurch-Digitalisierung/Analyse?box=327&box_327=einleitung, Abfrage: 19.04.2019.

Die Auswirkungen von ERP-Systemen auf die Unternehmensziele: Quantitativ-empirische Ergebnisse österreichischer Groß- und Mittelunternehmen

Bernhard Gärtner, Christine Duller und Andreas Stadler 1.

Einleitung

Die heute für Unternehmen vorherrschenden Umfeldbedingungen sind geprägt durch hohen Wettbewerbsdruck, fortschreitende Globalisierung sowie durch sich dynamisch entwickelnde Märkte und Technologien. Dies führt zu gestiegenen Anforderungen hinsichtlich einer möglichst effektiven und effizienten Informationsversorgung des betrieblichen Leistungserstellungsprozesses. Unternehmen versuchen daher ihre Wettbewerbsfähigkeit durch den Einsatz moderner ITSysteme zu erhalten oder auszubauen.1 Eine der bedeutsamsten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte stellen dabei Enterprise-Resource-Planning-Systeme (ERP-Systeme) dar.2 Diese kommerziellen Softwarepakete mit modulartigem Aufbau unterstützen sämtliche Unternehmensbereiche und -prozesse und legen eine zentrale gemeinsame Datenbank zugrunde. Dadurch erfolgt eine ganzheitliche Integration aller unternehmensbezogenen Daten in einem einzigen Informationssystem und der Realtime-Zugriff auf sämtliche Informationen eines Unternehmens wird ermöglicht.3 Aufgrund ihrer integrativen Funktion wird einem ERP-System sowohl in der Wissenschaft als auch in der Unternehmenspraxis ein hohes Potenzial für die Errei-

1

2 3

Vgl. Etezady (2011), S. 21; HassabElnaby et al. (2012), S. 618; Feldbauer-Durstmüller/Gärtner (2013), S. 82. Vgl. Davenport (1998), S. 122. Vgl. Davenport (1998), S. 121 ff.; Kallunki et al. (2010), S. 21.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_7

164

Bernhard Gärtner, Christine Duller und Andreas Stadler

chung der Unternehmensziele eingeräumt.4 In der Literatur gibt es zahlreiche Befunde, die sich mit möglichen Nutzeneffekten durch ein ERP-System beschäftigen, deren Ursprung meist mit Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen begründet wird.5 Eine grobe Unterteilung kann dabei in greifbaren und nicht greifbaren Nutzen erfolgen. Zu ersteren zählen dabei z. B. verringerte Lagerbestände oder ein verminderter Personalbedarf, nicht greifbar sind hingegen Verbesserungen im Prozessaufbau, bei der Entscheidungsunterstützung, der Mitarbeiterzufriedenheit oder der Servicequalität.6 Enorme Investitionen in den letzten Jahren haben dazu geführt, dass ERPSysteme sich v. a. in Großunternehmen (GU) als Standard etabliert haben, aber auch in Mittelunternehmen (MU) sind sie nicht mehr wegzudenken.7 Trotz aller potenziellen Vorteile, die ERP-Systeme mit sich bringen, haben viele ERP-System-Implementierungen zu Problemen geführt oder sind sogar gescheitert.8 Sie sind in der Regel kostspielig und binden personelle Ressourcen in hohem Ausmaß. Projekte dauern vielmals länger als geplant, übersteigen die veranschlagten Kosten oder erbringen nicht den erwarteten Nutzen. 9 Eine ERPSystem-Implementierung stellt somit eine bedeutende Investitionsentscheidung dar, deren Auswirkungen auf das Erreichen der Unternehmensziele nur schwer bewertet werden kann, weshalb immer noch ein wissenschaftlicher Forschungsbedarf zur Klärung dieses Zusammenhangs besteht. 10 In der bisherigen Forschung zum Thema ERP-Systeme und Unternehmensziele kamen häufig hoch aggregierte finanzielle Kennzahlen aus dem Rentabilitätsbereich oder Bewertungskennzahlen des Kapitalmarktes zur Anwendung. 11 In Kapitel 2 dieses Beitrags wird zunächst ein kurzer Überblick über die bisherigen Forschungsergebnisse zu ERP-Systemen und deren Einfluss auf die Unternehmensziele gegeben und in Kapitel 3 werden die Hypothesen zu den Auswirkungen eines ERP-Systems auf die Unternehmensziele abgeleitet. Diese werden in Kapitel 5, nach Darlegung der Methodik, basierend auf einer quantitativ-empirischen Befragung österreichischer GU und MU geprüft und anschließend in Kapitel 6 diskutiert und zusammengefasst.

4 5 6 7 8 9 10 11

Vgl. Davenport (1998), S. 121 f.; Hayes et al. (2001), S. 3; Hendricks et al. (2006), S. 65 ff. Vgl. Hayes et al. (2001), S. 3. Vgl. Murphy/Simon (2001), S. 1 ff.; Etezady (2011), S. 22. Vgl. Hendricks et al. (2006), S. 65 f.; Feldbauer-Durstmüller/Gärtner (2013), S. 84. Vgl. Davenport (1998), S. 122 ff.; Hayes et al. (2001), S. 5; Poston/Grabski (2001), S. 290. Vgl. Granlund/Malmi (2002), S. 300; Hendricks et al. (2006), S. 66; HassabElnaby et al. (2012), S. 618 f. Vgl. Willcocks/Sykes (2000), S. 32; Rikhardsson/Kraemmergaard (2006), S. 44; Velcu (2007), S. 1316. Vgl. Poston/Grabski (2001), S. 280; Hunton et al. (2003), S. 169; Dehning et al. (2007), S. 807.

Die Auswirkungen von ERP-Systemen auf die Unternehmensziele

2.

165

Aktueller Forschungsstand

Die Auswirkungen der IT auf die Unternehmensziele waren bereits Gegenstand zahlreicher Untersuchungen.12 Frühere Studien mit einem entsprechenden Fokus postulieren dabei das Fehlen eines positiven Effekts einer IT-Investition auf die Produktivität von Unternehmen. 13 Allerdings zeigen spätere Ergebnisse, dass ein IT-Einsatz einen positiven Einfluss auf die Unternehmensperformance hat. 14 Hitt und Brynjolfsson stellen in diesem Zusammenhang fest, dass höhere ITAusgaben zwar zu einem Anstieg der Produktivität und des Kundennutzens führen, sich dies jedoch nicht in einer höheren Rentabilität niederschlägt, da finanzielle Zugewinne in Form von niedrigeren Preisen an Kunden weitergegeben werden.15 Im Zusammenhang mit ERP-Systemen existiert ebenfalls eine größere Anzahl an Beiträgen, die sich u. a. mit Themen der Implementierung, der Nutzung sowie mit zukünftigen Trends und Perspektiven beschäftigen. Es gibt auch eine Reihe von Studien, die versuchen den Wert und Nutzen von ERPSystemen für Unternehmen zu bestimmen. 16 Hierbei wurde zumeist im Rahmen von qualitativ-empirischen Interviews oder Fallstudien untersucht, einzelne Nutzeneffekte zu identifizieren.17 Zusätzlich wurden auch mehrere Forschungsprojekte durchgeführt, die die Auswirkungen von ERP-Systemen auf die finanziellen Unternehmensziele beleuchten. Qualitativ-empirische Beiträge zum Thema stellen einerseits eine Kostenreduktion, etwa durch eine effizientere Lagerwirtschaft und dadurch verringerte Kapitalkosten fest, berichten aber auch von Unternehmen, die durch Probleme und hohe Kosten in Verbindung mit der ERP-System-Implementierung Marktanteile verloren.18 Zudem zeigen Fallstudien sowohl positive als auch negative Renditen bedingt durch die Implementierung von ERP-Systemen.19 Die finanziellen Auswirkungen von ERP-Systemen sind nicht immer eindeutig festzustellen, da viele Nutzeneffekte (z. B. höhere Kundenzufriedenheit) nur schwer quantifizierbar sind.20 Velcu bezeichnet die Auswirkungen von ERP-Systemen auf die (finanziellen) Unternehmensziele sogar als „Black-Box“.21 12 13 14 15 16 17 18

19 20 21

Vgl. Brynjolfsson (1993), S. 67 ff.; Hitt et al. (2002), S. 74. Vgl. Brynjolfsson (1993), S. 67 ff.; Dedrick et al. (2003), S. 1 f. Vgl. Hitt/Brynjolfsson (1996), S. 121 ff.; Hitt et al. (2002), S. 74; Dedrick et al. (2003), S. 1 f. Vgl. Hitt/Brynjolfsson (1996), S. 121 ff. Vgl. Moon (2007), S. 245, 247. Vgl. Hitt et al. (2002), S. 73. Vgl. Davenport (1998), S. 127 f., 130; Nicolaou/Bajor (2004), S. 54; Rikhardsson/Kraemmergaard (2006), S. 44 f.; Velcu (2007), S. 1316 ff. Vgl. Stedman (1999), S. 6; Mabert et al. (2001), S. 73. Vgl. Stedman (1999), S. 6; Rikhardsson/Kraemmergaard (2006), S. 44. Vgl. Velcu (2007), S. 1316 f.

166

Bernhard Gärtner, Christine Duller und Andreas Stadler

Ferner untersuchten quantitativ-empirische Studien22 den Zusammenhang zwischen ERP-Systemen und den finanziellen Unternehmenszielen mithilfe von Kennzahlen. Dafür wurden zunächst die Zeitpunkte und Abläufe von ERPSystem-Implementierungen in börsennotierten Unternehmen erhoben. Anschließend erfolgte eine Betrachtung der Entwicklung stark aggregierter finanzieller Kennzahlen (z. B. ROA, ROS, ROI)23 während der Zeiträume vor und nach der ERP-System-Implementierung. Ein Anstieg des häufig untersuchten ROA 24 durch den Einsatz von ERP-Systemen wurde beispielsweise von Hunton et al.25 und Hendricks et al.26 postuliert, während Hitt et al.27, Nicolaou und Bajor28 sowie Etezady29 diesbezüglich keinen Zusammenhang feststellen. Ein möglicher positiver Einfluss auf den ROS30 konnte ebenfalls nur teilweise bestätigt werden.31 Auch in Bezug auf eine Beeinflussung des ROI 32 zeigen sich divergente Resultate. Kallunki et al. stellen fest, dass eine ERP-System-Implementierung nur in Verbindung mit einem formalen Controlling-System zu positiven Effekten auf die nicht-finanziellen Unternehmensziele führt und in Folge auch positive Auswirkungen auf die finanziellen Unternehmensziele (u. a. ROA, ROI) mit sich bringt.33 Die standardisierte Befragung von Wieder et al.34 zeigt hingegen keine Verbesserung von Rentabilitätskennzahlen. Die Studie von Poston und Grabski deutet auf eine Verminderung der Mitarbeiteranzahl im Verhältnis zum Umsatz 35 sowie auf einen Rückgang des Herstellkostenanteils am Umsatz hin. Zusammenfassend zeigen die bisherigen Forschungsergebnisse ein kontroverses Bild. „Even though mature ERP systems have been used for over a decade, there remains dearth of research on the impact of ERP on organizational performance.“36 So besteht, wie aus obiger Diskussion ersichtlich wird, noch weiterer Forschungsbedarf hinsichtlich der Auswirkungen von ERP-Systemen auf die nicht-finanziellen sowie finanziellen Unternehmensziele. 22

23 24

25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

Vgl. Poston/Grabski (2001), S. 271 ff.; Hunton et al. (2003), S. 165 ff.; Nicolaou/Bajor (2004), S. 53 ff.; Hendricks et al. (2006), S. 65 ff.; Etezady (2011), S. 21 ff.; HassabElnaby et al. (2012), S. 618 ff. Return on Assets, Return on Sales, Return on Investment. Vgl. Hitt et al. (2002), S. 76 f.; Hunton et al. (2003), S. 173; Nicolaou/Bajor (2004), S. 55; Hendricks et al. (2006), S. 71; Etezady (2011), S. 22; HassabElnaby et al. (2012), S. 625. Vgl. Hunton et al. (2003), S. 181 f. Vgl. Hendricks et al. (2006), S. 77 f. Vgl. Hitt et al. (2002), S. 93. Vgl. Nicolaou/Bajor (2004), S. 57. Vgl. Etezady (2011), S. 26. Vgl. Hunton et al. (2003), S. 165 ff.; Hendricks et al. (2006), S. 65 ff.; Etezady (2011), S. 21 ff. Vgl. Hitt et al. (2002), S. 84; Nicolaou/Bajor (2004), S. 57. Vgl. Hunton et al. (2003), S. 181 f.; Etezady (2011), S. 26. Vgl. Kallunki/Laitinen/Silvola (2011), S. 30 ff. Vgl. Wieder et al. (2006), S. 13 ff. Auch Hitt et al. stellten Effizienzverbesserung im Personalbereich fest (Vgl. Hitt et al. (2002), S. 84). Vgl. Etezady (2011), S. 21.

Die Auswirkungen von ERP-Systemen auf die Unternehmensziele

3.

167

Hypothesen zu den Auswirkungen einer ERP-System-Implementierung auf die Unternehmensziele

Ein implementiertes ERP-System bietet die Möglichkeit zur Veränderung der nichtfinanziellen sowie finanziellen Unternehmensziele beizutragen.37 Eine positive Haltung gegenüber einem ERP-System wird nicht von allen Mitarbeitern eines Unternehmens gleichermaßen geteilt.38 Diese Einstellung kann vor allem aufgrund der Gefahr des Jobverlustes begründet werden, da in der Implementierung eines ERPSystems oftmals ein Einsparungspotential gesehen wird.39 Granlund konstatiert, dass viele Controller sich bereits gegen kleinere Änderungen bei den ControllingSystemen sträuben, da sie Angst um ihre Position im Unternehmen haben.40 Durch die produktive Nutzung eines ERP-Systems und den damit verbundenen Verbesserungen sind personelle Einsparungen z. B. bei den Routinetätigkeiten zu erwarten.41 Durch ein ERP-System lassen sich z. B. Berichte einfach per Knopfdruck erzeugen.42 Nachdem nicht alle Tätigkeiten der Mitarbeiter von einem ERP-System übernommen werden, bringt eine Implementierung auch viele positive Veränderungen für die Mitarbeiter mit sich.43 Neue ERP-Systeme tragen wesentlich zur effektiveren und effizienteren Erledigung der Tätigkeiten der Mitarbeiter bei.44 Ferner kann durch die Nutzung eines ERP-Systems die Bedeutung und dadurch die Motivation einzelner Mitarbeiter im Unternehmen erhöht werden.45 Demnach bleibt trotz eines möglichen Einsparungspotentials bei den Routinetätigkeiten die Hauptverantwortung der Tätigkeiten immer noch bei den Mitarbeitern.46 Demzufolge fordert eine ERP-System-Implementierung von den Mitarbeitern auch eine Veränderung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten, wodurch eine Erhöhung der Mitarbeitermotivation erreicht werden kann. Einige Forschungsergebnisse zeigen die enorme Bedeutung der betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten, der IT-Fähigkeiten, der sozialen Kompetenz und der Kommunikationsfähigkeit nach einer ERP-System37

38 39 40 41

42 43 44

45 46

Vgl. Poston/Grabski (2001), S. 274; Chapman (2005), S. 685; Dechow/Mouritsen (2005), S. 724; Quattrone/Hopper (2005), S. 736; Rom/Rohde (2006), S. 53; Jack/Kholeif (2008), S. 32; Vakalfotis et al. (2011), S. 79; Chen et al. (2012), S. 85. Vgl. Caglio (2003), S. 123. Vgl. Grabski et al. (2001), S. 55; Scapens/Jazayeri (2003), S. 207; Newman/Westrup (2005), S. 266. Vgl. Granlund (2001), S. 150; siehe auch Teittinen et al. (2013), S. 288. Vgl. Poston/Grabski (2001), S. 277; Granlund/Malmi (2002), S. 314; Scapens/Jazayeri (2003), S. 203; Newman/Westrup (2005), S. 266; Rom/ Rohde (2006), S. 53; Sayed (2006), S. 85 und 94; Sangster et al. (2009), S. 129; Vakalfotis et al. (2011), S. 80; Teittinen et al. (2013), S. 283. Vgl. O' Mahony/Doran (2008), S. 113. Vgl. Spathis (2006), S. 75; O' Mahony/Doran (2008), S. 110; Sangster et al. (2009), S. 126. Vgl. Sayed (2006), S. 85; Spathis (2006), S. 68; Vakalfotis et al. (2011), S. 80; Sánchez-Rodriguez/Spraakman (2012), S. 398; Teittinen et al. (2013), S. 289. Vgl. Jack/Kholeif (2008), S. 32 f.; Sánchez-Rodriguez/Spraakman (2012), S. 402. Vgl. O' Mahony/Doran (2008), S. 113.

168

Bernhard Gärtner, Christine Duller und Andreas Stadler

Implementierung.47 Mitarbeiter müssen sich zusätzlich mit der SoftwareImplementierung, dem Knowledge Sharing und dem Customizing von ERPSystemen vertraut machen, wodurch das Aufgabengebiet stetig erweitert wird.48 Die beschriebenen positiven Effekte bzgl. der Mitarbeitermotivation führen in weiterer Folge u. a. zu einem verbesserten Kundenservice oder zur Förderung von Innovationen.49 Verbesserungen im Kundenservice werden zumeist durch eine bessere Informationsversorgung der Kunden, schnellen Durchlaufzeiten, sowie die Möglichkeit innovative Webservices anzubieten, gefördert. Durch ein ERP-System kann den Vertriebsmitarbeitern zudem auch eine bessere Informationsbasis hinsichtlich ihrer Kunden (z. B. detailliertere Angaben zu den geplanten Lieferterminen, Nachverfolgung der Lieferungen) zur Verfügung gestellt werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine positive Einstellung50 der Mitarbeiter gegenüber einer ERP-SystemImplementierung die Motivation der Mitarbeiter im Unternehmen fördert. Ferner lässt sich aus einer hohen Mitarbeiterzufriedenheit bei zunehmender Kundenbetreuungsintensität ein besseres Kundenservice implizieren, das sich möglicherweise in gesteigerten Erträgen widerspiegelt, weshalb nachfolgende Hypothesen formuliert werden: H1: Ein implementiertes ERP-System verbessert die Motivation der Mitarbeiter im Unternehmen. H2: Ein implementiertes ERP-System verbessert die Kundenzufriedenheit eines Unternehmens. Einem ERP-System wird häufig auch ein maßgeblicher Beitrag zur Erhöhung der Effektivität und Effizienz v. a. in Bezug auf die Unternehmensprozesse zugeschrieben.51 „The introduction of ERP systems for modern enterprises has become one of the most effective tools to achieve high efficiency standards.“52 Dabei besteht ein enger Zusammenhang zwischen einer ERP-System-Implementierung und der Organisationsstruktur bzw. den Prozessen eines Unternehmens. Die Unternehmensprozesse werden standardisiert, automatisiert und transparent abgebildet, wobei ein ERP-System zahlreiche Optimierungsansätze in Form von Industry-Best-Practices liefert und gleichzeitig als Treiber für Business-Prozess-Reengineering wirkt.53 47

48

49

50

51 52 53

Vgl. Rikhardsson/Kraemmergaard (2006), S. 43; Sayed (2006), S. 93; Sangster et al. (2009), S. 137; Chen et al. (2012), S. 96; Teittinen et al. (2013), S. 289. Vgl. Willcocks/Sykes (2000), S. 33; Dechow/Mouritsen (2005), S. 693; Chen et al. (2012), S. 90; Teittinen et al. (2013), S. 287. Vgl. Shang/Seddon (2000), S. 1005 ff.; Hunton et al. (2003), S. 166; Etezady (2011), S. 21; HassabElnaby et al. (2012), S. 629. Eine effektive Kommunikation des Projekts an die Mitarbeiter (aber auch an Kunden und Lieferanten) gilt als Erfolgsfaktor bei der Implementierung eines ERP-Systems (Vgl. Grabski et al. (2001), S. 55 ff.; Dezdar (2012), S. 1082 f.; Gärtner/Duller (2015), S. 89 ff.). Vgl. Davenport (1998), S. 121 ff.; Etezady (2011), S. 21; Kallunki et al. (2011), S. 22. Rizzi/Zamboni (1999), S. 368. Vgl. Rizzi/Zamboni (1999), S. 370; Shang/Seddon (2000), S. 1005; Willcocks/Sykes (2000), S. 33; Hanseth et al. (2001), S. 34 f.; Murphy/Simon (2001), S. 2; Gattiker/Goodhue (2004), S. 432.

Die Auswirkungen von ERP-Systemen auf die Unternehmensziele

169

Schlussendlich sollte es durch die beschriebenen positiven Effekte u. a. zu einem verbesserten Kundenservice oder einer höheren Flexibilität in der Produktgestaltung kommen.54 Die oftmals schwierige Quantifizierbarkeit der nicht-finanziellen Unternehmensziele (z. B. Kundenzufriedenheit) stellen zudem Nutzentreiber dar und wirken indirekt auf die finanziellen Unternehmensziele. Auch eine Reduktion der Kosten zählt zu den möglichen positiven Auswirkungen von ERP-Systemen.55 Aus theoretischer Sicht wirkt ein ERP-System daher sowohl durch eine Verringerung der Kosten, als auch durch einen Anstieg der Erlöse auf die finanziellen Unternehmensziele.56 Daraus kann abgeleitet werden, dass das Zusammenwirken der positiven Effekte von ERP-Systemen auf die nicht-finanziellen Unternehmensziele auch eine Verbesserung der finanziellen Unternehmensziele nach sich ziehen kann. Bis dato veröffentlichte Studien beziehen sich ebenfalls auf Modelle, in denen ERP-Systeme durch eine Verbesserung der nicht-finanziellen Unternehmensziele zu positiven finanziellen Auswirkungen für Unternehmen führen.57 Dieser Zusammenhang konnte auch in einer von Kallunki et al.58 durchgeführten Untersuchung bestätigt werden. Demnach sind Unternehmen bestrebt, ihr ERP-System so zu implementieren bzw. auszugestalten, dass sie ihre unternehmerische Tätigkeit besser unterstützen, als dies ihren Mitbewerbern gelingt. Voraussetzung für eine Verbesserung der finanziellen Unternehmensziele ist allerdings, dass die lukrierten Kosteneinsparungen und Erlössteigerungen die Summe der Kosten für die Implementierung und den Betrieb des ERP-Systems übersteigen.59 Als Kontextfaktoren, die auf diesen Zusammenhang wirken, wurden dabei bislang u. a. das Vorhandensein eines Controlling-Systems, die Unternehmensstrategie sowie die Unternehmensgröße in Verbindung mit der finanziellen Lage zum Zeitpunkt der ERPSystem-Implementierung identifiziert.60 Folgende Hypothesen lassen sich ableiten: H3: Ein implementiertes ERP-System trägt zur Umsatzsteigerung eines Unternehmens bei. H4: Ein implementiertes ERP-System trägt zur Ergebnissteigerung eines Unternehmens bei. H5: Ein implementiertes ERP-System trägt zur Liquiditätssteigerung eines Unternehmens bei.

54

55 56 57 58 59 60

Vgl. Shang/Seddon (2000), S. 1005 ff.; Hunton et al. (2003), S. 166; Etezady (2011), S. 21; HassabElnaby et al. (2012), S. 629. Vgl. Shang/Seddon (2000), S. 1005 f. Vgl. Rikhardsson/Kraemmergaard (2006), S. 44. Vgl. Wieder et al. (2006), S. 16; Velcu (2007), S. 1320; Kallunki et al. (2011), S. 35. Vgl. Kallunki et al. (2011), S. 20 ff. Vgl. Davenport (2000), S. 62 ff.; Murphy/Simon (2001), S. 1 ff.; Wieder et al. (2006), S. 14. Vgl. Hayes et al. (2001), S. 3 ff.; Hunton et al. (2002), S. 31 ff.; Kallunki et al. (2011), S. 20 ff.; HassabElnaby et al. (2012), S. 618 ff.

170 4.

Bernhard Gärtner, Christine Duller und Andreas Stadler

Methodik

4.1. Datenerhebung und Sample Durch eine quantitativ-empirische Studie aller österreichischer GU und MU werden die notwendigen Ergebnisse gewonnen, um die Auswirkungen der ERPSysteme auf die nicht-finanziellen sowie finanziellen Unternehmensziele zu untersuchen.61 Nach der Definition der European Commission (2003) wurden alle Unternehmen in Österreich mit 50 und mehr Mitarbeitern angeschrieben. 62 Im Juni und Juli 2012 erging die Einladung zur Beantwortung des Fragebogens und der Link zur Online-Befragung direkt per Email an die kaufmännischen Geschäftsführer von 5.827 österreichischen Unternehmen. Im Juli 2012 wurden die Geschäftsführer noch zweimal per Email erinnert, die Beantwortung des Fragbogens durchzuführen. Insgesamt beantworteten 488 Unternehmen den Fragebogen, wodurch eine Rücklaufquote von 8,4 % erzielt werden konnte. 192 Fragebögen mussten aufgrund fehlender Informationen und 86 Fragebögen aufgrund der unvollständigen Beantwortung der ERP-System betreffenden Fragen verworfen werden. Von den erhaltenen Fragebögen erwiesen sich demnach 210 Fragebögen als grundsätzlich auswertbar. Die Daten wurden mittels eines standardisierten Online-Fragebogens erhoben, der sowohl offene als auch geschlossene Fragen beinhaltete. Zur Gewährleistung einer allgemeinen Verständlichkeit wurden 10 Pretests bei Unternehmen unterschiedlicher Größenklassen durchgeführt. 63 Die Änderungswünsche aus den Ergebnissen der Pretests wurden gesammelt und in den finalen Fragebogen eingearbeitet. Einer doppelten Beantwortung des Fragebogens konnte mittels individuell vergebener Codes entgegengewirkt werden. Zur Kontrolle des nonresponse-bias wurde ein Vergleich zwischen dem ersten Drittel und dem letzten Drittel der Antworten hinsichtlich unternehmensdemographischer Variablen vorgenommen.64

61

62 63 64

Weitere Ergebnisse dieser Studie wurden bereits in anderen Beiträgen veröffentlicht, vgl. Feldbauer-Durstmüller/Gärtner (2013); Gärtner et al. (2013a); Gärtner et al. (2013b); Gärtner/Duller (2013); Gärtner et al. (2014); Gärtner/Duller (2015); Hiebl et al. (2017). Vgl. Europäische Kommission (2003). Vgl. Atteslander (2010), S. 295 f. Vgl. Leslie (1972), S. 324.

Die Auswirkungen von ERP-Systemen auf die Unternehmensziele

171

4.2. Variablen und statistische Tests Für die Überprüfung der abgeleiteten Hypothesen wurde für die Hypothesen H1 und H2 der einseitige exakte Binomialtest und für die Hypothesen H3 bis H5 die punktbiseriale Spearman Korrelation herangezogen. Alle Tests wurden auf einem Signifikanzniveau von  = 0,05 durchgeführt. Die relevanten Variablen wurden für den einseitigen exakten Binomialtest in dichotomer Form (vgl. Tabelle 1) und für die punktbiseriale Spearman Korrelation in ordinaler Form (fünfteilige Likert-Skala) verwendet. Ferner wurde anhand von binär-logistischen Regressionsmodellen analysiert, ob die Variablen „Unternehmensgröße“65, „Branche Industrie“ und „Familienunternehmen“ einen Einfluss auf die deduzierten Hypothesen H3 bis H5 haben. Die Variable „implementiertes ERP-System“ stellt dabei die unabhängige Variable des Untersuchungsmodells dar (vgl. Abbildung 1). Aufgrund der abgeleiteten Hypothesen wurden die drei Variablen „Umsatzentwicklung“, „Ergebnisentwicklung“ sowie „Liquiditätsentwicklung“ als abhängige Variablen definiert. Für die binär-logistischen Regressionsmodelle wurden alle einbezogenen Variablen in dichotomer Form (vgl. Tabelle 1) verwendet.

Abb. 1: Untersuchungsmodell66

65

66

Die Unternehmensgröße wurde anhand der Mitarbeiteranzahl laut Definition der Europäischen Kommission erhoben (vgl. Europäische Kommission (2003), Internet). Quelle: Eigene Darstellung.

172

Bernhard Gärtner, Christine Duller und Andreas Stadler

Variable abhängig Umsatzentwicklung

Messniveau

Beschreibung

dichotom

Ergebnisentwicklung

dichotom

Liquiditätsentwicklung

dichotom

zeigt, ob sich der Umsatz nach einer ERP-System-Implementierung erhöht (=1) hat oder nicht (=0) zeigt, ob sich das EBIT nach einer ERPSystem-Implementierung erhöht (=1) hat oder nicht (=0) zeigt, ob sich die Liquidität nach einer ERP-System-Implementierung erhöht (=1) hat oder nicht (=0)

erklärend implementiertes ERP-System

dichotom

zeigt, ob das jeweilige Unternehmen ein ERP-System implementiert (=1) hat oder nicht (=0)

Kontrollvariablen Unternehmensgröße

dichotom

Industrie

dichotom

Familienunternehmen

dichotom

zeigt, ob das jeweilige Unternehmen ein Mittelunternehmen (=0) oder ein Großunternehmen (=1) ist; die Unternehmensgröße wurde anhand der Mitarbeiteranzahl nach der Definition der Europäischen Kommission (2003) bestimmt zeigt, ob das jeweilige Unternehmen sich der Branche Industrie zuordnet (=1) oder nicht (=0) zeigt, ob das jeweilige Unternehmen ein Familienunternehmen (=1) oder ein Nicht-Familienunternehmen ist (=0)

Tab. 1: Variablenübersicht

173

Die Auswirkungen von ERP-Systemen auf die Unternehmensziele

5.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der einseitigen exakten Binomialtests für die Hypothesen H1 und H2 sowie der punktbiserialen Spearman Korrelationen für die Hypothesen H3 bis H5 sind in Tabelle 2 dargestellt. Daraus lässt sich erkennen, dass lediglich eine Hypothese (die verbesserte Motivation der Mitarbeiter) bestätigt werden kann. Hypothese

p-Wert (*signifikant)

Motivation der Mitarbeiter

H1

p = 0,000 *

Kundenzufriedenheit

H2

p = 0,988

Umsatzentwicklung

H3

p = 0,888

Ergebnisentwicklung

H4

p = 0,146

Liquiditätsentwicklung

H5

p = 0,696

abhängige Variable

Tab. 2: Ergebnisse des einseitigen exakten Binomialtests (H1 und H2) und der punktbiserialen Spearman Korrelation (H3 bis H5) Der einseitige exakte Binomialtest zeigt anhand eines signifikanten Ergebnisses (p = 0,000), dass die Mehrheit der Untersuchungsteilnehmer eine Verbesserung der Motivation der Mitarbeiter aufgrund einer ERP-System-Implementierung sehen. Hypothese H1 kann somit bestätigt werden. Bei der Kundenzufriedenheit kann keine signifikante Verbesserung (p = 0,988) aufgrund einer ERP-SystemImplementierung anhand des einseitigen exakten Binomialtests nachgewiesen werden. Die Hypothese H2 kann daher nicht bestätigt werden. Wie aus Tabelle 2 ersichtlich und durch die Hypothesen H3 bis H5 formuliert, kann auch zwischen eines implementierten ERP-Systems und der Umsatzentwicklung (H3), Ergebnisentwicklung (H4) und Liquiditätsentwicklung (H5) kein signifikanter Zusammenhang festgestellt werden. Die punktbiseriale Spearman Korrelation liefert für keine der drei Hypothesen H3 bis H5 ein signifikantes Ergebnis. Deshalb kann nicht bestätigt werden, dass ein implementiertes ERP-System zur Verbesserung der finanziellen Unternehmensziele (Umsatz, EBIT, Liquidität) beiträgt. Die Analyse mittels binär-logistischer Regressionsmodelle (vgl. Tabelle 3 mit den Basismodellen und Tabelle 4 mit den finalen

174

Bernhard Gärtner, Christine Duller und Andreas Stadler

Modellen) zeigt, dass keine der modellierten Variablen (erklärende Variable oder Kontrollvariablen) einen Einfluss auf die Umsatz-, Ergebnis- oder Liquiditätsentwicklung hat. Lediglich auf einem großzügigeren Signifikanzniveau von  = 0,1 könnte die Unternehmensgröße einen (geringen) Erklärungsbeitrag zur Ergebnis-, bzw. Liquiditätsentwicklung liefern, aber auch dies nur mit geringem Gesamterklärungswert (vgl. Modellanpassungen R² in Tabelle 3 und Tabelle 4). Aus den dargelegten Ergebnissen ist festzustellen, dass ein implementiertes ERP-System keinen direkt nachweisbaren Einfluss auf die nicht-finanziellen sowie finanziellen Unternehmensziele hat. Lediglich die Motivation der Mitarbeiter kann durch ein ERP-System gefördert werden. Modell 1

Modell 2

Modell 3

Umsatzentwicklung

Ergebnisentwicklung

Liquiditätsentwicklung

exp(b)

p-Wert

exp(b)

p-Wert

exp(b)

p-Wert

ERP-System

0,904

0,810

1,140

0,754

0,941

0,884

Unternehmensgröße

1,772

0,076

1,708

0,089

1,665

0,114

Industrie

0,643

0,169

0,998

0,996

1,100

0,772

Familienunternehmen

1,017

0,956

0,949

0,865

1,049

0,880

Konstante

1,335

0,437

0,703

0,346

0,763

0,466

Modellanpassung Cox & Snell R2 Nagelkerkes R Gültige Fälle

2

0,025

0,020

0,016

0,033 186

0,026 186

0,022 179

Tab. 3: Binär-logistische Regressionsmodelle (Basismodelle)

175

Die Auswirkungen von ERP-Systemen auf die Unternehmensziele

Modell 1

Modell 2

Modell 3

Umsatzentwicklung

Ergebnisentwicklung

Liquiditätsentwicklung

exp(b) p-Wert

exp(b) p-Wert

exp(b) p-Wert

1,759

0,060

1,671

0,094

0,758

0,152

0,767

0,175

ERP-System Unternehmensgröße Industrie Familienunternehmen Konstante

1,296

Modellanpassung Cox & Snell R2 Nagelkerkes R Gültige Fälle

2

0,079

0,000

0,019

0,016

0,000 186

0,025 186

0,021 179

Tab. 4: Binär-logistische Regressionsmodelle (Finale Modelle) 6.

Diskussion und Zusammenfassung

Mit Bezug auf die einschlägige Fachliteratur wurde argumentiert, dass Unternehmen durch ein implementiertes ERP-System eine Steigerung bei den Unternehmenszielen erreichen und sich somit gegenüber den Mitbewerbern differenzieren können. Die Ergebnisse der Studie legen den Schluss nahe, dass ein implementiertes ERP-System keinen unmittelbaren Einfluss auf die nichtfinanziellen sowie finanziellen Unternehmensziele hat. Lediglich hinsichtlich der Motivation der Mitarbeiter konnte ein positiver Zusammenhang hinsichtlich eines ERP-Systems eruiert werden. Durch Automatisierung und Standardisierung mithilfe eines ERP-Systems können Mitarbeiter demnach andere Tätigkeiten sowie eine höhere Aufgabenlast tragen, wodurch sie

176

Bernhard Gärtner, Christine Duller und Andreas Stadler

mehr Verantwortung und Anerkennung im Unternehmen erlangen. 67 Einige bestehende Studien berichten ebenfalls von einem Anstieg der Mitarbeiterproduktivität im Anschluss an die ERP-System-Implementierung.68 Die weiteren Ergebnisse zeigen, dass in der betrachteten Stichprobe einer Verbesserung der finanziellen Unternehmensziele aufgrund einer ERP-SystemImplementierung keine Bedeutung zukam. Mögliche Gründe hierfür könnten sein, dass die Unternehmen kaum monetäre Ziele, wie etwa Kosteneinsparungen oder Erlössteigerungen formulieren. Ferner könnte das Verzichten auf (dynamische) Investitionsrechenverfahren im Zuge der Investitionsentscheidung für ein ERP-System eine mögliche Ursache sein. Ein zukünftiger Forschungsbedarf besteht darin, wie die Wirtschaftlichkeit von ERP-Systemen oder von anderen in Unternehmen eingesetzten IT-Lösungen gemessen bzw. vor der Investition beurteilt werden kann. In diesem Zusammenhang erfolgte im Anschluss an die ERP-SystemImplementierung oftmals keine systematische Überwachung der (finanziellen) Performanceeffekte dieser Investitionen, da der Anteil eines ERP-Systems am wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens nicht oder nur sehr schwer bestimmt werden kann. Daher bietet sich für zukünftige Forschungsarbeiten eine erneute Betrachtung der Kennzahlentwicklung (Umsatz, EBIT, Liquidität) im Zeitverlauf an, wobei hierfür in einer Längsschnittbetrachtung und unter Berücksichtigung des Implementierungsdatums des ERP-Systems mögliche Abhängigkeiten untersucht werden könnten. Es zeigt sich, dass offenbar unterschiedlichste Kontextfaktoren bestehen, die eine Erforschung des Zusammenhangs zwischen ERP-Systemen und den finanziellen Unternehmenszielen erschweren und die daher einer näheren Betrachtung durch die betriebswirtschaftliche Forschung bedürfen. Ein derartiger Forschungsbedarf wurde bereits von Hendricks et al. postuliert. „A study that compares and contrasts the operational practices of firms that have financially benefited from ES against those that have not could be very valuable.“69 Insgesamt kann diese Studie aber dazu beitragen, eine realistische Erwartungshaltung in der Unternehmenspraxis zu erzeugen und soll gleichzeitig aufzeigen, dass dem Auftreten von positiven Auswirkungen auf die finanziellen Unternehmensziele kein Automatismus zugrunde liegt. Ferner wird die Problematik der Wirtschaftlichkeitsbewertung und -messung von ERP-Systemen bzw. von IT im Allgemeinen verdeutlicht. Ebenfalls lässt sich für die Unternehmenspraxis daraus schließen, dass eine längere Anlaufphase bis zum Eintritt positiver Auswirkungen auf die finanzielle Unternehmensperformance berücksichtigt werden muss und ein ERP-System-Projekt nicht vorschnell negativ bewertet werden soll.

67 68

69

Vgl. Dechow/Mouritsen (2005), S. 693; Chen et al. (2012), S. 90 ff.; Gärtner et al. (2014), S. 89 ff. Vgl. Poston/Grabski (2001), S. 286; Hitt et al. (2002), S. 84; Umble et al. (2003), S. 256; Rikhardsson/Kraemmergaard (2006), S. 44; Velcu (2007), S. 1326 ff. Hendricks et al. (2006), S. 80.

Die Auswirkungen von ERP-Systemen auf die Unternehmensziele

177

Die im Rahmen dieser Arbeit verwendete Forschungsmethodik könnte in zukünftigen Forschungsarbeiten auch auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) angewandt werden, da in dieser Größenklasse noch eine geringere ERPSystem-Implementierungsdichte besteht als in GU und ein Einfluss der Kontrollvariable „Unternehmensgröße“ auf das EBIT sowie die Liquidität nachgewiesen werden konnte.70 Unter diesem Aspekt könnten die Auswirkungen von ERPSystem-Implementierungen auf die finanziellen Unternehmensziele möglicherweise praxisrelevante Erkenntnisse für KMU aufzeigen. Ferner besteht bei abnehmender Unternehmensgröße i. d. R. eine geringere Komplexität. Daher kann der betrachtete Zusammenhang in diesem Umfeld möglicherweise besser isoliert werden. Eine weitere Möglichkeit wäre die gezielte Betrachtung der Auswirkungen von ERP-Systemen auf die finanziellen Unternehmensziele von unterschiedlichen Branchen.71 Die Ergebnisse unterliegen einer Reihe von Limitationen, die sich sowohl auf das angewandte Forschungsdesign als auch auf das untersuchte Forschungsfeld selbst beziehen. Die zentrale Schwierigkeit bei der Bearbeitung der aufgeworfenen Forschungsfrage bestand v. a. darin, dass zahlreiche Einflussfaktoren die Entwicklung der Unternehmensziele beeinflussen können. 72 So können beispielsweise Änderungen der Marktlage, neue Produkteinführungen oder von der ERP-System-Implementierung entkoppelte Optimierungsbestrebungen (z. B. Anschaffung effizienterer Produktionsanlagen) zu positiven oder negativen Auswirkungen auf die Unternehmensziele führen. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein durch die ERP-System-Implementierung entstandener finanzieller Vorteil als Preisreduktion an die Kunden weitergegeben wurde.73 Ferner ist die geringe Rücklaufquote (8,4 %) und die daraus resultierende Stichprobe als limitierender Faktor zu berücksichtigen.74 Gleichzeitig stellt die Querschnittbetrachtung eine Einschränkung dar, da ein positiver Einfluss einer ERP-System-Implementierung nicht sofort mit der Einführung eintreten wird. Bei zukünftigen Befragungen sollten, zur Vermeidung von subjektiven Antworten,75 die Fragebögen nicht nur an den kaufmännischen Geschäftsführer adressiert werden. Eine Ausweitung der Untersuchungsteilnehmer z. B. auf den Chief 70 71

72 73 74

75

Vgl. Feldbauer-Durstmüller/Gärtner (2013), S. 84 f. Obwohl ERP-Systeme ihren Ursprung in der Industriebranche hatten, ist seit einigen Jahren der Fokus der ERP-System-Anbieter auf alle Branchen gleichermaßen ausgerichtet (vgl. Gärtner et al. (2014), S. 193). Vgl. Kallunki et al. (2011), S. 37. Vgl. Hitt/Brynjolfsson (1996), S. 121 ff. Baruch und Holtom postulieren in diesem Zusammenhang, dass bei Online-Befragungen aufgrund unterschiedlicher Einflussfaktoren (z. B. Spamfilter) mit einer niedrigeren Rücklaufquote zu rechnen ist und daher eine Rücklaufquote mit 8,4 % als gängig erachtet werden kann (Vgl. Baruch/Holtom (2008), S. 1157). Vgl. King/Bruner (2000), S. 89.

178

Bernhard Gärtner, Christine Duller und Andreas Stadler

Financial Officer (CFO) für zukünftige Forschungsvorhaben sollte angedacht werden. Weiters könnte das für diese Studie verwendete Forschungsdesign um qualitativ-empirische Interviews erweitert werden. Vor allem sollten die CFO als Interviewpartner gewonnen werden, da diese häufig die Verantwortungen bei ERP-System-Projekten innehaben76 und gleichzeitig eine wesentliche Funktion bei der Durchführung von effektivitäts- und effizienzsteigernden Maßnahmen in Unternehmen einnehmen. Eine Verwendung hochaggregierter finanzieller Kennzahlen zur Beurteilung der Auswirkungen von ERP-Systemen auf die finanziellen Unternehmensziele ist in Frage zu stellen. Bei einer neuerlichen Studie sollte ein besonderes Augenmerk auf gut quantifizierbare Erklärungsvariablen gelegt werden.

76

Vgl. Brown (2004), S. 82 ff.

Die Auswirkungen von ERP-Systemen auf die Unternehmensziele

179

Literatur Atteslander, P. (2010): Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin: Schmidt. Baruch, Y./Holtom, B. C. (2008): Survey response rate levels and trends in organizational research. Human Relations, 61 Jg., Nr. 8, S. 1139-1160. Brown, W. (2004): Enterprise Resource Planning (ERP), Implementation Planning and Structure: A Recipe for ERP Success. Proceedings of the 32nd Annual ACM SIGUCCS Fall Conference, S. 82-86. Brynjolfsson, E. (1993): The Productivity Paradox of Information Technology. Communications of the ACM, 36 Jg., Nr. 12, S. 67-77. Caglio, A. (2003): Enterprise Resource Planning systems and accountants: towards hybridization?. European Accounting Review, 12 Jg., Nr. 1, S. 123-153. Chapman, C. S. (2005): Not because they are new: Developing the contribution of enterprise resource planning systems to management control research. Accounting, Organizations and Society, 30 Jg., Nr. 7-8, S. 685-689. Chen, H.-J./Huang, S. Y./Chiu, A. A./Pai, F.-C. (2012): The ERP system impact on the role of accountants. Industrial Management & Data Systems, 112 Jg., Nr. 1, S. 83-101. Davenport, T. H. (1998): Putting the Enterprise into the Enterprise System. Harvard Business Review, 76 Jg., Nr. 4, S. 121-133. Davenport, T. H. (2000): Mission Critical: Realizing the Promise of Enterprise Systems, Bosten: Harvard Business School Press. Dechow, N./Mouritsen, J. (2005): Enterprise resource planning systems, management control and the quest for integration. Accounting, Organizations and Society, 30 Jg., Nr. 7-8, S. 691-733. Dedrick, J./Gurbaxani, V./Kraemer, K. L. (2003): Information Technology and Economic Performance: A Critical Review of the Empirical Evidence. ACM Computing Surveys, 35 Jg., Nr. 1, S. 1-28. Dehning, B./Richardson, V. J./Zmud, R. W. (2007): The financial performance effects of IT-based supply chain management systems in manufacturing firms. Journal of Operations Management, 25 Jg., Nr. 4, S. 806-824. Dezdar, S. (2012): Strategic and tactical factors for successful ERP projects: insights from an Asian country. Management Research Review, 35 Jg., Nr. 11, S. 1070-1087. Etezady, N. (2011): The Impact of ERP Investments on Organizational Performance. International Journal of the Academic Business World, 5 Jg., Nr. 2, S. 21-27. Europäische Kommission (Hrsg.) (2003): Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32003 H0361&from=DE, Abfrage: 21.05.2019. Feldbauer-Durstmüller, B./Gärtner, B. (2013): Controlling und ERP-Systeme: Aktuelle Ergebnisse der eingesetzten ERP-Systeme im Controlling in Österreich. Controller Magazin, 38 Jg., Nr. 4, S. 82-85. Gärtner, B./Duller, C. (2014): Erfolgsfaktoren einer ERP-System-Implementierung: Eine vergleichende Analyse von Groß- und Mittelunternehmen. In: Feldbauer-Durstmüller, B./Hiebl, M. R. W. (Hrsg.), Controlling in Forschung und Praxis: 25 Jahre spezielle Betriebswirtschaftslehre „Controlling“ an der JKU Linz (S. 151-178). Wien: Linde. Gärtner, B./Duller, C. (2015): Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen ERP-SystemImplementierung in MU – Empirische Evidenz aus Österreich. In: FeldbauerDurstmüller, B./Janschek, O. (Hrsg.), Jahrbuch für Controlling und Rechnungswesen 2015 (S. 81-98). Wien: LexisNexis.

180

Bernhard Gärtner, Christine Duller und Andreas Stadler

Gärtner B./Feldbauer-Durstmüller B./Duller C. (2013a): Changes in the role of management accountants following the introduction of ERP systems. European Journal of Management, 13 Jg., Nr. 3, S. 33-44. Gärtner B./Feldbauer-Durstmüller B./Duller C. (2013b): Enterprise Size Impact on the ERP system implementation. International Journal of Strategic Management, 13 Jg., Nr. 3, S. 17-30. Gärtner B./Feldbauer-Durstmüller B./Duller C. (2014): Implementierungserfolg von ERPSystemen hinsichtlich der Routinetätigkeiten im Controlling – Empirische Evidenz aus österreichischen Groß- und Mittelunternehmen. In: Seicht, G. (Hrsg.), Jahrbuch für Controlling und Rechnungswesen 2014 (S. 173-204) Wien: LexisNexis. Gattiker, T. F./Goodhue, D. L. (2004): Understanding the local-level costs and benefits of ERP through organizational information processing theory. Information & Management, 41 Jg., Nr. 4, S. 431-443. Grabski, S. V./Leech, S. A./Lu, B. (2001): Risks and controls in the implementation of ERP systems. The International journal of digital accounting research, 1 Jg., Nr. 1, S. 47-68. Granlund, M. (2001): Towards explaining stability in and around management accounting systems. Management Accounting Research, 12 Jg., Nr. 2, S. 141-166. Granlund, M./Malmi, T. (2002): Moderate impact of ERPS on management accounting: a lag or permanent outcome?. Management Accounting Research, 13 Jg., Nr. 3, S. 299-321. Hanseth, O./Ciborra, C. U./Braa, K. (2001): The control devolution: ERP and the side effects of globalization. ACM SIGMIS Database, 32 Jg., Nr. 4, S. 34-46. HassabElnaby, H. R./Hwang, W./Vonderembse, M. A. (2012): The impact of ERP implementation on organizational capabilities and firm performance. Benchmarking: An International Journal, 19 Jg., Nr. 4-5, S. 618-633. Hayes, D. C./Hunton, J. E./Reck, J. L. (2001): Market Reaction to ERP Implementation Announcements. Journal of Information Systems, 15 Jg., Nr. 1, S. 3-18. Hendricks, K. B./Singhal, V. R./Stratman J. K. (2006): The impact of enterprise systems on corporate performance: A study of ERP, SCM, and CRM system implementations. Journal of Operations Management, 25 Jg., Nr. 1, S. 65-82. Hiebl, M. R. W./Gärtner, B./Duller, C. (2017): Chief financial officer (CFO) characteristics and ERP system adoption: an upper-echelons perspective. Journal of Accounting & Organizational Change, 13 Jg., Nr. 1, S. 85-111. Hitt, L. M./Brynjolfsson (1996): Productivity, Business Profitability, and Consumer Surplus: Three Different Measures of Information Technology Value. MIS Quaterly, 20 Jg., Nr. 2, S. 121-142. Hitt, L. M./Wu, D. J./Zhou, X. (2002): Investment in Enterprise Resource Planning: Business Impact and Productivity Measures. Journal of Management Information Systems, 19 Jg., Nr. 1, S. 71-98. Hunton, J. E./Lippincott, B./Reck, J. L. (2003): Enterprise resource planning systems: comparing firm performance of adopters and nonadopters. International Journal of Accounting Information Systems, 4 Jg., Nr. 3, S. 165-184. Hunton, J. E./McEwen, R. A./Wier, B. (2002): The Reaction of Financial Analysts to Enterprise Resource Planning (ERP) Implementation Plans. Journal of Information Systems, 16 Jg., Nr. 1, S. 31-40. Jack, L./Kholeif, A. (2008): Enterprise Resource Planning and a contest to limit the role of management accountants: A strong structuration perspective. Accounting Forum, 32 Jg., Nr. 1, S. 30-45. Kallunki, J. P./Laitinen, E. K./Silvola, H. (2011): Impact of enterprise resource planning systems on management control systems and firm performance. International Journal of Accounting Information Systems, 12 Jg., Nr. 1, S. 20-39.

Die Auswirkungen von ERP-Systemen auf die Unternehmensziele

181

King, M. F./Bruner, G. C. (2000): Social desirability bias: A neglected aspect of validity testing. Psychology & Marketing, 17 Jg., Nr. 2, S. 79-103. Leslie, L. L. (1972): Are high response rates essential to valid surveys?. Social Science Research, 1 Jg., Nr. 3, S. 323-334. Mabert, V. A./Soni, A./Venkataramanan, M. (2001): Enterprise resource planning: Common myths versus evolving reality. Business Horizons, 44 Jg., Nr. 3, S. 69-76. Moon, Y. B. (2007): Enterprise Resource Planning (ERP): a review of the literature. International Journal of Management and Enterprise Development, 4 Jg., Nr. 3, S. 235-264. Murphy, K. E./Simon, S. J. (2001): Using cost benefit analysis for enterprise resource planning project evaluation: a case for including intangibles. System Sciences, Proceedings of the 34th Annual Hawaii International Conference (2001), January, S. 1-11. Newman, M./Westrup, C. (2005): Making ERPs work: accountants and the introduction of ERP systems. European Journal of Information Systems, 14 Jg., Nr. 3, S. 258-272. Nicolaou, A. I./Bajor, L. H. (2004): ERP Systems Implementation And Firm Performance. The Review Of Business Information Systems, 8 Jg., Nr. 1, S. 53-60 O' Mahony, A./Doran, J. (2008): The Changing Role of Management Accountants; Evidence From the Implementation of ERP Systems in Large Organisations. International Journal of Business and Management, 3 Jg., Nr. 8, S. 109-115. Poston, R./Grabski, S. (2001): Financial impacts of enterprise resource planning implementations. International Journal of Accounting Information Systems, 2 Jg., Nr. 4, S. 271-294. Quattrone, P./Hopper, T. (2005): A ‘time–space odyssey’: management control systems in two multinational organisations. Accounting, Organizations and Society, 30 Jg., Nr. 7-8, S. 735-764. Rikhardsson, P./Kraemmergaard, P. (2006): Identifying the impacts of enterprise system implementation and use: Examples from Denmark. International Journal of Accounting Information Systems, 7 Jg., Nr. 1, S. 36-49. Rizzi, A./Zamboni, R. (1999): Efficiency improvement in manual warehouses through ERP systems implementation and redesign of the logistics processes. Logistics Information Management, 12 Jg., Nr. 5, S. 367-377. Rom, A./Rohde, S. (2006): Enterprise resource planning systems, strategic enterprise management systems and management accounting – A Danish study. Journal of Enterprise Information Management, 19 Jg., Nr. 1, S. 50-66. Sangster, A./Leech, S. A./Grabski, S. V. (2009): ERP Implementations and their Impact Upon Management Accountants. Journal of Information Systems and Technology Management, 6 Jg., Nr. 2, S. 125-142. Sayed, H. E. (2006): ERPs and accountants' expertise: the construction of relevance. Journal of Enterprise Information Management, 19 Jg., Nr. 1, S. 83-96. Sánchez-Rodríguez, C./Spraakman, G. (2012): ERP systems and management accounting: a multiple case study. Qualitative Research in Accounting & Management, 9 Jg., Nr. 4, S. 398-414. Scapens, R. W./Jazayeri, M. (2003): ERP systems and management accounting change: opportunities or impacts? – A research note. European Accounting Review, 12 Jg., Nr. 1, S. 201-233. Shang, S./Seddon, P. B. (2000): A comprehensive framework for classifying the benefits of ERP systems. Americas Conference on Information Systems, August (2000), S. 1005-1014. Spathis, C. (2006): Enterprise systems implementation and accounting benefits. Journal of Enterprise Information Management, 19 Jg., Nr. 1, S. 67-82. Stedman, C. (1999): Survey: ERP costs more than measurable ROI. Computerworld, 33 Jg., Nr. 14, S. 6.

182

Bernhard Gärtner, Christine Duller und Andreas Stadler

Teittinen, H./Pellinen, J./Järvenpää, M. (2013): ERP in action – Challenges and benefits for management control in SME context. International Journal of Accounting Information Systems, 14 Jg., Nr. 4, S. 278-296. Umble, E. J./Haft, R. R./Umble, M. M. (2003): Enterprise resource planning: Implementation procedures and critical success factors. European Journal of Operational Research, 146 Jg., Nr. 2, S. 241-257. Vakalfotis, N./Ballantine, J./Wall, A. (2011): A Literature Review on the Impact of Enterprise Systems on Management Accounting. 8th International Conference on Enterprise Systems, Accounting and Logistics, S. 79-105. Velcu, O. (2007): Exploring the effects of ERP systems on organizational performance: evidence from Finnish companies. Industrial Management & Data Systems, 107 Jg., Nr. 9, S. 1316-1334. Wieder, B./Booth, P./Matolcsy, Z. P./Ossimitz, M. L. (2006): The impact of ERP systems on firm and business process performance. Journal of Enterprise Information Management, 19 Jg., Nr. 1, S. 13-29. Willcocks, L. P./Sykes R. (2000): The Role of the CIO and IT function in ERP. Communications of the ACM, 43 Jg., Nr. 4, S. 32-38.

Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling – praktische Aspekte der Steuer- und Unternehmensberatung

Dietmar Ploier und Stefan Mayr 1.

Einleitung

Der Begriff Digitalisierung umfasst ein sehr breites Themenspektrum, von „papierlosen“ Tätigkeiten bis zur gänzlichen Disruption von gesamten Geschäftsmodellen. Digitalisierung bedeutet somit, dass analoge Wertschöpfung durch Leistungserbringung in einem digitalen, computerhandhabbaren Modell ganz oder teilweise ersetzt wird. Es wird daher ein digitales Modell der betrieblichen Realität geschaffen, welches eine Analog-Digital-Wandlung unternehmensrelevanter Daten und Prozesse erfordert. Die digitale Transformation verändert die Art, wie wir produzieren, Dienstleistungen erstellen und damit auch wie wir arbeiten.1 Die Digitalisierung betrifft dabei eine Vielzahl von Bereichen, wie etwa das Rechnungswesen und das Controlling, einzelne Produkte und Dienstleistungen sowie gesamte Wertschöpfungsmodelle und Unternehmen. Um die Digitalisierung innerhalb eines bestehenden Unternehmens voranzutreiben bzw. erfolgreich umzusetzen, bedarf es verschiedener organisationsbezogener Mindestanforderungen auf strategischer, ablauf- und aufbauorganisatorischer- und IT-Ebene.2 Das Ziel des folgenden Beitrags besteht darin, die Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling im Allgemeinen und aus einer praxisnahen Perspektive der Steuer- und Unternehmensberatung, die vielfach Anbieter dieser Leistungen sind, im Speziellen darzustellen. Neben den Herausforderungen der Digitalisierung in Bezug auf das Arbeitsumfeld von Mitarbeitern im Rechnungswesen und Controlling werden Überlegungen zu Berufsbildern der Zukunft erwogen. In einem 1 2

Vgl. Hofmann (2018), S. V. Vgl. Wolf/Strohschen (2018), S. 58 ff.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_8

184

Dietmar Ploier und Stefan Mayr

weiteren Schritt werden mögliche Auswirkungen der Digitalisierung auf das Rechnungswesen und das Controlling skizziert und zu guter Letzt ein Fazit aus Sicht der Steuer- und Unternehmensberatung gezogen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Digitalisierung im Rechnungswesen, wie etwa die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), werden für Österreich dargestellt. 2.

Digitalisierung – Einordnung und Standortbestimmung

2.1. Herausforderungen und Auswirkungen der Digitalisierung im Allgemeinen 2.1.1. Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt Die Beurteilungen über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die maßgebliche Arbeitswelt reichen von optimistischen Darstellungen auf Grund neuer Berufsbilder bis hin zu Bedenken, moderne Technologien würden Arbeitsplätze vernichten. In der Vergangenheit hatte jede Stufe der industriellen Revolution ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.3 Wie eine Studie belegt, sind etwa durch die Industrialisierung die Reallöhne im Vergleich zum Bruttosozialprodukt überproportional gestiegen und haben eher zu einem wirtschaftlichen Aufschwung geführt.4 Aktuell lässt sich für die Auswirkungen der Digitalisierung keine allgemeine Tendenz vorhersagen. Unterschiedliche Berufe werden durch die fortschreitende Digitalisierung unterschiedlich betroffen sein. Routinearbeiten werden schon jetzt in vielen Fällen durch Maschinen erledigt. Durch die Verfügbarkeit großer, fast unbegrenzter Datenmengen („big data“) wird auch eine große Anzahl an nicht standarisierten, kognitiven Aufgaben durch Algorithmen abgearbeitet. In der Studie „The future of employment“5 der University of Oxford wird dazu rechnerisch ermittelt, dass in der Zukunft Buchhalter, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer mit einer Wahrscheinlichkeit von 94 bis 99 % durch Computerprogramme ersetzt werden können. Sie zählen damit zu den am meisten bedrohten Berufen im Zuge der Digitalisierung. Das Aussterben des Berufstandes der „Buchhalter“ wurde durch die Verfügbarkeit leistbarer Personal-Computer für Kleinbetriebe bereits in der 80er Jahren des letzten Jahrhunderts befürchtet. Die Auswirkungen sind bislang ausgeblieben, die Komplexität in der Durchführung des Rechnungswesens, nicht zuletzt aufgrund 3 4 5

Vgl. Fry/Osborne (2013), S. 7. Vgl. Clark (2008), S. 193 ff. Fry/Osborne (2013), S. 71.

Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling

185

unzähliger steuerrechtlicher Regelungen, macht den Einsatz von spezialisierten Mitarbeitern nach wie vor notwendig. Durch eine Erweiterung des Beratungsspektrums in Richtung digitaler Inhalte, wie etwa die Digitalisierung bestimmter Prozesse bei Kunden, können sich sowohl für die Steuerberatung als auch die Unternehmensberatung sehr große Chancen bieten und neue Geschäftsfelder eröffnen.6 2.1.2. Digitale Transformation der Unternehmen In weiterer Folge werden jene Herausforderungen der digitalen Transformation identifiziert, welche die unternehmerische Tätigkeit in Zukunft beeinflussen werden. Zu diesen zählen folgende:7  Verfügbarkeit von immensen Datenmengen („big data“)  Verhältnismäßig günstige und platzsparende Speichermedien und damit leichte Verfügbarkeit der steigenden Datenmengen  Möglichkeit des Einsatzes von intelligenten Systemen (KI – künstliche Intelligenz)  Vernetzung bzw. Kombination von bestehenden Technologien und Systemen. Diese Faktoren führen zu einer exponentiell steigenden Veränderungsgeschwindigkeit nicht zuletzt auch im Rechnungswesen, wobei sich selbst Zukunftsforscher über die technologischen Entwicklungen überrascht zeigen.8 Diese Umwälzungen führen insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen, zu denen auch die meisten Steuer- und Unternehmensberatungen zählen, zu einem großen Handlungsdruck, aber auch zu Unsicherheit. Einer Befragung von 300 Experten aus den Bereichen Wirtschaft und Technologie zufolge sind die fünf größten Herausforderungen der digitalen Transformation für Klein- und Kleinstunternehmen folgende:9 1. Fehlende Spezialisten zur Steuerung der Digitalisierungsaktivitäten 2. Widerstände der Mitarbeiter 3. Fehlende übergeordnete Digitalisierungsstrategien 4. Keine Unterstützung durch Geschäftspartner 5. Beschränkte Budgets für die Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie Die Wirtschaft steckt dem Grunde nach immer noch im Industriezeitalter. Es stellt sich dementsprechend nicht die Frage, ob sich Unternehmen den digitalen Herausforderungen stellen müssen, um in der Zukunft lebensfähig zu bleiben. Die Frage lautet viel mehr, wieviel Zeit noch bleibt, um die Transformation in das digitale Zeitalter umzusetzen und wettbewerbsfähig zu bleiben. 6 7

8 9

Vgl. Greff et al. (2018), S. 53; LexisNexis (2018) S. 2. Vgl. Weber/Schäffer (2016a), S. 9 ff.; Seufert/Treitz (2017), S. 12 ff.; Singh/Hess (2017), S. 1 ff.; Greff et al. (2018), S. 53 ff. Vgl. Graschitz (2018), S. 13. Vgl. Jabil (o. D.), Internet.

186

Dietmar Ploier und Stefan Mayr

2.1.3. Herausforderungen im Arbeitsalltag des Rechnungswesens und des Controllings Digitale Trends im Rechnungswesen bieten sowohl Chancen als auch Risken, 10 sie werden aber unvermeidbar zu Änderungen der Aufgabenstellungen im Rechnungswesen und im Controlling führen:  Viele Routinetätigkeiten werden künftig vermehrt digitalisiert werden. Die dadurch freiwerdenden personellen Kapazitäten stehen einerseits zur Kontrolle der automatisierten Abläufe und deren Ergebnisse zur Verfügung. Andererseits bleibt mehr Zeit für qualitativ höherwertigere Tätigkeiten wie Aufgaben im Controlling oder in der Steuersachbearbeitung.  Die Konzentration und Spezialisierung auf ausgewählte Branchen und Märkte wird ermöglicht, wohl aber auch notwendig.  Das zur Verfügung stehende Know-how ist für die Erstellung, Implementierung und Wartung der Automatisierungsprozesse von zentraler Bedeutung.  Rechnungswesen- und Controlling-spezifisches Fachwissen muss um technisches Wissen ergänzt werden, um sich zum Spezialisten für Digitalisierungsaktivitäten zu entwickeln. Künftig wird ein gutes Handling von IT-Systemen nicht mehr ausreichend sein. Vielmehr bedarf es eines tiefgreifenden Verständnisses für automatisierte und digitalisierte Prozesse (der Kunden), zumal die Prozesse im Rechnungswesen und Controlling eng verbunden mit allen anderen Abläufen im Unternehmen sind.11 2.2. Berufsfelder der Zukunft im Zusammenhang mit Digitalisierung Der Widerstand von betroffenen Mitarbeitern gegen die durch die Digitalisierung hervorgerufenen Veränderungen ist menschlich. Je rascher und tiefgreifender diese Veränderungen sind, umso größer ist die Ablehnung. Der Widerstand der Mitarbeiter ist eines der wesentlichen Hindernisse bei der digitalen Transformation für Klein- und Kleinstunternehmen im Allgemeinen, 12 und für Steuer- und Unternehmensberatungen im Besonderen. Unter anderen können dafür folgende Gründe genannt werden:13

10 11 12 13

Vgl. LexisNexis (2018), S. 2. Vgl. Greff et al. (2018), S. 58. Vgl. Jabil (o. D.), Internet. Vgl. Plewa (2019), Internet.

Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling

187

 Angst und Unsicherheit  „Ein funktionierendes System sollte nicht geändert werden“  Sinkende Flexibilität im Alter  Mangel an Verständnis  Mangel an Geduld  Einnehmen einer Opferrolle  Missachtung der bisherigen, eigenen Leistung im „alten System“ Das Erlernen und Umsetzen der durch die Digitalisierung notwendigen fachlichen und technischen Fähigkeiten durch Mitarbeiter ist nur eine der Herausforderungen, die vor allem an die Geschäftsführer und Unternehmer künftig gestellt werden. Um eine Vielzahl an arbeitslosen Buchhaltern und Mitarbeitern im Rechnungswesen zu vermeiden, liegt es auch in deren Verantwortung im Zuge der Digitalisierung auf digitale Transformation ausgelegte Umschulungsprogramme zu entwerfen. Diese Programme müssen sich wegen der großen Herausforderungen nicht nur an sachlichen Themen orientieren, sondern auch Aspekte des Change-Managements integrieren. Das Change-Management ist in der heutigen Unternehmensumwelt ein bedeutender Faktor zur Sicherung des Unternehmenserfolgs, um im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben und sich flexibel an sich immer schneller verändernde Umweltbedingungen anzupassen. Die Einführung neuer Technologien im Zuge der Digitalisierung wird zukünftig ein Auslöser für Veränderungsprozesse innerhalb eines Unternehmens sein. Der Vorteil eines begleitenden Change-Managements ist darin zu sehen, dass formale Prozesse proaktiv und strategisch gestaltet werden können. 14 Die durch die Digitalisierung hervorgerufenen Veränderungen müssen auch zu einer Neuausrichtung unseres Bildungssystems, sowohl im Bereich der Schulen als auch auf Ebene der weiterführenden Aus- und Fortbildungseinrichtungen führen. Die aktuell das Schulsystem durchlaufende Generation wächst im Zeitalter der Smartphones und Suchplattformen und im Selbstverständnis mit der digitalen Umwelt auf. Die schon im Berufsleben stehende Generation steht den „Errungenschaften“ der Digitalisierung noch überwiegend skeptisch gegenüber. Der einen Gruppe wird die Angst vor Veränderung und dem Ungewissen zu nehmen sein. Der anderen das Selbstverständnis der Unfehlbarkeit der IT. Beides kann nur durch Vermittlung von Wissen über Wesen und Abläufe von IT-Prozessen, kombiniert mit einer „klassischen“, fachspezifischen Ausbildung erreicht werden. Ob die in den Schulen bereits vermittelten IT-Fähigkeiten ausreichend sind, um die beschriebenen Aufgaben bewältigen zu können, ist anzuzweifeln. Die Verwendung von Buchhaltungssystemen im Unterricht wird wohl nicht genug sein. Zum einen sind die Lehrpläne vor allem in den berufsbildenden 14

Vgl. Schlicher et. al (2018), S. 3.

188

Dietmar Ploier und Stefan Mayr

Schulen anzupassen und um digitale Inhalte zu ergänzen, gleichzeitig ist aber auch des Lehrpersonal entsprechend auszubilden. Die Angaben zu den Kursinhalten für die Ausbildung zum Buchhalter zweier großer österreichischer Erwachsenenbildungseinrichtungen vermitteln sachliche Kompetenz und scheinen auf den ersten Blick inhaltlich vollständig. Verweise auf Inhalte zum Thema Digitalisierung im Rechnungswesen lassen sich in den Ausbildungszielen aber nicht finden.15 Lediglich im Kursangebot der Akademie der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer findet sich aktuell ein Lehrgang zur Ausbildung zum zertifizierten IT-Accountant, durch den Mitarbeiter in allen Bereichen mit den Abläufen einer digitalen Steuerberatungskanzlei vertraut gemacht werden. 16 Auf universitärer Ebene werden fachliche Inhalte, wie Rechnungswesen und Controlling, zumeist getrennt von IT- und Digitalisierungsschwerpunkten angeboten. Diese beiden Bereiche gilt es zukünftig stärker zu integrieren. 3.

Auswirkungen der Digitalisierung auf das Rechnungswesen

3.1. Rechnungswesen im Wandel Mitarbeiter im Rechnungswesen sind nicht erst seit kurzem mit einer steigenden Zahl von rechnerintensiven Prozessen konfrontiert. Dieser Trend begründet sich in der Kombination einzelner technischer Möglichkeiten, die sich aus der zunehmenden Digitalisierung im Rechnungswesen ergeben. Die elektronische Belegausstellung beschränkt sich lange nicht mehr auf die Nutzung von Textverarbeitungssystemen oder Tabellenkalkulationsprogrammen. So werden Ausgangsrechnungen aus den ihnen zugrundeliegenden Primärdaten automatisch abgeleitet. Die Grundaufzeichnungen können genauso aus Warenwirtschaftssystemen im Handel oder Stundenaufzeichnungen in der Dienstleistung stammen. In Kombination mit den im Customer-Relationship-ManagementSystem (CRM-System) gespeicherten Kundendaten wird aber nicht nur die Rechnung automatisch erstellt. Gleichzeitig wird der Buchungssatz abgleitet, in die Finanzbuchhaltung übergeben und dort verbucht. Dabei werden aus einer großen Datenmenge die für die betreffende Aufgabe relevanten Informationen identifiziert und in großer Geschwindigkeit verarbeitet.

15 16

Vgl. WIFI (o. D.), Internet; BFI (o. D.), Internet. Vgl. Akademie der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (o. D.), Internet.

Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling

189

Durch Aufzeichnung laufend anfallender zusätzlicher Informationen werden Geschäftsfälle transparenter, und zwar sowohl unternehmensintern aber auch für Dritte mit begründetem Interesse. Das sind neben den Finanzbehörden17 Banken, Geschäftspartner sowie der Mitbewerb. Dadurch entstehen große Datenmengen, die gespeichert und verarbeitet werden müssen. Unbestritten stellt das eine der Herausforderungen an die IT-Abteilungen dar. Allerdings ergibt sich durch die Analyse der im Zeitablauf immens anwachsenden Datenmenge die Chance, diese auf standardisierbare Abläufe hin zu analysieren und für die Verarbeitung (neue) Algorithmen zu entwerfen. Aus den sich ständig und rasch verändernden Voraussetzungen lassen sich fünf digitale Trends (für das Rechnungswesen) ableiten, 18 durch die unser Arbeitsalltag künftig geprägt werden wird. Keiner davon ist unbekannt, die Entwicklung hat aber hier erst begonnen.  Dokumentenmanagement-Systeme (DMS): Die steigende Anzahl an digital vorhandenen Dokumenten benötigt Lösungen, diese „Datenflut“ strukturiert und sicher aufzubewahren und bedarfsorientiert zur Verfügung zu stellen. Das wird durch sogenannte Dokumentenmanagement-Systeme erreicht. Neben den technischen Herausforderungen, insbesondere des Vorhaltens von ausreichend Speicherplatz mit schnellen Zugriffen, kommt dem Problem einer redundanten Datenspeicherung wieder verstärkte Bedeutung zu, wenn das gleiche Dokument, wie etwa eine Rechnung, in mehreren DMS, in der Buchhaltung und Fakturierung, gespeichert ist.  Selbstlernende Systeme: Selbstlernende Systeme optimieren Abläufe selbständig und klassifizieren bzw. referenzieren Daten anhand vorliegender „Erfahrungen“. Dadurch wird der Aufwand für einzelne Arbeiten optimiert und es entfallen vor allem Routinearbeiten.  Künstliche Intelligenz (KI): „Die künstliche Intelligenz – als wesentlicher Bestandteil des digitalen Wandels – hat eine Bedeutung, die nur zur vergleichen ist mit der Erfindung des Rades oder der Nutzbarmachung der Elektrizität“.19 Im Gegensatz zu selbstlernenden Systemen, die sich mit „Trivialaufgaben“ befassen, werden durch intelligente Systeme komplexe Problemstellungen gelöst. Intelligente Systeme entwickeln eigene Strategien zur Lösung von Problemen und sind geeignet, sich auf schnell ändernde Parameter selbständig einzustellen.  Digitale Oberflächen: Die Visualisierungen digitaler Sachverhalte wird weiterhin wichtig sein, obwohl sich die Form der Darstellung wesentlich verändern wird. Die Darstellungen müssen sich an der Art zu denken orientieren und werden bedingt durch die großen Datenmengen ebenfalls großformatig. Digitale Oberflächen sind keine Monitore im herkömmlichen Sinn. Sie schaffen mehr Übersicht und werden dreidimensionale Oberflächen erzeugen. 17 18 19

Vgl. LexisNexis (2018), S. 27 ff. Vgl. Schreglmann (2019). Vgl. Androsch (2018), S. 2.

190

Dietmar Ploier und Stefan Mayr

3.2. Erfassung und Auswertung von Primärdaten im Rechnungswesen Die digitale Transformation bringt wesentliche Veränderungen in der Generierung und Verarbeitung von Daten. Am Informationsgehalt von Primärdaten, wie etwa Rechnungen, wird es dadurch aber zu keinen wesentlichen Veränderungen kommen. Zu beachten ist, dass mehr Informationen schneller und günstiger zur Verfügung stehen, aus diesen primär erfassten Daten eine größere Zahl von Entscheidungsgrundlagen, etwa mithilfe von Buchhaltungsauswertungen, generiert werden oder Entscheidungen sogar von KI-Systemen automatisiert getroffen werden. Infolgedessen haben sich verschiedene Herangehensweisen in Bezug auf Analysemethoden entwickelt:20  deskriptive Analysen  prädiktive Analysen  präskriptive Analysen Während deskriptive und prädiktive Analysen vermehrt auf vergangenheitsbezogenen Daten aufbauen (wie etwa Umsatz- und Verkaufsstatistiken aus der Buchhaltung), bieten präskriptive Analysen die Möglichkeit, Handlungsempfehlungen mithilfe von Simulationen und Optimierungsverfahren abzuleiten. Präskriptive Analysen bauen auf den Ergebnissen der deskriptiven und prädiktiven Analysen auf und erhöhen die Qualität der Prognose im Rechnungswesen, um die zukünftige Performance eines Unternehmens möglichst genau vorherzusagen und steuern zu können. Diese Analysemethode bietet die Möglichkeit, mehrere Lösungen vorzuschlagen und die Wahrscheinlichkeiten für jede Lösung zu berechnen. 21 3.3. Zusammenspiel Mensch – Maschine und Auswirkungen fehlerhafter Primärdaten Augenscheinlich funktionierende Algorithmen werden künftig in weiten Bereichen des Rechnungswesens, etwa bei der automatischen Verbuchung von Belegen, die Prüfungsinstanz Mensch ersetzen. Diese Systeme bergen jedoch die Gefahr einer trügerischen Sicherheit. 22 Blindes Vertrauen in automatisch übernommene oder generierte Daten ist fehl am Platz, die Kontrollinstanz Mensch kann bei vielen Aufgabenstellungen nicht (gänzlich) ersetzt werden. Der Qualität der generierten oder erfassten Grundlagendaten wird vermehrtes Augenmerk zu widmen sein. Mangelhafte Erfassung oder fehlende Daten wer20 21 22

Vgl. Appelbaum et. al (2017), S. 32. Vgl. Appelbaum et. al (2017), S. 32; Kappes/Leyk (2018), S. 7. Vgl. Graschitz (2018), S. 9.

Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling

191

den aufgrund der steigenden maschinellen Prozesse und der damit verbundenen größeren Anzahl der aus diesen Prozessen gewonnenen Entscheidungsgrundlagen oder Entscheidungen auch eine größere, negative Auswirkung haben. Tendenziell steigt also das Risiko eines Fehlers, etwa bei der automatisierten Verbuchung, mit der Häufigkeit der Verwendung von Primärdaten, wie den Stammdaten von Kunden oder Lieferanten im Rechnungswesen. Wird zum Beispiel die Bonität eines Kunden auf Grundlage falscher Stammdaten ermittelt, kann es zum Ausfall mehrerer Aufträge kommen. Werden Daten (manuell) nur einmalig für die Beurteilung eines einzelnen Auftrages verwendet, führt die Verwendung unrichtiger Stammdaten nur zum möglichen Forderungsverlust eines einzelnen Auftrages. Da im Rahmen von automatisierten Verarbeitungsprogrammen die Fehlerbilder multipliziert werden, kommt der Qualitätskontrolle und Primärdatenpflege durch den Buchhalter eine erfolgskritische Bedeutung zu.23 3.4. Wissensmanagement im Rechnungswesen Wissenstransfer und Wissensmanagement sind sehr umfangreiche Themengebiete und für alle Funktionen innerhalb des Unternehmens relevant.24 Zentrale Herausforderungen stellen dabei die breite Verfügbarkeit an neuem Wissen sowie häufige Gesetzesänderungen, etwa auf steuerlicher Ebene dar. Aufgaben wie Datenschutz und Compliance entwickelten sich in den letzten Jahren zu wichtigen Wissensgebieten, welche es mit hoher Präzision zu erfüllen gilt.25 Um RechnungswesenWissen in Echtzeit abrufen zu können, bedarf es neben verschiedener Auswertungs- und Analyseinstrumente auch eines aktives Wissensmanagements mithilfe von Wissens-Datenbanken. Informationen müssen daher konzentriert und übersichtlich gehalten und aufbereitet werden, um die Suche und das Filtern zu erleichtern.26 Eng verbunden mit dem Wissensmanagement ist das Datenmanagement, welches sich mit der Nutzung von großen Datenmengen beschäftigt (vgl. 4.2.2). 3.5. Implikationen für die Steuerberatung Die Auswirkungen und Implikationen der voranschreitenden Digitalisierung für Steuerberatungskanzleien, als Anbieter von Dienstleistungen im Bereich Rechnungswesen, sind mehrschichtig. Zum einen ergibt sich ein massiver Verände23 24 25 26

Vgl. LexisNexis (2018), S. 30. Vgl. Schröder/Lisowski (2012), S. 371. Vgl. LexisNexis (2018), S. 2. Vgl. LexisNexis (2018), S. 39.

192

Dietmar Ploier und Stefan Mayr

rungsbedarf in den Kanzleien durch die oben skizzierten Aspekte der Digitalisierung im Rechnungswesen. Zum anderen bieten sich enorme Beratungspotentiale bei der Unterstützung der Digitalisierung des Rechnungswesens der Klienten. Auch wenn die Bedeutung der Digitalisierung in der Steuerberatung in einem überwiegenden Maße von den betroffenen Organisationen als hoch bis sehr hoch eingeschätzt wird, so weist mehr als die Hälfte der Steuerberatungskanzleien in Österreich einen geschätzten (internen) Digitalisierungsgrad von weniger als 50 % auf.27 Die interne Digitalisierung kann sich etwa von der Archivierung und dem zentralen Scan aller Poststücke und Dokumente („papierloses Büro“), über den Einsatz von Workflows bei der Fristverwaltung und Aufgabenerledigung, hin zur automatischen Belegverbuchung und Reportstellung (monatliche betriebswirtschaftliche Auswertungen) erstrecken. Der Arbeits- und damit unweigerlich verbundene Suchaufwand, etwa nach Belegen oder Verträgen, wird dadurch drastisch reduziert. Weiterführende Prozesse, wie die Bilanzierung oder die Zurverfügungstellung von Daten und die Kommunikation mit Betriebsprüfern können erheblich effizienter gestaltet werden.28 Durch die zunehmende Automatisierung und damit stärkere IT-Orientierung in den Steuerberatungskanzleien steigt der Bedarf an im Bereich Digitalisierung und IT qualifizierten Mitarbeitern stark an.29 Diesen Bedarf gilt es in den Steuerberatungskanzleien rechtzeitig zu decken. Verfolgt eine Steuerberatungskanzlei eine Digitalisierungsstrategie, so ist deren Umsetzung, mit einer entsprechenden „unternehmenskulturellen Begleitung“ im Sinne des oben angesprochenen Change-Managements zu unterstützen.30 Die notwendigen Kompetenzen müssen arbeitsteilig und im Abgleich mit der Kanzleistruktur aufgebaut werden. Die voranschreitende Digitalisierung bietet jedoch auch eine Vielzahl an produkt- und dienstleistungsspezifischen Möglichkeiten. So kann eine digitalisierte Steuerberatungskanzlei durch automatisierte und digitalisierte Kommunikationsprozesse mit den Klienten leichter und einfacher aus organisatorischer Sicht Dienstleistungen abwickeln oder diese zur Gänze vom Kunden übernehmen. Dies kann auf Klientenseite zu einer Kosten- und oder Zeitersparnis führen. Im Zusammenspiel zwischen Klienten und Steuerberater kann dies zu einer verstärkten Kundenbindung beitragen. Neben den klassischen Leistungen, wie die Übernahme der Buchhaltung und Lohnverrechnung, kann das Spektrum in Richtung Zahlungsverkehr und Mahnwesen erweitert werden. Darüber hinaus haben cloudbasierte Rechnungswesen-Lösungen, die durch Steuerberater angeboten werden, den Vorteil, dass Klienten zeit- und ortsunabhängig auf Auswertungen 27 28 29 30

Vgl. Zinnöcker (2019), S. 6 ff. Vgl. Schützinger (2018), S. 31. Vgl. Steibl/Oberndorfer (2018), S. 6. Vgl. Schuster (2018), S. 15.

Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling

193

und Datengrundlagen zurückgreifen können. 31 Dadurch gewinnt der Aspekt der Controlling-Beratung in den Kanzleien zunehmend an Bedeutung. 32 Über Schnittstellen ist die Anbindung von Vorsystemen der Klienten, wie etwa Fakturierung oder Zeiterfassung, möglich. Eine mögliche weitere Entwicklungsperspektive für Steuerberatungskanzleien stellt das Angebot umfassender IT-, Server- und Softwaredienstleistungen („ERP“) für die Klienten dar. Dies bedeutet zwangsläufig, dass die Beratungsstrategie weg von der reinen steuerlichen Fachberatung zur IT-Beratung verschoben wird, bzw. um diese ergänzt wird. 33 Unstrittig erscheint die Tatsache, dass die digitale Transformation eine Vielzahl an Möglichkeiten für Steuerberatungskanzleien liefert. 4.

Auswirkungen der Digitalisierung auf das Controlling

4.1. Controlling im Wandel 4.1.1. Veränderungen in der Organisation Die umfangreiche Nutzung von IT-Systemen im Controlling ist in der heutigen Zeit ein essentieller Bestandteil vieler Unternehmen. Enterprise Ressource Planning Systeme (ERP), wie etwa SAP, Data Warehouse und Management-InformationsSysteme (MIS) sind die wesentlichen Bausteine. Während vor ein paar Jahren noch die Erstellung von Budgets und Forecasts die wesentlichen Aufgaben für das Controlling darstellten, so sind es jetzt die Aufbereitung und Konsolidierung von immer umfangreicheren und detaillierteren Informationen und Daten. Klassische Reporting-Funktionen werden in Zukunft zum Großteil von intelligenten Systemen übernommen werden, sodass sich Controller stärker einer beratenden Tätigkeit widmen und als Business Partner im Unternehmen fungieren können.34 Im Zuge der Digitalisierung wird es notwendig sein, dass Unternehmen eine agile Organisationsstruktur und Unternehmenssteuerung entwickeln. Dabei soll die Organisation als Ganzes schlanker, integrierter und schneller gestaltet

31 32 33 34

Vgl. Schützinger (2018), S. 31. Vgl. Zinnöcker (2019), S. 11. Vgl. Steibl/Oberndorfer (2018), S. 7. Vgl. Horváth/Michel (2015), S. 23 f.

194

Dietmar Ploier und Stefan Mayr

werden, um innerhalb kürzester Zeit auf Veränderungen reagieren zu können. 35 Um eine agilere Organisation zu erreichen, sind folgende Merkmale relevant: 36  Vorwärtsdenken in alternativen, durchdachten Zukunftsplänen  Ständiger Austausch mit der Umwelt durch heterogene Netzwerke  Schlanke Aufbau- und Ablauforganisation, agiles Führungsverständnis  Besinnung auf die internen, erfahrungsbasierten Stärken Die notwendige Agilität wird auch die zunehmende Digitalisierung der Wertschöpfungsketten in den Unternehmen vorangetrieben. Zudem erfordern digitale Wertschöpfungsprozesse eine integrierte unternehmensübergreifende Steuerung. Durch die Automatisierung von Forecasts versprechen sich Unternehmen signifikante Effizienzgewinne, weil durch die standardisierte Abwicklung Kapazitäten für andere wichtige Tätigkeiten freigesetzt werden. Ebenso verändert sich im Zuge der Digitalisierung der Zeithorizont der Unternehmenssteuerung, da das schnelle, unterjährige Agieren auf Basis aktueller Forecasts die jährlichen Steuerungsaufgaben ablöst bzw. ergänzt. Die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen und der Wettbewerb im digitalen Umfeld führt über kurz oder lang zu vielen Fragen und zu Unsicherheit. Aufgrund höherer Volatilität in vielen Märkten (sowohl auf Kunden als auch Lieferantenseite), in denen die Digitalisierung voranschreitet, stellt die Planbarkeit des Geschäfts und der unternehmerischen Ressourcen eine zunehmend größere Herausforderung dar. Das Controlling muss sich im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung als „Single-Point-of-Truth“ von Informationen positionieren, um seine Relevanz in einer veränderten Unternehmensumwelt aufrechtzuhalten.37 Dies ist im Zuge der zunehmenden Datenvielfalt notwendig, um eine entsprechende Qualität der Informationsversorgung für das Management in Zukunft sicher stellen zu können. 38 4.1.2. Veränderungen in den Aufgaben des Controllers Der enorme Veränderungs- und Innovationsdruck in den Unternehmen wird in den nächsten Jahren das Controlling stark betreffen. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, dass Controller die digitale Transformation kritisch begleiten und sich nicht länger ausschließlich auf ihre Rolle als Informationsversorger stützen. Das bloße Erstellen von Analysen und Reports durch den Controller stiftet aufgrund der Digitalisierung kaum noch zusätzlichen Mehrwert. 39 Zusätzlich birgt 35 36 37 38 39

Vgl. Weber/Schäffer (2016a), S. 11 f. Vgl. Singh (2018), Internet. Vgl. Weber/Schäffer (2016a), S. 11. Vgl. Vidgen et al. (2017), S. 632. Vgl. Weber/Schäffer (2016a), S. 11.

Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling

195

die Standardisierung und Zentralisierung von Controlling-Prozessen enorme Effizienzsprünge und Automatisierungspotentiale im Finanzbereich.40 Dies impliziert, dass entlastende Controlling-Aufgaben, wie zum Beispiel die reine Zurverfügungstellung von Informationen, der Vergangenheit angehören und sich Controller vermehrt „wertschaffenden“ Aufgaben widmen können. Dies führt zu einem Wegfall bzw. einer Weiterentwicklung der typischen Anforderungsprofile im Controlling. Somit bieten sich für Controller neue Einsatzfelder und Karrierewege an: Weniger Entlastungsaufgaben und viel mehr Ergänzungsaufgaben, in jenen der Controller noch viel stärker als Berater des Managements und in weiterer Folge als Business Partner (vgl. 4.2.4) fungiert, werden das ControllingVerständnis völlig neu definieren.41 Zudem müssen sich Controller im Zeitalter der Digitalisierung statistische und informationstechnologische Fähigkeiten („Data Science“) aneignen, da dies für die Verarbeitung von komplexen und unstrukturierten Daten unumgänglich ist.42 Der Data Scientist hat die Aufgabe, Daten aller Art und Struktur zu identifizieren, zu kombinieren und zu analysieren. Er verfolgt dabei stets das Ziel, neue betriebswirtschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen und deren Auswirkungen auf das Unternehmen abzubilden.43 Neben betriebswirtschaftlichen Fragestellungen können auch die Identifikation neuer technischer Entwicklungen oder Analysen zu Kundenanforderungen und -präferenzen zu seinem Aufgabenbereich zählen. Der Data Scientist ist somit in methodischer Hinsicht und der Controller in fachlicher Hinsicht spezialisiert. Damit ist gemeint, dass sich Controller vor allem auf beratende Tätigkeiten fokussieren, während sich Data Scientists auf die Analyse von Big Data zur Verbesserung der Entscheidungen im Unternehmen ohne Rücksicht auf Wirtschaftlichkeit spezialisieren. 44 Derzeit ist der Data Scientist in der Unternehmenswelt schwach repräsentiert, daher wird sich erst in Zukunft zeigen, welche Bedeutung dieser wirklich in der Praxis einnehmen wird.45 Aktuell ist daher noch unklar, ob Controller die Rolle des Data Scientists zur Gänze oder teilweise übernehmen (können), bzw. wie eine mögliche Zusammenarbeit aussehen könnte.46

40 41 42 43 44 45 46

Vgl. Biel et al. (2017), S. 38 ff. Vgl. Weber/Schäffer (2016a), S. 12 f. Vgl. Davenport/Patil (2012), S. 72 ff.; Weber/Schäffer (2016a), S. 14. Vgl. Horváth/Michel (2015), S. 48. Vgl. Horváth/Michel (2015), S. 52 f. Vgl. Horváth/Michel (2015), S. 56. Vgl. Steiner/Welker (2016), S. 68 ff.

196

Dietmar Ploier und Stefan Mayr

4.2. Herausforderungen und Möglichkeiten für das Controlling 4.2.1. Überblick Im Folgenden werden ausgewählte zukünftige Herausforderungen und zugleich Möglichkeiten im Rahmen der Digitalisierung für das Controlling dargestellt:

Abb. 1: Herausforderungen und Möglichkeiten für das Controlling 47

4.2.2. Daten-Management Die Voraussetzung für die Nutzung von großen digitalen Datenmengen im Controlling („Big Data“), wie etwa durch predicitive bzw. prescriptive Analytics oder den Einsatz von Treiberbäumen, sind ähnlich wie im Rechnungswesen fehlerfreie Rohund Stammdaten.48 Die Analysen der jeweiligen Daten können nur dann zielführend sein, wenn der eingegebene Dateninput der erforderlichen Qualität entspricht. Das Grundproblem der Datenqualität ist ein ständiger Wegbegleiter in Zeiten der Digitalisierung. Datenqualitätsprobleme entstehen nicht nur im Eingabeprozess, sondern auch im Datenverarbeitungsprozess, welcher sich von der Entstehung bzw. Generierung über die Transformation bis hin zur Analyse der Daten erstreckt.49 Ein effektiver und effizienter Einsatz von BI & Analytics setzt eine hohe Datenqualität voraus, um sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Daten in zukünftige Analysen miteinzubeziehen.50

47 48 49 50

Quelle: In Anlehnung an Weber/Schäffer (2016a), S. 10. Vgl. Weber/Schäffer (2016a), S. 9. Vgl. Schön (2017), S. 290. Vgl. Appelbaum et. al (2017), S. 40.

Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling

197

Infolgedessen kommt dem Management von Roh- und Stammdaten eine hohe Bedeutung zu, wofür das Controlling neben dem Rechnungswesen (vgl. 3.2) hauptverantwortlich ist. Die Sicherstellung der Konsistenz und der Kompatibilität von verschiedenen Daten- und Analysemodellen innerhalb des Unternehmens stellt eine weitere wichtige Aufgabe im Bereich des Daten-Managements dar.51 Im Hinblick auf das Planungs- und Reportingsystem ist zu beachten, dass die Daten aufgrund der Integration von verschiedenen Datenquellen, wie z. B. Verkaufsstatistiken oder Zeiterfassungen, harmonisiert werden müssen, um einheitliche und standardisierte Daten zu gewährleisten. Die Datenqualität ist die wichtigste Komponente des gesamten Planungs- und Reportingsystems, denn eine hohe Datenqualität sorgt für die Akzeptanz dieser Systeme innerhalb des Unternehmens.52 Im Zuge der Entwicklung der Controlling-Aufgaben in Richtung Data Scientist bleibt das Controlling der „Single-Point-of-Truth“. Das bedeutet, dass Controller sicherstellen müssen, dass das Management finanzieller und nichtfinanzieller Roh- und Stammdaten fest im Tätigkeitsbereich des Controllings verankert ist.53 Neben den Controllern sorgen auch das Rechnungswesen und die IT für die einzuhaltende Qualität der Daten. Dabei wählt letztere die zu einsetzenden Werkzeuge und Instrumente zur Verbesserung der Datenqualität aus. Das Controlling fungiert hierbei als eine koordinative Stelle zwischen Management und IT.54 4.2.3. Self-Controlling und digitale Planung Im Sinne des Self-Controllings sind Controller dafür verantwortlich, den Informationszugang für Manager zu erleichtern, um auch bei diesem das „Controlling-Mindset“ zu forcieren. Dabei sind Manager in der Lage, wichtige Informationen bezüglich der Steuerung des Unternehmens selbstständig und direkt aus den (Management-) Systemen zu filtern (Self-Service). Dieser Vorgang erfolgt ortsungebunden (mobil) und in Echtzeit, d. h. Informationen können unabhängig vom Controlling beschafft werden. Mithilfe von Treiberbäumen erfolgt nicht nur eine Demokratisierung des Informationszugangs, sondern auch eine übersichtliche Darstellung der Logik, um die Diskussionen zwischen den Entscheidern anzuregen. Dabei müssen die Ausprägungen von Self-Service und Realtime in regelmäßigen Abständen überprüft und angepasst werden. 55

51 52 53 54 55

Vgl. Weber/Schäffer (2016a), S. 9. Vgl. Schön (2017), S. 312. Vgl. Weber/Schäffer (2016a), S. 9 f. Vgl. Schön (2017), S. 296. Vgl. Weber/Schäffer (2016a), S. 10 f.

198

Dietmar Ploier und Stefan Mayr

Bei Treiberbäumen handelt es sich um verschiedene unternehmensspezifische Modelle, welche die Wirkung von diversen Einflussgrößen (Treiber) auf zentrale Erfolgsgrößen wie Erlöse, Ergebnis oder Beitrag zur Unternehmenswertsteigerung aufzeigen. Diese Treibergrößen müssen mathematisch mit den finanziellen Ergebnisgrößen verknüpft werden, um ein erfolgreiches treiberbasiertes Modell zu erhalten.56 Speziell für eine treiberbasierte Planung und Steuerung empfiehlt es sich, das Treibermodell um Simulationsaspekte zu erweitern. Dieses Treiber- und Simulationsmodell wird als Basis für den Steuerungsprozess eingesetzt. Zudem dient es auch zu Ad-hoc-Analysen.57 Unternehmen werden in Zukunft stärker daran gemessen, wie schnell auf Marktänderungen reagiert werden kann und Gegensteuerungsmaßnahmen eingesetzt werden. 58 Mithilfe dieser Treiberbäume ist es möglich, die digitale Planung, welcher automatisierte funktionale Forecasts als Ausgangspunkt zu Grunde liegen, weiterzuentwickeln. Die digitale Planung wird in einem hohen Maß integriert und detailliert sein, sodass verschiedene Prozesse und Steuerungsebenen miteinbezogen werden. Die Erstellung von Forecasts und Planung erfolgt überwiegend automatisiert und somit kann eine höhere Fokussierung auf Entscheidungs- und SzenarioBetrachtungen gewährleistet werden. Diese Szenario-Betrachtungen stellen das wesentliche Kriterium der digitalen Planung dar. Hierbei werden Auswirkungen verschiedener Entwicklungen simuliert und in Szenarien zusammengefasst, um im nächsten Schritt zu einem Ziel-Szenario zu gelangen. Mithilfe komplexer Simulationsmodelle werden die Auswirkungen verschiedener Veränderungen auf Unternehmenskennzahlen abgeleitet.59 Die vielfältigen neuen Möglichkeiten der digitalen Planung stärken vor allem den Controller in seiner Rolle als Business Partner.60 4.2.4. Controller als Business Partner Das Aufgabenspektrum des Controllers ist fundamentalen Veränderungen ausgesetzt (vgl. 4.1.2). Der Controller muss die digitalen Veränderungen innerhalb des Unternehmens konstruktiv-kritisch unterstützen, um als Business Partner wahrgenommen zu werden.61 Der Business Partner ist dadurch charakterisiert, dass der Controller auf Augenhöhe mit dem Management agiert und als proaktiver, 56 57 58 59 60

61

Vgl. Horváth/Michel (2015), S. 160. Vgl. Horváth/Michel (2015), S. 165 f. Vgl. Kappes/Leyk (2018), S. 9. Vgl. Kappes/Leyk (2018), S. 5 ff. Vgl. Kappes/Leyk (2018), S. 8 f. Unter einer Planungsplattform verstehen die Autoren eine integrierte Softwarelösung für Zielsetzung und Budgetierung, operativen und finanziellen Forecast sowie die operative Steuerung. Vgl. Weber/Schäffer (2016a), S. 13.

Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling

199

ergänzender Partner intensiv in operative und strategische Prozesse eingebunden ist. Diese Rolle hat sich zumindest als Zielbild in der Controlling-Praxis weit verbreitet.62 Der Business Partner treibt die digitale Transformation bei gleichzeitiger Sicherung der kurzfristigen Profitabilität voran. Weiters hat er die Aufgabe mittels Szenario-Analysen auf grundlegende Veränderungen hinzuweisen. 63 Im Rahmen der digitalen Planung und der Erstellung von Szenarien fokussiert sich der Controller auf die Beratung der Funktionen auf kaufmännischer Ebene. Für den Modellaufbau einer treiberbasierten digitalen Planung erfordert es zugleich methodisches und statistisch-mathematisches Wissen.64 Dafür wird eine offene konstruktive Kritik innerhalb des Unternehmens benötigt, um aus dem hierarchischen Denken zu treten, denn eine digitale Transformation impliziert eine höhere Volatilität der Geschäftsmodelle und eine Globalisierung der Wertschöpfung. Controller können als Business Partner für das Unternehmen einen großen Mehrwert liefern, wenn sie einen geordneten Umgang mit komplexen Entscheidungsstrukturen sicherstellen, für ein einheitliches Digitalisierungsverständnis im Unternehmen sorgen und den dringend notwendigen Strategiebezug der Digitalisierung sicherstellen.65 Dafür muss der Controller seine Fähigkeiten sowie sein Kompetenzprofil ständig weiterentwickeln. 66 4.3. Implikationen für die Unternehmensberatung Auch für Unternehmensberatungen, welche vor allem im Segment der kleinen und mittleren Unternehmen Anbieter von Controlling-Dienstleistungen sind, sei es eigenständig oder im Verbund mit Steuerberatungsunternehmen, stellen sich zentrale Herausforderungen im Umgang mit Digitalisierung. Unternehmensberater nehmen in diesem Kontext häufig die Rolle des externen Business Partners ein, der die Entwicklung und Performance des Unternehmens auf Augenhöhe und gemeinsam mit dem Management plant, reflektiert und steuert. Die Unternehmensberatung allgemein ist dabei eine Branche, die stark von der Digitalisierung profitieren kann, indem sie Digitalisierungsprojekte bei Kunden als Ergänzung, zur klassischen (Controlling-) Beratung etwa, initiiert, steuert und letztendlich umsetzt.67 Wie oben angeführt, bietet auch das Controlling eine Vielzahl an Digitalisierungsmöglichkeiten, von denen die Unternehmensberatungs-Klienten auf unterschiedlichste Art und Weise profitieren 62 63 64 65 66 67

Vgl. Weber/Schäffer (2016b), S. 495. Vgl. Weber/Schäffer (2016a), S. 13. Vgl. Kappes/Leyk (2018), S. 9. Vgl. Becker et al. (2016), S. 116. Vgl. Weber/Schäffer (2016a), S. 13 f. Vgl. Greff et al. (2018), S. 53.

200

Dietmar Ploier und Stefan Mayr

können: So können Projekte zur Verbesserung der (Primär-) Datenqualität Redundanzen und Fehler vermindern, die Kompatibilität unterschiedlicher Daten (-systeme) erhöhen und letztendlich im Sinne einer prescriptive Analytics die Entscheidungsgrundlagen enorm verbessern. Unternehmensberatungen sind von Natur aus aufgrund ihrer Projekterfahrung prädestiniert, (herausfordernde) Digitalisierungsprojekte bei ihren Klienten erfolgreich umzusetzen. Voraussetzung ist hierfür, ähnlich wie bei Steuerberatungsunternehmen, das entsprechende Know-how im Bereich Digitalisierung, Business Intelligence und Analytics sicher zu stellen. Ansonsten läuft die Unternehmensberatung Gefahr, lukrative Digitalisierungsprojekte und -dienstleistungen an spezialisierte IT-Berater zu verlieren.68 Neben digitalen Beratungsinhalten stellt sich für die Unternehmensberatung, ähnlich wie für die Steuerberatung, die Frage nach der Digitalisierung des Beratungsprozesses selbst. Die Digitalisierung oder auch Virtualisierung von Beratungsleistungen kann eine innovative Strategie zur Sicherung der Wettbewerbsposition und des nachhaltigen Unternehmenserfolgs des Beratungsunternehmens sein und klassische Angebote der Unternehmensberatung, wie etwa Controlling, perfekt ergänzen.69 Die Bandbreite in der Digitalisierung von Beratungsdienstleistungen reicht dabei von virtualisierten Beratungsgesprächen (etwa über Videokonferenzen und ähnliches) über Online Streams (mithilfe von Webinaren) hin zu Online Services (wie etwa beim Self-Controlling) und vollautomatisierte, algorithmische Analysen („digitale Planung und Forecasts“).70 In einer beinahe vollständig virtualisierten Beratungsumgebung bietet der Berater dem Klienten (Beratungs-) Applikationen an, die Teile der klassischen Controlling-Beratung abdecken können.71 Die Entwicklung bzw. der Erwerb solcher Applikationen stellt für die Beratungsunternehmen eine strategische Entscheidung mit großer Tragweite und vergleichsweise hohen Kosten dar. Resümierend lässt sich festhalten, dass im Sinne des Business Partner Ansatzes sinnvollerweise nicht alle Beratungsleistungen digitalisiert werden sollen. Darüber hinaus stellt für Unternehmensberatungen, ähnlich wie für Steuerberatungen, das technische Wissen der Mitarbeiter in Zukunft eine zentrale Kompetenz dar.72

68 69 70 71 72

Vgl. Werth et al. (2016), S. 57 ff. Vgl. Nissen/Seifert (2017), S. 414. Vgl. Greff et al. (2018), S. 56 f. Vgl. Nissen/Seifert (2017), S. 416. Vgl. Greff et al. (2018), S. 55 ff.

Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling

5.

201

Exkurs: Rechtliche Rahmenbedingungen der Digitalisierung

5.1. Datenschutz bzw. Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) Die steigenden Datenvolumina in Kombination mit zunehmender, auch internationaler Vernetzung erhöhen die Bedrohung und Risken sowohl durch Internetkriminalität als auch durch unzulässige Verwendung gespeicherter Daten. Durch Sicherheitsmaßnahmen ist zu gewährleisten, dass Daten nur berechtigten Personen zur Verfügung stehen (Vertraulichkeit), dass die Veränderung der Daten nachvollzogen werden kann (Integrität) und dass die Daten insbesondere vor Verlust geschützt sind (Verfügbarkeit)73. Durch funktionierende Maßnahmen zum Datenschutz in Verbindung mit hoher Transparenz der gesetzten Maßnahmen wird nicht zuletzt auch das Vertrauen der Geschäftspartner in das eigene Unternehmen gestärkt. Als besonders sensibel werden personenbezogene Daten angesehen. Von den Datenschützern wird die mit Mai 2018 in Geltung gesetzte EU-DatenschutzGrundverordnung (DSGVO) als Meilenstein des Datenschutzes angesehen.74 Hier wird das Grundrecht natürlicher Personen auf Schutz von personenbezogenen Daten geregelt, das betrifft die Verspeicherung, Verarbeitung und die Übermittlung bestimmter Daten. Werden personenbezogene Daten für analytische Zwecke eingesetzt, sieht die Verordnung strenge Regeln vor, insbesondere zur Transparenz und generellen Zulässigkeit dieser Berechnungen. Auf Seite der Datenverarbeiter, wie Steuer- und Unternehmensberatungskanzleien, kann die DSGVO mit ihren strengen Vorgaben auch als Hemmschuh im technologischen Fortschritt gesehen werden, wenn man davon ausgeht, dass Rechnungswesen-Systeme im Allgemeinen und CRM-Systeme im Speziellen ausnahmslos (auch) personenbezogene Daten verarbeiten. Analytische Modelle („präskriptive Analyse“) verknüpfen unterschiedliche Daten. Dabei werden die personenbezogenen Daten sowohl auf der funktionalen Ebene als auch in einem (Finanz-) Forecast verarbeitet.75 Gerade KI-Systeme benötigen riesige Datenmengen, um Strategien für komplexe Problemlösungen generieren zu können. Diese Datenmengen können vor allem im Bereich der Klein- und Kleinstunternehmen durch eine einzelne Einheit nicht zur Verfügung gestellt werden, die Zusammenführung von Daten einer großen Zahl von Unternehmen wird notwendig sein. Auch hier kann die DSGVO als Hindernis bzw. Herausforderung, insbesondere auch für Steuer- und Unternehmensberatungen, angesehen werden. Die Datenspeicherung muss transparent sein, jede natürliche Person hat das Recht auf Auskunft über die Verwendung der Daten und das Recht auf Lö73 74 75

Vgl. Brunner/Rusek (2018), S. 22. Vgl. Graschitz (2018), S. 18. Vgl. Kappes/Leyk, (2018), S. 8.

202

Dietmar Ploier und Stefan Mayr

schung. Weiters ist die Verspeicherung von Daten nur auf Servern zulässig, die in Ländern stehen, die entweder selbst zur Anwendung der DSGVO verpflichtet sind oder von der Europäischen Datenschutzbehörde als unbedenklich eingestuft werden. Als unsicher gelten zum Beispiel Indien, aber auch die USA. 5.2. Abgabenrechtliche Verfahrensvorschriften 5.2.1. Zulässigkeit der elektronischen Verspeicherung Die österreichische Bundesabgabenordnung erlaubt oder verbietet die maschinelle Datenverarbeitung mit Ausnahme des verpflichtenden Einsatzes von elektronischen Aufzeichnungssystemen für Bareinnahmen nicht explizit. Vorgeschrieben wird, dass die Regelungen für die händische Führung von Büchern analog auch gelten, wenn die Geschäftsvorfälle maschinell erfasst werden. Bei Verwendung von Datenträgern müssen die Bücher auf Kosten des Abgabepflichtigen innerhalb der Aufbewahrungsfristen inhaltsgleich, vollständig und geordnet wiedergegeben werden können. Ausgeschlossen sind Systeme, bei denen Eintragungen so verändert werden können, dass die ursprünglichen Werte nicht mehr ersichtlich sind. Dadurch sind Tabellenkalkulationsprogramme zwar nicht explizit aber faktisch zur Führung der Bücher für abgabenrechtliche Belange ausgeschlossen. Das gilt auch für Nebenaufzeichnungen, zum Beispiel das Fahrtenbuch. 5.2.2. Vorschriften zur Übermittlung der Daten Es ist mittlerweile gelebte Praxis, dass im Falle einer Außenprüfung der Finanzverwaltung die Buchhaltungsdaten in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen sind. Das erfolgt in Form von Druckdateien, die anschließend in die Analysesoftware der Finanzverwaltung eingelesen werden. Aus dieser Übermittlungspflicht leitet sich aber keine Verpflichtung ab, die Bücher auch maschinell zu führen. Übermittelt werden historische Daten und nur im Falle des Einsatzes von elektronischen Rechnungswesen-Systemen. 5.2.3. Verpflichtung zum Einsatz digitaler Systeme Mit Einführung der Verpflichtung zum Einsatz elektronischer Kassensysteme zur Aufzeichnung der Bareinnahmen im Jahr 2016 schreibt der Gesetzgeber in Öster-

Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling

203

reich erstmals verpflichtend den Einsatz digitaler Systeme vor und definiert gleichzeitig den Aufbau des zu erfassenden Datensatzes. Auch wenn die Einführung der Registrierkassenpflicht nicht die erhofften Mehreinnahmen gebracht hat, ist sie als erster Schritt zum Einsatz digitaler Systeme zur Betrugsbekämpfung anzusehen. Generell scheinen die gesetzlichen Vorschriften zur Buchführung veraltet. Das äußert sich darin, dass die Vorgaben für die manuelle Führung der Bücher auf maschinelle Buchführung anzuwenden sind. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis die Regelungen durch die digitale Entwicklung überholt werden und eine Anpassung an die technischen Möglichkeiten erfolgen muss. Dann ist aber jedenfalls auch mit weiteren Maßnahmen im Bereich der digitalen Betrugsbekämpfung zu rechnen. 6.

Fazit und Ausblick aus der Perspektive der Steuer- und Unternehmensberatung

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Unternehmen werden aktuell sehr vielschichtig diskutiert und beziehen sich dabei in einer umfassenden Betrachtung auf die gesamte Wertschöpfungskette, die Kommunikation mit Kunden, die interne Organisation („Archivierung“) oder auf ausgewählte funktionale Bereiche, wie die Produktion („Industrie 4.0“). Im vorliegenden Beitrag wurden mögliche Auswirkungen der Digitalisierung auf die Bereiche Rechnungswesen und Controlling im Allgemeinen und aus der Perspektive der Steuer- und Unternehmensberatung, die vielfach Anbieter von Rechnungswesen- und Controlling-Dienstleistungen sind, im Speziellen praxisorientiert dargestellt. Die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung bieten sowohl für das Rechnungswesen als auch für das Controlling eine Vielzahl an Möglichkeiten: So lassen sich viele Prozesse automatisieren, wie etwa die Belegerstellung und verbuchung, aber auch die Aufbereitung eines (Monats-) Reports oder die Generierung eines Forecasts auf Finanzseite. Selbstlernende Systeme und künstliche Intelligenz beschleunigen die Digitalisierung und Automatisierung. Für die Adressaten der Rechnungswesen- und Controlling-Leistungen, wie Geschäftsführer und Manager, kann dies zum einen eine Qualitätsverbesserung in den als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stehenden Informationen bedeuten und zum anderen, im Sinne des Self-Controllings, einen orts- und zeitunabhängigen, im Hinblick auf Inhalt und Detaillierung flexiblen, Informationszugang ermöglichen. Für die verantwortlichen Mitarbeiter im Rechnungswesen und Controlling führt dies unweigerlich zu veränderten Aufgabenfeldern sowie neuen Denkweisen und Schwerpunkten in der beruflichen Tätigkeit. Rein fachliche Fähigkeiten rücken damit in den Hintergrund, informationstechnologische, und gegebenenfalls statistische Fähigkeiten („Data Science“)

204

Dietmar Ploier und Stefan Mayr

gewinnen an Bedeutung. Aus- und Weiterbildungseinrichtungen müssen auf diese Entwicklung in Zukunft noch stärker reagieren und fachliche Inhalte mit technischem und analytischem Wissen kombinieren. Für Steuer- und Unternehmensberatungen sind die Implikationen aus der voranschreitenden Digitalisierung vielfältig. Zum einen ergibt sich auf interner Ebene ein enormer organisatorischer Veränderungsbedarf, der den Möglichkeiten der Digitalisierung Rechnung trägt. Dies reicht von der Auswahl und Implementierung geeigneter Softwarelösungen für den internen und externen Einsatz hin zu zur Qualifizierung bestehender Mitarbeiter oder Rekrutierung neuer hoch spezialisierter IT-Experten. Nachdem sowohl die Entscheidung für eine Software als auch die Personalentwicklung langfristig orientiert sind, wird klar, dass eine Digitalisierungsstrategie, welche interne Ressourcen und Prozesse, digitale Inhalte in der Beratung sowie die Digitalisierung des Beratungsprozesses selbst beinhaltet, von zentraler Bedeutung ist bzw. wird. Unterschiedliche gesetzliche Regelungen, wie die DSGVO oder abgabenrechtliche Vorschriften, liefern hierbei den zu berücksichtigenden regulatorischen Rahmen. Zum anderen können Steuerberatungen und Unternehmensberatungen, etwa mit einem fachlichen Schwerpunkt auf Controlling, stark vom Digitalisierungstrend profitieren. Die Schwerpunkte in der (Digitalisierungs-) Beratung können sich dabei auf die Kernleistungen im steuerlichen oder betriebswirtschaftlichen Bereich beziehen (z.B. auf die Erstellung von Berichten, die Automatisierung von Verarbeitungsprozessen, etc.), aber auch deutlich darüber hinaus gehen, wie etwa bei der Digitalisierung im Bereich Zahlungsverkehr, CRM oder Warenwirtschaft. Voraussetzung hierfür ist, die Sicherstellung des notwendigen Know-hows in den Bereichen Digitalisierung, Business Intelligence und Analytics, um nicht Gefahr zu laufen, Digitalisierungsprojekte an andere Berater und somit in weiterer Folge auch die Klienten zu verlieren. Werden diese Projekte erfolgreich abgewickelt, kann dies zur Kundenbindung beitragen. Bei aller Euphorie ist auch für Steuer- und Unternehmensberatungen ein kritischer und reflektierter Zugang zur Digitalisierung mit einem adäquaten, den Rahmenbedingungen des Klienten angepassten Einsatz an digitalen Instrumenten und Lösungen geboten. Abbildung 2 fasst die obigen Überlegungen zusammen.

Abb. 2: Digitalisierung in der Steuer- und Unternehmensberatung

Digitalisierung im Rechnungswesen und Controlling

205

Literatur Androsch, H. (2018): Wachstum ohne zusätzliche Investition. Wirtschaftsnachrichten Süd. Digitalisierung im Fokus. Nr. 12, S. 1-3. Appelbaum, D./Kogan, A./Vasarhelyi, M./Yan, Z. (2017): Impact of business analytics and enterprise systems on managerial accounting. International Journal of Accounting Information Systems, 25 Jg., S. 29-44. Becker, W./Ulrich, P./Botzowski, T./Eurich, S. (2016): Controlling von Digitalisierungsprozessen – Veränderungstendenzen und empirische Erfahrungswerte aus dem Mittelstand. In: Obermaier, R. (Hrsg.), Industrie 4.0 als unternehmerische Gestaltungsaufgabe (S. 97-118). Wiesbaden: Springer Gabler. Biel, A./Michel, U./Tobias, S. (2017): Was bedeutet Digitalisierung für Controller. Controller Magazin, 5 Jg., S. 38-43. Brunner, F./Rusek, E. (2018): Basics der Informationssicherheit in der Steuerberatungskanzlei. In: LexisNexis Whitepaper (Hrsg.), Digitalisierung der Steuerberatung (S. 17-24). Wien: LexisNexis. Clark, G. (2008): A farewell to alms: a brief economic history of the world. Princeton, NJ: Princeton University Press. Davenport, T. H./Patil, D. J. (2012): Data Scientist: The Sexiest Job of the 21st Century. Havard Business Review, 90 Jg., Nr. 10, S. 72-76. Graschitz, S. (2018). Digitalisierung in der Abschlussprüfung. In: IWP Institut Österreichischer Wirtschaftsprüfer (Hrsg.), Wirtschaftsprüfer-Jahrbuch 2018 (S. 3-22). Wien: Linde. Greff, T./Gugler, K./Werth, D. (2018): Consulting 4.0 – Skalierbarkeit als Gestaltungselement der Digitalisierung für die Unternehmensberatung: Konzept, Ansätze und Kundenakzeptanz. In: Hofmann, J. (Hrsg.), Arbeit 4.0 – Digitalisierung, IT und Arbeit (S. 53-78). Stuttgart: Springer Gabler. Hofmann, J. (2018): Vorwort. In: Hofmann, J. (Hrsg.), Arbeit 4.0 – Digitalisierung, IT und Arbeit. Stuttgart: Springer Gabler. Horváth, P./Michel, U. (Hrsg.) (2015): Controlling im digitalen Zeitalter. Stuttgart: Schäffer-Poeschl. Kappes, M./Leyk, J. (2018): Digitale Planung. Controlling Zeitschrift, 30 Jg., Nr. 6, S. 4-12. LexisNexis (2018): LexisNexis Whitepaper: Digitalisierung der Steuerberatung. Wien: LexisNexis. S. 1-44. Nissen, V./Seifert, H. (2017): Die digitale Transformation der Unternehmensberatung. In: Bruhn, M./Hadwich, K. (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0. Wiesbaden: Springer Gabler. S. 411-443. Schlicher, K. D./Paruzel, A./Steinmann, B./Maier, G. W. (2018): Change-Management für die Einführung digitaler Arbeitswelten. In: Maier, G./Engels, G./Steffen. E., Handbuch Gestaltung digitaler und vernetzter Arbeitswelten. Berlin, Heidelberg: Springer. Schön, D. (2017): Planung und Reporting im BI-gestützten Controlling. Wiesbaden: Springer Gabler. Schreglmann, B. (2019): Die 5 digitalen Trends in der Büroarbeit. In: Salzburger Nachrichten (27.01.2019). Schröder, R. W./Lisowski, R. (2012). Wissen, Innovation und Nachhaltigkeit. KonferenzReview. Zeitschrift für Controlling und Management, 56 Jg., Nr. 6, S. 370-371. Schuster, S. (2018): Legal Tech ist nur ein Teil des Ganzen – Ein nötiges Umdenken in der Steuerberatung?. In: LexisNexis Whitepaper (Hrsg.), Digitalisierung der Steuerberatung (S. 10-15). Wien: LexisNexis.

206

Dietmar Ploier und Stefan Mayr

Schützinger, H. (2018): Qualitätssicherung im digitalen und automatisierten Rechnungswesen: 14 Top-Instrumente, Prozesse und Tricks. In: LexisNexis Whitepaper (Hrsg.), Digitalisierung der Steuerberatung (S. 31-36). Wien: LexisNexis. Seufert, A./Treitz, R. (2017): Digitale Transformation – Trends und Implikationen für das Controlling. Controller Magazin, Special (Mai/Juni), S. 12-16. Singh, A./Hess, T. (2017): How Chief Digital Officers Promote the Digital Transformation of their Companies. MIS Quarterly Executive, 16 Jg., Nr. 1, S. 1-17. Steibl, T./Oberndorfer, F. (2018): Über den Tellerrand geblickt – wie digitalisiert der große Nachbar. In: LexisNexis Whitepaper (Hrsg.), Digitalisierung der Steuerberatung (S. 4-7). Wien: LexisNexis. Steiner, H./Welker P. (2016): Wird der Controller zum Data Scientist?. Controlling & Management Review, Sonderheft 1, S. 68-73. Vidgen, R./Shaw, S./Grant, D. B. (2017): Management challenges in creating value from business analytics. European Journal of Operational Research, 261 Jg., Nr. 2, S. 626-639. Weber, J./Schäffer, U. (2016a): Die Digitalisierung wird das Controlling radikal verändern. Controlling & Management Review, 60 Jg., Nr. 6, S. 6-17. Weber, J./Schäffer, U. (2016b): Einführung in das Controlling. 15. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschl. Werth, D./Greff, T./Scheer, A. W. (2016): Consulting 4.0 – Die Digitalisierung der Unternehmensberatung. HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, 53 Jg., Nr. 1, S. 55-70. Wolf, T./Strohschen, J. H. (2018). Digitalisierung. Definition und Reife. InformatikSpektrum, 41 Jg., Nr. 1. S. 56-64. Zinnöcker, B. (2019): Digitalisierung für Steuerberater – Herausforderungen und Chancen. BDO Analytics. S. 1-32. Internetquellen Akademie der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Hrsg.) (o. D.): Speziallehrgänge, https://www.akademie-sw.at/speziallehrgaenge/seminar/34329//, Abfrage: 07.05.2019. BFI (Hrsg.) (o. D.): Buchhaltung für EinsteigerInnen – BH 1, https://www.bfi.wien/kurs/ 2516/wirtschaft/finanz-und-rechnungswesen/buchhaltung-fuer-einsteigerinnen-bh-1/, Abfrage: 07.05.2019. Jabil (Hrsg.) (o. D.): Top 5 Digital Transformation Challenges (and How to Overcome Them), https://www.jabil.com/insights/blog-main/overcoming-the-top-digital-transformation-chal lenges.html/, Abfrage: 30. 04. 2019. Plewa, W. (2019): 7 Gründe für Widerstand im Change-Management. Kayenta Training und Beratung, https://www.kayenta.de/training-seminar/artikel/7-gruende-fuer-wider stand-im-change-management.html, Abfrage: 06.05.2019. Singh, S. (2018): Die 4 Merkmale einer agilen Organisation. CIO, https://www.cio.de/a/die-4merkmale-einer-agilen-organisation,3555727/, Abfrage: 13.06.2019. WIFI (Hrsg.) (o. D.): Kurssuche, https://www.wifi-ooe.at/kurssuche/, Abfrage: 07.05.2019.

Digitalizing Management Accounting

Rafael Heinzelmann 1.

Introduction

“Digitalization” is a term that is widely used to describe various technologyinduced organizational change processes. These range from those that increase efficiency through the use of technology (e. g., digitalizing paper-based workflows, e.g. invoicing) to disruptive changes to existing business models by employing new technological possibilities (e. g., platforms such as Airbnb or Uber). In this chapter, we understand digitalization as a fluid term that references an open, dynamic phenomenon encompassing a range of ongoing technologyinduced organizational change processes.1 Notwithstanding that technological disruptions have a long history of changing both the way that business is done and the role management accounting plays2, digitalization is frequently viewed as strongly disruptive – a sentiment echoed in everyday discourse about the impact of the media on organizations and societies. As stated by Bhimani and Willcocks3: “No aspect of business today remains untouched by digital technologies.” Thus, it seems both valuable and relevant to address key aspects of the digitalization processes and its influence on Management Accounting and Control Practices (MACPS) – a research area that is yet to receive wide scholarly attention.4 The chapter is organized as follows. First, we set out the relationship between digital businesses and their respective business models and accounting information. Second, we discuss alterations that MACPS undergo as part of 1 2 3 4

Cf. Fors (2010); Hagberg (2017). Cf. McMickle (1996); Quattrone (2004); Becker/Heinzelmann (2017); Heinzelmann (2017). Bhimani/Willcocks (2014), p. 470. Cf. Bhimani/Willcocks (2014); Leoni/Parker (in press); Moll/Yigibasioglu (in press).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_9

208

Rafael Heinzelmann

digitalization processes. Finally, we unpack the influence of digitalization on the management accounting function, including a discussion of challenges faced by management accountants and finance professionals. 2.

Digital businesses and accounting information

The enormous capital market valuations of digital businesses such as Airbnb, Facebook, Twitter and Uber has led to a vibrant discussion on the usefulness of accounting information.5 A closer look at these capital market valuations and reported hard assets is illustrative. For example, Walmart has US $ 160 billion in hard assets and a US $ 300 billion valuation, compared with Facebook`s US $ 9 billion in hard assets and its US $ 500 billion valuation.6 The bottom line is that accounting has become less useful or even irrelevant for digital organizations due to the fact that their business models are predominantly driven by the mobilization and scaling of intangible investments. 7 Digital businesses are characterized by intangibles consisting of research development, brands, organizational strategies, peer and supplier networks, customer and social relationships, computerized data and software, and human capital. Importantly, their digital platforms allow them to easily scale their businesses by investing in infrastructure such as server capacity.8 And accounting is not able to represent this adequately in the financial statement.9 From a management accounting perspective, the increasing relevance of intangible assets for valuing and managing a digital organization is no surprise in light of the relevance lost debate.10 Kaplan and Norton’s balanced scorecard that was intended to make accounting information more decision-useful by integrating intangibles led to an explosion of discussion on intangibles in the accounting literature.11 This research revealed that despite the balanced scorecard incorporating more intangibles, managers and capital markets rely heavily on financial measures.12 A main driver for using financial measures over intangibles measures is the fragile nature of the latter.13 Intangible measures are hence understood as difficult decision-making resources. In the context of the current 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Cf. Lev/Gu (2016); Govindarajan et al. (2018a; 2018b; 2018c). Cf. Govindarjan et al. (2018a), p. 2. Cf. Govindarajan et al. (2018b). Cf. Govindarajan et al. (2018a). Cf. Lev/Gu (2016). Cf. Johnson/Kaplan (1987). Cf. Johanson et al. (2001). Cf. Ittner/Larcker (2001). Cf. Mouritsen (2003).

Digitalizing Management Accounting

209

debate on the usefulness of accounting information for digital organizations, the debate about intangibles leads us to the question: How are MACPS change by the rise of digitalization? 3.

Towards evaluative infrastructures in management accounting

Digitalization brings about new opportunities to develop business models, especially platform organizations, which have brought disruption to various industries. Platforms organizations are digital intermediaries or mediators of goods or services between buyers and sellers, with no direct control over the valuation process.14 They enable the sharing or trading of goods and services in a peer-topeer environment, with the middlemen cut out of the value chain. 15 These platform organizations acquire large market shares and profits from their traditional competitors by taking a fee for each trade carried out. Predictions as to the eventual magnitude of the platform economy differ, with some conservative forecasts indicating a rise in revenues from US $ 15 billion in 2015 to US $ 335 billion in 2025.16 More optimistic forecasts assume platform economy revenues of US $ 670 billion in 2025.17 Interestingly, the success of platform organizations is dependent on generating trust between sellers and buyers, who rarely meet in person before the transaction. To generate trust, platform organizations use peer-topeer evaluation systems including ratings, rankings and reviews (hereinafter: “reputation systems”). The relationship between the buyer (“seeker”), seller (“owner”) and the digital platform can be depicted as follows:

14 15 16 17

Cf. Hagiu (2014); Sundararajan (2016); Kirchner/Schüßler (2018). Cf. Schor/Fitzmaurice (2015). Cf. PricewaterhouseCoopers (2015). Cf. World Economic Forum (2019).

210

Rafael Heinzelmann

Fig. 1: Sharing economy18 The strong growth of the platform economy has led to a shift in emphasis from ownership to availability of goods and services, as seen in the worldwide boom in car sharing platforms. 19 Platform organizations provide buyers and sellers with access to the market using a multitude of calculative practices 20 embedded in their reputation systems. These reputation systems are important Management Accounting and Control Systems (MACS), ensuring an atmosphere of trust by mediating the transaction between buyers and sellers. 21

18 19 20 21

Source: Business Model Toolbox (n. d.), Internet. Cf. Rifkin (2001). Cf. Miller (2001). Cf. Jeacle/Carter (2011); Orlikowski/Scott (2014); Stone et al. (2014); Kornberger et al. (2017).

Digitalizing Management Accounting

211

3.1. Characteristics of reputation systems Reputation systems operationalize trust by drawing on reduction, simplification, standardization, authority, asymmetry and reactivity. 22 They classify, filter and transform qualities into quantities, resulting in increased homogeneity and comprehensibility by comparing different entities using a single metric: the so-called “process of commensuration”23. A standardized representation of goods and services is thus achieved by using, for example, a star ranking to break down the perceived quality of a good or service. The concept of evaluative infrastructures may help our understanding in regard to this. The basic idea is that digitalization requires different accounting conceptualizations than those available. 24 An evaluative infrastructure is something that emerges through heterogeneous elements forming networks, bringing elements and people together for which there was previously no contact. Evaluative infrastructures are described as “radically relational” 25. They possess their own rationality, shaping the perceptions and forms that determine the potentiality of economic transactions.26 Below, we illustrate some reputation systems and evaluative infrastructures by examining three prominent platform organizations: eBay, Airbnb and TripAdvisor. 3.2. eBay eBay is a global online auction platform. In 2018, it generated US $ 2.9 billion in transaction revenues, with 179 million active buyers and a vast number of items offered for sale.27 The platform has grown significantly since being formed in 1996. Central to its business model is the evaluation system, which has been described as “the world’s largest and most widely imitated MCS”28. On the one hand, eBay offers information on the reputation, history and status of buyers and sellers. 22

23 24 25 26 27 28

Authority: When features such as the quality of a product or service are difficult to observe or measure, professional and expert judgments come into play (e. g., star ratings for restaurants). The process of commensuration leads to an asymmetry that favors high-status products and producers, resulting in self-reinforcing effects that safeguard their privileged market position (Orlikowski/Scott, 2014). Reactivity: people change their behaviors in reaction to being evaluated or measured. This changes how organizations are run, as business owners seek to conform to reputation systems, which may lead them to act in ways that contradict the organization’s long-term mission (Espeland/Sauder, 2007). Cf. Espeland/Sauder (2007); Orlikowski/Scott (2014). Cf. Kornberger et al. (2017). Cf. Kornberger et al. (2017). Cf. Kornberger et al. (2017). Cf. eBay (2019). Stone et al. (2014), as cited in Kornberger et al. (2017), p. 8.

212

Rafael Heinzelmann

On the other, it ascertains the properties of the goods and services traded to create an atmosphere of mutual trust between two anonymous and often geographically dislocated parties.29 Its evaluated infrastructure comprises a public discussion board – a “Feedback Forum” – where registered users can post comments. The Feedback Forum was introduced to reduce the number of user complaints by shifting control from eBay itself to a peer-to-peer system.30 eBay also implements user reviews (positive, neutral, negative) that are aggregated into a star rating for descriptions of items, communications, dispatch times and postage. Users also have the option to leave written feedback. All of this information is converted into a color-coded star rating for each user, shown below:

Fig. 2: eBay’s stars and ratings31 29 30 31

Cf. Kornberger et al. (2017). Cf. Kornberger et al. (2017). Source: How the eBay Star Rating System Works (2018), Internet.

Digitalizing Management Accounting

213

Over the years, eBay have continually adjusted and expanded their evaluative infrastructure. The reputation system has become broader and more relational, shifting responsibility and accountability to users.32 In the early days, for example, it involved a comment on the trade and a line of written feedback. The current system, meanwhile, has the capacity to translate features of the trade into a single set of measurable items. The additional color-coded scale reinforces both the authority and the asymmetry of users. Highly active users are more visible, trustworthy and economically successful, resulting in a greater proportion of commercial sellers. In summary, the evaluative infrastructure is pivotal to eBay’s platform business model. Its reputational system ensures trust by systematically disclosing information and collating user information into a sophisticated ratings system. 3.3. Airbnb Airbnb was founded in 2008 with a mission to provide healthy travel that is local, authentic, diverse, inclusive and sustainable.33 Airbnb’s business model is based on platform technology whereby users are able to rent out their private spaces. Airbnb has grown significantly. Since its inception, it has hosted 400,000 million guests, with 150 million users covering more than 65,000 cities, earning US $ 2.6 billion in 2017.34 Airbnb is thus a prominent player in the shared economy. By commercializing under-utilized (private) assets it can be viewed as operating somewhere in between the market economy and the gift economy. 35 Airbnb’s digital mediation relies on a reputation system or an evaluative infrastructure designed to build trust between hosts and guests. It claims that “(…) you can be confident that the feedback you’re seeing is informed, unbiased, and real”36. To book or rent accommodation, both the buyer (guest) and the seller (host) need to complete a personal profile including ID verification and agreement to a detailed set of terms and conditions.37 Hosts need to create a listing including pictures, house rules, etc. Guests seeking to book accommodation via the platform require the host’s approval. If this is forthcoming, the guest receives confirmation of the booking including the host’s address and personal contact information. Payment is made after check-in, and includes the Airbnb 32 33 34 35 36 37

Cf. Kornberger et al. (2017). Cf. Airbnb (2019a). Cf. Airbnb by the numbers (n. d.). Cf. Sundararajan (2016). Cf. Airbnb (2019a). Cf. Leoni/Parker (in press).

214

Rafael Heinzelmann

fee. After the stay, both parties can leave a review. Guests rate their hosts on a scale of 1-5 for categories including the accuracy of the listing, communication, cleanliness, location, check-in and value, with Airbnb retaining control over the publication of these ratings. In business terms this represents “(…) a challenge for the platform owner who needs to coordinate a myriad of users who are globally dispersed and not contractually bound, and upon whom the platform’s performance depends”38. The following graph shows how Airbnb controls its users:

Fig. 3: Airbnb’s platform governance39 Airbnb employs a user verification system that requires a telephone number and a piece of national ID (copy of a passport or an ID card). As the platform owner, it has the right to activate, limit, suspend or deactivate an account according to users’ behavior and performance. Bad performance is determined by a poor response rate by hosts, with a given number of cancelations resulting in temporary deactivation. Permanent deactivations are applied in situations where, for example, a host does not comply with Airbnb’s anti-discrimination policy.40 Airbnb uses the category of “superhost” for highly-active hosts with strong performance records. To become a superhost, the following criteria must be met for three consecutive months: 10 transactions/stays; > 90 % response rate; > 50 % review rate; 0 cancelations; and a 5-star review at least 80 % of the 38 39 40

Leoni/Parker (in press), p. 3. Source: modified from Leoni/Parker (in press), p. 9. Cf. Leoni/Parker (in press).

Digitalizing Management Accounting

215

time.41 Superhosts have better visibility on the platform and receive additional reports/data on how to improve their listings. The superhost category thus works as an incentive system, allowing users to earn more and to improve their standing with the platform. 42 Even the basic dashboard is somewhat comprehensive, with categories including “ratings”, “earnings”, “views” and “opportunities” as well as “what to work on”. As such, it works both as an incentive/reward system whereby hosts are able to improve their listing. Elements of commensuration are present, with stays broken down into a single set of features allowing for comparisons between listings. The superhost category is interesting in two main respects: on the one hand, it establishes authority, asymmetry and reactivity, with superhosts benefiting from enhanced visibility, trustworthiness and access to data; on the other, reactivity leads to a professionalization of Airbnb hosts, contradicting the mission statement whereby individuals can commercialize their private goods. Overall, Airbnb’s calculative infrastructure has three main functionalities: as a reputation system ensuring trust between hosts and guests; as a MACS allowing Airbnb to retain bureaucratic control over user behavior; and as a MACS for hosts to improve their hosting services. 3.4. TripAdvisor TripAdvisor is the largest travel site in the world. It collects reviews and opinions about hotels, airlines, experiences and restaurants, with more than 730 million reviews and rankings covering approx. 8.1 million sites.43 TripAdvisor’s mission is to provide customers with all necessary travel information with just a small number of clicks.44 The rise of online travel platforms such as this has led to the emergence of a new type of traveler: the “independent traveler”, who self-organizes rather than making use of local travel agents.45 Digitalization has thus made travelers themselves into a valuable and trusted resource for many hotels and restaurants. TripAdvisor provides independent travelers with the necessary calculative infrastructure, offering trusted information with its rankings and personal reviews.46 The middleman – the travel agent – is no longer involved in the buying process, with their traditional role being supplanted by online travel platforms using aggregated reviews and personalized rankings. TripAdvisor lists hotels, 41 42 43 44 45 46

Cf. Leoni/Parker (in press). Cf. Leoni/Parker (in press). Cf. TripAdvisor (2019a). Cf. TripAdvisor (2019b). Cf. Jeacle/Carter (2011), p. 294 Cf. Jeacle/Carter (2011).

216

Rafael Heinzelmann

restaurants and other services according to an area-rank (a rating from 1-5). Interestingly, TripAdvisor’s partnership model includes review collection services (e. g., review forms etc.) and free tools for analyzing customer behavior. 47 Entering into an agreement with TripAdvisor increases the amount of reviews and results in a better ranking.48 However, the increasing relevance of online platforms in the hospitality industry has resulted in increased attempts to manage or manipulate reviews and rankings. Gössling et al. have mapped the various strategies that businesses use to influence reviews:

Fig. 4: How businesses influence reviews 49 The authors report a wide range of review manipulation strategies. However, only a few businesses seem to systematically manipulate the reputation system. 50 An extreme case is the Hotel Blackpool, who issued guests writing negative reviews with a £100 fine for violating the hotel’s terms and conditions. 51 Another extreme case was the fake restaurant, The Shed at Dulwich, which did not even exist. The freelance writer Oobah Butler created a profile for the fictional establishment, which went on to be ranked number 1 in TripAdvisor’s London restau47 48 49 50 51

Cf. TripAdvisor (2019b). Cf. Gössling et al. (2018). Source: modified from Gössling et al. (2018), p. 490. Cf. Gössling et al. (2018). Cf. The Guardian (2014), as cited in Gössling et al. (2018).

Digitalizing Management Accounting

217

rant guide. His intention was to make the public aware of how easy it is to manipulate the reviews system, especially if this is done with a clear strategy and a network of people.52 Both this example and the research by Gössling et al. into hospitality managers` behavior show the ease with which these reputation systems can be manipulated, presenting a challenge to both buyers and sellers alike. The mechanisms at play can be explained by examining the features of the reputation systems underlying the evaluative infrastructure. TripAdvisor became a trusted agent by moderating first the transaction and later the evaluation between buyers and sellers, effectively cutting out the middleman. This process leads to authority, asymmetry and reactivity, and in extreme cases to the creation of fake profiles and manipulation. MACPS create relations between actions, objects, and preferences to generate an atmosphere of trust.53 The buyer-seller interaction is digitally mediated by evaluative infrastructures that are central to the online platform business models.54 The digital interaction is often described as a continuum between the gift and market economies, emphasizing the community aspect of these platforms whereby users are required to set up a membership account. 55 Despite the fact that the platforms do not have direct control over the quality, legality or safety of the product offerings, they become powerful and trustworthy digital mediators. Their reputation systems enable users to offer, sell or share goods and services on a global scale, disrupting traditional markets structures.56 eBay, Airbnb and TripAdvisor are feature examples of the evaluative infrastructures defined by Orlikowski and Scott57; namely, the processes of commensuration, authority, asymmetry and reactivity. While their specific systems function differently from platform to platform, the overall mechanics of the evaluative infrastructures are similar. In all three cases, authority and reactivity are seen in the increased visibility and business opportunities offered to active, well-rated users (eBay’s shooting stars, Airbnb’s superhosts, TripAdvisor’s partner organizations). The most interesting finding is that the success of platform organizations fundamentally depends on the effectiveness of their underlying evaluative infrastructure as the foundation of their business model.

52 53 54 55 56 57

Cf. Butler (2017); Creet (2019). Cf. Kirchner/Schüßler (2018). Cf. Kornberger et al. (2017); Barbe/Hussler (2019); Leoni/Parker (in press). Cf. Sundararajan (2016). Cf. Guttentag (2015). Cf. Orlikowski/Scott (2014).

218 4.

Rafael Heinzelmann

Digitalization of Management Accounting’s underlying infrastructure “The proliferation of mobile devices, applications and operating systems is altering how we work, what we work on, where we work and what we work with.” 58

MACS can be seen as the underlying infrastructure of MACPS. Those involved in management accounting include, among others, managers, management accountants and finance professionals. Technological advancements and disruptions have led to changes in the underlying infrastructure of MACPS and to different ways of organized MACS.59 For example, the development of integrated enterprise resource planning systems (ERPs) has led to new configurations of MACS and associated practices.60 The organization of data using internet-based technologies (cloud, big data and analytics, blockchain and AI) is the most recent development in the ever-changing accounting landscape. 61 4.1. Cloud computing Cloud-based solutions are used in a range of accounting functions, including control reporting, analytics, monitoring and data governance. A number of different variants are employed, including private, public, community or hybrid cloud models.62 On the one hand, cloud computing may be seen as beneficial in providing organizations with cost-effective access to IT services that does not require large capital investments in infrastructure or maintenance. 63 On the other, cloud-based solutions can lead to over-customization within subsidiaries, resulting in non-standardized EPRs (e. g., spending less time backing up data and providing real-time data access via apps on smart devices.64 Cloud-based solutions are of benefit to organizations working in virtual environments.65 For SMEs, they can be a cost-effectiveness option, although they are not widely employed in this context. 66 For multi-national enterprises (MNEs), meanwhile, they can offer integration, standardization and real-time data accessibility.67 Likewise, cloud-based solutions allow for improvements in 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67

Bhimani/Willcocks (2014), p. 469 f. Cf. Quattrone/Hopper (2005); Heinzelmann/Becker (2014); Heinzelmann (2015, 2017). Cf. Dechow/Mouritsen (2005). Cf. Kristandl et al. (2015); Al-Htaybat/Alberti-Alhtaybat (2017); Moll/Yigitbasioglu (in press). Cf. Mulholland et al. (2010). Cf. Moll/Yigitbasioglu (in press). Cf. Moll/Yigitbasioglu (in press). Cf. Bhimani/Willcocks (2014). Cf. Strauss et al. (2015). Cf. Bhimani/Willcocks (2014).

Digitalizing Management Accounting

219

planning and control via enhanced forecasting and benchmarking functionalities, and better access to accounting information to track business performance. They also offer better data sharing capacities compared to ERP systems. 68 Overall, cloud solutions provide a host of benefits that may improve management accounting and control systems and practices. However, empirical evidence of their utility in a real-life setting remains limited.69 4.2. Big data and analytics Big data consists of high-volume, high-velocity, high-variety structured and unstructured data (approx. 90 %) including soft information such as emails, messages and social media posts, as well as text, audio, video and image data.70 Big data uses different forms of information processing to derive patterns based on large data sets that are of managerial relevance.71 For example, Walmart stores 2.5 petabytes of data every hour from customer transactions, with one petabyte being equivalent to about 20 million filings cabinets.72 Amazon uses cookies to track customer preferences, generating vast quantities of unstructured data.73 Moreover, the Internet of Things (IoT) – sensing and self-acting devices enabled by wireless networks used in production, logistics, transportation, medicine, households, e.g. – generates huge amounts of unstructured data that need be integrated with structured data, requiring new means of data analysis.74 High velocity allows real-time or near-real-time data access, enabling organizations to make up-to-the-minute sales predictions or to apply this data to programming algorithms.75 Steadily declining IT costs mean that huge amounts of diverse data can be retrieved from various sources, to be stored and processed by organizations.76 The impact of big data and analytics on MACS and MACPS is extensive.77 Some authors see big data and analytics as beneficial.78 Others, meanwhile, conclude that the extensive use of analytics and automated data processing will lead to a fall in the value of management accounting and control.79 In summary, it may be argued that the greater availability of data neither automatically enhances insight into opera68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79

Cf. Moll/Yigitbasioglu (in press). Cf. Kristandl et al. (2015); Strauss et al. (2015); Moll/Yigitbasioglu (in press). Cf. McAfee et al. (2012); Warren et al. (2015). Cf. McAfee et al. (2012); Bhimani/Willcocks (2014); Bhimani (2015). Cf. McAfee et al. (2012), p. 4. Cf. Bhimani/Willcocks (2015), S 475. Cf. Huerta/Jensen (2017); Lindqvist/Neumann (2017). Cf. McAfee et al. (2012). Cf. McAfee et al. (2012). Cf. Bhimani/Willcocks (2014); Quattrone (2016). Cf. Bhimani (2015); Warren et al. (2015). Cf. Quattrone (2016).

220

Rafael Heinzelmann

tional processes and customer preferences, nor does it support decision making. The main challenge is to organize and use available data in a way that helps organizations make better decisions – a process that requires business insights and data skills on the part of management accountants. 4.3. Blockchain Block chain is expected to have a strong impact of the accounting industry in general, with specific implications for the design of accounting information, auditing and triple-entry bookkeeping in which every transaction requires three entries to record a debit, a credit and a cryptographic signature to check the validity of a transaction.80 It remains unclear what the impacts will be on management accounting and control, and further research is required to determine how block chain data can be used for planning, control and benchmarking. 81 4.4. Artificial intelligence (AI) AI includes all innovations related to machine learning and natural language processing, as well as the mobilization of statistical techniques whereby machines “learn” using probabilistic and plausible models to interpret the observed data.82 For example, IBM’s Watson AI platform is able to process large amounts of data, providing analytics and visualizations for business support.83 When it comes to management accounting and control, AI can provide answers to business-related questions (e.g., purchasing decisions or vendor selection) for which management accountants would then validate and assess the quality of the data sets employed. AI may also offer better predictions and cost estimations, with a higher degree of detail.84 Cloud computing, big data and analytics, blockchain and Artificial Intelligence (AI) all lead to greater automatization, visibility, and the need to make use of large amounts of structured and especially unstructured data, as well as analytics to support an organization’s decision-making process. However, the existing literature suggests that we know surprisingly little about the way in which the underlying infrastructure – MACS – is impacted by these new technologies.85

80 81 82 83 84 85

Cf. Moll/Yigitbasioglu (in press), p. 13. Cf. Moll/Yigitbasioglu (in press), p. 13. Cf. Ghahramani (2015), as cited in Moll/Yigitbasioglu (in press). Cf. IBM (2018), as cited in Moll/Yigitbasioglu (in press). Cf. Moll/Yigitbasioglu (in press). Cf. Bhimani/Willcocks (2014); Quattrone (2016); Moll/Yigitbasioglu (in press).

Digitalizing Management Accounting

5.

221

Identities and roles of management accountants and finance professionals in the digital age

The work of management accountants and other finance professionals86 is strongly intertwined with new technologies. Changes in the underlying infrastructure of MACPS thus require that management accountants take an adaptive stance to their professional role and identity.87 In this context, “role” is defined as an ideal-type behavior ascribed to professionals linking expectations, behavior and structure.88 “Identity”, meanwhile, is understood as the professionals’ self-understanding, mediated by processes of identity regulation (e.g. by role models).89 The stereotypical image of the management accountant has historically been that of the “bean counter”.90 However, this has shifted of late to that of the so-called “business partner” – a role focused less on routine work and reporting tasks and more on analysis, strategy, planning and management support.91 Technological changes are seen as an important pull factor altering the role and the identity of finance professionals.92 Digitalization makes it likely that finance professionals’ identities and roles will alter according to the changing face of MACS and MACPS. Indeed, the literature suggests that these changes may results in an even stronger emphasis on the business partner role due to the greater automatization of routine tasks and reporting.93 More problematic, however, is that management accountants will face an increased requirement to be highly know-ledgeable not only about software packages (e. g. ERPs) but also in the use of information used to support management. Decisions based on digital business models will require in-depth knowledge about how to evaluate and manage evaluative infrastructures, as well as an understanding of infrastructural changes to MACPS such as cloud computing, big data and analytics, or AI, as discussed previously. Digitalization entails a shift in finance professionals’ roles towards stronger expertise in the functioning and use of Internet-based technologies. This will involve acting both as a critical counterpart of automated systems and an adjudicator in the selection and use of data.94 We therefore agree with other contributors to this anthology 86

87 88 89 90 91 92 93 94

We use the term finance professionals to highlight that organizational roles often vary, and management accounting work is not limited to employees with the job title “Management Accountant” or “Controller”. We thus use the terms “finance professional” and “management accountant” interchangeably. Cf. Becker/Heinzelmann (2017); Heinzelmann (2018); Wolf et al. (2019). Cf. Hopper (1980). Cf. Alvesson/Willmott (2002); Morales/Lambert (2013); Heinzelmann (2018). Cf. Baldvinsdottir et al. (2009). Cf. Goretzki et al. (2013); Morales/Lambert (2013). Cf. Goretzki et al. (2013); Morales/Lambert (2013); Heinzelmann (2017, 2018). Cf. Al-Htaybat/Alberti-Alhtaybat (2017). Cf. Moll/Yigitbasioglu (in press).

222

Rafael Heinzelmann

that digitalization prompts management accountants to change and expand their knowledge and competencies, and that educational programs aimed at finance professionals must adapt to meet these new demands.95 Increased automatization and a more extensive use of big data and analytics comes at a price. That is, the diminished emphasis on organizational communication that may lead to a devaluation or a weakening of the management accounting and control function.96 6.

Discussion and concluding remarks

MACPS has always been mediated by technologies, however, digitalization is a process that will affect all aspects of our economies and societies.97 In this chapter, we discussed the influence of digitalization on MACPS. We identified some broad lines of argument about the way that accounting may develop in a digital world. First, we argued that digitization means that intangible measures become pivotal to business decisions. Second, we showed how organizations’ MACPS needs shift due to the emergence of digital business models featuring evaluative infrastructures such as rankings, ratings and reviews. The examples of eBay, Airbnb and TripAdvisor demonstrate the importance of reputation systems to these new models; namely, the process of commensuration, authority, asymmetry and reactivity. The evaluative infrastructures at the core of their (digital) business models are central to their ability to capture significant market shares from traditional competitors. Third, we examined specific technological developments as part of the digitalization process (cloud computing, big data and analytics, blockchain and AI), revealing that the digitalization of the underlying MACPS infrastructure increases automatization and visibility, as well as mobilizing large amounts of data for use in decision making. Digitalization demands a “different” type of accountant. Finance professionals are under pressure to become data experts and adopt the role of business partner. The challenges and tensions facing organizations as a result of digitalization is a topic worthy of future research. In-depth, longitudinal case and field studies are required to increase and clarify our understanding of this increasingly pertinent phenomenon.

95 96 97

Cf. Mödritscher/Wall (2019). Cf. Quattrone (2016). Cf. McMickle (1996); Quattrone (2004); Bhimani/Willcocks (2014).

Digitalizing Management Accounting

223

References Al-Htaybat, K./Alberti-Alhtaybat, L. von (2017): Big Data and corporate reporting: impacts and paradoxes. Accounting, Auditing & Accountability Journal, 30 Jg., Nr. 4, S. 850-873. Alvesson, M./Willmott, H. (2002): Producing the appropriate individual: identity regulation as organizational control. Journal of Management Studies, 39 Jg., Nr. 5, S. 619-644. Baldvinsdottir, G./Burns, J./Nørreklit, H./Scapens, R. W. (2009): The image of accountants: from bean counters to extreme accountants. Accounting, Auditing & Accountability Journal, 22 Jg., Nr. 6, S. 858-882. Barbe, A.-S./Hussler, C. (2019): “The war of the worlds won't occur”: Decentralized evaluation systems and orders of worth in market organizations of the sharing economy. Technological Forecasting and Social Change, 2019, Nr. 143, S. 64-75. Becker, A./Heinzelmann, R. (2017): IT and the management accountant. In: Goretzki, L./Strauss, E. (Hrsg.), The Role of the Management Accountant: Local Variations and Global Influences. London: Routledge. Bhimani, A. (2015): Exploring big data's strategic consequences. Journal of Information Technology, 30 Jg., Nr. 1, S. 66-69. Bhimani, A./Willcocks, L. (2014): Digitisation,‘Big Data’and the transformation of accounting information. Accounting and Business Research, 44 Jg., Nr. 4, S. 469-490. Dechow, N./Mouritsen, J. (2005): Enterprise resource planning systems, management control and the quest for integration. Accounting, Organizations and Society, 30 Jg., Nr. 7, S. 691-733. Espeland, W. N./Sauder, M. (2007): Rankings and reactivity: How public measures recreate social worlds. American journal of sociology, 113 Jg., Nr. 1, S. 1-40. Fors, A. (2010): The beauty of the beast: the matter of meaning in digitalization. AI & Society, 25 Jg., Nr. 1, S. 27-33. Goretzki, L./Strauss, E./Weber, J. (2013): An institutional perspective on the changes in management accountants’ professional role. Management Accounting Research, 24 Jg., Nr. 1, 41-63. Gössling, S./Hall, C. M./Andersson, A.-C. (2018): The manager's dilemma: a conceptualization of online review manipulation strategies. Current issues in Tourism, 21 Jg., Nr. 5, S. 484-503. Govindarajan, V./Rajgopal, S./Srivastava, A. (2018a): A Blueprint for Digital Companies' Financial Reporting. Harvard Business Review, August 2018. Govindarajan, V./Rajgopal, S./Srivastava, A. (2018b): Why financial statements don’t work for digital companies. Harvard Business Review, Februar 2018. Govindarajan, V./Rajgopal, S./Srivastava, A. (2018c): Why We Need to Update Financial Reporting for the Digital Era. Harvard Business Review, Juni 2018. Guttentag, D. (2015): Airbnb: disruptive innovation and the rise of an informal tourism accommodation sector. Current issues in Tourism, 18 Jg., Nr. 12, S. 1192-1217. Hagberg, J. (2017): Retail digitalization: Implications for physical stores. Journal of Retailing and Consumer Services, 2017, Nr. 39, S. 264-269.

224

Rafael Heinzelmann

Hagiu, A. (2014): Strategic decisions for multisided platforms. MIT Sloan Management Review, 55 Jg., Nr. 2, S. 71-80. Heinzelmann, R. (2015): Managing conflicting logics of Beyond Budgeting and Enterprise Resource Planning Systems integration. BETA Scandinavian Journal of Business Research, 29 Jg., Nr. 1, S. 26-48. Heinzelmann, R. (2017): Accounting logics as a challenge for ERP system implementation: A field study of SAP. Journal of Accounting & Organizational Change, 13 Jg., Nr. 2, S. 162-187. Heinzelmann, R. (2018): Occupational Identities of Management Accountants: The role of the IT system. Journal of Applied Accountig Research, 19 Jg., Nr. 4, S. 465-482. Heinzelmann, R./Becker, A. (2014): Controlling und ERP-Systeme: State of the Art und Forschungsperspektiven. In: Seicht, G./Janschek, O. (Hrsg.), Jahrbuch für Controlling und Rechnungswesen (S. 147-172). Wien: LexisNexis. Hopper, T. M. (1980). Role conflicts of management accountants and their position within organisation structures. Accounting, Organizations and Society, 5 Jg. Nr. 4, S. 401-411. Huerta, E./Jensen, S. (2017): An accounting information systems perspective on data analytics and Big Data. Journal of Information Systems, 31 Jg., Nr. 3, S. 101-114. Ittner, C./Larcker, D. (2001): Assessing empirical research in managerial accounting: a value-based management perspective. Journal of Accounting and Economics, 32 Jg., Nr. 1-3, S. 349-410. Jeacle, I./Carter, C. (2011): In TripAdvisor we trust: Rankings, calculative regimes and abstract systems. Accounting, Organizations and Society, 36 Jg., Nr. 4, S. 293-309. Johanson, U./Mårtensson, M./Skoog, M. (2001): Mobilizing change through the management control of intangibles. Accounting, Organizations and Society, 26 Jg., Nr. 7-8, S. 715-733. Johnson, H./Kaplan, R. S. (1987): Relevance lost: The rise and fall of management accounting. Boston: Harvard Business Press. Kirchner, S./Schüßler, E. (2018): The Organization of Digital Marketplaces: Unmasking the Role of Internet Platforms in the Sharing Economy. In Ahrne, G./Brunsson, N. (Hrsg.), Organization outside organizations. The abundance of partial organization in social life (S. 131-154). Cambridge: Cambridge University Press. Kornberger, M./Pflueger, D./Mouritsen, J. (2017): Evaluative infrastructures: Accounting for platform organization. Accounting, Organizations and Society, 2017, Nr. 60, S. 79-95. Kristandl, G./Quinn, M./Strauss, E. (2015): Controlling und cloud computing – Wie die Cloud den Informationsfluss in KMU ändert. ZfKE – Zeitschrift für KMU und Entrepreneurship, 63 Jg., Nr. 3-4, S. 281-304. Leoni, G./Parker, L. D. (in press): Governance and control of sharing economy platforms: Hosting on Airbnb. The British Accounting Review. Lev, B./Gu, F. (2016): The end of accounting and the path forward for investors and managers. New Jersey: John Wiley & Sons. Lindqvist, U./Neumann, P. G. (2017): The future of the Internet of Things. Communications of the ACM, 60 Jg., Nr. 2, S. 26-30. Macintosh, N. B./Scapens, R. W. (1990): Structuration theory in management accounting. Accounting, Organizations and Society, 15 Jg., Nr. 5, S. 455-477. McAfee, A./Brynjolfsson, E./Davenport, T./Patil, D./Barton, D. (2012): Big data: the management revolution. Harvard Business Review, 90 Jg., Nr. 10, S. 60-68.

Digitalizing Management Accounting

225

McMickle, P. L. (1996): Computing technology in the West. In: Chatfield, M./Vangermeersch, R. (Hrsg.), The history of accounting: an international encyclopedia (S. 145-150). London: Routledge. Miller, P. (2001): Governing by numbers: Why calculative practices matter. Social research, 68 Jg., Nr. 2, S. 379-396. Mödritscher, G./Wall, F. (2019): Controlling und Digitalisierung - Änderungen im Kompetenzprofil. In: Feldbauer-Durstmüller, B./Mayr, S. (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen. Wiesbaden: Springer-Gabler. Moll, J./Yigitbasioglu, O. (in press): The role of internet-related technologies in shaping the work of accountants: New directions for accounting research. The British Accounting Review. Morales, J./Lambert, C. (2013): Dirty work and the construction of identity. An ethnographic study of management accounting practices. Accounting, Organizations and Society, 38 Jg., Nr. 3, S. 228-244. Mouritsen, J. (2003): Intellectual capital and the capital market: the circulability of intellectual capital. Accounting, Auditing & Accountability Journal, 16 Jg., Nr. 1, S. 18-30. Mulholland, A./Pyke, J./Fingar, P. (2010): Enterprise Cloud Computing: A Strategy Guide for Business and Technology Leaders. Tampa: Meghan-Kiffer Press. Orlikowski, W. J./Scott, S. V. (2014). What happens when evaluation goes online? Exploring apparatuses of valuation in the travel sector. Organization Science, 25 Jg., Nr. 3, S. 868-891. Quattrone, P. (2004): Accounting for God: accounting and accountability practices in the Society of Jesus (Italy, XVI–XVII centuries). Accounting, Organizations and Society, 29 Jg., Nr. 7, S. 647-683. Quattrone, P. (2016): Management accounting goes digital: Will the move make it wiser? Management Accounting Research, 2016, Nr. 31, S. 118-122. Quattrone, P./Hopper, T. (2005): A ‘time–space odyssey’: management control systems in two multinational organisations. Accounting, Organizations and Society, 30 Jg., Nr. 7, S. 735-764. Rifkin, J. (2001): The age of access: The new culture of hypercapitalism. New York: Penguin. Schor, J. B./Fitzmaurice, C. J. (2015): Collaborating and connecting: the emergence of the sharing economy. In: Reisch, L./Thogersen, J. (Hrsg.), Handbook of research on sustainable consumption (S. 410-425). Cheltenham: Edward Elgar. Stone, D./Nikitkov, A./Miller, T. (2014): Strategy, IT and control@ eBay, 1995-2005: The management control system (MCS) as consumer product. Qualitative Research in Accounting & Management, 11 Jg., Nr. 4, S. 357-379. Strauss, E./Kristandl, G./Quinn, M. (2015): The effects of cloud technology on management accounting and decision-making. CIMA Management and Financial Accounting Report, 10(6). Sundararajan, A. (2016): The sharing economy: The end of employment and the rise of crowd-based capitalism. Cambridge: MIT Press. Warren, J./Moffitt, K./Byrnes, P. (2015): How Big Data will change accounting. Accounting Horizons, 29 Jg., Nr. 2, S. 397-407. Wolf, T./Kuttner, M./Feldbauer-Durstmüller, B. (2019): What we know about management accountants`and controllers` changing identities. EAA Annual Congress 2019, Paphos (Zypern), 30. Mai 2019.

226

Rafael Heinzelmann

Online references Airbnb by the numbers (n. d.): https://muchneeded.com/airbnb-statistics/, Abfrage: 23.03.2019. Airnbnb (Hrsg.) (2019a): Financial information, https://investors.ebayinc.com/financialinformation/financial-summary/default.aspx, Abfrage: 23.03.2019. Business Insider (Hrsg.) (2018): Airbnb made $93 million in profit on $2.6 billion in revenue, but an internal clash sent the CFO out the door, https://www.businessinsider.de/airbnb-profit-revenue-2018-2?r=US&IR=T, Abfrage: 23.03.2019 Business Model Toolbox (Hrsg.) (2019): Sharing economy, https://bmtoolbox.net/ patterns/sharing-economy/, Abfrage: 23.03.2019. Butler, O. (2017): I made my shed the top rated restaurant on TripAdvisor, https://www. vice.com/en_uk/article/434gqw/i-made-my-shed-the-top-rated-restaurant-on-tripadvisor, Abfrage: 23.03.2019. Creet, J. (2019): Believe nothing: The hoax of the Shed at Dulwich, http://thecon versation.com/believe-nothing-the-hoax-of-the-shed-at-dulwich-91211, Abfrage: 23.03.2019. Deloitte (Hrsg.) (2015): Platform Business Model explained…in under 100 words, https://www2.deloitte.com/ch/en/pages/innovation/articles/platform-business-modelexplained.html, Abfrage: 23.03.2019. eBay (Hrsg.) (2019): Financial summary, https://investors.ebayinc.com/financialinformation/financial-summary/default.aspx, Abfrage: 23.03.2019. How the eBay Star Rating System Works (2018): https://www.channelreply.com/ blog/view/ebay-stars, Abfrage: 23.03.2019. PricewaterhouseCoopers (Hrsg.) (2015): The sharing economy. Consumer intelligence series, http://www.pwc.com/cis, Abfrage: 23.03.2019. TripAdvisor (Hrsg.) (2019a): About TripAdvisor, https://tripadvisor.mediaroom.com/USabout-us, Abfrage: 23.03.2019. TripAdvisor (Hrsg.) (2019b): 300 million people view TripAdvisor content on sites other than TripAdvisor each month, https://tripadvisor.mediaroom.com/2012-12-01-300Million-People-View-TripAdvisor-Content-on-Sites-Other-than-TripAdvisor-EachMonth, Abfrage: 23.03.2019. World Economic Forum (Hrsg.) (2019): 4 big trends for the sharing economy in 2019, https://www.weforum.org/agenda/2019/01/sharing-economy?fbclid=IwAR1mTCMy_i8s DaL8ONscHk0oEYQ6iIMgYyye-IoO1lA9V89YGZou1Rq5Yek, Abfrage: 23.03.2019.

II Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

Nachhaltigkeitscontrolling in Klein- und Mittelunternehmen

Christoph Endenich und Rouven Trapp 1.

Einleitung

Unabhängig von ihrer Größe, wird von Unternehmen heute in zunehmendem Maße ein nachhaltiges Handeln erwartet, das sich nicht nur in ökonomischen, sondern auch in sozialen und ökologischen Zielen niederschlägt.1 Aus dieser Erwartungshaltung erwächst für Unternehmen ein Druck zu einer stärkeren Nachhaltigkeitsorientierung, da diese ihre Legitimität gegenüber Kunden, Zulieferern, Kapitalgebern, Mitarbeitern sowie Politik und Gesellschaft sicherstellen müssen.2 Für Klein- und Mittelunternehmen (KMU) ergibt sich in diesem Kontext ein spezifisches Spannungsverhältnis: Häufig familiengeführt, werden diese regelmäßig per se als stärker Stakeholder-orientiert charakterisiert.3 Auch ist davon auszugehen, dass KMU eher lang- als kurzfristig handeln, da die Familieneigentümer das Unternehmen an nachfolgende Generationen weitergeben möchten.4 Somit dürften diese Unternehmen traditionell ohnehin eine stärkere Nachhaltigkeitsorientierung aufweisen. Zugleich liegen heute – nicht zuletzt aufgrund der Europäischen Richtlinie 2014/95/EU zur Offenlegung nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen – in großer Zahl Nachhaltigkeitsberichte großer und kapitalmarktorientierter Unternehmen vor. Diese sollten wiederum dazu führen, dass verschiedene Stakeholdergruppen in zunehmendem Maße erwarten, dass auch KMU ihre Nachhaltigkeitsbemühungen offenlegen. Dieser Erwartungshaltung können sich KMU nicht verschließen, da 1 2 3 4

Vgl. Campos (2012); Aisenberg Ferenhof et al. (2014). Vgl. Cho et al. (2015). Vgl. Jenkins (2009). Vgl. Senftlechner/Hiebl (2015).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_10

230

Christoph Endenich und Rouven Trapp

sie auch – wie bereits angesprochen – ihre Legitimität gegenüber den Stakeholdergruppen sicherstellen müssen. Letztlich ist diese Erwartungshaltung auch vor dem Hintergrund zu betrachten, dass KMU zwar enorme positive Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft – beispielsweise durch die Schaffung von Millionen Arbeitsplätzen auf der ganzen Welt – haben, aber auch für geschätzte 6070 % der weltweiten Verschmutzung verantwortlich sind.5 Vor diesem Hintergrund reicht für eine Legitimierung die bloße Erklärung, dass sich ein Unternehmen der Nachhaltigkeit verpflichtet, nicht aus. Vielmehr besteht für KMU die Notwendigkeit, Nachhaltigkeitsleistungen systematisch zu messen und zu steuern und Verbesserungen nachweisbar zu dokumentieren. Somit ergeben sich für Unternehmen verschiedene Anforderungen an das Controlling. Aufgabe des Controllings ist es, durch die Bereitstellung von Instrumenten zur Entscheidungsfindung und Verhaltenssteuerung, die Unternehmensführung bei der Erreichung der Unternehmensziele zu unterstützen. 6 Bestehen die Unternehmensziele nicht mehr allein aus einer ökonomischen Dimension, sondern umfassen auch soziale und ökologische Ziele, sind die Controlling-Instrumente auf das erweiterte Zielsystem auszurichten. Folglich setzt sowohl das konsequente Verfolgen von Nachhaltigkeitszielen als auch die Offenlegung solcher Nachhaltigkeitsbemühungen ein systematisches Nachhaltigkeitscontrolling voraus.7 In diesem Kontext werden Daten zur ökologischen, sozialen und ökonomischen Leistung des Unternehmens systematisch erhoben, ausgewertet und kommuniziert sowie in die unternehmerischen Entscheidungsprozesse einbezogen.8 Für KMU entsteht in diesem Kontext jedoch ein Konflikt mit der zu erwartenden Ressourcenknappheit im Controlling: Sowohl in Bezug auf die Personalausstattung als auch auf die informationstechnische Infrastruktur ist das Controlling in KMU für gewöhnlich schwächer aufgestellt als in Großunternehmen. So stehen in KMU häufig keine spezifischen Controller-Stellen oder -Abteilungen zur Verfügung. Stattdessen werden Controlling-Aufgaben regelmäßig von dem Controlling nahestehenden Mitarbeitern oder Abteilungen – etwa im Bereich der Buchhaltung – oder aber direkt von der Geschäftsleitung wahrgenommen.9 Außerdem haben empirische Studien gezeigt, dass das Controlling – selbst in Großunternehmen – häufig noch unzureichend in Nachhaltigkeitsinitiativen involviert ist.10 Aus dieser Konstellation resultiert ein Spannungsverhältnis zwischen der konzep5 6 7 8 9 10

Vgl. Hillary (2000); Revell et al. (2010); Aisenberg Ferenhof et al. (2014); Johnson/Schaltegger (2016). Vgl. Fischer et al. (2015), S. 29 ff. Vgl. Fischer et al. (2009). Vgl. Bernatzky et al. (2018). Vgl. Kosmider (1994); Lavia Lopez/Hiebl (2015). Vgl. Schaltegger et al. (2013); siehe auch Bernatzky et al. (2018).

Nachhaltigkeitscontrolling in Klein- und Mittelunternehmen

231

tionellen und der tatsächlichen Involvierung des Controllings in unternehmerische Nachhaltigkeitsbemühungen. Vor dem skizzierten Hintergrund beleuchtet der vorliegende Beitrag das Nachhaltigkeitscontrolling in KMU. Dazu werden ausgewählte Instrumente des Nachhaltigkeitscontrollings vorgestellt, in Bezug auf ihre Eignung für KMU bewertet und ein spezifischer Anpassungsbedarf an die Charakteristika von KMU erläutert. Dabei gehen wir wie folgt vor: Im nächsten Kapitel diskutieren wir zentrale Grundlagen unternehmerischer Nachhaltigkeit. Anschließend thematisieren wir zunächst ausgewählte Instrumente des strategischen, dann des operativen Nachhaltigkeitscontrollings. Ein Fazit rundet unseren Beitrag ab. 2.

Unternehmerische Nachhaltigkeit

Im Gegensatz zum Shareholder-Ansatz, der unidimensional auf den finanziellen Profit der Unternehmenseigentümer abzielt, postuliert der Triple Bottom LineAnsatz das Verfolgen von drei gleichberechtigten Zieldimensionen: Ökologie, Soziales und Ökonomie.11 Im Rahmen der ökologischen Ziele werden etwa eine Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen, höhere Recyclingquoten, energieeffiziente Produktionsverfahren und Lieferketten sowie Rohstoffeinsparungen angestrebt. Die sozialen Ziele umfassen etwa faire Löhne, Sozialleistungen und Fortbildungsmaßnahmen sowie hohe Arbeitssicherheitsstandards im Unternehmen selbst, aber auch bei Zulieferern und Kooperationspartnern, sowie einen positiven Einfluss auf die Zivilgesellschaft. Die ökonomischen Ziele stellen schließlich auf einen angemessenen und nachhaltigen finanziellen Erfolg des Unternehmens ab.12 Auch wenn die Bedeutung dieser drei Zieldimensionen mittlerweile auf einen breiten Konsens stößt, ergibt sich beim Verfolgen der Tripple Bottom Line jedoch ein zentraler Diskussionspunkt, der im Kern darauf abzielt, ob soziale und ökologische Aspekte Mittel zur Erreichung eines ökonomischen Zwecks oder vielmehr einen Selbstzweck darstellen. Unternehmen, die den ökonomischen Tripple Bottom Line-Ansatz13 verfolgen, bezwecken durch Maßnahmen im Bereich Ökologie und Soziales zunächst Compliance-Aspekten gerecht zu werden, also vorgeschriebene ökologische und soziale Minimalstandards einzuhalten und entsprechende Risiken – beispielsweise in Form von Strafzahlungen oder Imageverlusten bei Umweltvergehen – zu vermeiden. Darüber hinaus versuchen sie Kosten einzusparen – etwa durch die effizientere Verwendung von Rohstoffen und Energie im Produktionsprozess – oder Umsätze zu erhöhen – bspw. indem 11 12 13

Vgl. Elkington (2004); Savitz/Weber (2006). Vgl. Elkington (2004); Savitz/Weber (2006); Bernatzky et al. (2018). Vgl. Weber et al. (2012), S. 16 f.

232

Christoph Endenich und Rouven Trapp

durch die positiven Auswirkungen des unternehmerischen sozialen Engagements auf das Image des Unternehmens neue Käuferschichten erschlossen oder höhere Preise ermöglicht werden. In diesem Zusammenhang wird regelmäßig auch vom Business Case unternehmerische Nachhaltigkeit gesprochen: Die gestiegene soziale und ökologische Leistung des Unternehmens dient letztlich dem Erzielen höherer finanzieller Gewinne.14 Dem gegenüber stehen Unternehmen, die aus Überzeugung und um ihrer selbst willen soziale und ökologische Ziele verfolgen anstatt ausschließlich auf ihre ökonomischen Konsequenzen abzuzielen. Vor dem Hintergrund der angesprochenen Spezifika von KMU lässt sich argumentieren, dass im Vergleich zu Großunternehmen in KMU ökologische und soziale Ziele häufiger einen Selbstzweck darstellen könnten. Empirische Untersuchungen in Großunternehmen haben hingegen gezeigt, dass in diesen Unternehmen soziale und ökologische Ziele häufig Mittel zum Zweck sind, einen eher legitimitätsstiftenden Charakter haben oder sogar bloße Fassade sind.15 Folglich können durch die Implementierung von Nachhaltigkeitsgesichtspunkten in KMU Wettbewerbsvorteile gegenüber Großunternehmen generiert werden. 16 3.

Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling

3.1. Ansätze zur Implementierung von Nachhaltigkeit Die Aufgaben, die vom Controlling wahrgenommen werden, um die Unternehmensführung bei der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen, hängen vorrangig davon ab, wie sich die Nachhaltigkeitsorientierung in einem Unternehmen niederschlägt. Diese Aufgaben prägen wiederum maßgeblich die eingesetzten Controlling-Instrumente. Horváth und Berlin unterscheiden in diesem Zusammenhang drei Implementierungsziele. 17 Das erste Implementierungsziel konkretisiert sich in der Umsetzung von einzelnen Maßnahmen zur Optimierung der ökologischen und sozialen Wirkungen des unternehmerischen Handelns. Diese Maßnahmen werden häufig nicht von der Unternehmensführung, sondern von einzelnen Mitarbeitern initiiert. Beispiele hierfür wären, dass die Produktionsleitung vorschlägt, die Energieeffizienz einer Maschine im Rahmen einer Ersatzinvestition in Betracht zu ziehen, oder der Betriebsrat die Implementierung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements forciert. 14 15 16 17

Vgl. Carroll/Shabana (2010); Weber et al. (2012), S. 17. Vgl. Cho et al. (2015). Vgl. Falle et al. (2016). Vgl. Horváth/Berlin (2016).

Nachhaltigkeitscontrolling in Klein- und Mittelunternehmen

233

Entsprechende Maßnahmen lassen sich in aller Regel mit den Standardinstrumenten des Controllings analysieren.18 Die Energieeffizienz einer Anlage kann etwa mithilfe der etablierten Verfahren zur Investitionsrechnung abgebildet werden, wenn die erwarteten Einsparungen bei den Energiekosten quantifiziert und in Form von verringerten Auszahlungen einbezogen werden. Bei einer eingeschränkten Quantifizierbarkeit der ökologischen Wirkungen bietet sich die Durchführung einer Nutzwertanalyse als qualitative Ergänzung der finanziellen Bewertung an.19 Die Umsetzbarkeit von Maßnahmen zum betrieblichen Gesundheitsmanagement kann mithilfe von operativen Planungsansätzen wie der Budgetierung geprüft werden. Um jedoch nicht nur die Kostenseite zu berücksichtigen, sondern auch die Wirkungen entsprechender Maßnahmen systematisch zu analysieren, obliegt dem Controlling die Entwicklung geeigneter Indikatoren. Das zweite Implementierungsziel nach Horváth und Berlin besteht darin, Transparenz hinsichtlich ökologisch bzw. sozial relevanter Größen zu schaffen. Gegenstand des Nachhaltigkeitscontrollings ist in diesem Fall nicht länger die Bewertung isolierter Maßnahmen. Stattdessen steht beispielsweise die Verringerung der Umweltbelastung des gesamten Unternehmens im Fokus. Über die beabsichtigte Verbesserung und die entsprechenden Fortschritte ist den Stakeholdern zu berichten. Ähnlich wie bei dem Beispiel zum betrieblichen Gesundheitsmanagement sind die bestehenden Kennzahlensysteme um geeignete Indikatoren zu ergänzen, die in die vorhandenen Prozesse sowie in die internen und externen Berichte zu integrieren sind.20 Das dritte Implementierungsziel bezieht sich auf die Entwicklung und Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie, die von der Unternehmensführung initiiert wird.21 Diesem Ansatz liegt ein systematisches Vorgehen zugrunde, indem die unternehmensspezifisch relevanten Nachhaltigkeitsaspekte strukturiert identifiziert und sodann in Form einer Nachhaltigkeitsmission festgehalten werden. Letztere ist im Weiteren in eine Nachhaltigkeitsstrategie zu übersetzen. Die Aufgaben des Controllings beschränken sich in diesem Fall nicht auf die punktuelle Erweiterung des bestehenden Instrumentariums, sondern sind deutlich weiter gefasst. Idealiter wird das Controlling sowohl in die Entwicklung als auch in die Implementierung der Nachhaltigkeitsstrategie einbezogen. 22 Während die ersten beiden Implementierungsziele primär eine Erweiterung des operativen Controllings bedingen, setzt das dritte Implementierungsziel auch ein strategisches Nachhaltigkeitscontrolling voraus. Da das strategische 18 19 20 21 22

Vgl. Horváth/Berlin (2016). Vgl. Sailer (2017), S. 251 ff. Vgl. Horváth/Berlin (2016). Vgl. Horváth/Berlin (2016). Vgl. Fischer et al. (2009).

234

Christoph Endenich und Rouven Trapp

Controlling in KMU in der Regel einen vergleichsweise geringen Entwicklungsgrad aufweist,23 bietet sich eine schrittweise Implementierung der Nachhaltigkeitsorientierung an. So kann das Controlling im Sinne eines Pilotprojekts die Erweiterung seines etablierten Instrumentenkastens um Nachhaltigkeitsaspekte erproben, um anschließend eine top-down entwickelte Nachhaltigkeitsstrategie adäquat durch die Bewertung von Handlungsoptionen und die Operationalisierung von strategischen Zielen zu flankieren. Da eine stringente Nachhaltigkeitsorientierung letztlich die Entwicklung und Implementierung einer entsprechenden Strategie bedingt, befassen sich die nachfolgenden Ausführungen mit den Schritten, die auf diesem Entwicklungspfad zu vollziehen sind. Hierzu erörtern wir zunächst die Wesentlichkeitsanalyse als zentrales Element eines normativen Nachhaltigkeitsmanagements und wichtige Voraussetzung für die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie. Im Anschluss widmen wir uns der Sustainability Balanced Scorecard und somit einem vielfach diskutierten Ansatz zur Strategieoperationalisierung und -implementierung. 3.2. Strategieentwicklung Den Ausgangspunkt für die Strategieentwicklung stellt die strategische Planung dar, welche aus den Stufen strategische Analyse, Strategiefindung und Strategiebewertung besteht.24 Im Sinne einer stringenten Nachhaltigkeitsorientierung gilt es, relevante Nachhaltigkeitsaspekte zu identifizieren und in die bestehende Strategie einzubinden. Steinke et al. messen in diesem Zusammenhang der Erweiterung der strategischen Analyse eine besondere Bedeutung bei. 25 In Ergänzung zur Umwelt- und Unternehmensanalyse, häufig instrumentell unterstützt durch die SWOT-Analyse,26 sind die Stakeholder-Erwartungen systematisch zu erschließen. Hierfür bietet sich der Eintritt in einen sog. Stakeholder-Dialog an, worunter ein strukturierter Austausch zwischen Repräsentanten des Unternehmens und Vertretern der Anspruchsgruppen mit dem Ziel eines gegenseitigen Informationsaustauschs zu verstehen ist. Da die Legitimation des Unternehmens durch die Stakeholder ein zentrales Anliegen von Nachhaltigkeitsbemühungen ist, bildet die Identifikation der Stakeholder-Erwartungen eine zentrale Voraussetzung für die angestrebte Legitimierung. 23 24 25 26

Vgl. z. B. Berens et al. (2005); für einen Überblick vgl. Hiebl (2017). Vgl. Baum et al. (2013), S. 29. Vgl. Steinke et al. (2014), S. 52. Die Abkürzung SWOT steht für Strengths, Weaknesses, Opportunities and Threats und umfasst sowohl die Identifikation von unternehmensinternen Stärken und Schwächen als auch die Identifikation von Möglichkeiten und Risiken, die sich aus dem Unternehmensumfeld ergeben.

Nachhaltigkeitscontrolling in Klein- und Mittelunternehmen

235

Großunternehmen nutzen im Stakeholder-Dialog zahlreiche Instrumente. So umfasst etwa der Stakeholder-Dialog der Daimler AG drei Säulen. Neben dem Informationsaustausch mithilfe von Nachhaltigkeitsberichten, -magazinen und -newslettern, Blogs und Social Media sowie der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tritt das Unternehmen mit Stakeholdern über Mitgliedschaften und Fachtagungen, aber auch über moderne Dialogformate wie Thinktanks, Hackathons und Ideenwettbewerbe in den Austausch. Des Weiteren konkretisieren sich die Bemühungen, die Stakeholder-Erwartungen zu erschließen, in schriftlichen Befragungen, der Initiierung von Arbeitsgruppen und Peer Review-Verfahren im Rahmen von internationalen Nachhaltigkeitsinitiativen.27 Wenngleich mittelständische Unternehmen in aller Regel nicht über die Ressourcen verfügen, um einen Dialog auf derart vielen Plattformen zu begründen, erscheinen insbesondere Social Media-Kanäle vielversprechend, um mit den Kunden in Kontakt zu treten. Ein Austausch mit weiteren Stakeholdern, wie z. B. der Öffentlichkeit, kann insbesondere über Arbeitsgruppen erfolgen. Die auf diese Weise erschlossenen Themen, die aus der Perspektive der Stakeholder bedeutsam erscheinen, sind den Nachhaltigkeitsthemen gegenüberzustellen, die aus der Unternehmensperspektive wichtig sind. Der Austausch mit den Stakeholdern wird in aller Regel zu einer Vielzahl von Themen führen, die es zu strukturieren und zu priorisieren gilt. Hierfür ist eine sog. Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen. Instrumentell wird diese durch eine Wesentlichkeitsmatrix unterstützt.28

27 28

Vgl. Daimler (2018). Vgl. Sailer (2017), S. 107 ff.

236

Christoph Endenich und Rouven Trapp

Abb. 1: Herleitung der Wesentlichkeitsmatrix29 Abbildung 1 zeigt die Wesentlichkeitsmatrix, bei der die Stakeholder-Erwartungen auf der Abszisse eingetragen werden und die Handlungsfelder, die aus der Unternehmensperspektive von Bedeutung sind, auf der Ordinate eingezeichnet werden. Letztere ergeben sich aus der SWOT-Analyse, die wie zuvor erläutert eine systematische Analyse des Unternehmens und seines Umfelds zum Gegenstand hat.30 Die relevanten Handlungsfelder der Stakeholder werden demgegenüber im Rahmen des Stakeholder-Dialogs identifiziert. Zu priorisieren sind jene Themen, denen sowohl aus der Unternehmensperspektive als auch aus der Sicht der Stakeholder eine hohe 29 30

Quelle: Sailer (2017), S. 109. Vgl. Baum et al. (2013), S. 99 f.

Nachhaltigkeitscontrolling in Klein- und Mittelunternehmen

237

Bedeutung beigemessen wird. Dies sind jene Themen, die in der oberen rechten Ecke des Diagramms eingetragen werden. Die Wesentlichkeitsmatrix ist intuitiv und verschafft Transparenz über relevante Nachhaltigkeitsthemen. Sie berücksichtigt allerdings keine Interdependenzen zwischen den Handlungsfeldern. Letzteres kann mithilfe einer systemischen Wesentlichkeitsanalyse erfolgen, in deren Rahmen ein Netzwerk modelliert wird und mithilfe von Simulationen die Interdependenzen zwischen den Themen aufgezeigt werden. Hierfür stehen spezielle Software-Tools zur Verfügung, welche diesen komplexen Ansatz auch für mittelständische Unternehmen gangbar machen.31 Die im Rahmen der strategischen Analyse identifizierten Themen gehen in die Strategiefindung und -bewertung ein. Für das Controlling ergibt sich die Operationalisierung der verabschiedeten Strategie als weitere Aufgabe. Die strategischen Ziele sind für die einzelnen Instanzen im Unternehmen in Subziele zu zerlegen und mittels geeigneter Kennzahlen steuerbar zu machen. Hierzu kann auf das bewährte Vorgehen der Balanced Scorecard zurückgegriffen werden, die wir im nächsten Abschnitt erläutern. 3.3. Strategieoperationalisierung mithilfe der Sustainability Balanced Scorecard Die Balanced Scorecard stellt ein multidimensionales Leistungsmessungsinstrument zur Strategieimplementierung dar.32 Traditionell umfasst die Balanced Scorecard die vier Perspektiven Kunden, interne Prozesse, Lernen und Wachstum sowie Finanzen und zielt somit auf eine umfassendere Betrachtung der unternehmerischen Leistung ab als traditionelle, auf finanzielle Ziele fokussierte Instrumente. Für die genannten Dimensionen werden jeweils Ziele, Indikatoren, Zielgrößen sowie Initiativen zur Zielerreichung definiert. Dabei wird ein besonderer Fokus auf die Kausalzusammenhänge zwischen den verwendeten Indikatoren gelegt, was die Zielerreichung sicherstellen soll. In diesem Kontext wird zwischen Leading und Lagging Indikatoren unterschieden. Erstere sind regelmäßig nicht-finanzielle Indikatoren – wie etwa Kundenzufriedenheit, Mitarbeitermotivation oder Produktqualität – die mittel- bis langfristig zu einer besseren finanziellen Performance (Lagging Indikator) führen können.33 Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang jedoch die Komplexität, die mit den von der Balanced Scorecard geforderten Kausalzusammenhängen zwischen den verschiedenen Indikatoren, Perspektiven und dem gesteckten strategischen Unternehmensgesamtziel einhergeht. 31 32 33

Vgl. Sailer (2017), S. 111 ff. Vgl. Kaplan/Norton (1992). Vgl. Kaplan/Norton (1996).

238

Christoph Endenich und Rouven Trapp

In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Bemühungen unternommen, soziale und ökonomische Aspekte in die Balanced Scorecard zu integrieren und zu einer Sustainability Balanced Scorecard weiter zu entwickeln.34 Der zentrale Vorteil dieser Konzepte liegt in ihrem Potential ökologische, soziale und ökonomische Ziele gleichzeitig in einem holistischen Ansatz zu verfolgen, während viele andere Konzepte soziale oder ökologische Aspekte isoliert und losgelöst von ökonomischen Gesichtspunkten betrachten.35 Die Sustainability Balanced Scorecard wird heute – ähnlich wie die traditionelle Balanced Scorecard – in erster Linie in Großunternehmen verwendet. Sie findet zunehmend aber auch Verbreitung in KMU.36 Als zentrale Frage bei der Erstellung einer entsprechenden Sustainability Balanced Scorecard ist zu entscheiden, ob soziale und ökologische Aspekte in die bestehenden vier Perspektiven der Balanced Scorecard integriert oder als separate Dimension(en) ergänzt werden.37 Unabhängig von der individuellen Antwort des Unternehmens auf diese Frage, deutet sich an dieser Stelle mit der Flexibilität der Balanced Scorecard ein zentraler Vorteil des Konzeptes – insbesondere für KMU – an.38 Darüber hinaus, dürfte sich für KMU aufgrund der bereits thematisierten Ressourcenknappheit und zur Vermeidung einer übermäßigen Komplexität die Integration in die bestehenden Perspektiven anbieten. Da finanziellen Indikatoren von Entscheidungsträgern bis heute häufig eine höhere Bedeutung zugesprochen wird als nicht-finanziellen, kann durch eine Integration in die bestehenden Perspektiven gegebenenfalls erreicht werden, dass soziale und ökologische Aspekte in einer Sustainability Balanced Scorecard nicht en-bloc vernachlässigt werden.39 Darüber hinaus sollte bei der Erstellung einer Sustainability Balanced Scorecard gerade in KMU bewusst auf eine kleine Anzahl von einfach zu erhebenden sowie leicht verständlichen und somit gut kommunizierbaren Indikatoren fokussiert werden, auch wenn eine solche Priorisierung von ausgewählten Indikatoren eine Herausforderung darstellen kann.40 Darüber hinaus kann die Akzeptanz der Sustainability Balanced Scorecard durch eine starke Involvierung der Mitarbeiter am Erstellungsprozess – etwa durch die Bildung einer bereichsübergreifenden Projektgruppe – und eine entsprechende Unterstützung durch das Topmanagement gefördert werden.41 Ebenso ist der zuvor erwähnte Dialog mit verschiedenen Stakeholdergruppen – etwa mit Kunden, Zulieferern und Anrainern – zur erfolgreichen Erstellung einer Sustainability Balanced Scorecard zu 34 35 36 37 38 39 40 41

Vgl. Endenich/Trapp (2018). Vgl. Figge et al. (2002). Vgl. Falle et al. (2016). Vgl. Figge et al. (2002). Vgl. Falle et al. (2016). Vgl. Bento et al. (2017). Vgl. Falle et al. (2016). Vgl. Falle et al. (2016).

Nachhaltigkeitscontrolling in Klein- und Mittelunternehmen

239

empfehlen.42 Auch wird argumentiert, dass sich die Sustainability Scorecard für Unternehmen eignet, in denen die Nachhaltigkeitsbemühungen über Compliance und Business Case-Gedanken hinausgehen.43 Eine unpräzise Formulierung der Nachhaltigkeitsstrategie kann der erfolgreichen Implementierung einer Sustainability Balanced Scorecard ebenfalls im Wege stehen. 44 Die Implementierung einer Sustainability Balanced Scorecard bedingt, dass das Controlling in die Auswahl geeigneter Indikatoren und in die Festlegung geeigneter Zielgrößen eingebunden ist. Die bloße Vorgabe von Zielen erscheint jedoch nicht ausreichend. Für die Initiierung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen bedürfen stattdessen die Controlling-Instrumente zur Entscheidungsunterstützung einer Erweiterung. Die entsprechenden Anpassungsbedarfe sind Gegenstand des nächsten Kapitels. 4.

Operatives Nachhaltigkeitscontrolling

4.1. Anforderungen an das operative Nachhaltigkeitscontrolling Die vorausgegangenen Ausführungen verdeutlichen die aus der ControllingPerspektive bestehende Notwendigkeit, Nachhaltigkeitsziele zu operationalisieren, um ihren Erreichungsgrad ermitteln zu können. Der Messung von Nachhaltigkeit kommt dementsprechend ein hoher Stellenwert im Rahmen des Nachhaltigkeitscontrollings zu.45 Im Sinne einer ganzheitlichen Steuerung sollte die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in das bestehende Controlling-Instrumentarium forciert werden. Somit kommt der Erweiterung der operativen Controlling-Instrumente und -prozesse eine erhebliche Bedeutung zu. Hervorzuheben sind in prozessualer Hinsicht die Planungsund Berichtsprozesse.46 In instrumenteller Hinsicht steht insbesondere die mögliche Erweiterung der Kostenrechnungs- und Kennzahlensysteme weit oben auf der Agenda des Controllings. Mit Letzterem befassen sich die weiteren Ausführungen. Im ersten Schritt setzen wir uns mit den Möglichkeiten auseinander, Nachhaltigkeitsaspekte in die Kostenrechnung als zentrale Informationsgrundlage des Controllings zu integrieren.47 Daran anschließend erörtern wir, wie Nachhaltigkeitsziele in Kennzahlensysteme als wichtiges Controlling-Instrument integriert werden können. 42 43 44 45 46 47

Vgl. Woerd/Brink (2004). Vgl. Woerd/Brink (2004); Endenich/Trapp (2018). Vgl. Falle et al. (2016). Vgl. Sailer (2017), S. 154. Vgl. Steinke et al. (2014), S. 64 ff., 71 ff. Vgl. Fischer et al. (2015), S. 2.

240

Christoph Endenich und Rouven Trapp

4.2. Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Kostenrechnung Die Kostenrechnung gilt als ein Standardinstrument des Controllings. 48 Dementsprechend bestehen Bemühungen, die Kostenrechnung dahingehend zu erweitern, dass sie auch Umweltkosten umfasst. 49 Die effektiven Umweltkosten, neben Energieverbräuchen beispielsweise auch die Kosten des Umweltschutzes, werden bereits im Rechnungswesen erfasst. Darüber hinausgehend sind im Sinne von kalkulatorischen Umweltkosten die externen Effekte zu monetarisieren und einzubeziehen. Hierunter fallen etwa die Krankheitskosten, die Mitarbeiter durch Giftstoffe in der Produktion oder Anrainer infolge von Feinstaubbelastung tragen.50 Die Umweltkosten werden – der Struktur der Kostenrechnung folgend – in der Kostenartenrechnung erfasst und in die Kostenträgerrechnung übernommen, sofern sie einem Kostenträger direkt zurechenbar sind. Umweltgemeinkosten sind demgegenüber in der Kostenstellenrechnung auf die betroffenen Kostenstellen zu verrechnen und letztlich auf die Kostenträger zu schlüsseln. 51 Daraus resultieren Selbstkosten, welche die monetarisierten Umwelteinflüsse beinhalten, sodass auch die ökologischen Wirkungen in operative Entscheidungen, beispielsweise hinsichtlich des Produktprogramms, einbezogen werden können. Des Weiteren besteht Transparenz über die Arten entstandener Umweltschäden sowie über die Verantwortlichkeiten in Form von Organisationseinheiten und Produkten.52 Entsprechende Kenntnisse bilden wichtige Voraussetzungen, um Nachhaltigkeitsmaßnahmen zieladäquat implementieren zu können. Als Implementierungsbarrieren erweisen sich allerdings die Erfassung und insbesondere die Monetarisierung externer Effekte, die selbst bei intensiver Datensammlung erhebliche Ermessensspielräume implizieren. Dies wiegt besonders schwer für KMU, in denen neben begrenzten personellen Ressourcen häufig auch ein weniger stark ausgeprägtes Bewusstsein für die ökologischen Wirkungen des unternehmerischen Handelns besteht.53 Alternativ stehen mit der Energie- und Materialstromanalyse sowie der darauf aufbauenden Materialflusskostenrechnung prozessorientierte Ansätze zur Verfügung, die der zunehmenden Bedeutung der Gemeinkosten Rechnung tragen.54 Einen interessanten Ansatz stellt hierbei die Materialflusskostenrechnung dar, die Kosten nicht nur den Endprodukten zurechnet, sondern auch dem unerwünschten Output in Form von Abfällen und Energieverlusten.55 Mit der Aufde48 49 50 51 52 53 54 55

Vgl. Weber (2008), S. 59. Vgl. Internationaler Controller Verein (2011). Vgl. Internationaler Controller Verein (2011); Sailer (2017), S. 164 ff. Vgl. Sailer (2017), S. 166 ff. Vgl. Sailer (2017), S. 166. Vgl. Johnson/Schaltegger (2016). Vgl. Sailer (2017), S. 164. Vgl. Günther/Prox (2012).

Nachhaltigkeitscontrolling in Klein- und Mittelunternehmen

241

ckung der Kosten von Materialverlusten und Abfällen werden somit weitere Einsparpotenziale erschlossen, die zu einer geringeren Umweltbelastung führen können. 4.3. Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in Kennzahlensysteme Die Erweiterung der Kostenrechnung schafft Transparenz über die entstandenen Kosten und ermöglicht eine Zuordnung auf Unternehmensbereiche und Kostenträger. Dennoch bleibt ihr Aussagegehalt insofern begrenzt als dass die ökologische und soziale Umwelt des Unternehmens lediglich als Kostenfaktor betrachtet wird.56 Die vorteilhaften Wirkungen, die etwa mit einer Erhöhung der Umweltoder Sozialkosten verbunden sein können, werden demgegenüber außer Acht gelassen. Um eine einseitige Betrachtung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu vermeiden, sollten daher relevante Kennzahlen identifiziert werden. Zugunsten einer stringenten Implementierung der Nachhaltigkeitsstrategie können diese in die bereits vorgestellte Sustainability Balanced Scorecard integriert werden. Gleichwohl ist die Steuerung von Nachhaltigkeitsinitiativen ohne Rückgriff auf die kaskadenartige Struktur der Sustainability Balanced Scorecard möglich. Die Einführung von nachhaltigkeitsbezogenen Kennzahlen erscheint in KMU insbesondere vor dem Hintergrund bedeutsam, dass Kennzahlensysteme traditionell eines der bedeutsamsten Controlling-Instrumente für diesen Unternehmenstypus darstellen.57 Eine wesentliche Herausforderung bei der Konzeptionierung von nachhaltigkeitsorientierten Kennzahlensystemen konkretisiert sich in der Auswahl geeigneter Indikatoren. Eine Orientierungshilfe können hierbei die Indikatoren bieten, die im Rahmen der Global Reporting Initiative (GRI) Sustainability Reporting Standards vorgeschlagen werden. 58 Die GRI-Berichtsstandards bilden das am häufigsten in Nachhaltigkeitsberichten angewendete Rahmenwerk und tragen somit zu einer besseren Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen bei.59 Die Orientierung an den GRI-Standards bei der Weiterentwicklung von Kennzahlensystemen impliziert zum einen die Adaption von etablierten Kennzahlen zu Steuerungszwecken. Zum anderen ergibt sich auch für KMU die Möglichkeit, eine an die Erwartungen der Stakeholder ausgerichtete externe Berichterstattung aufzubauen und somit das Bestreben um eine nachhaltige Unternehmensführung nach außen zu kommunizieren. 60 56 57 58 59 60

Vgl. Sailer (2017), S. 169. Vgl. Lux/Hauser (2007); Feldbauer-Durstmüller et al. (2012). Vgl. Fifka (2016), S. 85. Vgl. Stojanović-Blab/Blab (2017); Behncke/Wulf (2019). Eine entsprechende Kommunikation kann den Stakeholder-Dialog unterstützen und somit ein Feedback hinsichtlich der weiteren Strategieentwicklung repräsentieren.

242

Christoph Endenich und Rouven Trapp

Die neueste Auflage der GRI-Regelungen, die sog. GRI-Standards, setzen sich aus einem allgemeinen Teil und themenbezogenen Standards zusammen. 61 Der allgemeine Teil bezieht sich neben den Berichterstattungsgrundsätzen insbesondere auf die Darlegung der Strategie und des Managementansatzes. 62 Auch wenn sich entsprechende Angaben vorrangig an Unternehmensexterne richten, kann die Auseinandersetzung mit den Anforderungen an die Berichterstattung eine systematische Analyse des Unternehmens und seiner Umwelt forcieren und auf diese Weise die Strategieentwicklung unterstützen. Die drei themenbezogenen Standards beziehen sich auf die Dokumentation der Unternehmensleistung in den drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales. Der Bereich Ökologie befasst sich beispielsweise mit Materialien, Energie und Wasser, aber auch Biodiversität und Emissionen. Die auf die soziale Dimension bezogenen Indikatoren bilden einerseits Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen innerhalb des Unternehmens ab. Andererseits beziehen sie sich aber auch auf die Kunden, die lokalen Gemeinschaften, in die ein Unternehmen integriert ist, sowie auf grundlegende soziale Ziele wie Diversität und Chancengleichheit sowie Nichtdiskriminierung. Vor dem Hintergrund der häufig begrenzten Ressourcen, die in KMU für die Weiterentwicklung des Controlling-Instrumentariums zur Verfügung stehen, bietet es sich an, für die im Rahmen der Strategiefindung mithilfe des StakeholderDialogs und der Wesentlichkeitsanalyse identifizierten Nachhaltigkeitsaspekte zu prüfen, inwiefern diese von den GRI-Standards abgedeckt werden. Im Falle einer entsprechenden Kongruenz ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob die für die Kennzahl benötigten Daten im Unternehmen vorliegen bzw. erhoben werden können. Bei einer Datenverfügbarkeit erscheint die Integration des Indikators in das Steuerungsinstrumentarium vor dem Hintergrund seiner strategischen Relevanz ratsam. Wenngleich diese Vorgehensweise den Ressourcenrestriktionen von KMU gerecht wird, droht zugleich die Gefahr eines Zahlenfriedhofs, in dem die Kennzahlen nicht zueinander in Bezug gesetzt werden und somit wenig systematisch an die Unternehmensführung berichtet werden. 63 Dementsprechend enthält die Literatur Vorschläge für Werttreiberbäume, in denen die Kennzahlen in einen Zusammenhang gestellt werden und als Spitzenkennzahl der Sustainable Value fungiert, welcher den mehrdimensionalen Nachhaltigkeitsbeitrag eines Unternehmens zu einer monetären Kennzahl verdichtet. 64 Fraglich erscheint, ob die in 61

62 63 64

Die Standards können von der Webseite des GRI kostenlos unter folgendem Link heruntergeladen werden: https://www.globalreporting.org/standards/gri-standards-translations/gri-standards-germantranslations-download-center/, Abfrage: 10.05.2019. Vgl. Stojanović-Blab/Blab (2017). Vgl. Weber/Schäffer (2016), S. 196. Vgl. z.B. Figge/Hahn (2004); Sailer (2017), S. 220 ff.

Nachhaltigkeitscontrolling in Klein- und Mittelunternehmen

243

diesen Ansätzen inhärente Komplexität den Bedürfnissen von KMU gerecht wird. Die Sustainability Balanced Scorecard, die verschiedene Kennzahlen auf Basis von Ursache-Wirkungs-Beziehungen ins Verhältnis setzt, dabei aber die finanziellen Performancemaße weiterhin als Spitzenkennzahlen verwendet, erscheint aus einer Kosten-Nutzen-Perspektive vielversprechender. 5.

Fazit

Unternehmerische Nachhaltigkeit ist heute nicht nur für Großunternehmen sondern auch und gerade für viele KMU ein zentrales Anliegen. Um die unternehmerische Leistung im Bereich der Nachhaltigkeit zu erhöhen, muss diese operationalisiert und in die unternehmerische Entscheidungsfindung einbezogen werden. In diesem Kontext kommt dem Controlling als zentraler Kompetenzstelle zur unternehmerischen Leistungsmessung eine Schlüsselposition zu. Vor diesem Hintergrund haben wir in diesem Beitrag ausgewählte Controlling-Instrumente vorgestellt, die KMU bei der Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen wertvolle Unterstützung leisten können. Dieses Instrumentarium reicht von eher grundlegenden Instrumenten – etwa im Bereich der Kostenrechnung und Kennzahlensysteme –, die einen Einstieg in das Nachhaltigkeitscontrolling erleichtern können, bis hin zu komplexeren Instrumenten – etwa der Sustainability Balanced Scorecard –, welche folglich eher für Klein- und Mittelunternehmen mit ambitionierteren Zielen im Bereich der Nachhaltigkeit zu empfehlen sind. Hier zeigt sich, dass nicht nur die Entwicklung zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise, sondern auch die Implementierung von Nachhaltigkeitsgesichtspunkten in das Controlling einen langfristigen Prozess darstellen kann. Dieser Prozess erstreckt sich von der punktuellen Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten in das klassische Controlling-Instrumentarium bis hin zur systematischen Nutzung aller Controlling-Funktionen zur Verbesserung der unternehmerischen Leistung im Bereich der Nachhaltigkeit.65 Durch die Messung, Analyse und Kommunikation der unternehmerischen Leistung in den Bereichen Ökonomie, Ökologie und Soziales kann das Controlling einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zu einer solchen nachhaltigeren Wirtschaftsweise leisten.

65

Vgl. Bernatzky et al. (2018).

244

Christoph Endenich und Rouven Trapp

Literatur Aisenberg Ferenhof, H./Vignochi, L./Selig, P. M./Rojas Lezana, A. G./Campos, L. M. S. (2014): Environmental management systems in small and medium-sized enterprises: An analysis and systematic review. Journal of Cleaner Production, 74 Jg., S. 44-53. Baum, H.-G./Coenenberg, A. G./Günther, T. (2013): Strategisches Controlling. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Behncke, N./Wulf, I. (2019): Erste Berichts- und Prüfungssaison der nicht-finanziellen Berichterstattung – eine empirische Analyse der DAX160-Unternehmen für das Geschäftsjahr 2017. KoR IFRS – Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung, 20 Jg., Nr. 1, S. 21-31. Bento, R./Mertins, L./White, L. (2017): Ideology and the balanced scorecard: An empirical exploration of the tension between shareholder value maximization and corporate social responsibility. Journal of Business Ethics, 142 Jg., Nr. 4, S. 769-789. Berens, W./Püthe, T./Siemes, A. (2005): Ausgestaltung der Controllingsysteme im Mittelstand – Ergebnisse einer Untersuchung. Zeitschrift für Controlling & Management, 49 Jg., Nr. 3, S. 186-191. Bernatzky, S./Endenich, C./Wömpener, A. (2018): Zur Integration von Nachhaltigkeit in das Controlling – eine empirische Analyse. Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 70 Jg., Nr. 2, S. 202-226. Campos, L. M. S. (2012): Environmental management systems (EMS) for small companies: A study in Southern Brazil. Journal of Cleaner Production, 32 Jg., S. 141-148. Carroll, A. B./Shabana, K. M. (2010): The business case for corporate social responsibility: A review of concepts, research and practice. International Journal of Management Reviews, 12 Jg., Nr. 1, S. 85-105. Cho, C. H./Laine, M./Roberts, R. W./Rodrigue, M. (2015): Organized hypocrisy, organizational façades, and sustainability reporting. Accounting, Organizations and Society, 40 Jg., S. 78-94. Daimler AG (2018): Nachhaltigkeitsbericht 2017, https://www.daimler.com/dokumente/nachhaltigkeit/sonstiges/daimler-nachhaltigkeitsbericht-2017.pdf, Abfrage: 10.04.2019. Elkington, J. (2004): Enter the triple bottom line. In: Henriques, A./Richardson, J. (Hrsg.), The Triple Bottom Line: Does it All Add Up? (S. 1-16). London: Routledge. Endenich, C./Trapp, R. (2018): Ethical implications of management accounting and control: A systematic review of the contributions from the Journal of Business Ethics, https://doi.org/10.1007/s10551-018-4034-8, Abfrage: 25.05.2019. Falle, S./Rauter, R./Engert, S./Baumgartner, R. J. (2016): Sustainability management with the sustainability balanced scorecard in SMEs: Findings from an Austrian case study. Sustainability, 8 Jg., Nr. 6, S. 545-560. Feldbauer-Durstmüller, B./Duller, C./Mayr, S./Neubauer, H./Ulrich, P. (2012): Controlling in mittelständischen Familienunternehmen – ein Vergleich von Deutschland und Österreich. Zeitschrift für Controlling & Management, 56 Jg., Nr. 6, S. 408-413. Fifka, M. S. (2016): Nachhaltigkeitsberichterstattung und Controlling – eine natürliche Symbiose. In: Günther, E./Steinke, K.-H. (Hrsg.), CSR und Controlling. Unternehmerische Verantwortung als Gestaltungsaufgabe des Controlling (S. 83-99). Berlin/Heidelberg: Springer Gabler. Figge, F./Hahn, T. (2004): Sustainable Value Added – ein neues Maß des Nachhaltigkeitsbeitrags von Unternehmen am Beispiel der Henkel KGaA. Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, 73 Jg., Nr. 1, S. 126-141. Figge, F./Hahn, T./Schaltegger, S./Wagner, M. (2002): Sustainability balanced scorecard – linking sustainability management to business strategy. Business Strategy and the Environment, 11 Jg., Nr. 5, S. 269-284.

Nachhaltigkeitscontrolling in Klein- und Mittelunternehmen

245

Fischer, T. M./Möller, K./Schultze, W. (2015): Controlling – Grundlagen, Instrumente und Entwicklungsperspektiven. 2. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Fischer, T. M./Sawczyn, A./Brauch, B. (2009): Nachhaltigkeit und Sustainability Accounting. In: Wall, F./Schröder, R. W. (Hrsg.), Controlling zwischen Shareholder Value und Stakeholder Value (S. 261-287). München: Oldenbourg. Günther, E./Prox, M. (2012): Die neue DIN EN ISO Norm 14051 zur Materialflusskostenrechnung. In: Gleich, R./Bartels, P./Breisig, V. (Hrsg.), Nachhaltigkeitscontrolling – Konzepte, Instrumente und Fallbeispiele für die Umsetzung (S. 37-42). Freiburg/München: Haufe. Hiebl, M. R. W. (2017): Strategisches Controlling in Klein- und Mittelunternehmen. In: Müller, D. (Hrsg.), Controlling für kleine und mittlere Unternehmen (S. 149-172). Berlin/München: De Gruyter Oldenbourg. Hillary, R. (2000): Small and medium-sized enterprises and the environment. Sheffield: Greenleaf Publishing. Horváth, P./Berlin, S. (2016): Green-Controlling-Roadmap – Ansätze in der Unternehmenspraxis. In: Günther, E./Steinke K.-H. (Hrsg.), CSR und Controlling. Unternehmerische Verantwortung als Gestaltungsaufgabe des Controlling (S. 23-39). Berlin/Heidelberg: Springer Gabler. Internationaler Controller Verein (2011): Green Controlling – Relevanz und Ansätze einer „Begrünung“ des Controlling-Systems, https://www.icv-controlling.com/fileadmin/ Assets/Content/AK/Green%20Controlling/ICV_IW_WhitePaper_Green_Controlling.pdf, Abfrage: 24.05.2019. Jenkins, H. (2009): A ‘business opportunity’ model of corporate social responsibility for small- and medium-sized enterprises. Business Ethics: A European Review, 18 Jg., Nr. 1, S. 21-36. Johnson, M. P./Schaltegger, S. (2016): Two decades of sustainability management tools for SMEs: How far have we come? Journal of Small Business Management, 54 Jg., Nr. 2, S. 481-505. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (1992): The balanced scorecard – measures that drive performance. Harvard Business Review, 70 Jg., Nr. 1, S. 71-79. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (1996): Linking the balanced scorecard to strategy. California Management Review, 39 Jg., Nr. 1, S. 53-79. Kosmider, A. (1994): Controlling im Mittelstand: Eine Untersuchung der Gestaltung und Anwendung des Controllings in mittelständischen Industrieunternehmen. 2. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Lavia Lopez, O./Hiebl, M. R. W. (2015): Management accounting in small and mediumsized enterprises: Current knowledge and avenues for further research. Journal of Management Accounting Research, 27 Jg., Nr. 1, S. 81-119. Lux, W./Hauser, M. A. (2007): Mit dem KMU-Barometer am Puls der strategischen Controlling-Praxis. Zeitschrift für Controlling & Management, 51 Jg., Sonderheft 2, S. 24-29. Revell, A./Stokes, D./Chen, H. (2010): Small businesses and the environment: Turning over a new leaf? Business Strategy and the Environment, 19 Jg., Nr. 5, S. 273-288. Sailer, U. (2017): Nachhaltigkeitscontrolling: Was Controller und Manager über die Steuerung der Nachhaltigkeit wissen sollten. Konstanz: UVK. Savitz, A. W./Weber, L. (2006): The triple bottom line. San Francisco: Jossey Bass. Schaltegger, S./Hörisch, J./Windolph, S./Harms, D. (2013): Corporate Sustainability Barometer 2012: Praxisstand und Fortschritt des Nachhaltigkeitsmanagements in den größten Unternehmen Deutschlands, http://www2.leuphana.de/csm/CorporateSustainabilityBarometer2012.pdf, Abfrage: 28.04.2019. Senftlechner, D./Hiebl, M. R. W. (2015): Management accounting and management control in family businesses: Past accomplishments and future opportunities. Journal of Accounting & Organizational Change, 11 Jg., Nr. 4, S. 573-606.

246

Christoph Endenich und Rouven Trapp

Steinke, K.-H./Schulze, M./Berlin, S./Stehle, A./Georg, J. (2014): Green Controlling – Leitfaden für die erfolgreiche Integration ökologischer Zielsetzungen in Unternehmensplanung und -steuerung. Freiburg/München: Haufe. Stojanović-Blab, M./Blab, D. (2017): Nachhaltigkeitsberichterstattung anhand der GRI Standards – ein Vergleich zu GRI G4. KoR IFRS – Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung, 18 Jg., Nr. 7-8, S. 307-316. Weber, J. (2008): Aktuelle Controllingpraxis in Deutschland: Ergebnisse einer Benchmarking-Studie. Weinheim: Wiley. Weber, J./Georg, J./Janke, R./Mack, S. (2012): Nachhaltigkeit und Controlling. Weinheim: Wiley-VCH. Weber, J./Schäffer, U. (2016): Einführung in das Controlling. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Woerd, F. van der/Brink, T. van den (2004): Feasibility of a responsive business scorecard – a pilot study. Journal of Business Ethics, 55 Jg., Nr. 2, S. 173-186.

Nachhaltigkeitsberichterstattung von Elektrizitätsversorgungsunternehmen: Ein internationaler Vergleich

Dorothea Greiling und Johannes Slacik 1.

Motivation und Forschungsfragen

Zu den zentralen Innovationen im Bereich der Rechenschaftslegung zählte in den vergangenen Jahrzehnten die Nachhaltigkeitsberichterstattung (NHB). Vor allem börsennotierte Unternehmen haben damit begonnen, aus Reputations- und Legitimationsgesichtspunkten ihre finanzielle Berichterstattung mit Informationen über ihre soziale und ökologische Performance zu ergänzen. 1 Nicht zuletzt durch entsprechende Nachhaltigkeitsratingagenturen, Aktionäre und institutionelle Anleger hat der Druck strategischer Anspruchsgruppen zugenommen, dass Unternehmen gleichzeitig über ihre finanzielle, ökologische und soziale Performance Rechenschaft legen.2 In Europa wurde durch die Richtlinie 2015/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 in Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffende Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen der Praxis der freiwilligen Berichterstattung ein Ende gesetzt. Die damit einhergehenden nationalen Umsetzungsvorschriften präzisieren für Großunternehmen die Anforderungen an eine nicht-finanzielle Erklärung. Diese müssen mindestens Angaben zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, zur Achtung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung enthalten. Die Berichtersteller können aus einer Vielzahl von internationalen und nationalen Berichterstattungs1 2

Vgl. Cho et al. (2015); Greiling et al. (2015b). Vgl. Greiling/Traxler (2015), S. 102; Garcia et al. (2016).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_11

248

Dorothea Greiling und Johannes Slacik

standards zur NHB auswählen.3 Nach wie vor den größten globalen Verbreitungsgrad haben die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI). 4 Während das Ausmaß der NHB bei börsennotierten Unternehmen zu den wissenschaftlich intensiv untersuchten Bereichen zählt, steckt dagegen die Forschung zur Qualität der NHB von Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVUs) noch vergleichsweise in den Kinderschuhen. Kritische Stakeholder fordern seit längerem die Bereitstellung zusätzlicher nicht-finanzieller Informationen von EVUs.5 EVUs zählen seit vielen Jahren zu den reputationssensiblen Branchen. Zunächst sahen sich die öffentlichen Energieversorger als natürliche Monopole mit dem Vorwurf von Unwirtschaftlichkeiten konfrontiert. Im Zuge der Marktliberalisierungen wurden in vielen Staaten nationale Regulierungsbehörden etabliert mit dem Auftrag über die Effizienz, die Versorgungssicherheit und die technische Leistungsfähigkeit der EVUs zu wachen. Umweltkatastrophen (z. B. Fukushima, Harrisburg, Sellafield, Tschernobyl), ungelöste Fragen der Endlagerung nuklearer Abfälle und der hohe Anteil von klimaschädlichen Kraftwerken bei der Energieerzeugung haben zu einem negativen ökologischen Image vieler EVUs geführt.6 Deutlich stärker als die Automobilindustrie werden die EVUs durch nationale und internationale Akteure in die Pflicht genommen, ihren Beitrag zum Erreichen der ambitionierten Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens und zur Verwirklichung der von den Vereinten Nationen verabschiedeten Agenda 2030, mit ihren 17 globalen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals – SDGs), zu leisten.7 Der Umstieg auf eine CO2-neutrale Energieerzeugung stellt die EVUs weltweit vor massive Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund widmet sich der Beitrag der Analyse der NHB von EVUs. Im Zentrum des Beitrags stehen folgende Forschungsfragen: 1. Wie ist das Ausmaß der NHB von EVUs, die einen GRI-G4-Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen? 2. Wie wirken sich die Börsennotierung, die Trägerschaft und der Aktionsradius von EVUs auf das Ausmaß der NHB von EVUs aus? Zur Bearbeitung der ersten Forschungsfragen wird eine quantitative Analyse der Guideline Compliance durchgeführt. Als Bewertungsraster dienen die Anforderungen der Global Reporting Initiative, da diese eine globalen Vergleich ermöglichen. Forschungsfrage zwei zielt darauf ab, im Rahmen des empirischen Teils, ausgewählte Merkmale von EVUs, im Hinblick auf eine positive Beeinflussung des Gesamterreichungsgrads zu überprüfen. Dabei beschränkt sich der Beitrag 3 4 5 6 7

Vgl. Stötzer (2015), S. 90 ff. Vgl. KPMG 2017, S. 28. Vgl. Moseñe et al. (2013), S. 199 f. Vgl. González González (2010), S. 387; Kerckhoffs/Wilde-Ramsing (2010), S. 19; Prexl (2010), S. 406. Vgl. Traxler/Greiling (2018).

Nachhaltigkeitsberichterstattung von Elektrizitätsversorgungsunternehmen

249

auf folgende Kriterien: Börsennotierung (ja/nein), Aktionsradius (national/international), Trägerschaft (öffentlich/privat). Dem empirischen Teil (Gliederungspunkt 4 und 5) sind im zweiten Gliederungspunkt Ausführungen zu den begrifflichen Grundlagen sowie ein Überblick über den derzeitigen Stand der empirischen Forschung zur NHB von EVUs vorangestellt. Als Bezugstheorien dienen der Neo-Institutionalismus (NIS) und die Stakeholdertheorie, da diese zu kontrastierenden Aussagen hinsichtlich der Guideline-Compliance kommen (Gliederungspunkt 3). Eine Diskussion der zentralen Ergebnisse schließt, ergänzt um Ausführungen zu Limitationen und einen Ausblick auf den weiteren Forschungsbedarf, den Beitrag ab. 2.

Begriffliche Grundlagen und Stand der Forschung

Im Rahmen dieses Beitrags werden als EVUs jene Unternehmen bezeichnet, deren Geschäftsaktivität in der Stromerzeugung, -übertragung und/oder -verteilung liegt. Ausgeschlossen sind damit Öl- und Gasversorgungsunternehmen. Unter dem Begriff Nachhaltigkeitsbericht wird in der Literatur eine Vielzahl unterschiedlicher Berichtsformate subsumiert, die manchmal nur Teilbereiche abdecken. Teilweise als Synonyme werden verwendet: Corporate (Social) Responsibility-Berichte, Umweltberichte, Sozialberichte, Nachhaltigkeitsreports, Integrated Reports, die Berichterstattung über die UN-Sustainable DevelopmentGoals und die Triple Bottom Line (TBL)-Berichterstattung.8 Historisch betrachtet bildet die isolierte Sozialberichterstattung, die einen ersten Höhepunkt in den 1960er und 1970er Jahren hatte, den Anfang, gefolgt von der isolierten Umweltberichterstattung in den frühen 1980er Jahren. 9 Anschließend verlagerte sich der Fokus auf den Ausbau des Investor Relations Reporting, unter anderem getrieben durch den Shareholder-Value-Ansatz. Die 1990er Jahre gelten zu großen Teilen als die verlorenen Jahre für die NHB, erst ab den 2000er Jahren kamen vermehrt Vorschläge für eine integrierte Berichterstattung auf, welche in einem Bericht finanzielle, ökologische und soziale Informationen integriert. Ab diesem Zeitraum gewannen auch Initiativen, Standards für die NHB als freiwilliges Instrument zu verankern, an Bedeutung. Im Rahmen dieses Beitrags werden die Begriffe NHB und TBLBerichterstattung synonym verwendet. Den letzten Begriff hat Elkington in den 1990er Jahren im Zuge der damaligen CSR-Diskurse populär gemacht.10 8 9 10

Vgl. Hahn/Kühnen (2013), S. 7; Hahn/Lülfs (2014), S. 402. Vgl. zur chronologischen Entwicklung Greiling et al. (2015a), S. 131 ff. Vgl. Elkington (1997).

250

Dorothea Greiling und Johannes Slacik

Wie bereits ausgeführt, gibt es eine Vielzahl von Richtlinien zur NHB. Die 1997 als Non-profit Organisation in Boston gegründete GRI veröffentlichte ihr erstes Rahmenwerk im Jahre 2000. Mittlerweile hat die GRI mit dem GRI Standard 2016 bereits die fünfte Überarbeitungsschleife hinter sich. Die Anforderungen an die NHB sind im Laufe der Zeit gestiegen. Als jüngste Entwicklung ist das Wesentlichkeitsprinzip einzustufen, damit die Beschränkung der Berichtsinhalte auf jene Bereiche, die interne und externe Stakeholder als entscheidungsrelevant betrachten, in der NHB an Bedeutung gewinnt. Mit der Betonung des Wesentlichkeitsprinzips will man zu schlankeren, an den Informationsbedürfnissen der zentralen Stakeholder orientierten Berichten gelangen und der Praxis des Schönfärbens und der Informationsüberflutung der Berichtsadressaten mit irrelevanten Informationen im Interesse der Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitsberichte entgegensteuern. Wendet man sich dem bisherigen Stand der empirischen Forschung in Bezug auf die NHB zu, konnten im Rahmen einer Literaturrecherche nur 19 englischsprachige Beiträge im Zeitraum von 2000, der Verabschiedung der ersten Richtlinie zur NHB, bis Ende 2018 identifiziert werden, die sich explizit auf die Elektrizitätswirtschaft fokussieren. 11 Inhaltlich adressieren zehn Beiträge ausschließlich die Umweltberichterstattung,12 die damit am besten untersuchte Teildimension. Nur drei Beiträge untersuchen alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit.13 Zur Bewertung des Ausmaßes der NHB verwenden zehn der 19 Beiträge verschiedene Versionen der GRI-Richtlinien.14 Nationale und regionale Vergleiche dominieren, wobei sich neun Publikationen mit der Qualität von Nachhaltigkeitsberichten im internationalen Vergleich beschäftigen. 15 Die meisten internationalen Vergleiche beziehen sich auf bis zu drei Länder und die Anzahl der untersuchten Nachhaltigkeitsberichte schwankt zwischen einem und 320 Berichten, wobei die Publikationen von Meyer und Pac mit 320 osteuropäischen EVUs, Bahari und Ko-Autoren mit 90 EVUs in China, Indien und Japan, sowie die Untersuchung von Traxler und Greiling mit 83 EVUs weltweit positive Aus-

11

12

13 14

15

Vgl. Cormier/Gordon, 2001; Laan Smith et al. (2005); Gallego (2006); Freedman/Stagiliano (2008); Alrazi et al. (2010, 2016); Bakhtina/Goudriaan (2011); Ng/Nathwani (2012); Roca/Searcy (2012); Silva-Gao (2012); Meyer/Pac (2013); Moseñe et al. (2013); Alrazi (2014); Bae (2014); Bahari et al. (2016); Garcia et al. (2016); Sartori et al. (2017); Kraft (2018); Traxler/Greiling (2018). Vgl. Freedman/Stagliano (2008); Alrazi et al. (2010, 2016); Silva-Gao (2012); Meyer/Pac (2013); Moseñe et al. (2013); Alrazi (2014); Bae (2014); Bahari et al. (2016); Kraft (2018). Vgl. Gallego (2006); Ng/Nathwani (2012); Traxler/Greiling (2018). Vgl. Gallego (2006); Alrazi et al. (2010, 2016); Bakhtina/Goudriaan (2011); Roca/Searcy, (2012); Moseñe et al. (2013); Alrazi (2014); Bahari et al. (2016); Garcia et al (2016); Sartori et al. (2017); Kraft (2018); Traxler/Greiling (2018). Vgl. Laan Smith et al. (2006); Alrazi et al. (2010, 2016); Bakhtina/Goudriran (2011); Ng/Nathwani (2012); Meyer/Pac (2013); Bahari et al. (2016); Kraft (2018); Traxler/Greiling (2018).

Nachhaltigkeitsberichterstattung von Elektrizitätsversorgungsunternehmen

251

reißer nach oben sind. Bei den rein nationalen Studien führen die USA mit drei Studien, gefolgt von Brasilen, Kanada und Spanien mit jeweils zwei Studien. 16 Zu den inhaltlichen Kritikpunkten am Ausmaß von Nachhaltigkeitsberichten zählen die inhaltliche Unausgewogenheit der Berichterstattung, die mangelnde Glaubwürdigkeit durch die geringere Bereitstellung von negativen Informationen, eine fehlende internationale Vergleichbarkeit, oder eine nach oben hin ausbaufähige Quantität der Berichterstattung, insbesondere für EVUs in öffentlicher Trägerschaft.17 Dieser knappe Literaturüberblick zeigt, dass die Qualität der NHB von EVUs noch Luft nach oben hat und die empirische Auseinandersetzung mit der NHB in EVUs erst allmählich an Fahrt gewinnt. Sechs der 19 Publikationen sind aus dem Jahr 2016 oder jünger. 3.

Theoretischer Bezugsrahmen

Im Rahmen dieses Beitrags dienen zwei Theorien als Basis, um kontrastierende Aussagen über den quantitativen Umfang der NHB abzuleiten. Zum einen ist das die durch Freeman populär gewordene Stakeholdertheorie 18 und zum anderen der Neo-Institutionalismus.19 Eine zentrale Annahme der Stakeholdertheorie ist, dass Unternehmen mit guten Beziehungen zu ihren zentralen Stakeholdern erfolgreicher sind als solche ohne ein systematisches Stakeholdermanagement. Die guten Beziehungen zu den primären Stakeholdern sind zur besseren Positionierung im Wettbewerb notwendig. Ergänzend zu den Interessen der Eigenkapitalgeber gilt es, die Informationsbedürfnisse anderer erfolgskritischer interner und externer Anspruchsgruppen zu berücksichtigen.20 Mit Hilfe der Stakeholdertheorie lässt sich argumentieren, dass es für die EVUs unter Ressourcenzugangssicherungsgesichtspunkten nützlich sein kann, im Zuge der NHB die Informationsbedürfnisse erfolgskritischer Stakeholder zu befriedigen. EVUs haben hier einen besonderen Handlungsbedarf. Ergänzend zu den klassischen internen und externen unternehmerischen Stakeholdergruppen kommen im Falle der EVUs in vielen Staaten noch Regulierungsbehörden und Um16

17 18 19 20

USA: Vgl. Freedman/Stagiliano (2008); Bae (2014); Silva Gao (2012); Brasilien: Garcia et al. (2016), Satori et al. (2017); Kanada: Cormier/Gordon (2001); Roca/Seary (2012); Spanien: Gallego (2014); Moseñe et al. (2013). Vgl. Moseñe et al. (2013); Alrazi et al. (2010, 2016); Ng/Nathwani (2016); Traxler/Greiling (2018). Vgl. Freemann (1984); Freeman (2010). Vgl. Meyer/Rowan (1977); DiMaggio/Powell (1983); Boxenbaum/Jonsson (2008). Vgl. Chen/Roberts (2010); Bonsón/Bednárová (2015).

252

Dorothea Greiling und Johannes Slacik

weltaufsichtsämter, sowie spezialisierte, technische Überwachungsorgane dazu. EVUs in öffentlicher Trägerschaft haben schon durch die demokratischen Rechenschaftspflichten komplexere Stakeholderstrukturen als ihre privat-kommerziellen Mitwettbewerber.21 Von heterogenen Stakeholderstrukturen ist auch bei börsennotierten EVUs auszugehen.22 Eine transparente NHB kann in der Logik der Stakeholdertheorie dazu beitragen, das Reputationsrisiko von EVUs zu reduzieren, wobei jede Form der stakeholderpluralen Rechenschaftslegung stets mit dem Dilemma konfrontiert ist, dass die Informationsbedürfnisse erfolgsrelevanter Stakeholder divergieren und somit nicht-triviale Abwägungsentscheidungen zu treffen sind. Das Finden der richtigen Balance von divergierenden Stakeholderinteressen stellt eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für die berichterstattenden Unternehmen dar. Zusammenfassend kann mit Hilfe der Stakeholdertheorie argumentiert werden, dass die NHB von der Tendenz her quantitativ umfangreich sein sollte, um den heterogenen Informationsbedürfen der primären Stakeholder Rechnung zu tragen. Während die Stakeholdertheorie den instrumentellen Nutzen der NHB betont, kommt der Neo-Institutionalismus (NIS) tendenziell zu einer eher kritischen Einschätzung, was den Umfang und die Qualität der Nachhaltigkeitsberichte betrifft. Im Vergleich zur Stakeholdertheorie adressiert der NIS auf einer abstrakteren Ebene die Beziehungen von Organisationen zu ihrer Umwelt. Diese wird nicht in verschiedene identifizierbare Stakeholdergruppen separiert. Der NIS thematisiert die wechselseitige Beziehung und fortlaufende Dynamik, welche zwischen Organisationen und ihrer institutionellen Umwelt besteht . Der NIS ist ebenfalls nicht ganz frei von instrumentellen Überlegungen, da die finanzielle Überlebensfähigkeit und die organisationale Legitimität von Organisationen von dem Ausmaß abhängt, in denen Organisationen den Erwartungen ihrer institutionellen Umwelt genügen.23 Durch die Anpassung an diese Erwartungen werden sich Organisationen in einem spezifischen Feld immer ähnlicher. Dazu tragen drei verschiedene Arten des Isomorphismus, im Speziellen der kohäsive, der normative und der mimetische Isomorphismus, bei. Laut DiMaggio und Powell resultiert der kohäsive Isomorphismus oder der Isomorphismus durch Zwang24 „both from formal and informal pressures exerted on organisations by other organisations upon which they are dependent on and by cultural expectations.“25 Im Kontext der NHB manifestiert sich der

21 22 23 24 25

Vgl. Cormier/Gordon (2001); Grüb/Greiling (2015); Traxler/Greiling (2018). Vgl. Silva Monteiro/Aibar-Guzmán (2010); Traxler/Greiling (2018). Vgl. Higgins/Larrinaga (2014). Vgl. Walgenbach (2014), S. 310 f. Di Maggio/Powell (1991), S. 67.

Nachhaltigkeitsberichterstattung von Elektrizitätsversorgungsunternehmen

253

kohäsive Isomorphismus26 in gesetzlichen Vorschriften, die Mindestanforderungen an eine erweiterte Berichterstattung festlegen und Anforderungen einflussreicher Stakeholdergruppen miteinbeziehen (z. B. wichtige institutionelle Anleger oder Nachhaltigkeitsratingagenturen), die nur in jene Unternehmen investieren, die im Nachhhaltigkeitsrating gut oder sehr gut abschneiden. Die Richtlinie 2014/95/EU und die damit einhergehenden nationalen Umsetzungsvorschriften sind Ausdruck des gesetzgeberischen kohäsiven Isomorphismus. Inhaltlich verlangt die Richtlinie, dass die von der Richtlinie betroffenen Unternehmen ihre finanzielle Berichterstattung neben einem Diversitätskonzept um Angaben ergänzen, die sich „mindestens auf Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, auf die Achtung der Menschenrechte und auf die Bekämpfung von Korruption und Bestechung beziehen.“27 Auf nationaler Ebene erfolgte im Dezember 2016 die Umsetzung in Österreich durch das Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG). Dieses Gesetz sieht für Berichtspflichten von Kapitalgesellschaften, die Unternehmen von öffentlichem Interesse sind und im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer haben, eine Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung vor (§ 242b Unternehmensgesetzbuch). Der normative Isomorphismus oder der Isomorphismus durch normativen Druck28 resultiert aus dem Einfluss universitärer Ausbildungen, professionsbezogener Aus- und Weiterbildungen sowie durch sonstige Angebote professioneller Netzwerke.29 Die Konformität mit professionellen Standards steht dabei im Mittelpunkt. GRI, die UN Global Compact Vorgaben oder die EMAS-Anforderungen gelten als Beispiele im Bereich der NHB.30 Als sektorspezifische Vorgabe ist das 2009 eingeführte GRI Energy Sector Supplement einzustufen, das die allgemeinen GRI-Anforderungen sektorspezifisch für GRI 3.1 und G4-Reports modifiziert hat. Die Notwendigkeit eines Supplements für den Energiesektor wurde durch GRI folgendermaßen begründet: „Electric utilities provide essential and vital services to society and users. The services provided are crucial to the development and security of economies in all countries. Economic development must be achieved in a sustainable manner in order to protect key resource systems, and to provide for future generations.”31

Der mimetische Isomorphismus ist eine Reaktion auf Umweltunsicherheiten, da Unternehmen damit beginnen, die Verhaltensweisen tatsächlich oder scheinbar 26 27 28 29 30 31

Vgl. DiMaggio/Powell (1983), S. 150 ff.; Boxenbaum/Jonsson (2008), S. 80; Walgenbach (2014), S. 305 ff. Richtlinie 2014/95/EU Art. 1, Z. 1. Vgl. Walgenbach (2014), S. 312 f. Vgl. DiMaggio/Powell (1991); Heugens/Lander (2009); Higgins/Larrinaga (2014). Vgl. Higgins/Larrinaga (2014), S. 277 f. GRI (2013), S. 9.

254

Dorothea Greiling und Johannes Slacik

erfolgreicherer Organisationen imitieren. 32 Im Kontext der NHB wird in diesem Zusammenhang diskutiert, dass ab einem bestimmten Verbreitungsgrad die Kosten der Nichtimplementierung höher sind als jene der Implementierung. Als Beispiele wird der sehr hohe Verbreitungsgrad der NHB bei börsennotierten Unternehmen angeführt.33 Ein weiteres zentrales Themengebiet der NIS ist das decoupling oder die Entkopplung. Eine Entkopplung ist eine rationale Vorgehensweise zum Umgang mit konfliktären Anforderungen. Im Fall der Entkopplung findet eine symbolische Implementierung der Erwartungen der institutionellen Umwelt statt, wobei die Entkopplung durchaus eine rationale Strategie sein kann, mit heterogenen, widersprüchlichen oder effizienzmindernden Umwelterwartungen umzugehen. 34 Bei der Entkopplung sehen sich Organisationen gezwungen auf Grund von widersprüchlichen Erwartungen ihrer institutionellen Umwelt „teilweise inkompatible strukturelle Elemente und Managementkonzepte zu übernehmen.“35 Im Zuge der NHB wird das Phänomen der Entkopplung als Teilimplementierung von Berichtsinhaltsanforderungen diskutiert, die durch die Überbetonung reputationssteigernder Informationen und das Auslassen negativer Effekte zu einem Schönfärben der Berichterstattung führen. Vertreter des NIS weisen auch darauf hin, dass die Institutionalisierung der NHB ein zeitintensiver Prozess ist und eine kritische Masse bei der Anzahl der Implementierungen erfordert. 36 Die Anlage der Standards für die NHB als lernende Systeme mit dem Erfordernis eines institutionalisierten Stakeholderdialogs bei jeder Überarbeitung führt dazu, dass immer wieder neue Kompromisse bei der Priorisierung heterogener und widersprüchlicher Umwelterwartungen gefunden werden müssen. Zusammenfassend lässt sich auf Basis der NIS argumentierten, dass die Erwartungen an das Ausmaß der NHB, im vorliegenden Fall der GRI-G4Guideline Compliance, potentiell aufgrund des isomorphistischen Drucks und dem Auftreten einer Entkopplung tendenziell schwach ausfallen.

32

33 34 35 36

Vgl. DiMaggio/Powell (1983), S. 150 ff.; Boxenbaum/Jonsson (2008), S. 80; Higgins/Larrinaga (2015), S. 277 f. Vgl. Cho et al. (2015), S. 79 f. Vgl. Meyer/Rowan (1977), S. 356; Boxenbaum/Jonsson (2008), S. 79 ff. Walgenbach, (2014), S. 314. Vgl. Shabana et al. (2017).

Nachhaltigkeitsberichterstattung von Elektrizitätsversorgungsunternehmen

4.

255

Methodische Vorgehensweise und untersuchte Unternehmen

Zur Auswahl der Nachhaltigkeitsberichte wurde auf die öffentlich zugängliche Onlinedatenbank der GRI zurückgegriffen. Tabelle 1 enthält die Auswahlkriterien für die Berichte. GRI-Datenbestand – 489 erfasste Energieunternehmen Stichtag: 31.12.2017 Inklusionskriterien: Keine Restriktionen: Exklusionskriterien: Energiesektor Größe der EUV Nachhaltigkeitsbericht von Öl-/Gassektor Energieversorger Land der EUV Kein G4-Reporting GRI-G4Region der EUV Kein hochgeladener Nachhaltigkeitsbericht Nachhaltigkeitsbericht Nachhaltigkeitsbericht in Publikationsjahr des Andere Sprachen Englisch oder Deutsch Nachhaltigkeitsberichts In die Datenanalyse einbezogene Unternehmen: 186

Tab. 1: GRI Datenbestand Exklusions- und Inklusionskriterien Somit blieben nach dem Screening 186 zu analysierende Berichte im Zeitraum von 2013 bis 2017 übrig. Die meisten Berichte stammen aus 2016. Nur 43 % der Berichte haben das Sektor Supplement zu Grunde gelegt. Pro Unternehmen wurde jeweils der aktuellste GRI-G4-Bericht analysiert. Der Abbildung 1 sind zentrale Merkmale zu entnehmen, die zur Binnendifferenzierung der einbezogenen Berichte dienen.

256 Land USA Brasilien Deutschland Spanien Russland Italien Kanada Australien Südkorea Schweiz Österreich Finnland Indien China Thailand ∑

Dorothea Greiling und Johannes Slacik

Anzahl Land 16 14 12 11 11 8 7 7 7 6 6 6 6 6 5

Japan Polen Niederlande Kolumbien Norwegen Türkei Griechenland Philippinen Indonesien Portugal Belgien Neuseeland Nigeria Qatar Tschechien

Aktionsradius Anzahl National International ∑

Anzahl Land

75 111 186

5 4 4 4 3 3 3 3 3 2 2 2 2 2 1

Irland Litauen Ungarn Slowenien Schweden Chile Peru Saudi Arabien Vietnam Macao Emirate (UAE) Südafrika Oman Mauritius Singapur Börsennotierung Gelistet Nicht-gelistet ∑

Anzahl 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 186

Trägerschaft Privat Öffentlich ∑

Region Afrika Asien Zentralamerika Europa Mittlerer Osten Nordamerika Ozeanien Südamerika ∑

Anzahl 74 112 186

Anzahl 3 32 0 87 12 23 9 20 186

Anzahl 128 58 186

Abb. 1: Merkmale der analysierten Berichte. Zur statistischen Bearbeitung der ersten Forschungsfrage wurde aus den sektorneutralen und sektorspezifischen GRI-G4-Kriterien ein Kodierungsraster mit insgesamt 222 Items aus 7 Bereichen entwickelt. Das Kodierungsraster umfasst folgende Gruppen: (1) 63 Items im Bereich der Profilangaben/Allgemeine Standardangaben; (2) 21 Items der ökonomischen Dimension; (3) 47 Items der ökologischen Dimension und (4) 91 Items zur Messung der sozialen Dimension, die sich wie folgt weiter unterteilt: 27 Items zu Arbeitspraktiken und menschenwürdige Beschäftigung, 22 Items im Bereich der Menschenrechte, 20 in der Rubrik Gesellschaft und 22 zur Erfassung der Produktverantwortlichkeit. Zur Beurteilung wurden alle Items entweder mit 0 oder 1 kodiert. Eine 1 wurde auch vergeben, wenn das Unternehmen begründet hat, warum das Item nicht berichtet wurde. Dimensionsspezifisch und über die Gesamtzahl aller Items hinweg wurden anschließend die Abdeckungsquoten berechnet. Die Formel für die Berechnung des Gesamterreichungsgrades (GEG) lautet wie folgt: GEG =

Σ Anzahl berichteter Indikatoren 222

Nachhaltigkeitsberichterstattung von Elektrizitätsversorgungsunternehmen

257

Für die Berechnung der dimensionsspezifischen Abdeckungsquoten wurden jeweils die Summen der berichteten Items durch die möglichen Angaben in der jeweiligen Teilkategorie dividiert (z. B. wenn in der ökologischen Dimension ein Unternehmen 37 von 47 möglichen Angaben berichtet, beträgt der dimensionsspezifische Abdeckungsgrad 74,5 %). Um die zweite Forschungsfrage statistisch zu bearbeiten, wurden drei ausgewählte Einflussfaktoren (Börsennotierung, Trägerschaft und Aktionsradius) auf ihre Auswirkung auf den GEG getestet. Die Börsennotierung wurde mit 1 = an der Börse gelistet oder 0 = nicht gelistet kodiert. Von einer öffentlichen Trägerschaft wurde ausgegangen, wenn mindestens 50 % der Eigentümer öffentliche Unternehmen oder öffentliche Gebietskörperschaften waren. Die Nationalität bzw. Internationalität wurde anhand der Anzahl der Staaten in denen das jeweilige EVU tätig ist bestimmt. Bei allen drei Einflussfaktoren ist davon auszugehen, dass sich diese im Sinne der Stakeholdertheorie positiv auf das quantitative Ausmaß der Berichterstattung auswirken. Der hohe Implementierungsgrad der NHB und die Vorreiterrolle von börsennotierten Unternehmen als Themenpioniere bei der NHB werden sowohl durch einen mimetischen als auch durch einen normativen Isomorphismus begünstigt. EVUs in öffentlicher Trägerschaft sehen sich aufgrund der ergänzenden demokratischen Rechenschaftspflichten mit höheren kohäsiven Anforderungen konfrontiert. Eine internationale Betätigung von EVUs bedingt, dass diese in einem höheren Ausmaß als national agierende EVUs mit heterogenen und konfligierenden Stakeholderanforderungen konfrontiert sind, was im Sinne des NIS tendenziell einer Entkopplung Vorschub leistet. Für alle drei Einflussfaktoren wurde in SPSS getestet, ob diese einen signifikanten Einfluss auf den GEG haben. Für jedes Merkmal wurde eine H0-Hypthosese (keine Korrelation) und eine H1-Hypothese (positive Korrelation) mit einem Signifikanzniveau von α = 0,05 aufgestellt. Die Nullhypothese wurde verworfen, wenn der p-Wert unter dem festgelegten Signifikanzniveau lag. 5.

Empirische Ergebnisse

5.1. Umfang der Berichterstattung Wirft man einen genaueren Blick auf die bereichsspezifischen Abdeckungsquoten, so haben die Profilangaben/Allgemeinen Standardangaben mit einem Abdeckungsgrad von 74,6 % am besten abgeschnitten, wobei es eine große Varianz zwischen den 186 analysierten Unternehmen gab. Abbildung 2 enthält den Überblick über die ökonomische, ökologische und soziale Dimension, die gemäß der GRI-G4Anforderungen in vier Unterkategorien eingeteilt ist.

258

Dorothea Greiling und Johannes Slacik

Nachhaltigkeitsberichterstattung von Elektrizitätsversorgungsunternehmen

259

Abb. 2: Itemspezifische Abdeckungsraten in den drei Dimensionen Tabelle 2 enthält einen Überblick über die Abdeckungsquoten inklusive der Analyse, ob Informationen zu Managementansätzen für Leistungsindikatoren gemacht wurden und wie im Vergleich dazu die Abdeckungsquoten der Leistungsindikatoren in den verschiedenen (Teil-) Dimensionen ausfallen. Alle Angaben sind in Prozent.

260 Bereich Profilangaben Ökonomische Dimension Ökologische Dimension

Arbeitspraktiken und menschenwürdige Beschäftigung Menschenrechte Gesellschaft Produktverantwortung

Dorothea Greiling und Johannes Slacik

Globale Abdeckungsquote 74,6 % 47,0 %

Managementansatz nicht relevant 37,3 %

Leistungsindikatoren nicht relevant 54,6 %

48,7 %

37,7 %

52,4 %

Soziale Dimension 50,9 %

41,7 %

55,3 %

28,2 % 44,2 % 36,3 %

20,4 % 35,0 % 30,0 %

34,7 % 59,4 % 39,2 %

Tab. 2: Bereichsspezifische Abdeckungsquoten Bereits die statischen Abdeckungsquoten lassen den Schluss zu, dass die verschiedenen Dimensionen nicht balanciert berichtet werden, wie auch die Abbildung 3 zeigt. 94 Unternehmen (= 50,5 %) berichten weniger als 50 % der GRI-Indikatoren.

261

Nachhaltigkeitsberichterstattung von Elektrizitätsversorgungsunternehmen

Abb. 3: Verteilung des GEG und der dimensionsbezogenen Abdeckungsquoten 5.2. Einflussfaktoren Hinsichtlich der drei untersuchten Einflussfaktoren ergibt sich folgendes Bild: Während sich die Börsennotierung positiv auf den quantitativen Berichtsumfang auswirkt, gilt dies nicht für EVUs in öffentlichem Eigentum sowie für den Aktionsradius von EVUs, wie aus Tabelle 3 ersichtlich wird. Einflussfaktor Börsennotierung ja nein Trägerschaft privat öffentlich Aktionsradius national international

Anzahl der EVUs

GEG

Signifikanzniveau (p-Wert)

128 58

54,9 % 47,9 %

0,022

74 112

56,5 % 49,8 %

0,021

75 111

51,9 % 52,8 %

0,778

Tab. 3: Ergebnisse für die drei Einflussfaktoren

262

Dorothea Greiling und Johannes Slacik

Zudem sind 69 EVUs öffentlich und börsennotiert, während nur 59 EUC privat und börsennotiert sind. Der höhere GEG der privaten und börsennotierten EVUs zeigt signifikante Ergebnisse (p = 0,017) sowie der niedrige GEG der öffentlichen und nicht börsennotierten EVUs (p = 0,01). Der Aktionsradius zeigt hingegen keinerlei signifikante Ergebnisse. Zusammenfassend zeigt die Analyse, dass Standardangaben am häufigsten abgedeckt werden, gefolgt von der Unterkategorie aus der sozialen Dimension „Arbeitspraktiken und menschenwürdige Beschäftigung“ und schließlich der ökologischen und wirtschaftlichen Dimension. Die soziale Dimension ist jedoch unterrepräsentiert und weist im Durchschnitt die schwächste Abdeckung auf. Trotz der Verfügbarkeit von sektor-spezifischen TBL-Indikatoren sind diese im Durchschnitt nur bis 42,6 % abgedeckt. Etwas mehr als die Hälfte der 186 EVUs weist einen GEG von weniger als 50 % auf, von denen einige nur 15 % aller Indikatoren abdecken. Allerdings decken 30 EVUs mehr als 75 % der Indikatoren in Nachhaltigkeitsberichten ab. Im Gegensatz zum Aktionsradius haben die Trägerschaft sowie die Börsennotierung Einfluss auf die NHB von EVUs. 6.

Diskussion und Ausblick

Insgesamt zeigen die empirischen Ergebnisse, dass der quantitative Umfang der NHB von EVUs noch ausbaufähig ist. Während die Profilangaben gut abgedeckt sind, besteht bei den GEGs für die ökonomische, ökologische und soziale Dimension noch weiteres Ausbaupotenzial. Das schlechte Abschneiden der sozialen Dimension mit der Situation, dass die Teildimension Arbeitspraktiken und menschenwürdige Beschäftigung positiv nach oben abweicht, deckt sich in der Grundtendenz mit Ergebnissen anderer empirischer Analysen der NHB. Aus Sicht der Stakeholdertheorie sind die ausbaufähigen Abdeckungsraten als problematische Signale zu bewerten, da die EVUs in allen drei Nachhaltigkeitsdimensionen seit langem mit kritischen Stakeholdern konfrontiert sind. Angesichts der teilweisen jahrzehntelangen Existenz von Sektorregulierungsbehörden überrascht es, dass die EVUs nicht bessere Abdeckungsgrade in der ökonomischen und sozialen Dimension erzielen. Die ausbaufähigen Abdeckungsquoten legen aus Sicht der NIS nahe, dass es sich bei der NHB um eine teilimplementierte Managementpraktik handelt. Ob der kohäsive Druck durch die EU-Richtlinie und die damit einhergehenden nationalen Umsetzungsvorschriften zu einer Verbesserung der NHB bei europäischen EVUs führen werden, lässt sich mit Hilfe der analysierten Berichte noch nicht beantworten, da die meisten Berichte aus dem Jahre 2016 stammen. Die relativ

Nachhaltigkeitsberichterstattung von Elektrizitätsversorgungsunternehmen

263

geringe Relevanz des energiesektorspezifischen Supplements für die NHB legt den Schluss nahe, dass es sich um einen schwachen normativen Druck handelt. In Bezug auf die zweite Forschungsfrage kann festgehalten werden, dass sich nur die Börsennotierung und Trägerschaft in privater Hand positiv auf den GEG auswirken. Dies deckt sich mit Ergebnissen zum Stand der NHB in anderen Sektoren. Das schlechtere Abschneiden der EVUs in öffentlicher Trägerschaft ist insofern enttäuschend, da diese noch stärker als die privat-kommerziellen EVUs in der Kritik stehen. Die Debatte über die Ineffizienz der EVUs hat bei den öffentlichen EVUs ihren Anfang genommen. Durch das öffentliche Eigentum wird von den öffentlichen EVUs in stärkerem Maße eine Vorreiterrolle bei der Bewältigung der negativen Folgen des Klimawandels erwartet. Aufgrund der demokratischen Rechenschaftspflichten stehen die öffentlichen EVUs unter einem höheren Legitimierungsdruck als ihre privaten Mitkonkurrenten. Im Vergleich zu ihren privaten Mitbewerbern nutzen die EVUs in öffentlicher Trägerschaft die NHB weniger als positives Reputationssignal. Bei den börsennotierten Unternehmen hat sich die Bedeutung des mimetischen Isomorphismus bestätigt, sie kommen nicht mehr umhin einen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen, auch wenn die Informationsquantität noch ausbaufähig ist. Die insgesamt enttäuschenden Ergebnisse legen nahe, dass der quantitative Umfang der NHB von EVUs noch steigerbar ist. Aus Sicht der Stakeholdertheorie ist eine Limitation, dass die Analyse der Quantität nichts darüber aussagt, ob die Informationsbedürfnisse erfolgsrelevanter Stakeholder abgedeckt werden. Hierzu wäre ein Abgleich notwendig, ob die im Rahmen der GRI-G4 vorgesehene Identifizierung von stakeholdergruppenspezifischen Schlüsselindikatoren in einem adäquaten Ausmaß berichtet werden. Das GRI-G4 Sector Supplement leistet diesen Beitrag nicht. Um im Sinne des NIS eingehender zu untersuchen, inwiefern und wie mit konfligierenden Umwelterwartungen umgegangen wird, ist ein qualitatives Forschungsdesign notwendig. Aus Controlling-Sicht bietet sich zudem eine Folgestudie an, die sich mit den Wechselwirkungen zwischen den internen Management Control-Systemen und der NHB von EVUs beschäftigt. Angesichts der Vorreiterrolle, die europäische EVUs beim Umstieg auf CO2-neutrale Technologien spielen sollen sowie der EU-Richtlinie, bietet es sich an, sich bei potentiellen Folgestudien auf europäische EVUs zu konzentrieren.

264

Dorothea Greiling und Johannes Slacik

Literatur Alrazi, B. (2014): The carbon disclosure of the Malaysian major power producers: An exploratory study. Journal of Business Management, 3 Jg., Nr. 2, S. 12-25. Alrazi, B./De Villiers, C./Staden, C. van (2010): The Environmental Reporting of Electric Utilities: An International Comparison. Research Paper submitted to the 9th CSEAR Australasian Conference, Albury Wodonga, Australia, https://www.researchgate.net/publication/229027653, Abfrage: 06.12.2017. Alrazi, B./De Villiers, C./ Staden, C. J. van (2016): The environmental disclosures of the electricity generation industry: a global perspective. Accounting and Business Research, 46 Jg., Nr. 6, S. 665-701. Bae, H. (2014): Voluntary disclosure of environmental performance: Do publicly and privately owned organizations face different incentives/disincentives?. The American Review of Public Administration, 44 Jg., Nr. 4, S. 459-476. Bahari, N. A. S./Alrazi, B./Husin, N. M. (2016): A comparative analysis of carbon reporting by electricity generating companies in china, India, and Japan. Procedia Economics and Finance, 35 Jg., S. 74-81. Bakhtina, K./Goudriaan, J. W. (2011): CSR reporting in multinational energy companies. Transfer: European Review of Labour and Research, 17 Jg., Nr. 1, S. 95-99. Bonsón, E./Bednárová, M. (2015): CSR reporting practices of Eurozone companies. Revista de Contabilidad – Spanish Accounting Review, 18 Jg., Nr. 2, S. 182-193. Boxenbaum, E./Jonsson, S. (2008): Isomorphism, Diffusion and Decoupling. In: Greenwood, R./Oliver, C./Sahlin, K/Suddaby R. (Hrsg.), The SAGE Handbook of Organizational Institutionalism (S. 78-99), London: Sage Publications. Chen, J. C./Roberts, R. W. (2010): Toward a more coherent understanding of the organization–society relationship: A theoretical consideration for social and environmental accounting research. Journal of Business Ethics, 97 Jg., Nr. 4, S. 651-665. Cho, C. H./Laine, M./Roberts, R. W./Rodrigue, M. (2015): Organized hypocrisy, organizational façades, and sustainability reporting. Accounting, Organizations and Society, 40 Jg., S. 78-94. Cormier, D./Gordon, I. M. (2001): An examination of social and environmental reporting strategies. Accounting, Auditing & Accountability Journal, 14 Jg., Nr. 5, S. 587-617. Silva Monteiro, S. M. da/Aibar‐Guzmán, B. (2010): Determinants of environmental disclosure in the annual reports of large companies operating in Portugal. Corporate Social Responsibility and Environmental Management, 17 Jg., Nr. 4, S. 185-204. DiMaggio, P. J./Powell, W. W. (1983): The iron cage revisited: Institutional isomorphism and collective rationality in organizational fields. American Sociological Review, 48 Jg., Nr. 2, S. 147-160. DiMaggio, P.J./Powell, W.W. (1991): The Iron Cage Revisited: Institutional Isomorphism and Collective Rationality. In: Powell, W.W./DiMaggio, P.J. (Hrsg.), The new Institutionalism in Organizational Analysis (S. 63-82). Chicago und London: University of Chicago Press. Elkington, J. (Hrsg.) (1997): Cannibals with Forks. The Triple Bottom Line of 21st Century Business. Capstone: Oxford. Freeman, R. E. (1984): Strategic management: A stakeholder approach. Boston: Pitman. Freeman, R. E. (2010): Strategic management: A stakeholder approach. Cambridge: University press. Freedman, M./Stagliano, A. J. (2008): Environmental disclosures: electric utilities and Phase 2 of the Clean Air Act. Critical Perspectives on Accounting, 19 Jg., Nr. 4, S. 466-486.

Nachhaltigkeitsberichterstattung von Elektrizitätsversorgungsunternehmen

265

Gallego, I. (2006): The use of economic, social and environmental indicators as a measure of sustainable development in Spain. Corporate Social Responsibility and Environmental Management, 13 Jg., Nr. 2, S. 78-97. Garcia, S./Cintra, Y./Rita de Cássia, S. R./Lima, F. G. (2016): Corporate sustainability management: a proposed multi-criteria model to support balanced decision-making. Journal of Cleaner Production, 136 Jg., S. 181-196. Global Reporting Initiative - GRI (2013): G4 Sector disclosures: Electric Utilities, https://www.globalreporting.org/Documents/ResourceArchives/GRI-G4-ElectricUtilities-Sector-Disclosures.pdf, Abfrage: 06.04.2019. González González, J. (2010): Determinants of socially responsible corporate behaviours in the Spanish electricity sector. Social Responsibility Journal, 6 Jg., Nr. 3, S. 386-403. Greiling, D./Traxler, A. A. (2015): Nachhaltigkeitsberichterstattung im öffentlichen Sektor nach den Leitlinien der Global Reporting Initiative (GRI). In: Hofer, K. M./Roithmayr, F. (Hrsg.), Marketingaspekte – Festschrift für Prof. Gerhard Wührer zum 65. Geburtstag (S. 101-119). Linz: Trauner. Greiling, D./Grüb, B./Huber, A. (2015a): Entwicklungslinien und Ansatzpunkte der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, 45 Jg., S. 126-154. Greiling, D./Traxler, A. A./Stötzer, S. (2015b): Sustainability reporting in the Austrian, German and Swiss public sector. International Journal of Public Sector Management, 28 Jg., Nr. 4/5, S. 404-428. Grüb, B./Greiling, D. (2015): Motive der Nachhaltigkeitsberichterstattung in öffentlichen und erwerbswirtschaftlichen Unternehmen. Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, 45 Jg., S. 110-125. Hahn, R./Kühnen, M. (2013): Determinants of sustainability reporting: a review of results, trends, theory, and opportunities in an expanding field of research. Journal of Cleaner Production, 59 Jg., S. 5-21. Hahn, R./Lülfs, R. (2014): Legitimizing negative aspects in GRI-oriented sustainability reporting: A qualitative analysis of corporate disclosure strategies. Journal of Business Ethics, 123 Jg., Nr. 3, S. 401-420. Heugens, P. P./Lander, M. W. (2009): Structure! Agency! (and other quarrels): A metaanalysis of institutional theories of organization. Academy of Management Journal, 52 Jg., Nr. 1, S. 61-85. Higgins, C./Larrinaga, C. (2014): Sustainability Reporting. Insights from institutional theory. In: Bebbingtion, J./Unerman, J./O’ Dwyer, B. (Hrsg.), Sustainability Accounting and Accountability (S. 273–289). Routledge: Taylor & Francis Group. Kerckhoffs, T./Wilde-Ramsing, J. (2010): European Works Councils and Corporate Social Responsibility in the European Energy Sector, https://www.somo.nl/wp content/uploads/2010/06/European-Works-Councils-and-Corporate-SocialResponsibility-in-the-European-Energy-Sector.pdf, Abfrage: 02.11.2017. KPMG (Hrsg.) (2017): The road ahead, The KPMG Survey of Corporate Responsibility Reporting 2017, https://home.kpmg.com/xx/en/home/campaigns/2017/10/survey-ofcorporate-responsibility-reporting-2017.html, Abfrage: 01.11.2017. Kraft, B. (2018): Shedding light on stakeholder power in a regulated market: A study of variation in electric utilities’ climate change disclosures. Organization & Environment, 31 Jg., Nr. 4, S. 314-338. Meyer, A./Pac, G. (2013): Environmental performance of state-owned and privatized eastern European energy utilities. Energy Economics, 36 Jg., S. 205-214. Meyer, J. W./Rowan, B. (1977): Institutionalized organizations: Formal structure as myth and ceremony. American Journal of Sociology, 83 Jg., Nr. 2, S. 340-363.

266

Dorothea Greiling und Johannes Slacik

Moseñe, J. A./Burritt, R. L./Sanagustín, M. V./Moneva, J. M./Tingey-Holyoak, J. (2013): Environmental reporting in the Spanish wind energy sector: an institutional view. Journal of Cleaner Production, 40 Jg. S. 199-211. Ng, A. W./Nathwani, J. (2012): Sustainability performance disclosures: The case of independent power producers. Renewable and Sustainable Energy Reviews, 16 Jg., Nr. 4, S. 1940-1948. Prexl, A. (2010): Nachhaltigkeit kommunizieren – nachhaltig kommunizieren, Analyse des Potenzials der Public Relations für eine nachhaltige Unternehmens- und Gesellschaftsentwicklung, Wiesbaden: Springer Fachmedien. Roca, L. C./Searcy, C. (2012): An analysis of indicators disclosed in corporate sustainability reports. Journal of Cleaner Production, 20 Jg., Nr. 1, S. 103-118. Sartori, S./Witjes, S./Campos, L. M. (2017): Sustainability performance for Brazilian electricity power industry: an assessment integrating social, economic and environmental issues. Energy Policy, 111 Jg., S. 41-51. Schaltegger, S. (2014): Nachhaltigkeitsberichterstattung zwischen Transparenzanspruch und Management der Nachhaltigkeitsleistung, In: Fifka, M. S. (Hrsg.), CSR und Reporting (S. 21-30). Berlin & Heidelberg: Springer. Shabana, K. M./Buchholtz, A. K./Carroll, A. B. (2017): The institutionalization of corporate social responsibility reporting. Business & Society, 56 Jg., Nr. 8, S. 1107-1135. Silva Gao, L. (2012): The disclosure of environmental capital expenditures: Evidence from the electric utility sector in the USA. Corporate Social Responsibility and Environmental Management, 19 Jg., Nr. 4, S. 240-252. Stötzer, S. (2015): Neue Vielfalt der Nachhaltigkeitsrichtlinien – Konzepte für eine nachhaltigkeitsorientierte Rechenschaftslegung von privaten und öffentlichen Unternehmen. Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, 45 Jg., S. 90-109. Traxler, A. A./Greiling, D. (2018): Sustainable public value reporting of electric utilities. Baltic Journal of Management, https://doi.org/10.1108/BJM-10-2017-0337, Abfrage: 29. 11.2018. Laan Smith, J. van der/Adhikari, A./Tondkar, R. H. (2005): Exploring differences in social disclosures internationally: A stakeholder perspective. Journal of Accounting and Public Policy, 24 Jg., Nr. 2, S. 123-151. Walgenbach, P. (2014): Institutionalistische Ansätze in der Organisationstheorie. In: Kieser, A./Ebers, M. (Hrsg.), Organisationstheorie, 7. Auflage (S. 295-345). Stuttgart: Kohlhammer. Gesetzestexte und Richtlinien Richtlinie 2014/95/EU Art 1, Z 1 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen.

Nachhaltigkeitsberichterstattung von Elektrizitätsversorgungsunternehmen

267

Anhang Dimensionen Wirtschaft

Leistungsindikatoren und Managementansätze Häufigste Abdeckung: über 60% EC1 (direkt erwirtschafteter und verteilter wirtschaftlicher Wert)

Niedrigste Abdeckung: unter 25 % DMA8 (Stilllegung von Anlagen)

EC2 (durch den Klimawandel bedingte finanzielle DMA9 (Systemeffizienz) Folgen sowie weitere Chancen und Risiken)

Ökologie

Arbeitspraktiken und menschenwürdige Beschäftigung

EC3 (Deckung der Verpflichtungen aus dem Pensionsplan) EC7 (Entwicklung von Infrastrukturinvestitionen sowie geförderter Dienstleistungen) DMA1 (wirtschaftliche Leistung) über 70 % EN3 (Energieverbrauch innerhalb der Organisation) EN15 (direkte Treibhausgasemissionen) EN23 (Gesamtgewicht des Abfalls) EN29 (Wert signifikanter Bußgelder und Strafen aufgrund der Nichteinhaltung von Umweltvorschriften) über 70 %

DMA18 (Transport)

unter 30 %

DMA27 (Gleicher Lohn für Frauen und Männer) LA1 (die Gesamtzahl und Rate neu eingestellter DMA28 (Bewertung der Lieferanten Mitarbeiter) hinsichtlich Arbeitspraktiken) DMA29 (Beschwerdeverfahren LA9 (Stundenanzahl für Aus- und Weiterbildung) hinsichtlich Arbeitspraktiken) LA10 (Programme für Kompetenzmanagement und lebenslanges Lernen) LA12 (Zusammensetzung der Kontrollorgane und Aufteilung der Mitarbeiter hinsichtlich Diversitätsindikatoren) über 40 % unter 20 % HR3 (Gesamtzahl der Diskriminierungsvorfälle DMA33 (Kinderarbeit) und ergriffene Maßnahmen) HR4 (Geschäftsstandorte und Lieferanten, bei denen das Recht auf Vereinigungsfreiheit oder DMA34 (Zwangs- oder Pflichtarbeit) Kollektivverhandlungen verletzt wird sowie ergriffene Maßnahmen) DMA35 (Sicherheitspraktiken) DMA36 (Rechte der indigenen Bevölkerung) DMA37 (Prüfung) LA6 (Verletzungsarten und Ausfalltage)

Menschenrechte

unter 25 % EN28 (Prozentsatz der zurückgenommenen verkauften Produkte und deren Verpackungsmaterialien)

268 Gesellschaft

Dorothea Greiling und Johannes Slacik

über 60% SO1 (Prozentsatz an Geschäftsstandorten, bei denen Maßnahmen zur Einbindung lokaler Gemeinschaften und Förderprogramme umgesetzt wurden) SO4 (Informationen und Schulungen über Leitlinien und Verfahren zur Korruptionsbekämpfung) SO5 (bestätigte Korruptionsfälle und ergriffene Maßnahmen)

unter 30% DMA45 (Bewertung der Lieferanten hinsichtlich gesellschaftlicher Auswirkungen) DMA42 (Politik) SO10 (Beschwerdeverfahren)

DMA46 (signifikante negative SO8 (monetärer Wert signifikanter Bußgelder und Auswirkungen auf die Gesellschaft in Anzahl an Strafen wegen der Nichteinhaltung von der Lieferkette und ergriffene Gesetzen und Vorschriften) Maßnahmen) Produktverantwortung über 60 % unter 25% PR5 (Ergebnisse von Umfragen zur Kundenzufriedenheit) DMA50 (Marketing) PR6 (Verkauf verbotener oder umstrittener Produkte) EU26 (Prozent unversorgter Bevölkerung) EU27 (Anzahl von Auflösungen im Wohnbereich) EU30 (Durchschnittlicher Verfügbarkeitsfaktor) DMA54 (Provision of Information)

Corporate Social Responsibility-Controlling: Eine instrumentelle Perspektive

Michael Kuttner 1.

Einleitung

Das über gesetzliche Vorgaben hinausreichende, soziale, ökologische und ökonomische Engagement von Unternehmen, oder in anderen Worten „Corporate Social Responsibility“ kurz „CSR“, hat speziell seit der Jahrtausendwende kontinuierlich zugenommen1 und wird mittlerweile häufig als integraler Bestandteil der unternehmerischen Tätigkeit erachtet. 2 Gründe dafür liegen bspw. im zunehmenden ökologischen Bewusstsein der Gesellschaft, 3 im Streben nach einer Legitimierung des unternehmerischen Handelns,4 in der Differenzierung von Produkten und Dienstleistungen gegenüber Konkurrenzunternehmen 5 und in einer gewünschten Steigerung der Unternehmensreputation. 6 Obgleich CSR eine zunehmende Relevanz in der wissenschaftlichen Literatur als auch unternehmerischen Praxis zukommt, werden derartige Themenbereich im Zusammenhang mit Controlling kaum diskutiert und weitgehend stiefmütterlich behandelt.7 Das Controlling übt eine Steuerungs- und Lenkungsfunktion innerhalb von Unternehmen aus und unterstützt das Management bei der Entscheidungsfindung durch die gezielte Koordination von Planung, Kontrolle 1 2 3 4 5 6 7

Vgl. Carroll/Shabana (2010), S. 85; Aguinis/Glavas (2012), S. 933; Wang et al. (2016), S. 534. Vgl. Servaes/Tamayo (2013), S. 1045. Vgl. Chuang/Huang (2018), S. 991; Lee et al. (2018), S. 397. Vgl. Du/Vieira (2012), S. 413 ff.; Ellerup Nielsen/Thomsen (2018), S. 492 ff. Vgl. Hsu (2012), S. 189; Costanigro et al. (2016), S. 597. Vgl. Pérez/Bosque (2015), S. 155 ff. Vgl. Gond et al. (2012), S. 205; Arjaliès/Mundy (2013), S. 284; Günther et al. (2016), S. 6; Lueg/Radlach (2016), S. 158; Maas et al. (2016), S. 237.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_12

270

Michael Kuttner

und Informationsversorgung. 8 CSR-Controlling, die kombinierte Betrachtung dieser beiden Themenbereiche, kann jedoch positive Auswirkungen auf das Unternehmen sowie auf das CSR-Engagement haben. Günther et al. konstatieren bspw., dass CSR-Controlling einerseits zur Sicherung des unternehmerischen Erfolgs beitragen und andererseits die Lösung von gesellschaftlichen Problemfeldern (z. B. Klimawandel, Umweltverschmutzung, Ressourcenknappheit) positiv beeinflussen kann.9 Schaltegger erwähnt explizit die Relevanz des Controllings für die Effizienz und Wirksamkeit im Rahmen der Umsetzung von nachhaltigen, operativen Maßnahmen und Strategien. 10 Die Bedeutung des CSRControllings für die Integration von CSR in die Unternehmensstrategie wird ebenfalls von Mayr und Ausweger deutlich hervorgehoben.11 Eine Herausforderung für das Controlling, die mitunter die positiven Auswirkungen von CSR aufzeigen kann, ist die Evaluierung bzw. Quantifizierung des CSR-Engagements (z. B. durch Kennzahlensysteme).12 Die Umsetzung des CSR-Controllings erfolgt mit den Instrumenten des CSR-Controllings (z. B. Balanced Scorecard). Innerhalb dieses deskriptiven Beitrags soll eine Bestandsaufnahme über die verwendeten Instrumente des CSR-Controllings anhand einer Analyse bisheriger wissenschaftlicher und praxisorientierter Literatur gegeben werden. Dazu werden im Anschluss an die Einleitung die beiden Begriffe CSR und Controlling näher determiniert, um ein für diesen Beitrag einheitliches Begriffsverständnis über CSR-Controlling zu schaffen. Nach der Darstellung der Ergebnisse der ausgewählten Studien im Hauptteil des Beitrags erfolgt abschließend ein Resümee. 2.

Theoretischer Hintergrund

CSR-Controlling besteht aus zwei, in der wissenschaftlichen Literatur intensiv diskutierten Begriffen, CSR und Controlling, die im Vorfeld einer näheren Betrachtung bedürfen. Der ursprünglich aus dem angloamerikanischen Raum stammende Begriff CSR wurde erstmals zur Mitte des 20. Jh. von Bowen13 verwendet und bezeichnet laut Carroll den Ausgangspunkt der heutigen CSR-Diskussion.14 Aus einer historischen Perspektive reichen die Ursprünge von CSR jedoch wesentlich weiter zurück. Als frühe Beispiele werden u. a. Philanthropen im antiken Grie8 9 10 11 12 13 14

Vgl. Horváth (2011), S. 127. Vgl. Günther et al. (2016), S. 6. Vgl. Schaltegger (2016), S. 55. Vgl. Mayr/Ausweger (2013), S. 36 ff. Vgl. Osburg (2013), S. 20 f.; Lin et al. (2017), S. 1415 ff.; Venturelli et al. (2017), S. 1000 ff. Vgl. Bowen (1953), S. 1 ff. Vgl. Carroll (1999), S. 269.

Corporate Social Responsibility-Controlling

271

chenland genannt, die Nahrung und Geld an Ärmere verteilten15 oder Dynastien, wie die Fugger in Deutschland, die aufgrund öffentlichen Drucks eine Sozialsiedlung in Augsburg, die „Fuggerei“ finanzierten.16 Beispiele aus der jüngeren Geschichte verweisen auf Unternehmer, wie Andrew Carnegie, George Cadbury und Henry Ford, die im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit soziale Verantwortung übernahmen (bspw. durch Wohnungen und medizinische Versorgung für die eigenen Mitarbeiter).17 Heutzutage existiert sowohl in der Wissenschaft als auch in der Unternehmenspraxis eine Vielzahl an unterschiedlichen CSR-Definitionen.18 In einer Analyse von 37 CSR-Definitionen stellte Dahlsrud fest, dass ein Großteil der analysierten Definitionen konsistent auf eine soziale, ökologische, ökonomische und Stakeholder-Dimension und die zugrundeliegende unternehmerische Freiwilligkeit verweisen.19 Eine häufig zitierte CSR-Definition, welche diese fünf Dimensionen integriert, ist jene aus dem Grünbuch der Europäischen Kommission,20 die CSR als „(...) ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren“21 definiert und als Grundlage für diesen Beitrag herangezogen wird. Der zweite relevante Begriff Controlling ist aus der Unternehmenspraxis entstanden und wird vom englischen Verb „to control“ abgeleitet. Controlling kann jedoch nicht ausschließlich mit „Kontrolle“ übersetzt werden, sondern bedeutet vielmehr „Lenken“ bzw. „Steuern“ eines Unternehmens. Durch eine zielgerichtete Informationsversorgung der Entscheidungsunterstützung des Managements wird durch das Controlling eine Lenkungs- bzw. Steuerungsfunktion im Unternehmen ausgeübt. Obwohl das Praxisphänomen Controlling ursprünglich aus den USA stammt,22 wurde die Controlling-Entwicklung im deutschen Sprachraum von einem regen theoretischen Diskurs (bspw. über die Zielausrichtung des Controllings) beeinflusst, aus dem eine Vielzahl an ControllingDefinitionen bzw. das mangelnde einheitliche Begriffsverständnis resultieren. 23 Exemplarisch wird innerhalb dieses Beitrags auf die Controlling-Definition von Horváth verwiesen, der Controlling als „Subsystem der Führung, das Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung systembildend und systemkoppelnd ergebniszielorientiert koordiniert und so die Adaption und Koordination des 15 16 17 18 19 20 21 22 23

Vgl. Loew et al. (2004), S. 18. Vgl. Zeibig (2008), S. 45. Vgl. Smith (2003), S. 52 ff. Vgl. Carroll (1999), S. 268 ff.; Dahlsrud (2008), S. 1 ff.; Rahman (2011), S. 166 ff. Vgl. Dahlsrud (2008), S. 1 ff. Vgl. Dahlsrud (2008), S. 7. Vgl. Europäische Kommission (2001), S. 7. Vgl. Weber/Schäffer (2016), S. 27 ff. Vgl. Horváth et al. (2011), S. 131 ff.; Küpper et al. (2013), S. 30 ff.; Weber/Schäffer (2016), S. 20 ff.

272

Michael Kuttner

Gesamtsystems unterstützt“24, definiert. Demnach besteht die ControllingFunktion laut Horváth in der zielgerichteten „Koordination von Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung“25 aus der die Ziele des Controllings, die „Sicherung und Erhaltung der Koordinations-, Reaktions- und Adaptionsfähigkeit“26 des Managements zur Erreichung der Unternehmensziele abgeleitet werden können und aus denen schlussendlich die Controlling-Aufgaben resultieren (z. B. strategische und operative Controlling-Aufgaben).27 Der Aufgabenträger bzw. Stelleninhaber des Controllings, der sogenannte „Controller“ 28 erfüllt die Controlling-Aufgaben mit Hilfe von Controlling-Instrumenten (z. B. Budgetierung), als Mittel zur Zielerreichung. 29 Das angloamerikanische Pendant zum deutschsprachigen Controlling wird als Management Accounting bezeichnet. 30 Obwohl beide Systeme weitgehend als deckungsgleich erachtet werden können, existieren zwischen dem Controlling und dem Management Accounting Gemeinsamkeiten (z. B. Unternehmensziele als Ausgangspunkt) und Unterschiede (z. B. Zeithorizont, Adressatenkreis), die mitunter aus der isolierten Entwicklung beider Systeme stammen. 31 Innerhalb dieses Beitrags werden sowohl die funktionale (Controlling und Management Accounting) als auch die akteursbezogene Perspektive (Controller und Management Accountant) synonym verwendet. Aus der Kombination der determinierten Begriffe CSR 32 und Control33 ling wird zusammenfassend das Begriffsverständnis für CSR-Controlling abgeleitet. Demnach umfasst CSR-Controlling die zielgerichtete Koordination aller Planungs-, Kontroll- und Informationsversorgungsmaßnahmen zur Entscheidungsunterstützung des Managements hinsichtlich der Auswahl bzw. Ausgestaltung von sozialen, ökologischen und ökonomischen Maßnahmen, die im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit freiwillig ausgeführt werden sowie StakeholderBelange integrieren.

24 25 26 27 28 29 30 31

32 33

Horváth (2011), S. 129. Horváth (2011), S. 127. Horváth (2011), S. 127. Vgl. Horváth (2011), S. 127 ff. Vgl. Horváth (2011), S. 18; Weber/Schäffer (2016), S. 1. Vgl. Horváth (2011), S. 127 ff. Vgl. Malmi/Brown (2008), S 290; Horváth et al. (2011), S. 20; Günther (2013), S. 269 ff. Vgl. Günther (2013), S. 269 ff. für eine detaillierte Darstellung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Controlling und Management Accounting sowie deren historische Entwicklung. Vgl. Europäische Kommission (2001), S. 7. Vgl. Horváth (2011), S. 129.

Corporate Social Responsibility-Controlling

3.

273

Instrumente des CSR-Controllings

3.1. Balanced Scorecard Die Balanced Scorecard wurde ursprünglich von Kaplan und Norton entwickelt34 und stellt ein Leistungsmessungs- und Management-Instrument dar, dass finanzielle als auch nicht finanzielle sowie kurz- als auch langfristige Aspekte integriert.35 Die Balanced Scorecard ist aber nicht ausschließlich ein Kennzahlensystem, vielmehr steht die Strategieentwicklung und -implementierung im Vordergrund.36 Basierend auf der ursprünglichen Balanced Scorecard, die in vier Dimensionen (Finanz-, Kunden-, interne Prozess- und eine Lern und Entwicklungsdimension) unterteilt war,37 entwickelten Mayr und Ausweger eine CSR-Scorecard zur Implementierung und Steuerung einer CSR-Strategie für einen Anlagenbauer. Die Autoren ergänzten als fünfte Dimension eine CSR-Perspektive, in der CSR-Kennzahlen (z. B. Entsorgungsaufwand in Relation zur Betriebsleistung) integriert wurden, die sowohl für die Steuerung des Unternehmens als auch für die Unternehmensstrategie bedeutsam waren. Abschließend postulieren die Autoren, dass Kausalzusammenhänge zwischen CSR-Strategien bzw. -Engagement und dem Unternehmenserfolg häufig nicht direkt darstellbar sind und empfehlen u. a. die Erfolgsmessung der CSR-Aktivitäten auf einer nicht ausschließlich monetären Ebene.38 Neben der CSR-Scorecard wird für die Integration von sozialen, ökologischen und ethischen Belangen in die Balanced Scorecard häufig die Bezeichnung Sustainability Balanced Scorecard verwendet.39 In einer umfangreichen systematischen Literaturanalyse von Hansen und Schaltegger untersuchen die Autoren 69 wissenschaftliche Beiträge u. a. mit dem Ziel, die Architektur der Sustainability Balanced Scorecards zu analysieren. Basierend auf dem Wertesystem der Organisation unterteilen die Autoren die identifizierten Beiträge anhand des hierarchischen Aufbaus der Sustainability Balanced Scorecards in drei unterschiedliche Kategorien. Während Organisationen, die ein profitgetriebenes Wertesystem (i. d. R. gelistete Unternehmen mit starker Investorenabhängigkeit) aufweisen, vorwiegend auf eine konventionelle Balanced Scorecard-Architektur zurückgreifen (hierarchischer Aufbau), bevorzugen soziale Organisationen und Non-Profit-Unternehmen häufig eine nicht hierarchische Architektur (z. B. Netzwerkarchitektur). Andere Unternehmens34 35 36 37 38 39

Vgl. Kaplan/Norton (1992), S. 71 ff. Vgl. Hansen/Schaltegger (2016), S. 193. Vgl. Kaplan/Norton (1992), S. 79; Mayr/Ausweger (2013), S. 36 ff. Vgl. Kaplan/Norton (1992), S. 76. Vgl. Mayr/Ausweger (2013), S. 36 ff. Vgl. Kang et al. (2015), S. 124 ff.; Hansen/Schaltegger (2016), S. 193; Hansen/Schaltegger (2018), S. 937 ff.

274

Michael Kuttner

formen (z. B. Familienunternehmen, Kooperationen) scheinen in der Lage zu sein innerhalb unterschiedlicher Wertesysteme zu agieren und können dementsprechend sowohl mit einer hierarchischen bzw. semi-hierarchischen Balanced ScorecardArchitektur arbeiten. Ferner identifizieren die Autoren die Unternehmensstrategie als wesentlichen Faktor, der determiniert, zu welchem Ausmaß nachhaltige Unternehmensziele in die Balanced Scorecard integriert werden können.40 3.2. Budgetierung Ein weiteres Controlling-Instrument, das auch im Rahmen des CSR-Controllings diskutiert wird, ist die Budgetierung.41 Während die Budgetierung als Prozess zur Erstellung und Abstimmung von Budgets bezeichnet wird, ist ein Budget ein „primär auf das Erfolgsziel beruhender Vorgaberahmen, der einer organisatorischen Einheit für einen bestimmten Zeitabschnitt mit einer vorher festgelegten Verbindlichkeit vorgegeben wird.“42 Arjaliès and Mundy konstatieren, dass die geringe Nutzung von CSR-Budgets v. a. auf die untergeordnete Bedeutung von CSRMaßnahmen gegenüber der eigentlichen unternehmerischen Aktivität zurückzuführen ist. Weiters ergänzen die Autoren, dass positive finanzielle Auswirkungen eines CSR-Engagements zumeist nicht quantifizierbar sind und das unternehmerische Interesse vorwiegend auf eine Verbesserung der Reputation und des Images sowie auf die Legitimierung der Unternehmensaktivitäten limitiert ist.43 Burritt und Schaltegger postulieren, dass eine alleinige Kalkulation von Umweltmaßnahmen nicht ausreiche, sondern eine Integration in die Budgetierung notwendig sei. Dementsprechend sollten die Controller in die Planung der langfristigen Öko-Effizienz miteinbezogen werden.44 Anhand einer multiplen Fallstudie über thailändische Nahrungsmittelhersteller untersucht Setthasakko Einflussfaktoren auf die Implementierung einer Öko-Budgetierung. Die Ergebnisse zeigen, dass neben einer Einsparung von operativen Kosten und einer Umsatzerhöhung v. a. die Vision des Managements und sozialer Druck die Einführung einer Öko-Budgetierung beeinflussen. Durch die Implementierung einer Öko-Budgetierung als Kontrollsystem konnten die Unternehmen sukzessive den Material-, Wasser- und Energieverbrauch sowie die Emissionen reduzieren.45 40 41

42 43 44 45

Vgl. Hansen/Schaltegger (2016), S. 193 ff. Vgl. z. B. Burritt/Schaltegger (2001), S. 158 ff.; Setthasakko (2012), S. 1265 ff.; Arjaliès/Mundy (2013), S. 284 ff. Brühl (2016), S. 255. Vgl. Arjaliès/Mundy (2013), S. 297 f. Vgl. Burritt/Schaltegger (2001), S. 158 ff. Vgl. Setthasakko (2012), S. 1265 ff.

Corporate Social Responsibility-Controlling

275

3.3. Kostenrechnung Im Rahmen des CSR-Controllings wird der Kostenrechnung eine besondere Relevanz attestiert, wobei die Untersuchung der ökologischen Dimension in der wissenschaftlichen Literatur dominiert.46 Lee analysierte u. a. die Ausgestaltung der Umweltkostenrechnung (engl. Environmental Cost Accounting) anhand einer Umfrage in koreanischen Unternehmen. Basierend auf 107 Fragebögen stellte der Autor fest, dass in der Unternehmenspraxis ein einheitlicher, systematisch strukturierter Prozess für die Implementierung einer Umweltkostenrechnung weitgehend fehlt. Weitere Herausforderungen liegen laut Lee u. a. in der Quantifizierung nichtmonetärer Informationen, in der fehlenden Berücksichtigung von Umweltkosten innerhalb konventioneller Kostenrechnungssysteme und in der limitierten Verfügbarkeit von Informationen über Umweltkosten in der Praxis. Als maßgebliche Gründe für die Verwendung einer Umweltkostenrechnung werden v. a. die interne Unternehmenssteuerung, die Entscheidungsunterstützung des Managements und die Messung von monetären Informationen angegeben.47 Bierer et al. stellen in einer konzeptionell-theoretischen Studie eine Möglichkeit vor, eine Lebenszyklusanalyse (engl. Life Cycle Assessment) und eine Lebenszykluskostenrechnung (engl. Life Cycle Costing) zu integrieren, um wirtschaftliche und ökologische Aspekte während des Lebenszyklus von Produkten abzubilden. Die Autoren verweisen als Bindeglied zwischen der Lebenszyklusanalyse und -kostenrechnung auf die Materialflusskostenrechnung (engl. Material Flow Cost Accounting), die vorwiegend für die Identifikation und Bewertung von Materialineffizienzen in Produktionsprozessen herangezogen wird. Die Integration einer Materialflusskostenrechnung führt bspw. zu Vorteilen wie einer vereinten Datenbasis und ermöglicht dementsprechend eine umfangreiche Auswertung von monetären und nicht-monetären Zielgrößen im Unternehmen. 48 In einer systematischen Literaturanalyse untersuchen Rieckhof et al. den Zusammenhang zwischen der Materialflusskostenrechnung und ManagementKontroll-Systemen. Gemäß den Autoren ist die Materialflusskostenrechnung ein geeignetes Instrument für die Implementierung einer ressourceneffizienten Unternehmensstrategie. Das Ziel einer effizienten und nachhaltigen Nutzung von natürlichen Ressourcen kann jedoch nur erreicht werden, sofern die Ressourceneffizienz in die Unternehmensstrategie integriert wird und auf alle Unternehmensebenen mittels eines Management-Kontroll-Systems transferiert wird.49 46

47 48 49

Vgl. z. B. Lee (2011), S. 39 ff.; Bierer et al. (2015), S. 1289 ff.; Rieckhof et al. (2015), S. 1262 ff.; Wang et al. (2018), S. 374 ff. Vgl. Lee (2011), S. 39 ff. Vgl. Bierer et al. (2015), S. 1289 ff. Vgl. Rieckhof et al. (2015), S. 1262 ff.

276

Michael Kuttner

In einer empirischen Studie analysieren Wang et al. den gesamten Prozess der Energiegewinnung aus Kohlekraftwerken in China, mit dem Ziel die ökologischen Auswirkungen monetär zu quantifizieren. Basierend auf der Lebenszyklusanalyse (vom Rohstoffabbau, der Reinigung, dem Transport bis zur Energiegewinnung) wurden die Ressourcenkosten sowie externe Umweltkosten der Energiegewinnung (z. B. CO- und CO2-Emissionen) kalkuliert. Die Autoren zeigen u. a. auf, dass die Kosten in den verschiedenen Phasen der Energiegewinnung unterschiedlich stark ausgeprägt sind, wobei die Phase der Energiegewinnung sowohl die höchsten Ressourcen- als auch externen Umweltkosten verursacht. In Summe belaufen sich die Ressourcenkosten für eine Megawattstunde auf ca. 46 US-Dollar und die externen Umweltkosten auf nahezu 23 US-Dollar.50 3.4. Reporting Der CSR-Kommunikation wird für die Information der Stakeholder über das CSR-Engagement, für die Vertrauensbildung bzw. die Erlangung von Legitimität und die Schaffung von Transparenz eine besondere Bedeutung zugeschrieben. 51 Laut Gray et al. enthalten CSR-Berichte Informationen über unternehmerische Aktivitäten und Bestrebungen sowie die Außenwirkung von Maßnahmen im Zusammenhang mit CSR, die bspw. die Umwelt, Gesellschaft, Mitarbeiter oder Kunden betreffen.52 Unternehmen erstellen CSR-Berichte aus den unterschiedlichsten Gründen, wie bspw.: • • • • •

Verbesserung der gesellschaftlichen Stellung des Unternehmens sowie Erhöhung des Unternehmensimages53 Ausbau von Stakeholder-Beziehungen54 Legitimation des unternehmerischen Handelns55 Reduktion von Informationsasymmetrien56 Institutioneller Druck57

Mittlerweile existiert eine Vielzahl an Studien, in denen die CSR-Berichterstattung anhand verschiedener Forschungsdesigns und unterschiedlicher inhaltlicher Aspek50 51 52 53 54 55 56 57

Vgl. Wang et al. (2018), S. 374 ff. Vgl. Panwar et al. (2014), S. 481 ff.; Chaudhri (2016), S. 419 f. Vgl. Gray et al. (2001), S. 329. Vgl. Morsing/Schultz (2006), S. 323; Siregar/Bachtiar (2010), S. 248. Vgl. Morsing/Schultz (2006), S. 323; Du et al. (2010), S. 8 ff. Vgl. Castelo Branco/Lima Rodrigues (2006), S. 245; Castelló/Lozano (2009), S. 379. Vgl. Cormier et al. (2011), S. 1276 ff. Vgl. Young/Marais (2012), S. 432 ff.

Corporate Social Responsibility-Controlling

277

te untersucht wird.58 Basierend auf zwei Internet-Fragebögen analysieren Habek und Woljnak Faktoren, welche die Entwicklung der CSR-Berichterstattung beeinflussen können. Der Fragebogen wurde an CSR-Experten (z. B. Berater, Forscher) und an Personen versandt, die mit der Erstellung dieser Berichte beauftragt sind (z. B. CSR-Manager). Die Ergebnisse unterscheiden sich vorwiegend in den Gründen für die Erstellung von CSR-Berichten. Aus einer internen Perspektive wurde v. a. die Verbesserung der Unternehmensreputation genannt, während externe Experten vorwiegend auf die Bereitschaft der Informationsbereitstellung des Unternehmens verwiesen, um eine „true and fair view“ des CSR-Engagements zu vermitteln. Abschließend empfehlen die Autoren u. a. eine staatliche Förderung der CSR-Berichterstattung, um deren Verbreitung zu erhöhen.59 Pucheta-Martínez et al. eruieren u. a. inwieweit große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die CSR-Berichterstattung beeinflussen können. Basierend auf einer quantitativen Studie, in der 1.312 Unternehmensjahre von spanischen Unternehmen analysiert werden, bestätigen die Autoren einen positiven Einfluss großer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (bspw. in Form von Empfehlungen für die Erstellung von CSR-Berichten oder als Corporate Governance-Mechanismus des CSR-Reportings).60 Eine weitere Analyse im Konnex mit der Wirtschaftsprüfung wurde von Chen et al. durchgeführt. Im Detail untersuchen die Autoren, inwieweit Audits von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (gekennzeichnet durch anfallende Gebühren) die Glaubwürdigkeit der CSR-Berichterstattung erhöht. Die Autoren kommen u. a. zu dem Ergebnis, dass die Existenz von Prüfungsgebühren positiv mit der Bereitschaft separate CSR-Berichte zu veröffentlichen korreliert.61 Liao et al. vergleichen die CSR-Berichterstattung von Vertragsnehmern aus dem Anlagenbau anhand von vier Regionen (Asien, Europa, USA/Kanada und China). Innerhalb der untersuchten Regionen konnten markante Unterschiede festgestellt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass in Europa die CSRKommunikation sowohl im Umfang als auch der Häufigkeit der Berichterstattung die stärkste Ausprägung aufweist, während die chinesischen Vertragspartner den letzten Platz im Rahmen der CSR-Berichterstattung einnehmen. Ferner wurde festgestellt, dass die Einbindung der Gesellschaft und deren Entwicklung in allen vier Regionen die höchste Priorität unter den CSRMaßnahmen zugeschrieben wird.62

58

59 60 61 62

Vgl. z. B. Habek/Wolniak (2015), S. 560 ff.; Chen et al. (2016), S. 53 ff.; Liao et al. (2017), S. 327 ff.; Pucheta-Martínez et al. (2019), S. 46 ff. Vgl. Habek/Wolniak (2015), S. 560 ff. Vgl. Pucheta-Martínez et al. (2019), S. 46 ff. Vgl. Chen et al. (2016), S. 53 ff. Vgl. Liao et al. (2017), S. 327 ff.;

278 4.

Michael Kuttner

Zusammenfassung

Im Rahmen des vorliegenden deskriptiven Beitrags erfolgt eine erste Bestandsaufnahme über ausgewählte Instrumente des CSR-Controllings, die in der wissenschaftlichen und praxisorientierten Literatur thematisiert werden. Die Ergebnisse der einzelnen CSR-Controlling-Instrumente zeigen, dass die Planung, Kontrolle und Informationsversorgung als zentrale Teilbereiche des Controllings 63 innerhalb der analysierten Beiträge und der CSR-Controlling-Instrumente adressiert werden. Obwohl Autoren unterschiedliche Vorteile des CSR-Controllings erwähnen (z. B. die effiziente und nachhaltige Nutzung von natürlichen Ressourcen64), besitzt CSR-Controlling sowohl in der Wissenschaft als auch in der Unternehmenspraxis eine untergeordnete Relevanz.65 Ferner verdeutlichen die Ergebnisse, dass dem CSR-Controlling eine Schlüsselrolle im Rahmen des CSREngagements zukommen kann (bspw. im Rahmen der Integration von sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekten in die Unternehmensstrategie). 66 Aus dem Beitrag können eine Reihe potenziell wertvoller Implikationen für die Unternehmenspraxis abgeleitet werden. Die ausgewählten Instrumente des CSR-Controllings könnten bspw. als Impuls für Unternehmen dienen, ein CSR-Controlling im Unternehmen zu implementieren. Des Weiteren ist v. a. die Integration des CSR-Controllings in das Controlling essenziell, um eine umfangreiche Betrachtung der finanziellen Perspektive des CSR-Engagements in einem gesamten Unternehmenskonnex zu gewährleisten. Dies impliziert jedoch die mitunter herausfordernde Quantifizierung des CSR-Engagements, welche das Controlling verantwortet und bspw. mit einem dementsprechendem Kennzahlensystem (z. B. Balanced Scorecard) umgesetzt wird. Ferner werden durch das CSR-Controlling soziale, ökologische und ökonomische Themen im Unternehmen hervorgehoben und die strategische und operative Relevanz für den nachhaltigen Unternehmenserfolg dargestellt.67 Als Limitation dieses Beitrags ist die Auswahl der integrierten wissenschaftlichen und praxisorientierten Studien zu nennen, die auf den persönlichen Präferenzen des Autors beruhen und keinen Anspruch auf Vollständigkeit beinhalten. Die Ergebnisse der aufgezeigten Beiträge sollen vielmehr eine erste Bestandsaufnahme möglicher CSR-Controlling-Instrumente darstellen.

63 64 65

66 67

Vgl. dazu die Controlling-Definition von Horváth (2011), S. 129. Vgl. Rieckhof et al. (2015), S. 1262 ff. Vgl. Gond et al. (2012), S. 205; Arjaliès/Mundy (2013), S. 284; Günther et al. (2016), S. 6; Lueg/Radlach (2016), S. 158; Maas et al. (2016), S. 237. Vgl. Mayr/Ausweger (2013), S. 36 ff. Vgl. Internationaler Controller Verein e.V. (2011), S. 27.

Corporate Social Responsibility-Controlling

279

Literatur Aguinis, H./Glavas, A. (2012): What we know and don’t know about corporate social responsibility: A review and research agenda. Journal of Management, 38 Jg., Nr. 4, S. 932-968. Arjaliès, D. L./Mundy, J. (2013): The use of management control systems to manage CSR strategy: A levers of control perspective. Management Accounting Research, 24 Jg., Nr. 4, S. 284-300. Bierer, A./Götze, U./Meynerts, L./Sygulla, R. (2015): Integrating life cycle costing and life cycle assessment using extended material flow cost accounting. Journal of Cleaner Production, 108 Jg., S. 1289-1301. Bowen, H. R. (2013): Social responsibilities of the businessman. Iowa City: University of Iowa Press. Brühl, R. (2016): Controlling: Grundlagen einer erfolgsorientierten Unternehmenssteuerung. 4. Auflage. München: Franz Vahlen. Burritt, R./Schaltegger, S. (2001): Eco-efficiency in corporate budgeting. Environmental Management and Health, 12 Jg., Nr. 2, S. 158-174. Carroll, A. B. (1999): Corporate social responsibility: Evolution of a definitional construct. Business & Society, 38 Jg., Nr. 3, S. 268-295. Carroll, A. B./Shabana, K. M. (2010): The business case for corporate social responsibility: A review of concepts, research and practice. International Journal of Management Reviews, 12 Jg., Nr. 1, S. 85-105. Castelló, I./Lozano, J. (2009): From risk management to citizenship corporate social responsibility: Analysis of strategic drivers of change. Corporate Governance, 9 Jg., S. 373-385. Castelo Branco, M./Lima Rodrigues, L. (2006): Communication of corporate social responsibility by Portuguese banks: A legitimacy theory perspective. Corporate Communications: An International Journal, 11 Jg., Nr. 3, S. 232-248. Chaudhri, V. (2016): Corporate social responsibility and the communication imperative: Perspectives from CSR managers. International Journal of Business Communication, 53 Jg., Nr. 4, S. 419-442. Chen, L./Srinidhi, B./Tsang, A./Yu, W. (2016): Audited financial reporting and voluntary disclosure of corporate social responsibility (CSR) reports. Journal of Management Accounting Research, 28 Jg., Nr. 2, S. 53-76. Chuang, S. P./Huang, S. J. (2018): The effect of environmental corporate social responsibility on environmental performance and business competitiveness: The mediation of green information technology capital. Journal of Business Ethics, 150 Jg., Nr. 4, S. 991-1009. Cormier, D./Ledoux, M. J./Magnan, M. (2011): The informational contribution of social and environmental disclosures for investors. Management Decision, 49 Jg., Nr. 8, S. 1276-1304. Costanigro, M./Deselnicu, O./McFadden, D. T. (2016): Product differentiation via corporate social responsibility: consumer priorities and the mediating role of food labels. Agriculture and human values, 33 Jg., Nr. 3, S. 597-609. Dahlsrud, A. (2008): How corporate social responsibility is defined: An analysis of 37 definitions. Corporate Social Responsibility and Environmental Management, 15 Jg., Nr. 1, S. 1-13. Du, S./Bhattacharya, C. B./Sen, S. (2010): Maximizing business returns to corporate social responsibility (CSR): The role of CSR communication. International Journal of Management Reviews, 12 Jg., Nr. 1, S. 8-19. Du, S./Vieira, E. T. (2012): Striving for legitimacy through corporate social responsibility: Insights from oil companies. Journal of Business _Ethics, 110 Jg., Nr. 4, S. 413-427.

280

Michael Kuttner

Günther, T. W. (2013): Conceptualisations of ‘controlling’in German-speaking countries: Analysis and comparison with Anglo-American management control frameworks. Journal of Management Control, 23 Jg., Nr. 4, S. 269-290. Günther, E./Endrikat, J./Günther, T. (2016): CSR im Controlling. In: Günther, E./Steinke, K.-H. (Hrsg.), CSR und Controlling: Unternehmerische Verantwortung als Gestaltungsaufgabe des Controllings (S. 3-21). Berlin, Heidelberg: Springer Gabler. Gond, J. P./Grubnic, S./Herzig, C./Moon, J. (2012): Configuring management control systems: Theorizing the integration of strategy and sustainability. Management Accounting Research, 23 Jg., Nr. 3, S. 205-223. Gray, R./Javad, M./Power, D. M./Sinclair, C. D. (2001): Social and environmental disclosure and corporate characteristics: A research note and extension. Journal of Business Finance & Accounting, 28 Jg., Nr. 3‐4, S. 327-356. Ellerup Nielsen, A./Thomsen, C. (2018): Reviewing corporate social responsibility communication: A legitimacy perspective. Corporate Communications: An International Journal, 23 Jg., Nr. 4, S. 492-511. Europäische Kommission (Kommission der Europäischen Gemeinschaften) (Hrsg.) (2001): Grünbuch, Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen, Brüssel 2001, http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do ?uri=COM:2001:0366:FIN: DE:PDF, Abfrage: 20.05.2019. Habek, P./Wolniak, R. (2015): Factors influencing the development of CSR reporting practices: Experts’ versus preparers’ points of view. Engineering Economics, 26 Jg., Nr. 5, S. 560-570. Hansen, E. G./Schaltegger, S. (2016): The sustainability balanced scorecard: A systematic review of architectures. Journal of Business Ethics, 133 Jg., Nr. 2, S. 193-221. Hansen, E. G./Schaltegger, S. (2018): Sustainability balanced scorecards and their architectures: Irrelevant or misunderstood? Journal of Business Ethics, 150 Jg., Nr. 4, S. 937-952. Hsu, K. T. (2012). The advertising effects of corporate social responsibility on corporate reputation and brand equity: Evidence from the life insurance industry in Taiwan. Journal of Business Ethics, 109 Jg., Nr. 2, S. 189-201. Horváth, P. (2011): Controlling. 12. Auflage. München: Franz Vahlen. Internationaler Controller Verein e.V. (Hrsg.) (2011): Green Controlling – eine (neue) Herausforderung für den Controller? Relevanz und Herausforderungen der Integration ökologischer Aspekte in das Controlling aus Sicht der Controllingpraxis, https://www.icvcontrolling.com/fileadmin/Assets/Content/AK/Green%20Controlling/ICV11_Studienbericht_Green_Controlling_final.pdf, Abfrage: 20.06.2019. Kang, J. S./Chiang, C. F./Huangthanapan, K./Downing, S. (2015): Corporate social responsibility and sustainability balanced scorecard: The case study of family-owned hotels. International Journal of Hospitality Management, 48 Jg., S. 124-134. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (1992): The Balanced Scorecard – Measures that drive performance. Harvard Business Review, 70 Jg., Nr. 1, S. 71-79. Küpper, H.-U./Friedl, G./Hofmann, C./Hofmann, Y./Pedell, B. (2013): Controlling: Konzeption, Aufgaben, Instrumente. 6. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Lee, J. W./Kim, Y. M./Kim, Y. E. (2018): Antecedents of adopting corporate environmental responsibility and green practices. Journal of Business Ethics, 148 Jg., Nr. 2, S. 397-409. Lee, K. H. (2011). Motivations, barriers, and incentives for adopting environmental management (cost) accounting and related guidelines: A study of the republic of Korea. Corporate Social Responsibility and Environmental Management, 18 Jg., Nr. 1, S. 39-49. Liao, P. C./Xia, N. N./Wu, C. L./Zhang, X. L./Yeh, J. L. (2017): Communicating the corporate social responsibility (CSR) of international contractors: Content analysis of CSR reporting. Journal of Cleaner Production, 156 Jg., S. 327-336.

Corporate Social Responsibility-Controlling

281

Lin, H./Zeng, S./Ma, H./Zeng, R./Tam, V. W. (2017): An indicator system for evaluating megaproject social responsibility. International Journal of Project Management, 35 Jg., Nr. 7, S. 1415-1426. Loew, T./Ankele, K./Braun, S./Clausen, J. (2004): Bedeutung der internationalen CSRDiskussion für Nachhaltigkeit und die sich daraus ergebenden Anforderungen an Unternehmen mit Fokus Berichterstattung, https://www.upj.de/fileadmin/user_upload/MAINdateien/Themen/Einfuehrung/ioew_ csr_diskussion_2004.pdf, Abfrage: 20.05.2019. Lueg, R./Radlach, R. (2016): Managing sustainable development with management control systems: A literature review. European Management Journal, 34 Jg., Nr. 2, S. 158-171. Maas, K./Schaltegger, S./Crutzen, N. (2016): Integrating corporate sustainability assessment, management accounting, control, and reporting. Journal of Cleaner Production, 136 Jg., S. 237-248. Malmi, T./Brown, D. A. (2008): Management control systems as a package – Opportunities, challenges and research directions. Management Accounting Research, 19 Jg., Nr. 4, S. 287-300. Mayr, S./Ausweger, M. (2013): CSR-Strategien mittels CSR-Scorecard erfolgreich umsetzen. Controlling & Management Review, 57 Jg., Nr. 4, S. 36-44. Morsing, M./Schultz, M. (2006): Corporate social responsibility communication: Stakeholder information, response and involvement strategies. Business Ethics: A European Review, 15 Jg., Nr. 4, S. 323-338. Osburg, T. (2013): Soziale Innovationen und CSR - Chancen für Controlling. Controlling & Management Review, 57 Jg., Nr. 4, S. 18-25. Panwar, R./Paul, K./Nybakk, E./Hansen, E./Thompson, D. (2014): The legitimacy of CSR actions of publicly traded companies versus family-owned companies. Journal of Business Ethics, 125 Jg., Nr. 3, S. 481-496. Pérez, A./Bosque, I. R. del (2015): How customer support for corporate social responsibility influences the image of companies: Evidence from the banking industry. Corporate Social Responsibility and Environmental Management, 22 Jg., Nr. 3, S. 155-168. Pucheta‐Martínez, M. C./Bel‐Oms, I./Rodrigues, L. L. (2019): The engagement of auditors in the reporting of corporate social responsibility information. Corporate Social Responsibility and Environmental Management, 26 Jg., Nr. 1, S. 46-56. Rahman, S. (2011): Evaluation of definitions: Ten dimensions of corporate social responsibility. World Review of Business Research, 1. Jg., Nr. 1, S. 166-176. Rieckhof, R./Bergmann, A./Guenther, E. (2015): Interrelating material flow cost accounting with management control systems to introduce resource efficiency into strategy. Journal of Cleaner Production, 108 Jg., S. 1262-1278. Schaltegger, S. (2016): CSR, Nachhaltigkeit und Controlling – Zwischen Praxislücke und Forschungskonzepten. In: Günther, E./Steinke, K.-H. (Hrsg.), CSR und Controlling: Unternehmerische Verantwortung als Gestaltungsaufgabe des Controllings (S. 5569). Berlin, Heidelberg: Springer Gabler. Setthasakko, W. (2012): The implementation of eco-budgeting in food processors: A case of Thailand. British Food Journal, 114 Jg., Nr. 9, S. 1265-1278. Servaes, H./Tamayo, A. (2013): The impact of corporate social responsibility on firm value: The role of customer awareness. Management Science, 59 Jg., Nr. 5, S. 1045-1061. Siregar, S. V./Bachtiar, Y. (2010): Corporate social reporting: Empirical evidence from Indonesia Stock Exchange. International Journal of Islamic and Middle Eastern Finance and Management, 3 Jg., Nr. 3, S. 241-252. Smith, N. C. (2003): Corporate social responsibility: Whether or how?. California Management Review, 45 Jg., Nr. 4, S. 52-76.

282

Michael Kuttner

Venturelli, A./Caputo, F./Leopizzi, R./Mastroleo, G./Mio, C. (2017): How can CSR identity be evaluated? A pilot study using a Fuzzy Expert System. Journal of Cleaner Production, 141 Jg., S. 1000-1010. Wang, H., Tong, L., Takeuchi, R., & George, G. (2016). Corporate social responsibility: An overview and new research directions. Academy of Management Journal, 59 Jg., Nr. 2, S. 534-544. Wang, J./Wang, R./Zhu, Y./Li, J. (2018): Life cycle assessment and environmental cost accounting of coal-fired power generation in China. Energy Policy, 115 Jg., S. 374-384. Weber, J./Schäffer, U. (2016): Einführung in das Controlling. 15. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Young, S./Marais, M. (2012): A multi‐level perspective of CSR reporting: The implications of national institutions and industry risk characteristics. Corporate Governance: An International Review, 20 Jg., Nr. 5, S. 432-450. Zeibig, S. (2008): Corporate Social Responsibility (CSR) und Controlling. Controlling, 20 Jg., Nr. 1, S. 45-48.

CSR als Risikomanagement-Tool

Eva Wagner 1.

Einführung

In der Unternehmenspraxis hat Risikomanagement eine unbestritten hohe Bedeutung.1 In einer kürzlich veröffentlichten Studie, in der CFOs zu Risikomanagement befragt wurden, gaben fast 90 % der befragen Manager an, Risikomanagement zu betreiben, um damit die erwarteten Cashflows absichern zu können. Mehr als 80 % sahen in Corporate Risk Management eine Möglichkeit, unerwartete Verluste zu vermeiden, und über 70 % stimmten zu, Risikomanagement als Tool einzusetzen, um die Cashflow-Schwankungen einzudämmen.2 Auch Corporate Social Responsibility (CSR) als Risikomanagement-Instrumentarium ist in der Praxis bereits angekommen: In einer großangelegten, internationalen Befragung erklärten mehr als die Hälfte der befragten Manager, CSR zur Absicherung der Reputation des Unternehmens einzusetzen, 43 % der Befragten haben CSR bereits in ihr Risikomanagement-System integriert.3 Der folgende Beitrag setzt sich damit auseinander, ob – und wie – CSR als Risikomanagement-Tool fungieren kann und damit die erhoffte Wirkung,

1

2 3

Siehe dazu die Ergebnisse aus Befragungen des Managements bzw. von CFOs in der Studie von Bodnar et al. (1998) bzw. jene aus einer jüngeren Befragung in der Untersuchung von Servaes et al. (2009). In einem vollkommenen Kapitalmarkt ergeben sich aus Diversifikation bzw. aus Risikomanagement auf Unternehmensebene keinerlei Vorteile für die Shareholder. Die Literatur hat aufgezeigt, dass Corporate Risk Management in der Realität aufgrund von Marktunvollkommenheiten bzw. Friktionen (bspw. Financial Distress-Kosten oder Agency-Kosten, Kosten der externen Finanzierung) werterhöhend sein kann (siehe dazu bspw. Smith/Stulz (1985) und Froot et al. (1993)). Vgl. Giambona et al. (2018), S. 784 ff. Vgl. KPMG International (2018), S. 2.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_13

284

Eva Wagner

nämlich die Absicherung der Cashflows bzw. Vermeidung von unerwarteten Verlusten (und damit die Steigerung des Unternehmenswertes), erzielen kann. Der Begriff Risiko wird in der Literatur und Praxis uneinheitlich definiert bzw. verwendet. Im Rahmen dieses Beitrages wird darunter allgemein die Gefahr (bzw. die Chance) einer negativen (bzw. positiven) Abweichung von den Unternehmenszielen verstanden. Risikomanagement beschreibt die systematische, aktive, zukunfts- und zielorientierte Steuerung der Risikogesamtposition eines Unternehmens.4 In diesem Beitrag wird inhaltlich der weitverbreiteten Definition der Europäischen Kommission bezüglich Corporate Social Responsibility (CSR) (zu Deutsch: Verantwortungsvolle Unternehmensführung)5 gefolgt, die in ihrem Grünbuch CSR definiert wird als: „(…) ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren.“6 Das Gros der einschlägigen CSR-Literatur hat sich mit dem Zusammenhang von CSR und finanzieller Performance beschäftigt,7 wobei jüngere Studien aufzeigen, dass CSR den Shareholder Value erhöhen kann.8 Einige Autoren bzw. Ergebnisse von Arbeiten weisen jedoch auch darauf hin, dass CSR eine Verschwendung von Unternehmensressourcen und zum Nachteil der Aktionäre (Agency view von CSR) sein kann.9 CSR kann den Unternehmenswert nur dann beeinflussen, – also ursächlich einen Bewertungsunterschied ausmachen – wenn CSR mit den fundamentalen Bewertungsgrößen – mit den zukünftigen Cashflows und/oder mit dem Risiko (Kapitalkosten) – assoziiert ist.10 Dieser Beitrag fokussiert auf den Einfluss von CSR auf das Risiko bzw. die Kapitalkosten und gibt einen Überblick über mögliche Zusammenhänge sowie über die vorliegende empirische Evidenz.11 Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Im folgenden Kapitel 2 werden theoretische Grundlagen zu CSR und Risiko beleuchtet. Kapitel 3 geht auf die risk mitigation view und potenzielle Wirkungsmechanismen von CSR genauer ein. Kapitel 4 beleuchtet die vorliegende Evidenz. Das Schlusskapitel (Kapitel 5) fasst die Ergebnisse zusammen. 4 5

6 7 8 9

10

11

Vgl. Guserl/Pernsteiner (2015), S. 425. Verwandte Termini sind Corporate Social Performance, CSP, nachhaltiges Investment oder Nachhaltigkeit (sustainability), Corporate Citizenship (CC), Unternehmensethik oder auch die Abkürzung ESG (Environmental, Social und Governance). Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001), S. 7. Siehe dazu die Metaanalyse von Margolis et al. (2011). Vgl. Jiao (2010); Edmans (2011); Deng et al. (2013); Ferrell et al. (2016). Vgl. bspw. Friedman (1970); Jensen (2002); Hong et al. (2012); Giuli/Kostovetsky (2014) oder Masulis/Reza (2015). Vgl. zu möglichen Bewertungseffekten von CSR im Rahmen der traditionellen DiscountedCashflow-Methodik bspw. Fatemi et al. (2015), S. 185. Der Beitrag ist angelehnt an Wagner (2016), S. 128 ff.

CSR als Risikomanagement-Tool

2.

285

Theoretische Grundlagen zu CSR und Risiko

Dem in der (finanzwirtschaftlich geprägten) Literatur vorherrschenden Paradigma des Shareholder Value-Konzeptes steht das Stakeholder Value-Konzept gegenüber,12 welches wesentlich durch Freeman und sein einflussreiches Buch „Strategic Management: A Stakeholder Approach“ aus dem Jahr 1984 geprägt wurde13 und seither Eingang in den akademischen Dialog,14 und insbesondere in die Strategische Management-Literatur, gefunden hat. Freeman definiert Stakeholder als „any group or individual who can affect or are affected by the achievement of the firm’s objectives“.15 Diesem sehr allgemeinen Konzept nach sollten – vereinfacht gesagt – Manager bei ihren Entscheidungen die Interessen (aller) Anspruchsgruppen16 (gleichermaßen) berücksichtigen. Im Kern geht es – bei der in der Literatur vorherrschenden instrumentellen Stakeholder-Theorie17 – darum, dass es im Sinne einer Unternehmenswerterhöhung unzureichend ist, nur die Shareholderinteressen zu verfolgen und es einer Erweiterung des Fokus bedarf, indem vielmehr auch auf die anderen bedeutenden Stakeholder abgestellt und auf deren Bedürfnisse eingegangen wird. Im Rahmen des Stakeholder-Ansatzes können einige Argumentationslinien für eine negative Korrelation zwischen CSR und unternehmensspezifischem Risiko geführt werden. Unternehmen, die konsequente soziale sowie Umweltverantwortung tragen, sollten langfristig betrachtet weniger negative Schocks und eine geringere Volatilität der Erfolgsgrößen bzw. der Cashflows aufweisen.18 Unternehmen hingegen, die nicht verantwortungsvoll agieren, sind einem höheren Risiko aus negativen Ereignissen und damit höheren Schwankungen ausgesetzt. Durch CSR kann ein solches Risiko ex ante u. U. minimiert werden. Allgemein relevant bei dieser Diskussion sind Risiken im Zusammenhang von Rechtsstreitigkeiten (litigation risk), welche durch hohe soziale Verantwortlichkeit abgefedert bzw. verringert

12

13

14

15 16

17 18

Dies streicht Freeman explizit heraus: „(…) stakeholder theory can be used as a counterpoint to traditional shareholder-based theory.” Siehe Freeman/McVea (2001), S. 19. Die Wurzeln des Stakeholder Konzeptes reichen weiter zurück. Häufig werden dabei Berle und Means zitiert, die bereits im Jahr 1932 fordern, dass die Unternehmenspolitik sich nicht nur an den Aktionärsinteressen ausrichten sollte. Siehe Berle/Means (1932), S. 345 ff. bzw. Wentges (2002), S. 88 f. Harrison und Wicks (2013), S. 97, sprechen davon, dass die Stakeholder Theory die akademische Debatte in einer Vielzahl von Disziplinen infiltriert habe. Freeman (1984), S. 46. Nach der frühen Definition von Freeman wäre der Kreis der Anspruchsgruppen durchaus weit zu fassen – neben den Kapitalgebern, Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten – sind bspw. der Staat, Behörden, NGOs, Interessensverbände etc. als Stakeholder zu nennen. Siehe dazu Donaldson/Preston (1995) bzw. Jones (1995). Vgl. Bouslah et al. (2013), S. 1260.

286

Eva Wagner

sein könnten.19 Folglich kann ein hohes CSR-Engagement mit geringerem finanziellem Risiko einhergehen, da solche Unternehmen einer geringeren Wahrscheinlichkeit von Krisen und Rechtsstreitigkeiten ausgesetzt sind und stabilere Beziehungen zu den Stakeholdern aufweisen, wie etwa loyale Kunden und Arbeitnehmer sowie eine unterstützende Community und Kreditgeber, die auch in Krisenzeiten ihre Beziehungen aufrechterhalten.20 Diese vertrauensvollen Beziehungen können zur Reduzierung verschiedener unternehmerischer Risiken führen. Durch Vertrauen können auch asymmetrische Informationen gemildert und Agency Kosten bzw. Transaktionskosten mit den Stakeholdern gesenkt werden.21 Diskutiert wird in diesem Zusammenhang auch, dass CSR ein Signal für gute Unternehmensführung sein kann (Good Management-Theorie22). Unternehmen, die eine umfassende CSR-Strategie verfolgen und die Beziehung zu ihren wichtigen Stakeholdern pflegen, sind dieser Argumentation nach auch jene, die ein unternehmensweites Risikomanagement-System implementiert haben, was langfristig mit finanzieller Stabilität einhergehen sollte.23 Cornell und Shapiro24 analysieren den Stakeholder Ansatz in finanzwirtschaftlicher Perspektive anhand expliziter und impliziter Ansprüche der Stakeholder. Explizite Ansprüche sind schriftliche und gerichtlich durchsetzbare Verträge, wie bspw. ein Arbeits- oder Liefervertrag. Beispiele für implizite Stakeholder-Ansprüche sind etwa ein aus Kundenperspektive gutes Kundenservice nach Kauf eines Produktes oder aus Mitarbeitersicht Weiterentwicklungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz.25 Diese implicit claims werden auch an die Stakeholder verkauft und sind eine Entlohnung dafür, dass die Anspruchsgruppen sich dafür entscheiden, in das Unternehmen zu investieren.26 Dies ist im Zusammenhang mit der Unternehmens- und Stakeholderpolitik von Bedeutung: Gerade Arbeitsverträge, aber auch weitere vertragliche Beziehungen, sind unvollständig.27 Fokussiert man auf die Unvollständigkeit von 19

20 21 22 23 24 25

26

27

Siehe dazu bspw. die Ausführungen in McGuire et al. (1988), S. 868: „Lack of social responsibility may expose a firm to significant additional risk from lawsuits and fines and may limit its strategic options.” Vgl. dazu auch die Evidenz in Orlitzky/Benjamin (2001) sowie Hong/Kacperczyk (2009). Zur Diskussion bezüglich litigation risk siehe auch Bouslah et al. (2013), S. 1260. Vgl. McGuire et al. (1988), S. 855 f; Orlitzky/Benjamin (2001), S. 372 f. Vgl. Beccetti et al. (2015), S. 299; Lins et al. (2017), S. 6. Vgl. Waddock/Graves (1997), S. 307; Bouslah et al. (2013), S. 1273. Vgl. Orlitzky/Benjamin (2001), S. 372; El Ghoul et al. (2011), S. 2397; Bouslah et al. (2013), S. 1258. Vgl. Cornell/Shapiro (1987), S. 5 ff. Nach Cornell und Shapiro (1987), S. 6, ist für implizite Ansprüche kennzeichnend, dass sie nebulos, deshalb auch nicht schriftlich fixiert und rechtlich schwierig durchsetzbar sind. „One can think of these claims as a part of the compensation stakeholders receive for choosing to invest in firmspecific human and physical capital.” Siehe Cornell/Shapiro (1987), S. 7. „Almost every economist would agree that actual contracts are or appear quite incomplete.“ Siehe Tirole (1999), S. 741. Siehe ebenda für eine ausführliche Diskussion zur Theorie unvollständiger Verträge (incomplete contracting).

CSR als Risikomanagement-Tool

287

Verträgen sowie auf die impliziten Verträge28, so kann mit Zingales abgeleitet werden: „In fact, once we recognize the existence of implicit contracts, then there are other residual claimants besides equity holders who may need to be protected (the famous stakeholders, often mentioned in the public policy debate).”29 Auch Stakeholder, die unternehmensspezifische Investitionen durchführen, tragen Risiken bzw. sind opportunistischem Verhalten des Unternehmens (des Managements) (hold up) ausgesetzt.30 Eine verantwortungsvolle und vertrauensbildende, CSR-orientierte Unternehmenspolitik kann die hold up-Gefahr für die Stakeholder reduzieren und helfen, die wertsteigernden spezifischen Investitionen der Anspruchsgruppen in das Unternehmen zu erhöhen.31 CSR könnte ein Mechanismus sein, mit dem die Unsicherheit, die aus unvollständigen Verträgen resultiert, vermindert und Vertrauen mit den Stakeholdern gebildet werden kann.32 Diese Sichtweise der Stakeholder-Theorie impliziert, dass Risikomanagement die Beziehungen zu den Stakeholdern beeinflusst, die spezifischen Investitionen der Stakeholder in das Unternehmen fördert und damit den Shareholder Value erhöht.33 Unternehmen, die diese impliziten Versprechen halten wollen, werden versuchen, dies (glaubhaft) zu signalisieren um sich von Mitbewerbern positiv abheben zu können.34 Dabei nimmt die Unternehmensreputation eine zentrale Rolle ein: Die Stakeholder werden bei hoher Unternehmensreputation ihre (impliziten) Ansprüche (eher) gewahrt sehen und ex post opportunistisches Verhalten des Unternehmens als weniger wahrscheinlich einstufen. Sie werden bei hoher Reputation insgesamt eher bereit sein, unternehmensspezifische Investitionen durchzuführen, da sie davon ausgehen, dass ihre Ansprüche entsprechend berücksichtigt werden.35 Insgesamt ist das gesamte Risikoprofil und auch die Reputation eines Unternehmens bei der Bewertung der impliziten Ansprüche der Stakeholder – und damit bei der Analyse des Unternehmenswertes – relevant. Zusammenfassend postuliert der Stakeholder Value-Ansatz theoretisch einen negativen Zusammenhang zwischen Risiko und CSR, der sich insbesondere daraus ableitet, dass Unternehmen mit geringer CSR-Orientierung ein höheres Konfliktpotential mit den Stakeholdern aufweisen, bspw. in Form von Rechtsstreitigkeiten (litigation risk).36 Sehen sich Aktionäre bei Unternehmen mit ge28 29 30 31 32 33 34

35 36

Vgl. zu impliziten Verträgen auch Richter und Furubotn (2003), S. 263 ff. Zingales (2000), S. 1634 f. Vgl. Wentges (2002), S. 203. Vgl. Wentges (2000); Zingales (2000). Vgl. Chang et al. (2017), S. 3. Vgl. Barney (1991); Lim/Wang (2007) S. 643. Die Sichtweise von impliziten Ansprüchen, die CSR innewohnen, greift ausführlich auch Heal (2005) auf. Unternehmen, die nicht verantwortungsvoll agieren, externalisieren potenzielle Kosten. Vgl. Wentges (2002), S. 148 ff. Vgl. McGuire et al. (1988), S. 854 f.; Hong/Kacperczyk (2009), S. 17.

288

Eva Wagner

ringer sozialer Verantwortung mit höheren Risiken konfrontiert, werden sie c. p. höhere Renditen fordern.37 Ein hohes Stakeholder-Engagement ist ein Signal dafür, dass implizite Ansprüche gewahrt werden und bildet Vertrauen sowie langfristige Beziehungen zu den Anspruchsgruppen. Durch CSR können Risiken, die aus impliziten Stakeholder-Ansprüchen erwachsen, gemildert werden, wodurch letztlich stabilere Erträge bzw. Cashflows erzielt werden können. Insgesamt nehmen die Marktteilnehmer High-CSR-Unternehmen als weniger riskant wahr, dies führt zu geringeren erwarteten bzw. geforderten Renditen (geringeren Kapitalkosten) und somit höheren Unternehmenswerten.38 3.

Wirkungsmechanismen von CSR auf das Risiko

Im Folgenden wird auf die risk management view39 näher eingegangen und es werden verschiedene potenzielle Wirkungsmechanismen von CSR auf das Risiko näher beleuchtet, wobei auf die soziale Verantwortung, die Mitarbeiter-, Umwelt- und Kundenorientierung, die versicherungsähnliche Wirkung sowie auf den Einfluss auf das Kreditrisiko abgestellt wird. Geringe soziale Verantwortung könnte dazu führen, dass die Stakeholder Zweifel daran haben, dass das Unternehmen die impliziten Verträge – bspw. mit Mitarbeitern – als ausreichend wichtig erachtet. Anspruchsgruppen könnten versuchen, diese impliziten in explizite Ansprüche zu transformieren, was wiederum höhere Kosten verursacht.40 Eine hohe CSR-Ausrichtung kann – gerade in kontroversen Sektoren – helfen, eine soziale Geschäftslizenz (social license to operate41) zu etablieren bzw. zu erhalten und fördert die Akzeptanz von Unternehmen in der Gesellschaft.42 Eine geringe Mitarbeiterorientierung geht c. p. mit höheren Risiken aus Rechtsstreitigkeiten, Streiks sowie auch Reputationsrisiken einher. Unternehmen, die gute Arbeitsbedingungen bieten, können qualifizierte Mitarbeiter rekrutieren und langfristig ans Unternehmen binden. Durch Mitarbeiterzufriedenheit können die Produktivität gesteigert und auch die Fluktuationsrisiken minimiert werden.43 Gute 37

38

39 40 41 42 43

„(…) the increased litigation risk associated with the products of sin companies, which is further heightened by social norms, should further increase the expected returns of sin stocks. For example, tobacco companies faced substantial litigation risk until their settlement with state governments in 1997.” Siehe Hong/Kacperczyk (2009), S. 17. Vgl. El Ghoul et al. (2011), S. 2390. Für eine Diskussion zur Bewertungsrelevanz des unternehmensspezifischen Risikos in diesem Zusammenhang siehe Wagner (2016), S. 128 ff. Goss und Roberts (2011), S. 1795, sprechen in diesem Zusammenhang von der risk mitigation view. Vgl. McGuire et al. (1988), S. 854 f. Zur Sozialen Lizenz siehe bspw. Moffat/Zhang (2014). Für eine Diskussion der sozialen Lizenz in der Bergbauindustrie siehe Prno/Slocombe (2012). Vgl. Greening/Turban (2000), S. 254 ff.; Chen et al. (2016), S. 79.

CSR als Risikomanagement-Tool

289

Beziehungen zu den Mitarbeitern (hohe soziale Verantwortung) haben (hat) auch das Potenzial, das Ausfallrisiko (und damit die Fremdkapitalkosten) zu minimieren und so ökonomischen Goodwill zu erzeugen, weil bspw. in Krisenzeiten loyale Mitarbeiter eher auf Gehaltsbestandteile oder andere Vorteile – im Sinne eines Fortbestandes des Unternehmens – verzichten werden.44 Hohe CSR ist in dieser Argumentationslinie – ähnlich wie Reputation – ein Synonym für die Marktteilnehmer, Stakeholder und die Community, dass das Unternehmen c. p. geringere (zukünftige) Risiken aus dem social capital trägt und daher c. p. eine höhere bzw. stabilere Performance aufweist.45 Ähnliche Argumente können für die Umweltdimension geführt werden. Konsequentes Umweltrisikomanagement (bspw. Reduktion von Emissionen und Verschmutzungen) kann die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer Umweltkrise verringern, die allenfalls mit Kosten aus Rechtsstreitigkeiten, Strafzahlungen oder Aufräumarbeiten bis hin zu dauerhaftem Reputationsschaden verbunden sein kann und die erwarteten Cashflows negativ beeinflusst.46 Eine starke ökologische Verantwortung könnte von Investoren derart wahrgenommen werden, dass diese Unternehmen künftig vergleichsweise geringere Kosten aus Umweltregulationen und gesetzlichen Vorgaben zu tragen haben.47 CSR kann auch als Risikomanagement-Tool im Zusammenhang mit der wichtigen Stakeholder-Gruppe Kunden fungieren: Eine Grundidee ist hier, dass Corporate Goodness eine erfolgreiche Strategie ist, da dadurch warm-glow zu den Konsumenten gebracht wird,48 was zu steigenden bzw. stabileren Umsätzen führt. Konkret wird argumentiert, dass CSR als Werbe- oder Marketinginstrumentarium für Produkte und Dienstleistungen fungiert,49 wodurch die Nachfrage gesteigert werden kann und/oder die Preissensitivität der Kunden reduziert werden kann; letztlich werden dadurch auch Intangibles geschaffen.50 Brown und Dacin51 sowie Sen und Bhattacharya52 stützen die Vermutung, dass CSR die Einschätzung von Produkten durch Konsumenten positiv beeinflussen kann. CSR kann das Vertrauen der Konsumenten in die Produkte und in das Unternehmen erhöhen, was zu höherer Kaufbereitschaft und einer stabileren Kundenbasis führen kann. Eine stabile Kundenbasis kann eine Erhöhung bzw. Beschleunigung der Cashflows bewirken und 44 45 46 47 48

49 50 51 52

Vgl. dazu die Ausführungen und Nachweise in Bouslah et al. (2013), S. 1262. Vgl. Godfrey (2005), S. 777 f. Vgl. Sharfman/Fernando (2008), S. 570; Bauer/Hann (2010), S. 4; Bouslah et al. (2013), S. 1260. Vgl. Bouslah et al. (2013), S. 1262; Beccetti et al. (2015), S. 299. Die Einführung des Begriffes warm-glow wird dem Ökonomen Andreoni zugeschrieben. In seiner Arbeit, die sich u. a. mit den Motiven und Nutzen von Spendentätigkeit bzw. karitativen Zuwendungen beschäftigt, kann der Gebende aus dem altruistischen Verhalten auch einen Nutzen für sich selbst generieren (impure altruism). Vgl. Andreoni (1990), S. 464 ff. Vgl. bspw. Cheng et al. (2014), S. 3 mit weiteren Nachweisen. Vgl. Sen/Bhattacharya (2001) S. 225 f; Cheng et al. (2014), S. 3. Vgl. Brown/Dacin (1997), S. 68 ff. Vgl. Sen/Bhattacharya (2001), S. 225 ff.

290

Eva Wagner

letztlich auch mit geringeren Schwankungen der Cashflows einhergehen.53 Einiges deutet darauf hin, dass Konsumenten insbesondere sensibel auf negative CSRInformationen reagieren. Sen und Bhattacharya54 weisen auf negative Reaktionen (verminderte Kaufbereitschaft), insbesondere im Zusammenhang mit Bekanntwerden von unsozialen Verhaltensweisen (schlechte Arbeitsbedingungen), hin. Später sehen Luo und Bhattacharya55 CSR primär als Einflussfaktor auf die Kundenzufriedenheit.56 Eine verwandte Sichtweise in der Literatur stützt sich auf die Präferenz der Konsumenten für ethische Produkte und darauf, dass durch CSR spezielle Kundenschichten erschlossen werden können.57 Auch Albuquerque et al.58 konzentrieren sich in ihrer Arbeit auf den Einfluss von CSR auf das Kundenverhalten, insbesondere auf die Bereitschaft, mehr für Produkte und Dienstleistungen zu bezahlen (geringere Preissensibilität). Die Erhöhung der Kundenloyalität durch CSR mündet in einer geringeren Preiselastizität, was dem Unternehmen zur Erzielung von stabileren Cashflows und Gewinnen – auch bei Konjunkturschwankungen – verhilft. Somit kann CSR als Produktdifferenzierungsstrategie betrachtet werden. Festzuhalten ist, dass die mit den Stakeholdern Kunden in Verbindung stehende Bedeutung von CSR branchenspezifisch sehr unterschiedlich ist und gerade B2C-Unternehmen (endverbraucherorientierte Unternehmen) von CSR profitieren können.59 CSR-Aktivitäten können eine versicherungsähnliche Wirkung entfalten,60 wobei etwa über die Bildung von moralischem Kapital61 ökonomischer Wert generiert werden kann (reservoir of goodwill62), welcher im Falle von negativen Ereignissen ein Schutzschild bietet. Dabei wird davon ausgegangen, dass Stakeholder nachhaltig orientierte Unternehmen – im Falle des Eintretens negativer Ereignisse – weniger stark sanktionieren und somit die Reputation gewahrt werden kann. Unterneh53 54 55 56

57

58 59

60 61

62

Vgl. Matzler/Stahl (2000), S. 634; Bae et al. (2019), S. 136. Vgl. Sen/Bhattacharya (2001), S. 238 f. Vgl. Luo/Bhattacharya (2006), S. 1 ff; Luo/Bhattacharya (2009), S. 198 ff. Kundenzufriedenheit erhöht dabei auch das Cross-Selling-Potenzial. Für eine Auseinandersetzung zu Kundenzufriedenheit und Loyalität sowie möglichen Wirkungsweisen auf den Unternehmenserfolg siehe Matzler und Stahl (2000), S. 627 ff. Siehe dazu Sen/Bhattacharya (2001). Beccetti et al. (2015), S. 299, sprechen dabei von „vote with the wallet“. Vgl. Albuquerque et al. (2018). Vgl. dazu die Arbeiten von Servaes und Tamayo (2013) sowie Dimson et al. (2015), die Belege für die hohe Relevanz von CSR in consumer-facing-industries liefern. Vgl. dazu grundlegend Godfrey (2005), aber auch Peloza (2006). Diese Terminologie taucht in der Managementliteratur vorwiegend im Zusammenhang mit Corporate Philanthropy auf. Godfrey (2005), S. 777, definiert „moralisches Kapital“ als „(…) the outcome of the process of assessment, evaluation, and imputation by stakeholders of the firm’s CSR activities.“ Die Bedeutung von moral capital unterstreichen bspw. auch Luo und Bhattacharya (2009), S. 201, und argumentieren, dass dieses moralische Kapital für verschiedene Stakeholder-Gruppen bedeutend sei und auch deren Verhalten beeinflusse. Dies ist nach Luo und Bhattachary (2009), S. 202, das Ergebnis von moral capital.

CSR als Risikomanagement-Tool

291

mensskandale und stark unethisches Verhalten kann vom Aktienmarkt unmittelbar und mit längerfristigen negativen Auswirkungen sanktioniert werden. Hinsichtlich der Gefährdung der Kontinuität der Cashflows können Boykotte genannt werden.63 Mit zunehmender Unternehmensgröße bzw. mit zunehmendem finanziellen Erfolg steigt auch tendenziell das Reputationsrisiko. Internationale Konzerne stehen im Blickpunkt der Öffentlichkeit, der Medien und sind Zielscheibe von Aktivisten (z. B. Umweltaktivisten vs. Ölkonzerne). Glaubwürdige Corporate Social Responsibility ist dann ein Weg, das Risiko, zur Zielscheibe zu werden, zu reduzieren und fungiert als eine Art Reputationsversicherung64. Die dahingehenden Investitionen machen sich – ähnlich wie die Prämienzahlung bei einer Versicherungspolizze – im Schadensfall bezahlt und wirken wie ein Sicherheitsnetz.65 Godfrey et al.66 finden Hinweise für die versicherungsähnliche Wirkung von CSR-Aktivitäten und sehen CSR als Signal an die Investoren, dass das Unternehmen moral capital bzw. Goodwill aufgebaut hat, welches hilft, Schäden bei Eintreten von unerwarteten Ereignissen abzumildern. Ihre Hypothese, dass im Kontext negativer Ereignisse der Rückgang des Aktienkurses dann geringer ausfällt67 und CSR (immaterielles) Vermögen schützen kann, sehen sie mit ihrer Untersuchung bestätigt.68 Zusammenfassend kann CSR zur Reputationsbildung beitragen, was im Falle von Krisen gegen Kursverluste helfen bzw. diese abfedern kann. Dieses protektive Element (reputational shield) wird nicht bei allen Unternehmen (gleichermaßen) mit CSR aufgebaut werden (können) bzw. dieselbe Relevanz aufweisen, jedoch sollte es bei der Betrachtung von CSR – insbesondere bei der Analyse von Großunternehmen – als treibender Aspekt und Motivationsfaktor nicht außer Acht gelassen werden.69 Eine weitere Möglichkeit, wie CSR als Risikomanagement-Tool eingesetzt werden kann, ist der potenzielle Einfluss von CSR auf das Kreditrisiko bzw. das Credit Rating und damit auf die Fremdkapitalkosten. Die Bedeutung der Fremdkapital- bzw. Kreditfinanzierung ist für Unternehmen (gerade auch in Österreich und Deutschland) sehr hoch. Daher ist die Einschätzung von sozialer Verantwortung durch die – als besonders gut informiert geltende – Stakeholder Gläubiger bzw. Ban63

64 65 66 67 68

69

Vgl. Godfrey et al. (2009), S. 428. Für ein Beispiel hinsichtlich unethischen Verhaltens und anschließendem Boykott anhand der Firma Nestlé siehe Weber (2008), S. 255. Vgl. Margolis et al. (2007), S. 29. Vgl. Peloza (2006), S. 8 Vgl. Godfrey et al. (2009), S. 425 ff. Vgl. Godfrey et al. (2009), S. 428 f. Besonders ausgeprägt ist der Untersuchung nach der Schutzeffekt bei hohem CSR-Engagement für die sekundären Stakeholder (z. B. Aktivitäten für die community). Sie interpretieren die Ergebnisse derart, dass eine ethische Ausrichtung über moral capital auch ökonomischen Wert für die Shareholder entfaltet. Vgl. dazu die Arbeit von Schnietz und Epstein (2005). Dafür spricht auch die Untersuchung von Dimson et al. (2015), in der sich zeigt, dass ein CSR-Engagement umso wahrscheinlicher ist, je bedeutender Reputation für das Unternehmen ist.

292

Eva Wagner

ken von besonderer Bedeutung.70 Aus theoretischer Perspektive könnte CSR jedenfalls von den Fremdkapitalgebern als risikominimierendes Instrumentarium angesehen werden. Wenn durch CSR langfristige und vertrauensvolle Beziehungen zu den Stakeholdern geschaffen werden können, und – über die oben beschriebenen Kanäle – damit die Cashflows erhöht und/oder das Risiko reduziert werden kann, dann sollte auch ein Einfluss auf das Ausfallsrisiko gegeben sein. Folglich könnte CSR auch von Gläubigern und Kreditgebern berücksichtigt werden.71 Geringe soziale Verantwortung könnte von den Gläubigern mit höheren Risiken assoziiert werden, da bspw. durch Konflikte mit den Stakeholdern (etwa Streiks, Boykotte, Prozesse und Rechtsstreitigkeiten), die durch unsoziales oder umweltschädigendes Verhalten ausgelöst werden, künftige Cashflow-Reduktionen die Kreditwürdigkeit vermindern können.72 Zu geringes CSR würde in Hinkunft möglicherweise zu einem (zwangsweisen) schlagartigen Nachholen von CSR-Investitionen führen, wodurch die Kontinuität der Cashflows gefährdet wäre. In dieser Argumentationslinie folgern McGuire et al.73, dass hohes CSR auch mit Stabilität in Finanzierungsbeziehungen einhergehen sollte. Darüber hinaus könnten auch die Agency-Kosten des Fremdkapitals minimiert werden, wenn CSR vertrauensbildend ist und dadurch bspw. die Monitoring-Intensität verringert wird oder klassische Probleme der Fremdkapitalfinanzierung, wie bspw. das Asset Substitution-Problem74, reduziert werden.75 Beziehen die Gläubiger bzw. Banken soziale Verantwortung als positiven Soft Fact bzw. als Stabilitätsfaktor im Ratingprozess mit ein, so könnte CSR c. p. das Rating positiv beeinflussen bzw. den Credit Spread reduzieren. Zusammenfassend geht es bei der risk management view darum, herauszustreichen, dass mit höheren CSR-Niveaus und Adressierung der Stakeholderansprüche c. p. die Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Zahlungsströme minimiert werden kann. Die Stabilität kann dabei über soziale Verantwortlichkeit, Umwelt- und Kundenorientierung, Absicherung der Reputation und vertrauensvollen Beziehungen zu den Kapitalgebern gefördert werden. Nicht verantwortungsvoller Umgang mit den Stakeholdern bedeutet höhere zukünftige Risiken und höhere potenzielle Cashflow-Schwankungen. 70 71 72 73 74

75

Vgl. Goss/Roberts (2001), S. 1795; Menz/Nelles (2009), S. 189; Oikonomou et al. (2014), S. 51. Vgl. Goss/Roberts (2011), S. 1795; Oikonomou et al. (2014), S. 54. Vgl. Oikonomou et al. (2013), S. 54. Vgl. McGuire et al. (1988), S. 856. Das Asset Substitution-Problem beschreibt Risikoanreizprobleme in der Gläubiger-Schuldner-Beziehung. Kreditnehmer haben Anreize, nach der Kreditaufnahme besonders riskante Investitionsprojekte – zu Lasten der Gläubiger (Vermögensumverteilung) – durchzuführen. Siehe dazu grundlegend Merton (1974). Oikonomou et al. (2014), S. 54; Amiraslani et al. (2018), S. 3. Anzumerken ist, dass hier auch die konträre Argumentation, wonach CSR eine Verschwendung von Ressourcen und ein overinvestment darstellt, welches von den Gläubigern entsprechend negativ bewertet wird, eingenommen werden kann. Siehe dazu Goss/Roberts (2011), S. 1794.

CSR als Risikomanagement-Tool

4.

293

CSR als Risikomanagement-Tool – Empirische Evidenz

Eine der ersten Arbeiten ist jene von Spicer76, der die Korrelation der Umweltdimension (CEP-Umweltschutz-Index) von CSR mit marktbezogenen Risiken (Gesamtrisiko (Volatilität) sowie Beta) analysiert und erste Evidenz für einen inversen Zusammenhang von CSR mit dem Unternehmensrisiko liefert. Aupperle et al.77 zeigen eine signifikant negative Korrelation für ihr CSR-Maß und das Gesamtrisiko auf, für das systematische Risiko (Beta) ist die negative Beziehung nicht signifikant. McGuire et al.78 beziehen verschiedene Risikogrößen in die Untersuchung mit ein, wobei CSR in ihrer Arbeit mit Reputation (Rating des Fortune Magazine) gemessen wird. Die Ergebnisse weisen auf einen negativen Zusammenhang zwischen CSR und dem Risiko hin (auch bei den Schwankungsgrößen aus dem Jahresabschluss). Einen Überblick über die Forschung geben im Jahr 2001 Orlitzky und Benjamin79 mit ihrer Metaanalyse „Corporate Social Performance and Firm Risk: A Meta-Analytic Review“, welche zusammenfassende Evidenz für die USA im Zeitraum 1978 bis 1995 liefert. Die Autoren nehmen bei der Kategorisierung der Messung des Unternehmensrisikos in den Studien eine Unterscheidung zwischen Accounting Risk und Market Risk vor. Accounting Risk-Studien sind jene, die Risiko primär mittels Schwankung von operativen Ergebnisgrößen bzw. Rentabilitätskennzahlen (Volatilität (Standardabweichung) bzw. Variationskoeffizienten des ROA oder ROE) messen; die von den Autoren bezeichneten Market RiskStudien umfassen jene Arbeiten, in denen Risiko mit dem Gesamtrisiko (Volatilität) oder mit dem systematischen Risiko (Beta) approximiert wird. Die Ergebnisse der Metaanalyse weisen insgesamt auf einen negativen Zusammenhang von CSR und Risiko hin, insbesondere ist die Beziehung von CSR mit den marktbasierten Risikomaßen (vor allem mit dem Gesamtrisiko (Aktienvolatilität)) signifikant negativ ausgeprägt. Eine besonders stark negative Korrelation wird überdies für das Risiko und Reputationsmaße identifiziert. Die Autoren interpretieren ihre Ergebnisse wie folgt: „That is, being a good corporate citizen tends to reduce firm risk.“80 Wichtige jüngere Arbeiten stammen u. a. von Lee und Faff.81 Die Autoren untersuchen den CSR-Risiko-Link umfassend und im internationalen Kontext. Die Autoren argumentieren in ihrer Arbeit, dass Investoren für idiosynkratische Risiken sehr wohl Abgeltung suchen und im Zusammenhang mit CSR das titel76 77 78 79 80

81

Vgl. Spicer (1978), S. 94 ff. Vgl. Aupperle et al. (1985), S. 446 ff. Vgl. McGuire et al. (1988), S. 854 ff. Vgl. Orlitzky/Benjamin (2001), S. 369 ff. Orlitzky/Benjamin, 2001, S. 388. Die Autoren diskutieren auch die Kausalitätsfrage bzw. das Endogenitätsproblem. Siehe dazu auch Wagner (2016), S. 149. Vgl. Lee/Faff (2009), S. 213 ff.

294

Eva Wagner

spezifische Risiko relevant ist.82 Sie belegen, dass führende CSR-Unternehmen (welche im DJSI-Index gelistet sind) im Vergleich zu nicht führenden CSRUnternehmen verschiedene spezifische finanzielle Charakteristika haben und vor allem ein signifikant geringeres titelspezifisches Risiko aufweisen.83 Jo und Na84 untersuchen den Zusammenhang zwischen CSR und dem Gesamtrisiko für den amerikanischen Markt, wobei sie auf Unternehmen, die in kontroversen Industrien operieren (Alkohol-, Tabak-, Glücksspiel, Waffen-, Atom- sowie Ölindustrie), abstellen. Sie finden einen eindeutig negativen Zusammenhang zwischen CSR und Risiko, gemessen anhand des Gesamtrisikos (Volatilität). Es zeigt sich allerdings in ihrer Studie kein Zusammenhang, wenn als Risikomaß die Schwankung operativer Erfolgsgrößen (Standardabweichung des EBIT) herangezogen wird.85 Bouslah et al.86 untersuchen den Zusammenhang zwischen CSRPerformance und Risiko (Gesamtrisiko und idiosynkratisches Risiko) für ein großes Panel in den USA. Die Ergebnisse sind uneinheitlich, je nach Betrachtung der CSR-Dimension und je nach Teilsample. Für das gesamte Sample (alle untersuchten US-Unternehmen) zeigt sich, dass die Dimensionen Mitarbeiter und Menschenrechte das Unternehmensrisiko signifikant beeinflussen. Für S&P-500Unternehmen finden sie eine negative Assoziation mit dem Risiko bei den CSRDimensionen Mitarbeiter, Corporate Governance und Öffentlichkeit, wohingegen die Umweltdimension positiv mit dem Unternehmensrisiko korreliert ist. Für die Unternehmen, die nicht im S&P-500 gelistet sind, zeigt sich eine negative Beziehung mit den Dimensionen Mitarbeiter, Gesellschaft und Umwelt. Für andere Dimensionen von CSR (Diversität, Menschenrechte, Produktkategorie) gibt es in beiden Subsamples keinen Zusammenhang mit den Risikomaßen. Sie folgern, dass der Einfluss von CSR auf das Risiko nicht uniform gegeben ist, sondern sich nach Dimensionen stark unterscheidet. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass die Marktteilnehmer (Investoren und Analysten) den Einfluss von einzelnen CSR-Komponenten auf die Cashflows heterogen beurteilen und auch die Indexzugehörigkeit über Größeneffekte und Sichtbarkeit eine Rolle bei diesem Zusammenhang spielen. 82

83

84 85

86

Die Annahme der Gültigkeit vollkommener Kapitalmärkte geben sie – mit Verweis auf einschlägige Befunde in der Literatur sowie dem Vorhandensein von Informationsasymmetrien, Transaktionskosten und segmentierten Märkten – auf. Ihre Evidenz spricht sehr stark dafür, dass CSR im globalen Aktienmarkt bewertungsrelevant ist. Sie argumentieren: „(…) that financial markets do value CSP information and that current asset pricing models are not able to fully capture the influence of CSP on security valuation.“ Siehe Lee/Faff (2009), S. 225. Vgl. Jo/Na (2012), S. 441 ff. Auch für das systematische Risiko zeigt sich eine inverse Beziehung zu CSR. Für die nicht signifikante Beziehung mit operativen Risikomaßen ist ihre Erklärung gegen Ende der Arbeit hin: „Presumably, CSR plays a role to decrease firms’ total and systematic risks, but does not affect firms’ business risk, or volatility in profits”. Siehe Jo/Na (2012), S. 452. Vgl. Bouslah et al. (2013), S. 1258 ff.

CSR als Risikomanagement-Tool

295

Einige Studien stützen die Annahme, dass CSR via reduzierter Kapitalkosten den Unternehmenswert erhöht: Sharfman und Fernando87 untersuchen für USUnternehmen, inwiefern gutes Umweltmanagement mit geringerem wahrgenommenem Risiko verbunden ist. Ihre Hypothese ist, dass umweltbezogenes Risikomanagement die Kapitalkosten zu senken vermag (sowohl die Fremd- als auch die Eigenkapitalkosten88) und ein strategisches Risikomanagement-Tool darstellt. Sie finden Evidenz dafür, dass hohe Umweltverantwortung mit geringeren Eigenkapitalkosten (nicht aber Fremdkapitalkosten) verbunden ist. Eine wichtige Arbeit in diesem Kontext ist jene von El Ghoul et al.89 Die Autoren finden in ihrer großangelegten Panelstudie für die USA Evidenz dafür, dass eine hohe CSR-Orientierung mit geringeren Eigenkapitalkosten einhergeht. Die Schätzung der Eigenkapitalkosten erfolgt anhand vier verschiedener Modelle, wobei die ex ante-Schätzung der Marktrisikoprämie (implizite Kapitalkosten) anhand von Aktienkursen und Analystenschätzungen erfolgt.90 Sin-Stocks weisen in ihrer Studie c. p. höhere Eigenkapitalkosten auf. Insbesondere zeigt sich dieser Effekt der signifikant geringeren Eigenkapitalkosten für die CSR-Kategorien gute Mitarbeiterbeziehungen, Umweltpolitik und Produktstrategie. Die Autoren sehen ihre Hypothese bestätigt, nach der die Marktteilnehmer Low-CSR-Unternehmen als riskanter wahrnehmen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Hong und Kacpercyk91 in ihrer Studie zu Sündenaktien. Diese Sin-Stocks (Unternehmen der Alkohol-, Tabak- und Spielindustrie) werden von gewissen institutionellen Investoren (bspw. Pensionsfonds) gemieden, sind höheren Risiken ausgesetzt und haben konsistent höhere erwartete Renditen. Zur Beziehung von CSR und Fremdkapital liegen nur vereinzelt Untersuchungen vor. Ergebnisse aus Studien bzw. Befragungen legen nahe, dass Banken soziale und umweltbezogene Risikofaktoren für die Bonitätsanalyse grundsätzlich als wichtig erachten, jedoch (noch) kaum systematisch in den Ratingprozess bzw. die Kreditkonditionengestaltung miteinbeziehen.92 Die Ratingagenturen berücksichtigen grundsätzlich CSR-relevante Risikofaktoren in ihre Ratingeinstufungen, wobei allerdings unklar ist, welches Gewicht diese CSR-Faktoren tatsächlich erhalten.93 Menz94 untersucht den Einfluss von CSR auf die Kreditrisikoprämien anhand des europäischen Anleihenmarktes. Seine Untersuchung zeigt, dass CSRInformationen keinen Erklärungsgehalt – über Ratings hinaus – für Anleihe-Spreads haben. Als mögliche Begründung führt der Autor u. a. an, dass CSR bei der Bewer87 88 89 90 91 92 93 94

Vgl. Sharfman/Fernando (2008), S. 569 ff. Für ihre Berechnungen der einzelnen Komponenten des WACC nutzen sie Bloomberg-Schätzungen. Vgl. El Ghoul et al. (2011), S. 2388 ff. Siehe zu diesen Modellen im Detail El Ghoul et al. (2011), S. 2401 f. Vgl. Hong/Kacperczyk (2009), S. 15 ff. Vgl. Weber et al. (2010); Barthruff (2014), S. 107. Vgl. Attig et al. (2013), S. 681. Vgl. Menz (2010), S. 117 ff.

296

Eva Wagner

tung des Kreditrisikos noch weitgehend ausgeklammert wird oder aber die CSRInformationen bereits in den Ratings reflektiert sind. Goss und Roberts95 untersuchen den Zusammenhang zwischen CSR und Bankkrediten in den USA. In der Untersuchung wird CSR von Gläubigern grundsätzlich nicht honoriert und spiegelt sich nicht in verbesserten Kreditkonditionen und -bedingungen wider. Bei Kreditnehmern mit geringer Bonität allerdings zeigen die Ergebnisse, dass Banken CSRInvestments als overinvestment qualifizieren und mit einem Aufschlag auf den Kreditspread reagieren. Bei Kreditnehmern mit guter Bonität hingegen bewerten Banken CSR als (moderat) positiven Faktor und gewähren diesen High-CSRUnternehmen günstigere Konditionen. Oikonomou et al.96 analysieren den Zusammenhang von CSR und Kreditrisiko im US-Anleihenmarkt und zeigen auf, dass hohe unternehmerische Verantwortung kreditrisikorelevant ist und mit geringeren Bond Spreads bzw. besseren Krediteinschätzungen durch die Ratingagenturen einhergeht. Die Autoren finden auch Hinweise dafür, dass CSR bei der Kreditrisikobewertung in langfristiger Perspektive eine wichtige Rolle spielt, da der Einfluss auf die Anleihe Spreads für Bonds mit langen Laufzeiten am größten ist. Die Autoren resümieren, dass ein hohes CSR-Engagement die Kreditwürdigkeit verbessert und die Finanzierungskosten senkt. Amiraslani et al.97 untersuchen CSR in Anleihemärkten in den USA. Ihre Ergebnisse implizieren eine schwach negative Beziehung zwischen CSR und Credit Spreads. Im Folgenden wird noch auf Ergebnisse eingegangen, die CSR speziell in der Finanzkrise untersuchen. Wie bereits weiter oben ausgeführt, könnte CSR insbesondere in Krisenzeiten als Risikomanagement-Tool fungieren. In der Finanzkrise spielt Vertrauen eine besonders wichtige Rolle.98 Wenn CSR geeignet ist, Vertrauen mit den Stakeholdern aufzubauen und social capital zu generieren, könnte CSR seine risikoreduzierende Wirkung insbesondere in Krisenzeiten entfalten. CSR, insofern es für Vertrauen zu bzw. von den Stakeholdern steht, könnte bedeuten, dass die Anspruchsgruppen das Unternehmen in der Krise unterstützen.99 Für die Aktienmärkte liegt Evidenz vor, dass CSR in der Krise als protektives Element wirkt: Lins et al.100 zeigen, dass Unternehmen mit hohem social capital (hohem CSR-Engagement) während der Finanzkrise signifikant höhere Aktienrenditen erzielten, als jene mit geringem Sozialkapital. Nofsinger und Varma101 untersuchen CSR in Krisenzeiten auf Portfolioebene und zeigen ähnliche Ergebnisse auf: Ethische Fonds bzw. Nachhaltigkeitsfonds (SRI-Fonds) erzielen im Vergleich zu konventionell gemanagten 95 96 97 98 99 100 101

Vgl. Goss/Roberts (2011), S. 1794 ff. Vgl. Oikonomou et al. (2014), S. 49 ff. Vgl. Amiraslani et al. (2018), S. 1 ff. Vgl. Lins et al. (2017), S. 1785 ff. Vgl. Lins et al. (2017), S. 1787; Amiraslani et al. (2018), S. 3 f. Vgl. Lins et al. (2017), S. 1785 ff. Vgl. Nofsinger/Varma (2014), S. 180 ff.

CSR als Risikomanagement-Tool

297

Fonds in Krisenzeiten eine risikoadjustierte Überperformance. Eine detaillierte Analyse dokumentiert, dass die SRI-Aktien eine geringere Volatilität aufweisen. Für Anleihemärkte liefern Amiraslani et al.102 Befunde über CSR in der Finanzkrise. In ihrer Studie zeigt sich, dass die Credit Spreads von High-CSR-Unternehmen in der Krise weniger stark anstiegen, als jene von Low-CSR-Unternehmen. Verantwortungsvolle Unternehmen profitierten auch von weiteren besseren Kreditkonditionen, wie bspw. der Gewährung von längeren Laufzeiten. Zusammenfassend betrachtet spricht die vorliegende Empirie dafür, dass CSR mit dem unternehmerischen Risiko (gemessen insbesondere anhand marktbasierter Risikomaße) negativ korreliert ist. Dies gilt nicht für alle CSR-Aspekte und Risikomaße gleichermaßen. Als eindeutig zeigt sich, dass Unternehmen, die wenig CSR-Commitment zeigen oder Sin-Stocks sind, als riskanter wahrgenommen werden, entsprechend höhere Eigenkapitalkosten bzw. höhere erwartete Renditen haben. Zum Zusammenhang zwischen CSR und Kreditrisiko kann basierend auf den (wenigen) vorliegenden Studien kein (systematischer) signifikanter Zusammenhang von CSR und Kreditrisiko aufgezeigt werden. Die Ergebnisse implizieren allerdings, dass CSR grundsätzlich von den Fremdkapitalmärkten nicht als overinvestment bzw. negativ eingeschätzt wird. Die vorliegende Empirie lässt den Schluss zu, dass CSR insbesondere in Krisenzeiten vertrauensbildend wirkt und dann seine protektive Wirkung entfaltet. Dies kann als Evidenz für die versicherungsähnliche Wirkung von CSR gesehen werden. 5.

Zusammenfassung

Der risk management view nach setzen Unternehmen CSR als risikoreduzierenden Mechanismus bzw. als Risikomanagement-Tool ein, bspw. um die CashflowVolatilität und die Kosten von Financial Distress zu minimieren103 oder die Reputation abzusichern. CSR als Corporate Risk Management-Tool kann die Beziehungen zu den Stakeholdern beeinflussen, die unternehmensspezifischen Investitionen der Stakeholder in das Unternehmen fördern bzw. absichern und damit den Shareholder Value erhöhen. CSR kann insbesondere vertrauensvolle und langfristige Beziehungen zu den Stakeholdern fördern und widerspiegeln, dass ihre expliziten und impliziten Ansprüche gewahrt sind bzw. bleiben.104 Vertrauensvolle Beziehungen zu den Anspruchsgruppen können zur Reduzierung verschiedener unternehmerischer Risiken führen. Durch Vertrauen können auch asymmetrische Informationen gemildert und Agency Kosten bzw. Transaktionskosten gesenkt werden. 102 103 104

Vgl. Amiraslani et al. (2018), S. 1 ff. Vgl. Bouslah et al. (2013), S. 1259. Vgl. Wentges (2002), S. 156 ff.

298

Eva Wagner

Aggregiert betrachtet lassen die Ergebnisse der Forschung den Schluss zu, dass eine negative Korrelation zwischen dem Gesamtrisiko bzw. dem titelspezifischem (idiosynkratischem) Risiko und CSR besteht. Dabei sind die Ergebnisse als robuster und stärker ausgeprägt zu bezeichnen, als jene für CSR und die finanzielle Performance.105 Es ist darauf hinzuweisen, dass CSR seine Wirkungsmechanismen in der Praxis in unterschiedlicher Intensität ausüben wird, bspw. je nach Branche, Konsumentenorientierung und Wettbewerbsintensität, Unternehmensgröße, Bonität, finanzieller Flexibilität und Lebenszyklus des Unternehmens. Die Evidenz spricht insgesamt dafür, dass CSR als RisikomanagementTool eingesetzt werden kann und die (Eigen-)Kapitalkosten verringern kann. Darüber hinaus hat CSR ein protektives Element und bietet gerade in Krisenzeiten Schutz sowie allgemein eine Absicherung der Reputation.

105

Vgl. dazu die Ergebnisse der Metaanalyse von Margolis et al. (2011) für die CSR-Performance-Beziehung versus die Ergebnisse der Metaanalyse von Orlitzky und Benjamin (2001) für den CSR-Risiko-Link.

CSR als Risikomanagement-Tool

299

Literatur Albuquerque, R./Koskinen, Y./Zhang, C. (2018): Corporate social responsibility and firm risk: Theory and empirical evidence. Management Science, Articles in Advance, S. 1-19. Amiraslani, H./Lins, K. V./Servaes, H./Tamayo, A. M. (2018): The bond market benefits of corporate social capital. European Corporate Governance Institute (ECGI) – Finance Working Paper No. 535/2017, https://ssrn.com/abstract=2978794, Abfrage: 24.05.2019. Andreoni, J. (1990): Impure altruism and donations to public goods: A theory of warmglow giving. The Economic Journal, 100 Jg., Nr. 401, S. 464-477. Attig, N./El Ghoul, S./Guedhami, O./Suh, J. (2013): Corporate social responsibility and credit ratings. Journal of Business Ethics, 117 Jg., Nr. 4, S. 679-694. Aupperle, K. E./Carroll, A. B. D./Hatfield, J. D. (1985): An empirical examination of the relationship between corporate social responsibility and profitability. The Academy of Management Journal, 28 Jg., Nr. 2, S. 446-463. Bae, K. H./El Ghoul, S./Guedhami, O./Kwok, C. C./Zheng, Y. (2019): Does corporate social responsibility reduce the costs of high leverage? Evidence from capital structure and product market interactions. Journal of Banking & Finance, 100 Jg., S. 135-150. Barney, J. B. (1991): Firm resources and sustained competitive advantage. Journal of Management, 17 Jg., Nr. 1, S. 99-120. Barthruff, C. (2014): Nachhaltigkeitsinduzierte Kreditrisiken: Empirische Untersuchung der Wirkungszusammenhänge zwischen Nachhaltigkeits- und Kreditrisiken unter besonderer Berücksichtigung des Klimawandels. Wiesbaden: Springer. Bauer, R./Hann, D. (2010): Corporate environmental management and credit risk, https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1660470, Abfrage: 24.05.2019. Becchetti, L./Ciciretti, R./Hasan, I. (2015): Corporate social responsibility, stakeholder risk, and idiosyncratic volatility. Journal of Corporate Finance, 35 Jg., S. 297-309. Berle, A./Means, G. (1932): The modern corporation and private property. New York: Harcourt. Bodnar, G. M./Hayt, G. S./Marston, R. C. (1998): Wharton survey of financial risk management by US non-financial firms. Financial Management, S. 70-91. Bouslah, K./Kryzanowski, L./M’Zali, B. (2013): The impact of the dimensions of social performance on firm risk. Journal of Banking & Finance, 37 Jg., S. 1258-1273. Brown, T. J./Dacin, P. A. (1997): The company and the product: Corporate associations and consumer product responses. Journal of Marketing, 61 Jg., S. 68-84. Chang, K./Li, Y./Shim, H. (2017): Does trustworthiness influence creditworthiness? – a global study of corporate social responsibility effect on credit rating. FMA Annual Meeting, Boston, MA, USA, S. 11-14. Chen, C./Chen, Y./Hsu, P. H./Podolski, E. J. (2016): Be nice to your innovators: Employee treatment and corporate innovation performance. Journal of Corporate Finance, 39 Jg., S. 78-98. Cheng, B./Ioannou, I./Serafeim, G. (2014): Corporate social responsibility and access to finance. Strategic Management Journal, 35 Jg., Nr. 1, S. 1-23. Cornell, B./Shapiro, A. C. (1987): Corporate stakeholders and corporate finance. Financial Management, S. 5-14. Deng, X./Kang, J./Low, B. S. (2013): Corporate social responsibility and stakeholder value maximization: Evidence from mergers. Journal of Financial Economics, 110 Jg., Nr. 1, S. 87-109. Giuli, A. di/Kostovetsky, L. (2013): Are red or blue companies more likely to go green? Politics and corporate social responsibility. Journal of Financial Economics, 11 Jg., S. 158-180. Dimson, E./Karakaş, O./Li, X. (2015): Active ownership. The Review of Financial Studies, 28 Jg., Nr. 12, S. 3225-3268.

300

Eva Wagner

Donaldson, T./Preston, L. E. (1995): The stakeholder theory of the corporation: Concepts, evidence, and implications. The Academy of Management Review, 20 Jg., S. 65-91. Edmans, A. (2011): Does the stock market fully value intangibles? Employee satisfaction and equity prices. Journal of Financial Economics, 101 Jg., S. 621-640. El Ghoul, S./Guedhami, O./Kwok, C. C./Mishra, D. R. (2011): Does corporate social responsibility affect the cost of capital? Journal of Banking & Finance, 35 Jg., Nr. 9, S. 2388-2406. Fatemi, A./Fooladi, I./Tehranian, H. (2015): Valuation effects of corporate social responsibility. Journal of Banking & Finance, 59 Jg., S. 182-192. Ferrell, A./Liang, H./Renneboog, L. (2016): Socially responsible firms. Journal of Financial Economics, 122 Jg., Nr. 3, S. 585-606. Freeman, R. E. (1984): Strategic management: A stakeholder approach. Boston: Pitman. Freeman, R. E./McVea, J. (2001): A stakeholder approach to strategic management, Darden. Business School Working Paper No. 01-02, http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.263511, Abfrage: 24.05.2019. Friedman, M. (1970): The social responsibility of business is to increase its profits, http://umich.edu/~thecore/doc/Friedman.pdf, Abfrage: 24.05.2019. Froot, K. A./Scharfstein, D. S./Stein, J. C. (1993): Risk management: Coordinating corporate investment and financing policies. The Journal of Finance, 48 Jg., Nr. 5, S. 1629-1658. Giambona, E./Graham, J. R./Harvey, C. R./Bodnar, G. M. (2018): The theory and practice of corporate risk management: Evidence from the field. Financial Management, 47 Jg., Nr. 4, S. 783-832. Godfrey, P. C. (2005): The relationship between corporate philanthropy and shareholder wealth: A risk management perspective. Academy of Management Review, 30 Jg., Nr. 4, S. 777-798. Godfrey, P. C./Merrill, C. B./Hansen, J. M. (2009): The relationship between corporate social responsibility and shareholder value: An empirical test of the risk management hypothesis. Strategic Management Journal, 30 Jg., S. 425-445. Goss, A./Roberts, G. S. (2011): The impact of corporate social responsibility on the cost of bank loans. Journal of Banking & Finance, S. 1794-1810. Greening, D. W./Turban, D. B. (2000): Corporate social performance as a competitive advantage in attracting a quality workforce. Business & Society, 39 Jg., Nr. 3, S. 254-280. Guserl, R./Pernsteiner, H. (2015): Finanzmanagement: Grundlagen – Konzepte – Umsetzung. 2. Auflage. Wiesbaden: Gabler. Harrison, J. S./Wicks, A. C. (2013): Stakeholder theory, value, and firm performance. Business Ethics Quarterly, 23 Jg., Nr. 1, S. 97-124. Heal, G. (2005): Corporate social responsibility: An economic and financial framework. The Geneva papers on risk and insurance – Issues and practice, 30 Jg., Nr. 3, S. 387-409. Hong, H./Kacperczyk, M. (2009): The price of sin: The effects of social norms on markets. Journal of Financial Economics, S. 15-36. Hong, H./Kubik, J. D./Scheinkman, J. A. (2012): Financial constraints on corporate goodness, http://ssrn.com/abstract=1734164, Abfrage: 24.05.2019. Jensen, M. C. (2002): Value maximization, stakeholder theory, and the corporate objective function. Business Ethics Quarterly, 12 Jg., Nr. 2, S. 235-256. Jiao, Y. (2010): Stakeholder welfare and firm value. Journal of Banking & Finance, 34 Jg., S. 2549-2561. Jo, H./Na, H. (2012): Does CSR reduce firm risk? Evidence from controversial industry sectors. Journal of Business Ethics, 110 Jg., Nr. 4, S. 441-456. Jones, T. M. (1995): Instrumental stakeholder theory: A synthesis of ethics and economics. Academy of Management Review, 20 Jg., Nr. 2, S. 404-437.

CSR als Risikomanagement-Tool

301

Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.) (2001): Grünbuch: Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen, http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2001:0366:FIN:DE:PDF, Abfrage: 24.05.2019 KPMG International (Hrsg.) (2018): ESG, risk, and return. A board’s-eye view. Lee, D. D./Faff, R.W. (2009): Corporate sustainability performance and idiosyncratic risk: A global perspective. The Financial Review, 44 Jg., S. 213-237. Lim, S. S./Wang, H. (2007): The effect of financial hedging on the incentives for corporate diversification: The role of stakeholder firm-specific investments. Journal of Economic Behavior & Organization, 62 Jg., Nr. 4, S. 640-656. Lins, K. V./Servaes, H./Tamayo, A. (2017): Social capital, trust, and firm performance: The value of corporate social responsibility during the financial crisis. The Journal of Finance, 72 Jg., Nr. 4, S. 1785-1824. Luo, X./Bhattacharya, C. B. (2006): Corporate social responsibility, customer satisfaction, and market value. Journal of Marketing, 70 Jg., S. 1-18. Luo, X./Bhattacharya, C. B. (2009): The debate over doing good: Corporate social performance, strategic marketing levers, and firm-idiosyncratic risk. Journal of Marketing, 73 Jg., S. 198-213. Margolis, J. D./Elfenbein, H. A./Walsh, J. P. (2007): Does it pay to be good? A metaanalysis and redirection of research on the relationship between corporate social and financial performance. Ann Arbor 1001, 48109-1234. Margolis, J. D./Elfenbein, H. A./Walsh, J. P. (2011): Does it pay to be good…and does it matter? A Meta-Analysis of the relationship between corporate social and financial performance, http://ssrn.com/abstract=1866371, Abfrage: 24.05.2019. Masulis, R. W./Reza, S. W. (2014): Agency problems of corporate philanthropy. The Review of Financial Studies, 28 Jg., Nr. 2, S. 592-636. Matzler, K./Stahl, H. K. (2000): Kundenzufriedenheit und Unternehmenswertsteigerung. DBW, 60 Jg., Nr. 5, S. 626-641. McGuire J. B./Sundgren A./Schneeweis T. (1988): Corporate social responsibility and firm financial performance. Academy of Management Journal, 31 Jg., Nr. 4, S. 854-872. Menz, K.-M. (2010): Corporate social responsibility: Is it rewarded by the corporate bond market? A critical note. Journal of Business Ethics, 96 Jg., S. 117-134. Menz, K.-M./Nelles, M. (2009): Corporate Social Responsibility: Wird nachhaltigverantwortungsvolle Unternehmensführung am Fremdkapitalmarkt honoriert? – eine kritische Note. Finanz Betrieb, 4 Jg., S. 189-199. Merton, R. C. (1974): On the pricing of corporate debt: The risk structure of interest rates. The Journal of Finance, 29 Jg., Nr. 2, S. 449-470. Moffat, K./Zhang, A. (2014): The paths to social licence to operate: An integrative model explaining community acceptance of mining. Resources Policy, 39 Jg., S. 61-70. Nofsinger, J./Varma, A. (2014): Socially responsible funds and market crises. Journal of Banking & Finance, 48 Jg., S. 180-193. Oikonomou, I./Brooks, C./Pavelin, S. (2014): The effects of corporate social performance on the cost of corporate debt and credit ratings. Financial Review, 49 Jg., Nr. 1, S. 49-75. Orlitzky, M./Benjamin, J. D. (2001): Corporate social responsibility and firm risk: A meta-analytic review. Business and Society, 40 Jg., Nr. 4, S. 369-396. Peloza, J. (2006): Corporate social responsibility as reputation insurance, Working Paper, University of Calgary, Haskayne School of Business, Alberta, Canada. Prno, J./Slocombe, D. S. (2012): Exploring the origins of ‘social license to operate’ in the mining sector: Perspectives from governance and sustainability theories. Resources policy, 37 Jg., Nr. 3, S. 346-357.

302

Eva Wagner

Richter, R./Furubotn, E. G. (2003): Neue Institutionenökonomik. 3. Auflage. Tübingen: Mohr Siebeck. Schnietz, K. E./Epstein, M. J. (2005): Exploring the financial value of a reputation for corporate social responsibility during a crisis. Corporate Reputation Review, 7 Jg., Nr. 4, S. 327-345. Sen, S./Bhattacharya C. B. (2001): Does doing good always lead to being better? Consumer reactions to corporate social responsibility. Journal of Marketing Research, 38 Jg., Nr. 2, S. 225-243. Servaes, H./Tamayo, A. (2013): The impact of corporate social responsibility on firm value: The role of customer awareness. Management Science, 59 Jg., Nr. 5, S. 1045-1061. Servaes, H./Tamayo, A./Tufano, P. (2009): The theory and practice of corporate risk management. Journal of Applied Corporate Finance, 21 Jg., Nr. 4, S. 60-78. Sharfman, M. P./Fernando, C. S. (2008): Environmental risk management and the cost of capital. Strategic Management Journal, 29 Jg., S. 569-592. Smith, C. W./Stulz, R. M. (1985): The determinants of firms´ hedging policies. Journal of Financial and Quantitative Analysis, 20 Jg., Nr. 4, S. 391-405. Spicer, B. H. (1978): Investors, corporate social performance, and information disclosure: An empirical study. Accounting Review, 53 Jg., S. 94-111. Tirole, J. (1999): Incomplete contracts: Where do we stand? Econometrica, 67 Jg., Nr. 4, S. 741-781. Waddock, S. A./Graves, S. B. (1997): The corporate social performance – Financial performance link. Strategic Management Journal, 18 Jg., Nr. 4, S. 303-319. Wagner, E. (2016): Corporate Social Responsibility und finanzielle Performance. Linz: Trauner. Weber, M. (2008): The business case for corporate social responsibility: A company-level measurement approach for CSR. European Management Journal, 26 Jg., S. 247-261. Weber, O./Fenchel, M./Scholz, R. W. (2008): Empirical analysis of the integration of environmental risks into the credit risk management process of European banks. Business Strategy and the Environment, 17 Jg., Nr. 3, S. 149-159. Wentges, P. (2002): Corporate Governance und Stakeholder-Ansatz. Wiesbaden: Gabler. Zingales, L. (2000): In search of new foundations. The Journal of Finance, 55 Jg., S. 1623-1653.

Strategisches CSR-Controlling in Familienunternehmen

Reinhard Altenburger 1.

Familienunternehmen und globale Herausforderungen

Familienunternehmen sind für die deutsche und österreichische Wirtschaft von großer Bedeutung. Unternehmen, die sich mehrheitlich im Eigentum von einer überschaubaren Anzahl von natürlichen Personen befinden, also familienkontrolliert sind, haben einen Anteil von 91 % an allen privatwirtschaftlichen Unternehmen in Deutschland. Der Anteil von familienkontrollierten Unternehmen, die von einem der Eigentümer geführt werden, beträgt 87 %. In familienkontrollierten Unternehmen arbeiten 57 % der Beschäftigten der Privatwirtschaft, in eigentümergeführten Familienunternehmen sind es 50 %. Familienkontrollierte Unternehmen erwirtschaften rund 55 % des Umsatzes der Privatunternehmen. 1 In Österreich handelt es sich lt. EU-Definition (=„Familienunternehmen im weiteren Sinn“) bei 90 % aller Unternehmen um Familienunternehmen. Diese beschäftigen 71 % aller Erwerbstätigen und sind für 61 % der Umsätze der heimischen Wirtschaft verantwortlich.2 Die Besonderheiten von Familienunternehmen aufgrund der Eigentumsstruktur, dem Management, die verfolgten Strategien, der Governance und auch der Nachfolgethematik sind wesentliche Gründe für die intensive Auseinandersetzung mit dieser Unternehmensform in den letzten Jahren, welche auch für das Controlling eine Herausforderung dargestellt. Familienunternehmen unterscheiden sich von anderen Unternehmen in ihren Zielen, Strukturen und in ihren Ressourcen3 und können auf spezifische Eigenschaften und Ressourcen zurückgreifen – beispielsweise auf die rasche 1 2 3

Vgl. Stiftung Familienunternehmen (2017). Vgl. KMU Forschung Austria (2013). Vgl. Kammerlander et al. (2015).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_14

304

Reinhard Altenburger

Entscheid- und Handlungsfähigkeit, die finanzielle Unabhängigkeit, die Reputation, das fundierte Marktwissen sowie einen langfristigen Zeithorizont.4 Dazu kommt, dass soziales Engagement häufig dazu dient, die Reputation von Familie und Unternehmen zu schützen. Die regionale Verankerung vieler Familienunternehmen stiftet langfristige Identität und schafft Kontinuität. Unterschiede von Familienunternehmen und Nichtfamilienunternehmen resultieren zumeist aus dem Einfluss der Unternehmerfamilie auf die Vision und Ziele des Unternehmens und auch in der Festlegung, in welchem Umfang und welche Schwerpunkte gesellschaftlicher Verantwortung wahrgenommen wird.5 Familie und Unternehmen beeinflussen sich dabei gegenseitig in ihrer Entwicklung.6 Ein wesentliches Merkmal von Familienunternehmen ist ihre meist langfristige Orientierung mit dem Ziel der Übergabe an die nächste Generation. Dies macht diesen Unternehmenstypus oftmals zu einem Pionier und Vorbild der Nachhaltigkeit.7 Die Schwerpunkte gesellschaftlicher Verantwortung wie beispielsweise Verantwortung für die Region, Fairness, Achtung und Wertschätzung von Umwelt und Menschen werden häufig seit der Gründergeneration gelebt und sind wesentlich für das Selbstverständnis dieser Unternehmen. Der Reputation von Familienunternehmen kommt zumeist ein hoher Stellenwert zu. Eine Untersuchung österreichischer Familienunternehmen ergab, dass 97 % annehmen, dass klare Unternehmenswerte Mitarbeiter an das Unternehmen binden und 71 % vermuten, dass klare Unternehmenswerte auch Wettbewerbsvorteile schaffen. Die Fähigkeit, zukünftig die besten Talente anzuziehen und halten zu können, ist für 77 % der befragten österreichischen Familienunternehmen entscheidend, wobei als wichtiger Faktor die Reputation und Innovationskraft dieses Unternehmenstypus gesehen werden. 8 Eine besondere Ressource von Familienunternehmen stellen die langjährigen Beziehungen zu einem umfassenden Stakeholder-Netzwerk wie Kunden, Lieferanten oder regionalen Partnern dar. Dadurch kommen oft Impulse für die Weiterentwicklung aus der Interaktion mit den Stakeholdern des Unternehmens. Familienunternehmen müssen zunehmend damit rechnen, dass durch ihre Stakeholder unternehmerische Entscheidungen und Aktivitäten zunehmend kritisch hinterfragt werden. Herausforderungen wie die Nutzung von künstlicher Intelligenz, Cyberscecurity, 5G, die Schaffung oder der Wegfall von Arbeitsplätzen durch Digitalisierung, der Einsatz von Gentechnik oder Fragen der Biodiversität, die in ihrer Komplexität sehr anspruchsvoll sind und Lösungsansätze häufig ein 4 5 6 7 8

Vgl. Miller et al. (2016). Vgl. Chrisman et al. (2005). Vgl. Simon (2012). Vgl. Schäffer (2011). Vgl. PWC (2018).

Strategisches CSR-Controlling in Familienunternehmen

305

hohes Maß an Unsicherheit mit sich bringen, stellen neue Herausforderungen dar. Zunehmend sind Unternehmen mit nichtlinearen Entwicklungen, Diskontinuitäten oder Brüchen in der Entwicklung konfrontiert. Entwicklungen in Bereichen wie Bio- oder Gesundheitstechnologien führen aktuell zur Disruption vieler Branchen und erfordern oft radikal neue Ansätze. Von Familienunternehmen werden daher nicht nur technologische Lösungen erwartet, sondern auch die Berücksichtigung ihrer gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen. Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung werden einen zunehmenden Stellenwert in der Veränderung bzw. Neugestaltung der Geschäftsmodelle auch von Familienunternehmen erhalten. Auch das Umwelt- und soziale Bewusstsein der Konsumenten ist im Wandel, nachhaltige Lebensstile (LOHAS) werden zunehmend gelebt, womit auch ein kritischerer Zugang zu Unternehmen und ihren Produkten und Dienstleistungen verbunden sein kann. Diese umfassenden Herausforderungen erfordern eine zunehmende Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Aspekten in der Unternehmenssteuerung. Auch von Seiten des Kapitalmarktes wird verstärkt auf die gesellschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit von Unternehmen geachtet, wie das Volumen des nachhaltigen Anlagemarktes in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum 31. Dezember 2017 von 280,6 Mrd. Euro9 zeigt. Nachhaltigkeitsratingagenturen wie oekom research AG, Sustainalytics, Inrate oder imug Investment Research, welche Unternehmen nach sozialen und ökologischen Kriterien bewerten, bieten fundierte Analysen, welche von Stakeholdern wie Investoren, Kunden, Lieferanten oder NGOs zunehmend in ihre Entscheidungsfindung einbezogen werden. 2.

Gesellschaftliche Verantwortung und CSR-Controlling

Gesellschaftliche Verantwortung (CSR) bedeutet nach der EU-Strategie (201114) „(…) die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft“10. Konkret angesprochene Handlungsfelder sind dabei: Menschenrechte, Arbeits- und Beschäftigungspraktiken, Ökologie (z. B. Artenvielfalt, Klimawandel, Ressourceneffizienz, Lebenszyklusanalyse und Prävention von Umweltverschmutzung) sowie Bekämpfung von Bestechung und Korruption. Für die Einbindung und Weiterentwicklung der Gemeinschaft, die Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen sowie die Vertretung der Verbraucherinteressen, einschließlich des Schutzes der Privatsphäre, spielt CSR ebenfalls eine wichtige Rolle. 9 10

Vgl. Forum Nachhaltige Geldanlagen e.V. (2018). Europäische Kommission (2011), S. 7.

306

Reinhard Altenburger

Für die Unternehmenspraxis bietet die ISO 26000 als umfassendes Rahmenwerk eine ganzheitliche Orientierung mit konkreten Maßnahmen zur Umsetzung. Gemäß ISO 26000 wird Corporate Responsibility als „Verantwortung einer Organisation für die Auswirkungen ihrer Entscheidungen und Aktivitäten auf die Gesellschaft und Umwelt durch transparentes und ethisches Verhalten (…)“11 betrachtet. Die wesentlichen Prinzipien dieser Leitfadennorm sind: Rechenschaftspflicht, Transparenz, ethisches Verhalten, Achtung der Interessen der Stakeholder, Achtung der Rechtsstaatlichkeit, Achtung internationaler Verhaltensstandards sowie Achtung der Menschenrechte. Viele dieser Prinzipien sind auch leitende Werte von Familienunternehmen. Ein verstärktes Bewusstsein in der Bevölkerung und den Unternehmen für gesellschaftliche und ökologische Herausforderungen führt dazu, dass die reine Fokussierung auf Finanzziele nicht mehr sachgerecht ist und eine mehrzielorientierte Ausrichtung unter Integration von Nachhaltigkeitsschwerpunkten verfolgt wird.12 In einem modernen Controlling-Verständnis kommt dem Controlling die Funktion der Rationalitätssicherung des Managements und die Koordinationsfunktion im Unternehmen zu.13 Darüber hinaus liegt der Schwerpunkt der Controlling-Aufgaben in der Entscheidungsunterstützung und Verhaltenssteuerung. 14 Auch das Bild des Controllers hat sich in den letzten Jahren erheblich gewandelt und Controller werden zunehmend als Business Partner gesehen.15 Das Controllerleitbild der International Group of Controlling formuliert die umfassenden Aufgaben und Verantwortungsbereiche der Controller: „Controller leisten als Partner des Managements einen wesentlichen Beitrag zum nachhaltigen Erfolg der Organisation. Controller …  gestalten und begleiten den Management-Prozess der Zielfindung, Planung und Steuerung, sodass jeder Entscheidungsträger zielorientiert handelt.  sorgen für die bewusste Beschäftigung mit der Zukunft und ermöglichen dadurch, Chancen wahrzunehmen und mit Risiken umzugehen.  integrieren die Ziele und Pläne aller Beteiligten zu einem abgestimmten Ganzen.  entwickeln und pflegen die Controlling-Systeme. Sie sichern die Datenqualität und sorgen für entscheidungsrelevante Informationen.  sind als betriebswirtschaftliches Gewissen dem Wohl der Organisation als Ganzes verpflichtet.“16

11 12 13 14 15 16

ISO (2010), S. 7. Vgl. Fischer et al. (2015). Vgl. Weber/Schäffer (2016). Vgl. Ewert/Wagenhofer (2014). Vgl. Weber (2008). ICV (o. D.), Internet.

Strategisches CSR-Controlling in Familienunternehmen

307

Die Anforderungen des Controller-Leitbildes wie Zukunftsorientierung, Wahrnehmung von Chancen und Risiken implizieren bereits, dass die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Herausforderungen und Nachhaltigkeit wesentlich für die zukünftige Controllerarbeit werden. Controllern sollte aufgrund ihrer umfassenden Kenntnisse der Zusammenhänge im Unternehmen und der „Objektivität“ eine Moderatorenrolle beim Ausgleich zwischen ökonomischen, sozialen und ökologischen Zielen und der damit möglicherweise verbundenen Spannungsfelder zukommen. Forschungsergebnisse zu CSR-Controlling sind noch in geringem Umfang vorhanden.17 Ebenso ist ein CSR-Controlling noch in den meisten Unternehmen nicht oder nur in geringem Umfang existent. Eine Untersuchung von 450 großen deutschen Unternehmen ergab, dass die Integration von Unternehmenssteuerung und Umweltmanagement noch rudimentär ist und Umweltthemen ein geringer Stellenwert bei der Steuerung des Mitarbeiterverhaltens zukommt. 18 Als wesentliche Entwicklungsschritte für die Entwicklung eines CSRControllings können die Konzepte eines Green Controllings 19 und eines Social Controllings20 gesehen werden. Aufgabe eines CSR-Controllings ist es zukunftsorientierte, operative und strategische Entscheidungen des Managements zu unterstützen und damit die finanziell erfolgreiche und nachhaltige Ausrichtung des Unternehmens sicher zu stellen. Dies erfordert die Einbindung von CSRZielen in den strategischen Planungsprozess. 21 CSR-Controlling soll sich zukünftig verstärkt auf die Auswirkungen von CSR-Maßnahmen ausrichten.22 Wenn Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte nach GRI Standards erstellen, ein Umweltmanagement-System implementiert haben oder internationale Produktionsstandorte nach SA 8000 zertifiziert sind, erfordert dies die Berücksichtigung von CSR/Nachhaltigkeit in den Prozessen und die Erhebung entsprechender Kennzahlen. Das Bekenntnis zu bzw. die Orientierung der Unternehmensführung an UN Global Compact, ISO 26000 oder CDP (früher Carbon Disclosure Project) sind für viele Unternehmen wesentliche Schritte in Richtung einer nachhaltigen Unternehmensführung. Dies erfordert meist umfangreiche Erhebungen und Analysen. Die dadurch gewonnenen Informationen sollten aber nicht nur zur Kommunikation verwendet werden, sondern in das CSRControlling integriert und aktiv gesteuert werden. Durch die Umsetzung der EURichtlinie 2014/95/EU in das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz über die Anga17 18 19 20 21 22

Vgl. Günther et al. (2016). Vgl. Günther et al. (2018). Vgl. ICV (2011); Horváth (2012). Vgl. Dubielzig (2009). Vgl. Günther et al. (2016). Vgl. Osburg (2013).

308

Reinhard Altenburger

be nicht-finanzieller und Diversität betreffender Informationen (Deutschland) bzw. das Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz NaDiVeG (Österreich) müssen Unternehmen einer Reihe von sozialen und ökologischen Themen und ihre identifizierten Risiken, Strategien, erzielten Ergebnisse und nichtfinanziellen Leistungsindikatoren offenlegen. Das NaDiVeG betrifft in Österreich knapp 120 Kapitalgesellschaften von öffentlichem Interesse, welche im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen. Nachhaltigkeits- und Controlling-Bereiche haben oftmals unterschiedliche Vorstellungen von Prioritäten und Zusammenhängen in der Steuerung von Unternehmen. Die Diskussion und das bessere Verstehen der Logiken beider Bereiche kann dazu beitragen, dass ein umfassender Steuerungsansatz realisiert wird. Im Rahmen des CSR-Controllings ist die Auseinandersetzung mit dem Kerngeschäft bzw. den Kernprozessen erforderlich. Unternehmen setzen sich zunehmend mit der Frage auseinander, in welchen Bereichen die größte Auswirkung ihrer Nachhaltigkeitsaktivitäten liegt und setzen dort in der Steuerung an. Wo dies nicht erfolgt, wird oftmals der Verdacht von Stakeholdern geäußert, dass Nachhaltigkeit überwiegend ein Kommunikationsthema sei und nicht wesentlich zur Wahrnehmung von Verantwortung beitrage. Die Zusammenarbeit mit dem Finanzbereich ist essentiell für ein effektives CSR-Controlling.23 Die Herausforderung liegt im Aufzeigen der finanziellen Konsequenzen von unternehmerischer Verantwortung und damit einer Quantifizierung von CSR. Dabei sollen sowohl positive als auch voraussichtlich negative Auswirkungen von Nachhaltigkeitsthemen auf die finanzielle Performance analysiert und aufgezeigt werden.24 Dieses Aufzeigen von Ursache-Wirkungszusammenhängen führt zu einer zunehmenden Professionalisierung des CSR-Managements. Für die konkrete Ausgestaltung des CSR-Controllings ist der (strategische) Stellenwert von CSR im Familienunternehmen zu klären. Geht es im konkreten Unternehmen z. B. eher um die passive Beachtung der externen Anforderungen oder um eine Differenzierung im Wettbewerb, welche Chancen auf möglichen neuen Märkten bedeutet. Der Umfang des CSR-Controllings hängt unter anderem davon ab, ob eine Nachhaltigkeitsstrategie vorhanden, für welche zentrale Themen das Unternehmen Verantwortung übernimmt und ob und welche Bedeutung CSR im Wettbewerb zukommt. Eine mögliche Orientierung bietet hier das CSR-Reifegradmodell:25  CSR 0.0 – passive Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung, die sich in der Einhaltung von Gesetzen und rein-ökonomischen Funktionen beschränkt.  CSR 1.0 – philanthropische CSR (Sponsoring, Spenden, …). 23 24 25

Vgl. Weber/Schäffer (2016). Vgl. Schaltegger/Zverdov (2011). Vgl. Schneider (2015).

Strategisches CSR-Controlling in Familienunternehmen

309

 CSR 2.0 – unternehmerische und gesellschaftliche Wertschöpfung durch integriertes Management sowie bewusstes Planen und Managen von Verantwortung im laufenden Dialog mit den Stakeholder-Gruppen.  CSR 3.0 – ganzheitliche gesellschaftliche Verantwortung über den unmittelbaren Einflussbereich und Gestaltungsbereich des Unternehmens hinaus; antizipative wirtschafts-, gesellschafts- und umweltpolitische Gestaltung gesellschaftlicher Herausforderungen. CSR-Controlling bedeutet eine intensive Kommunikation mit allen Unternehmensbereichen. Für eine effektive Steuerung gilt es die Verantwortung der Bereiche Accounting, Einkauf, Produktion, Vertrieb/Marketing, aber auch Risikomanagement, Nachhaltigkeitsmanagement und F&E bzw. Innovations-management systematisch zu analysieren und zu bewerten. Dadurch können Anregungen für Verbesserungen und Optimierungen aufgezeigt werden. Unterstützt werden kann dies beispielsweise durch die Erstellung von Benchmarking-Studien innerhalb der Branche oder auch von BestPractice-Unternehmen (generisches Benchmarking). Ganzheitliche Steuerungsinstrumente wie beispielsweise eine Sustainability Balanced Scorecard (SBSC) oder eine CSR-Scorecard26 leisten einen wesentlichen Beitrag zur ganzheitlichen Steuerung, bei der Nachhaltigkeit bzw. CSR im Fokus stehen. Es muss dabei allerdings nicht eine komplette Scorecard entwickelt werden, sondern es geht um die Grundlogik dieser Management- und Steuerungsmethoden, in denen Nachhaltigkeit bzw. CSR in Verbindung zu den Finanz-, Kunden-, Prozess- und Innovations-/Personal-Zielen gesetzt wird und damit einen wesentlichen Beitrag zu einer ganzheitlichen, an gesellschaftlichen bzw. Nachhaltigkeitszielen orientierten Steuerung leistet. Das CSR-Controlling sollte nachhaltigkeitsorientierte Lernprozesse durch die Bereitstellung von entsprechenden Daten und Informationen, dem Aufzeigen von Entwicklungen und der Transparenz von Wirkungszusammenhängen unterstützen. Dies leistet einen wesentlichen Beitrag zur einer innovationsorientierten Unternehmenskultur und fördert ein aktives Wahrnehmen von gesellschaftlicher Verantwortung und der strategischen Nutzung von Nachhaltigkeit. 27 Eine konsequente CSR-/Nachhaltigkeitsorientierung sollte sich am Produktlebenszyklus ausrichten. Dabei ist entscheidend, dass dies unter Berücksichtigung der Potenzial-, Prozess-, Ressourcen- und Produktebene ein Differenzierungsmerkmal aus Kundensicht darstellt und schließlich zu einem Wettbewerbsvorteil führt.28 Neben dem Produktlebenszyklus sollte sich das CSR-Controlling auch mit aktuellen Themen der Nachhaltigkeitsdiskussion wie „Kreislaufwirtschaft“ oder „Zero Waste“ auseinandersetzen und mit den verantwortlichen Führungskräften rechtzeitig die Steuerungskonsequenzen zu diskutieren. 26 27 28

Vgl. Schaltegger (2014); Mayr/Ausweger (2013). Vgl. Schaltegger (2014); Altenburger (2018). Vgl. Fischer et al. (2015).

310 3.

Reinhard Altenburger

Globale Wertschöpfung und globale Verantwortung

Die steigende Vernetzung von Unternehmen in globalen Wertschöpfungsnetzwerken und die damit erhöhte Komplexität stellt Unternehmen vor eine Vielzahl neuer Herausforderungen. Die Unternehmenssteuerung muss sich auch zunehmend mit Themen wie Klimawandel, Ressourceneffizienz, Menschenrechte, Antikorruption, Gesundheit der Mitarbeiter aber auch Fragen, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Prozessen im Unternehmen und der Wertschöpfungskette stehen, auseinandersetzen. Eine hohe Transparenz durch international vernetzte NGOs, Medienberichte und Internet-Communities – besonders in den sozialen Netzwerken – zeigen Fehlverhalten von Zulieferern auf und können sich erheblich auf die Reputation des Unternehmens auswirken. Die Auseinandersetzung mit einer Vielzahl an Stakeholder-Interessen und -zielen – welche oftmals widersprüchlichen sind – fordert eine verstärkte und aktive Einbindung der Stakeholder um einerseits aktuelle Anliegen zu thematisieren, Vertrauen in das Unternehmen zu erhöhen und um andererseits auch Impulse für Innovationen zu erhalten und mögliche Risiken zu diskutieren. Laut aktuellem Global Risks Report 2018 haben Umweltrisiken in der globalen Risikowahrnehmung sowohl was die Eintrittswahrscheinlichkeit als auch was die Intensität der Auswirkungen betrifft, zugenommen. Dazu zählen extreme Wetterereignisse, aber auch ein dramatischer Verlust der Biodiversität, welcher sich direkt auf Unternehmen auswirken kann oder durch die globale Vernetzung in der Wertschöpfungskette auch wichtige Zulieferer oder Abnehmer wesentlich beeinträchtigen kann.29 Im Rahmen der zunehmenden Globalisierung reicht es immer weniger aus nur die Aktiväten im Unternehmen zu beachten. Von verschiedenen StakeholderGruppen wie internationalen NGOs, Medien aber auch Kunden wird verstärkt auf die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung entlang der gesamten Wertschöpfungskette geachtet. Ein CSR-Controlling sollte daher diese Aspekte mitberücksichtigen und auch aktiv steuern. 2015 wurden die Sustainable Development Goals als Ziele für die globale nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Die 17 konkreten Ziele (und 169 Unterziele) adressieren die größten Herausforderungen vor denen die Gesellschaft, Wirtschaft und Politik stehen (Abbildung 1). Der Beitrag der Unternehmen spielt dabei eine wesentliche Rolle. Diese SDGs bieten auch für Familienunternehmen einen wertvollen Beitrag zur Ausrichtung ihrer zukünftigen Schwerpunkte der Nachhaltigkeit bzw. Unternehmensverantwortung. Die Chance liegt hier im Anschluss an die globale Nachhaltigkeitsdiskussion, der Identifikation von Innovationschancen, aber auch möglicher Schwächen in der Wertschöpfungskette und der gezielten Kommunikation der CSR-Aktivitäten mit Bezug zu globalen Zielen.30 29 30

Vgl. WEF (2018). Vgl. Altenburger/Schmidpeter (2018).

Strategisches CSR-Controlling in Familienunternehmen

311

Abb. 1: Ziele nachhaltiger Entwicklung (SDGs) 31 Die Verbindung von Nachhaltigkeitszielen von Familienunternehmen mit den Sustainable Development Goals zeigt einerseits die Auseinandersetzung mit den Schwerpunkten globaler Verantwortung und bietet auch erheblich Chancen für die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, da jedes dieser globalen Ziele auch einen Business Case ermöglichen kann. Am Beispiel PUMA wird in Abbildung 2 dargestellt wie soziale und ökologische Schwerpunkte eines Unternehmens mit den globalen Nachhaltigkeitszielen in Verbindung gebracht werden. Im globalen Wettbewerb sind Familienunternehmen aufgefordert ihre gesamte Wertschöpfungskette nach Environmental, Social and Governance (ESG) Aspekten zu optimieren.32

31 32

Quelle: BMZ (o. D.), Internet. Vgl. Knecht/Reich (2014).

312

Reinhard Altenburger

Abb. 2: Nachhaltigkeitsziele mit Verbindung zu den Zielen nachhaltiger Entwicklung33 4.

Von den Zielen der Unternehmerfamilie zu den Steuerungsindikatoren

Empfehlenswert ist die Entwicklung einer Familienstrategie, um die langfristigen Ziele der Unternehmerfamilie über Generationen zu sichern. Dies ist insbesondere dann förderlich, wenn es mehrere Familienstämme gibt.34 Familienstrategie und Unternehmensstrategie beeinflussen sich wechselseitig. Die Anforderungen der Eigentümer (-familien) und deren Verantwortungs-/Nachhaltigkeitsverständnis bzw. Schwerpunkte sind wesentlich für die Zielformulierungen. Die Formulierung einer CSR-Strategie – abgeleitet von der Unternehmensstrategie – dient als Orientierung für das CSR-Controlling (Abbildung 3). Für die einzelnen Funktionsbereiche des Unternehmens (Einkauf, Vertrieb, Produktion, IT, Personal, …) sollen jeweils eigene KPIs formuliert werden, damit sichergestellt wird, dass jeder Funktionsbereich zu den gesellschaftlichen Zielen des Unternehmens beiträgt.

33 34

Quelle: Puma (2018), S. 60. Vgl. Baus (2016).

Strategisches CSR-Controlling in Familienunternehmen

313

Abb. 3: Von der Familienstrategie zu CSR-KPIs35 Damit verfügt jeder Unternehmensbereich über transparente CSR-/Nachhaltigkeitsziele. Diese sollen die Verantwortlichen auch dazu befähigen mögliche Risiken in ihrem Verantwortungsbereich rechtzeitig wahrzunehmen. 5.

Fazit

Sowohl in der Unternehmenspraxis als auch der Wissenschaft steht CSR-Controlling noch vor großen Herausforderungen. Ein verstärkter Dialog von Wissenschaftlern mit einem Nachhaltigkeits-/CSR-Fokus und Fokus auf Controlling stellt in den nächsten Jahren eine großes Potenzial für die (Weiter-) Entwicklung dieser Disziplin dar. Vor allem die unterschiedlichen Wirkungshorizonte von Maßnahmen im Bereich der gesellschaftlichen Verantwortung stellen hier noch einen erheblichen Forschungsbedarf dar. Dazu kommt das Wechselspiel von Nachhaltigkeitsthemen die für die Stakeholder relevant sind und denjenigen welche die Unternehmen verfolgen. Die Anforderungen durch die Ausweitung der Perspektive auf die globale Wertschöpfungskette erfordert eine Auseinandersetzung mit dem global zum Teil unterschiedlichen Verständnis von Verantwortung/Nachhaltigkeit und eine verstärkte 35

Quelle: Eigene Darstellung.

314

Reinhard Altenburger

Interaktion mit Stakeholdern. Für die Familienunternehmensforschung besteht die Herausforderung in der verstärkten Integration der Ziele der Unternehmerfamilie in das (CSR-) Controlling. Die Reflexion der Werte insbesondere in Phasen der Übergabe an die nächste Generation und deren Auswirkungen auf die zukünftige Steuerung des Unternehmens fordert sowohl Wissenschaft und Praxis heraus. Viele Familienunternehmen setzen sich seit ihrer Gründung mit der Verantwortung für ihre Region auseinander und haben Themen wie Ressourceneffizienz oder Biodiversität bereit seit Jahrzehnten auf ihrer Agenda. Die Auseinandersetzung von Nichtfamilienunternehmen mit den Lösungsansätzen von Familienunternehmen bietet hier auch zahlreiche Lernchancen. Für die Unternehmenspraxis bietet das Lernen von Vorreiterunternehmen im Bereich der gesellschaftlichen Verantwortung gute Anregungen, was allerdings nicht ein Kopieren bewirken soll, sondern das Entwickeln von eigenständigen Lösungen unter Berücksichtigung der branchenspezifischen Herausforderungen und den Ressourcen der Eigentümer.

Strategisches CSR-Controlling in Familienunternehmen

315

Literatur Altenburger, R. (2018): Corporate Social Responsibility as a Driver of Innovation Processes. In: Altenburger, R. (Hrsg.), Innovation Management and Corporate Social Responsibility. Social Responsibility as Competitive Advantage (S. 1-12). Cham: Springer. Altenburger, R./Schmidpeter, R. (2018): Die gesellschaftliche Verantwortung von Familienunternehmen. Strategische Herausforderungen im Spannungsfeld von Tradition und Innovation. In: Altenburger, R./Schmidpeter, R. (Hrsg.), CSR und Familienunternehmen. Gesellschaftliche Verantwortung im Spannungsfeld von Tradition und Innovation (S. 1-15). Berlin: Springer Gabler. Baus, K. (2016): Die Familienstrategie. Wie Familien ihr Unternehmen über Generationen sichern. 5. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler. BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) (Hrsg.) (o. D.): Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, http://www.bmz.de/de/ministerium/ziele/2030_agenda/index.html, Abfrage: 02.05.2019. Chrisman, J. J./Chua, J. H./Steier, L. (2005): Sources and Consequences of Distinctive Familiness: An Introduction. Entrepreneurship Theory and Practice, 29 Jg., Nr. 3, S. 237-247. Dubielzig, F. (2009): Sozio-Controlling in Unternehmen. Das Management erfolgsrelevanter sozial-gesellschaftlicher Themen in der Praxis. Wiesbaden: Gabler. Europäische Kommission (Hrsg.) (2011): Eine neue EU-Strategie (2011-2014) für die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR). Brüssel 25. Oktober 2011, KOM (2011) 681 endgültig, Brüssel. Ewert, R./Wagenhofen, A. (2014): Interne Unternehmensrechnung. 8. Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer Gabler. Fischer, T. M./Möller, K./Schultze, W. (2015): Controlling. Grundlagen, Instrumente und Entwicklungsperspektiven. 2. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Forum Nachhaltige Geldanlagen e.V. (FNG) (Hrsg.) (2018): Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2018 – Deutschland, Österreich und die Schweiz, https://stiftungsmarktplatz.eu/wpcontent/uploads/2018/06/fng-marktbericht_2018-online.pdf, Abfrage: 02.03.2019. Günter, E./Endrikat, J./Günter, T. (2016): CSR im Controlling. In: Günther, E./Steinke, K.-H. (Hrsg.), CSR und Controlling. Managementreihe Corporate Social Responsibility (S. 3-21). Berlin, Heidelberg: Springer Gabler. Günther, E./Günther, T./Endrikat, J. (2018): Mehr Umwelt ins Controlling!. Controlling & Management Review: Zeitschrift für Controlling und Management (ZfCM), 62 Jg., Nr. 5, S. 34-41. Horváth, P. (2012): Green Controlling – Bedarf einer Integration von ökologischen Aspekten in das Controlling?. In: Tschandl, M. (Hrsg.), Integriertes Umweltcontrolling (S. 41-50). 2. Auflage. Wiesbaden: Gabler. ISO (Hrsg.) (2010): ISO 26000 – Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung. Berlin: Beuth. ICV (Internationaler Controller Verein e.V.) (Hrsg.) (2011). Green Controlling, eine (neue) Herausforderung für den Controller? Ergebnisse einer Studie im Internationalen Controllerverein (ICV) durch die Ideenwerkstatt. Gauting, Stuttgart. ICV (Internationaler Controller Verein e.V.) (Hrsg.) (o. D.): Das Contoller-Leitbild der IGC, https://www.icv-controlling.com/fileadmin/Verein/Verein_Dateien/Sonstiges/Das_Controller-Leitbild.pdf, Abfrage: 10.05.2019. Kammerlander, N./Sieger, P./Voordeckers, W./Zellweger, T. (2015): Value creation in family firms: A model of fit. Journal of Family Business Strategy, 6 Jg., Nr. 2, S. 63-72. KMU Forschung Austria (Hrsg.) (2013): Familienunternehmen in Österreich Status quo 2013, https://www.wko.at/Content.Node/Interessenvertretung/Standort-und-Innovation/ Familienunternehmen_in_Oesterreich.pdf, Abfrage: 05.02.2019.

316

Reinhard Altenburger

Knecht, F./Reich, S. (2014): Wertschöpfungsketten: ESG als kritischer Erfolgsfaktor für das Management des gesamten Lebenszyklus. In: Schulz, T./Bergius, S. (Hrsg.), CSR und Finance. Beitrag und Rolle des CFO für eine Nachhaltige Unternehmensführung (S. 373-389). Berlin: Springer-Gabler. Miller, D./Steier, L./Breton-Miller, I. le (2016): What Can Scholars of Entrepreneurship Learn From Sound Family Businesses?. Entrepreneurship: Theory and Practice, 40 Jg., Nr. 3, S. 445-455. Mayr, S./Ausweger, M. (2013): CSR-Strategien mittels CSR-Scorecard erfolgreich umsetzen. Controlling & Management Review: Zeitschrift für Controlling und Management (ZfCM), 57 Jg., Nr. 4, S. 36-44. Osburg, T. (2013): Soziale Innovationen und CSR – Chancen für Controlling. Controlling & Management Review: Zeitschrift für Controlling und Management (ZfCM), 57ºJg., Nr. 4, S. 18-25. PUMA (Hrsg.) (2018): Geschäftsbericht 2017, https://annual-report-2017.puma.com/wpcontent/uploads/PUMAGB2017_DE.pdf, Abfrage: 04.05.2019. PWC (Hrsg.) (2018): Family Business Survey. Österreich-Report 2018. Besonderheiten, Herausforderungen und Perspektiven österreichischer Familienunternehmen, https://www.pwc.at/de/pub-likationen/mittelstand-kmu/family-business-surveyaustria-2018.pdf, Abfrage: 25.04.2019. Schäffer, U. (2011): Nachhaltigkeit und Controlling: Drei Herausforderungen für die Unternehmenspraxis. Controller Magazin, 36 Jg., Nr. 6, S. 81-84. Schaltegger, S./Zvezdov, D. (2011): Konzeption und Praxis des Nachhaltigkeitscontrollings: Ansatzpunkte in großen deutschen Unternehmen. Controlling: Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung, 23 Jg., Nr. 8-9, S. 430-435. Schaltegger, S. (2014): Marktorientiertes Nachhaltigkeitscontrolling. In: Meffert, H./Kenning, P./Kirchgeorg, M. (Hrsg.), Sustainable Marketing Management. Grundlagen und Cases (S. 271-287). Wiesbaden: Springer Gabler. Schneider, A. (2015): Reifegradmodell CSR – eine Begriffsklärung und -abgrenzung. In: Schneider, A./Schmidpeter, R. (Hrsg.), Corporate Social Responsibility (S. 17-38). Wiesbaden: Springer Gabler. Simon, F. B. (2012): Einführung in die Theorie des Familienunternehmens. Heidelberg: Carl-Auer. Stiftung Familienunternehmen (Hrsg.) (2017). Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen, http://www.familienunternehmen.de/media/public/pdf/publikationen-studien/ studien/ Volkswirtschaftliche-Bedeutung_Studie_Stiftung_Familienunternehmen.pdf, Abfrage: 04.05.2019. Weber, J. (2008): Rollen der Controller – Theoretische Herleitung und empirische Erkenntnisse. In:Weber, J. /Vater, H./Schmidt, W./Reinhard, H./Ernst, E. (Hrsg.), Die neue Rolle des Controllers (S. 3-14). Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Weber, J./Schäffer, U. (2016): Einführung in das Controlling. 15. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Weber, J./Schäffer, U. (2016): Nachhaltigkeit – Modewelle oder ein neues Arbeitsfeld für Controller?. In: Günther, E./Steinke, K.-H. (Hrsg.), CSR und Controlling. Unternehmerische Verantwortung als Gestaltungsaufgabe des Controlling (S. 41-54). Berlin, Heidlberg: Springer Gabler. World Economic Forum (WEF) (Hrsg.) (2018). The Global Risks Report 2018. 13. Auflage. Genua, World Economic Forum.

III Familienunternehmen und Klein- und Mittelunternehmen

Finanzmanagement und -controlling in Familienunternehmen

Markus Dick 1.

Einführung

Familienunternehmen stellen einen essentiellen volkswirtschaftlichen Faktor in vielen Ländern dar.1 Zurecht hat daher die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Unternehmenstypus in den letzten Jahren deutlich an Dynamik gewonnen. In diesem Zusammenhang identifizierte Aronoff bereits im Jahr 1998 in der führenden Zeitschrift für Familienunternehmensforschung, der Family Business Review, ein fortschrittliches Finanzmanagement („financial sophistication“) als einen der zehn zentralen Erfolgsfaktoren bzw. Trends im Management von Familienunternehmen.2 Allerdings lässt die hohe Bedeutung nicht finanzieller Zielsetzungen für Eigentümerfamilien3 Zweifel daran aufkommen, ob Familienunternehmen diesem Anspruch in jedem Fall gerecht werden können. Der vorliegende Beitrag versucht daher, den theoretischen und empirischen Forschungsstand zum Finanzmanagement und -controlling von Familienunternehmen zu skizzieren. Unter Finanzmanagement wird dabei die finanzielle Führung von Unternehmen verstanden.4 Die wesentliche Zielsetzung des Finanzmanagements liegt darin, den Unternehmensfortbestand durch Erhalt des finanziellen Gleichgewichts zwischen den zentralen Unternehmenszielen Liquidität und Rentabilität (unter Berücksichtigung der Risikosituation des Unternehmens) dauerhaft si1

2 3 4

Während Familienunternehmen in Europa bspw. etwa 40 bis 50 % der Arbeitsplätze schaffen, liegt ihr Beitrag zum BIP je nach untersuchtem Land zwischen 20 und 70 % (Mandl (2008), S. 39). In den USA wiederum liegt ihr Anteil am BIP bei Anwendung einer breiten Familienunternehmensdefinition bei 64 %, ihr Beitrag zur Beschäftigung bei 62 % (Astrachan/Shanker (2003), S. 211 ff.) Vgl. Aronoff (1998), S. 181 ff. Bspw. Gómez-Mejía et al. (2007), S. 106 ff. Vgl. Drukarcyz et al. (2002), S. 558 ff.; Guserl/Pernsteiner (2015), S. 1.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_15

320

Markus Dick

cherzustellen.5 Zu den Aufgaben des Finanzmanagements zählen somit beispielsweise die Ausrichtung des Unternehmens (u. a. seiner Investitionsentscheidungen) am Prinzip der Maximierung des Shareholder Values, das Liquiditätsmanagement, die Kapitalstrukturpolitik, die Dividendenpolitik sowie das Risikomanagement des Unternehmens.6 Verantwortlich für das Finanzmanagement eines Unternehmens zeichnet der Chief Financial Officer (CFO). Das Finanzmanagement lässt sich daher (zumindest in einem weiteren Sinne) auch an den Aufgabenbereichen des CFO festmachen. Beispielsweise verantwortet der CFO die finanzielle Beurteilung von Investitionsprojekten, Finanzierungsentscheidungen, Dividendenpolitik, Corporate Governance, Controlling, Rechnungslegung, Treasury, Risikomanagement oder Steuermanagement.7 Das Finanzcontrolling wiederum soll Koordinierungsleistungen bzw. Steuerungsmaßnahmen im Finanzbereich des Unternehmens sowie zwischen Finanzbereich auf der einen und Leistungsbereich bzw. Unternehmensführung auf der anderen Seite erbringen. Wie das Finanzmanagement zielt das Finanzcontrolling auf den Erhalt des finanziellen Gleichgewichts ab und sieht als seine wesentlichen Aufgabenbereiche die Sicherung der Liquidität des Unternehmens, die Koordination von Investitions- und Finanzierungsentscheidungen oder das Finanzrisikomanagement und -controlling.8 Aufgrund der vergleichbaren Aufgabenbereiche und Zielsetzungen von Finanzmanagement auf der einen und Finanzcontrolling auf der anderen Seite wird daher aus Vereinfachungsgründen in der Folge primär der Begriff Finanzmanagement herangezogen. Das sehr breite Aufgabenspektrum macht es zudem notwendig, im vorliegenden Beitrag eine inhaltliche Auswahl vorzunehmen. Es soll daher zum einen beleuchtet werden, welche generellen Leitlinien das Finanzmanagement und -controlling von Familienunternehmen prägen. Zum anderen sollen zwei in der Literatur bereits sehr intensiv diskutierte Fragestellungen, die Kapitalstrukturentscheidungen und Dividendenpolitik von Familienunternehmen, aus der Diskussion ausgeklammert werden und stattdessen der Schwerpunkt auf die Bedeutung von (fortschrittlichen) Instrumenten bzw. Verfahren des Finanzmanagements gelegt werden, wobei dem (finanziellen) Risikomanagement ein besonderes Augenmerk zukommen wird. Dazu werden zuerst (Kapitel 2) wesentliche theoretische Grundlagen der unternehmerischen Entscheidungen von Familienunternehmen wie spezifische Agentenkonflikte, Charakteristika und Ziele beleuchtet. Anschließend wird in Kapitel 3 das Finanzmanagement aus wissenschaftlicher Perspektive beleuchtet. 5 6 7 8

Vgl. Perridon et al. (2017), S. 8 f., 646 f.; Guserl/Pernsteiner (2015), S. 18 ff. Vgl. Drukarcyz et al. (2002), S. 558 ff. Siehe dazu auch Guserl/Pernsteiner (2015), S. V bzw. 30 ff. Vgl. Gillenkirch (2002), S. 531 ff.

Finanzmanagement und -controlling in Familienunternehmen

321

In Kapitel 4 werden aus den bisherigen Überlegungen zentrale (theoretische) Leitlinien des Finanzmanagements von Familienunternehmen abgeleitet, die in Kapitel 5 den diesbezüglichen empirischen Befunden gegenübergestellt werden. Kapitel 6 fasst die wesentlichen Erkenntnisse zusammen. 2.

Familienunternehmen aus theoretischer Perspektive

2.1. Agentenkonflikte in Familienunternehmen Jensen und Meckling betonen in ihren grundlegenden Überlegungen zur Agententheorie, dass Manager, die nicht (alle) Anteile des von ihnen geführten Unternehmens halten, aufgrund von Informationsasymmetrien dazu neigen, sich Perquisites („Nebeneinkünfte“) auf Kosten der (anderen) Eigentümer zu verschaffen (bspw. durch das Heranziehen von Unternehmensressourcen für private Konsumzwecke) bzw. auch weniger Arbeitseinsatz zu zeigen. Die daraus resultierenden Agentenkosten werden allerdings umso geringer sein, je höher der Anteilsbesitz des Managers ist, da er in diesem Fall proportional zu seiner Beteiligung am Unternehmen die negativen Konsequenzen seines Fehlverhaltens zu tragen hat.9 Gerade bei Familienmanagement sollte daher der klassische Agentenkonflikt zwischen Eigentümern und den von ihnen beauftragten Managern (Prinzipal-Agenten-Konflikt I) eine vergleichsweise geringe Bedeutung aufweisen. 10 Darüber hinaus sprechen beispielsweise die langjährigen, intensiven Beziehungen der Familieneigentümer zu den Managern bzw. generell die langjährige Präsenz der Familie im Unternehmen und damit ihr über diese Zeit angesammeltes unternehmensspezifisches Wissen für Monitoringvorteile und somit geringere Agentenkonflikte.11 Zudem weisen Familien nicht zuletzt auch aufgrund ihrer hohen (undiversifizierten) Beteiligung am Unternehmen höhere Anreize zum Monitoring des Managements als andere Eigentümer auf. 12 Andererseits können bei Familienunternehmen auch stärker ausgeprägte Agentenkonflikte als in Nichtfamilienunternehmen auftreten. In diesem Zusammenhang ist allen voran das Risiko zu nennen, dass die Familie als Hauptaktionär ihre eigenen Interessen bzw. ihr Vermögen auf Kosten der Minderheitseigentümer

9 10 11 12

Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 305 ff. Bspw. Villalonga/Amit (2006), S. 385 ff. Vgl. Fama/Jensen (1983), S. 306; Anderson/Reeb (2003a), S. 1301 ff. Vgl. DeAngelo/DeAngelo (1985), S. 54; Anderson/Reeb (2003a), S. 1301 ff.

322

Markus Dick

maximiert (Prinzipal-Agenten-Konflikt II).13 Als weitere Quellen für Agentenkosten in Familienunternehmen gelten beispielsweise familiäre Konflikte14, dass Familienmitglieder im Unternehmen aus altruistischen Beweggründen anders behandelt werden als Nichtfamilienmitglieder und sie daher beispielsweise (unter Umständen unabhängig von ihrer Qualifikation) bei Besetzung von Leitungsfunktionen bevorzugt werden15 oder ein etwaiges von ihnen gesetztes Fehlverhalten nicht ausreichend sanktioniert wird, was zu Free-Riding-Effekten führen kann.16 2.2. Charakteristika und Ziele Neben spezifischen Agentenkonflikten sind darüber hinaus auch besondere Charakteristika bzw. Ziele, die das Verhalten von Eigentümerfamilien und der von ihnen kontrollierten Unternehmen beeinflussen, hervorzuheben. In diesem Zusammenhang betonen mehrere Autoren, dass in der Regel der größte Teil des Vermögens einer Eigentümerfamilie in ihrem Familienunternehmen investiert ist und dementsprechend Familienaktionäre eine geringe Vermögensdiversifikation aufweisen.17 Die mangelnde Diversifikation von Großaktionären wie Familien ist als wesentlicher Nachteil bzw. Kostenfaktor anzusehen. 18 Durch den Verzicht auf eine optimale Vermögensdiversifikation tragen sie ein hohes (unsystematisches) Risiko, was zu einem Anstieg ihrer Kapitalkosten führt. 19 Diese Risiko kann sich noch zusätzlich erhören, wenn Familieneigentümer Sicherheiten aus ihrem Privatvermögen heraus für Unternehmensverbindlichkeiten stellen 20 bzw. Managementfunktionen im Unternehmen übernehmen und damit auch ein undiversifiziertes Humankapital aufweisen. 21 Die undiversifizierte Vermögensposition der Familie kann zu einem risikoaversen Verhalten führen, d. h. dass beispielsweise weniger bzw. risikoärmere Investitionen durchgeführt werden 22 oder 13

14 15 16 17

18 19 20 21 22

Bspw. Morck et al. (1988), S. 293 ff.; Shleifer/Vishny (1997), S. 758 f.; Faccio et al. (2001), S. 54; Villalonga/Amit (2006), S. 385 ff. Bspw. Schulze et al. (2003b), S. 180 f.; Dyer (2006), S. 260 f. Bspw. Schulze et al. (2001), S. 100 ff.; Anderson/Reeb (2003a), S. 1301 f.; Lubatkin et al. (2005), S. 320. Bspw. Schulze et al. (2001), S. 102 f.; Schulze et al. (2003a), S. 473 ff.; Dyer (2006), S. 261 f. Bspw. Fama/Jensen (1983), S. 306; Coleman/Carsky (1999), S. 73 f.; Thomsen/Pedersen (2000), S. 693; Anderson/Reeb (2003a), S. 1301 ff.; Anderson et al. (2003), S. 263 ff. In diesem Zusammenhang weisen beispielsweise Anderson et al. (2003), S. 267 darauf hin, dass Familien, die sich auf der Forbes-Liste der reichsten US-Amerikaner wiederfinden, ihr Vermögen zu mehr als 69 % in ihrem Familienunternehmen gebunden haben. Vgl. Shleifer/Vishny (1997), S. 758. Vgl. Demsetz/Lehn (1985), S. 1158; Shleifer/Vishny (1997), S. 758; Fama/Jensen (1985), S. 101 ff. Vgl. Fueglistaller/Zellweger (2005), S. 10. Vgl. Mishra/McConaughy (1999), S. 53 ff.; Bauguess/Stegemoller (2008), S. 553. Vgl. Fama/Jensen (1985), S. 101 ff.

Finanzmanagement und -controlling in Familienunternehmen

323

Risiken in der Finanzierungspolitik (wie beispielsweise der Einsatz von das Insolvenzrisiko erhöhendem Fremdkapital) vermieden werden.23 Darüber hinaus weisen mehrere Autoren darauf hin, dass sich Eigentümerfamilien bzw. Familienunternehmen nicht ausschließlich auf finanzielle Zielgrößen (wie die Maximierung des Shareholder Values) konzentrieren, sondern auch (familienspezifische) nicht finanzielle Zielsetzungen verfolgen.24 In diesem Zusammenhang heben Gómez-Mejía et al.25 die Bewahrung des so genannten Socioemotional Wealth – darunter verstehen sie nicht finanzielle Zielsetzungen bzw. Aspekte, die affektive Bedürfnisse der Eigentümerfamilie befriedigen sollen – als zentrale Leitlinie des Verhaltens von Eigentümerfamilien bzw. der von ihnen kontrollierten Unternehmen hervor. Aufbauend auf Erkenntnissen der Prospect Theory26, wie insbesondere Verlustaversion (Loss Aversion)27, finden die Autoren empirische Evidenz dafür, dass Familien(unternehmen) zur Vermeidung eines Verlusts des Socioemotional Wealth (sehr) risikofreudige Strategien, die mit nicht unerheblichen finanziellen Risiken bis hin zur Gefährdung des Unternehmensfortbestands verbunden sein können, in Kauf nehmen, wenn dadurch der Erhalt sozioemotionaler Vorteile gewährleistet erscheint. Die Autoren zeigen, dass spanische Familien-KMUs (Olivenölproduzenten) dementsprechend eine riskantere „Stand-alone-Strategie“ der weniger riskanten Einbindung des eigenen Unternehmens in eine Genossenschaft, die allerdings mit einem Verlust der (vollständigen) Kontrolle der Familie über das Unternehmen und damit des Socioemotional Wealth verbunden wäre, vorziehen. Gleichzeitig versuchen sie jedoch das höhere Risiko eines alleinigen Marktauftritts durch eine geringere Varianz des Geschäftsverlaufs zu verringern. Familienunternehmen scheinen sich dementsprechend nicht generell risikoavers (im Hinblick auf ihr Finanzvermögen) zu verhalten und können (zum Erhalt des Socioemotional Wealth) durchaus unternehmerische Entscheidungen treffen, die mit ausgeprägten (finanziellen) Risiken verbunden sind. Der Wunsch der Familie, die Kontrolle über „ihr“ Unternehmen zu bewahren, scheint somit das Verhalten von Familienunternehmen bzw. der Familienakteure wesentlich zu beeinflussen,28 da (nur) die (fortgesetzte) Kontrolle es der Familie ermöglicht, (strategische) Unternehmensentscheidungen zu beeinflussen sowie (andere) nicht finanzielle Ziele bzw. Aspekte zu verfolgen, die einen sozioemotionalen Wert für die Familie darstellen.29 Zu diesen weiteren Dimensionen des Socioemotional Wealth 23 24

25 26 27 28

29

Bspw. Rajan/Zingales (1995), S. 1449; Anderson/Reeb (2003b), S. 653 ff.; Andres (2008), S. 434. Bspw. Tagiuri/Davis (1992), S. 43 ff.; Lee/Rogoff (1996), S. 423 ff.; Chrisman et al. (2012), S. 267 ff.; Chua et al. (2015), S. 173 ff. Vgl. Gómez-Mejía et al. (2007), S. 106 ff. Vgl. Kahneman/Tversky (1979), S. 263 ff. Vgl. Tversky/Kahneman (1991), S. 1039 ff. Bspw. Gómez-Mejía et al. (2007), S. 106 ff.; Chrisman et al. (2012), S. 267 ff.; Cruz et al. (2014), S. 1295 ff.; Vardaman/Gondo (2014), S. 1317 ff. Vgl. Berrone et al. (2012), S. 258 ff.; Chrisman et al. (2012), S. 267 ff.

324

Markus Dick

zählen beispielsweise der Wunsch nach Weitergabe des Unternehmens an die nächste Generation, welcher eine entsprechende Langfristorientierung bei unternehmerischen Entscheidungen mit sich bringen kann, die starke Identifikation der Familie mit dem Unternehmen, welche eine Fokussierung auf den Erhalt der Reputation des Unternehmens und damit der Familie impliziert, die engen sozialen Verbindungen zwischen den Akteuren in Familienunternehmen oder eine emotionale Komponente, die sich in altruistischem Verhalten manifestieren kann.30 Dabei ist allerdings zu beachten, dass zwischen den einzelnen Dimensionen des Socioemotional Wealth (Ziel-) Konflikte auftreten können31 und dementsprechend je nach den jeweils dominierenden Dimensionen unterschiedliche unternehmerische Entscheidungen von Familienunternehmen beobachtet werden können.32 Befragungen zeigen, dass die diskutierten Charakteristika und Ziele die Finanzierungsentscheidungen von Familienunternehmen beeinflussen, wobei u. a. dem Erhalt der Kontrolle bzw. Unabhängigkeit (über Generationen hinweg) 33, der Langfristigkeit34 sowie der Risikominimierung bzw. „Sicherheit“35 entsprechende Bedeutung zukommt. 3.

Finanzmanagement aus wissenschaftlicher Perspektive

Die Ausgestaltung bzw. der Entwicklungsstand des Finanzmanagements hat in der finanzwirtschaftlichen Literatur vor allem aus empirischer, weniger jedoch aus theoretischer Perspektive Beachtung gefunden. Beispielsweise analysieren Graham und Harvey in einer vielzitierten Studie das Finanzmanagement US-amerikanischer Unternehmen und zeigen, dass neben der Unternehmensgröße auch ein geringes Ausmaß von Managementeigentum den Einsatz fortschrittlicher Verfahren im Bereich Investitionsrechnung bzw. Kapitalkostenbestimmung begünstigt.36 Diesen positiven Größeneffekt können Brounen et al. in einer Studie für das Finanzmanagement europäischer Unternehmen bestätigen. Zudem begünstigt das Ausmaß der Shareholder Orientierung des jeweiligen Unternehmens den Einsatz fortschrittlicher Konzepte im Bereich der Investitionsrechenverfahren und der Ermittlung der Kapitalkosten.37 Verhältnismäßig wenig hat sich die Forschung auch mit den Vorteilen eines fortschrittlichen Finanzmanagements beschäftigt. Nichtsdestotrotz erleichtert ein den 30 31 32 33 34 35 36 37

Vgl. Berrone et al. (2012), S. 258 ff. Bspw. Vardaman/Gondo (2014), S. 1317 ff. Bspw. Berrone et al. (2012), S. 258 ff.; Cruz et al. (2014), S. 1295 ff.; Martin et al. (2016), S. 453 ff. Vgl. Fueglistaller/Zellweger (2005), S. 9; Achleitner et al. (2008), S. 19; Schraml (2010), S. 270. Vgl. Achleitner et al. (2008), S. 19; Schraml (2010), S. 270. Fueglistaller/Zellweger (2005), S. 9; Achleitner et al. (2008), S. 19; Schraml (2010), S. 270. Vgl. Graham/Harvey (2001), S. 187 ff. Vgl. Brounen et al. (2004), S. 71 ff.

Finanzmanagement und -controlling in Familienunternehmen

325

Grundsätzen des Value Managements und damit der Schaffung von Shareholder Value verpflichtetes Finanzmanagement die Kopplung von Entlohnungssystemen an das Kriterium der Wertschaffung38 bzw. generell das Monitoring des Managements, was beides zu einer Reduktion von Agentenkosten führen kann.39 Deutlich intensiver hat sich die finanzwirtschaftliche Literatur mit einem wesentlichen Teilbereich des Finanzmanagements, nämlich dem Risikomanagement, auseinandergesetzt. Aus theoretischer Perspektive werden Risikomanagementaktivitäten von Unternehmen durchaus nicht unkritisch gesehen. Folgt man dem Irrelevanztheorem von Modigliani und Miller40, sind nicht nur Finanzierungsentscheidungen, sondern auch Risikomanagemententscheidungen nicht wertrelevant, da Investoren jederzeit von Unternehmen vorgenommene Risikoabsicherungen durch eine Risikoanpassung ihres Portfolios kompensieren können.41 Darüber hinaus können Manager (nicht wertschaffende) Risikomanagemententscheidungen treffen, um beispielsweise ihr Humankapital und – bei Beteiligung des Managers am Unternehmen – ihr undiversifiziertes Vermögen abzusichern oder generell ihre Entlohnung zu erhöhen.42 Nichtsdestotrotz finden sich in der finanzwirtschaftlichen Literatur durchaus auch Argumente, die für eine Absicherung von Risiken und somit für Risikomanagement sprechen. Beispielsweise kann eine durch Risikomanagement bewirkte geringere Varianz der Unternehmensergebnisse bzw. -cashflows neben der Steuerbelastung43 insbesondere das Insolvenzrisiko und damit die Insolvenzkosten reduzieren.44 Selbiges gilt auch für Agentenkosten, da eine hohe Cashflow-Varianz zu einem nicht wertschaffenden Investitionsverhalten bei Managern führen könnte (u. a. „Overinvestment“, d. h. dass zu hohe (nicht wertschaffende) Investitionen bei sehr hohen Cashflows getätigt werden).45 Schlussendlich können bei einer geringeren Varianz der vom Unternehmen generierten Cashflows Investitionen mit größerer Wahrscheinlichkeit aus eigenen Mitteln finanziert und somit die mit Außenfinanzierungsquellen verbundenen Nachteile wie Insolvenzkosten, Agentenkosten, Informationsasymmetrien oder die Abhängigkeit von externen Kapitalgebern vermieden werden.46 38 39 40 41 42

43

44 45 46

Vgl. Ittner/Larcker (2001), S. 350; Ryan/Trahan (2007), S. 111. Vgl. Ryan/Trahan (2007), S. 111. Vgl. Modigliani/Miller (1958), S. 261 ff. Vgl. Smith/Stulz (1985), S. 392. Bspw. Smith/Stulz (1985), S. 391 ff.; May (1995), S. 1291 ff.; Géczy et al. (1997), S. 1323 ff.; Hagelin et al. (2007), S. 721 ff.; Spanò (2007), S. 1245 ff. Dies setzt eine konvexe Steuerfunktion voraus, welche beispielsweise bei einem progressiven Steuertarif oder aber auch bei steuerlichen Verlustvorträgen, die erst in späteren Perioden mit Gewinnen verrechnet werden können und somit einen geringeren Barwert aufweisen, zu beobachten ist. Bspw. Smith/Stulz (1985), S. 392 ff.; Spanò (2007), S. 1255 f. Vgl. Stulz (1990), S. 3 ff. Vgl. Froot et al. (1993), S. 1629 ff.

326 4.

Markus Dick

Finanzmanagement von Familienunternehmen aus theoretischer Perspektive

Führt man die bisherigen Ausführungen zusammen, so lassen sich aus theoretischer Perspektive folgende Leitlinien des Finanzmanagements von Familienunternehmen ableiten: Die spezifischen Zielsetzungen und Charakteristika von Familien (unternehmen) – beispielsweise der Wunsch nach langfristigem Kontrollerhalt über Generationen hinweg oder die undiversifizierte Vermögensposition der Eigentümerfamilie – können ein konservatives Finanzmanagement mit sich bringen. Dies machen Autoren beispielsweise an einer höheren Liquiditätshaltung bzw. einem höheren Bestand an Working Capital bei Familienunternehmen47, einer Bevorzugung der Finanzierung über einbehaltene Gewinne gegenüber der Außenfinanzierung über externe Kapitalgeber, um die Kontrolle über das Unternehmen bewahren zu können – selbst wenn damit ein Verzicht auf Wachstumsmöglichkeiten verbunden ist –48, einer Skepsis gegenüber „risikoreichen“ Finanzierungsinstrumenten49, einer geringeren Verschuldung50 bzw. geringeren Dividendenausschüttungen51 fest. Wenngleich sich die empirische Befundlage zur Kapitalstruktur (Verschuldung) und Dividendenpolitik von Familienunternehmen insgesamt nicht einheitlich darstellt, 52 könnten Familienunternehmen einem fortschrittlichen Finanzmanagement bzw. fortschrittlichen Verfahren des Finanzmanagements unter Umständen mit Skepsis begegnen. 53 Dafür spricht auch, dass sehr auf den Erhalt ihrer Kontrolle bedachte Eigentümerfamilien externen Managern (oder aber auch Eigentümern), die in der Folge eine stärkere Professionalisierung des Finanzmanagements anstoßen könnten, reserviert gegenüberstehen dürften.54 47

48

49 50

51 52

53 54

Vgl. McConaughy et al. (2001), S. 31 ff. (mit diesbezüglichen empirischen Befunden); Miller/Breton-Miller, 2006, S. 73 ff. Vgl. López-Gracia/Sánchez-Andújar (2007), S. 269 ff.; Schraml (2010) (beide mit diesbezüglichen empirischen Befunden). Vgl. Schraml (2010) (mit diesbezüglichen empirischen Befunden). Vgl. McConaughy et al. (2001), S. 31 ff. (mit diesbezüglichen empirischen Befunden); Miller/Breton-Miller, 2006, S. 73 ff.; López-Gracia/Sánchez-Andújar (2007), S. 269 ff. Vgl. McConaughy et al. (2001), S. 31 ff. (mit diesbezüglichen empirischen Befunden). Kapitalstruktur- und Dividendenpolitik werden nicht zuletzt auch von weiteren Faktoren beeinflusst. Beispielsweise kann eine höhere – die Stimmrechte der Eigentümerfamilie nicht verwässernde – Verschuldung dem Kontrollerhalt dienen bzw. könnten höhere Dividendenausschüttungen zur Versorgung der Familienmitglieder mit Dividendeneinkommen genutzt werden. Einen diesbezüglichen Literaturüberblick geben beispielsweise zur Kapitalstruktur von Familienunternehmen Dick (2018), S. 37 ff. bzw. Dick/Wagner (2019) sowie zur Dividendenpolitik Dick (2015), S. 65 ff. bzw. Dick (2018), S. 73 ff. Siehe dazu auch Dick/Pernsteiner (2015), S. 27 ff. Siehe dazu auch – auf eine geringere Bedeutung des Krisenmanagements verweisend – Faghfouri et al. (2015), S. 317 ff.

Finanzmanagement und -controlling in Familienunternehmen

327

Ebenfalls können in Familienunternehmen nicht finanzielle Zielsetzungen und Aspekte das Ziel der Maximierung des Shareholder Values in den Hintergrund treten lassen.55 Dadurch ist eine geringere Bedeutung von Konzepten des Finanzmanagements zu erwarten, die vor allem auf die Maximierung des Werts des Unternehmens abzielen (wie beispielsweise Value Management oder „aggressives“, d. h. die Minimierung des „unproduktiven“ Working Capitals verfolgendes, Working Capital Management).56 Darüber hinaus könnten undiversifizierte Aktionäre wie Familien versuchen, ihr hohes persönliches finanzielles Risiko durch eine Reduktion des unternehmerischen Risiko (beispielsweise durch Risikomanagement, aber auch verstärkte Diversifikation des Unternehmens) zu kompensieren. 57 Ebenso lassen die Befunde von Gómez-Mejía et al.58, dass Familienunternehmen zum Erhalt des Socioemotional Wealth bewusst (finanzielle) Risiken in Kauf nehmen, (potentiell) eine hohe Bedeutung des Risikomanagements in Familienunternehmen erwarten.59 Zudem hat die mit Risikomanagement verbundene Glättung der Cashflows den Vorteil, dass das Unternehmen weniger oft auf die Aufnahme neuen Kapitals von Außenfinanzierungsgebern zurückgreifen muss.60 Familien, die eine Beeinträchtigung ihrer Kontrolle über das Unternehmen und damit ihres Socioemotional Wealth durch externe Eigen- und Fremdkapitalgeber befürchten,61 könnten daher verstärkt auf Risikomanagement setzen. Ebenso haben die bisherigen Ausführungen gezeigt, dass Risikomanagement, aber auch (dem Value Management verpflichtendes) Finanzmanagement Agentenkonflikte reduzieren kann. Geht man nun davon aus, dass der klassische Prinzipal-Agenten-Konflikt I zwischen Eigentümern und Managern in Familienunternehmen weniger stark ausgeprägt ist als in Nichtfamilienunternehmen, könnten diese Konzepte in Familienunternehmen eine geringere Bedeutung aufweisen.62 Anderseits weist (wertschaffendes) Finanzmanagement das Potenzial auf, den Prinzipal-Agenten-Konflikt II, d. h. das Risiko der Ausbeutung von Minderheitsaktionären durch die Eigentümerfamilie, und andere in Familienunternehmen zu beobachtende Agentenkonflikte zu verringern. 63 Selbiges würde 55 56 57

58 59 60 61 62

63

Vgl. Anderson et al. (2003), S. 264; Anderson/Reeb (2003a), S. 1301. Vgl. Dick/Pernsteiner (2015), S. 31. Bspw. Smith/Stulz (1985), S. 391 ff.; Anderson/Reeb (2003b), S. 653 ff.; Hagelin et al. (2006), S. 283 ff.; Schmid et al. (2009), S. 1 ff. Vgl. Gómez-Mejía et al. (2007), S. 106 ff. Vgl. Dick/Pernsteiner (2015), S. 31 f. Vgl. Froot et al. (1993), S. 1629 ff. Bspw. Schmid (2013), S. 257 ff.; Dick (2018), S. 44 ff. Vgl. Dick/Pernsteiner (2015), S. 30. sowie – auf das Risikomanagement verweisend – Schmid et al. (2009), S. 1 ff.; Paape/Speklé (2012), S. 540; Hiebl et al. (2019), S. 39 ff. Vgl. Dick/Pernsteiner (2015), S. 30.

328

Markus Dick

zwar grundsätzlich auch für das Risikomanagement gelten. Jedoch muss man in diesem Zusammenhang berücksichtigen, dass sich Risikomanagemententscheidungen von nicht ausreichend diversifizierten Eigentümerfamilien negativ auf (diversifizierte) Minderheitseigentümer auswirken könnten und dementsprechend als potentiell wertvernichtend einzuschätzen sind.64 Zusammenfassend lässt sich dementsprechend aus theoretischer Perspektive – insb. aus den spezifischen nicht finanziellen Zielen und Aspekten der Eigentümerfamilie – ableiten, dass Familienunternehmen tendenziell einen konservativeren und weniger der Wertschaffung verpflichteten Ansatz im Finanzmanagement verfolgen könnten. Daher dürften sie unter Umständen in geringerem Ausmaß fortschrittliche Instrumente bzw. Verfahren des Finanzmanagements einsetzen. Andererseits könnte gerade Risikomanagement für die undiversifizierten und auf Kontrollerhalt bedachten Eigentümerfamilien einen besonderen Wert aufweisen, wodurch sich Agentenkonflikte mit diversifizierten Minderheitsaktionären ergeben können. 5.

Empirische Befunde zum Finanzmanagement von Familienunternehmen

Relativ wenige Studien haben bisher die Ausgestaltung des Finanzmanagements von Familienunternehmen im Vergleich zu Nichtfamilienunternehmen analysiert. Dabei zeigen McConaughy et al., dass börsenotierte US-Unternehmen mit Familien-CEO eine höhere Kennzahl Working Capital/Umsatz und somit ein weniger „aggressives“ Working Capital Management als andere Unternehmen aufweisen.65 García Pérez de Lema und Duréndez untersuchen spanische Familien-KMUs und zeigen, dass kleine Familienunternehmen zumindest teilweise in geringerem Ausmaß Instrumente des Finanzmanagements einsetzen, während für mittelgroße Unternehmen kein Familienunternehmenseffekt identifiziert werden konnte.66 Dick und Pernsteiner können in ihrer Untersuchung des Finanzmanagements von mittleren und großen Unternehmen aus Österreich und Deutschland feststellen, dass Familienunternehmen ein weniger fortschrittliches Finanzmanagement als Nichtfamilienunternehmen aufweisen. Analysiert man die einzelnen Teilfelder des Finanzmanagements, so legen Familienunternehmen weniger Wert auf Value Management und haben mit geringerer Wahrscheinlichkeit ein systematisches Working Capital Management im Unternehmen implementiert. Die Autoren führen dies auf die relativ hohe Bedeutung nicht 64

65 66

Bspw. Anderson/Reeb (2003b), S. 653 ff.; Hagelin et al. (2006), S. 283 ff.; Schmid et al. (2009), S. 1 ff.; Aabo et al. (2011), S. 38 ff. Vgl. McConaughy et al. (2001), S. 31 ff. Vgl. García Pérez de Lema/Duréndez (2007), S. 151 ff.

Finanzmanagement und -controlling in Familienunternehmen

329

finanzieller Zielsetzungen im Vergleich zu finanziellen Zielen in Familienunternehmen zurück, womit die Bedeutung dieser beiden potenziell wertschaffenden Konzepte des Finanzmanagements in den Hintergrund rückt. Für den Einsatz von Instrumenten des finanziellen Risikomanagements (beispielweise Forwards, Futures oder Optionen) können hingegen keine Unterschiede zwischen Familien- und Nichtfamilienunternehmen identifiziert werden, was auf die im Vergleich zu den anderen untersuchten Bereichen relative Bedeutung dieses Konzepts für risikoaverse Familienakteure hindeutet.67 Becker et al. können keine Unterschiede in der Sophistizierung der Finanzplanung zwischen deutschen Familien- und Nichtfamilienunternehmen (aller Größensegmente) ausmachen,68 während Giuli et al. zwar konstatieren, dass italienische Familien-KMUs durchaus fortschrittliche Instrumente und Produkte des Finanzmanagements (in den Bereichen Inanspruchnahme von Corporate-FinanceProdukten wie beispielsweise Beratungsleistungen, Cash Management, Kreditfinanzierung und finanzielles Risikomanagement) einsetzen, jedoch keinen Vergleich mit Nichtfamilienunternehmen anstellen.69 Schlussendlich legen die Befunde von Dick et al. nahe, dass sich ein fortschrittliches Finanzmanagement positiv auf die operative Geschäftstätigkeit von Familienunternehmen (konkret ihre Internationalisierungsaktivitäten) auswirken kann.70 Dieser eher eingeschränkten Befundlage stehen relativ viele Studien gegenüber, die die Bedeutung des Risikomanagements in Familien- im Vergleich zu Nichtfamilienunternehmen beleuchten. Dabei überwiegen die Befunde für eine geringere Bedeutung, einen geringeren Entwicklungsstand oder Einsatz des Risikomanagements bzw. von Risikomanagementinstrumenten in Familienunternehmen, wie beispielsweise in den Studien von – allerdings nur bei bestimmten GovernanceStrukturen – Hagelin et al.71 sowie – hingegen nur mit schwachen Hinweisen – Hagelin et al. (2007)72 für schwedische börsennotierte Unternehmen, Schmid et al.73 für 67 68 69 70

71

72 73

Vgl. Dick/Pernsteiner (2015), S. 27 ff. Vgl. Becker et al. (2013), S. 5 ff. Vgl. Giuli et al. (2011), S. 2931 ff. Ein fortschrittliches Finanzmanagement (Working Capital Management bzw. Value Management) geht mit höheren Internationalisierungsmodi wie Direktinvestitionen bei österreichischen und deutschen mittleren sowie großen Familienunternehmen einher (Dick et al. (2017), S. 42 ff.). Zwar stellen die Autoren keine Unterschiede im Hedging von Währungsrisiken zwischen Familien- und Nichtfamilienunternehmen fest. Jedoch wirkt sich ein Auseinanderfallen von Anteils- und Kontrollrechten (z. B. über mehrere Aktiengattungen mit unterschiedlichen Stimmrechten) (nur) bei Familienunternehmen negativ auf das Hedging aus. Dies werten die Autoren als Indiz dafür, dass Eigentümerfamilien durch beispielsweise den Einsatz von mehreren Aktiengattungen ihr Vermögen stärker diversifizieren können, ohne die Kontrolle über ihr Unternehmen zu verlieren, und folglich in geringerem Ausmaß auf Währungsrisikomanagement zur Absicherung ihres ansonsten, d. h. bei Gültigkeit des Prinzips „One share – one vote“, relativ undiversifizierten Vermögens setzen müssen (Hagelin et al. (2006), S. 283 ff.). Vgl. Hagelin et al. (2007), S. 721 ff. Vgl. Schmid et al. (2009), S. 1 ff.

330

Markus Dick

deutsche börsennotierte Unternehmen, Paape und Speklé74 für börsennotierte und nicht notierte Unternehmen aus den Niederlanden, Brustbauer75 für kleine und mittlere österreichische Unternehmen sowie Hiebl et al.76 für österreichische und deutsche Unternehmen über 50 Mitarbeiter. Ebenfalls in diese Richtung deuten weitere Befunde: Faghfouri et al.77 zeigen einen negativen Effekt von Familieneigentum auf das formale Krisenmanagement deutscher KMUs sowie Anderson und Reeb78 eine geringere Branchendiversifikation von börsennotierten US-Familienunternehmen. Die Autoren interpretieren dies als Hinweis darauf, dass Eigentümerfamilien ihre geringe Vermögensdiversifikation nicht (auf Kosten von Minderheitsaktionären) durch ein geringeres Geschäftsrisiko bzw. nicht wertschaffende Diversifikationsstrategien auf Unternehmensebene kompensieren. Die geringere Branchendiversifikation von börsennotierten US-Familienunternehmen bestätigt sich auch in der Studie von Kim et al., während sie Derivate mit ähnlicher Wahrscheinlichkeit (Einsatz ja/nein), allerdings in geringerem Ausmaß (Anzahl und Volumen der Kontrakte) im Vergleich zu Nichtfamilienunternehmen verwenden. Zudem können die Autoren zeigen, dass Familienunternehmen zwar eine höhere Bewertung am Kapitalmarkt als andere Unternehmen aufweisen, sich jedoch Diversifikationsstrategien und der Einsatz von Derivaten im Gegensatz zu Nichtfamilienunternehmen nicht positiv auf den Unternehmenswert auswirken, was darauf hindeutet, dass durch undiversifizierte Familienaktionäre vorgenommene Risikoabsicherungsstrategien das Potenzial aufweisen, Unternehmenswert zu vernichten.79 Diesen Befunden für eine tendenziell geringere Bedeutung des Risikomanagements in Familienunternehmen widerspricht die Studie von Aabo et al. für mittelgroße dänische Unternehmen. Die Autoren können zwar keine Unterschiede in der Frage des Einsatzes (ja/nein) von Währungsderivaten zwischen Familien- und Nichtfamilienunternehmen identifizieren. Allerdings zeigt sich bei ausschließlicher Analyse jener Unternehmen, die überhaupt Währungsderivate einsetzen, dass Familienunternehmen diese Instrumente sowohl in größerem Ausmaß zum Hedging als auch zu Spekulationszwecken verwenden.80 Einige Studien haben abschließend Einflussfaktoren auf das Finanzmanagement von Familienunternehmen analysiert. In diesem Zusammenhang bestätigt sich der bereits in grundlegenden nicht familienunternehmensspezifischen Studien – wie beispielsweise Graham und Harvey81 oder Brounen et al.82 – aufgezeigte positive 74 75 76 77 78 79 80 81 82

Vgl. auf eigentümergeführte Unternehmen bezugnehmend Paape/Speklé (2012), S. 533 ff. Vgl. Brustbauer (2016), S. 70 ff. Vgl. Hiebl et al. (2019), S. 39 ff. Vgl. Faghfouri et al. (2015), S. 317 ff. Vgl. Anderson/Reeb (2003b), S. 653 ff. Vgl. Kim et al. (2014), S. 415 ff. Vgl. Aabo et al. (2011), S. 38 ff. Vgl. Graham/Harvey (2001), S. 187 ff. Vgl. Ryan/Trahan (2007), S. 111.

Finanzmanagement und -controlling in Familienunternehmen

331

Größeneffekt auf den Einsatz von fortschrittlichen Instrumenten bzw. Produkten des Finanzmanagements in den Studien von Gallo und Vilaseca für spanische Familienunternehmen (primär KMUs)83 und Filbeck und Lee für US-Familienunternehmen über 500 Mitarbeiter84. In der bereits angesprochenen Studie von Giuli et al. zeigt sich dieser Effekt jedoch nur teilweise (für die Bereiche Corporate-Finance-Produkte und Cash Management) und ist relativ schwach ausgeprägt. Hingegen ist eine positive Auswirkung der Familiengeneration (Corporate-Finance-Produkte und Cash Management) sowie externer Eigentümer (Bereiche Kreditfinanzierung und Risikomanagement) auf den Einsatz fortschrittlicher Instrumente und Produkte des Finanzmanagements festzustellen, während ein familienexterner CEO keinen und ein externer CFO nur einen positiven Einfluss auf den Bereich Cash Management nimmt.85 Ein externer Einfluss wirkt sich darüber hinaus auch in der ebenfalls bereits diskutierten Untersuchung von Dick und Pernsteiner86 positiv auf den Entwicklungsstand des Finanzmanagements aus, während die Befunde dazu in Filbeck und Lee87 gemischt ausfallen. Zusammenfassend überwiegen in den diskutierten Studien die Befunde für ein geringer entwickeltes Finanzmanagement von Familienunternehmen. Korrespondierend dazu dürfte sich – neben der Unternehmensgröße – auch ein externer Einfluss in Familienunternehmen tendenziell positiv auf den Entwicklungsstand des Finanzmanagements auswirken und somit eine gewisse Professionalisierung anstoßen. Diese Ergebnisse manifestieren sich zum einen in einem geringeren (oder teilweise auch vergleichbaren) Einsatz von fortschrittlichen Instrumenten und Verfahren des Finanzmanagements durch Familienunternehmen. Zum anderen überwiegen aber auch mit wenigen Ausnahmen – wie beispielsweise der Studie von Aabo et al.88 – die Hinweise auf eine geringere Bedeutung des Risikomanagements in Familienunternehmen. Diese Befunde überraschen angesichts der besonderen Risikoexposition von Eigentümerfamilien und dürften somit – trotz der Evidenz von Kim et al.89 für (potentiell) negative Werteffekte von Risikoabsicherungsstrategien bei Familienunternehmen – die Befürchtung, dass Eigentümerfamilien ihre undiversifizierte Vermögensposition durch nicht wertschaffende Risikomanagemententscheidungen auf 83

84 85 86

87 88 89

Gallo/Vilaseca (1996), S. 387 ff. verweisen in diesem Zusammenhang auf den Einsatz eines breiteren Spektrums an Finanzprodukten bei steigender Unternehmensgröße. Vgl. Filbeck/Lee (2000), S. 201 ff. Vgl. Giuli et al. (2011), S. 2931 ff. Dabei zeigt sich ein negativer Einfluss (reinen) Familieneigentums (und somit ein positiver Effekt externer Eigentümer) auf den Entwicklungsstand des Finanzmanagements generell sowie auf das Value Management, während sich (reines) Familienmanagement negativ (und somit familienfremde Manager positiv) auf das Working Capital Management auswirken (Dick/Pernsteiner (2015), S. 27 ff.). Vgl. Filbeck/Lee (2000), S. 201 ff. Vgl. Aabo et al. (2011), S. 38 ff. Vgl. Kim et al. (2014), S. 415 ff.

332

Markus Dick

Kosten von Minderheitseigentümern kompensieren könnten, nicht unterstützen. Hingegen könnten diese empirischen Hinweise auch darauf hindeuten, dass sich der geringe Entwicklungsstand des Finanzmanagements in einem zu geringen Fokus auf (potentiell wertschaffende) Risikoabsicherungsmaßnahmen bzw. generell auf wertschaffendes Finanzmanagement widerspiegelt. 6.

Zusammenfassung

Familienunternehmen zeichnen sich durch eine spezifische Anreizsituation und eine hohe Relevanz nicht finanzieller Zielsetzungen und Aspekte für unternehmerische Entscheidungen aus. Der vorliegende Beitrag untersucht, in welchem Ausmaß diese Charakteristika das Finanzmanagement und -controlling von Familienunternehmen beeinflussen. Dabei legt die theoretische Analyse nahe, dass (nicht finanzielle) Familienziele wie der Wunsch nach langfristigem Kontrollerhalt über mehrere Generationen, aber auch die undiversifizierte Vermögensposition der Eigentümerfamilie zu einem konservativeren, in geringerem Ausmaß der Wertschaffung verpflichteten bzw. weniger fortschrittlichen Finanzmanagement führen könnten. Hingegen scheint es denkbar, dass undiversifizierte und auf Kontrollerhalt abzielende Familienaktionäre verstärkt auf Risikomanagement setzen und dadurch unter Umständen diversifizierte Minderheitsaktionäre schädigen. Die empirischen Studien bestätigen dieses Bild jedoch nur zum Teil. Zwar findet sich überwiegend Evidenz für ein weniger entwickeltes Finanzmanagement von Familienunternehmen, dieser Befund trifft aber überraschenderweise gerade auf das Risikomanagement zu, dem Familienunternehmen nach der Mehrzahl der Studien einen geringeren Stellenwert als Nichtfamilienunternehmen beimessen. Nicht abschließend klären lässt sich nach der Analyse der bisherigen Literatur, wie sich etwaige Konflikte zwischen den einzelnen familienunternehmensspezifischen Zielen und Aspekten auf das Finanzmanagement von Familienunternehmen bzw. dessen Entwicklungsstand auswirken. Offen bleibt darüber hinaus auch, welche Implikationen sich aus dem niedrigen Entwicklungsniveau des Finanzmanagements von Familienunternehmen für die Position von Minderheitseigentümern ergeben. Profitieren diversifizierte Nichtfamilieneigentümer durch den Verzicht auf nicht wertschaffende Risikoabsicherungsstrategien – worauf in einer isolierten Betrachtung die Befunde von Kim et al.90 hindeuten – oder wird dieser Effekt durch ein weniger der Wertschaffung verpflichtetes Finanzmanagement kompensiert? Zukünftige Forschungsarbeiten könnten hier Aufklärung bringen.

90

Vgl. Kim et al. (2014), S. 415 ff.

Finanzmanagement und -controlling in Familienunternehmen

333

Literatur Aabo, T./Kuhn, J./Zanotti, G. (2011): Founder family influence and foreign exchange risk management. International Journal of Managerial Finance, 7 Jg., Nr. 1, S. 38-67. Achleitner, A.-K./Schraml, S. C./Klöckner, O. (2008): Finanzierung von Familienunternehmen – wie professionell ist die Unternehmensfinanzierung tatsächlich? München: Center for Entrepreneurial and Financial Studies (CEFS). Anderson, R. C./Mansi, S. A./Reeb, D. M. (2003): Founding family ownership and the agency cost of debt. Journal of Financial Economics, 68 Jg., Nr. 2, S. 263-285. Anderson, R. C./Reeb, D. M. (2003a): Founding-Family Ownership and Firm Performance. Evidence from the S&P 500. The Journal of Finance, 58 Jg., Nr. 3, S. 1301-1328. Anderson, R. C./Reeb, D. M. (2003b): Founding‐Family Ownership, Corporate Diversification, and Firm Leverage. The Journal of Law and Economics, 46 Jg., Nr. 2, S. 653-684. Andres, C. (2008): Large shareholders and firm performance – An empirical examination of founding-family ownership. Journal of Corporate Finance, 14 Jg., Nr. 4, S. 431-445. Aronoff, C. E. (1998): Megatrends in Family Business. Family Business Review, 11 Jg., Nr. 3, S. 181-185. Astrachan, J. H./Shanker, M. C. (2003): Family Businesses’ Contribution to the U.S. Economy: A Closer Look. Family Business Review, 16 Jg., Nr. 3, S. 211-219. Bauguess, S./Stegemoller, M. (2008): Protective governance choices and the value of acquisition activity. Journal of Corporate Finance, 14 Jg., Nr. 5, S. 550-566. Becker, W./Ulrich, P./Zimmermann, L. (2013): Effekte von Familieneinfluss und Unternehmensgröße auf das Finanzmanagement im deutschen Mittelstand – eine empirische Analyse. In: Moog, P./Witt, P. (Hrsg.), Mittelständische Unternehmen. ZfB Special Issue (Bd. 4, S. 5-35). Wiesbaden: Springer Fachmedien. Berrone, P./Cruz, C./Gomez-Mejia, L. R. (2012): Socioemotional Wealth in Family Firms. Theoretical Dimensions, Assessment Approaches, and Agenda for Future Research. Family Business Review, 25 Jg., Nr. 3, S. 258-279. Brounen, D./Jong, A. de/Koedijk, K. (2004): Corporate Finance in Europe: Confronting Theory with Practice. Financial Management, 33 Jg., Nr. 4, S. 71-101. Brustbauer, J. (2016): Enterprise risk management in SMEs: Towards a structural model. International Small Business Journal, 34 Jg., Nr. 1, S. 70-85. Chrisman, J. J./Chua, J. H./Pearson, A. W./Barnett, T. (2012): Family Involvement, Family Influence, and Family-Centered Non-Economic Goals in Small Firms. Entrepreneurship Theory and Practice, 36 Jg., Nr. 2, S. 267-293. Chua, J. H./Chrisman, J. J./De Massis, A. (2015): A Closer Look at Socioemotional Wealth: Its Flows, Stocks, and Prospects for Moving Forward. Entrepreneurship Theory and Practice, 39 Jg., Nr. 2, S. 173-182. Coleman, S./Carsky, M. (1999): Sources of Capital for Small Family-Owned Businesses. Family Business Review, 12 Jg., Nr. 1, S. 73-86. Cruz, C./Larraza-Kintana, M./Garcés-Galdeano, L./Berrone, P. (2014): Are Family Firms Really More Socially Responsible?. Entrepreneurship Theory and Practice, 38 Jg., Nr. 6, S. 1295-1316. DeAngelo, H./DeAngelo, L. (1985): Managerial ownership of voting rights. Journal of Financial Economics, 14 Jg., Nr. 1, S. 33-69. Demsetz, H./Lehn, K. (1985): The Structure of Corporate Ownership. Causes and Consequences. Journal of Political Economy, 93 Jg., Nr. 6, S. 1155-1177. Giuli, A. di/Caselli, S./Gatti, S. (2011): Are small family firms financially sophisticated? Journal of Banking & Finance, 35 Jg., Nr. 11, S. 2931-2944.

334

Markus Dick

Dick, M. (2015): Family Influence and Dividend Policy. Evidence from two Bank-Based Economies. Journal of International Business and Economics, 15 Jg., Nr. 2, S. 65-78. Dick, M. (2018): Kapitalstruktur, Dividendenpolitik und Corporate Governance börsenotierter Familienunternehmen. Evidenz für Mitteleuropa. Linz: Trauner. Dick, M./Mitter, C./Feldbauer Durstmüller, B./Pernsteiner, H. (2017): The impact of finance and governance on the internationalisation modes of family firms. European Journal of International Management, 11 Jg., Nr. 1, S. 42-64. Dick, M./Pernsteiner, H. (2015): The Impact of Family Influence on the Financial Sophistication of Firms. European Journal of Management, 15 Jg., Nr. 2, S. 27-44. Dick, M./Wagner, E. (2019): Kapitalstruktur von Familienunternehmen – Agencytheoretische und verhaltensorientierte Aspekte im KMU-Kontext. In: Pernsteiner, H./Sumer, H./Ulusan Polat, M. (Hrsg.), Behavioral Finance (i. E.). Wien: Linde. Drukarczyk, J./Lobe, S./Schüler, A. (2002): Finanzmanagement. In: Küpper, H.U./Wagenhofer, A. (Hrsg.), Handwörterbuch Unternehmensrechnung und Controlling (S. 558-568). 4. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Dyer, W. G. (2006): Examining the “Family Effect” on Firm Performance. Family Business Review, 19 Jg., Nr. 4, S. 253-273. Faccio, M./Lang, L. H. P./Young, L. (2001): Dividends and Expropriation. The American Economic Review, 91 Jg., Nr. 1, S. 54-78. Faghfouri, P./Kraiczy, N. D./Hack, A./Kellermanns, F. W. (2015): Ready for a crisis? How supervisory boards affect the formalized crisis procedures of small and medium-sized family firms in Germany. Review of Managerial Science, 9 Jg., Nr. 2, S. 317-338. Fama, E. F./Jensen, M. C. (1983): Separation of Ownership and Control. The Journal of Law and Economics, 26 Jg., Nr. 2, S. 301-325. Fama, E. F./Jensen, M. C. (1985): Organizational forms and investment decisions. Journal of Financial Economics, 14 Jg., Nr. 1, S. 101-119. Filbeck, G./Lee, S. (2000): Financial Management Techniques in Family Businesses. Family Business Review, 13 Jg., Nr. 3, S. 201-216. Froot, K. A./Scharfstein, D. S./Stein, J. C. (1993): Risk Management: Coordinating Corporate Investment and Financing Policies. The Journal of Finance, 48 Jg., Nr. 5, S. 1629-1658. Fueglistaller, U./Zellweger, T. (2005): Finanzielles Risiko- und Investitionsverhalten von Familienunternehmen. Family Business Center, Universität St. Gallen & Ernst&Young. Gallo, M. A./Vilaseca, A. (1996): Finance in Family Business. Family Business Review, 9 Jg., Nr. 4, S. 387-401. García Pérez de Lema, D./Duréndez, A. (2007): Managerial behaviour of small and medium‐sized family businesses: an empirical study. International Journal of Entrepreneurial Behavior & Research, 13 Jg., Nr. 3, S. 151-172. Géczy, C./Minton, B. A./Schrand, C. (1997): Why Firms Use Currency Derivatives. The Journal of Finance, 52 Jg., Nr. 4, S. 1323-1354. Gillenkirch, R. (2002): Finanzcontrolling. In: Küpper, H.-U./Wagenhofer, A. (Hrsg.), Handwörterbuch Unternehmensrechnung und Controlling (S. 531–539). 4. Auflage, Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Gómez-Mejía, L. R./Haynes, K. T./Núñez-Nickel, M./Jacobson, K. J. L./MoyanoFuentes, J. (2007): Socioemotional Wealth and Business Risks in Family-controlled Firms: Evidence from Spanish Olive Oil Mills. Administrative Science Quarterly, 52 Jg., Nr. 1, S. 106-137. Graham, J. R./Harvey, C. R. (2001): The theory and practice of corporate finance: evidence from the field. Journal of Financial Economics, 60 Jg., Nr. 2-3, S. 187-243.

Finanzmanagement und -controlling in Familienunternehmen

335

Guserl, R./Pernsteiner, H. (2015): Finanzmanagement. Grundlagen – Konzepte – Umsetzung. 2. Auflage. Wiesbaden: Gabler. Hagelin, N./Holmén, M./Knopf, J. D./Pramborg, B. (2007): Managerial Stock Options and the Hedging Premium. European Financial Management, 13 Jg., Nr. 4, S. 721-741. Hagelin, N./Holmén, M./Pramborg, B. (2006): Family ownership, dual-class shares, and risk management. Global Finance Journal, 16 Jg., Nr. 3, S. 283-301. Hiebl, M. R.W./Duller, C./Neubauer, H. (2019): Enterprise risk management in family firms: evidence from Austria and Germany. The Journal of Risk Finance, 20 Jg., Nr. 1, S. 39-58. Ittner, C. D./Larcker, D. F. (2001): Assessing empirical research in managerial accounting: a value-based management perspective. Journal of Accounting and Economics, 32 Jg., Nr. 1-3, S. 349-410. Jensen, M. C./Meckling, W. H. (1976): Theory of the firm. Managerial behavior, agency costs and ownership structure. Journal of Financial Economics, 3 Jg., Nr. 4, S. 305-360. Kahneman, D./Tversky, A. (1979): Prospect Theory: An Analysis of Decision under Risk. Econometrica, 47 Jg., Nr. 2, S. 263-292. Kim, C./Pantzalis, C./Park, J. C. (2014): Do Family Owners Use Firm Hedging Policy to Hedge Personal Undiversified Wealth Risk? Financial Management, 43 Jg., Nr. 2, S. 415-444. Lee, M.-S./Rogoff, E. G. (1996): Research Note. Comparison of Small Businesses with Family Participation versus Small Businesses Without Family Participation: An Investigation of Differences in Goals, Attitudes, and Family/Business Conflict. Family Business Review, 9 Jg., Nr. 4, S. 423-437. López-Gracia, J./Sánchez-Andújar, S. (2007): Financial Structure of the Family Business. Evidence From a Group of Small Spanish Firms. Family Business Review, 20 Jg., Nr. 4, S. 269-287. Lubatkin, M. H./Schulze, W. S./Ling, Y./Dino, R. N. (2005): The effects of parental altruism on the governance of family-managed firms. Journal of Organizational Behavior, 26 Jg., Nr. 3, S. 313-330. Mandl, I. (2008): Overview of Family Business Relevant Issues. Contract No. 30-CE0164021/00-51. Final Report. KMU Forschung Austria, Wien. Martin, G./Campbell, J. T./Gomez-Mejia, L. (2016): Family Control, Socioemotional Wealth and Earnings Management in Publicly Traded Firms. Journal of Business Ethics, 133 Jg., Nr. 3, S. 453-469. May, D. O. (1995): Do Managerial Motives Influence Firm Risk Reduction Strategies? The Journal of Finance, 50 Jg., Nr. 4, S. 1291-1308. McConaughy, D. L./Matthews, C. H./Fialko, A. S. (2001): Founding Family Controlled Firms. Performance, Risk, and Value. Journal of Small Business Management, 39 Jg., Nr. 1, S. 31-49. Miller, D./Breton-Miller, I. le (2006): Family Governance and Firm Performance. Agency, Stewardship, and Capabilities. Family Business Review, 19 Jg., Nr. 1, S. 73-87. Mishra, C. S./McConaughy, D. L. (1999): Founding Family Control and Capital Structure: The Risk of Loss of Control and the Aversion to Debt. Entrepreneurship Theory and Practice, 23 Jg., Nr. 4, S. 53-64. Modigliani, F./Miller, M. H. (1958). The Cost of Capital, Corporation Finance and the Theory of Investment. The American Economic Review, 48 Jg., Nr. 3, S. 261-297. Morck, R./Shleifer, A./Vishny, R. W. (1988): Management ownership and market valuation. An empirical analysis. Journal of Financial Economics, 20 Jg., S. 293-315. Paape, L./Speklé, R. F. (2012): The Adoption and Design of Enterprise Risk Management Practices: An Empirical Study. European Accounting Review, 21 Jg., Nr. 3, S. 533-564.

336

Markus Dick

Perridon, L./Steiner, M./Rathgeber, A. W. (2017): Finanzwirtschaft der Unternehmung. 17. Auflage. München: Franz Vahlen. Rajan, R. G./Zingales, L. (1995): What Do We Know about Capital Structure? Some Evidence from International Data. The Journal of Finance, 50 Jg., Nr. 5, S. 1421-1460. Ryan, H. E./Trahan, E. A. (2007): Corporate Financial Control Mechanisms and Firm Performance: The Case of Value-Based Management Systems. Journal of Business Finance & Accounting, 34 Jg., Nr. 1-2, S. 111-138. Schmid, T. (2013): Control considerations, creditor monitoring, and the capital structure of family firms. Journal of Banking & Finance, 37 Jg., Nr. 2, S. 257-272. Schmid, T./Ampenberger, M./Kaserer, C./Achleitner, A.-K. (2008): Family firms, agency costs and risk aversion – Empirical evidence from diversification and hedging decisions. CEFS Working Paper No. 2008-13. Schraml, S. C. (2010): Finanzierung von Familienunternehmen. Eine Analyse spezifischer Determinanten des Entscheidungsverhaltens. Wiesbaden: Gabler. Schulze, W. S./Lubatkin, M. H./Dino, R. N. (2003b): Exploring the Agency Consequences of Ownership Dispersion among the Directors of Private Family Firms. The Academy of Management Journal, 46 J., Nr. 2, S. 179-194. Schulze, W. S./Lubatkin, M. H./Dino, R. N. (2003a): Toward a theory of agency and altruism in family firms. Journal of Business Venturing, 18 Jg., Nr. 4, S. 473-490. Schulze, W. S./Lubatkin, M. H./Dino, R. N./Buchholtz, A. K. (2001): Agency Relationships in Family Firms: Theory and Evidence. Organization Science, 12 Jg., Nr. 2, S. 99-116. Shleifer, A./Vishny, R. W. (1997): A Survey of Corporate Governance. The Journal of Finance, 52 Jg., Nr. 2, S. 737-783. Smith, C. W./Stulz, R. M. (1985): The Determinants of Firms’ Hedging Policies. The Journal of Financial and Quantitative Analysis, 20 Jg., Nr. 4, S. 391-405. Spanò, M. (2007): Managerial Ownership and Corporate Hedging. Journal of Business Finance & Accounting, 34 Jg., Nr. 7-8, S. 1245-1280. Stulz, R. M. (1990): Managerial discretion and optimal financing policies. Journal of Financial Economics, 26 Jg., Nr. 1, S. 3-27. Tagiuri, R./Davis, J. A. (1992): On the Goals of Successful Family Companies. Family Business Review, 5 Jg., Nr. 1, S. 43-62. Thomsen, S./Pedersen, T. (2000): Ownership structure and economic performance in the largest european companies. Strategic Management Journal, 21 Jg., Nr. 6, S. 689-705. Tversky, A./Kahneman, D. (1991): Loss Aversion in Riskless Choice: A ReferenceDependent Model. The Quarterly Journal of Economics, 106 Jg., Nr. 4, S. 1039-1061. Vardaman, J. M./Gondo, M. B. (2014): Socioemotional Wealth Conflict in Family Firms. Entrepreneurship Theory and Practice, 25 Jg., Nr. 3, S. 1317-1322. Villalonga, B./Amit, R. (2006): How do family ownership, control and management affect firm value? Journal of Financial Economics, 80 Jg., Nr. 2, S. 385-417.

Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen

Martin R. W. Hiebl 1.

Hintergrund

Familienunternehmen gelten international, und insbesondere auch im deutschsprachigen Raum, als das Rückgrat vieler Volkswirtschaften: Familienunternehmen erbringen in vielen Ländern große Teile der nationalen Wirtschaftsleistung, beschäftigen häufig den Großteil der Arbeitnehmer in einem Land und stellen allgemein die Mehrheit aller Unternehmen in vielen Ländern. 1 Trotz dieser gesamtwirtschaftlichen Relevanz von Familienunternehmen schaffen es viele individuelle Familienunternehmen nicht, eines der, wenn nicht das, dominierende Ziel in derlei Unternehmen2 zu erreichen – nämlich das weitere Bestehen des Unternehmens als Familienunternehmen über Generationen hinweg sicherzustellen. So gibt es etwa Schätzungen, dass es nur 30 % der Familienunternehmen in die zweite Generation „schaffen“ und nur 10-15 % in die dritte Generation.3 Für diese relativ ernüchternden Schätzungen zum generationenübergreifenden Bestehen von Familienunternehmen gibt es mehrerlei Gründe wie z. B. das Nicht-Vorhandensein von geeigneten familieninternen Nachfolgern und den folglichen Verkauf des Unternehmens an Externe.4 Ein weiterer Grund für das Verfehlen einer generationenübergreifenden Nachfolge kann aber auch in einer betriebswirtschaftlich nicht adäquaten Unternehmensführung in Familienunternehmen gesehen werden. Lange Zeit wurde Familienunternehmen gemeinhin nachgesagt, sie würden weniger „professional“ als Nicht-Familienunternehmen agieren und 1 2 3 4

Vgl. z. B. IFERA (2003), S. 235 ff. Vgl. z. B. Zellweger et al. (2012), S. 136 f. Vgl. Beckhard/Dyer (1983), S. 5 ff. Vgl. Parker (2016), S. 1241 ff.; Lee et al. (im Druck), S. 1 f.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_16

338

Martin R. W. Hiebl

dass sie nur durch den Einsatz familienfremder Manager professionalisiert werden könnten.5 Während diese Ansicht mittlerweile größtenteils als überholt gilt,6 gibt es doch Evidenz, dass sich viele Familienunternehmen – insbesondere kleinere – gegen den Einsatz betriebswirtschaftlicher Instrumente sträuben. In besonderem Maße trifft dies auch auf Controlling-Instrumente zu. In Summe zeigt die Literatur, dass Familienunternehmen – und wiederum in erster Linie kleine und mittelgroße Familienunternehmen – Controlling-Instrumente weniger intensiv und/oder weniger häufig einsetzen als Nicht-Familienunternehmen.7 Jüngere Forschungsergebnisse liefern auch Evidenz zu den Gründen für den geringeren Einsatz von Controlling in Familienunternehmen. So zeigen die Ergebnisse von Andric und Kammerlander etwa, dass Familienunternehmen stärker als Nicht-Familienunternehmen auf Erfahrung und Intuition setzen und daher Controlling in geringerem Maß einsetzen als Nicht-Familienunternehmen.8 Obgleich derlei Gründe für den Verzicht auf Controlling teilweise nachvollziehbar sind mit Hinweisen auf traditionelle Stärken von Familienunternehmen, wie einer hohen Flexibilität und großen unternehmerischen Freiheiten,9 birgt eine geringere Nutzung von formalen Systemen der Entscheidungsunterstützung doch das Risiko, dass unternehmerische Entscheidungen wichtige Risiken und finanzielle Folgen nicht ausreichend beachten. Der Zusammenhang zwischen einer nicht ausreichenden Controlling-Nutzung und dem Scheitern vieler Familienunternehmen wird nicht zuletzt auch durch einschlägige Insolvenzstatistiken untermauert: So zeigt eine Analyse von Euler Hermes etwa, dass die meisten insolventen Unternehmen dem Mittelstand zugerechnet werden können, 10 und dass fehlendes Controlling die Insolvenzursache Nummer eins ist. 11 Vor diesem Hintergrund scheint in vielen Fällen eine Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen angebracht bzw. zumindest überlegenswert – einerseits, um existenzbedrohende Risiken besser erkennen, einschätzen und womöglich

5 6 7

8 9 10

11

Vgl. Hall/Nordqvist (2008), S. 51 ff. Vgl. Hiebl/Mayrleitner (2017), S. 4. Vgl. z. B. Speckbacher/Wentges (2012), S. 40 ff.; Hiebl et al. (2013b), S. 133 ff.; Hiebl et al. (2015), S. 381 ff.; Senftlechner/Hiebl (2015), S. 594; Duréndez et al. (2016), S. 16 f.; Helsen et al. (2017), S. 6 ff.; Heinicke (2018), S. 457 ff.; Hiebl et al. (2018), S. 377 ff.; Quinn et al. (2018), S. 530 f. Vgl. Andric/Kammerlander (2017), S. 238 ff. Vgl. z. B. Nordqvist/Melin (2010), S. 19 ff. Vgl. auch Kücher/Feldbauer-Durstmüller (2019), S. 509; Mayr et al. (2017), S. 108. Mittelständische Unternehmen sind nicht allesamt als Familienunternehmen zu klassifizieren (vgl. Becker/Ulrich (2009), S. 2). Jedoch besteht eine große Schnittmenge zwischen diesen beiden Unternehmenstypen. Das heißt, die allermeisten mittelständischen Unternehmen sind gleichzeitig auch als Familienunternehmen klassifizierbar – vgl. Becker et al. (2008), S. 21 ff. Vgl. Euler Hermes Kreditversicherungs-AG (2006), S. 15 ff.

Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen

339

vermeiden zu können, und andererseits, um das Management des Unternehmens zu formalisieren und daher eine interne oder externe Nachfolge zu befördern. 12 Der vorliegende Beitrag hat daher zum Ziel, notwendige Voraussetzungen für eine Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen zu identifizieren (siehe Kapitel 3) und einen Überblick über die bisherige Evidenz zu derlei Professionalisierungsprozessen zu geben (Kapitel 4). Bevor auf diese Ziele näher eingegangen wird, wird zunächst das in diesem Beitrag herangezogene Verständnis der Professionalisierung von Controlling in Familienunternehmen erläutert (Kapitel 2). Der Beitrag schließt mit Implikationen für die Praxis und die weitere Forschung zum Controlling in Familienunternehmen (Kapitel 5). 2.

Zentrale Begriffe: Professionalisierung, Controlling und Familienunternehmen

Bevor konkrete Voraussetzungen für die Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen identifiziert werden können, ist zunächst zu klären, was überhaupt unter dieser Professionalisierung verstanden werden kann. Diese scheinbar triviale Übung erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht ganz einfach, da bisher wenig Einigkeit in der Literatur besteht, was ganz generell die Professionalisierung von Familienunternehmen ausmacht. Wie oben angedeutet, wurde lange Zeit in der internationalen empirischen Familienunternehmensliteratur das Phänomen der Professionalisierung einfach mit dem Vorhandensein von familienfremden Managern operationalisiert. 13 Obgleich familienfremde Manager sicher wichtige Beiträge zur Professionalisierung erbringen können (siehe unten), wird schnell deutlich, dass diese Operationalisierung von Professionalisierung zu kurz greift: Sie impliziert nämlich, dass familiengeführte Familienunternehmen nie professionell gemanagt sein könnten, was angesichts der großen Anzahl erfolgreicher, wachstums- und gewinnstarker familiengeführter Unternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit unzutreffend ist. 14 Die jüngere Literatur zur Professionalisierung von Familienunternehmen hat dieses Problem erkannt und vertritt nun größtenteils die Ansicht, dass eine derartige Professionalisierung ein vielschichtiger Prozess ist. 15 Als Facetten dieses Prozesses werden unter anderem die Etablierung geeigneter GovernanceStrukturen, die erhöhte Delegation von Entscheidungsrechten innerhalb des Fa12

13 14 15

Vgl. Giovannoni et al. (2011), S. 126 ff.; Feldbauer-Durstmüller et al. (2012), S. 413; Hiebl (2013b), S. 80 ff.; Hiebl (2013c), S. 20 ff. Vgl. Hall/Nordqvist (2008), S. 53 f.; Dekker et al. (2015), S. 516 f. Vgl. Hiebl/Mayrleitner (im Druck), S. 4. Vgl. Stewart/Hitt (2012), S. 60 f.; Dekker et al. (2013), S. 82 ff.; Howorth et al. (2016), S. 805.

340

Martin R. W. Hiebl

milienunternehmens, der Einsatz von familienfremden Experten in Management und Aufsichtsorganen sowie die erhöhte Verwendung von formalen ControllingInstrumenten gesehen.16 Allerdings wird aus dieser vorherrschenden enumerativen Sichtweise auf die Professionalisierung von Familienunternehmen auch klar, dass eine allgemeiner formulierte Definition der Professionalisierung von Familienunternehmen bislang fehlt,17 was wahrscheinlich nicht zuletzt auf die substanzielle Heterogenität von Familienunternehmen und einhergehende, sehr unterschiedliche Modi der Professionalisierung zurückzuführen ist. 18 Für die Bestimmung, was nunmehr die Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen bedeuten mag, führt dies zu folgendem Problem: Aufgrund der Nicht-Existenz einer allgemeineren Definition von Professionalisierung in Familienunternehmen kann nicht eine fokussierte Definition der Professionalisierung Controlling abgeleitet werden. 19 Folglich schlagen Hiebl und Mayrleitner auch für die Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen eine Aufzählung von fünf Aspekten vor, welche aus der bisherigen Literatur zu Controlling in Familienunternehmen abgeleitet wurden und die für eine stärkere Professionalisierung sprechen würden. Diese Aspekte sind: 20 1. Ein höherer Grad der Formalisierung von Controlling-Instrumenten, 2. ein höherer Grad der Delegation von Verantwortung an spezialisierte Manager, welcher durch Controlling-Prozesse ermöglicht wird, 3. die Etablierung von Controlling-Abteilungen, 4. die Einstellung von spezialisierten Controllern und 5. ein erhöhter Einfluss von Controlling-Führungskräften. Hiebl und Mayrleitner postulieren, dass eine höhere Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen dann vorliegt, wenn diese fünf Aspekte realisiert bzw. in höherem Maße realisiert sind. 21 Sie verknüpfen diese fünf As16 17 18 19

20 21

Vgl. Songini (2006), S. 271 ff.; Dekker et al. (2015), S. 519 ff.; Howorth et al. (2016); S. 805 ff. Vgl. Hiebl/Mayrleitner (im Druck), S. 4. Vgl. Stewart/Hitt (2012), S. 66 ff. Alternativ wäre denkbar, dass für die Erlangung eines Verständnisses der Professionalisierung von Controlling in Familienunternehmen auch auf Modelle der allgemeinen Professionalisierung des Controllings zurückgegriffen werden würde. Derlei allgemeine Modelle der ControllingProfessionalisierung fehlen in der internationalen Literatur jedoch weitgehend. Zwar existieren in der Literatur Messmodelle für die Professionalität bzw. die Professionalisierung einzelner Accountants (vgl. z.°B. Adler/Liyanarachchi (im Druck), S. 2 ff.), jedoch eben nicht für die Professionalisierung von Accounting- oder Controlling-Systemen. In der deutschsprachigen Literatur gibt es unterdessen vereinzelte Arbeiten zur Professionalisierung des Controllings. Jedoch beziehen sich diese auf sehr spezielle Kontexte wie etwa Controlling in der Behindertenhilfe (Vaudt/Rasche (2011)) oder in Krankenkassen (Schlösser/Schreyögg (2005)) oder verzichten auf eine explizite Konzeptionierung von „Professionalisierung“ (Diehm (2017); Pampel (2019)), sodass derlei Arbeiten nicht unmittelbar für den vorliegenden Beitrag herangezogen werden können. Vgl. Hiebl/Mayrleitner (im Druck), S. 7 ff. Vgl. Hiebl/Mayrleitner (im Druck), S. 10.

Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen

341

pekte jedoch nicht mit einer konkreten Definition oder Konzeption von Controlling oder Familienunternehmen, sodass diese Sichtweise auf die Professionalisierung des Controllings von Familienunternehmen für viele Ausprägungen von Controlling und Familienunternehmen offen bleibt. Folglich wird auch an dieser Stelle keine Einschränkung der Begriffe Controlling und Familienunternehmen vorgenommen, da eine derartige Einschränkung für die weiteren Ausführungen nicht zwingend notwendig erscheint und aufgrund der Heterogenität der Definitionen und Konzeptionen zu beiden Begriffen22 zwangsläufig willkürlich wäre. 3.

Notwendige Voraussetzungen für die Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen

Obwohl bisher keine allgemein anerkannte Definition von Familienunternehmen in der Literatur vorhanden ist und auch nicht absehbar ist, dass es eine solche in naher Zukunft geben wird,23 haben doch die meisten dieser Definitionsansätze gemein, dass sich Familienunternehmen durch einen hohen Familieneinfluss auszeichnen.24 Dieser Einfluss zeigt sich in der Regel in der Form, dass wichtige Entscheidungen nicht ohne Zustimmung der Eigentümerfamilie(n) erfolgen. Dies kann auch für die Professionalisierung des Controllings angenommen werden, da mit einer derartigen Professionalisierung nicht selten zusätzliche – und in erster Linie finanzielle – Ressourcen notwendig sind, die von den Eigentümern des Unternehmens freigegeben werden müssen.25 Generell vertritt die jüngere Familienunternehmensliteratur immer häufiger den Ansatz, dass wichtige Verhaltensweisen – und damit auch Entscheidungen – von Familienunternehmen durch eine Kombination von zwei Faktoren getrieben werden: Ability und Willingness.26 Ability gilt hierbei als Sammelbegriff für die Fähigkeiten der Eigentümerfamilie, über die Ressourcen des Familienunternehmens zu verfügen.27 Der Begriff umfasst hierbei nicht nur Verfügungsrechte, sondern auch intellektuelle und sonstige Fertigkeiten sowie Erfahrung, um gewünschte Effekte – wie etwa jenen der Professionalisierung28 – mit

22

23 24 25 26

27 28

Vgl. Chua et al. (1999), S. 19 ff.; Guenther (2013); S. 272 ff.; Steiger et al. (2015), S. 25 ff.; Weber/Schäffer (2016), S. 20 ff. Vgl. Steiger et al. (2015), S. 42. Vgl. Chua et al. (1999), S. 19; Sharma (2004), S. 9. Vgl. Hiebl et al. (2015), S. 375; Huerta et al. (2017), S. 123 ff. Vgl. z. B. Massis et al. (2014), S. 344 ff.; Chrisman et al. (2015), S. 310 ff.; Chrisman et al. (2016), S. 720 ff.; Gils et al. (2019), S. 19 ff.; Kotlar/Chrisman (2019), S. 29 ff. Vgl. Massis et al. (2014), S. 346. Vgl. Chrisman et al. (2016), S. 721 ff.

342

Martin R. W. Hiebl

den Ressourcen des Unternehmens herbeizuführen. 29 Für den Fall der Professionalisierung des Controllings bedeutet dies auch, dass die Eigentümerfamilie sicherstellen muss, dass das Unternehmen über die notwendigen Fähigkeiten und die Erfahrung verfügt, die oben genannten fünf Aspekte der ControllingProfessionalisierung so weit wie möglich zu realisieren. 30 Viele Familienunternehmen verfügen vor der Professionalisierung nicht selbst über diese Fähigkeiten und Erfahrung, sodass die Ability zur Professionalisierung häufig über die Hinzunahme familienfremder Finanz- und Rechnungswesenexperten – wie etwa Controller, CFOs oder externe Accounting-Dienstleister – sichergestellt wird.31 Allerdings reicht entsprechend der Ability-und-Willingness-Sichtweise auf Familienunternehmen die bloße Ability nicht zur Professionalisierung aus, sondern es braucht zusätzlich die Willingness der Eigentümerfamilie.32 Hierunter wird die Gesamtheit der Ziele, Intentionen und Motivationen der Eigentümerfamilie verstanden, die zum speziellen Verhalten des Familienunternehmens führen.33 Das heißt, dieser Sichtweise folgend muss die Eigentümerfamilie die Professionalisierung des Controllings sowohl können (Ability) als auch wollen (Willingness). Die Interaktion dieser beiden Faktoren wurde bereits als maßgeblich für die Erklärung des Innovationsverhaltens und der Kreation des Images von Familienunternehmen bestätigt34 und auch für die allgemeine Professionalisierung von Familienunternehmen als notwendig vorgeschlagen. 35 Wie in Abbildung 1 sichtbar wird, braucht es also zusammenfassend sowohl Ability als auch Willingness, um die Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen voranzutreiben, die sich folglich in fünf Aspekten manifestiert. Im Folgenden soll daher auf Basis dieser Sichtweise ein Überblick über die bestehende empirische Literatur zu Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen gegeben werden.

29

30 31

32 33 34 35

Vgl. Sharma et al. (1997), S. 3 ff.; Zahra/Filatotchev (2004), S. 886 ff.; Hiebl/Mayrleitner (im Druck), S. 5. Vgl. Hiebl/Mayrleitner (im Druck), S. 7 ff. Vgl. z.°B. Giovannoni et al. (2011), S. 134 ff.; Hiebl (2013a), S. 156 f.; Hiebl (2013d), S. 45 ff.; Hiebl (2017), S. 214 f.; Stergiou et al. (2013), S. 67 ff.; Dello Sbarba/Marelli (2018), S. 442 ff.; Rizza/Ruggeri (2018), S. 510 ff. Vgl. Massis et al. (2014), S. 345; Chrisman et al. (2016), S. 720 ff. Vgl. Massis et al. (2014), S. 345. Vgl. Filser et al. (2016), S. 1 ff.; Steeger/Hoffmann (2016), S. 260 ff.; Gils et al. (2019), S. 22 ff. Vgl. Chrisman et al. (2016), S. 720 ff.

Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen

343

Abb. 1: Voraussetzungen und Aspekte der Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen36

36

Quelle: In Anlehnung an Hiebl/Mayrleitner (im Druck), S. 9.

344 4.

Martin R. W. Hiebl

Evidenz zur Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen

4.1. Direkte Evidenz zum Zusammenspiel aus Ability und Willingness als Voraussetzungen der Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen Forschungsarbeiten, die direkt auf das Zusammenspiel von Ability und Willingness und die Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen eingehen, sind bislang dünn gesät und beschränken sich de facto auf den Beitrag von Hiebl und Mayrleitner,37 auf dessen Verständnis der Controlling-Professionalisierung auch der vorliegende Beitrag aufsetzt. Basierend auf der Fallstudie eines Unternehmens der Elektronikindustrie aus dem deutschsprachigen Raum untersuchen Hiebl und Mayrleitner, unter welchen Voraussetzungen familienzugehörige Manager die Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen vorantreiben können, da die bisherige Forschung sich sehr stark auf die Rolle von familienfremden Managern wie CFOs in derartigen Professionalisierungsprozessen fokussiert hat. Der Beitrag kommt zum Schluss, dass auch familienzugehörige Manager federführend die Professionalisierung des Controllings vorantreiben können, es hierfür aber nicht nur Willingness, sondern eben auch die notwendige Ability der familienzugehörigen Manager braucht. In der konkreten Fallstudie war die Ability zur Professionalisierung insbesondere durch das betriebswirtschaftliche Universitätsstudium des familienzugehörigen CEOs, der zugleich auch die Rolle des CFOs einnahm, gegeben. Allerdings zeigt der Beitrag auch, dass im Fall einer Professionalisierung, die durch einen familienzugehörigen Manager vorangetrieben wird, ein Aspekt der Controlling-Professionalisierung wegfällt; nämlich Aspekt 5 (siehe Abbildung 1), der umschreibt, dass Controlling-Führungskräfte im Zuge der Professionalisierung an Einfluss im Unternehmen gewinnen würden. Dies war in der Fallstudie von Hiebl und Mayrleitner nicht zu beobachten, da der Einfluss des familienzugehörigen CEOs/CFOs auch bereits vor der Professionalisierung des Controllings sehr hoch war und nicht durch die Professionalisierung gesteigert wurde bzw. nicht weiter gesteigert werden konnte. 38

37 38

Vgl. Hiebl/Mayrleitner (im Druck). Vgl. Hiebl/Mayrleitner (im Druck), S. 13 ff.

Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen

345

4.2. Weitere Evidenz zur Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen Obgleich die oben genannte Studie von Hiebl und Mayrleitner aufzeigt, dass auch familienzugehörige Manager die Professionalisierung des Controllings vorantreiben können, fokussiert sich eine größere Anzahl an Forschungsarbeiten auf familienfremde Manager in dieser Rolle. Diese Arbeiten diskutieren in der Regel nicht alle oben genannten fünf Aspekte der Controlling-Professionalisierung. Gleichwohl kann aus den Ergebnissen, die in den Fallstudien publiziert sind, geschlossen werden, dass die beschriebenen Controlling-Systeme eine deutliche Professionalisierung erfahren haben. Die Fallstudien von Giovannoni et al.39 und Stergiou et al.40 zeigen etwa, dass die dort tätigen Familienmitglieder die Willingness zu Professionalisierung mitbrachten, jedoch nicht selbst über die notwendige Ability verfügten. In beiden Fällen griffen die Familienmitglieder daher auf familienfremde Manager zurück: Einen familienfremden Controller im Fall von Giovannoni et al. und einen familienfremden CFO im Fall von Stergiou et al. In beiden Fallstudien wird die Wahl eines familienfremden Verantwortlichen für die Controlling-Funktion mit der spezifischen Erfahrung und den Fähigkeiten dieser Manager begründet, weshalb angenommen werden kann, dass die Ability zur Professionalisierung des Controllings in erster Linie durch die beschriebenen familienfremden Finanzexperten eingebracht wurde.41 Gleichzeitig liefern diese beiden Fallstudien aber auch Evidenz, dass eine erfolgreiche Professionalisierung des Controllings durch ein enges Zusammenspiel zwischen familienzugehörigen CEOs und familienfremden Finanzexperten möglich wurde, was für die Relevanz einer Interaktion von Willingness aufseiten der Eigentümerfamilie und Ability aufseiten der familienfremden CFOs bzw. Controller spricht. Anders ausgedrückt kann aus diesen Fallstudienergebnissen auch geschlossen werden, dass wenn entweder Ability oder Willingness fehlen, eine Professionalisierung des Controllings weniger wahrscheinlich ist.42 Dieser Gedanke wird nicht zuletzt auch durch eine Reihe quantitativer Arbeiten gestützt, die zeigen, dass Familienunternehmen mit sehr hohem Familieneinfluss – bei denen angenommen werden kann, dass wenig bis keine familienfremde Ability vorhanden ist – eine deutlich geringere Formalisierung von

39 40 41

42

Vgl. Giovannoni et al. (2011), S. 131 ff. Vgl. Stergiou et al. (2013), S. 67 ff. Diese Erwartungshaltung trifft nicht nur für die Professionalisierung des Controllings zu, sondern eine erwartete Professionalisierung des Familienunternehmens ist generell einer der Hauptgründe, warum Familienunternehmen familienfremde Führungskräfte engagieren. Vgl. hierzu Hiebl/Li (im Druck), S. 8 f.; Tabor et al. (2018), S. 63 ff. Vgl. für ähnliche Ergebnisse auch Huerta et al. (2017), S. 118 ff.

346

Martin R. W. Hiebl

Controlling-Instrumenten aufweisen43 bzw. weniger häufig eigenständige Controlling-Abteilungen etablieren44 – und damit zwei zentralen Aspekten der Controlling-Professionalisierung nicht entsprechen. Neben diesen Ergebnissen zum Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein von Ability gibt es auch weitere Studien, die auf Faktoren hindeuten, welche wahrscheinlich die Willingness zur Controlling-Professionalisierung beeinflussen. So zeigen etwa einige quantitative Studien, dass Unterschiede zwischen Familien- und Nicht-Familienunternehmen in puncto Controlling-Nutzung bzw. Professionalisierung v. a. unter kleinen und mittleren Unternehmen beobachtbar sind, nicht aber unter großen Unternehmen. Das heißt, große Familienunternehmen unterscheiden sich im Durchschnitt nur wenig von großen Nicht-Familienunternehmen bezüglich ihrer Controlling-Nutzung, kleinere Familienunternehmen jedoch sehr wohl von ihren Nicht-Familienunternehmen-Pendants.45 Es kann daher angenommen werden, dass beim Wachstum von Familienunternehmen und dem Erreichen einer höheren Größenklasse, sie dann auch eine verstärkte Notwendigkeit sehen – und folglich auch eine stärkere Willingness entwickeln –, ihre Controlling-Aktivitäten auszubauen bzw. zu professionalisieren. Begründet werden kann dieser Umstand etwa damit, dass bei einer höheren Unternehmensgröße die internen Abläufe im Unternehmen zu vielfältig und komplex werden, sodass sie kaum noch ohne stärker formalisierte und professionalisierte Controlling-Instrumente bewältigbar wären.46 4.3. Folgen eines professionalisierten Controllings in Familienunternehmen Auch zu den Effekten eines stärker professionalisierten Controllings in Familienunternehmen liegt bislang wenig spezifische Evidenz vor. Jedoch lassen auch hier Forschungsergebnisse zu den Folgen von einigen der oben vorgestellten fünf Teilaspekten der Professionalisierung des Controllings Rückschlüsse auf die wahrscheinlichen Folgen einer Controlling-Professionalisierung in Familienunternehmen zu. Insbesondere finden sich einige Studien, die Performance-Effekte von ControllingInstrumenten in Familienunternehmen analysieren. So gibt es sowohl aus Österreich47 als auch aus Spanien48 Evidenz, dass eine stärkere Nutzung bzw. stärkere Formalisierung von Controlling-Praktiken positive Effekte auf die Performance von 43

44 45 46 47 48

Vgl. Jorissen et al. (2005), S. 238 f.; García Pérez de Lema/Duréndez (2007), S. 162 f.; Speckbacher/Wentges (2012), S. 40 ff.; Hiebl et al. (2013b), S. 133 ff.; Hiebl et al. (2015), S. 383 ff.; Samuelsson et al. (2016), S. 696 f. Vgl. Hiebl et al. (2012), S. 417 ff.; Hiebl et al. (2013a), S. 95 ff. Vgl. Speckbacher/Wentges (2012), S. 42 f.; Hiebl et al. (2013b), S. 136 ff. Vgl. Hiebl et al. (2013a), S. 107 f. Vgl. Posch/Speckbacher (2012), S. 15 f.; Kallmuenzer et al. (2018), S. 872 ff. Vgl. Duréndez et al. (2016), S. 16 f.

Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen

347

Familienunternehmen hat, was den Rückschluss erlaubt, dass die Professionalisierung des Controllings ebenso leistungssteigernde Effekte mit sich bringen sollte. Eine mögliche Begründung für diesen vermutlichen Zusammenhang zwischen Controlling-Professionalisierung und Familienunternehmens-Performance liefern qualitative-empirische Forschungsergebnisse. So berichten El Masri et al. auf Basis einer multiplen Fallstudie unter 20 kanadischen Familienunternehmen, dass eine Professionalisierung des Controllings eine ökonomisch rationalere Entscheidungsfindung in Familienunternehmen befördern und eine zu starke Affektivität mit Familieninteressen zurückdrängen kann.49 Einen weiteren Effekt der Professionalisierung von Controlling zeigen Giovannoni et al. auf. Im von diesen Autoren analysierten Fall eines italienischen Familienunternehmens führte die Professionalisierung des Controllings zu einem verstärkten Wissenstransfer innerhalb des Unternehmens. So wurde etwa in dem betreffenden Familienunternehmen auf Anraten des familienfremden Controllers erstmals eine Balanced Scorecard eingeführt, die den SeniorEigentümer des Unternehmens quasi gezwungen hat, seine Strategie für das Familienunternehmen erstmals zu explizieren. Durch dieses Niederschreiben der Strategie und die Abbildung in der Balanced Scorecard wurde in diesem Fall die Strategie auch für familienfremde Manager und die nachfolgende Familiengeneration wesentlich besser verständlich, wodurch der Wissenstransfer gestärkt wurde.50 5.

Implikationen für die Praxis und weitere Forschung

Die in diesem Beitrag zusammengetragene Evidenz zeigt, dass nach wie vor relativ viele Familienunternehmen eines ihrer dominierenden nicht-monetären Ziele – nämlich das generationenübergreifende Weiterbestehen – nicht erreichen. Eine Maßnahme – aber natürlich nicht die einzige – zur Steigerung der Überlebensfähigkeit von Familienunternehmen ist die Professionalisierung des Controllings. Auch wenn die bisherige Literatur weitestgehend familienfremde Finanzexperten in der Rolle gesehen hat, die Controlling-Professionalisierung in Familienunternehmen voranzutreiben, zeigt dieser Beitrag, dass diese Rolle auch von familienzugehörigen Managern wahrgenommen werden kann. Notwendige Voraussetzungen scheinen für diesen Prozess – egal, ob von familienfremden oder familienzugehörigen Managern betrieben – das Vorhandensein von Ability und Willingness zu sein. Die Willingness, also der Wille zur Professionalisierung, muss in den meisten Fällen von der Eigentümerfamilie eingebracht werden, während die Ability, also das fachliche Beherrschen der notwendigen Schritte 49 50

Vgl. El Masri et al. (2017), S. 166 ff. Vgl. Giovannoni et al. (2011), S. 138 ff., und für ähnliche Ergebnisse zum wissensfördernden Effekt von Controlling-Instrumenten in Familienunternehmen auch Mazzola et al. (2008), S. 246 ff.

348

Martin R. W. Hiebl

zur Controlling-Professionalisierung auch durch familienfremde Manager ins Familienunternehmen geholt werden kann. Während noch wenig direkte Evidenz zu den Folgen einer ControllingProfessionalisierung in Familienunternehmen vorliegt, lassen eng verwandte Forschungsergebnisse vermuten, dass diese durchaus positive Auswirkungen auf Familienunternehmen haben kann. Unter anderem zählen dazu eine stärker faktenorientierte Entscheidungsfindung und eine verbesserte Leistungsfähigkeit von Familienunternehmen. Für Eigentümer und Manager von Familienunternehmen heißen diese Ergebnisse, dass eine Professionalisierung des Controllings wertvolle Beiträge zur Performance-Optimierung und zur längerfristigen Sicherung des Bestehens des Unternehmens liefern kann. Die in diesem Beitrag aufgezeigten fünf Aspekte der ControllingProfessionalisierung können daher für Praktiker als Denkanreize gesehen werden, um zu prüfen, ob das Controlling im betreffenden Unternehmen bereits ausreichend professionalisiert ist oder ob hier noch Luft nach oben besteht. Für die Forschung bietet die Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen nach wie vor eine Reihe von Möglichkeiten für relevante weitere Betätigung. So wäre es insbesondere relevant, auf Basis des in diesem Beitrag vorgestellten Modells zu prüfen, unter welchen Grenzbedingungen der Wirkungszusammenhang zwischen Ability und Willingness, den fünf Aspekten der ControllingProfessionalisierung und Effekten, wie einer erhöhten Performance des Familienunternehmens, gilt. Es könnte etwa sein, dass sich der Zusammenhang eher in Unternehmen einstellt, die einen Fokus auf Kostenführerschaft legen, da in diesen Unternehmen in der Regel andere und engmaschigere Controlling-Systeme vonnöten sind als in Unternehmen, die einer Innovations- oder einer Differenzierungsstrategie anhängen.51 Zudem wäre interessant, von welchen Faktoren abhängt, wie gut eine Controlling-Professionalisierung von der Belegschaft des Familienunternehmens angenommen wird. Vielfach wird Familienunternehmen etwa eine besonders warmherzige Kultur attestiert, die von gegenseitigem Vertrauen geprägt ist.52 Fraglich ist daher, ob eine Professionalisierung des Controllings, die evtl. stärker formalisierte Formen der Kontrolle mit sich bringt, dieser familienunternehmenstypischen Atmosphäre schädlich ist bzw. unter welchen Bedingungen eine derartige Atmosphäre trotz eines professionelleren Controllings aufrecht erhalten werden kann. Ferner wäre es lohnenswert zu untersuchen, ob eine Professionalisierung in Zeiten von Digitalisierung und Cloud-Lösungen nun auch für kleinere Familienunternehmen eher möglich bzw. leistbar ist. Diese technologischen Trends bringen es nämlich mit sich, dass nun Software-Lösungen, die einst nur Großunternehmen zugänglich waren, durch 51 52

Vgl. z. B. Bedford et al. (2016), S. 18 ff. Vgl. Miller et al. (2008), S. 55 f.; Quinn et al. (2018), S. 538.

Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen

349

Cloud-Angebote auch für kleinere Unternehmen – und darunter viele Familienunternehmen – zugänglich werden.53 Diese genannten Möglichkeiten für die zukünftige Forschung sind natürlich nur drei von vielen Beispielen. Sicher scheint jedoch zu sein, dass die Professionalisierung des Controllings ein spannendes und relevantes Thema für die Unternehmenspraxis bleibt. Dieser Relevanz für die Praxis folgend bietet die ControllingProfessionalisierung in Familienunternehmen viele Möglichkeiten für zukünftige Forschung. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Forschung dieser Fragen zukünftig stärker annimmt, ihre Ergebnisse in die Praxis transferiert und so einen Beitrag liefert, um die Überlebensfähigkeit von Familienunternehmen (weiter) zu steigern.

53

Vgl. Gärtner/Rockenschaub (2015), S. 712; Kristandl et al. (2015), S. 281 ff.

350

Martin R. W. Hiebl

Literatur Adler, R./Liyanarachchi, G. (im Druck): Towards measuring professionalism in accounting, Accounting & Finance. Andric, M./Kammerlander, N. (2017): Motive zum Verzicht auf Controlling in Familienunternehmen – eine Mediatoranalyse. Zeitschrift für KMU und Entrepreneurship, 65 Jg., Nr. 4, S. 223-251. Becker, W./Staffel, M./Ulrich, P. (2008): Unternehmensführung und Controlling im Mittelstand: Einflüsse von Unternehmensgröße und Leitungsstruktur. Bamberg: Deloitte Mittelstandsinstitut an der Universität Bamberg. Becker, W./Ulrich, P. (2009): Mittelstand, KMU und Familienunternehmen in der Betriebswirtschaftslehre. Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 38 Jg., Nr. 1, S. 2-7. Beckhard, R./Dyer, W. G. (1983): Managing continuity in the family-owned business. Organizational Dynamics, 12 Jg., Nr. 1, S. 5-12. Bedford, D. S./Malmi, T./Sandelin, M. (2016): Management control effectiveness and strategy: An empirical analysis of packages and systems. Accounting, Organizations and Society, 51 Jg., S. 12-28. Chrisman, J. J./Chua, J. H./Massis, A. de/Frattini, F./Wright, M. (2015): The Ability and Willingness Paradox in Family Firm Innovation. Journal of Product Innovation Management, 32 Jg., Nr. 3, S. 310-318. Chrisman, J. J./Chua, J. H./Massis, A. de/Minola, T. /Vismara, S. (2016): Management processes and strategy execution in family firms: From “what” to “how”. Small Business Economics, 47 Jg., Nr. 3, S. 719-734. Chua, J. H./Chrisman, J. J./Sharma, P. (1999): Defining the Family Business by Behavior. Entrepreneurship Theory and Practice, 23 Jg., Nr. 4, S. 19-40. Massis, A. de/Kotlar, J./Chua, J. H./Chrisman, J. J. (2014): Ability and Willingness as Sufficiency Conditions for Family-Oriented Particularistic Behavior: Implications for Theory and Empirical Studies. Journal of Small Business Management, 52 Jg., Nr. 2, S. 344-364. Dekker, J./Lybaert, N./Steijvers, T./Depaire, B. (2015): The Effect of Family Business Professionalization as a Multidimensional Construct on Firm Performance. Journal of Small Business Management, 53 Jg., Nr. 2, S. 516-538. Dekker, J. C./Lybaert, N./Steijvers, T./Depaire, B./Mercken, R. (2013): Family Firm Types Based on the Professionalization Construct: Exploratory Research. Family Business Review, 26 Jg., Nr. 1, S. 81-99. Dello Sbarba, A./Marelli, A. (2018): Family-controlled businesses and management control: The framing of “shareholder-oriented” practices. Journal of Management Control, 28 Jg., Nr. 4, S. 417-456. Diehm, J. (2017): Controlling in Start-up-Unternehmen: Praxisbuch für junge Unternehmen und Existenzgründungen. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler. Duréndez, A./Ruíz-Palomo, D./García-Pérez-de-Lema, D./Diéguez-Soto, J. (2016): Management control systems and performance in small and medium family firms. European Journal of Family Business, 6 Jg., Nr. 1, S. 10-20.

Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen

351

El Masri, T./Tekathen, M./Magnan, M./Boulianne, E. (2017): Calibrating management control technologies and the dual identity of family firms. Qualitative Research in Accounting & Management, 14 Jg., Nr. 2, S. 157-188. Euler Hermes Kreditversicherungs-AG (2006): Ursachen von Insolvenzen: Gründe für Unternehmensinsolvenzen aus Sicht von Insolvenzverwaltern. Hamburg: Eigenverlag. Feldbauer-Durstmüller, B./Duller, C./Mayr, S./Neubauer, H./Ulrich, P. (2012): Controlling in mittelständischen Familienunternehmen: Ein Vergleich von Deutschland und Österreich. Zeitschrift für Controlling & Management, 56 Jg., Nr. 6, S. 408-413. Filser, M./Brem, A./Gast, J./Kraus, S./Calabrò, A. (2016): Innovation in Family Firms: Examining the Inventory and Mapping the Path. International Journal of Innovation Management, 20 Jg., Nr. 6, S. 1-39. García Pérez de Lema, D., & Duréndez, A. (2007). Managerial behaviour of small and medium-sized family businesses: An empirical study, International Journal of Entrepreneurial Behaviour & Research, 13 Jg., Nr. 3, S. 151-172. Gärtner, B./Rockenschaub, T. (2015): Cloud Computing und Controlling – Chancen und Risiken. Controlling, 27 Jg., Nr. 12, S. 709-714. Giovannoni, E./Maraghini, M. P., & Riccaboni, A. (2011): Transmitting Knowledge Across Generations: The Role of Management Accounting Practices. Family Business Review, 24 Jg., Nr. 2, S. 126-150. Guenther, T. W. (2013): Conceptualisations of ‘controlling’ in German-speaking countries: Analysis and comparison with Anglo-American management control frameworks. Journal of Management Control, 23 Jg., Nr. 4, S. 269-290. Hall, A./Nordqvist, M. (2008): Professional Management in Family Businesses: Toward an Extended Understanding. Family Business Review, 21 Jg., Nr. 1, S. 51-69. Heinicke, A. (2018): Performance measurement systems in small and medium-sized enterprises and family firms: A systematic literature review. Journal of Management Control, 28 Jg., Nr. 4, S. 457-502. Helsen, Z./Lybaert, N./Steijvers, T./Orens, R./Dekker, J. (2017): Management Control Systems in Family Firms: A Review of the Literature and Directions for the Future. Journal of Economic Surveys, 31 Jg., Nr. 2, S. 410-435. Hiebl, M. R. W. (2017): Finance managers in family firms: an upper-echelons view. Journal of Family Business Management, 7 Jg., Nr. 2, S. 207-220. Hiebl, M. R. W./Li, Z. (im Druck): Non-family managers in family firms: review, integrative framework and future research agenda. Review of Managerial Science. Hiebl, M. R. W. (2013a): Bean counter or strategist? Differences in the role of the CFO in family and non-family businesses. Journal of Family Business Strategy, 4 Jg., Nr. 2, S. 147-161. Hiebl, M. R. W. (2013b): Einfluss von Controlling-Systemen auf die Unternehmensführung mittelgroßer Familienunternehmen. Controlling & Management Review, 57 Jg., Nr. 1, S. 78-84. Hiebl, M. R. W. (2013c): Management accounting in the family business: tipping the balance for survival. Journal of Business Strategy, 34 Jg., Nr. 6, S. 19-25. Hiebl, M. R. W. (2013d): Non-family CFOs in family businesses: Do they fit? Journal of Business Strategy, 34 Jg., Nr. 2, S. 45-51.

352

Martin R. W. Hiebl

Hiebl, M. R. W./Duller, C./Feldbauer-Durstmüller, B./Ulrich, P. (2015): Family Influence and Management Accounting Usage: Findings from Germany and Austria. Schmalenbach Business Review, 67 Jg., Nr. 3, S. 368-404. Hiebl, M. R. W./Feldbauer-Durstmüller, B./Duller, C. (2013a): Die Organisation des Controllings in österreichischen und bayerischen Familienunternehmen. Zeitschrift für KMU und Entrepreneurship, 61 Jg., Nr. 1-2, S. 83-114. Hiebl, M. R. W./Feldbauer-Durstmüller, B./Duller, C. (2013b): The changing role of management accounting in the transition from a family business to a non-family business. Journal of Accounting & Organizational Change, 9 Jg., Nr. 2, S. 119-154. Hiebl, M. R. W./Feldbauer-Durstmüller, B./Duller, C./Neubauer, H. (2012): Institutionalisation of Management Accounting in Family Businesses: Empirical Evidence from Austria and Germany. Journal of Enterprising Culture, 20 Jg., Nr. 4, S. 405-436. Hiebl, M. R. W./Mayrleitner, B. (im Druck): Professionalization of management accounting in family firms: The impact of family members. Review of Managerial Science. Hiebl, M. R. W./Quinn, M./Craig, J. B./Moores, K. (2018): Management control in family firms: A guest editorial. Journal of Management Control, 28 Jg., Nr. 4, S. 377-381. Howorth, C./Wright, M./Westhead, P./Allcock, D. (2016): Company metamorphosis: Professionalization waves, family firms and management buyouts. Small Business Economics, 47 Jg., Nr. 3, S. 803-817. Huerta, E./Petrides, Y./O’Shaughnessy, D. (2017): Introduction of accounting practices in small family businesses. Qualitative Research in Accounting & Management, 14 Jg., Nr. 2, S. 111-136. IFERA (Hrsg.) (2003): Family Businesses Dominate: Families are the key players around the world, but prefer the backstage positions. Family Business Review, 16 Jg., Nr. 4, S. 235-239. Jorissen, A./Laveren, E./Martens, R./Reheul, A.-M. (2005): Real Versus Sample-Based Differences in Comparative Family Business Research. Family Business Review, 18 Jg., Nr. 3, S. 229-246. Kallmuenzer, A./Strobl, A./Peters, M. (2018): Tweaking the entrepreneurial orientationperformance relationship in family firms: The effect of control mechanisms and family-related goals. Review of Managerial Science, 12 Jg., Nr. 4, S. 855-883. Kotlar, J./Chrisman, J. J. (2019): Point: How Family Involvement Influences Organizational Change. Journal of Change Management, 19 Jg., Nr. 1, S. 26-36. Kristandl, G./Quinn, M./Strauß, E. R. (2015): Controlling und Cloud Computing: Wie die Cloud den Informationsfluss in KMU ändert. Zeitschrift für KMU und Entrepreneurship, 63 Jg., Nr. 3-4, S. 281-304. Kücher, A./Feldbauer-Durstmüller, B. (2019): Organizational failure and decline – A bibliometric study of the scientific frontend. Journal of Business Research, 98 Jg., S. 503-516. Lee, J. S./Zhao, G./Lu, F. (im Druck): The Effect of Value Congruence Between Founder and Successor on Successor’s Willingness: The Mediating Role of the FounderSuccessor Relationship, Family Business Review. Mayr, S./Mitter, C./Aichmayr, A. (2017): Corporate Crisis and Sustainable Reorganization: Evidence from Bankrupt Austrian SMEs. Journal of Small Business Management, 55 Jg., Nr. 1, S. 108-127.

Professionalisierung des Controllings in Familienunternehmen

353

Mazzola, P./Marchisio, G./Astrachan, J. H. (2008): Strategic Planning in Family Business: A Powerful Developmental Tool for the Next Generation. Family Business Review, 21 Jg., Nr. 3, S. 239-258. Miller, D./Breton-Miller, I. le/Scholnick, B. (2008): Stewardship vs. Stagnation: An Empirical Comparison of Small Family and Non-Family Businesses. Journal of Management Studies, 45 Jg., Nr. 1, S. 51-78. Nordqvist, M./Melin, L. (2010): The promise of the strategy as practice perspective for family business strategy research. Journal of Family Business Strategy, 1 Jg., Nr. 1, S. 15-25. Pampel, J. R. (2019): Controlling der Wertschöpfung durch Start-ups: Mit Controlling die Potenziale der Geschäftsidee erschließen. In: Ulrich, P./Baltzer, B. (Hrsg.), Wertschöpfung in der Betriebswirtschaftslehre: Festschrift für Prof. Dr. habil. Wolfgang Becker zum 65. Geburtstag (S. 509-534). Wiesbaden: Springer Gabler. Parker, S. C. (2016): Family Firms and the “Willing Successor” Problem. Entrepreneurship Theory and Practice, 40 Jg., Nr. 6, S. 1241-1259. Posch, A./Speckbacher, G. (2012): Führung in Familienunternehmen: Besonderheiten der Entscheidungsfindung und Verhaltenssteuerung und deren Auswirkung auf den Unternehmenserfolg. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 82 Jg., Special Issue 3, S. 5-23. Quinn, M./Hiebl, M. R. W./Moores, K./Craig, J. B. (2018): Future research on management accounting and control in family firms: Suggestions linked to architecture, governance, entrepreneurship and stewardship. Journal of Management Control, 28 Jg., Nr. 4, S. 529-546. Rizza, C./Ruggeri, D. (2018): The institutionalization of management accounting tools in family firms: The relevance of multiple logics. Journal of Management Control, 28 Jg., Nr. 4, S. 503-528. Samuelsson, J./Andersén, J./Ljungkvist, T./Jansson, C. (2016): Formal accounting planning in SMEs: The influence of family ownership and entrepreneurial orientation. Journal of Small Business and Enterprise Development, 23 Jg., Nr. 3, S. 691-702. Schlösser, R./Schreyögg, J. (2005): Die Balanced Scorecard als Kennzahlensystem für Krankenkassen. Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft, 94 Jg., Nr. 2, S. 323-345. Senftlechner, D./Hiebl, M. R. W. (2015): Management accounting and management control in family businesses: Past accomplishments and future opportunities. Journal of Accounting & Organizational Change, 11 Jg., Nr. 4, S. 573-606. Sharma, P. (2004): An Overview of the Field of Family Business Studies: Current Status and Directions for the Future. Family Business Review, 17 Jg., Nr. 1, S. 1-36. Sharma, P./Chrisman, J. J./Chua, J. H. (1997): Strategic Management of the Family Business: Past Research and Future Challenges. Family Business Review, 10 Jg., Nr. 1, S. 1-35. Songini, L. (2006): The Professionalization of Family Firms: Theory and Practice. In: Poutziouris, P. Z./Smyrnios, K. X./Klein, S. B. (Hrsg.), Handbook of Research on Family Business (S. 269-297). Cheltenham: Edward Elgar. Speckbacher, G./Wentges, P. (2012): The impact of family control on the use of performance measures in strategic target setting and incentive compensation: A research note. Management Accounting Research, 23 Jg., Nr. 1, S. 34-46. Steeger, J.H./Hoffmann, M. (2016): Innovation and family firms: Ability and willingness and German SMEs. Journal of Family Business Management, 6 Jg., Nr. 3, S. 251-269.

354

Martin R. W. Hiebl

Steiger, T./Duller, C./Hiebl, M. R. W. (2015): No Consensus in Sight: An Analysis of Ten Years of Family Business Definitions in Empirical Research Studies. Journal of Enterprising Culture, 23 Jg., Nr. 1, S. 25-62. Stergiou, K./Ashraf, J./Uddin, S. (2013): The role of structure and agency in management accounting control change of a family owned firm: A Greek case study. Critical Perspectives on Accounting, 24 Jg., Nr. 1, S. 62-73. Stewart, A./Hitt, M. A. (2012): Why Can’t a Family Business Be More Like a Nonfamily Business?. Modes of Professionalization in Family Firms. Family Business Review, 25 Jg., Nr. 1, S. 58-86. Tabor, W./Chrisman, J. J./Madison, K./Vardaman, J. M. (2018): Nonfamily Members in Family Firms: A Review and Future Research Agenda. Family Business Review, 31 Jg., Nr. 1, S. 54-79. Gils, A. van/Huybrechts, J./Minola, T./Cassia, L. (2019): Unraveling the impact of family antecedents on family firm image: A serial multiple-mediation model. Journal of Family Business Strategy, 10 Jg., Nr. 1, S. 17-27. Vaudt, S./Rasche, C. (2011): Professionalisierung des Controllings in der Behindertenhilfe: Verfeinerung der Kostenrechnung nach Einführung von Persönlichen Budgets. In: Langer, A./Schröer, A. (Hrsg.), Professionalisierung im Nonprofit Management (S. 229-248). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Weber, J./Schäffer, U. (2016): Einführung in das Controlling. 15. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Zahra, S. A./Filatotchev, I. (2004): Governance of the Entrepreneurial Threshold Firm: A Knowledge-based Perspective. Journal of Management Studies, 41 Jg., Nr. 5, S. 885-897. Zellweger, T. M./Nason, R. S./Nordqvist, M. (2012): From Longevity of Firms to Transgenerational Entrepreneurship of Families. Family Business Review, 25 Jg., Nr. 2, S. 136-155.

Die Bedeutung des strategischen Controllings für das Turnaround Management von Familienunternehmen

Alexandra Bertschi-Michel, Thomas Wittig und Andreas Hack 1.

Einleitung

Krisen stellen ein einschneidendes und regelmäßiges Ereignis im Verlauf des Unternehmensentwicklungszyklus dar. Trahms et al.1 belegen, dass 50 % aller S&P 500 Unternehmen in einem Beobachtungszeitraum von fünf Jahren einer Krise ausgesetzt waren. Von ähnlich hohen Werten geht Eichner2 für untersuchte deutsche, britische und amerikanische Unternehmen aus. Demnach rutschten 30 % aller beobachteten Unternehmen innerhalb von sechs Jahren in eine Krisensituation. Die Insolvenzzahlen aus Deutschland (knapp 20.000 Insolvenzen)3, Österreich (knapp 5.000 Insolvenzen)4 und der Schweiz (ca. 4.800 Insolvenzen)5 für das Jahr 2018 zeigen eindrücklich die hohe Gefahr einer Krise für den Unternehmensfortbestand. Zudem belegen empirische Studien, dass sich nur etwa 60 bis 70 % aller Krisenunternehmen von dieser erholen und erfolgreich weiterexistieren können.6 Umso erstaunlicher ist es, dass die betriebswirtschaftliche Forschung trotz der immensen Bedeutung für den wirtschaftlichen Fortbestand eines Unternehmens nur wenige gesicherte Empfehlungen zur Krisenbewältigung bereithält. Mitunter ein Grund dafür ist, dass es für die Forschung schwierig ist an gesicherte Daten zu Krisen zu kommen und die betroffenen Akteure oft nicht gerne darüber sprechen 1 2 3 4 5 6

Vgl. Trahms et al. (2013). Vgl. Eichner (2010). Vgl. Creditreform (2019). Vgl. KSV (2019). Vgl. Statista (2019). Vgl. Eichner (2010); Sudarsanam/Lai (2001).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_17

356

Alexandra Bertschi-Michel, Thomas Wittig und Andreas Hack

oder eine einseitige Sichtweise auf die Ereignisse haben.7 Als mögliche Ursachen von Krisen werden in der bisherigen Forschung unter anderem Managementfehler, Veränderungen in der Eigentümerstruktur eines Unternehmens, Exit des Eigentümers oder Nichterreichen der finanziellen Ziele genannt.8 Die Krisenursachen scheinen sich dabei je nach Alter und Lebenszyklus eines Unternehmens zu verändern. So führen besonders bei jüngeren Unternehmen zu Beginn des Lebenszyklus oft interne Fehlentscheidungen des Managements zu Krisen, während bei älteren Unternehmen eher Markt- und Konkurrenzsituationen deren Ursache sind.9 Empirische Evidenz und praktische Beispiele zeigen dabei, dass die Entstehung von Krisen durch geeignete (Gegen)-Maßnahmen zumindest abgeschwächt werden könnte.10 Daher wäre es interessant zu wissen, welche Turnaround-Maßnahmen in der Krise zu verbesserten Überlebenschancen führen. In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird unter anderem dem Controlling eine wichtige Stellung zugesprochen. Ein professionelles strategisches Controlling kann dabei Krisensituationen vermeiden oder wichtige Informationen für den erfolgreichen Turnaround bereitstellen.11 Der vorliegende Beitrag analysiert daher auf Basis einer empirischen Stichprobe von knapp 210 Krisenfällen die besondere Bedeutung des Controllings in der Krise und beleuchtet die Unterschiede zwischen Familien- und Nichtfamilienunternehmen unter diesem Aspekt. 2.

Familienunternehmen, deren strategisches Controlling und Unternehmenskrisen

Die folgenden drei Unterkapitel vermitteln einen Überblick über die für die Forschungsfragen relevanten Themengebiete. Nach einem grundlegenden Verständnis für die Besonderheiten von Familienunternehmen wird die Literatur zum strategischen Controlling speziell in diesen Unternehmensformen knapp aufgearbeitet. Abschließend wird die Relevanz des strategischen Controllings für die Vermeidung oder Früherkennung von Unternehmenskrisen sowie deren Bekämpfung diskutiert und in einem letzten Schritt werden entsprechende Handlungsempfehlungen abgeleitet.

7 8 9 10 11

Vgl. Shepherd/Wiklund (2006). Vgl. Mellahi/Wilkinson (2004); Ucbasaran et al. (2013). Vgl. Kücher et al. (2018). Vgl. Kücher et al. (2015). Vgl. Bormann et al. (2010).

Die Bedeutung des strategischen Controllings für das Turnaround Management von FU

357

2.1. Familienunternehmen Der Begriff des Familienunternehmens ist in der akademischen Literatur relativ neu und wird häufig auch synonym mit den Begriffen KMU (Kleine und mittlere Unternehmen) oder Mittelstandunternehmen verwendet.12 Allerdings zielen beide Begriffe eher auf die Größe der Unternehmen ab. So werden KMU klassischerweise in mikro(weniger als 10 Mitarbeiter und EUR 2 Mio. Umsatz), klein- (weniger als 50 Mitarbeiter und EUR 10 Mio. Umsatz) und mittelgroße Unternehmen (weniger als 250 Mitarbeiter und EUR 50 Mio. Umsatz) eingeteilt (Definition der Europäischen Kommission). Der Begriff des Familienunternehmens ist im Gegensatz dazu deutlich breiter gefasst und umfasst neben der reinen Größe (auch Familienunternehmen sind oft eher klein bis mittelgroß) noch eine Vielzahl weiterer Aspekte. 2.1.1. Definition von Familienunternehmen Es existiert bisher keine allgemeingültige Definition von Familienunternehmen. 13 Chrisman et al.14 unterscheiden grundsätzlich zwischen zwei Ansätzen: Der Components of involvement-Ansatz legt zur Definition die jeweilige Ausprägung der Dimensionen Managementeinbezug, Beteiligungsverhältnis und Governance-Struktur zugrunde. Hierbei zeigt sich, dass es bei Familienunternehmen oft zu einer Überschneidung zwischen der Führung, des Eigentums und der Aufsicht des Unternehmens kommt. Der Essence-Ansatz im Gegenzug besagt, dass eine reine Beteiligung der Familie am Unternehmen nicht ausreicht, um als Familienunternehmen zu gelten. Die Familie muss auch einen aktiven Einfluss auf den (operativen) Geschäftsbetrieb ausüben, damit von einem Familienunternehmen gesprochen werden kann.15 Aronoff16 stellt fest, dass in Familienunternehmen oft ein kleiner Kreis aus Familienmitgliedern die Führung übernimmt und zukünftig wichtige Schritte definiert. Hierbei wird selten nach festen Mustern, sondern eher spontan gehandelt.17 Eine weitere Eigenheit von Familienunternehmen ist, dass emotionale und zwischenmenschliche Gegebenheiten starken Einfluss auf die Geschäftstätigkeiten ausüben können.18 12 13 14 15 16 17 18

Vgl. Felden et al. (2019). Vgl. Cater/Schwab (2008). Vgl. Chrisman et al. (2005). Vgl. Chrisman et al. (2005). Vgl. Aronoff (2004). Vgl. Sharma (2004). Vgl. Berrone et al. (2012).

358

Alexandra Bertschi-Michel, Thomas Wittig und Andreas Hack

Mühlebach19 führt weiter die folgenden Besonderheiten von Familienunternehmen auf: 1. Familienunternehmen sind langfristig ausgerichtet, da das oberste Ziel die Erhaltung und Versorgung der Familie ist. Es wird auf kurzfristige Profite verzichtet, wenn dadurch sichergestellt wird, dass das Unternehmen bestehen bleibt und an die nächste Generation weitergegeben werden kann. 2. Das Unternehmen ist seit langem, falls nicht seit Gründung, im Besitz der Familie, welche sich hierbei vertiefte Branchenkenntnisse angeeignet hat und den Markt detailliert kennt. 3. Eigentum und Entscheidungsgewalt liegen zumeist gänzlich in der Familie, womit Interessensdivergenz keine Rolle in der Entscheidungsfindung spielt. Dies lässt das Unternehmen schnell und flexibel agieren. 4. Die Eigentümerfamilie identifiziert sich stark mit dem Unternehmen und bildet in dessen Interesse eine Gemeinschaft, aus welcher zusätzliche Ressourcen entstehen können. Im Folgenden gehen wir somit von folgender Definition aus: Die Familie besitzt das Unternehmen vollständig oder zumindest eine Mehrheit, sodass die Kontrolle durch Eigentum ausgeübt werden kann.20 Mindestens ein Familienmitglied ist Teil des Führungsgremiums oder des Aufsichtsrats 21 und schließlich muss sich das Familienunternehmen selbst als ein solches wahrnehmen.22 2.1.2. Werte und Ziele von Familienunternehmen Zur genaueren Beschreibung der Werte und Ziele von Familienunternehmen muss auf die enge Interaktion zwischen Familie, Eigentum und Unternehmen sowie die damit verbundene, einzigartige Dynamik eingegangen werden. Dabei überlappen sich diese drei Bereiche in Familienunternehmen. Jeder Bereich kann sich hinsichtlich von Einstellungen, Zielen und Interessen von den anderen beiden unterscheiden. Um entsprechende Konflikte zu verhindern, ist ein Bewusstsein der jeweiligen Einflüsse von zentraler Wichtigkeit. Aus den resultierenden, verschiedenen Rollen, welche die Akteure eines Familienunternehmens je nach Situation einnehmen, ergeben sich unterschiedliche Einstellungen, Verhaltensmuster, Intentionen und Erwartungen. So werden unterschiedliche Verhaltensweisen nachvollziehbar und stoßen schneller auf Verständnis, was wiederum konfliktmildernd wirkt.23 19 20 21 22 23

Vgl. Mühlebach (2004). Vgl. Gómez-Mejía et al. (2003). Vgl. Anderson et al. (2003). Vgl. Eddleston et al. (2012). Vgl. Rüsen (2011).

Die Bedeutung des strategischen Controllings für das Turnaround Management von FU

359

2.1.3. Professionalisierung als Herausforderung in Familienunternehmen Aufgrund der in der Regel starken Verflechtung zwischen Familie und Unternehmen, der vielfach eher geringen Unternehmensgröße und der damit einhergehenden Ressourcenknappheit, sind Familienunternehmen in einigen betriebswirtschaftlichen Bereichen weniger professionell organisiert als Nicht-Familienunternehmen. Ein solcher Bereich ist z. B. das strategische Controlling.24 Dabei brächten formalisierte Systeme zur Budgetierung und zum Soll-Ist-Vergleich gerade in Familienunternehmen viele strategische Vorteile mit sich.25 Bisherige Studien zeigen aber, dass insbesondere Familienunternehmen oft gar kein oder nur ein sehr rudimentäres operatives Controlling haben und sich gerade in strategischen Belangen eher auf das Bauchgefühl des Patrons verlassen.26 2.2. Strategisches Controlling in Familienunternehmen Der Begriff des strategischen Controllings umfasst diverse Definitionen, einerseits aus der deutschsprachigen aber auch aus der angelsächsischen Literatur, welche eher von „strategic management accounting“ oder „strategic cost management“ spricht.27 In den deutschen Definitionen wird unter strategischem Controlling die Koordinationsfunktion der betriebswirtschaftlichen Führung verstanden, welche u. a. die strategische Planung aufgrund von Informationen und Analysen sowie deren nachgelagerte Kontrolle umfasst.28 Es handelt sich somit um ein „System der Informationsgenerierung und -verarbeitung zur Unterstützung der Unternehmensführung durch Planung und Kontrolle (…)“29, weshalb Controlling auch als Rationalitätssicherung der Unternehmensführung bezeichnet wird.30 Die englischen Definitionen sind dagegen eher markt- und wettbewerbsorientiert und verstehen unter „strategic management accounting“ die Generierung und Verarbeitung von Informationen zu Wettbewerbern und Produktmärkten.31 Dabei werden verschiedene Kontrollmechanismen unter dem Begriff verstanden wie Kosten-, Ergebnis- oder Budgetkontrollen, welche anschließend mit der strategischen Planung und Stoßrichtung verglichen werden. 32 24 25 26 27 28 29 30 31 32

Vgl. Hiebl (2017). Vgl. Hiebl (2013). Vgl. Andric/Kammerlander (2017); Hiebl (2017). Vgl. Hiebl (2017). Vgl. Horváth (1978); Weber/Schäffer (2000). Hiebl (2017), S. 151. Vgl. Weber/Schäffer (2001). Vgl. Bromwich (1990). Vgl. Langfield-Smith (2006); Malmi/Brown (2008).

360

Alexandra Bertschi-Michel, Thomas Wittig und Andreas Hack

2.2.1. Ausgestaltung des strategischen Controllings in Familienunternehmen Die Verantwortlichkeiten für das strategische Controlling in Familienunternehmen hängen maßgeblich von drei Faktoren ab: Der Unternehmensgröße, dem Einfluss der Familie auf das Unternehmen und dem Verhalten von externen Akteuren wie Banken oder sonstigen Geldgebern.33 Insbesondere die Unternehmensgröße scheint dabei eine wichtige Rolle zu spielen, da bisherige Studien zeigen, dass in kleineren Unternehmen eher externe Steuer- und Unternehmensberater für strategische Controlling-Instrumente und die strategische Planung verantwortlich sind, wohingegen größere Unternehmen eher eine eigene Controlling-Abteilung mit verantwortlichen Personen führen.34 Gerade in kleineren Familienunternehmen kann dabei oft beobachtet werden, dass der Eigentümer die Verantwortung für das strategische Controlling nicht in fremde Hände gibt, sondern diese Funktion selbst ausübt oder an ein Familienmitglied delegiert, zu dem er uneingeschränktes Vertrauen hat (oft die Ehefrau). Ferner werden Grundsätze des strategischen Controllings in einem solchen Setup oft nicht schriftlich, sondern höchstens mündlich oder gedanklich festgehalten.35 Das operative Controlling dagegen wird auch in Familienunternehmen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen meist professionell durchgeführt, ist aber regelmäßig stark durch das Rechnungswesen geprägt.36 2.2.2. Relevanz von strategischem Controlling in Familienunternehmen Es wird angenommen, dass grundsätzlich ein positiver Zusammenhang zwischen strategischem Controlling und finanziellem Erfolg eines Familienunternehmens besteht.37 Dies mag damit zusammenhängen, dass Unternehmen mit strategischen ControllingInstrumenten einfacher Investoren anziehen können, was insbesondere einen positiven Einfluss auf die Eigenkapitalsituation des Unternehmens und somit dessen Investitionsmöglichkeiten hat.38 Ferner konnte in der Vergangenheit gezeigt werden, dass Unternehmen, die über ein strategisches Controlling verfügen, eher Insolvenzen vermeiden können,39 da unprofitable Sparten frühzeitig erkannt werden. Neben diesen finanziellen Auswirkungen wird dem strategischen Controlling eine bessere Informationsgrundlage und damit eine kürzere Reaktionszeit auf Veränderungen zugeschrieben, was sich mittelfristig ebenfalls im Geschäftserfolg niederschlägt.40 33 34 35 36 37 38 39 40

Vgl. Hiebl (2017). Vgl. Deimel (2008). Vgl. Andric/Kammerlander (2017). Vgl. Andric/Kammerlander (2017); Hiebl (2017). Vgl. Hiebl (2017). Vgl. Davila et al. (2015). Vgl. Bormann/Dennert-Rüsken (2010). Vgl. Hiebl (2017).

Die Bedeutung des strategischen Controllings für das Turnaround Management von FU

361

2.3. Krisen Eine Krise ist ein Zustand, welcher als gefährlich und unangenehm wahrgenommen wird. Diese Beschreibung gilt sowohl für ein Individuum, wie auch für ein Unternehmen.41 Hauschildt et al.42 definieren eine Unternehmenskrise als einen existenzbedrohenden Zustand, welcher erst endet, wenn Maßnahmen Anwendung finden, die die Leistungsfähigkeit des Unternehmens wiederherzustellen vermögen. Rüsen und Schlippe43 verstehen die Unternehmenskrise als einen „(…) Zustand, der die Existenz und Überlebensfähigkeit eines Unternehmens in Frage stellt und sich durch ungeplante und ungewollte, endogen oder exogen bedingte Prozesse von begrenzter Dauer und Beeinflussbarkeit sowie durch einen ambivalenten Ausgang auszeichnet. Das Erreichen dominanter Ziele des Unternehmens (Erfolgspotenzial, Ertrag, Liquidität) ist gefährdet, und die Verfehlung dieser Ziele bedeutet eine nachhaltige Existenzbedrohung oder gar Vernichtung des Unternehmens als selbstständig und aktiv am Wirtschaftsprozess teilnehmende Einheit mit ihren bis dahin gültigen Zweck- und Zielsetzungen.“44

2.3.1. Ursprung von Krisen in Familienunternehmen Eichner45 unterscheidet drei Schritte zur Entstehung von Krisen, die oft nacheinander erreicht werden und einen zunehmenden Schweregrad aufweisen (vgl. Abbildung 1): 1. Strategie-Krise: Das Unternehmen sieht sich mit stagnierenden Verkaufszahlen und Marktverlusten konfrontiert. 2. Ertrags-Krise: Die Erträge bleiben beispielsweise unter dem Marktdurchschnitt oder fallen sogar unter die Höhe der Aufwendungen. 3. Liquiditäts-Krise: Das Unternehmen verfügt nicht mehr über genügend flüssige Mittel und kurzfristig verfügbares Kapital. Mit zunehmendem Schweregrad steigt auch die Anforderung an die Gegenmaßnahmen.46 Gemäß Trahms et al.47 gibt es bisher keine einheitliche Skala für die Messung des Schweregrads einer Unternehmenskrise. Pandit48 führt interne Finanzkennzahlen als mögliche Messwerte an. Diese Methode wird jedoch gleichzeitig kritisiert, da das Unternehmen Finanzkennzahlen leicht anpassen kann, sodass das Bild mit Hilfe der Buchhaltung verzerrt und eine Krise möglicherweise vorläufig missachtet wird. 41 42 43 44 45 46 47 48

Vgl. Krystek (1987). Vgl. Hauschildt et al. (2006). Vgl. Rüsen/Schlippe (2007). Rüsen/Schlippe (2007), S. 312. Vgl. Eichner (2010). Vgl. Hauschildt et al. (2006). Vgl. Trahms et al. (2013). Vgl. Pandit (2000).

362

Alexandra Bertschi-Michel, Thomas Wittig und Andreas Hack

Alternativ lassen sich die Kennzahlen mit denen anderer Unternehmen vergleichen, um Schlüsse auf die Unternehmenssituation zu ziehen.49 Cater und Schwab50 hingegen sehen die Einschätzung von Experten als die zuverlässigste Methode an.

Abb. 1: Krisenmodell51 2.3.2. Die Rolle der Familie in Unternehmenskrisen Detailliert hebt Rüsen52 den Einfluss der Familie auf Krisensituationen heraus und unterscheidet hierbei zwischen Strukturen und Verhaltensweisen der Familie als Einflussfaktoren. Habbershorn und Williams53 konnten feststellen, dass die Familie durch die Dynamik zwischen Eigentum, Unternehmen und Familie die Krise maßgebend mitbeeinflusst. Diese Beeinflussung kann sowohl positiv wie auch negativ sein. Sie unterscheidet sich jedoch deutlich von der Situation in Nicht-Familienunternehmen, wo es eine solche Dynamik dieser drei Systeme nicht gibt. Krisen können ihren Ursprung sowohl innerhalb der Familie wie auch innerhalb des Unternehmens haben. Unabhängig davon, welchem System die Krise entsprang, werden die Auswirkungen ebenfalls im anderen System spürbar sein. Das parallele System kann hierbei der Krise entgegenwirken oder diese zusätzlich verstärken.54

49 50 51 52 53 54

Vgl. Pandit (2000). Vgl. Cater/Schwab (2008). Quelle: In Anlehnung an Hauschildt et al. (2006). Vgl. Rüsen (2017). Vgl. Habbershorn/Williams (1999). Vgl. Rüsen/Schlippe (2007).

Die Bedeutung des strategischen Controllings für das Turnaround Management von FU

363

2.3.3. Die Rolle des Controllings in Krisen Strategisches Controlling identifiziert frühzeitig mögliche Krisenherde, wie z. B. Bereiche, die nicht profitabel sind, und erlaubt die rasche Einleitung von entsprechenden Korrekturmaßnahmen. 55 Dabei liefert das Controlling wichtige Informationen, wo genau im Unternehmen Probleme vorhanden sind und allenfalls auch wie diese behoben werden können. 56 Durch eine solche frühzeitige Erkennung und Behebung von Bedrohungspotentialen kann einer drohenden Insolvenz des Familienunternehmens entgegengewirkt werden. 57 2.3.4. Turnaround-Maßnahmen Beim Turnaround handelt es sich um zu ergreifende Maßnahmen, die ein Unternehmen aus der Krise führen sollen. 58 Ob diese Krise existenzbedrohend sein muss oder nicht, wird in der bisherigen Forschung unterschiedlich interpretiert. Gemäß Rüsen59 bedarf ein Turnaround im Gegensatz zum Krisenmanagement oder einer Sanierung keiner Existenzbedrohung als Ausgangspunkt. Mit ebendiesen Begriffen, Krisenmanagement und Sanierung, wird der Turnaround in vielen wissenschaftlichen Beiträgen gleichgesetzt.60 Hambrick und Schecter61 hingegen setzen eine Existenzbedrohung voraus. Im Folgenden orientieren wir uns an der Definition von Chowdhury62, nach der ein Turnaround als die Kombination von Maßnahmen gesehen wird, welche darauf abzielen, die existenzbedrohende Situation zu beenden und das Unternehmen langfristig wieder leistungsfähig zu machen.63 Pettigrew64 unterscheidet drei Dimensionen des Turnarounds: Der „Inhalt“ beschreibt die angestrebten Maßnahmen, während der „Kontext“ die inneren und äußeren Gegebenheiten der Situation beinhaltet. Schließlich zeigt der „Prozess“ den Verlauf der Umsetzung auf. Vorerst gilt es jedoch, den Prozess des Turnarounds und

55 56 57 58 59 60 61 62 63

64

Vgl. Bormann/Dennert-Rüsken (2010). Vgl. Feldbauer-Durstmüller (2003). Vgl. Hiebl (2017). Vgl. Pearce/Robbins (1993). Vgl. Rüsen (2017). Vgl. Kraus/Gress (2004). Vgl. Hambrick/Schecter (1983). Vgl. Chowdhury (2002). Im Folgenden werden daher die Begriffe Turnaround-Maßnahmen und Restrukturierungsmaßnahmen synonym verwendet. Vgl. Pettigrew (1990).

364

Alexandra Bertschi-Michel, Thomas Wittig und Andreas Hack

die einzelnen Prozessschritte zu beschreiben. Pearce und Robbins65 teilen den Turnaround-Prozess in zwei Phasen ein:  Retrenchment-Phase: In dieser Phase liegt die oberste Priorität auf dem Durchbrechen des negativen Krisenverlaufs und der finanziellen Stabilisierung des Betriebs. Hierbei geht es darum, Turnaround-Maßnahmen möglichst schnell zu implementieren. Dies können beispielsweise Maßnahmen wie Entlassungen, Produktionsstopps oder Verkauf von Tochterunternehmen sein.  Recovery-Phase: Diese Phase tritt ein, sobald das Unternehmen sich stabilisieren konnte. Es folgt der Wiederaufbau, bei welchem der Fokus auf der Erreichung des gewünschten Betriebs und positiver Kennzahlen liegt. Die Definition des gewünschten Betriebs und der Kennzahlen liegt wiederum im Ermessen des jeweiligen Unternehmens.

Abb. 2: Fünf-Phasen Turnaround Modell66 Barker und Duhaime67 untersuchten detailliert die Auswirkungen strategischer Neuausrichtung während des Turnarounds. Hierbei wurde festgestellt, dass Anpassungen der Strategie einen wichtigen Einfluss auf das Gelingen des Turnarounds haben. Wittig68 identifiziert gestützt auf Sudarsanam und Lai69 Krisenfaktoren auf unterschiedlichen Ebenen. Dies sind die operationale Ebene, Managementebene, organisationale und finanzielle Ebene. Daher sollten auch die Turnaround-Maßnahmen auf all diesen Ebenen zur Anwendung kommen.  Operational: Es wird versucht, Kostensenkungen durch bspw. Effizienzsteigerung in der Produktion zu erreichen. Somit betreffen diese Maßnahmen keine strategischen Anpassungen, sondern Prozesse und Arbeitsweisen werden effizienter gestaltet.70 65 66 67 68 69 70

Vgl. Pearce/Robins (1993). Quelle: In Anlehnung an Eicher (2010). Vgl. Barker/Duhaime (1997). Vgl. Wittig (2016). Vgl. Sudarsanam/Lai (2001). Vgl. Sudarsanam/Lai (2001).

Die Bedeutung des strategischen Controllings für das Turnaround Management von FU

365

 Managerial: Schwerwiegende Veränderungen anzustoßen ist oft schwierig, wenn Geschäftspraktiken seit langem etabliert sind. Deshalb ist die Auswechslung der Führungsebene oft der einfachere Weg, da hier noch keine Prozesse und Strukturen vorhanden sind und somit neu aufgebaut werden können.71  Organizational: Der Aufbau des Unternehmens mitsamt seinen Tochterunternehmen, Abteilungen und Einheiten kann verändert werden. 72  Financial: Hiermit sind die Kapitalstrukturen sowie Zahlungsströme gemeint. Diese können einen wesentlichen Einfluss innerhalb des Turnarounds haben.73 Die operationalen Maßnahmen wurden von Tikici et al.74 vertieft untersucht. Sie kamen zur Erkenntnis, dass es innerhalb der operationalen Maßnahmen deutliche Unterschiede in Hinblick auf die Anwendung gibt. So werden in Produktionsunternehmen Maßnahmen der Umsatzsteigerung häufiger angewandt (40,7 % aller Fälle) als kostenreduzierende Maßnahmen (9,7 % aller Fälle). Eine weitere Einsicht ist, dass sich ein Wechsel auf Führungsebene lediglich in der frühen Phase des Turnarounds positiv auswirkt und bei späterem Einsatz seine Wirkung verfehlt.75 Es gibt jedoch keine allgemeingültigen Maßnahmen, welche den Erfolg eines Turnarounds sichern könnten. Es bedarf im Sinne der Kontingenztheorie einer Anpassung an die Situation und Charakteristik des einzelnen Unternehmens.76 2.4. Forschungsfragen Aus diesen bisherigen Erkenntnissen der Forschung leiten wir folgende Forschungsfragen ab: 1. Inwiefern führen Defizite im Controlling zu Krisen? 2. Inwiefern helfen Restrukturierungsmaßnahmen im Bereich des Controllings bei der Bewältigung von Krisen? 3. Inwiefern unterscheiden sich Familien- von Nicht-Familienunternehmen bezüglich der Bedeutung von Controlling zur Vermeidung und Bewältigung von Krisen?

71 72 73 74 75 76

Vgl. Sudarsanam/Lai (2001). Vgl. Bowman/Singh (1993). Vgl. Sudarsanam/Lai (2001). Vgl. Tikici et al. (2011). Vgl. Daily/Dalton (1995). Vgl. Woodward (1965).

366 3.

Alexandra Bertschi-Michel, Thomas Wittig und Andreas Hack

Datenbasis und Messmethode

Zur Beantwortung der in Abschnitt 2.4 aufgestellten Forschungsfragen wurde eine Befragung unter Risikomanagern von 22 deutschen Großbanken durchgeführt. In bisherigen Studien zu Unternehmenskrisen wurden entweder Informationen aus öffentlichen Quellen gesammelt77 oder Unternehmer bzw. Geschäftsführer der betroffenen Krisenunternehmen befragt.78 Während der erste Ansatz zu einer unzureichenden und oft wenig detaillierten Datenbasis führt, birgt der zweite Ansatz ein hohes Risiko, verzerrte Antworten zu erhalten. Sowohl Unternehmer als auch Geschäftsführer sind unmittelbar und individuell mit der Krisensituation verbunden und können zum Teil sogar als Ursache der Krise ausgemacht werden. Eine Einschätzung von Krisenmanagern deutscher Großbanken ist dagegen aus vier Gründen optimal für die wissenschaftliche Analyse von Unternehmenskrisen:  Es können auch Krisen in Unternehmen analysiert werden, die nicht kapitalmarktnah agieren und demzufolge geringeren Publizitätsanforderungen unterliegen. Zudem können Krisensituationen, Turnaround-Maßnahmen und Krisenausgänge ex post beobachtet werden. Der sogenannte Survivor Bias, also das Problem, dass nur solche Unternehmen befragt werden können, die eine Krise überlebt haben, wird so umgangen.  Krisenmanager werden erst nach Ausbruch der Liquiditätskrise hinzugezogen und unterliegen daher aufgrund ihrer neutralen Position keiner verzerrten Wahrnehmung der Krisensituation. Zudem sind sie auch in der Restrukturierung nicht für deren Ausgang verantwortlich, sondern begleiten lediglich die Restrukturierungsanstrengungen des Unternehmens, der Turnaround-Berater oder der Insolvenzverwalter.  Die Banken und ihre Krisenmanager haben Zugang zu allen relevanten Informationen des Krisenunternehmens, da (1) bereits im Rahmen der Kreditvergabeprüfung wichtige Informationen über das Unternehmen eingeholt wurden, sie (2) Zugang zu den Restrukturierungsgutachten (IDW S6) erhalten und (3) die Restrukturierung des Unternehmens eng begleiten. Damit verfügen sie über eine optimale Informationslage.  Die hohe Formalisierung der einzelnen Schritte im Rahmen der Krisenbearbeitung aufgrund der hohen regulatorischen Anforderungen im deutschen Rechtssystem verspricht eine vergleichbare und konsistente Bewertung der Krisensituation und deren Bearbeitung. Insgesamt konnten detaillierte Informationen zu 209 Fällen gesammelt werden. Bei allen Unternehmen handelt es sich um Produktionsunternehmen mit Haupt77 78

Vgl. Hauschildt et al. (2006); Eichner (2010). Vgl. Andric/Kammerlander (2017).

Die Bedeutung des strategischen Controllings für das Turnaround Management von FU

367

sitz in Deutschland, die dem deutschen Mittelstand zuzurechnen sind. Zudem befanden sich alle Unternehmen in einer Liquiditätskrise, die nach dem Jahr 2000 aufgetreten ist. Abbildung 3 gibt einen Überblick über die Verteilung der befragten Unternehmen nach Unternehmensgröße (nach Umsatz in Mio. Euro) und Eigentumsanteil der Unternehmerfamilie (in %). Größenverteilung nach Umsatz (in Mio. Euro)

Eigentumsanteil der Unternehmerfamilie

unter 25% 150 bis 500 29%

18 % 10 bis 49 44% 25% und mehr

50 bis 149 27%

72 %

Abb. 3: Deskriptive Beschreibung der Stichprobe79 Zur Untersuchung der hier relevanten Forschungsfrage wurden die Krisenmanager gebeten, jeweils auf einer fünfstufigen Skala Aussagen zum Einfluss des Controllings auf die Krisenentwicklung zu geben (1 = keine Relevanz; 5 = hohe Relevanz), eine Einschätzung über die Bedeutung der organisationalen Restrukturierungsmaßnahmen, unter anderem der Controlling-Prozesse (1 = keine Bedeutung; 5 = sehr hohe Bedeutung), zu tätigen sowie das Ergebnis der Restrukturierungsmaßnahmen (1 = Insolvenz; 5 = besser als Vorkrisenniveau) zu bewerten. Zudem wurde der Eigentumsanteil der Unternehmerfamilie und die Größe des Unternehmens vor Krisenbeginn erfragt.

79

Quelle: Eigene Darstellung.

368 4.

Alexandra Bertschi-Michel, Thomas Wittig und Andreas Hack

Ergebnisse

Im Rahmen der Forschung zu Krisenfaktoren wurde den organisationalen und vor allem den prozessorientierten Faktoren, wie dem Finanzmanagement, eine hohe Bedeutung für die Entwicklung einer organisationalen Krise beigemessen. Neben Kalkulationsfehlern oder einer zu oberflächlichen Planung 80 scheint auch ein unzureichendes Controlling Krisen in Unternehmen zu befördern. Auch unsere Daten weisen auf den negativen Einfluss von Schwächen im Controlling hin. Auf einer Skala von 1 (keine Relevanz für die Entstehung der Krise) bis 5 (hohe Relevanz für die Entstehung der Krise) bewerten die Krisensachverständigen der Banken Unzulänglichkeiten im Controlling mit einem Mittelwert von 4.24 als bedeutend für die Entstehung der Unternehmenskrise. Eine tiefergehende Analyse zeigt zudem, dass Schwächen im Controlling nicht nur die Krise befördern, sondern auch einen negativen Einfluss auf die Sanierungsfähigkeit ausüben. So belegt eine einfache lineare Regression (vgl. Model 2, Tabelle 1), dass mit zunehmender Schwäche im Controlling die Wahrscheinlichkeit einer Sanierung signifikant abnimmt. Fast 70 % aller Krisenunternehmen, bei denen Schwächen im Controlling als weniger hoch angesehen wurden, gehen gestärkt aus der Krise hervor. Umgekehrt enden knapp 60 % der Krisenunternehmen, in denen Schwächen im Controlling als hoch bewertet wurden entweder in der Insolvenz oder werden deutlich unter dem Vorkrisenniveau weitergeführt. Interessant ist zudem, dass Unternehmen im Familieneigentum deutliche Schwächen im Controlling zeigen und sich diese für die Entstehung der Krise im Besonderen verantwortlich zeichnen. Verglichen mit einem Mittelwert von 3,86 für Unternehmen im Publikumseigentum (unter 25 % Familieneigentum), wird die Relevanz der Schwächen im Controlling bei Familienunternehmen (25 % oder mehr Anteile liegen im Familieneigentum) mit einem Mittelwert von 4,33 als deutlich höher eingeschätzt. Die Unterschiede sind auf einem 5 % Niveau statistisch signifikant. Ob der oben beschriebene negative Einfluss der Schwächen im Controlling auf die Sanierungsfähigkeit abgemildert werden kann, wenn entsprechende Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden, ist Teil der nächsten Analyseschritte. Hierzu wurden die Sanierungsexperten der Banken danach gefragt, in welchem Ausmaß in der Turnaround-Phase operative Restrukturierungsmaßnahmen (u. a. im Controlling) durchgeführt wurden. Die in Modell 3 der Tabelle 1 dargestellte moderierte lineare Regression zeigt ein eindeutiges Bild.

80

Vgl. Schendel et al. (1976); Slatter (1984); Böckenförde (1996).

369

Die Bedeutung des strategischen Controllings für das Turnaround Management von FU

Model 1

Model 2

Model 3

Eigentumsanteil der Familie vor der Krise

0,16**

0,20**

0,21**

Umsatz vor der Krise

0,23***

0,24***

0,23***

-0,25***

-0,59**

Kontrollvariablen

Unabhängige Variable Schwächen im Controlling Moderationsvariable Operative Restrukturierung (u. a. im Controlling)

-0,32†

Interaktionsterm Schwächen x Restrukturierung

0,530†

R2

0,080

0,138

0,148

Adjusted R2

0.071

0,126

0,127

F

8,99***

10,95***

7,05***

Anmerkungen: abhängige Variable: Ergebnis der Sanierung; standardisierte Beta-Koeffizienten werden angegeben; n=209; einseitige Signifikanztests: *** p < 0.001; ** p < .01; * p < .05; † p < 0.1

Tab. 1: Ergebnisse der Regressionsanalysen Der negative Einfluss der Schwäche im Controlling vor der Krise konnte zwar nicht gedreht werden, wirkt sich aber in deutlich abgemilderter Form auf die Sanierungsfähigkeit aus, wenn deutliche Sanierungsmaßnahmen in diesem Bereich getroffen werden. Abbildung 4 verdeutlicht den Moderationseffekt noch einmal grafisch.

370

Alexandra Bertschi-Michel, Thomas Wittig und Andreas Hack

Abb. 4: Moderierender Einfluss der Restrukturierung auf den Zusammenhang zwischen Controlling und Restrukturierungsergebnis Tiefgreifende Restrukturierungsmaßnahmen im Bereich der organisationalen Prozesse (u. a. im Controlling) scheinen demnach kritisch für die Sanierungsfähigkeit eines Krisenunternehmens zu sein. Somit ist abschließend die Frage zu beantworten, ob Unternehmen im Familieneigentum eine ähnliche Sanierungsbereitschaft zeigen wie Publikumsgesellschaften. Ein Mittelwertvergleich zwischen Familienunternehmen und Publikumsgesellschaften auf Basis des bereits oben dargelegten Eigentumsanteils ergibt keine statistisch signifikanten Unterschiede. Der Einfluss der Eigentümer scheint im Turnaround also nur begrenzt zu sein. Hingegen zeigt sich, dass diejenigen Familienunternehmen, die durch ein Familienmitglied geführt werden, deutlich weniger organisationale Restrukturierungsmaßnahmen durchführen (Mittelwert von 3,83 versus 4,12). Es scheint, dass familieninterne Topmanager selbst in der Krise die Bedeutung einer Verbesserung der Controlling-Prozesse für das Sanierungsergebnis unterschätzen. 5.

Fazit

Eine der kritischsten Herausforderungen eines jeden Unternehmens ist der Turnaround in der Unternehmenskrise. Empirische Ergebnisse belegen eindrücklich, dass die Un-

Die Bedeutung des strategischen Controllings für das Turnaround Management von FU

371

ternehmenskrise kein seltenes Phänomen ist, sondern die meisten Unternehmen im Lauf ihres Lebenszyklus mindestens einmal trifft. Erschreckend ist dabei, dass die Insolvenzwahrscheinlichkeit in einer akuten Krise sehr hoch ist, insbesondere bei KMU.81 Diverse Studien haben sich daher mit Krisenursachen und geeigneten Turnaround-Maßnahmen auseinandergesetzt. Neben unternehmensexternen Krisenursachen sind vor allem operative betriebswirtschaftliche Schwächen, darunter solche im Controlling, für das Entstehen einer Krisensituation ursächlich.82 Die Ergebnisse unserer statistischen Analysen bestätigen die in der Literatur genannte Vermutung eindrücklich. Schwächen im Controlling können ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von Krisensituationen sein. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass erst im Rahmen eines ordnungsgemäßen Controllings die schleichende Verschlechterung wichtiger Erfolgsgrößen erkannt wird, und zum anderen aber auch darauf, dass gerade das strategische Controlling eine wichtige Funktion in der Vorhersage strategischer Krisen spielen kann. Eine professionelle Integration des Controllings in die Abläufe eines Unternehmens und die bewusste Interpretation der Ergebnisse auf oberster Managementebene sind somit von großer Bedeutung für die Krisenfrüherkennung. Die Analysen zeigen zudem, dass Schwächen im Controlling gerade für Unternehmen im Familieneigentum besonders ausgeprägt sind. Aufgrund der hohen Kontrollbedürfnisse gerade der geschäftsführenden Gesellschafter werden Controlling-Systeme oft als Eingriff in die Entscheidungsfreiheiten des Managements angesehen. Jedoch sollten Familienunternehmen zur Sicherung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit deutlich stärker in die Professionalisierung von Controlling-Systemen und -Werkzeugen investieren. Diese Bereitschaft kann, so zeigt die Literatur zu Krisenfrühwarnsystemen, durch den Aufbau eines professionellen Governance-Systems, z. B. durch den Einbezug eines Beirats,83 gesteigert werden. Während einer Krise, so belegen die Daten, ist es nicht zu spät ein professionelles Controlling aufzubauen. Die negativen Auswirkungen der Krise können durch geeignete Restrukturierungsmaßnahmen deutlich gemildert werden. Dies ist ein wichtiger Hinweis nicht nur für professionelle Insolvenzberater, sondern vor allem für die in Eigenverwaltung verbleibenden Krisenunternehmen. Die Gründe für die Krise sollten dabei nicht nur in unternehmensexternen Einflussfaktoren gesucht werden, sondern ganz gezielt in eigenen Managementversäumnissen und fehlenden oder ungenügenden Controlling-Systemen.

81 82 83

Vgl. Mayr et al. (2017). Vgl. Kücher et al. (2018). Vgl. Faghfouri et al. (2015).

372

Alexandra Bertschi-Michel, Thomas Wittig und Andreas Hack

Literatur Anderson, R. C./Mansi, S. A./Reeb, D. M. (2003): Founding family ownership and the agency cost of debt. Journal of Financial Economics, 68 Jg., Nr. 2, S. 263-285. Andric, M./Kammerlander, N. (2017): Motive zum Verzicht auf Controlling in Familienunternehmen: eine Mediator-Analyse. Controlling & Management Review, 2 Jg., S. 8-15. Aronoff, C. (2004): Self-perpetuation family organization built on values: Necessary condition for long-term family business survival. Family Business Review, 17 Jg., Nr. 1, S. 55-59. Barker III, V. L./Duhaime, I. M. (1997): Strategic change in the turnaround process: Theory and empirical evidence. Strategic Management Journal, 18 Jg., Nr. 1, S. 13-38. Berrone, P./Cruz, C./Gomez-Mejia, L. R. (2012): Socioemotional wealth in family firms: Theoretical dimensions, assessment approaches, and agenda for future research. Family Business Review, 25 Jg., Nr. 3, S. 258-279. Bormann, M./Dennert-Rüsken, U. (2010): Unternehmenskrisen und Insolvenz-erkennen, vermeiden, bewältigen. 2. Auflage. Hamburg: Dashöfer. Bowman, E. H./Singh, H. (1993): Corporate restructuring: Reconfiguring the firm. Strategic Management Journal, 14 Jg., Nr. S1, S. 5-14. Böckenförde, B. (1996): Unternehmenssanierung. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Bromwich, M. (1990): The case for strategic management accounting: The role of accounting information for strategy in competitive markets. Accounting, Organizations and Society, 15 Jg., Nr. 1-2, S. 27-46. Cater, J./Schwab, A. (2008): Turnaround strategies in established small family firms. Family Business Review, 21 Jg., Nr. 1, S. 31-50. Chowdhury, S. D. (2002): Turnarounds: A stage theory perspective. Canadian Journal of Administrative Sciences/Revue Canadienne des Sciences de l'Administration, 19 Jg., Nr. 3, S. 249-266. Chrisman, J. J./Chua, J. H./Sharma, P. (2005): Trends and directions in the development of a strategic management theory of the family firm. Entrepreneurship Theory and Practice, 29 Jg., Nr. 5, S. 555-575. Creditreform (2019): Insolvenzen in Deutschland, Jahr 2018, https://www.creditreform.com/ news/news/news-list/details/news-detail/insolvenzen-in-deutschland-jahr-2018.html, Abfrage: 16.07.2019. Daily, C. M./Dalton, D. R. (1995): CEO and director turnover in failing firms: An illusion of change? Strategic Management Journal, 16 Jg., Nr. 5, S. 393-400. Davila, A./Foster, G./Jia, N. (2015): The Valuation of Management Control Systems in Start-Up Companies: International Field-Based Evidence. European Accounting Review, 24 Jg., Nr. 2, S. 207-239. Deimel, K. (2008): Stand der strategischen Planung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der BRD. Zeitschrift Für Planung & Unternehmenssteuerung, 19 Jg., Nr. 3, S. 281-298. Eddleston, K. A./Kellermanns, F. W./Zellweger, T. M. (2012): Exploring the entrepreneurial behavior of family firms: does the stewardship perspective explain differences?. Entrepreneurship Theory and Practice, 36 Jg., Nr. 2, S. 347-367. Eichner, T. (2010): Restructuring and Turnaround of Distressed Manufacturing Firms: An International Empirical Study. Frankfurt am Main: Lang, Peter. Europäische Kommission (o. D.): What is an SME? https://ec.europa.eu/growth/ smes/business-friend-ly-environment/sme-definition_en, Abfrage: 16.07.2019. Faghfouri, P./Kraiczy, N. D./Hack, A./Kellermanns, F. W. (2015): Ready for a crisis? How supervisory boards affect the formalized crisis procedures of small and medium-sized family firms in Germany. Review of Managerial Science, 9 Jg., Nr. 2, S. 317-338.

Die Bedeutung des strategischen Controllings für das Turnaround Management von FU

373

Feldbauer-Durstmüller, B. (2003): Sanierungsmanagement: Die Bewältigung von Unternehmenskrisen durch Unternehmenssanierung. Zeitschrift für Organisation, 72 Jg., Nr. 3, S. 128-132. Felden, B./Hack A./Hoon, C. (2019): Management von Familienunternehmen. Besonderheiten – Handlungsfelder – Instrumente. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler. Gómez-Mejía, L. R./Larraza-Kintana, M./Makri, M. (2003): The determinants of executive compensation in family-controlled public corporations. Academy of Management Journal, 46 Jg., Nr. 2, S. 226-237. Habbershon, T. G./Williams, M. L. (1999): A resource-based framework for assessing the strategic advantages of family firms. Family Business Review, 12 Jg., Nr. 1, S. 1-25. Hambrick, D. C./Schecter, S. M. (1983): Turnaround strategies for mature industrialproduct business units. Academy of Management Journal, 26 Jg., Nr. 2, S. 231-248. Hauschildt, J./Grape, C./Schindler, M. (2006): Typologien von Unternehmenskrisen im Wandel. Die Betriebswirtschaft, 66 Jg., Nr.1, S. 7-24. Hiebl, M. R. W. (2013): Einfluss von Controlling-Systemen auf die Unternehmensführung mittelgroßer Familienunternehmen. Controlling & Management Review, 57 Jg., Nr. 1, S. 78-84. Hiebl, M. R. W. (2017): Strategisches Controlling in Klein und Mittelunternehmen. In: Müller, D. (Hrsg.), Controlling für kleine und mittlere Unternehmen (S. 149-174). 2. Auflage. Berlin/Boston: De Gruyter Oldenbourg. Horváth, P. (1978): Controlling–Entwicklung und Stand einer Konzeption zur Lösung der Adaptions-und Koordinationsprobleme der Führung. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 48 Jg., Nr. 3, S. 194-208. Kraus, K. J./Gless, S. E. (2004): Unternehmensrestrukturierung/-sanierung und strategische Neuausrichtung. Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 2 Jg., S. 115-146. Kücher, A./Feldbauer-Durstmüller, B./Duller, C. (2015). The intellectual foundations of business failure: a co-citation analysis. Journal of International Business Economics, 15 Jg., Nr. 2, S. 13-38. Kücher, A./Mayr, S./Mitter, C./Duller, C./Feldbauer-Durstmüller, B. (2018): Firm age dynamics and causes of corporate bankruptcy: age dependent explanations for business failure. Review of Managerial Science, 8 Jg., Nr. 9, S. 1-29. Krystek, U. (1987): Unternehmungskrisen. Wiesbaden: Gabler. KSV (2019): Privatkonkurs: das Jahr der Superlative, https://www.ksv.at/insolvenzentwicklung/ insolvenzstatistik-2018-final, Abfrage: 19.06.2019. Langfield-Smith, K. (2006): A review of quantitative research in management control systems and strategy. Handbooks of management accounting research, 2 Jg., S. 753-783. Malmi, T./Brown, D. A. (2008): Management control systems as a package – Opportunities, challenges and research directions. Management accounting research, 19 Jg., Nr. 4, S. 287-300. Mayr, S./Mitter, C./Aichmayr, A. (2017): Corporate crisis and sustainable reorganization: Evidence from bankrupt Austrian SMEs. Journal of Small Business Management, 55 Jg., Nr. 1, S. 108-127. Mellahi, K./Wilkinson, A. (2004): Organizational failure: a critique of recent research and a proposed integrative framework. International Journal of Management Reviews, 5 Jg., Nr. 1, S. 21-41. Mühlebach, C. (2004): Familyness als Wettbewerbsvorteil: Ein integrierter Strategieansatz für Familienunternehmen. Bern: Haupt. Pandit, N. R. (2000): Some recommendations for improved research on corporate turnaround. Management, 3 Jg., Nr. 2, S. 31-56. Pearce, J. A./Robbins, K. (1993): Toward improved theory and research on business turnaround. Journal of Management, 19 Jg., Nr. 3, S. 613-636.

374

Alexandra Bertschi-Michel, Thomas Wittig und Andreas Hack

Pettigrew, A. M. (1990): Longitudinal field research on change: Theory and practice. Organization science, 1 Jg., Nr. 3, S. 267-292. Rüsen, T. A. (2017): Krisen und Krisenmanagement in Familienunternehmen: Schwachstellen erkennen. Lösungen erarbeiten, Existenzbedrohungen meistern. Wiesbaden: Gabler. Rüsen, T. A. (Hrsg) (2011). Familienunternehmen erfolgreich sanieren: Der Einfluss des Familienfaktors bei Restrukturierungen. Berlin: Erich Schmidt. Rüsen, T. A./Schlippe, A. von (2007). Krisen in Familienunternehmen und Unternehmensfamilien. Über parallele, interdependente Dynamiken in Familie und Unternehmen. Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 14 Jg., Nr. 4, S. 309-330. Schendel, D./Patton, G. R./Riggs, J. (1976): Corporate turnaround strategies: A study of profit decline and recovery. Journal of General Management, 3 Jg., Nr. 3, S. 3-11. Sharma, P. (2004): An Overview of the Field of Family Business Studies: Current Status and Directions for the Future. Family Business Review, 17 Jg., Nr. 1, S. 1-36. Shepherd, D. A./Wiklund, J. (2006): Successes and failures at research on business failure and learning from it. Foundations and Trends in Entrepreneurship, 2 Jg., Nr. 5, S. 1-35. Slatter, S. (1984): Corporate recovery: successful turnaround strategies and their implementation. London: Penguin Books. Statista (2019): Anzahl der Unternehmensinsolvenzen in der Schweiz von 2008 bis 2018, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/488501/umfrage/unternehmensinsolvenze n-in-der-schweiz-nach-monaten/, Abfrage: 19.06.2019. Sudarsanam, S./Lai, J. (2001): Corporate financial distress and turnaround strategies: An empirical analysis. British Journal of Management, 12 Jg., Nr. 3, S. 183-199. Tikici, M./Omay, E./Derin, N./Seçkin, S. N./Cüreoğlu, M. (2011): Operating turnaround strategies during crisis periods: A research on manufacturing firms. Procedia-Social and Behavioral Sciences, 24 Jg., S. 49-60. Trahms, C. A./Ndofor, H. A./Sirmon, D. G. (2013): Organizational Decline and Turnaround: A Review and Agenda for Future Research. Journal of Management, 39 Jg., Nr. 5, S. 1277-1307. Ucbasaran, D./Shepherd, D. A./Lockett, A./Lyon, S. J. (2013): Life after business failure: The process and consequences of business failure for entrepreneurs. Journal of Management, 39 Jg., Nr. 1, S. 163-202. Weber, J./Schäffer, U. (2000): Controlling als Koordinationsfunktion?. Controlling & Management, 44 Jg., Nr. 2, S. 109-118. Weber J./Schäffer U. (2001): Sicherstellung der Rationalität von Führung als Funktion des Controlling. In: Weber J./Schäffer U. (Hrsg.), Rationalitätssicherung der Führung (S. 25-45). Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag. Wittig, T. (2016): Crisis and turnaround in German medium-sized enterprises: an integrated empirical study. Wiesbaden: Springer. Woodward, J. (1965): Industrial organization: Theory and practice. 2. Auflage. London: Oxford University Press.

Anforderungen an Controller: Qualitativ-empirische Ergebnisse von KMU

Michael Kuttner, Jürgen Konyen und Bernhard Gärtner 1.

Einleitung

Das Controlling ist in der Unternehmenspraxis weitgehend etabliert und hat in der jüngsten Vergangenheit auch in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)1 zunehmend an Bedeutung gewonnen. Gründe dafür sind bspw. die Implementierung neuer IT-Systeme (z. B. Enterprise Resource Planning (ERP)-Systeme), voranschreitende Internationalisierung, zunehmender Wettbewerb und Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen.2 Dementsprechend besitzt das Controlling in KMU einen hohen Stellenwert für die Entscheidungsunterstützung des Managements sowie für die Planung und Steuerung der unternehmerischen Tätigkeit.3 KMU sind weltweit von großer Relevanz und bilden das wirtschaftliche Rückgrat zahlreicher Volkswirtschaften. 4 Im Gegensatz zu Großunternehmen verfügen KMU über weniger komplexe Organisationsstrukturen, einen geringeren Grad an Formalisierung und dementsprechend eine größere Flexibilität bzw. Anpassungsfähigkeit gegenüber Veränderungsprozessen. 5 Dem gegenüber steht die oftmals limitierte Verfügbarkeit von materiellen (z. B. finanzielle Ressour1

2

3 4 5

Für die Definition von KMU wird innerhalb dieses Beitrags auf die Europäischen Kommission (2003) verwiesen, welche KMU anhand der Mitarbeiteranzahl, des Umsatzes und der Bilanzsumme kategorisiert. Ein KMU beschäftigt weniger als 250 Mitarbeiter und generiert höchstens 50 Mio. Euro Umsatz oder weist eine Bilanzsumme von höchstens 43 Mio. Euro auf (vgl. Europäische Kommission (2003), Internet). Vgl. Marriott/Marriott (2000), S. 476; Joshi (2001), S. 86; Granlund/Malmi (2002), S. 299 f.; Byrne/Pierce (2007), S. 469 f.; Barac (2009), S. 20; Gärtner/Slacik (2015), S. 306. Vgl. Nandan (2010), S. 65. Vgl. Mitchell/Reid (2000), S. 385; Islam et al. (2011), S. 289. Vgl. Mitchell/Reid (2000), S. 385; Islam et al. (2011), S. 289 f.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_18

376

Michael Kuttner, Jürgen Konyen und Bernhard Gärtner

cen) und immateriellen (z. B. Humanressourcen) Ressourcen6 von KMU und die damit verbundene eingeschränkte Möglichkeit Skaleneffekte zu nutzen.7 Diese begrenzte Ressourcenverfügbarkeit führt in KMU unter anderem zu Herausforderungen für das Controlling. Die Finanzierung einer Vollzeitstelle eines Controllers ist z. B. aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen oftmals nicht möglich,8 weshalb Entscheidungen der Geschäftsleitung in KMU oftmals nach dem Bauchgefühl bzw. persönlicher Präferenzen getroffen werden. 9 Studien über Anforderungen an Controller in KMU wurden bis dato in der einschlägigen Fachliteratur vernachlässigt10 und es konnte keine qualitativempirische Studie über Anforderungen an Controller in KMU identifiziert werden. Diese Forschungslücke gilt es zu schließen und daher werden die Anforderungen an Controller in KMU mittels einer explorativen, qualitativ-empirischen Studie (multiple Fallstudie) erhoben. Das Ziel dieser Untersuchung besteht darin die aktuellen Anforderungen an Controller in KMU aus einer Eigen- (Controller) und Fremdperspektive (Geschäftsführer) sowie die Ableitung eines Anforderungsprofils mit einem speziellen Fokus auf KMU darzulegen. Im Folgenden werden auf den theoretischen Hintergrund, die zugrundeliegende Forschungsmethodik und die Ergebnisse der qualitativ-empirischen Studie eingegangen. Abschließend werden die Ergebnisse diskutiert und Implikationen für zukünftige Forschung und Unternehmenspraxis abgegeben. 2.

Definitionen

2.1. Controlling und Controller Obwohl das Controlling aus der Unternehmenspraxis nicht mehr wegzudenken ist, existiert in der wissenschaftlichen Fachliteratur bis heute ein reger Diskurs über ein einheitliches Begriffsverständnis.11 Die grundlegende Idee des Controllings stammt ursprünglich aus den USA12 und die Entwicklung des Controllings im deutschsprachigen Raum ist durch eine Vielzahl von Controlling-Konzeptio6

7 8 9 10 11 12

Vgl. Barney (1991), S. 101; Marriott/Marriott (2000), S. 477; Aragón-Sánchez/Sánchez-Marín (2005), S. 287 f.; Nandan (2010), S. 65 ff. Vgl. Aragón-Sánchez/Sánchez-Marín (2005), S. 287 f. Vgl. Mitchell/Reid (2000), S. 386; Lavia López/Hiebl (2015), S. 82. Vgl. Cassar/Holmes (2003), S. 124. Vgl. Nandan (2010), S. 65 ff.; Wolf et al. (2017), S. 2 ff. Vgl. Küpper et al. (2013), S. 3 ff.; Weber/Schäffer (2016), S. 1 ff. Vgl. Horváth (2002), S. 328 ff.; Weber/Schäffer (2016), S. 27 ff.

Anforderungen an Controller: Qualitativ-empirische Ergebnisse von KMU

377

nen gekennzeichnet.13 Dieser Diskurs bezieht sich heutzutage vorwiegend auf die Koordinationsfunktion und die Zielausrichtung des Controllings und ist maßgeblich für das Fehlen eines einheitlichen Begriffsverständnisses verantwortlich. 14 Zur Schaffung eines einheitlichen Begriffsverständnisses wird auf die funktionale Controlling-Definition von Horváth verwiesen, der Controlling als „Subsystem der Führung, das Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung systembildend und systemkoppelnd ergebniszielorientiert koordiniert und so die Adaption und Koordination des Gesamtsystems unterstützt“ 15, definiert. Das Controlling versorgt demnach das Management eines Unternehmens mit den maßgeblichen Informationen zur Entscheidungsunterstützung, wodurch dem Controlling eine Steuerungsfunktion zukommt. Der Funktionsträger der Managementfunktion Controlling wird als Controller bezeichnet. 16 Die Ziele, Aufgaben und Instrumente des deutschsprachigen Controllings werden im englischsprachigen Sprachraum zumeist unter dem Begriff Management Accounting diskutiert.17 Obwohl Controlling und Management Accounting als weitgehend deckungsgleich erachtet und oftmals synonym verwendet werden, existieren Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die mitunter auf die langzeitige isolierte Entwicklung beider Systeme zurückzuführen sind. Gemeinsamkeiten bestehen bspw. im Ausgangspunkt, der Unternehmensstrategie bzw. -ziele, in der kybernetischen Ausrichtung und in der Integration von verhaltenssteuernden Aspekten (z. B. Kontrolle des Mitarbeiterverhaltens). Unterschiede betreffen unter anderem den zeitlichen Horizont (der beim Management Accounting aufgrund der Kapitalmarktorientierung der USA wesentlich kürzer ausfällt), den Adressatenkreis (das Management Accounting berichtet sowohl an interne als auch externe Stakeholder) und die hierarchische Position der Aufgabenträger (Controller sind im Gegensatz zum Management Accountant häufig direkt dem Chief Financial Officer unterstellt). 18 Demnach werden die zwar nicht identen, aber weitgehend deckungsgleichen Begriffe Controlling und Management Accounting als auch die akteursbezogene Sichtweise der Stelleninhaber Controller und Management Accountant synonym betrachtet.

13 14 15 16 17 18

Vgl. Günther (2013), S. 269 ff. Vgl. Horváth et al. (2011), S. 131 ff.; Küpper et al. (2013), S. 30 ff.; Weber/Schäffer (2016), S. 20 ff. Horváth (2011), S. 129. Vgl. Weber/Schäffer (2016), S. 1. Vgl. Malmi/Brown (2008), S. 290; Horváth et al. (2011), S. 20. Vgl. Günther (2013), S. 285 f.

378

Michael Kuttner, Jürgen Konyen und Bernhard Gärtner

2.2. Anforderungsprofil und Kompetenzen Ein Anforderungsprofil besteht aus der Summe aller schriftlich dokumentierten Anforderungen (Fähigkeiten und Kenntnisse), die von Stelleninhabern (z. B. Controllern) im Rahmen der Aufgabenerfüllung gefordert werden.19 Laut StockHomburg umfasst ein Anforderungsprofil fachliche, methodische und soziale Kompetenzen sowie Berufserfahrung, Unternehmens- und Branchenkenntnisse, kognitive Fähigkeiten und persönliche Merkmale. 20 Für den Begriff Kompetenz existiert innerhalb der wissenschaftlichen Fachliteratur aufgrund unterschiedlicher Verwendung und verschiedener theoretischer Herangehensweisen keine einheitliche Definition.21 Nachfolgend wird auf eine aktuelle Determination des Kompetenzbegriffes von Lawson et al. verwiesen, die unter Kompetenzen die Summe aus Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten subsumieren. Während Wissen erlernbar ist, wird unter Fertigkeiten die zielgerichtete praktische Anwendung dieses Wissens verstanden. Die Voraussetzungen für die Anwendung von Wissen und Fertigkeiten im Berufsumfeld werden als Fähigkeiten bezeichnet. 22 Neben Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten ist jedoch noch das situationsabhängige Denken und Handeln von Individuen zu berücksichtigen und erst die Kombination von Wissen, Fertigkeiten, Fähigkeiten, Erfahrung und Motivation ermöglicht den zielgerichteten Einsatz von Kompetenzen.23 3.

Aktueller Forschungsstand

Innerhalb der bisherigen wissenschaftlichen Fachliteratur zu Anforderungen an Controller konnten ausschließlich zwei konzeptionell-theoretische Beiträge identifiziert werden, in denen explizit auf KMU Bezug genommen wird. 24 In der Studie von Wolf et al. wird auf Basis bisheriger deutsch- und englischsprachiger Literatur ein Modell über Anforderungen an Controller in KMU abgeleitet. Dabei werden die Anforderungen an Controller in KMU nach fachlichmethodischen (z. B. Studium, Berufserfahrung und EDV-Kenntnisse) und persönlichen Fähigkeiten (z. B. Kommunikationsfähigkeiten, Denken) unterschieden.25 Nandan et al. nennen keine spezifischen Anforderungen, geben jedoch 19 20 21 22 23 24 25

Vgl. Stock-Homburg (2010), S. 127. Vgl. Stock-Homburg (2010), S. 128 f. Vgl. Boyatzis (2008), S. 5 ff.; Klieme/Hartig (2008), S. 11 ff.; Erpenbeck et al. (2017), S. XII. Vgl. Lawson et al. (2014), S. 296. Vgl. Erpenbeck et al. (2017), S. IX ff. Vgl. Nandan (2010), S. 65 ff.; Wolf et al. (2017), S. 2 ff. Vgl. Wolf et al. (2017), S. 2 ff.

Anforderungen an Controller: Qualitativ-empirische Ergebnisse von KMU

379

Empfehlungen hinsichtlich der Ausgestaltung von Curricula für die Controllerausbildung ab. Neben der Beherrschung von Kostenrechnungsgrundlagen und technischen Fähigkeiten (z. B. Microsoft Excel, ERP-Systeme) wird vor allem die Förderung von Soft Skills (z. B. Teamfähigkeit) thematisiert.26 Wird nicht nur den Beiträgen über Anforderungen an Controller in KMU, sondern allen Größenklassen anhand des verwendeten Forschungsdesigns gefolgt, können umfangreichere Ergebnisse zu Anforderungen an Controller klassifiziert werden. Sowohl Byrne und Pierce als auch Spraakman et al. haben innerhalb ihrer Studien ein qualitatives Forschungsdesign verwendet. Erstere identifizieren zwischenmenschliche Kompetenzen, Kommunikationsfähigkeiten, Flexibilität und Geschäftskenntnis als maßgebliche Anforderungen an Controller, 27 während Spraakman et al. vor allem auf IT-Kenntnisse verweisen. Im Speziellen wird dargelegt, dass hinsichtlich Microsoft Office durchschnittliche Anwendungskenntnisse ausreichend für Controller sind, mit der Ausnahme von Microsoft Excel, das als zentrale Software für analytische Aufgaben verwendet wird. Für die Nutzung von ERP-Systemen28 sind allgemeine Kenntnisse über Struktur und Navigation zum Berufseinstieg ausreichend.29 Bei der Studie von Paulsson kommt ein Methodenmix aus qualitativen als auch quantitativen Forschungsmethoden zur Anwendung. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem Fachwissen und persönliche Anforderungen (z. B. Team- und Kommunikationsfähigkeiten) für Controller von hoher Bedeutung sind. Dabei werden zahlreiche Implikationen für Ausbildungseinrichtungen aufgezeigt und explizit die vermehrte Integration von persönlichen Anforderungen in die Controllerausbildung gefordert.30 Im Gegensatz zu den wenigen qualitativen Studien über Anforderungen an Controller existiert eine große Anzahl an quantitativen Studien. 31 Neben ITKompetenzen32 wird vor allem das Fachwissen (z. B. Kostenrechnung)33 als essentielle Anforderung für Controller eingestuft. Eine quantitative Methodenkenntnis wird vor allem innerhalb von zwei Studien als wesentlich erachtet. 34 Francis und Minchington befragten einerseits Praktiker und andererseits Vortra-

26 27 28

29 30 31

32 33 34

Vgl. Nandan (2010), S. 65 ff. Vgl. Byrne/Pierce (2007), S. 469 ff. Modular aufgebautes, funktionsübergreifendes integriertes Anwendungssystem, das mit einer zentralen Datenbank sämtliche Prozesse eines Unternehmens unterstützt (Gärtner/Slacik (2015), S. 307). Vgl. Spraakman et al. (2015), S. 403 ff. Vgl. Paulsson (2012), S. 378 ff. Vgl. z. B. Siriwardane et al. (2015), S. 332 ff.; Ahadiat/Martin (2016), S. 11 ff.; Král/Soljaková (2016), S. 86 ff.; Webb/Chaffer (2016), S. 349 ff. Vgl. z. B. Novin et al. (1990), S. 219 f.; Novin (1997), S. 30 ff.; Barac (2009), S. 19 ff. Vgl. z. B. Novin (1997), S. 30 ff.; Král/Soljaková (2016), S. 94 ff. Vgl. Novin et al. (1990), S. 207 ff.; Francis/Minchington (1999), S. 301 ff.

380

Michael Kuttner, Jürgen Konyen und Bernhard Gärtner

gende und kommen zum Ergebnis, dass Controller grundsätzlich von einer umfangreichen quantitativen Ausbildung profitieren können. 35 Speziell Kommunikationsfähigkeiten sind im Rahmen der Anforderungen an Controller von großer Relevanz und werden in einer Vielzahl von Studien genannt.36 Siriwardane et al. analysieren unterschiedlichste Kommunikationsfähigkeiten und postulieren, dass informelle Diskussionen zu den wesentlichsten verbalen Kommunikationsfähigkeiten für einen erfolgreichen Karriereeinstieg zählen.37 Ferner werden soziale Kompetenzen im Allgemeinen,38 persönliche Eigenschaften (z. B. Motivation, Flexibilität),39 Teamfähigkeit,40 die Fähigkeit mit Druck umzugehen bzw. unter Druck zu arbeiten41 sowie analytische Fähigkeiten im Rahmen von Problemlösungen42 als wesentliche persönliche Anforderungen genannt. Innerhalb der Studien von Novin et al. liegt der Fokus auf der Untersuchung der tertiären Ausbildung von Controllern.43 Die Ergebnisse der Studie empfehlen bspw. den Ausbau von Spezialisierungsmöglichkeiten innerhalb der ControllingAusbildung sowie eine erweiterte Abstimmung der Ausbildungsinhalte mit den zukünftigen Anforderungen an Controller.44 Gemäß Barac sowie Ahadiat und Martin sind persönliche Anforderungen (z. B. soziale Kompetenz, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Verlässlichkeit) im Rahmen einer Anstellung oder Beförderung wesentlich wichtiger als einschlägiges Fachwissen.45 Zusätzlich hebt Barac die Relevanz von IT-Kompetenzen für Controller explizit hervor,46 während Ahadiat und Martin auf die Wichtigkeit der Geschäfts- bzw. Branchenkenntnis vor allem in Hinblick auf eine zukünftige Beförderung verweisen.47 Des Weiteren existieren in der wissenschaftlichen Fachliteratur eine zunehmende Anzahl von Studien, die Anforderungen an Controller anhand einer Stellenanzeigenanalyse untersuchen.48 Traxler und Greiling analysieren bspw. 1.050 Stellenanzeigen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz von Online35 36

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48

Vgl. Francis/Minchington (1999), S. 301 ff. Vgl. z. B. Barac (2009), S. 19 ff.; Siriwardane et al. (2015), S. 332 ff.; Ahadiat/Martin (2016), S. 23 f.; Webb/Chaffer (2016), S. 349 ff. Vgl. Siriwardane et al. (2015), S. 332 ff. Vgl. z. B. Barac (2009), S. 19 ff.; Ahadiat/Martin (2016), S. 11 ff. Vgl. z. B. Ahadiat/Martin (2016), S. 23 f.; Webb/Chaffer (2016), S. 349 ff. Vgl. z. B. Montaño et al. (2001), S. 303 ff.; Barac (2009), S. 35; Ahadiat/Martin (2016), S. 23. Vgl. z. B. Montaño et al. (2001), S. 303 ff.; Ahadiat/Martin (2016), S. 23. Vgl. z. B. Novin et al. (1990), S. 219; Rahman et al. (2007), S. 133 f.; Barac (2009), S. 37 f. Vgl. Novin et al. (1990), S. 207 ff. Vgl. Novin et al. (1990), S. 219 f. Vgl. Barac (2009), S. 37 f.; Ahadiat/Martin (2016), S. 23 f. Vgl. Barac (2009), S. 38. Vgl. Ahadiat/Martin (2016), S. 18. Vgl. z. B. Krupp/Ljuboschiz-Ramien, (2010), S. 91 f.; Traxler/Greiling (2014), S. 56 ff.; Werner/Vester (2017), S. 57 ff.

Anforderungen an Controller: Qualitativ-empirische Ergebnisse von KMU

381

Jobportalen. Die Ergebnisse bestätigen unter anderem die hohe Bedeutung der tertiären Ausbildung, Berufserfahrung, IT-Kenntnisse und der Persönlichkeit der Bewerber.49 Ähnliche Ergebnisse werden von Werner und Vester im Rahmen einer weiteren Stellenanzeigenanalyse aufgezeigt und bestätigt, dass von zukünftigen Controllern vor allem Ausbildung, Berufserfahrung sowie Englischkenntnisse (Hard-Skills) und analytische Fähigkeiten, Kommunikationsstärke und selbstständige Arbeitsweise (Soft-Skills) gefordert werden.50 In der bisherigen Forschung über die Anforderungen an Controller wird vor allem die hohe Relevanz von fachlichen als auch persönlichen Anforderungen hervorgehoben.51 Die Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Bedeutung von persönlichen Anforderungen im Karriereverlauf der Controller zunimmt und dementsprechend einen höheren Stellenwert innerhalb der ControllingAusbildung einnehmen sollte.52 Große Unterschiede bestehen auch hinsichtlich des gewählten Forschungsdesigns innerhalb der bisherigen Controlling-Literatur. Die Anforderungen an Controller werden bspw. aus der Perspektive der Controller und Geschäftsführung (z. B. CFO),53 Arbeitgeber,54 Ausbilder55 und Auszubildenden56 thematisiert. Ferner zeigt eine Analyse der Fachliteratur, dass wenige qualitativ-empirische Studien über Anforderungen an Controller existieren57 und ausschließlich zwei konzeptionell-theoretische Beiträge diese Thematik im Konnex mit KMU beschreiben.58 Eine qualitativ-empirische Studie, die Anforderungen an Controller aus einer Eigen- und Fremdperspektive innerhalb von KMU untersucht, konnte bislang nicht identifiziert werden. 4.

Methodik

Für die Durchführung einer Untersuchung über die Anforderungen an Controller in KMU wurde ein exploratives, qualitatives Forschungsdesign (multiple Fallstudie) ausgewählt. Die Fallstudienforschung weist innerhalb der Controlling-

49 50 51

52 53 54 55 56 57 58

Vgl. Traxler/Greiling (2014), S. 56 ff. Vgl. Werner/Vester (2017), S. 57 ff. Vgl. z. B. Palmer et al. (2004), S. 889 ff.; Rahman et al. (2007), S. 119 ff.; Barac (2009), S. 19 ff.; Paulsson (2012), S. 378 ff. Vgl. Barac (2009), S. 19 ff.; Paulsson (2012), S. 392 f.; Ahadiat/Martin (2016), S. 11 ff. Vgl. Spraakman et al. (2015), S. 412 ff.; Král/Soljaková (2016), S. 88 ff. Vgl. Montaño et al. (2001), S. 302 f. Vgl. Barac (2009), S. 27 f. Vgl. Webb/Chaffer (2016), S. 354. Vgl. z. B. Byrne/Pierce (2007), S. 469 ff.; Spraakman et al. (2015), S. 403 ff. Vgl. Nandan (2010), S. 65 ff.; Wolf et al. (2017), S. 2 ff.

382

Michael Kuttner, Jürgen Konyen und Bernhard Gärtner

Forschung eine lange Tradition auf.59 Gründe dafür liegen einerseits in der besonderen Eignung für die Untersuchung komplexer Phänomene unter spezifischen Kontextbedingungen (z. B. Unternehmensgröße) sowie der Möglichkeit Forschungsthemen anhand unterschiedlicher Perspektiven kritisch reflektieren zu können.60 Zur Datenerhebung wurden halbstrukturierte, problemzentrierte Interviews verwendet, die anschließend mithilfe des General Inductive Approach von Thomas ausgewertet wurden.61 Zur Steigerung der Vergleichbarkeit der einzelnen Fälle wurden ausschließlich Geschäftsführer und Controller von österreichischen KMU befragt. In Summe resultieren die Ergebnisse aus neun Unternehmensfällen, in denen jeweils ein Mitglied der Geschäftsführung (der für die Anstellung von Controllern verantwortlich ist) und ein Controller (der zumindest in der Hälfte der Arbeitszeit Controlling-Aufgaben durchführt) interviewt werden. Tabelle 1 zeigt die deskriptiven Informationen der untersuchten KMU-Fälle (z. B. Umsatz, Mitarbeiteranzahl, Gründungsjahr, Branche) und Tabelle 2 die deskriptiven Informationen der Interviewteilnehmer (z. B. Berufserfahrung, Ausbildung) zum Zeitpunkt der Durchführung der Studie. Die Auswahl der KMU erfolgte durch eine Internetrecherche sowie durch die Nutzung von persönlichen Kontakten. Nach einer ersten telefonischen Kontaktaufnahme und den Erhalt der Interviewzusage wurden der theoriebasierte Interviewleitfaden sowie allgemeine Informationen über Ziel und Zweck der Studie an die Teilnehmer versendet. Im Rahmen der ersten Interviewdurchführung erfolgte eine Testung des Leitfadens. Die Interviews wurden von November 2017 bis Jänner 2018 geführt, mit dem Einverständnis der Teilnehmer aufgezeichnet und zeitnah transkribiert. Das gewonnene Datenmaterial wurde durch mehrmaliges Lesen und Interpretieren sukzessive reduziert, relevante Passagen paraphrasiert und auf ein allgemeines Analyseniveau zusammengefasst. 62

59 60 61 62

Vgl. z. B. Marriott/Marriott (2000), S. 475 ff.; Manville (2007), S. 162 ff.; Halabi et al. (2010), S. 163 ff. Vgl. Yin (2014), S. 15 ff.; Eriksson/Kovalainen (2015), S. 4 ff. Vgl. Thomas (2006), S. 237 ff. Vgl. Thomas (2006), S. 240.

383

Anforderungen an Controller: Qualitativ-empirische Ergebnisse von KMU

Fall

Umsatz*

Mitarbeiteranzahl

Bilanzsumme*

Gründungsjahr

A B C D E F G H I

38 45 3,8 7,5 8,4 21,5 2,5 27 19,5

238 63 100 70 50 101 23 111 139

16 9,5 1,3 2,6 9 1 20,5 6,5

1950 1954 1990 1999 1977 1976 1995 2004 1930

* In Millionen Euro

Tab. 1: Deskriptive Informationen der KMU 63

63

Quelle: Eigene Darstellung.

384 Fall

Michael Kuttner, Jürgen Konyen und Bernhard Gärtner

Person

Position

Geschäftsführung CO A Controller GF B GeschäftsB führung Leiter CO B Controlling GF C GeschäftsC führung Leiter CO C Controlling GF D GeschäftsD führung CO D Controller GF E GeschäftsE führung CO E Leiter Controlling GF F GeschäftsF führung CO F Controller GF G GeschäftsG führung CO G Controller GF H GeschäftsH führung CO H Leiter Controlling GeschäftsGF I I führung CO I Leiter Controlling GF= Geschäftsführer, CO = Controller A

GF A

Berufserfahrung 27 Jahre

Im KMU seit

Ausbildung

2008

Studium

19 Jahre 38 Jahre

2013 1993

Studium Berufsausbildung

10 Jahre

2013

Matura

20 Jahre

2001

Berufsausbildung

20 Jahre

2012

Matura

26 Jahre

2012

Berufsausbildung

9 Jahre 15 Jahre

2014 2002

Studium Matura

14 Jahre

2003

Studium

37 Jahre

1980

Berufsausbildung

35 Jahre 32 Jahre

1989 1995

Matura Studium

8 Jahre 42 Jahre

2009 2004

Berufsausbildung Studium

11 Jahre

2017

Studium

40 Jahre

1978

Berufsausbildung

45 Jahre

2008

Studium

Tab. 2: Deskriptive Informationen der Interviewteilnehmer 64

64

Quelle: Eigene Darstellung.

Anforderungen an Controller: Qualitativ-empirische Ergebnisse von KMU

5.

385

Ergebnisse

5.1. Allgemeines Die Ergebnisse bzgl. der Anforderungen an Controller in KMU werden analog zum Interviewleitfaden in Anlehnung an Preis65 in drei verschiedene Dimensionen (fachliche und persönliche Anforderungen sowie Geschäftskenntnisse) unterteilt. Abbildung 1 zeigt die Kategorisierung der Anforderungen an Controller in KMU.

Abb. 1: Kategoriensystem der Anforderungen an Controller in KMU 66 5.2. Fachliche Anforderungen Die Analyse der einzelnen KMU-Fälle unterstreicht die Relevanz von Fachwissen für Controller und inkludiert vor allem Kenntnisse über die Kostenrechnung und integrierte Planungsrechnung, 67 ist jedoch nicht nur auf ControllingKenntnisse limitiert. Vielmehr zählen auch Kenntnisse des externen Rechnungswesens (z. B. Buchhaltung und Bilanzierung) zu den Controller-Anforderungen. Controllerin E begründet die Notwendigkeit der Kenntnisse des externen Rechnungswesens aufgrund der eingeschränkten Controlling-Aufgaben im KMU. Reine Controlling-Aufgaben würden eine Vollzeitanstellung in KMU nicht rechtfertigen.68 Eine ähnliche Aussage trifft Controller B, der darlegt, dass ein Controller in einem KMU nicht ausschließlich Controlling-Aufgaben erledigt, sondern für unterschiedliche Aufgaben zuständig ist, die unter anderem auch Buchhaltung und Bilanzierung umfassen können. 69 Controller H geht noch wei65 66 67 68 69

Vgl. Preis (2012), S. 68. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Preis (2012), S. 68. Vgl. Controller E; Geschäftsführer H. Vgl. Controller E. Vgl. Controller B.

386

Michael Kuttner, Jürgen Konyen und Bernhard Gärtner

ter und postuliert, dass grundlegende Kenntnisse des externen Rechnungswesens unumgänglich für die Erfüllung von Controlling-Aufgaben (z. B. Soll-IstVergleich) sind.70 Neben den einschlägigen Fachkenntnissen erachten Controller D und Geschäftsführer C eine fundierte betriebswirtschaftliche Ausbildung als essentiell.71 Auch wenn von den unterschiedlichen Interviewpartnern eine Vielzahl von Fachkenntnissen und eine fundierte betriebswirtschaftliche Ausbildung als relevant eingestuft werden, wird die Notwendigkeit eines Hochschulstudiums nicht explizit erwähnt und nur fünf von neun der befragten Controller verfügen über eine tertiäre Ausbildung.72 Konsens zwischen den Interviewpartnern besteht auch hinsichtlich der von Controllern erwarteten IT-Kompetenzen. Vor allem Kenntnisse über Microsoft Office (insbesondere Microsoft Excel) sowie ein grundlegendes Verständnis über die Funktionsweise von ERP-Systemen werden vorausgesetzt.73 Controller H argumentiert hinsichtlich der IT-Kompetenzen, dass „fortgeschrittene Excel-Kenntnisse eine Basisanforderung sind“74. Aufgrund der spezifischen Eigenschaften (z. B. hinsichtlich Branchen) und der großen Anzahl an ERPSystemen werden jedoch grundlegende Kenntnisse über ERP-Systeme als ausreichend für einen Berufseinstieg erachtet. Controller H erwähnt bspw., dass vertiefende Kenntnisse im Laufe der Zeit über Schulungen im KMU bzw. durch „Learning by Doing“ vermittelt werden.75 Zu den weiteren fachlichen Anforderungen an Controller zählt eine allgemeine Zahlenaffinität, wie Geschäftsführer B exemplarisch anmerkt: „Er muss auch ein gutes Zahlenverständnis haben.“76 Geschäftsführer G begründet die geforderte Zahlenaffinität vor allem mit fehlenden IT-Systemen in KMU und legt dar, dass in Großunternehmen im Gegensatz zu KMU viele Berechnungen automatisiert durchgeführt werden.77 Hinsichtlich der geforderten Fremdsprachenkenntnisse sind die Ergebnisse sehr heterogen. Lediglich bei Unternehmen, die am internationalen Markt tätig sind oder einen fortgeschrittenen Internationalisierungsgrad aufweisen, werden Fremdsprachenkenntnisse als explizite Anforderungen an Controller in KMU genannt.78 Zudem ist auffallend, dass ausschließlich Englischkenntnisse gefordert werden. Nachfolgende Aussagebeispiele stehen exemplarisch für die von 70 71 72 73 74 75 76 77 78

Vgl. Controller H. Vgl. Controller D; Geschäftsführer C. Vgl. Tabelle 2. Vgl. Controller E; Controller F; Geschäftsführer A. Controller H. Vgl. Controller H. Geschäftsführer B. Vgl. Geschäftsführer G. Vgl. Controller A; Geschäftsführer H.

Anforderungen an Controller: Qualitativ-empirische Ergebnisse von KMU

387

Controllern erwarteten Fremdsprachkenntnisse: „Wir haben ja einen Partner in England und darum ist es sehr wichtig, dass wir gut Englisch sprechen.“79 „Wir sind international tätig und (...) 80 bis 90 % des täglichen Geschäfts wird in Englisch abgewickelt.“80 Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass aus einer Eigen- (Controller) und Fremdperspektive (Geschäftsführer) vor allem ControllingFachkenntnisse (z. B. Kostenrechnung, integrierte Planungsrechnung) als auch Basis-Kenntnisse über das externe Rechnungswesen (insbesondere Buchhaltung und Bilanzierung) zu den fachlichen Anforderungen an Controller in KMU zählen. Gründe für die Breite der benötigten Fachkenntnisse liegen vor allem in dem weiten Tätigkeitsbereich von Controllern in KMU, der oftmals nicht ausschließlich auf die Kernfunktionen des Controllings (z. B. Steuerung, Planung) limitiert ist. Vielmehr wird die Übernahme von Tätigkeiten aus dem Rechnungswesen (z. B. Buchhaltung und Bilanzierung) vorausgesetzt. Neben den Fachkenntnissen werden eine Zahlenaffinität und eine generelle IT-Kompetenz gefordert. Die ITKompetenz umfasst jedoch weitgehend keine spezifischen Anwenderkenntnisse von bspw. ERP-Systemen, sondern beinhaltet vorwiegend allgemeine Kenntnisse im Bereich von Microsoft Office (insbesondere Microsoft Excel). Des Weiteren wird häufig eine fundierte betriebswirtschaftliche Ausbildung als zentral für eine Tätigkeit im Controlling angesehen. Hinsichtlich der geforderten Sprachen zeigt die Untersuchung ein widersprüchliches Bild in den einzelnen KMU. Fremdsprachen werden ausschließlich von jenen KMU gefordert, die auf internationalen Märkten agieren bzw. wenn der Internationalisierungsgrad fortgeschritten ist. Jedoch werden unabhängig von der regionalen Tätigkeit des KMU Englischkenntnisse als ausreichend erachtet. 5.3. Persönliche Anforderungen Die Ergebnisse zeigen, dass persönliche Anforderungen an Controller (vor allem Kommunikations- und Teamfähigkeit) zentral für eine Tätigkeit im Controlling sind, wie nachfolgende Aussagen verdeutlichen: „Teamfähig und auch kommunikationsstark sollte der Controller sein.“81 „Ein Controller muss viel mit anderen Abteilungen zusammenarbeiten. Deswegen ist soziale Kompetenz auch ein wichtiges Thema für den Controller. Er muss vor allem team- und kooperationsfähig sein.“82 Gründe für den hohen Stellenwert der persönlichen Anforderungen 79 80 81 82

Controller A. Geschäftsführer H. Controller E. Geschäftsführer H.

388

Michael Kuttner, Jürgen Konyen und Bernhard Gärtner

bzw. der sozialen Kompetenz liegen neben der Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen auch in der Beseitigung von Reibungspunkten und Konflikten mit anderen Abteilungen sowie Mitarbeitern (z. B. während des Budgetierungsprozesses), für die laut Controller F vor allem soziale Kompetenz zum Führen einer sach- bzw. fachlichen Diskussion benötigt wird. 83 Einen anderen Grund für den Stellenwert von Kommunikations- und Teamfähigkeit sieht Geschäftsführer D in der Verbesserung der internen Wahrnehmung des Controllers, der oftmals als jene Person betrachtet wird, die „(...) nur nörgelt und die ganzen Ergebnisse in Frage stellt (...)“84. Kommunikations- und Teamfähigkeit steht in einem engen Konnex zur geforderten Problemlösungskompetenz des zukünftigen Controllers. Eine weitere persönliche Anforderung ist die Flexibilität eines Controllers, die laut Controller F vor allem in KMU von Relevanz und mit der umfangreichen Tätigkeit bzw. Verantwortung des Controllers verknüpft ist. 85 Ein anderer Grund für die geforderte Flexibilität von Controllern liegt laut Geschäftsführer C in der Notwendigkeit, Veränderungen innerhalb der finanziellen Planung zu erkennen und zeitgerecht darauf reagieren zu können. 86 Ähnlich argumentiert Geschäftsführer G, der zusätzlich noch die Integrität und Vertrauenswürdigkeit aufgrund der umfassenden Tätigkeitsbereiche ergänzt: „Der Mitarbeiter muss sich mit dem Unternehmen identifizieren können und eine absolut integre Person sein. In einem KMU sieht der Controller sehr tief in die Firmenstrukturen hinein (...), also ist Vertrauen wichtig“.87 Neben der Integrität thematisiert Geschäftsführer A explizit das unternehmerische Verständnis und erwartet von einem Controller, dass dieser Entscheidungen so umsichtig vorbereitet als wäre er der Eigentümer des Unternehmens.88 Zusammenfassend können aufgrund der holistischen Sicht eines Controllers im Unternehmen vor allem die Kommunikations- und Teamfähigkeit als wesentliche Anforderungen angeführt werden. Zu den weiteren genannten Anforderungen zählen Problemlösungskompetenz, Flexibilität und Integrität. Während die Kommunikations- und Teamfähigkeit sowohl von Controllern als auch Geschäftsführern erwähnt wird, werden Vertrauenswürdigkeit und Integrität vor allem von den Geschäftsführern gefordert.89

83 84 85 86 87 88 89

Vgl. Controller F. Geschäftsführer D. Vgl. Controller F. Vgl. Geschäftsführer C. Geschäftsführer G. Vgl. Geschäftsführer A. Vgl. z. B. Geschäftsführer A und G.

Anforderungen an Controller: Qualitativ-empirische Ergebnisse von KMU

389

5.4. Geschäftskenntnis Im Rahmen der erforderlichen Geschäftskenntnisse für Controller in KMU zeigen die Ergebnisse, dass der Controller eine umfassende Geschäftskenntnis über das KMU als auch über dessen Umfeld (z. B. Branchenkenntnis) benötigt, diese Kenntnisse aber nicht zwingend im Rahmen einer Anstellung erforderlich sind. Ähnliche Ergebnisse sind hinsichtlich der Ablauf- und Prozesskenntnisse (z. B. Wertschöpfungsketten) zu erwähnen, die als Voraussetzung gesehen werden, um als wichtiger interner Ansprechpartner im Unternehmen zur Verfügung zu stehen. Controller H erwähnt diesbezüglich die Relevanz, Zusammenhänge zwischen den einzelnen Abteilungen im Unternehmen (z. B. Produktions- und Projektierungsabläufe) zu verstehen,90 während Controller G „das fundierte Wissen um das Unternehmen und um die Unternehmensstruktur“91 als essentielle Anforderung für Controller erachtet. Im Fall E thematisiert der Controller die hohe Bedeutung der Geschäfts- und Branchenkenntnis, ergänzt aber explizit, dass diese aufgrund der Schnelllebigkeit der Wirtschaft nicht auf die Kernbranche begrenzt sein sollte.92 Aufgrund der sehr heterogenen Tätigkeits- und Geschäftsfelder von KMU, stellen Geschäftskenntnisse seitens der Interviewpartner in der Regel keine unmittelbar notwendige Anforderung bei der Einstellung eines Controllers dar. Vielmehr sollten diese im weiteren Verlauf erworben werden, wie nachfolgend von Geschäftsführer B und C erläutert wird: „Erfahrungen in derselben Branche sind sicher von Vorteil. (...) Aber Voraussetzung ist es nicht unbedingt.“93 „Branchenkenntnis ist gut, wenn vorhanden, aber nicht zwingend notwendig.“94 Ferner erwähnt der Geschäftsführer H, dass sowohl Berufserfahrung als auch Branchenkenntnis vorteilhaft für eine Anstellung im Controlling sind und ergänzt, dass Bewerbungen mit einer adäquaten Branchenkenntnis aufgrund der Vielseitigkeit des Produktionsunternehmens und der spezifischen Produkte eher selten sind.95 Die Ergebnisse der Interviews der Controller und Geschäftsführer zeigen eine homogene Perspektive hinsichtlich der geforderten Geschäftskenntnisse. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Geschäftskenntnisse (z. B. Kenntnisse über die Unternehmensstruktur, Branchenkenntnisse) wesentliche Anforderungen an Controller in KMU darstellen (aufgrund spezifischer Produkte, vielfältiger Tätigkeitsbereiche des KMU). Diese stellen jedoch kein Einstellungskriterium dar und können auch im Rahmen einer zukünftigen Controllertätigkeit erworben werden. 90 91 92 93 94 95

Vgl. Controller H. Controller G. Vgl. Controller E. Geschäftsführer B. Geschäftsführer C. Vgl. Geschäftsführer H.

390 6.

Michael Kuttner, Jürgen Konyen und Bernhard Gärtner

Zusammenfassung und Diskussion

Basierend auf einer multiplen Fallstudie (9 Fälle) werden die Anforderungen an Controller in KMU aus einer Eigen- (Controller) und Fremdperspektive (Geschäftsführer) in österreichischen KMU erhoben. Die Anforderungen an Controller werden in drei Kategorien, fachliche Anforderungen, persönliche Anforderungen und Geschäftskenntnisse zusammengefasst. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Fachwissen (z. B. über Kostenrechnung und Budgetierung), Zahlenaffinität, ITKompetenz (insbesondere Microsoft Excel) und eine fundierte betriebswirtschaftliche Ausbildung im Rahmen der fachlichen Anforderungen als essentiell für Controller in KMU eingestuft werden. Der hohe Stellenwert von Fachwissen96 und ITKompetenzen97 für Controller wurde bereits zahlreich in der einschlägigen Fachliteratur diskutiert. Spraakman et al. erwähnen bspw. explizit Microsoft ExcelKenntnisse als zentrale Anforderungen.98 Zahlenaffinität und Fremdsprachenkenntnisse (vorrangig Englisch und ausschließlich bei Auslandsbezug) wurden ebenfalls von Preis festgestellt.99 In einem konzeptionell-theoretischen Beitrag erwähnen Wolf et al. die Relevanz einer fundierten betriebswirtschaftlichen Ausbildung. Im Detail wird festgehalten, dass ein breites betriebswirtschaftliches Wissen essentiell ist, aber nicht immer ein Hochschulstudium gefordert wird.100 Hinsichtlich der persönlichen Anforderungen werden vor allem Kommunikations- und Teamfähigkeiten, die bereits in zahlreichen anderen Publikationen (unabhängig von den Größenklassen der Unternehmen) genannt wurden, 101 gefordert. Zu den weiteren Anforderungen an Controller in KMU zählen eine (analytische) Problemlösungskompetenz und Flexibilität. Byrne und Pierce nennen ergänzend die Flexibilität102 bzw. Ahadiat und Martin die Vertrauenswürdigkeit als persönliche Anforderungen, die im Rahmen der Forschungsergebnisse bestätigt werden konnten.103 Des Weiteren werden persönliche Einstellungen, 104 die Fähigkeit unter Druck zu arbeiten105 und analytisches Denken106 in der Fachliteratur zu den persönlichen Anforderungen diskutiert, können jedoch nicht aus den Forschungsergebnissen für KMU abgeleitet werden. 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106

Vgl. z. B. Novin (1997), S. 30 ff.; Král/Soljaková (2016), S. 94 ff. Vgl. z. B. Novin et al. (1990), S. 219 f.; Novin (1997), S. 30 ff.; Barac (2009), S. 19 ff. Vgl. Spraakman et al. (2015), S. 403 ff. Vgl. Preis (2012), S. 140 ff. Vgl. Wolf et al. (2017), S. 26 ff. Vgl. z. B. Paulsson (2012), S. 378 ff.; Siriwardane et al. (2015), S. 332 ff.; Ahadiat/Martin (2016), S. 23. Byrne/Pierce (2007), S. 469 ff. Vgl. Ahadiat/Martin (2016), S. 23. Vgl. Novin et al., S. 213 ff.; Webb/Chaffer (2016), S. 362. Vgl. z. B. Montaño et al. (2001), S. 303 ff.; Ahadiat/Martin (2016), S. 23; Webb/Chaffer (2016), S. 362. Rahman et al. (2007), S. 133 f.; Barac (2009), S. 37 f.

Anforderungen an Controller: Qualitativ-empirische Ergebnisse von KMU

391

Als zentrale Geschäftskenntnisse für KMU wurden Kenntnisse über die Branche, Geschäftsmodelle, Märkte, Produkte, Prozesse und Technologien genannt. Geschäftskenntnisse als Anforderungen an Controller werden in der bisherigen Literatur bereits als bedeutsame Anforderungen eingestuft.107 Abbildung 2 fasst die Anforderungen an Controller in KMU in einem Modell zusammen.

Abb. 2: Anforderungsmodell an Controller in KMU 108 Aus den Ergebnissen dieser Studie können zahlreiche potentiell wertvolle Implikationen für die zukünftige Forschung und die Unternehmenspraxis abgeleitet werden. Durch eine vermehrte Berücksichtigung des Kontextfaktors Unternehmensgröße innerhalb zukünftiger qualitativ-empirischer und quantitativempirischer Studien könnten bspw. die Ergebnisse dieser Studie bestätigt bzw. widerlegt werden. Studien mit unterschiedlichem Branchenfokus innerhalb von KMU könnten ferner zu einem höheren Detailierungsgrad der Anforderungen an Controller führen. Durch Studien mit einem unterschiedlichen Länderfokus über Anforderungen an Controller in KMU könnte die bestehende Literatur ergänzt werden. Weitere Möglichkeiten für zukünftige Forschung würde bspw. die ge107 108

Vgl. Byrne/Pierce (2007), S. 480 ff.; Werner/Vester (2017); S. 57 ff. Quelle: Eigene Darstellung.

392

Michael Kuttner, Jürgen Konyen und Bernhard Gärtner

trennte Untersuchung von kleinen und mittleren Unternehmen offerieren oder die zusätzliche Berücksichtigung des Kontextfaktors Eigentümerstruktur (z. B. Anforderungen an Controller in Familienunternehmen) sowie eine gesonderte Betrachtung des Internationalisierungsgrades (z. B. inwieweit verändern sich die Anforderungen an Controller in KMU durch eine voranschreitende Internationalisierung). Eine vermehrte Untersuchung der Anforderungen an Controller in KMU könnte bspw. in die Controllerausbildung einfließen und somit eine zielgerichtete Vorbereitung zukünftiger Controller auf die Herausforderungen der Unternehmenspraxis ermöglichen. Beispiele dafür wären die vermehrte Vermittlung von IT-Kenntnissen (z. B. ERP-Systeme) oder eine gezielte Förderung der Kommunikationsfähigkeiten im Rahmen der Controllerausbildung. Des Weiteren könnten die identifizierten Anforderungen an Controller in KMU für die Erstellung von Stellenprofilen bzw. -ausschreibungen genutzt werden, um gezielt nach adäquatem Personal zu suchen. Als Limitationen dieser Studie sind vor allem die geringe Fallanzahl und die interpretative Ausrichtung der qualitativen Forschung zu nennen. Durch die geringe Fallanzahl können die Anforderungen an Controller kaum bzw. nicht verallgemeinert werden. Weitere Restriktionen sind mit dem Länderfokus dieser Studie verbunden. Dementsprechend könnten ähnliche Untersuchungen in anderen Ländern zu abweichenden Ergebnissen führen. Die Verwendung der KMUDefinition der Europäischen Kommission109 stellt ferner eine weitere Limitation dar. Die interpretative Ausrichtung der qualitativen Forschungsmethodik könnte ferner zu subjektiven Verzerrungen führen und die Interviewergebnisse spiegeln die subjektiven Einschätzungen bzw. Einstellungen der Interviewpartner wider. Obwohl die Ergebnisse dieser Studie einigen Limitationen unterliegen, konnten wesentliche Erkenntnisse über die Anforderungen an Controller in österreichischen KMU gewonnen werden. Danksagung Ein besonderer Dank gilt den Geschäftsführern und Controllern der neun KMU für die Bereitschaft an der Studie mitzuwirken. Ferner gebührt Frau Nadine Bauer, Frau Melanie Dorn und Herr Walter Erbler (ehemalige Studenten am Institut für Controlling & Consulting der Johannes Kepler Universität Linz) ein besonderer Dank für die Durchführung der Interviews im Rahmen eines Masterseminars.

109

Vgl. Europäische Kommission (2003), Internet.

Anforderungen an Controller: Qualitativ-empirische Ergebnisse von KMU

393

Literatur Ahadiat, N./Martin, R. M. (2016): Necessary attributes, preparations, and skills for the selection and promotion of accounting professionals. Journal of Accounting and Finance, 16 Jg., Nr. 1, S. 11-25. Barac, K. (2009): South African training officers’ perceptions of the knowledge and skills requirements of entry-level trainee accountants. Meditari Accountancy Research, 17 Jg., Nr. 2, S. 19-46. Barney, J. B. (1991): Firm resources and sustained competitive advantage. Journal of Management, 17 Jg., Nr. 1, S. 99-120. Boyatzis, R. E. (2008): Competencies in the 21st century. Journal of Management Development, 27 Jg., Nr. 1, S. 5-12. Byrne, S./Pierce, B. (2007): Towards a more comprehensive understanding of the roles of management accountants. European Accounting Review, 16 Jg., Nr. 3, S. 469-498. Cassar, G./Holmes, S. (2003): Capital structure and financing of SMEs: Australian evidence. Accounting and Finance, 43 Jg., Nr. 2, S. 123-147. Europäische Kommission (Hrsg.) (2003): Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32003 H0361&from=DE, Abfrage: 21.05.2019. Eriksson, P./Kovalainen, A. (2015): Qualitative methods in business research: A practical guide to social research. London: Sage. Erpenbeck, J./Rosenstiel, L. von/Grote, S./Sauter, W. (Hrsg.) (2017): Handbuch Kompetenzmessung. Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. 3. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Francis, G./Minchington, C. (1999): Quantitative skills: is there an expectation gap between the education and practice of management accountants? Accounting Education, 8. Jg., Nr. 4, S. 301-319. Gärtner, B./Slacik, J. (2015): Die Rolle des Controllers bei der ERP-System-Nutzung – Qualitativ-empirische Ergebnisse aus deutschsprachigen Mittelunternehmen. Zeitschrift für KMU und Entrepreneurship, 63 Jg., Nr. 3/4, S. 305-323. Granlund, M./Malmi, T. (2002): Moderate impact of ERPS on management accounting: A lag or permanent outcome? Management Accounting Research, 13 Jg., Nr. 3, S. 299-321. Günther, T. W. (2013): Conceptualisations of ‘controlling’in German-speaking countries: Analysis and comparison with Anglo-American management control frameworks. Journal of Management Control, 23 Jg., Nr. 4, S. 269-290. Halabi, A. K./Barrett, R./Dyt, R. (2010): Understanding financial information used to assess small firm performance: An Australian qualitative study. Qualitative Research in Accounting and Management, 7 Jg., Nr. 2, S. 163-179. Horváth, P. (2002): Controlling – Von der Kostenkontrolle zur strategischen Steuerung. In: Gaugler, R./Köhler, R. (Hrsg.), Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte (S. 325-354), Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Horváth, P. (2011): Controlling. 12. Auflage. München: Franz Vahlen. Horváth, P./Gleich, R./Seiter, M. (2015): Controlling. 13. Auflage. München: Franz Vahlen. Islam, M. A./Khan, M. A./Obaidullah, A. Z. M./Alam, M. S. (2011): Effect of entrepreneur and firm characteristics on the business success of small and medium enterprises (SMEs) in Bangladesh. International Journal of Business and Management, 6 Jg., Nr. 3, S. 289-299. Joshi, P. L. (2001): The international diffusion of new management accounting practices: The case of India. Journal of International Accounting, Auditing and Taxation, 10 Jg., Nr. 1, S. 85-109.

394

Michael Kuttner, Jürgen Konyen und Bernhard Gärtner

Král, B./Soljaková, L. (2016): Development of Controllers’ professional competence: The case of Czech Republic. Economics and Sociology, 9 Jg., Nr. 1, S. 86-100. Krupp, A./Ljuboschiz-Ramien, D. (2010): Controller-Aufgaben, fachliches und persönliches Anforderungsprofil, in: Controller Magazin, 35 Jg., Nr. 5, S. 91-92. Klieme, E./Hartig, J. (2008): Kompetenzkonzepte in den Sozialwissenschaften und im erziehungswissenschaftlichen Diskurs. In: Prenzel, M./Gogolin, I./Krüger, H. H. (Hrsg.), Kompetenzdiagnostik. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft (S. 11-29). Sonderheft 8. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Küpper, H.-U./Friedl, G./Hofmann, C./Hofmann, Y./Pedell, B. (2013): Controlling: Konzeption, Aufgaben, Instrumente. 6. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Lavia López, O./Hiebl, M. R. (2014): Management accounting in small and medium-sized enterprises: Current knowledge and avenues for further research. Journal of Management Accounting Research, 27 Jg., Nr. 1, S. 81-119. Lawson, R. A./Blocher, E. J./Brewer, P. C./Cokins, G./Sorensen, J. E./Stout, D. E./ Sundom, G. L./Wolcott, S. K./Wouters, M. J. (2014). Focusing accounting curricula on students' long-run careers: Recommendations for an integrated competency-based framework for accounting education. Issues in Accounting Education, 29 Jg., Nr. 2, S. 295-317. Malmi, T./Brown, D. A. (2008): Management control systems as a package – Opportunities, challenges and research directions. Management Accounting Research, 19 Jg., Nr. 4, S. 287-300. Manville, G. (2007): Implementing a balanced scorecard framework in a not for profit SME. International Journal of Productivity and Performance Management, 56 Jg., Nr. 2, S. 162-169. Marriott, N./Marriott, P. (2000): Professional accountants and the development of a management accounting service for the small firm: Barriers and possibilities. Management Accounting Research, 11 Jg., Nr. 4, S. 475-492. Mitchell, F./Reid, G. C. (2000): Problems, challenges and opportunities: The small business as a setting for management accounting research. Editorial. Management Accounting Research, 11 Jg., Nr. 4, S. 385-390. Montaño, J. L. A./Donoso, J. A./Hassall, T./Joyce, J. (2001): Vocational skills in the accounting professional profile: The Chartered Institute of Management Accountants (CIMA) employers' opinion. Accounting Education, 10 Jg., Nr. 3, S. 299-313. Nandan, R. (2010): Management accounting needs of SMEs and the role of professional accountants: A renewed research agenda. Journal of Applied Management Accounting Research, 8 Jg., Nr. 1, S. 65-78. Novin, A. M./Pearson, M. A./Senge, S. V. (1990): Improving the curriculum for aspiring management accountants: The practitioner's point of view. Journal of Accounting Education, 8 Jg., Nr. 2, S. 207-224. Novin, A. M. (1997): Education for careers in management accounting, auditing, and tax: A comparison. Journal of Education for Business, 73 Jg., Nr. 1, S. 29-34. Palmer, K. N./Ziegenfuss, D. E./Pinsker, R. E. (2004): International knowledge, skills, and abilities of auditors/accountants: Evidence from recent competency studies. Managerial Auditing Journal, 19 Jg., Nr. 7, S. 889-896. Paulsson, G. (2012): The role of management accountants in new public management. Financial Accountability and Management, 28 Jg., Nr. 4, S. 378-394. Preis, A. (2012): Controller-Anforderungsprofile: Eine empirische Untersuchung. Wiesbaden: Springer. Rahman, M. R. C. A./Abdullah, T. A. T./Agus, A./Rahmat, M. M. (2007): Universities workplace competency gaps: A feedback from Malaysian practicing accountants. Journal of Financial Reporting and Accounting, 5 Jg., Nr. 1, S. 119-137.

Anforderungen an Controller: Qualitativ-empirische Ergebnisse von KMU

395

Siriwardane, H. P./Low, K. Y./Blietz, D. (2015): Making entry-level accountants better communicators: A Singapore-based study of communication tasks, skills, and attributes. Journal of Accounting Education, 33 Jg., Nr. 4, S. 332-347. Stock-Homburg, R. (2010): Personalmanagement: Theorien – Konzepte – Instrumente. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler. Spraakman, G./O'Grady, W./Askarany, D./Akroyd, C. (2015): Employers’ perceptions of information technology competency requirements for management accounting graduates. Accounting Education, 24 Jg., Nr. 5, S. 403-422. Traxler, A. A./Greiling, D. (2014): Wie sich Stellenprofile von Controllern gewandelt haben, in: Controlling & Management Review, 58 Jg., Nr. 3, S. 56-63. Thomas, D. R. (2006): A general inductive approach for analyzing qualitative evaluation data. American Journal of Evaluation, 27 Jg., Nr. 2, S. 237-246. Webb, J./Chaffer, C. (2016): The expectation performance gap in accounting education: A review of generic skills development in UK accounting degrees. Accounting Education, 25 Jg., Nr. 4, S. 349-367. Weber, J./Schäffer, U. (2016): Einführung in das Controlling. 15. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Werner, P./Vester, A. (2017): Was macht den idealen Controller aus? Eine Analyse von Online-Stellenanzeigen. Controller Magazin, 42 Jg., Nr. 2, S. 57-61. Wolf, T./Kuttner, M./Feldbauer-Durstmüller, B. (2017): Anforderungen an Controller in KMU. In: Müller, D. (Hrsg.), Controlling für kleine und mittlere Unternehmen (S. 233). 2. Auflage. Berlin: De Gruyter. Yin, R. K. (2014): Case study research. Design and methods. 5. Auflage. London: Sage.

IV Spezialaspekte

Karriereentwicklung im Controlling

Johannes Thaller, Bernhard Gärtner, Christine Duller und Birgit Feldbauer-Durstmüller 1.

Problemstellung

Die Arbeitswelt befindet sich in einem umfassenden Wandel. Unter dem Einfluss von Globalisierung, Ökonomisierung, technischem Fortschritt sowie dem demographischen Wandel und der strukturellen Veränderung hin zur Dienstleistungsund Wissensgesellschaft sind Arbeitsverhältnisse und Karrieren mehr denn je geprägt durch Komplexität und Dynamik.1 Deutliche Veränderungen haben im Controlling aufgrund anhaltender Megatrends wie bspw. Digitalisierung und Industrie 4.0 bereits stattgefunden und werden weiter an Bedeutung gewinnen. 2 Diese Entwicklungen bringen großen Veränderungsdruck für Unternehmen, aber auch für die Individuen selbst3 und die Literatur postuliert eine gänzlich „neue“ Arbeitswelt.4 Kennzeichnend ist eine Abnahme von Kontinuität und Stabilität sowie zunehmende Unberechenbarkeit und Flexibilität der Karrieremuster über alle Berufsgruppen hinweg.5 Eine Forschungslücke ist dabei eine mangelnde ganzheitliche Betrachtung sowie zusätzlich das Fehlen eines Fokus auf den Bereich der Wirtschaftswissenschaften bzw. des Controllings. Einerseits werden in der Literatur hinsichtlich der Karrieremuster im Controlling oftmals pauschale Aussagen auf einer rein normativen Grundlage getroffen,6 andererseits datieren empirische Untersuchungen von Karrierewegen zumeist auf einen Zeitraum vor dem Aufkommen der neuen Karrieremodelle bzw. beziehen sich ausschließlich auf traditionelle Muster – ohne z. B. der stetig steigenden Bedeutung der Digitalisierung.7 Nur wenige

1 2 3 4 5 6 7

Vgl. z. B. Eichhorst/Buhlmann (2015); Gerdenitsch/Korunka (2018); Eichhorst/Marx (2019). Vgl. z. B. Nobach (2018); Schäffer/Weber (2018); Langmann (2019). Vgl. Gubler (2019), S. 937 ff. Vgl. z. B. Schäffer/Weber (2015); Kirchberg/Müller (2016); Becker/Ulrich (2017). Vgl. z. B. Apt et al. (2016); Metz-Kleine (2018); Heinze et al. (2019). Vgl. z. B. Connelly/Burrage (2009); Rose (2017); Schäffer/Weber (2017). Vgl. z. B. Collier/Wilson (1994a); Collier/Wilson (1994b); Baker/Phillips (1999).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Feldbauer-Durstmüller und S. Mayr (Hrsg.), Controlling – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27723-9_19

400

Johannes Thaller, Bernhard Gärtner, Christine Duller und Birgit Feldbauer-Durstmüller

Forschungsprojekte8 fokussieren sich diesbezüglich explizit auf die Karriereverläufe verschiedener Abschlussjahrgänge an Hochschulen. 9 Weiterhin ist ungeklärt, inwiefern der postulierte Rollenwandel von Controllern auch Veränderungen in den Karrierewegen nach sich zieht. 10 Aus diesem lückenhaften Bild und den vereinzelten differenzierten Befunden in der Literatur wird der Bedarf nach Evidenz in der Karriereforschung im Controlling abgeleitet. Weiterführend ergeben sich folgende Forschungsfragen: 1) Welche Erkenntnisse liefert die aktuelle Literatur hinsichtlich einer Karriereentwicklung und karriererelevanter Einflussfaktoren im Controlling? 2) Welche individuellen, laufbahnbezogenen Faktoren beeinflussen Karrieren im Controlling? 3) Wie ist der Status quo der Karriereverläufe im Controlling? Inwiefern Karrieren sich wandeln, lässt sich empirisch nur mit einer entsprechenden Datenbasis und adäquaten Modellen feststellen. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine quantitativ-empirische Untersuchung durchgeführt, in der als Grundgesamtheit die Absolventen der letzten 30 Jahre des Instituts für Controlling und Consulting der Johannes Kepler Universität Linz herangezogen wurden. In Kapitel 2 wird das Begriffsverständnis von Karriere definiert und in Kapitel 3 theoretische Laufbahnmodelle sowie der aktuelle Forschungsstand über Karriereentwicklungen im Controlling und relevante empirische Projekte beschrieben. In Kapitel 4 wird die daraus abgeleitete Methodik vorgestellt. Die empirischen Erkenntnisse werden in Kapitel 5 dargelegt sowie abschließend in Kapitel 6 diskutiert und zusammengefasst.11 2.

Begriffsabgrenzung

Der Begriff „Karriere“ entspringt etymologisch dem lateinischen Wort „carrus“ und meint als „Karre“ übersetzt eine Transportfläche auf Rädern ohne eigenen Antrieb.12 Aus dem Französischen als „carrière“ für Laufbahn bzw. Rennbahn wurde der Terminus schließlich in den deutschen Sprachgebrauch übernommen.13 In der Literatur werden viele verschiedene und unterschiedlich komplexe Definitionen verwendet,14 das wissenschaftliche Verständnis ist dabei breiter als 8 9 10 11 12 13 14

Vgl. z. B. INCHER-Kassel (o. D. a); INCHER-Kassel (o. D. b); Wirtschaftsuniversität Wien (o. D.). Vgl. Latzke et al. (2019), S. 26 ff. Vgl. Schäffer et al. (2008), S. 381. Dieser Beitrag wurde finanziell durch die Schulmeister Management Consulting GmbH unterstützt. Vgl. Kluge (2001), S. 473. Vgl. Latzke et al. (2019), S. 5. Vgl. z. B. Hughes (1937), S. 405; Hughes (1958), S. 63 ff.; London/Stumpf (1982), S. 4; Arthur et al. (1989), S. 8.

Karriereentwicklung im Controlling

401

im allgemeinen Sprachgebrauch. „Karriere“ allein umfasst dabei die Kategorisierung aller Bewegungen durch ein soziales System. 15 Bezogen auf den beruflichen Bereich umfasst eine Karriere per Definition meist die gesamte berufliche Laufbahn bzw. Berufsentwicklung. 16 Noch etwas spezifischer ist Spiesshofer17 mit der Bedeutung von Karriere als hierarchischen Aufstieg. Im deutschsprachigen Raum fällt die oft fließend ineinander übergehende Grenze in der Unterscheidung von „Karriere“ und „Karriereerfolg“ auf. Diese Termini können zusammenhängen, aber bedingen einander nicht zwangsläufig wechselseitig.18 Somit trennen Schneidhofer und Mayrhofer19 in ihrer Auffassung von „Karriere“ in eine objektive (für andere sichtbare) und subjektive (nur für den Akteur selbst sichtbare) Komponente. Demnach beschreibt die „objektive Karriere“ den Prozess der Bewegung innerhalb der Sozialstruktur wie die vertikale Mobilität und Gehaltsentwicklung und die „subjektive Karriere“ hingegen den Prozess der psychischen Verarbeitung der individuellen Karriere wie die Karrierezufriedenheit.20 Das angloamerikanische Begriffsverständnis von „career“ ist hingegen traditionell weiter gefasst als im deutschen Sprachraum.21 So charakterisieren Arthur et al.22 Karriere als „(…) the unfolding sequence of a person's work experience over time (…)“23 bzw. Super24 als „(…) sequence of positions occupied by a person during the course of a lifetime (…)“25. Aufbauend auf dieser Definition wird eine umfassende Betrachtung durch die erforderliche zusätzliche Inklusion von Abwärtsund Seitwärtsbewegungen der Individuen im Zeitverlauf ermöglicht.26

15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

Vgl. Becker/Strauss (1956), S. 253. Vgl. Arthur et al. (1989), S. 8; Mayrhofer et al. (2005), S. 14. Vgl. Spiesshofer (1991), S. 36. Vgl. Judge et al. (1995), S. 486 f.; Schneidhofer/Mayrhofer (2008), S. 2; Mayrhofer et al. (2016), S. 394. Vgl. Schneidhofer/Mayrhofer (2008), S. 126. Vgl. Mayrhofer et al. (2016), S. 394 f. Vgl. Mayrhofer et al. (2016), S. 394 f. Vgl. Arthur et al. (1989), S. 8. Arthur et al. (1989), S. 8. Vgl. Super (1980), S. 282. Super (1980), S. 282. Vgl. Mayrhofer et al. (2016), S. 394.

402 3.

Johannes Thaller, Bernhard Gärtner, Christine Duller und Birgit Feldbauer-Durstmüller

Aktueller Forschungsstand

3.1. Karriereforschung Ebenso breit und vielfältig wie die Begrifflichkeit ist auch der dazugehörige Forschungsgegenstand selbst. Als Orientierungshilfe und zur Gewinnung eines Überblicks über das Feld der Karriereforschung als Ausgangspunkt für die nachfolgenden Ausführungen wird der konzeptuelle Rahmen „Social Chronology Framework (SCF)“27 verwendet, mithilfe dessen zentrale Forschungsschwerpunkte sowie Forschungslücken identifiziert werden können.28 Relevant für die Karriereentwicklungen ist vor allem der Forschungsstrang der Karrierephasen und damit die zeitliche Dimension bzw. Perspektive des SCF. Darin enthalten sind Modellbildungen mit dem gemeinsamen Versuch der Identifizierung von bestimmten generalisierbaren Phasen im Verlauf einer Karriere. Karrierestufenmodelle beziehen sich dabei insbesondere auf das biologische Alter,29 wofür Super sowie Schein intuitive und leicht nachvollziehbare Stufen- bzw. Phasenmodelle beschreiben.30 Fraglich ist allerdings, ob die thematisierten Stufen klar voneinander abgrenzbar sind oder fließend ineinander übergreifen.31 Ornstein et al. stellen fest, dass Karrieren sehr explorativ beginnen und Stabilität erst im Zeitverlauf eintritt. Wesentliche Unterschiede ergeben sich zumeist auch nur in der ersten sowie den unmittelbar angrenzenden Phasen der Karriere.32 Dieser beschriebene Forschungsstrang ist gekennzeichnet durch empirische Studien von stark abgegrenzten und sehr spezifischen Erkenntnisinteressen hinsichtlich der Karriereentwicklung wie z. B. diverser Gender-Aspekte.33 3.2. Traditionelle Laufbahnmodelle Aus diesem dargestellten Ausschnitt der Karriereforschung heraus haben sich unterschiedliche Modelle gebildet, die eine Karriereentwicklung thematisieren. Das ursprünglich aus der Biologie stammende Lebenszyklusmodell wurde seit den 1970er Jahren von anderen wissenschaftlichen Disziplinen (wie bspw. der Sozio27 28 29 30 31 32 33

Vgl. Gunz/Mayrhofer (2012); Gunz/Mayrhofer (2015). Vgl. Latzke et al. (2019), S. 8 ff. Vgl. Latzke et al. (2019), S. 20 ff. Vgl. Super (1957); Schein (1978). Vgl. Latzke et al. (2019), S. 20 f. Vgl. Ornstein et al. (1989), S. 124 ff. Vgl. z. B. Tiron-Tudor/Faragalla (2018), S. 62 ff.; Hentschel et al. (2019), S. 993 ff.

Karriereentwicklung im Controlling

403

logie, Psychologie und Betriebswirtschaftslehre) aufgegriffen,34 worauf anknüpfend Karrieren als sequentielle Abfolge altersgebundener Lebensphasen dargestellt werden. In diesem Zusammenhang beschreibt der Lebenszyklus die typischerweise durchlaufenen Veränderungen im Zeitablauf, die daher qualitativ wie quantitativ angemessen prognostizierbar sind. Diese definierten Phasen stellen jedoch keine starren Konstrukte mit klar festgelegtem zeitlichen Rahmen dar, sondern bedingen eine gewisse Flexibilität und dienen in Folge dessen primär als Anhaltspunkt.35 Entwicklungstheoretische Ansätze legen Berufsverläufe häufig anhand von Phasenmodellen fest,36 womit es sich bei der Berufswahl bzw. Karriere um einen langwierigen, alters- und reifungsabhängigen Entwicklungsprozess handelt.37 Zentral für alle traditionellen Modelle, wie nachfolgend in Abbildung 1 zusammengefasst, ist die Loyalität und Verpflichtung eines Individuums gegenüber einer Organisation, während simultan die Verantwortung für die individuelle Karriere bei eben dieser liegt. Als Erfolgskriterium wird der sichtbare, objektive Laufbahnerfolg (z. B. Position und Status) herangezogen, während ein stabiles Umfeld und eine vertikal-hierarchische Entwicklung in wenigen Organisationen angenommen wird. Dadurch haben die Ausbildungen einen langfristigen Charakter und die Fähigkeiten sind stark auf den Beruf bzw. das Unternehmen bezogen.38 Prägend für die Karrieretheorie der 1950er bis in die 1990er Jahre war das „Career Development Model“ von Super39, das zwischen verschiedenen altersspezifisch eingrenzbaren Karriere-/Entwicklungsphasen40 unterscheidet und für jede Karriere-/Lebensphase spezifische Anforderungen und Entwicklungsaufgaben darstellt. Super41 vereinigt in seiner Laufbahnentwicklungstheorie Elemente aus mehreren Wissenschaftsdisziplinen42 und beschreibt fünf Phasen,43 die in einem kontinuierlichen Prozess mit jeweiligen Übergangsphasen durchlaufen werden. Die Kumulation dieser Phasen stellt somit die gesamte Erwerbstätigkeit dar und bildet im Modell den Maxi-Zyklus. Zusätzlich ergeben sich durch die Übergänge je Phase oder bei besonderen Laufbahnereignissen wiederkehrende Anpassungs- bzw. Sozialisationsprozesse, die als Mini-Zyklen inkludiert werden.44 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43

44

Vgl. Kels et al. (2016), S. 25. Vgl. Graf (2007), S. 267. Vgl. Volmer et al. (2013), S. 419 f. Vgl. Graf (2007), S. 267 f. Vgl. Gubler (2019), S. 940 f. Vgl. Super (1957); Super (1980); Super (1994); Super et al. (1996). Vgl. Super (1957); Super (1980). Vgl. Super (1957); Super (1980); Super (1994). Vgl. Scheller (1976), S. 38. Growth Stage (im Alter bis 15 Jahre), Exploration Stage (15-24 Jahre), Establishment Stage (2544 Jahre), Maintenance Stage (45-64 Jahre) und Decline Stage (ab 65 Jahren). Vgl. Ertelt/Frey (2011), S. 4.

404

Johannes Thaller, Bernhard Gärtner, Christine Duller und Birgit Feldbauer-Durstmüller

Anhand dessen können mögliche Laufbahnmuster getrennt nach Geschlecht bezüglich u. a. der Faktoren Beschäftigungswechsel und Ausbildung geclustert werden. Insgesamt ergeben sich dadurch vier Laufbahnmuster für Männer und sieben Laufbahnmuster für Frauen, die traditionelle, organisationale und vertikale Karriereverläufe darstellen. Basierend auf diesem Modell und der vorgenommenen Typisierung wird auf 67 Faktoren verwiesen, die die berufliche Entwicklung mitbestimmen. Diese können zu folgenden vier Bereichen zusammengefasst werden:45  psychologische (z. B. Intelligenz, Selbstkonzept) oder physische (z. B. Größe, Gewicht) Charakteristika des Individuums,  persönliche Situation des Individuums (z. B. finanzielle, sozioökonomische Situation),  Umwelt des Individuums (z. B. technische Entwicklungen im jeweiligen Land)  sowie unvorhersehbare Faktoren wie Unglücksfälle oder Erkrankungen. 3.3. Neue Laufbahnmodelle Der Kontext von Karrieren hat sich aufgrund der technologischen Entwicklungen, der demographischen Herausforderungen und sozialer Normen stark gewandelt und resultiert in einem starken Anpassungsdruck auf die beruflichen Karrieren. Durch diese „neue“ Realität waren traditionelle Laufbahnmodelle46 – basierend auf der Annahme von stabilen, vorhersagbaren organisatorischen Strukturen und einer sukzessiven hierarchischen Entwicklung – in der Praxis nicht mehr gültig. Die Karriereforschung entwickelte neue Laufbahnmodelle,47 die die meisten dieser Veränderungen und Beobachtungen erklären können.48 Diese Modelle unterscheiden sich anhand zentraler Charakteristika (bspw. Laufbahnumfeld und -verlauf, Fähigkeiten, Erfolgskriterien, Bedeutung des Akteurs, Verantwortungszuschreibung) grundlegend von den traditionellen Modellen.49 Gleichzeitig stellen die beschriebenen Unterscheidungen fundamentale Annahmen dar, die den neuen Laufbahnmodellen zu Grunde gelegt werden. Folgendermaßen wird das Laufbahnumfeld als instabil, wenig vorhersagbar und unsicherer beschrieben und stellt damit den Gegenpol zu den traditionellen Modellen dar. Die Arbeitsverhältnisse sind nicht mehr von Loyalität geprägt, sondern begründen sich lediglich durch Leistung und Flexibilität. Ein Indivi45 46 47

48 49

Vgl. Scheller (1976), S. 41 f. Zu den traditionellen Karrieremodellen zählen u. a. Schein (1978) und Super (1957). Die zentralen neuen Karrieremodelle sind u. a. „Boundaryless Career“ von Arthur/Rousseau (1996), „Protean Career“ von Hall (1976), „Kaleidoscope Career“ von Mainiero/Sullivan (2005), „Portfolio Career“ von Mallon (1998) und „Post-corporate Career“ von Peiperl/Baruch (1997). Vgl. Gubler (2019), S. 938 ff. Vgl. Gubler (2011), S. 46 ff.

405

Karriereentwicklung im Controlling

duum fühlt sich nicht mehr einer Organisation verpflichtet, wodurch in der Folge eine Karriere meist in mehreren Organisationen üblich wird. Der Verlauf der beruflichen Laufbahn wird dabei statt vertikal nach oben als multidirektional nach oben, unten oder geradeaus angesehen und die Verantwortung für diese Entwicklung obliegt dem Einzelnen anstatt der Organisation. Als Erfolgskriterium zur Messung der individuellen Karriere hat der subjektive (nicht sichtbare) Laufbahnerfolg (wie z. B. Zufriedenheit mit dem Erreichten) den objektiven (sichtbaren) Erfolg (wie z. B. Position und Status) abgelöst. Statt Berufs- und unternehmensspezifischer Fähigkeiten werden übergreifende Kompetenzen ausgebildet, die in verschiedenen Funktionen und Umgebungen nutzbar sind.50 Zusammenfassend sind die zentralen Charakteristika von traditionellen und neuen Laufbahnmodellen in Abbildung 1 gegenübergestellt.

Laufbahnumfeld Arbeitsverhältnisse Laufbahnverlauf Benötigte Fähigkeiten Erfolgskriterien Ausbildung Das Individuum fühlt sich verpflichtet gegenüber… Verantwortung der Laufbahn liegt…

Annahmen in traditionellen Laufbahnmodellen Stabil, vorhersagbar, hohes Maß an Sicherheit Arbeitsplatzsicherheit durch Loyalität Vertikal nach oben, meistens in wenigen Organisationen Berufs- und unternehmensspezifisch Sichtbarer, objektiver Laufbahnerfolg (sichtbare Positionen, Stellung, Status etc.) Langfristig ausgerichtet, Programme mit formalen Abschlüssen der Organisation

bei der Organisation

Annahmen in neuen Laufbahnmodellen Instabil, wenig vorhersagbar, wenig Sicherheit Beschäftigung dank Leistung und Flexibilität Multidirektional (nach oben, unten oder geradeaus), meistens in verschiedenen Organisationen In verschiedenen Funktionen und Umgebungen nutzbar Subjektiver Laufbahnerfolg (subjektive Zufriedenheit mit dem Erreichten etc.) Kurzfristig ausgerichtet, Lernen on-the-job dem Beruf

beim Einzelnen

Abb. 1: Charakteristika traditioneller und neuer Laufbahnmodelle51

50 51

Vgl. Gubler (2019), S. 940 f. Quelle: In Anlehnung an Gubler (2019), S. 940.

406

Johannes Thaller, Bernhard Gärtner, Christine Duller und Birgit Feldbauer-Durstmüller

Die „Boundaryless Career“52 (grenzenlose Laufbahn) ist das am meisten zitierte neue Laufbahnmodell53 und postuliert – als inhaltliches Gegenstück zu den traditionellen Modellen – dynamische Laufbahnen mit örtlich und beruflich mobilen Individuen. Dabei wird insbesondere Netzwerken eine große Bedeutung zuteil. 54 Arthur und Rousseau unterscheiden verschiedene Bedeutungen,55 die allesamt das Überwinden von Grenzen gemeinsam haben. Diese Grenzen können objektiv (z. B. hinsichtlich einer Organisation) oder subjektiv (z. B. die eigene Einschätzung über existierende Einschränkungen) sein. 56 Das Modell kann entlang der Komponenten der physischen Mobilität (Stellen- und Berufswechsel zwischen Organisationen, Branchen und Nationen) sowie der psychologischen Mobilität (eigenen Einschätzung der individuellen Grenzen und der Bereitschaft zur Veränderung) dargestellt werden.57 Das Konzept der Boundaryless Career wird in Wissenschaft und Praxis oft referenziert58 und oftmals als „(…) allumfassende, neue Realität in der Berufswelt (…)“59 beschrieben. Fast ebenso häufig zitiert wird das Modell der „Protean Career“ 60 (Proteische Karriere), das als erstes die angeführten Veränderungen am Arbeitsmarkt thematisiert hat und sich grundlegend von den traditionellen Modellen unterscheidet.61 In diesem Konzept übernimmt das Individuum die Verantwortung über seine Laufbahn und kann diese laufend neu ausrichten, um den eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden. Somit stellt das Individuum selbst die treibende Kraft hinter der Entwicklung der eigenen beruflichen Laufbahn dar. 62 Die Karrierebewertung obliegt dem Akteur allein63, wobei gegensätzlich zur traditionellen Perspektive viele Wege zu Zufriedenheit und Erfolg möglich sind. 64 Die proteische Karriere löst sich vom Gedanken der vorhersagbaren Entwicklung aufgrund von Alter oder Karriereschritten und thematisiert als Kernelement wiederkehrende Lernzyklen, die schlussendlich die individuelle Entwicklung darstellen. Das 52 53 54 55

56 57 58 59 60 61 62 63 64

Vgl. Arthur/Rousseau (1996). Vgl. Gubler (2019), S. 948. Vgl. Arthur/Rousseau (1996), S. 3 ff. Die unterschiedlichen Bedeutungen umfassen eine Überschreitung der Grenzen einer Organisation, den Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit, Aufbau von unternehmensübergreifenden Netzwerken zur Karriereförderung, den Bruch mit traditionellen Karriere- und Hierarchieverständnissen, das Überordnen von psychologischen Bedürfnissen über Beförderungen und das subjektive Frei-Fühlen trotz objektiver Zwänge. Vgl. Arthur/Rousseau (1996), S. 3 ff. Vgl. Sullivan/Arthur (2006), S. 20 f. Vgl. z. B. Saxenian (1996); Bidwell/Briscoe (2010); Volmer/Spurk (2011). Gubler (2019), S. 951. Vgl. Hall (1976), S. 201; Hall (2004), S. 1 ff. Vgl. Gubler (2019), S. 941 f. Vgl. Hall (1976), S. 201. Vgl. Gubler (2019), S. 942. Vgl. Hall (1996), S. 8 ff.

Karriereentwicklung im Controlling

407

Laufbahnalter beschreibt die Position innerhalb dieser wiederkehrenden und aufeinander aufbauenden Lernzyklen, steht jedoch in keinem Zusammenhang mit dem biologischen Alter. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Expertise und fachliche Kompetenz nicht zwangsläufig mit dem Lebensalter korrelieren muss. Dennoch wird durch die Kumulation der Lernzyklen das sukzessive Zeigen von höheren Leistungen abgebildet. Das Modell der proteischen Karriere findet insbesondere in empirischen Studien Anwendung. 65 Beide Konzepte der neuen Laufbahnmodelle (Boundaryless Career, Protean Career) beschreiben jeweils nur einen Idealzustand von Karriereentwicklungen, sind jedoch allein nicht in der Lage die Komplexität von realen Laufbahnentwicklungen ganzheitlich abzubilden.66 Beide Modelle stellen jedoch theoriegeleitet einen Schritt in die Richtung von autonomen und freien Karrierewegen dar und entsprechen somit auch der ursprünglichen Ansicht und dem Anspruch von z. B. Akademikern.67 Dabei sollte nicht die Mobilität als primärerer Stellvertreter für grenzenlose oder proteische Karriereeinstellungen verwendet werden. Persönliche Netzwerke – formale sowie informale – werden in diesen neuen Arbeitsverständnissen wichtiger und entwickeln so besonders die proteische Karriere mit.68 Durch eine Variabilität der individuellen Karriereeinstellung über die Laufbahn und den Kontext hinweg ist davon auszugehen, dass es sich tatsächlich um eine Einstellung und nicht um Persönlichkeitsmerkmale oder vergleichbare Konstrukte handelt.69 Beschrieben wird der zentrale Faktor als „proaktive Laufbahnorientierung“.70 Allerdings bleibt ungeklärt, inwieweit grenzenlose oder proteische Einstellungen gelehrt oder entwickelt werden können. 71 Indessen konnte ebenso empirisch festgestellt werden, dass die besten Talente häufig in traditionell-organisatorischen Karrieren anzutreffen sind. Zusätzlich wurde der Karrieretypus zumeist von Vorgesetzten anstatt der persönlichen Berufsorientierung bestimmt.72 Somit zeigt die Empirie hinsichtlich der neuen Karrieremodelle ein uneinheitliches Bild.

65 66 67 68 69 70 71 72

Vgl. z. B. Baruch/Quick (2007); Gasteiger (2007); Herrmann et al. (2015). Vgl. King et al. (2005), S. 982. Vgl. Baruch/Hall (2004), S. 241 ff. Vgl. Sargent/Domberger (2007), S. 546. Vgl. Briscoe et al. (2006), S. 44. Vgl. Wiernik/Kostal (2019), S. 280 ff. Vgl. Briscoe et al. (2006), S. 44. Vgl. Dries et al. (2012), S. 277 ff.; Rodrigues/Guest (2010), S. 1162 ff.; Smith/Sheridan (2006), S. 227 ff.

408

Johannes Thaller, Bernhard Gärtner, Christine Duller und Birgit Feldbauer-Durstmüller

3.4. Laufbahnen im Controlling Der Controlling-Bereich ist eine gute Basis für eine erfolgreiche Karriere und kann bis in die obersten Hierarchieebenen von Unternehmen reichen, 73 in der Fachliteratur sind jedoch wenig gesicherte Erkenntnisse bezüglich beruflicher Laufbahnen im Controlling zu finden. Es fehlt an empirischen Untersuchungen ebenso wie an konzeptionellen Überlegungen über Karrierewege, Pfadabhängigkeiten und Ausprägungen.74 Die vorhandenen Beiträge wurden häufig in praxisorientierter Fachliteratur75 publiziert und stützen sich oftmals auf normative Aussagen ohne empirische Überprüfung.76 Schäffer und Weber77 postulieren aufgrund von Digitalisierung, Standardisierung und Shared Services ein Ende der klassischen Karriere im Controlling. Diese Entwicklungen führen zu einer sichtlichen Veränderung von Karrierepfaden, wobei insbesondere die klassische „Schornsteinkarriere“78 durch neue Modelle abgelöst wird.79 Anstatt dieser bisher traditionellen Orientierung sollen sich zukünftig die Karrieremuster an das im angelsächsischen Raum übliche (autonomes, weniger geradliniges und auch alternatives Entwicklungsmodell) anpassen und der proteischen Karriere zuordenbar sein.80 Dabei werden die Controller bzw. insbesondere die CFOs selbst aktiv Karriereentscheidungen treffen und den persönlichen beruflichen Fortschritt forcieren.81 Diese allgemeine Transformation hat deutlich diversifiziertere Laufbahnen und geänderte Karriereziele in kaufmännischen Führungspositionen zur Folge.82 Alonderienė und Šimkevičiūtė konstatieren aufgrund der veränderten Marktbedingungen eine offensichtliche Verlagerung hin zu einem proaktiven und selbstentwickelten Karrieremanagement im Finanzbereich, das besonders unter den jüngeren Beschäftigten proteische und grenzenlose Karriereeinstellungen hervorbrachte. Als Folge neigen diese Personen zu häufigeren Unternehmens- bzw. Jobwechseln,83 allerdings zeichnen sich keine dominanten Karrierepfade ab.84 Weber zeigt anhand der Werdegänge von Leitern des Konzern73 74 75

76 77 78

79 80 81 82 83 84

Vgl. Weber (2013), S. 73. Vgl. Weber (2008), S. 5. Vgl. z. B. ZfCM: Zeitschrift für Controlling und Management; Financial Executive; Journal of Accountancy. Vgl. z. B. Connelly/Burrage (2009); Schäffer/Weber (2017); Rose (2017). Vgl. Schäffer/Weber (2017), S. 3. Eine „Schornsteinkarriere“ bzw. „Kaminkarriere“ beschreibt eine geradlinige und hierarchisch aufsteigende berufliche Entwicklung in einem einzigen Fachgebiet. Vgl. Schneider (2013), S. 38; Weber (2013), S. 75; Schäffer/Weber (2017), S. 3. Vgl. Rose (2017), S. 24 ff. Vgl. Connelly/Burrage (2009), S. 25; Amato (2016), S. 35 ff. Vgl. Schneider (2013), S. 38. Vgl. Alonderienė/Šimkevičiūtė (2018), S. 479 ff. Vgl. Baker/Phillips (1999), S. 49.

Karriereentwicklung im Controlling

409

Controllings der DAX 30-Unternehmen qualitativ-empirisch, dass sich die beruflichen Laufbahnen bis zu dieser Position stark voneinander unterscheiden. Obgleich einer großen Heterogenität und Diversität von Karriereverläufen konnten diese auf vier Typen85 reduziert werden, die sich aber ausschließlich über den fachlichen Umfang definieren.86 Grundsätzlich führen häufigere Arbeitgeberwechsel jedoch schneller in Führungspositionen.87 Schäffer et al. zeigen auf, dass heutige CFOs deutlich häufiger Unternehmen und Branchen wechseln als ihre Vorgänger und verweisen damit ebenso auf die neuen Laufbahnmodelle. 88 Weber hat für CFOs keine einheitliche stringente Entwicklung, sondern insbesondere für das Konzerncontrolling individuell deutlich abweichende Karrierepfade gefunden. 89 Smith und Sheridan postulieren hingegen, dass die einzigartigen Charakteristika der Berufe im Finanzbereich ein ideales Umfeld für die Aufrechterhaltung einer traditionellen organisatorischen Karriere bieten.90 Das Erreichen von KarrierePlateaus ist stark vom Karriereverständnis und den damit verbundenen Zielen beeinflusst und kann auch den Ausgangspunkt einer Neuausrichtung darstellen. In einer qualitativ-empirischen Studie anhand von Interviews im Rechnungswesen wurde verstärkt speziell in diesen Phasen Hilfe seitens der Unternehmen für den beruflichen Werdegang gefordert, das eine Verantwortungsübernahme der Karrierewege von den Organisationen schlussfolgern lässt und somit die These der traditionellen Karriere stützt.91

85

86 87 88 89 90 91

Der Weg in die Position eines Leiters des Konzern-Controllings entspricht gemäß dieser Typisierung zu 38 % dem eines „finanzwirtschaftlichen Allrounders“, zu 38 % dem eines „ControllingSpezialisten“, zu 14 % dem eines „Managers mit Geschäftsverantwortung“ und zu 10 % dem eines „Reporting-Spezialisten“ und obliegt der Präferenzen des Einzelnen. Vgl. Weber (2013), S. 74 f. Vgl. Cappelli/Hamori (2005), S. 25 ff. Vgl. Schäffer et al. (2008), S. 375 ff. Vgl. Weber (2008), S. 5 f. Vgl. Smith/Sheridan (2006), S. 223 ff. Vgl. Smith-Ruig (2009), S. 619.

410

Johannes Thaller, Bernhard Gärtner, Christine Duller und Birgit Feldbauer-Durstmüller

3.5. Empirische Projekte und Studien zu Hochschulabsolventen 3.5.1. Projekte im deutschsprachigen Raum In der Literatur sind einige Projekte bzw. Studien zur Karriereentwicklung von Hochschulabsolventen zu finden.92 Dabei zeigt sich ein sehr differenziertes Bild und keine ganzheitliche Perspektive,93 insbesondere österreichische Projekte94 verfolgen diesbezüglich vorrangig administrative oder politische Zielsetzungen.95 Das „Vienna Career Panel Project“96 (ViCaPP) ist ein seit dem Jahr 2000 laufendes Panel-Projekt, das die Karrieren österreichischer Business School-Absolventen zur Identifikation beruflicher Kontextveränderungen und neuer Karriereformen verfolgt. Des Weiteren wird an der Karl-Franzens-Universität Graz in Zusammenarbeit mit dem Institut für Höhere Studien (IHS) und Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) laufend seit 2006 eine Absolventenstudie zur Entwicklung langfristiger Monitoring-Systeme durchgeführt, wobei vor allem der Arbeitsmarktstatus, das Einkommen und die Branchen betrachtet werden.97 Im Auftrag des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) wurde eine quantitativ-empirische Studie zur Erhebung der Beschäftigungssituation von Universitäts- und Fachhochschulabsolventen aller Studienrichtungen in den frühen Karrierejahren durchgeführt, die mit einer Grundgesamtheit von ca. 115.000 Absolventen an 36 Hochschulen den größten Datensatz über den Berufsverlauf in Österreich darstellt.98 Vom Internationalen Zentrum für Hochschulforschung Kassel (INCHERKassel) wurden mehrere Projekte99 initiiert oder koordiniert. Die überregionale Kooperation von mehr als 60 Hochschulen im Rahmen des Forschungsprojekts „KOAB“100 mit insgesamt ca. 200.000 erhobenen Absolventen stellt das zahlenmäßig größte Projekt der Absolventenforschung dieser Art im deutschsprachigen Raum dar. In zwei Erhebungswellen wurden Daten zum Eintritt in den Arbeitsmarkt, Weiterbildungen und diversen Indikatoren für den Berufserfolg gewonnen.101 92 93 94 95 96

97 98 99

100 101

Vgl. z. B. Schneidhofer/Mayrhofer (2008); Schneidhofer et al. (2012); Fabian et al. (2013). Vgl. z. B. Windsor/Auyeung (2006); Välimäki et al. (2009); Schubert/Engelage (2013). Vgl. z. B. Karl-Franzen-Universität Graz (o. D); Gaebel et al. (2012); Schomburg et al. (2010). Vgl. Gaebel et al. (2012), S. 61 f. Vgl. Wirtschaftsuniversität Wien (o. D.), Internet. Erhoben wurden vier Abschlussjahrgänge zwischen 1970 und 2010, wo in Summe quantitativ-empirische Umfragedaten von ca. 1.800 Personen und qualitativ-empirische Interviewdaten von ca. 80 Personen erfasst wurden. Vgl. Karl-Franzens-Universität Graz (o. D.), S. 4 f. Vgl. Schomburg et al. (2010), S. 16 ff. Vgl. z. B. INCHER-Kassel (o. D. a); INCHER-Kassel (o. D. b); INCHER-Kassel (o. D. c); INCHER-Kassel (o. D. d). Vgl. ISTAT (o. D.), Internet; DZHW (o. D. a), Internet; INCHER-Kassel (o. D. a); Internet. Vgl. ISTAT (o. D.), Internet; DZHW (o. D. a), Internet; INCHER-Kassel (o. D. a), Internet; INCHER-Kassel (o. D. b), Internet.

Karriereentwicklung im Controlling

411

3.5.2. Empirische Erkenntnisse Bereits ein Jahr nach Studienabschluss sind ca. 90 % von Hochschulabsolventen adäquat der Qualifikation ihres Studiengangs beschäftigt, zehn Jahre nach Abschluss steigt dieser Wert auf ca. 97 %. Demgemäß ist der mit 16 % größte Teil der Absolventen eines betriebswirtschaftlichen Studiums in den Branchen der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Buchführung tätig. 102 Dabei üben 41 % bereits eine Führungsfunktion aus, Männer (52 %) deutlich häufiger als Frauen (30 %). Der Aufstieg in diese Leitungsposition vollzog sich allerdings erst mit zunehmendem zeitlichem Abstand zum Studienabschluss. 103 Der Karriereweg in eine Führungsposition führt häufig über Unternehmens- und Branchenerfahrung. Im Vergleich zweier Kohorten CFOs von 1998 und 2008 zeigt sich quantitativ-empirisch, dass lediglich 20 % der 2008er CFOs ihr gesamtes Berufsleben bei einem Arbeitgeber verbracht haben, während dieser Wert bei den 1998er CFOs noch bei 57 % liegt. Die Analyse der Branchenmobilität zeigt ein ähnliches Bild, wobei hier 53 % (2008) verglichen mit 70 % (1998) in derselben Branche verblieben sind. Im Schnitt haben alle CFOs der 2008erKohorte, die zumindest einmal Branche oder Arbeitgeber gewechselt haben, für 4,3 Arbeitgeber und in 3,4 Branchen gearbeitet.104 In Österreich werden 44 % der CFOs außerhalb des Unternehmens für diesen Verantwortungsbereich rekrutiert.105 Darüber hinaus zeigt sich, dass fünf Jahre nach Studienabschluss 20 % eine Führungsposition und 30 % eine mittlere Leitungsfunktion innehaben.106 Generell fällt eine steigende Anzahl an Stellenwechseln besonders innerhalb der ersten zehn Karrierejahre auf, die bei hochqualifizierten Arbeitnehmern üblich seien und häufig dem beruflichen Vorankommen – das nicht zwangsläufig als Aufstieg definiert ist – dienen.107 Allerdings streben insbesondere jüngere Absolventen der Wirtschaftswissenschaften wieder vermehrt nach einer traditionellen organisationalen Karriere, wodurch die postulierte Grenzenlosigkeit zumindest auf psychologischer Ebene fraglich erscheint. 108 Die Literatur bescheinigt dabei keine generellen Unterscheidungen zwischen Frauen und Männern im Rechnungswesen bzw. Controlling. 109 Im Widerspruch dazu liefern einzelne empirische Studien Erkenntnisse, dass Frauen deutlich häufiger einen Arbeitsplatzwechsel beabsichtigen sowie durchführen als ihre 102 103 104 105 106 107 108 109

Vgl. Karl-Franzen-Universität Graz (o. D.), S. 15 ff. Vgl. Fabian et al. (2013), S. 5 ff.; Grotheer (2019), S. 456 ff. Vgl. Schäffer et al. (2008), S. 377. Vgl. Hiebl et al. (2012), S. 176. Vgl. Grotheer (2019), S. 456 ff. Vgl. Briedis et al. (2016), S. 5 ff. Vgl. Mayrhofer (o. D.), S. 2. Vgl. Fogarty (1997), S. 41; Mynatt et al. (1997), S. 672; Glover et al. (2000), S. 183.

412

Johannes Thaller, Bernhard Gärtner, Christine Duller und Birgit Feldbauer-Durstmüller

männlichen Kollegen.110 Dieser Umstand ist wenig erforscht, kann sich jedoch durch Mutterschaft und Kinderbetreuung begründen. 111 Jedenfalls haben es Frauen im Finanzbereich aus genannten Ursachen und wegen des Konfliktes zwischen Arbeit und Familie schwerer als Männer eine hierarchisch hohe Position zu erreichen.112 Mayrhofer et al. belegen diesbezüglich einen negativen Zusammengang zwischen familiärer Verantwortung und objektivem sowie subjektivem Karriereerfolg, weiterführend werden jedoch unterschiedliche Auswirkungen (z. B. aktuelle Arbeitsleistung, zeitliche und geographische Einschränkungen, Signal für zukünftiges Engagement) auf die Karrieren gefunden. 113 Schneidhofer und Mayrhofer sowie Schneidhofer et al. weisen ungleiche Karriereverläufe je Geschlecht bei gleichen Ausgangsbedingungen nach, die sich neben dem biologischen Geschlecht auch in Geschlechterrollen bedingen. Entgegen der postulierten Annahme vergrößert sich hierbei das Gefälle zwischen den Geschlechtern bei den zuletzt erhobenen Kohorten und das Geschlecht stellt die zentralste Einflussvariable dar.114 Vor allem Mütter wechseln oft zwischen Phasen der Erwerbslosigkeit und Teilzeitbeschäftigung. 115 Generell ist die hohe Fluktuation von Personal im Rechnungswesen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen ein kritischer Punkt. 116 Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen führen einerseits – aus Sicht der Arbeitgeber – zu einer längeren Bindungsdauer der Mitarbeiter aus dem Rechnungswesen an das Unternehmen. Schlussfolgernd weisen Personen mit mehreren beruflichen Weiterqualifizierungen bzw. on-the-job Trainings über weniger Unternehmenswechsel auf. 117 Andererseits wird auf Seiten des Individuums der Stellenwert von on-the-job Trainings für ein Arbeitsverhältnis höher eingeschätzt als eine weitere akademische Bildung neben dem Grundstudium. 118 Empirisch zeigt sich bei ControllingLeitern ein im Vergleich zu anderen Fachbereichen geringes Ausmaß an internen wie externen Weiterbildungsmaßnahmen. 119 Längerfristige berufliche Weiterqualifizierungen (wie bspw. Steuerberatung oder Wirtschaftsprüfung) haben in diesem Zusammenhang jedoch einen stark positiven Einfluss auf das Erreichen von hierarchisch höheren Positionen allgemein bzw. auch im Finanzbereich. 120 110 111 112

113 114 115 116 117 118 119 120

Vgl. z. B. Lynn et al. (1996); Morley et al. (2001); ICAA (2006). Vgl. Lightbody (2009), S. 72 f. Vgl. Pasewark/Viator (2006), S. 161; Dambrin/Lambert (2007), S. 2 f.; Haynes (2008), S. 635 ff.; Cimirotić et al. (2017), S. 183 ff. Vgl. Mayrhofer et al. (2008), S. 292 ff. Vgl. Schneidhofer/Mayrhofer (2008), S. 134 ff.; Schneidhofer et al. (2012), S. 65 ff. Vgl. Fabian et al. (2013), S. 5 ff. Vgl. Hall/Smith (2009), S. 695 f. Vgl. Nouri/Parker (2013), S. 145. Vgl. Demski (2007), S. 153. Vgl. Schäffer et al. (2012), S. 160. Vgl. Grotheer (2019), S. 456 ff.

Karriereentwicklung im Controlling

413

Berufserfahrung stellt grundsätzlich eine gut untersuchte Einflussvariable dar.121 Entsprechend liegen Erkenntnisse vor, dass absolvierte Praktika oder studienbegleitende Berufsaktivitäten, über die ca. 57 % der österreichischen Hochschulabsolventen verfügen, durch die Steigerung des Humankapitals positiv auf einen schnellen Karrierestart und die Höhe der Führungsverantwortung wirken.122 Auslandserfahrung bzw. generell eine globale Karriere steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Beförderungen und stellen somit eine karrierefördernde Maßnahme dar,123 während nebenbei die persönlichen Netzwerke erweitert werden.124 Allerdings kann ein Auslandsaufenthalt auch zu Unzufriedenheit nach der Wiedereingliederung im heimischen Unternehmen führen und folglich zu steigenden Kündigungsraten und Unternehmenswechseln oder einem generellen Karriereknick.125 Wirtschaftswissenschaftler sind besonders auslandsmobil, so waren beispielsweise im Jahr 2015 in dieser Fachdisziplin 36 % der Studierenden von deutschen Universitäten im Ausland. 126 In Österreich lag dieser Wert im Jahr 2009 hingegen bei 13 %.127 Studienaufenthalte im Ausland signalisieren eine Kompetenz- und Kulturerweiterung und garantieren bessere Einstellungschancen gegenüber ansonsten gleichqualifizierten Bewerbern ohne Auslandserfahrung.128 Entsprechend wird empirisch belegt, dass Auslandssemester an einer Universität die Karriereverläufe beschleunigen können und eine Signalwirkung als leistungsorientierte Studierende an die Arbeitergeber haben. 129 Dessen ungeachtet wird ebenso nachgewiesen, dass dies keinen nennenswerten Einfluss auf die individuelle Karriere hat oder sogar die Führungsverantwortung negativ beeinflussen kann.130 Somit ergibt sich reduziert auf die Auslandserfahrung betrachtet ein unklares Bild in der Literatur. Ein Netzwerk definiert sich als direkte oder indirekte Beziehung der Kontakte aus dem sozialen Umfeld miteinander und bietet dadurch Ressourcen und Kapital für die individuelle Laufbahnentwicklung. Diese Netzwerke haben in Summe einen zusätzlichen positiven Effekt auf den Karriereverlauf im Finanzsektor,131 im Speziellen erhöhen sie jedoch die Anzahl der Beförderungen 132 und 121 122

123 124 125 126 127 128 129 130 131 132

Vgl. Stehlig (2009), S. 81. Vgl. Mayrhofer/Schiffinger (2005), S. 143 ff.; Braakmann (2008), S. 24; Gault et al. (2010), S. 86; Schomburg et al. (2010), S. 18 ff. Vgl. Demski (2007), S. 153; Minssen (2009), S. 55. Vgl. Shaffer et al. (2012), S. 1290 ff. Vgl. Suutari/Brewster (2003), S. 1147 f. Vgl. Habbich (2015), S. 709. Vgl. Unger et al. (2010), S. 13. Vgl. Konegen-Grenier/Placke (2016), S. 3. Vgl. Hartmann (2002), S. 78; Schamberger (2006), S. 107. Vgl. Mayrhofer/Schiffinger (2005), S. 149 f. Vgl. Marshall (2001), S. 70 f.; Sargent/Domberger (2007), S. 546 ff. Vgl. Burt (2004), S. 375 f.; Burt (2005), S. 97 f.; Barthauer et al. (2017), S. 15 f.

414

Johannes Thaller, Bernhard Gärtner, Christine Duller und Birgit Feldbauer-Durstmüller

beschleunigen mit der Teilnahme an mehreren Netzwerken bzw. Gruppen das Vordringen in höhere Ebenen der Hierarchie.133 Im Zuge dessen werden AlumniNetzwerke als Maßnahme des Personalmanagements bezeichnet und von den Mitgliedern punktuell für neue Karrierechancen genutzt. 134 Der Einfluss der Unternehmensgröße – operationalisiert über die Mitarbeiteranzahl – auf den Karriereverlauf wurde in der Literatur bereits umfangreich erforscht,135 bezieht sich aber fast gänzlich auf traditionelle Karrieremodelle. Lutz136 unterstellt jedoch eine weitere Gültigkeit der nachfolgenden Punkte. Grundsätzlich wird von einem positiven Zusammenhang von Unternehmensgröße und Karrierechance ausgegangen, allerdings sind die Erkenntnisse der Empirie nicht immer eindeutig.137 Jedenfalls sinkt mit steigender Unternehmensgröße bzw. den damit einhergehenden Kontextfaktoren die Personalfluktuation.138 Eine große Anzahl an Mitarbeitern lässt einen unternehmensinternen Arbeitsmarkt und darauf aufbauend mehr Hierarchieebenen und Leitungspositionen entstehen. Somit werden Mitarbeiter in Großunternehmen öfter befördert und verbleiben länger im Unternehmen.139 Hierbei reicht bereits die Hoffnung auf eine Beförderung aus, um in größeren Unternehmen die Kündigungsrate und schlussfolgernd die Anzahl an Jobwechseln je Mitarbeiter merklich zu senken.140 Die aktuellen Entwicklungen deuten jedoch auf eine Abnahme von internen Arbeitsmärkten und begreiflicherweise der beschriebenen Effekte hin.141 Eine gezielte Untersuchung in den neuen Karriereorientierungen konnte feststellen, dass die Unternehmensgröße keinen dauerhaften Einfluss auf die subjektive Karrierestrategie an sich hat.142 4.

Methodik

In der quantitativ-empirischen Studie wurden berufliche Laufbahnen analysiert, um den aus der Theorie abgeleiteten Wandel von Karrieren zu untersuchen und die identifizierte Forschungslücke zu schließen. Das Erkenntnisinteresse liegt in der Beschreibung des Status quo von Karriereverläufen im Controlling sowie der Identifikation zentraler Einflussfaktoren und deren Auswirkung auf die Karriereentwicklung. 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142

Vgl. Mehra et al. (2001), S. 132 f. Vgl. Breuer (2011), S. 192 ff. Vgl. Stahl/Röttger (2015), S. 121. Vgl. Lutz (2018), S. 53 f. Vgl. z. B. Main/Reilly (1993); Judge et al. (1995); Braakmann (2008). Vgl. Artz (2008), S. 340. Vgl. Stehlig (2009), S. 121 ff. Vgl. Kosteas (2011), S. 193. Vgl. Hollister (2004), S. 673 f. Vgl. Lutz (2018), S. 401 ff.

Karriereentwicklung im Controlling

415

Die in diesem Rahmen gewählte Methode einer quantitativen Erhebung von Querschnittsdaten entspricht der in der Karriereforschung üblichen Vorgehensweise143 und ist gegenüber einer qualitativ-empirischen Forschung deutlich besser geeignet, Karriereverläufe so umfassend und anastigmatisch wie möglich abzubilden. Als Grundgesamtheit gelten all jene Absolventen der Johannes Kepler Universität Linz, die im Zeitraum von 1990 bis 2018 eine Abschlussarbeit (Diplombzw. Masterarbeit sowie Dissertation) am Institut für Controlling und Consulting verfasst haben. Somit werden insgesamt 180 Diplom-, sieben Masterarbeiten und 12 Dissertationen herangezogen. Diese Summe von 199 Abschlussarbeiten ist allerdings nicht gleichzeitig die Anzahl an Absolventen, da je Person bei etwaiger Zweitbzw. Folgestudien auch mehr als eine Abschlussarbeit verfasst werden kann. Nach der Aussonderung von sieben Doppelnennungen bzw. Überschneidungen ergibt sich eine Grundgesamtheit von 192 Personen. Zur Datengewinnung wurden im ersten Schritt alle öffentlich zugänglichen karriererelevanten Informationen144 herangezogen und hinsichtlich unterschiedlicher Karriereprädiktoren145 analysiert, die aus der theoretischen Aufarbeitung abgeleitet wurden. Aufgrund der kostenlosen und freien Verfügbarkeit des Datenmaterials konnte so ein großer Anteil der Absolventen abgedeckt werden. Zusätzlich ist in diesen Daten ein Signalisierungseffekt enthalten, der subjektiv relevante Karrieredaten in der jeweiligen Selbstdarstellung zeigt. 146 In einem zweiten Schritt wurden Personen ohne öffentlich verfügbaren Daten nach selbigen Kriterien per E-Mail befragt. Insgesamt konnten damit als Stichprobe Karriereverläufe von 83 Absolventen rekonstruiert werden, wodurch ein Rücklauf von. ca. 43 % erzielt werden konnte. Die gewonnenen quantitativen Daten wurden anonymisiert und anschließend deskriptiv und quantitativ-empirisch anhand binär-logistischer Regressionsmodelle ausgewertet. 147 143 144

145

146 147

Vgl. Latzke et al. (2019), S. 26. Zur Datengewinnung wurden insbesondere die beiden sozialen Netzwerke XING und LinkedIn herangezogen. Die Analyse bezieht sich auf die Faktoren Geschlecht, Berufserfahrung, aktuelle Position und Branche, Jahre in aktueller Position, aktuelle Teilzeitbeschäftigung, Führungsverantwortung, Unternehmensgröße, Unternehmens- und Branchenwechsel, vorherige Branche (falls vorhanden), berufsbegleitendes Studium, Auslandserfahrung, Folge-/Zweitstudium, Vorerfahrung vor Studienbeginn (exkl. Praktika), Qualifikationen und Weiterbildungen (bspw. Bilanzbuchhalter- oder Steuerberatungsprüfung oder Controlling-Weiterbildungen), Karenzzeiten, spezielle IT-Kenntnisse (bspw. ERP-Systeme), Hobbys, Ehrenamt, Netzwerke, weitere wissenschaftliche Abschlussarbeiten (Diplom- oder Masterarbeit, Dissertation) und Jahr des Studienabschlusses. Dieser Effekt ist von der individuellen Datenpflege der öffentlich zugänglichen Profile abhängig. Die personenbezogenen Daten wurden gemäß den Bestimmungen der EU-DatenschutzGrundverordnung (DSGVO) und des österreichischen Datenschutzgesetzes (DSG) anonymisiert und streng vertraulich ausschließlich für Forschungszwecke verwendet. In den statistischen Auswertungen ist ein Rückschluss auf Einzelpersonen ausgeschlossen.

416 5.

Johannes Thaller, Bernhard Gärtner, Christine Duller und Birgit Feldbauer-Durstmüller

Empirische Erkenntnisse

5.1. Beschreibung des Datensatzes In der Analyse der Stichprobe von Absolventen zeigt sich insbesondere hinsichtlich des aktuell ausgeübten Berufes ein sehr heterogenes Bild. Wie in Abbildung 2 dargestellt, verteilen sich die Absolventen auf unterschiedliche Berufsfelder bzw. Positionen. Insgesamt sind lediglich ca. 41 % im Controlling-Bereich oder als CFO tätig. Deutlich homogener sind die Ergebnisse aus der Analyse der Branchen- und Unternehmensstruktur, die zeigt, dass die Absolventen vorrangig in der Industrie (ca. 47 %) – gefolgt von Information und Consulting (ca. 18 %) sowie Bildung und Gemeinnütziges (ca. 15 %) – und mehrheitlich in Großunternehmen148 (ca. 72 %) beschäftigt sind, etwa 38 % bekleiden eine Leitungsposition. Das Geschlecht ist in der Stichprobe mit 49 % Frauen und 51 % Männern beinahe gleichverteilt. Die durchschnittliche Berufserfahrung liegt bei ca. 14 Jahre (Median 11,5 Jahre), wobei die konkreten Werte zwischen den beiden Extrempunkten von einem Jahr und 35 Jahren streuen. Die Jahrgänge von Abschlussarbeiten der Absolventen,149 von 1990 bis 2018, wurden zu drei Clustern zu je ca. einer Dekade zusammengefasst. Dabei zeigt sich eine mit zunehmendem zeitlichen Abstand zum Studienabschluss geringere Verfügbarkeit von öffentlich zugänglichen Karrieredaten, die Mehrheit der Stichprobe (ca. 54 %) stammt aus dem jüngsten Drittel dieses Zeitraums (2010 bis 2018) und der kleinste Teil mit ca. 13 % entfällt auf das älteste Drittel (1990 bis 1999).

148

149

Als Kriterium zur Klassifizierung wurde die Anzahl der Mitarbeiter (>= 250 Mitarbeiter) gemäß der Definition der Europäischen Kommission herangezogen (vgl. Europäische Kommission (2003), Internet). Für die statistische Auswertung wurde statt des Datums des Studienabschlusses das Datum der jeweiligen Abschlussarbeit herangezogen, da dazu mehr Daten vorliegen. Im Folgenden wird vereinfachend von „Abschlussjahrgängen“ gesprochen.

Karriereentwicklung im Controlling

417

Abb. 2: Aktuelle Position der Absolventen nach Jahrgang der Abschlussarbeit 150 Die Analyse der Unternehmens- und Branchenwechsel liefert bezüglich eines Karrierewandels wenig Erkenntnisse. Insgesamt haben ca. 49 % höchstens einmal das Unternehmen und ca. 69 % höchstens einmal die Branche gewechselt. Durchschnittlich hat jede Person 1,9mal das Unternehmen (im Schnitt alle 7 Jahre) und ca. 1,2mal die Branche gewechselt. Aufgrund der größeren Berufserfahrung und längeren Zugehörigkeit zum Arbeitsmarkt haben ältere Absolventen zwangsläufig häufiger das Unternehmen wie auch die Branche gewechselt. Dennoch zeigen die Daten, wie in Abbildung 3 dargestellt, dass die jüngeren Abschlussjahrgänge stellenweise ähnliche Wechselhäufigkeiten wie ältere Jahrgänge erreichen. Zwischen den Geschlechtern zeigen sich lediglich in den Extrembereichen (keine oder sehr viele Unternehmenswechsel) bei Männern höhere prozentuelle Wechsel als bei Frauen. Hinsichtlich der Unternehmensgröße ergeben sich eklatante Unterschiede: Der Anteil von Absolventen ohne Unternehmenswechsel ist in Großunternehmen (ca. 37 %) deutlich höher als in KMUs (ca. 4 %) bzw. gilt dies bei vier oder mehr Wechseln vice versa (ca. 9 % zu 22 %).

150

Quelle: Eigene Darstellung.

418

Johannes Thaller, Bernhard Gärtner, Christine Duller und Birgit Feldbauer-Durstmüller

Abb. 3: Anzahl Unternehmenswechsel nach Abschlussjahrgang151

Die berufliche Vorerfahrung verteilt sich homogen innerhalb der Stichprobe. Während ca. 23 % bereits über Erfahrung vor dem Studienbeginn verfügen, standen ca. 39 % zumindest teilweise berufs- bzw. studienbegleitend in einem Beschäftigungsverhältnis. Hinsichtlich einer Auslandserfahrung, über die insgesamt im Schnitt ca. 27 % verfügen, zeigt sich, dass das älteste Cluster (Auslandserfahrung von ca. 44 %) diese im Rahmen eines beruflichen Auslandaufenthalts gesammelt hat, während das jüngste Cluster (Auslandserfahrung ca. 32 %) eher ein universitäres Auslandssemester absolviert hat. Das mittlere Cluster (Auslandserfahrung ca. 17 %) weist einen im Vergleich dazu deutlich geringeren Anteil auf. Von den Personen in Leitungspositionen verfügen ca. 26 % über Auslandserfahrung, innerhalb dieser Gruppe Frauen tendenziell häufiger als Männer. Der Controlling-Bereich weist in der Stichprobe mit ca. 45 % die größte Auslandsmobilität auf. Mit steigender Hierarchiestufe sinkt dieser Anteil (Spezialisten ohne Führungsverantwortung bzw. Controller mit ca. 27 %, ControllingLeiter mit ca. 12 %, CFOs mit ca. 5 %). Die in der Stichprobe am häufigsten genannten Weiterqualifizierungen sind spezielle Controlling-Weiterbildungen (ca. 24 %), Bilanzbuchhaltungsprüfungen (ca. 19 %) bzw. als Sammelausprägung sonstige Weiterbildungen (ca. 35 %). Die Nennung von Controlling-Weiterbildungen entfällt vermehrt auf 151

Quelle: Eigene Darstellung.

Karriereentwicklung im Controlling

419

die beiden älteren Cluster an Absolventen. Der Anteil innerhalb dieser (ca. 36 %) liegt deutlich über dem des jüngsten Clusters (ca. 18 %). Internationale Ausbildungen weisen ausschließlich die jüngeren Absolventen auf, wenngleich der gesamte Anteil mit ca. 4 % gering ist. Trotzdem steigt mit höherer Berufserfahrung auch die Aktivität am Weiterbildungsmarkt, bei Männern lediglich unwesentlich mehr als bei Frauen. Insgesamt gaben ca. 29 % der Stichprobe an, über spezielle IT-Kenntnisse (wie bspw. ERP-Software) zu verfügen, Männer vergleichsweise häufiger als Frauen. Weiterführend nennen ca. 50 % des jüngsten Clusters spezielle IT-Kenntnisse, während dieser Anteil mit zunehmendem Zeitabstand zum Studienabschluss stetig abnimmt und schlussendlich beim ältesten Cluster ca. 22 % beträgt. Netzwerke – gemessen an der absoluten Zahl der Nennungen – nehmen in der Selbstdarstellung der Absolventen nur einen untergeordneten Stellenwert ein, durchschnittlich sind die Absolventen in 0,8 Netzwerken verankert. Etwa drei Viertel der Absolventen haben dabei angegeben in höchstens einem Netzwerk verankert zu sein, das überdies zumeist ein Alumni-Netzwerk darstellt. Über die Cluster der Abschlussjahrgänge hinweg ergeben sich nur wenig Unterschiede, es treten lediglich geringe Mehrnennungen bei den jüngeren Abschlussjahrgängen auf. 5.2. Regressionsmodell für Leitungspositionen In einer binär-logistischen Regressionsanalyse wurde der Einfluss der erhobenen Variablen auf die abhängige Variable hierarchischer Karrierefortschritt – operationalisiert über das Innehaben einer Leitungsposition – modelliert. Ausgangspunkt ist das volle Modell mit allen Einflussvariablen, durch Rückwärtsselektion werden schrittweise alle Variablen mit wenig Erklärungsgehalt eliminiert (vgl. Tabelle 1). Im letzten (zwölften) Schritt sind die beiden Variablen Berufserfahrung und Controlling-Weiterbildungen im Modell verblieben und leisten, wie im finalen Modell in Tabelle 2 dargestellt, einen Erklärungsbeitrag für die Leitungspositionen (Signifikanzniveau 0,10). Die Güte des Modells ist mit 0,229 nicht überragend hoch, andererseits ist der Stichprobenumfang nicht besonders hoch, sodass komplexere Modelle nicht sinnvoll modelliert werden könnten.

420

Johannes Thaller, Bernhard Gärtner, Christine Duller und Birgit Feldbauer-Durstmüller

Modellentwicklung Leitungsposition Schritt

Chi-Quadrat

df

Sig.

Variable

2

19,280

12

0,082

OUT: sonstige Weiterbildungen

3

19,227

11

0,057

OUT: Auslandserfahrung

4

19,118

10

0,039

OUT: Anzahl Branchenwechsel

5

18,990

9

0,025

OUT: Geschlecht

6

18,791

8

0,016

OUT: Anzahl Netzwerke

7

18,564

7

0,010

OUT: Vorerfahrung vor Studienbeginn

8

18,188

6

0,006

OUT: Bilanzbuchhalter

9

17,597

5

0,003

OUT: Anzahl Unternehmenswechsel

10

17,152

4

0,002

OUT: internationale Ausbildung

11

16,207

3

0,001

OUT: Steuerberater/Wirtschaftsprüfer

12

15,011

2

0,001

OUT: spezielle IT-Kenntnisse

Tab. 1: Variablenselektion für binär-logistisches Regressionsmodell

Finales Modell Leitungsposition Sig.

exp(b)

Berufserfahrung in Jahren

0,000***

1,173

Controlling-Weiterbildungen

0,069*

0,210

Konstante

0,000

0,039

Modellanpassung Cox & Snell R2 Nagelkerkes R2 Gültige Fälle *** p