Constitutions of the World from the late 18th Century to the Middle of the 19th Century: Part III Frankfurt – Hesse-Darmstadt 9783598440571, 9783598357152

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Constitutions of the World from the late 18th Century to the Middle of the 19th Century: Part III Frankfurt – Hesse-Darmstadt
 9783598440571, 9783598357152

Table of contents :
Frontmatter
Inhalt – Contents
Fürstliches Organisationspatent von Frankfurt (1806)
Verfassung von Frankfurt (1810)
Entwurf der Frankfurter Verfassung (1814)
Ergänzungsakte der alten Frankfurter Stadtverfassung (1816)
Verfassungsentwurf des Freistaates Frankfurt (1849)
Verfassung des Freistaates Hamburg (1849)
Verfassung von Hannover (1819)
Verfassung von Hannover (1833)
Verfassung von Hannover (1840)
Edikt von Hessen-Darmstadt (1820)
Verfassung von Hessen-Darmstadt (1820)
Backmatter

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Constitutions of the World from the late 18th Century to the Middle of the 19th Century Verfassungen der Welt vom späten 18. Jahrhundert bis Mitte des 19. Jahrhunderts

Constitutions of the World from the late 18th Century to the Middle of the 19th Century Sources on the Rise of Modern Constitutionalism Editor in Chief Horst Dippel Europe: Volume 3

Verfassungen der Welt vom späten 18. Jahrhundert bis Mitte des 19. Jahrhunderts Quellen zur Herausbildung des modernen Konstitutionalismus Herausgegeben von Horst Dippel Europa: Band 3

K·G ·Saur 2007

Deutsche Verfassungsdokumente 1806–1849 Teil III: Frankfurt – Hessen-Darmstadt Herausgegeben von Werner Heun

German Constitutional Documents 1806–1849 Part III: Frankfurt – Hesse-Darmstadt Edited by Werner Heun

K·G ·Saur 2007

Bibliographic information published by the Deutsche Nationalibliothek The Deutsche Nationalibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available in the internet at http://dnb.d-nb.de.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

U Printed on acid-free paper / Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier © 2007 by K . G. Saur Verlag, München Ein Imprint der Walter de Gruyter GmbH & Co. KG Printed in Germany All Rights Strictly Reserved / Alle Rechte vorbehalten. Technical Partner / Technischer Partner: Mathias Wündisch, Leipzig Printed and Bound / Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach ISBN 978-3-598-35715-2

Inhalt – Contents Fürstliches Organisationspatent von Frankfurt (1806) . . . . Verfassung von Frankfurt (1810) . . . . . . . . . . . . . . . Entwurf der Frankfurter Verfassung (1814) . . . . . . . . . . Ergänzungsakte der alten Frankfurter Stadtverfassung (1816) Revision von 1848 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfassungsentwurf des Freistaates Frankfurt (1849) . . . . . Verfassung des Freistaates Hamburg (1849) . . . . . . . . . Verfassung von Hannover (1819) . . . . . . . . . . . . . . . Verfassung von Hannover (1833) . . . . . . . . . . . . . . . Publikationspatent zur hannoveraner Verfassung (1833) Verfassung von Hannover (1840) . . . . . . . . . . . . . . . Erste Revision von 1848 . . . . . . . . . . . . . . . . Zweite Revision von 1848 . . . . . . . . . . . . . . . Edikt von Hessen-Darmstadt (1820) . . . . . . . . . . . . . Verfassung von Hessen-Darmstadt (1820) . . . . . . . . . . Edikt von 1820 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verordnung von 1820 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetz von 1821 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Revision von 1842 . . . . . . . . . . . . . . . Erste Revision von 1848 . . . . . . . . . . . . Zweite Revision von 1848 . . . . . . . . . . . Dritte Revision von 1848 . . . . . . . . . . . . Erste Revision von 1849 . . . . . . . . . . . . Zweite Revision von 1849 . . . . . . . . . . .

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Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

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Fürstliches Organisationspatent von Frankfurt (1806) Erklärung und Verordnung Sr. Hoheit wie die Neue Verfassung von Frankfurt seyn solle1

Wir Carl von Gottes Gnaden Erzbischoff, Fürst Primas der Rheinischen Conföderation, souverainer Fürst von Regensburg und Aschaffenburg, Frankfurt und Wezlar etc.

und den mediatisirten Fürsten und Reichsgrafen bestehen.

Finden Uns bewogen, zur Beförderung allgemeiner Beruhigung dasjenige zu erklären, was nach Unserer Ueberzeugung in denen gegenwärtigen Umständen, in Beziehung auf die Stadt Frankfurt u. dessen Gebiet angemessen ist.

Religionsverhältnisse

ERSTER ABSCHNITT Staatsverhältniß § 1. Wir sind bekanntlich in den Besitz der Stadt Frankfurt und ihres Gebietes zufolge des rheinischen Bundes eingewiesen worden; der Inhalt des Bundesvertrags bestimmt mithin die Verhältnisse, die zwischen Frankfurt und Uns bestehen. § 2. Der Artikel 22. weist Uns die Souverainität und das gänzliche Eigenthum dieser Stadt und ihres Gebietes an. § 3. Der Gebrauch den Wir von dieser Uns anvertrauten Gewalt machen, besteht darin, daß Wir dieser guten Stadt Unser Wohlwollen und Achtung so viel bezeigen, als Uns möglich ist, indeme Wir in ihrem Betreff diejenige Verhältnisse eintreten lassen, welche vermög Artik. 26. und 27. des Bundesvertrags zwischen den Souverainen

ZWEYTER ABSCHNITT § 1. Sämmtlichen frommen, milden und wohlthätigen Stiftungen wird ihr Eigenthumsrecht feierlich zugesichert. § 2. Die Verfassung des Konsistoriums Augsburgischer Konfession wird bestätiget, und es hat im Ramen des souverainen Fürsten die, in Betreff ihrer Glaubensgenossenen, sämmtliche dahin gehörende Rechte auszuüben. § 3. Den reformirten Glaubensgenossenen können, auf ihr Verlangen, die nemliche Rechte verstattet werden wie den Evangelischen, jedoch haben sie die hergebrachte Jura Stolae zu vergüten. § 4. Diejenigen geistlichen Güter, die dem Frankfurter Staat zur Entschädigung durch den Reichsschluß von 1803 angewiesen worden, werden ferner besonders verwaltet, und von dem souverainen Fürsten zu frommen und milden Ausgaben bestimmt, und werden dazu verwendet (nach Abzug der darauf haftenden Schulden und Lasten); und da das Kirchengut des katholischen Religionstheils in diesem Fond enthalten ist, so werden die katholischen Seelsorger, Schullehrer, nebst geistlichen Pensionisten

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F RANKFURT davon besoldet, auch die katholischen Kirchen erhalten. Die hergebrachte Rechte und Gerichtsbarkeit des Erzbischöflichen Generalvikariats auf katholische geistliche Personen und Gegenstände, werden bestätiget. § 5. Die Mitglieder der drey christlichen Religionen sind von keinem öffentlichen Amt ausgeschlossen. § 6. Die Mitglieder der jüdischen Nation werden gegen Beleidigung und beschimpfende Mißhandlung in Schutz genommen.

DRITTER ABSCHNITT Justizsachen § 1. Die oberste Justizstelle für sämmtliche Einwohner der Stadt Frankfurt u. ihres Gebiets ist das Oberappellationsgericht in Aschaffenburg. § 2. Die Appellation an die oberste Justizstelle gehet dahin von dem Schöffenappellationsgericht in Frankfurt, welches die Rechtsstreitigkeiten zweyter Instanz entscheidet. Diese Stelle wird besezt von einem Direktoren, von zwey Schöffen aus dem Haus Limburg, und zwey Schöffen aus dem Haus Frauenstein; sodann von fünf Syndicis mit entscheidendem Stimmrecht; welche letztere auch ihr Gutachten an den souverainen Fürsten in solchen Fällen zu erstatten haben, wenn mit benachbarten Staaten Streitigkeiten, oder über die innere Staats- oder bürgerliche Verhältnisse Anstände entstehen Nebstdem gehören an das Schöffengericht: a) Alle Klagsachen wider desfalls privilegirte Standespersonen durch Deputationen; von welchen die Appellation ad plenum geht. b) Moratorien, Güterabtretungsgesuche und Concourssachen obärirter Schuldner. c) Solche Causae voluntariae jurisdictionis, wozu nach gemeinen Rechten decretum Magistratus majoris erfordert ist, wie auch Einkindschaftsgesuche, Majorennitätserklärung, und dergleichen. Auch

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hat das Schöffengericht nach der bisherigen Verfassung die vor demselben schon anhängige Rechtssachen erster Instanz zu beendigen. § 3. Die neu aufzunehmenden Mitglieder müssen eine Probrelation ablegen, und in einer Prüfung bestehen. § 4. Die untere Justizstelle in Civilstreitigkeiten, ist das zu errichtende Stadt- und Landgericht. Die von verschiedenen Stadtämtern in erster Instanz bisher ausgeübte Jurisdiction ist aufgehoben und dem Stadtgericht übertragen. Es wird von sieben Beisitzern besetzt; deren zwey die Aufsicht über Vormundschaft und Curatelsachen besorgen, auch gehet Unsre Willensmeinung dahin, daß Handlungs, Wechsel, Bau, u. andere zu einem kurzen summarischen Verfahren sich eignende Sachen, nicht in pleno, sondern in abgesonderten Sectionen dieses Stadt- u. Landgerichts behandelt werden sollen. In Beziehung auf Wechsel- u. Handlungsgegenstände u. darüber entstehende Streitigkeiten, und überhaupt Prozeßordnung, behalten Wir Uns vor, nach reifer Erwägung eine besondere Verordnung zu erlassen. Wir erwarten hierüber ein gründliches Gutachten des bisherigen SyndicatsCollegii. § 5. Die Criminal-Jurisdiction ist dem Schöffen-Appellationsgericht anvertraut; nachdem die Sachen von dem Criminalrath untersucht worden; das Bestätigungs- und Begnadigungsrecht behalten Wir Uns vor, als souverainer Fürst.

VIERTER ABSCHNITT Gesezgebung und Aemterverwaltung § 1. Die Verordnungen werden von dem Senat entworfen, dem souverainen Fürsten vorgeschlagen, und von demselben bestätiget; in dringenden Fällen verordnet der Senat provisorisch, und berichtet an den

F ÜRSTLICHES O RGANISATIONSPATENT VON F RANKFURT (1806) souverainen Fürsten. Außerdem ist der Senat das repräsentative Collegium des städtischen gemeinen Wesens, in allen auf die Verwaltung seiner Komunalrechten und Eigenthum sich beziehenden Sachen. Er darf jedoch über Veräußerung oder Verpfändung ohne Unsre Genehmigung nicht disponiren, auch keine neue Ausgaben eigenmächtig anordnen. In Entsagung und Bewilligung des Bürgerrechts, Beisassenschutz, wie auch besonderer Permissions-Scheinen, bleibt es bey der bisherigen Verfassung, doch behaltet sich der souveraine Fürst in besonders wichtigen Fällen sein Bewilligungs-Recht vor. § 2. Der Senat bestehet aus dem Stadtschultheisen, als erster Magistratsperson, den der souveraine Fürst ernennt, aus zwey Bürgermeistern, deren der erste das Direktorium führt, und vierzehen Senatoren, deren jeder zugleich ein Stadtamt lebenslänglich verwaltet. Zu denen erledigten Stellen bringt der Senat drey Personen in Vorschlag, deren eine von dem Landesherrn ernennet wird. § 3. Wenn eine Verordnung in Justizsachen zu entwerfen ist, so versammeln sich die Senatoren und Mitglieder des Schöffenapellationsgerichts, und erwägen gemeinsam, was darin rathsam ist. § 4. Die bisherigen Mitglieder der dritten Rathsbank aus denen rathsfähigen Professionen bilden für die Zukunft ein besonderes Collegium für die untergeordnete Aufsicht auf die Handwerkspolizei, und haben das Recht dem Senat mit beyzusitzen, und consultative Stimmen zu führen, wenn in demselben Verordnungen in Deliberation kommen, welche sich auf Gewerbspolizei oder das Innungs- und Zunftwesen der Professionen beziehen. § 5. Ehe Wir als souverainer Fürst ein entworfenes wichtiges Gesez auf entschiedene Weise bestätigen, werden Wir meis-

tens auch das Gutachten des bürgerlichen Ausschusses über die betreffende Gegenstände vernehmen. § 6. Die Besetzung der Aemter wird von dem Senat aus ihrer Mitte vorgeschlagen, und von dem souverainen Fürsten bestätiget. § 7. Jeder Beamte kann nur ein Amt lebenslänglich verwalten, wohl aber kann er auf 3 Jahr als Mitaufseher eines andern Amtes angestellt werden. § 8. Jeder Beamte verwaltet sein Amt selbst nach ertheilter Instruction, für dessen genaue Befolgung er dem souverainen Fürsten verantwortlich ist. Der Senat hat die Oberaufsicht, zeigt die entstehende Unordnungen dem Schöffenappellationsgericht an, welches dieselben untersucht, u. die Bestrafung dem souverainen Fürsten zur Betätigung vorlegt. In dringenden Fällen kann der Senat provisorisch suspendiren.

FÜNFTER ABSCHNITT Die Polizey § 1. Die Erhaltung öffentlicher Sicherheit ist dem ersten Bürgermeister anvertraut; diese besorgt er, in Beziehung auf die Gesundheit der Einwohner, durch das Medicinal-Collegium; in Beziehung auf Lebensunterhalt u. nüzliche Beschäftigung der Nothleidenden, durch Armenanstalt u. Schüzzung bestehender Verwaltungen milder Stiftungen; in Beziehung auf öffentliche Ruhe, durch Unterpolizeybeamte. In allem wird er unterstüzt durch den General Commissair des Souverains, durch das bürgerliche und andere Militair. § 2. Der zweyte Burgermeister wacht überhaupt auf Ordnung, welche in Befolgung, und Verbesserung der Polizeygesetze bestehet. Er ist befugt von der Verwaltung aller und jeder Sicherheitsanstalt Einsicht

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F RANKFURT zu nehmen; wenn er Verbesserungen bestehender Verordnungen in Polizeysachen für zweckmäßig erachtet, so macht er die Anzeigen bey dem Stadtschultheisen, welcher als erste Magistratsperson die Mitglieder des Senats und der bisherigen dritten Rathsbank sogleich versammelt, und die Frage wegen Erlassung neuer Verordnungen in Erwägung bringt; die nicht Befolgung wirklich bestehender Gesetze zeigt er dem General-Commissär des souverainen Fürsten an, dem die vollstreckende Gewalt anvertraut ist; insbesondere wird demselben aufgetragen, auf Sittlichkeit, Bücher-Censur, zweckmäßige Einrichtung der Schauspiele zu wachen. Beyden Bürgermeistern liegt die Aufsicht über alle hieher kommende Fremden ob, sie haben dafür zu sorgen, daß verdächtige oder gefährliche Personen von hier abgehalten oder entfernt werden; die Feuerpolizey die Sorge für Reinheit und Freylassung der Straßen, auch ihre Beleuchtung; endlich Untersuchung und Bestrafung vorfallender geringerer Frevel und Civilvergehungen, wie auch geringerer verbal und real Injurien wird dem jüngern Bürgermeister anempfohlen. § 3. Die Beförderung des wohlfeilen Preißes nöthiger Lebensmittel werden Wir Unserm Directoren der Oberpolizey auftragen, den Wir nach dem Sinn des Bundvertrags Art. 26. ernennen werden; Er haltet beständige Aufsicht auf Bäcker und Metzger, besorgt die Verwaltung des Holz- und Fruchtmagazins, und Salzregals, deren Einnahme und Ausgabe Wir Uns ausdrücklich vorbehalten, weil Wir ansehnliche Waldungen und Salinen besitzen. Es wird demselben zur Pflicht gemacht, alles anzuwenden, damit der Preiß des Holzes, des Korns und des Salzes in keinem Falle den Mittelpreiß zwischen Würzburg und Mainz übersteige; auch wird er sich bestreben, durch gute Marktordnung den wechselseitigen Tauschhandel von Getraid und Holz zu befördern.

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Wegen Erlassung neuer Verordnungen benimmt er sich mit den Stadtschultheisen; in Ausführung bestehender Verordnungen wird er von dem General-Commissär geschüzt.

SECHSTER ABSCHNITT Finanzwesen § 1. Die Ausscheidung derjenigen Einkünften, die Wir der gemeinen Stadt zugedacht haben, von denenjenigen, die dem souverainen Fürsten zu Bestreitung der Staats- und Militairausgaben gehören, kann zu seiner Zeit durch die Artikel 26. und 27. des rheinischen Bundes bestimmt werden. § 2. Dermalen, und bis dahin, daß sämmtliche Staatsschulden bezahlt sind, finden Wir zweckmäßig, daß durchaus alle Einnahmen in die Rechney zusammenfließen. § 3. Von jeder Einnahme gibt die Recheney ein Viertel ab, an den SchuldentilgungsFond; ein Viertel erhaltet der Magistrat zur Bestreitung der Besoldungen, Stadtbauwesen und untergeordneten Polizeyanstalten; ein Viertel erhaltet das Rentamt des souverainen Fürsten zur Besoldung des Militairs, Referendairs, Directors der Oberpolizey, Rentmeisters und Controlleurs, zur Bezahlung der Gesandtschaftsunkosten, und als Beytrag zu dem Aufwand der unzertrennlich ist von der souverainen Würde; das letzte Viertel bildet eine Reservkasse zu Deckung unvorgesehener Ausgaben der andern Kassen. § 4. Der Schuldentilgungsfond, die Berechnung der gemeinsamen Stadteinnahmen, bleiben der Prüfung der neun Revisoren, und der Aufsicht des bürgerlichen Ausschusses anempfohlen. § 5. Die außerordentlichen Auflagen hören alsdann auf, wenn die Schulden bezahlt sind.

F ÜRSTLICHES O RGANISATIONSPATENT VON F RANKFURT (1806)

SIEBENTER ABSCHNITT Schuldentilgung § 1. Die gemeinsamen Schulden der Stadt Frankfurt und ihres Gebietes, sind theils in ältern Zeiten, meistens jedoch in neuesten Zeiten durch unvermeidliche und außerordentliche Veranlassungen entstanden, nach allgemein anerkannten Rechten muß das Vermögen des gesammten Staates zu deren Verzinßung und Rückzahlung beitragen; weder des souverainen Fürsten, noch Communial-Besitzungen der Stadt, noch Vermögen der Einwohner sind davon ausgenommen. § 2. Damit Wir auf eine einfache hinreichende Weise, und mit möglichster Schonung des Privatvermögens einen Schuldentilgungs-Fundus sämmtlicher, sowohl alter als neuer Schulden gründen, so widmen Wir hierzu den vierten Theil sämmtlicher Recheney-Einnahmen, den Ertrag der Lotterie, und ein jährliches halbes Simplum; dies alles in so lang, bis Zinsen und gemeinsame Capital-Schulden abgetragen sind; der bisher bestandenen Commission werden beygeordnet der Rentmeister des souverainen Fürsten, und der Rentmeister der Stadtkämmerey; für dieselbe bleiben jedoch die Verhältnisse der Erhebung des halben Simplums ein undurchdringliches Geheimniß. § 3. Da im Anfang des nächsten Monats die festgesetzte Zeit der Rückzahlung eines Capitals von Siebenmal Hundert Tausend Gulden eintreten wird, und die Stadt durch Einquartirungen, Requisitionen und Contribution, als Folgen des Krieges, vieles gelitten hat; so haben der Magistrat und der Bürgerausschuß den Wunsch geäußert, daß man Zeit zur Erholung der Kräften gönnen, und bis dahin diese Rückzahlung aussetzen möge. Da es allgemein anerkannten Rechtens ist, denen Schuldnern, nach äußerst drückenden Kriegsereignissen, Fristen zu

gestatten, wovon der dreysigjährige Krieg häufige Beyspiele darbietet, so finden Wir Uns nicht befugt, dieses Gesuch gegenwärtig abzuschlagen. § 4. Da in diesem Jahr auch noch die Capitalzinsen zu zahlen sind, und die Recheneykasse erschöpft ist, so würde wohl der Fall eintreten, ein halbes Simplum sogleich zu erheben; allein auch hierin wurde der Wunsch geäussert, gegenwärtig dem Publikum Erholungszeit zu gönnen. Bereit auch hierin Unser Wohlwollen zu bezeigen, so sind Wir entschlossen hierzu durch Rückzahlung desjenigen, was die Verwaltung der im Jahr 1803. zur Entschädigung erhaltenen Güter der Rechnungs-Commisssion schuldig ist, mitzuwirken. § 5. Ueberhaupt wünschen Wir, daß künftig zum Ruhm des hiesigen ansehnlichen Handelstands alle Zahlungsterminen eingehalten werden, daß eine freywillige Gesellschaft von hiesigen Mitgliedern des Handelstandes sich anbiete, folgenden Vertrag einzugehen. a) Die Gesellschaft übernimmt die bedungene Bezahlungen sämmtlicher Staatsschulden, sie erhaltet dagegen b) den jährlichen Ertrag des Schuldentilgungfonds, bis zur gänzlichen Abtilgung des Capitals und Zinßen; bekommt nebst dem c) ein halbes pro Cent aus dem Schuldentilgungsfonds, welches in verschiedenen Prämien vertheilt, u. unter den Actionairs verloost würde. d) Das Vermögen des sämtlichen Staats würde der Gesellschaft als zehenfache Hypothek verschrieben. § 6. Künftige außerordentliche Ausgaben werden von der Reservekasse bestritten.

ACHTER ABSCHNITT Vollstreckung § 1. Die vollstreckende Gewalt kann nur in solchen Fällen eintreten, wenn in Justiz-

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F RANKFURT sachen der ordentliche Richter entschieden hat, und wenn Verordnungen von der gesetzgebenden Stelle entworfen, von dem souverainen Fürsten bestätiget, die schuldige Befolgung gebieten, und in der Ausführung Anstand finden sollten. § 2. Die vollstreckende Gewalt ist dem Fürstlichen General-Commissair anvertraut. In allen Fällen seiner Wirksamkeit sind sämmtliche Stellen, auch das bürgerliche und andere Militair unter Verantwortung verpflichtet, ihm in der Ausführung an Handen zu gehen.

NEUNTER ABSCHNITT Ausführung § 1. Mit dem neuen Jahr 1807. kommen die festgesetzte Grundsätze zur Ausführung; die Verfügungen in Betreff des Finanz- und Schuldenwesen nehmen jedoch sogleich ihren Anfang, weilen sie mit dem öffentlichen Kredit in Verbindung stehen.

angewiesenen oder annoch anzuweisenden Wirkungskreis. § 6. Diejenige, welche erlöschende Stellen begleitet haben, behalten ihren Gehalt, wie bisher. § 7. Nach dem Tod solcher Pensionisten fällt der Gehalt der Stadt Cämmerey und re pect. der Reserv- und Cassa des Souverains zu gleichen Theilen zurück. § 8. Lehranstalten und alle Gegenstände, die in dieser Erklärung nicht berührt worden, werden durch besondere Verfügungen die möglichste vollwirksame Beförderung erhalten. § 9. Die Erfahrung wird lehren, ob und was in dem Inhalt dieser Verfügungen zu verbessern ist, welches Wir Uns in solchem Fall vorbehalten. So lang Uns der Allmächtige das Leben schenkt, wird Unser Bestreben auf das wahre Wohl der Stadt Frankfurt, ihrer verdienstvollen Männer, braven Bürger und angehörigen Gebiets gerichtet seyn. Frankfurt den 10. October 1806.

§ 2. Für diesesmal wird die Besetzung der Stellen von dem souverainen Fürsten übernommen. § 3. Bey gleichen Verdiensten und Eigenschaften werden eingeborne Frankfurter Einwohner immer den Vorzug erhalten. § 4. Alle bestehende Verordnungen werden bestätiget, bis über besondere Gegenstände neue Verordnungen auf verfassungsmäßige Weise gebildet und erlassen werden. § 5. Die neun Rechnungsrevisoren und der Bürgerausschuß bestehen fort, in ihrem

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(L.S.) Carl Leopold, Graf v. Beust, Sr. Hoheit des Herrn Fürst Primas Conferenzminister u. General-Commissarius. 1

Ediert nach Staats-Calender der Fürstprimatischen Stadt Frankfurt, Jahrgang 1807, Frankfurt, S. 58–63. Das fürstliche Organisationspatent wurde am 10. Oktober 1806 beschlossen und ebenfalls am 10. Oktober 1806 unterzeichnet. Gem. Neunter Abschnitt § 1. trat das Organisationspatent „mit dem neuen Jahr 1807“ in Kraft. Für weiterführende Angaben siehe Wilhelm Friedrich Karl Stricker, Neuere Geschichte von Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1874, insb. S. 7–9.

Verfassung von Frankfurt (1810) Höchstes Organisations-Patent der Verfassung des Großherzogthums Frankfurt1

Wir Carl von Gottes Gnaden Fürst-Primas des rheinischen Bundes, Großherzog von Frankfurt, Erzbischof von Regensburg etc. etc. Des Kaisers Napoleon kaiserl. königl. Majestät haben Uns den 19ten Febr. d. J., gegen Abtretung des Fürstenthums Regensburg und des Rheinschiffahrts-Octroi’s auf der rechten Rheinseite, den größten Theil der Fürstenthümer Fuld und Hanau unter der Bedingniß abzutreten geruhet, daß diese Länder, nebst dem Fürstenthume Aschaffenburg und der Stadt Frankfurt, das neue Großherzogthum Frankfurt bilden, und nach Unserm tödtlichen Hintritte an des Vicekönigs von Italien kaiserl. Hoheit, und sodann die männlichen Nachfolger Seines großherzoglichen Hauses übergehen sollen. Unsere Pflicht erfordert, daß wir den Rest Unserer Tage dem Wohl derjenigen Länder widmen, welche die göttliche Vorsehung und die persönlichen wohlwollenden Gesinnungen des Kaisers Napoleon Uns anvertraut haben. Die Bestandtheile des Großherzogthums Frankfurt bilden nunmehr ein Ganzes. Einheit der möglich besten Verfassung wird für diesen Staat wohlthätig und zweckmäßig seyn. Die bestdenkbare Staatsverfassung ist diejenige, in welcher der allgemeine Wille der Mitglieder durch vernünftige Gesetze ausgedrückt wird, in welcher die Verwaltung der Gerechtigkeit durch unabhängige wohlbesetzte Gerichtsstellen besorget wird,

in welcher die vollstreckende Gewalt der Hand des Fürsten ganz anvertraut ist. In allen Staatsverfassungen, welche aus dem Geiste des Kaisers Napoleon geflossen sind, erkennt man Anwendungen dieser Grundsätze; allenthalben haben gewählte Volksvertreter Einfluß auf die Annahme der Gesetze und Verwendung des Staatsvermögens; allenthalben sind die Gerichtsstellen von dem Einflusse fremder Gewalt unabhängig; allenthalben ist die Vollstreckung der Gesetze kraftvoll und wirksam, weil sie in der Hand des Regenten ist. Unter allen Verfassungen, welche dem Kaiser Napoleon ihr Daseyn zu danken haben, enthält die Verfassung des Königreichs Westphalen die meisten Grundsätze, die man nach Unserer Ueberzeugung auf das Wohl des Großherzogthums Frankfurt anwenden kann. Sie ist eigenes Werk des Kaisers Napoleon, ist für einen teutschen Staat bestimmt, hat sich bereits durch die Regierung des Königs Hieronymus Napoleon Majestät bewährt. Nach beschränktern Verhältnissen und besondern Localumständen fließt aus der Anwendung dieser Grundsätze, nach Unserer Ueberzeugung, folgende Organisation Unsers Großherzogthums Frankfurt. § 1. Das Großherzogthum Frankfurt besteht: aus der Stadt Frankfurt und ihrem Gebiete, aus dem bisherigen Fürstenthume Aschaffenburg,

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F RANKFURT dem größten Theile des bisherigen Fürstenthums Fuld, dem größten Theile des Fürstenthums Hanau, sodann der Stadt Wetzlar. § 2. Das Großherzogthum Frankfurt macht einen Theil des rheinischen Bundes aus, dessen Primatialwürde Uns durch die rheinische Bundesacte anvertraut ist. § 3. Das Contingent des Großherzogthums Frankfurt besteht in 2800 Mann. § 4. Nach Unserm Absterben kommt das Großherzogthum Frankfurt an des Prinzen Eugen Napoleon kaiserl. Hoheit, und dessen gerade Abstammung von Sohn zu Sohn, mit beständiger Ausschliessung der Frauen, und Rückfall an die kaiserl. Krone, im Falle, wenn die männliche Linie erlöschen sollte. (Alles zufolge Art. 3. des Vertrags vom 19ten Febr. 1810.) § 5. Sobald der erzbischöfliche Sitz von Regensburg nach Frankfurt verlegt seyn wird: so ist alsdann der künftige Großherzog verbunden, dem Erzbischoffe, den er zu dieser Würde benennen wird, 60000 Franken jährlich zu seinem Unterhalte anzuweisen. Die Nachfolger des künftigen Großherzogs sind auf ewige Tage schuldig, diese Verbindlichkeit zu erfüllen. (Vermöge Art. 4. des Vertrags vom 19. Febr. 1810.) § 6. Wir erkennen Uns verbunden, in Gemäsheit des Reichsschlusses vom Jahre 1803 die Renten zu bezahlen, welche nach den §§. 7, 9, 14, 17, 19, 20 und 27 des gedachten Reichsschlusses auf die Hälfte des Rhein-Octroi’s angewiesen worden; und Wir werden diese Verbindlichkeit erfüllen nach dem ausdrücklichen Inhalte des mehr erwähnten Reichsschlusses. Die Specialhypothek der Renten, welche deren Eigenthümer auf die Hälfte des Octroi’s hatten, ist für immer gegründet auf die Domai-

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nen von Fuld und Hanau. (Vermöge Art. 6. des Vertrags vom 19ten Febr. 1810.) Die Erfüllung dieser Pflicht werden wir unmittelbar selbst besorgen. § 7. Die Donationen Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen, bis auf die Summe von 600000 Franken Renten an Domainen der Fürstenthümer Fuld und Hanau, werden von Uns bestätiget und verbürgt. Die Donatarien geniessen diese Güter als wahres Eigenthum, welches binnen 10 Jahren mit keiner neuen Auflage beschwert werden kann; auch können sie diese ihnen eigenthümlich zugehörigen Güter verkaufen, ohne daß sie von diesem Verkaufe eine Abgabe entrichten. (Gemäs des Vertrags vom 19ten Febr. 1810.) § 8. Wir werden dafür sorgen, daß die Schulden, mit welchen die Länder des Großherzogthums Frankfurt beschweret sind, ordentlich und richtig bezahlt werden. § 9. Zu Bezahlung der Schulden, welche auf der Rente Lohneck und dem Zolle Vilzbach hafteten, werden Wir verhälnißmäßig beitragen, nebst jenen Fürsten, so in dem Besitze der Lande sind, welche dem ehemaligen mainzer Kurstaate gehörten. (Vermöge Art. 9 des Vertrags vom 19ten Febr. 1810.) § 10. Wir bestimmen auf die Tage Unsers Lebens für den Unterhalt Unseres Hofstaates und alle damit verbundene Ausgaben an Hofpersonale, Hofdienerschaft, Tafel, Marstall, Reisekosten, Geschenken und Unterhalt Unserer Person eine jährliche Summe von 350000 Fl., welche dem Verhältnisse in jeder Hinsicht angemessen ist. Diese Summe wird vom Ertrage der Waldungen, der Domainen und anderer Gefälle überhaupt in Quartalraten aus der Generalcasse erhoben. § 11. Das Großherzogthum wird durch eine Constitution regiert, welche die Gleich-

V ERFASSUNG VON F RANKFURT (1810) heit aller Unterthanen vor dem Gesetze und die freie Ausübung des Gottesdienstes der verschiedenen verfassungsmäßig aufgenommenen Religionsbekenntnisse festsetzt. § 12. Die besondern Verfassungen der Provinzen, Städte und Corporationen des Großherzogthums sind aufgehoben; eben so die Privilegien einzelner Personen und Familien, so weit sie mit Befolgung der Gesetze im Widerspruche stehen; durch diese Bestimmung werden jedoch jene Befugnisse nicht aufgehoben in dem Großherzogthume Frankfurt, welche durch die rheinische Bundesacte den mediatisirten Fürsten und Herren zugesichert worden. § 13. Die Leibeigenschaft wird aufgehoben; alle Einwohner des Großherzogthums Frankfurt geniessen gleiche Rechte. So oft der Ertrag der Leibeigenschaft und der dahin gehörenden Abgaben wesentlichen Beitrag zum allgemeinen Besten leistet, soll ein andrer billiger Ersatz eintreten durch Vertheilung hinreichender indirecten Auflagen, welche den Personenrechten der Unterthanen minder lästig und kränkend sind. Sollten durch Aufhebung der Leibeigenschaft Privatpersonen verlieren; so steht ihnen der Anspruch auf Entschädigung im Wege Rechtens offen, nach den Grundsätzen, welche im Königreiche Westphalen eingeführt worden. § 14. Der Adel besteht, wie bisher, mit seinen verschiedenen Benennungen und gebührender Achtung, ohne daß er jedoch ein ausschliessendes Recht weder zu Aemtern, Diensten und Würden, noch Befreiung von öffentlichen Lasten dadurch erhält. § 15. Es soll ein und dasselbe Steuersystem für alle Theile des Großherzogthums seyn; die Grundsteuer soll niemals den fünften Theil der Revenuen übersteigen. Provisorisch bis zur Gleichstellung bleibt es bei

dem gegenwärtigen Zustande der Grundsteuer. Die Stempeltaxe und die Protocollirung (timbre et enrégistrement) werden eben so, wie in Frankreich, eingeführt. Sollte nebstdem neuerlich in Beziehung auf Staatsbedürfnisse Vermehrung der Auflagen nöthig werden, so sind dieselben auf indirecte und persönliche Abgaben nach Gradation des Vermögens in verhältnißmäßig erhöhtem billigen Maasstabe anzusetzen; und im Falle eine Kopfsteuer unvermeidlich werden sollte: so kann dieses nur alsdann geschehen, wenn hierüber mit den Ständen verfassungsmäßige Verhandlung eingetreten seyn wird. § 16. Das System von Maas und Gewicht, welches in Frankreich besteht, soll in dem ganzen Großherzogthume eingeführt werden; welches zum Theile schon geschehen ist. Hierüber wird noch eine besondere Instruction, nach vorhergegangener reifer Berathung erfolgen. § 17. Wir werden einen Minister des Innern, der Justiz und Polizei, einen Minister der Finanzen, der Domainen und des Handels und einen Minister-Staatssecretair, welchem die auswärtigen Angelegenheiten, die Beschützung des Cultus und Aufsicht über Administration der Kriegscasse anvertraut sind, ernennen. Die Minister sind, jeder in seinem Fache, für die Vollziehung der Gesetze und Vollstreckung der daraus fliessenden Verfügungen verantwortllich. § 18. Den Vorsitz in dem Staatsrathe hat der Großherzog selbst. Die Beisitzer sind die drei Minister und sechs Staatsräthe, deren Ernennung eben so, wie jene des Generalsecretairs des Staatsrathes, von Uns geschieht. § 19. Alle Gesetze über Auflagen, die Einführung neuer Civil- und peinlichen Gesetze sollen in dem Staatsrathe vorbereitet, discutirt und entworfen werden.

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F RANKFURT § 20. Die in dem Staatsrathe entworfenen Gesetze sollen den von den Ständen ernannten Commissionen mitgetheilt werden. Jede Commission besteht aus drei Mitgliedern. Die Commissionen sind: die Finanzcommission, die Civil-Justizcommission, und eine Commission des peinlichen Justizwesens; welche in der Session ernannt, und nach Verschiedenheit der Gegenstände erneuert werden. § 21. Die ständischen Commissionen können discutiren über die Gesetzentwürfe mit denjenigen Mitgliedern des Staatsrathes, welche dazu den Auftrag erhalten. Die Bemerkungen der Commissionen werden in dem Staatsrathe unter Unserm Vorsitze gelesen, und über nützliche Modificationen berathschlaget. § 22. Die Redaction der Gesetzentwürfe soll durch zwei Mitglieder des Staatsraths den Ständen überbracht werden, welche sodann darüber, nach angehörten Beweggründen, berathschlagen werden. § 23. Der Staatsrath hat die Verwaltungsverordnungen zu discutiren und zu entwerfen. § 24. Er hat über die Streitigkeiten zu erkennen, welche sich zwischen den verwaltenden und gerichtlichen Stellen erheben, auch hat der Staatsrath über die Frage zu entscheiden, ob angeklagte Verwaltungsbeamte vor Gericht gestellt werden sollen. § 25. Der Staatsrath hat in Ausübung seiner Attribute eine berathende Stimme; in Gegenständen aber, welche geeignet sind, vor das Cassationstribunal gebracht zu werden, versieht der Staatsrath die Stelle des Cassationsgerichts. Für streitige Fälle in Verwaltungssachen werden Advocaten bei demselben angestellt.

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§ 26. Die Stände des Großherzogthums bestehen aus 20 Mitgliedern, deren 12 aus reichen Grundeigenthümern, 4 aus reichen Kaufleuten oder Fabrikanten, 4 aus vorzüglichen Gelehrten von den Departementscollegien ernennt werden. Sie bekommen von dem Staate keinen Gehalt, wohl aber mäßig bestimmte Taggelder von jedem der Departemente. § 27. Sie werden alle 3 Jahre um ein Drittel erneuert; die Austretenden können unmittelbar wieder gewählt werden. Der Präsident der Stände wird von Uns ernennt. Die Stände versammeln sich auf Unsere Berufung; ihre Versammlung kann von Uns prorogirt oder aufgelöst werden. § 28. Die Stände berathschlagen über die Gesetzentwürfe, welche der Staatsrath verfaßt hat. Die gedruckten Rechnungen der Minister und des Generalcassierers sind ihnen alle Jahre vorzulegen. Die Stände berathschlagen über Gesetzentwürfe im geheimen Scrutinium durch absolute Mehrheit der Stimmen. § 29. Das Großherzogthum wird in Departemente, Districte und Municipalitäten eingetheilt. Die vier Departemente sind: 1) Die Stadt Frankfurt und ihr Gebiet; 2) Das ehemalige Fürstenthum Aschaffenburg; 3) der größte Theil des ehemaligen Fürstenthums Fuld; 4) der größte Theil des ehemaligen Fürstenthums Hanau, welches unter gewissen Beziehungen mit dem frankfurter Departemente in Verbindung gesetzt wird, weil Hanau bekanntlich eine Fabrikstadt, und Frankfurt eine Handelsstadt ist. Für die Stadt Wetzlar wird ein Unterpräfect ernannt. § 30. In jedem Departemente wird ein Präfecturrath errichtet zur Entscheidung der

V ERFASSUNG VON F RANKFURT (1810) Streitigkeiten, welche bei den Verwaltungsgegenständen vorkommen. § 31. Die Mitglieder der Präfecturraths und der Präfectur-Generalsecretair werden von Uns ernennt. § 32. Es wird in jedem Departemente ein Departementscollegium gebildet, dessen Mitglieder ihre Stellen lebenslänglich bekleiden. Wir werden ehestens die Mitglieder dieser Departementscollegien ernennen. § 33. Diese Benennung wird bestehen in 2/3 der Meistbegüterten; 1/6 wird bestehen aus den reichsten Kaufleuten und Fabrikanten, und 1/6 aus vorzüglich Gelehrten und Künstlern. § 34. Es kann Niemand zum Mitgliede der Departementscollegien gewählt werden, der nicht großjährig ist. § 35. Die Departementscollegien ernennen die Mitglieder der Stände. Jedes Departement ernennt drei Güterbesitzer, einen Handelsmann oder Fabrikanten, einen Gelehrten oder Künstler. § 36. Es wird auch in jedem Departemente ein General-Departementsrath seyn. Zu jeder Ernennung werden Uns von den Departementscollegien zwei Candidaten (deren einer Mitglied der Departementscollegien seyn darf) vorgeschlagen. Eben so werden Uns von den Departementscollegien die Municipalräthe vorgeschlagen. Die Mitglieder der Departements- sowohl als Municipalräthe werden alle 2 Jahre zur Hälfte erneuert. § 37. Die Einführung des Codex Napoleon vom 1sten Jänner 1811 an ist bereits von Uns für das Großherzogthum Frankfurt verordnet worden. § 38. Die Gerichtsstellen in Civil- und Criminalsachen bestehen provisorisch, wie bisher.

§ 39. Der gerichtliche Stand ist unabhängig. Die Richter werden von Uns ernennt. § 40. Die Urtheile der Gerichtshöfe werden in Unserm Namen ausgesprochen. Wir behalten Uns das Recht vor, die Criminalstrafen zu mildern oder zu erlassen. § 41. Die Militärconscription ist ein Grundgesetz des Großherzogthums Frankfurt. § 42. In dem Großherzogthume Frankfurt sind die Ministerien der Justiz, der Polizei und des Innern in einer Person vereinigt. Als Minister der Justiz wachet derselbe auf den gesetzmäßigen, festen und unpartheiischen Geschäftsgang sämmtlicher Justizstellen; als Minister der Polizei und des Innern stehen in dahin gehörigen Gegenständen die Präfecte der Departemente unmittelbar unter ihm; so wie dann die Präfecte mit jedem Minister in Verbindung stehen, und von ihm in seinem Wirkungskreise Weisungen erhalten. Die Präfecte besorgen die Vollstreckung der Gesetze, können aber dieselben nicht überschreiten. Jedem liegen ob in seinem Departemente Aufsicht über Erziehung, Ackerbau und Gewerbe, milde Stiftungen, Armenanstalten, Gemeinheitswälder, Wege, Gemeingüter, Sicherheit des Cultus, Mitwirkung bei der Aushebung der Milizen und Sicherheit der Steuerregister. Der Präfect theilt dem Generaldepartementsrathe jährlich die Darstellung desjenigen mit, was binnen Jahresfrist im Departemente geschehen, und zu dessen Wohl zu Stande gekommen ist. Aus besonderer Vorliebe für Künste und Wissenschaften behalten Wir Uns, wie bisher, unmittelbar vor, die Leitung der aschaffenburger Universitätsgeschäfte und des frankfurter Kunstmuseums, desgleichen auch der aschaffenburger Bibliotheken und Unserer Gemäldesammlung. Wir werden jedoch auch hierüber, unter Berathung mit

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F RANKFURT Unserm Minister des Innern, das Nähere noch bestimmen. § 43. Unter das Finanzministerium gehören die Domainen, der öffentliche Schatz, Handlung, Fabriken und Ermunterung der Künste. Der Finanzminister hat die Oberaufsicht über die Generalcasse, in welche alle Einnahmen des Staats fliessen, dessen Ausgaben daraus verwendet und den Ständen verrechnet werden. Den Generalcassierer ernennen Wir selbst, dessen Cassecontroleur und Einnehmer in den Departementen bringt Unser Finanzminister zum Vorschlage. Insbesondere stehen auch unter der Oberaufsicht des Finanzministeriums die directen und indirecten Steuern, Zölle, Posten, Schifffahrt, Chausseen, Regalien, Lotterien, Lombard, Münzen, Berg-, Salz- und Hüttenwerke, Mineralwässer und alle Gegenstände, welche dem öffentlichen Schatze ein Einkommen geben; so wie derselbe auch das Präsidium der Handelskammer führt. In Betreff der gedachten Gegenstände ertheilt er die zweckmäßigen Weisungen an die Präfecte, welche hierin auch an ihn angewiesen sind. § 44. In der Person Unsers MinistersStaatssecretairs sind vereiniget das Ministerium auswärtiger Angelegenheiten, die Beschützung des ungestörten Cultus, die Besorgung der Militair- Sold- und Verpflegungsadministration, und die Ausfertigung sämmtlicher großherzoglicher Entschliessungen. § 45. Jeder Minister referirt unmittelbar an den Großherzog über jene Gegenstände, die nach der bestehenden Verfassung und nach schon bestimmten gesetzlichen Normen in seinem Wirkungskreise zu besorgen oder zu entscheiden vorkommen. Wenn hingegen etwas Neues darin bestimmt, vorgeschrieben, oder eine Abänderung in der

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bestehenden Verfassung, Verordnungen und Directionsnormen getroffen werden soll: so hat Uns der betreffende Minister blos seinen Antrag vorzulegen, damit Wir diesen vorerst, ehe Unsere Entschliessung oder Entscheidung erfolgt, dem Staatsrathe zum Gutachten mittheilen können. Jeder Minister hat sein eigenes Bureau; dessen Mitarbeiter wählt er selbst unter Quiescenten oder Fremden, unter Responsabilität auf die Rechtschaffenheit der Letztern. § 46. Dieses Organisationspatent enthält Grundzüge, deren nähere Bestimmung und Entwickelung sich nach und nach durch Verhandlungen und Zusammenwirken der Stellen mehr und mehr ausbilden werden. Unterdessen enthält das Organisationspatent mehrere unwandelbare Sätze. Dergleichen sind diejenigen, die sich auf den Vertrag vom 19ten Februar d. J. gründen; dergleichen sind auch diejenigen, welche aus den allgemeinen Grundsätzen der Gesetzgebung des Kaisers Napoleon hervorleuchten, daß nämlich die Mitglieder eines jeden Staates repräsentirt seyn müssen, daß die Justizverwaltung unabhängig und nach dem Gewissen der Richter entscheiden müsse, und daß die vollstreckende Gewalt ganz durch die Hand des souverainen Fürsten wirke. Die übrigen Gegenstände dieses Organisationspatents sind aus Unserer Ueberzeugung und aus dem aufrichtigen Wunsche für das Wohl des Großherzogthums geflossen; müssen sich jedoch erst (wie gesagt) durch Erfahrung als vollständig verlässig bewähren. Wenn uns der Allmächtige bis dahin das Leben fristet: so behalten Wir Uns vor, die zweckmäßig befundene Verfassung der Prüfung und Genehmigung Unsers verehrungswürdigen Herrn Nachfolgers und der Bestätigung des Kaisers Napoleon Majestät ehrerbietigst vorzulegen.

V ERFASSUNG VON F RANKFURT (1810) § 47. Jene bisherigen Landesstellen, deren Wirkungskreis mit dem gegenwärtigen Organisationssysteme des Großherzgthums Frankfurt nicht vereinbarlich ist, werden vom 1sten Jänner 1811 an als erloschen erklärt. Ihre Mitglieder erhalten theils ihre organisationsmäßige Anstellung; in Fällen, wo dieses unmöglich ist, behalten sie sichere verfassungsmäßige Pensionen. Aschaffenburg den 16ten August 1810. Carl, Großherzog. (L.S.)

Für gleichlautend. Der Minister der Justiz Freiherr von Albini.

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Ediert nach Großherzoglich frankfurtisches Regierungsblatt, Erster Band, Frankfurt am Main: Eichenberg, 1810, S. 10–24. Das Organisations-Patent wurde am 16. August 1810 beschlossen und unterzeichnet. Es trat am 1. Januar 1811 in Kraft. Für weiterführende Angaben siehe Wilhelm Friedrich Karl Stricker, Neuere Geschichte von Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1874, insb. S. 17–21.

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Entwurf der Frankfurter Verfassung (1814)

Entwurf einer Constitution der freien Stadt Frankfurt am Main. Von dem provisorischen Senate derselben.1

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE DER CONSTITUTION § 1. Die Hoheit steht der ganzen Gemeinheit der Bürgerschaft zu; der Senat übt dieselbe aus; der Umfang der Miteinsicht der bürgerlichen Collegien und der mit dieser verbundenen Befugnisse und Obliegenheiten ist besonders bestimmt.

§ 2. Die Behandlung der Regierungssachen im engeren Sinne ist von der Behandlung der Justizsachen, nach den unten folgenden Bestimmungen, getrennt.

§ 3. Wegen der Rechte und Pflichten der Bürger und Beisassen, so wie der Einwohner auf den Stadtdorfschaften, wegen des Erwerbs und Verlustes des Bürgerrechts, des Beisassenschutzes und des Nachbarnrechts, treten im Allgemeinen die vorhinnigen reichsstädtischen Normen ein; wegen Ablösung der Lasten der Leibeigenschaft auf den Stadtdorfschaften, wo dergleichen hergebracht sind, wird besondere Verfügung ergehen. Die Mitglieder der drei christlichen Hauptconfessionen sind von keinem öffentlichen Berufe oder Amte, und von keinem bürgerlichen Gewerbe oder Handwerke ausgeschlossen.

§ 4. Wegen der bürgerlichen und Gemeinheitsverhältnisse der israelitischen Glaubensverwandten und der Behandlung der zu den letzteren gehörenden Gegenstände bleibt die Bestimmung vorbehalten.

ERSTE ABTHEILUNG Behandlung der Regierungssachen im engeren Sinne, oder derjenigen Sachen, welche nicht zu den Justizsachen gerechnet werden

Erster Abschnitt Von dem Senate

§ 5. Verfassung des Senats Der Senat bestehet aus einem Stadtschultheißen, zwei Bürgermeistern, von denen der eine älterer, der andere jüngerer Bürgermeister genannt wird, und drei Ordnungen oder Bänken, nämlich: a) aus der ersten Ordnung, welche auch Ordnung der Schöffen, b) aus der zweiten Ordnung, welche auch Ordnung der Senatoren, c) aus der dritten Ordnung, welche auch Ordnung der Herren des Raths genannt werden. Die erste Ordnung bestehet, ausser dem Stadtschultheißen, jedoch mit Einschluß

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F RANKFURT des älteren Bürgermeisters, aus neun Personen. Die zweite Ordnung, mit Einschluß des jüngern Bürgermeisters, besteht aus neun Personen. Die dritte Ordnung besteht aus neun Personen. Dem Senate sind vier Syndiker und Consulenten beigeordnet; die Umstände können die Anstellung eines fünften Syndicus und Consulenten gebieten, wie dieses vorhin Statt fand.

§ 6. Wahlfähigkeit der Mitglieder des Senats, der Syndiker und Consulenten: a) des Stadtschultheißen, der beiden Bürgermeister und der Schöffen Der Stadtschultheiß wird aus den beiden ersten Ordnungen des Senats, oder aus der Zahl der Schöffen und Senatoren gewählt, und muß Rechtsgelehrter seyn. Der ältere Bürgermeister wird gewählt aus der ersten Ordnung, oder aus der Zahl der Schöffen; der jüngere Bürgermeister wird gewählt aus der zweiten Ordnung, oder aus der Zahl der Senatoren. Werden Stellen in der ersten Ordnung erledigt, so findet das Fortrücken aus der zweiten Ordnung in die erste Statt; die Mitglieder der zweiten Ordnung gehen nach dem Dienstalter in die erste Ordnung über.

§ 7. b) der Senatoren 1) Die Senatoren werden gewählt aus Rechtsgelehrten, oder solchen Personen, welche die Forstwissenschaft oder die Cameralwissenschaft besonders studiert haben, aus Rentenirern, angesehenen Handelsleuten und Güterbesitzern. 2) Alle Senatoren müssen einer der drei christlichen Hauptconfessionen zugethan und bemittelte Personen seyn; bei der Wahl

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wird nicht auf die Confession, sondern auf die Tüchtigkeit des zu Wählenden in Rücksicht seines unbescholtenen Rufs, seines guten Charakters und seiner Fähigkeiten, welche Eigenschaften derselbe in sich vereinigen muß, gesehen; der Senat muss jedoch immer zu gleicher Zeit Mitglieder aller drei Confessionen in sich begreifen. 3) Die Senatoren müssen wenigstens dreißig Jahre alt und gebohrne Bürger seyn. 4) Die Bestimmung der Grade der Verwandtschaft, welche eine Ausschliessung bewirken, bleibt die nämliche, wie solche ehehin durch kaiserliche Resolutionen festgesetzt worden ist. 5) Kein Senator darf in fremden Diensten stehen, oder Titel von fremden Staaten führen; nach geschehener und angenommener Wahl muß einem und dem andern entsagt werden. Anwaldschaften, Administrationen und andere Geschäftsführungen für oder über einheimische oder auswärtige Dritte, wenn diese nicht zu den nächsten Anverwandten gehören, sind den Senatoren, ohne besondere Erlaubniß des Senats, untersagt; was der Wirkungskreis des Handelsmannes mit sich bringt, ist ausgenommen.

§ 8. c) der Herren des Raths Die Herren des Raths werden gewählt aus den ehehinnigen rathsfähigen Handwerken, nämlich aus dem Handwerke der Wollenweber, aus dem Handwerke der Metzger, aus den so genannten Feuerhandwerken, aus den Handwerken der Bäcker, Schuhmacher, Gärtner, Kürschner, Löher und Fischer, aus jedem dieser Handwerke eine Person. Da das Handwerk der Wollenweber schon längst abgegangen ist; so werden an deren Stelle andere, bürgerliche Gewerbe treibende Personen gewählt. Dieses Letztere ist auch alsdann der Fall, wenn sich

E NTWURF DER F RANKFURTER V ERFASSUNG (1814) in einem der gedachten rathsfähigen Handwerke, aus welchem zu wählen wäre, keiner oder nicht so viel wahlfähige Personen befinden, als zum Loose durch die sogenannte Kugelung erforderlich sind. Der zu Wählende muß einer der drei christlichen Hauptconfessionen zugethan, gebohrner Bürger und wenigstens dreißig Jahre alt seyn; wegen der Grade der Verwandtschaft, welche eine Ausschliessung bewirken, findet eben das Anwendung, was §. 7. Nro. 4. festgesetzt worden ist. Der Gewählte nimmt in der dritten Ordnung des Senats die Stelle nach dem Dienstalter.

Senat, per scrutinium, nach der absoluten Mehrheit der Stimmen. Die Wahl des Stadtschultheißen wird den zweiten Tag nach erfolgter Erledigung dieser Stelle in einer ausserordentlichen Sitzung vorgenommen. Die Wahl der beiden Bürgermeister geschiehet vier Wochen vor jedem Jahreswechsel; wird in der Zwischenzeit eines der beiden Bürgermeisterämter ganz erlediget, so versiehet, bis zu jenem Zeitpunct, der jüngst Abgetretene aus beiden ersten Ordnungen die Stelle.

§ 9. d) der Syndiker und Consulenten

b) der Senatoren und Herren des Raths

§ 11.

Ein Syndicus und Consulent muß einer der drei christlichen Hauptconfessionen zugethan, Rechtsgelehrter und wenigstens dreißig Jahre alt seyn. Er muß, wenn er ein Fremder ist, das Bürgerrecht vor dem Amtsantritt erlangen. Kein Syndicus und Consulent darf in fremden Diensten stehen, oder Titel von fremden Staaten führen; nach geschehener und angenommener Wahl muß einem und dem andern entsagt werden. Anwaldschaften, Consulentieen, Administrationen und andere Geschäftsführungen für oder über einheimische oder auswärtige Dritte, wenn diese nicht zu den nächsten Anverwandten gehören, sind den Syndikern und Consulenten, ohne besondere Erlaubniß des Senats, untersagt. Die Bestimmung der Grade der Verwandtschaft, welche eine Ausschliessung bewirken, bleibt die nämliche, wie solche ehehin festgesetzt war.

§ 10. Wahlordnung: a) des Stadtschultheißen und der beiden Bürgermeister Die Wahl des Stadtschultheißen und der beiden Bürgermeister geschiehet von dem

Die Ernennung der Schöffen ergiebt sich aus dem Obigen. (§. 6.) Die Wahl der Senatoren und Herren des Raths geschiehet nach der Vorschrift der reichsstädtischen Verfassung. Es muß jedoch ein jeder der drei Candidaten, welcher zum Loose, durch sogenannte Kugelung, zugelassen werden soll, wenigstens zwei Drittheile der Stimmen der Wahlherren für sich haben. Die Wahlherren haben bei ihrer abgesonderten Berathung über die Wahl der drei Candidaten zur Verlosung durch Kugelung, durch den Kanzleirath ein besonderes Protocoll führen zu lassen, dieses sämmtlich zu unterschreiben, und solches, mit dem Siegel des vorsitzenden Wahlherrn verschlossen, bei Namhaftmachung der drei gewählten Candidaten dem Senate zu überreichen. Dieses verschlossene Protocoll wird, nach vollzogener Kugelung, auf dem Archive, mit der nötigen Aufschrift, in einer besonderen Kiste aufbewahrt. So lange nicht fünf Mitglieder aus der Ganerbschaft Alten-Limpurg, zwei Mitglieder aus der Gesellschaft Frauenstein, es sey nun in der Eigenschaft eines Stadtschultheißen, oder in der Eigenschaft eines Mitglieds der ersten, oder in der Eigenschaft eines Mitglieds der zweiten Ordnung, im Senate vorhanden sind, so

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F RANKFURT lange muß immer ein Mitglied aus der gedachten Ganerbschaft, zur Ergänzung der Zahl von Fünfen, so wie ein Mitglied aus der erwähnten Gesellschaft, zu Ergänzung der Zahl von Zweien, zur Kugelung vorgeschlagen werden, vorausgesetzt, daß der Wahlfähigkeit der vorhandenen Individuen aus der besagten Ganerbschaft und aus der genannten Gesellschaft, nach den obigen Bestimmungen (§. 7.), nichts im Wege stehet.

§ 12. c) der Syndiker und Consulenten Vor der Wahl eines Syndicus und Consulenten läßt die engere Senatsdeputation (§. 20.) einen gutächtlichen Antrag an den Senat gelangen, wer unter denen, die sich gemeldet haben, besonders Rücksicht verdienen, oder wer einzuberufen seyn möchte. Die Wahl wird hierauf vom Senate nach der absoluten Mehrheit der Stimmen vorgenommen.

§ 13. Berufskreis des ganzen Senats Vor den Senat gehören alle Sachen, welche, wie sich die frankfurtische Reformation ausdrückt, gemeine Stadt, Bürgerschaft und Regimentsadministration betreffen. Der Senat übt die der städtischen Gemeinheit zustehenden Hoheits- und anderen Rechte unmittelbar oder mittelbar durch besondere Behörden und Verwaltungsämter, nach den diesen ertheilten Instructionen, und unter beständiger Aufsicht aus. Der Senat ordnet die Gerichte an, bestellt die dazu gehörigen Personen, und übt die gesetzgebende Gewalt bei der Justizpflege aus; der Senat darf sich aber selbst nur so weit mit Justizsachen befassen oder über dieselben verfügen, als solche die Natur von Regierungssachen in einzelnen Fällen annehmen, vorbehältlich dessen, was von

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dem Recurse und dem Bestätigungsrechte in Strafsachen unten festgesetzt ist; die Justiz wird also unabhängig von dem Senate verwaltet.

§ 14. Amtsberuf des Stadtschultheißen und Dauer dieser Stelle Der Stadtschultheiß ist Referent in allen in den Sitzungen des Senats vorkommenden Sachen, in so ferne nicht Syndiker und Consulenten, welche den Vortrag erstatten, zugezogen werden; er hat beim Senate und bei den Senatsdeputationen die erste Stimme. Der Stadtschultheiß ist zugleich Director des Schöffengerichts. (§. 93.) Das Amt des Stadtschultheißen wird lebenslänglich bekleidet.

§ 15. Amtsberuf des älteren Bürgermeisters und Dauer dieser Stelle Der ältere Bürgermeister hat das Directorium beim Senate und bei den Senatsdeputationen, ist Director bei der Behandlung der Regierungssachen, nach den mit einem Directorium überhaupt verbundenen Rechten und Obliegenheiten, wohin auch gehört, daß er alle Namens des Senats ergehende Schreiben und andere unter dem Titel des Senats gefaßt werdende Ausfertigungen zu unterschreiben hat. Im Falle der Stimmengleichheit beim Senate, wird die Stimme des älteren Bürgermeisters doppelt gezählt. Ausserdem ist dem älteren Bürgermeister die Leitung des städtischen Militairwesens, dessen Einrichtung und Verwaltung, den öffentlichen Verhältnissen und Erfordernissen gemäß, annoch besonders festgesetzt werden wird, wobei auch die Anordnung einer eigenen Behörde, wie ehehin das Kriegszeugamt war, vorbehalten bleibt, aufgetragen. In wichtigen, vor das Directorium gehörigen Sachen hat der ältere Bürgermeis-

E NTWURF DER F RANKFURTER V ERFASSUNG (1814) ter Rücksprache mit dem jüngeren Bürgermeister zu nehmen. Der Gewählte bekleidet dieses Amt ein Jahr, nach dessen Ablauf derselbe von neuem gewählt werden kann; der Abtretende nimmt wieder seine vorige Stelle unter den Schöffen ein.

§ 16. Amtsberuf des jüngeren Bürgermeisters und Dauer dieser Stelle

Antheil, welchen die Schöffen an der Justizverwaltung nehmen, ist unten bestimmt. Die Stellen der Schöffen und Herren des Raths werden lebenslänglich bekleidet; die Stelle der Senatoren wird ebenfalls lebenslänglich bekleidet, wenn dieselben nicht in die Ordnung der Schöffen, nach der obigen Bestimmung, übergehen. Die Dauer der Ämter ist unten festgesetzt.

§ 18. Der jüngere Bürgermeister wohnt allen Senatssitzungen mit entscheidender Stimme bei, und übernimmt das dem älteren Bürgermeister zukommende Directorium, nebst dessen weiteren Functionen, wenn dieser abwesend oder verhindert ist. Ist der jüngere Bürgermeister abwesend oder verhindert, so vertritt der jüngst von diesem Amt Abgetretene die Stelle. Der jüngere Bürgermeister hat die obere Leitung der Polizei, unabbrüchig der Concurrenz des älteren Bürgermeisters, so weit dieses zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist. Von dem jüngeren Bürgermeister werden die Bürger und Beisassen verpflichtet, und von demselben werden die Gewerbs-, Handwerks- und Nahrungsschutzangelegenheiten in der unten bestimmten Mase behandelt. Der Gewählte bekleidet dieses Amt ein Jahr, nach dessen Ablauf derselbe von neuem gewählt werden kann. Der Abtretende nimmt wieder seine vorhinnige Stelle in der zweiten Ordnung, unter den Senatoren ein.

§ 17. Amtsberuf der Schöffen, Senatoren und der Herren des Raths, auch Dauer dieser Stellen Die Schöffen, Senatoren und Herren des Raths wohnen allen Senatssitzungen bei, und haben bei den Deliberationen entscheidende Stimmen; dieselben verwalten die Aemter, zu welchen sie gewählt werden. Der

Amtsberuf der Syndiker und Consulenten, und Dauer dieser Stelle Die Syndiker und Consulenten bearbeiten mit berathender Stimme die ihnen aufgetragen werdenden städtischen Angelegenheiten, deren Behandlung vor den Senat gehört, und machen die Vorträge sowohl bei den Senatsdeputationen als bei den Plenarsitzungen des Senats, im Falle sie diesem beiwohnen. Die Syndiker und Consulenten sind ausserdem Mitglieder des Schöffengerichts mit entscheidenden Stimmen. Das Amt der Syndiker und Consulenten wird lebenslänglich bekleidet.

§ 19. Geschäftsbehandlung in den Sachen, welche vor den ganzen Senat gelangen a) Der Senat hält jede Woche zwei Sitzungen, der ältere Bürgermeister kann ausserordentliche Sitzungen veranstalten. b) Die Syndiker und Consulenten wohnen den Senatssitzungen in der Regel nicht bei; es kann jedoch deren Zuziehung, um Vorträge zu erstatten, und berathende Stimmen abzulegen, sowohl von dem Senate beschlossen, als auch von dem älteren Bürgermeister veranstaltet werden. c) Die Sachen, welche in der bevorstehenden Senatssitzung vorkommen sollen, werden nach einem von dem älteren Bürgermeister anzuordnenden Verzeichnisse, welches Vortragszettel genannt wird, dem

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F RANKFURT Stadtschultheißen vor der Sitzung zugestellt, und zwar so, daß derselbe zu Bearbeitung des Vortrags hinreichend Zeit hat. d) Der Vortragszettel wird auch dem jüngeren Bürgermeister vor der Sitzung zugestellt, und eine Abschrift in der Kanzlei niedergelegt, welche jeder Senator und Herr des Raths daselbst einsehen kann. e) Nach dem von dem Stadtschultheißen in der Plenarsitzung mit seiner Abstimmung erstatteten Vortrage, ruft der jüngere Bürgermeister den älteren Bürgermeister zum Abstimmen auf. Hierauf stimmt der jüngere Bürgermeister, welcher vom älteren Bürgermeister aufgerufen wird. Sodann werden weiter von oben herunter nach dem jedesmaligen Aufrufe des älteren Bürgermeisters die Stimmen abgelegt. f) Die einfache Mehrheit der Stimmen entscheidet, wenn nicht die absolute Mehrheit besonders festgesetzt ist. g) Nur der ältere Bürgermeister, oder der jüngere Bürgermeister, wenn er der Stellvertreter jenes ist, hat das Recht, die Votanten während der Abstimmung zu unterbrechen, und auf die Frage, auf welche es ankommt, aufmerksam zu machen. h) Der Kanzleirath führt das Protocoll, in dessen Eingange die Anwesenden bemerkt werden. Vor dem Schlusse jeder Sitzung wird das Protocoll verlesen; die Senatsmitglieder, welche sich früher mit Erlaubniß des älteren Bürgermeisters entfernt haben, müssen sich denjenigen Sinn gefallen lassen, welchen der das Protocoll führende Kanzleirath ihrer Abstimmung beigelegt hat. i) Werden die Syndiker und Consulenten zugezogen; so legen diese ihre berathenden Stimmen zuerst ab, und es wird hierauf in der obigen Ordnung votirt. k) Die in Gefolge der ergehenden Senatsbeschlüsse erforderlichen Ausarbeitungen entwirft der Kanzleirath, wenn solche nicht besonders einem der Syndiker und Consulenten aufgetragen werden. l) Sachen von Belange, oder solche Sa-

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chen, welche eine weitläufige Erörterung erheischen, werden entweder vom Senate selbst an eine der Senatsdeputationen (§. 20. 21.) zur Einleitung, Vorbereitung und Begutachtung verwiesen, oder, nach Umständen, von dem ersten Bürgermeister, als Director, gleichbald dahin abgegeben. m) Der Senat kann zu Bearbeitung einzelner Geschäfte oder Arten von Geschäften besondere Deputationen niedersetzen, deren jedesmal zu bestimmender Wirkungskreis jedoch mit der Beendigung der genannten Geschäfte seine Endschaft erreicht.

§ 20. Von den ordentlichen Senatsdeputationen, deren Organisation, Geschäftskreis und Geschäftsbehandlung a) Engere Senatsdeputation Die engere Senatsdeputation besteht aus dem Stadtschultheißen, den beiden Bürgermeistern, den Schöffen und Syndikern, welche letztere nur berathende Stimmen haben. Die Deputation hält ihre Sitzungen an den Sessionstagen des Schöffengerichts, Vormittags eilf Uhr, um welche Zeit das Schöffengericht die Behandlung der Justizsachen zu schliessen hat. Diese Deputation, bei welcher einer der Syndiker und Consulenten den Vortrag macht, bearbeitet die im vorhergehenden §. unter dem Buchstaben l. benannten Sachen, und lässt solche mit Gutachten an den Senat gelangen. Ausserdem hat diese Deputation den beständigen Auftrag, Namens des Senats, Sachen, welche an sich unbedenklich und mit keinem Präjudiz verbunden sind, zu erledigen, in eilenden Sachen aber, welche ihrer Beschaffenheit nach eine ausserordentliche Zusammenberufung des Senats nicht zulassen, provisorisch das Nöthige zu verfügen. Bei dieser Senatsdeputation werden, wie vorhin geschehen ist, die Proclamationsscheine abgelesen, um solche zu ordnen und zu

E NTWURF DER F RANKFURTER V ERFASSUNG (1814) bestätigen. Die Senatoren und Herren des Raths können sich auch von denen bei der Deputation verhandelten Sachen durch Einsicht des abgehaltenen Protocolls in der Kanzlei unterrichten, so wie den Syndikern und Consulenten das Senatsprotocoll bei der Senatsdeputationssitzung zur Einsicht vorgelegt wird, damit auch diese im Zusammenhange eine Uebersicht aller vorgekommenen Regierungssachen erhalten. Der Secretarius (§. 23.) führt das Protocoll und entwirft die beschlossen werdenden Aufsätze, deren Abfassung nicht einem der Syndiker aufgetragen wird.

§ 21. b) Größere Senatsdeputation Die größere Senatsdeputation besteht aus den in vorhergehendem §. genannten Personen, sodann aus zweien Mitgliedern der zweiten Ordnung und zweien Mitgliedern der dritten Ordnung des Senats, welche von dem Senate auf ein Jahr besonders gewählt werden. Der Senat verweist, nach Ermessen, von den im §. 19. l. genannten Sachen an diese Deputation, zur Einleitung, Vorbereitung und Begutachtung. Einer der Syndiker und Consulenten, welche berathende Stimmen haben, macht den Vortrag; die Sessionen werden in der Regel, auf Veranstaltung des älteren Bürgermeisters, den Samstag gehalten.

§ 22. c) Sogenannte geheime Senatsdeputation Die in dem kaiserlichen Rescripte vom 10. December 1734 gedachte geheime Deputation wird nach der vorhinnigen reichsstädtischen Organisation, Ermächtigung und Geschäftsführung beibehalten.

§ 23. Von der Senatskanzlei Die Senatskanzlei bestehet aus einem Kanzleirath, einem Secretarius, einem Ingrossisten, zwei Kanzlisten, einem Kanzleiboten. Jeder der beiden Bürgermeister hat ausserdem eine Ordonnanz zu den vorfallenden Ausrichtungen, deren Anstellung diesen überlassen bleibt. Der Kanzleirath hat die Leitung der Kanzleigeschäfte überhaupt, und dabei die oben (§. 19.) gedachten Geschäfte zu verrichten; er contrasignirt alle Namens des Senats abgehende Schreiben, und alle mit dem Titel des Senats ausgefertigt werdende Expeditionen, welche der ältere Bürgermeister unterschreibt. Der Secretarius vertritt die Stelle des ersten Archivars (§. 24.), versieht das oben (§. 20.) gedachte Geschäft, führt das Protocoll bei andern besonders angeordnet werdenden Deputationen (§. 19.), fertigt die Vortragszettel (§. 19.), besorgt die Zustellung der Acten, aus welchen Vorträge gemacht werden sollen, an den Stadtschultheißen und die Consulenten, führt das Register über die den Syndikern zugetheilten Sachen, und beglaubigt alle die Ausfertigungen, welche der Kanzleirath nicht zu contrasigniren hat. Der Kanzleirath und Secretarius müssen einer der drei christlichen Hauptconfessionen zugethan, und wenigstens dreißig Jahre alt seyn. Sie müssen Rechtsgelehrte seyn. Nach geschehener und angenommener Wahl müssen sie, wenn sie Fremde sind, das hiesige Bürgerrecht erlangen. Wegen der Verwandtschaft, welche eine Ausschliessung bewirkt, verbleibt es bei der älteren Bestimmung. Die Wahl geschiehet vom Senate nach der absoluten Mehrheit der Stimmen. Fremden Diensten und Titeln von fremden Staaten müssen beide entsagen; sie dürfen keine

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F RANKFURT Anwaldschaften, Administrationen und andere Geschäftsführungen für oder über einheimische oder auswärtige Dritte, welche nicht zu den nächsten Anverwandten gehören, ohne besondere Erlaubniß des Senats, übernehmen. Sie bekleiden diese Stellen lebenslänglich. Der Ingrossist verrichtet die Collationirung aller Expeditionen, und bemerkt dieses unter dieselben, führt die Rechnung über die Kanzleitaxen, welche er einnimmt, und wöchentlich an das Recheneiamt abliefert, bemerkt auch die Taxen auf jeder Expedition, sorgt für die richtige Insinuation und Bestellung, und leistet Hülfe beim Secretariat, so wie, erforderlichen Falles, beim Expediren. Den Kanzlisten liegt das Expediren ob. Die Wahl des Ingrossisten, der Kanzlisten, des Kanzleiboten, welche sämmtlich einer der drei christlichen Hauptconfessionen zugethan, und wenn sie Fremde sind, das hiesige Bürgerrecht vor dem Dienstantritt erlangen müssen, geschiehet von dem Senate nach der Mehrheit der Stimmen auf lebenslang.

§ 24. Von dem Archive Für das Archiv sind zwei Archivarien, von denen der erste der jedesmalige Secretarius der Senatskanzlei ist (§. 23.), und ein Buchbinder angestellt. Die Oberaufsicht über das Archiv hat der Direktor des Consistoriums. Die Archivarien werden von dem Senate nach der absoluten Mehrheit der Stimmen auf lebenslang gewählt; sie müssen einer der drei christlichen Hauptconfessionen zugethan seyn, und, wenn sie Fremde sind, das Bürgerrecht vor dem Dienstantritt erlangen; sie dürfen keine Titel von fremden Staaten führen, und müssen sich aller Anwaldschaften, Administrationen und anderer Geschäftsführungen für oder über einheimische oder auswärtige Dritte, wenn

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diese nicht zu den nächsten Anverwandten gehören, ohne besondere Erlaubniß des Senats, enthalten.

Zweiter Abschnitt Von den besonderen Behörden und Verwaltungsämtern, durch welche der Senat mittelbar die Hoheitsund Verwaltungsrechte ausübt § 25. Behandlung der geistlichen und Schulsachen Dem Consistorium ist die Ausübung der Hoheits- und Episcopalrechte aufgetragen. Bei dem Wirkungskreise des erzbischöflichen Generalvicariats wird es, so weit solcher vorhin in gesetzmäßiger Uebung gewesen, so lange belassen, bis desfalls andere Bestimmung auch für andere deutsche Staaten erfolgt. Wegen der obern Leitung der öffentlichen Unterrichtsanstalten und Erziehungsinstitute bleibt die Verordnung vorbehalten. In Ansehung der geistlichen katholischen Güter, welche der Stadt durch den ratificirten Deputations-Hauptschluß von 1803 als Entschädigung angewiesen worden sind, verbleibt es bei der Disposition des gedachten Deputations-Hauptschlusses. Das Consistorium besteht aus 1) einem evangelisch-lutherischen oder evangelisch-reformirten Mitgliede des Senats der ersten Ordnung, welches ein Rechtsgelehrter seyn muß. Dieser führt das Directorium, wird von dem Senate per scrutinium noch der absoluten Mehrheit der Stimmen auf lebenslang gewählt. Der Director des Consistoriums hat zugleich die Aufsicht über die Stadtbibliothek, bei welcher ein Bibliothecarius angestellt ist. Sodann besteht das Consistorium 2) aus dem jedesmaligen Senior des

E NTWURF DER F RANKFURTER V ERFASSUNG (1814) evangelisch-lutherischen Prediger-Ministeriums; 3) aus dem ältesten Prediger dieses Ministeriums. Sind zu der nämlichen Zeit der Director und der unter der folgenden Ziffer gedachte Rechtsgelehrte der evangelisch-lutherischen Confession zugethan; so tritt an die Stelle dieses Predigers aus dem Ministerium ein evangelisch-reformirter Prediger, von drei zu drei Jahren aus beiden Kirchen abwechselnd. 4) Aus einem evangelisch-lutherischen oder evangelisch-reformirten Rechtsgelehrten aus der Bürgerschaft, welcher dem Senate von dem Bürgerausschuß präsentirt wird; 5) einem Actuarius, nebst einem Pedellen. In Ehesachen hat das Consistorium keine Gerichtsbarkeit auszuüben.

§ 26. Behandlung der Polizei- und Medicinalsachen Die Polizeisachen werden unter der oberen Aufsicht des jüngeren Bürgermeisters von einem besondern Amte, welches die Benennung: Polizeiamt, hat, behandelt. Ein Mitglied der beiden ersten Ordnungen des Senats, welches von dem Senate nach der absoluten Mehrheit der Stimmen per scrutinium auf drei Jahre gewählt wird, und nach Ablauf dieses Zeitraums von neuem wieder gewählt werden kann, steht diesem Amte mit Zuziehung eines Mitglieds des Senats dritter Ordnung, welches nicht zu den sogenannten geschätzten Handwerken gehört, vor, und demselben ist das erforderliche Polizeipersonale, wie solches mit den einem jeden obliegenden Functionen besonders bestimmt werden wird, untergeordnet. Der Geschäftskreis des Polizeiamts umfaßt die Obsorge für die Beobachtung der

Polizeigesetze überhaupt; er begreift besonders die Functionen des ehemaligen Feueramts, die Obsorge für die Erhaltung der Ruhe und Sicherheit in der Stadt, für die Verhütung der Bettelei, die Abhaltung verdächtiger Personen, für die Verhütung der Verbrechen und für die Habhaftwerdung der Verbrecher. Das Polizeiamt hat die Aufsicht über das Zucht- und Arbeitshaus, über die Wärter und Aufseher der Gefangenen, und über die zu jenem oder zu andern öffentlichen Arbeiten verurtheilten Personen, über die Verwahrungsorte der Verhafteten, und über die Verhafteten selbst, überall mit Beobachtung dessen, was die Gerichte, denen die Befugniß zusteht, sich von der judicatmäßigen Behandlung der Verurtheilten und der Verwahrung der Gefangenen selbst zu unterrichten, und von denen auch die Wärter und Aufseher der Gefangenen und Gefängnisse unmittelbar Befehle zu empfangen und zu vollziehen haben, hierbei etwa besonders zu verfügen den vorwaltenden Umständen angemessen finden. Die Strafgewalt des Polizeiamts und die Gränzlinie zwischen dem Wirkungskreise der Polizei und dem Wirkungskreise des Criminalgerichts werden durch eine besondere Verordnung bestimmt. Das Polizeiamt hat die Aufsicht über das Gesinde, ertheilt Reisepässe und Permissionsscheine, letztere jedoch nur auf einen Zeitraum von sechs Wochen; zu einem längeren Aufenthalte ist die Erlaubniß des Senats erforderlich, welche dem Polizeiamte jedesmal bekannt gemacht wird, um über die Befolgung zu wachen. Dem Polizeiamte liegt die Bestimmung der Marktpreiße und Taxen über Fleisch, Brod, Bier und sämmtliche Victualien ob. Die dem Polizeiamte, wegen der bei demselben vorkommenden ökonomischen Gegenstände, beizuordnenden bürgerlichen Ausschußdeputirten haben bei Festhaltung aller dieser Taxen mit berathender Stimme mitzuwirken. Wegen Besorgung der Censur der im Druck

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F RANKFURT erscheinenden Schriften und öffentlichen Blätter bleibt die Verordnung vorbehalten. Das Polizeiamt versiehet endlich auch mit Zuziehung der Physicorum das vormalige Sanitätsamt.

§ 27. Verwaltung der öffentlichen milden Stiftungen Die Verwaltung der öffentlichen milden Stiftungen ist, nach der unter der jüngsten Regierung getroffenen und zweckmäßig befundenen Einrichtung, Commissionen anvertraut, welche, ohne andere Amtseigenschaft, bloß von Bürgern besetzt sind, und die Benennung haben: Verwaltungscommission der N. N. Stiftung.

§ 28. Fortsetzung Diese Verwaltungscommissionen stehen unter der oberen Aufsicht des Senats, welche derselbe durch zwei aus den beiden ersten Ordnungen auf drei Jahre per scrutinium zu wählende Deputirte ausübt. Diese Deputirten haben von Zeit zu Zeit die Stiftungen zu besuchen, sich von dem Zustande derselben und der Verwaltung zu unterrichten, und über den Befund an den Senat gutächtlichen Bericht zu erstatten.

§ 30. Fortsetzung Die Rechnungen der Verwaltungscommissionen werden jedes Jahr von dem bürgerlichen Neunercollegium justificirt und den Senatsdeputirten, welche desfalls an den Senat berichten, vorgelegt, so wie das Neunercollegium dem Bürgerausschuß Kenntniß davon zu geben hat. Finden der Senat und der Bürgerausschuß nichts zu erinnern; so ertheilt der Senat die Absolutoria.

§ 31. Fortsetzung Der öffentlichen milden, hier in Betrachtung kommenden Stiftungen sind fünfe: Der Almosenkasten, das Hospital zum heiligen Geist, das Armen- und Waisenhaus, die beiden weiblichen, ihrer ursprünglichen Bestimmung nach, nur für evangelisch-lutherische Glaubensverwandte, welche, wie ehehin, von dem Senate nach der Mehrheit der Stimmen, jedoch pe´r scrutinium, zu wählen sind, zu benutzenden Versorgungsanstalten zu St. Katharinen, zu den weißen Frauen.

§ 32. § 29. Fortsetzung Dasjenige, was die Gränzen einer Verwaltung überschreitet, wohin auch zu rechnen ist, wenn neue Gebäude aufgeführt, oder Baureparaturen gemacht werden sollen, wozu ein Aufwand von mehr denn fl. 500. erforderlich ist, dürfen die Commissionen für sich nicht vornehmen. Sie lassen die erforderliche Anfrage durch die beiden Senatsdeputirten an den Senat gelangen, und der Senat conferirt darüber mit dem Bürgerausschuß.

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Fortsetzung Die Verwaltungscommissionen bestehen: die des Almosenkastens aus fünf Commissarien, die des Hospitals zum heiligen Geist aus sechs Commissarien, unter welchen ein Arzt aus der Zahl der hiesigen practicirenden Aerzte befindlich seyn muß, die des Armen- und Waisenhauses aus fünf Commissarien, die des St. Katharinenklosters aus drei Commissarien, und

E NTWURF DER F RANKFURTER V ERFASSUNG (1814) die des Weißfrauenklosters aus drei Commissarien.

§ 35. Fortsetzung

§ 33.

Jede Verwaltungscommission wählt unter sich ein Mitglied, welches das Directorium führt, und Senior genannt wird.

Fortsetzung Bei denjenigen Stiftungen, bei welchen nur drei Commissarien angestellt sind, verbleiben diese sechs Jahre bei der Verwaltung; alle zwei Jahre tritt der älteste in der Verwaltung aus. Die Commissarien der übrigen Stiftungen, mit Ausnahme des im §. 32. gedachten Arztes, als welcher nicht gleich den andern Mitgliedern wechselt, wohl aber nach Ablauf von fünf Jahren, wenn er sich die Stelle nicht ausdrücklich verbittet, auf weitere fünf Jahre wieder gewählt werden kann, bleiben fünf Jahre bei der Verwaltung; in jedem Jahre tritt der älteste in der Verwaltung aus. Die fünf Stiftungen haben einen gemeinschaftlichen Rechtsconsulenten.

§ 36. Fortsetzung Die Verwaltungscommissionen werden ermächtiget, in Gegenwart eines der Senatsdeputirten, die Officianten und Subalternen der Stiftungen zu wählen, und im Namen des Senats zu verpflichten. Die Senatsdeputirten haben, mit einander abwechselnd, bei der Wahl mitzustimmen, und wenn ihnen Anstände vorzuwalten scheinen, an den Senat zu berichten, in welchem Falle die Verpflichtung ausgesetzt werden muß.

§ 37. Fortsetzung

§ 34. Fortsetzung Die Ergänzung der Verwaltungscommissarien geschiehet auf die Weise, daß der Bürgerausschuß dem Senate zwei Personen aus der Reihe der Bürger aller drei christlichen Hauptconfessionen, in so ferne die Stiftung nicht einer Confession ausschliessend gewidmet ist (§. 31.), vorschlägt, von welchen der Senat eine durch Stimmenmehrheit wählt. Der Gewählte ist verpflichtet, die Stelle anzunehmen. Wird der eben Austretende, es sey zu der nämlichen oder einer andern Stiftung, sogleich wieder in Vorschlag gebracht; so kann er sich die Wahl verbitten. Mit der Wahl des Rechtsconsulenten, dessen Stelle lebenslänglich bekleidet wird, wird eben so verfahren.

Wegen der neu angeordneten, mit den milden Stiftungen in Verbindung stehenden allgemeinen Armencommission bleibt eine etwa erforderlich werdende weitere Bestimmung vorbehalten.

§ 38. Behandlung der Commerz- und Handlungssachen Commerz- und Handlungssachen, welche die staatspolizeiliche Fürsorge für die Aufnahme der Handlung und Schifffahrt und die Handhabung der desfallsigen Verordnungen, Rechte, Herkommen und Verträge betreffen, werden bei dem Recheneiamt behandelt, welches solche nach der Beschaffenheit des Gegenstandes mit Gutachten an den Senat gelangen läßt.

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F RANKFURT § 39. Fortsetzung

§ 41. Fortsetzung

Die Functionen der ehemaligen Börsenvorsteher besorgt ein eigener Handlungsvorstand unter dieser letztern Benennung. Der Handlungsvorstand ist befugt, kaufmännische Pareres zu ertheilen; derselbe erstattet Gutachten auf Erfordern des Senats und des Recheneiamts in Handlungsangelegenheiten, oder macht ohne Aufforderung gutächliche Vorschläge über Gegenstände, welche das Beste und Emporkommen der Handlung bezwecken. Er schlägt gutächtlich dem Senate Subjecte zu Handlungsassessoren beim Gerichte erster Instanz vor; auch soll der Handlungsvorstand bei der Wahl der Makler und Güterschaffner von dem Recheneiamte jedesmal mit seinem Gutachten vernommen werden. (§. 82.)

Die Mitglieder des Handlungsvorstandes bekleiden diese Stelle fünf Jahre; jedes Jahr treten zwei der Mitglieder aus, welche im Anfange durch das Loos und dann nach dem Dienstalter bestimmt werden; sie erwählen unter sich per scrutinium durch Mehrheit der Stimmen einen Vorsitzenden, welcher den Titel Senior führt, und ergänzen sich auf eben die Weise in Erledigungsfällen, mit Berücksichtigung der Verschiedenheit der Handlungszweige. Von den getroffenen Wahlen wird dem Recheneiamte die Anzeige gemacht, welches solche an den Senat gelangen läßt.

§ 40. Fortsetzung

Wegen der mit den also bestimmten Berufsgeschäften des Handlungsvorstandes verbundenen Kosten bleibt nach einem von demselben zu gewärtigenden gutächtlichen Vorschlage die Verordnung vorbehalten.

Der Handlungsvorstand besteht aus zehen verbürgerten Handelsleuten, welche einer der drei christlichen Hauptconfessionen zugethan sind. Derjenige, welcher zum Mitgliede des Handlungsvorstandes gewählt werden soll, muß, wenn er nicht gebohrner Bürger ist, wenigstens seit zehen Jahren Bürger seyn, und während dieses Zeitraums ununterbrochen seinen Wohnsitz dahier gehabt haben. Er muß in der großen Schatzung stehen, auch nie kundbar so unzahlfähig gewesen seyn, daß seine Gläubiger im Wege des Concurses oder eines Nachlaßvertrags nur einen Theil ihrer Forderungen erhalten konnten. Niemand kann Mitglied des Handlungsvorstandes werden, der nicht wenigstens zehen Jahre eigene Handlungsgeschäfte geführt, und sich hierdurch neben einem unbescholtenen Rufe, hinreichende Kenntniß und Erfahrung in Handlungssachen erworben hat.

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§ 42. Fortsetzung

§ 43. Behandlung der Gewerbs- und Handwerkssachen In Gewerbs- und Handwerkssachen dienen die bis hierhin bestandenen Ordnungen, bis desfalls Abänderung getroffen wird, zur Vorschrift. Die christliche Hauptconfession, zu welcher eine sonst zu irgend einer bürgerlichen Thätigkeit, zu einem Gewerbe oder zu einem Handwerke geeignete Person gehört, gereicht derselben zu keinem Hinderniß. Diejenigen Gewerbs-, Handwerks- und sogenannten Nahrungsschutzangelegenheiten, welche vorhin bei besonderen Künste- und Handwerksdeputationen oder bei den Bürgermeistern oder bei dem Recheneiamt verhandelt wurden,

E NTWURF DER F RANKFURTER V ERFASSUNG (1814) werden in eben der Mase von dem jüngeren Bürgermeister mit allenfallsiger Zuziehung eines oder mehrerer Mitglieder der dritten Ordnung des Senats verhandelt. Der jüngere Bürgermeister wacht über die Aufrechterhaltung der Ordnungen in Gewerbs-, Handwerks- und sogenannten Nahrungssachen, hilft den einschleichenden Mißbräuchen ab, oder bringt solche zur Kenntniß des Senats, und erledigt die erhoben werdenden Beschwerden; er läßt gutächtliche Anträge in Angelegenheiten, welche das Beste und Aufkommen der Gewerbe und Handwerke betreffen, unaufgefordert oder auf Erfordern an den Senat gelangen. Bei allem diesem haben die Mitglieder der dritten Ordnung des Senats dem jüngeren Bürgermeister an Handen zu gehen.

§ 45. Fortsetzung Die ordentlichen in der älteren reichsstädtischen Verfassung gegründeten und beibehalten werdenden Verwaltungsämter sind folgende: 1) Das Ackergericht, 2) das Bauamt, 3) das Forstamt, 4) das Korn- oder Landrentamt, 5) das Landamt, 6) das Pfandamt, 7) das Recheneiamt, 8) das Rentenamt, 9) das Schatzungsamt. Wegen des ehehinnigen Kriegszeugamts ist §. 16. ein Vorbehalt enthalten.

§ 46. § 44. Von andern Verwaltungsbehörden und den vorhin eigentlich sogenannten Stadtämtern insbesondere Die dem Ackergerichte, dem Bauamte, dem Fuhramte und Roßzollamte, so wie die dem Pfandamte vormals aufgetragen gewesene Gerichtsbarkeit ist aufgehoben, und wird von den unten genannten Gerichten versehen. Die dem Landamtmann obliegende, von dem Landamte, welches bloß Verwaltungsbehörde ist, getrennte Justizpflege ist unten bestimmt; das Curatelamt ist eine Abtheilung des Gerichts erster Instanz; die Functionen des sogenannten Feueramts und Sanitätsamts sind dem Polizeiamte (§. 26.) aufgetragen. Wegen der Direction der Stadtlotterie und wegen der dermalen bestehenden, durch Zeitumstände veranlaßten ausserordentlichen Aemter, nämlich der Rechnungscommission, des Quartieramts, des Approvisionnirungsamts, so wie auch wegen des Administrationsamtes werden besondere Anordnungen getroffen.

Fortsetzung Das Recheneiamt wird verwaltet von drei Mitgliedern der beiden ersten Ordnungen des Senats und von zwei Mitgliedern der dritten Ordnung. Das Landamt ist besetzt von einem Mitgliede der beiden ersten Ordnungen des Senats, welches zugleich nebst einem Mitgliede der dritten Ordnung dem Ackergerichte vorsteht, und dem Landamtmann. Die übrigen Verwaltungsämter sind besetzt, jedes von einem Mitgliede der beiden ersten Ordnungen des Senats, nebst einem Mitgliede der dritten Ordnung, so weit das Letztere thunlich und der Beschaffenheit des Amtes angemessen befunden wird, so wie auf allen diesen Aemtern die nöthigen Officianten und Subalternen angestellt sind.

§ 47. Fortsetzung Die Wahl der Mitglieder des Senats zu den Verwaltungsämtern geschiehet von dem Senate, nach der Mehrheit der Stimmen, per scrutinium, auf drei Jahre. Der Abtretende kann von neuem gewählt werden.

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F RANKFURT Trifft die Reihe des Austritts die drei Mitglieder des Recheneiamts zugleich, so muß die Dienstzeit von Einem nach der Mehrheit der Stimmen vom Senate auf ein Jahr verlängert werden. Die Officianten und Subalternen der Verwaltungsämter, welche einer der drei christlichen Hauptconfessionen zugethan seyn, und wenn sie Fremde sind, nach der Wahl das hiesige Bürgerrecht erlangen müssen, werden vom Senate nach der Mehrheit der Stimmen gewählt; sie bekleiden die Stellen lebenslänglich.

§ 48. Fortsetzung Die auf dem Landamte vormals Statt gehabte Einnahme öffentlicher Intraden und Renten, die Verwaltung der Stadtgüter auf dem Lande, mithin die Cameralsachen auf dem Lande, besorgt das Kornamt als Landrentamt. Nur die Regierungs- und Polizeisachen auf dem Lande liegen dem Landamte ob; das Schatzungs- oder Besteuerungsgeschäft auf den Stadtdorfschaften nebst der Einnahme ist dem Schatzungsamte aufgetragen. Dem Ackergerichte liegt die Besorgung des Chausseewesens ohne Unterschied der Lage der Chausseen ob, und es wird demselben das nöthige Personale beigegeben, bis hierin eine andere Einrichtung getroffen wird. Im Uebrigen behalten alle diese Verwaltungsämter den in der reichsstädtischen Constitution festgesetzt gewesenen Berufskreis; die ihnen in Gemäßheit dieses ertheilten Instructionen dienen zur Norm. Die Verwaltungsämter haben alle ihre an den Senat zu erstattenden Berichte jedesmal mit erschöpfenden, auf die älteren und vorhergegangenen Verhandlungen gegründeten Gutachten zu begleiten. Werden nähere Bestimmungen erforderlich, oder Abänderungen räthlich, so werden jene wie diese vorbehalten.

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Dritter Abschnitt Von den beiden bürgerlichen Collegien

§ 49. Die beiden bürgerlichen Collegien, der bürgerliche Ausschuß der 51ger und die bürgerlichen Neuner, verbleiben in derjenigen Verfassung und bei denjenigen Befugnissen und Obliegenheiten, welche durch kaiserliche Resolutionen in der vorhinnigen reichsstädtischen Constitution festgesetzt sind. Was die in der reichsstädtischen Verfassung den Neunern obgelegene Vorlegung der öffentlichen Rechnungen an das Collegium der 51ger, mit Zuziehung zweier Personen aus jedem Quartiere der Stadt, belangt, soll, so bald die Eintheilung der Stadt in Quartiere oder Bezirke fest regulirt seyn wird, besondere Bestimmung getroffen werden.

§ 50. Wahl der Mitglieder des Bürgerausschusses der 51ger: a) des Seniors Der Bürgerausschuß wählt aus seiner Mitte nach der Mehrheit der Stimmen per scrutinium einen Vorsitzenden, welcher den Titel Senior führt, auf drei Jahre. Der Abtretende kann von neuem gewählt werden. Von der getroffenen Wahl, welche keiner Bestätigung bedarf, wird dem Senate die Anzeige gemacht.

§ 51. b) der andern Mitglieder Der Bürgerausschuß wählt seine Mitglieder selbst nach der Mehrheit der Stimmen per scrutinium, und macht dem Senate von der getroffenen Wahl die Anzeige.

E NTWURF DER F RANKFURTER V ERFASSUNG (1814) § 52. c) Wahlfähigkeit Der zu Wählende muß a) einer der drei christlichen Hauptconfessionen zugethan seyn, und es müssen sich immer zu gleicher Zeit Mitglieder dieser drei Confessionen in dem Collegium befinden. b) Er muß wenigstens 25 Jahre alt, und entweder gebohrner Bürger seyn, oder vor zehen Jahren das hiesige Bürgerrecht erlangt, und während dieses Zeitraums seinen Wohnsitz ununterbrochen in der Stadt gehabt haben. c) Er muß von unbescholtenem Rufe seyn, und die öffentliche Achtung genießen. d) Die Mitglieder werden gewählt aus der Classe der Gelehrten, aus der Classe der Rentenirer, aus der Classe der Handelsleute, aus der Classe der Güterbesitzer, aus der Classe der Künstler oder Handwerker und anderer bürgerliche Gewerbe treibenden Personen, aus welchen verschiedenen Ständen sich immer zu gleicher Zeit Mitglieder in dem Collegium befinden müssen. e) Ausschluß wegen Verwandtschaft tritt ein zwischen Vater und Sohn, zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn, zwischen Bruder und Bruder.

§ 53. Von dem bürgerlichen Consulenten Der dem Bürgerausschuß mit berathender Stimme beigeordnete Consulent wird von dem Bürgerausschuß nach der Mehrheit der Stimmen gewählt. Der zu Wählende muß einer der drei christlichen Hauptconfessionen zugethan, wenigstens 30 Jahre alt und Rechtsgelehrter seyn. Ist der Gewählte ein Fremder, so muß er nach geschehener und angenommener Wahl das Bürgerrecht erlangen. Wegen der Verwandtschaft mit Mitgliedern des Senats, mit Syndikern,

mit dem Kanzleirath und dem Secretarius der Senatskanzlei tritt bei dem Consulenten, im Verhältniß zu diesen, die nämliche Bestimmung ein, welche zwischen diesen festgesetzt ist. (§. 7. 8. 9. 23.) Der Consulent darf weder in fremden Diensten stehen, noch Titel von fremden Staaten führen; nach geschehener und angenommener Wahl muß also einem und dem andern entsagt werden. Die andern die Consulentenstelle betreffenden älteren Vorschriften werden beibehalten.

§ 54. Wahl der bürgerlichen Neuner Die bürgerlichen Neuner werden nach der vorhinnigen Norm gewählt und in Pflichten genommen. Der zu Wählende muß, wenn er nicht ohnehin Mitglied des Bürgerausschusses ist, einer der drei christlichen Hauptconfessionen zugethan, wenigstens 25 Jahre alt, und entweder gebohrner Bürger seyn, oder seit zehen Jahren das hiesige Bürgerrecht erlangt und während dieses Zeitraums seinen Wohnsitz in der Stadt ununterbrochen gehabt haben. Er muß die öffentliche Achtung geniessen, von unbescholtenem Rufe, und besonders des Rechnungswesens kundig seyn. Was ausser dem unter dem Buchstaben e im §. 52. festgesetzt ist, findet auch bei den bürgerlichen Neunern Anwendung.

§ 55. Von dem vormaligen Amte der Dreier Das vormalige Amt der Dreier mit der Controle der Wahlen überhaupt ist aufgehoben. Der Senat giebt den bürgerlichen Collegien von der getroffenen Wahl seiner Mitglieder, nach geschehener Wahl, gleichbald Kenntniß.

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F RANKFURT § 56. Bestimmung der Art und Weise, wie mit den bürgerlichen Collegien conferirt wird

In allen den Angelegenheiten, in welchen die Conferenz mit den bürgerlichen Collegien verfassungsmäßig erforderlich ist, geschiehet dieselbe auf eben die Weise, wie solche in der reichsstädtischen Verfassung in Uebung war. Im Falle die verfassungsmäßige Conferenz des Senats mit den bürgerlichen Collegien eine Uebereinstimmung nicht zur Folge hat, oder auch im Falle sonst ein dissensus zwischen dem Senate und den bürgerlichen Collegien vorwaltet, welcher vorhin durch Einschreiten des kaiserlichen Reichshofraths zu schlichten gewesen seyn würde, wird folgende Verfahrungsweise zu Beilegung dieser Verschiedenheit eingeschlagen. Der Senat wählt nach der Mehrheit der Stimmen aus der Mitte der beiden bürgerlichen Collegien drei Mitglieder, und ein Mitglied aus der Bürgerschaft, und macht diese Wahl den bürgerlichen Collegien bekannt. Die beiden bürgerlichen Collegien wählen hierauf ebenfalls nach der Mehrheit der Stimmen aus der Mitte des Senats drei Mitglieder, und ein Mitglied aus der Bürgerschaft, und machen dem Senate diese Wahl bekannt. Diese also zusammen in der Zahl von Achten gewählten Mitglieder des Senats, der bürgerlichen Collegien und der übrigen Bürgerschaft treten zusammen, und wählen eine neunte Person durch Mehrheit der Stimmen aus der Bürgerschaft; entsteht Gleichheit der Stimmen bei dieser letztern Wahl, so entscheidet das Loos. Die drei aus der Bürgerschaft gewählten Personen legen in die Hände des vorsitzenden Senatsmitglieds einen Eid, Verschwiegenheit zu halten, und nach bestem Wis-

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sen und Gewissen zum gemeinen Besten zu stimmen, ab. Ist diese Commission von neun Personen also constituirt; so werden derselben alle einschlagende Actenstücke vorgelegt, und dieselbe entscheidet sodann nach der Stimmenmehrheit über die Frage: Ob die Meinung des Senats der Meinung der bürgerlichen Collegien, oder ob die Meinung der letzteren der Meinung des erstern vorzuziehen sey, – mit der Wirkung und in der Mase, daß es bei dieser Entscheidung sein Bewenden hat, daß jedoch bei dieser Entscheidung die Commission entweder der Meinung des Senats oder der Meinung der bürgerlichen Collegien unbedingt, ohne irgend eine Modification oder Abänderung, nothwendig beitreten muß, mithin nur unter diesen beiden Meinungen eine wählen kann. Eben diese Verfahrungsweise hat Statt, wenn der Senat mit einem der bürgerlichen Collegien in den oben gedachten Fällen gleicher Meinung ist, das andere Collegium aber widerspricht: nur hat in diesem Falle das einstimmende Collegium die drei Personen aus der Bürgerschaft nach der Mehrheit der Stimmen allein zu wählen, dagegen aber auch an der Wahl der Mitglieder des nicht einstimmenden Collegiums keinen Theil zu nehmen.

ZWEITE ABTHEILUNG Behandlung der Justizsachen

Allgemeine Grundsätze und Dispositionen § 57. Die Justiz wird, wie bereits oben §. 14. festgesetzt ist, durch die angeordneten Gerichtsbehörden, unabhängig von den Verfügungen des Senats, verwaltet. Der Senat darf dem Laufe der Justizpflege nie

E NTWURF DER F RANKFURTER V ERFASSUNG (1814) Einhalt thun, oder auf irgend eine Weise in richterliche Entscheidungen eingreifen; nur dann, wenn gegen das Schöffengericht Beschwerde wegen verweigerter oder verzögerter Justiz geführt wird, kann der Senat Bericht fordern, und geeignete Verfügung, um dieser Beschwerde abzuhelfen, ergehen lassen; die Verfügung darf aber die Abhülfe dieser Beschwerden nicht überschreiten, mithin die Sache selbst weder ganz noch zum Theil umfassen.

§ 58. Im Gerichtsstande hat keine Befreiung Statt. Die unbestimmte Competenz der Gerichte erstreckt sich über alle Personen, Corporationen und Sachen in dem angewiesenen Gerichtsbezirke. Die Gerichtsbehörden haben auch die Gerichtsbarkeit bei Ansprüchen und Klagen gegen die Stadt als Commune und gegen die einzelnen Verwaltungsbehörden, wenn der Senat oder eine Behörde bei Führung der Verwaltung nicht bloß als öffentliche oder Amtsstelle gehandelt hat, sondern wenn nach dem Privatrecht, über die Erfüllung eines Contracts, über Rechte und Verbindlichkeiten aus demselben Streit entsteht, und bei Ermangelung gütlicher Beilegung richterliche Entscheidung eintreten muß.

muß die Beschwerde dem Senate vortragen. Der Senat verwirft die Beschwerde alsobald, wenn solche sofort als unerheblich erscheint, oder verweist dieselbe zur Begutachtung an die engere Senatsdeputation, welche ermächtiget ist, Bericht zu erfordern, und andere zur Erörterung erforderliche Verfügungen unmittelbar zu treffen. (§. 104.)

§ 60. In bürgerlichen Streitsachen, welche bei den Gerichten verhandelt werden, haben in der Regel in der unten bestimmten Mase drei Instanzen Statt.

§ 61. Das Amt der Richter ist nicht auf eine bestimmte Anzahl Jahre beschränkt, und kann, wie alle andere Aemter, welche auf lebenslang verliehen werden, nur durch Urtel und Recht entzogen werden. Kein Richter darf in fremden Diensten stehen, oder Titel von fremden Staaten führen; nach geschehener und angenommener Wahl muß einem oder dem andern entsagt werden. Anwaldschaften, Consulentieen, Administrationen und andere Geschäftsführungen für oder über einheimische oder auswärtige Dritte, wenn diese nicht zu den nächsten Anverwandten gehören, sind den Richtern, ohne besondere Erlaubniß des Senats, untersagt.

§ 59.

§ 62.

In denjenigen Fällen, wo eine Verwaltungsstelle von Amtswegen verfährt, um die bestehenden Gesetze und Verordnungen in Anwendung und zur Ausführung zu bringen, um Säumige zu ihrer Schuldigkeit anzuhalten, Contraventionen zu untersuchen, zu rügen und zu bestrafen, kann das Verwaltungsamt nicht vor die Gerichte gezogen, noch einem processualischen Verfahren Statt gegeben werden, sondern derjenige, welcher sich beschwert glaubt,

Die Ernennung der Mitglieder des Schöffengerichts erhält aus dem ferner Folgenden die Bestimmung; die Kanzleipersonen des Schöffengerichts, welche einer der drei christlichen Hauptconfessionen zugethan, und, wenn sie Fremde sind, vor dem Dienstantritt das hiesige Bürgerrecht erlangen müssen, werden von dem Senate nach der Mehrheit der Stimmen gewählt. Der Director des Gerichts erster Instanz, welcher Rechtsgelehrter seyn muß, wird aus der

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F RANKFURT Zahl der Mitglieder der beiden ersten Ordnungen des Senats von dem Senate, nach der absoluten Mehrheit der Stimmen, per scrutinium gewählt, und bekleidet die Stelle lebenslänglich. Die Ernennung der Richter und Kanzleipersonen des Gerichts erster Instanz, so wie des Personals des Stadtamts und des Landamts, geschiehet von dem Senate nach der Mehrheit der Stimmen; bei der Wahl zu Richterstellen ist absolute Mehrheit der Stimmen erforderlich; zu Mitgliedern des Gerichts erster Instanz, so wie zu dem Stadtamte und dem Landamte, schlägt jenes Gericht dem Senate drei Personen gutächtlich vor. Die Ernennung setzt bei Personen, welche noch keine richterliche Stelle bekleidet haben, voraus, daß sie bei einer mit Fertigung einer Proberelation verbundenen Prüfung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten, tüchtig befunden worden sind.

§ 63. Diejenigen, welche zu Richterstellen ernannt werden sollen, müssen, bei dem Gerichte erster Instanz, wenigstens dreißig Jahre alt seyn; bei dem Stadtamte und bei dem Landamte ist ein Alter von fünf und zwanzig Jahren hinreichend. Sie müssen, so wie das übrige Personale gedachter Gerichte, einer der drei christlichen Hauptconfessionen zugethan seyn, und wenn sie Fremde sind, vor dem Dienstantritt das hiesige Bürgerrecht erlangen. Wegen der Mitglieder des Schöffengerichts und der Personen der dazu gehörigen Kanzlei ist in dem Obigen die Bestimmung enthalten. (§. 6. 9. 62.)

§ 64. Bei dem Gerichte erster Instanz und bei dem Stadtamte macht die Verwandtschaft mit einem Mitgliede in einer und der nämlichen dieser Behörden in gerader Linie ohne Einschränkung, und in der Seitenlinie

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bis zum Grade des Oheims oder Neffen einschließlich unfähig, eine Richterstelle zu bekleiden; auf die Verwandtschaft mit Mitgliedern einer andern jener Behörden, oder mit dem Landamtmanne, so wie mit Mitgliedern des Senats und des Schöffengerichts, wird nicht gesehen. Wegen der bei dem Schöffengerichte hindernden Verwandtschaft enthält das Obige die Bestimmung. (§. 7. u. 9.)

§ 65. Die Abfassung einer besonderen Gerichtsordnung und einer neuen Proceßordnung bleibt dem Senate vorbehalten, so wie auch eine neue Tax- und Stempelordnung erlassen werden soll.

Erster Abschnitt Von den Gerichtsbehörden in bürgerlichen Sachen und deren Wirkungskreis

§ 66. Zu der Verwaltung der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Sachen in der Stadt und dem dazu gehörigen Gebiete sind folgende Behörden angeordnet. I. Das Stadtamt. II. Das Landamt. III. Das Gericht erster Instanz. IV. Das Schöffengericht (Appellationsgericht.)

§ 67. I. Von dem Stadtamte a) Personale Das Stadtamt, welches alle Tage in der Woche, Sonn- und Festtage ausgenommen, Sitzungen zu halten hat, besteht aus zwei Personen, von welchen einer wie der andere den Titel: Stadtamtmann, hat, der älteste aber das Directorium führt, einem Actuarius, nebst einem Pedellen, und wenn es erforderlich ist, einem Gehülfen des Letztern.

E NTWURF DER F RANKFURTER V ERFASSUNG (1814) § 68. b) Competenz und Geschäftskreis Das Stadtamt ist competent in der Stadt und deren Gemarkung in allen Rechtsstreitigkeiten, deren Gegenstand die Summe von Einhundert Gulden des 24 fl. Münzfußes nicht überschreitet, oder welche nicht Sachen betreffen, die keinen gewissen Anschlag haben. Das, was unten, §. 82. lit. a. von Zuziehung zweier Mitglieder des Handelsstandes festgesetzt ist, findet, mit Beschränkung auf die Zahl von Einem, auch bei dem Stadtamte in den daselbst genannten, dessen bestimmte Competenz nicht überschreitenden Sachen Anwendung. Dem Stadtamte ist daneben die Schlichtung der Rechtssachen, welche Feldfrevel und Schäden, deren Untersuchung und Bestrafung betreffen, wie solche ehehin dem Ackergerichte oblagen, aufgetragen.

§ 69. Fortsetzung Die vor das Stadtamt gehörigen Sachen werden nach dem summarischen Proceßverfahren bloß mündlich zu Protocoll verhandelt; ein schriftliches Verfahren hat ausserordentlicher Weise nur auf eine vom Gerichte erster Instanz zu erwirkende Erlaubniß Statt.

Tagen, vom Tage der Einlegung an, ausgeführt werden. Das Gericht erster Instanz erfordert die Acten in Urschrift von dem Stadtamte, wenn die Nothfristen gewahrt sind, die Gerichtsbarkeit gegründet ist, und die Beschwerden, selbst nach dem eigenen Vorgeben des Appellanten betrachtet, nicht unbezweifelt unerheblich sind, verwirft dann entweder die Berufung, oder theilt die Ausführung dem Gegentheile zur Verhandlung der exceptivischen Nothdurft mit. Mit dieser letzten Handlung ist das Verfahren geschlossen, und es wird ein Erkenntniß ertheilt. Von diesem also ergehenden Erkenntnisse, oder wenn in den andern Fällen die Appellation verworfen wird, ist eine weitere Berufung an das Schöffengericht nicht zulässig, wohl aber kann der sich beschwert erachtende Theil in der unten bestimmten Mase um Revision bitten. (§. 79.)

§ 71. Fortsetzung Bei dem Stadtamte kann nicht um Versendung der Acten an ein auswärtiges Rechtscollegium zu Einholung eines rechtlichen Erkenntnisses angesucht werden.

§ 72. Fortsetzung

§ 70. Fortsetzung Gegen Erkenntnisse des Stadtamtes kann, nach der in den Gesetzen vorgeschriebenen Wirkung, Berufung an das Gericht erster Instanz ergriffen werden, wenn der Gegenstand der zugefügten vermeinten Beschwerde den Betrag von Vierzig Gulden im 24 fl. Münzfuß übersteigt. Die Berufung muß innerhalb zehen Tagen eingelegt, und die Beschwerden müssen binnen vierzehen

Das Gericht erster Instanz und das Schöffengericht können dem Stadtamte besondere Aufträge ertheilen, z.B. zu Einnehmung eines Augenscheins, Vernehmung von Personen, Besorgung von Liquidirungen und dgl. Die Vollstreckung der Urtheile und anderer Verfügungen des Gerichtes erster Instanz und des Schöffengerichts wird dem Stadtamte aufgetragen, welches hierzu nach Umständen das Polizeiamt um Hülfeleistung requiriren kann.

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F RANKFURT § 73. Fortsetzung Wenn die Beitreibung öffentlicher Abgaben, Prästationen und Geldstrafen durch Pfändung und den Verkauf von Mobilien oder Immobilien bewirkt werden muß; so geschieht dieß von dem Stadtamte auf Requisition der Verwaltungsbehörden.

§ 74. Fortsetzung Dem Stadtamte liegt ob, in Erbschaftsfällen, bei welchen solches nach der gesetzlichen Ordnung erforderlich ist, die Siegel anzulegen, und für die unveränderte Erhaltung der Verlassenschaft provisorisch Sorge zu tragen, welchemnächst hierüber an das Gericht erster Instanz Bericht zu erstatten ist. Besonders hat das Stadtamt in Erbschaftsfällen die Siegel alsdann anzulegen, wenn dasselbe von Seiten der Verwaltungsbehörden wegen rückständiger öffentlichen Abgaben und Prästationen, wegen Defraudationen des Erblassers, oder wegen Abzugoder Abfindungsgelder auswärtiger Miterben darum requirirt wird.

§ 75. Fortsetzung In allen den Fällen, in welchen Vormünder oder Curatoren von Amtswegen ernannt werden müssen, hat das Stadtamt eine Anzeige mit einem Vorschlage der zu Ernennenden an das Gericht erster Instanz gelangen zu lassen, und zu dem Ende desfalls die nöthige Obsorge zu tragen.

§ 76. II. Von dem Landamte a) Personale Das Landamt, als Gerichtsbehörde, besteht aus dem Landamtmann und einem Actuarius, nebst einem Landboten, der auch

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die Insinuationen der Verfügungen des Gerichts erster Instanz auf dem Lande zu besorgen hat.

§ 77. b) Competenz und Geschäftskreis Ausser dem Theil, welchen der Landamtmann an den Geschäften derjenigen Verwaltungsstelle, welche auch Landamt genannt wird, zu nehmen hat (§. 48.), hat das Landamt eben die Competenz und eben den Geschäftskreis ausser der Stadt und deren Gemarkung, auf den Stadtdorfschaften, welche dem Stadtamte in der Stadt und deren Gemarkung oben (§. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75.) vorgeschrieben sind. Nur die Berufungssumme von Erkenntnissen des Landamts an das Gericht erster Instanz wird auf fünf und zwanzig Gulden im 24 fl. Fuß gesetzt, als auf welchen Betrag die Berufungssumme auch ehehin bestimmt war. Ueberdieß hat das Landamt, nebst dem Vorschlage der Vormünder und Curatoren auf den Stadtdorfschaften, die unten (§. 89.) vorgeschriebenen Functionen des besonderen Tutelarraths in der Stadt, wie auch alle Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auf dem städtischen Landgebiete zu besorgen.

§ 78. III. Von dem Gerichte erster Instanz a) Personale Das Gericht erster Instanz, welches auch diese Benennung hat, besteht aus einem Director und sieben Räthen, nebst einer eigenen Kanzlei. Der Director dieses Gerichts ist oben bestimmt. (§. 62.) Von den sieben Räthen werden zwei Räthe von dem Senate aufs lebenslang zur Bildung des unten gedachten Tutelarraths (§. 89.) bestellt. Die Kanzlei besteht aus drei Secretarien und einem Secretariatsgehülfen, drei Kanzlisten und zwei Pedellen, nebst allenfalls

E NTWURF DER F RANKFURTER V ERFASSUNG (1814) nöthigen Gehülfen; einer der Secretarien besorgt neben andern Secretariatsgeschäften die Registraturgeschäfte, ein anderer besorgt eben so die Einnahme und Verrechnung der Gerichtstaxen und das Botenwesen, einem andern ist die unten gedachte Hypothekenbuchführung, nebst demjenigen, was künftig noch mit diesem Institute in Verbindung gesetzt werden wird, übertragen; der letztere wird mit allen anderen Secretariatsgeschäften verschont. Einer der Kanzlisten leistet Hülfe bei den Registraturgeschäften.

§ 79. b) Competenz, Wirkungskreis und Geschäftsbehandlung

sen, was in der Revisionsordnung vom 22. July 1788. §. 15. u. 19. festgesetzt ist.

§ 80. Fortsetzung In Sachen, welche in erster Instanz bei diesem Gerichte verhandelt werden (§. 79.), kann von den ergehenden Erkenntnissen die Berufung, nach der in den Gesetzen vorgeschriebenen Wirkung (§. 94.), an das Schöffengericht ergriffen werden. Es sind hierbei die Vorschriften der älteren Provocationsordnung zu beobachten, bis andere Normen wegen des gerichtlichen Verfahrens überhaupt, oder wegen eines und des anderen Gegenstandes desselben erfolgen.

§ 81. Das Gericht erster Instanz erkennt in allen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche die Competenz des Stadtamtes und des Landamtes nach der obigen Bestimmung überschreiten, in erster Instanz. Dasselbe erkennt in zweiter Instanz in den Sachen, welche nach der oben festgesetzten Norm durch Berufung von dem Stadtamte und dem Landamte an dasselbe gelangen. Dasselbe bildet endlich eine dritte Instanz in den letztgedachten Sachen in der folgenden Mase. Der Theil, welcher glaubt, er sey durch das ergangene Erkenntniß beschwert, kann binnen zehen Tagen, von dessen Insinuation an gerechnet, bitten, daß die Streitsache durch einen andern Referenten, und in Abwesenheit des vorigen, noch einmal ausführlich vorgetragen, revidirt, und über seine Beschwerdeausführung, welche er, bei Strafe der Erlöschung, binnen vierzehen Tagen von jener angebrachten Bitte oder Interposition an, einzureichen hat, wenn der Gegentheil darüber vernommen worden ist, in so ferne das Letztere vom Gerichte nöthig erachtet wird, erkannt werde. Bei dem hierauf erfolgenden bestätigenden oder auch abändernden Erkenntnisse behält es sein Verbleiben, mit Vorbehalt des-

Fortsetzung Das Gericht erster Instanz bildet für die Stadt und deren Gebiet ein Ehegericht. Bevor in Ehestreitigkeiten eine Klage angenommen wird, muß der Theil, welcher Klage erheben will, Bescheinigung beibringen, daß bei dem Consistorium, oder nach Ermessen bei einer geistlichen Behörde, die Güte fruchtlos versucht worden sey. Von den ergehenden Erkenntnissen kann an das Schöffengericht appellirt werden.

§ 82. Fortsetzung In Wechsel- und Handelsstreitigkeiten, deren Gegenstand die oben bestimmte Competenz des Gerichts erster Instanz erreicht, bildet dieses Gericht ein Wechselund Handelsgericht in der folgenden Mase. a) In Wechselsachen, wenn über eine der Klage entgegen gesetzte, nach dem Wechselrechte zulässige Einrede, oder wenn über einen die Handlungsverhältnisse oder Gewohnheiten betreffenden Gegenstand zu erkennen ist, sollen zwei Mitglieder des Handelsstandes vor der Abstimmung im Gerichte mit ihrem Gutachten vernommen

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F RANKFURT werden, und bei Abfassung des Urtels gegenwärtig seyn, so bald entweder von einem oder dem andern der streitenden Theile darauf angetragen, oder dieses von dem Director des Gerichts zweckmäßig befunden wird. b) Die Handelsleute, aus deren Zahl jene zwei Mitglieder den Sitzungen und Vorträgen des Gerichts in Wechsel- und Handelssachen beiwohnen, und Gutachten abgeben, werden, wie bereits oben (§. 39) festgesetzt ist, von dem Handlungsvorstande in der Zahl von Sechsen dem Senate gutächtlich vorgeschlagen, und nach ihrer Ernennung von dem Gerichte verpflichtet. Nach Verlauf der ersten drei Jahre treten zwei von den Sechsen nach dem Loose ab, und so fort bis die Sechse abgetreten sind; nachher treten nach dem Alter der Wahl jedes Jahr zwei ab. Die Abtretenden können von neuem gewählt werden, sind jedoch nicht verpflichtet, diese Function gleichbald wieder zu übernehmen. c) Der Director beruft zu den Deliberationen abwechselnd zwei, denen vorher die Acten nebst dem Vortrage des Referenten zur Einsicht zugestellt werden.

tionen gemacht; die Beschlüsse werden daher in der Plenarsitzung gefaßt; zum Beschluß eines definitiven oder interlocutorischen Erkenntnisses werden wenigstens drei Richter, der Director oder dessen Stellvertreter nicht mitgerechnet, erfordert. Ist diese Zahl aus irgend einem Grunde nicht vorhanden; so werden die Mitglieder des Tutelarraths, so weit dieses zur Ergänzung erforderlich ist, zugezogen. Die definitiven und interlocutorischen Erkenntnisse werden unter Vordrückung des Gerichtssiegels und unter der Unterschrift des Directors ausgefertigt.

§ 85. Fortsetzung Das Gericht erster Instanz hat dem, dem Dienstalter nach jüngsten Mitgliede des Gerichts den Auftrag zu ertheilen, das Verfahren in Wechselsachen zu leiten, die Vorträge der Partheien zu Protocoll zu nehmen, und alle zur Instruction des Wechselprocesses erforderliche Verfügungen Namens des Gerichts zu erlassen.

§ 83. Fortsetzung In allen den Sachen, welche bei dem Gerichte erster Instanz verhandelt werden, es sey nun in erster, zweiter oder dritter und Revisionsinstanz, hat die Versendung der Acten an ein auswärtiges Rechtscollegium, zu Einholung eines rechtlichen Erkenntnisses, so wenig von Amtswegen als auf Ansuchen der streitenden Theile oder eines derselben Statt.

§ 84. Fortsetzung Die Vorträge werden bei dem ganzen Gerichte, und nicht in Abtheilungen oder Sec-

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§ 86. Fortsetzung Der Director ernennt das in dem vorhergehenden §. gedachte, oder auch nach Ermessen andere Mitglieder des Gerichts zu Commissarien, um Sachen, welche wegen der eintretenden summarischen Verfahrungsweise, oder in anderem Betrachte, nicht füglich in der Plenarsitzung des Gerichts verhandelt werden können, zu instruiren, um Zeugen abzuhören, sonsten Personen zu vernehmen, Liquidirungen zu besorgen und dgl.

E NTWURF DER F RANKFURTER V ERFASSUNG (1814) § 87.

§ 89.

Fortsetzung

Fortsetzung Functionen des Tutelarraths

Da bei dem Gerichte erster Instanz alle Concurs- und Fallimentssachen, in so ferne die Activmasse die Competenz des Stadtamtes und Landamtes übersteigt, verhandelt und entschieden werden; so ist diesem Gerichte auch ausserordentlicher Weise die Untersuchung wider die Falliten, nebst dem Erkenntnisse über die Bestrafung derselben aufgetragen, wenn die letztere gleich eine sonst peinliche Strafe erreichen sollte, vorbehältlich jedoch dessen, was unten von dem Bestätigungsrechte des Senats und dem Recurse an denselben in Strafsachen festgesetzt ist. (102. 104. 105.) Das Stadtamt hat, so wie das Landamt, wegen der Bestrafung der in Insolvenz gerathenen Personen, wenn der Concurs bei einem oder dem andern nach der obigen Bestimmung verhandelt wird, an das Gericht erster Instanz mit Anschluß der Acten zu berichten, und diesem das desfallsige Erkenntniß zu überlassen.

§ 88. Fortsetzung Dem Gerichte erster Instanz ist das obervormundschaftliche Amt aufgetragen; das Gericht übt dasselbe aus, theils unmittelbar, theils mittelbar. Das Letztere wird bewirkt in der Stadt durch eine Section oder Abtheilung, welche aus zwei Räthen und einem eigenen Actuarius gebildet wird, und Tutelarrath genannt wird (§. 78.), und auf den Stadtdorfschaften durch den Landamtmann. (§. 77.) Die zum Tutelarrathe ernannten Mitglieder des Gerichts erster Instanz haben sich bloß und allein mit Vormundschaftssachen zu befassen; nur dann sind dieselben verbunden, den Sitzungen des Gerichts beizuwohnen und mitzustimmen, wenn sie wegen Mangels an der vorgeschriebenen Zahl der Richter (§. 84.) von dem Directorium berufen werden.

a) Das Stadtamt schlägt dem Gerichte erster Instanz die Vormünder oder Curatoren vor (§. 75.); die Verpflichtung wird nach erfolgter Bestätigung von Seiten dieses von dem Tutelarrathe vorgenommen. b) Wenn zur Gültigkeit einer Handlung die obervormundschaftliche Genehmigung erforderlich ist, so wie in andern wichtigen die vormundschaftliche Verwaltung betreffenden Fällen, hat der Tutelarrath, nach vorgängiger Vernehmung der nächsten Anverwandten der Curanden oder anderer Personen, welche von dem Verhältnisse unterrichtet sind, Bericht und Gutachten an das Gericht erster Instanz, welches hierauf die Entschliessung zu fassen hat, zu erlassen. c) Der Tutelarrath hat die Vormünder und Curatoren zur vorschriftsmäßigen Rechnungsstellung anzuhalten, die abgelegten Rechnungen zu revidiren und zu justificiren; nicht weniger hat derselbe die Theilungsrecesse, bei welchen unter der Pflege stehende Personen interessiert sind, zu revidiren. d) Die während der vormundschaftlichen Verwaltung zwischen den Pflegern und Pflegbefohlenen, oder zwischen ersteren und sich vorfallenden Irrungen und Anstände erledigt der Tutelarrath für sich, oder erstattet Bericht an das Gericht erster Instanz. e) Der Tutelarrath hat die an denselben Vormundschaftssachen von dem Gerichte erster Instanz ergehenden Aufträge zu vollziehen.

§ 90. Fortsetzung Unmittelbare Ausübung des obervormundschaftlichen Amts a) Das Gericht erster Instanz ertheilt die obervormundschaftlichen Genehmigungsdecrete, und giebt

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F RANKFURT b) in allen wichtigen, die vormundschaftliche Verwaltung betreffenden Angelegenheiten, wegen welcher der Tutelarrath oder das Landamt Bericht zu erstatten haben, die nöthige Instruction und Weisung. c) Das Gericht erster Instanz läßt die Inventarien des Vermögens der unter Vormundschaft stehenden Personen in der Stadt durch einen Secretarius, und auf den Stadtdorfschaften durch den Actuarius des Landamtes aufnehmen, und entläßt d) die Vormünder, wann sie Rechnung bei dem Tutelarrathe oder dem Landamte abgelegt haben, und diese justificiret worden, auch die Ablieferung des verwalteten Vermögens bescheiniget ist, ihrer in dieser Eigenschaft getragenen Pflichten. e) Das Gericht erster Instanz hält Aufsicht über die vorschriftmäßige Geschäftsbesorgung der beiden Tutelarbehörden, welche halbjährig den Stand des vormundschaftlichen Rechnungswesens in tabellarischer Form mit Bericht dem Gerichte vorzulegen haben. f) Das Gericht erster Instanz berichtet auch an den Senat über Gesuche um Verleihung der Großjährigkeit, und spricht die vom Senate verliehene Großjährigkeit in dessen Namen aus.

§ 91. Fortsetzung Von der Hypothekenführung und Währschaftsleistung Die Bestellung der Insätze oder Hypotheken in der Stadt und deren Gemarkung geschiehet vor dem Director des Gerichtes erster Instanz, oder dessen Stellvertreter. Die Führung der Insatz- und Restkaufschillingsbücher, und was damit in Verbindung steht, ist ausschließlich einem der drei Secretarien dieses Gerichtes, welchem ein Scribent zur Hülfleistung beigegeben wird, aufgetragen. (§.78.) Die Aufsicht über dieses Geschäft liegt dem Director oder

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dessen Stellvertreter ob. Der Director ertheilt die nöthige Weisung, und legt den Fall nach Umständen dem ganzen Gerichte zur Erörterung und Entscheidung vor. Die Währschaftsleistungen werden ebenfalls von dem Director des Gerichts erster Instanz oder dessen Stellvertreter vorgenommen, bis desfalls überhaupt andere Verfügung getroffen wird. Wegen der Protocollirung aller in der Stadt und deren Gemarkung vorfallenden Eigenthumsveränderungen der Immobilien bleibt die Verordnung vorbehalten.

§ 92. Fortsetzung Von andern Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit Diejenigen Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, welche ehehin vor einem der Bürgermeister, oder vor dem Schöffenrathe vorgenommen worden, werden vor dem Gerichte erster Instanz vorgenommen. Insbesondere hat auch dieses Gericht die Aufsicht über die Notare; die älteren wegen der Notare bestehenden Ordnungen dienen, bis abändernde Verfügung ergeht, zur Norm. Die Notare werden von dem Senate ernannt; die vorherige Prüfung und nach der Ernennung erfolgende Verpflichtung ist dem Gerichte erster Instanz aufgetragen.

§ 93. IV. Von dem Schöffengerichte (Appellationsgericht.) a) Personale Das Schöffengericht (Appellationsgericht) besteht aus einem Director, welches der jedesmalige Stadtschultheiß ist, aus den Schöffen oder Mitgliedern der ersten Ordnung des Senats, welche Rechtsgelehrte sind, in so weit solche nicht durch die Verwaltung anderer Aemter verhindert sind, und aus den Syndikern und Consulenten,

E NTWURF DER F RANKFURTER V ERFASSUNG (1814) welche Letztere allein in der Regel die Vorträge machen, – alle, also auch diese Letzteren, mit entscheidenden Stimmen. Ist der Director des Gerichtes erster Instanz ein Mitglied der ersten Ordnung des Senats; so kann derselbe in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nicht beisitzen. Das Schöffengericht hat eine eigene Kanzlei, welche bestehet aus einem Secretarius, drei Kanzlisten und einem Pedellen. Einer der Kanzlisten leistet neben den ihm in dieser Eigenschaft obliegenden Functionen Hülfe bei den Registraturgeschäften, und eben so ein anderer bei der Einnahme und Verrechnung der Gerichtstaxen und bei dem Botenwesen.

§ 94. b) Competenz in bürgerlichen Sachen und Geschäftsbehandlung Das Schöffengericht bildet in allen Sachen, welche bei dem Gerichte erster Instanz in erster Instanz verhandelt worden sind, und durch den Weg der Berufung, nach der in den Gesetzen vorgeschriebenen Wirkung an dasselbe gelangen (§. 80.), die zweite, und in eben diesen Sachen, als Revisionsgericht, die dritte Instanz. Die Beschwerden über verzögerte oder verweigerte Justiz gegen das Gericht erster Instanz werden bei dem Schöffengerichte angebracht.

der Actenversendung an ein auswärtiges Rechtscollegium in vim revisionis, nach der Ordnung vom 22. Juli 1788 ein. Kann derjenige, der sich beschwert glaubt, wegen Armuth die Versendungskosten nicht bezahlen; so werden solche in diesem Falle aus der Stadtcasse berichtiget.

§ 96. Fortsetzung Wenn sich ein streitender Theil durch ein bei dem Schöffengerichte, als zweite Instanz, ergangenes Erkenntniß beschwert glaubt, und die zugefügte vermeinte Beschwerde, in so ferne die Sache einen gewissen Anschlag hat, übersteigt die Summe von fünfzehenhundert Gulden im 24 fl. Fuß nicht, oder es konnte an die ehehinnigen höchsten Reichsgerichte nicht appellirt werden; dann erkennt das Schöffengericht selbst in der Revisionsinstanz, nachdem ein anderer Referent bestellt worden ist. Die Vorschriften jener Verordnung vom 22. Juli 1788, in so weit solche nicht die Versendung der Acten an ein auswärtiges Rechtscollegium voraussetzen, sind hierbei zu beobachten.

§ 97. Fortsetzung

§ 95. Fortsetzung Wenn sich ein streitender Theil durch ein bei dem Schöffengerichte, als zweite Instanz, ergangenes Erkenntniß beschwert glaubt, und die zugefügte vermeinte Beschwerde übersteigt die Summe von fünfzehenhundert Gulden im 24 fl. Fuß, oder betrifft eine Sache, die keinen gewissen Anschlag hat, in der Sache auch an die ehehinnigen höchsten Reichsgerichte hätte appellirt werden können, so tritt das Rechtsmittel

Bei den also auf Versendung der Acten, oder bei dem Schöffengerichte selbst in revisorio ergangenen Erkenntnissen soll es sein endliches Verbleiben haben, und wider dieselben keinen weiteren Rechtsmitteln, weder auf Suchen des einen oder des andern Theils, noch auf Bitten beider Theile Statt gegeben werden; vorbehältlich jedoch dessen, was in der mehrgedachten Verordnung vom 22. Juli 1788 wegen Bitte um Restitution und der Beschwerde über unheilbare Nichtigkeiten festgesetzt ist.

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F RANKFURT § 98. Fortsetzung Das Schöffengericht kann aus erheblichen Gründen, nach eigenem Ermessen, die Acten an ein auswärtiges Rechtscollegium zu Einholung eines rechtlichen Erkenntnisses auf beider Theile Kosten, von Amtswegen, versenden. Die streitenden Theile sind aber nur dann, vorausgesetzt, daß sie die erforderlichen Kosten aus eigenen Mitteln bestreiten können, indem die Stadtcasse in diesem Falle die Kosten nicht zu übernehmen hat, um Versendung der Acten zu bitten befugt, wenn das Erkenntniß des Gerichts erster Instanz bei dem Schöffengerichte ganz oder zum Theil reformirt worden ist, und nun von diesem letzteren Gerichte selbst, nach der obigen Bestimmung, in revisorio zu erkennen wäre, und wenn ausserdem die Sache von der Art ist, daß die Appellation an die ehehinnigen höchsten Reichsgerichte nicht wäre ausgeschlossen gewesen. Findet unter diesen Einschränkungen die Versendung der Acten auf Bitten der streitenden Theile Statt, so kann gleichwohl von dem Schöffengerichte nach Umständen die Leistung hinreichender Sicherheit und die Ablegung des Eides vor Gefährde verordnet werden.

§ 99. Fortsetzung Die Vorträge werden bei dem ganzen Gerichte gemacht, und die Beschlüsse in der Plenarsitzung gefaßt. Bei Fällung eines definitiven oder interlocutorischen Erkenntnisses müssen wenigstens vier Mitglieder und der Director gegenwärtig seyn. Die definitiven und interlocutorischen Erkenntnisse werden unter der Vordrückung des Gerichtssiegels und Unterschrift des Directors ausgefertigt.

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Zweiter Abschnitt Von den Gerichts- und andern Behörden in Strafsachen

§ 100. Die Strafgewalt des Polizeiamts, so wie dieses, wie weit das Polizeiamt bei der Untersuchung der Verbrechen mitzuwirken hat, wird durch eine besondere Verordnung bestimmt. (§. 26.) Die dem Gerichte erster Instanz gegen Falliten, und dem Stadtamte gegen Feldfrevler in der Gemarkung der Stadt aufgetragene Strafgewalt ist oben festgesetzt; bei der Strafgewalt des Landamts und des Forstamts behält es, noch zur Zeit, in der vorhinnigen Weise sein Verbleiben.

§ 101. Fortsetzung Das Schöffengericht bildet das Criminalgericht in der Stadt und deren Gebiet; die Untersuchungen werden durch das besonders angeordnete Verhöramt, welches aus einem Untersuchungsrichter, der den Titel: Criminalrath, hat, und einem Actuarius nebst einem Pedellen bestehet, nach Vorschrift der im Jahr 1788 erlassenen Anweisung, bis dießfalls eine andere Ordnung von dem Senate erlassen wird, bewerkstelliget. Dasjenige, was in der letztgedachten Anweisung von dem Vorsitze eines zeitigen Bürgermeisters und Senators enthalten ist, desgleichen das, was den dem Verhöramte empfohlenen, und jetzo vor das besonders angeordnete Polizeiamt gehörigen Theil der Polizeiaufsicht betrifft, nicht weniger die dem Verhöramte in gewissen Fällen aufgetragen gewesene Strafgewalt, alles dieses ist aufgehoben. Der Criminalrath, Actuarius und Pedell werden von dem Senate, und zwar Ersterer nach der absoluten Mehrheit der Stimmen, gewählt; sie müssen einer der drei christlichen Hauptconfessionen zugethan seyn, und wenn sie

E NTWURF DER F RANKFURTER V ERFASSUNG (1814) Fremde sind, das hiesige Bürgerrecht vor dem Dienstantritt erlangen.

§ 102. Fortsetzung Das Schöffengericht, als Criminalgericht, ist ermächtiget, bis auf eine dreimonatliche Gefängnißstrafe mit oder ohne Arbeit, wie nicht weniger bis auf dreimonatliche öffentliche Arbeiten für sich zu erkennen. Bei höheren Strafen werden die Erkenntnisse nebst den Acten dem Senate vor der Eröffnung und Vollstreckung zur Bestätigung oder Milderung mit Bericht vorgelegt. Eben dieses findet in Fallimentssachen, bei Straferkenntnissen des Gerichts erster Instanz statt. (§.87.)

§ 103. Fortsetzung Das Schöffengericht kann, von Amtswegen, aus bewegenden Ursachen, nach eigenem Ermessen, die Acten an ein auswärtiges Rechtscollegium, zu Einholung eines rechtlichen Erkenntnisses, versenden; ein Inculpat ist aber, wenn er auch die Kosten aus eigenen Mitteln berichtigen könnte, die Versendung der Acten zu verlangen nicht befugt. Eben dieses findet beim Gerichte erster Instanz in Fallimentssachen Anwendung. (§. 87.)

§ 104. Fortsetzung Derjenige, welcher sich durch Strafverfügungen des Schöffengerichts, als Criminalgericht, welche der Bestätigung des Senats nicht bedürfen (§. 102.), diese mögen nun von dem Schöffengerichte selbst, oder auf Versendung der Acten, in dessen Namen ergangen seyn, beschwert erachtet, kann mittelst bloß mündlicher Anzeige zum Pro-

tocolle bei dem Verhöramte, den Recurs an den Senat nehmen, und bitten, daß die Acten diesem mit Bericht von dem Schöffengerichte vorgelegt werden möchten, woneben derselbe auch bei dem Senate eine schriftliche Defension einreichen kann. Der Verurtheilte kann hierbei, wenn er die Kosten aus eigenen Mitteln bestreiten kann, um Versendung der Acten an ein auswärtiges Rechtscollegium, zu Einholung eines rechtlichen Erkenntnisses, ansuchen, deren Bewirkung sodann dem Schöffengerichte vom Senate aufgetragen wird. Geschieht das Letztere nicht, oder verfügt der Senat nicht selbst die Versendung der Acten, wie ihm unbenommen ist; so verweist derselbe, in so ferne die Beschwerde nicht alsobald als unerheblich erscheint, die Sache an die engere Senatsdeputation zur nochmaligen Prüfung und demnächstigen Gutachten. Bei dieser Deputation wird, wenn das Erkenntniß vom Schöffengerichte selbst abgefaßt worden ist, ein anderer Referent bestellt, und ein Gutachten an den Senat erstattet, worauf dieser endliche Entschliessung faßt. Eben dieses Verfahren hat Statt bei Strafverfügungen des Gerichtes erster Instanz in Fallimentssachen (§. 87.), des Polizeiamts und anderer Verwaltungsämter, in so weit Letztere Strafen verfügen können (§. 59. 100.), mit Ausnahme dessen, was wegen Bestellung eines andern Referenten, als welches in diesen Fällen nicht anwendbar ist, festgesetzt ist. Im Falle Gerichtsbehörden in bürgerlichen Rechtssachen, oder bei Gelegenheit dieser, Geldstrafen und andere Ahndungen verfügen, muß die Ordnung des bürgerlichen Processes von dem beobachtet werden, der sich beschwert erachtet.

§ 105. Fortsetzung Bei den Straferkenntnissen des Schöffengerichts, als Criminalgericht, oder des Gerichts erster Instanz in Fallimentssachen

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F RANKFURT (§. 87.), bei welchen die Bestätigung des Senats erforderlich ist (§. 102.), kann der Verurtheilte, wenn er sich, nach erfolgter Bestätigung, beschwert glaubt, mittelst besonderer Vertheidigung, oder mittelst bloß mündlicher Anzeige zum Protocolle bei dem Verhöramte, bitten, daß die Sache bei der engeren Senatsdeputation, nach Bestellung eines anderen Referenten, Letzteres in so ferne das Erkenntniß nicht von dem Schöffengerichte von auswärtigen Rechtsgelehrten eingeholt worden (§. 103.), oder solches in Fallimentssachen beim Gerichte erster Instanz ergangen ist (§. 87.), nochmals geprüft, und Gutachten an den Senat erstattet werden möge; oder daß die Acten, wenn derselbe gleich die Kosten aus eigenen Mitteln nicht bestreiten kann, an ein auswärtiges Rechtscollegium zu Einholung eines rechtlichen Erkenntnisses versendet werden möchten, welche Versendung sodann, so wie auch, wenn der Senat eine solche selbst zu verordnen sich bewogen findet, von dem Schöffengerichte, in Auftrag des Senats, bewerkstelliget wird. Im ersten Falle faßt der Senat, auf das von der Senatsdeputation erstattete Gutachten, Entschliessung; im andern Falle wird das von dem auswärtigen Rechtscollegium eingeholte Erkenntniß dem Senate zur Bestätigung oder Milderung anderweit vorgelegt.

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SCHLUß Der Rang und der Gehalt der zur Behandlung der Regierungs- und Justizsachen des hiesigen gemeinen Wesens angestellten Personen werden mittelst besonderer Ordnung bestimmt. Alles dasjenige, was weder im Allgemeinen noch insbesondere, durch gegenwärtige Constitution an der vorhinnigen reichsstädtischen Verfassung, und an dem, was mit dieser in Verbindung steht, abgeändert worden ist, wird nach den Gesetzen der vorhinnigen reichsstädtischen Verfassung beurtheilt. Zeit und Erfahrungen können Abänderungen, Modificationen und nähere Erläuterungen nothwendig machen; es wird daher vorbehalten, auf die in den Gesetzen der Verfassung gegründete Weise jene zu treffen, und diese zu erlassen.

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Ediert nach Constitution der freien Stadt Frankfurt am Main, Frankfurt am Main: Eichenberg, 1814. Der Entwurf wurde am 21. Juni 1814 vom Rat beschlossen, ist aber nie in Kraft getreten. Hierbei handelt es sich um einen Gegenentwurf zu einem von einer "Commission der Dreizehn am 9. März vorgelegten Entwurf". Siehe zum Ganzen Rainer Koch, Grundlagen bürgerlicher Herrschaft. Verfassungs- und sozialgeschichtliche Studien zur bürgerlichen Gesellschaft in Frankfurt am Main (1612–1866), Wiesbaden 1983, S. 55–62.

Ergänzungsakte der alten Frankfurter Stadtverfassung (1816) Constitutions-Ergänzungs-Acte zu der alten StadtVerfassung der freien Stadt Frankfurt angenommen durch die Bürgerschaft den 17. u. 18. Juli 1816, publicirt vom Senat den 19. Juli 1816, und wechselseitig vom Senat und der Bürgerschaft beschworen den 18. October 18161

Wir Burgermeister und Rath dieser freien Stadt Frankfurt. Bei der Abstimmung über den Entwurf einer Ergänzungsakte der alten hiesigen städtischen Verfassung, hat sich die Löbliche Bürgerschaft ein bleibendes Denkmal ihres rühmlichen Gemeinsinns und ihres patriotischen Eifers, für das Wohl des hiesigen kleinen Staats, gestiftet. Der Senat vertraute ganz der Liebe Löblicher Bürgerschaft für ihre Vaterstadt: was könnte dem Senate erfreulicher seyn, als daß diese, durch eine offene, freimüthige Zusammensicht bewährt worden ist, welche die frohe Aussicht zu den segenreichsten Folgen eröffnet? Die sehr große Mehrzahl der Bürger aus den drei christlichen Bekenntnissen, welche in Gemäßheit der Aufforderung vom 10ten Juli, zu den dem Senat, geschlossen, übergebenen, von den Quartiervorständen, den Beiständen, Notarien und verpflichteten Aktuarien beglaubigten Quartierprotokollen gestimmt haben, hat für die Annahme der Ergänzungsakte gestimmt. Waltet nun gleich noch Verschiedenheit der Meinungen in der sehr kleinen, minderen Zahl, vor: so ist diese doch nur scheinbar: auch die mindere Zahl bezielt – der Senat ist es versichert – mit der Mehrzahl nur Einen Zweck – das gemeine Wohl; wird dieser

erreicht, dann löset sich die augenblickliche Verschiedenheit, welche vielleicht zum größten Theile auf Mißverstand beruhet, in dem glücklichen Gedeihen des Fortschreitens, von selbst auf. Die Constitutions-Ergänzungsakte wird also hiermit von dem Senate als Verfassungsgesetz publicirt, und es soll dieselbe alsobald in Vollzug gesetzet werden. In der Geschichte unserer Vaterstadt bildet die gegenwärtige Handlung eine wichtige Periode. Die mächtige Hand des Schicksals hatte dem hiesigen gemeinen Wesen ein hartes Loos bereitet: das gütige Geschick endete durch die Gnade der Allerhöchsten verbündeten Mächte, das, worüber man trauerte, und schenkte wohlthätig wieder, was man unersetzlich verloren hielt. – Vereinige sich nun die Löbliche Bürgerschaft – ohne Rücksicht auf den Glauben der verschiedenen christlichen Confessionsverwandten, der außer der beschränkten Sphäre des Weltlichen liegt, und nie einen Unterschied der Bürger erzeugen darf, – mit dem Senate, um gemeinsam, in festem wechselseitigen Vertrauen, nach dem schönen Ziele zu streben, dessen Erreichung, die Liebe für das gemeine Wesen, die Sorge für eigenes Wohl, das ein Theil des Ganzen ist, und reines Gefühl für Pflicht und Recht, in

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F RANKFURT kraftvoller Sprache vorschreiben. Die Weisheit der gütigen höheren Fügung wird auch ferner wachen; und ist der Erfolg des jetzigen Wirkens, wie der Senat hofft, gesegnet, dann werden auch die Nachkommen derer mit Dank und Achtung immer gedenken, die früher den Grundstein legten. Geschlossen in der Rathsversammlung, den 19. Juli 1816.

ARTIKEL 1 Wiedereinführung der alten StadtVerfassung, mit einigen durch den Artikel 46. der Wiener-Congreß-Acte nöthig gewordenen und von dem Zeitgeiste gebotenen Veränderungen und Zusätzen Die ehemalige reichsstädtische Verfassung der hiesigen Stadt, wie solche vor der Besitznahme des Fürsten Primas, auf Privilegien, Verträge, insbesondere den Bürgervertrag, kaiserliche Resolutionen, reichsgerichtliche Entscheidungen, Verordnungen und Herkommen gegründet, unter allerhöchster Autorität kaiserlicher Majestät, als damaligem Reichsoberhaupt, seit so langen Jahren bestanden hat, soll mit Beobachtung der im Wiener Congreß-Instrumente Artikel 46. anzutreffenden Vorschriften und mit den dadurch nöthig gewordenen, in gegenwärtiger Ergänzungs-Acte enthaltenen, von den veränderten staatsrechtlichen Verhältnissen und dem Zeitgeiste gebotenen wenigen Veränderungen und Zusätzen in allen ihren Theilen wieder eingeführt werden.

ARTIKEL 2 (Fortsetzung) insbesondere die eidliche Verpflichtung des Senats gegen die 50

Bürgerschaft und Lezterer gegen Erstern betreffend Der Bürger-, Beisassen- und Schutz-Eid, wird den veränderten staatsrechtlichen Verhältnissen gemäß für die Zukunft: „auf Treue und Gehorsam gegen die freie Stadt und den Senat, und genaue Beobachtung der Stadtverfassung“ normirt. Durch die Annahme gegenwärtiger Constitutions-Ergänzungsakte von der Mehrheit der abstimmenden hiesigen christlichen Bürger, wird der, dem Senat, von den hiesigen Bürgern, Beisassen und Schutzangehörigen früher geleistete Eid, als hierauf ausgedehnt und würklich geleistet, vorerst angesehen und angenommen. Nach erfolgtem Vollzug gegenwärtiger Constitutionsakte und Ergänzung des Senats, soll die solenne Eidesleistung sowohl des Senats dahin: „daß er das ihm übertragene städtische Regiment nur nach Vorschrift der alten Stadtverfassung und dieser Akte führen, auch die Bürger bei ihren Rechten und Freiheiten soviel an ihm liegt, schützen und schirmen wolle“ als jene der gesammten zu versammelnden Bürgerschaft in die Hände des Senats als obrigkeitlichen, die freie Stadt repräsentirenden regierenden Collegium feierlich geschehen.

ARTIKEL 3 (Fortsetzung) insbesondere Abschaffung Fürstlich Primatischer Gesetze und Einrichtungen betreffend In Gefolge des im Artikel 1. ausgesprochenen Grundsatzes wird als abgeschafft angesehen: 1) das fürstlich primatische sogenannte hiesige Bürgerstatut,

E RGÄNZUNGSAKTE DER ALTEN F RANKFURTER S TADTVERFASSUNG (1816) 2) die fürstlich primatische Gesindeordnung, 3) die fürstlich primatische Vormundschafts-Ordnung und namentlich das französische auf einen Familienrath gegründete und daher nach deutschen Gesetzen nicht wohl anwendbare Institut der Beivormünder, 4) der unter der fürstlichen Regierung, bei dem Gericht erster Instanz eingeführt wordene weitläuftige und kostspielige Insatz- und Restkaufschillings-Prozeß – jedoch, daß das 14tägige und zweijährige Entschüttungsrecht abgeschaft bleibt, sammt 5) dem, von den alten Gesetzen und Gerichtsbrauche abweichenden jetzo beobachtet werdenden Verfahren bei Zwangsversteigerungen der Immobilien und öffentlichem Ausgebot der unbeweglichen Güter der Minderjährigen. Ueberhaupt sollen 6) von allen unter der fürstlichen und großherzoglichen Regierung, sowohl im Stadtverwaltungs-Polizei- als im Justizfache ergangenen und unter der bisherigen provisorischen städtischen Regierung entweder beibehaltenen oder aufs neue publicirten Gesetzen und Verordnungen, nur jene welche a) die Bestimmung des Alters der Großjährigkeit auf das vollendete 21te Lebensjahr, b) die abgeschaffte Nothwendigkeit der Insatz-Prolongationen, bei Strafe der Erlöschung der Pfandschaft, c) das Verbot der anmaßlichen Vindication au porteur lautender Staatspapiere, d) die Wiederherstellung und den Fortbestand der alten, obgleich unter der fürstlichen Regierung nicht gerichtlich angezeigten Familienfideicommisse und e) die Verabfolgung der Akten in den Originalien bei Appellationen betreffen, als definitive beibehalten und gültig angesehen werden; hingegen alle andere nur einstweilen und bis zur Bestättigung abseiten des gesetzgebenden Körpers,

Gesetzeskraft behalten. Der Senat hat zudem Ende von den Archivarien ein genaues Verzeichniß über die Leztern fertigen zu lassen, und solches der ersten gesetzgebenden Versammlung um wegen Abschaffung, Bestättigung, oder Modificirung derselben das Geeignete beschließen zu können, vorzulegen.

ARTIKEL 4 Herstellung aller bürgerlichen Rechte, Privilegien und Freiheiten und mehrere Bestättigung derselben Die hiesige Bürgerschaft ist in den vollesten Genuß aller und jeder ihrer alten Privilegien, Rechte, Freiheiten und Gesetze wieder eingesetzt, und wird zu deren Schutze noch ferner bestimmt, a. daß das im Art. 19. der deutschen Bundes-Acte bestimmte Recht des freien Wegziehens aus einem deutschen Bundesstaat in den andern, mit der Freiheit von Nachsteuer – worunter jedoch die Abfindung und der Beitrag zur Kriegsschuldenlast nicht begriffen ist – sobald nur der Abziehende die gleiche Beobachtung von Seiten des Bundesstaats, in welchen er abzieht, beizubringen vermag – unter keinerlei Vorwand geschmälert, auch den, um eine desfallsiges obrigkeitliches Zeugniß Nachsuchenden, damit ohne Anstand an Handen gegangen werden soll, b. daß die Bürger hiesiger Stadt keine öffentlichen Abgaben und Lasten zu entrichten haben, welche nicht von den competenten Staatsbehörden im verfassungsmäßigen Wege bestimmt und förmlich ausgeschrieben worden sind, wo sodann gegen deren Entrichtung keinerlei Einreden noch Rechtsmittel Statt finden. Doch sollen alle außerordentliche Abgaben auf länger als drei Jahre im voraus nicht bestimmt werden, c. daß auf eine allgemeine Vermögens-

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F RANKFURT Confiscations-Strafe von den hiesigen Behörden und in deren Namen, nie, auf die besondere oder die eines Theils des Vermögens aber in Defraudationsfällen der öffentlichen Abgaben und Lasten nur dann erkannt werden darf, wenn die Gesetze solches ausdrücklich verordnen. In diesem letzteren Falle soll jedoch dem ganzen Senate die Milderung und Herabsetzung des Confiscations-Quanti aus bewegenden Ursachen und unter Berücksichtigung des größeren oder minderen Verschuldens und der dadurch betroffen werdenden Personen ex gratia allerdings freystehen – derselbe auch hierunter an die Einwilligung des ständigen Bürger-Ausschusses nicht gebunden seyn. Die Preßfreiheit wird der gesetzgebende Körper gleichförmig mit demjenigen reguliren, was nach Art. 18. Lit. D. der deutschen Bundes-Akte auf der deutschen Bundesversammlung festgesetzt werden dürfte.

ARTIKEL 5 Die Hoheitsrechte der Stadt stehen der Gesammtheit der christlichen Bürgerschaft zu Alle, der – durch Art. 46. der Wiener Congreß-Acte für frei und zum Mitglied des deutschen Bundes erklärten – Stadt Frankfurt – zustehenden Hoheits- und Selbstverwaltungs-Rechte beruhen in ihrem weitesten Umfange auf der Gesammtheit ihrer christlichen Bürgerschaft.

ARTIKEL 6 Gleichheit der drei christlichen Confessionen. Indigenats- und Vermögens-Erfordernisse Die gesammte christliche hiesige Bürgerschaft bildet nur ein Ganzes. Die kirchliche Verschiedenheit der drei christlichen Confessionen, hat auf die Rechte und Verhältnisse, welche aus dem bürgerlichen Staatsver-

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bande entstehen, fernerhin nicht den mindesten Einfluß; vielmehr sind alle hiesige christliche Bürger der drei Confessionen einander an Rechten und Obliegenheiten durchaus gleich. Bei Besetzung der Staats-Verwaltungsund Justiz-Stellen, auch bei allen andern Stadt- und Gerichts-Aemtern, Anstellungen und Diensten, muß zwar auf das Bekenntniß der christlichen Religion schlechterdings, – es darf aber darauf, ob sich jemand zu dieser oder jener der drei christlichen Confessionen bekennt, nicht gesehen werden. Im Senate müssen fortwährend mehrere Mitglieder aller drei christlichen Confessionen wurklich seyn. Auch geschieht dieser Vorschrift dadurch kein Genüge, daß sich etwa nur ein oder zwei Mitglieder der einen oder der andern Confession darin befinden. In Zukunft soll (mit Ausnahme dessen was am Schlusse dieser Acte transitorisch verordnet wird): Niemand in den Rath, oder zu einem besoldeten Stadtdienste gelangen können, welcher nicht entweder eingebohrner Bürger (im Sinne der hiesigen Statuten) ist, oder – wäre er dieses nicht – seit 10 Jahren dahier im Bürgerrecht steht und während dieser Zeit ununterbrochen seinen Wohnsitz in hiesiger Stadt gehabt hat. Der Senat darf im Wege der Gnade künftig Niemanden das hiesige Bürgerrecht ertheilen, der nicht ein Vermögen von wenigstens 5000 fl., – des 24 fl. Fußes beweislich inferiren kann. Dem gesetzgebenden Körper bleibt jedoch auf Antrag des Senats die Dispensation zu Gunsten vorzüglicher Talente vorbehalten.

ARTIKEL 7 Christliche Beisassen, Einwohner jüdischer Religion, und Landbewohner Außer der christlichen Bürgerschaft befinden sich von ältesten Zeiten her, in der

E RGÄNZUNGSAKTE DER ALTEN F RANKFURTER S TADTVERFASSUNG (1816) Stadt Frankfurt auch noch christliche Beisassen, ingleichen Einwohner jüdischer Religion und auf den Dorfschaften sogenannte Nachbarn. Die Beisassen-Ordnung bestimmt den Inbegriff der Rechte und Obliegenheiten der christlichen Beisassen. Den BeisassenSchutz soll der Senat Personen, welche nicht aus der Beisassen-Ordnung einen gegründeten Anspruch darauf haben, aus Gnade nicht verleihen, wenn solche nicht ein Vermögen von wenigstens 500 fl. des 24 fl. Fußes glaublich nachweisen können. Da es, soviel die hiesigen Einwohner jüdischer Religion betrifft – keinen Zweifel leidet, daß jeder christliche Staat nicht nur die Befugniß, sondern auch die Pflicht hat, die bürgerlichen Rechte seiner jüdischen Einwohner nach den eigenen Lokalitäten so zu reguliren, daß der Nahrungs- und Gewerbstand der christlichen Bürgerschaft, als des wesentlichsten Bestandtheils des christlichen Staats, daneben bestehen kann; so soll der Senat durch eine aus Gliedern seiner Mitte und aus jener des beständigen Bürger-Ausschusses zusammengesezte Commission, ein, dem Zeitgeiste und der Billigkeit entsprechendes Regulativ der bürgerlichen Rechte der hiesigen Einwohner jüdischer Confessionen unverzüglich entwerfen lassen, und solches dem gesetzgebenden Körper in seiner ersten Zusammenkunft zur Deliberation und Sanctionirung vorlegen. Die Emancipation der Landbewohner auf den hiesigen Dorfschaften und die Regulirung ihrer künftigen Verhältnisse, auch auf welche Weise sie bei den ihr Interesse betreffenden Gegenständen in dem gesetzgebenden Körper zu vertreten sind, wird von dem gesetzgebenden Körper in nähere Berathung genommen werden.

ARTIKEL 8 Bestimmung der Staatskörper zur Ausübung der gesammten HoheitsRechte Die hiesige christliche Bürgerschaft kann die, aus der ihr zustehenden Hoheit fließenden Rechte in ihrer Gesammtheit nicht selbst ausüben. Sie überträgt daher deren Ausübung auf die drei folgenden aus ihrer Mitte und Autorität ausgehenden Behörden, welche durch die Benennungen: 1) der gesetzgebenden Versammlung oder des gesetzgebenden Körpers 2) des Senats als obrigkeitlichen Collegiums, und 3) des ständigen Bürger-Ausschusses bezeichnet werden.

ARTIKEL 9 Bestandtheile des gesetzgebenden Körpers Der gesetzgebende Körper besteht: a) aus 20 Mitgliedern des Senats b) aus 20 Mitgliedern des ständigen Bürger-Ausschusses, und c) aus 45 aus der Mitte der übrigen Bürgerschaft gewählt werdenden Personen.

ARTIKEL 10 Wahl-Art der Mitglieder des gesetzgebenden Körpers A. Der Senat, und B. der ständige Bürger-Ausschuß, wählen zu jeder jährlichen gesetzgebenden Versammlung ihre Mitglieder selbst. Ersterer ist hierbei an die Wahl aus allen drei Rathsordnungen überhaupt, oder in gleicher Anzahl schlechterdings nicht gebunden, sondern hat darauf vorzüglich zu sehen, daß Männer, welchen die besten Kenntnisse über die zu verhandelnden Gegenstände beiwohnen, und die daher im Stande sind die

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F RANKFURT gesetzgebende Versammlung mit ihren Einsichten und Erfahrungen zu unterstützen, zu bereichern und aufzuklären, gewählt werden. Von gleicher Ansicht geht der ständige Bürger-Ausschuß bei seinen Wahlen aus, und es müssen in dieser Hinsicht allezeit einige Mitglieder der Stadt-Rechnungs-Revision mitgewählt werden. C. Die Mitglieder des gesetzgebenden Körpers aus der übrigen Bürgerschaft, werden jährlich von der gesammten christlichen Bürgerschaft durch Bildung eines Wahl-Collegs von 75 Bürgern gewählt, wie folgt:

ARTIKEL 11 Bildung eines Wahl-Collegs durch Abstimmung aller christlichen Bürger, nach drei Abtheilungen Um ein Wahlcollegium von 75 hiesigen christlichen Bürgern zu bilden, sollen alle christliche Bürger an bestimmten Tagen in drei verschiedenen hiezu angewiesenen Lokalen, nach drei Klassen oder Abtheilungen – welche übrigens keinen Rang noch Vorzug geben – auf nachbeschriebene Weise zu stimmen berechtigt seyn. Den Vorsitz in diesen drei Abtheilungen führen die Quartiervorstände, welche sich nach ihrem Ermessen in die drei Abtheilungen vertheilen, auch für jede Abtheilung sechs Gehülfen aus der Bürgerschaft zu sich nehmen. Ein Notar führt das Protocoll. Der Senat und der ständige Bürgerausschuß schicken zur Aufsicht, daß alles in der festgestellten constitutionellen Ordnung vor sich gehe, besondere Commissarien zu denselben. Abtheilung I In einer dieser Abtheilungen stimmen die Adelichen, die Gelehrten aller Facultäten, die darunter gehörigen Staatsdiener

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und Geistlichen der drei christlichen Confessionen, die Prokuratoren und Notarien einbegriffen; alle andere zum Gelehrtenstande nicht gehörige Staatsdiener, die Linien-Offiziere aller Grade, die Gutsbesitzer, die als Rentenirer eingeschriebene Bürger, die Schul- Sprach- und sonstige Lehrer, so wie alle nicht zünftige Künstler. Abtheilung II In einer andern Abtheilung stimmen die Handelsleute und zwar ohne Unterschied, Banquiers, Groß- und Kleinhändler, die Gastwirthe, verbürgerte Buchhalter und Handlungs-Commis, die geschwornen Mackler, die Krämer und alle zu keiner Zunft gehörige Wirthe. Abtheilung III In einer dritten Abtheilung stimmen die zünftigen Handwerker und Künstler, auch alle den zwei andern Abtheilungen nicht bereits zugewiesene Bürger, welche irgend ein sonstiges gesetzlich erlaubtes Gewerb und Nahrung dahier treiben. Jeder hiesige christliche Bürger – die Mitglieder des Senats und des ständigen Bürgerausschusses miteingeschlossen – kann an dem bestimmten Tag und am Orte seiner Abtheilung, nachdem er sich benöthigten Falls durch Vorzeigung seines Schatzungsbuchs, oder sonst daß er Bürger sey, und zu der Abtheilung, wohin er sich wendet, gehört, legitimirt hat, einen Stimmzettel einreichen, worauf er 25 christliche Bürger mit genauer Andeutung des Namens, Standes und der Wohnung ohne alle Berücksichtigung des Stadtquartiers, worinnen solche wohnen, die aber – (welches wohl zu bemerken ist) – zu dieser seiner Abtheilung gehören, verzeichnet hat, und die er zu Wahlmännern bestimmt. Mitglieder des Senats und des ständigen Bürgerausschusses können, obgleich sie mitstimmen, zu Wahlmännern nicht gewählt werden. Dieser Stimmzettel

E RGÄNZUNGSAKTE DER ALTEN F RANKFURTER S TADTVERFASSUNG (1816) wird übrigens von dem Ueberreicher nicht unterschrieben, sondern nur sein persönliches Erscheinen und die geschehene Einreichung seines Stimmzettels zum Protokoll bemerkt, der Zettel aber sogleich in eine verschlossene Lade geworfen. Welcher hiesige christliche Bürger an den bestimmten Tagen bis Abends 6 Uhr, in seiner Abtheilung nicht erschienen ist, und seinen Stimmzettel nicht eingereicht hat, wird dafür angesehen, als habe er sich für dieses Mal seines Stimmrechts begeben wollen. Nach geschlossener Abstimmungsakte wird die Lade eröffnet, und ein genaues Verzeichniß derjenigen Bürger, welche Stimmen und wie viele erhalten haben, und auf welche die Mehrheit ausgefallen ist, nach den Stimmzetteln verfertigt. Findet sich bei Gewählten eine Stimmengleichheit, so entscheidet, soweit es zur Bestimmung der 25 Wahlmänner nöthig ist, zwischen denjenigen, welche gleiche Stimmen haben, das Loos. Ihre Namen werden nämlich auf Looszettel geschrieben, in eine Büchse geworfen, und von dem ältesten Quartiervorstand, im Beiseyn der übrigen Gehülfen ingleichen des Notars, unter Aufsicht der Commissarien, des Senats und des ständigen Bürgerausschusses, daraus gezogen. Der Quartiervorstand, die Beisitzer und der Notar errichten sofort das Verzeichniß der 25 Wahlmänner jeder Abtheilung, beglaubigen dasselbe, und stellen es dem älteren Bürgermeister zu. Das Protokoll über diejenigen, welche nächst den 25 Gewählten die mehresten Stimmen in jeder Abtheilung erhalten haben, wird zu dem Ende aufbewahrt, damit auf den Fall, daß einer der 25 Gewählten durch Abwesenheit, Krankheit oder Sterbfall am Vollzug oder Vollendung seiner diesmaligen Obliegenheit verhindert werden sollte, es keiner neuen Wahl bedarf, sondern der – oder diejenigen, welche in ihrer Abtheilung gleiche oder die zunächst mehrere Zahl der Stimmen für sich vereinigt haben, ohne weiteres,

oder bei gleichen Stimmen nach dem Loos, eintreten können.

ARTIKEL 12 Versammlung des Wahlcollegs der 75 christlichen Bürger Sobald dem älteren Bürgermeister die Verzeichnisse der, in jeder der drei Abtheilungen gewählten 25 christlichen Bürger zugekommen sind, macht derselbe einem jeden die auf ihn ausgefallene Wahl mit der Einladung, sich an einem bestimmten Orte, Tage und Zeit einzufinden, schriftlich bekannt. Es versammeln sich nun diese 75 Wahlmänner in einem Lokale des Römers, ersehen sich solgeich einen Director, Vice-Director und zwei Sekretarien aus ihrer Mitte, und wählen sofort aus allen Ständen der gesammten hiesigen christlichen Bürgerschaft ohne Rücksicht auf das Stadtquartier, worinnen jemand wohnt, durch absolute Stimmenmehrheit 45 christliche Bürger, in deren Rechtschaffenheit und Kenntnisse sie Vertrauen setzen, zu Mitgliedern des diesjährigen gesetzgebenden Körpers. Das Protokoll der Abstimmung, mit dem Bemerken, welche Personen nächst den 45. die meisten Stimmen erhalten haben, wird zu dem Ende sorgfältig aufgehoben, damit wenn einer oder mehrere der gewählten durch Abwesenheit, anhaltende Krankheit oder Todesfall abgehen sollte, es keiner neuen Wahl bedarf, sondern der- oder diejenigen, welche zunächst die meisten Stimmen gehabt haben, einrücken können. Es versteht sich von selbst, daß Mitglieder des Senats und des ständigen BürgerAusschusses – weil sie in anderem Wege zum gesetzgebenden Körper gelangen – nicht gewählt werden können. Sonst aber dürfen zu Mitgliedern des gesetzgebenden Körpers nicht gewählt werden: 1) Wer noch nicht 30 Jahr alt ist.

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F RANKFURT 2) Wer in besoldeten Diensten eines Privaten steht. 3) Wer eines peinlichen Verbrechens halber bestraft worden, oder desfalls noch in Untersuchung befangen ist. 4) Alle Falliten, es sei nun, daß jemand sein Zahlungs-Unvermögen gerichtlich angezeigt oder mit seinen Gläubigern insgeheim Nachlaß- oder Anstands-Verträge errichtet hat, bevor er seine Gläubiger vollständig, d.h. ohne Abzug oder Nachlaß bezahlt haben wird.

ARTIKEL 13 Verpflichtung zur Annahme der Wahl. Zusammenberufung des gesetzgebenden Körpers Der Gewählte muß bei Verlust seines Bürgerrechts, die auf ihn ausgefallene Wahl annehmen. Der Director des Wahl-Collegii stellt dem älteren Bürgermeister und dem Senior des ständigen Bürger-Ausschusses, das von ihm und den Sekretarien unterschriebene Protokoll zu. Der ältere Bürgermeister, nachdem ihm auch der ständige BürgerAusschuß, die seiner Seits getroffene Wahl von 20 Mitgliedern bekannt gemacht hat, veranstaltet hierauf die schriftliche verfassungsmäßige Bekanntmachung und Einladung zur gesetzgebenden Versammlung.

Tage vorher getroffen werden, die Wahlen aber in 8 Tagen beendigt seyn. Dieser gesetzgebende Körper dauert in der Regel sechs Wochen, wonächst er sich selbst wieder auflöset. Nur auf Antrag des Senats kann die Dauer verlängert, wohl aber von der Versammlung selbst wegen früherer Erledigung der Geschäfte, abgekürzt werden. Nach Beendigung der jährlichen Versammlung treten sämmtliche Mitglieder in ihre früheren Verhältnisse zurück; sie dürfen jedoch in dem folgenden Jahre und sofort wieder gewählt werden. Sollten außerordentliche Fälle eintreten, derenthalben der Senat das Zusammenberufen des gesetzgebenden Körpers in der Zwischenzeit für nöthig erachtet, so wird nicht zu neuen Wahlen geschritten, sondern auf diesen besonderen Fall, wird der Auftrag und die Vollmacht der sämmtlichen Mitglieder der lezten Versammlung als verlängert angesehen. Wenn ein oder das andere Mitglied der 45 Bürger immittelst verstorben, krank oder abwesend wäre, so wird es wie in Artikel 11 und 12 gedacht ist, gehalten. Der Rath und der ständige Bürger-Ausschuß hingegen erwählen, wenn der nämliche Fall bei Mitgliedern aus ihrer Mitte eintritt, sogleich andere.

ARTIKEL 15 ARTIKEL 14 Zeit der Versammlung des gesetzgebenden Körpers und dessen Dauer Eine solche gesetzgebende Versammlung muß von dem Senat jedes Jahr auf den ersten Montag des Novembers zusammenberufen werden, sonst sie sich aus eigenem Rechte constituirt. Zu dem Ende müssen die Einleitungen zur Abstimmung nach Ständen und zur Bildung des Wahl-Collegs 14

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Innere Einrichtung des gesetzgebenden Körpers Da der gesetzgebende Körper die Gesammtheit der christlichen Bürgerschaft im weiteren und republikanischen Sinne, das heißt, mit Einschluß der Mitglieder des Senats und des ständigen Bürger-Ausschusses vorstellt; so soll es mit dessen innerer Einrichtung folgendermaßen gehalten werden. Auf Einladen des älteren Bürgermeisters versammeln sich zum ersten Male, die vom

E RGÄNZUNGSAKTE DER ALTEN F RANKFURTER S TADTVERFASSUNG (1816) Senat, von dem ständigen Bürger-Ausschuß und von dem Wahl-Colleg der 75 gewählten 85 Personen in einem bestimmten Lokale. Die Stühle sind mit 85 Nummern bezeichnet, und am Eingang des Zimmers befindet sich ein lederner Beutel, mit eben so viel Nummerzetteln, woraus jeder eintretende Bürger eine Nummer zieht, welche für diese Sitzung seinen Platz bestimmt. Die Versammlung wählt hierauf in der ersten Sitzung einen Präsidenten aus den 20 Mitgliedern des Senats und zwei Vice-Präsidenten aus den übrigen Mitgliedern der Versammlung, welche den Präsidenten unterstützen. Das Protokoll führen vier von dem gesetzgebenden Körper aus seiner Mitte gewählt werdende Sekretairs. – In dieser ersten Sitzung schwören sämmtliche Mitglieder des gesetzgebenden Körpers folgenden Eid: „Ich schwöre, daß ich ohne Gunst und ohne Haß gegen irgend jemand, und ohne alle Rücksicht auf irgend einen frühern Verband oder persönliches Verhältniß, nur gemeiner Stadt Wohlfahrt nach meinem besten Wissen und Gewissen rathen und fördern; auch was gedachter Stadt Wohlfahrt geheim zu halten gebietet, vor Jedermann bis in mein Grab geheim halten will. So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium.“ Die nachfolgenden Sitzungen bestimmt das Präsidium, welches nebst den beiden Vice-Präsidenten einen besonderen Sitz in der Mitte des Versammlungs-Saals mit den Sekretarien nimmt. Die Plätze der übrigen verbürgerten Mitglieder aber, bestimmen sich für jede Sitzung, wie bei der ersten, fortwährend nach dem Loose, deren Zahl sich nun um sieben vermindert. An den gesetzgebenden Körper, gelangen in der Regel alle Vorträge von dem Senat durch das Präsidium. Der Präsident, unter Mitberathung der beiden Vice-Präsidenten, fertigt zu dem Ende ein Verzeichniß der zu berathenden

Gegenstände, dessen Einsicht sämmtlichen Mitgliedern einige Tage früher offen liegt. Findet es die Versammlung nöthig, so werden besondere Ausschüsse zur Vorbereitung der einzelnen Gegenstände ernannt, welche sodann in der Deliberations-Session einen Vortrag darüber erstatten. Bei allen Deliberationen steht es jedem Mitgliede frei, bevor umvotirt wird, seine Gründe für und wider die Annahme mündlich vorzutragen und hören zu lassen, zu welchem Ende man sich Tags vor der Sitzung bei dem Sekretariat anmeldet. Dieses verzeichnet die Namen der Mitglieder, welche für oder wider sprechen wollen in der Ordnung, wie sich solche angemeldet haben, und stellt solches Verzeichniß dem Präsidenten zu seiner Maßnehmung und um diese Ordnung im Aufrufen beobachten zu können, zu. Sind die Discussionen über einen Gegenstand geschlossen, so wird nur mit wenigen Worten, ohne Einmischung von Gründen, auf den Aufruf des Präsidenten oder Vice-Präsidenten, welche zulezt stimmen, votirt.

ARTIKEL 16 Ausnahme von der Regel, daß alle Deliberations-Punkte nur vom Senate an den gesetzgebenden Körper zu gelangen haben Ausnahmsweise sollen außer dem Senat an den gesetzgebenden Körper schriftliche Vorträge gelangen lassen können: 1) Der ständige Bürger-Ausschuß als solcher und 2) jedes einzelne Mitglied des gesetzgebenden Körpers. In diesen beiden Fällen tritt aber eine besondere Verfahrungsweise ein. Es entscheidet nämlich der gesetzgebende Körper vorerst durch Mehrheit der Stimmen über die Zulässigkeit des Gegenstandes überhaupt zur Deliberation.

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F RANKFURT Wird für die Zulässigkeit beschlossen, so wird der Antrag dem Senat, um sich darüber zu äußern, mitgetheilt. Hält der Senat dafür und erklärt sich dahin, daß der Gegenstand nicht bei dieser gegenwärtigen gesetzgebenden Versammlung, oder doch nicht alsbald in Deliberation kommen solle: so wird der Gegenstand in zwei auf einander folgenden Sitzungen ablesend vorgetragen und es kann erst in einer dritten Sitzung und zwar nur durch eine Mehrheit von 2/3 der Stimmen entschieden werden, daß der Gegenstand dessen ungeachtet in der jetzigen Versammlung in einer kürzern oder längeren Zeitfrist zur Abstimmung gebracht, oder daß er der nächstkünftigen Jahresversammlung vorbehalten seyn soll. Andere zu Handhabung der Stimmfreiheit, der Ordnung und sonsten hinzielende Vorschriften, bleiben dem gesetzgebenden Körper lediglich überlassen.

ARTIKEL 17 Wirkungskreis des gesetzgebenden Körpers Zum Wirkungskreise des gesetzgebenden Körpers gehört: 1) Die Gesetzgebung überhaupt, doch mit Ausnahme der organischen Grundverfassungs-Gesetze, als womit es nach Artikel 50 zu halten ist. Insbesondere wird zu der Gesetzgebung gerechnet: a) Die Besteuerung, es sey nun, daß die alten Steuern abgeschaft, abgeändert oder neue eingeführt werden sollen, nebst Bestimmung der Erhebungsweise. b) die Anordnung und Einrichtung der bewaffnten Macht. 2) Die Sanction aller Staatsverträge. 3) Die Uebersicht über den gesammten Staatshaushalt, mithin die Einsicht aller Stadtrechnungen durch Ausschüsse und Genehmigung der jährlichen Statuum exigentiae.

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4) Die Entscheidung in Fällen, welche dem Senate in Concurrenz mit dem ständigen Bürger-Ausschuß verfassungsmäßig überlassen sind, wenn beide Collegien verschiedene Ansichten hegen, und sich darüber nicht vereinigen können. 5) Die Einwilligung zu der Veräußerung städtischer Gemeindegüter, doch so, daß der Senat die Macht behält, mit Einwilligung des ständigen Bürger-Ausschusses, städtische Immobilien, welche unter dem Taxationswerthe von 4000 fl. des 24 fl. Fußes stehen, selbst ohne öffentliches Ausgebot; andere von höherem Taxationswerthe aber, nur im öffentlichem Ausrufe zu veräußern; nur müssen die Kaufgelder lediglich zur Tilgung hiesiger Stadtschulden verwendet werden und muß dem gesetzgebenden Körper von der Veräußerung sowohl als von der Verwendung des Kaufschillings die Anzeige geschehen. Soll hingegen die Veräußerung städtischer Immobilien von einem Taxationswerthe von mehr als 4000 fl. des 24 fl. Fußes außer der Verganthung geschehen, oder soll der Erlös und der Verkauf städtischer Immobilien überhaupt zu andern Zwecken als zur Tilgung hiesiger Stadtschulden verwendet werden, so tritt die Eingangs gedachte absolute Nothwendigkeit eines vorgängigen Beschlusses des gesetzgebenden Körpers ein. 6) Die Mitwirkung bei Wiederbesetzung vakanter Stellen im Senate und in dem ständigen Bürger-Ausschuß, durch Mitglieder welche in beiden Hinsichten nicht zum Senate, in letzterer aber, auch nicht zum ständigen Bürger-Ausschuß gehören dürfen; 7) Die Bewahrung und Erhaltung der Verfassung. Bei dem gesetzgebenden Körper können Verlezzungen der Verfassung, daferne solche Stufenweise den geeigneten Behörden, bis zum Senat, vorher angezeigt worden sind, von einem Jeden schriftlich angebracht werden. Der gesetzgebende Körper untersucht

E RGÄNZUNGSAKTE DER ALTEN F RANKFURTER S TADTVERFASSUNG (1816) durch einen Ausschuß die Zulässigkeit der Denunciation und verwirft entweder dieselbe sogleich oder theilt sie dem Senat zur Erläuterung mit. Nach deren Einlangung während der Dauer dieser gesetzgebenden Versammlung verfügt lezterer hierauf. Sollte hierbei einem einzelnen Staatsbeamten, etwas zur Last fallen, so muß derselbe mit seiner Vertheidigung gehört, und die Akten zum Spruch, nach Verlangen desselben, entweder an das gemeinschaftliche Ober-Appellations-Gericht oder an eine auswärtige Juristen-Facultät gesandt werden. Gegen diesen Spruch kann nicht vom Fiscus, wohl aber vom Betheiligten eine weitere Revision eingelegt und ein ferneres Erkenntniß durch Acten-Versendung eingeholt werden. Bei diesem lezteren Erkenntniß behält es sein Bewenden. In soferne die Denunciation sich als Calumnie nach gepflogener Untersuchung darstellen sollte, so ist gegen den etwaigen falschen Denuncianten, welcher den gesetzgebenden Körper zu so bedauerlichen Schritten veranlaßt hat, rechtlicher Ordnung nach, als Calumnianten durch Verweisung an die Gerichte zu verfahren.

ARTIKEL 18 (Ad Art. 8. II.) Vom Senate als obrigkeitlichem Collegio. Bestandtheile des Senats Der Senat als obrigkeitliches Collegium, besteht in Zukunft (mit Ausnahme dessen was unten transitorisch verordnet wird) aus 42 Personen mit Einschluß jener vier Rathsglieder, welche zwar das Syndikats-Amt in seinen bisherigen Obliegenheiten – wobei es belassen wird – versehen, doch aber in allem Betrachte einen integrirenden Theil des Senats ausmachen, auch gleich andern Senatoren entscheidende Stimmen führen. Der Senat theilt sich, wie von Alters her,

in drei Ordnungen oder Bänke, nämlich: a) in die Ordnung der älteren Senatoren oder Schöffen, bestehend aus 14 Personen, b) in jene der jüngeren Senatoren, gleichfalls 14 Mitglieder zählend, und c) in die der Rathsverwandten dritter Bank von 14 Mitgliedern. Aus der ersten Ordnung wird jährlich der ältere, und aus der zweiten Ordnung der jüngere Bürgermeister gewählt. Ein Stadtoder vielmehr Gerichts-Schultheißen-Amt besteht ferner nicht in den Rathsversammlungen, sondern vereinigt sich in der Person des jeweiligen Präsidenten des Appellations-Gerichts, welcher aber in den Rathsversammlungen gleich Andern Sitz und Stimme nur als Rathsglied der ersten Ordnung fortbehält.

ARTIKEL 19 Qualification zu Rathsstellen Die Geburt giebt kein Vorrecht und keinen positiven Anspruch auf Rathsstellen und die Verschiedenheit des christlichen Religions-Bekenntnisses ist schlechterdings kein Hinderniß, vielmehr muß desfalls die allgemeine Vorschrift des Artikel 6. genau beobachtet werden. Die Bestimmung der Grade der Verwandschaft und Schwägerschaft mit Rathspersonen oder mit dem Consulenten des ständigen Bürger-Ausschusses, welche eine Ausschließung bewirken, bleiben die nämlichen, wie solche durch kaiserliche Resolutionen festgesezt worden sind, mit Ausnahme dessen, was unten transitorisch verordnet wird. Auf die erste Raths-Ordnung wird von der zweiten nach dem Dienstalter fortgerückt. Auf die zweite und dritte gelangt man durch Wahl und Kugelung. Zur Rathsstelle wird, außer dem allgemeinen Erforderniß, zu allen besoldeten Stadtämtern und Diensten (Art. 6), ein Alter von 30 Jahren erfordert, und darf man nicht

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F RANKFURT in den Diensten eines andern Staats stehen. Nach geschehener Wahl muß solchen und allen fremden Titeln entsagt werden. Zur zweiten Rathsordnung können gewählt werden Gelehrte, Adeliche, Militairpersonen, Kaufleute und andere angesehene hiesige Bürger, wie auch verdiente Mitglieder der dritten Rathsordnung. Zu zwölf Plätzen der dritten Rathsordnung wird aus allen hier zünftigen Handwerkern ohne Unterschied gewählt, und zwar so, daß von einem und demselben Handwerke oder Zunft nie mehr als ein Genosse im Rath seyn darf. Zu den zwei anderen Plätzen der dritten Rathsordnung wird aus der gesammten übrigen nichtzünftigen hiesigen christlichen Bürgerschaft, ohne Berücksichtigung des Gewerbes gewählt.

ARTIKEL 20 Raths-Wahlen Um der gesammten Bürgerschaft Antheil an den Rathswahlen zu verschaffen, und dadurch das Vertrauen der zu Regierenden in die Regierende zu erhöhen und zu verstärken, soll in Zukunft wenn Rathsstellen erledigt werden, der gesammte Rath durch Scrutinium ganz frei und ohne Berücksichtigung der Rathsbänke, sechs Wahlherren aus seiner Mitte wählen. Ein Gleiches geschiehet von den 65 Mitgliedern des gesetzgebenden Körpers, welche nicht zu dem Raths-Collegio gehören. Diese 12 Personen treten zusammen, und nachdem sie in die Hände des ältesten Wahlherrn des Senats, einen auf die alleinige Berücksichtigung des Wohls hiesiger Stadt gerichteten Wahl-Eid, welchen der Abnehmende gleichfalls in die Hände des ältesten von den 6 mitwählenden Bürgern leistet, abgelegt haben, wählen sie durch absolute Stimmenmehrheit, welche der zu Wählende für sich haben muß, drei nach der hiesigen

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Verfassung qualificirte Bürger. Nach vollzogner Wahl begeben sich die 12 Wahlherrn in die versammelte Raths-Sitzung und eröffnen derselben die getroffene Wahl. Die sechs Rathsglieder nehmen ihre gewöhnlichen Sitze ein. Den sechs andern bürgerlichen Wahlherrn, werden besondere Stühle in der Mitte des Rathszimmers gestellt und sofort wird in ihrem Beiseyn die alt herkömmliche Kugelung auch Verpflichtung des Gewählten vorgenommen.

ARTIKEL 21 Wahlart der Stadt-Syndiken Die Stadtsyndiken, als wirkliche Rathsmitglieder, werden in Zukunft nur aus den rechtsgelehrten Mitgliedern des Senats vom Senat selbst durch Scrutinium ohne Kugelung gewählt, wenn vorerst die durch ihren Abgang erledigte Rathsstelle auf die im Artikel 20 vorgeschriebene Weise wiederum besezt worden ist. Bei Verlust der Rathsstelle ist das Senatsmitglied, auf welches die Wahl gefallen, das Syndikats-Amt anzunehmen verbunden. Hat jedoch Jemand das Syndikats-Amt 20 Jahre lang versehen, so kann er um Abnahme dieser Function nachsuchen, wodurch derselbe aber auch den höheren Gehalt einbüßt. Der Gewählte behält im Senate seinen bisherigen Rang und Sitz, und rückt nach dem Dienstalter fort.

ARTIKEL 22 Zusammenberufung des gesetzgebenden Körpers zu den Rathswahlen Wenn die vorzunehmende Wiederbesetzung einer oder mehrerer vacant gewordenen Rathsstellen bis zum Termin der jährlichen Versammlung des gesetzgebenden Körpers nicht verschoben werden kann, so

E RGÄNZUNGSAKTE DER ALTEN F RANKFURTER S TADTVERFASSUNG (1816) wird es nach dem, was Artikel 14 für dringende Fälle verordnet ist, gehalten und kann der Senat die Mitglieder des gesetzgebenden Körpers zu diesem Entzweck zusammenberufen.

ARTIKEL 23 Wahlart der beiden Bürgermeister Alle Jahre wird wie von Alters her zur neuen Wahl der Bürgermeister geschritten und kein Rathsglied darf zwei Jahre hinter einander das Bürgermeisteramt führen. Die Bürgermeisterwahlen geschehen im ganzen Rath auf die Weise, daß durch Scrutinium drei Personen aus den 14 Mitgliedern, welche die erste Rathsordnung bilden (transitorisch, aus den mehreren) für die Stelle des älteren Bürgermeisters, und drei aus den 14 (transitorisch, aus den mehreren) Mitgliedern der zweiten Rathsordnung, zur Stelle des jüngeren Bürgermeisters vorerst gewählt werden. Jedes Rathsmitglied der ersten und zweiten Ordnung kann wählen und gewählt werden, unangesehen ob dasselbe bei dem Appellationsgericht, Syndikat oder Stadtgerichte angestellt ist. Daß die Senatsglieder der dritten Bank mitwählen, versteht sich von selbst. Im lezteren Falle werden des Gewählten Funktionen, respective von dem nachfolgenden ältesten Rath eines jeden Gerichts, oder wo nöthig, von einem andern rechtsgelehrten Mitgliede des Senats, während der Dauer des Bürgermeister-Amts versehen. Unter den so Gewählten entscheidet hiernächst die Kugelung.

ARTIKEL 24 Amtsobliegenheiten der beiden Bürgermeister a) Aelterer Bürgermeister. Der ältere Bürgermeister und in subsidium der jüngere, führt bei den Rathsver-

sammlungen des Direktorium. Der ältere Bürgermeister theilt alle einkommende und zu des Senats Deliberation geeignete Gegenstände über welche er nicht selbst den Vortrag machen will, unter die Rathsglieder als Referenten in den gewöhnlichen Verwaltungs-Rathssitzungen aus, und bringt solche hiernächst auf den gewöhnlichen Proponendenzettel. Sämmtliche Rathsglieder sind verpflichtet solche Referate zu übernehmen. Findet die Rathsversammlung die Gegenstände so wichtig, daß nach vernommenem Berichte des betreffenden Stadt-Verwaltungsamts und nach angehörtem Vortrag des Senats-Referenten, welcher jederzeit ein anderer als der Amts-Deputirte seyn muß, eine noch weitere Prüfung für nöthig erachtet wird, so können Gutachten der Syndiken oder mit ihrer Zuziehung von einer aus dem Verwaltungsrath, ad publica, zu formirenden Rathsdeputation gefordert werden. Ausserdem ist dem älteren Bürgermeister die gesammte Leitung der bewaffneten Macht anvertraut. b) Jüngerer Bürgermeister. Der jüngere Bürgermeister versieht, wie schon gedacht, in den Rathsverammlungen subsidiarisch die Stelle des älteren; außerdem aber leitet er 1) unter Mitwirkung eines Senators der zweiten und eines Rathsverwandten der dritten Rathsordnung das gesammte PolizeiWesen. Bei polizeilicher Bestimmung der Taxen, wird ein Mitglied des ständigen Bürger-Ausschusses zugezogen. Die Polizei soll neu organisirt, auch sollen alle vormalige bauamtliche Polizei-Sachen an das Bauamt zurück verwiesen werden; ferner und 2) präsidirt der jüngere Bürgermeister dem, mit der Sicherheitspolizei so nahe in Verbindung stehenden peinlichen VerhörAmte; auch gehören 3) alle vorbereitende Untersuchungen der

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F RANKFURT Bürgerrechts- und sonstiger Gesuche um den Beisassen und anderen Schutz, sodann 4) alle Handwerkssachen vor den jüngeren Bürgermeister. Bei leztern, und in so weit nöthig, auch bei den unter No. 3. gedachten Untersuchungen, hat der jüngere Bürgermeister zwei Rathsglieder der dritten Ordnung beizuziehen.

ARTIKEL 25 Wirkungskreis des Senats im Ganzen und Abtheilung desselben Dem Senate ist die executive Gewalt, und die Stadt- und Justiz-Verwaltung im Allgemeinen, als obrigkeitlichem, die ganze Stadt repräsentirenden, Collegio anvertraut. In soweit diese Ergänzungsakte keine Abänderung gemacht hat, sind des Senats Befugnisse die nämlichen, wie in der alten Verfassung. Diese alte Verfassung bestimmt genau in welchen Verwaltungsfällen der Senat an die Einwilligung des ständigen Bürgerausschusses gebunden ist, wobei es denn auch sein Bewenden behält. Vorliegende Ergänzungsakte der älteren hiesigen Verfassung sezt eben so genau in dem Artikel 17. auseinander, welche Gegenstände den veränderten Verhältnissen nach, einer besondern gesetzgebenden Versammlung vorbehalten seyn sollen, in welcher zwar auf der einen Seite die Einsichten und Erfahrungen der Rathsglieder mitbenutzt werden, auf der andern aber leztere auch nur durch Uebergewicht der Gründe einen wirksamen Einfluß in Ansehung der gegenüberstehenden großen Majorität der mitstimmenden Bürger erhalten können. Bei allen endlichen Deliberationen des Senats über Gegenstände die zur Entscheidung des gesetzgebenden Körpers gehören; bei Bestättigung oder Milderung der peinlichen Urtheile und bei allen sogenannten Gnadensachen mit Einschluß der Aemterund Dienstvergebungen müssen sämmtli-

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che Rathsglieder zugezogen werden. Doch kann der Verwaltungs-Senat sowohl selbst, als durch die obgedachte RathsDeputation erstere Gegenstände vorbereiten. Alle anderen Verwaltungsgegenstände hingegen, werden in den gewöhnlichen Raths-Sitzungen ohne Zuziehung derjenigen Rathsglieder, welche mit der Justiz-Verwaltung beschäftigt sind, deliberirt und entschieden. Es müssen aber zu Fassung eines gültigen Beschlusses, immer 2/3 der Mitglieder des Verwaltungs-Senats gegenwärtig seyn. Diese Verordnung ist auch auf die Versammlung des ganzen Raths anwendbar. Damit nun aber die dritte Rathsordnung in dem alten Zahl-Verhältniß ihrer Mitglieder zu den beiden obern Raths-Ordnungen, wie vorhin verbleibe und kein nachtheiliges Uebergewicht entstehe, sollen – wenn die zwei oberen Rahtsbänke jede nur aus 14 Mitgliedern bestehen –, nur die 7 ältesten Mitglieder der dritten Bank den ordinairen Raths-Sitzungen beiwohnen, und die anderen desto anhaltender den Stadt-Verwaltungs-Aemtern obliegen. Während der – (nach dem was unten transitorisch verordnet ist) – fortdauernden vermehrten Zahl der zwei oberen Raths-Ordnungen, wird das passende numerische Verhältniß gegriffen.

ARTIKEL 26 Verwaltungs-Aemter

I Geheime Deputation Die in der reichsstädtischen Verfassung bestandene geheime Raths-Deputation mit dem Befugniß der Erogationen in exteros, soll, so wie sie in den kaiserlichen Resolutionen organisirt ist, auch ferner, nur mit dem Zusatze bestehen, daß um allem Argwohn ungleicher Verwendungen etwa zum Nachtheil einer oder der anderen Religions-

E RGÄNZUNGSAKTE DER ALTEN F RANKFURTER S TADTVERFASSUNG (1816) Parthey, zuvorzukommen, der Senat derselben wenigstens ein Rathsglied von jeder Confession beizuordnen hat.

II Armen-Stiftungs-Anstalten Die Armen-Stiftungs-Anstalten bleiben in ihrer jetzigen Verfassung und es wird in einer besonderen Stiftungs-VerwaltungsOrdnung das Nähere, über ihre Rechte, Befugnisse und Pflichten, über ihre Verwaltung durch Bürger, nach ihrer jetzigen zweckmäßigen Einrichtung, und über den bei ihnen einzuhaltenden Geschäftsgang von dem gesetzgebenden Körper das Weitere bestimmt.

III Medizinal- und Sanitäts-Colleg Eben so soll das Medizinal- und Sanitäts-Colleg nach den Vorschriften der alten Verfassung unter dem Vorsitz des jüngeren Bürgermeisters hergestellt werden. Es hat sich mit Revision der Medizinal-Ordnung zu befassen, und sein Gutachten dem Senate und durch diesen dem gesetzgebenden Körper vorzulegen. In Ansehung aller sonstigen Stadt-Verwaltungs-Aemter, verbleibt es bei demjenigen was desfalls die städtische Verfassung angeordnet hat. Doch soll der Senat prüfen, ob die bisherige Zahl und Abtheilung der Stadt-Aemter beizubehalten oder ob es zweckmässiger sey, einige derselben zusammenzuschmelzen oder doch wenigstens die Obliegenheiten eines zu sehr mit Geschäften überladenen Stadtamtes, unter andere minder occupirte zu vertheilen und desfalls an den gesetzgebenden Körper das Nöthigfindende gelangen lassen. Die Vergebung der Stadt-Verwaltungs-Aemter an Senatsdeputirte, welche nicht bei der Justiz-Verwaltung angestellt sind, geschieht in vollem Rathe durch Scrutinium und jederzeit auf drei Jahre. Der abgehende Rathsdeputirte,

ist aber nicht nur wieder erwählbar, sondern er muß sich auch diese erneuerte Wahl gefallen lassen. Ferner soll: A) eine Central-Finanz-Commission eigens zusammengesezt aus Gliedern des Senats und des ständigen Bürger-Ausschusses bestehen, welche ohne alle Einmischung in die Administration selbst, von allen StadtAemtern regelmäßig die Ausweise ihrer Einnahme und Ausgabe abzufordern hat, um mittelst dieser Materialien eine genaue Uebersicht des Finanz-Zustandes in einen Centralpunkt zu vereinigen und über die Einführung, Abschaffung oder Modificationen der Steuern, Erhöhung der Intraden, so wie über die etwa mögliche Staats-Ersparnisse, in verfassungsmäßigem Wege, Vorschläge an den Senat zu bringen. Weniger nicht soll: B) der bisherige Handlungsvorstand, unter dem Namen einer Handlungskammer fortbestehen. Die nähere Organisation der leztern und ihr eigentlicher Wirkungskreis, soll in verfassungsmäßigem Wege bei der nächsten gesetzgebenden Versammlung genau bestimmt werden.

ARTIKEL 27 Rechtsmittel gegen alle Straf- und Confiscations-Verfügungen der Stadt Verwaltungs-Aemter Findet sich ein hiesiger Bürger durch Straf- oder Confiscations-Verfügungen eines administrativen Stadtamtes oder einer sonstigen Erhebungs-Behörde beschwert, so steht ihm binnen 10 Tagen die Einlegung der Berufung an das hiesige AppellationsGericht und deren Rechtfertigung innerhalb den auf die Interposition folgenden 14 Tagen bei Strafe der Erlöschung, offen und darf das Erkenntniß – die Accisestraffälle ausgenommen – vor deren Erledigung nicht vollstreckt werden; vermeint der Appellant

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F RANKFURT daß er sich auch bei der Entscheidung des hiesigen Appellations-Gerichtes nicht beruhigen könne, so darf er das Rechtsmittel der Aktenversendungen in vim revisionis einwenden.

ARTIKEL 28 Civil- und peinliche JustizVerwaltung Der Senat verwaltet die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen und peinlichen Sachen, daher auch an Ihn der Rekurs wegen verweigerter oder verzögerter Justiz ergriffen wird. Zur Justizverwaltung sind vorhanden I. a) ein Appellations- und peinliches Gericht, mit b) dem ihm untergeordneten peinlichen Verhör-Amt II. ein Stadt-Gericht, III. ein Stadt- und Land-Amt.

ARTIKEL 29 I. a) Appellations- und peinliches Gericht Das Appellationsgericht, welchem zugleich die Verwaltung der peinlichen Gerichtsbarkeit anvertraut ist, besteht aus 7 Rathsgliedern, nemlich: 1) aus einem mitarbeitenden rechtsgelehrten Präsidenten oder Schultheiß, welcher auf drei Jahre aus den rechtsgelehrten Rathsgliedern der ersten Ordnung einschließlich derer, welche das SyndikatsAmt begleiten, vom Rath per Scrutinium gewählt wird, und jederzeit reeligibel ist. 2. 3. 4. 5) aus den das Syndikats-Amt versehenen Rathsgliedern, als beständigen Appellations-Gerichtsräthen. 6. 7) aus zwei, oder, wenn ein Syndikus zum Präsidenten gewählt wird, aus drei sonstigen Senats-Mitgliedern der ersten Ordnung, von welchen wenigstens der

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eine ein Rechtsgelehrter seyn muß, und welche auf drei Jahre per Scrutinium vom Rath gewählt werden aber immer reeligibel sind. Im Verhinderungs-Falle vertritt der älteste Rath die Stelle des Präsidenten. Dieses Appellations-Gericht bildet in denjenigen Sachen, welche als minderen Belangs bei dem Stadt-Amte, oder bei dem Land-Amte in erster Instanz angebracht werden müssen, und an das Stadt-Gericht in zweiter Instanz gelangt sind, die dritte und lezte Instanz, in denjenigen Sachen aber, welche bei dem Stadt-Gericht in erster Instanz vorgekommen sind, die zweite, so daß in diesem Falle gegen dessen Erkenntnisse das Remedium transmissionis actorum in vim revisionis, oder die fernere Berufung an das gemeinschaftliche OberappellationsGericht der freien Städte, nach jenen Bestimmungen, welche darüber in der ProzeßOrdnung werden getroffen werden, statt findet. Ferner wird an dieses Appellations-Gericht der Rekurs von den Straf- und Confiscations-Erkenntnissen der administrativen Stadtämter, dessen in Artikel 27 gedacht worden, ergriffen. Hierunter sind jedoch bloße Straf- und Confiscations-Milderungs- oder Erlassungsgesuche aus Gnaden, nicht begriffen, sondern diese werden bei dem ganzen Senat angebracht und von demselben erledigt. Endlich ist das Appellationsgericht zugleich das Criminalgericht für die hiesige Stadt und deren Gebiet. Peinliche Erkenntnisse auf Lebensstrafe oder auf eine derselben nahe kommende Leibesstrafe, werden dem ganzen Senate vor dem Vollzuge zur Bestättigung oder Milderung vorgelegt, so wie denn überhaupt Abolitions- Strafmilderungs- und Erlassungsgesuche in allen peinlichen oder polizeilichen Straffällen, dem ganzen Senate vorbehalten sind. Gegen alle peinliche Erkenntnisse des hiesigen Criminal-Gerichts, findet, wenn

E RGÄNZUNGSAKTE DER ALTEN F RANKFURTER S TADTVERFASSUNG (1816) der Verurtheilte die Kosten selbst bestreiten kann, eine weitere Vertheidigung und Versendung der Akten an eine auswärtige Rechts-Facultät statt; wenn aber das StadtAerarium die Kosten bestreiten soll, so kann nur die Aktenrevision dahier bei dem nämlichen Gerichte durch Anordnung eines andern Referenten verlangt werden, es wäre denn, daß auf eine mehr als dreimonatliche Gefängniß- oder Schanzen-Strafe erkannt worden wäre, welchen Falles bei der Armuth des Sträflings das Aerarium die Kosten der weiteren Vertheidigung und Aktenversendung zu übernehmen hat.

ARTIKEL 30 I. b. Peinliches Verhör-Amt Das peinliche Verhör-Amt verbleibt bei der jetzigen Einrichtung, mit dem Zusatze, daß der zeitige jüngere Bürgermeister das Präsidium dabei führt. Wenn der zeitige Criminal-Rath durch Krankheit oder Abwesenheit verhindert wird, so hat das CriminalGericht eines seiner jüngeren Mitglieder zur interimistischen Uebernahme der Functionen des Criminal-Raths zu committiren, welches dann hierzu allerdings verbunden ist.

durch Scrutinium einen mitarbeitenden Director auf ein Jahr, welcher nur im nächstfolgenden Jahr nicht reeligibel ist. Seine Stelle vertritt im Verhinderungsfalle der älteste Rath. Als Mitglieder des Stadt-Gerichts werden sämmtliche sieben rechtsgelehrte Senatoren auf drei Jahre gewählt, sind aber nicht nur reeligibel, sondern müssen sich auch diese Wahl schlechterdings gefallen lassen, und ändert das Fortrücken auf die erste Raths-Ordnung hierunter nichts. Zwei dieser Senatoren und Stadt-Gerichtsräthe werden zur Curatel-Section vom Senate auf drei Jahre deputirt und wird ihnen, ein im Rechnungsfache geübter Rathsverwandter der dritten Ordnung, von jenen, welche die gewöhnlichen Rathsversammlungen nicht besuchen, zur Hülfe beigegeben. Auch diese sind reeligibel. Von allen und jeden Erkenntnissen und Verfügungen des Stadt-Gerichts ohne Ausnahme der in Concursfällen und sonsten ergehenden Straf-Erkenntnisse, Personal-Arrest-Verfügungen und dergleichen, kann an das Appellationsgericht die Berufung ergriffen werden.

ARTIKEL 32 III. Stadt-Amt und Land-Amt

ARTIKEL 31 II. Das Stadt-Gericht Das Stadt-Gericht, als Gericht erster Instanz für alle, dem Stadt-Amt und dem Land-Amt nicht zugewiesenen Rechtssachen und als zweite Instanz für diejenigen, wo jene Aemter in erster entscheiden, bildet zugleich das Obervormundschaftliche Amt. Es wird außer dem Director mit sieben rechtsgelehrten Senatoren der zweiten oder auch der ersten Ordnung besezt. Aus allen Rechtsgelehrten des Senats erster und zweiter Ordnung, wählt der Senat

Das errichtete Stadt-Amt eben sowohl als das Land-Amt, sollen zur Erleichterung des Stadt-Gerichts, und um den hiesigen Bürgern und den Landbewohnern in Rechtsstreitigkeiten von minderem Belange eine beförderliche und wenig kostspielige Justizverwaltung zu verschaffen, auch die Entscheidung in drei einheimischen Instanzen für solche Rechtsstreitigkeiten möglich zu machen, fortbestehen. Wegen der Competenz dieser beiden Justiz-Aemter, soll mit Abstellung aller hohen Taxen und Gebühren, nach vernommenem gutächtlichen Vorschlag der beiden höheren

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F RANKFURT Justizbehörden, das Weitere vom Senat an den gesetzgebenden Körper gebracht werden. Wenn gleich bei diesen Justizbehörden der summarische Prozeß statt findet und jedem litigirenden Theile freistehet, seine Angelegenheit persönlich und mündlich zum Protokoll zu verhandeln, so soll doch auch Niemandem ferner verwehrt seyn, schriftliche Recesse statt der mündlichen daselbst einzureichen. In Fällen, wo die beiden Stadt-Amtmänner verschiedener Ansicht sind, sollen sie den zeitigen Land-Amtmann zu den Entscheidungen beiziehen.

ARTIKEL 33 Allgemeine, das Gerichts-Wesen angehende, Verordnung Da jeder Gerichtsstelle ihr Wirkungskreis angewiesen ist und soweit es noch nicht geschehen, in der zu entwerfenden Gerichtsund Prozeß-Ordnung angewiesen werden soll, so darf keine der hiesigen höheren Gerichtsstellen, Gegenstände, welche nach der Gerichts-Ordnung zu eigenem oder ihres Kanzlei-Personals Ressort und nicht zur Competenz des Stadt-Amtes oder des LandAmtes gehören, von sich oder ihrer Kanzlei an leztere Auftragsweise verweisen, sondern solche Commissionen müssen Mitgliedern des Gerichts oder nach Beschaffenheit dem eigenen Canzleipersonale aufgetragen werden. In Handelssachen sollen die Gerichte nach Befinden das Gutachten der Handelskammer erfordern. Wenn in Civil-Rechts-Verhandlungen den Partheien oder ihren Anwälden und Advokaten Strafen angesezt werden, so kann nicht nur davon der Rekurs an die höhere Instanz ergriffen werden, sondern es soll auch den Gerichten frei stehen, die angesezten Strafen auf desfallsige Imploration

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zu mildern oder aus bewegenden Gründen ganz zu erlassen. Jeder hiesige Bürger kann, zwar nicht in der ersten Instanz, aber doch bei dem Appellations-Gerichte auf Versendung der Akten ad concipiendam sententiam antragen, zu welchem Ende, wenn das Gesuch sogleich im Gravatorial-Libell angebracht wird, das Appellationsgericht in solchem Falle die Appellation ohne Unterschied zu recipiren hat.

ARTIKEL 34 Fiscalis und Executor in Civilibus Weil a) zu den Hülfsvollstreckungen in Auftrag sowohl der Justiz- als AdministrativBehörden, b) zur Erforschung der Fälle in welchen Vormünder und Curatoren zu bestellen sind und zu deren Vorschlag an die vormundschaftliche Behörde, auch zu dem eingeführten Signiren der Beerdigungs-Erlaubniß, wofür aber in Zukunft nichts ad Aerarium zu bezahlen ist, c) zur Direktion der Verganthungen sub hasta publica, so wie d) zur Wahrung des interesse fisci in Recurs-Fällen gegen Straf- und ConfiscationsErkenntnisse der Verwaltungs-Aemter, eine persona publica ohnehin erforderlich ist; so soll zu diesen und etwa andern analogen Verrichtungen, ein Fiscalis und Executor in Civilibus (vormaliger Oberstrichter) wiederum angestellt werden, welchem von allen hiesigen Verwaltungs- und Justiz-Behörden desfallsige Aufträge geschehen können, und dem je nach Beschaffenheit und Wichtigkeit des Falles aus der Zahl der hiesigen Advokaten, von dem Senate oder von dem Verwaltungs-Amt ein Advocatus fisci beigeordnet wird.

E RGÄNZUNGSAKTE DER ALTEN F RANKFURTER S TADTVERFASSUNG (1816)

ARTIKEL 35

ARTIKEL 36

Von den geistlichen und Schulsachen Allgemeine Grundsätze

I. Protestantische Gemeinden a) Protestantisch-Lutherische

Alle und jede sowohl christliche als andere kirchliche Gemeinden, gleichwie sie auf den Schutz des Staats Anspruch zu machen haben, sind auch der Oberaufsicht des Staats untergeordnet und dürfen keinen besonderen Staat im Staate bilden. Allgemeine, von den unmittelbar vorgesezten kirchlichen Behörden eines Religions-Theils verfaßte Verordnungen, bedürfen der Sanction des Staats – rein bischöflichen Diöcesan-Gerechtsamen – so viel die katholische Gemeinde betrifft – wie solche nach geläuterten Grundsätzen des deutschen Staats- und Kirchenrechts, ohne Rücksicht auf das, nicht ferner anwendbare Entscheidungsjahr des westphälischen Friedensinstruments, bestehen, oder in Zukunft durch Concordate für ganz Deutschland regulirt werden dürften – durchaus unvorgreiflich. Dem gesammten Senate bleibt die Oberaufsicht übertragen, und dem gesetzgebenden Körper ist die Sanction organischer Einrichtungen und die Genehmigung allgemeiner Verordnungen vorbehalten; doch kann der Senat in Fällen, in welchen nach bekannten staatsrechtlichen Principien das landesherrliche Placet zu bischöflichen Anordnungen, vor deren Vollzug erfordert wird, solches ertheilen. Jede Gemeinde der drei christlichen Confessionen besorgt abgesondert unter der gedachten Oberaufsicht des Senats und der Sanction des Staats ihre religiösen, kirchlichen, Schul- und Erziehungsangelegenheiten.

Für die religiösen, kirchlichen, Schulund Erziehungs-Angelegenheiten der protestantisch-lutherischen Gemeinde, wird das unter der Reichsstadt schon bestandene lutherische Consistorium hergestellt. Es besteht dasselbe 1. und 2) aus zwei lutherischen Senatoren der ersten oder zweiten Rathsordnung, wovon der ältere das Directorium führt, 3. 4. und 5) aus dem Senior des Evangelisch-lutherischen Ministeriums und den zwei vordersten Pfarrherrn, als ConsistorialRäthen, sodann 6) aus einem rechtsgelehrten Consistorialrath. Lezterer wird so gewählt, daß das Consistorium, nach vernommenem GemeindeKirchenvorstand, dem Senate drei Subjecte vorschlägt, wovon dieser einen wählt. Mit Ausnahme der Ehesachen, welche an das Stadtgericht verwiesen bleiben, ist der Wirkungskreis dieser Behörde, ganz der nämliche, wie solcher vor dem Jahre 1806 gewesen, nur daß sie allein auf lutherische Religions-Kirchen- und Schulsachen beschränkt ist.

ARTIKEL 37 b) Protestantisch-reformirte Gemeinde Dem freien Willen und Gutbefinden der reformirten hiesigen Gemeinde, bleibt die Errichtung eines reformirten Consistoriums unter der Direction zweier reformirten Rathsglieder nach dem Muster des evangelisch-lutherischen überlassen. Da inzwischen diese kirchliche Gemeinde alle Kosten ihres Religions-Cultus, vertragsgemäß, ohne Concurrenz des Stadt-Aerarii aus eigenen Mitteln bisher bestritten

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F RANKFURT hat, so sollen, so lange dieses Verhältniß fortbesteht, selbst in dem Falle der Errichtung eines eigenen reformirten Consistoriums, doch der reformirten Gemeinde oder den Behörden, welche sie dazu bestimmt, ausschließlich alle jene Befugnisse verbleiben, welche dieselbe bisher durch Wahl und Einberufung ihrer Prediger, Kirchendiener u. dergl. ausgeübt hat.

ARTIKEL 38 II. katholische Gemeinde Katholische Kirchen- und SchulKommission Zu Besorgung der Kirchen- Schul- und Erziehungs-Sachen der hiesigen katholischen Gemeinde, besteht die rubricirte besondere Commission. Zwei katholische Senatoren der ersten oder zweiten Rathsordnung, der zeitige Parochus, einer der Kirchen-Directoren, nebst einem verbürgerten Rechtsgelehrten, welcher eben so wie jener des lutherischen Consistoriums vorgeschlagen, und vom Senat gewählt wird, bilden dieselbe.

ARTIKEL 39 Dotation der lutherischen und katholischen Kirchen, mit Vorbehalt des etwaigen gleichen Anspruchs der reformirten Kirche Es soll nach ausgemitteltem Bedarf, für die eigene Dotation des lutherischen und katholischen Religions-Cultus und Schulwesens gesorgt werden, und zu dem Ende Vorschläge des Senats an den gesetzgebenden Körper gelangen. Immittelst werden die Kosten aus den dazu bereits bestimmten Fonds, und soweit diese nicht zureichen, aus dem Stadt-Aerario bestritten. Der reformirten Gemeinde soll hierdurch

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an ihrem wirklichen oder vermeinten Rechte auf gleichen Anspruch, nichts benommen seyn.

ARTIKEL 40 Kirchen-Vorstände der drei christlichen Gemeinden Eine jede der drei christlichen Gemeinden, kann, außer jenen für ihre religiösen, kirchlichen und Schul-Angelegenheiten sorgenden Consistorien und Commissionen noch überdem einen besonderen kirchlichen Gemeinde-Vorstand anordnen. Dieser hat in kirchlichen Angelegenheiten die Gemeinde bei der einschlagenden Behörde zu vertreten, über die äußere Disciplin zu wachen, das Kirchengut zu verwalten, für die Unterhaltung der Kirchen und Pfarrhäuser zu sorgen, die niedern KirchenOffizianten zu ernennen und zu inspiciren.

ARTIKEL 41 Das hiesige Gymnasium und andere gemischte Lehr-Institute Das hiesige Gymnasium soll künftig eine, allen christlichen Confessionen gemeinschaftlich angehörende, jüdische Religions-Bekenner nicht ausschließende, jedoch dem evangelischen Consisterio wie ehedem allein untergeordnete Unterrichts-Anstalt seyn und bleiben. In diesem Falle sollen die katholischen Schüler des Gymnasiums, ihren eigenen Unterrricht in der Religion, und wenn es gewünscht wird, auch in andern wissenschaftlichen Zweigen erhalten und behalten, auch bei der Wahl der Lehrer durchaus keine Rücksicht auf ein besonderes christliches Bekenntniß genommen werden. Sollte aber die katholische Gemeinde die Wiederherstellung des Friedericianums, als des vormaligen katholischen Gymnasiums, unter ihrer alleinigen Direction, lieber

E RGÄNZUNGSAKTE DER ALTEN F RANKFURTER S TADTVERFASSUNG (1816) wünschen, so ist sofort diese Wiederherstellung vorzunehmen. Andere gemischte Privat-Institute, in welchen der Religions-Unterricht nach den protestantischen und katholischen ReligionsBekenntnissen ertheilt wird, stehen unter einer, aus den protestantischen Consistorien und der katholischen Kirchen- und SchulKommission delegirten Inspection von Mitgliedern aller drei Confessionen. Zu den Attributionen dieser gemischten Commission gehört ferner: die Aufsicht a) über die Lehr-Anstalten der jüdischen Gemeinde, b) über die Führung der Kirchenbücher mit Einschluß der jüdischen Geburts- und Sterblisten, c) über die Kirchhöfe und Begräbniß-Sachen, und d) die Handhabung der Sittenpolizei bei gemischten Ehen, und Ertheilung der Dispensationen in bürgerlich verbotenen Graden bei Eingehung solcher Ehen,

ARTIKEL 42 Kirchen- und Schuldienste Im Betrachte der großen Zahl der in Frankfurt und in Sachsenhausen wohnenden Lutheraner, soll die Zahl der lutherischen Pfarrherrn für beide Gemeinden, nie unter zwölf seyn, auch, um Einheimische zu dem Studium der Gottesgelahrtheit aufzumuntern, zu diesen Pfarrstellen und zu jenen auf hiesigen Dorfschaften keine Candidaten der Theologie befördert werden, welche nicht entweder eingeborne Bürger sind, oder wären sie dieses nicht, doch seit zehn Jahren im hiesigen Bürgerrechte stehen. Bei Vergebung anderer Lehrstellen der Sprachen und Wissenschaften, leidet dieses jedoch eine Ausnahme, und sind solche überhaupt unter der allgemeinen Vorschrift des Art. 6. eben so wenig als die bei dem Religions-Cultus der katholischen und re-

formirten Gemeinden erforderliche Pfarrherrn und Geistliche begriffen. Doch muß ein jeder, der zu einem Kirchen- oder Schul-Dienste anher berufen wird, das hiesige Bürgerrecht annehmen.

ARTIKEL 43 Differenzien in Kirchen- und SchulSachen Alle entstehenden Differenzien der Mitglieder beider protestantischen Consistorien und der katholischen Kirchen- und SchulCommission unter sich; – alle Klagen der besonderen Religions-Theile oder einzelner Mitglieder über Mißbrauch oder Ueberschreitung der Befugnisse der angeordneten kirchlichen Behörden, können bei dem Senate angebracht werden. Dieser läßt die Beschwerden durch Senats-Mitglieder des betreffenden Religionstheils untersuchen, und hilft nach eingelangtem Berichte, gegründeten Beschwerden ab, durch Zurechtweisung der kirchlichen Behörden in das gehörige Geleise. Etwaige – in allen Wegen zu vermeidende Irrungen der verschiedenen christlichen Gemeinden unter sich, sey es über religiöse und kirchliche Gegenstände oder über vermeinte Rechte, welche als davon abhängig in Anspruch genommen werden, sollen so viel nur immer möglich, schiedsrichterlich beigelegt werden.

ARTIKEL 44 Dem Senate vorbehaltene kirchliche Anordnungen Vorübergehende, zeitige kirchliche Anordnungen, welche in allen Staaten von der weltlichen Obrigkeit auszugehen pflegen, alle drei christlichen Confessionen in gleicher Maase betreffen, und auf den verschiedenen Religions-Cultus an und für sich keinen Einfluß haben, z.B. die Begehung und

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F RANKFURT Anordnung von Dankfesten wegen wichtiger weltlicher Ereignisse und dergleichen, verfügt der Senat, bald nach eigenem Gutbefinden, bald nach dem Vorschlag der verschiedenen kirchlichen Behörden, und macht lezteren solche zur Befolgung bekannt.

ARTIKEL 45 Ständige Bürger-Repräsentanten oder Bürger-Ausschuß – (vorhin Bürger-Colleg.) – (ad Art. 8. III.) Außer dem Senate als dem Regierungsund Verwaltungs-Collegio, bestehet fortwährend eine eigene Bürger-Repräsentation oder ein Bürger-Ausschuß von 51 hiesigen Bürgern, gewählt aus allen Ständen der hiesigen christlichen Bürgerschaft, mit Berücksichtigung aller drei christlichen Confessionen, von welchen sich zu aller Zeit mehrere Mitglieder darin befinden müssen. Stets soll auch dieses bürgerliche Repräsentations-Colleg wenigstens sechs Rechtsgelehrte in seiner Mitte zählen. Dieser Bürger-Ausschuß wählt sich selbst einen Senior auf drei Jahre, welcher aber fortwährend reeligibel ist. Er nimmt auch einen rechtsgelehrten Consulenten an, und kommt mit dem Gewählten über die Zeit und Bedingnisse nach Convenienz überein. Sollte die Erfahrung die Zahl von 51 Mitgliedern des Bürger-Ausschusses als zu gering bewähren, so kann das Collegium auf eine Vermehrung bei dem gesetzgebenden Körper antragen.

ARTIKEL 46 Wahlart der Mitglieder des BürgerAusschusses Abgesehen von der transitorischen ersten Wahl des Bürgerausschusses, soll die Wahl

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der Mitglieder desselben bei hiernächst erledigt werdenden Plätzen folgendermaßen geschehen. Der Bürgerausschuß wählt aus seiner Mitte sechs Personen, und ein gleiches geschiehet von jenen 45 Bürgern, welche einen Theil des gesetzgebenden Körpers ausmachen. Diese 12 Wahlherrn treten zusammen und wählen durch absolute Stimmenmehrheit drei qualificirte Subjecte, Sie begeben sich hierauf in das versammelte Colleg der ständigen Bürger-Repräsentation und es wird in ihrem Beiseyn die Kugelung vorgenommen, sofort auch dem Senat die getroffene Wahl bekannt gemacht.

ARTIKEL 47 Qualification der Mitglieder des Bürgerausschusses Verpflichtung zur Annahme Entschuldigungsgründe Jeder christliche hiesige Bürger, ohne Unterschied der Confession, des Standes und Gewerbes, welcher nicht bereits in anderen Diensten des hiesigen Staats steht, kann in den Bürgerausschuß gewählt werden. – In Ansehung der Verpflichtung zur Annahme, verbleibt es bei demjenigen, was unter der reichsstädtischen Verwaltung als Gesetz gegolten hat. Hierbei treten folgende nähere Bestimmungen ein: a) solche Bürger, welche Artikel 12 von der Wahl in den gesetzgebenden Körper ausschließt, sind auch nicht wahlfähig zu dem Bürger-Collegio. b) Vater und Sohn, Bruder, Schwiegersohn und Schwiegervater, können nicht zu gleicher Zeit in den Bürgerausschuß gewählt werden; wenn jedoch das AffinitätsVerhältniß erst entsteht, zwischen Personen, die bereits im Colleg sind, so veranlaßt dies keine Nothwendigkeit zum Austritt.

E RGÄNZUNGSAKTE DER ALTEN F RANKFURTER S TADTVERFASSUNG (1816) c) Wer zur Zeit der Wahl bereits 60 Lebensjahre vollendet hat, ist zwar wahlfähig, er kann sich aber – wenn er will – die Annahme verbitten. d) Die Mitglieder des Bürgerausschusses bleiben es lebenslänglich, dafern sie nicht in den Senat gelangen. e) Wenn jedoch ein hiesiger Bürger 5 Jahre lang im Bürgerausschuß gesessen hat, so kann er um seine Entlassung nachsuchen. f) Da es mögich wäre, daß ein solcher wegen vorübergehender Verhinderungen, als Schwächlichkeit der Gesundheit, vorhabenden Reisen, überhäuften Gewerbs-Beschäftigungen u. dgl. seine Entlassung nähme, sich aber nach in der Folge gehobenem Hinderniß, den Rücktritt in dieses Colleg wohl gefallen ließe, so sollen solche Personen immer reeligibel seyn, es hängt aber von ihnen ab, ob sie die Wahl annehmen wollen oder nicht.

ARTIKEL 48 Würkungskreis der ständigen BürgerRepräsentation Der Wirkungskreis des ständigen Bürgerausschusses verbleibt der nämliche, wie solcher durch kaiserliche Resolutionen in der alten reichsstädtischen Verfassung sich bestimmt findet, in sofern nicht diese Constitutions-Ergänzungsakte durch Einrichtung der jährlichen gesetzgebenden Versammlung und deren Attributionen, darinnen in gleicher Maaße, wie bei dem Senate, eine Abänderung eingeführt hat. Der Bürgerausschuß soll aber, wenn nicht wenigstens zwei Drittheile seiner Mitglieder in der Versammlung gegenwärtig sind, keine Entschließung fassen.

ARTIKEL 49 Stadt-Rechungs-Revisions-Colleg (vormals Neuner-Colleg) Das unter der reichsstädtischen Regierung bestandene Neuner-Colleg, soll künftig nicht mehr als vom Bürgerausschuß getrennter Körper bestehen, sondern der Bürgerausschuß hat zu dem städtischen Rechnungs-Revisons-Geschäfte, neun seiner Mitglieder, welche übrigens im Bürgerausschuß Sitz und Stimme behalten, zu erwählen. In Ansehung dieses besonderen Rechnungs-Revisions-Geschäfts, stehen diese Mitglieder des Bürgerausschusses in besonderen Pflichten, und sind von dem Collegio der 51er unabhängig. Sie können auch in Beziehung auf dieses Rechnungs-Revisions-Geschäft, collegialische Erklärungen an das Colleg der 51er und an den Senat abgeben und bedürfenden Falles, wie ehehin, einen rechtsgelehrten Aktuar annehmen, welcher zugleich ihre Registratur besorgt.

ARTIKEL 50 Beschluß a) Soll in den, in der alten Stadtverfassung und in der vorliegenden Ergänzungsakte enthaltenen organischen Gesetzen, eine Abänderung vorgenommen werden, so wird, um eine solche Abänderug in Deliberation setzen zu können, erfordert, daß der Senat und der gesetzgebende Körper darüber beide, und zwar durch eine Mehrheit der Stimmen von 2 /3 in jedem Körper, für deren Zulässigkeit vorerst bejahend entschieden haben. Ist nicht bejahend entschieden worden, so kann der Gegenstand erst nach drei Jahren wieder in Vorschlag gebracht werden. Im Gegenfalle wird der Gegenstand in dem gesetzgebenden Körper in Deliberation gesezt, und über die Annahme oder Nichtan-

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F RANKFURT nahme der in Vorschlag gekommenen Abänderung gestimmt. Zur Annahme wird eine Mehrheit der Stimmen von 2 /3 erfordert. Wenn aber auch diese Annahme beschlossen ist, so erhält der Beschluß doch nur erst dann Gesetzeskraft, wenn über denselben in den drei verschiedenen Abtheilungen der Bürgerschaft, durch die Mehrheit abgestimmt worden, und zwei Abtheilungen für die Annahme gestimmt haben.2 b) Die authentische Erklärung aller Artikel dieser Constitutions-Akte gehört vor die gesetzgebende Versammlung. Endlich c) sollen dem gesetzgebenden Körper sämmtliche bei der Commission der XIII von Seiten der Löblichen Bürgerschaft übergebene Monita sammt der darüber geführten Registratur vom Senat zugestellt werden, um von den darin enthaltenen guten und gemeinnützigen Vorschlägen, in soweit solche allzusehr in’s Spezielle eingehen, und eben darum von der Commission der XIII vorerst nicht benuzt werden konnten, noch in Zukunft geeigneten Gebrauch zu machen.

ARTIKEL 51 Transitorische Verordnungen I. Die sämmtlichen jetzo lebenden Mitglieder des Senats, mit Einschluß der bisherigen vier Syndiken und Appellations-Gerichtsräthe sind und werden hiermit in ihren Raths-Aemtern und Würden ein jeder nach seinem bisherigen Rang und Ordnung bestättigt. Diejenigen unter ihnen, welchen auf ihr Ansuchen, wegen Alters oder körperlicher Schwäche, vom Senate mit Entlassung willfahrt werden kann, behalten den dermalen genießenden vollen Gehalt. II. Der Senat in seinen jetzo lebenden Mitgliedern mit Einschluß der vier Syndiken, wird alsbald nach Genehmigung dieser

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Constitutions-Akte ausserordentlicher Weise – wie solches zur Zeit des errichteten alten Bürgervertrags geschehen ist – mit 20 neu zu wählenden Mitgliedern vermehrt. Zwei werden auf die dritte Raths-Ordnung aus den zünftigen Handwerkern, und 18 auf die zweite Raths-Ordnung gewählt. Untern den leztern 18 müssen sich, um das, in seinem jetzigen, ad Corpus Senatus nicht gehörigen Personale, mit dem Vollzug dieser Constitutions-Ergänzungs-Akte für aufgehoben erklärt werdende bisherige Gericht erster Instanz, ersetzen zu können, 12 Rechtsgelehrte befinden, während die sechs andern aus den Adelichen, angesehenen Handelsleuten, Rentenirern und Gutsbesitzern gewählt werden können. Auch sollen unter den 20 zu wählenden Rathsgliedern, dieses Mal wenigstens vier der katholischen und zwei der reformirten Religion zugethan seyn. Um die Gleichstellung der Anzahl der Mitglieder der ersten und zweiten Rathsordnung herzustellen, rücken so viele der jetzigen Mitglieder der zweiten Ordnung auf die erstere über, als hierzu – nachdem die Syndiken unter die Mitglieder der ersten Ordnung nach ihrem jetzo habenden Range mitgerechnet worden – nöthig ist, ohne jedoch darum, so lange nicht die bestimmte Zahl von nur 14 mit Einschluß der vier Syndiken hergestellt ist, den höhern Gehalt der Mitglieder der ersten Ordnung in Anspruch nehmen zu dürfen. III. Wer von den jetzigen Räthen des Gerichts erster Instanz bei der von ihnen selbst angetragenen und allgemein gewünschten veränderten Gerichts-Verfassung, nicht alsbald in den Senat gewählt wird, verbleibt in dem vollen Genuß seines jetzigen Gehalts, muß sich aber in andern, seiner jetzigen Cathegorie gleichkommenden angesehenen Stadtdiensten, sobald solches jetzo oder in Zukunft ihm angesonnen wird, gebrauchen und anstellen lassen. IV. Zwar behält der zeitige bisherige Stadtschultheiß lebenslänglich seinen Rang

E RGÄNZUNGSAKTE DER ALTEN F RANKFURTER S TADTVERFASSUNG (1816) als vorderstes Rathsglied und ist als Schultheiß Präsident des Appellations-Gerichts, dahingegen wird vom Senat, sofort nach erfolgter Wahl der 20 neuen Rathsglieder zu einer neuen Wahl der Bürgermeister und Besetzung aller Stadt-Aemter weniger nicht der Gerichte, soweit lezteres nöthig, nach Maasgabe dieser Constitutions-ErgänzungsAkte vorgeschritten. V. Um die Wahl der neu aufzunehmenden Senats-Mitglieder, besonders aus den katholischen und reformirten Gemeinden, imgleichen die Wahl der jetzigen Räthe des Gerichts erster Instanz in den Senat nicht zu erschweren, soll diesesmal und ohne Consequenz für die Zukunft, auf die ausschließenden Grade der Verwandt- oder Schwägerschaft, so wenig als auf das Indigenat oder den zehnjährigen Besitz des hiesigen Bürgerrechts, von den Wählenden müssen reflectirt werden, vielmehr sollen diese ersten Rathswahlen, gleichwie sie auf eine besondere Art vollzogen werden, also auch vollkommen frei seyn. Nur Talente, Rechtschaffenheit, Fleiß, und Genuß des öffentlichen Vertrauens, sollen die Wählenden zu ihrem Augenmerke nehmen. Eben so wenig ist die Verordnung dieser ConstitutionsActe, daß zu hiesigen Stadt-Aemtern und Diensten nur solche Personen gelangen können, welche entweder eingebohrne Bürger sind, oder seit 10 Jahren dahier im Bürgerrecht stehen, auf die sogenannten Pensionisten der hiesigen freien Stadt anzuwenden, vielmehr tritt in Ansehung ihrer eine Ausnahme ein. VI. Bis die Anzahl der Raths-Mitglieder mit Einschluß der Syndiken auf die Zahl der 42 sich vermindert hat, werden keine neue Rathswahlen vorgenommen; es wäre denn, daß die Befolgung des Art. 6. dieser Constitutions-Ergänzungs-Acte, daß nämlich Mitglieder aller drei christlichen Confessionen im Senat seyn müssen, solche neue Rathswahlen erforderte. Auch soll erst, wenn die Zahl der Rathsglieder auf 42 vermindert

worden, die dritte Rathsordnung auf 14 vermehrt werden. VII. Bei aller Anerkenntniß der Verdienste der Mitglieder des bisherigen Bürger-Collegs um die hiesige Stadt und Bürgerschaft, soll doch, um der künftigen neuen ständigen Bürgerrepräsentation, den eigentlichen Charakter einer von der Bürgerschaft selbst gewählten Repräsentation zu verschaffen, und um dessen jetzige Mitglieder von den Collegien der 75. und 45. diesesmal nicht auszuschließen, in Gemäßheit der eigenen Erklärung dieses Collegs vom 6. November 1815., sofort nach erfolgter Annahme dieser Constitutions-Ergänzungsacte, zu einer neuen Wahl des Bürger-Ausschusses geschritten werden. VIII. Die Wahlen geschehen diesesmal in nachstehender Reihenfolge, und auf die hiernächst beschriebene Weise: a) Es wird durch die, in dem Artikel 11. dieser Constitutionsergänzungsacte angeordneten drei Bürgerabtheilungen ein Wahlcollegium von 75 Bürgern formirt. b) Dieses Wahlcollegium der 75. wählt nach Artikel 12 der Constitutions-Ergänzungs-Acte 45 Personen. Die jetzigen Mitglieder des Bürgercollegs sind in diesem transitorischen Falle, weder von der Zahl der 75. noch jener der 45 ausgeschlossenen, sondern können durchaus wählen und gewählt werden. c) Von diesen 45 hiesigen Bürgern wird sofort der aus 51 Personen bestehende Bürgerausschuß gewählt, oder, wenn sie es für besser und gerathener fänden, das ganze Colleg der jetzigen 61er, statt einer individuellen Wahl seiner Mitglieder, bestättiget. In diesem Falle werden die Ueberzähligen allmählig abgehen. Wer im erstern Falle aus den jetzigen Mitgliedern des Bürgercollegs gewählt wird, nimmt seinen vorigen Anciennetätsrang ein, und ob man gleich zu dem Patriotismus dieser Bürger sich versehen darf, daß sie die Annahme dieser Wahlen, nicht von sich ab-

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F RANKFURT lehnen werden, so sollen doch diejenigen von ihnen, welche dem gemeinen Stadtwesen schon fünf Jahre lang im Bürgercolleg Dienste geleistet haben, zur Annahme nicht können gezwungen werden. d) Hierauf constituirt sich das neue Colleg des Bürger-Ausschusses als ständige Bürgerrepräsentation, wählt seinen Senior und Consulenten. e) Diejenigen Personen, welche aus der Zahl der 45 Wählenden in den Bürgerausschuß etwa kommen, werden sogleich und schon während dem Wahl-Act der 51er wieder durch Einrücken jener, welche bei dem Wahlcolleg der 75, nach ihnen die mehresten Stimmen gehabt haben, ersezt. Hierauf vereinigen sich f) diese 45 mit den 51 Mitgliedern des neu gewählten oder respective im Bestättigungsfalle – mit den 61 Mitgliedern des bestättigten Bürgerausschusses, und legen in die Hände des älteren Bürgermeisters einen Wahleid dahin ab: „Daß sie bei dem ihnen nun obliegenden Vorschlag zu Rathspersonen, lediglich auf das Wohl der hiesigen Stadt, nach besten Einsichten, Wissen und Gewissen, Rücksicht nehmen wollen.“ Sie machen sofort durch absolute Stimmenmehrheit einen Vorschlag von vier Candidaten zu Rathsstellen an den versammelten Senat, woraus dieser zwei wählt. Mit diesem Vorschlag wird successive fortgefahren, bis die 20 neue Rathsglieder gewählt sind. Doch stehet in dem vorliegenden besonderen Falle nicht nur dieser Versammlung frei, in Rücksicht der Verdienste der Mitglieder des bisherigen Gerichts erster Instanz die sämmtlichen jetzigen Stadt-Gerichtsräthe dem Senate zur Aufnahme in das Raths-Collegium auf einmal zu präsentiren, sondern der Rath soll auch ermächtigt seyn – ob derselbe will – diese in Vorschlag kommende Gesammt-Aufnahme durch Stimmenmehrheit zu genehmigen.

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ARTIKEL 52 Vorschlag wegen Annahme dieser Constitutions-Ergänzungs-Acte, durch die Stimmenmehrheit der hiesigen Bürgerschaft Dieser gutächtliche Entwurf einer Constitutions-Ergänzungs-Acte wird dem Senate von der Commission der XIII sammt den geführten Protokollen und bei der Commission eingekommenen Monitis mit Bericht übergeben. Nachdem solcher hiernächst sammt dem Commissions-Berichte, jedoch ohne die Anlagen gedruckt, und in allen Stadt-Quartieren ausgetheilt worden, verfügt der Senat die Abstimmung über die Annahme, mit Ja, oder die Nicht-Annahme, mit Nein, in den Stadt-Quartieren auf die Weise, daß bei den Quartiervorständen mit Zuziehung einiger Beistände und eines Notars ein Protokoll eröffnet wird, zu welchem ein jeder hiesiger christliche Bürger, binnen einer zu bestimmenden Frist und zwar persönlich, mit Ja oder Nein abstimmt. Die Einreichung anderweiter Modificationen und Vorschläge – schriftliche Verwahrungen, Erklärungen Mehrerer zusammen, können nach Beschaffenheit des Gegenstandes hierbei um so weniger beachtet und angenommen werden, als es theils der gesammten Bürgerschaft um Beendigung des bisherigen provisorischen Zustandes dermalen hauptsächlich zu thun ist, und anderntheils in dieser Acte ein gesetzlicher Weg zu allen künftighin nöthig befunden werdenden weiteren Abänderungen und Verbesserungen der hiesigen Stadt-Verfassung eröffnet ist, es auch in der Unmöglichkeit liegt, allen Ansichten und Wünschen auf einmal zu genügen. Hat die Mehrzahl der gestimmt habenden hiesigen christlichen Bürger für die Annahme zu den Quartiers-Protokollen, welche von dem Quartiers-Vorstand, den Bei-

E RGÄNZUNGSAKTE DER ALTEN F RANKFURTER S TADTVERFASSUNG (1816) ständen und dem Notar zu beglaubigen und dem Senat einzureichen sind, gestimmt, so wird diese Constitutions-Ergänzungs-Acte als Verfassungs-Gesetz vom Senate publicirt und alsbald in Vollzug gesezt. 1

Ediert nach Constitutions-Ergänzungs-Acte zu der alten Stadt-Verfassung der freien Stadt Frankfurt angenommen durch die Bürgerschaft den 17. und 18. Juli 1816, publicirt vom Senat den 19. Juli 1816, und wechselseitig vom Senat und der Bürgerschaft beschworen den 18. October 1816, Frankfurt am Main 1817. Die Constitutions-Ergänzungs-Acte wurde am 17. und 18. Juli 1816 von der Bürgerschaft beschlossen und am 19. Juli 1816 verkündet.

Für weiterführende Angaben siehe Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 522–525; Rainer Koch, Grundlagen bürgerlicher Herrschaft. Verfassungs- und sozialgeschichtliche Studien zur bürgerlichen Gesellschaft in Frankfurt am Main (1612–1866), Wiesbaden 1983, S. 55–75. Sowie Wilhelm Friedrich Karl Stricker, Neuere Geschichte von Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1874. 2

Aufgehoben durch das „Gesetz, die Aufhebung der Bestimmung a im Art. 50. der Constitutions-Ergänzungs-Acte vom Jahr 1816, und die Wahl für eine constituirende Versammlung betreffend“ vom 19. Oktober 1848 (Gesetz- und Statuten-Sammlung der Freien Stadt Frankfurt, Bd. VIII (1842–1848), Jahrgang 1848, Frankfurt am Main 1849, S. 269–270. Siehe unter „Revision von 1848“).

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Revision von 1848 Gesetz, die Aufhebung der Bestimmung a im Art. 50. der Constitutions-Ergänzungs-Acte vom Jahr 1816, und die Wahl für eine constituirende Versammlung betreffend1

Wir Bürgermeister und Rath der freien Stadt Frankfurt verkünden hiermit auf verfassungsmäßigen Beschluß der gesetzgebenden Versammlung vom 9. d. M. und Löblicher Bürgerschaft vom 17. d. M. wie folgt: § 1. Die Bestimmung im Art. 50. der Constitutions-Ergänzungsakte zu der alten Stadtverfassung vom Jahre 1816, unter a, die bei Abänderung von organischen Gesetzen einzuhaltenden Vorschriften betreffend, ist aufgehoben. § 2. Das in der Anlage enthaltene Wahlgesetz für eine constituirende Versammlung und die darin enthaltenen Uebergangsbestimmungen sind angenommen und treten an die Stelle der betreffenden, dadurch au-

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ßer Wirksamkeit kommenden Vorschriften der Constitutions-Ergänzungsakte. § 3. Ueber Annahme oder Verwerfung der von der constituirenden Versammlung auszuarbeitenden Verfassung entscheidet die Mehrheit der volljährigen hiesigen Staatsangehörigen, welche hierüber zur Abstimmung wirklich schreiten werden. Der Senat wird die nöthige Vollzugsverordnung in Betreff dieser Abstimmung erlassen und das Ergebniß derselben verkünden. Beschlossen in Unserer Großen Rathsversammlung den 19. October 1848. 1 Ediert nach Gesetz- und Statuten-Sammlung der Freien Stadt Frankfurt, Bd. VIII (1842–1848), Jahrgang 1848, Frankfurt am Main 1849, S. 269–270.

Verfassungsentwurf des Freistaates Frankfurt (1849)

Entwurf einer Verfassung für den Freistaat Frankfurt1

Dem Entwurfe einer Verfassung des Freistaates Frankfurt, wie er von der hiesigen verfassunggebenden Versammlung berathen und in erster Lesung beschlossen worden ist, wird vielfach zum Vorwurf gemacht, daß er die hiesigen Verhältnisse und Zustände, wie sie sich seit Jahrhunderten allmählig entwickelt und herausgebildet haben, unbeachtet lasse; daß er vielleicht geeignet wäre, den Staat vorzubereiten, ein Glied der schweizerischen Eidgenossenschaft zu werden, sich aber für einen Einzelstaat des deutschen Reichs nicht eigne. Man behauptet, die Versammlung, welche berufen worden, die hiesige Verfassung den veränderten öffentlichen Verhältnissen und der fortgeschrittenen Zeit anzupassen, gehe über das Ziel weit hinaus, wenn sie eine auf völlig neuer, dazu fremdartiger Grundlage beruhende Verfassung bringe. Dem wird entgegnet, die alte Verfassung habe sich bei der Bearbeitung als Material durchweg als unbrauchbar erwiesen, man habe sich deshalb nach anderem Material umsehen, und es von da hernehmen müssen, wo sich eben taugliches gefunden; man möge es mit derselben nur einmal selbst versuchen, und werde bald zur Einsicht kommen, daß nichts mit ihr anzufangen sei. Dieser Versuch nun ist gemacht; er liegt im nachstehenden Entwurfe vor, über welchen die unterzeichneten Mitglieder der hiesigen verfassunggebenden Versammlung sich geeinigt haben. Die Begründung der einzelnen Bestimmungen derselben würde eine Ausführlichkeit erfordert haben, welche

hier nicht am Orte gewesen wäre; ohnehin gestattet der Entwurf Abänderungen, unter welchen nur der beabsichtigte StaatsOrganismus selbst nicht leiden darf, und wäre es auch nicht zweckmäßig gewesen, den vielen Erörterungen, zu welchen die hiesige Verfassungs-Angelegenheit bereits Veranlassung gegeben, neue hinzuzufügen. Möge er ohne Abneigung wie ohne Vorliebe, überhaupt ohne vorgefaßte Meinung geprüft und beurtheilt werden. Frankfurt/M. im October 1849. Dr. med. Aug. de Bary. Jac. Carl de Bary. Dr. jur. G. Chr. Binding I. Dr. jur. Burkard. Senator C.E. Cöster. Heinrich Cornill-d’Orville. Dr. med. Crailsheim. Dr. jur. Dancker. Philipp Donner. Georg Heinrich Engelhard. Dr. jur. C. Goldschmidt. Dr. jur. Carl von Guaita. Gerhard Henrich. Fr. Hessemer. Friedrich Hessenberg. Senator Hessenberg. Dr. jur. Jucho. Senator Kloß. J.C.C. Knoblauch. Dr. med. Lorey. Dr. jur. Manhayn. Dr. med. Mappes. C. Ed. Meyer.

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F RANKFURT Wilhelm Meyer. C. Minoprio-Engelhard. Senator Nestle. Dr. jur. von Oven. Friedrich Pfeffel. Dr. jur. Renner. Dr. jur. Aug. Scharff I. Dr. jur. Ed. Souchay. Dr. med. G. Varrentrapp.

ERSTER ABSCHNITT Der Freistaat Frankfurt § 1. Der Freistaat Frankfurt bildet einen selbstständigen Einzelstaat des deutschen Reichs. § 2. Angehöriger des Freistaats Frankfurt ist jeder, welchem nach gesetzlicher Bestimmung das Heimatsrecht in demselben zusteht. § 3. Bürger des Staats ist jeder, welcher in demselben bereits im Bürgerrechte steht, oder künftighin in solches aufgenommen wird. Die Bedingungen für den Erwerb und Verlust des Staatsbürgerrechts bestimmt das Gesetz.

ZWEITER ABSCHNITT Grundrechtliche Bestimmungen § 7. Alle Staatsangehören sind vor dem Gesetze gleich. Vor dem Gesetze gilt kein Unterschied der Stände. Der Adel als Stand ist aufgehoben. Alle Standes-Vorrechte sind abgeschafft. § 8. Alle Titel, insoweit sie nicht mit einem Amte verbunden sind, sind aufgehoben. § 9. Kein Staatsangehöriger darf von einem nichtdeutschen Staate einen Orden annehmen. § 10. Die öffentlichen Aemter sind für alle Befähigten gleich zugänglich; über den Nachweis der Befähigung bestimmt das Gesetz. § 11. Die Wehrpflicht ist für Alle gleich. § 12. Die Freiheit der Person ist unverletztlich.

§ 5. Diese Staatsgewalten werden durch einen Großen Rath als Stellverteter der Gesammtheit der Staatsbürger verfassungsmäßig mittelbar oder unmittelbar ausgeübt.

§ 13. Die Verhaftung einer Person soll, außer im Falle der Ergreifung auf frischer That, nur geschehen kraft eines schriftlichen, den Beschuldigten sowie die Thatsachen, deren er beschuldigt wird, bestimmt bezeichnenden richterlichen Befehls. Dieser Befehl muß dem zu Verhaftenden bei der Verhaftung vorgewiesen, und spätestens innerhalb der nächsten 24 Stunden demselben zugestellt werden. Jeder Verhaftete ist in gleicher Frist nach seiner Verhaftung dem zuständigen Richter vorzuführen.

§ 6. Der Große Rath besteht aus den Mitgliedern 1) der gesetzgebenden Versammlung (§. 61 bis §. 95), 2) des Senates (§. 96 bis §. 118), 3) des Bürger-Ausschusses (§. 119 bis §. 129), und 4) der Gerichte (§. 130 bis §. 145).

§ 14. Die Bestimmungen des §. 13. finden nicht Anwendung auf die Fälle, wo die Polizeibehörde zur Unterstützung der Strafrechtspflege oder wegen Handlungen gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit eine Person in Verwahrung nimmt. Die Polizeibehörde muß aber Jeden, den sie in Verwahrung genommen hat, im Laufe

§ 4. Die Souverainetät beruht auf der Gesammtheit der Staatsbürger, von welchen alle Staatsgewalten ausgehen.

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V ERFASSUNGSENTWURF DES F REISTAATES F RANKFURT (1849) des folgenden Tages entweder freilassen oder der richterlichen Behörde übergeben. § 15. Jeder Verhaftete muß binnen 24 Stunden nach seiner Vorführung, jeder von der Polizeistelle einer Gerichtsbehörde Uebergebene muß binnen 24 Stunden nach dieser Uebergabe von dem zuständigen Richter, unter bestimmter Mittheilung der Anschuldigungsgründe, vernommen werden. § 16. Jeder Angeschuldigte soll gegen Leistung einer vom Gerichte angemessen zu bestimmenden Caution oder Bürgschaft der Haft entlassen werden, sofern nicht dringende Anzeichen eines schweren peinlichen Verbrechens gegen denselben vorliegen, welchenfalls die Bestimmung hierüber dem richterlichen Ermessen überlassen bleibt. Uebermäßige Cautionen oder Bürgschaften sollen nicht gefordert, und auch eidliche Sicherheitsleistungen können zugelassen werden. § 17. Die für das Heerwesen erforderlichen Modificationen der in den §§. 12 bis 16 enthaltenen Bestimmungen bleiben der Gesetzgebung vorbehalten. § 18. Die Verhaftung einer Person wegen Verbindlichkeiten des bürgerlichen Rechts soll in den Fällen, in welchen das Gesetz sie zuläßt, nur geschehen kraft eines schriftlichen, den zu Verhaftenden, sowie den Gegenstand der Verbindlichkeit bestimmt bezeichnenden richterlichen Befehls. Dieser Befehl muß dem zu Verhaftenden bei der Verhaftung vorgewiesen, und spätestens innerhalb der nächsten 24 Stunden demselben zugestellt werden. § 19. Niemand darf seinem ordentlichen Richter entzogen werden. Ausnahmegerichte und außerordentliche Commissionen sollen nie stattfinden.

§ 20. Die Wohnung ist unverletztlich. Während der Nacht hat Niemand das Recht, in dieselbe einzudringen, außer in Fällen einer Feuer- oder Wassernoth, einer Lebensgefahr oder eines aus dem Innern der Wohnung hervorgegangenen Ansuchens. Bei Tage kann wider den Willen des Bewohners Niemand eindringen, außer in Folge einer in amtlicher Eigenschaft ihm gesetzlich beigelegten Befugniß, oder eines ihm von einer gesetzlich dazu ermächtigten Behörde ertheilten schriftlichen Auftrags. § 21. Eine Haussuchung ist nur zulässig: 1) kraft eines schriftlichen, deren Grund und Zweck angebenden richterlichen Befehls, welcher dem Betheiligten vorgezeigt und sofort oder innerhalb der nächsten 24 Stunden zugestellt werden soll; 2) im Falle der Verfolgung auf frischer That durch den gesetzlich berechtigten Beamten; 3) in den Fällen und Formen, in welchen das Gesetz ausnahmsweise bestimmten Beamten auch ohne richterlichen Befehl dieselbe gestattet. Die Haussuchung muß, wenn thunlich, mit Zuziehung von Hausgenossen erfolgen. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist kein Hinderniß der Verhaftung eines gerichtlich Verfolgten. § 22. Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Ausnahmen sind durch die Gesetzgebung festzustellen. Das Gesetz bezeichnet die Beamten, welche für die Verletzung des Geheimnisses der der Post anvertrauten Briefe verantwortlich sind. § 23. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf, außer bei einer Verhaftung oder Haussuchung, nur kraft eines

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F RANKFURT schriftlichen, deren Grund und Zweck angebenden richterlichen Befehls vorgenommen werden, welcher dem Betheiligten vorgezeigt und sofort oder innerhalb der nächsten 24 Stunden zugestellt werden soll. § 24. Im Falle einer widerrechtlich verfügten oder verlängerten Gefangenschaft wie im Falle einer widerrechtlich vorgenommenen Haussuchung oder Beschlagnahme von Briefen und Papieren ist der Schuldige und nöthigenfalls der Staat dem Verletzten zur Genugthuung und Entschädigung verpflichtet. § 25. Die Todesstrafe, ausgenommen wo das Kriegsrecht sie vorschreibt, sowie die Strafen des Prangers, der Brandmarkung und der körperlichen Züchtigung sind und bleiben abgeschafft. § 26. Jeder Staatsangehörige hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise durch vorbeugende Maaßregeln, namentlich Censur, Concessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen, Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postverbote oder andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden.

§ 29. Durch das religiöse Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen oder staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. Den staatsbürgerlichen Pflichten darf dasselbe keinen Abbruch thun. § 30. Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden. § 31. Die Formel des Eides lautet: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.“ § 32. Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. § 33. Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat; es besteht weder Landeskirche noch Staatsreligion. § 34. Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. § 35. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Civil-Actes abhängig. Die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung des Civil-Acts stattfinden. Die Strafen gegen diejenigen, welche dieser Bestimmung zuwider eine kirchliche Trauung vollziehen, bestimmt das Gesetz.

§ 27. Jeder Staatsangehörige hat volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Ueberzeugung zu offenbaren.

§ 36. Die Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehinderniß.

§ 28. Jeder Staatsangehörige ist unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen oder öffentlichen Uebung seiner Religion. Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach dem Gesetze zu bestrafen.

§ 38. Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.

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§ 37. Die Standesbücher werden von der bürgerlichen Behörde geführt.

§ 39. Es steht einem Jeden frei, seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er will.

V ERFASSUNGSENTWURF DES F REISTAATES F RANKFURT (1849) § 40. Das Unterrichts- und Erziehungswesen steht unter der Oberaufsicht des Staates und ist der Beaufsichtigung der Geistlichkeit als solcher enthoben. § 41. Für die Bildung der Jugend sorgt der Staat in genügender Weise durch öffentliche Schulen. § 42. Für den Unterricht in den Volksschulen und niederen Gewerbeschulen wird kein Schulgeld bezahlt. Unbemittelten soll auf allen öffentlichen Unterrichtsanstalten freier Unterricht gewährt werden. § 43. Niemand darf die seiner Obhut anvertraute Jugend ohne den Grad von Unterricht lassen, der für die unteren Volksschulen vorgeschrieben ist. § 44. Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen, zu leiten und an solchen Unterricht zu ertheilen, steht jedem Staatsbürger frei, wenn er der Staatsbehörde seine Befähigung dazu nachgewiesen hat. Der häusliche Unterricht unterliegt keiner Beschränkung. § 45. Die Lehrer an den öffentlichen Schulen sind Staatsdiener. Die Lehrer der Volksschulen werden unter gesetzlich geordneter Mitwirkung der betreffenden Gemeinden und der Oberschulbehörden vom Senate aus der Zahl der Geprüften angestellt. § 46. Jeder hat das Recht, sich mit Bitten und Beschwerden schriftlich an die Behörden des Staats und der Gemeinden zu wenden. Dieses Recht kann sowohl von Jedem einzeln, als von Mehreren vereint, und von Körperschaften und Gemeinden ausgeübt werden. § 47. Jeder hat das Recht, öffentliche Beamte wegen amtlicher Handlungen, durch welche er sich in seinen Rechten verletzt

glaubt, gerichtlich zu verfolgen; der vorgängigen Genehmigung einer Behörde bedarf es dazu nicht. § 48. Die Staatsgenossen haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln; einer besondern Erlaubniß dazu bedarf es nicht. Volksversammlungen unter freiem Himmel können bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden. § 49. Die Staatsgenossen haben das Recht, Vereine zu bilden. Dieses Recht soll durch keine vorbeugende Maßregel beschränkt werden. § 50. Die Bestimmungen der §§. 46, 48, und 49 finden auf die bewaffnete Macht Anwendung, in so weit die militärischen Disciplinar-Vorschriften nicht entgegen stehen. § 51. Das Eigenthum ist unverletztlich. Eine Enteignung kann nur aus Rücksichten des gemeinen Besten, nur auf Grund eines Gesetzes und gegen gerechte Entschädigung vorgenommen werden. Die Forderung der Entschädigung, wenn sie streitig wird, ist Rechtssache. § 52. Jeder Grundeigenthümer kann seinen Grundbesitz unter Lebenden oder von Todeswegen ganz oder theilweise veräußern. Das Recht, für die todte Hand Liegenschaften zu erwerben, oder zu Gunsten der todten Hand darüber zu verfügen, kann durch die Gesetzgebung beschränkt werden. § 53. Die aus dem guts- und schutzherrlichen Verbande fließenden persönlichen Abgaben und Leistungen sind ohne Entschädigung aufgehoben; es fallen damit auch die Gegenleistungen und Lasten weg, die dem bisher Berechtigten dafür oblagen.

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F RANKFURT § 54. Alle auf Grund und Boden haftenden Abgaben und Leistungen, insbesondere die Zehnten, sind ablösbar. Es soll fortan kein Grundstück mit einer unablösbaren Abgabe oder Leistung belastet werden. § 55. Im Grundeigenthum liegt die Berechtigung zur Jagd auf eignem Grund und Boden. Die Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grund und Boden, Jagddienste, Jagdfrohnden und andere Leistungen für Jagdzwecke sind ohne Entschädigung aufgehoben Nur ablösbar jedoch ist die Jagdgerechtigkeit, welche erweislich durch einen lästigen mit dem Eigenthümer des belastenden Grundstückes abgeschlossenen Vertrag erworben ist. Die Ausübung des Jagdrechtes aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und des gemeinen Wohls zu ordnen, bleibt der Gesetzgebung vorbehalten. Die Jagd auf fremdem Grund und Boden darf in Zukunft nicht wieder als Grundgerechtigkeit bestellt werden. § 56. Die Familien-Fideicommisse erlöschen nach den gesetzlichen Bestimmungen. Die Errichtung neuer Familien-Fideicommisse oder die Vergrößerung bestehender ist untersagt. § 57. Aller Lehensverband ist aufzuheben. Die Ausführungsweise bleibt der Gesetzgebung vorbehalten. § 58. Die Strafe der Vermögenseinziehung soll nicht stattfinden. § 59. Eine Steuer kann vom Staate nur kraft eines Gesetzes erhoben werden. Die Besteuerung zu Staats- und Gemeinde-Zwecken soll immer so geordnet werden, daß die Bevorzugung einzelner Stände, Personen oder Güter nicht stattfinde. § 60. Niemand darf verhindert werden, aus dem Staatsverbande zu treten, wenn er

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die zur Zeit bereits entstandenen Obliegenheiten gegen den Staat erfüllt, und keine privatrechtlichen Ansprüche gegen seinen Austritt geltend gemacht werden. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.

DRITTER ABSCHNITT Von der gesetzgebenden Versammlung § 61. Die gesetzgebende Versammlung besteht aus 72 Abgeordneten, welche durch unmittelbare Wahl in geheimer Abstimmung, und zwar 60 von der Stadtgemeinde und 12 von den Landgemeinden, ernannt werden. § 62. Die Stadtgemeinde wird zum Zweck der Wahlhandlung in zum wenigsten acht Bezirke getheilt, deren Umfang wie die Anzahl der von den einzelnen Bezirken zu ernennenden Abgeordneten das Gesetz unter Berücksichtigung der Bevölkerung bestimmt. § 63. Von den Landgemeinden bildet jede einen Wahlbezirk. Bornheim ernennt drei, Oberrad zwei und Niederrad zwei Abgeordnete; jede der übrigen fünf Gemeinden ernennt einen Abgeordneten. § 64. Wähler ist jeder Staatsbürger an dem Orte, wo er im Gemeindebürgerrecht steht. Ist er Bürger mehrerer Gemeinden, so darf er nur in einer stimmen und muß vor dem Wahltag sich darüber erklären, in welcher Gemeinde er sein Stimmrecht ausüben will. § 65. Von der Ausübung des Wahlrechts sind ausgeschlossen: 1) diejenigen, welchen nach gesetzlicher Bestimmung durch gerichtliches Urtheil ihre staatsbürgerlichen Rechte entzogen sind;

V ERFASSUNGSENTWURF DES F REISTAATES F RANKFURT (1849) 2) diejenigen, welche wegen Geisteskrankheit oder Verschwendung unter gerichtliche Pflegschaft gestellt sind; 3) die zur Strafhaft Verurtheilten während der Dauer der Strafzeit. Strafen wegen politischer Vergehen und Verbrechen schließen jedoch von der Ausübung des Wahlrechts nicht aus. § 66. Vor der Wahl werden Verzeichnisse der Wahlberechtigten aufgestellt. Die Einrichtung dieser Verzeichnisse und die Bildung der Wahlbehörden wird durch das Gesetz bestimmt. § 67. Der Senat hat die Wahlen im Laufe des Monats October anzuordnen und deren Ergebniß bekannt zu machen. § 68. Wählbar ist jeder Wahlberechtigte ohne Rücksicht auf den Wahlbezirk, dem er angehört, sobald er das fünf und zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt hat. § 69. Gewählt sind diejengen, welche die meisten Stimmen erhalten haben, vorausgesetzt, daß die Anzahl dieser Stimmen nicht weniger als den vierten Theil der Abstimmenden des Wahlbezirks beträgt. Wird wegen eines Mangels in dieser Beziehung eine zweite Abstimmung erforderlich, so genügt bei dieser relative Mehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos. § 70. Ueber die Gültigkeit der Wahlen erkennt allein die gesetzgebende Versammlung. § 71. Ist ein Bürger in mehreren Wahlbezirken ernannt, so hat er der gesetzgebenden Versammlung zu erklären, welche dieser Wahlen er annehme; zu dieser Erklärung kann ihm die Versammlung eine Frist anberaumen, nach deren fruchtlosem Ablaufe angenommen wird, er habe beide Wahlen abgelehnt. § 72. Tritt hinsichtlich eines Abgeordneten einer der im §. 65 erwähnten Fälle ein,

so wird er dadurch seiner AbgeordnetenStelle von selbst verlustig. Desgleichen derjenige, welcher aufhört, Bürger des Freistaates Frankfurt zu sein, sowie derjenige, welcher Mitglied des Senates, des Bürger-Ausschusses oder einer Gerichtsbehörde wird. § 73. In dem Wahlbezirk, dessen Wahl für ungültig erklärt oder nicht angenommen worden ist, wird eine neue Wahl angeordnet. Eben so wenn im Laufe des Jahres eine Abgeordnetenstelle erledigt wird. § 74. Die gesetzgebende Versammlung wird jährlich vollständig erneuert. Ihre Mitglieder sind stets wieder wählbar. § 75. Jeder Abgeordnete vertritt die Gesammtheit der Staatsbürger, nicht den Bezirk, in welchem er gewählt ist. Er kann durch Aufträge oder Vorschriften seiner Wähler nicht gebunden werden, auch nicht gültige Verpflichtungen hinsichtlich seines Verhaltens in der gesetzgebenden Versammlung gegen dieselben übernehmen. § 76. Die Abgeordneten dürfen von Staatswegen für ihre Abstimmungen oder für die in Ausübung ihres Berufes gethanen Aeußerungen nicht zur Verantwortung gezogen werden. § 77. Kein Abgeordneter darf ohne Bewilligung der gesetzgebenden Versammlung wegen strafrechtlicher Anschuldigungen verhaftet werden, ausgenommen in dem Fall der Ergreifung auf frischer That, wo die nachträgliche Genehmigung der Versammlung unverzüglich einzuholen ist. § 78. Die Abgeordneten versehen ihr Amt unentgeltlich. Ueber den etwaigen Ersatz der für den Besuch der Sitzungen aufgewandten Auslagen entscheidet das Gesetz. § 79. Am ersten Montag des Novembers tritt die gesetzgebende Versammlung auf

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F RANKFURT Einladung des Senats, und wenn eine solche nicht erfolgt, kraft eigenen Rechtes zusammen. Die folgenden Sitzungen werden durch ihren Vorsitzer angeordnet. § 80. Eine Sitzung der gesetzgebenden Versammlung muß angeordnet werden: 1) auf Antrag des Senats, und 2) auf Antrag des Bürger-Ausschusses. § 81. Die Sitzungen der gesetzgebenden Versammlung sind öffentlich. Nur ausnahmsweise können sie durch Beschluß der Versammlung in nichtöffentliche verwandelt werden. § 82. Die gesetzgebende Versammlung kann nur dann beschließen, wenn wenigstens acht und vierzig Abgeordnete anwesend sind. Sie faßt ihre Beschlüsse durch absolute Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder. § 83. Der Eintritt von Deputationen in die Sitzung zur Ueberreichung von Zuschriften ist unstatthaft. § 84. Die Form ihrer Berathungen und die Mittel der Handhabung der Ordnung in den Sitzungen bestimmt die gesetzgebende Versammlung durch ihre Geschäftsordnung. § 85. Das Recht, Gesetze zu beantragen, steht dem Senate und jedem Mitgliede und Ausschusse der gesetzgebende Versammlung zu. § 86. Geht der Antrag aus der gesetzgebenden Versammlung hervor, so kann diese nach Gutfinden entweder den Senat ersuchen, ihr einen Gesetzentwurf vorzulegen, oder das Gesetz sogleich beschließen. § 87. Die von dem Senate beantragten Gesetze kann die gesetzgebende Versammlung annehmen, verwerfen oder verändern. § 88. Die von der gesetzgebenden Versammlung beschlossenen Gesetze werden

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dem Senate zur Verkündigung und Vollziehung übersendet. § 89. Ist das beschlossene Gesetz vom Senate beantragt und von der gesetzgebenden Versammlung unverändert angenommen worden, so hat der Senat dasselbe innerhalb vier Wochen nach der ihm von der gesetzgebenden Versammlung gewordenen Mittheilung zu verkünden. Läßt der Senat diese Frist verstreichen, so wird das Gesetz von der gesetzgebenden Versammlung verkündet. § 90. In allen anderen Fällen hat der Senat innerhalb zweier Monate, nachdem ihm ein von der gesetzgebenden Versammlung beschlossenes Gesetz zur Verkündung und Vollziehung übersendet worden, dasselbe entweder zu verkünden oder der gesetzgebenden Versammlung anzuzeigen, daß er demselben seine Zustimmung versage und ihr zugleich drei seiner Mitglieder zu bezeichnen, welchen er den Antrag ertheilt, deshalb mit ihr zu conferiren. § 91. Zu dieser Conferenz ernennt die gesetzgebende Versammlung drei ihrer Mitglieder. Die Aufgabe dieses gemeinschaftlichen (gemischten) Ausschusses ist, eine Vereinbarung zwischen derselben und dem Senate herbeizuführen; gelingt dieses nicht, so ist das Gesetz nebst den darüber gepflogenen Verhandlungen an den Großen Rath zur endgültigen Beschlußnahme gelangen zu lassen. § 92. Läßt der Senat die im §. 90 vorberaumte Frist verstreichen, ohne entweder das Gesetz zu verkünden, oder der gesetzgebenden Versammlung die dort vorgeschriebene Anzeige zu machen, so kann das Gesetz von der gesetzgebenden Versammlung verkündet werden. § 93. Die gesetzgebende Versammlung beschließt insbesondere die Gesetze 1) über die Steuern und Abgaben, so wie

V ERFASSUNGSENTWURF DES F REISTAATES F RANKFURT (1849) über die Erhebungsweise derselben, 2) über den jährlichen Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben, 3) über die vergleichende Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben eines verflossenen Jahres im Verhältnisse zu dessen Voranschlag (Rechnungsgesetz). § 94. Der gesetzgebenden Versammlung ist ferner übertragen: 1) die Einwilligung zur Veräußerung und Erwerbung von Staatsgütern im Werthe von fl. 4000 bis 25000; 2) das Recht der Anklage des Senates, seiner Mitglieder und anderer Staatsbeamten; 3) die Verfügung auf Beschwerden Einzelner wegen Verletzung verfassungsmäßiger Rechte durch eine Behörde; 4) die Mitwirkung bei Besetzung erledigter Stellen im Senate, im Bürger-Ausschusse und bei den Gerichten; 5) das Recht, eine von den Gerichten erkannte Strafe durch Begnadigung zu mildern oder zu erlassen, wenn es sich von der Bestrafung eines Staatsbeamten wegen Amtsvergehen handelt; 6) das Recht, vom Senate Auskunft über einzelne in Anregung gebrachte Angelegenheiten zu verlangen; 7) das Recht, die Zusammenberufung des Großen Raths zu verlangen. § 95. Die gesetzgebende Versammlung kann die Untersuchung thatsächlicher Verhältnisse durch Ausschüsse vornehmen lassen. Bedürfen diese Ausschüsse der Auskunftsertheilung oder Mitwirkung von Behörden, so sind letztere durch den Senat hierzu anzuweisen.

VIERTER ABSCHNITT Von dem Senate § 96. Der Senat besteht aus sechszehn auf Lebenszeit gewählten Mitgliedern, wovon zwei das Syndicats-Amt versehen.

Minderheits-Erachten zu §. 96 Der Senat besteht aus sechszehn Mitgliedern, wovon 1) sieben mit der unmittelbaren Verwaltung von Aemtern betraut und auf solche abgeordnet werden, 2) zwei das Syndicats-Amt versehen, und 3) sieben sich in die übrigen Verrichtungen und Obliegenheiten theilen. Die unter 1 und 2 bezeichneten Mitglieder werden auf Lebenszeit, die unter 3 bezeichneten auf sechs nacheinander folgende Jahre gewählt, dergestalt, daß nach Ablauf zweier Jahre zwei, nach Ablauf weiterer zweier Jahre zwei, und nach fernerem Ablauf zweier Jahre drei Mitglieder ausscheiden. Die Ausscheidenden werden zuerst durch das Loos, später durch das Amtsalter bestimmt, und sind immer wieder wählbar. Tritt bei den unter 3 bezeichneten Mitgliedern eine Erledigung während der vier ersten Amtsjahre ein, so wird zu einer neuen Wahl für die noch übrige Amtszeit geschritten. Tritt die Erledigung während der letzten beiden Amtsjahre ein, und sind nicht etwa die gesetzgebende Versammlung und der Senat über Aussetzung der Wahl bis zum Eintritte der nächsten Wahl-Periode einverstanden, so gilt die Ersatzwahl zugleich als Wahl für die auf die laufende Amtszeit folgenden sechs Jahre. § 97. Mit der Vornahme der Wahl eines Senats-Mitgliedes hat die gesetzgebende Versammlung drei ihrer Mitglieder, hat der Bürger-Ausschuß drei seiner Mitglieder, und haben die Gerichte, welche zu dem Ende zusammen treten, drei ihrer Mitglieder zu beauftragen. Die Wahl geschieht von diesen neun Abgeordneten durch absolute Stimmenmehrheit in einer Handlung. § 98. Wählbar in den Senat ist jeder in

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F RANKFURT die gesetzgebende Versammlung wählbare Staatsbürger, welcher das dreißigste Lebensjahr vollendet hat. Die Mitglieder, welche das Syndicats-Amt versehen, müssen überdies Rechtsgelehrte sein. § 99. Der Senat wählt aus seiner Mitte einen (ersten, älteren) Bürgermeister und einen Stellvertreter desselben in Verhinderungsfällen (zweiten, jüngeren Bürgermeister,) für die Dauer eines Jahres zu Vorsitzenden. Die nehmlichen Personen sind auch nach Ablauf des Jahres stets wieder wählbar. § 100. Die vollziehende Gewalt ist dem Senate übertragen, welcher zugleich die oberste Verwaltungsbehörde ist. § 101. Der Senat verkündet alle vom Großen Rathe beschlossenen Gesetze, und die von der gesetzgebenden Versammlung beschlossenen Gesetze, mit welchen er einverstanden ist. Er vollzieht die verkündeten Gesetze und erläßt die nöthigen Vollzugsverordnungen. § 102. Alle Beamten, über deren Wahl nicht durch die Verfassung oder die Gesetze anders verfügt wird, ernennt der Senat. Bei Ernennung der Mitglieder des BürgerAusschusses und der Gerichte wirkt er verfassungsmäßig mit. § 103. Der Senat hat die Aufsicht über die Rechtspflege, über sämmtliche Zweige der Verwaltung, insbesondere über das Unterrichts-, Erziehungs- und Stiftungswesen, über Handel und Gewerbe, er übt die dem Staate zustehende Oberaufsicht über die Gemeinden und Religionsgesellschaften aus, verfügt innerhalb der gesetzlichen Schranken über die bewaffnete Macht, und hat im Allgemeinen die gesetzliche Ordnung aufrecht zu erhalten, und die Sicherheit des Staates im Innern wie nach außen zu wahren. Es steht ihm das Recht zu, im

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Falle eines Kriegs oder Aufruhrs die grundrechtlichen Bestimmungen über Verhaftung, Haussuchung und Versammlungsrecht auf drei Tage außer Kraft zu setzen. § 104. Der Senat vertritt den Staat der deutschen Reichsgewalt gegenüber. Er leitet die auswärtigen Angelegenheiten, führt die auf dieselben bezüglichen Verhandlungen und ernennt die Bevollmächtigten bei andern Staaten. Vor dem endgültigen Abschlusse von Staatsverträgen hat er die Genehmigung des Großen Raths einzuholen. § 105. Das Recht, eine von den Gerichten erkannte Strafe durch Begnadigung zu mildern und zu erlassen, steht dem Senate zu, ausgenommen, wenn es ich von der Bestrafung eines Staatsbeamten wegen Amtsvergehen handelt. § 106. Der Senat legt dem Bürger-Ausschusse den jährlichen Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben und die dazu gehören den Gesetz-Entwürfe, überhaupt alle, Steuern und Abgaben wie deren Erhebungsweise betreffenden, Gesetzentwürfe zur Prüfung und Begutachtung vor, und theilt solche demnächst nebst den darüber vom Bürger-Ausschusse erstatteten Berichten der gesetzgebenden Versammlung mit. § 107. Der Senat legt jedes von der gesetzgebenden Versammlung aus eigener Bewegung beschlossene, ihm von derselben zur Verkündung und Vollziehung zugegangene Gesetz, in so fern solches Steuern und Abgaben oder deren Erhebungsweise betrifft, dem Bürger-Ausschusse zur Prüfung und Begutachtung vor, und faßt erst nach deshalb von demselben erstatteten Bericht Beschluß über Verkündung des betreffenden Gesetzes. § 108. Der Senat ertheilt der gesetzgebenden Versammlung auf deren Verlangen

V ERFASSUNGSENTWURF DES F REISTAATES F RANKFURT (1849) Auskunft über einzelne in Anregung gebrachte Angelegenheiten, und weist die betreffenden Behörden an, derselben die erforderte Auskunft zu ertheilen und die begehrte Mitwirkung eintreten zu lassen. § 109. Der Senat legt der gesetzgebenden Versammlung auf deren Ersuchen oder aus eigenem Antriebe Vorschläge zu Gesetzen vor. Er erstattet derselben von Zeit zu Zeit einen Gesammtbericht über den Zustand des Staates, und verhindert damit den Vorschlag zu solchen Maßregeln, die er für das Gedeihen der öffentlichen Verhältnisse nützlich erachtet. § 110. Die dem Staate zu leistenden Eide oder die deren Stelle vertretenden Verpflichtungen werden, so weit die Verfassung oder die Gesetze nicht anders darüber bestimmen, vor dem Senate abgelegt. § 111. Der Senat hat das Recht, die Zusammenberufung des Großen Raths, der gesetzgebenden Versammlung und des Bürger-Ausschusses zu verlangen. § 112. Der Senat hat das Recht, liegende Staatsgüter bis zum Taxationswerthe von fl. 4000, unter Zustimmung des Bürger-Ausschusses, zu erwerben und zu veräußern. Bei Erwerbung und Veräußerung liegender Staatsgüter im Taxationswerthe von fl. 4000 bis zu fl. 25000 hat derselbe darüber einen gutachtlichen Bericht vom BürgerAusschusse, und demnächst, unter Vorlegung dieses Berichtes, die Einwilligung der gesetzgebenden Versammlung einzuholen. Zur Erwerbung und Veräußerung liegender Staatsgüter im Taxationswerthe von fl. 25000 und darüber ist die Einwilligung des Großen Raths erforderlich. § 113. Der Senat hat über die von der gesetzgebenden Versammlung für unvorhergesehene Fälle oder in runder Summe verwilligten Ausgaben dem Bürger-Ausschusse die specielle Verwendung anzugeben,

und dessen Zustimmung zu derselben einzuholen. § 114. Gelderhebungen und Auszahlungen aus den öffentlichen Kassen können nur gegen Anweisungen erfolgen, die auf den gesetzlichen Beschlüssen beruhen und mit der Gegenzeichnung der betreffenden Deputirten des Bürger-Ausschusses versehen sind. § 115. Die Mitglieder des Senats erhalten eine Geldentschädigung, welche durch das Gesetz bestimmt wird. § 116. Ist bei einem Mitgliede des Senats eine geistige oder körperliche Schwäche eingetreten, welche die fernere gehörige Amtsführung nicht mehr zuläßt, so hat der Senat die Versetzung desselben in den Ruhestand zu veranlassen; den Anspruch auf Ruhegehalt bestimmt das Gesetz.

Minderheits-Erachten zu §. 116 Ist bei einem lebenslänglichen Mitgliede etc. § 117. Die Mitglieder des Senates haben bei ihrem Amtsantritt folgenden Eid in einer öffentlichen Sitzung der gesetzgebenden Versammlung zu leisten: (Folgt die Eidesformel.) § 118. Der Senat und dessen einzelne Mitglieder sind dafür verantwortlich, daß durch ihre Amtsführung die Verfassung und die Gesetze nicht verletzt werden. Ein Gesetz wird die rechtlichen Wirkungen dieser Verantwortlichkeit und die Formen, in welchen sie zur Geltung gebracht werden kann, bestimmen.

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FÜNFTER ABSCHNITT Von dem Bürger-Ausschusse § 119. Der Bürgerausschuß besteht aus 36 Mitgliedern, welche auf sechs Jahre gewählt werden, und von denen jährlich sechs ausscheiden. Die Ausscheidenden werden zuerst durch das Loos, später durch das Amtsalter bestimmt, und sind stets wieder wählbar. Die Ergänzung eingetretener Erledigungen findet gleichzeitig mit der zunächst vorzunehmenden jährlichen Wahl Statt, dergestalt jedoch, daß hinsichtlich des Amtsalters der Gewählte als an die Stelle des Ausgeschiedenen getreten angesehen wird. § 120. Mit der Vornahme der Wahl eines Mitgliedes des Bürger-Ausschusses hat die gesetzgebende Versammlung drei ihrer Mitglieder, hat der Senat drei seiner Mitglieder, und haben die Gerichte, welche zu dem Ende zusammen treten, drei ihrer Mitglieder zu beauftragen. Die Wahl geschieht von diesen neun Abgeordneten durch absolute Stimmenmehrheit in einer Handlung. § 121. Wählbar in den Bürger-Ausschuß ist jeder in die gesetzgebende Versammlung wählbare Staatsbürger. § 122. Der Bürger-Ausschuß prüft und begutachtet die ihm vom Senate zu machenden Vorlagen, namentlich: 1) wegen Erwerbung und Veräußerung liegender Staatsgüter im Taxationswerthe von fl. 4000 bis fl. 25,000; 2) den jährlichen Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben und die dazu gehörenden Gesetzentwürfe; 3) die Gesetze und Gesetzentwürfe, welche Steuern und Abgaben wie deren Erhebungsweise betreffen. § 123. Der Bürger-Ausschuß ertheilt oder versagt seine Zustimmung den ihm vom Senate zu machenden Vorlagen:

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1) wegen Erwerbung und Veräußerung liegender Staatsgüter im Taxationswerth vom fl. 4000 und darunter; 2) wegen der speciellen Verwendung der von der gesetzgebenden Versammlung für unvorhergesehene Fälle oder in runder Summa verwilligten Ausgaben. § 124. Der Bürger-Ausschuß ordnet Mitglieder auf die einzelnen Aemter ab, ohne deren Gegenzeichnung aus keiner öffentlichen Kasse Gelder erhoben oder ausbezahlt werden dürfen. § 125. Der Bürger-Ausschuß hat das Recht, die Zusammenberufung des Großen Raths und der gesetzgebenden Versammlung zu verlangen. § 126. Dem Bürger-Ausschusse steht die verfassungsmäßige Mitwirkung bei Ernennung von Mitgliedern des Senats und der Gerichte zu. § 127. Dem Bürger-Ausschusse steht die Mitwirkung bei Ernennung von Mitgliedern des Rechnungshofes (Revisions-Collegs) zu; die Art dieser Mitwirkung bestimmt das Gesetz. § 128. Der Bürger-Ausschuß kann nur beschließen, wenn wenigstens 24 Mitglieder anwesend sind. Er fasst seine Beschlüsse durch absolute Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder. § 129. Die Mitglieder des Bürger-Ausschusses versehen ihr Amt unentgeltlich; es können jedoch solche Mitglieder, welche auf die Aemter abgeordnet worden sind, ihren Leistungen angemessen honorirt werden.

SECHSTER ABSCHNITT Von den Gerichten § 130. Die richterliche Gewalt wird selbstständig von den Gerichten ausgeübt.

V ERFASSUNGSENTWURF DES F REISTAATES F RANKFURT (1849) § 131. Gerichte des Freistaates Frankfurt sind: das Appellationsgericht, das Stadtgericht, das Stadtamt, das Land-Justiz-Amt, das Rügegericht. § 132. In Strafsachen gilt der Anklageproceß. Schwurgerichte sollen jedenfalls in schwereren Strafsachen und bei allen politischen Vergehen urtheilen. § 133. Die bürgerliche Rechtspflege soll in Sachen besonderer Berufserfahrung durch sachkundige, von den Berufsgenossen frei gewählte Richter geübt oder mitgeübt werden; wegen Errichtung von Handelsund Gewerbegerichten bestimmt das Gesetz. § 134. Das Gerichtsverfahren soll öffentlich und mündlich sein. Ausnahmen von der öffentlichen Verhandlung bestimmt im Interesse der Sittlichkeit das Gesetz. § 135. Es soll keinen privilegirten Gerichtsstand der Personen und Güter geben. Die Militärgerichtsbarkeit ist auf die Aburtheilung militärischer Verbrechen und Vergehen, so wie der Militär-Disciplinar-Vergehen zu beschränken, vorbehaltlich der Bestimmungen für den Kriegsstand. § 136. Rechtspflege und Verwaltung sind getrennt. Die Verwaltungsrechtspflege hört auf. Ueber alle Rechtsverletzungen so wie über Competenz-Conflicte zwischen den Verwaltungs- und Gerichtsbehörden entscheiden die Gerichte. Den Polizeibehörden und andern Verwaltungsämtern soll keine Strafgerichtsbarkeit zustehen. § 137. Die Mitglieder der Gerichte werden auf Lebenszeit ernannt.

§ 138. Mit der Vornahme der Wahl eines Mitgliedes der Gerichte hat die gesetzgebende Versammlung drei ihrer Mitglieder, der Senat drei seiner Mitglieder und der Bürger-Ausschuß drei seiner Mitglieder zu beauftragen. Die Wahl geschieht von diesen neun Abgeordneten durch absolute Stimmenmehrheit in einer Handlung. Wählbar ist jeder in den Senat wählbare, überdies rechtsgelehrte Staatsbürger. § 139. Den Mitgliedern der Gerichte steht die verfassungsmäßige Mitwirkung bei Ernennung von Mitgliedern des Senats und des Bürger-Ausschusses zu. § 140. Jedes Gericht hat an den Senat auf dessen Verlangen über in das Justizfach einschlagende Gegenstände Berichte und Gutachten zu erstatten. § 141. Alle Gehalte der Mitglieder des Richterstandes und seiner Hülfsbeamten werden durch das Gesetz bestimmt. Ausgenommen sind die Vergütungen an diejenigen Beamten, welche auf Tagegeld gesetzt sind. § 142. Kein Richter darf, außer durch Urtheil und Recht, von seinem Amte entfernt oder im Rang und Gehalt beeinträchtigt werden. Suspension darf nicht ohne Beschluß des zuständigen Gerichts erfolgen. § 143. Kein Richter darf wider seinen Willen, außer durch Beschluß des zuständigen Gerichts in den durch das Gesetz bestimmten Fällen und Formen, zu einer andern Stelle versetzt oder in Ruhestand gesetzt werden. § 144. Die Bestimmungen der Verfassung über Gerichte und Mitglieder des Richterstandes finden nicht Anwendung auf Ergänzungsrichter, auf Untersuchungsrichter, auf Hülfsrichter, auf Geschworne und auf diejenigen, welche von ihren Berufsgenossen

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F RANKFURT in Sachen besonderer Berufserfahrung als Richter gewählt sind. § 145. Das Gesetz bestimmt das Nähere über die innere Organisation der gerichtlichen Behörden, über deren Verfahren und Zuständigkeiten.

SIEBENTER ABSCHNITT Von dem Großen Rathe § 146. Der Große Rath versammelt sich auf Einladung des Bürgermeisters, welcher in demselben auch den Vorsitz hat; ist der Bürgermeister verhindert, so versieht sein Stellvertreter sein Amt. § 147. Die Zusammenberufung des Großen Raths geschieht nach Erforderniß der Geschäfte, und auf Verlangen 1) der gesetzgebenden Versammlung, 2) des Senats, oder 3) des Bürger-Ausschusses. § 148. Die Sitzungen des Großen Raths sind öffentlich, und können nur ausnahmsweise durch Beschluß der Versammlung in nichtöffentliche verwandelt werden. § 149. Der Große Rath kann nur dann beschließen, wenn wenigstens 96 Mitglieder anwesend sind. Er faßt seine Beschlüsse durch absolute Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder. § 150. An den Großen Rath können besondere Anträge und Vorschläge von Mitgliedern nicht gebracht werden. § 151. Dem Großen Rathe steht das Recht zu: 1) Gesetzen, welche von der gesetzgebenden Versammlung angenommen worden sind, jedoch die Zustimmung des Senats nicht erhalten haben, und Gesetz-Entwürfen, welche vom Senate bei der gesetzgebenden Versammlung beantragt, von dieser jedoch nicht angenommen worden sind,

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vermittelst endgültigen Beschlusses Gesetzeskraft beizulegen oder nicht; 2) die Zustimmung des Bürger-Ausschusses durch eigene Zustimmung in den Fällen, wo sie von demselben verfassungsmäßig zu ertheilen gewesen, jedoch verweigert worden ist, zu ersetzen oder nicht; 3) im Fall eines Kriegs oder Aufruhrs die grundrechtlichen Bestimmungen über Verhaftung, Haussuchung und Versammlungsrecht von vier zu vier Wochen außer Kraft zu setzen. § 152. Der Große Rath übersendet dem Senate die beschlossenen Gesetze zur Verkündung und Vollziehung, und die gefaßten Beschlüsse zur Ausführung. § 153. Der Große Rath beschließt die Gesetze 1) über die Aufnahme von Staatsanlehen, 2) über das Münzwesen, 3) über die bewaffnete Macht. § 154. Dem Großen Rathe steht zu: 1) die Genehmigung der Staatsverträge, 2) die Einwilligung zur Veräußerung und Erwerbung liegender Staatsgüter im Taxationswerthe von fl. 25,000 und darüber; 3) die Ertheilung einer vollständigen oder theilweisen Amnestie; 4) die Oberaufsicht hinsichtlich der Verhältnisse des Freistaates zu dem deutschen Reiche und zu andern Staaten; 5) die Ernennung von Abgeordneten zu deutschen Reichs- und Bundes-Versammlungen nach Maßgabe der Bestimmungen der deutschen Reichs- und Bundesgesetze; 6) der Antrag auf Abänderung einzelner Bestimmungen der Verfassung oder auf eine Durchsicht der Verfassung im Ganzen; ein solcher Antrag kann vom Großen Rathe jedoch nur auf Anregung der gesetzgebenden Versammlung, des Senats oder des Bürger-Ausschusses, mit wenigstens zwei

V ERFASSUNGSENTWURF DES F REISTAATES F RANKFURT (1849) Drittheilen der Stimmen seiner sämmtlichen Mitglieder beschlossen werden.

können auch nicht gleichzeitig das Richteramt im Freistaate bekleiden.

§ 155. Der Große Rath darf bei seinem jedesmaligen Zusammentritt nur über die Gegenstände verhandeln, zu deren Erledigung er einberufen ist; mit der Erledigung dieser Gegenstände findet er sich wieder auf unbestimmte Zeit vertagt.

§ 160. Kein Mitglied einer Staatsbehörde und kein Beamter des Staates darf von einem andern Staate ein Amt annehmen. Der Uebertreter dieses Verbotes ist seiner Stelle verlustig.

ACHTER ABSCHNITT Allgemeine Bestimmungen § 156. In einer Person dürfen nicht vereinigt sein: 1) eine Stelle der Verwaltung und des Richteramts, 2) zwei Stellen der Verwaltung oder des Richteramts, von denen die eine zu der andern im Verhältnisse der Unterordnung steht, 3) die Mitgliedschaft in mehreren Staatsbehörden, den Großen Rath nicht einbegriffen. § 157. Im Senate können nicht gleichzeitig sein: 1) Verwandte in auf- und absteigender Linie, 2) Stiefvater und Stiefsohn, 3) Schwiegervater und Schwiegersohn, 4) Brüder, 5) Schwäger, und Männer, deren Ehefrauen Schwestern sind, 6) Oheim und Neffe durch Blutsverwandtschaft. Es macht in den Fällen 3 und 5 keinen Unterschied, ob die Ehe noch fortdauert oder nicht. § 158. Diejenigen Anverwandten, welche nicht gleichzeitig im Senate sein können, können auch nicht gleichzeitig im BürgerAusschusse sein. § 159. Diejenigen Anverwandten, welche nicht gleichzeitig im Senate sein können,

§ 161. Wer ein Amt in einem andern Staate bekleidet, kann nicht Mitglied einer Staatsbehörde oder Beamter des Staates werden, wenn er nicht seine Anstellung im andern Staate aufgibt. § 162. Die gesetzgebende Versammlung, der Senat und der Bürger-Ausschuß können unter sich vereinigt oder getheilt vermittelst Ausschüssen in Conferenz treten. § 163. Jede Staatsbehörde entwirft für sich eine Geschäftsordnung. § 164. Die einzelnen Staatsbehörden haben auch diejenigen Verrichtungen vorzunehmen, welche ihnen vom Gesetze zugewiesen werden und deren die Verfassung nicht Erwähnung thut. § 165. Die in den drei Urkunden vom 2. Februar 1830, das evangelisch-lutherische und das katholische Kirchen- und Schulwesen betreffend, festgesetzten Dotationen bleiben in Kraft, und werden auch für die Zukunft gewährleistet. Das Nämliche gilt von den bisherigen Leistungen des Staats für Besoldung der Prediger in den Landgemeinden. § 166. Es sollen im Freistaate Frankfurt bestehen: 1) eine Oberschulbehörde, 2) eine Handelskammer, 3) eine Gewerbekammer, 4) ein Rechnungshof (Revisions-Colleg). Das Nähere bestimmt das Gesetz.

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NEUNTER ABSCHNITT Von den Gemeinden § 167. Der Freistaat Frankfurt umfaßt neun Gemeinden, eine Stadtgemeinde und acht Landgemeinden. § 168. Diese Eintheilung und die gegenwärtigen Grenzen der einzelnen Gemeinden können nur durch ein Gesetz abgeändert werden. § 169. Jeder Staatsbürger muß Bürger einer Gemeinde des Freistaates sein, das Staatsbürgerrecht muß gleichzeitig mit dem Gemeindebürgerrecht erworben werden. § 170. Die Bedingungen für den Erwerb und Verlust des Gemeinde-Bürgerrechts bestimmt das Gesetz. § 171. Die gesetzlichen Organe der Stadtgemeinde sind der Senat und die gesetzgebende Versammlung, letztere mit Ausschluß derjenigen Mitglieder, welche der Stadtgemeinde nicht angehören. Das Nähere über die Leitung der städtischen Angelegenheiten durch dieselben bestimmt das Gesetz. § 172. Die für die verschiedenen Zweige der Staatsverwaltung bestellten Behörden führen zugleich die Verwaltung der städtischen Angelegenheiten; es bleibt jedoch der Stadtgemeinde vorbehalten, für einzelne Verwaltungen besondere Behörden und Beamte zu bestellen. § 173. Für die Landgemeinden ist eine Gemeinde-Ordnung zu erlassen, welche über deren Verfassung und Einrichtung umfassende Bestimmungen enthalten wird. § 174. Jede Gemeinde hat als Grundrechte ihrer Verfassung: 1) die Wahl ihrer Vorsteher und Vertreter,

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2) die selbstständige Verwaltung ihrer Gemeindeangelegenheiten mit Einschluß der Ortspolizei, 3) die Veröffentlichung ihres Gemeindehaushaltes, 4) Oeffentlichkeit der Verhandlungen als Regel. Das Gesetz bestimmt, in wie weit dem Staat ein Oberaufsichtsrecht über die Verwaltung der Gemeinde-Angelegenheiten zusteht. § 175. So lange eine Absonderung des Staatsvermögens vom städtischen Vermögen nicht stattgefunden hat, fließen alle Einkünfte aus dem letzteren in die Staatskasse und werden die auf dasselbe zu machenden Verwendungen aus Staatsmitteln bestritten. Dasselbe gilt von allen Einnahmen aus städtischen Abgaben und von den Verwendungen für städtische Gemeindebedürfnisse. § 176. Sobald die Ausscheidung erfolgt, werden alle bis dahin von der Staatskasse bezogenen Einkünfte und gemachten Verwendungen als sich ausgleichend angenommen. § 177. Auch schon vor eingetretener Trennung kann die Stadtgemeinde besondere Gemeinde-Anstalten gründen und abgesondert verwalten.

1 Ediert nach Amtsblatt für den Stadtkreis Frankfurt, Jahrgang 1849, Beilage zu Nr. 113. Der Verfassungsentwurf wurde am 10. Dezember 1849 von der verfassunggebenden Versammlung beschlossen, ist aber nie in Kraft getreten. Für weiterführende Angaben siehe Matthias Weber, Verfassung und Reform in Vormärz und Revolutionszeit, Die konstituierende Versammlung des Freistaats Frankfurt 1848–1850, Frankfurt am Main 1996, insb. S. 161ff.

Verfassung des Freistaates Hamburg (1849)

Die Verfassung des Freistaates Hamburg nebst den dazu gehörenden organischen Gesetzen1

ERSTER ABSCHNITT Allgemeine Bestimmungen Art. 1. Der Freistaat Hamburg bildet einen selbstständigen Einzelstaat des deutschen Reichs. Art. 2. Das Gebiet des hamburgischen Staats umfaßt sämmtliche gegenwärtig demselben angehörenden Theile. Die Regulirung der Verhältnisse des Amtes Bergedorf bleibt vorbehalten. Jede Gebietsveräußerung gilt als eine Veränderung der Verfassung. Art. 3. Angehöriger des hamburgischen Staats ist Jeder, welchem nach gesetzlicher Bestimmung das Heimathsrecht in demselben zusteht. Art. 4. Das Staatsbürgerrecht wird durch Verpflichtung auf die Verfassung erworben. Nur Volljährige werden zu dieser Verpflichtung zugelassen. Die Form derselben bestimmt das Gesetz. Art. 5. Für Staatsangehörige ist die Erwerbung des Staatsbürgerrechts an keine andere Bedingung geknüpft, als die im vorigen Artikel vorgeschriebenen. Art. 6. Nicht-Staatsangehörige haben vor Erwerbung des Staatsbürgerrechts nachzuweisen, daß ihrer Aufnahme als Gemeindebürger in die städtische oder eine der übrigen Gemeinden nichts entgegensteht. Sie

können auch nach Erlangung des Staatsbürgerrechts die in demselben enthaltenen Befugnisse erst, nachdem sie das Bürgerrecht in einer Gemeinde erworben haben, ausüben. Art. 7. Die Verfassung des Staats ist die demokratische. Alle Staatsgewalt wird von den Staatsbürgern entweder unmittelbar oder mittelbar durch verfassungsmäßig gewählte Vertreter ausgeübt. Art. 8. Die gesetzgebende Gewalt ist der Bürgerschaft, die vollziehende dem Rath, die richterliche den Gerichten übertragen.

ZWEITER ABSCHNITT Grundrechte Art. 9. Alle Staatsangehörigen sind vor dem Gesetze gleich. Art. 10. Der Staat erkennt bei seinen Angehörigen keinen Adel, noch sonst einen bevorrechteten Stand an. Art. 11. Kein Staatsangehöriger darf von einem anderen Staate einen Titel oder Orden annehmen. Ein von einem anderen Staate übertragenes Amt befreit keinen Staatsangehörigen von den ihm gegen den hamburgischen Staat obliegenden Pflichten.

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H AMBURG Art. 12. Niemand darf verhindert werden, aus dem Staatsverbande zu treten, wenn er die zur Zeit bereits entstandenen Obliegenheiten gegen den Staat erfüllt, und keine privatrechtlichen Ansprüche gegen seinen Austritt geltend gemacht werden. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.

Art. 19. Die für das Militairwesen erforderlichen Abweichungen von den in den Art. 15. bis 18. enthaltenen Bestimmungen bleiben der Gesetzgebung vorbehalten.

Art. 13. Kein Staatsangehöriger darf einem anderen Staate zur Bestrafung ausgeliefert werden.

Art. 20. Die persönliche Haft als Vollstreckungsmittel wegen Schuldforderungen soll abgeschafft werden.

Art. 14. Die öffentlichen Aemter sind für alle Staatsbürger, welche die gesetzlich vorgeschriebenen Eigenschaften besitzen, gleich zugänglich. Das Gesetz darf nur solche Bedingungen der Wählbarkeit aufstellen, welche die Natur des Amtes fordert.

Art. 21. Die Wohnung ist unverletzlich. Das Eindringen in dieselbe und namentlich eine Haussuchung ist nur in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen zulässig.

Art. 15. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Niemand darf anders, als in den gesetzlich bestimmten Fällen, verhaftet oder in polizeiliche Verwahrung genommen werden. Art. 16. Die Verhaftung einer Person soll, außer im Fall der Ergreifung auf frischer That, nur geschehen in Kraft eines richterlichen mit Gründen versehenen Befehls. Dieser Befehl muß im Augenblicke der Verhaftung oder innerhalb der nächsten vier und zwanzig Stunden dem Verhafteten schriftlich zugestellt werden. Die Polizeibehörde muß Jeden, den sie in Verwahrung genommen hat, im Laufe des folgenden Tages entweder freilassen oder der richterlichen Behörde übergeben. Art. 17. Jeder Verhaftete soll gegen Stellung einer vom Gerichte zu bestimmenden Caution oder Bürgschaft der Haft entlassen werden, sofern nicht dringende Anzeigen eines schweren Verbrechens gegen ihn vorliegen. Art. 18. Im Fall einer widerrechtlich verfügten oder verlängerten Gefangenschaft

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ist der Schuldige und nöthigenfalls der Staat dem Verletzten zur Genugthuung und Entschädigung verpflichtet.

Art. 22. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren kann nur in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen und Formen, die Durchsuchung in Beschlag genommener Briefe und Papiere nur kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen, schriftlichen Befehls vorgenommen werden. Bei der Durchsuchung ist, wenn möglich, der Betheiligte zuzuziehen, welchem dann der Befehl sofort zu eröffnen ist. Art. 23. Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Ausnahmen von dieser Bestimmung können nur in strafgerichtlichen Untersuchungen nach Maaßgabe gesetzlicher Vorschriften, und in Kriegsfällen eintreten. Art. 24. Zur Erlangung eines Geständnisses in Untersuchungen darf kein Zwangsmittel angewendet werden. Art. 25. Keine Strafe darf angedroht oder verhängt werden, als in Gemäßheit eines bestimmten Gesetzes. Art. 26. Die Todesstrafe, ausgenommen wo das Kriegsrecht sie vorschreibt, oder das Seerecht im Fall einer Meuterei sie zuläßt, so wie die Strafen des Prangers, der Brandmarkung und der körperlichen Züchtigung sind abgeschafft.

V ERFASSUNG DES F REISTAATES H AMBURG (1849) Art. 27. Jeder hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise durch vorbeugende Maaßregeln, namentlich Censur, Concessionen, Privilegien, Sicherheitsleistungen, Staatsauflagen, Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postverbote, oder andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendiert oder aufgehoben werden. Verbrechen und Vergehen, zu welchen die Ausübung dieses Rechtes mißbraucht wird, unterliegen den allgemeinen Strafgesetzen. Art. 28. Jeder hat das Recht, einzeln oder in Gemeinschaft mit Mehreren sich mit Gesuchen schriftlich an die Behörden des Staates und der Gemeinden zu wenden. Abweisende Bescheide müssen mit Gründen versehen sein. Art. 29. Jeder hat volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Ueberzeugung zu offenbaren. Art. 30. Die gemeinsame häusliche und öffentliche Uebung der Religion ist unbeschränkt. Verbrechen und Vergehen, zu welchen die Ausübung dieses Rechts mißbraucht wird, unterliegen dem Strafgesetz. Art. 31. Durch das religiöse Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf dasselbe keinen Abbruch thun. Art. 32. Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen.

Art. 33. Keine Religionsgesellschaft genießt vor anderen Vorrechte durch den Staat, es besteht fernerhin keine Staatskirche. Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. Art. 34. Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden. Art. 35. Die Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung der durch die bürgerliche Gesetzgebung vorgeschriebenen Form abhängig. Erst nach diesem Civilact kann eine kirchliche Trauung stattfinden. Die Religionsverschiedenheit ist kein Ehehinderniß. Art. 36. Die Geburts-, Ehe- und Sterberegister sind von den bürgerlichen Behörden zu führen. Art. 37. Das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, ist gewährleistet; einer besonderen Erlaubniß dazu bedarf es nicht. Volksversammlungen unter freiem Himmel können in städtisch bebauten Bezirken bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden. Art. 38. Das Recht, Vereine zu bilden, soll durch keine vorbeugende Maaßregel beschränkt werden. Art. 39. Die Bestimmungen der Artikel 37 und 38 finden auch auf die Mitglieder der Wehrmacht Anwendung, insoweit die militairischen Disciplinarvorschriften nicht entgegenstehen. Art. 40. Das Eigenthum ist unverletzlich. Eine Enteignung kann nur aus Rücksichten des gemeinen Besten, auf Grund eines besondern Beschlusses der gesetzgebenden Gewalt, und gegen gerechte Entschädigung vorgenommen werden.

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H AMBURG Art. 41. Die Bestimmungen über die Verwendung des Vermögens von milden Stiftungen, öffentlichen Anstalten oder Corporationen können nur durch einen Beschluß der gesetzgebenden Gewalt, und in einem dem ursprünglichen Zweck entsprechenden Sinne geändert werden. Art. 42. Jeder Grundeigenthümer kann seinen Grundbesitz unter Lebenden und von Todeswegen ganz oder theilweise veräußern. Das Beispruchsrecht ist aufgehoben. Der Unterschied zwischen wohlgewonnenem und Erbgut und die Beschränkung der Verfügbarkeit über das letztere ist aufzuheben. Art. 43. Die aus dem guts- und schutzherrlichen Verbande fließenden persönlichen Abgaben und Leistungen, so wie die dem Berechtigten bisher etwa obliegenden Gegenleistungen fallen ohne Entschädigung weg. Art. 44. Alle auf Grund und Boden haftenden Leistungen und Abgaben, wie Zehnten und Renten, sind auf Antrag des Belasteten ablösbar. Das Gesetz bestimmt die Normen der Ablösung. Fortan darf kein Grundstück mit einer unablösbaren Leistung oder Abgabe belastet werden. Art. 45. Im Grundeigenthum liegt die Berechtigung zur Jagd auf eigenem Grund und Boden. Die Ausübung der Jagd aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und des gemeinen Wohls zu ordnen, bleibt der Gesetzgebung vorbehalten. Art. 46. Aller Lehns- und dem ähnlicher Verband ist aufzuheben. Der Canon ist auf Antrag des Belasteten abzulösen. Jede

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Leistung und Abgabe, welche als Anerkennung des Obereigenthums anzusehen ist, fällt ohne Entschädigung weg.

DRITTER ABSCHNITT Die Bürgerschaft Art. 47. Die Bürgerschaft besteht aus dreihundert Mitgliedern. Dieselben werden durch unmittelbare Wahl mit geheimer Stimmabgabe ernannt. Art. 48. Zur Theilnahme an dieser Wahl ist jeder hamburgische Staatsbürger berechtigt. Art. 49. Von der Ausübung des Wahlrechts ausgeschlossen sind: 1) Diejenigen, welche die Uebernahme eines der Aemter verweigert haben, zu deren Annahme nach Verfassung und Gesetz jeder Staatsbürger verpflichtet ist, – und zwar auf zehn Jahre nach ihrer Weigerung. 2) Diejenigen, denen nach gesetzlicher Bestimmung durch gerichtliches Urtheil ihre staatsbürgerlichen Rechte entzogen sind, während des im Urtheil zu bestimmenden Zeitraumes. 3) Die zu einer Strafhaft Verurteilten während der Dauer der Strafzeit. Art. 50. Das Wahlrecht ruht ferner: 1) Bei Denjenigen, welche unter Curatel stehen, so wie bei Denjenigen, welche von der zuständigen Behörde für geisteskrank erklärt sind, so lange die Cura dauert oder die Wiederherstellung des Geisteskranken nicht anerkannt ist. 2) Bei Denjenigen, über deren Vermögen Concurs ausgebrochen ist, bis zur Beendigung des Concursverfahrens, oder falls diese nicht früher erfolgt, bis zum Ablaufe von 2 Jahren nach Ausbruch des Concurses. 3) Bei Denjenigen, welche von den öffentlichen Armenanstalten regelmäßige Unterstützung erhalten.

V ERFASSUNG DES F REISTAATES H AMBURG (1849) Art. 51. Jeder nach den vorstehenden Artikeln zur Theilnahme an der Wahl Berechtigte ist zur Bürgerschaft wählbar. Ausgenommen von der Wählbarkeit sind Diejenigen, welche zur Zeit des Zusammentritts der Bürgerschaft nicht mindestens ein Jahr lang im hamburgischen Staate gewohnt haben. Art. 52. Kein Abgeordneter kann hinsichtlich seines Verhaltens in der Bürgerschaft gültige Verpflichtungen gegen die Wähler übernehmen; eben so wenig können die Wähler einem Abgeordneten bindende Vorschriften ertheilen. Art. 53. Ueber die Gültigkeit der Wahlen entscheidet die Bürgerschaft. Art. 54. Jeder in die Bürgerschaft Gewählte ist zur Annahme der Wahl verpflichtet. Wer sich der auf ihn gefallenen Wahl oder der ihm dadurch auferlegten Pflicht entzieht, ohne von der Bürgerschaft entlassen zu sein, wird von der letzteren für die Dauer der nächsten zehn Jahre seiner staatsbürgerlichen Rechte verlustig erklärt. Eine Wiedereinsetzung in diese Rechte vor Ablauf des angegebenen Zeitraums kann nur durch einen Beschluß der Bürgerschaft verfügt werden.

Art. 57. Bei eintretender Vacanz wird eine Neuwahl ausgeschrieben. Bei Vacanzen, die in den letzten sechs Monaten vor regelmäßiger Erneuerung der Wahlen eintreten, findet eine Neuwahl nur dann statt, wenn die Bürgerschaft sie für erforderlich hält. Ersatzmänner werden nicht gewählt. Art. 58. Die Mitglieder der Bürgerschaft verwalten ihr Amt unentgeltlich. Ueber den etwaigen Ersatz der für den Besuch der Sitzungen aufgewandten Auslagen entscheidet das Gesetz. Art. 59. Falls und soweit die Thätigkeit eines Abgeordneten mit sonstigen Obliegenheiten desselben gegen den Staat unvereinbar ist, steht ihm das Recht zu, der ersteren den Vorzug zu geben, unbeschadet der Befugniß der Bürgerschaft, ihn auf seinen Antrag in solchem Falle aus ihrer Mitte zu entlassen. Art. 60. Die Bürgerschaft wird auf zwei Jahre gewählt. Nach Ablauf derselben findet vollständige Erneuerung statt. Hat die Neuwahl der Bürgerschaft nach Maaßgabe der Bestimmung des Art. 77 stattgefunden, so bleibt die neue Bürgerschaft nur so lange in Wirksamkeit, wie die vorhergehende noch gedauert haben würde.

Art. 55. Die Mitglieder des Rats und die Syndici sind, wenn sie in die Bürgerschaft gewählt werden, zur Annahme dieser Wahl nicht verpflichtet. Nehmen sie dieselbe an, so haben sie ihr bisheriges Amt niederzulegen.

Art. 61. Die Mitglieder einer früheren Bürgerschaft sind für jede folgende wieder wählbar. Die Bürgerschaft gilt in demselben Zeitpunkt für aufgelöst, in welchem die neue Bürgerschaft zusammentritt.

Art. 56. Ein Abgeordneter, welcher durch einen der in Art. 49 bis 51 genannten Gründe seine Wählbarkeit verliert, tritt aus der Bürgerschaft. Deßgleichen derjenige, welcher ein besoldetes Staatsamt oder eine Beförderung im Staatsdienste, oder als Beamter eine Gehaltserhöhung erhält, jedoch unbeschadet seiner Wiederwahl.

Art. 62. Die neugewählte Bürgerschaft tritt nach vollendeter Wahl am ersten Werktage des Monats September, Mittags zwölf Uhr, zusammen, und constituirt sich unter Leitung ihres ältesten Mitgliedes. Art. 63. Die Bürgerschaft ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte der Gesammtzahl ihrer Mitglieder (Art. 47) anwesend sind.

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H AMBURG Ueber die Beschlußfähigkeit für Anberaumung der Sitzungszeiten, Tagesordnung, so wie für andere die Geschäftsbehandlung betreffende Fragen entscheidet die Geschäftsordnung. Art. 64. Die Sitzungen der Bürgerschaft sind öffentlich. Ausnahmsweise tritt auf Verlangen von zehn Mitgliedern oder des Rathes die Bürgerschaft in geheimer Sitzung zusammen, in welcher sie nach Anhörung des Antrages, für welchen die geheime Sitzung verlangt wurde, zuerst beschließt, ob die Sitzung für die Behandlung des in Rede stehenden Gegenstandes eine geheime bleiben soll. Art. 65. Die vom Rathe nach seinem Ermessen aus seiner eigenen Mitte oder anderweitig zu bestimmenden Bevollmächtigten für die Verhandlungen mit der Bürgerschaft haben zu den Sitzungen derselben Zutritt, und sind berechtigt, ohne Stimmrecht an den Verhandlungen Theil zu nehmen. Art. 66. Kein Abgeordneter kann von Staatswegen für seine Aeußerungen oder Abstimmungen in der Bürgerschaft oder deren Ausschüssen zur Verantwortung gezogen werden. Die Bürgerschaft ist befugt, nach Maaßgabe der Geschäftsordnung wegen Ordnungswidrigkeiten gegen ihre Mitglieder auf disciplinarischem Wege zu verfahren. Art. 67. Die Bürgerschaft beschließt allein über die Vertagung ihrer Sitzungen auf bestimmte oder unbestimmte Zeit. Jeder Versuch, dieselbe an der Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Befugnisse zu hindern, gilt als Hochverrath. Art. 68. Auch ohne vorhergehenden Beschluß der Bürgerschaft wird sie durch ihr Bureau zusammenberufen: 1) auf Antrag des Rathes. 2) auf Antrag des Bürgerausschusses.

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3) auf Antrag von wenigstens funfzig Abgeordneten. 4) bevor seit dem letzten Sitzungstage der Bürgerschaft drei Monate verflossen sind. Ist im letzteren Falle die Bürgerschaft nicht durch das Bureau zusammenberufen, so tritt sie ohne Weiteres an dem Tage, an welchem seit der letzten Sitzung drei Kalender-Monate verflossen sind, Mittags zwölf Uhr zusammen. Art. 69. Die Bürgerschaft beschließt allein und endgültig über ihre Geschäftsordnung und die etwa erforderlichen Abänderungen derselben innerhalb der von der Verfassung gezogenen Gränzen. Art. 70. Die Bürgerschaft beschließt die Gesetze nach den aus ihrer eigenen Mitte oder vom Rathe ausgegangenen Vorschlägen. Art. 71. Ist ein Gesetzvorschlag von einem oder mehreren Mitgliedern der Bürgerschaft eingebracht, so hat sie zunächst darüber zu entscheiden, ob derselbe in Betracht zu ziehen ist. Art. 72. Die Bürgerschaft kann, wenn sie einen Gesetzvorschlag in Betracht zu ziehen beschlossen hat, oder der Antrag zu einem Gesetze ihr vom Rathe vorgelegt wird, denselben durch einen Ausschuß oder in anderer geeigneter Weise einer vorbereitenden Prüfung unterziehen. Art. 73. Jeder Gesetzvorschlag, den die Bürgerschaft in Betracht zu ziehen beschlossen hat, oder der ihr vom Rathe vorgelegt wird, ist einer zweimaligen Berathung und Abstimmung zu unterziehen, bevor derselbe als definitiv von ihr angenommen zu betrachten ist, falls sich nicht bei der ersten Abstimmung mindestens zwei Drittheile aller an derselben theilnehmenden Mitglieder und mehr als die Hälfte aller

V ERFASSUNG DES F REISTAATES H AMBURG (1849) Bürgerschaftsmitglieder für den Vorschlag erklären. Die zweite Berathung kann frühestens vierzehn Tage nach der Beendigung der ersten beginnen, falls sich nicht mindestens zwei Drittheile aller Anwesenden und mehr als die Hälfte aller Bürgerschaftsmitglieder für eine Abkürzung dieser Frist entscheiden. Jedoch darf auch in diesem Falle die zweite Berathung niemals früher, als am dritten Tage nach Beendigung der ersten beginnen. Art. 74. Ist das beschlossene Gesetz vom Rathe beantragt worden und von der Bürgerschaft unverändert angenommen, so hat der Rath dasselbe innerhalb acht Tage nach der desfallsigen ihm von der Bürgerschaft gewordenen Mittheilung zu verkünden. Art. 75. In allen anderen Fällen hat der Rath sein etwaiges Bedenken gegen ein von der Bürgerschaft beschlossenes Gesetz derselben innerhalb vierzehn Tage nach Mittheilung ihres Beschlusses unter Angabe seiner Gründe vorzulegen, widrigenfalls das Gesetz ohne Weiteres in Kraft tritt, und demgemäß vom Rathe zur Verkündung zu bringen ist. Art. 76. Nach Mittheilung eines solchen Bedenkens tritt die Bürgerschaft in abermalige Berathung über den von ihr früher gefaßten Beschluß. Erklärt sich dieselbe alsdann mit dem vom Rathe geäußerten Bedenken einverstanden, oder wird ihr früherer Beschluß von mindestens zwei Drittheilen aller ihrer Mitglieder bestätigt, so hat es bei dem nunmehrigen Bürgerschaftsbeschlusse sein Bewenden. Art. 77. Erklären sich mehr als die Hälfte der anwesenden, aber weniger als zwei Drittheile sämmtlicher Mitglieder für den Bürgerschaftsbeschluß, so bleibt derselbe bis zur nächsten Erneuerung der Bürgerschaft suspendirt, tritt jedoch sodann ohne Weiteres in Kraft, wenn diese erneuerte Bürgerschaft

mit einfacher Majorität sich für denselben erklärt. Es steht jedoch in diesem Falle der Bürgerschaft frei, durch Beschluß der Mehrzahl sämtlicher Mitglieder ihre sofortige Erneuerung herbeizuführen. Dieser Beschluß darf nicht an demselben Tage gefaßt werden, an welchem die Abstimmung über den beanstandeten Gegenstand selbst erfolgt ist. Nach Erledigung des vom Rath erhobenen Bedenkens auf dem einen oder anderen Wege ist mit dem nunmehr beschlossenen Gesetze wie in dem Falle unter Art. 74 zu verfahren. Art. 78. Verkündet der Rath ein von der Bürgerschaft endgültig beschlossenes Gesetz nicht in der vorgeschriebenen Frist, so hat der Bürgerausschuß den Rath zur sofortigen Verkündung aufzufordern, und die Bürgerschaft, falls die Verkündung dennoch unterbleibt, dieselbe durch ihren Vorsitzenden zu bewirken. Art. 79. Die Bürgerschaft beschließt die Steuern; sie erteilt die Ermächtigung zum Abschluß von Staatsanleihen und zur Veräußerung von Staatsgut, so wie zur Enteignung von Privateigenthum (Art. 40). Sie faßt die Beschlüsse über diese Gegenstände in den für die Gesetzgebung in den Artikeln 70 bis 78 vorgeschriebenen Formen. Art. 80. Die Bürgerschaft beschließt über die ihr vom Rathe vor Beginn des betreffenden Rechnungsjahres mit den Specialetats vorzulegenden Voranschläge im Ganzen und in den einzelnen Theilen, so wie über die etwa erforderlichen Nachbewilligungen. Art. 81. Die Bürgerschaft hat die Aufsicht über die Handlungen der vollziehenden Gewalt und der einzelnen Verwaltungsbehörden. Zu diesem Zwecke hat ihr der Rath

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H AMBURG 1) baldthunlichst nach Ablauf jedes Rechnungsjahres die Abrechnung über die Einnahmen und Ausgaben zur Prüfung vorzulegen. 2) alljährlich eine Mittheilung über den Zustand des Staates zu machen. 3) jederzeit auf Verlangen Auskunft über einzelne, durch Antrag eines Abgeordneten oder auf Beschwerde des Betheiligten in Anregung gebrachte Angelegenheiten zu ertheilen. Die Bürgerschaft ist berechtigt, zu diesem Zwecke jederzeit die Anwesenheit eines Bevollmächtigten des Rathes in ihrer Sitzung zu verlangen. Art. 82. Die Bürgerschaft hat das Recht, gegen die MitgIieder des Raths oder der einzelnen Verwaltungsbehörden wegen Verfassungsverletzungen, gesetzwidriger Handlungen oder Unterlassungen die öffentliche Anklage zu erheben. Art. 83. An Abstimmungen über Fragen der Controle oder öffentlichen Anklage nehmen die etwa in der Bürgerschaft sitzenden Mitglieder der betreffenden Verwaltungsdeputation oder die betreffenden Beamten keinen Theil. Art. 84. Staatsverträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung der Bürgerschaft. Art. 85. Die Bürgerschaft ist berechtigt,von jedem Staatsangehörigen die im öffentlichen Interesse erforderliche Auskunft zu verlangen. Der Aufgeforderte ist verpflichtet, dieselbe nach besten Kräften zu ertheilen.

vier und zwanzig durch die Abgeordneten der Stadtgemeinde und die der Vorstadt St. Pauli gemeinschaftlich und sechs durch die übrigen Abgeordneten gewählt. Dieses Zahlenverhältniß kann durch die Gesetzgebung nach Maaßgabe der in dem Verhältniß der Bevölkerung etwa eintretenden Veränderungen abgeändert werden. Art. 87. Der Bürgerausschuß wird nach Ablauf eines Jahres erneuert. Seine Vollmacht erlischt früher, wenn die Bürgerschaft, von der er gewählt ist, sich früher auflösen sollte (Art. 77). Die von der neuen Bürgerschaft alsdann vorzunehmende Wahl gilt nur bis zum Ablauf des Jahres, für welches der frühere Bürgerausschuß gewählt war. Ein aus der Bürgerschaft entlassenes Mitglied tritt zugleich aus dem Bürgerausschuß, und wird durch eine bis zum Ablauf des Jahres gültige Neuwahl ersetzt. Art. 88. Die in den Bürgerausschuß gewählten Abgeordneten sind, vorbehältlich ihrer Entlassung durch die Bürgerschaft, zu einer einmaligen Annahme der Wahl und zur Führung dieses Amtes während der Zeit, für welche sie gewählt wurden, verpflichtet, mit Ausnahme derer, die bereits Mitglieder einer Verwaltungsdeputation sind, oder einem Gerichte als nicht rechtsgelehrte Mitglieder angehören. Die Nichterfüllung dieser Pflicht hat dieselben Folgen, wie bei der Wahl zur Bürgerschaft (Art. 54). Art. 89. Der Bürgerausschuß wird durch seinen Vorsitzenden berufen.

Der Bürgerausschuß

Art. 90. Der Bürgerausschuß ist beschlußfähig, sobald mehr als die Hälfte seiner Mitglieder anwesend sind.

Art. 86. Die Bürgerschaft wählt sofort nach ihrem Zusammentritt aus ihrer Mitte den aus dreißig Mitgliedern bestehenden Bürgerausschuß. Von diesen werden

Art. 91. Die Sitzungen des Bürgerausschusses sind öffentlich. Ausnahmsweise tritt derselbe auf Verlangen von drei Mitgliedern oder des Rathes zu einer geheimen

VIERTER ABSCHNITT

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V ERFASSUNG DES F REISTAATES H AMBURG (1849) Sitzung zusammen, in welcher er nach Anhörung des Antrages, für welchen die geheime Sitzung verlangt wurde, zuerst beschließt, ob die Sitzung für die Behandlung des in Rede stehenden Gegenstandes eine geheime bleiben soll. Art. 92. Der Bürgerausschuß ist befugt: 1) außerordentliche und im Budget nicht vorhergesehene Ausgaben bis zu dem bei Beliebung des Budgets festgestellten Belaufe, so wie die Veräußerung von Staatsgut, falls dasselbe nicht den Werth von drei Tausend Mark Banco übersteigt, zu bewilligen. 2) auf Antrag des Rathes in dringlichen Fällen gesetzliche Verfügungen von geringerer Bedeutung bis zur Entscheidung durch die Bürgerschaft vorläufig zu beschließen. 3) vom Rathe Auskunft über Staatsangelegenheiten zu verlangen. 4) die Zusammenberufung der Bürgerschaft zu veranlassen. Art. 93. Wenn in dem im Art. 92 unter 2) erwähnten Falle ein Drittheil der anwesenden Mitglieder des Bürgerausschusses vor Eröffnung der Berathung die Zuständigkeit des Bürgerausschusses für den betreffenden Antrag in Frage stellt, so ist derselbe an die Bürgerschaft zu verweisen.

FÜNFTER ABSCHNITT Der Rath Art. 94. Der Rath besteht aus neun Mitgliedern. Art. 95. Wählbar zum Rathsmitgliede ist jeder zur Bürgerschaft wählbare Staatsbürger nach vollendetem dreißigsten Lebensjahre. Ausgeschlossen von der Wahl ist Derjenige, welcher mit einem Mitgliede des Rathes in auf- oder absteigender Linie, oder als Bruder, Oheim, Neffe verwandt

oder als Stiefvater, Stiefsohn, Schwiegervater, Schwiegersohn, Frauenbruder oder Schwestermann verschwägert ist. Es macht in den Fällen der Schwägerschaft keinen Unterschied, ob die sie begründende Ehe noch fortdauert oder nicht. Art. 96. Die Wahl geschieht unmittelbar durch die Bürgerschaft. Jedes Rathsmitglied wird in einer besonderen Wahlhandlung durch Stimmzettel mit absoluter Mehrheit gewählt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos. Hat eine zweimalige Abstimmung keine absolute Mehrheit ergeben, so wird unter den Beiden gewählt, auf welche bei der zweiten Abstimmung die meisten Stimmen gefallen sind. Art. 97. Die Mitglieder des Raths bekleiden ihr Amt sechs Jahre, alle zwei Jahre treten drei derselben aus. Die Austretenden sind wieder wählbar. Art. 98. Die Wahl geschieht regelmäßig binnen vierzehn Tagen nach dem ersten Zusammentritt der erneuerten Bürgerschaft. Wird in der Zwischenzeit eine Rathsstelle erledigt, so findet innerhalb vierzehn Tage eine für den Rest der Amtsdauer gültige Ersatzwahl statt. Wenn ein Rathsmitglied während des letzten Jahres seiner Amtsdauer ausscheidet, und nicht etwa Bürgerschaft und Rath über Aussetzung der Wahl bis zum Beginne der nächsten Bürgerschaft einverstanden sind, so gilt die Ersatzwahl für das laufende und die nächsten sechs Jahre. Art. 99. Jedes nach Ablauf seiner Amtszeit oder freiwillig vorher ausscheidende Rathsmitglied verwaltet sein Amt bis zur Wahl seines Nachfolgers. Die Fälle, in denen ein Rathsmitglied zum Austritte genöthigt ist, bestimmt das Gesetz.

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H AMBURG Art. 100. Mit der Führung des Rathsamts ist jedes andere öffentliche Amt unvereinbar. Eine sonstige Berufsthätigkeit dürfen die Rathsmitglieder fortsetzen, in so weit dieselbe der Erfüllung ihrer Amtspflicht keinen Abbruch thut. Art. 101. Jedes Rathsmitglied muß in der Stadt oder in deren nächster Umgebung auf hamburgischem Gebiete seinen regelmäßigen Wohnsitz haben oder sofort nach der Wahl nehmen. Art. 102. Jedes Mitglied des Rathes hat sich in einer gemeinsamen Versammlung der Bürgerschaft und des Rathes vor Antritt seines Amtes zur getreuen Führung desselben feierlich zu verpflichten. Die Form dieser Verpflichtung wird gesetzlich bestimmt. Art. 103. Der Rath wählt aus seiner Mitte einen ersten und einen zweiten Bürgermeister für die Dauer eines Jahres zu Vorsitzenden. Die Wiederwahl ist zulässig. Wird in der Zwischenzeit das Amt eines Bürgermeisters erledigt, so findet eine für den Rest der Amtsdauer gültige Ersatzwahl statt. Art. 104. Die Mitglieder des Raths erhalten ein gesetzlich zu bestimmendes Honorar. Art. 105. Dem Rathe sind sechs Syndici beigegeben. Die Zahl derselben kann durch die Gesetzgebung vermehrt oder vermindert werden. Art. 106. Die Syndici werden von dem Rathe mit absoluter Stimmenmehrheit gewählt, vorbehältlich der Bestätigung ihrer Wahl durch die Bürgerschaft. Art. 107. Die Syndici können vom Rathe mit Genehmigung der Bürgerschaft entlassen werden. Ein freiwillig aus dem Amte

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scheidender Syndicus bleibt bis zum Eintritte seines Nachfolgers in Thätigkeit. Art. 108. Der Rath kann nach seinem Ermessen die Syndici oder einzelne derselben zu seinen Sitzungen hinzuziehen. Sie nehmen an denselben nur mit berathender Stimme Theil. Art. 109. Das Weitere über die Amtsthätigkeit, so wie die Bestimmungen über das Honorar und die Pensionirung der Syndici bleiben der Gesetzgebung vorbehalten. Art. 110. Die Geschäftsordnung des Rathes bedarf der Bestätigung durch die Bürgerschaft. Art. 111. Der Rath als Inhaber der vollziehenden Gewalt ist die oberste Verwaltungsbehörde; er übt die Aufsicht über sämmtliche Zweige der Verwaltung. Art. 112. Der Rath hat die gesetzliche Ordnung aufrecht zu erhalten, und die Sicherheit des Staats im Innern, wie nach Außen zu wahren. Art. 113. Der Rath verfügt innerhalb der gesetzlichen Schranken über die bewaffnete Macht. Art. 114. Der Rath vertritt den Staat der deutschen Reichsgewalt gegenüber. Er leitet die auswärtigen Angelegenheiten, führt die auf dieselben bezüglichen Verhandlungen und ernennt die Bevollmächtigten bei anderen Staaten. Bei Vollziehung von Staatsverträgen hat er die Genehmigung der Bürgerschaft vorzubehalten. Art. 115. Die dem Staate zustehende Oberaufsicht über die Gemeinden wird durch den Rath ausgeübt. Art. 116. Das Recht, eine von den Gerichten erkannte Strafe durch Begnadigung zu mildern oder zu erlassen, steht dem Rathe zu. Bei den nach Maaßgabe des Art. 82 auf

V ERFASSUNG DES F REISTAATES H AMBURG (1849) Anklage der Bürgerschaft erkannten Strafen kann der Rath das Begnadigungsrecht nur auf Antrag der Bürgerschaft ausüben. Eine Amnestie kann nur durch die Gesetzgebung ertheilt werden. Art. 117. Alle Beamten, über deren Wahl nicht durch die Verfassung oder die Gesetze anderweitig verfügt wird, ernennt der Rath. Art. 118. Die dem Staate zu leistenden Eide oder die deren Stelle vertretenden Verpflichtungen werden, soweit die Verfassung oder die Gesetze nicht anderweitig darüber bestimmen, vor dem Rathe abgelegt. Art. 119. Der Rath hat das Recht, die Zusammenberufung der Bürgerschaft, so wie des Bürgerausschusses zu verlangen. Er ist befugt, der Bürgerschaft und in den geeigneten Fällen dem Bürgerausschusse Anträge zur Berathung und Beschlußnahme vorzulegen. Er hat der Bürgerschaft auf ihr Verlangen Vorschläge zu Gesetzen mitzutheilen. Er hat das Recht gegen die von der Bürgerschaft beschlossenen Gesetze nach Maßgabe der im Art. 75 enthaltenen Bestimmungen sein Bedenken geltend zu machen. Er verkündet innerhalb der durch die Verfassung bestimmten Frist die Gesetze, vollzieht dieselben und erläßt die nöthigen Vollzugsverordnungen. Er hat der Bürgerschaft alljährlich über den Zustand des Staates Bericht zu erstatten, und in demselben die ihm etwa nothwendig erscheinenden Verbesserungen in der Verwaltung anzugeben. Er hat der Bürgerschaft den Voranschlag der gesammten Einnahmen und Ausgaben des Staates für das nächste Jahr und die Gesammtabrechnung für das verflossene Jahr rechtzeitig vorzulegen. Art. 120. Der Rath hat die von ihm ausgehenden Gesetzanträge, bevor er diesel-

ben an die Bürgerschaft bringt, so wie alle Staatsverträge vor ihrem Abschlusse, wenn thunlich, den bezüglichen Verwaltungsdeputationen zur Begutachtung vorzulegen. Art. 121. Die Mitglieder des Rathes und die Syndici sind dafür verantwortlich, daß durch ihre Amtsführung die Verfassung und die Gesetze nicht verletzt werden. Für die Gesammtbeschlüsse des Rathes sind in dieser Beziehung diejenigen seiner Mitglieder verantwortlich, welche nicht nachzuweisen vermögen, daß sie nicht für den bezüglichen Beschluß gestimmt haben. Die Bestimmungen über die Geltendmachung dieser Verantwortlichkeit sollen durch ein Gesetz festgestellt werden.

SECHSTER ABSCHNITT Die Rechtspflege Art. 122. Die richterliche Gewalt kann nur von den gesetzlich angeordneten Gerichten ausgeübt werden. Art. 123. Die Verwaltungsrechtspflege hört auf; über alle Rechtsverletzungen entscheiden die Gerichte. Der Polizei steht keine Strafgerichtsbarkeit zu. Art. 124. Im Zweifelsfalle, ob eine Sache im Verwaltungs- oder im Rechtswege zu erledigen sei, ist die darüber erfolgte rechtskräftige gerichtliche Entscheidung für alle Behörden verpflichtend. Hierdurch sind jedoch unter dringenden Umständen vorläufige Verfügungen der Verwaltungsbehörden vor ausgemachter Sache nicht ausgeschlossen. Art. 125. Die Verwaltungsbehörden und Beamten können von Jedem, der sich durch ihre amtlichen Handlungen in seinem Rechte verletzt glaubt, ohne daß es einer

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H AMBURG besonderen Erlaubniß dazu bedarf, gerichtlich belangt werden. Art. 126. Das Gerichtsverfahren soll öffentlich und mündlich sein. Die Oeffentlichkeit kann nur in einzelnen Fällen, soweit sie die Sittlichkeit gefährden würde, durch Beschluß des Gerichts beschränkt werden. Art. 127. In Strafsachen soll das Anklageverfahren Statt finden. Art. 128. In schwereren Strafsachen, so wie über alle Anklagen wegen politischer Vergehen sollen Geschwornengerichte urtheilen. Art. 129. Die bürgerliche Rechtspflege soll in Sachen besonderer Berufserfahrung durch sachkundige, von den Berufsgenossen gewählte Richter mitgeübt werden. Namentlich wird ein Handelsgericht und ein Gewerbegericht bestehen. Art. 130. Auch bei den übrigen collegialisch besetzten Gerichten nehmen an der Entscheidung nicht-rechtsgelehrte Mitglieder Theil. Sie werden zu diesem Amte von der Bürgerschaft auf einige Jahre gewählt. Art. 131. Die rechtsgelehrten Mitglieder der Gerichte werden von der Bürgerschaft mit absoluter Stimmenmehrheit gewählt. Sie beziehen ein gesetzlich bestimmtes Honorar, bekleiden ihr Amt lebenslänglich, und dürfen neben demselben kein anderes Berufsgeschäft betreiben. Art. 132. Die Gesetzgebung hat die Fälle und Formen zu bestimmen, in welchen ein Richter wegen körperlicher oder geistiger Schwäche in Ruhestand zu versetzen, oder wegen Unwürdigkeit vom Amte zu entfernen ist. Art. 133. Ausgeschlossen von der Wählbarkeit zum Richteramt sind diejenigen, welche nicht zur Bürgerschaft wählbar sind.

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Art. 134. Jeder Staatsbürger ist zur Annahme der Wahl zum nichtrechtsgelehrten Mitgliede eines Gerichts und zur Führung dieses Amtes während der gesetzmäßigen Zeit verpflichtet, wenn er nicht bereits Mitglied desselben Gerichts gewesen ist oder einem andern Gerichte, einer Verwaltungsdeputation oder dem Bürgerausschusse angehört, vorbehältlich der Entlassung durch die wählende Körperschaft oder einen Ausschuß derselben. Die Nichterfüllung dieser Pflicht hat dieselben Folgen, wie bei der Wahl zur Bürgerschaft. (Art. 54.) Art. 135. Die Gesammtheit der rechtsgelehrten Richter hat von Zeit zu Zeit einen Bericht über die Thätigkeit der Gerichte und über die Bedürfnisse, welche sich hinsichtlich der Rechtspflege gezeigt haben, zu veröffentlichen, auch auf Verlangen der Bürgerschaft oder des Rathes Gutachten über vorgelegte Gegenstände zu erstatten. Art. 136. Friedensgerichte zur Entscheidung der minder erheblichen, und zum vorgängigen Vergleichsversuch bei erheblichen Streitigkeiten sind in den Landgemeinden durch die Gesetzgebung einzuführen. Art. 137. Die Mitglieder der Gerichte haben beim Antritt ihres Amtes die getreue Erfüllung ihrer Amtspflichten zu geloben. Art. 138. Die Gesetzgebung hat das Nähere über die gerichtlichen Behörden, über deren Organisation, Verfahren und Zuständigkeit, so wie über die Anordnung der Rechtspflege für das Amt Ritzebüttel zu bestimmen. Art. 139. Durch die Bestimmungen dieser Verfassung wird an den zufolge Uebereinkunft der vier freien Städte für das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht bestehenden Vorschriften nichts geändert.

V ERFASSUNG DES F REISTAATES H AMBURG (1849)

SIEBENTER ABSCHNITT Die Verwaltung Art. 140. Die Staatsverwaltung zerfällt nach Maaßgabe des Bedürfnisses in mehrere Abtheilungen. Das Gesetz hat die Zahl dieser Abtheilungen und den Wirkungskreis einer jeden zu bestimmen. Art. 141. Zu jeder Verwaltungs-Abtheilung ernennt der Rath nach näherer gesetzlicher Bestimmung eins seiner Mitglieder oder einen Syndicus. Demselben können noch ein oder zwei Rathsmitglieder oder Syndici beigeordnet werden. Art. 142. Die Gesetzgebung verfügt, für welche Zweige der Verwaltung Deputationen bestehen. Die Letzteren werden aus den zu der betreffenden Verwaltungs-Abtheilung ernannten Rathsmitgliedern und einer Anzahl anderer Staatsbürger zusammengesetzt. Art. 143. Die nicht zum Rathe gehörigen Mitglieder der Deputationen bekleiden ihr Amt während einiger Jahre, und verwalten dasselbe unentgeltlich. Das Gesetz hat die Bestimmungen über die Wahl dieser Mitglieder der Deputationen festzustellen, und kann für die einzelnen Deputationen eine verschiedene Wahlart anordnen. Art. 144. Ausgeschlossen von der Wählbarkeit zum Mitgliede einer Deputation ist jeder, welcher zur Bürgerschaft nicht wählbar ist, sowie die rechtsgelehrten Richter. Art. 145. Jeder Staatsbürger ist zur Annahme der Wahl in eine Deputation und zur Fortführung des Amtes während der gesetzmäßigen Zeit verpflichtet, wenn er nicht bereits Mitglied derselben Deputation gewesen ist, oder einer andern Deputation, einem Gericht, oder dem Bürgerausschuß angehört, vorbehältlich der Entlassung durch

die wählende Körperschaft oder einen Ausschuß derselben. Die Nichterfüllung dieser Pflicht hat dieselben Folgen, wie bei der Wahl zur Bürgerschaft. (Art. 54.) Art. 146. In jeder Deputation führt, abgesehen von den Sitzungen ihrer einzelnen Abtheilungen, ein Rathsmitglied oder ein Syndicus den Vorsitz. Art. 147. Jede Deputation faßt ihre Beschlüsse mit absoluter Stimmenmehrheit. Jedoch ist der Vorsitzende der Deputation berechtigt, gegen einen Beschluß, welcher nach seiner Ansicht der Verfassung oder einem Gesetz zuwiderläuft oder eine Ueberschreitung der verfassungsmäßigen Geldbewilligungen veranlassen würde, Einspruch zu thun und die Sache dem Rathe vorzulegen, welcher letztere sodann unter seiner Verantwortlichkeit über das erhobene Bedenken entscheidet. Art. 148. Nach Maaßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ist jedes Mitglied einer Deputation für die ihm als Einzelnem obliegende Amtsführung verantwortlich; der Vorsitzende außerdem dafür, daß durch die Beschlüsse der Deputation die Verfassung und die Gesetze nicht verletzt werden. Art. 149. Ueber Beschwerden in Verwaltungsangelegenheiten entscheidet der Rath in letzter Instanz, unbeschadet der gerichtlichen Entscheidung in dem Art. 125 vorgeschriebenen Falle. Art. 150. Die einzelnen Deputationen sind befugt, dem Rathe Vorschläge über die in ihren Geschäftskreis fallenden Angelegenheiten zu machen, und verpflichtet, demselben über solche ihnen vorgelegte Gegenstände Gutachten zu ertheilen. Art. 151. Jeder Verwaltungszweig hat sein Specialbudget für das nächste Jahr und die Abrechnung über Einnahmen und Ausgaben für das verflossene Jahr so zeitig dem Rathe einzureichen, daß dieser das

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H AMBURG Generalbudget und die vollständige Jahresrechnung rechtzeitig der Bürgerschaft vorzulegen im Stande ist.

unteren Volksschulen werden unter gesetzlich geordneter Mitwirkung der betreffenden Gemeinden gewählt.

Art. 152. Die Behörde, welche die Hauptstaatscasse zu verwalten hat, darf niemals einer anderen Behörde eine größere Summe auszahlen, als dieser letzteren im Ganzen verfassungsmäßig bewilligt ist. Ausnahmebestimmungen für die Anfangszeit des Rechnungsjahrs, falls das Budget alsdann noch nicht festgestellt sein sollte, bleiben der Gesetzgebung vorbehalten.

Art. 159. Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und zu leiten steht jedem Gemeindebürger, Unterricht zu ertheilen Jedem frei; beides unter der Vorausetzung, daß die sittliche, wissenschaftliche und technische Befähigung in der gesetzlich bestimmten Art nachgewiesen ist. Jedoch müssen auch die nicht öffentlichen Schulen die genügende, vom Gesetz vorgeschriebene Einrichtung haben, und stehen, wie die öffentlichen, unter Aufsicht des Staats.

Art. 153. Zur Förderung der Interessen des Handels erwählt die Kaufmannschaft, zur Förderung des Gewerbebetriebes wählen die Gewerbetreibenden einen Ausschuß. Der Wirkungskreis dieser Ausschüsse und deren Verhältniß zu den Staatsbehörden werden durch die Gesetzgebung bestimmt.

ACHTER ABSCHNITT Das Unterrichtswesen Art. 154. Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei. Art. 155. Es steht einem Jeden frei, seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er will. Art. 156. Der Staat soll für die Bildung der Jugend durch öffentliche Lehranstalten, namentlich durch, allen Volksklassen gemeinsame, untere und höhere Volksschulen genügend sorgen. Art. 157. Für den Unterricht in den unteren Volksschulen und niederen Gewerbeschulen wird kein Schulgeld bezahlt. Unbemittelten soll auch auf höheren Lehranstalten freier Unterricht gewahrt werden. Art. 158. Die Lehrer an öffentlichen Schulen sind Staatsbeamte. Die Lehrer an den

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Art. 160. Der häusliche Unterricht unterliegt keiner Beschränkung. Jedoch dürfen Eltern oder deren Stellvertreter ihre Kinder oder Pflegebefohlenen nicht ohne denjenigen Unterricht lassen, welcher für die unteren Volksschulen vorgeschrieben ist. Art. 161. Der Staat übt die Oberleitung und Oberaufsicht über das gesammte Unterrichts- und Erziehungswesen vermittelst einer Oberschulbehörde aus, in welcher außer ihm auch die Gemeinde, die Wissenschaft und die Schule vertreten sein sollen. Das Unterrichts- und Erziehungswesen ist der Beaufsichtigung der Geistlichkeit als solcher enthoben. Art. 162. Die Sorge für den Religionsunterricht und dessen Ueberwachung bleibt den Religionsgesellschaften überlassen.

NEUNTER ABSCHNITT Die bewaffnete Macht Art. 163. Jeder Staatsangehörige ist wehrpflichtig. Die Ausnahmen von der Dienstpflicht, die Zeit für die Einstellung zum Dienst, so wie die Dauer der Dienstzeit bestimmt das Gesetz.

V ERFASSUNG DES F REISTAATES H AMBURG (1849) Art. 164. Es findet keine Art der Stellvertretung bei Ausübung der Wehrpflicht statt.

erwerben will, mit Ausnahme der Frauen, muß zuvor Staatsbürger werden.

Art. 165. Der Staat ist zur Pensionirung oder anderweitigen Versorgung derjenigen Wehrmänner verpflichtet, welche in und durch Vollziehung ihres Dienstes unfähig geworden sind.

Art. 172. Die Angelegenheiten der Stadtgemeinde werden in derselben Weise, wie die den ganzen Staat betreffenden, von der Bürgerschaft und dem Rath geleitet; jedoch nehmen in der Bürgerschaft die nicht in der Stadtgemeinde gewählten, und im Bürgerausschuß die von den Abgeordneten der Landgemeinden ernannten Mitglieder keinen Antheil an der Berathung und Abstimmung über rein städtische Angelegenheiten. Tritt in Betreff der letzteren der im Art. 77 vorgesehene Fall ein, so finden die in jenem Artikel für die Gesammtbürgerschaft getroffenen Bestimmungen allein auf die in der Stadtgemeinde gewählten Mitglieder derselben Anwendung.

Art. 166. Die gesammte bewaffnete Macht bildet nur einen Wehrkörper. Derselbe wird in verschiedene Aufgebote eingetheilt.

ZEHNTER ABSCHNITT Die Gemeinden Art. 167. Die Stadt Hamburg bildet mit der jetzigen Vorstadt St. Georg eine Gemeinde. In welchen Beziehungen die Vorstadt St. Pauli dieser Stadtgemeinde angehört und in wie fern sie eine eigene Gemeinde bildet, wird durch die Gesetzgebung bestimmt. Art. 168. Die Landgemeinden behalten, so lange nicht eine anderweitige Bestimmung von der Gesetzgebung getroffen wird, ihre bisherige Begrenzung. Art. 169. Zur Bildung einer neuen Gemeinde ist ein Beschluß der gesetzgebenden Gewalt erforderlich. Eines solchen Beschlusses bedarf es auch zur Herstellung eines Kreisverbandes unter mehreren Gemeinden. Art. 170. Jeder Staatsangehörige soll Angehöriger einer Gemeinde sein. Jedes Grundstück soll einem Gemeindeverbande angehören. Art. 171. Die Bedingungen, unter denen das Gemeindebürgerrecht erworben wird, sind von der Gesetzgebung festzustellen. Jeder, der das Gemeindebürgerrecht in der Stadt oder einer der Landgemeinden

Art. 173. Die für die verschiedenen Zweige der Staatsverwaltung bestellten Behörden führen zugleich die Verwaltung der städtischen Angelegenheiten; es bleibt jedoch der Gesetzgebung unbenommen, für einzelne städtische Verwaltungen besondere Behörden zu gestatten. Art. 174. Die Entscheidung darüber, welche Angelegenheiten als rein städtische zu betrachten sind, steht der Gesetzgebung zu. In zweifelhaften Fällen hat ein von der Bürgerschaft gewählter, zu gleichen Theilen aus Abgeordneten der Stadtgemeinde und der Landgemeinden bestehender Ausschuß der Bürgerschaft vor deren Beschlußnahme ein Gutachten vorzulegen. Art. 175. Die Grundsätze für die Verfassungen der Landgemeinden werden durch eine von der Gesetzgebung zu beschließende Gemeindeordnung bestimmt. Nach Anleitung dieses Gesetzes hat jede Landgemeinde selbstständig ihre Verfassung festzustellen.

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H AMBURG Art. 176. Jedenfalls stehen jeder Landgemeinde folgende Rechte zu: 1) Freie Wahl der Gemeindevorsteher und Vertreter. 2) Selbstständige Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten mit Einschluß der Ortspolizei. 3) Oeffentlichkeit der Verhandlungen der Gemeindevertreter. 4) Selbstbesteuerung zu Gemeindezwecken. 5) Veröffentlichung des Gemeindehaushaltes. Das Recht, an der Wahl der Vertreter Theil zu nehmen und zum Vertreter gewählt zu werden, besitzt jeder Gemeindeangehörige, welchem das gleiche Recht in Bezug auf die Bürgerschaft zusteht. Das Gesetz bestimmt, in wie weit dem Staat ein Oberaufsichtsrecht über die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten zusteht.

EILFTER ABSCHNITT Gewähr der Verfassung Art. 177. Die Kenntniß der Verfassung soll unter allen Staatsangehörigen möglichst verbreitet werden. Art. 178. Die Verfassung kann weder ganz, noch theilweise ohne Zustimmung der wahlberechtigten Staatsbürger verändert werden. Art. 179. Der Antrag auf eine Veränderung der Verfassung oder einzelner Theile derselben kann nur auf Beschluß der Bürgerschaft an die Gesammtheit der Staatsbürger gebracht werden. Art. 180. Der Beschluß, einen solchen Antrag an die wahlberechtigten Staatsbürger zu bringen, kann nur in den für die Gesetzgebung vorgeschriebenen Formen gefaßt

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werden. Jedoch ist zur Fassung eines desfallsigen Beschlusses die Zustimmung von zwei Drittheilen sämmtlicher Bürgerschaftsmitglieder erforderlich. Dieselbe Mehrheit wird zur Beseitigung eines etwa vom Rathe gegen den früheren Beschluß erhobenen Bedenkens erfordert. Art. 181. Der Antrag auf eine Veränderung der Verfassung kann entweder diejenigen Bestimmungen enthalten, welche an die Stelle der bisherigen zu setzen sind, oder auch sich auf den Vorschlag über die Art, in der die Veränderung herbeigeführt werden soll, beschränken. Im letzteren Falle ist die Bürgerschaft befugt, ihre sofortige Ersetzung durch Neuwahl auch vor Ablauf ihrer verfassungsmäßigen Wahlperiode zu beantragen. Art 182. Der beschlossene Antrag wird alsdann den wahlberechtigten Staatsbürgern zur Abstimmung vorgelegt. Zur Annahme des Antrages ist die Zustimmung der Mehrheit sämmtlicher an der Abstimmung theilnehmenden Staatsbürger erforderlich. Art. 183. Im Fall eines Krieges oder Aufruhrs können die grundrechtlichen Bestimmungen über Verhaftung, Haussuchung und Versammlungsrecht von dem Rathe zeitweilig außer Kraft gesetzt werden. Doch bedarf diese Suspension der sofortigen Genehmigung der Bürgerschaft. Ist die Bürgerschaft zur Zeit nicht versammelt, so hat der Rath die Genehmigung des Bürgerausschusses einzuholen, und der letztere sofort die Zusammenberufung der Bürgerschaft zu veranlassen, damit diese über den Fortbestand der Suspension entscheide. Art. 184. Auch die Bürgerschaft kann diese Suspension nur auf längstens vier Wochen vom Tage ihres Beschlusses an verfügen, nach deren Ablauf die etwa erforderliche Verlängerung immer nur in derselben Weise geschehen kann, wie die ursprüngliche Beschlußnahme.

V ERFASSUNG DES F REISTAATES H AMBURG (1849) Beschlossen in der constituirenden Versammlung des Freistaates Hamburg, am 11. Juli 1849.

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Ediert nach Die Verfassung des Freistaates Hamburg nebst den dazu gehörenden organischen Gesetzen, 4. Aufl., Hamburg: Niemeyer, 1849. Die Verfassung wurde von derconstituierenden Ver-

sammlung am 11. Juli 1849 beschlossen, ist aber nie in Kraft getreten. In Kraft getreten ist erst die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 28. September 1860, abgedruckt bei Horst Dippel (Hrsg.), Verfassungen der Welt, 1850 bis zur Gegenwart, Teil 1: Europa, München, K.G. Saur 2002–2005, MikroficheNr. 291, 1–22. Für weiterführende Angaben siehe Dirk Bavendamm, Die Verfassungspolitik des hamburgischen Senats 1849/50, Berlin 1969; sowie Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 544–546.

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Verfassung von Hannover (1819) Patent, die Verfassung der allgemeinen StändeVersammlung des Königreichs betreffend. Carlton-House, den 7. Dezember 18191 Georg, Prinz Regent, im Namen und von wegen Seiner Majestät, Georg des Dritten, von Gottes Gnaden Königs des vereinigten Reichs Großbritannien und Irland etc., auch Königs von Hannover, Herzogs zu Braunschweig und Lüneburg etc. etc. Nachdem Wir der provisorischen allgemeinen Stände-Versammlung die Grundzüge, nach welchen Wir mit möglichster Berücksichtigung der bisherigen landständischen Verfassung der einzelnen Provinzen, auch mit Beachtung der durch die Wiener Congreß- und Deutsche-BundesActe bestimmten Vereinigung der vormals getrennten Provinzen zu einem Königreiche und der, nach Auflösung des RömischDeutschen Reichs, an die Fürsten desselben übergegangenen Souverainetäts-Rechte, die bleibende allgemeine Stände-Versammlung zusammen zu setzen beabsichtigten, mitgetheilt und über die dabei festzusetzenden speciellern Bestimmungen deren Ansichten vernommen, auch in Ansehung derjenigen Puncte, bei welchen eine Abänderung von derselben in Antrag gebracht worden, deren Wünsche thunlichst berücksichtigt und darüber den sämmtlichen Landschaften sowohl durch Unser Rescript vom 26sten October d. J., als durch die Eröffnung Unsers Cabinets-Ministerii vom 11ten November d. J. Unsere Entschließung bereits zu erkennen gegeben und nach gnädigster Auflösung der bisherigen provisorischen allgemeinen Stände-Versammlung eine neue Landtags-

Versammlung zusammen berufen haben: so finden Wir nunmehro Uns bewogen, über die Verfassung und Einrichtung derselben Folgendes hiemit anzuordnen und festzusetzen. § 1. Die allgemeine Stände-Versammlung des Königreichs soll künftig aus zwei Cammern bestehen und theils aus persönlich berechtigten Mitgliedern, theils aber aus gewählten Deputirten dergestalt zusammen gesetzt werden, als solches durch das angeschlossene Verzeichniß von Uns näher bestimmt ist. § 2. Beide Cammern sollen in ihren Rechten und Befugnissen sich gleich seyn und alle Anträge, welche von Uns oder von Unserm Cabinets-Ministerio an die Stände des Königreichs ergehen, sollen jederzeit an die gesammte allgemeine Stände-Versammlung gerichtet werden. § 3. Die Mitglieder beider Cammern müssen a) einer der drei vermöge der Wiener Congreß-Acte völlig gleichgestellten, christlichen Confessionen zugethan seyn, b) das 25ste Jahr vollendet haben, c) ein gewisses unabhängiges Vermögen besitzen, insofern ihnen nicht vermöge ihres Amts ein Sitz in der Stände-Versammlung zugestanden ist. In dieser Beziehung wollen Wir 1) nur solchen als Majorats-Herren ein persönliches erbliches Stimmrecht in der

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H ANNOVER ersten Cammer verleihen, die ein Majorat errichtet haben, welches aus einem im Königreiche belegenen Rittersitze nebst anderm ebenfalls im Lande belegenen von gutsherrlichen Verbindlichkeiten befreieten Grundeigenthume von wenigstens Sechstausend Rthlrn. reiner Einkünfte bestehet und mit keinen Hypotheken beschweret ist. Sobald der letztere Fall bei einem Majorate, mit welchem Wir die Ausübung eines persönlichen Stimmrechts verbunden haben, eintreten sollte, so kann während der Zeit der Beschwerung das Stimm-Recht nicht ausgeübt werden. So wie Wir übrigens über die Art und Weise, wie die Majorate auf die festgesetzte Summe von Einkünften zu errichten seyn werden, in vorkommenden einzelnen Fällen die nähere Bestimmung Uns vorbehalten; so erklären Wir zugleich hiemit ausdrücklich, daß die Beilegung einer Virilstimme keineswegs die unmittelbare Folge eines solchen errichteten Majorats, sondern vielmehr die Errichtung des letztern nur die Bedingung seyn soll, unter welcher die Verleihung eines erblichen Stimmrechts statt finden wird. 2) Die auf die Dauer eines jeden Landtags erwählten Deputirten der Ritterschaft müssen aus im Königreiche belegenem Grundeigenthume ein reines, mit keinen öffentlichen oder gerichtlichen Hypotheken beschwertes Einkommen von Sechshundert Rthlrn. besitzen. 3) Die Deputirten der freien Grundbesitzer in der zweiten Cammer gleichfalls aus im Lande belegenem Grund-Eigenthume ein jährliches reines Einkommen von Dreihundert Rthlrn. und 4) die übrigen gewählten Deputirten der zweiten Cammer ein reines Einkommen von Dreihundert Rthlrn., es sey aus im Königreiche belegenem Grund-Eigenthume oder im Lande radicirten Capitalien. In allen diesen Fällen bleibt es lediglich den Wahl-Corporationen überlassen, auf welche Weise sie sich von dem Bestande

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dieses Einkommens überzeugen wollen. Alle diejenigen Grund-Eigenthümer, über deren Vermögen unter ihrer Verwaltung ein Concurs ausgebrochen und noch anhängig ist, können überall nicht zu Mitgliedern der Stände-Versammlung gewählt, diejenigen aber, welche den Concurs von ihren Vorfahren überkommen haben, insofern als Deputirte zugelassen werden, als sie übrigens dazu qualificirt sind und namentlich das vorbestimmte Einkommen besitzen, wozu auch die von ihnen zu beziehende Competenz gerechnet werden soll. Endlich sind d) auch diejenigen ausgeschlossen, welche ihren Wohnsitz im Königreiche nicht haben, oder sich im activen Dienste eines fremden Landesherrn befinden, wovon Wir nur diejenigen ausnehmen, welche in den Staaten der Herzoglich-Braunschweigschen Linie wohnen und im Dienste stehen, so lange hierunter das reciprocum beobachtet werden wird. Auch findet diese Bestimmung auf die mediatisirten Fürsten und Grafen keine Anwendung, indem diese ihren Wohnsitz nach Gefallen nehmen können. Denselben wird außerdem das Vorrecht zugestanden, daß sie im Falle der Minorennität in der Versammlung durch ihren Vormund vertreten werden können, sofern dieser aus demselben Hause seyn und alle, den mediatisirten Fürsten conservirten Rechte ausführen wird.

§ 4. Die zur allgemeinen Stände-Versammlung berufenen Stifter, gleichwie auch die Landes-Universität und die Consistorien sind in der Wahl ihres Deputirten nicht auf Mitglieder ihrer Corporationen beschränkt, sondern haben die Befugniß, auch außerhalb derselben diejenigen Personen zu wählen, welchen sie ihr Zutrauen schenken, vorausgesetzt, daß selbige nach den, in dem vorstehenden Artikel enthaltenen Bestimmungen überhaupt qualificirt sind.

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1819) § 5. Eine gleiche Wahlfreiheit wird auch den Städten verliehen und dabei bestimmt, daß die Wahl des Deputirten von dem Magistrate und den Repräsentanten der Bürgerschaft gemeinschaftlich vorgenommen werden, und die Concurrenz der letztern nach der in jeder Stadt bestehenden Verfassung sich richten solle. Würde jedoch in der einen oder der andern Stadt über die Art der Theilnahme der Bürgerschaft an dergleichen Wahlen noch keine feste Bestimmung vorhanden seyn, so soll von Seiten der Bürgerschaft eine, mit der Zahl der in dem Magistrate vorhandenen stimmfähigen Personen übereinkommende Anzahl von Repräsentanten bei der Wahl des Deputirten zur allgemeinen Landtags-Versammlung zugezogen und zur Abstimmung zugelassen werden. § 6. Über alle, das ganze Königreich betreffenden, zur ständischen Berathung verfassungsmäßig gehörenden Gegenstände wird nur mit den allgemeinen Ständen des Königreichs communicirt, dagegen alle diejenigen Angelegenheiten, welche nur die eine oder die andere Provinz angehen und zu einer ständischen Berathung geeignet sind, auch fernerhin an die betreffenden Provinzial-Landschaften werden gebracht werden. Und gleichwie es überhaupt keineswegs Unsere Absicht ist, eine neue auf Grundsätzen, welche durch die Erfahrung noch nicht bewährt sind, gebauete ständische Verfassung einzuführen; also soll auch die allgemeine Stände-Versammlung im Wesentlichen künftig dieselben Rechte ausüben, welche früherhin den einzelnen Provinzial-Landschaften, so wie auch der bisherigen provisorischen Stände-Versammlung zugestanden haben, namentlich das Recht der Verwilligung der, behuf der Bedürfnisse des Staats erforderlichen Steuern und der Mitverwaltung derselben unter verfassungsmäßiger Concurrenz und Aufsicht der LandesHerrschaft, das Recht auf Zuratheziehung

bei neu zu erlassenden allgemeinen LandesGesetzen und das Recht, über die zu ihrer Berathung gehörigen Gegenstände Vorstellungen an Uns zu bringen. § 7. Die übrigen Verhältnisse der allgemeinen Stände-Versammlung und der zu derselben abzusendenden Deputirten, des Erb-Landmarschalls, der Präsidenten, General-Syndiken und General-Secretarien, die Vorschriften über das Verfahren in den Sitzungen der Versammlung und bei Behandlung der zur Deliberation kommenden Gegenstände, so wie auch die Bestimmungen über die Vertagung und Auflösung der allgemeinen Stände-Versammlung sind in einem besondern Reglement näher festgesetzt worden, welches Wir Unserer getreuen StändeVersammlung bei ihrer Eröffnung zu deren Direction werden zustellen lassen. § 8. Wir behalten Uns vor, nach den zu sammelnden Erfahrungen in der Organisation der allgemeinen Stände-Versammlung diejenigen Modificationen eintreten zu lassen, deren Nothwendigkeit im Verlaufe der Zeit sich etwa an den Tag legen möchte; so wie es sich auch von selbst verstehet, daß, wenn der Deutsche Bund sich veranlaßt finden sollte, bei einer weitern authentischen Auslegung des Artikels 13. der Deutschen Bundes-Acte Grundsätze anzunehmen, welche mit den vorstehenden Verfügungen nicht durchgehends vereinbar sind, letztere, den Bundestags-Beschlüssen gemäß, eine Abänderung erleiden müssen. Wir hegen nun zu der hiemit constituirten allgemeinen Stände-Versammlung das zuversichtliche landesväterliche Vertrauen, daß die in beiden Cammern versammelten Stände die ihnen obliegenden wichtigen Pflichten in ihrem ganzen Umfange erkennen und ohne durch Rücksichten auf ihr persönliches oder particulaires Interesse sich leiten zu lassen, insgesammt mit gleichem patriotischen Eifer, dem von ihnen zu leistenden Eide getreu, nur das wahre Beste des

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H ANNOVER Landes vor Augen haben, und ihr Bestreben mit Uns gern dahin vereinigen werden, um durch die bleibend bestimmte Berathung aller das ganze Königreich angehenden Landes-Angelegenheiten in einer allgemeinen Stände-Versammlung die Bande der Einigkeit und des gegenseitigen Vertrauens zwischen allen Theilen des Königreichs immer enger zu knüpfen, das dauernde Wohl aller Landes-Einwohner immer fester zu begründen und die allgemeine Zufriedenheit immer mehr und mehr zu befördern. Gegeben Carlton-House, den 7ten December des 1819ten Jahrs, Seiner Majestät Regierung im Sechszigsten. George P. R. Geo. Best.

VERZEICHNIß DER MITGLIEDER DER ALLGEMEINEN STÄDTE-VERSAMMLUNG A. Erste Cammer 1) Die mediatisirten Fürsten, nemlich: Der Herzog von Aremberg. Der Herzog von Corswaren-Looz. Der Fürst von Bentheim, wegen der Grafschaft Bentheim, sofern er dieselbe eingelöset haben wird. 2) Der Erbmarschall des Königreichs. 3) Der Graf von Stolberg, wegen der Grafschaft Hohnstein, sofern er dieselbe eingelöset haben wird. 4) Der General-Erb-Postmeister Graf von Platen und Hallermund, als vormaliges Mitglied der westphälischen Grafen-Bank, insofern er ein bedeutendes Rittergut im Königreiche acquiriren wird. 5) Der Abt zu Loccum. 6) Der Abt zu St. Michaelis zu Lüneburg. 7) Der Präsident der Bremischen Ritter-

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schaft, als Director des Klosters Neuenwalde. 8) Der oder die katholischen Bischöfe des Königreichs. 9) Ein angesehener protestantischer Geistlicher. 10) Diejenigen Majorats-Herren, welchen die Landesherrschaft ein persönliches erbliches Stimmrecht in der Stände-Versammlung verleihen wird. 11) Der Präsident des General-Steuerund Schatz-Collegii. 12) Die auf Lebenszeit erwählten Mitglieder des allgemeinen Schatz-Collegii, insofern sie Mitglieder der Ritterschaft sind. 13) Die auf die Dauer eines jeden Landtags erwählten Deputirten der Ritterschaften: Von der Calenberg-Grubenhagenschen Ritterschaft . . . . . . . . . . . . . . Acht. Von der Lüneburgschen . . . . . . . Sechs.    und behuf der mit der Lü   neburgischen Landschaft vereinigten Lauenburgischen Ritter    schaft, auf die Dauer der beiden    nächsten Landtage . . . . . . . . . . . Einer. Von der Bremen- und Verdenschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sechs. Von denen fünf von der Bremischen und einer von der Verdenschen Ritterschaft zu erwählen ist. Von der Hoyaischen und Diepholzischen Ritterschaft, wenn die beabsichtigte Vereinigung zu Stande gekommenen seyn wird . . . . . . Drei. Von der Osnabrückschen, incl. Meppen und Lingen. . . . . . . . . . . . Fünf. Von der Hildesheimschen Ritterschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vier. Von der Ostfriesischen (unter Vorbehalt einer Vermehrung der Zahl, wenn eine verhältnismäßige Vermehrung der Mitglieder der Ritterschaft sich ergeben sollte) . Zwei.

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1819)

B. Zweite Cammer 1) Die auf Lebenszeit gewählten Mitglieder des Schatz-Collegii, insofern sie nicht von der Ritterschaft sind. 2) Ein Deputirter des Stifts St. Bonifacii zu Hameln. 3) Ein Deputirter des Stifts Cosmae et Damiani zu Wunstorf. 4) Ein Deputirter des Stifts St. Alexandri zu Einbeck. 5) Ein Deputirter des Stifts Beatae Mariae Virginis daselbst. 6) Ein Deputirter des Stifts Bardowick. 7) Ein Deputirter des Stifts Ramelslohe. 8) Ein Deputirter der Universität Göttingen. 9) Zwei von den Consistorien zu erwählende Deputirte für das Kirchen- und Schulwesen. 10) Ein Deputirter der Residenzstadt Hannover. 11) Ein Deputirter der Stadt Göttingen. 12) Ein Deputirter der Stadt Northeim. 13) Ein Deputirter der Stadt Hameln. 14) Ein Deputirter der Stadt Einbeck, abwechselnd mit Osterode. 15) Ein Deputirter der Stadt Duderstadt, abwechselnd mit den kleinen Städten im Göttingischen. 16) Ein Deputirter der Stadt Münden. 17) Ein Deputirter der Calenbergischen kleinen Städte abwechselnd. 18) Ein Deputirter der Städte Clausthal und Zellerfeld. 19) Ein Deputirter der Grafschaft Hohnstein. 20) Ein Deputirter der Stadt Lüneburg. 21) Ein Deputirter der Stadt Ülzen. 22) Ein Deputirter der Stadt Celle. 23) Ein Deputirter der Stadt Harburg. 24) Ein Deputirter der Stadt Lüchow, abwechselnd mit Dannenberg und Hitzacker. 25) Ein Deputirter der Stadt Soltau, abwechselnd mit Walsrode, Burgdorf und Gifhorn.

26) Ein Deputirter der Stadt Stade. 27) Ein Deputirter der Stadt Buxtehude. 28) Ein Deputirter der Stadt Verden. 29) Ein Deputirter der Stadt Nienburg. 30) Ein Deputirter der Hoyaischen Flecken. 31) Ein Deputirter der Diepholzischen Flecken. 32) Ein Deputirter der Stadt Osnabrück. 33) Ein Deputirter der Stadt Quackenbrück, abwechselnd mit Fürstenau und Melle. 34) Ein Deputirter der Stadt Meppen, abwechselnd mit Lingen und Haselüne. 35) Ein Deputirter der Stadt Goslar. 36) Ein Deputirter der Stadt Hildesheim. 37) Ein Deputirter der Stadt Alfeld, abwechselnd mit Peine und Bockenem. 38) Ein Deputirter der Stadt Elze, abwechselnd mit Gronau, Sarstedt und Dassel. 39) Ein Deputirter der Stadt Emden. 40) Ein Deputirter der Stadt Aurich, abwechselnd mit Esens. 41) Ein Deputirter der Stadt Norden. 42) Ein Deputirter der Stadt Leer (wenn solche städtische Rechte erlangt haben wird). 43) Ein Deputirter von den Städten der Grafschaft Bentheim. 44) Deputirte von freien Guts-Besitzern, die nicht zur Ritterschaft gehören, jedoch auf Provinzial-Landtagen zur Stimmführung zugelassen werden, (unter Vorbehalt der Rectification, sobald die Verhältnisse der freien Grundbesitzer in sämmtlichen Provinzen vollständig aufgeklärt seyn werden): von der Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . Einer. von der Lüneburgischen Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einer. von der Bremen- und Verdenschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sechs. von den Hoya- und Diepholzischen Freien, die in der Ritter-Ma-

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H ANNOVER trikel stehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deputirte von andern Freien. . . . von der Osnabrückschen Landschaft, incl. Meppen und Lingen. von der Hildesheimschen. . . . . . . vom Ostfriesischen dritten Stande. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Zwei. Einer. Drei. Einer Fünf.

45) Zwei Deputirte des Landes Hadeln. 46) Ein Deputirter von den Flecken und Freien der Grafschaft Bentheim. George P. R. Geo. Best.

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Ediert nach Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, Jahrgang 1819, 1. Abt., No. 26, Hannover, S. 135–142. Das Patent wurde am 26. Oktober und 11. November 1819 beschlossen, am 7. Dezember 1819 unterzeichnet und am 18. Dezember verkündet und trat auch an diesem Datum in Kraft. Es wurde am 26. September 1833 abgelöst durch das Grundgesetz für das Königreich Hannover nebst dem königlichen Patente, die Publication desselben betreffend, Hannover 1833, S. 1–82. Siehe unter „Verfassung von Hannover (1833)“. Für weiterführende Angaben siehe Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 86–87 und Karlheinz Kolb / Jürgen Teiwes, Beiträge zur politischen, Sozial- und Rechtsgeschichte der Hannoverschen Ständeversammlung von 1814–1833 und 1837–1849, Hildesheim 1977, insbes. S. 32ff.

Verfassung von Hannover (1833) Grundgesetz des Königreichs1

Wilhelm der Vierte, von Gottes Gnaden König des vereinigten Reichs Großbritannien und Irland etc., auch König von Hannover, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg etc. etc. Unter Bezugnahme auf Unser unter dem heutigen Tage erlassenes Patent wegen Publication eines Grundgesetzes für Unser Königreich Hannover bringen Wir dieses Gesetz hiemit zur öffentlichen Kunde.

ERSTES CAPITEL Allgemeine Bestimmungen § 1. Das Königreich Hannover bildet unter der Souverainität des Königs ein in allen seinen Bestandtheilen durch dasselbe Grundgesetz verbundenes Ganzes. Bestandtheile des Königreichs können nur unter Zustimmung der allgemeinen Stände abgetreten werden. Friedensschlüsse und Berichtigungen streitiger Grenzen begründen hievon eine Ausnahme. § 2. Das Königreich theilt in seiner Eigenschaft als Glied des deutschen Bundes alle aus diesem herfließenden Rechte und Verpflichtungen. Die Beschlüsse der Bundesversammlung werden für das Königreich verbindlich, sobald sie vom Könige verkündigt sind. Die Mittel zur Erfüllung der hiedurch begründeten Verbindlichkeiten werden unter verfassungsmäßiger Mitwirkung der Stände bestimmt. § 3. Die Regierungsform des Königreichs ist die erblichmonarchische.

Der König ertheilt dem Lande die feierliche Zusicherung, in der Ausübung Seiner Königlichen Rechte die Rechte Seiner Unterthanen, die Rechte der Gemeinden und Körperschaften im Königreiche, die Rechte der Kirchen, die Rechte der Provinziallandschaften und der allgemeinen Ständeversammlung nach Maßgabe des gegenwärtigen Grundgesetzes ungeschmälert aufrecht zu erhalten und gegen alle Eingriffe zu schützen; die Anordnung der Finanzen des Königreiches und seiner einzelnen Provinzen nicht ohne die verfassungsmäßige Mitwirkung der Stände zu treffen; und bei der Einrichtung der Landesbehörden, so wie bei der Bestallung der Staatsdienerschaft dahin zu sehen, daß der öffentliche Dienst in allen Zweigen jederzeit verfassungsmäßig verwaltet wird, und seinen ungehinderten Fortgang zum Besten des Landes hat. § 4. Der Sitz der obersten, dem Könige unmittelbar untergeordneten Regierungsbehörde kann nicht außerhalb des Königreichs verlegt werden, dringende Nothfälle ausgenommen. § 5. Der König hat das Recht, bei längerer Abwesenheit eine Stellvertretung anzuordnen und deren Befugnisse zu bestimmen. Würde die Stellvertretung Einer Person anvertraut, so kann dieselbe nur aus der Zahl der Agnaten gewählt werden. Es können jedoch keinem Stellvertreter ausgedehntere Rechte übertragen werden,

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H ANNOVER als einem Regenten nach den Bestimmungen dieser Verfassungsurkunde zustehen.

ZWEITES CAPITEL Vom Könige, von der Thronfolge und der Regentschaft § 6. Der König als Oberhaupt des Staats vereinigt in sich die gesammte Staatsgewalt, und übt sie auf verfassungsmäßige Weise aus. Die Person des Königs ist heilig und unverletzlich. § 7. Der König vertritt das Königreich in allen Beziehungen zu dem deutschen Bunde, zu den einzelnen Bundesstaaten und in allen auswärtigen Verhältnissen. Er ordnet die Gesandtschaften und sonstigen Missionen an, schließt mit andern Mächten Verträge und erwirbt dadurch Rechte für das Königreich, so wie Er dasselbe auch zur Erfüllung der vertragsmäßigen Verbindlichkeiten, und zwar für die Cap. VI. §. 92. bezeichneten Fälle nach Maßgabe der daselbst getroffenen Bestimmungen verpflichtet. § 8. Ebenmäßig geht auch im Innern alle Regierungsgewalt von dem Könige aus, und wird durch die Landesbehörden, diese mögen unmittelbar bestellt seyn oder nicht, vermöge der vom Könige verliehenen Gewalt ausgeübt. Kein Landesgesetz tritt in Gültigkeit, bevor es vom Könige verkündigt ist. Dem Könige steht vermöge der Staatsgewalt die Kirchenhoheit zu. (Siehe Cap. III. §. 30. und Cap. V.) Die bewaffnete Macht und deren Einrichtung, so wie alle sie betreffenden Anstellungen, Anordnungen und Befehle sind allein vom Könige abhängig. § 9. Die Gerichtsbarkeit geht vom Könige aus und wird durch die ordentlichen Gerichte des Landes geübt, über welche Demselben die Aufsicht zusteht. Der König

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verspricht, den Lauf der Rechtspflege nicht zu hemmen und Straferkenntnisse nicht zu schärfen, hat aber das Recht, Straferkenntnisse im Wege der Gnade aufzuheben oder zu mildern, auch das Verfahren gegen den Beschuldigten einzustellen und niederzuschlagen. § 10. Der König verleiht Rang, Titel und Würden, und hat das Recht, Standeserhöhungen vorzunehmen. § 11. Die Krone des Königreiches Hannover vererbt ohne Theilung der Lande. Sie gebührt zunächst dem Mannsstamme des Königlichen Hauses aus rechtmäßiger, ebenbürtiger und hausgesetzlicher Ehe. Die Ordnung der Thronfolge wird durch die Lineal-Erbfolge nach dem Rechte der Erstgeburt bestimmt. Erlischt der Mannsstamm der jetzigen Königlichen Linie, so geht die Thronfolge nach Maßgabe der Hausgesetze auf den Mannsstamm der jetzigen Herzoglich Braunschweig-Wolfenbüttelschen Linie, und nach dessen Erlöschen auf die weibliche Linie über. § 12. Der König ist volljährig, sobald Er sein achtzehntes Lebensjahr vollendet hat. § 13. Der König wird den Antritt Seiner Regierung durch ein Patent zur öffentlichen Kunde bringen, worauf nach den von Ihm für das ganze Land gleichmäßig zu ertheilenden Vorschriften die Huldigung erfolgt. Im Patente, welches in Urschrift unter des Königs Hand und Siegel demnächst im ständischen Archive niederzulegen ist, versichert der König bei Seinem Königlichen Worte die unverbrüchliche Festhaltung der Landesverfassung. § 14. Eine Regentschaft tritt ein, wenn der König entweder minderjährig oder sonst an der eignen Ausübung der Regierung verhindert ist. § 15. Die Regentschaft gebührt dem nach der Reihe des Erbfolgerechts zunächst

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1833) stehenden Agnaten, welcher das 18te Lebensjahr vollendet hat. Sollte ein fähiger Agnat nicht vorhanden seyn, so geht die Regentschaft auf die Königinn, Gemahlinn des Königs, nach dieser auf die Mutter und endlich auf die Großmutter väterlicher Seite über; anderweite Vermählungen schließen dieselben jedoch von der Regentschaft aus. § 16. Wird die Regentschaft vom Könige selbst angeordnet, so steht dem Könige zu, einen regierungsfähigen Agnaten, und wenn deren nicht vorhanden seyn sollten, oder wenn der König Gründe hätte, von dem Seinen Agnaten gebührenden Vorzuge abzuweichen, einen nicht regierenden Prinzen aus den zum deutschen Bunde gehörenden Fürstenhäusern zum Regenten zu ernennen, welcher Letztere wenigstens das 25ste Lebensjahr vollendet haben muß. § 17. Der König bestellt die Regentschaft entweder für Seine Person oder für den Thronfolger, auf den Fall, daß dieser zur Zeit des Anfalls der Krone, minderjährig oder sonst verhindert wäre. § 18. Ermangelt es an einer solchen Anordnung, so tritt im Falle der Minderjährigkeit die gesetzliche Regentschaft von selbst ein. Bei anderer Verhinderung ist das Ministerium verpflichtet, entweder auf eignen Beschluß oder auf einen Antrag der versammelten allgemeinen Stände des Königreichs, eine Zusammenkunft der Agnaten zu veranlassen. Zu dieser sind alle volljährigen Agnaten zu berufen, um, wenn mindestens drei derselben in Person, oder durch gehörig Bevollmächtigte erschienen sind, innerhalb drei Monaten auf erstattetes Gutachten des Ministerii nach absoluter Stimmenmehrheit einen Beschluß darüber zu fassen, ob eine Regentschaft nothwendig sey. Das zur Regentschaft stehende Mit-

glied des Hauses und die weder in Person noch durch Bevollmächtigte erschienenen Agnaten haben keine Stimme. § 19. Überzeugt sich die Versammlung der Agnaten von der Nothwendigkeit einer Regentschaft, so wird dieser Beschluß durch das Ministerium den allgemeinen Ständen des Königreichs, welche von demselben außerordentlich berufen werden müssen, insofern sie nicht bereits versammelt sind, mitgetheilt, um ihre Zustimmung zu erklären. § 20. Sind keine Agnaten vorhanden oder erscheinen dieselben nicht in gesetzlicher Zahl, so richtet das Ministerium nach vorgängiger Untersuchung und Berichtserstattung an die Königinn, einen Antrag an die allgemeinen Stände des Königreichs. Die Regentschaft tritt ein, wenn in Gemäßheit dieses Antrages die Stände die Nothwendigkeit derselben anerkennen. § 21. Ist in diesem Falle keine zur Regentschaft berechtigte Person vorhanden; so bestimmen die allgemeinen Stände des Königreichs auf den Vorschlag des Ministerii unter den nicht regierenden Prinzen aus den zum deutschen Bunde gehörenden Fürstenhäusern den Regenten. Derselbe muß wenigstens das 25ste Lebensjahr vollendet haben, und seinen Aufenthalt im Königreiche nehmen. § 22. Der Regent leistet bei Übernahme der Regentschaft im versammelten Ministerio in Gegenwart des Erblandmarschalls, der Präsidenten und Vicepräsidenten der allgemeinen Ständeversammlung, einen Eid auf die Aufrechthaltung der Verfassung und bringt hierauf den Eintritt der Regentschaft zur öffentlichen Kunde. § 23. Der Regent übt im Namen des Königs die volle Staatsgewalt, wie sie dem Könige selbst verfassungsmäßig zusteht.

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H ANNOVER Der Regent darf jedoch eine Schmälerung der verfassungsmäßigen Rechte des Königs, so wie eine Änderung in dem Grundsysteme und in den verfassungsmäßigen Rechten der allgemeinen Ständeversammlung überall nicht vornehmen noch gestatten. Auch darf der Regent keine Standeserhöhungen vornehmen. § 24. Die Regentschaft hört auf, sobald der König das Alter der Volljährigkeit erreicht hat, oder das anderweite Hinderniß der eignen Verwaltung der Regierung gehoben ist. § 25. Die Erziehung des minderjährigen Königs gebührt, wenn der vorhergehende König deshalb keine andere Verfügung getroffen hat, der Mutter und nach dieser der Großmutter von väterlicher Seite, sofern diese nicht anderweit vermählt sind, und in Ermangelung auch dieser dem Regenten unter Beirath des Ministerii. Auf gleiche Weise steht der Regent den zur Erziehung berechtigten Personen zur Seite, und hat, wenn deren Ansichten über die Wahl der Erzieher oder über den Erziehungsplan von den seinigen abweichen, die Entscheidung. Die Aufsicht über die Person des durch Krankheit an der Ausübung der Regierung verhinderten Königs und die Sorge für denselben darf der Regent niemals übernehmen. § 26. Die innern Verhältnisse des Königlichen Hauses werden vom Könige als Oberhaupte der Familie durch Hausgesetze bestimmt. Es soll jedoch das vom Könige zu erlassende und den allgemeinen Ständen mitzutheilende Hausgesetz, insoweit dasselbe die Erbfolge angeht, nicht ohne Zustimmung der Stände abgeändert werden.

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DRITTES CAPITEL Von den Rechten und Pflichten der Unterthanen im allgemeinen § 27. Den vollen Genuß aller politischen und bürgerlichen Rechte im Königreiche kann nur ein Hannoverscher Unterthan haben. Die Eigenschaft eines Hannoverschen Unterthans wird nach Maßgabe der Gesetze durch Geburt oder Aufnahme erworben, und dauert so lange, bis sie auf rechtliche Weise verloren wird. Die mit dieser Eigenschaft verbundenen Rechte können durch ein Straferkenntniß beschränkt werden. § 28. Alle Landeseinwohner sind gleichmäßig zum Kriegsdienste und zu Tragung der allgemeinen Staatslasten verpflichtet. Zu diesen von allen Unterthanen nach gleichmäßigen Grundsätzen zu tragenden allgemeinen Staatslasten gehört auch die Unterhaltung des Heers ohne irgend eine hinsichtlich der Cavallerie oder anderer Waffengattungen Statt findende Ausnahme, einschließlich der Kriegerfuhren. Für die bisherigen Befreiungen von dieser Staatslast erfolgt eine Entschädigung nicht. Jedoch verbleibt denjenigen, welchen nach dem an die allgemeine Ständeversammlung erlassenen Königlichen Rescripte vom 18. Januar 1822 die Befreiung von der Einquartierung und Verpflegung zugesichert ist, welche aber nunmehr nach obigem Grundsatze zu dieser allgemeinen Staatslast gleichmäßig beizutragen haben, die Befugniß der Nichtannahme der ordinairen Natural-Einquartierung. Eben so soll es auch mit der Naturalleistung der ordinairen Kriegerfuhren gehalten werden. Die nach dem oben genannten Rescripte außerdem noch bestehenden Realexemtionen von allgemeinen Staatslasten sollen zwar ebenfalls wegfallen, jedoch verbleibt

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1833) den bisher Exemten das Recht, die künftig auf sie fallenden Naturalleistungen durch billige Geldbeiträge zu reluiren. Die Vorrechte und Befreiungen von allgemeinen Staatslasten, welche den Mitgliedern der Königlichen Familie und den Standesherren zustehen, so wie die Ausnahmen, welche zu Gunsten der Königlichen und standesherrlichen Schlösser und Gärten und in Ansehung der Güter der Kirchen, Pfarren, Pfarrwitwenthümer, Schulen und Armenstiftungen bewilligt worden, sollen in der bisherigen Maße und wie sie durch die betreffenden Gesetze bestimmt sind, bestehen bleiben. Die Befreiungen vom Militairdienste sind von den Bestimmungen der Militairgesetze abhängig. § 29. Über die Lehnsverhältnisse und die zu gestattende Ablösbarkeit derselben soll ein besonderes Gesetz erlassen werden. Durch dies Gesetz soll zugleich für eine zweckmäßige Erhaltung der größern Güter bei den Vasallenfamilien, so wie für Erleichterung der Stiftung von Majoraten und Fideicommissen gesorgt, auch über die Rechte der Agnaten und Exspectivirten und über die dem Heimfall nahe stehenden Lehne Bestimmung getroffen werden. § 30. Allen Landeseinwohnern gebührt völlige Glaubens- und Gewissensfreiheit. Daher ist auch Jeder zu Religionsübungen mit den Seinigen in seinem Hause berechtigt. Die Mitglieder der evangelischen und der römisch-katholischen Kirche genießen gleiche bürgerliche und politische Rechte im Staate. Vergl. Cap. V. §. 57. Dem Könige gebührt das Recht, auch andere christliche Confessionen und Secten anzuerkennen. Den Anhängern solcher anerkannten christlichen Confessionen und Secten, wird der Genuß bürgerlicher Rechte und der Privatgottesdienst gestattet. Ihre

politischen Rechte hangen jederzeit von einem besondern Gesetze ab; zur öffentlichen Religionsübung ist die besondere Bewilligung des Königs erforderlich. Die Rechtsverhältnisse der im Königreiche wohnhaften jüdischen Glaubensgenossen sollen durch ein besonderes Gesetz bestimmt werden. § 31. Die Gerichte erster Instanz sind für alle Landeseinwohner dieselben. Die von dieser Regel bestehenden Ausnahmen sollen durch ein baldigst zu erlassendes Gesetz, hinsichtlich des persönlich befreieten Gerichtsstandes auf die höheren Königlichen Behörden, die Besitzer landtagsfähiger Rittergüter, den landsässigen Adel, die höheren Staatsdiener, die höhere Geistlichkeit, so wie die jetzt canzleisässigen Magistrate und Städte, und die Officiere, hinsichtlich des dinglichen Gerichtsstandes aber auf landtagsfähige Güter und die zu ihnen gehörenden Grundstücke, beschränkt, und alle übrigen Ausnahmen aufgehoben werden. Bis zu erfolgter Publication dieses Gesetzes besteht jedoch die jetzige Competenz der Gerichte ungeändert. Auch die Aufhebung der verbleibenden Ausnahmen soll bei künftiger, derselben entsprechender Veränderung der Gerichtsverfassung erfolgen. Bis zu anderweiter Bestimmung bleiben die für gewisse Sachen oder Classen von Unterthanen angeordneten Gerichte in ihrer bisherigen Wirksamkeit, und die Gerichte überhaupt in ihrer bisherigen Verfassung. Wegen der Gerichtsbarkeit über die nicht regierenden Mitglieder des Königlichen Hauses werden durch ein Königliches Familienstatut die erforderlichen Bestimmungen getroffen. § 32. Die besondern Rechte der Standesherren, namentlich des Herzogs von Arenberg, des Herzogs von Looz-Corswaaren,

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H ANNOVER des Fürsten von Bentheim, so wie der Grafen zu Stolberg-Wernigerode und Stolberg, sind durch Verordnungen und landesherrliche Zusicherungen festgestellt. § 33. Die Freiheit der Person und des Eigenthums unterliegt keiner andern Beschränkung, als welche das Recht und die Gesetze bestimmen. Allgemeine Confiscation des Vermögens ist unzulässig. § 34. Niemand darf verfolgt und verhaftet werden, als in den durch das Gesetz bestimmten Fällen und in der gesetzlichen Form. Bis zur Erlassung der desfallsigen Gesetze behält es bei den bisherigen Vorschriften sein Bewenden. Der Verhaftete muß binnen 24 Stunden verhört und über die Ursache seiner Verhaftung im allgemeinen in Kenntniß gesetzt werden. Kein Unterthan darf seinem ordentlichen Richter entzogen werden, außer in den von den Gesetzen im Voraus bestimmten Fällen, oder wenn der König aus besondern Gründen, auf den Bericht des Gesammt-Ministerii, die Competenz auf eine andere ordentliche Gerichtsbehörde zu übertragen nöthig findet. Das Verfahren bei Störung der öffentlichen Ruhe soll durch ein besonderes Gesetz bestimmt werden. § 35. Die Staatsverwaltung hat keinen Anspruch an das Eigenthum und die Gerechtsame von Einzelnen oder Corporationen, als aus allgemeinen Gesetzen oder besondern Privatrechtstiteln. Ausnahmsweise kann dieselbe jedoch gegen vorhergehende vollständige Entschädigung die Abtretung von Eigenthum oder Gerechtsamen zu Staats- oder andern öffentlichen Zwecken verlangen, wenn entweder eine dringende Nothwendigkeit solches erheischt, oder wenn ausdrückliche Gesetze zu Zwe-

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cken des gemeinen Nutzens ihr dazu die Befugniß geben. § 36. Die Frage, ob die Abtretung geschehen soll, wird nach vorgängiger Vernehmung aller Betheiligten von der betreffenden obern Verwaltungsbehörde entschieden. Den Betheiligten steht jedoch wider die Entscheidung binnen gesetzlicher, oder in deren Ermangelung achtwöchiger Frist der Recurs an das Ministerium zu, welches über denselben unter Zuziehung des Geheimenrathscollegii entscheidet. Der Betrag der Entschädigung wird unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften über dessen Bestimmung, von der Verwaltungsbehörde festgesetzt. Will sich der Betheiligte bei deren Beschlüssen nicht beruhigen, und kann eine Vereinbarung nicht bewirkt werden, so ist die Sache im ordentlichen Rechtswege zu erledigen; es kann aber der zur Entschädigung Berechtigte bei Abtretung des Seinigen sofort die Überweisung der von der Verwaltungsbehörde ausgemittelten Entschädigung fordern. Ist aber unwiederbringlicher Nachtheil mit dem Verzuge verbunden, so entscheidet die höchste zur Stelle befindliche Verwaltungsbehörde über die Abtretung. In diesem Falle hält der Recurs das Verfahren nicht auf und folgt die Entschädigung ausnahmsweise innerhalb möglichst kurzer Frist nach. § 37. Jedem der sich von einer Verwaltungsbehörde durch Überschreitung ihrer Befugnisse in seinem wohlerworbenen Rechte verletzt erachtet, steht nach den nachfolgenden Bestimmungen der ordentliche Gerichtsgang offen. Ist die Verletzung durch einen Staatsvertrag oder durch ein verfassungsmäßig erlassenes Gesetz bewirkt, so kann dieselbe nicht zum Gegenstande eines Rechtsanspruches gegen den Staat oder gegen Verwaltungsbehörden gemacht werden.

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1833) Vielmehr kann nur die unrichtige oder unbefugte Anwendung von Staatsverträgen oder Gesetzen einen Rechtsanspruch begründen, sobald in einer Überschreitung der Befugnisse der Behörden außerdem die Erfordernisse einer Entschädigungsverbindlichkeit nach gemeinrechtlichen Grundsätzen anzutreffen sind. Die Gerichte können in solchen Fällen die einstweilige Ausführung von Verfügungen der Verwaltungsbehörden nicht hemmen, und dürfen eine gegen solche Verfügungen gerichtete Klage nur dann annehmen, wenn von dem Kläger zuvor nachgewiesen ist, daß er bei der vorgesetzten höhern oder höchsten Verwaltungsbehörde bereits Hülfe gesucht, und solche innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht gefunden habe. Wiederaufhebung von Verfügungen der Verwaltungsbehörden durch richterlichen Spruch kann nur in dem Falle Statt finden, wenn auf verfassungsmäßigem Wege (s. Cap. VIII. §. 156) entschieden ist, daß eine in Frage befangene Angelegenheit zur Competenz der Verwaltungsbehörde nicht erwachsen gewesen sey. § 38. Wenn Ansprüche aus einem wohlerworbenen Privatrechte gegen den Fiscus, sowohl des Königs als des Staats, oder von demselben geltend gemacht werden sollen, gehört die Verhandlung und Entscheidung der hieraus entstehenden Rechtsstreitigkeiten auf gleiche Weise, wie andere Privatrechtssachen zur Competenz der ordentlichen Gerichte, und zwar, soweit dies nach bisherigen Gesetzen noch nicht der Fall gewesen, rücksichtlich der nach dem Tage der Publication des Staatsgrundgesetzes entstehenden Forderungen. Die Vollziehung des gerichtlichen Erkenntnisses findet gegen die in demselben bezeichnete Behörde oder Casse Statt. § 39. Den Unterthanen steht das Recht zu, in angemessener Form und auf gesetz-

liche Weise Bitten an den König, an die allgemeine Ständeversammlung, so wie an die Landesbehörden zu bringen. Auch hat Jeder das Recht, in seiner Angelegenheit über gesetz- und ordnungswidriges Verfahren einer Behörde oder über verzögerte Entscheidung bei der unmittelbar vorgesetzten Behörde Beschwerde zu führen und diese bis zur höchsten Behörde zu verfolgen. Mehrere Gemeinden oder Corporationen dürfen über Angelegenheiten, in Ansehung deren sie nicht ohnehin in einem verfassungsmäßigen Verbande mit einander stehen, keine gemeinschaftlichen Gesuche übergeben. § 40. Die Freiheit der Presse soll unter Beobachtung der gegen deren Mißbrauch zu erlassenden Gesetze und der Bestimmungen des deutschen Bundes Statt finden. Bis zur Erlassung dieser Gesetze bleiben die bisherigen Vorschriften in Kraft. § 41. Jedem Landeseinwohner steht das Recht zu, unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften über die Militairpflicht auszuwandern.

VIERTES CAPITEL Von den Gemeinden und Körperschaften § 42. Jeder Landeseinwohner muß in Beziehung auf die öffentlichen Verhältnisse einer Gemeinde oder einem Verbande mehrerer Gemeinden des Königreichs angehören und zu deren Lasten, bis auf die unten vorbehaltenen persönlichen Ausnahmen, verhältnißmäßig beitragen. Nicht minder soll jedes Gut, Haus oder Grundstück einer Gemeinde zugerechnet werden. § 43. Exemtionen von Gemeindelasten sollen nicht ferner Statt finden. Rechtlich

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H ANNOVER bestehende Exemtionen können gegen vorgängig auszumittelnde Entschädigung aufgehoben werden. Gleichzeitig mit Aufhebung der Exemtionen ist auch die derselben entsprechende Regulirung des Gemeindewesens in den betreffenden Gemeinden vorzunehmen. Bei Ausmittelung der Entschädigung soll zu Gunsten der zu deren Leistung Verpflichteten auf die Beschaffenheit und den Zweck der zu übernehmenden Last, so wie auf deren in neuerer Zeit durch polizeiliche Einrichtungen etwa eingetretene Vermehrung billige Rücksicht genommen werden. Auch sind dabei die von dem Befreiten zu Gunsten der Gemeinde getragenen Lasten nebst den in Rücksicht auf eine getragene Last von den dazu Verpflichteten genossenen Vortheilen zur Ausgleichung zu bringen. Die zu weiterer Ausbildung dieser Vorschriften erforderlichen Bestimmungen über die Grundsätze und das Maß der Entschädigung, so wie über diejenigen Verhältnisse, bei welchen ausnahmsweise eine Exemtion auch ohne Entschädigung abgestellt werden kann, bleiben der provinziellen Gesetzgebung vorbehalten. Imgleichen sollen diejenigen Fälle, in denen ein persönliches Recht auf Befreiung von Gemeindelasten aufrecht zu erhalten seyn möchte, gesetzlich bestimmt werden. § 44. Die Bildung neuer Gemeindeverbände, so wie die Zusammenlegung oder Abänderung bestehender, kann, nach vorgängiger Vernehmung der Betheiligten, unter steter Berücksichtigung ihrer besondern Interessen und der Provinzialverhältnisse erfolgen. § 45. Die bisher keiner Gemeinde angehörigen Domainen, Güter und Besitzungen sollen auf eine den Provinzial- und Localverhältnissen angemessene Weise in einen bereits vorhandenen oder neu zu bildenden Gemeindeverband eingeschlossen werden. Bis ein solcher Anschluß erfolgt ist, wird

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in deren Beziehungen zu den Gemeinden, durch vorstehende Bestimmung nichts verändert. Insofern Lage und Verhältnisse die Vereinigung einer Domaine oder eines Guts mit einer Gemeine nicht angemessen erscheinen lassen, kann eine solche Domaine oder ein solches Gut eine abgesonderte Gemeinde bilden. § 46. Die Art und Weise, wie die in einen Gemeindeverband eintretenden Grundbesitzer an den Gemeindeangelegenheiten Theil zu nehmen und zu den Gemeindelasten beizutragen haben, so wie die vorgängige angemessene Entschädigung der von solchen Lasten bisher rechtlich befreit Gewesenen, soll durch gütliche Vereinbarung zwischen den Gemeinden und den neu Eintretenden, unter Leitung der Regierungsbehörde oder der von ihr zu ernennenden Commissarien, in Ermangelung einer solchen Übereinkunft aber, unter Berücksichtigung der gegenseitigen Verhältnisse nach folgenden Grundsätzen festgesetzt werden: 1) Die Vereinigung soll sich allein auf die öffentlichen, nicht aber auf die privatrechtlichen Verhältnisse der Gemeinde beziehen, sofern nicht von beiden Theilen eine Vereinigung auch in der letztern Rücksicht gewünscht wird. 2) Das Beitragsverhältniß der Eintretenden zu den Gemeindelasten, soll nach Maßgabe des, den Eintretenden zu Statten kommenden Antheils an den diesen Lasten zum Grunde liegenden Zwecken festgestellt werden. Die Naturalleistungen der neu Eintretenden können mit Geld reluirt werden, mit Ausnahme der Fälle, wo Gefahr im Verzuge ist, und der Lasten, welche von den Eintretenden schon vorher in natura zu leisten waren. Liegen den Eintretenden Lasten ob, welche zum Nutzen der Gemeinden gereichen, in welche sie eintreten, so ist rücksichtlich

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1833) solcher Lasten eine Ausgleichung zu bewirken. 3) Den Eintretenden soll ein der Concurrenz zu den Lasten der Gemeinden, ihrem Interesse an den Gemeindeangelegenheiten, und ihren Verhältnissen zu anderen Mitgliedern der Gemeinden entsprechendes Stimmrecht beigelegt werden. Auch sollen die Besitzer ganzer Güter befugt seyn, solches durch Bevollmächtigte auszuüben. § 47. Die Aufnahme neuer Mitglieder in eine Gemeinde, welche nicht aus einem in den bestehenden oder noch zu erlassenden Gesetzen bestimmten Grunde ein Recht darauf haben, so wie die Zulassung neuer An- und Abbauer, hangt, unter Vorbehalt des Recurses an die vorgesetzte Regierungsbehörde, von der Gemeinde, in welche sie eintreten sollen, ab. § 48. Das Vermögen und Einkommen der Gemeinden und ihrer Anstalten, so wie der Corporationen darf nie als Staatsvermögen behandelt oder zu den Staatseinnahmen geschlagen werden, so wie auch ihre Verbindlichkeiten den Staat nicht verpflichten. § 49. Keine Gemeinde kann mit Leistungen oder Ausgaben beschwert werden, wozu sie nicht durch Gesetze oder andere Rechtstitel verbunden ist. Dasselbe gilt von mehreren in einem Verbande stehenden Gemeinden. § 50. Ausgaben und Lasten, welche für die Zwecke und Bedürfnisse von Gemeinden oder Verbänden mehrerer Gemeinden erforderlich sind, müssen von den Mitgliedern der Gemeinden oder Verbände verhältnißmäßig getragen werden, und sollen daher, wenn Einzelne zur Bestreitung einer solchen Ausgabe oder Last nach besonderen Rechtsverhältnissen bisher allein oder vorzugsweise verbunden waren, auf deren Antrag, insoweit die Verhältnisse nach dem Urtheile der vorgesetzten Regierungsbehörde solches gestatten, gegen eine von ihnen

zu leistende angemessene Entschädigung abgenommen oder bei Übernahme anderer Gemeindelasten angerechnet werden. § 51. Die Oberaufsicht der Regierungsbehörde auf die Vermögensverwaltung aller Gemeinden, so wie auf die Vertheilung und Verwendung der Gemeindeabgaben darf sich nicht weiter erstrecken, als dahin, daß das Vermögen erhalten, dessen Einkünfte ihrer Bestimmung gemäß verwandt und bei Anordnung und Vertheilung der Gemeindeabgaben angemessene, auch die Rechte der übrigen Landeseinwohner und das allgemeine Wohl nicht verletzende Grundsätze befolgt werden. Auch steht der Regierungsbehörde die Entscheidung von Beschwerden zu, die gegen die Gemeindeverwaltung erhoben werden möchten. § 52. Den städtischen Obrigkeiten und deren Mitgliedern, wie auch den Beamten der Landgemeinden, liegt außer der Verwaltung der Gemeindesachen, auch die Besorgung der ihnen durch Gesetz, Verfassung oder Herkommen, oder von den höheren Behörden übertragenen Landesangelegenheiten in ihrer Gemeinde ob. § 53. Die Verfassung und Verwaltung in den Städten des Königreichs soll nach vorgängiger Verhandlung mit denselben durch öffentlich bekannt zu machende, vom Könige oder dessen Stellvertreter zu vollziehende Urkunden geordnet werden. Bei diesen Urkunden sollen folgende Grundsätze zur Anwendung kommen: 1) Die Bürgerschaften ernennen durch freie Wahl ihre Vertreter, welche nicht auf Lebenszeit gewählt werden können. Die Städte haben das Recht, ihre Magistrate und übrigen Gemeindebeamten selbst zu wählen. An den Wahlen nehmen die Bürgerschaften, mit den Magistraten, erstere durch ihre Vertreter Theil. 2) Die höhere Bestätigung ist nur bei den Wahlen der stimmführenden Mitglieder des

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H ANNOVER Magistrats und des Stadtgerichts erforderlich. 3) Die Vertreter der Bürgerschaften nehmen Theil an den Angelegenheiten, welche das Gemeinwesen der Stadt, deren Vermögen, Rechte und Verbindlichkeiten betreffen, namentlich auch an der Veranlagung und Vertheilung der Communalabgaben, Lasten und Leistungen. 4) Die Verwaltung des städtischen Vermögens und die Rechnungsablage über dieselbe ist ihrer Controle unterworfen. 5) Gemeinschaftliche Beschlüsse des Magistrats und der Vertreter der Bürgerschaft über die Verwendung der laufenden Einnahme des Gemeindevermögens bedürfen der höhern Genehmigung nicht; jedoch hat der Magistrat zu Anfang eines jeden Rechnungsjahrs einen von den Vertretern der Bürgerschaft genehmigten Haushaltsplan, so wie nach Ablauf des Rechnungsjahrs einen Auszug der von den Vertretern der Bürgerschaft abgenommenen städtischen Rechnungen der Bürgerschaft bekannt zu machen, und der die Oberaufsicht führenden Regierungsbehörde einzusenden, welche die Vorlegung der vollständigen Rechnungen verfügen kann. 6) Der Magistrat ist in allen städtischen Gemeindeangelegenheiten die einzige ausführende und verwaltende Behörde; inzwischen hat, was die Ausübung der Polizei betrifft, die Regierung das Recht, unter den Mitgliedern des Magistrats die Person zu bezeichnen, welche die städtische Polizei zu besorgen hat, auch wo besondere Umstände solches erforderlich machen, eine eigene Polizeibehörde anzuordnen. Das Armenwesen kann nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse einer eigenen Verwaltung übertragen werden. Es soll jedoch in den Fällen, wo die Verwaltung der Polizei nicht dem gesammten Magistrate verbleibt oder übertragen wird, der Geschäftskreis der städtischen Polizei in den einzelnen Städten durch Verhandlung

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mit denselben genau festgestellt, und dabei der Grundsatz befolgt werden, daß dem Magistrate die Besorgung alles desjenigen verbleibt, was die Gewerbsverhältnisse, die Einrichtung, Verwaltung und Beaufsichtigung der städtischen Güter und Anstalten, so wie der für gemeinsame städtische Zwecke bestimmten Privatanstalten zum Gegenstande hat. Schon bestehende Verfassungsurkunden einzelner Städte, welche den Befugnissen der Bürgerschaft, ihrer Vertreter und Obrigkeit engere Grenzen setzen, sollen revidirt und unter Berücksichtigung der Localverhältnisse, so wie unter Zuziehung von Vertretern der Bürgerschaft mit den vorstehenden allgemeinen Grundsätzen in Übereinstimmung gebracht werden. Diese Grundsätze finden auch auf die Verfassung der Flecken unter den, durch die Verhältnisse gebotenen Beschränkungen und Ausnahmen ihre Anwendung. § 54. Den Landgemeinden steht unter obrigkeitlicher Aufsicht (vergl. §. 51) die eigene Verwaltung ihres Vermögens, die Regulirung ihrer übrigen innern Gemeindeverhältnisse und der ihnen obliegenden Gemeindeabgaben und Leistungen, so wie eine Theilnahme an der Handhabung ihrer Flur- und Feldmarkspolizei zu. Das Recht der Wahl ihrer Vertreter steht den Gemeinden jederzeit zu, jedoch sind selbige nicht auf Lebenszeit zu wählen. Auch sollen die Landgemeinden in der Regel das Recht haben, ihre Gemeindebeamte, unter Vorbehalt obrigkeitlicher Bestätigung zu wählen. Ausnahmen von dieser Regel können sowohl auf den Grund bestehender Berechtigungen als besonderer Verhältnisse in den Gemeinden Statt finden. § 55. In den Fällen, wo Ausgaben verfassungsmäßig von einem Verbande mehrerer Gemeinden gemeinschaftlich getragen und aufgebracht werden müssen, sollen zur Prüfung der Ausgaben selbst, so wie zur Fest-

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1833) stellung der Repartition derselben gewählte, oder sonst berechtigte Mitglieder des Verbandes zugezogen, und diesen demnächst auch über die Aufbringung und Verwendung Rechnung abgelegt werden. Die nähere Einrichtung dieser Verbände soll nach Verschiedenheit der Provinzen gesetzlich regulirt werden. § 56. Die in den verschiedenen Provinzen des Königreichs bestehenden ritterschaftlichen Corporationen behalten ihre statutenmäßigen Rechte, sofern letztere nicht durch das gegenwärtige Grundgesetz aufgehoben werden. Namentlich bleibt ihnen die Befugniß, provinzielle Vereine, behuf Erhaltung ihrer Güter zu errichten.

FÜNFTES CAPITEL Von den Verhältnissen der evangelischen und der römischkatholischen Kirche zum Staate, von den Unterrichtsanstalten, so wie von den zu wohlthätigen Zwecken bestimmten Fonds § 57. Den Mitgliedern der evangelischen und der römisch-katholischen Kirche wird freie öffentliche Religionsübung zugesichert. § 58. Dem Könige gebührt über beide Kirchen das in der Kirchenhoheit begriffene Schutz- und Oberaufsichtsrecht. § 59. Die Anordnung der innern geistlichen Angelegenheiten bleibt der in der Verfassung jeder dieser Kirchen gegründeten Kirchengewalt überlassen. § 60. In der evangelischen Kirche werden die Rechte der Kirchengewalt vom Könige, und zwar durch Consistorialoder Presbyterialbehörden, zusammengesetzt aus evangelischen Geistlichen und weltlichen Personen, unter der Aufsicht des

Ministerii, so wie unter Aufrechterhaltung der den Gemeinden und Einzelnen zustehenden Rechte ausgeübt. Sollen für das Königreich oder ganze Landestheile neue Kirchenordnungen erlassen, oder in wesentlichen Grundsätzen derselben und namentlich der Liturgie Veränderungen gemacht werden, so ist darüber mit einer vom Könige zusammen zu berufenden Versammlung von geistlichen und weltlichen Personen, welche theils vom Könige bestimmt, theils von den Geistlichen und Gemeinden in den betreffenden Landestheilen auf die sodann gesetzlich anzuordnende Weise gewählt werden, zu berathen. Die künftige Einrichtung und der Geschäftskreis der Consistorial- und Presbyterialbehörden, der Umfang der Aufsichtsrechte des Ministerii, die Einführung und Ausbildung von Synoden und Kirchenvorständen, so wie die Art der Ausübung der den Gemeinden und Einzelnen zustehenden Rechte bleibt weiteren Bestimmungen vorbehalten, und sollen bei Bestimmung des künftigen Geschäftskreises der Consistorialbehörden zugleich in Rücksicht der Überweisung der von ihnen bisher ausgeübten streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit an die weltlichen Gerichte die erforderlichen Anordnungen erfolgen. § 61. Sollte der Fall eintreten, daß der König oder der Regent sich nicht zur evangelischen Kirche bekennte, so geht die Ausübung der Rechte der Kirchengewalt einstweilen auf die evangelischen Mitglieder des Gesammt-Ministerii über, und soll zur Sicherstellung des Rechtszustandes der evangelischen Kirche über die Art und Weise der Ausübung der Kirchengewalt in derselben mit Zustimmung der allgemeinen Ständeversammlung das Nöthige verordnet werden. § 62. In der römisch-katholischen Kirche gebührt den Bischöfen oder Administratoren der Diöcesen Hildesheim und Os-

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H ANNOVER nabrück die Ausübung der Rechte der Kirchengewalt, gemäß der Verfassung dieser Kirche. Die Rechte der Kirchenhoheit, zu denen auch die Oberaufsicht über die zunächst unter dem Bischofe oder den Diöcesan-Administratoren stehende, und nach den Bestimmungen des §. 69 auszuübende Verwaltung des Vermögens der römisch-katholischen Kirchen und kirchlichen Stiftungen gehört, werden vom Könige oder dessen Ministerio unmittelbar oder durch die römisch-katholischen Consistorien ausgeübt. § 63. Alle allgemeinen Anordnungen der römisch-katholischen Kirchenbehörden bedürfen der Einsicht des Ministerii und sollen ohne dessen Genehmigung nicht verkündigt oder vollzogen werden. Betreffen sie reine Glaubens- oder kirchliche Lehr- und Disciplinarsachen, so soll deren Bekanntmachung nicht gehindert werden, sobald nur das Ministerium durch genommene Einsicht sich davon überzeugt hat, daß deren Inhalt für den Staat unnachtheilig ist. § 64. Alle amtlichen Communicationen mit dem päpstlichen Stuhle, mit auswärtigen Kirchenversammlungen oder Kirchenobern müssen dem Ministerio zur Einsicht vorgelegt werden, und deren Beschlüsse, Erlasse, Bullen, Breven, Rescripte und sonstigen Schreiben an die römisch-katholische Kirche im Königreiche, an ganze Gemeinden oder einzelne Landeseinwohner, bedürfen vor ihrer Verkündigung oder Insinuation des landesherrlichen Placet. Dieses soll nicht verweigert werden, wenn sie von der am Schlusse des vorhergehenden Paragraphen angegebenen Beschaffenheit sind. Ausgenommen von der Bestimmung dieses §. sind allein die Communicationen in Gewissenssachen einzelner Personen. § 65. Das Ministerium ist verpflichtet, Mißbräuche oder Überschreitungen der Kirchengewalt zu verhüten, und dieselben von

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Amtswegen oder auf an dasselbe eingegangene Recurse abzustellen. Beschwerden gegen untergeordnete Kirchendiener müssen jedoch zunächst an die Kirchenobern im Königreiche gebracht werden, können aber, wenn keine Abhülfe erfolgt, an das Ministerium gelangen. § 66. Die Prediger und anderen höheren Kirchendiener der evangelischen wie der römisch-katholischen Kirche, deren Ernennung vom Könige oder dessen Behörden nicht unmittelbar erfolgt, sondern welche von Dritten ernannt oder präsentirt werden, bedürfen der Bestätigung des Königs oder der dazu bestimmten Behörden desselben, und können, so lange sie diese nicht erhalten haben, weder die Amtsgeschäfte ausüben, noch haben sie ein Recht auf die Amtseinkünfte. Die Entscheidung über die canonischen Eigenschaften des zu Bestätigenden gebührt allein der geistlichen Behörde. Die Bestätigung darf ohne erhebliche Gründe nicht verweigert werden. Sämmtliche Kirchendiener sind in ihren bürgerlichen Beziehungen und Handlungen, wie auch in Rücksicht ihres Vermögens, den Gesetzen des Staats unterworfen. Der Staat gewährt ihnen jede zur ordnungsmäßigen Verwaltung und Erfüllung ihrer Amtsobliegenheiten erforderliche Unterstützung, und schützt sie in der ihnen zukommenden Amtswürde. § 67. Die Entlassung der Kirchendiener von ihrem Amte und die Suspension vom Amte und zugleich vom Gehalte kann im Disciplinar-Verfahren nur geschehen, nachdem die kirchliche Behörde eine gehörige Untersuchung angestellt und den Kirchendiener mit seiner Vertheidigung hinreichend gehört hat. Sie bedarf in Ansehung der Prediger und übrigen höhern Geistlichkeit der Bestätigung des Ministerii. § 68. Das jetzige und künftige Vermö-

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1833) gen der einzelnen Kirchen, Kirchenämter, geistlichen und andern milden Stiftungen, Damen-Stifter und Klöster, Schulen und Armenanstalten, darf unter keinem Vorwande zum Staatsvermögen gezogen oder zu andern, als den gesetz- oder stiftungsmäßigen Zwecken verwandt werden. Eine Abänderung der Stiftung kann von der Staatsgewalt nur nach vorgängiger Vernehmung der zur Verwaltung und Aufsicht etwa Berechtigten und nur dann vorgenommen werden, wenn der Zweck der Stiftung auf die vorgeschriebene Weise nicht mehr zu erreichen ist. Indeß muß das Vermögen unter thunlichster Berücksichtigung der Wünsche der zur Verwaltung und Aufsicht etwa Berechtigten zu gleichen oder möglichst ähnlichen Zwecken wieder verwandt werden. Dabei bleiben jedoch die Bestimmungen des §. 35 des Reichs-Deputations-Hauptschlusses vom 25sten Februar 1803 in Ansehung der in demselben bezeichneten Güter, insofern darüber eine endliche Verfügung noch nicht getroffen ist, ausdrücklich vorbehalten. § 69. Insofern die Verwalter des Vermögens der einzelnen Kirchen und der dazu gehörenden Stiftungen und Armenanstalten den bestehenden Einrichtungen gemäß nicht von der Kirchengemeinde gewählt werden, und diese an der Verwaltung einen größern Antheil nicht gehabt, sollen den Verwaltern dieses Vermögens in jeder Kirchengemeinde nach den darüber zu erlassenden besonderen Verfügungen einige von der Kirchengemeinde zu erwählende Vorsteher unter Mitwirkung der Pfarrgeistlichen, zur Seite stehen, welche zu allen wichtigen auf die Verwaltung sich beziehenden Maßregeln, bei Veräußerungen einzelner Theile dieses Vermögens, wie auch der zur Dotation der Kirchenämter und der zu Pfarrwitwenthümern gehörenden Grundstücke oder Gerechtsame, ferner bei Werken, die

zu kirchlichen oder geistlichen Zwecken unternommen, nicht weniger bei Leistungen, die zu solchen Zwecken ausgeschrieben werden, und endlich zu der Rechnungsablage zugezogen werden müssen. In denjenigen Fällen, in welchen der Kirchenpatron die Ausgaben ausschließlich bestreitet, tritt die Bestimmung dieses §. nicht ein. § 70. Für die Erhaltung und Vervollkommnung der Landesuniversität und der übrigen öffentlichen Unterrichtsanstalten jeder Art soll stets nach Kräften gesorgt werden. Der Unterricht in den Volksschulen bleibt zunächst der Aufsicht der Prediger anvertraut. § 71. Das von den vormaligen Klöstern und andern ähnlichen Stiftungen in verschiedenen Theilen des Königreichs herrührende zu einem abgesonderten Fonds vereinigte Vermögen soll für immer von allen andern Staatscassen völlig getrennt bleiben, und allein zu den erforderlichen Zuschüssen behuf der Bedürfnisse der Landesuniversität, der Kirchen und Schulen und zu wohlthätigen Zwecken aller Art verwandt werden. Die Verwaltung dieses Vermögens steht unter Leitung des Ministerii, jedoch soll der allgemeinen Ständeversammlung jährlich eine Übersicht der Verwendungen aus demselben mitgetheilt werden. In Rücksicht der Veräußerungen einzelner Theile dieses Vermögens finden alle diejenigen Vorschriften ihre volle Anwendung, die bei Veräußerungen von Domanialvermögen in der gegenwärtigen Verfassungsurkunde vorgeschrieben sind.

SECHSTES CAPITEL Von den Landständen § 72. Für die einzelnen Provinzen des Königreichs sollen Provinziallandschaften,

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H ANNOVER für das ganze Königreich aber eine allgemeine Ständeversammlung bestehen.

Erster Abschnitt Von den Provinziallandschaften §73. Provinziallandschaften sollen bestehen 1) für die Fürstenthümer Calenberg, Göttingen und Grubenhagen nebst den vormals Hessischen Ämtern im Fürstenthum Göttingen und dem diesseitigen Eichsfelde, 2) für das Fürstenthum Lüneburg, mit Einschluß der diesseitigen Theile des Herzogthums Sachsen-Lauenburg, 3) für die Grafschaften Hoya und Diepholz, mit den vormals Hessischen Ämtern in diesen Provinzen, 4) für die Herzogthümer Bremen und Verden, mit dem Lande Hadeln, 5) für das Fürstenthum Osnabrück, 6) für das Fürstenthum Hildesheim nebst der Stadt Goslar, 7) für das Fürstenthum Ostfriesland und das Harlingerland. § 74. Wegen Einführung provinziallandschaftlicher Einrichtungen in denjenigen Landestheilen, wo solche noch nicht bestehen, so wie wegen angemessener Verbindung bisher getrennter Provinziallandschaften sollen unter Mitwirkung von Abgeordneten der betreffenden Landestheile Einleitungen getroffen werden. § 75. In sämmtlichen Provinziallandschaften sollen zwei Curien eingeführt werden, welchen gleiche Rechte und Befugnisse zustehen. Die erste Curie soll bestehen aus den Prälaten, wo diesen eine Theilnahme an den Provinziallandtagen zusteht, und aus den Mitgliedern der Ritterschaft, deren Statuten revidirt und mit derselben festgestellt werden sollen. Die zweite Curie soll in einem näher zu bestimmenden angemessenen Verhält-

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nisse bestehen aus den Deputirten der mit Stimmrecht versehenen oder zu versehenden Städte und Flecken und der nicht zur Ritterschaft gehörigen Grundbesitzer. In denjenigen Provinzen jedoch, wo die Städte in einer zweiten und die nicht zur Ritterschaft gehörigen Grundbesitzer in einer dritten Curie vertreten sind, sollen drei Curien fortbestehen, insofern nicht ein Anderes durch vorgängige Verhandlungen zwischen der Regierung und der betreffenden Landschaft festgesetzt wird. § 76. Auf den Provinziallandtagen sollen die vorkommenden Angelegenheiten und die zu machenden Anträge in voller Versammlung aller Stände vorgetragen und berathen, sodann aber soll ohne eine nochmalige Berathung in den Curien auszuschließen, nach Curien abgestimmt und beschlossen werden. § 77. Die fernere innere Organisation der Provinziallandschaften und insbesondere der Curien soll binnen drei Jahren in Gemäßheit obiger Grundsätze auf verfassungsmäßigem Wege näher festgestellt, und zu dem Ende soll zwischen der Regierung und den einzelnen Landschaften weitere Verhandlung zugelegt werden. Sobald diese Organisation bewirkt ist, soll allen Provinziallandschaften das Recht der Zustimmung in der Art zustehen, wie solches im §. 79 festgesetzt ist. Bis zum Ablauf jener drei Jahre, insofern die Organisation nicht schon früher eingetreten seyn sollte, verbleiben einer jeden Landschaft in dieser Beziehung diejenigen Rechte, welche ihr bisher zustanden, in so weit solche mit dem gegenwärtigen Staatsgrundgesetze vereinbar sind. Nach beendigter Organisation der Provinziallandschaften ist zu einer Abänderung der Verfassung und Rechte derselben die Zustimmung der betreffenden Landschaft erforderlich.

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1833) § 78. Den Provinziallandschaften verbleiben diejenigen ständischen Rechte, welche nicht auf die allgemeine Ständeversammlung übergegangen sind, und in so weit solche Rechte den Principien des gegenwärtigen Staatsgrundgesetzes nicht entgegen stehen. § 79. Die Zustimmung der Provinziallandschaften soll erforderlich seyn zu allen provinziellen Abgaben und Leistungen und zu dem wesentlichen Inhalte aller lediglich die speciellen Verhältnisse der Provinz betreffenden Provinzialgesetze, in so weit solche nicht allein die Ausführung und Handhabung bestehender Gesetze oder die Erlassung vorübergehender Verfügungen bezwecken, oder in Anordnungen der Sicherheits- oder Gesundheits-Polizei bestehen. Bei der Verkündigung solcher Provinzialgesetze ist die Zustimmung der Provinziallandschaft zu erwähnen. Diejenigen bestehenden Provinzialgesetze, zu deren Erlassung die Zustimmung der Landschaften erforderlich seyn würde, können nur mit Zustimmung der betreffenden Landschaft aufgehoben, abgeändert oder authentisch interpretirt werden, in so fern deren Aufhebung oder Abänderung nicht Folge verfassungsmäßig erlassener allgemeiner Landesgesetze ist. § 80. Die Anträge und Beschlüsse der Provinziallandschaften dürfen niemals die Ausführung der für das ganze Königreich bestehenden Gesetze hindern. § 81. Falls Abgaben zu provinziellen Zwecken zu veranlagen sind, so soll der desfallsige Beschluß der Provinziallandschaft zuvörderst durch das Ministerium zur Kenntniß der allgemeinen Ständeversammlung gebracht werden, damit diese im Stande ist, darüber zu wachen, daß durch dergleichen provinzielle Abgaben dem allgemeinen Abgabe- und Finanzsysteme des

Königreichs kein Eintrag geschehe. Die Art der Erhebung, Verwendung und Rechnungsführung wird mit der Provinziallandschaft regulirt. § 82. Wenigstens alle drei Jahre soll ein Provinziallandtag in jeder Provinz Statt finden.

Zweiter Abschnitt Von der allgemeinen Ständeversammlung § 83. Die allgemeine Ständeversammlung ist berufen, die grundgesetzlichen Rechte des Landes zu vertreten und dessen dauerndes Wohl möglichst zu befördern. § 84. Über alle das ganze Königreich oder den Bezirk mehrerer Provinziallandschaften gemeinschaftlich und nicht lediglich specielle Verhältnisse der Provinzen betreffenden, zur ständischen Berathung gehörenden Gegenstände wird nur mit der allgemeinen Ständeversammlung des Königreichs verhandelt. § 85. Gesetze, welche das ganze Königreich oder den Bezirk mehrerer Provinziallandschaften betreffen, ohne sich lediglich auf specielle Verhältnisse der Provinzen zu beschränken, können nur mit Zustimmung der allgemeinen Ständeversammlung erlassen, aufgehoben, abgeändert oder authentisch interpretirt werden. Beschließen die Stände Abänderungen des ihnen vorgelegten Gesetzentwurfs, so kann die Landesregierung denselben ganz zurücknehmen. Das Recht der ständischen Zustimmung bezieht sich auf den ganzen wesentlichen Inhalt des Gesetzes; dagegen bleibt der Landesregierung überlassen, dasselbe in Übereinstimmung mit den beschlossenen Grundsätzen näher zu bearbeiten und zu erlassen. Im Eingange des Gesetzes ist die erfolgte verfassungsmäßige Zustimmung der Stände zu erwähnen.

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H ANNOVER § 86. Die Mitwirkung der Stände ist nicht erforderlich zu denjenigen Verfügungen, welche der König über das Heer, dessen Formation, Disciplin und den Dienst überhaupt erläßt. Die Militair-Aushebungsgesetze, so wie die Rechte und Pflichten der übrigen Unterthanen in Beziehung auf das Heer und die auf dessen bürgerliche Verhältnisse bezüglichen Gesetze können jedoch nur mit Zustimmung der Stände abgeändert und festgestellt werden. Militair-Strafgesetze sind mit den Ständen zu berathen. § 87. Verordnungen, welche zur Vollziehung oder Handhabung bestehender Gesetze erforderlich sind, werden von der Landesregierung ohne Mitwirkung der Stände erlassen. Außerordentliche ihrer Natur nach der ständischen Zustimmung bedürfende, aber durch das Staatswohl, die Sicherheit des Landes oder die Erhaltung der ernstlich bedroheten Ordnung dringend gebotene gesetzliche Verfügungen, deren Zweck durch die Verzögerung vereitelt werden würde, gehen von der Landesregierung allein aus. Solche eilige gesetzliche Verfügungen, welche jedoch eine Abänderung im Staatsgrundgesetze nicht enthalten dürfen, müssen im Gesammt-Ministerio beschlossen werden, und ist, daß dieses geschehen, in denselben auszudrücken. Auch sind solche den Ständen zur Mitwirkung bei ihrer nächsten Zusammenkunft vorzulegen; und falls während derselben die verfassungsmäßige Zustimmung nicht erfolgt, wieder aufzuheben. § 88. Gesetzentwürfe gelangen von Seiten der Regierung an die Stände; jedoch haben auch diese das Recht, auf Erlassung neuer oder abändernder Gesetze sowohl überhaupt anzutragen, als zu dem Ende Gesetzentwürfe vorzulegen.

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§ 89. Alle Gesetze und Verordnungen werden vom Könige unter Beobachtung der in gegenwärtiger Verfassungsurkunde vorgeschriebenen Form öffentlich verkündigt, und erhalten dadurch für alle Unterthanen unbedingte Verbindlichkeit. Alle Verwaltungsbehörden und Gerichte haben auf deren Erfüllung zu halten. Sollten Zweifel darüber entstehen, ob bei einem gehörig verkündigten Gesetze die verfassungsmäßige Mitwirkung der Stände hinreichend beobachtet sey, so steht es nur diesen zu, Anträge deshalb zu machen. § 90. Die allgemeine Ständeversammlung hat das Recht, in Beziehung auf alle Landesangelegenheiten, insbesondere auf etwaige Mängel oder Mißbräuche in der Verwaltung oder der Rechtspflege ihre Wünsche, Vorstellungen und Beschwerden dem Könige oder dem Ministerio vorzutragen. Ein weiteres Eingreifen in die Verwaltung steht derselben nicht zu. § 91. Die Rechte der allgemeinen Ständeversammlung in Beziehung auf den Staatshaushalt sind in folgendem Capitel näher bestimmt. § 92. Die allgemeine Ständeversammlung wird von den Verträgen, die der König mit andern Mächten schließt, in Kenntniß gesetzt, sobald es die Umstände erlauben. Erfordert die Ausführung der Verträge die Bewilligung von Geldmitteln, oder sollen dieselben eine Einwirkung auf die innere Gesetzgebung des Königreichs hervorbringen; so bedarf es deßhalb der verfassungsmäßigen Mitwirkung der Stände. § 93. Die allgemeine Ständeversammlung besteht aus zwei Cammern, die sich in ihren Rechten und Befugnissen gleich sind § 94. Die erste Cammer soll bestehen aus: 1) den Königlichen Prinzen, Söhnen des Königs, und den Häuptern der Nebenlinien

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1833) der Königlichen Familie, 2) dem Herzoge von Arenberg, dem Herzoge von Looz-Corswaaren und dem Fürsten von Bentheim, so lange sie im Besitze ihrer Mediat-Territorien bleiben, 3) dem Erblandmarschall des Königreichs, 4) den Grafen zu Stolberg-Wernigerode und zu Stolberg-Stolberg wegen der Grafschaft Hohnstein, 5) dem General-Erbpostmeister Grafen von Platen-Hallermund, 6) dem Abte zu Loccum, 7) dem Abte von St. Michaelis zu Lüneburg, 8) dem Präsidenten der Bremischen Ritterschaft als Director des Klosters Neuenwalde, 9) dem oder den katholischen Bischöfen des Königreichs, 10) zwei auf die Dauer des Landtags zu ernennenden angesehenen evangelischen Geistlichen, 11) den von der Landesherrschaft mit einem persönlichen erblichen Stimmrechte versehenen Majoratsherren, 12) den auf die Dauer eines jeden Landtags zu erwählenden Deputirten der Ritterschaften, nämlich: von der Calenberg-Grubenhagenschen Ritterschaft acht, von der Lüneburgschen sieben, von der Bremen- und Verdenschen sechs, von der Hoya- und Diepholzschen drei, von der Osnabrückschen Ritterschaft, incl. Meppen und Lingen, fünf, von der Hildesheimschen Ritterschaft vier, von der Ostfriesischen (unter Vorbehalt einer Vermehrung der Zahl, wenn eine verhältnißmäßige Vermehrung der Mitglieder der Ritterschaft sich ergeben sollte) zwei, 13) vier Mitgliedern, welche der König ernennt. Eins dieser Mitglieder wird auf Lebenszeit, die drei andern aber werden auf

die Dauer des Landtags ernannt. § 95. Ein persönliches erbliches Stimmrecht wird der König nur solchen Majoratsherren verleihen die ein Majorat errichtet haben, welches aus einem im Königreiche belegenen Rittersitze nebst anderm ebenfalls im Lande belegenen Grundvermögen besteht, und nach Abzug der Zinsen der auf demselben etwa haftenden hypothekarischen Schulden und der sonstigen fortwährenden Lasten, wenigstens 6000 Rthlr. reiner jährlicher Einkünfte gewährt. Sobald eine stärkere Beschwerung des Majorats eintritt, ruht einstweilen das erbliche Stimmrecht des Besitzers. § 96. Das Recht der Beilegung einer erblichen Virilstimme steht unter den verfassungsmäßigen Bedingungen dem Könige ohne Rücksicht auf die Zahl der bereits vorhandenen und abgesehen von einer sich ereignenden Erledigung zu jeder Zeit zu. Die Errichtung des Majorats giebt kein Recht auf die Beilegung einer Virilstimme, sondern ist lediglich die Bedingung, ohne deren Erfüllung die Beilegung eines erblichen Stimmrechts nicht Statt finden kann. Übrigens soll behuf Erleichterung der Stiftung von Majoraten die Untheilbarkeit und die Erbfolge nach dem Rechte der Erstgeburt bei Verleihung von eröffneten Lehnen festgesetzt und bei bereits verliehenen Lehnen auf den Antrag der Vasallen genehmigt werden, soweit nicht bereits erworbene Rechte dritter Personen entgegen stehen. § 97. Bei der Auswahl der §. 94 No. 13. bezeichneten von dem Könige zu ernennenden Mitglieder tritt zwar keine Beschränkung durch Rang, Geburt und Vermögen ein. Sie müssen jedoch die in den §§. 102– 105 vorgeschriebenen Qualificationen besitzen. § 98. Die zweite Cammer soll bestehen aus folgenden auf die Dauer des Landtages zu erwählenden Deputirten:

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H ANNOVER 1) drei Deputirten der Stifter St.Bonifacii zu Hameln, Cosmae et Damiani zu Wunstorf, St. Alexandri zu Einbeck, Beatae Mariae Virginis daselbst, des Stifts Bardowiek und des Stifts Ramelsloh, welche von diesen Stiftern unter Zuziehung von höhern Geistlichen und Predigern aus der Zahl der protestantischen Geistlichen oder solcher Männer, welche dem höhern Schulwesen im Königreiche angehören, in der Maße zu erwählen sind, daß sich wenigstens zwei ordinirte protestantische Geistliche unter denselben befinden, 2) drei Mitglieder, welche der König wegen des allgemeinen Klosterfonds ernennt, 3) einem Deputirten der Universität Göttingen, 4) zwei von den evangelischen Königlichen Consistorien zu erwählenden Deputirten, 5) einem Deputirten des Domcapitels zu Hildesheim, 6) aus sieben und dreißig Deputirten nachfolgender Städte und Flecken, nämlich: zwei Deputirten der Residenzstadt Hannover, einem Deputirten der Stadt Göttingen, einem Deputirten der Stadt Northeim, einem Deputirten der Stadt Hameln, einem Deputirten der Stadt Einbeck, einem Deputirten der Stadt Osterode, einem Deputirten der Stadt Duderstadt, einem Deputirten der Städte Moringen, Uslar, Hardegsen, Dransfeld und Hedemünden, einem Deputirten der Stadt Münden, einem Deputirten der Städte Münder, Pattensen, Neustadt am Rübenberge, Springe, Wunstorf, Eldagsen, Bodenwerder und Rehburg, einem Deputirten der Städte Clausthal und Zellerfeld, einem Deputirten der übrigen fünf Bergstädte, einschließlich Herzberg, Elbingerode und Lauterberg,

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einem Deputirten der Stadt Lüneburg, einem Deputirten der Stadt Ülzen, einem Deputirten der Stadt Celle, einem Deputirten der Stadt Harburg, einem Deputirten der Städte Lüchow, Dannenberg und Hitzacker, einem Deputirten der Städte Soltau, Walsrode, Burgdorf und Gifhorn, einem Deputirten der Stadt Stade, einem Deputirten der Stadt Buxtehude, einem Deputirten der Stadt Verden, einem Deputirten der Stadt Nienburg, einem Deputirten der Hoyaischen Flecken, einem Deputirten der Diepholzschen Flecken, einem Deputirten der Stadt Osnabrück, einem Deputirten der Städte Quakenbrück und Fürstenau und des Fleckens Melle, einem Deputirten der Städte Meppen, Lingen und Haselünne, einem Deputirten der Stadt Goslar, einem Deputirten der Stadt Hildesheim, einem Deputirten der Städte Alfeld, Peine und Bockenem, einem Deputirten der Städte Elze, Gronau, Sarstedt und Dassel, einem Deputirten der Stadt Emden, einem Deputirten der Städte Aurich und Esens, einem Deputirten der Stadt Norden, einem Deputirten der Stadt Leer, einem Deputirten der Städte Schüttorf, Nordhorn und Neuenhaus und des Fleckens Bentheim; 7) aus acht und dreißig Deputirten der sämmtlichen Grundbesitzer aus den unter No. 6 nicht aufgeführten Städten und Flecken, aus den Freien und aus dem Bauernstande, nämlich: von den Fürstenthümern Calenberg, Göttingen und Grubenhagen fünf, von der Grafschaft Hohnstein einem, von dem Fürstenthume Lüneburg fünf, von den Bremischen Marschen fünf,

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1833) von der Bremischen Geest und dem Herzogthume Verden drei, vom Lande Hadeln mit Einschluß der Stadt Otterndorf zwei, von den Grafschaften Hoya und Diepholz drei, von dem Fürstenthume Osnabrück drei, von dem Herzogthume Arenberg-Meppen und der Niedergrafschaft Lingen zwei, von dem Fürstenthume Hildesheim drei, von dem Fürstenthume Ostfriesland fünf, von der Grafschaft Bentheim einem. § 99. Sowohl die von den Ritterschaften, als die von den übrigen Grundbesitzern zu wählenden Deputirten müssen selbst Grundbesitzer in der Provinz seyn, aus welcher sie gewählt werden. Dagegen sind die übrigen Corporationen in der Wahl ihrer Deputirten nicht auf Mitglieder aus ihrer Mitte beschränkt. § 100. Die Deputirten der Ritterschaften müssen aus im Königreiche belegenem Grundvermögen ein reines Einkommen besitzen, welches nach Abzug der Zinsen der auf demselben etwa haftenden hypothekarischen Schulden und der sonstigen fortwährenden Lasten jährlich sechshundert Thaler beträgt. Bei den Deputirten der übrigen Grundbesitzer ist ein solches reines Einkommen von 300 Rthlr. erforderlich, welches entweder ererbt, oder aber mindestens Ein Jahr vor der Wahl erworben seyn muß. Die übrigen Deputirten müssen entweder ein solches reines Einkommen von dreihundert Thalern, sey es von ländlichem und städtischem Grundbesitze oder im Lande radicirten Capitalien haben, oder eine jährliche Diensteinnahme von 800 Rthlr. oder als Gemeindebeamte von 400 Rthlr. genießen, oder aus ihrer Wissenschaft, ihrer Kunst oder ihrem Gewerbe ein jährliches Einkommen von 1000 Rthlr. beziehen, und solches schon drei Jahre vor ihrem Eintritte in die

allgemeine Ständeversammlung genossen haben. § 101. Die Wahl der städtischen Deputirten geschieht nach absoluter Stimmenmehrheit gemeinschaftlich durch die Magistratsmitglieder, Bürgervorsteher und Wahlmänner, die hiezu nach Maßgabe der Verfassung jeder Stadt aus den zu Bürgervorstehern qualificirten Bürgern besonders erwählt werden. Mehrere Städte, welche zusammen einen Deputirten absenden, wählen gleichfalls nach absoluter Stimmenmehrheit entweder nach einem turnus, wenn nicht mehr als drei concurriren, oder gemeinschaftlich nach einem Regulative. Die Wahl der Deputirten der nicht zu den Ritterschaften gehörenden Grundbesitzer, geschieht durch absolute Stimmenmehrheit von Wahlmännern, welche durch die Bevollmächtigten der Gemeinden gewählt werden. Die nähern Bestimmungen über diese Wahlen und die Wahlen der übrigen Corporationen sollen mit Rücksicht auf die verschiedenen provinziellen Verhältnisse, unter Mitwirkung der Stände, durch ein Gesetz festgestellt werden. § 102. Die Mitglieder beider Cammern müssen einer der im Königreiche anerkannten christlichen Kirchen zugethan seyn, und das 25ste Lebensjahr zurückgelegt haben. § 103. Wer wegen eines Criminalverbrechens entweder bestraft ist oder vor Gericht gestanden hat, ohne daß er von der Beschuldigung völlig losgesprochen worden, kann nicht Mitglied der Ständeversammlung seyn. Ausnahmsweise kann der Landesherr bei nicht entehrenden Verbrechen die dergestallt verlorne Fähigkeit, Mitglied letzterer zu seyn, wiederherstellen. § 104. Personen, über deren Vermögen unter ihrer Verwaltung ein Concurs ausgebrochen ist, können vor Befriedigung ihrer

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H ANNOVER Gläubiger weder zu Mitgliedern der Ständeversammlung gewählt werden, noch wenn sie zur Zeit des Ausbruchs des Concurses Mitglieder sind, in derselben verbleiben. Diejenigen Grundeigenthümer aber, welche den Concurs von ihren Vorfahren überkommen haben, können in so fern als Mitglieder der allgemeinen Ständeversammlung zugelassen werden, als sie übrigens dazu qualificirt sind, und namentlich das vorbestimmte Einkommen besitzen, wozu auch die von ihnen zu beziehende Competenz gerechnet werden soll. § 105. Mitglieder der allgemeinen Ständeversammlung können nur solche Personen seyn, welche ihren Wohnsitz im Königreiche haben und sich nicht im activen Dienste eines fremden Landesherrn befinden. Ausgenommen hiervon sind 1) Die Prinzen des Königlichen Hauses und die Standesherrn, 2) diejenigen, welche in den Herzoglich Braunschweig-Wolfenbüttelschen Landen ihren Wohnsitz haben und daselbst in Staatsdiensten stehen, so lange hierunter das Reciprocum beobachtet wird. § 106. Die Wahlcorporationen haben sich von dem Vorhandenseyn der in §. 99, 100 und 102 bis incl. 105 vorgeschriebenen Qualificationen bei den zu erwählenden Deputirten gebührend zu überzeugen. § 107. Sämmtliche Mitglieder der Ständeversammlung haben sich als Repräsentanten des ganzen Königreichs anzusehen, und dürfen sich nicht durch eine bestimmte Instruction des Standes oder der Gemeinde, von denen sie gewählt sind, binden lassen. § 108. Jedes Mitglied hat das Recht, für seine Person eine vollgültige Stimme abzugeben, kann solche aber nicht auf ein anderes Mitglied übertragen. Die §. 94. unter No. 2 und 4 aufgeführten Mitglieder der ersten Cammer können

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sich durch dazu von ihnen bevollmächtigte Agnaten ihres Hauses, der Erblandmarschall des Königreichs, der General-Erbpostmeister Graf von Platen-Hallermund und die Majoratsherrn durch ihre volljährigen ältesten Söhne die nach §. 94. No. 10 vom Landesherrn zu ernennenden angesehenen Geistlichen durch gleichzeitig zu bezeichnende Substituten und die katholischen Bischöfe des Königreichs im Falle der Behinderung durch ein Mitglied ihres Domcapitels vertreten lassen. Jedoch kann der Erblandmarschall die ihm in dieser Eigenschaft zustehenden Functionen auf keinen Andern übertragen. Im Falle der Minderjährigkeit werden die hier benannten erblichen Mitglieder der ersten Cammer durch ihre Vormünder vertreten, sofern die Letztern dem Mannsstamme der Familie angehören. § 109. Jede Äußerung eines Mitgliedes in der Versammlung über ständische Angelegenheiten soll immer die günstigste Auslegung erhalten. § 110. Kein Mitglied soll wegen einer in der Versammlung geschehenen Äußerung gerichtlich in Anspruch genommen werden, vielmehr die Cammer der alleinige Richter über die Äußerungen der Mitglieder seyn. Ausgenommen ist jedoch der Fall, wenn ein Mitglied sich Äußerungen erlauben sollte, welche hochverrätherischen Inhalts sind. Außerdem versteht es sich von selbst, daß, wenn beleidigende Äußerungen oder schwere Beschuldigungen gegen irgend ein Individuum vorgebracht werden sollten, dem Beleidigten der Weg Rechtens nicht versperrt werden kann. § 111. Kein Mitglied soll während der Dauer der Landtagsversammlung mit persönlichen Arrest belegt werden, es sey denn, daß die Gerichte in dem Falle eines schweren Criminalverbrechens eine schleunige

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1833) Verhaftung nothwendig finden sollten, welcher Fall jedoch den Cammern ohne Aufschub anzuzeigen ist.

§ 117. Die mit dem Schlusse des Landtages abtretenden Deputirten können wieder gewählt werden.

§ 112. Die Ständeversammlung steht mit Ausnahme des im §. 152 des achten Capitels erwähnten Falles mit keiner andern Landesbehörde, als dem Ministerio in unmittelbarer Geschäftsverbindung, und kann Erwiederungen und Anträge nur an den König, an dessen Stellvertreter oder an das Ministerium gelangen lassen und auch nur an diese Deputationen absenden. Jedoch hat die Ständeversammlung das Recht, auf an sie gerichtete Vorstellungen Beschlüsse zu fassen, und den Bittstellern von solchen Beschlüssen durch Protocollauszug Kenntniß zu geben.

§ 118. Jedes Jahr soll eine Versammlung der allgemeinen Stände gehalten werden.

§ 113. Alle Anträge, welche vom Könige oder dem Ministerio an die Stände ergehen, sollen jederzeit an die gesammte allgemeine Ständeversammlung gerichtet werden, so wie auch umgekehrt Erwiederungen und Anträge nur von beiden Cammern gemeinschaftlich ausgehen können. § 114. Die Landesregierung hat das Recht, Commissarien abzuordnen, welche den Sitzungen der Ständeversammlung, jedoch als solche ohne Stimmrecht beiwohnen und an den Berathschlagungen Theil nehmen können. § 115. Die Cammern haben das Recht, unter dem im Reglement enthaltenen Bestimmungen und Ausnahmen zu ihren Sitzungen und Verhandlungen Zuhörer zuzulassen. § 116. Die Dauer eines Landtags ist auf sechs Jahre festgesetzt. Jedoch hangt es von dem Könige ab, die Versammlung auch früher zu jeder Zeit aufzulösen und eine neue anzusetzen, auch zum Behufe derselben neue Wahlen von Deputirten auszuschreiben.

§ 119. Der König oder in dessen Auftrage das Ministerium können die Ständeversammlung zu jeder Zeit vertagen. Jede Cammer derselben kann sich vertagen, jedoch auf mehr als drei Tage nur unter Genehmigung des Ministerii. § 120. Der Anfang und der Schluß der Sitzungen jedes Jahrs wird von dem Könige, oder in dessen Auftrage, dem Ministerio verfügt. § 121. Die übrigen Verhältnisse der allgemeinen Ständeversammlung und der Mitglieder derselben, des Erblandmarschalls, der Präsidenten, Generalsyndiken und der Generalsecretarien, die Vorschriften über das Verfahren in den Sitzungen der Versammlung und bei Verhandlung der zur Deliberation kommenden Gegenstände sind in einem besondern Reglement festgesetzt.

SIEBENTES CAPITEL Von den Finanzen § 122. Sämmtliche zu dem Königlichen Domanio gehörenden Gegenstände, namentlich Schlösser, Gärten, Güter, Gefälle, Forsten, Bergwerke, Salinen und Activcapitalien machen das seinem Gesammtbestande nach stets zu erhaltende Krongut aus. Dem Könige und dessen Nachfolgern an der Regierung verbleiben unter den nachfolgenden Bestimmungen alle diejenigen Rechte, welche dem Landesherrn daran bis dahin zugestanden haben. § 123. Das Krongut kann ohne Zustimmung der Stände rechtsgültig nicht verpfändet werden, mit Ausnahme des im §. 147

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H ANNOVER bezeichneten Falles einer außerordentlichen Anleihe. Veräußerungen der Substanz können nur in Folge gesetzlicher Bestimmungen oder wegen ihrer Nützlichkeit eintreten. Das Äquivalent soll mit dem Krongute wiederum vereinigt und dessen Anlegung oder Verwendung, welche jedoch für die Dauer im Königreiche geschehen muß, auf eine sichere und einträgliche Art sofort beschafft werden. Über Veränderungen dieser Art soll der allgemeinen Ständeversammlung jährlich eine Nachweisung mitgetheilt werden. Freiwillige Veräußerungen ganzer Domanialgüter oder bedeutender Forsten dürfen nicht ohne vorgängige Einwilligung der allgemeinen Ständeversammlung geschehen, und es sind sofort gleich einträgliche Gegenstände, vorzugsweise Landgüter oder Forsten an deren Stelle zu setzen. § 124. Die Aufkünfte des gesammten Kronguts sollen ohne Ausnahme zum Besten des Landes verwandt werden, und zwar zunächst zur Bezahlung der Zinsen der auf dem Domanio haftenden Schulden und zum allmähligen Abtrage der Passivcapitalien; ferner zum Unterhalte und der Hofhaltung des Königs, der Königinn, so wie der minderjährigen Prinzen und Prinzessinnen, Söhne und Töchter des Königs; sodann zu dem standesmäßigen Auskommen der verwitweten Königinn und der verwitweten Kronprinzessinn, zu den Apanagen und Ausstattungskosten für die Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses, so wie auch zu dem standesmäßigen Auskommen der Witwen der Prinzen des Königlichen Hauses; (vergl. §§. 134 u. 135.) endlich aber der Überrest, so wie die bisher mit der Domanialverwaltung vereinigt gewesenen Revenüen der Regalien zur Bestreitung anderweiter Staatsausgaben. § 125. Zur Deckung der für den Unter-

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halt und die Hofhaltung des Königs, der Königinn, so wie der minderjährigen Prinzen und Prinzessinnen, Söhne und Töchter des Königs erforderlichen Ausgaben dienen 1) die Zinsen eines in den Jahren 1784 bis 1790 in den Englischen dreiprocentigen Stocks belegten, aus Revenüen der Königlichen Cammer erwachsenen Capitals von L. Sterl. 600,000, welches Capital unveräußerlich und unzertrennlich mit der Krone vereinigt und vererblich seyn soll; 2) die Domanialgüter, so wie die zu dem Domanio gehörenden Zehnten und Forsten bis zu dem Belaufe eines Netto-Ertrages von 500,000 Rthlr. Conventionsmünze. Diese Summe kann bei sich vergrößerndem Bedarf mit Zustimmung der allgemeinen Stände des Königreichs erhöht werden. § 126. Zu jenem Zwecke wird von dem im §. 122 bezeichneten Krongute ein vom Könige auszuwählender Complex zunächst bestehend aus Grundstücken, Zehnten oder Forsten, deren im Einverständnisse mit den Ständen auszumittelnder Ertrag nach Abzug aller darauf haftenden Ausgaben und Lasten 500,000 Rthlr. beträgt, ausgeschieden und der selbsteigenen Administration vorbehalten. Dem Könige bleibt bei der Ausscheidung der Krondotation das Recht vorbehalten, einen Theil derselben in Renten oder Baarzahlungen der Cassen zu bestimmen. § 127. Sollte der solchergestalt festgestellte Gütercomplex durch Veräußerungen oder Capitalablösungen demnächst vermindert werden, so muß das aus der Veräußerung oder Ablösung hervorgegangene Capital jederzeit behuf Wiederanlegung desselben nach Vorschrift des §. 123 der Generalcasse überwiesen werden, und der König behält das Recht, die Dotation nach Seiner Wahl durch andere Gegenstände des Kronguts unter Beobachtung der Bestimmungen des §. 126 ergänzen zu lassen, oder aber

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1833) die Rente des Capitals als Ergänzung der Krondotation zu nehmen.

zu anderweiten Staatsausgaben der Generalcasse überwiesen.

§ 128. Außerdem bleiben dem Könige und seinen Nachfolgern in der Regierung die Königlichen Schlösser und Gärten, die zur Hofhaltung bestimmten Königlichen Gebäude, Ameublements, das Silbergeräth nebst dem Silbercapitale und sonstigen Kostbarkeiten, alle zur Hofhaltung gehörenden Inventarien, die Bibliothek und die Königlichen Jagden im ganzen Umfange des Königreichs vorbehalten, wogegen Derselbe die damit verbundenen Ausgaben übernimmt.

§ 132. Tritt eine Regentschaft ein, so müssen die mit derselben verbundenen Kosten aus der Krondotation bestritten werden. Dasselbe findet wegen der Kosten einer etwaigen Stellvertretung des Königs Statt.

§ 129. Die zur Dotation der Krone ausgeschiedenen Theile des Kronguts dürfen niemals verpfändet und nur unter Contrasignatur eines verantwortlichen Ministers und unter Beobachtung der im §. 123 enthaltenen Bestimmungen veräußert werden. § 130. Die aus der Dotation der Krone zu bestreitenden Ausgaben sind die Kosten des Hofetats, des Marstalls, die Besoldungen und Pensionen der Hofdienerschaft, die Kosten des Hoftheaters, die gewöhnliche Unterhaltung der Königlichen Schlösser und Gärten und die Kosten des Königlichen Guelphenordens. Dagegen sind unter den Ausgaben der Krondotation nicht begriffen die Kosten der Erbauung oder Acquisition und der ersten Einrichtung Königlicher Schlösser oder ganzer Abtheilungen derselben, vielmehr erfordern dergleichen Kosten, im Fall des Bedürfnisses, auf den Antrag des Königs die Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung. § 131. Sollte ein künftiger König als Inhaber einer andern Krone außer Landes residieren, so wird neben der nach dem vorstehenden Paragraphen auf der Einnahme der Krondotation liegenden Ausgabe von den Revenüen derselben jährlich eine Summe von 150,000 Rthlr. behuf der Verwendung

§ 133. Alle aus dem Krongute und aus den Regalien aufkommenden Einnahmen, mit alleiniger Ausnahme der, der unmittelbaren Administration des Königlichen Hauses vorbehaltenen Güter sollen mit den Landesabgaben, Chausseegeldern und Sporteln in eine einzige Generalcasse fließen, aus welcher Casse alle Ausgaben bestritten werden, sofern dieselben nicht auf der Krondotation ruhen. § 134. Für die Erhaltung der Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses aus ebenbürtiger, hausgesetzlicher Ehe werden, wenn es demnächst das Bedürfniß erfordert, namentlich bei eigener Etablirung und Vermählung, besondere Apanagen, Einrichtungs- und Ausstattungskosten ausgesetzt, deren Betrag auf den Antrag des Königs von der allgemeinen Ständeversammlung für einzelne Fälle bewilligt oder durch ein allgemeines Regulativ festgestellt wird. Über die Art der Vererbung der Apanagen auf die Nachkommen der Berechtigten wird das zu erlassende Hausgesetz die näheren, unter Beirath der Stände zu treffenden Bestimmungen enthalten. § 135. Für das standesmäßige Auskommen der verwitweten Königinn und der verwitweten Kronprinzessinn muß auf den Antrag des Königs und mit Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung Sorge getragen werden. Dasselbe soll geschehen bei den Witwen der Prinzen des Königlichen Hauses, wenn die bewilligten Apanagen zu deren standesmäßigem Unterhalte nicht hinreichen.

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H ANNOVER § 136. Das Privatvermögen des Königs, der Königinn, der Prinzen und Prinzessinnen, wohin namentlich auch dasjenige gehört, was aus den ihnen zustehenden Revenüen acquirirt worden, verbleibt nach Maßgabe der Hausgesetze, oder soweit diese darüber nicht entscheiden, der Landesgesetze, der völlig freien Disposition der Berechtigten. § 137. Über die Verwendung der zur Dotation der Krone, zu Apanagen oder Witthümern der Mitglieder der Königlichen Familie ausgesetzten Einnahmen steht den Ständen keine Controle irgend einer Art zu. Auch können dieselben rücksichtlich der Verwaltung der zur Krondotation ausgeschiedenen Gegenstände, so wie der Resultate dieser Verwaltung keine Controle noch Einwirkung in Anspruch zu nehmen. § 138. Das Vermögen der jetzigen Schatullcasse bleibt getrennt von den Staatscassen und zur ausschließlichen Disposition des Königs. § 139. Über die Ausgaben, welche die Verwaltung des Landes und dessen sonstige aus der Generalcasse zu bestreitenden Bedürfnisse erforderlich machen, soll der allgemeinen Ständeversammlung jährlich ein nach den Haupt-Ausgabezweigen aufgestelltes Budget vorgelegt, und mit den nöthigen auf Antrag der Stände zu vervollständigenden Etats und Erläuterungen begleitet werden. § 140. Die allgemeine Ständeversammlung hat die Verpflichtung, für die Deckung der für den öffentlichen Dienst nothwendigen Ausgaben in so weit zu sorgen, als sie aus den Einkünften des Kronguts und der Regalien nicht bestritten werden können. Dagegen steht ihr das Recht zu, das Budget zu prüfen und zu bewilligen. Der Bedarf für den Militairetat, bei welchem die Bestimmungen des §. 142 eintreten, und die Grundsätze, welche bei

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Bewilligung der in den übrigen HauptAusgabezweigen begriffenen Gehalte und Pensionen zu befolgen sind, sollen durch Regulative gemeinschaftlich mit den Ständen festgestellt werden. Diese Regulative dienen bis dahin, daß ein Anderes zwischen König und Ständen ausgemacht ist, der ständischen Bewilligung zur Norm, müssen jedoch auf Antrag der allgemeinen Ständeversammlung jederzeit einer Revision unterzogen werden. Ausgaben, welche auf bestimmten bundes- oder landesgesetzlichen oder auf privatrechtlichen Verpflichtungen beruhen, darf die allgemeine Ständeversammlung nicht verweigern. Zu solchen Ausgaben werden namentlich auch gerechnet diejenigen Gehalte, Pensionen und Wartegelder, welche der König bereits bewilligt hat, oder einstweilen nach den bisherigen Grundsätzen, demnächst aber nach den mit den Ständen zu vereinbarenden Regulativen bewilligen wird. § 141. Die Anschläge für die einzelnen Hauptdienstzweige werden dergestalt als ein Ganzes betrachtet, daß die Verwendung und Vertheilung der für jeden Hauptdienstzweig im Ganzen bewilligten Summen der Bestimmung des betreffenden Ministerial-Departements überlassen wird, insofern die Verwendung nur für diesen Hauptdienstzweig und ohne Überschreitung des ganzen Credits in Gemäßheit der mit den Ständen vereinbarten Regulative (vergl. §. 140) Statt findet. § 142. Die Ersparungen, welche bei dem Ausgabe-Etat des Kriegsministerii gemacht werden, sollen so lange baar in den Schatz niedergelegt werden, bis die gesammelten Summen die Hälfte des ganzen MilitairEtats erreichen. Übersteigt die Ersparung diesen, Betrag so soll über den weitern Überschuß mit Einwilligung der Ständeversammlung anderweit disponirt werden. Die Vorräthe dieses Kriegsschatzes sind

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1833) für die Ausgaben des Kriegsministerii zu verwenden, sobald letztere die ordentlichen Mittel übersteigen. § 143. Für außerordentliche während der Vertagung der allgemeinen Ständeversammlung eintretende Landesbedürfnisse, welche bei Feststellung des Budgets nicht berücksichtigt werden konnten, und welche gleichwohl (namentlich im Falle eintretender Landescalamitäten, Kriegsrüstungen oder innerer Unruhen) schleunige Maßregeln und Kostenverwendungen erfordern, soll ein in dem jährlichen Budget nicht besonders aufzuführender Reservecredit bestehen, welcher fünf Procent des ganzen Ausgabebudgets ausmacht. Die Disposition über diesen Reservecredit steht dem Gesammtministerio auf dessen Verantwortung zu, die Verwendung aber soll der allgemeinen Ständeversammlung bei ihrer nächsten Zusammenkunft nachgewiesen werden. § 144. Gleichzeitig mit dem Anschlage der Ausgaben soll der allgemeinen Ständeversammlung ein Anschlag der zu deren Bestreitung erforderlichen Einnahmen vorgelegt werden, welche alle oben (§. 133) bezeichneten Einnahmen umfaßt. § 145. Die zur Bestreitung der Landesausgaben außer der Einnahme von dem Krongut und den Regalien erforderlichen Steuern und Abgaben bedürfen der jährlichen Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung. In dem jährlich erforderlichen Ausschreiben soll der ständischen Bewilligung besonders erwähnt werden. Die Bewilligung der Steuern darf an keine Bedingung geknüpft werden, die nicht deren Wesen oder Verwendung unmittelbar trifft. § 146. Sollten die von der Landesregierung in Antrag gebrachten, zu den Bedürfnissen des Landes erforderlichen Steuern

und Abgaben bei Auflösung einer Ständeversammlung nicht bewilligt seyn, so können die bestehenden Steuern und Abgaben so weit sie nicht zu einem vorübergehenden bereits erreichten Zwecke ausgeschrieben worden, noch 6 Monate vom Ablauf der letzten Bewilligungszeit an unverändert fort erhoben und zu dem Ende in Beziehung auf diesen Paragraphen ausgeschrieben werden. § 147. Anleihen behuf der aus der Generalcasse zu bestreitenden Ausgaben können nur nach erfolgter Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung gemacht werden. Sollte jedoch wegen außerordentlicher Umstände die ordentliche Einnahme der Casse so bedeutende Ausfälle erleiden, daß die bewilligten Ausgaben nicht bestritten werden könnten, oder sollten schleunige Kriegsrüstungen nothwendig werden, der §. 142 festgesetzte Kriegsschatz aber in der erforderlichen Größe nicht vorhanden seyn, oder sollte der oben §.143 bestimmte Reservecredit benutzt werden müssen und dazu die Vorräthe und Einnahmen der Cassen nicht hinreichen: so hat der König wenn die Stände nicht versammelt sind, das Recht, auf den Bericht des ganzen Ministerii und nach Anhörung des Geheimenrathscollegii zu bestimmen, daß eine Anleihe auf den Credit der Generalcasse zur Deckung der bewilligten oder aus dem Kriegsschatze zu bestreitenden, oder auf den Reservecredit anzuweisenden Ausgaben, höchstens bis zu dem Belaufe von einer Million Thaler gemacht werden darf. Insofern Anleihen für Kriegsrüstungen nöthig werden, ist der jedesmalige Bestand des Kriegsschatzes davon in Absatz zu bringen. Die Verhandlungen über solche außerordentliche Anleihen sollen jedoch der allgemeinen Ständeversammlung bei ihrer nächsten Zusammenkunft vorgelegt und dersel-

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H ANNOVER ben nachgewiesen werden, daß die gemachte Anleihe nothwendig gewesen und zum Besten des Landes verwandt ist, und soll der Betrag in die Landesschulden-Etats aufgenommen werden.

gliedern des Ministerii zu unterzeichnende Verfügung als zu Landeszwecken nothwendig bezeichnet werden.

§ 148. Die Verwendung der zur Tilgung der Landesschulden ausgesetzten Summen soll unter Mitwirkung von Commissarien der allgemeinen Ständeversammlung geschehen. Auch sollen diese Commissarien bei Ausstellung von Obligationen über Landesschulden zu dem Zwecke zugezogen werden, um zu constatiren, daß bei Eingehung der Anleihe, deren vollständige Bedingungen ihnen mitzutheilen sind, die verfassungsmäßigen Zuständigkeiten nicht überschritten worden.

Von den oberen Landesbehörden und der Staatsdienerschaft

§ 149. Die Rechnungen der Generalcasse und aller dazu gehörenden Nebencassen sollen der allgemeinen Ständeversammlung zur Einsicht vorgelegt werden. Diese hat alsdann aus ihrer Mitte eine Commission zu erwählen, welche diese Rechnungen zu prüfen und der allemeinen Ständeversammlung darüber Bericht zu erstatten hat, ob die Einnahmen gehörig erhoben und zu keinen andern Zwecken, als den Ausgaben, zu denen sie bestimmt worden, verwandt sind. Zu diesem Zwecke sollen der Commission die etwa erforderlichen Erläuterungen und die Belege auf Begehren mitgetheilt werden. Auch hat die allgemeine Ständeversammlung das Recht, zur Prüfung der Rechnungen Commissarien auf Lebenszeit zu ernennen, die sodann als solche in der Cammer, welche sie erwählt hat, Sitz und Stimme haben. Ausgaben zu geheimen Verhandlungen, rücksichtlich deren eine Nachforschung von Seiten der Stände nicht Statt finden darf, können nicht anders in Rechnung gebracht werden, als wenn diese Ausgaben durch eine von dem Könige und sämmtlichen Mit-

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ACHTES CAPITEL

§ 150. Die oberste Leitung der Regierung unter dem Könige und dessen etwaigem Stellvertreter wird vom dem Ministerio wahrgenommen, dessen Mitglieder der König nach eigener Wahl ernennt, und nach Gefallen entlassen kann. Für die einzelnen Verwaltungszweige bestehen Ministerial-Departements. § 151. Alle vom Könige, oder dessen Stellvertreter ausgehenden Verfügungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Contrasignatur des Ministers oder Vorstandes des betreffenden Ministerial-Departements. Jeder Minister oder Vorstand eines Ministerial-Departements ist aber dem Könige und dem Lande dafür verantwortlich, daß keine von ihm contrasignirte, ausgegangene oder unterschriebene Verfügung eine Verletzung des Staats-Grundgesetzes enthalte. Die allgemeine Ständeversammlung ist befugt, diese Verantwortlichkeit durch Beschwerde, außerdem aber wegen absichtlicher Verletzung des Staats-Grundgesetzes mittelst einer förmlichen Anklage gegen den Minister oder Vorstand eines Ministerial-Departements geltend zu machen. § 152. Zur Untersuchung und Entscheidung über eine solche förmliche Anklage ist ausschließlich das Ober-Appellationsgericht in Plenarversammlung competent. Die Ständeversammlung muß dem Könige vier Wochen vor Anstellung der Anklage von derselben Anzeige machen. Die Anklage selbst wird von Seiten der Stände unmittelbar an das Gericht gebracht. Der

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1833) König verspricht, eine von der Ständeversammlung beschlossene Anklage nie zu hindern. Die Entscheidung des Gerichts kann nur dahin gehen, daß der Angeschuldigte der absichtlichen Verletzung des Staats-Grundgesetzes, deren er angeklagt worden, schuldig sey oder nicht. Im erstern Falle ist er durch den Ausspruch des Gerichts von selbst seiner Stelle verlustig, und kann auch in einem anderen Amte nicht wieder angestellt werden. Gegen die Entscheidung des Gerichts in solchen Fällen finden überall keine Rechtsmittel Statt; auch sind die Abolition und die Begnadigung gänzlich ausgeschlossen. Die Urtheile über solche Anklagen werden mit ihren Entscheidungsgründen durch den Druck öffentlich bekannt gemacht. Hinsichtlich der gemeinrechtlichen Folgen behält es bei der ordentlichen Rechtsund Gerichtsverfassung sein Bewenden.

§ 155. Die rein militairischen Angelegenheiten, insbesondere die innere Organisation der Armee und die Anstellung und Entlassung der Officiere gehen vom Könige aus, ohne daß es dabei der Dazwischenkunft des Ministerii bedarf. Bei Reduction der Armee und bei Translocationen der Officiere finden die Bestimmungen des §. 162 Anwendung. Zur Aufrechterhaltung der innern Ruhe und Sicherheit, so wie zur Vollziehung und Aufrechterhaltung der von den Civilbehörden ergangenen Verfügungen kann die Militairgewalt nur auf ausdrückliche Requisition der competenten Civilbehörde einschreiten. Die von diesem Grundsatze eintretenden gesetzlichen Ausnahmen sollen in dem, nach Capitel III. §. 34 über das Verfahren bei Störung der öffentlichen Ruhe zu erlassenden Gesetze näher bestimmt werden, bis zu dessen Erscheinen es bei den bisherigen Bestimmungen sein Bewenden behält.

§ 153. Alle in Abwesenheit des Königs, so wie des Stellvertreters Desselben im Namen und Auftrage des Königs von den anwesenden Mitgliedern des Ministerii unterzeichneten Ausfertigungen haben die Kraft der vom Könige selbst vollzogenenen Verfügungen.

§ 156. Die Gerichte sind in den Grenzen ihrer Competenz unabhängig. Entstehen Zweifel darüber, ob eine Sache zur gerichtlichen Entscheidung geeignet sey, oder zur Competenz der Verwaltungsbehörden gehöre, und können sich diese mit den Gerichten nicht darüber vereinigen; so sollen diese Zweifel, nachdem die Gründe der Gerichte und der Verwaltungsbehörden gehörig dargelegt worden, durch eine zu diesem Zwecke besonders zu bildende Section des Geheimenrathscollegii discutirt und entschieden werden. Diese Section soll aus einer unveränderlichen Anzahl dauernd, und zwar zur Hälfte aus den höhern Justizcollegien zu ernennender Mitglieder bestehen.

§ 154. Zur Berathung wichtiger Landesangelegenheiten, insbesondere der zu erlassenden Gesetze und Verordnungen, wie auch der Entlassung von Civil-Staatsdienern, nach Maßgabe der Bestimmungen des §. 163 soll ein Geheimerathscollegium bestehen, welches aus den Mitgliedern des Ministerii und andern dazu berufenen Personen zusammen gesetzt ist. Dasselbe hat in der Regel eine bloß berathende Stimme. Eine Entscheidung steht demselben nur dann zu, wenn eine Competenzstreitigkeit zwischen den Verwaltungsbehörden und Gerichten (§. 156) vorliegt. Die Eröffnung der Entscheidung erfolgt durch das Ministerium.

§ 157. Die Ernennung und Entlassung der Staatsbeamten gehört, unter Vorbehalt der verfassungsmäßigen Bestimmungen, zu den Rechten des Königs, und wird entweder von Demselben unmittelbar oder durch die landesherrlichen Behörden ausgeübt.

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H ANNOVER Die Rechte einzelner Berechtigten oder Corporationen auf Ernennung oder Präsentation von Beamten werden hierdurch nicht geändert.

der außer Thätigkeit gesetzte Staatsdiener Anspruch auf ein seinen bisherigen Verhältnissen angemessenes Wartegeld oder eine billige Entschädigung.

§ 158. Bei Besetzung aller Staatsämter soll, in sofern nicht bei einzelnen Dienststellen eine ausdrückliche gesetzlich bestimmte Ausnahme besteht, der Unterschied der Geburt überall kein Recht auf Vorzüge irgend einer Art begründen.

§ 163. Kein Civil-Staatsdiener (vergl. §. 161) kann seiner Stelle willkührlich entsetzt werden. Wer seinen Dienst vernachlässigt, und sich Erinnerungen und Disciplinarstrafen seiner vorgesetzten Behörde nicht zur Besserung dienen läßt, wer sich Dienstverletzungen oder Dienstwidrigkeiten zu Schulden kommen läßt, wer grobes öffentliches Ärgerniß giebt, oder von der Gerichtsbehörde wegen eines gemeinen Verbrechens mit einer Criminalstrafe belegt ist, kann nach genauer Erwägung des gehörig in Gewißheit gesetzten Verschuldens nach dem Gutachten des Geheimenrathscollegii dem Befinden der Umstände nach auf eine andere geringer dotirte Stelle versetzt, vom Dienste und der Diensteinnahme auf längere Zeit suspendirt, oder ganz aus dem Dienste entlassen werden. Die völlige Entlassung vom Richteramte kann nur durch Urtheil und Recht verfügt werden. In Hinsicht auf die untere Staatsdienerschaft kann bei deren Anstellung eine Kündigung des Dienstes vorbehalten, solche aber nie anders als vom Ministerio angewandt werden. Suspension vom Dienste und von der Besoldung auf höchstens einen Monat und Disciplinarstrafen, die diese Grenzen nicht überschreiten, können von den höhern Verwaltungsbehörden gegen die ihnen untergebene Staatsdienerschaft verfügt werden.

§ 159. Der König wird bei den von Ihm unmittelbar ausgehenden Ernennungen von Civil-Staatsdienern zuvor das Gutachten des Ministerii oder des Departements-Chefs vernehmen. Bei Ernennung von Ministern oder Vorständen von Ministerial-Departements ist dies jedoch nicht erforderlich. § 160. Anwartschaften auf bestimmte Dienststellen sollen nicht ertheilt werden, es sey denn, daß den Gehülfen altersschwacher oder sonst an der gehörigen Wahrnehmung ihres Dienstes verhinderter Staatsdiener die künftige selbstständige Anstellung nach Maßgabe der von ihnen bewiesenen Thätigkeit zugesichert würde. § 161. Alle Civil-Staatsdiener, mögen sie vom Könige oder dessen Behörden ernannt, oder von Einzelnen Berechtigten und Corporationen erwählt, präsentirt oder ernannt seyn, sind durch ihren, auf die getreuliche Beobachtung des Staats-Grundgesetzes auszudehnenden Diensteid verpflichtet, bei allen von ihnen ausgehenden Verfügungen dahin zu sehen, daß sie keine Verletzung der Verfassung enthalten. In gehöriger Form erlassene Befehle vorgesetzter Behörden befreien sie von der Verantwortung und übertragen dieselbe an den Befehlenden. § 162. Bei nothwendigen Translocationen hat der Staatsdiener ein Recht auf seinen bisherigen Rang und Gehalt. Macht eine Veränderung der Organisation Dienstentlassungen nothwendig, so hat

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§ 164. Diejenigen Staatsdiener, welche wegen Altersschwäche oder wegen anderer Gebrechen ihre Berufsobliegenheiten nicht mehr erfüllen können, und daher in den Ruhestand versetzt werden, sollen eine angemessene Pension nach Maßgabe ihrer Dienstjahre und ihrer Diensteinnahme erhalten.

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1833) § 165. Keinem Civil-Staatsdiener kann die nachgesuchte Entlassung versagt werden; jedoch muß er sich vor seinem wirklichen Austritte aus dem Dienste auf Verlangen seiner vorgesetzten Behörde aller ihm deshalb obliegenden Verbindlichkeiten vollständig entledigen.

SCHLUß Alle dem gegenwärtigen Staats-Grundgesetze entgegenstehenden Gesetze und Einrichtungen werden hiemit aufgehoben und außer Kraft gesetzt, und es soll dagegen dies Gesetz überall zur Anwendung kommen. Abänderungen desselben können nur in Übereinstimmung des Königs und der allgemeinen Ständeversammlung des Königreichs getroffen und nur in Folge eines, auf zwei nach einander folgenden Diäten gefaßten gleichmäßigen Beschlusses angeordnet werden. Auch ist zu solchen Veränderungen, mögen sie von der Regierung oder von den Ständen in Antrag gebracht werden, jederzeit erforderlich, daß in jeder Cammer der Ständeversammlung wenigstens die Anzahl von drei Viertel der zum regelmäßigen Erscheinen verpflichteten Mitglieder anwesend ist, und wenigstens zwei Drittel der Anwesenden für die Veränderung stimmen. Vorstehendes Grundgesetz soll durch die erste Abtheilung der Gesetzsammlung bekannt gemacht werden. Gegeben Windsor-Castle, den 26. September des 1833sten Jahrs, Unsers Reichs im Vierten. William R. L. v. Ompteda. 1

Ediert nach Grundgesetz für das Königreich Hannover nebst dem Königlichen Patente, die Publication desselben betreffend, Hannover 1833, S. 17–82.

Das Grundgesetz wurde am 11. Mai 1832 (am 18. März 1833 nach Karlheinz Kolb / Jürgen Teiwes, Beiträge zur politischen, Sozial- und Rechtsgeschichte der Hannoverschen Ständeversammlung von 1814–1833 und 1837–1849, Hildesheim 1977, S. 107) beschlossen, am 26. September 1833 unterzeichnet und am 9. Oktober 1833 verkündet. In Kraft getreten ist das Grundgesetz schließlich ebenfalls am 9. Oktober 1833, nämlich gem. dem dazu erlassenen Patent am Tag der Verkündung; die Bestimmungen über die Finanzen sollten jedoch erst am 1. Juli 1834 mit Beginn des neuen Rechnungsjahres in Kraft treten. Siehe unter „Patent, die Publication des Grundgesetzes des Königreichs betreffend“ (Grundgesetz für das Königreich Hannover nebst dem königlichen Patente, die Publication desselben betreffend, Hannover 1833, S. 12 f.), (nach Huber am 26. September 1833, Verfassungsgeschichte II, S. 90). Der Verfassung gingen zwei Entwürfe voraus. Zunächst ein Entwurf des Hofrats Dahlmann vom 24. Mai 1831, der wiederum vom Geheimen Kanzleisekretär Ubbelohde überarbeitet und schließlich dem König in einer nochmals durch das Ministerium abgeänderten Fassung am 5. Oktober 1831 vorgelegt wurde. Vom 5. November 1831 bis zum 14. Februar 1832 hat eine Kommission bestehend aus je sieben Mitgliedern der Regierung und der jeweiligen Kammer über diesen Entwurf beraten. Vgl. dazu Pölitz, Verfassungen I, 1832, S. 317ff. Vorgänger dieser Verfassung war das „Patent, die Verfassung der allgemeinen Stände-Versammlung des Königreichs betreffend“ vom 7. Dezember 1819 (Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, Jahrgang 1819, 1. Abt., No. 26, Hannover, S. 135–142). Siehe unter „Verfassung von Hannover (1819)“. Abgelöst wurde die Verfassung vom „Landesverfassungsgesetz für das Königreich Hannover“ vom 6. August 1840 (GesetzSammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1840, I. Abt., No. 28, Hannover, S. 141–191). Siehe unter „Verfassung von Hannover (1840)“. König Ernst-August erklärte bei seinem Regierungsantritt in einem Patent am 5. Juli 1837, daß er die Verfassung nicht als bindend anerkenne. Mit einem weiteren Patent vom 1. November 1837 hob er schließlich die Verfassung auf. Dieser Staatsstreich löste den hannoverschen Verfassungskonflikt aus. Vgl. dazu Edzard Blanke u.a., Die Göttinger Sieben: Ansprachen und Reden anläßlich der 150. Wiederkehr ihrer Protestation, Göttingen 1988; Huber, Dokumente I, S. 290ff.; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 96– 106; Klaus von See, Die Göttinger Sieben: Kritik einer Legende, Heidelberg 1997 m.w.N.; Rudolf von Thadden, Die Göttinger Sieben, ihre Universität und der Verfassungskonflikt von 1837, Hannover 1987. Für weiterführende Hinweise siehe Huber, Dokumente I, S. 290ff.; Huber, Verfassungsgeschichte II,

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H ANNOVER S. 84–115; Karlheinz Kolb / Jürgen Teiwes, Beiträge zur politischen, Sozial- und Rechtsgeschichte der Han-

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noverschen Ständeversammlung von 1814–1833 und 1837–1849, Hildesheim 1977, insbes. S. 107ff.

Publikationspatent zur hannoveraner Verfassung (1833) Patent, die Publication des Grundgesetzes des Königreichs betreffend1

Wilhelm der Vierte von Gottes Gnaden König des vereinigten Reichs Groß-Britannien und Irland etc. auch König von Hannover, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg etc. etc. Da durch die Auflösung der vormaligen deutschen Reichsverfassung, durch die Errichtung eines deutschen Bundes und durch die Vereinigung aller sowohl ältern als neu erworbenen deutschen Besitzungen Unsers Königlichen Hauses zu einem unabhängigen Königreiche, in der Verfassung desselben mehrfache wichtige Veränderungen hervorgebracht worden sind, andere Theile der Verfassung aber einer neuen Befestigung oder nähern Bestimmung bedürfen, so haben Wir auf den Antrag Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung beschlossen, die innern Verhältnisse Unseres Königreichs Hannover durch die Erlassung eines neuen Staatsgrundgesetzes genauer festzustellen, und deshalb in der an Unsere getreue allgemeine Ständeversammlung erlassenen Declaration vom 11. Mai 1832 die Grundsätze zu demselben vorgeschrieben. Nachdem Uns nunmehr die Resultate der danach Statt gehabten ausführlichen Berathung Unserer getreuen Stände über das Grundgesetz vorgelegt sind, und Wir dann deren Anträge in allen der Zustimmung derselben bedürfenden Puncten zu bestätigen Uns bewogen gefunden haben, solche auch übrigens zum größten Theile den von Uns ertheilten Vorschriften entsprechen, und nur

in einigen wenigen Puncten zur Sicherstellung Unserer landesherrlichen Rechte und zum Besten Unserer getreuen Unterthanen von Uns einer Abänderung bedürftig gefunden sind, so sehen Wir Uns veranlaßt, in Beziehung auf die deshalb nothwendig gefundenen Veränderungen des aus den Berathungen Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung hervorgegangenen Grundgesetzentwurfes, soweit sie nicht bloß Berichtigungen der Wortfassung betreffen, Folgendes zu erklären. 1. So sehr Wir auch durch Unsere Erklärung vom 11. Mai 1832 die Aufrichtigkeit des Wunsches bethätigt haben, die für die Wohlfahrt Unseres Königreichs von Uns für angemessen erachtete Vereinigung Unserer landesherrlichen Cassen und der Landescasse zu erleichtern, so ist es Uns gleichwohl nach sorgfältiger Erwägung aller Verhältnisse nicht ausführbar erschienen, den von Uns festgesetzten, auf den nothwendigsten Bedarf bereits beschränkten Betrag der Krondotation noch weiter herabzusetzen und dem dieserhalb gemachten Antrage Unserer getreuen Stände Folge zu geben. Dagegen haben Wir, um das Land gegen Ansprüche zu sichern, welche in Zukunft gemacht werden könnten, wenn in dem Falle des Ueberganges des Landes an die jetzige Herzoglich Braunschweig-Wolfenbüttelsche Linie, den Erben Unseres jetzigen Königlichen Hauses, eine Entschädigung von dem Thronfolger in Gemäßheit der frü-

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H ANNOVER hern Hausverträge geleistet werden müßte, Uns bewogen gefunden, diese eventuelle Entschädigung auf Unsere Schatullcasse zu übernehmen, und die in dieser Beziehung in den Entwurf aufgenommene Bestimmung in dem jetzigen Staatsgrundgesetze weggelassen. 2. Der Antrag Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung, daß ein Regent, wenn er aus einem fremden deutschen Fürstenhause erwählt werden müßte, mindestens sein fünf und zwanzigstes Jahr zurückgelegt haben solle, findet Unsere volle Genehmigung, weshalb Wir diesen Grundsatz auch für den Fall der Wahl des Regenten durch die allgemeine Ständeversammlung vorzuschreiben für angemessen gefunden haben. Dagegen haben Wir Uns nicht bewogen finden können, die Bestimmung, nach welcher der Regent den ihm obliegenden Eid im versammelten Ministerio abzuleisten hat, abzuändern; und wenngleich Wir geneigt sind, den Regenten in seinen Befugnissen nicht so weit zu beschränken, daß er in der Einrichtung der allgemeinen Ständeversammlung eine Änderung überall nicht vornehmen noch gestatten dürfte, so müssen Wir doch für nothwendig halten, eine Änderung des Grundsystems der allgemeinen Ständeversammlung durch einen Regenten gänzlich zu untersagen. 3. Wir verkennen überall nicht, daß die vielfach, insbesondere auch durch die Ablösbarkeit der gutsherrlichen Rechte veränderten Verhältnisse in mehrfacher Beziehung auf das Lehnwesen zurückwirken, und sind um so mehr geneigt, den hierunter bezeigten Wünschen Uns willfährig zu beweisen, als Wir die Opfer nicht übersehen, welche die Besitzer von Lehngütern durch Aufhebung oder Modification bestehender Vorrechte der öffentlichen Wohlfahrt und dem Besten des Landes bereitwillig gebracht haben. Wir werden daher in Gemäßheit des

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Antrages Unserer getreuen Stände den Entwurf zu einem Gesetze über die Lehnsverhältnisse und deren Ablösbarkeit ausarbeiten und zur verfassungsmäßigen Mitwirkung unverzüglich an dieselben gelangen lassen. Indeß haben Wir, zumal ehe die Folgen alle genau erwogen sind, welche die Aufhebung eines so tief in die öffentlichen Verhältnisse eingreifenden Instituts begleiten müssen, Bedenken getragen, den Grundsatz unbedingt festzustellen, daß der Lehnsnexus in jedem Falle auf den Antrag des Vasallen ablösbar seyn soll, und haben nothwendig erachtet, dem von Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung in Antrag gebrachten Paragraphen eine danach erforderlich gewordene veränderte Fassung geben zu lassen.

4. Da es Uns nicht entgangen war, daß eine zu große Ausdehnung der Befreiungen von der Gerichtsbarkeit der Untergerichte Beschwerden und Nachtheile für Unsere geliebten Unterthanen herbeiführte, so hatten Wir beschlossen, diese Befreiungen thunlichst zu beschränken und die beizubehaltenden Ausnahmen in dem Gesetzentwurfe angeben lassen. Dagegen würde es einer gleichmäßigen Justiz keinesweges förderlich seyn, wenn alle Gerichte des Landes ohne Rücksicht auf die besondern Verhältnisse der ihrer Gerichtsbarkeit unterworfenen Personen und Sachen eine gleichmäßige innere Einrichtung erhalten sollten; und wenngleich Wir geneigt sind, auch in dieser Hinsicht etwa nicht mehr passende Institutionen zu verbessern und zu beseitigen, konnte es doch Unsere Absicht nicht seyn, deren gänzliche Aufhebung durch das Grundgesetz im Voraus zu bestimmen. Wir haben daher, um die dieserhalb vorgekommenen Zweifel zu beseitigen, der in das Grundgesetz aufgenommenen Vorschrift eine solche Fassung geben lassen, welche geeignet ist, irrigen Deutungen vorzubeugen und künfti-

P UBLIKATIONSPATENT ZUR HANNOVERANER V ERFASSUNG (1833) gen zweckmäßigen Anordnungen nicht entgegensteht. 5. Eben so kann es der nothwendigen Unabhängigkeit der Justiz nachtheilig seyn, wenn die Übertragung der Gerichtsbarkeit von einem ordentlichen Gerichte des Landes auf ein anderes zu sehr erschwert oder gar unmöglich gemacht wird. Wenn Wir daher auch nichts dagegen zu erinnern finden, daß nach dem Wunsche Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung die Fälle, wo eine solche Übertragung Stattfinden kann, in einem Gesetze näher festgestellt werden, so erklären Wir doch hiemit ausdrücklich, daß gerade zu dem Zwecke, um die Justiz von störenden äußern Einflüssen unabhängig zu erhalten, der Grundsatz niemals aufgegeben werden kann und darf, daß der König als Quelle aller Gerichtsbarkeit unabhängig von den Ansichten der Gerichte eine solche Übertragung der Gerichtsbarkeit in einem einzelnen Falle anzuordnen hat, und daß daher dieser Grundsatz auch bei einem solchen Gesetze stets aufrecht zu erhalten ist. Damit aber über Unsere Absicht in dieser Hinsicht ein Zweifel nicht obwalten könne, haben Wir der in das Gesetz hierüber aufgenommenen Bestimmung die geeignete Fassung geben lassen. 6. So wenig Wir übrigens den Lauf der Justiz, wo er den Gesetzen gemäß Statt findet, hemmen, oder Unsern Verwaltungsbehörden solches zu thun gestatten werden, eben so wenig können Wir die Ausübung Unserer Hoheitsrechte jemals den Urtheilen Unserer Gerichte unterwerfen, oder die von Unsern Verwaltungsbehörden innerhalb ihrer Competenz getroffenen Verfügungen der Wiederaufhebung von Seiten der Gerichte aussetzen. Wir haben daher hierüber das Nöthige in das Grundgesetz aufnehmen lassen, und übrigens durch die in demselben getroffenen Bestimmungen den Schutz der Gerichte für die wohl erworbenen Rechte

Unserer geliebten Unterthanen so weit ausgedehnt, als es mit einer wohlgeordneten Verwaltung irgend zu vereinbaren ist. 7. Wenngleich Wir die Freiheit der Presse unter Beobachtung der gegen deren Mißbrauch zu erlassenden Gesetze und der Bestimmungen des deutschen Bundes gestatten wollen, und deshalb einen Gesetzentwurf an Unsere getreuen Stände, deren Antrage gemäß baldthunlichst gelangen lassen werden, wenn nicht zuvor von dem deutschen Bunde ein allgemeines Preßgesetz beschlossen werden sollte; so ergiebt doch der Umstand, daß die über den Mißbrauch der Pressen zu erlassenden Gesetze mit Unsern getreuen Ständen noch nicht haben verabredet werden können, bis dahin aber ein gesetzloser Zustand nicht geduldet werden kann, die Nothwendigkeit des von Uns angeordneten Zusatzes, daß bis zur Erlassung dieser Gesetze die bisherigen Vorschriften in Kraft bleiben. 8. Indem Wir den Städten, Flecken und Landgemeinden in der Verwaltung ihres Vermögens die mit ihrem Wohle vereinbare Selbstständigkeit zugesichert haben, und deshalb auch die von unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung in dieser Hinsicht gemachten Anträge bestätigen und nur bestimmen, daß das Armenwesen nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse eignen Verwaltungen übertragen werden kann, haben Wir zugleich der Regierung die Aufsicht auf das Gemeindewesen, soweit sie zum Heile des Ganzen und zum eignen Besten der Gemeinden erforderlich ist, ausdrücklich vorbehalten. Zu dieser Aufsicht der Regierung gehört es nothwendig, daß dieselbe solche Gemeindebeamten, welche ihre Pflichten versäumen oder verletzen würden, gleich Unserer übrigen Staatsdienerschaft, durch Strafen zur Erfüllung dessen, was ihnen obliegt, anhalten oder selbst vom Dienste entfernen kann. Da dieses in

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H ANNOVER der landesherrlichen Oberaufsicht wesentlich begründete und zum Besten der Gemeinden durchaus nothwendige Recht der Regierung durch den von Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung in Antrag gebrachten Vorbehalt einer besondern Gesetzgebung über die Staatsdienstverhältnisse der Gemeindebeamten zweifelhaft werden könnte, so haben Wir diesem Vorbehalte Unsere Genehmigung nicht ertheilt und denselben in das Grundgesetz nicht aufnehmen lassen. 9. Wenn Wir auch kein Bedenken haben, die Erklärung, daß das Heer, da es nicht aus geworbener Mannschaft besteht, sondern seine Ergänzung in Folge der allgemeinen Militairpflicht erhält, für ein Unserm Königreiche fremdes Interesse nicht verwandt werden soll, hiermit ausdrücklich zu erneuern, so hat doch die Betrachtung, daß es Fälle geben kann, wo der Grund, auf welchem das Interesse beruht, nicht zu Jedermanns Einsicht vorliegt und auch nicht sogleich bei den Vorbereitungen zu einem Kriege oder den zu dessen Abwendung nothwendigen Maßregeln erklärt werden kann, bei dem Heere selbst aber niemals Zweifel irgend einer Art über dessen Verbindlichkeiten eintreten dürfen, Uns bewogen, daß Wir die von Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung in Antrag gebrachte Bestimmung über die Verwendung des Heeres in das Grundgesetz nicht haben aufnehmen lassen. 10. Den wegen der innern Organisation sowohl der Provinziallandschaften als der allgemeinen Ständeversammlung gemachten Anträgen haben Wir, wenngleich sie insonderheit in Hinsicht auf die letztere mit Unseren Propositionen nicht übereinstimmten, Unsere landesherrliche Bestätigung nicht versagt, indem Wir die Überzeugung hegen, daß das was höher steht, als jede äußere Form, der gute Geist und

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das Vertrauen die Stände jederzeit beseelen werden um Nützliches zu wirken. Dagegen ist die Bestimmung, daß die Regierung das Recht haben soll, wenn sie es nöthig findet, Commissarien zur Theilnahme an den ständischen Verhandlungen abzuordnen, vorzüglich nur aus Rücksicht auf den besonderen Antrag der allgemeinen Ständeversammlung in das Grundgesetz aufgenommen worden; Wir halten es aber der Stellung Unserer Regierung durchaus nicht für angemessen, ihr auch damit zugleich dem Antrage Unserer getreuen Stände gemäß eine Verpflichtung aufzulegen, auf das Verlangen der Stände solche Commissarien absenden zu müssen. Wir haben daher den dieserhalb in Antrag gebrachten Zusatz nicht genehmigt und behalten vielmehr der Regierung allein vor, zu ermäßigen, ob und unter welchen Umständen dieselbe gerathen hält, landesherrliche Commissarien an den ständischen Verhandlungen, soweit solches überhaupt zulässig ist, Theil nehmen zu lassen. 11. Da durch die für einen Kronprinzen auszusetzende Apanage für das standesmäßige Auskommen einer verwitweten Kronprinzessinn nach Maßgabe des für Unser Königliches Haus zu erlassenden, zur Mitberathung Unserer getreuen Stände baldthunlichst zu bringenden Apanagegesetzes nicht hinreichend gesorgt werden kann, und daher nach Maßgabe der im Grundgesetze enthaltenen Bestimmung für das Auskommen einer verwitweten Kronprinzessinn, eben so wie für das Auskommen einer verwitweten Königinn, jedes Mal besonders gesorgt werden muß, so haben Wir es angemessen gehalten, dies gleich bestimmt auszudrücken. 12. Hiernächst haben Wir bedenklich erachten müssen, den von Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung in Antrag gebrachten Zusatz, wonach den von den Ständen zur Prüfung der Rechnungen

P UBLIKATIONSPATENT ZUR HANNOVERANER V ERFASSUNG (1833) der Generalcasse auf Lebenszeit zu erwählenden Commissarien die Erhaltung einer fortlaufenden Übersicht über den Gang des Staatshaushalts mit aufgetragen werden solle, in seiner großen Allgemeinheit in das Grundgesetz aufnehmen zu lassen, weil es zuvörderst ein Gegenstand reiflicher Erwägung sein wird, ob und in welcher Maße eine Einrichtung dieser Art getroffen werden kann, ohne zu einer Einmischung in die Verwaltung Veranlassung zu geben, welche, wie von Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung selbst anerkannt worden, für das allgemeine Beste nur nachtheilig seyn würde. Bei dieser Lage der Sache haben wir den hierauf gerichteten Zusatz in das Staatsgrundgesetz nicht aufnehmen lassen können. 13. Wir haben ferner auf den Antrag Unserer getreuen Stände durch das Grundgesetz verordnet, daß der Diensteid der Civilstaatsdienerschaft auf die getreuliche Beobachtung des Grundgesetzes ausgedehnt werde. Da Wir es indeß nicht angemessen finden, Unsere gesammte gegenwärtige Dienerschaft einen Diensteid nochmals ableisten zu lassen, so verweisen Wir dieselbe hiemit auf den von ihr bereits geleisteten Diensteid, und erklären, daß sie in jedem Betracht so angesehen werden soll, als wäre sie auf die treue Beobachtung des Grundgesetzes ausdrücklich eidlich verpflichtet. 14. Endlich haben Wir es für angemessen erachtet, unter die im Grundgesetze angeführten Gründe, weshalb einer Unserer Civilstaatsdiener zur Strafe gezogen, oder selbst vom Dienste entlassen werden kann, auch grobes öffentliches Ärgerniß aufnehmen zu lassen, indem hiedurch das nothwendige Ansehen der Staatsdienerschaft wie der öffentliche Dienst mehr als durch sonstige Vernachlässigungen oder Vergehen benachtheiligt werden können.

Nachdem hienach die von Uns nothwendig erachteten Veränderungen des von Unserer getreuen allgemeinen Ständeversammlung vorgelegten Gesetzentwurfes gemacht worden sind, so ertheilen Wir demselben nunmehr Unsere landesherrliche Bestätigung, und befehlen, daß das auf solche Weise zu Stande gebrachte Grundgesetz Unseres Königreichs Hannover, vom Tage der Verkündigung an, und zwar so weit es dabei auf eine Abänderung verfassungsmäßig bestehender organischer Einrichtungen ankommt, nach Maßgabe der nach den Vorschriften des gegenwärtigen Grundgesetzes weiter zu treffenden Anordnungen und zu erlassenden gesetzlichen Vorschriften für alle Theile Unsers Königreichs in Kraft treten soll. Was aber die Finanzen anbetrifft, so sollen die dieserhalb vorgeschriebenen Grundsätze von dem Eintritte des neuen Rechnungsjahrs, mithin vom 1. Julius 1834 an in Kraft treten, und die förmliche Vereinigung Unserer landesherrlichen und der Landescasse zu einer einzigen Generalcasse von eben diesem Zeitpuncte an Statt finden. Übrigens verordnen Wir, um jede Ungewißheit über den bestehenden Rechtszustand zu vermeiden, hiemit noch ausdrücklich, daß die bisher bestehenden Gesetze, Anordnungen und Verfügungen der Behörden deßhalb, weil die nunmehr vorgeschriebenen Formen bei denselben etwa nicht beobachtet sind, ihre Gültigkeit nicht verlieren sollen, sondern daß die Gültigkeit lediglich danach zu ermessen ist, was zu der Zeit ihrer Erlassung der Verfassung oder dem Herkommen gemäß war.

Gegeben Windsor-Castle, den 26. September des 1833sten Jahres, Unseres Reichs im Vierten. William R. L. v. Ompteda.

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H ANNOVER 1

Ediert nach Grundgesetz für das Königreich Hannover nebst dem königlichen Patente, die Publication desselben betreffend, Hannover 1833, S. 3–13.

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Das Publicationspatent wurde am 26. September 1833 beschlossen. Für weitere Angaben siehe unter „Verfassung von Hannover (1833)“.

Verfassung von Hannover (1840) Landesverfassungs-Gesetz für das Königreich Hannover1

Wir Ernst August, von Gottes Gnaden König von Hannover, Königlicher Prinz von Großbritannien und Irland, Herzog von Cumberland, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg etc. etc. bringen hiedurch zur öffentlichen Kunde, daß, nachdem Wir mit Unserer getreuen allgemeinen Stände-Versammlung des Königreichs auf deren Wunsch, nach vorgängiger freien Berathung mit derselben, eine Verfassungs-Urkunde für Unser Königreich unterm lsten dieses Monats errichtet haben, Wir nunmehr in vollem Einverständnisse mit Unseren getreuen Ständen die nachfolgenden Bestimmungen als das Landesverfassungs-Gesetz für Unser Königreich hiemit festsetzen und anordnen:

ERSTES CAPITEL Von dem Königreiche, dem Könige, der Thronfolge und Regentschaft § 1. Das Königreich Hannover bildet einen unter demselben Verfassungs-Gesetze vereinigten, untheilbaren Staat. Kein Bestandtheil desselben kann ohne Zustimmung der allgemeinen StändeVersammlung veräußert werden. Friedensschlüsse und Berichtigungen der Landesgrenzen begründen hievon eine Ausnahme. § 2. Das Königreich Hannover macht einen Theil des deutschen Bundes aus und theilt als solcher alle aus der Bundes-Verfassung entstehenden Rechte und Verbindlichkeiten. Diese können durch die innere

Landes-Verfassung nicht abgeändert werden. Alle Beschlüsse der deutschen BundesVersammlung haben, sobald sie vom Könige verkündigt sind, verbindliche Kraft für das Königreich. Die Mittel zur Erfüllung der hiedurch begründeten Verbindlichkeiten werden, unter verfassungsmäßiger Mitwirkung der allgemeinen Stände, in so weit es deren bedarf, bestimmt. § 3. Die Regierungsform des Königreichs ist die erblich monarchische. § 4. Es besteht im Königreiche eine landständische Verfassung. § 5. Der König vereinigt als Souverain die gesammte Staatsgewalt ungetheilt in Sich, und wird durch die landständische Verfassung nur in der Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden. § 6. Im Innern des Staates geht alle Regierungsgewalt allein von dem Könige aus. Die Behörden, sie mögen vom Könige unmittelbar bestellt seyn oder nicht, üben dieselbe nur kraft der ihnen von Ihm verliehenen Gewalt aus, und verwalten sie unter Seiner Oberaufsicht. § 7. Kein Landesgesetz hat vor der vom Könige vorgenommenen Verkündigung Gültigkeit. § 8. Die bewaffnete Macht und deren Einrichtung, wie auch alle in Beziehung auf dieselbe vorzunehmenden Anstellungen, zu

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H ANNOVER machenden Anordnungen und zu erlassenden Befehle hängen allein vom Könige ab.2 § 9. Der König ist die Quelle aller Gerichtsbarkeit. Dieselbe wird auf verfassungsmäßige Weise von den ordentlichen Gerichten des Landes, unter Oberaufsicht des Königs, ausgeübt. Der König kann den geraden Lauf der Rechtspflege nicht hemmen. In ganz außerordentlichen Fällen kann Er, nach Anhörung des Staatsrathes, Moratorien ertheilen. Der König kann Straferkenntnisse nicht schärfen; aber Er hat das Recht, erkannte Strafen im Wege der Gnade gänzlich aufzuheben oder zu mildern, auch das Strafverfahren wider einen Angeschuldigten einzustellen oder völlig niederzuschlagen. § 10. Der König hat allein das Recht, Titel, Rang, Würden und Ehrenzeichen zu verleihen und Standeserhöhungen vorzunehmen. Ausnahmen hievon können nur vermöge erworbenen Rechts Statt finden. § 11. Der König vertritt das Königreich in allen Verhältnissen zu dem deutschen Bunde, den einzelnen Bundesstaaten und den auswärtigen Staaten. Nur Er ordnet die Gesandtschaften an, schließt Verträge mit anderen Staaten ab und erwirbt dadurch nicht nur Rechte dem Königreiche, sondern verpflichtet auch dadurch dasselbe zur Erfüllung der vertragsmäßigen Verbindlichkeiten. Erfordert die Ausführung der Verträge die Bewilligung von Geldmitteln aus der Landescasse oder sollen die Verträge eine Abänderung bestehender Landesgesetze hervorbringen, so bedarf es hiezu der verfassungsmäßigen Mitwirkung der Stände. § 12. Das Recht der Thronfolge in dem untheilbaren Königreiche gebührt dem Mannsstamme aus rechtmäßiger, ebenbürtiger und hausgesetzlicher Ehe.

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Die Ordnung der Thronfolge wird durch die reine Linealfolge nach dem Rechte der Erstgeburt bestimmt. Erlischt der Mannsstamm der gegenwärtigen Königlichen Linie, so geht die Thronfolge auf den Mannsstamm der jetzigen Braunschweig-Wolfenbüttelschen Linie und, nach dessen Erlöschen, auf die weibliche Linie, ohne Unterschied des Geschlechtes, über, und zwar dergestalt, daß die Nähe der Verwandtschaft mit dem zuletzt regierenden Könige und, bei gleichem Verwandtschaftsgrade, das Alter der Linie, in der Linie aber das natürliche Alter den Vorzug verschafft. Bei der Nachkommenschaft des neuen regierenden Königlichen Hauses tritt der Vorzug des Mannsstammes mit dem Erstgeburtsrechte und der reinen Linealfolge wieder ein. § 13. Der König ist volljährig mit dem zurückgelegten achtzehnten Jahre. § 14. Nach erledigtem Throne tritt der Thronfolger die Regierung des Königreichs unmittelbar an, ohne daß es dazu irgend einer weitern Handlung bedarf. Der König verkündet Seinen RegierungsAntritt durch ein Patent. Er verspricht darin bei Seinem Königlichen Worte die unverbrüchliche Festhaltung der Verfassung des Königreichs. Die Urschrift des mit der Unterschrift des Königs und dem Regierungs-Siegel versehenen Patentes soll in dem Archive der allgemeinen Stände niedergelegt werden. Der König bestimmt, zu welcher Zeit und auf welche Weise Ihm die Unterthanen die Huldigung leisten sollen.3 § 15. Der Sitz der Landes-Regierung kann außerhalb des Königreichs nicht verlegt werden, falls nicht die Umstände dieses dringend erfordern. § 16. Bei längerer Abwesenheit des Königs aus dem Königreiche hat Derselbe das

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) Recht, eine Stellvertretung anzuordnen und deren Befugnisse zu bestimmen. Vom Könige hängt es ab, ob Er die Stellvertretung einem Minister-Rathe, oder Einer Person anvertrauen will. Im letztern Falle gelten hinsichtlich der persönlichen Erfordernisse des Stellvertreters die Bestimmungen des zweiten Absatzes des §. 18. Der König kann dem Stellvertreter keine ausgedehntere Rechte übertragen, als einem Regenten in Gemäßheit der folgenden Vorschriften zustehen. § 17. Eine Regentschaft (Regierungsverwesung) tritt ein, wenn der König minderjährig ist, oder in einem solchen geistigen Zustande Sich befindet, welcher Ihn zur Führung der Regierung unfähig macht. § 18. Der König ist zu Anordnung einer Regentschaft für den Thronfolger auf den Fall berechtigt, daß dieser beim Anfalle der Thronfolge in einem der beiden, im §. 17. angeführten Fälle sich befinden sollte. Der König hat zum Regenten einen Seiner regierungsfähigen Agnaten zu ernennen; findet sich aber ein solcher nicht, oder sollte der König Gründe haben, von dem Seinen Agnaten zustehenden Vorzuge abzuweichen, so kann Er einen nichtregierenden Prinzen aus den zum deutschen Bunde gehörenden souverainen Fürstenhäusern, welcher das fünf und zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt hat, zum Regenten ernennen. § 19. Hat der König eine solche Anordnung für den Thronfolger nicht getroffen, so gebührt die Regentschaft in dem Falle, daß dieser beim Anfalle der Krone minderjährig ist, dem in der Ordnung der Thronfolge zunächst stehenden Agnaten, welcher das achtzehnte Jahr vollendet hat, auch sonst regierungsfähig ist. Ist kein regierungsfähiger Agnat vorhanden, so geht die Regentschaft über auf die Königinn, Gemahlinn des Königs, so fern

diese das fünf und zwanzigste Jahr vollendet hat, und nach dieser auf die leibliche Mutter und endlich auf die Großmutter väterlicher Seite. Ist die Thronfolge auf die weibliche Linie übergegangen, so gebührt die Regentschaft für die dazu nach Erlöschung des Mannsstammes zuerst berufene Königinn dem Gemahle Derselben, falls dieser das ein und zwanzigste Jahr vollendet hat, sodann Ihrer leiblichen Mutter und endlich Ihrer Großmutter väterlicher Seite. Zu der Regentschaft für den Sohn oder die Tochter einer regierenden Königinn (Erbtochter) ist zunächst die Gemahlinn oder der Gemahl nach den obigen Bestimmungen, und nach diesen, die Großmutter mütterlicher Seite berechtigt. Durch anderweite Vermählung oder Ehescheidung werden die weiblichen Ascendentinnen von der Regentschaft ausgeschlossen. § 20. Wenn der König, in Ermangelung einer vorher von Dessen Vorgänger gemachten Anordnung (§. 18.), nicht wegen Minderjährigkeit, sondern wegen Seines geistigen Zustandes zu Führung der Regierung für unfähig gehalten wird, so haben die vereinigten Minister binnen drei Monaten alle volljährigen Agnaten zu einer Zusammenkunft zu berufen, um einen Beschluß darüber zu fassen, ob eine Regentschaft wirklich nothwendig sey. Der in der Ordnung der Thronfolge zuerst zur Regentschaft berufene Agnat nimmt an der Versammlung keinen Antheil. Halten die Agnaten die Anordnung einer Regentschaft für nothwendig, so theilen die vereinigten Minister diesen Beschluß den allgemeinen Ständen zum Zweck ihrer Zustimmung mit. Sobald diese erfolgt, oder eine Frist von 4 Wochen nach der Mittheilung ohne eine Erwiederung abgelaufen ist, tritt der in der Ordnung der Thronfol-

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H ANNOVER ge zunächst stehende Agnat, welcher das achtzehnte Jahr vollendet hat und sonst regierungsfähig ist, als Regent ein. § 21. Ist ein solcher nicht vorhanden, so ist von den vereinigten Ministern und den allgemeinen Ständen die deutsche BundesVersammlung um Benennung dreier Bundesfürsten zu ersuchen, welche einen Prinzen aus den zum deutschen Bunde gehörenden souverainen Fürstenhäusern zum Regenten ernennen. Dieser muß das fünf und zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt haben und seinen Aufenthalt im Königreiche nehmen. Die Vorschriften dieses §. gelten auch für den Fall, wenn der Thronfolger minderjährig, eine Anordnung seines Vorgängers nicht getroffen und ein zur Regentschaft berechtigtes Mitglied des Königlichen Hauses (§. 19.) nicht vorhanden ist. § 22. Der bestellte Regent leistet bei Übernahme der Regentschaft einen Eid auf die unverbrüchliche Aufrechthaltung der Landes-Verfassung. Sämmtliche Minister, der Erblandmarschall, die Präsidenten und Vice-Präsidenten der allgemeinen StändeVersammlung sollen geladen werden, dieser Feierlichkeit beizuwohnen. Nach der Eidesleistung bringt der Regent den Antritt der Regentschaft durch ein Patent zur allgemeinen Kenntniß. § 23. Der Regent übt, im Namen des Königs, die Staatsgewalt, auf dieselbe Weise wie der König, aus. Der Regent darf jedoch eine Schmälerung der Rechte des Königs, so wie eine Änderung in dem Grund-Systeme und in den verfassungsmäßigen Rechten der allgemeinen Stände-Versammlung und der Provinzial-Stände überall nicht vornehmen oder gestatten.

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Auch darf der Regent keine Standeserhöhungen vornehmen. § 24. Die Regentschaft hört auf, wenn der König das Alter der Volljährigkeit erreicht, oder der an der Ausübung der Regierung Ihn hindernde geistige Zustand aufgehört hat. Über die letztere Frage ist auf dem in §. 20. angegebenen Wege zu entscheiden. Der Regent nimmt an den Versammlungen der Agnaten keinen Antheil. Er darf das Verfahren der vereinigten Minister nicht hindern. § 25. Die Erziehung des minderjährigen Königs gebührt, wenn der vorige König deshalb keine Anordnung getroffen hat, der Mutter, und nach ihr der Großmutter väterlicher Seite, falls diese sich nicht wieder vermählt haben; in Ermangelung dieser aber dem bestellten Regenten, jedoch mit Beirath der vereinigten Minister. Der Regent steht den zur Erziehung des minderjährigen Königs berechtigten Personen zur Seite und ihm gebührt die Entscheidung, wenn deren Ansichten über die Wahl der Erzieher oder über den Erziehungsplan von den seinigen abweichen. Die Aufsicht über die Person des durch Geisteskrankheit an der Ausübung der Regierung verhinderten Königs und die Sorge für Denselben darf der Regent nicht übernehmen. § 26. Der König als Oberhaupt der Familie hat das Recht, durch Hausgesetze die inneren Verhältnisse des Königlichen Hauses zu bestimmen. Indeß dürfen dadurch die Rechte der Regierungs-Nachfolger nicht gekränkt werden. Die Hausgesetze bedürfen der Zustimmung der allgemeinen Stände nicht. Durch dieselben können jedoch die Vorschriften der gegenwärtigen Verfassungs-Urkunde nicht geändert werden.

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840)

ZWEITES CAPITEL4 Von den Rechten und Verbindlichkeiten der Unterthanen im Allgemeinen § 27. Die Eigenschaft eines Landes-Unterthans wird nach Gesetz und Herkommen erworben und dauert so lange fort, bis sie auf rechtsbeständige Weise verloren geht. Nur die Landes-Unterthanschaft befähigt zu dem vollen Genusse der bürgerlichen und politischen Rechte. Straferkenntnisse können nicht nur Beschränkungen, sondern auch selbst den Verlust gedachter Rechte nach sich ziehen. Wer nur vorübergehend im Königreiche sich aufhält, ohne in den Landes-Unterthanen-Verband getreten zu seyn, ist für die Dauer seines Aufenthalts, in so fern nicht rechtsgültige Ausnahmen bestehen, den Landesgesetzen unterworfen, und steht unter deren Schutze. § 28. Die Freiheit der Personen und des Eigenthums ist keiner andern Einschränkung unterworfen, als welche Gesetze und Recht bestimmen. § 29. Eine allgemeine Confiscation des Vermögens ist unstatthaft. § 30. Niemand darf verhaftet werden, als in den durch Recht und Gesetz bestimmten Fällen. Der Verhaftete muß binnen vier und zwanzig Stunden vernommen und ihm von der Ursache seiner Verhaftung im Allgemeinen Kenntniß gegeben werden. § 31. Sowohl in Civil- als auch in Criminal-Sachen darf Niemand seinem ordentlichen Richter entzogen werden, außer in den im Proceßgange begründeten, oder in den Gesetzen im Voraus bestimmten Fäl-

len, oder wenn der König aus besonderen Gründen, nach Anhörung Seines Staatsrathes, die Competenz auf ein anderes ordentliches Gericht zu übertragen für nothwendig erachten sollte.5 § 32. Jeder Landes-Einwohner genießt völlige Glaubens- und Gewissensfreiheit und ist zu Religionsübungen mit den Seinigen in seinem Hause berechtigt. Die Mitglieder der evangelischen und römisch-katholischen Kirche genießen gleiche bürgerliche und politische Rechte. Hat der König christliche Secten aufgenommen, so genießen sie die bürgerlichen Rechte und haben das Recht zum PrivatGottesdienste. Der Genuß der politischen Rechte muß ihnen aber durch ein besonderes Gesetz verliehen werden, und die Befugniß zur öffentlichen Religionsübung steht ihnen nur in dem Falle zu, wenn der König sie ausdrücklich ihnen eingeräumt hat. Auch die Mitglieder solcher Secten dürfen sich durch Berufung auf Glaubenssätze ihren staatsbürgerlichen Pflichten nicht entziehen.6 § 33. Alle Landes-Unterthanen sind zum Kriegsdienste gleichmäßig verpflichtet, und es sollen keine andere Befreiungen Statt finden, als welche in den Gesetzen bestimmt sind. § 34. Alle Landes-Unterthanen sind nach gleichmäßigen Grundsätzen zur Tragung der allgemeinen Staatslasten verbunden. Zu diesen Staatslasten gehören auch die Unterhaltung des Heeres ohne Unterschied der Waffengattungen und die Kriegerfuhrleistungen. Für die bisherigen Befreiungen von dieser Staatslast erfolgt eine Entschädigung nicht. Jedoch verbleibt denjenigen, welchen nach dem an die allgemeine Stände-Versammlung erlassenen Königlichen Rescripte vom 18ten Januar 1822 die Befreiung von der Einquartierung und Verpflegung zu-

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H ANNOVER gesichert worden ist, diese Befreiung, so weit davon die Artikel 75 und 76 der Militair-Verordnung vom 14ten Julius 1820 keine Ausnahmen enthalten, ohne daß dieselben zu dieser Staatslast auf andere Art concurriren, als durch ihren Beitrag zu den Landesmitteln, aus welchen für das Naturalquartier eine Vergütung geleistet wird. Eben so soll es mit der Naturalleistung der ordinairen Kriegerfuhren gehalten werden. Die nach dem oben genannten Rescripte außerdem noch bestehenden RealExemtionen von allgemeinen Staatslasten sollen ebenfalls ohne Entschädigung wegfallen, jedoch verbleibt den bisher Exemten das Recht, die künftig auf sie fallenden Naturalleistungen durch billige Geldbeiträge zu reluiren. Die den Mitgliedern der Königlichen Familie und den Standesherren zustehenden Befreiungen von allgemeinen Staatslasten, wie auch die zum Vortheil der Königlichen und standesherrlichen Schlösser und Gärten in Rücksicht allgemeiner Staatslasten gemachten Ausnahmen bleiben, wie bisher, in Kraft. Dasselbe gilt von den in dieser Hinsicht zum Besten der Kirchen, Pfarren, Pfarrwitwenthümer, Schulen und milden Stiftungen gemachten Ausnahmen, und zwar so lange, bis gesetzlich eine Abänderung erfolgt. Die den Garnisons-Orten obliegenden Nebenleistungen behuf der Garnison und der sich darauf beziehenden miltairischen Institute gehören zu den im Vorstehenden gedachten allgemeinen Staatslasten nicht.7 § 35. Niemand kann, abgesehen von privatrechtlichen Verbindlichkeiten, gezwungen werden, sein Eigenthum oder andere Rechte und Gerechtigkeiten zu Staats- oder anderen öffentlichen Zwecken abzutreten, es sey denn gegen vorhergehende vollständige Entschädigung, und daß ein Gesetz die Abtretung vorschreibt, oder eine dringende

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Nothwendigkeit dieselbe gebietet. Ist die Abtretung durch ein Gesetz vorgeschrieben, so muß nicht nur die Frage, ob jene Abtretung geschehen soll, sondern auch über den Betrag der Entschädigung lediglich nach Vorschrift der Gesetze, und zwar von den nach diesen zuständigen Behörden entschieden werden. Besteht dagegen über die Abtretung kein ausreichendes Gesetz, so hat die obere Verwaltungsbehörde sowohl über die Frage der Abtretung, als über die Größe der Entschädigung nach vorgängiger Vernehmung der Betheiligten zu entscheiden. Gegen diese Entscheidung ist den Betheiligten der Recurs an das Ministerium des Innern und gegen die Entscheidung des Letztern eine Beschwerde an den König gestattet, welcher darüber vor Abgabe Seiner Verfügung das Gutachten des Staatsrathes erfordern wird. Der Recurs, gleichwie die Beschwerde muß binnen 30 Tagen, von der Mittheilung oder Eröffnung der frühern Entscheidung angerechnet, eingebracht und gerechtfertigt werden. Bezieht sich jedoch der Widerspruch des Betheiligten auf die Größe der Entschädigung, und will er sich in dieser Hinsicht bei der von der obern Verwaltungsbehörde abgegebenen Entscheidung nicht beruhigen, so steht es ihm frei, diese Sache im ordentlichen Rechtswege zur Erledigung zu bringen. Die Abtretung selbst darf durch den Rechtsstreit über die Größe der Entschädigung nicht verzögert werden; es kann aber der zur Entschädigung Berechtigte auch in diesem Falle vor der Abtretung die Ausbezahlung der von der Verwaltungsbehörde ausgemittelten Entschädigung verlangen. Ist unwiederbringlicher Nachtheil mit dem Verzuge verbunden, so entscheidet die höchste zur Stelle befindliche Verwaltungsbehörde über die Abtretung. In diesem Falle hält der Recurs das Verfahren nicht auf und folgt die Entschädigung – rücksichtlich deren übrigens die obigen Grundsätze gelten – in möglichst kurzer Frist nach.

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) § 36. Sämmtliche Landes-Unterthanen sind den Gerichten erster Instanz, der Regel nach, auf gleiche Weise unterworfen. Die davon bisjetzt bestehenden Ausnahmen sollen durch ein zu erlassendes Gesetz beschränkt werden. 1) in Hinsicht des persönlich befreieten Gerichtsstandes: auf die höheren Königlichen und ständischen Behörden, die Besitzer landtagsfähiger Rittergüter, den landsässigen Adel, die Officiere, die höheren Königlichen und ständischen Diener, die höhere Geistlichkeit, die gegenwärtig canzleisässigen Magistrate und Städte, und wichtigere Institute; 2) in Hinsicht des dinglich befreieten Gerichtsstandes: auf die Königlichen Schlösser, Gärten und Gebäude, wie auch auf die Domanial-, Stifts- und Klostergüter, auf die landtagsfähigen Rittergüter, und die zu diesen und den sämmtlichen vorbenannten Gütern gehörenden Grundstücke. Bis zur Verkündigung des vorgedachten Gesetzes wird in den gegenwärtig bestehenden Gerichtsstands-Privilegien hiedurch nichts geändert. Die für gewisse Sachen oder Classen von Unterthanen angeordneten Gerichte bleiben bis zu erfolgter Abänderung in ihrer Wirksamkeit. Der Gerichtsstand der nicht regierenden Mitglieder des Königlichen Hauses richtet sich nach hausgesetzlichen Vorschriften.8 § 37. Hinsichtlich der Trennung der gesammten Criminal-Gerichtsbarkeit von allen Patrimonial-Gerichten der Geistlichkeit und Gutsbesitzer behält es bei der Bestimmung des §. 23. des Gesetzes vom 13ten März 1821 sein Bewenden. § 38. Werden Ansprüche aus einem Privatrechte gegen den Fiscus oder von demselben geltend gemacht, so gehört die Verhandlung und Entscheidung der hieraus ent-

stehenden Rechtsstreitigkeiten zur Competenz der ordentlichen Gerichte, und zwar, so weit dies nach den bisherigen Gesetzen noch nicht der Fall gewesen, rücksichtlich der nach dem Tage der Publication dieser Verfassungs-Urkunde entstehenden Forderungen. Daher sollen auch die als Cammer-Meierangelegenheiten durch die Göhrder Constitution vom 19ten October 1719 der gerichtlichen Cognition entzogenen Abmeierungssachen und Streitigkeiten über den modum servitiorium den ordentlichen Gerichten durch ein unverzüglich zu erlassendes Gesetz wieder überwiesen werden. Die Vollziehung der gerichtlichen Erkenntnisse findet gegen die in denselben bezeichnete Behörde oder Casse Statt. § 39. Glaubt Jemand durch einen Staatsvertrag oder durch die Gesetzgebung in seinen wohlerworbenen Rechten sich verletzt, so kann er deshalb einen Rechtsanspruch weder wider die Krone, noch wider eine Verwaltungsbehörde bei den Gerichten des Landes geltend machen. § 40. Die Frage über Nothwendigkeit und Zweckmäßigkeit des von einer Verwaltungsbehörde innerhalb ihrer Zuständigkeit beobachteten Verfahrens kann nicht zum Gegenstande eines Rechtsstreits gemacht werden. – Sind aber durch unrichtige oder unbefugte Anwendung oder Auslegung der Staatsverträge oder Gesetze, oder auf sonstige Weise von einer Verwaltungsbehörde widerrechtlich Privatrechte verletzt und zugleich die Erfordernisse einer Entschädigungs-Verbindlichkeit nach privatrechtlichen Grundsätzen vorhanden, so kann die Verwaltungsbehörde auf Schadensersatz belangt werden. Die Gerichte dürfen indeß eine solche Klage nur dann annehmen, wenn der Kläger nachgewiesen hat, daß er bereits bis zur höchsten Verwaltungsbehörde um Abhülfe seiner Beschwerde vergeblich nachgesucht habe.9

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H ANNOVER § 41. Die Ablösbarkeit der grund- und gutsherrlichen Rechte und die Grundsätze über die dafür zu leistende Entschädigung, wie solche durch die Ablösungsgesetze vom 10ten November 1831 und 23sten Julius 1833 bestimmt worden, bleiben als ein verfassungsmäßiges Recht sowohl der Berechtigten, als der Verpflichteten in Kraft. Eine Abänderung der Bestimmungen über die Ablösung der Erbpachten in Ostfriesland im gesetzlichen Wege bleibt jedoch vorbehalten. § 42. Jeder Landes-Unterthan hat das Recht, in angemessener Form und unter Beobachtung der darüber erlassenen oder noch zu erlassenden Vorschriften, Gesuche oder Bitten an den König, an die allgemeine Stände-Versammlung (cfr. §. 127.) an die Provinzial-Landschaften und an die Landesbehörden zu bringen. Auch kann Jeder in seinen Angelegenheiten über gesetz- und ordnungswidriges Verfahren einer Behörde, oder über Verzögerung einer Entscheidung bei der unmittelbar vorgesetzten Behörde Beschwerde führen und dieselbe bis zur höchsten Behörde verfolgen. Mehrere Gemeinden oder Corporationen dürfen über Angelegenheiten, in Rücksicht deren sie nicht in einem verfassungsmäßigen Verbande mit einander stehen, keine gemeinschaftlichen Gesuche übergeben.10 § 43. Jedem Landes-Einwohner steht das Recht zu, unter Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen auszuwandern. § 44. Die besonderen Rechte der Standesherren, namentlich des Herzogs von Arenberg, des Herzogs von Looz-Corswaaren, des Fürsten von Bentheim, der Grafen zu Stolberg-Wernigerode und Stolberg-Stolberg sind durch Verordnungen und Königliche Zusicherungen festgestellt.

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DRITTES CAPITEL Von den Gemeinden und Körperschaften11 § 45. Jeder Landes-Einwohner, jedes Grundstück und jedes Haus muß in Beziehung auf die öffentlichen Verhältnisse einer Gemeinde oder einem Verbande mehrerer Gemeinden, oder aber einem für sich bestehenden bebaueten Domanial- oder sonstigen Gute angehören. Größere unbebauete Grundbesitzungen, deren Vereinigung mit Gemeinden, Gemeinde-Verbänden oder Gütern nach ihrer Belegenheit unzweckmäßig ist, können von der obern Verwaltungsbehörde von dieser Bestimmung ausgenommen werden.12 § 46. Die in Folge polizeilicher Einrichtungen erforderlichen Ausgaben und Leistungen sind sowohl die Gemeinden, als auch die für sich bestehenden Domainen und Güter und unbebaueten Grundbesitzungen zu tragen verpflichtet, so weit solche nicht Dritten vermöge Gesetzes, Herkommens oder Vertrages obliegen. § 47. Jedes Mitglied einer Gemeinde, so wie jedes zu solcher gehörige Haus oder Grundstück muß zu den aus den öffentlichen Verhältnissen der Gemeinde entspringenden Lasten verhältnißmäßig beitragen. Wenn ein Anschluß von Domainen, Gütern, Häusern oder sonstigen Besitzungen an eine Gemeinde oder an einen Gemeindeverband Statt findet, so können gegenseitig, ohne vorgängige Vereinbarung unter den Betheiligten über Ausgleichung oder Entschädigung, keine Lasten übertragen werden, welche lediglich zur Erfüllung früherer, aus der Zeit vor der Vereinigung herrührenden Verbindlichkeiten dienen. Dagegen haben die Hinzutretenden zu den übrigen Lasten der Gemeinde, so weit diese aus deren öffentlichen Verhältnissen entspringen, verhältnißmäßig beizutragen.13

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) § 48. In den privatrechtlichen Verhältnissen der einzelnen zu einem Gemeindeverbande bereits gehörenden, oder in denselben künftig aufzunehmenden Mitglieder, Güter und Grundstücke wird an sich durch die Bestimmungen der vorstehenden Paragraphen nichts verändert. § 49. Die neue Erwerbung einer Exemtion von Gemeindelasten ist unstatthaft. Was die bestehenden Exemtionen von Gemeindelasten anlangt, so sollen a. Real-Exemtionen auf Antrag der Gemeinden, und zwar so weit sie rechtlich begründet sind, nur gegen vorgängige Entschädigung aufgehoben werden. Nur allein die Königlichen und standesherrlichen Schlösser und Gärten bleiben unbedingt, die Grundstücke der Kirchen, Pfarren, Pfarrwitwenthümer, Schulen und milden Stiftungen aber bis zu weiterer gesetzlicher Bestimmung in der rechtlich bestehenden Ausdehnung von der Concurrenz zu Gemeindelasten befreiet. b. Persönliche Befreiungen von Gemeindelasten sollen nicht ferner Statt finden, jedoch bleibt die gesetzliche Bestimmung der Fälle, in welchen ausnahmsweise ein persönliches Recht auf Befreiung von Gemeindelasten beizubehalten seyn möchte, vorbehalten. Bis zur Erlassung dieser Gesetze bleiben die bisherigen Grundsätze in Kraft.14 § 50. Haben Einzelne sowohl im Falle des Anschlusses ihrer bisher nicht zur Gemeinde gehörenden Besitzungen, als auch bei Aufhebung der Real-Exemtionen in der Gemeinde allein oder vorzugsweise Ausgaben und Lasten für die öffentlichen Zwecke oder für die Bedürfnisse einer Gemeinde getragen, so soll, auf der Ersteren Antrag, denselben eine solche Ausgabe oder Last verhältnißmäßig gegen eine von ihnen zu leistende Entschädigung abgenommen oder bei Übernahme anderer Gemeindelasten angerechnet werden.15

§ 51. Die Besitzer derjenigen bisher exemten Güter und Höfe, welche entweder durch Anschluß ihrer Besitzung in eine Gemeinde neu eintreten oder deren rechtlich begründete Exemtion von Gemeindelasten aufgehoben wird, sollen befugt seyn, die ihnen dadurch zufallenden Naturaldienste und Leistungen durch billige, der Gemeinde dafür zu leistende Geldvergütungen zu reluiren, in so fern nicht dringende Gefahr im Verzuge ist, oder nicht Lasten in Frage kommen, welche von den Eintretenden schon vorher in natura zu tragen waren.16 § 52. Denjenigen, welche durch den Anschluß an eine Gemeinde oder durch Aufhebung von Exemtionen in die Lasten der Gemeinde mit eintreten, soll ein ihrer Concurrenz zu diesen Lasten, ihrem Interesse an den Gemeinde-Angelegenheiten und ihren Verhältnissen zu anderen Mitgliedern der Gemeinde entsprechendes Stimmrecht beigelegt werden. Auch sollen die Besitzer ganzer Güter befugt seyn, solches durch Bevollmächtigte auszuüben. Die etwaige Befugniß anderer Gemeindemitglieder, insbesondere der Besitzer der oben erwähnten Güter in ihrer Eigenschaft als Besitzer pflichtiger Besitzungen, das Stimmrecht in der Gemeinde durch Bevollmächtigte ausüben zu lassen, wird durch die vorstehenden Bestimmungen nicht verändert. § 53. Keine Gemeinde kann mit Ausgaben oder Leistungen beschwert werden, wozu sie nicht durch Recht oder Gesetz verbunden ist. Dasselbe gilt von mehreren in Einem Verbande stehenden Gemeinden. § 54. Zur Bildung einer Gemeinde, wie überhaupt einer jeden Corporation, wenn diese auch nicht von der Regierung ausgeht, gehört die Genehmigung der zuständigen obern Verwaltungsbehörde. Ohne diese kann auch eine bestehende Gemeinde ihren

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H ANNOVER Gemeindeverband weder durch Aufnahme anderer Gemeinden erweitern, noch durch Bildung neuer Gemeinden verändern, noch ihre Gemeinde-Verfassung eigenmächtig abändern.

verpflichten die Regierung nicht. Das Vermögen und Einkommen derselben und ihrer Anstalten darf nie als Staats-Vermögen behandelt und nicht mit den Staats-Einnahmen vereinigt werden.

§ 55. Die Zulassung neuer Mitglieder in eine Gemeinde kann gegen den Willen der Letztern nur aus einem in den bestehenden oder noch zu erlassenden Gesetzen bestimmten Grunde Statt finden. Bei Besetzung von An- und Abbauern, welche der Gemeinde bereits angehören, in welcher sie bauen wollen, ist die Gemeinde jedesmal mit ihren etwaigen Einwendungen zu hören.

§ 58. Die städtischen Obrigkeiten und deren Mitglieder, wie auch die Beamten der Landgemeinden sind zur Verwaltung der Gemeindesachen, so wie zur Besorgung der ihnen durch Gesetz, Verfassung oder Herkommen oder von den höheren Behörden übertragenen Landes-Angelegenheiten in ihrer Gemeinde verpflichtet. In Fällen, wo ein Gemeindebeamter die Erfüllung dieser Verpflichtungen vermöge seiner Eigenschaft als Gemeindebeamter ablehnen zu können vermeint, entscheidet hierüber die Regierung.18

§ 56. Den Gemeinden und den Verbänden mehrerer Gemeinden steht das Recht zu, ihr Vermögen selbst zu verwalten. Die Oberaufsicht der Verwaltungsbehörde über diese Vermögensverwaltung, so wie über die Vertheilung und Verwendung der Gemeindeabgaben und Leistungen darf sich nicht weiter erstrecken, als dahin, daß das Vermögen erhalten, dessen Einkünfte ihrer Bestimmung und dem Besten der Gemeinde gemäß verwandt und bei Anordnung und Vertheilung der Gemeindeabgaben angemessene, auch die Rechte der übrigen Landes-Einwohner und das allgemeine Wohl nicht verletzende Grundsätze befolgt werden. Auch steht der Verwaltungsbehörde die Entscheidung von Beschwerden zu, welche gegen die Gemeinde-Verwaltung erhoben werden möchten. Die Einführung neuer oder die Abänderung bestehender Beitragsverhältnisse, in Beziehung auf Abgaben und Leistungen der Gemeinden und Gemeindeverbände, kann, unter Beobachtung der darunter bestehenden Rechtsgrundsätze, durch Gemeindebeschluß, jedoch nur unter Bestätigung der obern Verwaltungsbehörde geschehen.17 § 57. Die Verbindlichkeiten der Gemeinden, so wie überhaupt aller Corporationen

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§ 59. Die Verfassung und Verwaltung der Städte wird, nach vorgängiger Verhandlung mit denselben, durch zu verkündigende, vom Könige zu vollziehende Urkunden oder Reglements nach folgenden Grundsätzen geordnet werden: 1) Die Bürgerschaften ernennen durch freie Wahl ihre Vertreter, jedoch nicht auf deren Lebenszeit; 2) Die Städte haben das Recht, ihre Magistrate und übrigen Gemeinde-Beamte selbst zu erwählen. An den Wahlen nehmen die Bürgerschaften mit den Magistraten, erstere durch ihre Vertreter, Theil. Die höhere Bestätigung ist nur bei den Wahlen der stimmführenden Mitglieder des Magistrats und des Stadtgerichts, so wie bei dem Stadtrechnungsführer erforderlich. Übrigens sollen hierunter etwaige nähere Bestimmungen, theils über ein ferneres Aufrücken der einmal Angestellten, theils über die Präsentation mehrerer Personen zur Auswahl der Regierung nicht ausgeschlossen werden. 3) Die Vertreter der Bürgerschaft nehmen wenigstens an allen Angelegenheiten Antheil, welche das Vermögen der Stadt, deren

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) Rechte und Gerechtigkeiten, wie auch deren Verbindlichkeiten betreffen, namentlich an der Veranlagung und Vertheilung neuer und der abermaligen Prüfung bestehender Gemeinde-Abgaben, Lasten und Leistungen. 4) Ihrer Controle ist die Verwaltung des städtischen Vermögens und die Rechnungsablage über dieselbe unterworfen. 5) Gemeinschaftliche oder übereinstimmende Beschlüsse des Magistrats und der Vertreter der Bürgerschaft über die Verwendung der laufenden Einnahme aus dem Gemeinde-Vermögen bedürfen in der Regel der höhern Bestätigung nicht. Indeß muß der Magistrat im Anfange eines jeden Rechnungsjahrs einen von den Vertretern der Bürgerschaft genehmigten, der städtischen Verwaltung als Vorschrift dienenden Haushaltsplan, und nach Ablauf des Rechnungsjahrs einen Auszug aus den von den Vertretern geprüften und von dem Magistrate abgenommenen städtischen Rechnungen der Bürgerschaft bekannt machen und der die Oberaufsicht führenden Regierungsbehörde einsenden. Auch hat die obere Verwaltungsbehörde alljährlich eine Superrevision der Rechnungen vorzunehmen. Über die aus dieser Superrevision hervorgehenden monita hat der Magistrat unter Zuziehung der Vertreter mit den Rechnungsführern zu verhandeln, die alsdann verbleibenden Differenzen entscheidet die obere Verwaltungsbehörde. 6) Die Regierung kann unter den Mitgliedern der Magistrate die Person bestimmen, welche die städtische Polizei besorgen soll. Auch kann sie, wo besondere Umstände solches erforderlich machen, eine eigene Polizeibehörde anordnen. Die dadurch verursachten außerordentlichen Kosten trägt die Regierung. Aber auch in diesem Falle soll den Magistraten die Besorgung Dessen verbleiben, was die Gewerbe-Verhältnisse, die Einrichtung, Verwaltung und Beaufsichtigung der städtischen Güter und Anstalten,

und der für gemeinsame städtische Zwecke bestimmten Privatanstalten zum Gegenstande hat. Schon bestehende Verfassungs-Urkunden einzelner Städte werden bei Revidirung derselben, unter Berücksichtigung der Localverhältnisse, so wie unter Zuziehung von Vertretern der Bürgerschaft mit den vorstehenden Grundsätzen in Übereinstimmung gebracht werden. Diese Grundsätze sind gleichfalls bei Festsetzung der Verfassung der Flecken, jedoch unter den durch die Verhältnisse gebotenen Beschränkungen und Ausnahmen, zur Anwendung zu bringen.19 § 60. Den Landgemeinden steht unter Aufsicht der Verwaltungsbehörden die eigene Verwaltung ihres Vermögens und die Regulirung der ihnen obliegenden Gemeindeabgaben und Leistungen zu. Es sollen die Landgemeinden in der Regel das Recht haben, ihre Gemeinde-Beamte mit Vorbehalt obrigkeitlicher Bestätigung zu wählen. Ausnahmen von dieser Regel finden auf den Grund vorhandener Berechtigungen Statt; sie können aber auch wegen besonderer Verhältnisse in den Gemeinden bestehen.20 § 61. Die behuf Einrichtung der Landgemeinden zu erlassenden gesetzlichen Bestimmungen, in so weit es deren bedarf, sind im Wege der Provinzial-Gesetzgebung zu treffen.21 § 62. Den in den verschiedenen Provinzen bestehenden ritterschaftlichen Corporationen verbleiben ihre statutenmäßigen Rechte. Den Ritterschaften steht die Befugniß zu, ihre Statuten mit Königlicher Genehmigung abzuändern oder neue Statuten einzuführen. Auch sind dieselben insbesondere befugt, mit Königlicher Genehmigung Vereine zur Erhaltung ihrer Güter zu errichten.22

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H ANNOVER

VIERTES CAPITEL Von den Kirchen, UnterrichtsAnstalten und milden Stiftungen § 63. Der evangelischen und römisch-katholischen Kirche werden freie öffentliche Religionsübung und ihre verfassungsmäßigen Rechte zugesichert. § 64. Dem Könige gebührt, kraft der Ihm zustehenden Staatsgewalt, über beide Kirchen das Oberaufsichts- und Schutzrecht. § 65. Die Anordnung der geistlichen Angelegenheiten bleibt, unter Oberaufsicht des Königs, der in der Verfassung einer jeden dieser Kirchen gegründeten Kirchengewalt überlassen. § 66. In der evangelischen Kirche werden die Rechte der Kirchengewalt vom Könige in Gemäßheit der bestehenden Kirchenverfassung unmittelbar, oder mittelbar durch die Consistorial- oder Presbyterialbehörden, welche aus evangelischen Geistlichen und weltlichen Personen bestehen sollen, unter Königlicher Oberaufsicht ausgeübt. Jedoch sind künftig etwa zu treffende nähere Bestimmungen über die innere Organisation und den Geschäftskreis dieser Behörden nicht ausgeschlossen. Durch ein Gesetz kann die streitige und freiwillige Gerichtsbarkeit der Consistorien den weltlichen Gerichten beigelegt werden. Den Gemeinden und Einzelnen sollen die in Hinsicht der im ersten Absatze dieses §. erwähnten Verhältnisse ihnen zustehenden Rechte ungekränkt erhalten werden. Sollten für das ganze Königreich oder ganze Landestheile neue Kirchen-Ordnungen erlassen oder in wesentlichen Grundsätzen derselben, und namentlich in der Liturgie Veränderungen gemacht werden, so ist darüber mit einer vom Könige zusammenzuberufenden Versammlung von geistlichen und weltlichen Personen, welche theils vom

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Könige bestimmt, theils von den Geistlichen und Gemeinden in den betreffenden Landestheilen auf die sodann durch Verordnung zu bestimmende Weise gewählt werden, zu berathen.23 § 67. Bekennt sich der König oder der Regent nicht zur evangelischen Kirche, so werden die Rechte der Kirchengewalt einstweilen von den vereinten evangelischen Staats-Ministern ausgeübt. Zur Sicherstellung des Rechtszustandes der evangelischen Kirche sollen sodann über die Art und Weise der Ausübung der Kirchengewalt die erforderlichen Anordnungen, mit Zustimmung der allgemeinen Stände-Versammlung, getroffen werden. § 68. In der römisch-katholischen Kirche gebührt den Bischöfen oder Administratoren der Diöcesen Hildesheim und Osnabrück die Ausübung der Kirchengewalt in Gemäßheit der Verfassung dieser Kirche. Die im §. 64. namhaft gemachten Rechte der Staatsgewalt werden auch in Hinsicht der Verwaltung des Vermögens der einzelnen römisch-katholischen Kirchen und der kirchlichen und milden Stiftungen vom Könige unmittelbar, oder mittelbar durch die von Ihm dazu bestellten Behörden ausgeübt. § 69. Alle allgemeinen Anordnungen der römisch-katholischen Kirchenbehörden, welche nicht rein geistliche Gegenstände betreffen, können nur nach vorher erfolgter ausdrücklicher Königlicher Genehmigung verkündigt und vollzogen werden. Betreffen jene Anordnungen reine Glaubens-, kirchliche Lehr- und Disciplinar-Sachen, so sind sie vor deren Bekanntmachung, behuf Ausübung des Oberaufsichtsrechts (§. 64.), dem Könige zur Einsicht vorzulegen. § 70. Alle amtlichen Communicationen mit dem päbstlichen Stuhle und mit auswärtigen Kirchen-Versammlungen müssen dem

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) Könige zur Einsicht vorgelegt werden. Die vom päbstlichen Stuhle oder von auswärtigen Kirchen-Versammlungen an die römisch-katholische Kirche im Königreiche, an ganze Kirchen-Gemeinden oder an einzelne Personen in denselben zu erlassenden Bullen, Breven, Rescripte, Beschlüsse oder sonstige Schreiben bedürfen vor ihrer Verkündigung oder Behändigung des Königlichen Placet, wenn sie nicht rein geistliche Gegenstände betreffen. Wenn dieselben rein geistliche Gegenstände betreffen, so sind sie, behuf Ausübung des Oberaufsichtsrechts (§. 64.), dem Könige zur Einsicht vorzulegen. Ausgenommen von den Bestimmungen dieses Paragraphen sind die Communicationen in Gewissenssachen einzelner Personen.24 § 71. Beschwerden über Mißbrauch der Kirchengewalt können auch bis an den König gebracht werden, welcher, nach Anhörung des Staatsrathes, darüber entscheiden wird.25 Sind diese Beschwerden von der Beschaffenheit, daß sie verfassungsmäßig an die Kirchen-Obern gelangen können, so sind sie zunächst an diese und erst alsdann, wenn hier keine Abhülfe erfolgt, an die weltliche Regierungsbehörde und zuletzt an den König zu bringen. § 72. Die nicht unmittelbar vom Könige oder Dessen Behörden, sondern von Dritten ernannten oder präsentirten Prediger oder Pfarrer und anderen höheren Kirchendienern der evangelischen und römisch-katholischen Kirche bedürfen der Bestätigung des Königs oder der dazu von Ihm bestimmten Behörden, welche jedoch ohne erhebliche Gründe nicht verweigert werden wird.26 Über die canonischen Eigenschaften des zu Bestätigenden entscheidet die geistliche Behörde allein.

Vor erfolgter Bestätigung hat der Ernannte oder Präsentirte kein Recht auf die Ausübung der Amtsgeschäfte und auf den Genuß der Amtseinkünfte. Die einstweilige Besorgung der Geschäfte eines erledigten Kirchenamts hat die geistliche Behörde allein anzuordnen, vorbehaltlich der auch bei einstweiligen Anstellungen von Geistlichen der Regierung zustehenden Bestätigung. § 73. Der König gewährt durch Seine Behörden sämmtlichen Kirchendienern jede zur ordnungsmäßigen Ausübung ihrer Amtsgeschäfte erforderliche gesetzliche Unterstützung und schützt sie in der ihnen zukommenden Amtswürde. Sämmtliche Kirchendiener sind in Hinsicht ihrer bürgerlichen Verhältnisse und Handlungen, wie auch ihres Vermögens den Gesetzen des Landes unterworfen. § 74. Die Entlassung der Kirchendiener von ihrem Amte, wie auch deren Suspension vom Amte, verbunden mit der vom Gehalte, kann im Disciplinar-Verfahren nicht anders Statt finden, als nachdem die Kirchenbehörde eine gehörige Untersuchung angestellt und die Kirchendiener mit ihrer Vertheidigung hinreichend gehört hat. In Hinsicht der Prediger oder Pfarrer und der übrigen höheren Geistlichen ist in solchen Fällen die Bestätigung des zuständigen Departements-Ministers oder des Königs erforderlich. Bloße Amts-Suspension kann beim Anfange einer wider einen Kirchendiener angestellten Untersuchung sofort von der geistlichen Behörde verfügt werden. § 75. Das gegenwärtige und zukünftige Vermögen aller Stiftungen ohne Ausnahme darf unter keinem Vorwande zum StaatsVermögen gezogen oder zu anderen, als den gesetz- oder stiftungsmäßigen Zwecken verwandt werden. Über die Befugniß, eine Privatstiftung mit Bewilligung aller Betheilig-

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H ANNOVER ten aufzuheben, entscheiden die Vorschriften der Rechte. Dem Könige gebührt das Oberaufsichtsrecht über alle für kirchliche Zwecke, für den Unterricht oder für andere öffentliche Zwecke bestimmten Stiftungen. Auf Stiftungen, welche nicht für öffentliche Zwecke bestimmt sind, erstreckt sich das Oberaufsichtsrecht nicht anders, als wenn sie der Oberaufsicht der Regierungsgewalt besonders anvertraut sind und solche von dieser übernommen ist. Ist durch den Stifter oder die dabei betheiligten Personen für die Verwaltung der Stiftungen eine Bestimmung getroffen, so berechtigt das Oberaufsichtsrecht nicht zu einer Einmischung in die Verwaltung selbst. Eine Abänderung der im zweiten Absatze dieses Paragraphen bezeichneten Stiftungen kann von der Regierungsgewalt nur nach vorgängiger Vernehmung der zur Verwaltung und Aufsicht etwa Berechtigten und nur dann vorgenommen werden, wenn der Zweck der Stiftung auf die vorgeschriebene Weise nicht mehr zu erreichen ist. Indeß muß das Vermögen, unter thunlichster Berücksichtigung der Wünsche der zur Verwaltung und Aufsicht etwa Berechtigten, zu gleichen oder möglichst ähnlichen und der muthmaßlichen Absicht des Stifters am meisten entsprechenden Zwecken wieder verwandt werden. Wenn bei der Entscheidung der zuständigen obern Verwaltungsbehörde über die Nothwendigkeit der Abänderung, oder über die künftige Verwendung des Vermögens einer Stiftung die zur Aufsicht oder Verwaltung etwa Berechtigten sich nicht beruhigen wollen, so steht es ihnen zu, sich dieserhalb an den betreffenden Departments-Minister und erst dann, wenn hier keine Abhülfe erfolgt, an den König zu wenden, welcher nach Anhörung des Staatsrathes entscheidet. Für beide Fälle gelten die im §. 35. bestimmten Fristen.27 Bei Abänderung von geistlichen Stiftun-

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gen muß die den Kirchen-Obern zustehende Mitwirkung eintreten. Auch bleiben die Bestimmungen des §. 35. des Reichsdeputations-Hauptschlusses vom 25sten Februar 1803 in Rücksicht der in demselben bezeichneten Güter, in so fern eine endliche Verfügung darüber noch nicht getroffen worden ist, ausdrücklich vorbehalten. § 76. In so fern die Verwalter des Vermögens der einzelnen Kirchen und der dazu gehörenden Stiftungen und Armenanstalten den bisherigen Einrichtungen gemäß nicht von der Kirchengemeinde gewählt werden und diese an der Verwaltung einen größern Antheil nicht gehabt, sollen den Verwaltern dieses Vermögens in jeder Kirchengemeinde nach den darüber zu erlassenden besonderen Verfügungen einige von der Kirchengemeinde zu erwählende Vorsteher unter Mitwirkung der Pfarrgeistlichen zur Seite stehen, welche bei allen wichtigen, auf die Verwaltung sich beziehenden Maßregeln, bei Veräußerungen einzelner Theile dieses Vermögens, wie auch der zur Dotation der Kirchenämter und der zu Pfarrwitwenthümern gehörenden Grundstücke oder Gerechtigkeiten, ferner bei Werken, die zu kirchlichen oder geistlichen Zwecken unternommen, nicht weniger bei Leistungen, die zu solchen Zwecken ausgeschrieben werden, und endlich bei der Rechnungsablage gehört werden müssen. Hiedurch sollen jedoch so wenig die Rechte der Kirchenpatronen in Ansehung der Wahl von Rechnungsführern, Kirchen-Vorstehern, Juraten etc. verändert werden, als die diesen Personen selbst etwa zustehenden Rechte. In denjenigen Fällen, in welchen der Kirchenpatron die Ausgaben ausschließlich bestreitet, tritt die Bestimmung dieses §. nicht ein. Auch soll diese Bestimmung den in einzelnen Landestheilen bestehenden Einrichtungen, nach welchen die Vorsteher der Kirchengemeinden auf andere Weise vorge-

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) schlagen oder ernannt werden, nicht entgegenstehen.28 § 77. Der Unterricht in den Volksschulen bleibt der Aufsicht der Pfarrer und der zuständigen kirchlichen Behörde, unter Oberaufsicht des Königs, überlassen.29 § 78. Die im dritten Capitel dieser Verfassungs-Urkunde enthaltenen Bestimmungen über Gemeindelasten finden, als solche, keine Anwendung auf diejenigen Grundsätze, nach welchen die Ausgaben für Kirchen und Schulen, namentlich für Unterhaltung von Kirchen, Pfarr- und Schulgebäuden aufzubringen sind oder für solche Zwecke Dienste geleistet werden müssen.30 § 79. Das von den vormaligen Klöstern und anderen ähnlichen Stiftungen in den verschiedenen Theilen des Königreichs herrührende, zu einer abgesonderten Masse vereinigte Vermögen soll von den übrigen öffentlichen Cassen gänzlich getrennt bleiben, und allein zu Zuschüssen für die Landes-Universität, für Kirchen und Schulen, auch zu milden Zwecken aller Art verwandt werden. Die Verwaltung dieses Vermögens gebührt allein der vom Könige dazu bestellten Behörde. Den allgemeinen Ständen soll im Anfange eines jeden Landtags eine Übersicht der daraus Statt gehabten Verwendungen und der mit der Substanz desselben vorgegangenen Veränderungen zur Nachricht mitgetheilt werden. Veräußerungen einzelner Theile dieses Kloster-Vermögens sind, der Regel nach, unzulässig und können nur unter denselben Bedingungen und Voraussetzungen Statt finden, unter welchen eine Veräußerung von Domainen und Regalien zufolge §. 131. dieser Verfassungs-Urkunde erlaubt ist.31

FÜNFTES CAPITEL Von den Landständen

Titel I Von den Landständen überhaupt § 80. Für die einzelnen Provinzen des Königreichs sollen Provinzial-Landschaften, für das ganze Königreich aber soll eine allgemeine Stände-Versammlung bestehen.32 § 81. Provinzial-Landschaften sollen bestehen: 1) für die Fürstenthümer Calenberg, Göttingen und Grubenhagen, nebst den vormals Hessischen Ämtern im Fürstenthume Göttingen und dem diesseitigen Eichsfelde; 2) für das Fürstenthum Lüneburg, mit Einschluß der diesseitigen Theile des Herzogthums Sachsen-Lauenburg; 3) für die Grafschaften Hoya und Diepholz, mit den vormals Hessischen Ämtern in diesen Provinzen; 4) für die Herzogthümer Bremen und Verden; 5) für das Fürstenthum Osnabrück; 6) für das Fürstenthum Hildesheim, nebst der Stadt Goslar; 7) für das Fürstenthum Ostfriesland und das Harrlingerland. In wie fern in anderen Landestheilen auch Provinzial-Landschaften eingerichtet, oder jene andern Provinzial-Landschaften angeschlossen werden sollen, wird weiteren Verhandlungen der Regierung mit den Betheiligten vorbehalten. § 82. Den Provinzial-Landschaften verbleiben ihre Rechte, so weit solche nicht auf die allgemeine Stände-Versammlung übergegangen sind. Die Provinzial-Landschaften haben das Recht der Zustimmung zur Erlassung, Wiederaufhebung, Abänderung und authentischen Interpretation aller Provinzialgesetze,

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H ANNOVER durch welche die persönliche Freiheit, das Privateigenthum, oder sonstige wohlerworbene Rechte der Unterthanen entzogen oder beschränkt werden. Inzwischen ist die Zustimmung der Provinzial-Landschaften nicht erforderlich bei solchen Provinzial-Verordnungen, welche allein die Ausführung und Handhabung bestehender Gesetze (§. 121.) oder die Erlassung vorübergehender gesetzlicher Verfügungen außerordentlicher Natur (§. 122.) bezwecken, oder in Anordnungen der Sicherheits- oder Wohlfahrtspolizei bestehen. Größere Rechte, wo sie bestehen, sollen hiedurch eben so wenig ausgeschlossen werden, als das rathsame Gutachten bei anderen Provinzialgesetzen. Provinzielle Abgaben und Lasten bedürfen der Bewilligung der Provinzialstände.33

Titel II Von den allgemeinen Ständen34 § 83. Die allgemeine Stände-Versammlung besteht aus zwei Cammern, welche in ihren Rechten und Befugnissen sich gleich sind.

I Erste Cammer § 84. Die erste Cammer soll bestehen aus: 1) den Königlichen Prinzen, Söhnen des Königs, und den übrigen Prinzen der Königlichen Familie; 2) dem Herzoge von Arenberg, dem Herzoge von Looz-Corswaaren und dem Fürsten von Bentheim, so lange sie im Besitze ihrer Standesherrschaften sich befinden; 3) dem Erblandmarschall des Königreichs, 4) den Grafen von Stolberg-Wernigerode und von Stolberg-Stolberg wegen der Grafschaft Hohnstein,

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5) dem General-Erbpostmeister, Grafen von Platen-Hallermund, 6) dem Abte von Loccum, 7) dem Abte von St. Michaelis in Lüneburg, 8) dem Präsidenten der Bremenschen Ritterschaft, als Director des Klosters Neuenwalde, 9) dem oder den katholischen Bischöfen, 10) einem auf die Dauer des Landtags vom Könige zu ernennenden angesehenen evangelischen Geistlichen, 11) den vom Könige mit einer erblichen Virilstimme begnadigten Majoratsherren, 12) dem Director der Königlichen Domainen-Cammer, 13) dem Präsidenten des Ober-Steuerund Schatz-Collegiums, 14) den in den Provinzial-Landschaften erwählten Mitgliedern des Schatz-Collegiums, welche adelige Mitglieder einer Ritterschaft sind, 15) den von den Ritterschaften auf die Dauer eines Landtags zu erwählenden Deputirten, nämlich: von der Calenberg-Grubenhagenschen Ritterschaft . . . . . . . . . . . . . . acht, von der Lüneburgschen Ritterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . sieben, von der Bremen- und Verdenschen Ritterschaft . . . . . . . . . . . . . . sechs, von denen fünf von der Bremenschen und einer von der Verdenschen Ritterschaft zu erwählen ist; von der Hoya- und Diepholzschen Ritterschaft . . . . . . . . . . . . . . drei, von der Osnabrückschen Ritterschaft, mit Einschluß von Meppen und Lingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fünf, von der Hildesheimschen Ritterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vier, von der Ostfriesischen Ritterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . zwei, mit dem Vorbehalte, letztere Anzahl zu vermehren, wenn die Zahl der ritterschaftlichen Mitglieder sich vergrößern sollte;

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) 16) einem auf die Dauer des Landtags vom Könige zu ernennenden Mitgliede adeligen Standes. § 85. Ein persönliches erbliches Stimmrecht wird der König nur solchen Majoratsherren verleihen, deren Majorat aus einem im Königreiche belegenen Rittersitze nebst anderem, ebenfalls im Lande belegenen gutsherrnfreien Grundvermögen besteht und nach Abzug der Zinsen der auf demselben ruhenden hypothekarischen Schulden und der sonstigen fortwährenden Lasten wenigstens 6000 Thlr.35 reiner jährlicher Einkünfte gewährt. Sobald eine stärkere Belastung des Majorats eintritt, ruhet einstweilen das erbliche Stimmrecht des Besitzers. § 86. Das Recht der Beilegung einer erblichen Virilstimme steht unter den verfassungsmäßigen Bedingungen dem Könige ohne Rücksicht auf die Zahl der bereits vorhandenen Virilstimmen und abgesehen von einer darunter eintretenden Erledigung zu. Die Errichtung des Majorats giebt kein Recht auf die Beilegung einer Virilstimme, sondern ist lediglich die Bedingung, ohne deren Erfüllung ein erbliches Stimmrecht nicht verliehen werden kann. § 87. Die Deputirten der Ritterschaften (§. 84. No. 15) müssen aus ihrem im Königreiche belegenen Grundbesitze ein Einkommen haben, welches nach Abzug der Zinsen der auf demselben haftenden hypothekarischen Schulden und sonstiger fortwährenden Lasten jährlich sechshundert Thaler beträgt. Sie müssen Mitglieder der wählenden Ritterschaft seyn.

II Zweite Cammer § 88. Die zweite Cammer soll bestehen aus folgenden, auf die Dauer des Landtags

zu erwählenden Deputirten: 1) den in den Provinzial-Landschaften erwählten Mitgliedern des Schatz-Collegiums, welche nicht adeligen Standes sind, 2) drei Mitgliedern, welche der König wegen des allgemeinen Klosterfonds ernennt, 3) drei Deputirten der Stifter: St. Bonifacii in Hameln, St. Cosmae und Damiani in Wunstorf, St. Alexandri in Einbeck, St. Beatae Mariae Virginis daselbst, des Stifts Bardowiek und des Stifts Ramelslohe. Die Deputirten sind von diesen Stiftern, unter Zuziehung von höheren Geistlichen und Predigern aus der Zahl protestantischer Geistlichen oder solcher Männer, welche an der Verwaltung des höhern Schulwesens Theil nehmen, in dem Maße zu erwählen, daß wenigstens zwei ordinirte protestantische Geistliche unter denselben sich befinden. 4) einem Deputirten der Universität Göttingen, 5) zwei von den evangelischen Königlichen Consistorien zu erwählenden Deputirten, 6) einem Deputirten des Domcapitels zu Hildesheim, 7) sechs und dreißig Deputirten nachfolgender Städte und Flecken: einem Deputirten der Residenzstadt Hannover, einem Deputirten der Stadt Göttingen, einem Deputirten der Stadt Northeim, einem Deputirten der Stadt Hameln, einem Deputirten der Stadt Einbeck, einem Deputirten der Stadt Osterode, einem Deputirten der Stadt Duderstadt, einem Deputirten der Städte Moringen, Uslar, Hardegsen, Dransfeld und Hedemünden, einem Deputirten der Stadt Münden, einem Deputirten der Städte Münder, Pattensen, Neustadt am Rübenberge, Springe,

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H ANNOVER Wunstorf, Eldagsen, Bodenwerder und Rehburg, einem Deputirten der Städte Clausthal und Zellerfeld, einem Deputirten der übrigen fünf Bergstädte, mit Einschluß von Herzberg, Elbingerode und Lauterberg, einem Deputirten der Stadt Lüneburg, einem Deputirten der Stadt Uelzen, einem Deputirten der Stadt Celle, einem Deputirten der Stadt Harburg, einem Deputirten der Städte Lüchow, Dannenberg und Hitzacker, einem Deputirten der Städte Soltau, Walsrode, Burgdorf und Gifhorn, einem Deputirten der Stadt Stade, einem Deputirten der Stadt Buxtehude, einem Deputirten der Stadt Verden, einem Deputirten der Stadt Nienburg, einem Deputirten der Hoyaischen Flecken, einem Deputirten der Diepholzschen Flecken, einem Deputirten der Stadt Osnabrück, einem Deputirten der Städte Quackenbrück, Fürstenau, und des Fleckens Melle, einem Deputirten der Städte Meppen, Lingen und Haselünne, einem Deputirten der Stadt Goslar, einem Deputirten der Stadt Hildesheim, einem Deputirten der Städte Alfeld, Peine und Bockenem, einem Deputirten der Städte Elze, Gronau, Sarstedt und Dassel, einem Deputirten der Stadt Emden, einem Deputierten der Städte Aurich und Esens, einem Deputirten der Stadt Norden, einem Deputirten der Stadt Leer, einem Deputirten der Städte Schüttorf, Nordhorn und Neuenhaus, wie auch des Fleckens Bentheim; Eine Vermehrung der Gesammtzahl dieser Deputirten von 36 auf 37 mittelst eines der Residenzstadt Hannover beizulegenden zweiten Deputirten bleibt dem Könige vor-

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behalten. 8) neun und dreißig Deputirten der sämmtlichen Grundbesitzer aus den unter No. 7. nicht aufgeführten Städten und Flecken, aus den Freien und dem Bauernstande, nämlich: von den Fürstenthümern Calenberg, Göttingen und Grubenhagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fünf, von der Grafschaft Hohnstein . . . einem, von dem Fürstenthume Lüneburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fünf, von den Bremenschen Marschen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fünf, von der Bremenschen Geest und dem Herzogthume Verden . . . . . . . drei, von dem Lande Hadeln, mit Einschluß der Stadt Otterndorf . . . . . . zwei, von den Grafschaften Hoya und Diepholz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vier, und zwar von den in der Ritterschafts-Matrikel stehenden Freien . . . . . . . . . . . . . . . . . zwei, und von den übrigen Grundbesitzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . zwei, von dem Fürstenthume Osnabrück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . drei, von dem Herzogthume ArenbergMeppen und der Niedergrafschaft Lingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . zwei, von dem Fürstenthume Hildesheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . drei, von dem Fürstenthume Ostfriesland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fünf, von der Grafschaft Bentheim . . . einem. § 89. Die von den Städten und Flecken zu erwählenden Deputirten (§. 88. No. 7.), imgleichen der Deputirte der Grafschaft Hohnstein und einer von den Deputirten des Landes Hadeln, müssen entweder aus ländlichem oder städtischem Grundbesitze oder aus im Lande radicirten Captalien ein reines Einkommen von dreihundert Thalern, welches, wenn nicht durch Erbschaft, wenigstens ein Jahr

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) vor der Wahl erworben gewesen seyn muß, besitzen, oder eine jährliche Diensteinnahme von achthundert Thalern, als Gemeinde-Beamte aber von vierhundert Thalern genießen, oder endlich von ihrer Wissenschaft, ihrer Kunst oder ihrem Gewerbe ein jährliches Einkommen von tausend Thalern beziehen, auch solches bereits drei Jahre vor der Wahl gehabt haben. § 90. Die Deputirten der Grundbesitzer (§. 88. No. 8.), mit Ausnahme des Deputirten der Grafschaft Hohnstein und eines von den Deputirten des Landes Hadeln, müssen 1) Grundbesitzer in der Provinz seyn, aus welcher sie gewählt werden, 2) aus ihrem ererbten, oder wenigstens ein Jahr vor der Wahl erworbenen und im Königreiche belegenen Grundvermögen ein reines Einkommen von jährlich dreihundert Thalern haben. § 91. An der Wahl der städtischen Deputirten sollen, außer den stimmführenden Mitgliedern des Magistrats, auch die Bürgervorsteher und diejenigen Wahlmänner Theil zu nehmen berechtigt seyn, welche hiezu von den Bürgern besonders erwählt waren. Mehrere Städte, welche zusammen Einen Deputirten zu erwählen haben, wählen gemeinschaftlich durch eine Wahlversammlung, jedoch sind dieselben, falls nicht mehr als drei concurriren, auch befugt, einzeln der Reihe nach zu wählen. Die Deputirten der nicht zu einer Ritterschaft gehörenden Grundbesitzer werden, mit Vorbehalt jedoch der für die Bremischen Marschen, das Land Hadeln, die Hoya- und Diepholzischen Freien, die Grafschaft Hohnstein und den dritten Stand in Ostfriesland bestehenden oder zu treffenden besonderen Einrichtungen, durch Wahlmänner gewählt, welche von den Bevollmächtigten der Gemeinden bestellt werden.

III Gemeinschaftliche Bestimmungen für beide Cammern § 92. Die Wahlberechtigten jeder Art sind verpflichtet, die ihnen zustehende Wahl zeitig und gehörig vorzunehmen. § 93. Die Mitglieder beider Cammern müssen 1) einer der im Königreiche anerkannten christlichen Kirchen zugethan seyn, 2) das fünf und zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt haben, 3) im Königreiche wohnen, und 4) nicht in auswärtigem wirklichen Dienste stehen Ausgenommen sind: a. Von den Bestimmungen unter den Nris. 2. 3. und 4. die Prinzen des Königlichen Hauses. Der Kronprinz ist nach dem zurückgelegten 18ten Jahre, jeder der übrigen Prinzen nach dem vollendeten 21sten Jahre in die erste Cammer einzutreten berechtigt. b. Von den Bestimmungen unter den Nris. 3. und 4. die Standesherren und diejenigen, welche in den Herzoglich-BraunschweigWolfenbüttelschen Landen wohnen oder daselbst ein Amt bekleiden, so lange hierunter das Gleiche beobachtet wird. c. Von der Bestimmung unter der No. 3. Rittergutsbesitzer, die Unterthanen eines andern Bundesstaates und zugleich Mitglieder einer Ritterschaft im Königreiche Hannover sind, so lange in dem erstgedachten Staate nicht das Gegentheil vorgeschrieben ist. § 94. Wer wegen eines Criminal-Verbrechens bestraft, oder deswegen in Untersuchung gezogen worden ist, ohne von der Beschuldigung völlig freigesprochen zu seyn, kann nicht Mitglied der Stände-Versammlung seyn. Indeß hat der König, bei nicht entehrenden Verbrechen, das Recht, die auf vorgedachte Weise verlorne Fähigkeit, Mitglied der Stände-Versammlung zu seyn, wiederherzustellen.

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H ANNOVER § 95. Personen, über deren Vermögen während ihrer Verwaltung Concurs ausgebrochen ist, können vor Befriedigung ihrer Gläubiger weder zu Mitgliedern der StändeVersammlung erwählt werden, noch, wenn sie zur Zeit des Ausbruches des Concurses Mitglieder sind, in derselben bleiben. Ist aber der Concurs unter den Vorfahren der Grundeigenthümer ausgebrochen, so können diese als Mitglieder der StändeVersammlung zugelassen werden, falls sie die dazu sonst erforderlichen Eigenschaften, namentlich das vorher bestimmte jährliche Einkommen besitzen, wozu auch ihre Competenz gerechnet werden soll. § 96. Jeder Königliche Diener geistlichen oder weltlichen Standes, mag derselbe vom Könige ernannt oder bestätigt seyn, bedarf zur Theilnahme an der allgemeinen Stände-Versammlung der Erlaubniß der vorgesetzten Oberbehörde. § 97. Die Wahlversammlungen müssen sich von dem Vorhandenseyn der, in den §§. 87. 89. 90. 93. bis 95. einschließlich, vorgeschriebenen Qualificationen der zu erwählenden Deputirten gebührend überzeugen. § 98. Sämmtliche Mitglieder der allgemeinen Stände-Versammlung müssen bei ihren Verhandlungen das Wohl des ganzen Königreichs vor Augen haben, und dürfen sich durch Instructionen nicht binden lassen. § 99. Die Mitglieder der Stände-Versammlung dürfen ihre Stimme auf ein anderes Mitglied nicht übertragen. Indeß können 1) die §. 84 No. 2. und 4. aufgeführten Mitglieder der ersten Cammer durch dazu bevollmächtigte Agnaten ihres Hauses, 2) der Erblandmarschall des Königreichs, der General-Erbpostmeister Graf von Platen-Hallermund, und die Majoratsherren durch ihre volljährigen ältesten Söhne, 3) der nach §. 84. No. 10. vom Könige

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zu ernennende angesehene Geistliche durch einen gleichzeitig zu bezeichnenden Stellvertreter, und die katholischen Bischöfe des Königreichs in dem Falle ihrer Behinderung durch ein Mitglied ihres Domcapitels, sich vertreten lassen. Die Vertretung soll sich jedoch mindestens auf die ganze fernere Dauer der Diät erstrecken. Sind die vorbenannten erblichen Mitglieder der ersten Cammer minderjährig, so kann deren Stimme von ihren Vormündern geführt werden, vorausgesetzt, daß diese zu dem Mannsstamme der Familie gehören. Der Erblandmarschall kann die ihm, als solchem, obliegenden Geschäfte auf einen Andern nicht übertragen. § 100. Der König ist berechtigt, in jede Cammer Commissarien zu schicken, um den Sitzungen beizuwohnen und an den Berathungen Antheil zu nehmen. Die Commissarien haben kein Stimmrecht und müssen, bei namentlicher Abstimmung, die Versammlung verlassen. § 101. Jede Äußerung eines Mitgliedes in der Versammlung über ständische Angelegenheiten soll immer die günstigste Auslegung erhalten. § 102. Ein gerichtliches Verfahren gegen Mitglieder wegen der von ihnen in den Sitzungen der Cammern, Commissionen oder Conferenzen gemachten Äußerungen ist nur dann zulässig, wenn letztere hochverrätherischen Inhalts sind, oder eine Beleidigung oder Verläumdung enthalten. In allen übrigen Fällen sind die Cammern nach den in der Geschäftsordnung enthaltenen Bestimmungen die alleinigen Richter über die in jenen Sitzungen gemachten Äußerungen ihrer Mitglieder. § 103. Während der Dauer einer Versammlung der allgemeinen Stände soll kein anwesendes Mitglied verhaftet werden, es sey denn, daß in dem Falle eines Criminal-

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) Verbrechens eine schleunige Verhaftung nothwendig seyn sollte, welcher Fall jedoch den Cammern ohne Aufschub anzuzeigen ist.

vertagen. Zu einer längern Vertagung einer oder beider Cammern hat die allgemeine Stände-Versammlung die Königliche Genehmigung zu beantragen.

§ 104. Die Veröffentlichung der ständischen Verhandlungen soll unter den in der Geschäftsordnung der allgemeinen StändeVersammlung enthaltenen Bestimmungen Statt finden.

§ 109. Eigenmächtig dürfen die Cammern sich nicht versammeln, auch nach der Vertagung, dem Schlusse oder der gänzlichen Auflösung der Versammlung nicht ferner versammelt bleiben.

IV Landtag § 105. Ein Landtag dauert sechs Jahre vom Tage der Eröffnung angerechnet, in so fern nicht früher eine Auflösung erfolgt. Die Wahlen und Ernennungen der Deputirten und Mitglieder gelten für die ganze Dauer desselben und können von den Vollmachtgebern nicht widerrufen werden. Der König kann zu jeder Zeit den Landtag auflösen und einen neuen ansetzen. Die während einer Diät austretenden Deputirten sind erst nach dem Schlusse dieser Diät wieder wählbar. § 106. Der König wird die allgemeinen Stände alle zwei Jahre zusammenberufen, so daß während der Dauer eines Landtags drei ordentliche Diäten Statt finden. Sollten indeß Gesetzgebungs- oder andere dringende Angelegenheiten es erfordern, so kann der König auch während des zweijährigen Zeitraumes außerordentliche Diäten anordnen. § 107. Die Sitzungen der allgemeinen Stände-Versammlung sollen der Regel nach nicht über drei Monate dauern. Den Anfang und Schluß jeder ordentlichen oder außerordentlichen Landtags-Diät bestimmt der König. § 108. Der König kann die allgemeine Stände-Versammlung zu jeder Zeit vertagen und die Dauer der Vertagung bestimmen. Jede Cammer kann sich auf drei Tage

§ 110. Die allgemeinen Stände sind verpflichtet, vorzugsweise die vom Könige an sie gebrachten Anträge, namentlich das Budget und zwar, wenn vom Könige es verlangt wird, jederzeit zuerst in Berathung zu nehmen.

V Wirksamkeit der allgemeinen StändeVersammlung § 111. Die allgemeine Stände-Versammlung ist berufen, die ihr in dieser Verfassungs-Urkunde beigelegten Rechte wahrzunehmen. § 112. Über alle das ganze Königreich betreffende, zur ständischen Mitwirkung gehörende Gegenstände wird nur mit der allgemeinen Stände-Versammlung communicirt. Provinzielle Angelegenheiten, welche zur ständischen Mitwirkung geeignet sind, werden an die betreffenden Provinzial-Landschaften gebracht werden. Bei darüber eintretenden Zweifeln, ob ein Gegenstand zur Mitwirkung der allgemeinen Stände oder der Provinzial-Landschaften geeignet sey, entscheidet der König. § 113. Landesgesetze werden vom Könige unter Mitwirkung der allgemeinen Stände-Versammlung erlassen, wiederaufgehoben, abgeändert und authentisch interpretirt. Die Mitwirkung der Stände beschränkt sich auf den wesentlichen Inhalt der Gesetze. Die Bearbeitung der Gesetze nach Maßgabe der ständischen Beschlüsse verbleibt der Regierung allein.

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H ANNOVER Bei Verkündigung der Gesetze ist zu erwähnen, daß dabei die verfassungsmäßige Mitwirkung der Stände Statt gefunden habe. § 114. Bei Landesgesetzen über die Steuern, oder bei solchen, durch welche den Unterthanen oder einzelnen Classen derselben neue Lasten oder Leistungen aufgelegt oder die bestehenden abgeändert werden sollen, hat die allgemeine Stände-Versammlung das völlige Recht der Zustimmung. § 115. Der wesentliche Inhalt anderer Gesetze muß vor deren Erlassung, mit Vorbehalt der im §. 122 enthaltenen Bestimmungen, den Ständen zur Berathung und Erklärung vorgelegt werden. Fällt die Letztere ablehnend aus, oder werden in Beziehung auf jenen wesentlichen Inhalt Zusätze und Abänderungen von den Ständen in Antrag gebracht, die der König zu genehmigen Anstand nimmt, so dürfen die Gesetze vor etwaiger anderweiter Vorlage und erfolgter Annahme nicht erlassen werden. Findet Sich der König nach solcher Verhandlung mit der allgemeinen Stände-Versammlung bewogen, den fraglichen GesetzEntwurf entweder unverändert, oder unter Berücksichtigung genehmigter ständischer Anträge, vollständig redigirt, anderweit an die Stände gelangen zu lassen; so sind die letzteren verpflichtet, das Gesetz nach zweimaliger Berathung bei der letzten Abstimmung im Ganzen anzunehmen oder abzulehnen. Anträge auf Abänderungen und Zusätze oder Bedingungen können alsdann von den Ständen nicht mehr vorgebracht werden. § 116. Die verbindende Kraft der in Folge des Gesetzes vom 7ten September 1838 zu verkündigenden Präjudizien des OberAppellations-Gerichts wird durch die Bestimmungen des §. 113. nicht aufgehoben.

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§ 117. Die Mitwirkung der Stände ist nicht erforderlich bei denjenigen Verfügungen, welche der König über das Heer, dessen Formation, Disciplin, Militair-Strafgesetze und den Dienst überhaupt erläßt (vergl. §. 8.). Die Militair-Aushebungsgesetze, so wie die Rechte und Pflichten der übrigen Unterthanen in Beziehung auf das Heer und die auf dessen bürgerliche Verhältnisse bezüglichen Gesetze können jedoch nur unter verfassungsmäßiger Mitwirkung der Stände (vergl. §. 113. und folgende) festgestellt werden. § 118. Der König ist befugt, ein den Ständen zur verfassungsmäßigen Mitwirkung vorgelegtes Gesetz bis zu dessen Verkündigung zurückzunehmen. § 119. Gesetzentwürfe können nur von dem Könige an die allgemeinen Stände, nicht aber von diesen an den König gebracht werden. Gleichwohl sind die Stände berechtigt, auf die Erlassung neuer, so wie auf die Abänderung und Aufhebung bestehender Gesetze anzutragen. § 120. Die Anträge des Königs an die Stände werden an die allgemeine StändeVersammlung gerichtet. Die Bitten, Erwiederungen und Vorträge der allgemeinen Stände können nur von beiden Cammern gemeinschaftlich ausgehen. § 121. Verordnungen werden vom Könige ohne ständische Mitwirkung erlassen. Dieselben dürfen nur zur Vollziehung oder Handhabung bestehender Gesetze oder zur Ausübung des Landesherrlichen Oberaufsichts- und Verwaltungsrechts dienen, und dürfen nichts enthalten, was seiner Natur nach der ständischen Mitwirkung bedarf (§. 113. und folgende). § 122. Außerordentliche, ihrer Natur nach der ständischen Mitwirkung bedürfen-

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) de, aber durch das Staatswohl, die Sicherheit des Landes oder die Erhaltung der ernstlich bedroheten Ordnung dringend gebotene gesetzliche Verfügungen, deren Zweck durch Verzögerung vereitelt werden würde, gehen vom Könige allein aus; dieselben dürfen jedoch eine Abänderung der Verfassungs-Urkunde nicht enthalten und müssen außer Kraft gesetzt werden, sobald die Gefahr beseitigt ist, welche das Gesetz veranlaßt hat. Bei Verkündigung derselben ist der Grund ihrer Ausnahme von der ständischen Mitwirkung zu erwähnen, auch sind solche den allgemeinen Ständen bei ihrer nächsten Zusammenkunft, behuf Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen Rechte in Beziehung auf das Fortbestehen des Gesetzes, vorzulegen. § 123. Gesetze und Verordnungen werden vom Könige verkündigt und erhalten dadurch verbindliche Kraft. Die Gerichte und Verwaltungsbehörden haben solche zu befolgen und über deren Befolgung zu wachen, ohne daß es ihnen zusteht, zu beurtheilen, ob dabei die Mitwirkung der Stände verfassungsmäßig Statt gefunden habe, noch ob dieselbe überall erforderlich gewesen sei. Sollte Zweifel darüber entstehen, ob bei einem vom Könige verkündigten Gesetze die vorgeschriebene Form beobachtet sei, oder ob die den allgemeinen Ständen des Königreichs nach dieser Verfassungs-Urkunde zustehende Mitwirkung dabei Statt gefunden habe, so ist nur die allgemeine Stände-Versammlung berechtigt, solcherhalb die verfassungsmäßigen Schritte zu thun. § 124. Von den vom Könige mit anderen Staaten abgeschlossenen Verträgen soll der allgemeinen Stände-Versammlung, sobald dieses die Verhältnisse erlauben, Kenntniß gegeben werden (vergl. jedoch §. 11.).

§ 125. Über die verbindende Kraft oder Rechtmäßigkeit der von der Bundes-Versammlung gefaßten Beschlüsse dürfen die allgemeinen Stände keine Berathung anstellen und Beschlüsse fassen. § 126. Die allgemeine Stände-Versammlung ist berechtigt, über Mißbräuche und Mängel in der Rechtspflege oder Verwaltung ihre Beschwerden und Wünsche dem Könige vorzutragen. Weiter darf sie aber in die Landes-Verwaltung sich nicht einmischen. § 127. Die allgemeinen Stände können schriftliche Gesuche, Beschwerden und Vorstellungen, nicht aber Deputationen von Körperschaften, annehmen, darüber Beschlüsse fassen und den Bittstellern von den Beschlüssen durch Protocoll-Auszüge Kenntniß geben. Anträge oder Petitionen können jedoch nie an eine Cammer, sondern nur an die allgemeine Stände-Versammlung gerichtet werden. § 128. Über die Rechte der allgemeinen Stände in Hinsicht der Steuern, wie überhaupt des Finanzwesens des Königreichs, enthält das folgende Capitel die erforderlichen Bestimmungen.

SECHSTES CAPITEL Von den Finanzen36 § 129. Die Königlichen Domainen — diese mögen aus ganzen Gütern, einzelnen Grundstücken, Forsten, Zinsen und Gefällen, Rechten und Gerechtigkeiten, Salinen, Schlössern und anderen Gebäuden, und deren Inventarien, oder aus Capitalien (zu denen auch das in den Englischen dreiprocentigen Stocks belegte, aus Einnahmen der Königlichen Cammer erwachsene Capital

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H ANNOVER von 600,000 Pfund Sterling gehört) bestehen — so wie die Regalien bilden ein seinem Gesammtbestande nach stets zu erhaltendes Fideicommiß, welches zugleich und unzertrennlich mit der Nachfolge in der Regierung dem Könige anfällt, und aus dessen Aufkünften die Bedürfnisse des Königs und der Landes-Verwaltung zunächst bestritten werden. § 130. Mit Vorbehalt der nachstehenden Ausnahmen dürfen Domainen und Regalien in Zukunft nicht veräußert, auch nicht mit Hypotheken beschwert werden. § 131. Veräußerungen aus dem Bestande des im §. 129. bezeichneten Vermögens können nur in Folge gesetzlicher Bestimmungen, wohin auch der Fall des §. 35. zu rechnen ist, oder wegen ihrer Nützlichkeit eintreten, den bloßen Tausch gleichartiger Vermögens-Gegenstände jedoch vorbehältlich. In allen Veräußerungsfällen tritt das Äquivalent als Theil des Vermögens von selbst an die Stelle des veräußerten Gegenstandes und die dafür eingehenden Capitalsummen müssen baldmöglichst entweder zur Erwerbung einträglicher Grundbesitzungen, oder gegen die völlig sichere Hypothek auf Grund-Eigenthum wieder angelegt, auch können sie der Landescasse zur Abtragung von Schulden einstweilen dargeliehen werden. Wenn Veräußerungen ganzer Domanialgüter oder bedeutender Forsten aus Gründen der Nützlichkeit eintreten, so sollen vorzugsweise Landgüter oder Forsten von möglichst gleichem Ertrage dafür wieder erworben werden. Durch die Unveräußerlichkeit der Domanial-Vermögensstücke, wird dem Könige die Befugniß nicht benommen, DomainenCapitalien zu kündigen und einzuziehen; solche Capitalien müssen jedoch möglichst bald zum Besten der Domainen nutzbar wieder angelegt werden. Auch entzieht jene Unveräußerlichkeit

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dem Könige nicht das Recht, die Grundsätze über Benutzung der Regalien zu ändern. Eine Erhöhung der Landzölle und Sportelnsätze, so wie des Postportos bedarf der Zustimmung der allgemeinen Stände-Versammlung. § 132. Dem Könige verbleibt das Recht, zur Bestreitung außerordentlicher Ausgaben oder zur Deckung ungewöhnlicher Ausfälle an den Einnahmen, eine Summe Geldes anzuleihen und dafür die Einkünfte der Domainen und Regalien zur Hypothek zu setzen. Der Betrag sämmtlicher Anleihen dieser Art darf jedoch die Summe von einer Million Thalern nicht übersteigen, und es müssen wenigstens jährlich Zwei Procent der ursprünglich verbrieften Schuldsumme sofort zur Tilgung bestimmt und der hieraus entstehende Tilgungsfonds auch durch die Zinsen der abgetragenen Schulden vermehrt werden, bis diese Zinsen sich jährlich eben so hoch belaufen, als die ursprünglich zur Tilgung ausgesetzte jährliche Zahlung. Von da an bis zur gänzlichen Tilgung der Schuld bleiben die jährlichen Tilgungsmittel unverändert. Wird vor gänzlicher Tilgung der frühern Schuld eine neue gemacht, so braucht dennoch der gesammte Tilgungsfonds nicht höher als zu 20,000 Thlr.37 , nebst einer gleichen Summe von Zinsen jährlich festgesetzt zu werden. § 133. Die Hypotheken, womit die Domainen und Regalien bei Verkündigung dieser Verfassungs-Urkunde belastet sind, sollen durch die obigen Bestimmungen ihre Gültigkeit nicht verlieren. Diejenigen Schulden, welche bei Errichtung dieser Verfassungs-Urkunde auf der Königlichen Casse ruhen, oder auf dieselbe von der vereinigt gewesenen Casse wieder übertragen werden, werden durch die Bestimmung des §. 132. nicht getroffen. Es können daher auch Capital-Abträge, welche bei diesen Schulden vorkommen, so-

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) fort oder später durch neue Anleihen gedeckt werden. Soweit diese Schulden indessen durch die dazu bestimmten eigenen Tilgungsmittel vermindert werden, findet rücksichtlich derselben eine Ausnahme von dem §. 132. nicht Statt. § 134. Der allgemeinen Stände-Versammlung soll im Anfange einer jeden ordentlichen Diät eine Nachweisung über die rücksichtlich der Substanz des DomanialVermögens etwa Statt gefundenen Veränderungen ertheilt werden. § 135. Die Verwaltung der Domainen und Regalien, so wie ihrer Aufkünfte hängt allein vom Könige ab. Die Stände können in dieser Hinsicht keine Art der Mitwirkung in Anspruch nehmen, so fern nicht der König für einzelne Gegenstände ihnen eine solche Mitwirkung zeitweise einräumt. Vergl. jedoch §. 126. § 136. Die reinen Einkünfte aus den Domainen und Regalien sollen verwandt werden: zur Bezahlung der Zinsen der auf den Domainen haftenden Schulden und zum allmähligen Abtrage der Passiv-Capitalien, zur Bestreitung der Bedürfnisse des Königs, der Königinn, der minderjährigen Prinzen und Prinzessinnen, Söhne und Töchter des Königs, zu den Einrichtungskosten und Jahrgeldern des Kronprinzen, den Jahrgeldern und Apanagen der übrigen Prinzen und Deputaten der Prinzessinnen des Königlichen Hauses, so wie zu dem standesmäßigen Auskommen der verwitweten Königinn und der verwitweten Kronprinzessinn, zur Bestreitung der Kosten der LandesVerwaltung und eines zur Unterhaltung des Heeres zu leistenden Beitrages. § 137. Die Aufkünfte aus den Domainen und Regalien sollen künftig nicht mit den Steuern und Chausseegeldern vereint in

eine gemeinschaftliche Casse fließen, sondern es soll die bis zum lsten Julius 1834 bestandene Trennung der Königlichen Cassen und der Landescasse wieder hergestellt werden und das bis zum 25sten September 1833 bestandene rechtliche Verhältniß dieser Cassen – so weit solches nicht durch die Bestimmungen dieser Verfassungs-Urkunde oder durch besondere Vereinbarungen zwischen König und Ständen verändert worden – wieder eintreten. Außer den Einkünften aus den Königlichen Domänen und Regalien gehören auch die Überschüsse der Lotterien und vom Intelligenz-Comtoir zu Hannover, wie auch die Sporteln der Königlichen Behörden zu den Einkünften der Königlichen Casse. § 138. Die Königliche Casse ist allein vom Könige abhängig und wird nach den von Ihm zu treffenden Anordnungen verwaltet. Da Ständen zur Beurtheilung der Frage, in wie weit ständische Mittel zu den Landes-Ausgaben zu bewilligen sind, von dem Zustande der Königlichen Casse Kenntniß zu geben ist, so soll der allgemeinen Stände-Versammlung bei Eröffnung eines jeden Landtags eine Übersicht der Einnahmen und Ausgaben der Königlichen Casse in den seit der zunächst vorhergegangenen derartigen Mittheilung abgeschlossenen Rechnungsjahren zugestellt werden, welche sich gleichwohl in Hinsicht auf die Ausgabe auf die in der Anlage zum §. 140., und in Hinsicht auf die Einahme auf die in der Anlage A. zu dem gegenwärtigen §. verzeichneten Rubriken beschränken kann.38 § 139. Die erforderlichen Ausgaben für die Kosten der Landes-Verwaltung und für sonstige Landes-Bedürfnisse sind, unter Berücksichtigung der in den §§. 129. und 136. enthaltenen Grundsätze, nach bestimmten Gegenständen auf die Königliche und die Landescasse zu vertheilen.

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H ANNOVER Die Vertheilung kann ohne Zeitbeschränkung, muß aber jedesmal mindestens auf sechs Jahre im Voraus geschehen. Durch eine solche Vertheilung soll das Recht der allgemeinen Stände-Versammlung zur Bewilligung der aus der Landescasse zu bestreitenden Ausgaben nicht beschränkt werden können. § 140. In der Anlage B. sind die Gegenstände aufgeführt, nach welchen durch eine neben dieser Verfassungs-Urkunde getroffene Vereinbarung vom 1sten Julius 1841 an, die Ausgaben auf die Königliche und die Landescasse vertheilt sind.39 Diese Vereinbarung gilt so lange, bis dieselbe vom Könige oder von der allgemeinen Stände-Versammlung aufgekündigt wird, was jedoch nicht vor dem 1sten Julius 1847 geschehen kann. Nach dem 1sten Julius 1847 kann in jeder ordentlichen Diät, nachdem zuvor das Budget bewilligt ist, von beiden Seiten eine Kündigung vorgenommen werden. Dieselbe bewirkt, daß die bis dahin bestandene Vereinbarung mit dem Ablaufe der Periode desjenigen Budgets, welches Stände vor der Kündigung bewilligt haben, außer Kraft gesetzt wird, und daß in der nächsten auf die Kündigung folgenden ordentlichen Diät eine neue Verhandlung über die künftige Vertheilung der Ausgaben zuzulegen ist, behuf welcher der König den allgemeinen Ständen bestimmte Vorschläge zeitig machen wird. § 141. Neu entstehende Kosten der Landes-Verwaltung fallen zunächst auf die Königliche Casse, in so fern aber die Mittel der Königlichen Casse deren Übernahme nicht gestatten, nach Maßgabe der darüber zwischen König und Ständen zu treffenden Vereinbarung auf die Landescasse. § 142. Über die Verwendung oder Anlegung eines während des Landtags in der Königlichen Casse entstandenen Überschusses

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wird der König bei der Eröffnung eines jeden Landtags der allgemeinen Stände-Versammlung Mittheilung machen. § 143. Sollte eine dauernde Verbesserung der Königlichen Casse durch nachhaltige Erhöhung ihrer Gesammt-Einnahme oder durch bleibende Verminderung ihrer Ausgaben eintreten, so hat bei Mittheilung der Übersicht der Lage der Königlichen Casse (§. 138.) diese einen entsprechenden Theil der Ausgaben der Landescasse zu übernehmen. § 144. Sollte dagegen die Gesammt-Einnahme der Königlichen Casse sich dauernd vermindern oder die Bedürfnisse des Königlichen Hauses, namentlich durch das Hinzukommen größerer Ausgaben für nicht regierende Mitglieder desselben zunehmen, oder sollte die Gesammt-Ausgabe dauernd so sehr steigen, daß sie nicht ferner von der Königlichen Casse getragen werden kann, so wird der König bei Mittheilung der Übersicht der Lage Seiner Casse im Anfange eines jeden Landtags bei der allgemeinen Stände-Versammlung darauf antragen, daß der aus der Landescasse erforderliche Zuschuß für die Dauer des Landtags, oder so fern der Zweck der Ausgabe früher wegfallen sollte, bis zu diesem Zeitpuncte, bewilligt werde. § 145. Der König wird die Ausgaben für die nichtregierenden Mitglieder des Königlichen Hauses im Übrigen nicht höher bestimmen, als solches von des hochseligen Königs Wilhelm IV. Majestät geschehen war. Das Witthum der Königinn soll indeß jährlich 60,000 Thlr.40 Gold betragen, und die geringste Apanage eines zur Apanage berechtigten volljährigen Prinzen des Königlichen Hauses soll aus 6000 Thlr.41 Gold bestehen. Wenn im Laufe eines Landtags ein Fall eintritt, in Folge dessen Jahrgelder, Apanagen, Witthümer oder derartige Zahlungen für nicht regierende Mitglieder der

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) Königlichen Familie aus der Königlichen Casse zu leisten sind, so hängt es von der Bestimmung des Königs ab, bis zum Anfange des nächsten Landtags aus der Landescasse einen Zuschuß an die Königliche Casse zu den von ihr zu tragenden LandesAusgaben zahlen zu lassen, und den Betrag desselben bis zu der Höhe der zu leistenden Apanagen etc. zu bestimmen, auch die Anweisung dieses Zuschusses auf verfassungsmäßige Weise zu veranlassen, vorbehältlich jedoch der Aufnahme der zu zahlenden Summe in das jedesmalige Budget der Landescasse. Findet sich jedoch am Schlusse eines solchen Landtags ein Überschuß in der Königlichen Casse, so soll selbiger dazu angewandt werden, um die im Laufe desselben Landtags aus der ständischen Casse zahlbar gemachten Zuschüsse wegen Apanagen zu decken und zu restituiren. § 146. Das Privatvermögen des Königs, der Königinn, der Prinzen und Prinzessinnen, wozu auch die mit ihren Einkünften gemachten Erwerbungen gehören, verbleibt, nach Maßgabe hausgesetzlicher oder, so weit diese nicht darüber entscheiden, der landesgesetzlichen Bestimmungen, der freien Verfügung der Berechtigten. § 147. Das Vermögen der mit der Krone verbundenen Schatullcasse bleibt Fideicommiß des Königlichen Hauses. Die Verwaltung dieses Vermögens, so wie die Verfügung über die Einkünfte steht allein dem Könige zu. § 148. Die für die Allodification Königlicher Lehen eingekommenen und künftig eingehenden Renten und Capitalien fließen in eine abgesonderte Casse, über welche der König ausschließlich verfügt. § 149. Über die Ausgaben, welche aus der Landescasse zu bestreiten sind, soll der allgemeinen Stände-Versammlung in jeder ordentlichen Diät, also alle zwei Jahre, ein nach Hauptdienstzweigen und für jedes Jahr

gesondertes Budget vorgelegt und mit den nöthigen, auf Antrag der Stände zu vervollständigenden Nachweisungen und Erläuterungen begleitet werden. § 150. Die allgemeine Stände-Versammlung hat das Recht, das Budget zu prüfen und zu bewilligen. Ausgaben, welche auf bestimmten bundes- oder landesgesetzlichen oder auf privatrechtlichen Verpflichtungen beruhen, darf die allgemeine Stände-Versammlung nicht verweigern. Behuf Bewilligung der zur Unterhaltung des Heeres erforderlichen Ausgaben dienen die gegenwärtig feststehenden Summen und die bestehenden Grundsätze so lange zur Richtschnur, bis ein Anderes zwischen König und Ständen vereinbart ist. § 151. Die Ersparungen, welche bei dem Ausgabe-Etat des Kriegs-Ministeriums gemacht werden, sind als Kriegsschatz zu sammeln und niederzulegen. Die Vorräthe dieses Kriegsschatzes sind für die Ausgaben des Kriegs-Ministeriums zu verwenden, sobald letztere die ordentlichen Mittel übersteigen. Zu anderen Zwecken können Verwendungen aus dem Kriegsschatze nur mit Einwilligung der allgemeinen Stände-Versammlung des Königreichs geschehen. § 152. Bei Vermählungen von Töchtern eines Königs oder von Töchtern der Söhne eines Königs werden die hergebrachten Ausstattungen jener Prinzessinnen auf den Antrag des Königs von der allgemeinen Stände-Versammlung bewilligt und aus der Landescasse bezahlt. § 153. Gleichzeitig mit dem Anschlage der Ausgaben soll der allgemeinen StändeVersammlung ein Anschlag der zu deren Bestreitung erforderlichen Einnahmen an Steuern und sonstigen Zuflüssen der Landescasse vorgelegt werden.

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H ANNOVER § 154. Die Steuern bedürfen der Bewilligung der allgemeinen Stände-Versammlung, welche jedesmal für die nächste zweijährige Finanz-Periode (§. 106.) auszusprechen ist. In dem jedesmal erforderlichen Ausschreiben soll der ständischen Bewilligung besonders erwähnt werden. Die Bewilligung darf an keine Bedingung geknüpft werden, welche nicht das Wesen und die Verwendung der Steuern unmittelbar betrifft. § 155. Sollten die vom Könige in Antrag gebrachten Steuern bei Auflösung einer Stände-Versammlung nicht bewilligt seyn, so können die bisherigen Steuern noch ein Jahr vom Ablaufe der letzten von den Ständen ausdrücklich ausgesprochenen Bewilligung an unverändert forterhoben und zu dem Ende unter Bezugnahme auf diesen §. ausgeschrieben werden. War jedoch eine für sich allein beschriebene Art von Steuern nur für einen besondern, genau bestimmten, vorübergehenden Zweck bewilligt, und ist dieser Zweck erreicht, so tritt in Ansehung dieser Steuer eine Ausnahme von der vorstehenden Vorschrift ein. § 156. Wenn bei Eröffnung eines neuen Landtags – nachdem die Wahlen zu demselben mindestens sechs Wochen vorher ausgeschrieben waren – oder in einer spätern ordentlichen Diät, nachdem in dem einen wie in dem andern Falle das Budget den Ständen vier Wochen zur Bewilligung vorgelegen hat, diese Bewilligung deshalb nicht erfolgt ist, weil die Beschlußfähigkeit einer oder beider Cammern durch Unvollzähligkeit gehindert oder unterbrochen ist, ohne daß vorher der ständische Beschluß über die Steuern und das Budget vollendet und ausgefertigt war: so steht dem Könige das Recht zu, für ein Jahr die bisherigen Steuern auf den Grund der letzten ständischen Bewilligung

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unter Bezugnahme auf diesen §. ausschreiben und forterheben, auch dieselben behuf Erfüllung der Bundespflichten und für die verfassungsmäßigen Bedürfnisse der Regierung und des Landes verwenden zu lassen. Wird das Budget von den in ordentlicher Diät versammelten Ständen auch bei deren fortgesetzten oder erneuerten Berathungen nicht nachträglich für die nächste SteuerBewilligungs-Periode bewilligt, so beruft der König die Stände wenigstens sechs Wochen vor Ablauf des ersten Steuer-Rechnungsjahrs zu einer außerordentlichen Diät, damit sie das Budget für das zweite Jahr bewilligen können. Erfolgt solche Bewilligung auch dann nicht, so findet vorstehende Bestimmung auch ferner Anwendung. § 157. Die auf den Landes-Chausseen erhobenen Weggelder bleiben ausschließlich zur Unterhaltung dieser Chausseen bestimmt und können in eine besondere Casse fließen; die Stände sind jedoch berechtigt, die Rechnungen einzusehen. § 158. Da die Landzölle und Schifffahrtsabgaben für jetzt mit den Eingangssteuern dergestalt verbunden sind, daß eine unmittelbare Erhebung der ersteren nicht ohne gänzliche Abänderung der hierunter bestehenden Einrichtung thunlich ist, so überläßt der König für die Dauer jener Verbindung die Benutzung Seines Zollregals rücksichtlich der Landzölle und Schifffahrstabgaben der Landescasse, welche hiefür jährlich die Summe von 230,000 Thlr.42 an die Königliche Casse zu vergüten hat. Das Recht selbst, so wie für den Fall der Aufhebung jener Verbindung die anderweitige Bestimmung über dessen Benutzung behält Sich der König vor. § 159. Der reine Ertrag der directen und indirecten Steuern, nach Abzug der Kosten ihrer Verwaltung und Erhebung, – der zu leistenden Remissionen, Restitutionen und

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) Bonificationen, rücksichtlich welcher Positionen das ständische Bewilligungsrecht vorbehalten bleibt – wie auch der für die Benutzung des Zollregals an die Königliche Casse zu zahlenden Vergütung, fließt nebst den übrigen ihr zustehenden Einnahmen in die Landescasse. Die Rechnungen der Landescasse sollen jedoch den Roh-Ertrag der Steuern und die Ausgaben und Verwendungen, welche davon bis zur Ablieferung des Rein-Ertrages an die Landescasse gemacht sind, vollständig darlegen. Die Verwaltung dieser Casse steht, unter der Aufsicht und obern Leitung des FinanzMinisters, dem Schatz-Collegium zu, welches theils durch Ernennungen des Königs, theils durch ständische Wahlen unter Königlicher Bestätigung besetzt wird. § 160. Nur das Schatz-Collegium ertheilt Anweisungen auf die Landescasse. Der Finanz-Minister hat in Ansehung derjenigen Summen, welche den betreffenden Departements-Ministern zur Verwendung zustehen, eine Aufforderung zur Anweisung an das Schatz-Collegium gelangen zu lassen, und von diesem ist hierauf die Zahlbarmachung an die betreffenden Departements-Minister zu verfügen. Das Schatz-Collegium ist verpflichtet, die von dem Finanz-Minister bestimmten Beträge anzuweisen, in so fern die verlangte Zahlung dem Zwecke der betreffenden Ausgabe-Position des Budgets entspricht und dieselbe nicht überschreitet. § 161. Die Königliche Casse und die Landescasse sind verpflichtet, sich, wenn eine derselben es bedürfen sollte, mit Vorschüssen aus ihren Vorräthen zu Hülfe zu kommen. Die Anordnung eines solchen Vorschusses steht dem Finanz-Minister zu. In Gemäßheit derselben hat das Schatz-Collegium über den Vorschuß aus der Königlichen Casse zu quittiren und zu dem Vorschusse aus der Landescasse die Anweisung

zu ertheilen. Der geleistete Vorschuß muß, in Ermangelung einer zwischen dem Könige und den Ständen getroffenen anderweiten Vereinbarung, binnen sechs Monaten nach Ablauf desselben Rechnungsjahrs zurückbezahlt werden. Über die Ertheilung und Zurückzahlung derartiger Vorschüsse soll der allgemeinen Stände-Versammlung in jeder ordentlichen Diät Mittheilung gemacht werden. § 162. Durch eine zwischen dem Könige und der allgemeinen Stände-Versammlung vereinbarte Übertragung der auf der bisherigen gemeinschaftlichen Generalcasse ruhenden Schulden auf die Königliche oder Landescasse werden die Rechte der Gläubiger in keiner Hinsicht geändert. § 163. Neue Anleihen behuf der aus der Landescasse zu bestreitenden Ausgaben können nur unter Genehmigung des Königs nach erfolgter Bewilligung der allgemeinen Stände-Versammlung gemacht werden. Sollte indeß wegen außerordentlicher Umstände die ordentliche Einnahme der Landescasse so bedeutende Ausfälle erleiden, daß sie die bewilligten Ausgaben zu bestreiten nicht vermöchte, oder sollten schleunige Kriegsrüstungen nothwendig werden, zu deren Bestreitung die etwaigen Vorräthe der Kriegscasse nicht hinreichend wären, so hat der König, wenn die allgemeinen Stände alsdann nicht versammelt sind, das Recht, auf den Antrag der zuständigen Minister, unter Zuziehung des Finanz-Ministers, nach zuvor erfordertem Berichte des Schatz-Collegiums und nach Anhörung des Staatsrathes, zur Deckung der bewilligten Ausgaben der Landescasse, oder zur Bestreitung der Kosten nothwendiger Kriegsrüstungen, Anleihen bis zum Gesammtbetrage von höchstens einer Million Thaler auf den Credit der Landescasse zu machen. Die Verhandlungen über solche Anleihen

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H ANNOVER sollen der allgemeinen Stände-Versammlung bei ihrer nächsten Zusammenkunft vorgelegt und ihr nachgewiesen werden, daß dieselben nothwendig gewesen und zum Nutzen des Landes wirklich verwandt worden sind. § 164. Das Anleihe-Geschäft, in so fern nicht König und Stände ein Anderes ausdrücklich beschließen, und die Verbriefung der Anleihen der Landescasse liegt dem Schatz-Collegium ob. Dasselbe ist ermächtigt, unter der obern Leitung des FinanzMinisters die erforderlich werdenden Umwandlungen bestehender Landesschulden, wenn deren Betrag dadurch nicht vermehrt wird, auszuführen und an die Stelle alter Landesschuld-Verbriefungen neue auszufertigen. Alle vom Schatz-Collegium auszustellenden Landesschuld-Verbriefungen müssen von wenigstens Einem der vom Könige ernannten Mitglieder desselben und von wenigstens zwei von den Ständen erwählten Schatzräthen unterschrieben werden. § 165. Die Verwendung der zur Tilgung der Landesschulden ausgesetzten Summen soll unter der Aufsicht und obern Leitung des Finanz-Ministers vom Schatz-Collegium geschehen. § 166. Das Schatz-Collegium soll das gesammte Rechnungswesen der Landescasse leiten und beaufsichtigen, die jährlichen Rechnungen derselben einziehen und prüfen und, nachdem eine nochmalige Prüfung dieser Rechnungen in dem Finanz-Ministerio Statt gefunden hat, und die etwa gemachten Erinnerungen erledigt sind, dem Rechnungsführer Decharge ertheilen. Nachdem dies geschehen ist, sollen die Rechnungen an die allgemeine Stände-Versammlung mitgetheilt werden, damit dieselbe sich von deren Richtigkeit überzeugen kann.

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§ 167. Bestimmungen über die Organisation und den Geschäftskreis des SchatzCollegiums, insoweit sie nicht bereits durch die Verfassungs-Urkunde festgestellt sind, bedürfen der Zustimmung der allgemeinen Stände-Versammlung.

SIEBTES CAPITEL Von den oberen Landes-Behörden und der Königlichen Dienerschaft43 § 168. Unter dem Könige führen die Minister die oberste Verwaltung des Königreichs. Die Minister sind, jeder in Hinsicht des ihm angewiesenen Wirkungskreises, allein dem Könige für die Vollziehung der Gesetze und Verordnungen und der Königlichen Befehle verantwortlich. (Vergleiche jedoch §. 40.) Der König kann seine Minister nach Gefallen entlassen.44 § 169. Es soll ein Staatsrath bestehen, welcher mindestens eine Abtheilung für die Justiz und eine Abtheilung für das Innere enthält. Der Zweck desselben ist, wichtige Regierungs-Angelegenheiten, vorzüglich die vom Könige zu verkündigenden Gesetze und Verordnungen, nach der darüber vom Könige zu treffenden Bestimmung, und die Entlassung vom Dienste solcher Königlichen Diener, welche nicht lediglich zur Classe der Richter gehören (§. 177.), zu berathen, und die zwischen den Gerichten und Verwaltungsbehörden entstandenen CompetenzStreitigkeiten zu entscheiden. Die Einrichtung des Staatsrathes hängt allein von der Bestimmung des Königs ab. (Vergleiche jedoch §. 171.).45

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) § 170. Die Gerichte sind innerhalb der Grenzen ihrer richterlichen Competenz unabhängig, jedoch bleiben sie der obern Aufsicht des Landesherrn und der oberen Behörden unterworfen. Die Verwaltungsbehörden, als solche, verfahren innerhalb ihres Wirkungskreises unabhängig von den Gerichten. Beide entscheiden zunächst selbst über ihre Zuständigkeit, und es dürfen die Verfügungen oder Entscheidungen der Gerichte von den Verwaltungsbehörden und die der Letzteren von den Gerichten weder abgeändert noch beseitigt werden, es sei denn auf den Grund einer durch den Staatsrath erfolgten Entscheidung.46 § 171. Entsteht ein durch wechselseitige Darlegung der verschiedenen Ansichten nicht zu beseitigender Competenzstreit zwischen den Gerichten und Verwaltungsbehörden, so entscheidet nach Anhörung beider Behörden der Staatsrath. Die Entscheidung muß in einer Versammlung des Staatsrathes gefällt werden, welche aus dem Vorsitzenden und einer gleichen Anzahl von mindestens sechs Mitgliedern jeder der Abtheilungen für die Justiz und für das Innere besteht. Die Mitglieder sind für diese Function im Voraus dauernd zu bestellen. Bis zu dieser Entscheidung ist dem Verfahren in der betreffenden Angelegenheit einstweilen Anstand zu geben, es sei denn, daß mit dem Verzuge Gefahr verbunden wäre. Hat eine Behörde als Verwaltungsbehörde gehandelt, so hat sie zu dem Zwecke der Erledigung des Competenzstreits an die ihr vorgesetzte Verwaltungsbehörde zu berichten. Hat eine Unterbehörde, welcher die Justizpflege und die Verwaltung in erster Instanz zugleich obliegen, in der erstern Eigenschaft gehandelt und wird deren Competenz von der in dem andern Geschäftszwei-

ge ihr vorgesetzten Oberbehörde in Zweifel gezogen, so ist die Competenzfrage zwischen ihr und dieser Oberbehörde zur Erledigung zu bringen. Erachten sich weder Gerichte noch Verwaltungsbehörden für competent, so ist diese Frage auf die oben vorgeschriebene Weise zu erledigen oder zu entscheiden. Jedoch kann in diesem Falle auch von den betheiligten Privatpersonen, nachdem die betreffenden Oberbehörden zuvor vergebens angegangen sind, durch ein Gesuch an den König die Entscheidung des Staatsrathes herbeigeführt werden.47 § 172. Die Ernennung und Entlassung der Königlichen Diener48 gehört, unter Beobachtung der verfassungsmäßigen Bestimmungen, zu den Rechten des Königs. Der König übt dieses Recht entweder Selbst, oder durch die von Ihm bestellten Behörden aus. Die Rechte der Corporationen und Einzelner in Beziehung auf Präsentation, Wahl, Ernennung und Entlassung der öffentlichen Beamten werden durch die gegenwärtige Verfassungs-Urkunde nicht verändert. § 173. Bei Besetzung der Staatsämter soll, in so fern nicht bei einzelnen Dienststellen eine ausdrückliche, gesetzlich bestimmte Ausnahme besteht, der Unterschied der Geburt durchaus kein Recht auf Vorzüge irgend einer Art begründen.49 § 174. Werden Dienstentlassungen wegen Veränderung der Landesbehörden nothwendig, so hat der außer Thätigkeit gesetzte Königliche Diener50 Anspruch auf ein seinen bisherigen Verhältnissen angemessenes Wartegeld. Bei nothwendigen Dienstversetzungen hat der Königliche Diener ein Recht auf seinen bisherigen Gehalt und Rang. § 175. Diejenigen Königlichen Diener51 , welche wegen Altersschwäche, oder anderer körperlichen und geistigen Gebrechen

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H ANNOVER ihren Dienstpflichten nicht mehr Genüge leisten können, und daher in den Ruhestand gesetzt werden müssen, sollen eine ihren Dienstjahren und ihrer Diensteinnahme angemessene Pension erhalten. § 176. Keinem Königlichen Civildiener52 soll die nachgesuchte Entlassung vom Amte verweigert werden. Indeß muß er sich vor dem wirklichen Austritte aus dem Dienste, auf Verlangen seiner vorgesetzten Behörde, aller ihm deshalb obliegenden Verbindlichkeiten vollständig entledigen. § 177. Kein Königlicher Civildiener — er mag vom Könige oder Dessen Behörden, von Corporationen oder Einzelnen präsentirt, erwählt oder ernannt seyn — kann seines Amts willkührlich entsetzt werden. Kein Königlicher Diener, welcher lediglich ein Richteramt bekleidet oder welcher Mitglied eines Obergerichts ist, kann aus irgend einem Grunde ohne richterliches Erkenntniß seines richterlichen Amts entsetzt, entlassen, oder auf ein minder einträgliches Amt versetzt oder mit Entziehung des Gehalts suspendirt werden.53 Dasselbe findet in Rücksicht der übrigen Königlichen Diener Statt, wenn diese wegen Amts- oder gemeiner Verbrechen ihres Amts entsetzt werden sollen. Wenn Königliche, nicht lediglich zur Classe der Richter gehörende Diener, nach fruchtlos vorhergegangener Warnung und Disciplinarstrafe, ihren Dienstpflichten kein Genüge leisten, oder wenn sie durch ihr Betragen ein öffentliches Ärgerniß geben, oder wegen eines gemeinen Verbrechens mit einer Criminalstrafe bereits belegt worden sind, so kann der König, nachdem Er das Gutachten des Staatsrathes darüber vernommen hat, nach Befinden der Umstände, die Amts-Suspension mit Entziehung des Diensteinkommens, die Versetzung auf ein eine geringere Einnahme gewährendes Amt und selbst die Entlassung vom Amte verfügen.54

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§ 178. Die Justiz- und Verwaltungsbehörden sind befugt, wider die ihnen untergebene Dienerschaft Disciplinarstrafen zu verfügen. Die höheren Behörden sind befugt, wider diese Dienerschaft, so weit sie von ihnen angestellt ist, eine Suspension vom Amte und Gehalte, welche jedoch die Dauer eines Monats nicht überschreiten darf, zu verfügen. Es kann ihnen auch eine gleiche Befugniß rücksichtlich derjenigen ihnen untergebenen Dienerschaft übertragen werden, welche eine andere, oder eine höhere Behörde angestellt hat. § 179. Die Dienstkündigung soll nur bei der untern Königlichen Dienerschaft55 vorbehalten, dieselbe jedoch nur von dem zuständigen Staats- und Departements-Minister zur Ausübung gebracht werden.

ACHTES CAPITEL Von der Gewähr der Verfassung § 180. Abänderungen der VerfassungsUrkunde können nur unter Zustimmung des Königs und der allgemeinen Stände-Versammlung getroffen werden. Es kann darüber in der allgemeinen Stände-Versammlung nur bei Anwesenheit von wenigstens drei Viertheilen der zum regelmäßigen Erscheinen verpflichteten Mitglieder jeder Cammer abgestimmt werden. Ein ständischer Beschluß, durch welchen die Verfassungs-Urkunde abgeändert werden soll, ist nur dann gültig, wenn derselbe entweder in der schließlichen Abstimmung einhellig gefaßt, oder wenn derselbe auf zwei nach einander folgenden Landtagen jedesmal von wenigstens zwei Drittheilen der anwesenden Mitglieder jeder Cammer in schließlicher Abstimmung genehmigt wird. Abänderungen des Wahlgesetzes und der Geschäfts-Ordnung der allgemeinen Stände-Versammlung können unter den für andere Gesetze bestehenden Formen, jedoch

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) nur unter Zustimmung der allgemeinen Stände-Versammlung getroffen werden.56 § 181. Die Rechte des Landes auf die Unverletzlichkeit dieser Verfassung sind von der allgemeinen Stände-Versammlung bei dem Könige oder nöthigenfalls bei der deutschen Bundes-Versammlung wahrzunehmen. Wenn aber die in dieser Verfassungs-Urkunde begründete landständische Verfassung auf verfassungswidrige Art (§. 180.) aufgehoben würde, wozu namentlich auch der Fall gehört, wenn die Stände-Versammlung nicht zu der Zeit, wo dies verfassungsmäßig geschehen muß (§. 106.), zusammenberufen würde, so ist das Schatz-Collegium berechtigt und verpflichtet, den König um Aufrechthaltung jener Verfassung oder um schleunige Berufung der in Gemäßheit derselben bestehenden allgemeinen StändeVersammlung zu bitten, und wenn dieser Schritt fruchtlos bleiben sollte, den Schutz des deutschen Bundes für die aufgehobene landständische Verfassung anzurufen. An der Ausübung dieser Amtspflicht des Schatz-Collegiums nehmen die vom Könige ernannten Mitglieder desselben keinen Antheil und die Functionen des Präsidenten werden dabei von dem in Dienstalter am höchsten stehenden, von Ständen erwählten Schatzrathe versehen.57

SCHLUßBESTIMMUNG § 182. Alle Gesetze, Verordnungen, Observanzen und Einrichtungen, welche mit den Bestimmungen der gegenwärtigen Verfassungs-Urkunde in Widerspruch stehen, werden hiemit für ungültig und unverbindlich erklärt. Indem Wir nun bei Unserem Königlichen Worte die Versicherung ertheilen, daß Wir die vorstehenden Bestimmungen Allerhöchstselbst unverbrüchlich beobachten wollen, erklären Wir dieselben damit für

das Landesverfassungs-Gesetz Unseres Königreichs. Wir verordnen hiedurch, daß dasselbe für alle Theile Unseres Königreichs mit seiner Verkündigung in Kraft treten solle, und Wir gebieten und befehlen, daß es auf das Genaueste gehalten und befolgt werde. Wir werden nicht allein dafür kräftigst Sorge tragen, daß diesem Gesetze auf keine Weise entgegengehandelt werde, sondern Wir befehlen auch insbesondere allen Behörden und öffentlichen Dienern Unseres Königreichs, daß sie sowohl selbst den Bestimmungen gebührend nachkommen, als auch ernstlichst darüber wachen, daß ihnen nachgelebt werde. Wir verordnen hiedurch ferner ausdrücklich, daß die bisher bestehenden Gesetze, Anordnungen und Verfügungen der Behörden deshalb, weil die nunmehr vorgeschriebenen Formen bei denselben etwa nicht beachtet sind, ihre Gültigkeit nicht verlieren sollen, sondern daß die Gültigkeit lediglich danach zu ermessen ist, was zu der Zeit ihrer Erlassung der Verfassung oder dem Herkommen gemäß war. Nach demselben Grundsatze soll auch durch die Verkündigung dieses Landesverfassungs-Gesetzes kein Hinderniß eintreten, die mit der am 3ten d. M. aufgelöseten allgemeinen Stände-Versammlung Unseres Königreichs berathenen und Uns zur endlichen Beschlußnahme vorliegenden Gesetzes-Entwürfe nach Maßgabe der zur Zeit ihrer Berathung in Kraft gewesenen staatsrechtlichen Verhältnisse zu seiner Zeit, je nachdem die hiezu noch erforderlichen weiteren Vorbereitungen vollendet seyn werden, als Gesetze zur öffentlichen Kunde zu bringen. Die förmliche Trennung Unserer Königlichen Casse von der Landescasse soll nach der Reconstituirung des Schatz-Collegiums mit dem 1sten Julius 1841 ausgeführt werden. Schließlich bleiben alle zur vollständigen Ausführung dieses Landesverfassungs-Ge-

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H ANNOVER setzes erforderlichen besonderen Vorschriften und Verfügungen hiemit ausdrücklich vorbehalten. Gegenwärtiges Gesetz ist durch die erste Abtheilung der Gesetz-Sammlung bekannt zu machen. Gegeben Hannover, den 6ten August 1840, Unseres Reichs im Vierten. Ernst August. G. Frh. von Schele.

ANLAGE A. ZU §. 138. DER VERFASSUNGS-URKUNDE Verzeichniß der Rubriken, nach denen die Mittheilungen an die allgemeine Stände-Versammlung über die Einnahmen der Königlichen Casse zu machen sind. I. Domanial-Einnahmen: 1) Gutsherrliche Gefälle. 2) Pachtgefälle. 3) Korn-Einnahmen. 4) Hoheits-Einnahmen. 5) Forst-Einnahmen. 6) Sporteln und Accidenzien. 7) Außerordentliche Einnahmen. 8) Zahlungen aus anderen Cassen. Davon gehen ab: 1) Domanial-Verwaltungs-Ausgaben. 2) Ausgaben, die auf dem Domanio ruhen. 3) Außerordentliche Verwaltung-Kosten. 4) Verwaltungs-Kosten der Forsten. 5) Kosten des Bau-Etats. 6) Remissionen und Ausfälle. Von dem aus der Vergleichung der Einnahme und Ausgabe sich ergebenden Überschusse zu leistende Zahlungen: 1) an die Königliche Kroncasse. 2) an Apanagen. 3) an Witthümern etc.

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Bleibender reiner Überschuß, welcher in die Königliche Generalcasse fließt. II. Einnahmen von den Bergwerken und Salinen: 1) Von den Bergwerken. 2) Von den Salinen. III. Überschüsse von den Wasserzöllen. IV. Zahlung der Landescasse wegen der Landzölle. V. Überschüsse von den Posten. VI. Überschüsse der Lotterien. VII. Sporteln der Oberbehörden. VIII. Zinsen der Activ-Capitalien. IX. Übrige unmittelbare Einnahme der Generalcasse. X. Zahlungen von anderen Cassen.

ANLAGE B. ZU §. 140. DER VERFASSUNGS-URKUNDE Verzeichniß der nach §. 140. der Verfassungs-Urkunde 1) auf die Königliche Generalcasse und 2) auf die Landescasse fallenden Ausgaben.

1. Ausgaben der Königlichen Generalcasse Anmerkung. Die Ausgaben für das Königliche Haus, namentlich die Zahlungen an die Kroncasse, die Apanagen, die Witthümer etc. werden unmittelbar aus den Überschüssen der Domainen geleistet.

I. Königliches Cabinet, DepartementsMinisterien und Staatsrath 1) Besoldungen. 2) Büreau- und Commissions-Kosten des Königlichen Cabinets und der Departements-Ministerien, des Staatsrathes, wie auch des Archivs, und behuf der GesetzSammlung

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840)

II. Landdrosteien

VIII. Ministerium des Innern

1) Besoldungen. 2) Büreaukosten und behuf der Visitations-Reisen der Landdrosten.

1) Commissions- und Polizeikosten. 2) Besoldungen der Polizei-Commissarien. 3) Für milde Stiftungen und Armenanstalten. 4) Criminalkosten. 5) Behuf der Medicinalanstalten. 6) Für das Wasserbauwesen: a. Besoldungen b. Wasserbaukosten und sonstige behuf des Wasserbauwesens erforderliche Ausgaben und Vorschüsse. 7) Für den Chaussee- und Wegbau: Besoldungen in der obern Instanz. 8) Für das Landgestüt und behuf der Pferdezucht. 9) Behuf der Gemeinheits-Theilungen, Ablösungen und Landes-Cultur: a. Besoldungen des technischen Personals. b. Behuf der Moor-Culturen und zur Beförderung des Obstbaues.

III. Ämter 1) Besoldungen: a) für Beamte. b) für Amts-Unterbediente. 2) Büreaukosten.

IV. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten 1) Kosten behuf Grenzberichtigungen, auswärtige Commissionen und sonstige Ausgaben in auswärtigen Angelegenheiten. 2) Gesandtschaften: a. Besoldungen und Emolumente. b. Expensen.

V. Kriegs-Ministerium 1) Ordentlicher Beitrag zum MilitairEtat. 2) Unterstützungen und zur Hospital-Casse.

VI. Justiz-Ministerium 1) Besoldungen: a. der Mittelgerichte. b. der Lehnsbediente. 2) Büreau- und Commissionskosten.

VII. Ministerium der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten

IX. Finanz-Ministerium 1) Büreau- und Commissionskosten. 2) Für die Königlichen Haupt-Cassen: a. Besoldungen. b. Büreaukosten. 3) Behuf der Münze. 4) Haupt-Verwaltung der Domainen und Domanial-Forsten: a. Besoldungen. b. Büreau- und sonstige Verwaltungskosten.

X. Passiv-Etat 1) Behuf der Universität. 2) Behuf der geistlichen Oberbehörden: a. Besoldungen. b. Büreau- und Commissionskosten. 3) Beihülfen zu Kirchen- und Schulbauten.

1) Zinsen auf die Schulden der Königlichen Generalcasse. 2) Beitrag zur Tilgung der Schulden der Königlichen Generalcasse. 3) Renten.

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H ANNOVER

XI. Pensions-Etat 1) Pensionen vormaliger Königlicher Diener, welche aus Königlichen Cassen besoldet sind. 2) Pensionen an Witwen und Kinder vormaliger Königlicher Diener, soweit diese aus Königlichen Cassen besoldet wurden und die Witwen-Pensionen nicht bei der Trennung der Cassen auf die Landescasse übergehen, und an sonstige Hülfsbedürftige. 3) Fortlaufende und temporaire Unterstützungen. 4) Gnaden-Quartale von Besoldungen, die aus der Königlichen Casse erfolgen.

XII. Zahlungen an andere Cassen Grund- und Häusersteuer von den Domainen.

III. Kriegs-Ministerium 1) Ordentlicher Beitrag zum MilitairEtat. 2) Außerordentliche Verpflegungskosten der Truppen während der Exercierzeit. 3) Infanterie-Service. 4) Für Cavallerie-Verpflegung etc. Service und Kriegerfuhren. 5) Für die Militair-Aushebungs-Commissionen. 6) Zuschuß zur Etappen-Verpflegung fremder Truppen. 7) Unterstützungen.

IV. Justiz-Ministerium Besoldungen des Ober-Appellations-Gerichts.

V. Ministerium der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten Für Schulen.

2) Ausgaben der Landescasse I. Stände 1) Allgemeine Stände-Versammlung: a. Besoldungen. b. Büreaukosten. c. Diäten und Reisekosten der Mitglieder der allgemeinen Stände-Versammlung. 2. Provinzial-Landschaften: a. Besoldung. b. Versammlungskosten und für Versammlungslocale.

II. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten Ausgaben zu Zwecken des deutschen Bundes.

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VI. Ministerium des Innern 1) Behuf des Landgendarmerie-Corps. 2) Behuf der Straf- und Arbeits-Anstalten und des Staats-Gefängnisses. 3) Für das Medicinalwesen: a. Besoldungen der Ärzte und Chirurgen. b. Behuf der Heil- und Pflege-Anstalt für Gemüthskranke. 4) Zuschüsse behuf Canal- und anderer größerer Wasserbauten. 5) Für den Chaussee- und Wegbau: a. Wegbau- und sonstige behuf des Chausseebauwesens erforderliche Ausgaben. b. Landstraßen-Fonds und Communalwege. 6) Behuf der Gemeinheits-Theilungen, Ablösungen und der Landwirthschafts-Gesellschaft.

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840)

VII. Ministerium des Handels

XI. Künftig wegfallende Ausgaben

1) Behuf der Linnenleggen: a. Besoldungen. b. Leggekosten. 2) Auf Manufacturen, Fabriken, Handel und Gewerbe: a. Besoldungen. b. Expensen der Consulate, Prämien für die Häringsfischerei, Unterstützungen zur Beförderung der Gewerbe, behuf der See- und Flußschifffahrt, behuf der LehrAnstalten für Gewerbetreibende und sonstige ungewisse Ausgaben.

1) Reichsdeputationsschlußmäßige Pensionen, Pensionen wegen der neu erworbenen Landestheile und sonstige außerordentliche Pensionen der Königlichen Generalcasse. 2) Pensionen, die wegen der neu erworbenen Landestheile übernommen sind. 3) Temporaire Zahlungen für das Militair. 4) Temporaire Zahlungen für das Gendarmerie-Corps. 5) Persönliche Besoldungs-Zulagen wegen früherer Dienstverhältnisse. 6) Wartegelder. 7) Zoll- Abfindungs- und SteuerEntschädigungsgelder.

VIII. Finanz-Ministerium 1) Für das Schatz-Collegium: a. Besoldungen. b. Büreaukosten. 2) Für die General-Steuercasse: a. Besoldungen. b. Büreaukosten.

IX. Passiv-Etat

XII. Zahlungen an andere Cassen 1) Zuschüsse an die königliche Generalcasse wegen aufgehobener Domanial-Einnahmen. 2) Grundsteuer-Exemtions-Vergütung. 3) Wegen des Häuslings-Schutzgeldes.

1) Zinsen auf Passiv-Capitalien. 2) Renten. 3) Zahlungen an die Tilgungscasse der älteren Landesschulden.

XIII. Außerordentliche Ausgaben Behuf des Schloßbaues.

XIV. Subsidiairer Zuschuß an die Königliche Casse

X. Pensions-Etat 1) Pensionen vormaliger öffentlicher Diener, welche aus Landescassen besoldet sind. 2) Pensionen an Witwen und Kinder vormaliger öffentlicher Diener, so weit diese aus Landescassen besoldet wurden, und sonstige Hülfsbedürftige. 3) Zuschuß zur Witwen-Casse für die Civil-Dienerschaft. 4) Gnaden-Quartale von Besoldungen, die aus der General-Steuercasse erfolgen. 5) Witwen-Pensionen, welche mit dem Ableben der Beneficiatinnen an die Königliche Schatullcasse zu zahlen sind.

Anmerkung 1. Außerordentliche Zuschüsse der Landescasse zu den auf der Königlichen Casse ruhenden RegierungsAusgaben bleiben nach §. 144. der Verfassungs-Urkunde vorbehalten. Anmerkung 2. In den im §. 152. der Verfassungs-Urkunde bezeichneten Fällen sind die hergebrachten Ausstattungen der Prinzessinnen aus der Landescasse zu zahlen.

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Ediert nach Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1840, I. Abt., No. 28, Hannover, S. 141–191.

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H ANNOVER Das Landesverfassungs-Gesetz wurde am 1. August 1840 beschlossen, am 6. August 1840 unterzeichnet und am 7. August 1840 sowohl verkündet als auch in Kraft gesetzt (Huber, Dokumente I, S. 304, verweist auf den 6. August 1840 als Tag des Inkrafttretens). Dem Landesverfassungs-Gesetz sind zwei Entwürfe vorausgegangen aus den Jahren 1838 und 1840, beide abgedruckt bei Pölitz, Verfassungen, IV, 1847, S. 103–124 sowie S. 124–147. Das Landesverfassungs-Gesetz hat das Grundgesetz für das Königreich Hannover nebst dem königlichen Patente, die Publication desselben betreffend, Hannover, 1833, S. 1–82 abgelöst und blieb bis zum Ende des Königreichs Hannover 1866 in Kraft. Siehe unter „Verfassung von Hannover (1833)“. Eine weitere Änderung des Gesetzes erfolgte durch das Gesetz vom 1. August 1855, durch das weite Teile der Verfassung aufgehoben und geändert worden sind, abgedruckt in Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1855, S. 165–184. Für weiterführende Angaben siehe Huber, Dokumente I, S. 304–322; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 114–115, 537–539; Karlheinz Kolb / Jürgen Teiwes, Beiträge zur politischen, Sozial- und Rechtsgeschichte der Hannoverschen Ständeversammlung von 1814–1833 und 1837–1849, Hildesheim 1977. 2 Durch § 1 i.V.m. § 102 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 modifiziert und konkretisiert (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 3 Durch § 2 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 neugefaßt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 4 Das Cap. II des Landesverfassungs-Gesetzes wurde durch das „Gesetz, verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ergänzt. Das Änderungsgesetz sieht in § 3 vor, daß die Freiheit der Presse unter Beobachtung des Gesetzes erfolgt, sowie in § 4, daß ein freies Vereinigungs- und Versammlungsrecht unter Beobachtung der Gesetze statt findet, und in § 7, daß alle Vorzüge der Geburt, unbeschadet der Privatrechte, aufgehoben werden (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 5 Durch § 5 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 geändert (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 6 Durch § 6 des „Gesetz[es], verschiedene Änderun-

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gen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 neugefaßt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 7 Durch § 8 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 neugefaßt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 8 Durch § 9 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 durch eine neue Fassung ersetzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 9 Erhielt durch § 10 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 eine neue Fassung (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 10 Der letzte Absatz wurde durch § 11 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 aufgehoben (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 11 Das Cap. III wurde durch § 21 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ergänzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 12 Erhielt durch § 12 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 eine neue Fassung (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 13 Erhielt durch § 13 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 eine neue Fassung (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 14 Wurde durch § 14 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 durch eine neue Fassung ersetzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 15 Wurde durch § 15 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 durch eine neue Fassung ersetzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 16 Wurde durch § 16 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 aufgehoben (GesetzSammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 17 Erhielt durch § 17 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 eine neue Fassung (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 18 Wurde durch § 18 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ersetzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 19 Erhielt durch § 19 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 eine neue Fassung (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 20 Wurde durch § 20 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ersetzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 21 Wurde durch § 22 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 aufgehoben (GesetzSammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 22 Wurde durch § 22 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 aufgehoben (GesetzSammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 23 Erhielt durch § 23 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 eine neue Fassung (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 24 Der erste Absatz wurde durch § 24 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 aufgehoben (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 25 Der erste Absatz erhielt durch § 25 des „Gesetz[es],

verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 eine neue Fassung (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 26 Der erste Absatz erhielt durch § 26 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 um einen weiteren Satz ergänzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 27 Der sechste Absatz wurde durch § 27 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 aufgehoben (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 28 Wurde durch § 28 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 geändert (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 29 Wurde durch § 29 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ersetzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 30 Wurde durch § 30 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ergänzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 31 Wurde durch § 31 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ergänzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 32 Wurde durch § 32 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ersetzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 33 Wurde durch § 33 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ergänzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 34 Der Titel II des Cap. V (§§ 83–128) wurde durch die §§ 36–76 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom

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H ANNOVER 5. September 1848 ersetzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 35 Im Original wird an dieser Stelle ein Abkürzungszeichen verwendet. 36 Das Cap. VI (§§ 129–167) wurde durch die §§ 77– 100 des Gesetzes vom 5. September 1848 aufgehoben und ersetzt (abgedruckt in Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 37 Im Original wird an dieser Stelle ein Abkürzungszeichen verwendet. 38 Anlage A ist am Ende des Verfassungstextes abgedruckt. 39 Anlage B findet sich am Ende des Verfassungstextes im Anschluß an Anlage A. 40 Im Original wird an dieser Stelle ein Abkürzungszeichen verwendet. 41 Im Original wird an dieser Stelle ein Abkürzungszeichen verwendet. 42 Im Original wird an dieser Stelle ein Abkürzungszeichen verwendet. 43 Das Cap. VII wurde durch die §§ 102, 103 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ergänzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 44 § 168 wurde durch § 101 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ersetzt (GesetzSammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 45 Wurde durch § 104 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ersetzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 46 Wurde durch § 105 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 aufgehoben (GesetzSammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 47 Wurde durch § 105 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 aufgehoben (GesetzSammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 48 Die Worte „Königlicher Diener“ wurden durch das Wort „Staatsdiener“ durch § 106 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Geset-

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zes betreffend“ vom 5. September 1848 ersetzt (GesetzSammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 49 Wurde durch § 107 i.V.m. § 7 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 aufgehoben (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 50 Die Worte „Königlicher Diener“ wurden durch das Wort „Staatsdiener“ durch § 106 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ersetzt (GesetzSammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 51 Die Worte „Königlicher Diener“ wurden durch das Wort „Staatsdiener“ durch § 106 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ersetzt (GesetzSammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 52 Die Worte „Königlicher Diener“ wurden durch das Wort „Staatsdiener“ durch § 106 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ersetzt (GesetzSammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 53 Der zweite Absatz wurde durch § 108 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ersetzt (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 54 Die Worte „Königlicher Diener“ wurden durch das Wort „Staatsdiener“ durch § 106 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ersetzt (GesetzSammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 55 Die Worte „Königlicher Diener“ wurden durch das Wort „Staatsdiener“ durch § 106 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ersetzt (GesetzSammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 56 Wurde durch das „Gesetz, die Aufhebung des §. 180 des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 10. April 1848 aufgehoben (Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 25, Hannover, S. 99–100). Siehe unter „Erste Revision von 1848“.

V ERFASSUNG VON H ANNOVER (1840) 57 Wurde durch § 109 des „Gesetz[es], verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend“ vom 5. September 1848 ergänzt (Gesetz-Samm-

lung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“.

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Erste Revision von 1848 Gesetz, die Aufhebung des §. 180 des LandesverfassungsGesetzes betreffend1

Ernst August, von Gottes Gnaden König von Hannover, Königlicher Prinz von Großbritannien und Irland, Herzog von Cumberland, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg etc. etc.

2. Abänderungen der Verfassungs-Urkunde, des Wahlgesetzes und der Geschäftsordnung können in Zukunft unter den für andere Gesetze bestehenden Formen, jedoch nur unter Zustimmung der allgemeinen Ständeversammlung, getroffen werden.

Nachdem es nothwendig erachtet ist, die Bestimmungen des §. 180 des Landesverfassungs-Gesetzes vom 6ten August 1840 abzuändern, so verordnen Wir, auf einhellig beschlossene Zustimmung Unserer getreuen Stände, wie folgt:

Gegenwärtiges Gesetz ist durch die Gesetzsammlung zu verkünden.

1. Der §. 180 des Landesverfassungs-Gesetzes vom 6ten August 1840 und der §. 68 der Geschäftsordnung für die allgemeinen Stände des Königreichs vom 4ten September 1840 werden hiemit aufgehoben.

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Gegeben Hannover, den 10ten April 1848. Ernst August. Stüve, Dr. 1

Ediert nach Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 25, Hannover, S. 99–100.

Zweite Revision von 1848 Gesetz, verschiedene Änderungen des LandesverfassungsGesetzes betreffend1

Ernst August, von Gottes Gnaden König von Hannover, Königlicher Prinz von Großbritannien und Irland, Herzog von Cumberland, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg etc. etc. Wir erlassen hiemit, unter Zustimmung der getreuen allgemeinen Stände des Königreichs, unter Bezugnahme auf das Gesetz vom 10ten April d. J., die Aufhebung des §. 180 des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend, das folgende Gesetz:

sung verspricht. Nach Veröffentlichung dieses Patents bestimmt der König gleichmäßig für das ganze Land, zu welcher Zeit und auf welche Weise ihm die Unterthanen die Huldigung leisten sollen. Die Urschrift des mit der Unterschrift des Königs und dem Regierungssiegel versehenen Patents soll in dem Archive der allgemeinen Ständeversammlung niedergelegt werden.

(CAP. I.) § 1.

(CAP. II) § 3.

Zu §.8 des LandesverfassungsGesetzes Der §. wird durch folgende Bestimmung ersetzt: Die bewaffnete Macht und deren Einrichtung, wie auch alle in Beziehung auf dieselbe vorzunehmenden Anstellungen, zu machenden Anordnungen und zu erlassenden Befehle hängen allein vom Könige ab. S. §. 102 dieses Gesetzes.

§ 2. Zu §. 14 Der §. wird durch folgende Bestimmungen ersetzt: Nach Erledigung des Thrones tritt der Thronfolger die Regierung des Königreichs mittelst eines Patents an, durch welches er bei seinem Königlichen Worte die unverbrüchliche Festhaltung der Landesverfas-

Es soll Freiheit der Presse unter Beobachtung der Gesetze Statt finden.

§ 4. Es soll freies Vereinigungs- und Versammlungsrecht unter Beobachtung der Gesetze Statt finden.

§ 5. Zu §. 31 Der §. wird durch folgende Bestimmung ersetzt: Sowohl in Civil- als Criminalsachen darf Niemand seinem ordentlichen Richter entzogen werden, außer in den im Proceßgange begründeten oder von den Gesetzen im Voraus bestimmten Fällen.

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H ANNOVER

§ 6.

§ 9.

Zu §. 32

Zu §. 36

Der §. wird durch folgende Bestimmungen ersetzt: Jeder Landeseinwohner genießt völlige Glaubens- und Gewissenfreiheit und ist zu Religionsübungen mit den Seinigen in seinem Hause berechtigt. Die Ausübung der politischen und bürgerlichen Rechte ist von dem Glaubensbekenntnisse unabhängig; jedoch kann durch Berufung auf Glaubenssätze sich Niemand seinen staatsbürgerlichen Pflichten entziehen. Die Befugniß der Geistlichen, Amtshandlungen mit bürgerlicher Wirksamkeit zu verrichten, setzt eine Ermächtigung von Seiten der Staatsbehörde voraus.

Der §. wird durch folgende Bestimmung ersetzt: Die Gerichtsverfassung soll nach den Grundsätzen der Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung, der Aufhebung des bevorzugten Gerichtsstandes, der Mündlichkeit und Öffentlichkeit in bürgerlichen und peinlichen Sachen, der Einführung von Schwurgerichten in letzteren gesetzlich geregelt werden.

§ 7. Alle Vorzüge der Geburt, unbeschadet der Privatrechte, werden aufgehoben.

§ 8. Zu §. 34 Der §. wird durch folgende Bestimmung ersetzt: Alle Landesunterthanen sind nach gleichmäßigen Grundsätzen zur Tragung der allgemeinen Staatslasten verbunden. Alle Real- und Personalbefreiungen von allgemeinen Staatslasten fallen ohne Entschädigung hinweg. Ausgenommen sind die Befreiungen der Mitglieder der Königlichen Familie und der Königlichen Schlösser und Gärten, ferner der Standesherren, so wie der standesherrlichen Schlösser und Gärten, so weit solche Ausnahme gegenwärtig besteht und in der Verfassung Deutschlands begründet ist.

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§ 10. Zu §. 40 Dieser §. wird durch folgende Bestimmungen ersetzt: Die Gerichte sind befugt, über die Grenzen ihrer Zuständigkeit selbst zu entscheiden. Verwaltungsmaßregeln, welche von den Verwaltungsbehörden innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit vorgenommen worden sind, können von den Gerichten nicht aufgehoben werden. Es kann aber in einem solchen Falle der etwaige Anspruch auf Entschädigung bei den Gerichten geltend gemacht werden. Verwaltungsmaßregeln, welche von den Verwaltungsbehörden außerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit vorgenommen sind, können auf Antrag des dadurch in seinen Rechten Verletzten durch die Gerichte aufgehoben werden. Daneben kann von denselben geeigneten Falls auf Schadensersatz erkannt werden. Bei Entscheidung über die Zuständigkeit soll für die Berufung an die Obergerichte eine Appellationssumme nicht erforderlich sein.

Z WEITE R EVISION VON 1848

§ 11. Zu §. 42 Der letzte Absatz des §. (gemeinschaftliche Gesuche mehrerer Gemeinden betreffend) wird aufgehoben.

(CAP. III.) § 12. Zu §. 45 Dieser §. wird durch folgende Bestimmungen ersetzt: Jeder Landes-Einwohner, jedes Grundstück und jedes Haus muß in Beziehung auf die öffentlichen Verhältnisse einer Gemeinde angehören. Solche größere Domanial-, Kloster- und sonstige Güter, welche sich mit einer einzelnen Gemeinde zweckmäßig nicht verbinden lassen, können, sofern von den Betheiligten ein übereinstimmender Antrag darauf gestellt wird, durch die obern Verwaltungsbehörden von dieser Bestimmung ausgenommen werden, sind aber jedenfalls einem Verbande mehrerer Gemeinden beizulegen, falls ein solcher vorhanden ist, oder zweckmäßig gebildet werden kann. Gleiches gilt von größeren unbebauten Grundbesitzungen. Das Stimmverhältnis der Mitglieder der Gemeinden soll durch die Gesetzgebung festgestellt werden.

§ 13. Zu §. 47 Der §. wird durch folgende Bestimmungen ersetzt: Jedes Mitglied einer Gemeinde, so wie jedes zu solcher gehörige Haus oder Grundstück muß zu den aus den öffentlichen Verhältnissen der Gemeinde entspringenden Lasten verhältnißmäßig beitragen. Wenn ein Anschluß von Domainen, Gütern, Häusern oder sonstigen Besitzungen an eine Gemeinde oder an einen Gemeindeverband Statt findet, so können gegenseitig,

ohne vorgängige Vereinbarung unter den Betheiligten über Ausgleichung oder Entschädigung, keine Lasten übertragen werden, welche lediglich zur Erfüllung früherer, aus der Zeit vor der Vereinigung herrührenden Verbindlichkeiten dienen und deren Vortheile den neu eintretenden Mitgliedern nicht zu Statten kommen. Kommt jedoch unter den Betheiligten über diese Ausgleichung oder Entschädigung keine Vereinbarung zu Stande, so erfolgt schiedsrichterliche Entscheidung. Dagegen haben die Hinzutretenden zu den übrigen Lasten der Gemeinde, so weit diese aus deren öffentlichen Verhältnissen entspringen, verhältnißmäßig beizutragen.

§ 14. Zu §. 49 Der §. wird durch folgende Bestimmung ersetzt: Alle Real- und Personal-Befreiungen von Gemeindelasten fallen ohne Entschädigung hinweg, mit Ausnahme der Befreiungen der Mitglieder der Königlichen Familie und der Königlichen Schlösser und Gärten, ferner der Standesherren, so wie der standesherrlichen Schlösser und Gärten, so weit solche Ausnahme gegenwärtig besteht und in der Verfassung Deutschlands begründet ist. Was jedoch für den Erwerb einer solchen Befreiung erweislich der Gemeinde gezahlt oder sonst geleistet worden ist, muß von derselben erstattet werden, sofern die Leistung nicht die Natur einer fortdauernden Rente hatte. Wo letzteres der Fall ist, hört mit der Befreiung auch die dafür übernommene Gegenleistung auf.

§ 15. Zu §. 50 Der §. wird durch folgende Bestimmung ersetzt:

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H ANNOVER Haben die Befreiten oder Hinzugetretenen gewisse Lasten zu Gunsten der Gemeinde getragen oder die Pflichtigen in Rücksicht auf die von ihnen getragene Last den Genuß von Vortheilen gehabt, so soll eine Ausgleichung der Lasten und Vortheile eintreten.

§ 16. Zu §. 51 Dieser §. wird aufgehoben.

§ 17. Zu §. 56 Der §. wird durch folgende Bestimmungen ersetzt: Den Gemeinden und den Verbänden mehrerer Gemeinden steht das Recht zu, ihr Vermögen selbst zu verwalten. Die Oberaufsicht der Verwaltungsbehörde über diese Vermögensverwaltung, so wie über die Vertheilung und Verwendung der Gemeindeabgaben und Leistungen darf sich nicht weiter erstrecken, als dahin, daß das Vermögen erhalten und bei Anordnung und Vertheilung der Gemeindeabgaben angemessene, auch die Rechte der übrigen Landes-Einwohner und das allgemeine Wohl nicht verletzende Grundsätze befolgt werden. Auch steht der Verwaltungsbehörde die Entscheidung von Beschwerden zu, welche gegen die Gemeindeverwaltung erhoben werden. Die Einführung neuer und die Abänderung bestehender Beitragsverhältnisse in Beziehung auf Abgaben und Leistungen der Gemeinden oder Gemeindeverbände kann, unter Beobachtung der darüber bestehenden Rechtsgrundsätze, durch Gemeindebeschluß, jedoch nur unter Bestätigung der obern Verwaltungsbehörden geschehen.

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Die Oberaufsicht der Verwaltungsbehörden soll kostenfrei geschehen.

§ 18. Zu §. 58 Der §. wird durch folgende Bestimmung ersetzt: Die städtischen Obrigkeiten und deren Mitglieder, wie auch die Beamten der Landgemeinden sind zur Verwaltung der Gemeindesachen, so wie zur Besorgung der ihnen durch Gesetz, Verfassung oder Herkommen oder von den höheren Behörden übertragenen Landesangelegenheiten in ihrer Gemeinde verpflichtet. Die Fälle, wo ein Gemeindebeamter die Erfüllung dieser Verpflichtungen vermöge seiner Eigenschaft als Gemeindebeamter abzulehnen befugt ist, sollen in dem zu erlassenden StaatsdienerGesetze bestimmt werden.

§ 19. Zu §. 59 Der §. wird durch folgende Bestimmungen ersetzt: Die Verfassung und Verwaltung der Städte und derjenigen Flecken, welche ihnen gleich zu stellen sind, soll durch eine allgemeine Städteordnung geregelt werden. Es soll dabei die Polizeiverwaltung den Magistraten, den Städten und den gedachten Flecken die freie Wahl ihrer Beamten überlassen, und das Erforderniß der Bestätigung auf die stimmführenden Mitglieder des verwaltenden Magistrats und des Stadtgerichts beschränkt werden, dergestalt, daß die Bestätigung nur aus gesetzlich zu bestimmenden Gründen soll verweigert werden dürfen. Ferner soll das Oberaufsichtsrecht in städtischen Angelegenheiten beschränkt und

Z WEITE R EVISION VON 1848 die Befugniß zur öffentlichen Verhandlung über dieselben eingeräumt werden.

(CAP. IV.) § 23. Zu §. 66

§ 20. Zu §. 60 Der §. wird durch folgende Bestimmungen ersetzt: Den Landgemeinden steht, unter Oberaufsicht der Verwaltungsbehörden, die eigene Verwaltung ihres Vermögens, die Regelung ihrer übrigen inneren Gemeindeverhältnisse und der ihnen obliegenden Gemeindelasten, so wie eine Theilnahme an der Handhabung der Polizei, namentlich auch die Ausübung der Flur- und Feldmarkspolizei zu. Die Landgemeinden sind berechtigt, ihre Gemeindebeamten mit Vorbehalt obrigkeitlicher Bestätigung zu wählen, welche Bestätigung ohne – noch zu bestimmende – gesetzliche Gründe nicht zu versagen ist. Größere hergebrachte Rechte der Landgemeinden sollen jedoch hiedurch nicht beeinträchtigt werden.

§ 21. Sind Ausgaben von einem Verbande mehrerer Gemeinden aufzubringen, so sollen zur Prüfung der Ausgaben und zur Vertheilung derselben gewählte Mitglieder des Verbandes zugezogen werden. Diesen ist auch über die Verwendung Rechnung abzulegen. Soweit solche Verbände als wirkliche Gemeinden sich darstellen, sollen denselben gleiche Befugnisse wie den einzelnen Gemeinden zustehen.

Der §. wird durch folgende Bestimmungen ersetzt: In der evangelischen Kirche werden die Rechte der Kirchengewalt vom Könige, so weit es die Kirchenverfassung mit sich bringt, unmittelbar, oder mittelbar durch die Consistorial- oder Presbyterialbehörden, welche aus evangelischen geistlichen und weltlichen Personen bestehen, unter Königlicher Oberaufsicht ausgeübt, vorbehältlich der den Gemeinden und Einzelnen dabei zustehenden Rechte. Über Abänderungen in der bestehenden Kirchenverfassung wird der König mit einer von ihm zu berufenden Versammlung von geistlichen und weltlichen Personen, welche theils von Ihm bestimmt, theils von den Geistlichen und Gemeinden auf die sodann durch Verordnung zu bestimmende Weise erwählt werden, berathen. Einer solchen Berathung bedarf es auch dann, wenn vor Einrichtung von Synoden für das ganze Königreich oder einzelne Landestheile neue Kirchenordnungen erlassen oder in wesentlichen Grundsätzen derselben, und namentlich in der Liturgie Veränderungen vorgenommen werden sollen. Den Kirchengemeinden soll eine allgemeinere Betheiligung bei der Anstellung ihrer Prediger eingeräumt werden, soweit solches von der allgemeinen Landesgesetzgebung abhängt.

§ 24. Zu §. 70

§ 22. Zu §. 61 und 62 Diese §§. werden aufgehoben.

Der erste Absatz dieses §. (die amtlichen Communicationen mit dem päbstlichen Stuhle betreffend) wird aufgehoben.

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H ANNOVER

§ 25. Zu §. 71 Der erste Absatz des §. wird durch folgende Bestimmung ersetzt: Beschwerden über Mißbrauch der Kirchengewalt können zur Entscheidung auch bis an den König gebracht werden.

§ 26.

§ 30.

Zu §. 72

Zu §. 78

Dem Absatz 1 (die Bestätigung von Predigern etc. betreffend) wird hinzugesetzt: Die Gründe sollen jederzeit mitgetheilt werden.

§ 27. Zu §. 75 Der sechste Absatz des §. (Berufungen wider Entscheidungen über Abänderung von Stiftungen etc. betreffend) fällt weg.

§ 28. Zu §. 76 Der §. wird durch folgende Bestimmung ersetzt: Es sollen Kirchenvorstände gebildet werden, welche aus den Predigern und von den Gemeinden gewählten Mitgliedern derselben bestehen. Diese Kirchenvorstände sollen die unmittelbare Verwaltung des Vermögens der einzelnen Kirchen und der dazu gehörenden Stiftungen und Armenanstalten führen. Das Nähere darüber wird unter Berücksichtigung der Rechte der Patronen gesetzlich bestimmt werden.

§ 29. Zu §. 77 Der §. wird durch folgende Bestimmung ersetzt:

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Zum Zwecke der Theilnahme an der Aufsicht über den Unterricht in den Volksschulen soll in der Regel in jeder Schulgemeinde ein Schulvorstand bestehen, die oberste Aufsicht aber unter dem Ministerium von anzuordnenden Schulbehörden geführt werden.

Dem §. wird folgender Zusatz gegeben: Jedoch finden die Bestimmungen dieses Gesetzes zum 3ten Capitel des Landesverfassungs-Gesetzes über die Befreiung von Gemeindelasten ebenfalls auf Leistungen oder Lasten der Kirchen-, Pfarr- und Schulgemeinden zu Kirchen-, Pfarr- und Schulzwecken Anwendung.

§ 31. Zu §. 79

Der §. erhält am Schluß folgenden Zusatz: Die sechs Mannsstifter: St. Petri et Pauli zu Bardowieck, St. Alexandri zu Einbeck, Beatae Mariae Virginis zu Einbeck, St. Bonifacii zu Hameln, Ramelsloh und St. Cosmae et Damiani zu Wunstorf sollen aufgehoben und das Vermögen derselben soll, unbeschadet der den vorhandenen Pfründnern und Beanwarteten daraus gebührenden Einkünfte, so wie der etwaigen Privatrechte Anderer, mit dem allgemeinen Klostervermögen vereinigt werden. Neue Expectanzen dürfen nicht ertheilt werden.

Z WEITE R EVISION VON 1848

(CAP. V. TITEL I) § 32. Zu §. 80 Der §. wird durch folgende Bestimmung ersetzt: Für das ganze Königreich soll eine allgemeine Ständeversammlung bestehen.

§ 33. Zu §. 82 Der §. erhält folgenden Zusatz: Die Verhältnisse der Provinzial-Landschaften, deren Zusammensetzung und Wirkungskreis sollen nach vorgängiger Verhandlung mit den bestehenden ProvinzialLandschaften durch allgemeine Gesetzgebung geregelt werden. Bis zu solcher Regelung bleiben die Provinzial-Landschaften in ihrer gegenwärtigen Einrichtung bestehen.

§ 34. Der Titel II. des Cap. V. des Landesverfassungs-Gesetzes §. 83 bis 128 von den allgemeinen Ständen wird aufgehoben und durch folgende Bestimmungen ersetzt:

§ 35. Die allgemeine Ständeversammlung besteht aus zwei Cammern.

I. Erste Cammer § 36. Die erste Cammer soll bestehen aus: 1) den Königlichen Prinzen, Söhnen des Königs, und den übrigen Prinzen der königlichen Familie. Der Kronprinz ist nach dem zurückgelegten 18. Lebensjahre, jeder der übrigen Prinzen nach zurückgelegtem 21. Jahre einzutreten berechtigt;

2) dem Herzoge von Arenberg, dem Herzoge von Looz-Corswaaren und dem Fürsten von Bentheim, so lange sie im Besitze ihrer Standesherrschaften sich befinden; 3) dem Erblandmarschall des Königreichs; 4) den Grafen von Stolberg-Wernigerode und von Stolberg-Stolberg wegen der Grafschaft Hohnstein; 5) vier vom Könige zu ernennenden Mitgliedern, wovon wenigstens zwei Minister sein müssen (vergl. §. 57); 6) dem von der ersten Cammer ernannten Commissarius für das Schulden- und Rechnungswesen; 7) drei und dreißig Angeordneten der größeren Grundeigenthümer, welche nach dem Grundsteuerertrage auf die verschiedenen Provinzen zu vertheilen sind. Es werden für die Erwählung dieser Abgeordneten 33 Wahlbezirke gebildet, in denen je ein Abgeordneter gewählt wird. Die Wahl geschieht in jedem Wahlbezirke in der Regel von 150 Grundeigenthümern, und zwar von denjenigen, welche die höchste Grundsteuer zahlen. Befinden sich jedoch in einem Wahlbezirke mehr als 150 Grundeigenthümer, welche 50 Thaler Grundsteuer und darüber jährlich zahlen, so sind alle diese Grundeigenthümer wahlberechtigt. Befinden sich dagegen in einem Wahlbezirke nicht 150 Grundeigenthümer, welche mindestens 30 Thaler Grundsteuer jährlich zahlen, so wird die Zahl der Wahlberechtigten bis zu der Zahl der in dem Bezirke vorhandenen Grundeigenthümer vermindert, welche wenigstens 30 Thaler an jährlicher Grundsteuer zahlen. Würde damit indessen die Zahl der Wahlberechtigten unter 100 herabsinken, so werden von den unter 30 Thaler Grundsteuer zahlenden Grundeigenthümern die in dem Betrage der Grundsteuerzahlung zunächst stehenden soweit hinzugezogen, als zur Herstellung einer Zahl von 100 Wahlberechtigten erforderlich ist.

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H ANNOVER 8) Zehn Abgeordneten für Handel und für Gewerbe, welche über das ganze Land unter thunlichster Berücksichtigung der provinziellen Bezirke zu vertheilen sind. 9) Zehn Abgeordneten der Kirche und Schule. Davon erwählen: Die Evangelische Geistlichkeit. . . . vier, deren Vertheilung auf das Land der Regierung überlassen bleibt, die Katholische Geistlichkeit des Hildesheimschen Sprengels. . . . . . . . . . . . . . einen, die Katholische Geistlichkeit des Osnabrückschen Sprengels. . . . . . . . . . . . . einen, die Universität Göttingen. . . . . . . . einen, die Lehrer-Collegien der höheren SchulAnstalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . einen, die Lehrer der Bürger- und Volksschulen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . zwei. 10) Vier Abgeordneten des Standes der Rechtsgelehrten, welche von den Richtercollegien und den Rechtsbeiständen gewählt werden sollen. Die unter No. 7 bis 10 aufgeführten Abgeordneten sind auf die Dauer von sechs Jahren zu erwählen.

§ 37. Wählbar als Abgeordnete der größeren Grundbesitzer sind nur diejenigen, welche selbst, wenngleich in einem andern Wahlbezirke oder in einer andern Provinz, als größere Grundbesitzer wahlberechtigt sind. Dagegen brauchen die von den Gewerbetreibenden, den Geistlichen, der Universität, den Lehrern und Rechtsgelehrten zu wählenden Abgeordneten, wenn sie überhaupt nur die Erfordernisse zur Wählbarkeit in die erste Cammer besitzen, dem besondern Stande, von welchem sie gewählt werden, nicht anzugehören.

§ 38. Von dem Wahlrechte und der Wählbar-

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keit ausgeschlossen sind alle diejenigen, welche noch nicht 25 Jahre alt sind, oder unter väterlicher Gewalt oder Curatel stehen, oder nach gesetzlichen Bestimmungen nicht im vollen Besitze der politischen Rechte sich befinden, oder wegen eines nach der öffentlichen Meinung entehrenden Verbrechens bestraft, oder wegen eines solchen Verbrechens in Untersuchung gewesen sind, ohne völlig freigesprochen zu sein.

§ 39. Von den gewählten Mitgliedern der ersten Kammer scheidet, je um das dritte Jahr die Hälfte aus und wird durch neue Wahlen ersetzt. Sind die Stände beim Ablauf der Zeit, für welche die Wahl geschehen ist, versammelt, so erfolgt der Austritt erst nach Beendigung der Diät. Der Austritt bestimmt sich das erste Mal durch das Loos, demnächst durch die Zeit der Wahl.

§ 40. Im Übrigen sind die Rechte beider Cammern gleich.

II. Zweite Cammer § 41. Die zweite Cammer soll bestehen: 1) aus zwei vom Könige zu ernennenden Mitgliedern, welche Minister sein müssen (vergl. §. 57); 2) aus dem von der zweiten Cammer ernannten Commissarius für das Schuldenund Rechnungswesen; 3) aus neun und siebzig Abgeordneten der Stadt- und Landgemeinden des Königreichs; und zwar aus:

Z WEITE R EVISION VON 1848 a) acht und dreißig Abgeordneten nachfolgender Städte und Flecken: zwei Abgeordneten der Residenzstadt Hannover, einem Abgeordneten der Stadt Göttingen, einem Abgeordneten der Stadt Northeim, einem Abgeordneten der Stadt Hameln, einem Abgeordneten der Stadt Einbeck, einem Abgeordneten der Stadt Osterode, einem Abgeordneten der Stadt Duderstadt, einem Abgeordneten der Städte Moringen, Uslar, Hardegsen, Dransfeld und Hedemünden, einem Abgeordneten der Stadt Münden, einem Abgeordneten der Städte Münder, Pattensen, Neustadt a. R., Springe, Wunstorf, Eldagsen, Bodenwerder und Rehburg, einem Abgeordneten der Städte Clausthal und Zellerfeld, einem Abgeordneten der übrigen fünf Bergstädte, mit Einschluß von Herzberg, Elbingerode und Lauterberg, einem Abgeordneten der Stadt Lüneburg, einem Abgeordneten der Stadt Uelzen, einem Abgeordneten der Stadt Celle, einem Abgeordneten der Stadt Harburg, einem Abgeordneten der Städte Lüchow, Dannenberg und Hitzacker, einem Abgeordneten der Städte Soltau, Walsrode, Burgdorf und Gifhorn, einem Abgeordneten der Stadt Stade, einem Abgeordneten der Stadt Buxtehude, einem Abgeordneten der Stadt Verden, einem Abgeordneten der Stadt Nienburg einem Abgeordneten der Hoyaschen Flecken, einem Abgeordneten der Diepholzschen Flecken, einem Abgeordneten der Stadt Osnabrück,

einem Abgeordneten der Städte Quakenbrück, Fürstenau, und der Flecken Melle und Bramsche, einem Abgeordneten der Städte Meppen, Lingen und Haselünne, einem Abgeordneten der Stadt Goslar, einem Abgeordneten der Stadt Hildesheim, einem Abgeordneten der Städte Alfeld, Peine und Bockenem, einem Abgeordneten der Städte Elze, Gronau, Sarstedt und Dassel, einem Abgeordneten der Stadt Emden, einem Abgeordneten der Städte Aurich und Esens, einem Abgeordneten der Stadt Norden, einem Abgeordneten der Stadt Leer, einem Abgeordneten der Städte Schüttorf, Nordhorn und Neuenhaus, wie auch des Fleckens Bentheim, einem Abgeordneten der Gemeinde Papenburg. Eine fernere gesetzliche Bestimmung darüber, welche Gemeinden außerdem noch in dieser Abtheilung zu vertreten, und wie die Abgeordneten auf dieselben zu vertheilen sind, bleibt vorbehalten. b) ein und vierzig Abgeordneten der Landgemeinden und der unter a. nicht aufgeführten Städte und Flecken, nämlich: fünf Abgeordneten aus den Fürstenthümern Calenberg, Göttingen und Grubenhagen, einem Abgeordneten der Grafschaft Hohnstein, sechs Abgeordneten aus dem Fürstenthume Lüneburg, fünf Abgeordneten aus den Bremenschen Marschen, drei Abgeordneten aus der Bremenschen Geest und dem Herzogthume Verden, zwei Abgeordneten aus dem Lande Hadeln mit Einschluß der Stadt Otterndorf, vier Abgeordneten aus den Grafschaften Hoya und Diepholz, welche gleichmäßig auf die Provinz vertheilt werden,

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H ANNOVER drei Abgeordneten aus dem Fürstenthume Osnabrück, zwei Abgeordneten aus dem Herzogthume Arenberg-Meppen und der Niedergrafschaft Lingen, vier Abgeordneten aus dem Fürstenthume Hildesheim, fünf Abgeordneten aus dem Fürstenthume Ostfriesland, einem Abgeordneten aus der Grafschaft Bentheim. Eine fernere gesetzliche Bestimmung über die Vertheilung der Abgeordneten auf die Landgemeinden wird vorbehalten.

§ 42. An den Wahlen der Stadt- und Landgemeinden nehmen alle wohnberechtigten männlichen Einwohner der Gemeinde Theil, mit Ausnahme derer, welche noch nicht 25 Jahre alt sind, in väterlicher Gewalt, unter Curatel, oder in Kost und Lohn eines Andern stehen, wegen eines nach der öffentlichen Meinung entehrenden Verbrechens bestraft worden oder in Untersuchung gewesen sind, ohne völlig freigesprochen zu sein, nach gesetzlichen Bestimmungen nicht im vollen Besitze der politischen Rechte sind, zu den directen Landessteuern nicht beitragen, oder den ihnen obliegenden Beitrag dazu im letzten Jahre nicht entrichtet haben.

III. Gemeinschaftliche Bestimmungen für beide Cammern § 44. Niemand kann Mitglied der Ständeversammlung sein, wenn eines der im §. 42 bezeichneten Hindernisse bei ihm eintritt.

§ 45. Alle Mitglieder der Ständeversammlung müssen im Königreiche wohnen. Von dieser Bestimmung sind ausgenommen: 1) die im §. 36 No. 2 und 4 aufgeführten Mitglieder der ersten Cammer; 2) die dort unter No. 7 aufgeführten Abgeordneten der größeren Grundeigenthümer, wenn sie in einem anderen deutschen Lande wohnen und daselbst ein Gleiches beobachtet wird.

§ 46. Personen, über deren Vermögen während ihrer Verwaltung Concurs ausgebrochen ist, können vor Befriedigung ihrer Gläubiger weder zu Mitgliedern der Ständeversammlung erwählt werden, noch, wenn sie zur Zeit des Ausbruches des Concurses Mitglieder sind, in derselben bleiben.

§ 47. Die Wahlversammlungen müssen sich von dem Vorhandensein der vorgeschriebenen Eigenschaften der zu erwählenden Abgeordneten gebührend überzeugen.

§ 43. § 48. Wählbar zur zweiten Cammer der allgemeinen Ständeversammlung sind alle wahlberechtigten Landes-Einwohner.

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Keinem im öffentlichen Dienste Angestellten, einschließlich der Gemeindebeam-

Z WEITE R EVISION VON 1848 ten, darf der zur Theilnahme an der allgemeinen Ständeversammlung erforderliche Urlaub verweigert werden, wenn für die Versehung des Dienstes von ihm auf eine andere Weise angemessen gesorgt wird.

§ 49. Abgeordnete, die während der Dauer ihres Mandats ein besoldetes Staatsamt oder eine Beförderung im Staatsdienste annehmen, geben damit ihren Sitz in der Ständeversammlung auf; in solchem Falle wird nicht der Ersatzmann einberufen, sondern muß jedesmal eine neue Wahl eintreten.

§ 50. Sämmtliche Mitglieder der allgemeinen Ständeversammlung müssen bei ihren Verhandlungen das Wohl des ganzen Königreichs vor Augen haben und dürfen sich durch Instructionen nicht binden lassen.

§ 51. Die Mitglieder der Ständeversammlung dürfen ihre Stimme nicht auf ein anderes Mitglied übertragen. Jedoch können die im §. 36 No. 2 und 4 aufgeführten Mitglieder der ersten Cammer durch ihre volljährigen ältesten Söhne oder durch dazu bevollmächtigte Agnaten ihres Hauses sich vertreten lassen.

§ 52. Die Minister haben, wenn sie auch nicht Mitglieder der Ständeversammlung sind, das Recht des Zutritts und der Theilnahme an den Berathungen in beiden Cammern. Jede Cammer kann die Gegenwart von Ministern verlangen. Der König ist berechtigt, in jede Cammer Commissarien zu schicken, um den Sitzungen beizuwohnen und an den Berathungen

Theil zu nehmen. Die Commissarien haben kein Stimmrecht.

§ 53. Jede Äußerung eines Mitgliedes in der Versammlung über ständische Angelegenheiten soll immer die günstigste Auslegung erhalten.

§ 54. Ein gerichtliches Verfahren gegen Mitglieder wegen der von ihnen in den Sitzungen der Cammern, Commissionen oder Conferenzen gemachten Äußerungen ist nur dann zulässig, wenn letztere hochverrätherischen Inhalts sind, oder eine Beleidigung oder Verläumdung enthalten. In allen übrigen Fällen sind die Cammern nach den in der Geschäftsordnung enthaltenen Bestimmungen die alleinigen Richter über die in jenen Sitzungen gemachten Äußerungen ihrer Mitglieder.

§ 55. Während der Dauer einer Versammlung der allgemeinen Stände soll kein anwesendes Mitglied verhaftet werden, es sei denn, daß in dem Falle eines Criminalverbrechens eine schleunige Verhaftung nothwendig sein sollte, welcher Fall jedoch den Cammern ohne Aufschub anzuzeigen ist.

§ 56. Die Veröffentlichung der ständischen Verhandlungen soll unter den in der Geschäftsordnung der allgemeinen Ständeversammlung enthaltenen Bestimmungen Statt finden.

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H ANNOVER

IV. Landtag § 57. Ein Landtag dauert sechs Jahre vom Tage der Eröffnung angerechnet, insofern nicht früher eine Auflösung der zweiten Cammer erfolgt. Die Wahlen der Abgeordneten zur zweiten Cammer gelten für die ganze Dauer desselben und können von den Vollmachtgebern nicht widerrufen werden. Die vom Könige ernannten Mitglieder der Cammern, welche Minister sind (§. 36 No. 5 und §. 41 No. 1), verlieren ihren Sitz, wenn sie aufhören, Minister zu sein. Der König kann zu jeder Zeit die zweite Cammer auflösen und einen neuen Landtag berufen. Vergl. §. 39.

§ 58. Der König wird die allgemeinen Stände alle Jahr zusammenberufen, so daß während der Dauer eines Landtags sechs ordentliche Diäten Statt finden. Sollten indeß dringende Angelegenheiten es erfordern, so kann der König auch außerordentliche Diäten anordnen.

§ 59. Zu den ordentlichen Diäten wird die Ständeversammlung in der Regel so berufen werden, daß die Eröffnung derselben spätestens bis zum 1sten Februar jeden Jahrs Statt findet. Den Anfang und Schluß jeder ordentlichen oder außerordentlichen Landtags-Diät bestimmt der König.

§ 60. Der König kann die allgemeine Ständeversammlung zu jeder Zeit vertagen und die

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Dauer der Vertagung bestimmen. (Vergl. jedoch §. 109.) Jede Cammer kann sich auf drei Tage vertagen. Zu einer längeren Vertagung einer oder beider Cammern hat die allgemeine Ständeversammlung die Königliche Genehmigung zu beantragen.

§ 61. Eigenmächtig dürfen die Cammern sich nicht versammeln, auch nach der Vertagung, dem Schlusse oder der Auflösung der Versammlung nicht ferner versammelt bleiben. (Vergl. jedoch §. 109.)

§ 62. Die allgemeinen Stände sind verpflichtet, vorzugsweise die von der Regierung an sie gebrachten Anträge, namentlich das Budget und zwar, wenn es von der Regierung verlangt wird, jederzeit zuerst in Berathung zu nehmen.

V. Wirksamkeit der allgemeinen Ständeversammlung § 63. Die allgemeine Ständeversammlung ist berufen, die ihr durch die Verfassung beigelegten Rechte wahrzunehmen.

§ 64. Über alle das ganze Königreich betreffende, zur ständischen Mitwirkung gehörende Gegenstände wird nur mit der allgemeinen Ständeversammlung verhandelt. Provinzielle Angelegenheiten, welche zur ständischen Mitwirkung geeignet sind, werden an die betreffenden ProvinzialLandschaften gebracht werden. Bei einem Zweifel darüber, ob ein Gegenstand zur Mitwirkung der allgemeinen Stände oder der

Z WEITE R EVISION VON 1848 Provinzial-Landschaften gehöre, entscheidet der König.

§ 65. Landesgesetze werden vom Könige nur unter Zustimmung der allgemeinen Ständeversammlung erlassen, wieder aufgehoben, abgeändert und authentisch interpretirt (vergl. jedoch §. 72). Die Zustimmung der Stände beschränkt sich auf den wesentlichen Inhalt der Gesetze. Die Bearbeitung der Gesetze nach Maßgabe der ständischen Beschlüsse verbleibt der Regierung. Bei Verkündigung der Gesetze ist zu erwähnen, daß dabei die verfassungsmäßige Zustimmung der Stände Statt gefunden habe.

§ 66. Werden zu einem Gesetz-Entwurfe Zusätze oder Änderungen von den Ständen beschlossen, die der König zu genehmigen Anstand nimmt, und findet Sich der König bewogen, den Gesetz-Entwurf entweder unverändert, oder unter Berücksichtigung genehmigter ständischer Anträge, vollständig redigirt, anderweit an die Stände gelangen zu lassen; so sind letztere verpflichtet, das Gesetz nach zweimaliger Berathung bei der letzten Abstimmung im Ganzen anzunehmen oder abzulehnen. Anträge auf Abänderungen und Zusätze oder Bedingungen können alsdann von den Ständen nicht mehr vorgebracht werden.

Der Kriegsminister ist dafür verantwortlich, daß diese Verfügungen keine Verfassungsverletzungen enthalten, und daß die ständischen Bewilligungen nicht überschritten werden. Die Militär- Straf- und Aushebungsgesetze, so wie die Rechte und Pflichten der übrigen Unterthanen in Beziehung auf das Heer und die auf dessen bürgerliche Verhältnisse bezüglichen Gesetze können nur unter verfassungsmäßiger Mitwirkung der Stände (§. 65 u. f.) festgestellt werden.

§ 68. Der König ist befugt, ein den Ständen zu verfassungsmäßiger Mitwirkung vorgelegtes Gesetz bis zu dessen Verkündigung zurückzunehmen.

§ 69. Gesetz-Entwürfe gelangen von der Regierung an die Stände, jedoch haben auch diese das Recht, auf Erlassung von Gesetzen anzutragen und Gesetz-Entwürfe vorzulegen.

§ 70. Die Anträge des Königs an die Stände werden an die allgemeine Ständeversammlung gerichtet. Die Bitten, Erwiederungen und Vorträge der allgemeinen Stände können nur von beiden Cammern gemeinschaftlich ausgehen; jeder Cammer steht jedoch frei, auf die Thronrede einseitig eine Adresse an den König zu richten.

§ 67. § 71. Die Mitwirkung der Stände ist nicht erforderlich bei denjenigen Verfügungen, welche der König über das Heer, dessen Formation. Disciplin und Dienst überhaupt erläßt (vergl. §. 1).

Verordnungen werden von der Regierung ohne Mitwirkung der Stände erlassen. Sie dürfen nur zur Vollziehung bestehender Gesetze dienen und nichts enthalten,

207

H ANNOVER was seiner Natur nach der ständischen Mitwirkung bedarf. Sie müssen im Eingange das Gesetz bezeichnen, zu dessen Vollziehung sie dienen.

gemeinen Ständeversammlung, sobald die Verhältnisse es erlauben, Kenntniß gegeben werden (vergl. jedoch §. 11 des Landesverfassungs-Gesetzes).

§ 72.

§ 75.

Außerordentliche, ihrer Natur nach der ständischen Zustimmung bedürfende, aber durch das Staatswohl, die Sicherheit des Landes oder die Erhaltung der ernstlich bedrohten Ordnung dringend gebotene gesetzliche Verfügungen, deren Zweck durch Verzögerung vereitelt werden würde, gehen vom Könige allein aus; dieselben dürfen jedoch eine Abänderung der Verfassung nicht enthalten und müssen außer Kraft gesetzt werden, sobald die Gefahr beseitigt ist, welche das Gesetz veranlaßt hat. Bei Verkündigung derselben ist der Grund ihrer Ausnahme von der ständischen Mitwirkung zu erwähnen. Sie sind den allgemeinen Ständen bei ihrer nächsten Zusammenkunft, behuf Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen Rechte, vorzulegen und, falls die Zustimmung nicht erfolgt, wieder aufzuheben.

Die allgemeine Ständeversammlung ist berechtigt, in Beziehung auf alle Landesangelegenheiten, insbesondere über Mißbräuche und Mängel in der Rechtspflege oder Verwaltung ihre Beschwerden und Wünsche dem Könige vorzutragen. Weiter darf sie aber in die Landesverwaltung sich nicht einmischen.

§ 73. Alle Gesetze und Verordnungen werden vom Könige unter Beobachtung der vorgeschriebenen Form (§§. 65, 71 und 72) verkündigt, und erhalten dadurch für alle Unterthanen und alle Behörden verbindliche Kraft. Entstehen Zweifel darüber, ob bei einem gehörig verkündigten Gesetze die verfassungsmäßige Mitwirkung der Stände hinreichend beobachtet sei, so steht nur diesen zu, Anträge deshalb zu machen.

§ 74. Von den vom Könige mit anderen Staaten abgeschlossenen Verträgen soll der all-

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§ 76. Die allgemeinen Stände können schriftliche Gesuche, Beschwerden und Vorstellungen, nicht aber Deputationen von Körperschaften, annehmen, darüber Beschlüsse fassen und den Bittstellern von den Beschlüssen durch Protocollauszüge Kenntniß geben. Anträge oder Petitionen können jedoch nie an eine Cammer, sondern nur an die allgemeine Ständeversammlung gerichtet werden.

§ 77. Das Capitel VI. des LandesverfassungsGesetzes von den Finanzen (§. 129–167) wird aufgehoben. Es treten dafür die folgenden Bestimmungen ein:

§ 78. Sämmtliche zu dem Königlichen Domanium gehörenden Gegenstände, namentlich Schlösser, Gärten, Güter, Gefälle, Forsten, Bergwerke, Salinen und Activcapitale machen das seinem Gesammtbestande nach stets zu erhaltende Krongut aus. Dem Könige und dessen Nachfolgern

Z WEITE R EVISION VON 1848 in der Regierung verbleiben unter den folgenden Bestimmungen alle Rechte, welche dem Landesherrn daran bisher zugestanden haben.

§ 79. Das Krongut und die Einkünfte aus den Regalen können ohne Zustimmung der Stände rechtsgültig nicht verpfändet werden, mit Ausnahme des im §. 97 bezeichneten Falles einer außerordentlichen Anleihe. Veräußerungen der Substanz können nur in Folge gesetzlicher Bestimmungen oder wegen ihrer Nützlichkeit eintreten. Das Äquivalent soll mit dem Krongute wieder vereinigt und dessen Anlegung oder Verwendung, welche jedoch für die Dauer im Königreiche geschehen muß, auf eine sichere und einträgliche Art sofort beschafft werden. Über Veränderungen dieser Art soll der allgemeinen Ständeversammlung in jeder Diät eine Nachweisung mitgetheilt werden. Freiwillige Veräußerungen ganzer Domanialgüter oder bedeutender Forsten dürfen nicht ohne Einwilligung der allgemeinen Ständeversammlung geschehen, und es sind sofort Gegenstände von möglichst gleicher Einträglichkeit vorzugsweise und, so weit es zweckmäßig geschehen kann, Landgüter oder Forsten, an deren Stelle zu setzen.

verwitweten Königinn und der verwitweten Kronprinzessinn, zu den Jahrgeldern, Apanagen und Ausstattungskosten für den Kronprinzen, die Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses, so wie auch zu dem standesmäßigen Auskommen der Witwen der Prinzen des Königlichen Hauses (vergl. §. 87); endlich aber das Übrige, so wie die bisher mit der Domanial-Verwaltung vereinigt gewesenen Einkünfte von den Regalen zur Bestreitung anderweiter Staatsausgaben.

§ 81. Zur Deckung der für den Unterhalt und die Hofhaltung des Königs, der Königinn, so wie der minderjährigen Prinzen und Prinzessinnen, Söhne und Töchter des Königs, erforderlichen Ausgaben dienen als Krondotation 1) die Zinsen eines in den Jahren 1784 bis 1790 in englischen dreiprocentigen Stocks belegten, aus Einkünften der Königlichen Cammer erwachsenen Capitals von £ 600,000, welches Capital unzertrennlich mit der Krone vereinigt und vererblich sein soll; 2) eine Summe von 500,000 Thlr. Conventions-Münze ((513,888 Thlr. 21 gute Groschen 4 Pfennige Courant), welche aus dem Ertrage des Kronguts jährlich zu bezahlen ist.

§ 80. § 82. Die Aufkünfte des Kronguts sollen verwandt werden: zur Bezahlung der Zinsen der auf dem Domanium haftenden Schulden und zum allmäligen Abtrage dieser Schulden; zum Unterhalte und zur Hofhaltung des Königs, der Königinn, des minderjährigen Kronprinzen und der übrigen minderjährigen Prinzen und Prinzessinnen, Söhne und Töchter des Königs; zu dem standesmäßigen Auskommen der

Außerdem verbleiben dem Könige und seinen Nachfolgern in der Regierung die in einem der Ständeversammlung mitzutheilenden Verzeichnisse aufgeführten Königlichen Schlösser und Gärten, die zur Hofhaltung bestimmten Königlichen Gebäude, Ameublements, das Silbergeräth nebst dem Silbercapitale und sonstigen Kostbarkeiten, alle zur Hofhaltung gehörenden Inventarien, die Bibliothek und die Königlichen Jag-

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H ANNOVER den im ganzen Umfange des Königreichs, wogegen derselbe die damit verbundenen Ausgaben übernimmt. Vorgedachte Gegenstände dürfen niemals verpfändet und nur unter Gegenzeichnung eines verantwortlichen Ministers veräußert werden.

§ 83. Die im §. 81 aufgeführten Einkünfte und die im §. 82 genannten Gegenstände bleiben der eigenen Verwaltung des Königlichen Hauses vorbehalten.

§ 87. Über Apanagen, Jahrgelder und Deputate der Prinzen und Prinzessinnen, über Mitgaben für Prinzessinnen, über Witthümer, über das Privatvermögen des Königs und der Mitglieder des Königlichen Hauses, so wie über das Familien-Hausfideicommiß gelten die Bestimmungen des Königlichen Hausgesetzes vom 19ten November 1836. Das Witthum der Königinn soll jedoch jährlich 60,000 Thlr. Gold betragen und die geringste Apanage eines zur Apanage berechtigten volljährigen Prinzen des Königlichen Hauses aus 6000 Thlr. Gold bestehen.

§ 84. Die aus der Krondotation zu bestreitenden Ausgaben sind die Kosten des HofEtats, des Marstalls, die Besoldungen und Pensionen der Hofdienerschaft, die Kosten des Hoftheaters, die Unterhaltung der Königlichen Schlösser und Gärten und die Kosten der Königlichen Orden.

§ 85. Tritt eine Regentschaft ein, so müssen die mit derselben verbundenen Kosten aus der Krondotation bestritten werden. Dasselbe findet wegen der Kosten einer etwaigen Stellvertretung des Königs Statt.

§ 86. Alle aus dem Krongute und aus den Regalen aufkommenden Einnahmen, mit alleiniger Ausnahme der Einnahme aus den der unmittelbaren Verwaltung des Königlichen Hauses vorbehaltenen Gegenstände (§. 82) sollen mit den Landesabgaben, dem Ertrage der Eisenbahnen, den Chausseegeldern, Sporteln, Lehnsaufkünften und sonstigen Landeseinnahmen in eine einzige GeneralCasse fließen, aus welcher Casse alle Ausgaben bestritten werden, sofern dieselben nicht auf der Krondotation ruhen.

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§ 88. Über die Verwendung der zur Krondotation, zu Apanagen oder Witthümern der Mitglieder der Königlichen Familie ausgesetzten Einnahmen steht den Ständen keine Controle zu.

§ 89. Das Vermögen der jetzigen Schatull-Casse bleibt getrennt von den Staats-Cassen und zur ausschließlichen Verfügung des Königs. Das Privatvermögen des Königs, der Königinn, der Prinzen und Prinzessinnen, wohin namentlich auch dasjenige gehört, was aus den ihnen zustehenden Einkünften erworben worden, verbleibt nach Maßgabe der Hausgesetze, oder so weit diese darüber nicht entscheiden, der Landesgesetze, der völlig freien Verfügung der Berechtigten.

§ 90. Über die Ausgaben, welche die Verwaltung des Landes und dessen sonstige aus der General-Casse zu bestreitenden Bedürfnisse erforderlich machen, soll der allgemeinen Ständeversammlung ein Budget vorge-

Z WEITE R EVISION VON 1848 legt und mit den nöthigen, auf Antrag der Stände zu vervollständigenden Etats und Erläuterungen begleitet werden.

§ 91. Die allgemeine Ständeversammlung hat die Verpflichtung, für die Deckung der für den öffentlichen Dienst nothwendigen Ausgaben in so weit zu sorgen, als sie aus den Einkünften des Kronguts und der Regale nicht bestritten werden können. Dagegen steht ihr das Recht zu, das Budget zu prüfen und zu bewilligen. Ausgaben, welche auf bestimmten bundes- oder landesgesetzlichen oder auf privatrechtlichen Verpflichtungen beruhen, darf die allgemeine Ständeversammlung nicht verweigern.

§ 92. Die Ersparungen, welche bei dem Ausgabe-Etat des Kriegs-Ministeriums gemacht werden, sollen so lange baar in den Schatz niedergelegt werden, bis die gesammelten Summen die Hälfte des ganzen MilitairEtats erreichen. Übersteigt die Ersparung diesen Betrag, so soll über den weitern Überschuß mit Einwilligung der Ständeversammlung, welcher bei jeder Zusammenkunft eine Nachweise über den Bestand des Kriegsschatzes vorzulegen ist, anderweit verfügt werden. Die Vorräthe dieses Kriegsschatzes sind für die Ausgaben des Kriegs-Ministeriums zu verwenden, sobald letztere die ordentlichen Mittel übersteigen.

§ 93. Für außerordentliche, während der Vertagung der allgemeinen Ständeversammlung eintretende Landesbedürfnisse, welche bei Feststellung des Budgets nicht berücksichtigt werden konnten, und welche

gleichwohl (namentlich im Falle eintretender Landes- Calamitäten, Kriegsrüstungen oder innerer Unruhen) schleunige Maßregeln oder Kostenverwendungen erfordern, soll ein in dem jährlichen Budget nicht besonders aufzuführender Reserve-Credit bestehen, welcher 5 Procent des ganzen Ausgabe-Budgets ausmacht. Die Verfügung über diesen Reserve-Credit steht dem Gesammt-Ministerium auf dessen Verantwortung zu, die Verwendung aber soll der allgemeinen Ständeversammlung bei ihrer nächsten Zusammenkunft nachgewiesen werden.

§ 94. Gleichzeitig mit dem Anschlage der Ausgaben soll der allgemeinen Ständeversammlung ein Anschlag der zu deren Bestreitung erforderlichen Einnahmen vorgelegt werden, welcher alle oben (§. 86) bezeichneten Einnahmen umfaßt.

§ 95. Die zur Bestreitung der Landes-Ausgaben außer der Einnahme von dem Krongute und den Regalen erforderlichen Steuern und Abgaben bedürfen der Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung. In dem erforderlichen Ausschreiben soll die ständische Bewilligung erwähnt werden.

§ 96. Sollten die von der Regierung in Antrag gebrachten, zu den Bedürfnissen des Landes erforderlichen Steuern und Abgaben bei Auflösung einer Ständeversammlung nicht bewilligt sein, so können die bestehenden Steuern und Abgaben, so weit sie nicht zu einem vorübergehenden, bereits erreichten Zwecke ausgeschrieben worden, noch sechs Monate vom Ablaufe der letzten Bewilli-

211

H ANNOVER gungszeit an unverändert forterhoben und zu dem Ende in Beziehung auf diesen Paragraphen ausgeschrieben werden.

§ 97. Anleihen behuf der aus der General-Casse zu bestreitenden Ausgaben können nur nach erfolgter Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung gemacht werden. Sollte jedoch wegen außerordentlicher Umstände die ordentliche Einnahme der Casse so bedeutende Ausfälle erleiden, daß die bewilligten Ausgaben nicht bestritten werden können, oder sollten schleunige Kriegsrüstungen nothwendig werden, der im §. 92 festgesetzte Kriegsschatz aber in der erforderlichen Größe nicht vorhanden sein, oder sollte der oben §. 93 bestimmte Reserve-Credit benutzt werden müssen und dazu die Vorräthe und Einnahmen der Cassen nicht hinreichen: so hat der König, wenn die Stände nicht versammelt sind, das Recht, auf den Bericht des Gesammt-Ministeriums, nach Anhörung der ständischen Commissarien (§. 100), zu bestimmen, daß eine Anleihe auf den Credit der GeneralCasse zur Deckung der bewilligten, oder aus dem Kriegsschatze zu bestreitenden, oder auf den Reserve-Credit anzuweisenden Ausgaben, höchstens bis zu dem Belaufe von Einer Million Thaler gemacht werden darf. Insofern Anleihen für Kriegsrüstungen nöthig werden, ist der jedesmalige Bestand des Kriegsschatzes (§. 92) davon in Absatz zu bringen. Die Verhandlungen über solche außerordentliche Anleihen sollen jedoch der allgemeinen Ständeversammlung bei ihrer nächsten Zusammenkunft vorgelegt, und es soll derselben nachgewiesen werden, daß die gemachte Anleihe nothwendig gewesen, und zum Besten des Landes verwandt ist. Der Betrag soll in die Landesschulden-Etats aufgenommen werden.

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§ 98. Ohne Einwilligung der allgemeinen Ständeversammlung darf kein Papiergeld ausgegeben werden.

§ 99. Die Rechnungen der General-Casse und aller dazu gehörigen Neben-Cassen sollen der allgemeinen Ständeversammlung zur Prüfung vorgelegt werden.

§ 100. Es sollen von der allgemeinen Ständeversammlung zwei Commissarien auf Lebenszeit ernannt werden, welche gemeinschaftlich mit den General-Secretarien jeder Cammer, unter dem Vorsitze des Präsidenten der obersten Steuerverwaltung, die vorgedachten Rechnungen zu prüfen und den Gang des Staatshaushaltes zu überwachen, an der Verwaltung des Staatsschuldenwesens Theil zu nehmen, und bei der Verwaltung der Steuern mitzuwirken haben. Außerdem haben die Commissarien nebst den General-Secretarien diejenigen Befugnisse auszuüben, welche durch den §. 181 des Landesverfassungs-Gesetzes dem Schatz-Collegium beigelegt sind. Die Commissarien sollen als solche Mitglieder der Ständeversammlung sein. Das bisherige Schatz-Collegium soll aufgehoben werden.

(CAP. VII.) § 101. Zu §. 168 Der §. wird durch folgende Bestimmungen ersetzt:

Z WEITE R EVISION VON 1848 Die oberste Leitung der Regierung unter dem Könige geht von dem Gesammt-Ministerium aus, dessen Mitglieder der König nach eigener Wahl ernennt und nach Gefallen entläßt. Für die einzelnen Verwaltungszweige bestehen besondere Ministerien.

§ 102. Alle vom Könige ausgehende Regierungsverfügungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Ministers oder Vorstandes des betreffenden Ministeriums. Dies gilt auch von den Verfügungen, welche für die bewaffnete Macht erlassen werden, so weit sie nicht Ausfluß des Oberbefehls über das Heer sind. Jeder Minister oder Vorstand eines Ministeriums ist dem Könige und dem Lande dahin verantwortlich, daß keine von ihm contrasignirte oder ausgegangene Verfügung eine Gesetzesverletzung enthalte. Die allgemeine Ständeversammlung ist befugt, diese Verantwortlichkeit durch eine an den König selbst gerichtete Beschwerde geltend zu machen, welche die Entlassung der Minister oder des betreffenden Ministers zu Folge haben soll. Wegen absichtlicher Verletzung des Verfassungs-Gesetzes kann die Ständeversammlung eine förmliche Anklage erheben.

§ 103. Zur Untersuchung und Entscheidung über die im vorigen §. gedachte förmliche Anklage ist nur das Ober-Appellationsgericht in Plenar-Versammlung zuständig. Die Ständeversammlung muß dem Könige vier Wochen vor Anstellung der Anklage von derselben Anzeige machen. Die Anklage selbst wird von Seiten der Stände unmittelbar an das Gericht gebracht. Der

König verspricht, eine von der Ständeversammlung beschlossene Anklage nie zu hindern. Die Entscheidung des Gerichts kann nur dahin gehen, daß der Angeschuldigte der absichtlichen Verletzung des Landesverfassungs-Gesetzes, deren er angeklagt worden, schuldig sei oder nicht. Im erstern Falle ist er durch den Ausspruch des Gerichts von selbst seiner Stelle verlustig und kann auch in einem andern Amte nicht wieder angestellt werden. Gegen die Entscheidung des Gerichts in solchen Fällen finden keine Rechtsmittel Statt; auch sind Abolition und Begnadigung ausgeschlossen. Die Urtheile über solche Anklagen werden mit ihren Entscheidungsgründen durch den Druck öffentlich bekannt gemacht. Hinsichtlich der gemeinrechtlichen Folgen behält es bei der ordentlichen Rechtsund Gerichtsverfassung sein Bewenden.

§ 104. Zu §. 169 Der §. wird durch folgende Bestimmung ersetzt: Es soll ein Staatsrath bestehen, um wichtige Regierungs-Angelegenheiten, namentlich Gesetze und Verordnungen nach der darüber vom Gesammt-Ministerium zu treffenden Bestimmung, zu berathen und die Dienstentlassung solcher Staatsdiener, welche nicht lediglich zur Classe der Richter gehören (§. 177 des Landesverfassungs-Gesetzes), zu begutachten.

§ 105. Zu §. 170 und 171 Diese §§. werden aufgehoben. (Vergl. §. 5.)

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H ANNOVER

§ 106. Zu §. 172 Das Wort „Königliche Diener“ in diesem §. gleich wie in anderen §§. des Landesverfassungs-Gesetzes (§. 174, 175, 176, 177, 179) wird in „Staatsdiener“ verwandelt.

§ 107. Zu §. 173 Dieser §. fällt hinweg, in Folge des Grundsatzes im §. 7 dieses Gesetzes.

§ 108. Zu §. 177 Der 2te Absatz des §. wird durch folgende Bestimmung ersetzt: Ein Staatsdiener, welcher lediglich ein Richteramt bekleidet oder Mitglied eines Obergerichts ist, kann ohne richterliches Erkenntniß seines richterlichen Amts weder entsetzt noch entlassen, noch auf ein minder einträgliches Amt oder auf eine Verwaltungsstelle wider seinen Willen versetzt, noch mit Entziehung des Gehalts suspendirt werden.

Im Falle eines Thronwechsels wird der König die Stände sofort, spätestens binnen 14 Tagen, berufen. Sollte dieses unterlassen werden, so sind die zuletzt zusammenberufen gewesenen Stände berechtigt und verpflichtet, sich selbst zu versammeln, und die Rechte des Landes wahrzunehmen. In diesem Falle kann die Ständeversammlung innerhalb vier Wochen von Zeit ihres Zusammentritts ohne deren Antrag weder aufgelöset noch vertagt werden. (§. 57 und 60.) Sollten die Stände zur Zeit eines Thronwechsels versammelt sein, so können sie gleichfalls innerhalb der nächsten vier Wochen nur auf ihren Antrag aufgelöset oder vertagt werden. Gegenwärtiges Gesetz ist durch die Gesetzsammlung zu verkünden.

Gegeben Hannover, den 5ten September 1848. Ernst August. Bennigsen. Prott. Stüve, Dr. Braun. Lehzen. Düring.

(CAP. VIII.) § 109. Zu §. 181 Der §. erhält folgenden Zusatz:

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Ediert nach Gesetz-Sammlung für das Königreich Hannover, Jahrgang 1848, I. Abt., No. 63, Hannover, S. 261–287.

Edikt von Hessen-Darmstadt (1820) Edict über die Landständische Verfassung des Großherzogthums1

L UDEWIG von Gottes Gnaden Großherzog von Hessen und bei Rhein etc. etc. Als Wir Uns entschlossen, durch das Edict vom 1. Oktober 1806. die landständische Repräsentation, welche bis dahin in Unseren Althessischen Landen und in dem Herzogthume Westphalen bestanden hatte, aufzuheben, handelten Wir mit dem beruhigenden Bewußtseyn, daß der größere Theil der ruhig und unpartheiisch Urtheilenden Unsre Ueberzeugung von der Nothwendigkeit und Räthlichkeit dieses Schrittes theile. Es mußte einleuchten, daß die bestehende ständische Verfassung, welche in den bezeichneten beiden Landestheilen verschieden war und an welcher bedeutende, den Althessischen Landen einverleibte Landestheile gar keinen Antheil hatten, nicht dazu geeignet war, um eine zweckmäßige und für alle Unsere getreuen Unterthanen gleiche Administration zu befördern. Daß der Versuch, gleich damals aus den bestanden habenden verschiedenartigen Verfassungen eine gemeinsame, neue ständische Verfassung hervorgehen zu lassen, zu keinem wünschenswerthen Resultate würde haben führen können, darüber konnte niemand zweifelhaft seyn, dem das Innere jener früheren Verfassungen und die Ansichten und Wünsche bekannt waren, von welchen in der damaligen Zeit diejenigen ausgiengen, welche an diesen Verfassungen Theil nahmen, oder welchen die durch die Zeiten herbeigeführten neueren Verhältnisse gegründete Ansprüche zum Antheile an denselben er-

zeugt hatten. Es ist notorisch, welche verhängnißvollen Zeiten dem Erscheinen Unseres Edikts über die Auflösung der ständischen Verfassungen gefolgt sind. In dem Drange beinahe unausgesetzter Kriegsjahre, war es nicht möglich, an die Schaffung einer neuen ständischen Verfassung zu denken. Leider sahen Wir Uns durch den schweren Druck dieser Zeiten genöthiget, große Anstrengungen und Opfer von Unsern geliebten Unterthanen zu fordern. Sie haben dieselben mit achtungswerther Ausdauer und unerschütterlicher Treue dargebracht. Mit Vergnügen und dankbarer Anerkennung geben Wir Ihnen dieses öffentliche Zeugniß. Wir haben dagegen allen Unseren getreuen Unterthanen eine stets gleiche Liebe entgegengebracht, Wir haben auch in den drangvollesten Zeiten mit Ruhe Unsere auf ihr Wohl berechneten Regierungs-Maximen aufrecht erhalten und Wir wissen, daß Unser beharrliches Bestreben, eine möglichst gleiche Vertheilung der Lasten herbeizuführen, manche Hindernisse, welche sich der Freiheit der Personen und des Eigenthums entgegenstellten, zu beseitigen, das Entstehen gemeinnütziger Anstalten zu gründen und zu fördern und, nicht ohne Aufopferungen, Unserem Volke den Genuß aller edleren Güter unverkümmert zu erhalten, auch Uns gerechte Ansprüche auf dankbare Anerkennung begründet hat. Wir haben Unsern Lohn in vielfachen und unzweideutigen Beweisen der Liebe

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H ESSEN -DARMSTADT und der Anhänglichkeit Unserer getreuen Unterthanen gefunden, und insbesondere gehört es noch zu Unseren angenehmsten Erinnerungen, daß Wir nicht wenige Beweise inniger Anhänglichkeit von Unseren Unterthanen des Herzogthums Westphalen empfingen, welche doch nur auf kurze Zeit und zwar in einer unglücklichen Periode mit Uns verbunden waren. Als nachher der deutsche Bund gegründet wurde und die Hoffnung ruhigerer Zeiten sich der Erfüllung zu nahen schien, da gehörten Wir zu denjenigen Fürsten Deutschlands, welche freiwillig in Wien, vor den Augen der Welt, den ernsten Willen erklärten, ihren Völkern das Geschenk einer neuen, den Zeitverhältnissen angemessenen ständischen Verfassung zu geben. Gewohnt, Unser Fürstenwort heilig und unverletzlich zu halten, würden Wir auch alsbald zur Ausführung geschritten seyn, wenn nicht in demselben Zeitpunkte eine höchstbedeutende Veränderung in Unsern Besitzungen herbeigeführt worden wäre. Wir mußten aber einsehen, daß, bei dem Austausche von Provinzen, die erste Sorge einer vernünftigen Regierung dahin gehen müsse, den ganzen bestehenden Zustand und die Bedürfnisse einer neuerworbenen Provinz genau kennen zu lernen und daß Landtäge keine erfreuliche Resultate herbeiführen können, so lange nicht die Regierung die Bedürfnisse neuer Unterthanen vollständig kennt und diese, durch die Erfahrung belehrt, ihrem Regenten ein Herz entgegenzubringen vermögen. Aus diesem Grunde fanden Wir, als Wir Uns entschlossen, durch das Edict vom 18. Februar 1819. den Besseren eine Waffe gegen die Zweifler in die Hände zu geben, es für nöthig, die Ausführung Unseres Entschlusses, durch eine neue ständische Verfassung ein noch festeres Band zwischen Uns und Unseren getreuen Unterthanen zu knüpfen, auf den Mai dieses Jahrs zu verschieben.

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Wir hofften, daß bis dahin nicht nur der eben angegebene Zweck vollständig werde erreicht worden seyn, sondern daß es auch Unserm Geheimen-Staats-Ministerium gelingen würde, bis zu diesem Zeitpunkte, alle die schwierigen vorbereitenden Arbeiten, welche Wir demselben anbefohlen hatten, zu vollenden und auch in den alten Landen alle diejenigen Verhältnisse zu ordnen, welche, ungeordnet, sich einer Repräsentation, wie sie die Lage Unserer Lande fordert, hindernd entgegen stellen mußten. Trotz der angestrengtesten Bemühungen Unserer obersten Staats-Behörde ist diese Hoffnung, jedoch nur zum Theile in Erfüllung gegangen. Die neue und bessere Ordnung der Verhältnisse der Standesherrn Unsers Großherzogthums, ohne welche der diesen achtbaren Staats-Angehörigen gebührende Antheil an der Repräsentation nicht bestimmt, oder auf eine heilbringende Art ausgeübt werden konnte, hat erst in diesen neuesten Tagen Unsere höchste Sanction erhalten können und zu manchen Einrichtungen, von deren Vollendung Wir eine einfachere und bestimmtere Administration erwarten, sind nur erst die Grundsteine gelegt worden. Wir hegen deßwegen zwar die Ueberzeugung, daß der erste Landtag für Uns und für Unsere geliebten Unterthanen befriedigendere Resultate herbeiführen würde, wenn er bis zu dem folgenden Jahre ausgesetzt bleiben könnte. Da Wir indessen Unsern Vorsatz, in dem May dieses Jahrs Unsere getreuen Stände um Uns zu versammeln, einmal öffentlich ausgesprochen haben, so muß der Rücksicht auf die Erfüllung Unsers heiligen Regenten-Worts jede andere weichen. Durch diese Rücksicht bewogen haben Wir Uns entschlossen, nunmehr durch diese Urkunde für Unsere Lande eine neue Landständische Verfassung zu gründen. Indem Wir wünschen, daß Unsere getreuen Unterthanen diese Urkunde als ein neues

E DIKT VON H ESSEN -DARMSTADT (1820) Unterpfand Unserer alten Liebe mit Dank aufnehmen mögen und indem Wir hoffen, daß es der göttlichen Vorsehung gefallen werde, aus diesem Unserem Entschlusse eine neue, reiche Quelle des Heils und des Segens für Uns, Unser Großherzogliches Haus und Unser gesammtes Volk hervorgehen zu lassen, haben Wir daher verordnet und verordnen hiermit Folgendes: A RT. 1. Die Stände Unsers Großherzogthums sollen zwei Kammern bilden. A RT. 2. Die erste Kammer wird gebildet: 1.) Aus den Prinzen Unsers Großherzoglichen Hauses. 2.) Aus den Häuptern Standesherrlicher Familien, welche sich in dem Besitze einer, oder mehrerer Standesherrschaften befinden, nach dem §. 16. des neuen Edikts über die Standesherrlichen Verhältnisse. 3.) Aus dem Senior der Familie der Freiherrn von Riedesel, welche bisher durch die ehrenvolle Würde des Erbmarschallamts von Hessen gezieret war. 4.) Aus dem katholischen Landesbischof. Im Falle der Erledigung des Stuhls behalten Wir Uns vor, einem ausgezeichneten katholischen Geistlichen den Auftrag zu ertheilen, an der Stelle des Bischofs bei dem Landtag zu erscheinen. 5.) Aus einem protestantischen Geistlichen, welchen Wir dazu auf Lebenszeit, mit der Würde eines Prälaten, ernennen werden. 6.) Aus dem Kanzler der Landes-Universität, oder dessen Stellvertreter. 7.) Aus denjenigen ausgezeichneten Staatsbürgern, welche Wir auf Lebenszeit dazu berufen werden. Wir werden diese Ernennungen nicht über die Zahl von zehn Mitgliedern ausdehnen. A RT. 3. Die zweite Kammer wird gebildet: 1.) Aus sechs Abgeordneten, welche der

genügend in Unserm Großherzogthume mit Grund-Eigenthum angesessene Adel aus seiner Mitte wählt. 2.) Aus 10. Abgeordneten derjenigen Städte, welchen Wir, um die Interessen des Handels oder alte achtbare Erinnerungen zu ehren, ein besonderes Wahlrecht hiermit ertheilen. Diese Städte sind: a) Unsere Residenzstadt Darmstadt, b) Unsere Stadt Mainz, von welchen jede zwey Abgeordnete zu wählen hat, c) Unsre Stadt Gießen, d) Unsre Stadt Offenbach, e) Unsre Stadt Friedberg, f) Unsre Stadt Alsfeld, g) Unsre Stadt Worms, h) Unsre Stadt Bingen, von welchen jede einen Abgeordneten wählt. 3.) Aus 34. Abgeordneten, welche nach Wahldistricten, gebildet von den nicht mit einem besonderen Wahlrechte begabten Städten und den Landgemeinden gewählt werden. Die Bedingungen zum Wahlrechte und die Art der Ausübung desselben werden, sowohl für den Adel, als auch für die Städte und die Wahldistricte, durch besondere Reglements bestimmt werden. A RT. 4. In beiden Kammern haben die Mitglieder Unsers Geheimen Staats-Ministeriums und die von Uns etwa ernannt werdenden Landtagskommissarien, auch wenn sie den Kammern nicht Propositionen in Unserm Namen vorzulegen haben, freyen Zutritt ohne Stimmrecht. A RT. 5. Die gebornen Mitglieder der ersten Kammer können von ihrem Rechte nur dann Gebrauch machen, wenn sie das 25te Lebensjahr zurückgelegt haben, und ihnen in Bezug auf die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte kein gesetzliches Hinderniß entgegenstehet.

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H ESSEN -DARMSTADT A RT. 6. Die Abgeordneten zur zweiten Kammer müssen Staatsbürger seyn, welche das 36te Lebensjahr zurückgelegt haben und ein, zur Sicherung einer unabhängigen Existenz genügendes Einkommen besitzen. Wie dieser Besitz erkannt werde, wird durch die Wahl-Reglements näher bestimmt. A RT. 7. Wer als Mitglied der einen oder der anderen Kammer auf Landtägen erscheinen will, darf nie wegen Verbrechen oder Vergehen, die nicht blos zur niederen Polizey gehören, vor Gericht gestanden haben, ohne gänzlich freigesprochen worden zu seyn.

werden Wir binnen Jahresfrist eine neue Ständeversammlung berufen. A RT. 13. Durch eine solche Auflösung erlöschen alle Rechte aus den bisherigen Wahlen und es müssen für die neu einberufene ständische Versammlung neue Wahlen statt finden. A RT. 14. Unsere Stände sind nur befugt, sich mit denjenigen Gegenständen zu beschäftigen, welche die nachfolgenden Artikel zu ihrem Wirkungskreis verweisen. Die Ueberschreitung dieser Befugniß ist eben so zu betrachten, wie nach §. 11. die willkührliche Vereinigung.

A RT. 11. Wir allein haben das Recht, die Stände zu berufen und, sobald Wir es für gut finden, die ständische Versammlung zu vertagen, aufzulösen und zu schließen. Eine willkührliche Vereinigung derselben ohne Einberufung, oder nach dem Schlusse, der Vertagung, oder der Auflösung ist strafbarer Eingriff in Unsere Hoheitsrechte, wenn diese Vereinigung nicht durch den Zweck als strafbareres Verbrechen erscheinen sollte.

A RT. 15. Das neue Finanzgesetz, welches immer auf drei Jahre gegeben wird, werden Wir, ohne Zustimmung Unserer getreuen Stände, nicht in Vollzug setzen. Dieses Gesetz soll zuerst der zweiten Kammer vorgelegt werden und es kann, wenn es von dieser Kammer genehmigt worden ist, von der ersten Kammer nur im Ganzen angenommen, oder verworfen werden. Die Zustimmung darf von keiner Kammer an die Bedingung der Erfüllung bestimmter Desiderien geknüpft werden. Beide Kammern sind aber befugt, nicht nur eine vollständige Uebersicht und Nachweisung der Staatsbedürfnisse, sondern auch eine genügende Auskunft über die Verwendung früher verwilligter Summen zu begehren. Im Falle einer Verschiedenheit der Ansichten beider Kammern wird das Finanzgesetz in einer Versammlung der vereinigten beiden Kammern, unter dem Vorsitze des Präsidenten der ersten Kammer, diskutiret und der Beschluß nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt.

A RT. 12. Wir werden Unsere getreuen Stände wenigstens alle drei Jahre versammeln. Sollten Wir Uns aber veranlaßt finden, die Ständeversammlung, vor dem Schlusse ihrer Geschäfte, aufzulösen, so

A RT. 16. Indem Wir durch die Bestimmung des Art. 15. Unserem Volke die Gewißheit bereiten, daß ihm keine neuen Lasten, ohne die Ueberzeugung der Stände von der Nothwendigkeit und Erforderlichkeit

A RT. 8. Ein Mitglied der ersten Kammer kann nicht zur zweiten gewählt werden. A RT. 9. Weder in der ersten, noch in der zweiten Kammer darf man sein Stimmrecht durch einen Stellvertreter ausüben lassen, oder für seine Stimme Instructionen annehmen. A RT. 10. Alle Wahlen sollen auf 6 Jahre geschehen. Es ist aber nicht verboten, nach dem Ablaufe dieser Zeitperiode den Gewählten wieder auf 6 Jahre zu wählen.

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E DIKT VON H ESSEN -DARMSTADT (1820) derselben, aufgelegt werden können, und indem Wir die weitere Versicherung hinzufügen, daß Wir, was die verschiedenen Besteuerungs-Arten und die Art und Weise ihrer Umlage und Vertheilung betrifft, gerne den Anträgen Unserer getreuen Stände Gehör gestatten, und denselben, insoferne sie passend und ausführbar sind, Unsere Genehmigung nicht versagen werden, können wir jedoch auch auf der anderen Seite die Existenz des Staats und die Erfüllung rechtlich bestehender Verbindlichkeiten nicht von einer willkührlichen ständischen Verweigerung der Steuerbewilligung abhängig machen. Wir verordnen daher in dieser Hinsicht, jedoch mit dem sehnlichen Wunsche, daß Wir nie in den Fall kommen werden, hiervon Gebrauch machen zu müssen, Folgendes: 1.) Wenn keine Vereinbarung mit den Ständen über das neue Steuergesetz zu Stande kommt, so dauert das alte Steuergesetz, in so ferne die darin festgesetzten Steuern nicht für einen vorübergehenden und bereits erreichten Zweck bestimmt waren, von selbst für das folgende Jahr, binnen dessen Laufe Wir eine neue ständische Versammlung mit neuen Wahlen ausschreiben werden, fort. 2.) Wenn die Stände die nothwendige Verwilligung für die Erfüllung neuer, durch Unsere Verpflichtungen gegen den deutschen Bund begründeter Verbindlichkeiten, wie in dem Falle eines Kriegs, verweigern sollten, so bleiben Wir zu der Ausschreibung der zu der Erfüllung dieser Verbindlichkeiten erforderten Summen, worüber Wir eine öffentliche Rechenschaft werden ablegen lassen, berechtiget. A RT. 17. Da über das neue Steuergesetz, welches der ersten Ständeversammlung vorgelegt werden wird, nicht vor Ablauf des jetzt laufenden Rechnungs-Jahres entschieden werden kann, so versteht es sich von

selbst, daß die zur Aufrechthaltung der bestehenden Ordnung und zur Erfüllung der übernommenen Verbindlichkeiten erforderlichen Steuern für das zweite Semester dieses Jahrs von Uns, ohne ständische Bewilligung, ausgeschrieben werden müssen. In der Folge wird denn das Rechnungsjahr wieder mit dem Kalenderjahr zusammen fallen, was ohnehin in mehrfacher Hinsicht vortheilhaft ist. A RT. 18. Die gesammte Staatsschuld soll durch ein besonderes Gesetz, welches Wir Unseren Ständen werden vorlegen lassen und durch die Schaffung einer besonderen Staatsschuldentilgungsanstalt garantiret werden. A RT. 19. Eine Vermehrung der Staatsschuld soll, ohne Einwilligung Unserer getreuen Stände, nicht statt finden. Wir werden darum auch keine Verhypothecirung Unserer Domänen, ohne Einwilligung Unserer Stände, vornehmen lassen. Dagegen erkennen Wir in Hinsicht Unserer Domänen keine Beschränkung durch ständische Concurrenz an, in so ferne von Staats- und Regierungshandlungen, welche desfalls mit auswärtigen Staaten vorgenommen werden könnten, von Wiederverleihung heimgefallener Lehen, von dem Verkaufe entbehrlicher Gebäude, der in anderen Staaten gelegenen Güter und Einkünfte, von Vergleichen zu Beendigung von Rechtsstreiten, oder endlich von bloßen Austauschungen, von Ablösungen des Lehens- und Erbleih-Verbands, der Grundzinsen und Dienste die Rede ist. Auch behalten Wir Uns vor, wenn Wir es für gut finden, von Unseren Domänen, zum Behufe der Staats-Schulden-Tilgung, in gesetzlicher Form, veräußern zu lassen. A RT. 20. Die polizeilichen Gesetze und alle über die gesammte Administration und den Staatsdienst zu erlassenden Normative

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H ESSEN -DARMSTADT und Regulative werden Wir auch ferner, ohne ständische Concurrenz, bekannt machen und in Wirksamkeit setzen. Bei allen anderen neu zu erlassenden allgemeinen Gesetzen dagegen, werden Wir eine definitive Wirksamkeit nicht eintreten lassen, bevor Wir das Gutachten Unserer getreuen Stände vernommen haben. Wenn auch nur eine Kammer gegen das Gesetz stimmt, so werden Wir der Vollziehung Anstand geben. Wenn Wir aber fortdauernd von seiner Nothwendigkeit oder Nützlichkeit überzeugt bleiben, so behalten Wir Uns vor, es vollziehen zu lassen, wenn bei einer weiteren Ständeversammlung, welcher Wir es vorlegen lassen, auch nur eine der beiden Kammern sich beifällig für dasselbe erklärt. Gesetze dieser Art werden Wir, vor dem vernommenen Gutachten Unserer Stände, auch nicht provisorisch vollziehen lassen, ausgenommen, wenn sie sich nicht direct auf das Eigenthum und die Freiheit der Personen beziehen, (wie die Gesetze über den Civilprozeß) und dringende Verhältnisse die provisorische Vollziehung als nothwendig oder räthlich erscheinen lassen. Wir behalten Uns außerdem vor, das Gutachten Unserer getreuen Stände auch über solche Gegenstände der Gesetzgebung zu vernehmen, welche nur das Interesse einzelner Provinzen betreffen. A RT. 21. Die Kammern haben das Recht, Uns alles dasjenige vorzutragen, was sie, vermöge eines übereinstimmenden Beschlusses für geeignet dazu halten, um an Uns, als eine gemeinschaftliche Beschwerde, oder als ein gemeinschaftlicher Wunsch, gebracht zu werden. Wir werden dergleichen Anträge jederzeit willig annehmen, und, in so fern Wir sie für gegründet halten können, mit Vergnügen den Beschwerden abhelfen und die zu der Erfüllung solcher Wünsche erforderlichen Verfügungen erlassen.

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A RT. 22. Insbesondere ertheilen Wir Unsern ständischen Kammern die Befugniß, auf die in dem vorhergehenden Artikel bestimmte Art diejenigen Beschwerden an Uns zu bringen, welche sie sich gegen das Benehmen Unserer Staatsdiener aufzustellen bewogen finden könnten, indem es Unser ernstlicher Willen ist, daß jeder Staatsdiener mit Sorgfalt und Pünctlichkeit seine Pflichten erfülle und nicht, ganz gegen Unsre wohlmeinenden und väterlichen Absichten, Mißtrauen und Unzufriedenheit veranlasse. A RT. 23. Einzelne und Corporationen können sich nur dann an die Kammern Unserer Stände wenden, wenn sie in Hinsicht ihrer individuellen Intressen sich auf eine unrechtliche oder unbillige Art für verletzt, oder gedrückt halten und wenn sie zugleich nachzuzeigen vermögen, daß sie die gesetzlichen und verfassungsmäßigen Wege, um bei Unseren Behörden eine Abhülfe ihrer Beschwerden zu erlangen, vergeblich eingeschlagen haben. Eine solche Petition kann dann den Ständen, wenn sie dieselbe nicht, alsbald, oder nach der ihnen von Unseren obersten Behörden ertheilten Auskunft, als ungegründet verwerfen, Veranlassung geben, von der in dem vorhergehenden Artikel ausgesprochenen Befugniß der Beschwerdeführung bei Uns Gebrauch zu machen. Ein Petitionsrecht der Einzelnen und der Corporationen in Hinsicht allgemeiner politischer Interessen erkennen Wir dagegen nicht an. Diese Interessen zu prüfen und zu wahren, gebührt blos der Versammlung Unserer getreuen Stände und die Vereinigungen Einzelner, oder ganzer Korporationen zu diesem Zwecke soll daher von Unseren Regierungsbehörden als eine polizeiwidrige und strafbare Handlung betrachtet und behandelt werden. A RT. 24. Unsere Stände sind Uns für den Inhalt ihrer freien Abstimmung nicht verantwortlich. Dagegen schützt das Recht

E DIKT VON H ESSEN -DARMSTADT (1820) der freien Meinungs-Aeußerung nicht gegen den Vorwurf der Verläumdung, welche Einzelne in dieser Aeußerung etwa finden sollten und Wir sind nicht gemeint, in solchen Fällen den Einzelnen das Klagerecht zu entziehen, welches ihnen gegen Verläumdungen nach den Gesetzen zusteht. Klagen dieser Art sollen jedoch nur bei Unserm Hofgerichte in Darmstadt angestellt werden können. Für das Entferntbleiben unanständiger Aeußerungen hat der Präsident jeder Kammer, nach dem Geschäfts-Reglement Sorge zu tragen. Während der Dauer des Landtags sind die Personen, welche zu der Ständeversammlung gehören, keiner Art von Arrest, als mit Einwilligung der Kammer, zu welcher sie gehören, unterworfen, den Fall einer Ergreifung auf frischer That bei strafbaren Handlungen ausgenommen, wo aber alsbald der Kammer, zu welcher der Verhaftete gehört, die Anzeige des Vorfalls, mit Entwickelung der Gründe, gemacht werden soll.

beauftragten Commissär, eröffnen. Die Stände werden bei dieser Eröffnung folgenden Eid leisten: Ich schwöre Treue dem Großherzog, Gehorsam dem Gesetze, genaue Beobachtung der Verfassung und in der Ständeversammlung nur das allgemeine Wohl, nach bester, eigener, durch keinen Auftrag bestimmter Ueberzeugung berathen zu wollen. A RT. 27. Wir werden den eröffneten Landtag gleichfalls entweder in eigener Person, oder durch einen besonders dazu beauftragten Commissär, schließen und alsdann den der ständischen Versammlung schon vor dem Schlusse mitgetheilten LandtagsAbschied Unsern getreuen Unterthanen verkünden lassen. Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und des beigedruckten Staats-Siegels. Gegeben Darmstadt den 18. März 1820. (L. S.) L UDEWIG. von Grolman.

A RT. 25. Ueber die Art und Weise, wie Unsere Stände, wenn Wir einen Landtag ausgeschrieben haben, einberufen, wie ihre Legitimation geprüft und wie von ihnen die ihnen obliegenden Geschäfte besorgt werden sollen, werden besondere Reglements erlassen werden. A RT. 26. Wenn, nachdem Wir die Stände einberufen haben, die Legitimationen derselben geprüft worden sind, so werden Wir den Landtag entweder in eigener Person, oder durch einen besonders dazu von Uns

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Ediert nach Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Bd. 1819–1820, Jahrgang 1820, Nr. 13, Darmstadt, S. 101–111. Das Edikt wurde am 18. März 1820 beschlossen, unterzeichnet und trat auch an diesem Tag in Kraft. Die Verkündung im Regierungsblatt erfolgte am 24. März 1820. Es handelt sich bei dem Edikt um eine einseitig oktroyierte Verfassung, die nach Verhandlungen mit den beiden Kammern durch die Verfassung vom 17. Dezember 1820 abgelöst wurde (Verfassungs-Urkunde des Großherzogthums Hessen, Darmstadt 1820, S. 1–40; siehe unter „Verfassung von Hessen-Darmstadt 1820“).

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Verfassung von Hessen-Darmstadt (1820) Verfassungs-Urkunde des Großherzogthums Hessen1

L UDEWIG von Gottes Gnaden Großherzog von Hessen und bei Rhein etc. etc. Nachdem Wir die, in Gemäßheit des Artikels 21. Unsers Edicts vom 18ten März d. J.2 über die landständische Verfassung geäusserten Wünsche Unserer getreuen Stände über die constitutionellen Bestimmungen vernommen und in Beziehung auf dieselben Unsere Entschließungen gefaßt haben; so finden Wir Uns nunmehr bewogen, diese Entschließungen und die durch dieselben nicht abgeänderten verfassungsmäßigen Bestimmungen Unsers Edicts vom 18. März d. J. über die landständische Verfassung, so wie auch aus dem Wahlgesetze, der Geschäftsordnung, dem Edicte über das Staatsbürgerrecht und dem Edicte über den Staatsdienst in einer Urkunde zusammenzufassen und Wir verordnen daher Folgendes, als

DIE VERFASSUNG DES GROSSHERZOGTHUMS TITEL I Von dem Großherzogthum und dessen Regierung im Allgemeinen A RT. 1. Das Großherzogthum bildet einen Bestandtheil des deutschen Bundes. A RT. 2. Die Beschlüsse der Bundesversammlung, welche die verfassungsmäßigen Verhältnisse Deutschlands, oder die Verhältnisse deutscher Staatsbürger im Allgemeinen betreffen, bilden einen Theil des Hessischen Staatsrechts und haben, wenn sie

von dem Großherzoge verkündet worden sind, in dem Großherzogthume verbindende Kraft. Hierdurch wird jedoch die Mitwirkung der Stände in Ansehung der Mittel zur Erfüllung der Bundes-Verbindlichkeiten, in so weit dieselbe verfassungsmäßig begründet ist, nicht ausgeschlossen. A RT. 3. Das Großherzogthum bildet, in der Gesammt-Vereinigung der älteren und neueren Gebietstheile, ein zu einer und derselben Verfassung verbundenes Ganze. A RT. 4. Der Großherzog ist das Oberhaupt des Staats, vereinigt in Sich alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie, unter den von Ihm gegebenen, in dieser Verfassungsurkunde festgesetzten Bestimmungen, aus. Seine Person ist heilig und unverletzlich. A RT. 5. Die Regierung ist in dem Großherzoglichen Hause erblich nach Erstgeburt und Linealfolge, vermöge Abstammung aus ebenbürtiger, mit Bewilligung des Großherzogs geschlossener Ehe. In Ermangelung eines durch Verwandtschaft, oder Erbverbrüderung zur Nachfolge berechtigten Prinzen geht die Regierung auf das weibliche Geschlecht über. Hierbei entscheidet Nähe der Verwandtschaft mit dem letzten Großherzoge, bei gleicher Nähe das Alter. Nach dem Uebergange gilt wieder der Vorzug des Mannsstammes. Die diesen Grundsätzen gemäßen näheren Bestimmungen, so wie die Bestimmungen über die Regentschaft während der Minderjährigkeit, oder anderer Verhinderung

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H ESSEN -DARMSTADT des Großherzogs, werden durch das Hausgesetz festgesetzt, welches in so ferne einen Bestandtheil der Verfassung bildet.

TITEL II Von den Domänen A RT. 6. Ein Drittheil der sämmtlichen Domänen, nach dem Durchschnitts-Ertrag der reinen Einkünfte berechnet, wird, nach der Auswahl des Großherzogs, an den Staat abgegeben, um, mittelst allmäligen Verkaufs, zur Schuldentilgung verwendet zu werden. A RT. 7. Die übrigen zwei Drittheile bilden das schuldenfreie unveräußerliche Familien-Eigenthum des Großherzoglichen Hauses. Die Einkünfte dieses Familienguts, worüber eine besondere Rechnung geführt wird, sollen jedoch in dem Budjet aufgeführt und zu den Staatsausgaben verwendet werden, die zu den Bedürfnissen des Großherzoglichen Hauses und Hofes erforderlichen Summen sind aber darauf vorzugsweise radicirt und, ohne ständische Einwilligung, soll auch von diesem Familiengute nichts verhypothecirt werden. A RT. 8. Bei künftigen Erwerbungen wird, nach den Rechtstiteln des Erwerbs, festgesetzt werden, ob sie zu dem Staatsoder dem Familien-Vermögen gehören. A RT. 9. Das Veräußerungs-Verbot des Art. 7. bezieht sich nicht auf die Staatsund Regierungshandlungen mit auswärtigen Staaten. Auch sind darunter der Verkauf entbehrlicher Gebäude, der in andern Staaten gelegenen Güter und Einkünfte, die Vergleiche zu Beendigung von Rechtsstreitigkeiten, die bloßen Austauschungen und die Ablösung des Lehns- und Erbleih-Verbands,

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der Grundzinsen und der Dienste nicht begriffen. In allen diesen Fällen wird aber den Ständen eine Berechnung über den Erlöß und dessen Wiederverwendung zum Grundstocke vorgelegt werden. A RT. 10. Eben dieses gilt auch von den zum Staats-Vermögen gehörenden Domänen, wenn, nach Abzahlung der Schulden, der Erlöß aus den Veräußerungen nicht mehr zur Schuldentilgungs-Kasse abzuliefern ist. A RT. 11. Dem Großherzoge steht das Recht zu, heimgefallene Lehen wieder zu verleihen.

TITEL III Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Hessen A RT. 12. Der Genuß aller bürgerlichen Rechte in dem Großherzogthume, sowohl der Privatrechte, als der öffentlichen (oder des Staatsbürgerrechts) steht nur Inländern zu. A RT. 13. Das Recht eines Inländers (Indigenat) wird erworben: 1) durch die Geburt für denjenigen, dessen Vater oder Mutter damals Inländer waren; 2) durch Verheurathung einer Ausländerin mit einem Inländer; 3) durch Verleihung eines Staatsamts; 4) durch besondere Aufnahme. A RT. 14. Staatsbürger sind diejenigen volljährigen Inländer männlichen Geschlechts, welche in keinem fremden persönlichen Unterthans-Verband stehen und wenigstens drey Jahre in dem Großherzogthume wohnen. Die in dem Besitze einer oder mehrerer Standesherrschaften sich befindenden

V ERFASSUNG VON H ESSEN -DARMSTADT (1820) Häupter der jetzigen standesherrlichen Familien haben jedoch das Staatsbürgerrecht ungeachtet eines fremden persönlichen Unterthans-Verbands. A RT. 15. Nicht christliche Glaubensgenossen haben das Staatsbürgerrecht alsdann, wenn es ihnen das Gesetz verliehen hat, oder wenn es Einzelnen entweder ausdrücklich, oder, durch Uebertragung eines Staatsamts, stillschweigend verliehen wird. A RT. 16. Jede rechtskräftige Verurtheilung zu einer peinlichen Strafe zieht den Verlust des Staatsbürgerrechts nach sich. Seine Ausübung wird gehindert: 1) durch Versetzung in den peinlichen Anklagestand, oder Verhängung der Special-Inquisition; 2) durch das Entstehen eines gerichtlichen Concurs-Verfahrens über das Vermögen bis zur vollständigen Befriedigung der Gläubiger; 3) während der Dauer einer Curatel und 4) für diejenigen, welche für die Bedienung der Person oder der Haushaltung eines Andern Kost oder Lohn empfangen, während der Dauer dieses Verhältnisses.3 A RT. 17. Das Recht des Inländers geht verloren: 1) durch Auswanderung; 2) durch Verheurathung an einen Ausländer. Die Wittwe erhält jedoch die Rechte einer Inländerin wieder, wenn sie entweder im Großherzogthume geblieben ist, oder dahin, mit Erlaubniß der Staatsregierung und unter der Erklärung, sich darin niederlassen zu wollen, zurückkehrt. A RT. 18. Alle Hessen sind vor dem Gesetz gleich. A RT. 19. Die Geburt gewährt Keinem eine vorzügliche Berechtigung zu irgend einem Staats-Amte. A RT. 20. Die Verschiedenheit der in dem Großherzogthume anerkannten christlichen

Confessionen hat keine Verschiedenheit in den politischen, oder bürgerlichen Rechten zur Folge.4 A RT. 21. Den anerkannten christlichen Confessionen ist freye und öffentliche Ausübung ihres Religions-Cultus gestattet.5 A RT. 22. Jedem Einwohner des Großherzogthums wird der Genuß vollkommener Gewissensfreiheit zugesichert. Der Vorwand der Gewissensfreiheit darf jedoch nie ein Mittel werden, um sich irgend einer, nach den Gesetzen obliegenden Verbindlichkeit zu entziehen.6 A RT. 23. Die Freiheit der Person und des Eigenthums ist in dem Großherzogthume keiner Beschränkung unterworfen, als welche Recht und Gesetz bestimmen. A RT. 24. Jedem Hessen stehet das Recht der freyen Auswanderung, nach den Bestimmungen des Gesetzes, zu. A RT. 25. Die Leibeigenschaft bleibt, nach den deßfalls bestehenden Gesetzen, für immer aufgehoben. A RT. 26. Ungemessene Frohnden können nie Statt finden und die gemessenen sind ablösbar. A RT. 27. Das Eigenthum kann für öffentliche Zwecke nur gegen vorgängige Entschädigung, nach dem Gesetze, in Anspruch genommen werden. A RT. 28. In ausserordentlichen Nothfällen ist jeder Hesse zur Vertheidigung des Vaterlands verpflichtet und kann für diesen Zweck zu den Waffen gerufen werden. A RT. 29. Jeder Hesse, für welchen keine verfassungsmäßige Ausnahme bestehet, ist verpflichtet, an der ordentlichen KriegsDienstpflicht Antheil zu nehmen. Bei dem

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H ESSEN -DARMSTADT Aufrufe zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit entscheidet unter den gleich Verpflichteten das Loos, mit Gestattung der Stellvertretung. A RT. 30. Alle Hessen sind zu gleichen staatsbürgerlichen Verbindlichkeiten und zu gleicher Theilnahme an den Staatslasten verpflichtet, in so ferne sie nicht eine verfassungsmäßige Ausnahme für sich in Anspruch zu nehmen haben. A RT. 31. Niemand soll seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. A RT. 32. Das Matereille der Justiz-Ertheilung und das gerichtliche Verfahren, innerhalb der Gränzen seiner gesetzlichen Form und Wirksamkeit, sind von dem Einflusse der Regierung unabhängig. A RT. 33. Kein Hesse darf anders, als in den durch das Recht und die Gesetze bestimmten Fällen und Formen, verhaftet, oder bestraft werden. Keiner darf länger, als 48 Stunden, über den Grund seiner Verhaftung in Ungewißheit gelassen werden und dem ordentlichen Richter soll, wenn die Verhaftung von einer anderen Behörde geschehen ist, in möglichst kurzer Frist von dieser Verhaftung die erforderliche Nachricht gegeben werden. A RT. 34. Die Richter können nur durch gerichtliches Erkenntniß entsetzt, sie können auch nicht wider ihren Willen entlassen und nur dergestalt versetzt werden, daß sie in derselben Dienst-Kategorie verbleiben und weder im Gehalte, noch in dem Dienstgrade zurückgesetzt werden. Die Directoren der Justiz-Collegien bleiben jedoch den allgemeinen Bestimmungen der Dienst-Pragmatik unterworfen. A RT. 35. Die Presse und der Buchhandel sind in dem Großherzogthume frey, jedoch unter Befolgung der gegen den Mißbrauch bestehenden, oder künftig erfolgenden Gesetze.7

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A RT. 36. Jedem steht die Wahl seines Berufes und Gewerbs, nach eigener Neigung, frey. Unter Beobachtung der hinsichtlich der Vorbereitung zum Staatsdienste bestehenden Gesetze, ist es jedem überlassen, sich für seine Bestimmung, im Inlande, oder Auslande, auszubilden.

TITEL IV Von den besondern Rechten des Adels A RT. 37. Die Rechtsverhältnisse der Standesherren werden durch das darüber erlassene Edict vom 17ten Februar 18208 bestimmt, welches einen Bestandtheil der Verfassung bildet. A RT. 38. Die besondere Rechtsverhältnisse des Adels genießen den Schutz der Verfassung.

TITEL V Von den Kirchen, den Unterrichtsund Wohlthätigkeits-Anstalten A RT. 39. Die innere Kirchen-Verfassung genießt auch den Schutz der politischen. A RT. 40. Verordnungen der Kirchengewalt, können, ohne vorgängige Einsicht und Genehmigung des Großherzogs, weder verkündet, noch vollzogen werden. A RT. 41. Die Geistlichen sind in ihren bürgerlichen Verhältnissen und bei strafbaren Handlungen, welche nicht bloße Dienstvergehen sind, der weltlichen Obrigkeit unterworfen. A RT. 42. Die Beschwerden über Mißbrauch der kirchlichen Gewalt können jederzeit bei der Regierung angebracht werden. A RT. 43. Das Kirchengut, das Vermögen der vom Staate anerkannten Stiftungen, Wohlthätigkeits-, so die der höheren

V ERFASSUNG VON H ESSEN -DARMSTADT (1820) und niederen Unterrichts-Anstalten genießen des besonderen Schutzes des Staates und können unter keiner Voraussetzung dem Finanz-Vermögen einverleibt werden. A RT. 44. Die Fonds der milden Stiftungen zur Beförderung der Gottesverehrung, des Unterrichts und der Wohlthätigkeit können nur mit ständischer Einwilligung zu einem fremdartigen Zwecke verwendet werden.

TITEL VI Von den Gemeinden A RT. 45. Die Angelegenheiten der Gemeinden sollen durch ein Gesetz geordnet werden, welches als Grundlage die eigene, selbstständige Verwaltung des Vermögens durch von der Gemeinde Gewählte, unter der Oberaufsicht des Staats, aussprechen wird. Die Grundbestimmungen dieses Gesetzes werden einen Bestandtheil der Verfassung bilden.9 A RT. 46. Das Vermögen der Gemeinden kann, unter keiner Voraussetzung, dem Finanz-Vermögen einverleibt werden.

TITEL VII Von dem Staats-Dienste A RT. 47. Niemand kann ein Staatsamt erhalten, ohne seine Fähigkeit dazu, durch ordnungsmäßige Prüfung, bewiesen zu haben. Bei solchen, welche im Auslande bereits Staatsämter bekleidet und dadurch ihre Fähigkeit bewährt haben, leidet diese Regel eine Ausnahme. A RT. 48. Anwartschaften auf Staatsämter finden nicht Statt. A RT. 49. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Pensionirung der Staatsdiener

und die Rechte derselben aus den bestehenden Instituten der Wittwen- und WaisenKassen stehen unter dem Schutze der Verfassung. Denselben Schutz genießen insbesondere auch die durch die Dienst-Pragmatik bestimmten Rechte der Militärpersonen auf die gesetzlichen Pensionen. A RT. 50. Untersuchungen gegen Staatsdiener wegen Dienstverbrechen können nicht niedergeschlagen und Staatsdiener, welche des Dienstes dergestalt entsetzt worden sind, daß das Urtheil ihre Unfähigkeit, im Staatsdienste wieder angestellt zu werden, ausdrücklich ausgesprochen hat, nie im Staatsdienste wieder angestellt werden.

TITEL VIII Von den Landständen10 A RT. 51. Die Stände des Großherzogthums bilden zwey Kammern. A RT. 52. Die erste Kammer wird gebildet:11 1) aus den Prinzen des Großherzoglichen Hauses; 2) aus den Häuptern standesherrlicher Familien, welche sich in dem Besitze einer oder mehrerer Standesherrschaften befinden, nach dem §. 16. des Edicts über die standesherrlichen Verhältnisse; 3) aus dem Senior der Familie der Freyherrn von Riedesel; 4) aus dem katholischen Landes-Bischof. Im Falle der Erledigung des Stuhls wird der Großherzog einem ausgezeichneten katholischen Geistlichen den Auftrag ertheilen, an der Stelle des Bischofs bei dem Landtage zu erscheinen; 5) aus einem protestantischen Geistlichen, welchen der Großherzog dazu auf Lebenszeit, mit der Würde eines Prälaten, ernennen wird;

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H ESSEN -DARMSTADT 6) aus dem Kanzler der Landes-Universität, oder dessen Stellvertreter; 7) aus denjenigen ausgezeichneten Staatsbürgern, welche der Großherzog auf Lebenszeit dazu berufen wird. Diese Ernennungen sollen nicht über die Zahl von zehn Mitgliedern ausgedehnt werden. A RT. 53. Die zweyte Kammer wird gebildet:12 1) aus sechs Abgeordneten, welche der in dem Großherzogthume genügend mit Grundeigenthum angesessene Adel aus seiner Mitte wählt; 2) aus zehn Abgeordneten derjenigen Städte, welchen, um die Interessen des Handels, oder alte achtbare Erinnerungen zu ehren, ein besonderes Wahlrecht zustehet. Diese Städte sind: a) die Residenzstadt Darmstadt, b) die Stadt Mainz, von welchen jede 2 Abgeordnete zu wählen hat. c) die Stadt Gießen, d) die Stadt Offenbach, e) die Stadt Friedberg, f) die Stadt Alsfeld, g) die Stadt Worms, h) die Stadt Bingen, von welchen jede einen Abgeordneten wählt; 3) aus 34 Abgeordneten, welche nach Wahldistricten gebildet, von den nicht mit einem besondern Wahlrechte begabten Städten und den Landgemeinden gewählt werden. Die Art und Weise, wie die durch diesen Artikel bestimmten Wahlrechte ausgeübt werden, setzt das Wahlgesetz fest.13 A RT. 54. Die gebornen Mitglieder der ersten Kammer können von ihrem Rechte nur dann Gebrauch machen, wenn sie das 25ste Lebensjahr zurückgelegt haben und ihnen in Hinsicht auf die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte kein Hinderniß entgegensteht. A RT. 55. Die Abgeordneten zur zweiten

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Kammer müssen Staatsbürger seyn, welche das 30ste Jahr zurückgelegt haben und ein, zur Sicherung einer unabhängigen Existenz genügendes Einkommen besitzen. Als ein solches wird für die Wahlen des Adels betrachtet, wenn der zu wählende adliche Grundeigenthümer 300 fl. directe Steuern für eigenthümliches, oder nutznießliches Vermögen jährlich entrichtet. Für die übrigen Wahlen wird erfordert, daß der zu Wählende 100 fl. directe Steuern jährlich entrichte, oder als Staatsdiener einen ständigen jährlichen Gehalt von wenigstens 1000 fl. beziehe. Wenn jedoch in einem Wahl-Bezirke keine 25 Wählbare, welche 100 fl. directe Steuern entrichten, vorhanden seyn sollten, so soll die Zahl 25 durch die zunächst höchst Besteuerten in diesem Bezirke, mit Wählbarkeit für das ganze Land, ergänzt werden. A RT. 56. An den Wahlen des Adels nehmen alle adliche Grundeigenthümer, welche 300 fl. directe Steuern entrichten, und das 30ste Lebensjahr zurückgelegt haben, Theil. Mitglieder der ersten Kammer können daran nicht als Wähler Antheil nehmen. A RT. 57. Die Ernennung der Abgeordneten der Städte und der Wahldistricte geschieht durch drey Wahlen. Die erste Wahl bestimmt die Bevollmächtigten. Von diesen werden die Wahlmänner und von den letzten die Abgeordneten gewählt. Zu Wahlmännern wählbar sind die 60 Höchstbesteuerten in dem Districte wohnenden Staatsbürger, welche wenigstens 30 Jahr alt sind. Die Anzahl der für jeden District und für jede Stadt, sie möge einen oder zwey Abgeordnete zu ernennen haben, zu wählenden Wahlmänner wird auf 25 festgesetzt. An keinen der in diesem Artikel bestimmten Wahlen kann ein Mitglied der ersten Kammer, oder ein bei den Wahlen des

V ERFASSUNG VON H ESSEN -DARMSTADT (1820) Adels Stimmfähiger, oder Wählbarer Antheil nehmen. A RT. 58. Ein Mitglied der ersten Kammer kann nicht zur zweyten gewählt werden. A RT. 59. Alle Wahlen der Abgeordneten geschehen auf 6 Jahre. Es ist aber nicht verboten, nach dem Ablaufe dieser Zeitperiode, den Gewählten wieder auf 6 Jahre zu wählen. Während dieser Zeit findet eine neue Wahl von Abgeordneten für den Rest der 6 Jahre nur dann Statt: 1) wenn ein Abgeordneter stirbt, oder unfähig wird; 2) wenn ein Gewählter die Wahl ablehnt. Dieses kann er aber nur wegen ärztlich bescheinigter Krankheit, oder wenn häusliche Verhältnisse, nach dem Zeugnisse der vorgesetzten Behörde, die persönliche Gegenwart des Gewählten zu Hause wesentlich erfordern. Auch die Staatsdiener sind an diese Regel gebunden, wenn ihnen nicht der Urlaub versagt wird. Veränderungen in der Steuerquote, oder dem Dienstverhältnisse während der Dauer eines Landtags machen für diesen Landtag nicht unfähig, den Fall der Entsetzung vom Dienste, oder der Suspension vom Dienste und Gehalte, oder des Verlusts, oder der Suspension des Staatsbürgerrechts ausgenommen. A RT. 60. Wer als Mitglied der einen oder der andern Kammer auf Landtagen erscheinen will, darf nie wegen Verbrechen, oder Vergehen, die nicht blos zur niederen Polizei gehören, vor Gericht gestanden haben, ohne gänzlich freigesprochen worden zu sein.14 A RT. 61. Weder in der ersten, noch in der zweiten Kammer darf man sein Stimmrecht durch einen Stellvertreter ausüben lassen, oder für seine Stimme Instructionen annehmen.

In dem Falle jedoch, wenn ein Standesherr durch Minderjährigkeit, oder Curatel abgehalten wird, tritt der Agnat, welcher die Vormundschaft, oder Curatel führt, an dessen Stelle, vorausgesetzt, daß derselbe in jeder Hinsicht als gehörig qualificirt erscheint. Auch soll ein Standesherr in solchen Fällen, wo er durch Gründe, welche auch in der zweiten Kammer entschuldigen, verhindert wäre, wenn die erste Kammer diese Gründe für zulänglich erkennt, das Recht haben, sich durch den nächsten Agnaten, wenn dieser gehörig qualificirt ist, für diesen Landtag vertreten zu lassen. Dieses Recht steht, unter denselben Bedingungen, auch dem Senior der Familie der Freyherrn von Riedesel zu. Nie darf aber ein solcher Stellvertreter nach Instructionen handeln, und nie, eben so wenig, wie ein aus eignem Recht Berechtigter, mehrere Stimmen führen. A RT. 62. In beiden Kammern haben die Mitglieder des Geheimen Staats-Ministeriums und die ernannten Landtags-Kommissarien freien Zutritt ohne Stimmrecht. A RT. 63. Der Großherzog allein hat das Recht, die Stände zu berufen und die ständische Versammlung zu vertagen, aufzulösen und zu schließen. Eine willkührliche Vereinigung der Stände ohne Einberufung, oder nach dem Schlusse, der Vertagung, oder Auflösung ist gesetzwidrig und strafbar. A RT. 64. Der Großherzog wird die Stände wenigstens alle drey Jahre versammeln. Im Falle einer Auflösung wird Er binnen 6 Monaten eine neue Ständeversammlung berufen. A RT. 65. In dem Falle einer Auflösung erlöschen alle Rechte aus den bisherigen Wahlen, und es müssen für die neu einberufene ständische Versammlung neue Wahlen Statt finden. Bei diesen Wahlen sind jedoch auch die früher Gewählten wählbar.

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H ESSEN -DARMSTADT A RT. 66. Die Stände sind nur befugt, sich mit denjenigen Gegenständen zu beschäftigen, welche die nachfolgenden Artikel zu ihrem Wirkungskreis verweisen. Die Ueberschreitung dieser Befugniß ist eben so zu betrachten, wie eine willkührliche Vereinigung. A RT. 67. Ohne Zustimmung der Stände kann keine directe oder indirecte Auflage ausgeschrieben oder erhoben werden. Das Finanzgesetz, welches immer auf 3 Jahre gegeben wird, soll zuerst der zweiten Kammer vorgelegt werden, welche darüber, nach einer vorherigen vertraulichen Besprechung mit der ersten Kammer durch die Ausschüsse, ihre Beschlüsse zu fassen hat. Die Beschlüsse der zweyten Kammer kann die erste nur im Ganzen annehmen oder verwerfen. Geschieht das Letztere, so wird das Finanzgesetz in einer Versammlung der vereinigten beiden Kammern, unter dem Vorsitze des Präsidenten der ersten, discutirt und der Beschluß nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt. A RT. 68. Die Bewilligungen dürfen von keiner Kammer an die Bedingung der Erfüllung bestimmter Desiderien geknüpft werden. Beide Kammern sind jedoch befugt, nicht nur eine vollständige Uebersicht und Nachweisung der Staatsbedürfnisse, sondern auch eine genügende Auskunft über die Verwendung früher verwilligter Summen zu begehren. A RT. 69. Die Auflagen, insoferne sie nicht blos für einen vorübergehenden und bereits erreichten Zweck bestimmt waren, dürfen, nach Ablauf der Verwilligungszeit, noch sechs Monate fort erhoben werden, wenn die Ständeversammlung aufgelößt wird, ehe ein neues Finanzgesetz zu Stande kommt, oder wenn die ständischen Berathungen sich verzögern.

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Diese sechs Monate werden jedoch in die neue Finanz-Periode eingerechnet. A RT. 70. Die Civilliste kann während der Dauer der Regierung eines Großherzogs weder, ohne Seine Bewilligung, gemindert, noch, ohne Zustimmung der Stände, erhöhet werden. A RT. 71. In außerordentlichen Fällen, wo drohende äußere Gefahren die Aufnahme von Capitalien dringend erfordern, die Einberufung der Stände aber, oder eine vorläufige Berathung mit denselben durch äußere Verhältnisse unmöglich gemacht wird, kann die Staatsregierung die erforderlichen Summen lehnbar aufnehmen, vorbehältlich der Nachweisung ihrer Verwendung und der Verantwortlichkeit der obersten Staatsbehörde. A RT. 72. Ohne Zustimmung der Stände kann kein Gesetz, auch in Bezug auf das Landes-Polizey-Wesen gegeben, aufgehoben oder abgeändert werden. Wenn bei bestehenden Gesetzen die doctrinelle Auslegung, nicht hinreicht, so tritt nicht authentische Auslegung, sondern die Nothwendigkeit einer neuen Bestimmung, durch einen Act der Gesetzgebung ein. A RT. 73. Der Großherzog ist befugt, ohne ständische Mitwirkung, die zur Vollstreckung und Handhabung der Gesetze erforderlichen, so wie die aus dem Aufsichtsund Verwaltungsrecht ausfließenden Verordnungen und Anstalten zu treffen, und in dringenden Fällen das Nöthige zur Sicherheit des Staats vorzukehren. A RT. 74. Dem Großherzoge steht die ausschließende Verfügung über das Militär, die Formation desselben, die Disciplinar-Gewalt und das Recht, alle, den Kriegsdienst betreffenden Verordnungen zu erlassen, ohne ständische Mitwirkung zu. Der erlassene und von dem Großherzoge

V ERFASSUNG VON H ESSEN -DARMSTADT (1820) hinsichtlich der Offiziere noch zu erlassende Militär-Straf-Codex soll jedoch, in so ferne er sich nicht auf die bezeichneten Gegenstände bezieht, ohne ständische Mitwirkung künftig keine Abänderung erleiden. A RT. 75. Wenn auch nur eine Kammer gegen einen Gesetzesvorschlag stimmt, so bleibt das Gesetz ausgesetzt. Wird aber ein solches Gesetz auf dem nächsten Landtage von der Regierung den Ständen wieder vorgelegt und wieder von der einen Kammer abgelehnt, von der andern aber angenommen, so werden, wenn die Regierung es nicht vorzieht, den Vorschlag zurückzunehmen, die Stimmen für und wider die Annahme in beiden Kammern zusammengezählt, und es wird, nach der sich dann ergebenden Stimmenmehrheit, für oder gegen die Annahme entschieden. A RT. 76. Gesetzes-Entwürfe können nur von dem Großherzoge an die Stände, nicht von den Ständen an den Großherzog gebracht werden. Die Stände können aber, im Wege der Petition, auf neue Gesetze, so wie auf Abänderung oder Aufhebung der bestehenden antragen. A RT. 77. Aushebungen zur Vermehrung der Truppen über die Bundespflicht hinaus können nur durch ein Gesetz bestimmt werden, unbeschadet jedoch des Rechts der Staatsregierung, in dringenden Fällen die zur Sicherheit und Erhaltung des Staats nothwendigen Vorkehrungen zu treffen. A RT. 78. Die gesammte Staatsschuld, welche ohne ständische Einwilligung nie vermehrt werden kann, ist als solche durch die Verfassung garantirt. Die Art und Weise ihrer Zurückzahlung bestimmt das Schuldentilgungsgesetz. A RT. 79. Die Kammern haben das Recht, dem Großherzoge alles dasjenige vorzutragen, was sie, vermöge eines übereinstim-

menden Beschlusses, für geeignet halten, um als eine gemeinschaftliche Beschwerde, oder als ein gemeinschaftlicher Wunsch an Ihn gebracht zu werden. A RT. 80. Insbesondere haben auch die ständischen Kammern die Befugniß, auf die in dem vorhergehenden Artikel bestimmte Art diejenigen Beschwerden an den Großherzog zu bringen, welche sie sich gegen das Benehmen der Staatsdiener aufzustellen bewogen finden könnten. A RT. 81. Einzelne und Corporationen können sich nur dann an die ständischen Kammern wenden, wenn sie in Hinsicht ihrer individuellen Interessen sich auf eine unrechtliche oder unbillige Art für verletzt oder gedrückt halten, und wenn sie zugleich nachzuzeigen vermögen, daß sie die gesetzlichen und verfassungsmäßigen Wege, um bei den Staatsbehörden eine Abhülfe ihrer Beschwerden zu erlangen, vergeblich eingeschlagen haben. Eine solche Petition kann den Ständen, wenn sie dieselbe nicht alsbald, oder nach der ihnen von dem Geheimen Staats-Ministerium, oder den Landtags-Commissarien ertheilten Auskunft, als ungegründet verwerfen, Veranlassung geben, von der in den vorhergehenden Artikeln ausgesprochenen Befugniß der Beschwerdeführung Gebrauch zu machen. Ein Petitionsrecht der Einzelnen und der Corporationen in Hinsicht allgemeiner politischer Interessen, welche zu wahren blos den Ständen gebührt, findet nicht statt und eine Vereinigung Einzelner oder ganzer Corporationen für einen solchen Zweck ist gesetzwidrig und strafbar.15 A RT. 82. Wenn die eine Kammer der andern in Hinsicht auf eine Petition oder Beschwerdeführung nicht beistimmen sollte, so bleibt es der letzteren unbenommen, die Höchste Regierung von der beabsichtigten Petition, oder Beschwerdeführung im

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H ESSEN -DARMSTADT Wege der gewöhnlichen Mittheilung, mit dem Bemerken in Kenntniß zu setzen, daß dieselbe der andern Kammer, welche aber ihre Zustimmung versagt habe, mitgetheilt worden sey. A RT. 83. Die Stände sind für den Inhalt ihrer freyen Abstimmung nicht verantwortlich. Dagegen schützt das Recht der freyen Meinungsäußerung nicht gegen den Vorwurf der Verläumdung, welche Einzelne in dieser Äußerung etwa finden sollten. Den Einzelnen bleibt in solchen Fällen das Klagerecht, welches ihnen gegen Verläumdungen nach den Gesetzen zusteht. Klagen dieser Art sollen bei dem Provinzial-Justiz-Colleg derjenigen Provinz angebracht werden, in welcher der Landtag gehalten wird. A RT. 84. Während der Dauer des Landtags sind die Personen, welche zu der Ständeversammlung gehören, keiner Art von Arrest, als mit Einwilligung der Kammer, zu welcher sie gehören, unterworfen, den Fall der Ergreifung auf frischer That bei strafbaren Handlungen ausgenommen, in welchem Falle aber alsbald der Kammer, zu welcher der Verhaftete gehört, die Anzeige des Vorfalls, mit Entwickelung der Gründe, gemacht werden soll. A RT. 85. Der Großherzog ernennt den ersten Präsidenten der ersten Kammer für die Dauer des Landtags. Sobald ½ derjenigen Mitglieder, welche einberufen werden mußten und hätten erscheinen können, eingetroffen ist, versammelt der landesherrliche Commissär die Kammer, um dieselbe vorläufig zu constituiren, worauf sie, unter Vorsitz des ersten Präsidenten, oder, wenn noch keiner ernannt seyn sollte, unter Leitung des Commissärs, dem Großherzoge drey Mitglieder, zur Auswahl des zweiten Präsidenten für diesen Landtag vorschlägt und alsdann zur

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Wahl zweier Secretarien für die Dauer dieses Landtags schreitet. A RT. 86. Die Zweite Kammer kann, sobald 27 Mitglieder erschienen sind, deren Zulassung keinem Zweifel unterworfen zu seyn scheint, vorläufig constituirt werden. Dieses geschieht durch die EinweisungsCommission. Bei der Berufung eines Landtags mit neuen Wahlen wird alsdann sogleich, unter der Leitung der EinweisungsCommission, zur Auswahl von 6 Mitgliedern geschritten, welche dem Großherzoge, zur Ernennung des ersten und zweiten Präsidenten, vorgeschlagen werden. Bei der Berufung eines Landtags ohne neuen Wahlen dagegen wird die Einweisungs-Commission dem ältesten Mitgliede der Kammer einstweilen den Präsidentenstuhl anweisen, um, unter Assistenz zweier Secretäre, welche dasselbe sich zu diesem Acte ernennt, zur Wahl der 6. zu den Präsidentenstellen vorzuschlagenden Mitglieder zu schreiten. Sobald die Präsidenten für diesen Landtag ernannt sind, wird zur Wahl der beiden Secretarien für diesen Landtag geschritten. A RT. 87. Die definitive Entscheidung über die Gültigkeit der Wahlen und über die Zulassung, Abweisung oder Befreyung der Mitglieder der Kammern gehört zur Competenz einer jeden Kammer, sobald die ständische Versammlung eröffnet worden ist. A RT. 88. Die Eröffnung der Ständeversammlung geschieht mit beiden Kammern zugleich von dem Großherzoge in Person, oder von einem von Ihm dazu ernannten Commissär. Die neu eintretenden Mitglieder der Stände leisten bei dieser Eröffnung folgenden Eid: Ich schwöre Treue dem Großherzog, Gehorsam dem Gesetze, genaue Befolgung der Verfassung, und in der Ständeversammlung nur das allgemeine Wohl, nach bester, eigner, durch keinen Auftrag bestimmter Ue-

V ERFASSUNG VON H ESSEN -DARMSTADT (1820) berzeugung, berathen zu wollen. Die nach der Eröffnung erst eintretenden Mitglieder schwören diesen Eid in die Hände des Präsidenten ihrer Kammer. A RT. 89. Die Propositionen der Regierung werdenn den Kammern, oder derjenigen, welche zuerst darüber berathen soll, durch Mitglieder des Geheimen Staats-Ministeriums, oder durch die ernannten Landtags-Commissarien vorgelegt. A RT. 90. Jedes Mitglied der Stände hat das Recht, in der Kammer, zu welcher es gehört, Motionen über Gegenstände, welche zu dem Wirkungskreise der Kammern gehören, zu machen. A RT. 91. Die von einer Kammer abgelehnten Anträge der Regierung, oder der andern Kammer, oder eines Mitglieds der Kammer können auf demselben Landtag nicht wiederholt werden. A RT. 92. Die Vorbereitung zur Berathung geschieht durch gewählte Ausschüsse. A RT. 93. Zu einem gültigen Beschluß gehört in der ersten Kammer die Abstimmung von wenigstens 1 /3 derjenigen Mitglieder, welche einberufen werden mußten und hätten erscheinen können; in der zweyten Kammer die Abstimmung von wenigstens 27 Mitgliedern und in beiden Kammern Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Antrag der Regierung, bei andern Gegenständen die Meinung für das bestehende und bey Beschwerden gegen öffentliche Behörden, oder Einzelne, die diesen günstigere Ansicht. A RT. 94. Wenn eine Kammer nicht auf die Art besetzt ist, welche, nach dem vorhergehenden Artikel, zur Fassung gültiger Beschlüsse gefordert wird, so wird die unvollständig besetzte Kammer als einwilligend

in die Beschlüsse der vollständig besetzten angesehen. A RT. 95. Die Kammern haben, außer in den besonders ausgenommenen Fällen, keine Berathungen mit einander zu pflegen, sondern nur ihre gefaßten Beschlüsse sich gegenseitig mitzutheilen. Jedem Ausschusse der einen Kammer aber ist es erlaubt, sich mit dem entsprechenden Ausschusse der andern Kammer in dem Falle zu benehmen, wenn der Gegenstand zur Berathung beider Kammern, entweder durch einen Antrag der Staatsregierung oder durch Mittheilung des Beschlusses der andern Kammer gebracht worden ist. A RT. 96. Die Stände können mit keiner andern Behörde, außer mit dem Geheimen Staats-Ministerium und den ernannten Landtags-Commissarien, in Benehmen treten. Die Ausschüsse haben sich mit den Mitgliedern des Geheimen Staats-Ministeriums und den ernannten Landtags-Commissarien zu benehmen, um die erforderlichen Nachrichten zu erhalten, oder um zu einer Ausgleichung etwaiger abweichender Ansichten zu gelangen. A RT. 97. Alle Beschlüsse der einen Kammer müssen der andern zu gleichmäßiger Berathung mitgetheilt werden, wenn sie nicht solche Gegenstände betreffen, worüber verfassungsmäßig ein Beschluß der einen Kammer, unabhängig von dem der andern, zur Wirksamkeit gelangen kann. A RT. 98. Die gemeinschaftlichen Beschlüsse der Kammern werden dem Großherzoge, oder dem von ihm dazu bestimmten Commissar, durch eine gemeinschaftliche Deputation überreicht. A RT. 99. Die Kammern haben ihre Verhandlungen, insoferne sie sich nicht über vertrauliche Eröffnungen der Regierung,

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H ESSEN -DARMSTADT oder der andern Kammer oder an solche erstrecken, durch den Druck bekannt zu machen. A RT. 100. Unter derselben Voraussetzung haben sie auch das Recht, eine bestimmte Anzahl von Zuhörern, nach den darüber bestehenden oder künftig zu treffenden reglementarischen Bestimmungen zuzulassen. A RT. 101. Der Landtag wird von dem Großherzoge, entweder in eigener Person, oder durch einen dazu besonders beauftragten Commissar, geschlossen und alsdann der den Ständen schon vorher mitgetheilte Landtags-Abschied, durch den Großherzog verkündet.

TITEL IX Allgemeine Bestimmungen A RT. 102. Der Fiscus steht in allen privatrechtlichen Verhältnissen vor den Gerichten. A RT. 103. Für das ganze Großherzogthum soll ein bürgerliches Gesetzbuch, ein Strafgesetzbuch, und ein Gesetzbuch über das Verfahren in Rechtssachen eingeführt werden. A RT. 104. Ausschließliche Handels- und Gewerbs-Privilegien sollen nicht Statt finden, außer zu Folge eines besonderen Gesetzes. Patente für Erfindungen dagegen kann die Regierung auf bestimmte Zeit ertheilen. A RT. 105. Die Strafe der Confiscation des ganzen Vermögens soll für alle Zeiten abgeschafft seyn. Die an die Stelle tretenden zweckmäßigeren Strafen soll das Gesetz bestimmen.

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TITEL X Von der Gewähr der Verfassung A RT. 106. Jeder Regierungsnachfolger sichert, bei dem Antritte seiner Regierung, den Ständen die unverbrüchliche Festhaltung der Verfassung in einer Urkunde zu, welche den Ständen zugestellt und in dem ständischen Archive niedergelegt wird. A RT. 107. Im Falle einer Vormundschaft oder einer andern Verhinderung des Großherzogs an der Selbstausübung der Regierung, schwört der Verweser, bei dem Antritte der Regentschaft, in einer deshalb zu veranstaltenden Ständeversammlung folgenden Eid: Ich schwöre, den Staat, in Gemäßheit der Verfassung und der Gesetze zu verwalten, die Integrität des Großherzogthums und die Rechte der Krone zu erhalten und dem Großherzog die Gewalt, deren Ausübung mir anvertraut ist, getreu zu übergeben. A RT. 108. Alle Staatsbürger sind bei der Ansäßigmachung und bei der Huldigung, so wie alle Staatsdiener bei ihrer Anstellung, so fern sie dieses nicht schon gethan haben, verbunden folgenden Eid abzulegen: „Ich schwöre Treue dem Großherzoge, Gehorsam dem Gesetze und Beobachtung der Staatsverfassung.“ A RT. 109. Die Großherzoglichen Staatsminister und sämmtliche übrigen Staatsdiener sind, in so ferne sie nicht in Folge von Befehlen ihrer vorgesetzten Behörden handeln, jeder innerhalb seines Wirkungskreises für die genaue Beobachtung der Verfassung verantwortlich. Das Gesetz über die Verantwortlichkeit der Minister und der obersten Staatsbehörden bildet einen integrirenden Theil der Verfassung.16 A RT. 110. Abänderungen und Erläuterungen der Verfassungsurkunde können nie

V ERFASSUNG VON H ESSEN -DARMSTADT (1820) anders, als mit Einwilligung beider Kammern, geschehen. In der zweiten Kammer ist hierzu die Zustimmung von wenigstens 26 Mitgliedern und in der ersten Kammer, bei Stimmenmehrheit, die Zustimmung von wenigstens 12 Mitgliedern erforderlich. Ist aber die Anzahl der an der Abstimmung wirklich theilnehmenden Mitglieder so groß, daß 2 /3 davon mehr betragen, als die ausgedrückten Zahlen, so ist die Zustimmung von 2 /3 der wirklich Abstimmenden erforderlich. Indem Wir die vorstehenden Bestimmungen hiermit als die Staats-Grund-Verfassung Unsers Großherzogthums öffentlich erklären, versichern Wir zugleich hierdurch förmlich und feyerlich, daß wir die darin enthaltenen Gelobungen nicht nur Selbst treu und unverbrüchlich halten, sondern auch diese Verfassung gegen alle Eingriffe und Verletzungen zu schützen und zu erhalten stets bedacht seyn werden. Dessen zur Urkunde haben Wir dieses Staats-Grund-Gesetz eigenhändig unterschrieben und mit dem großen Staats-Siegel versehen lassen. So geschehen in Unserer Residenzstadt Darmstadt den 17ten December 1820. (L. S.) L UDEWIG. von Grolman.

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Ediert nach Verfassungs-Urkunde des Großherzogthums Hessen, Darmstadt 1820, S. 1–40. Die Verfassung wurde am 14. Oktober 1820 beschlossen und am 17. Dezember 1820 unterzeichnet und verkündet. Sie trat am 17. Dezember 1820 in Kraft. Die vorige Verfassung war das „Edict über die Landständische Verfassung des Großherzogthums vom 18. März 1820“ (Hessisches Regierungsblatt, Bd. 1819–1820, Jahrgang 1820, Nr. 13, Darmstadt, S. 101–111). Siehe unter „Edikt von Hessen-Darmstadt (1820)“. Die Verfassung vom 17. Dezember 1820 erhielt ihre Fassung nach Verhandlungen mit den beiden neuberufenen Kammern. Sie ist eine Revision der einseitig oktroyierten Verfassung vom 18. März 1820.

Die nachfolgende Verfassung ist das Gesetz über die vorläufige Verfassung für den Freistaat (Republik) Hessen vom 20. Februar 1919 (siehe dazu Horst Dippel (Hrsg.), Verfassungen der Welt, 1850 bis zur Gegenwart, Teil 1: Europa, München, K.G. Saur 2002–2005, Mikrofiche-Nr. 303, 1–3). Für weiterführende Angaben siehe Huber, Dokumente I, S. 219–236 sowie Huber, Verfassungsgeschichte I, S. 335–336 und Verfassungsgeschichte II, S. 44–45, 444–447, 514–516. 2 „Edict über die Landständische Verfassung des Großherzogthums“ vom 18. März 1820 (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Bd. 1819–1820, Jahrgang 1820, Nr. 13, Darmstadt, S. 101–111). Siehe unter „Edikt von Hessen-Darmstadt (1820)“. 3 Geändert durch „Gesetz, die Abänderung der Art. 16 und 60 der Verfassungs-Urkunde betreffend“ vom 28. September 1842 (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1842, No. 37, Darmstadt 1842, S. 517–521). Siehe unter „Revision von 1842“. 4 Siehe hierzu „Gesetz, die religiöse Freiheit betreffend“ vom 2. August 1848 (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1848, Nr. 39, Darmstadt 1848, S. 231–232). Siehe unter „Dritte Revision von 1848“. 5 Siehe hierzu „Gesetz, die religiöse Freiheit betreffend“ vom 2. August 1848 (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1848, Nr. 39, Darmstadt 1848, S. 231–232). Siehe unter „Dritte Revision von 1848“. 6 Siehe hierzu „Gesetz, die religiöse Freiheit betreffend“ vom 2. August 1848 (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1848, Nr. 39, Darmstadt 1848, S. 231–232). Siehe unter „Dritte Revision von 1848“. 7 Zur Ausführung des Art. 35 siehe „Gesetz, die Freiheit der Presse betreffend“ vom 16. März 1848 (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1848, Nr. 11, Darmstadt 1848, S. 72). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 8 Siehe dazu das „Edict, die standesherrlichen Rechts-Verhältnisse im Großherzogthum Hessen betreffend“ vom 17. Februar 1820 (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1820, No. 17, Darmstadt, S. 125–160). Siehe unter „Edikt von 1820“. 9 Das „Gesetz die Gemeindeordnung betreffend“ ist abgedruckt in Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1821, No. 29, Darmstadt, S. 355–376. Die vorgesehene Integration der „Grundbestimmungen“ der Gemeindeordnung in die Verfassung erfolgte jedoch explizit nicht, wie sich aus der folgenden Schlußbestimmung ergibt: „Vor der Hand bilden die Grundbestimmungen dieses Gesetzes noch nicht einen Bestandtheil der Verfassung, bis auf einem künftigen Landtag darüber Bestimmungen erfolgen.“ Soweit ersichtlich sind diese Bestimmungen nie erlassen worden. Zur weiteren Entwicklung der Gemeindeordnung

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H ESSEN -DARMSTADT siehe Wilhelm van Calker, Das Staatsrecht des Großherzogthums Hessen, Tübingen 1913, S. 114ff. 10 Dazu ist die „Verordnung, wie die Wahlen zur Kammer der Abgeordneten erfolgen sollen“ vom 22. März 1820 erlassen worden (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1820, No. 14, Darmstadt, S. 113–116). Siehe unter „Verordnung von 1820“. Diese Verordnung wurde schließlich ersetzt durch das „Gesetz, die Zusammensetzung der beiden landständischen Kammern und die Wahlen der Abgeordneten betreffend“ vom 3. September 1849 (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1849, No. 52, Darmstadt 1849, S. 435–450; siehe unter „Erste Revision von 1849“). Siehe auch das „Gesetz, die landständische Geschäftsordnung betreffend“ vom 10. Oktober 1849 (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1849, No. 63, Darmstadt 1849, S. 519–523; siehe unter „Zweite Revision von 1849“). 11 Dazu ist die „Verordnung, wie die Wahlen zur Kammer der Abgeordneten erfolgen sollen“ vom 22. März 1820 erlassen worden (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1820, No. 14, Darmstadt, S. 113–116). Siehe unter „Verordnung von 1820“. Diese Verordnung wurde schließlich ersetzt durch das „Gesetz, die Zusammensetzung der beiden landständischen Kammern und die Wahlen der Abgeordneten betreffend“ vom 3. September 1849 (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1849, No. 52, Darmstadt 1849, S. 435–450). Siehe unter „Erste Revision von 1849“. 12 Dazu ist die „Verordnung, wie die Wahlen zur Kammer der Abgeordneten erfolgen sollen“ vom 22. März 1820 erlassen worden (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1820, No. 14, Darmstadt, S. 113–116). Siehe unter „Verordnung von 1820“. Die-

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se Verordnung wurde schließlich ersetzt durch das „Gesetz, die Zusammensetzung der beiden landständischen Kammern und die Wahlen der Abgeordneten betreffend“ vom 3. September 1849 (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1849, No. 52, Darmstadt 1849, S. 435–450). Siehe unter „Erste Revision von 1849“. 13 Dazu ist die „Verordnung, wie die Wahlen zur Kammer der Abgeordneten erfolgen sollen“ vom 22. März 1820 erlassen worden (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1820, No. 14, Darmstadt, S. 113–116). Siehe unter „Verordnung von 1820“. Diese Verordnung wurde schließlich ersetzt durch das „Gesetz, die Zusammensetzung der beiden landständischen Kammern und die Wahlen der Abgeordneten betreffend“ vom 3. September 1849 (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1849, No. 52, Darmstadt 1849, S. 435–450). Siehe unter „Erste Revision von 1849“. 14 Geändert durch „Gesetz, die Abänderung der Art. 16 und 60 der Verfassungs-Urkunde betreffend“ vom 28. September 1842 (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1842, No. 37, Darmstadt 1842, S. 517–521). Siehe unter „Revision von 1842“. 15 Geändert durch „Gesetz, das Petitions- und Versammlungsrecht betreffend“ vom 16. März 1848 (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1848, No. 11, Darmstadt 1848, S. 72). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 16 Siehe hierzu das „Gesetz über die Verantwortlichkeit der Minister und obersten Standesbeamten“ vom 5. Juli 1821. (Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1821, No. 31, S. 387–388). Siehe unter „Gesetz von 1821“.

Edikt von 1820 Edict, die standesherrlichen Rechts-Verhältnisse im Großherzogthum Hessen betreffend1

L UDEWIG von Gottes Gnaden Großherzog von Hessen und bei Rhein etc. etc. Um nach den Bestimmungen des XIV. Art. der deutschen Bundes-Acte das staatsrechtliche Verhältniß der Standesherrn Unseres Großherzogthums umfassend zu bestimmen, haben Wir schon vor einiger Zeit Unsere Standesherrn aufgefordert, Uns ihre Ansichten vollständig vorzutragen. Wir haben die Anträge derselben einer sorgfältigen Prüfung unterworfen, und da Wir, indem Wir den Standesherrn Unseres Großherzogthums die Rechte und Vorzüge, welche ihnen die deutsche Bundes-Acte bewilligt, ferner einräumen, zugleich solche mit den, auf eben diese Bundes-Akte gegründeten gerechten Erwartungen Unserer übrigen Unterthanen in Uebereinstimmung zu bringen wünschen; so haben Wir zur näheren Erläuterung Unserer Declaration vom 1ten August 1807., und zur Begründung eines bleibenden Rechtszustandes Unserer Standesherrn, nachfolgendes verordnet:

A. PERSÖNLICHES VERHÄLTNISS DER STANDESHERRN § 1. Die Standesherrn haben als StaatsBürger des Großherzogthums Uns und Unsern Nachkommen, auf Erfordern, die Huldigung persönlich zu leisten. Wenn diese persönliche Huldigung von Uns nicht gefordert wird, so haben die

Häupter der standesherrlichen Familien, so oft sich in der Person des Regenten, oder in der Person des standesherrlichen Familien-Hauptes eine Veränderung ereignet, eine schriftliche Erklärung dahin auszustellen: daß sie, als Besitzer des, Unserer Souveränität untergebenen Fürstenthums (Grafschaft etc.etc.) Uns treu und gehorsam seyn, und alles dasjenige thun und abwenden wollen, wozu sie als getreue und gehorsame Standesherrn und Unterthanen, Uns und Unseren Nachkommen, als ihren rechtmäßigen Regenten, in Folge der bestehenden Grundgesetze und Verfassung verpflichtet sind. § 2. Sie werden, ihrer Unterordnung ungeachtet, forthin zur Standesklasse des hohen Adels von Deutschland gerechnet, und behalten das Recht der Ebenbürtigkeit, nach dem, im Staatsrecht des vormaligen deutschen Reichs damit verbundenen Begriffe. § 3. Sie führen die Titel und die Benennungen von ihren Besitzungen, Grafschaften und Herrschaften fort, welche sie vor der Vereinigung mit dem Großherzogthum geführt haben; jedoch fallen alle jene Beysätze und Würden hinweg, welche entweder ein vormaliges Verhältniß zum deutschen Reich ausdrücken, oder welche sie als Regenten ihrer Herrschaften bezeichnen würden. Diesem nach können sie: a) sich nicht mehr Reichsfürsten, ReichsGrafen, sondern nur Fürsten, Grafen, nennen, und ihren Herrschaften das Beiwort "Reichs" nicht mehr vorsetzen;

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H ESSEN -DARMSTADT b) in ihren Wappen die Zeichen nicht mehr führen, welche auf ihr vormaliges Verhältniß zum deutschen Reich Bezug haben; c) sich weder des Zusatzes “regierend” noch des Prädicats "von Gottes Gnaden" bedienen; endlich d) die Benennung "Wir" nur in solchen Schriften und Handlungen brauchen, welche nicht direct an Uns oder Unsere Behörden gerichtet sind. Die Häupter der standesherrlichen Familien werden in solchen Schriften zu dem Titel: Fürst, Graf, auch das Beywort "und Herr" setzen. § 4. Innerhalb der Standesherrschaften soll das Kirchengebet vorerst für Uns und Unser Großherzogliches Haus, und dann für den Standesherrn und dessen Familie verrichtet werden. § 5. Bei Sterbfällen in den standesherrlichen Familien, soll innerhalb der betreffenden Standesherrschaft, das Trauergeläute: 1.) für den Standesherrn und dessen Gemahlin 6 Wochen; 2.) Für den präsumtiven Nachfolger eines Standesherrn und dessen Gemahlin 3 Wochen; 3.) für die übrigen Mitglieder der standesherrlichen Familie, 14 Tage lang statt finden. Während dieser Trauerzeit sollen innerhalb der Standesherrschaft, alle öffentlichen Lustbarkeiten eingestellt werden. Eine eigentliche Landestrauer kann aber nur für den Souverain oder auf dessen besondere Anordnung statt finden. § 6. In den Erlassen Unserer Landes-Collegien an die Häupter der standesherrlichen Familien, sollen dieselben sich der Anrede "Durchlauchtig Hochgebohrner Herr Fürst" "Erlauchtig Hochgebohrner Herr Graf" und im Context der Ausdrücke "Eure Durchlaucht" "Euer Erlaucht" bedienen. Es versteht sich von selbst, daß die aus

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Unserem Auftrag von Unserm Geheimen Ministerium an die Standesherrn erfolgenden Erlasse in ihrer bisherigen Form verbleiben. Die Standesherrn haben sich in ihren Schriften an Uns, Unser Staats-Ministerium und Unsere übrigen Landes-Collegien und Behörden nach denselben Curialien zu richten, welche im Allgemeinen beobachtet werden. § 7. Den Standesherrn steht die Freiheit zu, ihren Aufenthalt in jedem, zum deutschen Bunde gehörigen, oder mit demselben im Frieden lebenden Staate zu nehmen – vorausgesetzt, daß sie nicht in Unserem Staatsdienste stehen. § 8. Sie sind sowohl für ihre Personen als für ihre Familien von aller Militärpflichtigkeit befreit, und es ist ihnen gestattet, in jedem zum deutschen Bunde gehörigen, oder mit demselben im Frieden lebenden Staate Militär- oder Civildienste zu nehmen. § 9. Die Unterthanen in den Standesherrschaften haben Uns, als ihrem Regenten, den gewöhnlichen Huldigungs-Eid abzulegen; gleichzeitig sollen dieselben dem Standesherrn eydlich versprechen: daß sie ihm die gebührende Ehrerbietung, und den, nach der Verfassung schuldigen Gehorsam erzeigen wollen. Die Abnahme dieses Gelübdes geschieht durch die standesherrlichen Beamten, welche jedoch für diesen Act keine besondere Gebühren zu beziehen haben sollen. § 10. Die noch bestehenden FamilienVerträge der Standesherrn werden nach den Grundsätzen der früheren deutschen Verfassung aufrecht erhalten, und es wird ihnen die Befugniß zugesichert, über ihre Güter und Familien-Verhältnisse verbindliche Verfügungen zu treffen, welche Uns vorgelegt werden müssen.

E DIKT VON 1820 Unsere Bestätigung ist zwar zur Gültigkeit solcher Familien-Verträge und Verfügungen nicht erforderlich; allein Unsere Gerichte können auf den Inhalt künftiger Familien-Verträge nur alsdann erkennen, wenn solche vorstehendermaaßen zu Unserer und Unseres geheimen Staats-Ministeriums Kenntniß bereits gebracht, und, insofern es sich dabei von Rechten und Verbindlichkeiten dritter Personen handelt, von dieser Unserer obersten Landesstelle öffentlich bekannt gemacht worden sind, hiernächst aber der Zeitraum verflossen ist, binnen dessen gesetzliche allgemeine Vorschriften in Wirksamkeit treten sollen. § 11. Es ist den Standesherrn gestattet, aus Männern, welche ihre Militär-Pflicht gegen den Staat vollständig erfüllt haben, nach freiwilliger Uebereinkunft mit denselben, Ehrenwachen von 20 bis 30 Mann zum Gebrauch bei ihren Schlössern und Wohnungen zu halten, und ihnen eine willkührliche, jedoch von den Uniformen Unseres Militärs verschiedene Kleidung zu geben. § 12. An ihren Wohnorten können die Standesherrn die Herausgabe von Wochenund Intelligenz-Blättern veranstalten, welche sich jedoch auf diejenigen Gegenstände beschränken müssen, die den Inhalt des, in Unserer Residenz erscheinenden Wochenblatts ausmachen. § 13. In Beziehung auf den Gerichtsstand der Standesherrn verordnen Wir Folgendes: a.) in peinlichen Fällen genießen die Standesherrn, wenn sie nicht in Unserem Militär- oder Civil-Dienst wirklich stehen, das Recht, durch ein Gericht von Ebenbürtigen, oder durch Richter ihres Standes, gerichtet zu werden. Die Untersuchung wird durch die, von Unserm Ober-Appellations-Gericht aus seiner Mitte zu ernennenden Commissarien geführt, welche alle Zuständigkeiten eines Un-

tersuchungs-Gerichtes ausüben, und auch über die Statthaftigkeit einer provisorischen Verhaftung, welche Unterbehörden, mittelst Bewachung des Angeschuldigten, an einem anständigen Orte vorzunehmen, sich allenfalls gesetzlich veranlaßt gefunden haben könnten, in kürzester Zeitfrist erkennen. Das Standes-Gericht wird von Uns, nachdem die Untersuchungs-Commission nach geschlossener General-Untersuchung, oder, wenn bereits auf Special-Untersuchung erkannt worden wäre, nach vollständiger Beendigung derselben und des VertheidigungsVerfahrens, die Acten an Uns eingesendet hat, in Unserer Residenz angeordnet, und aus dem Präsidenten Unseres Ober-Appellations-Gerichtes oder dessen Stellvertreter, und sechs Richtern gleichen Standes mit den Angeschuldigten zusammengesetzt. In Ermangelung einer erforderlichen Anzahl fähiger Ebenbürtiger, wird das Gericht aus Mitgliedern der ersten Kammer Unserer Landstände ergänzt. Den Vorsitz und die Leitung hat der genannte Präsident Unseres Ober-Appellations-Gerichts. Zwei Ober-Appellations-Gerichtsräthe werden von dem Präsidenten zu Re- und Correferenten ernannt, welche jedoch nur eine berathende Stimme haben. Der erste Secretär des Ober-AppellationsGerichts führt das Protocoll. Das von den Gerichts-Beisitzern gefällte Erkenntniß, wird Uns mit dem Gutachten über die etwa vorhandenen BegnadigungsGründe, und den desfallsigen Anträgen der beiden Referenten zur Entschließung vorgelegt. Erfolgt keine Begnadigung, so wird das Urtheil auf gesetzliche Weise durch Unser Ober-Appellations-Gericht zum Vollzug gebracht. Dieses Gericht von Standesgenossen kommt nicht nur den Häuptern der standesherrlichen Familien, sondern auch den ebenbürtigen Mitgliedern dieser Familien beiderlei Geschlechts zu statten. Alle diejenigen Mitglieder standesherrlicher Familien

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H ESSEN -DARMSTADT aber, welche sich in Unserem Militär- oder Civil-Dienst befinden, werden in peinlichen Fällen, nach den allgemeinen gesetzlichen Formen gerichtet. In Civil-Straf-Sachen ist Unser Ober-Appellations-Gericht die untersuchende und erkennende Behörde; es bildet für die Entscheidung derselben in erster Instanz einen Senat, und über das Rechtsmittel der Revision wird durch das ganze Gericht entschieden. b.) in Civil-Rechts-Streitigkeiten ist Unser Ober-Appellations-Gericht das forum der Standesherrn in Personal-Sachen. Bei diesen, von Unserem Ober-Appellations-Gericht in erster Instanz zu entscheidenden Rechts-Sachen, tritt unter den, in Unserer Verordnung vom 3ten Juni 1812 enthaltenen näheren Bestimmungen das Rechtsmittel der Revision ein. In allen Real-Sachen stehen aber die Standesherrn in erster Instanz unter den einschlägigen Gerichten. Gegen ihre Verwaltungs-Behörden, als solche, kann keine Klage statt finden, sondern diese nur gegen den Standesherrn angebracht werden. In Real-Klag-Sachen sollen jedoch wie bisher, die standesherrlichen VerwaltungsBehörden, zur Ausstellung gerichtlicher Vollmachten durch Special-Aufträge der Standesherrn ermächtigt werden können. Denjenigen Unserer Standesherrn, deren Besitzungen unter der Hoheit mehrerer Souverains gelegen sind, die aber ihr Domicil nicht in Unserem Lande haben, wollen Wir die Indigenats-Rechte belassen, wogegen dieselben, so viel die persönlichen Klagen Unserer eingesessenen Unterthanen und Unseres Fiscus betrifft, für in Unseren Staaten wohnhaft angesehen, und vor der ihnen angewiesenen Gerichtsstelle belangt werden können. Diejenigen Unserer Standesherrn, welche nach dem Rechtsbegriff des Domicils ein mehrfaches Domicil haben, können von

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Fremden sowohl als von Unseren Unterthanen, entweder vor Unseren, oder den Gerichten des anderen Wohnorts belangt werden, und Unsere Justizstelle hat, im Fall dieser Grundsatz in den andern Staaten ebenfalls angenommen worden ist, auf beigebrachte Bescheinigung der Prävention, die Klage ab- und an das prävenirte Gericht zu verweisen. Auch wollen Wir geschehen lassen, daß in geeigneten Fällen die Anordnung eines universellen Gerichtsstandes in demjenigen Lande statt finde, in welchem der größte Theil des Vermögens sich befindet. Wir setzen jedoch voraus, daß dieser Grundsatz in den Staaten, welche hierbei concurriren, ebenfalls zur Richtschnur angenommen werde, widrigenfalls in Ansehung des, in Unserem Lande vorhandenen Vermögens das Erforderliche rechtlicher Ordnung gemäß besonders zu verfügen ist. c.) in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit stehen die Standesherrn und ihre Familien bis zur Ausführung der, durch Unser Staats-Ministerium am 1ten December 1817 bekannt gemachten Grundsätze über die künftige Justizverfassung, gleichfalls unter Unserem Ober-Appellations-Gericht. § 14. In Hinsicht der Vormundsbestellung und der Pflichten der Vormünder, bestimmen Wir nachfolgendes: a.) es bleibt den Standesherrn unbenommen, durch Testamente oder Familien-Verträge Vormundschaften über die minderjährigen Glieder ihrer Familie anzuordnen, und festzusetzen, wie es mit der Verwaltung ihres Vermögens während der Minderjährigkeit ihrer Kinder gehalten werden und wer die Vormundschaften führen soll. b.) Hiernach gelten denn auch alle desfalls bestehenden älteren Testamente und Haus-Verträge, für die, etwa in der Folge vorkommenden Fälle. c.) In einem jeden Falle dieser Art hat jedoch derjenige, welcher zur Vormundschaft

E DIKT VON 1820 berufen ist, sobald der Zeitpunkt der Uebernahme seiner Function eintritt, sich bei Unserem Ober-Appellations-Gericht zu melden, die Titel seiner vormundschaftlichen Qualität in beglaubter Form zu überreichen, und um Bestätigung derselben, sowie um die Zulassung zum Vormunds-Eid, zu bitten. d.) Sind weder durch ein Testament noch durch Familien-Verträge Vormünder angeordnet, so tritt, wenn von der Bevormundung eines künftigen Familien-Hauptes die Rede ist, die Mutter, oder der nächste volljährige Agnat in das Recht der Vormundschaft. Sind aber in dem vorausgesetzten Falle Nachgeborne zu bevormunden, so bleibt die Wahl des Vormundes dem großjährigen Familien-Haupte überlassen. In beiden Fällen hat der Vormund ebenfalls alsbald um seine Bestätigung und Verpflichtung nachzusuchen, und seine Legitimation beizubringen. e.) Unser Ober-Appellations-Gericht untersucht auf eine solche Anzeige, ob der gebetenen Bestätigung kein erhebliches Hinderniß entgegen stehe; und wenn sich kein Grund zeigt, die Bestätigung zu verweigern, so wird der Vormund nach einer, zu diesem Ende von gedachtem Gerichte zu entwerfenden Formel, welche alle Geld-Aufnahmen, Veräußerungen und Verpfändungen von Immobilien ohne obervormundschaftlichen Consens untersagt, eidlich verpflichtet. Der Vormunds-Eid kann übrigens jedesmal durch einen besonders dazu Bevollmächtigten Stellvertreter abgelegt werden. f.) Wenn die Mutter des Minderjährigen die Vormundschaft vermöge eines Testaments oder Hausgesetzes zu führen hat, so muß sie, vor der Zulassung zum Vormunds-Eid, noch auf eine anderweite Vermählung und auf die, ihr zu statten kommenden Rechtswohlthaten des weiblichen Geschlechts, nachdem sie hierüber gehörig belehrt seyn wird, ausdrücklich Verzicht

leisten. Schreitet sie dennoch zur zweiten Ehe, so hat sie hievon alsbald Anzeige zu machen, und es kann ihr alsdann zwar wohl die Beibehaltung der Vormundschaft verwilligt werden, wenn davon kein Nachtheil für die Minderjährigen zu fürchten ist; jedoch ist ihr auf diesen Fall ein Mitvormund aus den nächsten Agnaten oder Standesgenossen von Unserem Oberappellations-Gericht beizuordnen, welchem sie dann, vor ihrer weiteren Vermählung, über ihre bisherige Verwaltung Rechnung abzulegen hat. g.) Nach geleistetem Vormunds-Eide ertheilt Unser Oberappellations-Gericht die nachgesuchte Bestätigung in solenner Form und unter dem größeren Gerichts-Siegel. h) Der, auf solche Art ernannte, Vormund übt alsdann alle vormundschaftlichen Rechte sowohl in Ansehung der Personen als des Vermögens seiner Pflegbefohlenen aus. Bei allen, auf das ihm anvertraute Vermögen sich beziehenden Verfügungen, handelt er im eigenen Namen, unter ausdrücklicher Bemerkung seiner vormundschaftlichen Eigenschaft. Er nimmt sämmtliche, zur Verwaltung des gedachten Vermögens angestellte Räthe und Beamten in seine Pflichten, läßt sich von diesen jährlich Rechnung ablegen, ist aber selbst, nur nach geendigter Vormundschaft, und zwar seinem ehemaligen Pflegbefohlenen, auf dessen Verlangen, zur Rechnungs-Ablegung verbunden; es sey denn, daß er wegen übler Verwaltung angeklagt würde. Findet eine solche Klage statt, oder würde Unser Oberappellations-Gericht auf andere Weise im amtlichen Wege von Mängeln in der vormundschaftlichen Verwaltung in Kenntniß gesetzt, so hat dasselbe vorerst sämmtliche, ihm zugekommene Anzeigen der Vormundschaft zu ihrer Rechtfertigung vollständig mitzutheilen, und – jedoch mit Vorbehalt der, für das Interesse des Minderjährigen etwa erforderlichen conservatorischen Maasregeln – nur dann, wenn es diese Rechtfertigung unzureichend fin-

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H ESSEN -DARMSTADT den sollte, mittelst förmlichen Beschlusses eine obervormundschaftliche Untersuchung anzuordnen, bei welcher die Vorlage der gewöhnlichen Verwaltungs-Rechnungen, und, nach Umständen, förmliche Rechnungs-Ablage über die bisherige vormundschaftliche Verwaltung verlangt werden kann. Anonyme Anzeigen und Beschwerden über Mängel in der vormundschaftlichen Verwaltung hat Unser Oberappellations-Gericht niemals zu berücksichtigen. i) Findet sich ein gegründeter Anstand bei der Bestätigung des testamentarischen oder vertragsmäßigen Vormunds, weil dieser in irgend einer Hinsicht offenbar unfähig ist, die Vormundschaft zu führen, oder wenigstens sie allein zu bestreiten, so hat Unser Oberappellations-Gericht entweder einen andern Vormund aus der Klasse der Standesgenossen zu ernennen, oder, nach Befinden, dem ernannten einen Mitvormund aus derselben Klasse beizuordnen. k) Eben dieses ist der Fall bei der tutela legitima, wenn dem, zur Vormundschaft berechtigten Agnaten erhebliche Ausstellungen entgegenstehen. l) In dergleichen Fällen hat übrigens Unser Oberappellations-Gericht, bei der Anstellung eines neuen oder Mitvormundes, vorzüglich auf die nächsten dazu qualificirten Verwandten der Minderjährigen Rücksicht zu nehmen, und diese nur aus erheblichen Gründen zu übergehen. m) Ist endlich kein tutor pactitius, testamentarius, oder legitimus vorhanden, so haben die, zur Verwaltung des standesherrlichen Vermögens angestellten Behörden, von dem Falle, welcher die Anordnung einer Vormundschaft nöthig macht, Unserem Oberappellations-Gericht unverweilt Anzeige zu thun, und dieses hat alsdann, nach den eintretenden Umständen, aus der Zahl der inländischen Standesgenossen den Vormund zu ernennen und zu verpflichten, auch alle deshalb weiter erforderliche Vorsehung

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zu treffen, damit die Obsorge über die Minderjährigen, deren Erziehung und die Verwaltung ihres Vermögens, nicht versäumt werde. n) Alle diese Grundsätze und Vorschriften sind auch auf diejenigen standesherrlichen Minderjährigen anwendbar, deren ehemals reichständische Besitzungen nur zum Theil unter Unserer Souverainität gelegen sind, wenn auch solche Minderjährige unter fremder Souverainität ihren Wohnsitz haben, indem über ihr, in Unseren Landen befindliches Vermögen, kein auswärtiger Souverain die obervormundschaftlichen Rechte ausüben kann. Wir sind indessen bereit, Uns in dieser Beziehung mit den betreffenden Regierungen über ein allgemeines, auf den Grundsätzen vollkommener Reciprocität beruhendes Princip zu vereinigen, um die Unbequemlichkeiten getheilter Vormundschaften zu vermeiden. § 15. In Verlassenschafts-Sachen gestatten Wir dem Haupt der standesherrlichen Familie, die desfallsigen Verhandlungen und Auseinandersetzungen – insolange als hierüber kein Rechtsstreit entsteht – auf eine legale Weise vornehmen zu lassen. § 16. Die im Besitz einer Standesherrschaft sich befindenden Häupter der standesherrlichen Familien Unsers Großherzogthums, sind nach den Prinzen Unseres Großherzoglichen Hauses, die vordersten gebornen Stimmführer auf dem Landtage. Ihr Sitz- und Stimm-Recht ruht auf ihren Besitzungen, und die Art und Weise der Ausübung desselben soll durch Unsere Verfassungs-Urkunde näher bestimmt werden. § 17. Wir bestätigen hiermit die, den Standesherrn des Großherzogthums in Unserer Verordnung vom 5ten Juni 1815 bewilligte Befreiung ihrer Wohnungen von den Einquartierungen.

E DIKT VON 1820 § 18. Die Standesherrn haben für ihre Person alle Unsere Polizei-Gesetze zu beobachten, sie stehen jedoch in Polizei-Sachen für sich und ihre Familien, in ihrem standesherrlichen Bezirk unmittelbar unter Uns, außerhalb desselben, unter Unseren Regierungen, oder da, wo besondere Polizei-Behörden angeordnet sind, unter diesen. Sobald jedoch ein Gegenstand nach den bestehenden gesetzlichen Normen zur Cognition des Richters geeignet ist, soll derselbe von Unserem Ober-Appellations-Gericht, als dem, den Standesherrn als Beklagten angewiesenen persönlichen Gerichtsstand, rechtlicher Ordnung nach behandelt, und darüber entschieden werden.

B. AUSWÄRTIGE VERHÄLTNISSE § 19. Die repräsentative Gewalt gegen andere Staaten steht allein Uns, als dem Souverain, zu. Den Standesherrn ist daher nicht gestattet, an auswärtige Regierungen Agenten mit diplomatischem Character abzusenden, oder solche von Auswärtigen, bei sich anzunehmen, um mit ihnen wegen Staatsangelegenheiten zu unterhandeln. Ihre Privatangelegenheiten sowohl bei Uns und Unseren Staatsbehörden, als wie bei auswärtigen Regierungen, können jedoch die Standesherrn durch selbstgewählte Bevollmächtigte nach Gutfinden besorgen lassen. Diese Bevollmächtigte können jedoch nie einen öffentlichen Character annehmen, und überhaupt können die Standesherrn ihre etwaigen Beschwerden und Recurse über ihr inländisches staatsrechtliches Verhältniß, ohne Verletzung ihrer Pflichten gegen den Staat, blos im bundesverfassungsmäßigen Wege anbringen.

C. RECHT DER GESETZGEBUNG UND ALLGEMEINEN OBERAUFSICHT § 20. Das Recht der Gesetzgebung steht Uns, als Souverain, zu. Ebenso gebührt Uns allein das Recht der Oberaufsicht über die Vollziehung aller gesetzlichen Anordnungen, für welche alle, innerhalb der Standesherrschaften angestellten Beamten Uns verantwortlich sind. Die Publication Unserer landesherrlichen Gesetze geschieht in den Standesherrschaften auf die in Unseren übrigen Landen übliche Weise, oder wie Wir solches weiter zu verordnen für gut finden werden. § 21. Den Standesherrn bleibt überlassen, Anordnungen und Verfügungen über Gegenstände zu erlassen, welche die Verwaltung ihres Eigenthums betreffen. Diese Anordnungen und Verfügungen dürfen jedoch Unseren allgemeinen Landesgesetzen nicht entgegen seyn, und sich nicht auf Gegenstände der Justiz-Verwaltung, hinsichtlich der Polizei-Verwaltung aber nur auf dasjenige erstrecken, was in dieser Beziehung in §. 38. und 39. dieses Edicts verordnet ist. § 22. Die Gesetzgebung sowohl, als die Formen der öffentlichen Verwaltung und der öffentlichen Anstalten innerhalb der Standesherrschaften, sollen mit denen in den übrigen Theilen des Staatsgebietes in Uebereinstimmung gebracht werden. Dieß soll jedoch immer mit Rücksicht auf die bundesverfassungsmäßigen wesentlichen Rechte der Standesherrn geschehen, und Wir werden solche durch neue Verwaltungs-Einrichtungen weder verletzen, noch zu ihrem Nachtheil erschweren lassen. § 23. Wir sichern den Standesherrn Unseres Großherzogthums Unsern Schutz und

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H ESSEN -DARMSTADT Unsere Garantie für die ungekränkte Ausübung und den ungestörten Besitz aller derjenigen Rechte und desjenigen Eigenthums zu, welche ihnen nach der deutschen Bundes-Acte und Unseren, in Folge derselben erlassenen gesetzlichen Bestimmungen des gegenwärtigen Edicts zustehen. Wenn wegen unvermeidlicher Collision zwischen Gemein- und Privat-Wohl, oder wegen dringender Noth, oder aus staatswirthschaftlichen Gründen und zur Beförderung des allgemeinen Besten, die Abänderung oder Verwandlung gewisser Gattungen von Privat-Eigenthum oder Privat-Berechtigungen für nothwendig erachtet, und in landesverfassungsmäßiger Weise gesetzlich angeordnet wird, so sollen diese Abänderungen oder Verwandlungen niemals eher zur Ausführung gebracht werden, als bis man mit den Einzelnen, welche dadurch betroffen werden, über die, ihnen in jedem solchen Falle zukommende vollständige Entschädigung entweder gütlich übereingekommen ist, oder, insofern diese Uebereinkunft nicht erzielt werden kann, der competente Richter über den Betrag derselben entschieden hat. Grundgesetzliche, den Standesherrn als solchen ausschließlich zustehende Berechtigungen, sollen jedoch ohne ihre Einwilligung niemals, selbst nicht gegen Entschädigung, aufgehoben werden können.

D. GERICHTSBARKEIT DER STANDESHERRN § 24. Die Obergerichtsbarkeit in ihrem ganzen Umfange, und die Aufsicht und Leitung der niedern Gerichtsbarkeit in den Standesherrschaften, steht Uns, als dem Souverain, zu, den Standesherrn verbleibt die Ausübung der Gerichtsbarkeit in erster Instanz durch Local-Beamte, und die Ausübung der Gerichtsbarkeit in zweiter Instanz durch Justiz-Canzleien unter nachfol-

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genden näheren Bestimmungen, und vorbehaltlich der Uns zustehenden Befugniß, in außerordentlichen Fällen, und wo die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung solches erheischt, besondere Commissionen anzuordnen, oder besondere Gerichte für einzelne Gegenstände zuständig zu erklären. § 25. Die Verwaltung der den Standesherrn zustehenden Civil-Gerichtsbarkeit in erster und unterster Instanz, sowohl der willkührlichen als der streitigen, geschieht, soviel die amtssäßigen Sachen betrifft durch Justiz-Beamte, welche mit den Justiz-Beamten in Unseren Domainen-Aemtern vollkommen gleiche Zuständigkeit haben, allein auch wie diese, nur Uns und Unsern Staatsbehörden verantwortlich sind. Die Vereinigung der willkührlichen und streitigen Gerichtsbarkeit in der Person desselben Beamten hört auf, wenn die von Uns beschlossene anderweite Justiz-Verfassung zur Ausführung gebracht wird. Den Standesherrn selbst steht in die Amtsführung dieser Justiz-Beamten so wie der Justiz-Canzleien keine Einwirkung zu. Indessen können sie sich von denselben über die Anzahl und Dauer der anhängig gewordenen und erledigten Prozesse, über den Zustand des Hypotheken- und Vormundschaftswesens so wie über den Stand der gerichtlichen Depositen, allgemeine Uebersichten vorlegen lassen. § 26. Die standesherrlichen Justizbeamten üben in erster Instanz innerhalb ihres Amtsbezirks und unter der Benennung „Großherzoglich Hessisches Fürstlich, Gräflich- z. B. Solmsisches Amt“ auch die Forstgerichtsbarkeit aus. Die in §. 92. Unserer organischen Forst-Ordnung von der Entscheidung der Justizämter eximirten und Unserem Oberforstcolleg zur Entscheidung in erster Instanz zugewiesenen Fälle, sollen künftig ebenfalls von den standesherrlichen Justiz-Aemtern, vorbehältlich des Recurses

E DIKT VON 1820 an Unser Oberforstcolleg, entschieden werden. In dem Fall aber, welcher nach dem angeführten §. 92. Unserer organischen ForstOrdnung zur Entscheidung Unserer Hofgerichte vorbehalten ist, und in dem Fall des Nr. 4. dieses §. sollen künftig innerhalb der Standesherrschaften die standesherrlichen Justiz-Canzleien in erster Instanz, mit Vorbehalt der Rechtsmittel an die höhere richterliche Behörde, zu entscheiden haben. Bei den gewöhnlichen periodischen Forst-Buß-Sätzen, sowie überhaupt bei den Verhandlungen über Untersuchung und Bestrafung der Forstfrevel, richtet sich das Verfahren des Justiz-Beamten nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften. Standesherrliche Forstbeamte können, wie bisher die Unsrigen, diesen Gerichts-Sitzungen nur in der Eigenschaft als Denuncianten oder als Sachverständige, um etwa in technischer Hinsicht ihr Gutachten abzugeben, keineswegs aber als Mitrichter beiwohnen. Der Justiz-Beamte entscheidet unabhängig und unter eigener Verantwortlichkeit. Hinsichtlich der Berufung von Erkenntnissen der standesherrlichen Forstgerichte an Unser Ober-Forst-Colleg, als oberste Behörde in Forst-Straf-Sachen, soll es wie in Unseren Domainen-Aemtern gehalten werden. § 27. Die Ausübung der Gerichtsbarkeit über amtssäßige in zweiter Instanz, und in erster Instanz über schriftsäßige Personen, sowie der Criminal-Gerichtsbarkeit, steht in den Standesherrschaften den standesherrlichen Justiz-Canzleyen in demselben Umfange zu, wie solche Unseren Hofgerichten in Unsern übrigen Landestheilen übertragen ist. Die Justiz-Canzleyen müssen förmlich constituirte, aus gesetzmäßig für fähig erkannten, an dem Sitz der Justiz-Canzleyen ihre beständige Wohnung habenden Mitgliedern, und den nöthigen Subalternen zu-

sammengesetzte Collegien bilden, und sich in ihren Ausfertigungen der Benennung „Großherzoglich Hessische, Fürstlich (Gräflich) z. B. Solmsische Justiz-Canzley“ bedienen. Wir bestätigen die, unter Unserer Genehmigung bereits erfolgten Vereinigungen verschiedener standesherrlicher Häuser zu Errichtung gemeinschaftlicher Justiz-Canzleyen, deren Wirkungskreiß jedoch, ohne Unsere besondere Zustimmung weder eingeschränkt noch erweitert werden darf, und bestimmen hiermit, daß jede Justiz-Canzley wenigstens aus einem Director und entweder drei Räthen, oder zwei Räthen und einem Assessor bestehen soll, wobey Wir Uns vorbehalten, bei denjenigen Justiz-Canzleyen, wo nach dem Ermessen Unseres Oberapppellations-Gerichtes die Geschäfte mit dieser geringsten Anzahl von Richtern nicht ordnungsmäßig erledigt werden können, die Anstellung eines größeren Personals besonders anzuordnen. § 28. Eine solche standesherrliche Justizcanzlei soll von Unseren Staatsbehörden in dem Geschäftsgang nach allen Beziehungen ebenso behandelt werden, wie Unsere Hofgerichte, und mit denselben gleiche Zuständigkeit und gleichen Geschäftskreis haben. Von dieser Regel finden nur folgende Ausnahmen statt: a) in den gesetzlich bestimmten Fällen, wo gegen ein Urtheil der Justizcanzlei das Rechtsmittel der Revision eingewendet wird, haben die Justiz-Canzleien zwar auch in der Revisions-Instanz das Verfahren zu leiten; wenn sie aber nicht so viele Mitglieder zählen, um die Revision durch drei, bei dem vorigen Urtheil nicht mitgewirkt habende Räthe besorgen lassen zu können, so haben sie die geschlossenen Verhandlungen, nach Art und Weise einer ActenVersendung, an das Hofgericht der Provinz mittelst Communication abzugeben, wel-

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H ESSEN -DARMSTADT ches alsdann, wenn es nicht vorher sich veranlaßt findet, das Verfahren bei sich zu vervollständigen, das Erkenntniß zu fällen, und solches nebst den Acten, ebenfalls im Wege der Communikation, der Justiz-Canzley zur Eröffnung und Vollstreckung zuzusenden hat. Beschwerden über Verzögerung des Revisions-Verfahrens bei den Justiz-Canzleyen, oder über Verweigerung der Revision, sollen nur bei Unserem Oberappellations-Gericht angebracht werden können, und die Justiz-Canzleyen in Revisions-Sachen den Hofgerichten nicht untergeordnet seyn. b) Die Mitglieder der Justiz-Canzleyen selbst, stehen vor der Hand in den, sie persönlich betreffenden streitigen Rechts-Sachen, in erster Instanz unter dem Hofgericht der Provinz. c) In Hinsicht der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Pupillenwesens, bleibt es, bis zu der bevorstehenden neuen Gesetzgebung, bei den bisherigen Einrichtungen. § 29. Die Criminal-Gerichtsbarkeit ist von den standesherrlichen Justiz-Canzleyen und Justiz-Aemtern nach Unseren jetzigen und künftigen Gesetzen und Verordnungen auf eben die Weise und in eben dem Umfange zu verwalten, wie solche von Unseren Hofgerichten und Justiz-Aemtern in den übrigen Theilen des Staatsgebiets verwaltet werden wird. Das Begnadigungs- und Strafverwandlungs-Recht in peinlichen Fällen steht Uns allein zu. Die Standesherrn haben alle in Criminal-Fällen angesetzte Geldstrafen zu beziehen. Hinsichtlich der Criminal-Kosten bleibt es, bis zu etwaiger allgemeiner anderweiten Anordnung hierüber, bei den bisherigen Einrichtungen. § 30. In allen den Fällen, in welchen Unsere Justiz-Beamten in den Domainen-

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Aemtern die competenten Richter in fiscalischen Sachen sind, wollen Wir auch in den Standesherrschaften die standesherrlichen Justiz-Aemter als zuständig erkennen. Ebenso ist den standesherrlichen Justiz-Canzleyen die Entscheidung der fiscalischen Sachen in den Standesherrschaften in gleicher Art, wie Unseren Hofgerichten in Unseren übrigen Landestheilen überlassen. § 31. Die Ernennung der Justiz-CanzleyDirectoren, Räthe und Assessoren, sowie der Justiz-Beamten, verbleibt den Standesherrn unter Vorbehalt Unserer Bestätigung. Zu diesen Stellen können in der Regel nur Inländer angestellt werden, welche nach den bestehenden Landesgesetzen von den betreffenden Behörden geprüft und zu dergleichen Stellen für fähig erkannt worden sind. Denjenigen Standesherrn, deren Besitzungen mehreren Souverains untergeordnet sind, soll jedoch unbenommen seyn, solche ihrer Diener, welche ihnen in den auswärtigen Bestandtheilen ihrer Standesherrschaften wenigstens schon fünf Jahre lang gedient, und ihre Qualification Uns hinreichend nachgewiesen haben, in Unser Staatsgebiet zu versetzen. § 32. Die Subalternen bei den standesherrlichen Justiz-Canzleyen und JustizAemtern, sowie solche Justiz-Canzley-Advokaten oder Procuratoren, deren Praxis auf den Umfang des standesherrlichen Gerichtssprengels beschränkt ist, werden von den Standesherrn ernannt, ohne daß eine Bestätigung derselben erforderlich wäre. Allein auch in Ansehung dieser Diener sind glaubhafte Bescheinigungen ihrer Qualification jedesmal gleichzeitig mit ihrer Einweisung zu den Acten zu bringen, und an Unser geheimes Staats-Ministerium nebst einer Abschrift der Anstellungsdecrete einzusenden, oder nach Befinden um Anordnung der gesetzlichen Prüfung nachzusuchen.

E DIKT VON 1820 Hinsichtlich der Justiz-Canzlei-Räthe, Assessoren, Justiz-Beamten und Advokaten sind Unsere Hofgerichte, hinsichtlich der Subalternen aber die Justiz-Canzleyen selbst diejenigen Behörden, welche in Gemeinschaft mit Unsern Regierungen, die, nach Unseren Gesetzen, dem Facultäts-Examen folgenden Prüfungen vorzunehmen haben. § 33. Die Justiz-Canzley-Räthe, Assessoren und Justiz-Beamten in den Standesherrschaften, sind, sowie auch alle Subalternen, durch den Director der Justiz-Canzley, Uns, als dem Souverain, zu verpflichten, und die, über solche Handlungen aufgenommene Protokolle sind an Unser Staats-Ministerium einzusenden. Die Verpflichtung des Directors der Justiz-Canzley geschieht durch Unser Staats-Ministerium. Den Standesherrn bleibt verstattet, sich von sämmtlichem, hier bemerkten Dienstpersonale, ebenfalls den Diensteid leisten zu lassen. § 34. Die Entlassung der standesherrlichen Justiz-Beamten jeden Grades, kann, wenn nicht um dieselbe besonders nachgesucht wird, nur in denselben Formen, wie bei Unseren übrigen Staats-Beamten geschehen, und muß jedesmal Uns sofort angezeigt werden. § 35. In Ansehung der Appellationen und der Gerichtsbarkeit Unseres Oberappellations-Gerichts in höchster Instanz bleibt es bei den bisherigen Bestimmungen. § 36. Die Inspection und Direction des ganzen Justizwesens gehört in eben dem Maase, wie in Unseren übrigen Landen, in den Geschäftskreis Unseres Staats-Ministeriums. Wenn diese Behörde Visitationen der standesherrlichen Justiz-Canzleyen nothwendig findet; so soll Unser Oberappellations-Gericht solche durch eine Commission aus seiner Mitte vornehmen zu lassen

beauftragt werden. Die ernannte Commission hat alsdann die Visitations-Acten, wenn solche geschlossen sind, den Standesherrn mitzutheilen, und sie zur Abgabe ihrer etwa nöthig findenden Erklärung aufzufordern, worauf solche sofort an Uns zu Entschließung eingesendet werden sollen. Die Visitationen der standesherrlichen Justiz-Aemter sollen der Regel nach durch die Justiz-Canzleyen vorgenommen werden. Wir behalten Uns jedoch vor, solche Visitationen nach Befinden auch außerordentlicher Weise durch Commissionen aus anderen Staatsdienern anzuordnen, in welchem Falle aber dem betreffenden Standesherrn nicht nur die Beweggründe zu einer solchen außerordentlichen Visitation mitgetheilt, sondern auch die VisitationsActen, wenn solche geschlossen sind, zur Einsicht und allenfallsigen Erklärung vorgelegt werden sollen.

E. STANDESHERRLICHE POLIZEY-VERWALTUNG § 37. Die Polizey-Gewalt im Allgemeinen und die Ausübung der obern Polizey und der polizeylichen Oberaufsicht insbesondere, steht auch in den Standesherrschaften, Uns, als dem Souverain, zu. Den Standesherrn verbleibt nach Art. XIV. Nro. 4. der deutschen Bundes-Acte die Ausübung der Local-Polizey durch ihre Beamten. Wir wollen den standesherrlichen Polizey-Beamten nicht nur denselben Wirkungskreis einräumen, welchen Unsere Polizey-Beamten in Unseren Domainen-Aemtern zu respiciren haben, sondern auch die Stellen Unserer Hoheits-Regierungs-Beamten, einschließlich der Hoheits-Schultheisen, aufheben, und bestimmen, damit diese Maasregel ausführbar werde, folgendes: § 38. Die standesherrlichen PolizeyBeamten sind an alle Unseren landesgesetzlichen Vorschriften gebunden, und für

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H ESSEN -DARMSTADT deren Befolgung Uns und Unseren Staatsbehörden verantwortlich. Die Standesherrn können sie schriftlich an die Erfüllung ihrer Amtspflichten und an die Befolgung vorhandener landesgesetzlicher Vorschriften erinnern, auch von denselben allgemeine Uebersichten über die Resultate ihrer Amtsführung einfordern, nicht aber in diese ihre Amtsführung selbst einwirken, und denselben in andern, als den nachbemerkten Fällen, Befehle oder Instructionen ertheilen. Nachfolgende Geschäftsgegenstände werden nemlich zur eigenen Entschließung der Standesherrn vorbehalten, und es haben die Polizey-Beamten hierüber an die Standesherrn zu berichten: 1.) Gesuche um Aufnahme in eine standesherrliche Gemeinde nach den im §. 45. enthaltenen Bestimmungen. 2.) Gesuche um Aufnahme in eine Zunft. 3.) Gesuche um Gestattung einer LokalGewerbs-Concession. 4.) Gesuche um Straferlaß oder Strafverwandlung, insofern den Standesherrn hiezu die Befugniß zusteht. 5.) Wiederbesetzung solcher Dienststellen, zu welchen der Standesherr zu ernennen und zu präsentiren hat; endlich 6.) überhaupt alle die Fälle, wo von Ausübung der, durch gegenwärtiges Edikt den Standesherrn selbst vorbehaltenen Rechte die Rede ist. Gegen deßfallsige Entschließungen der Standesherrn – welche dieselben dem Polizey-Beamten durch ihre Domainen-Canzleyen oder durch Special-Commissarien zufertigen lassen können – findet der Recurs an Unsere Staatsbehörden statt. Unsere Regierungen und Hofkammern sollen jedoch diese Beschlüsse der Standesherrn nur alsdann abändern können, wenn solche einer vorhandenen, bestimmten gesetzlichen Vorschrift zuwider sind. Ist dieses der Fall nicht, und wären diese, Unsere Mittel-Behörden, dennoch der Meinung, daß

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der standesherrliche Beschluß abgeändert werden müsse, so haben sie ihre Ansicht Unserem Staats-Ministerium vorzutragen, welches nach vorheriger nochmaliger Vernehmung des Standesherrn, alsdann über den Fall entscheiden wird. In allen obenbemerkten Gegenständen, rücksichtlich welcher den Standesherrn eine Einwirkung und unmittelbarer Einfluß auf die Polizey-Verwaltung vorstehendermaßen eingeräumt ist, haben dieselben das Recht, ihre Polizey-Beamten zu Befolgung ihrer Befehle auch nöthigenfalls durch Geldstrafen anzuhalten. Solche Strafen dürfen jedoch den Betrag von 5 – 10 fl. nicht übersteigen, und es bleibt den betreffenden Beamten der Recurs dagegen an Unsere Staatsbehörden vorbehalten. § 39. Die, im vorstehenden §. bemerkten 6. Fälle ausgenommen, hat die Einwirkung Unserer Regierung und anderer höheren Staatsbehörden auf die Amtsführung der standesherrlichen Polizey-Beamten in allen den Beziehungen statt, in welchen diese Einwirkung auf Unsere Polizey-Beamten in den Domainen-Aemtern statt findet. Sollten jedoch die Standesherrn sich veranlaßt finden, in Rücksicht auf örtliche Polizey-Anstalten oder zu treffende Einrichtungen, Unserem Staats-Ministerium Anträge oder Beschwerden vorzulegen, so soll diese Behörde entweder diesen Anträgen entsprechen, und die Standesherrn davon benachrichtigen, oder, wenn dieses nicht sollte geschehen können, ihnen die Gründe der Weigerung schriftlich mittheilen. § 40. Noch zur Zeit und bis zur Ausführung der, in Folge der Bekanntmachung vom 1ten Dezember 1817 bevorstehenden neuen Einrichtung der künftigen Justiz-Verfassung, kann die Polizey in den Standesherrschaften von den Standesherrlichen Justiz-Beamten verwaltet werden. Da, wo besondere Polizey-Beamten angestellt sind, finden, in Hinsicht ihrer Er-

E DIKT VON 1820 nennung, Verpflichtung und Entlassung die nemlichen Bestimmungen Anwendung, welche oben, in Beziehung auf Justiz-Beamte gegeben sind. Alle unteren Polizey-Bedienten bei den Aemtern, haben die Standesherrn zu ernennen, und die Ernennungen Unseren Regierungen blos durch die Beamten anzeigen zu lassen. § 41. Da die bereits vorläufig von Uns angeordnete Trennung der Justiz von der Polizei-Verwaltung, die Bildung und Einrichtung größerer Amtsbezirke nothwendig macht, und dabei die örtlichen Verhältnisse besondere Berücksichtigung erheischen: So werden Wir zwar, – wenn gleich eine solche Eintheilung des ganzen Staatsgebiets zur Erleichterung und Vereinfachung der Staatsverwaltung, lediglich Unserem Gutfinden unterliegt und unterliegen bleiben muß, hierüber mit Unsern Standesherrn noch vor der Ausführung dieser Maaßregel nähere Rücksprache nehmen lassen; bestimmen jedoch, um Unsere Absicht, durch solche Landes-Einrichtungen Unsern Standesherrn die Mittel zu Ausübung der ihnen verbleibenden Rechte und Befugnisse, soweit nur immer die höhere Rücksicht auf das Ganze solches zuläßt, eher zu erleichtern als zu erschweren, voraus Folgendes: 1.) Wo ein Landraths- oder Landgerichtsbezirk ganz aus standesherrlichen Besitzungen gebildet wird, da verbleibt auch, mit Vorbehalt Unserer Bestätigung die Ernennung des Landraths, des Landrichters und der Landschreiber dem oder den Standesherrn, aus deren Besitzungen ein solcher Landrathsbezirk gebildet ist, und haben diese Landräthe und Landrichter mit allen übrigen Landräthen und Landrichtern gleichen Geschäftskreis, wie solches in den Bestimmungen dieses Edicts hinsichtlich der Justiz- und Polizeibeamten bereits näher ausgesprochen ist. Finden es Unsere Standesherrn angemes-

sener, aus einem solchen, ihre Besitzungen umfassenden Landrathsbezirk mehrere Landgerichte zu bilden, und sonach mehrere Landrichter aufzustellen, oder beizubehalten, so kann dieß – jedoch immer nur unter der Bedingung geschehen, daß die Verwaltung der Justiz von der der Polizei getrennt, und somit nicht beide Verwaltungszweige demselben Beamten übertragen werden. Auch muß es alsdann hinsichtlich der Besoldung dieser Beamten nach den Bestimmungen dieses Edicts gehalten werden. 2.) Da wo ein Landrathsbezirk zu ungefähr gleichen Theilen aus standesherrlichen Besitzungen und Domanial-Aemtern besteht, werden Wir den Standesherrn bewilligen, bei der Ernennung des Landraths, vorbehältlich der Bestätigung, mit Uns abzuwechseln, wenn sie nicht vorziehen, zur Ausübung der ihnen verbleibenden LocalPolizei, eigene Local-Polizei-Beamte zu ernennen. Die Ernennung zu den Landrichterund Landschreiberstellen für die in diesem Fall dem Landrathsbezirk zugetheilten standesherrlichen Besitzungen verbleibt den Standesherrn. 3. Sowohl in dem sub. Nro. 2. bemerkten Fall, als wie dann, wenn nur einzelne standesherrliche Orte in dem Landrathsbezirk gelegen sind, oder überhaupt der Landrathsbezirk nur zum geringeren Theil aus standesherrlichen Besitzungen besteht, steht es Unseren Standesherrn frei, die Verwaltung der ihnen verbleibenden Gerichtsbarkeit und Polizei, dem, von Uns bestellten Landrichter und Landrath zu übertragen, und sollen in einem solchen Falle diese Beamten zu dem Standesherrn, nach Inhalt dieses Edicts, ganz in dasselbe Dienstverhältniß treten, und dieselben eidlichen Dienstverpflichtungen auf sich nehmen, auch derselben Aus- und Unterfertigungsformel bei der Besorgung standesherrlicher Geschäftsgegenstände sich bedienen, wie, wenn sie von ihm eigends bestellt wären.

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H ESSEN -DARMSTADT Ein Gleiches behalten Wir Uns im entgegengesetzten Falle vor. Sollten jedoch Unsere Standesherrn in diesem, sowie in dem sub Nro. 2. bemerkten Falle eigene Local-Polizei-Beamten aufzustellen vorziehen, so soll ihnen auch dieses unbenommen seyn. Diese Local-Polizei-Beamten werden alsdann in den Fällen, welche §. 38. dieses Edicts zur eigenen Entschließung der Standesherrn vorbehalten sind, in demselben Verhältniß zu dem Standesherrn verbleiben, welches dieses Edict festsetzt. In Ansehung aller übrigen Geschäfte aber, soll der Umfang ihres Wirkungskreises und ihr Verhältniß zu dem Landrath, alsdann mit steter Rücksicht auf die, den Standesherrn, nach den Bestimmungen dieses Edicts, verbleibenden Rechte noch genauer bestimmt werden. § 42. Die standesherrlichen Polizeibeamten können in Polizeisachen bei Legalstrafen auf die, durch das Gesetz bestimmte Summe – bei arbiträren Strafen aber bis zu 15 fl. einschließlich, oder auf eine 14tägige Arreststrafe erkennen. Bei arbiträren Strafen steht den Standesherrn die Strafverwandlung in der Maase zu, daß, wenn nicht von der erkannten Arreststrafe bessere Wirkung und belehrendes Beispiel zu erwarten ist, sie für einen Tag Einthürmung einen Gulden Geldstrafe und umgekehrt ansetzen können. Auch können sie arbiträre Strafen bis zur Hälfte erlassen. Strafnachlässe bei Legalstrafen stehen ihnen aber nicht zu. Bei Vollziehung von Arreststrafen gegen Personen, welche eine amtliche Function in Unserem Dienste zu besorgen haben, z. B. Chausséewärter, Acciser u.s.w., haben die standesherrlichen Polizeibeamten zuvor die Einwilligung derjenigen Unserer höheren Behörden einzuholen, unter welcher diese Diener stehen. § 43. Die Vormundschaftspolizei über

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die Gemeinden, Localstiftungen und Zünfte verbleibt, so lange nicht etwa in Beziehung auf die Gemeindeverfassung eine allgemeine, mit dieser Berechtigung unverträgliche gesetzliche Bestimmung erfolgt, unter Vorbehalt der höheren Aufsicht und Leitung Unserer Behörden, den standesherrlichen Aemtern, welche hierin gleiche Amtsbefugniß mit den Beamten in den Domanialämtern haben sollen. Den Standesherrn steht die Befugniß zu, die Ortsschultheißen und übrigen Ortsvorgesetzte zu ernennen, oder bei städtischen Vorstandsbestellungen, wenn der Vorschlag dazu nach dem Herkommen von Magistraten geschieht, die Bestätigung zu ertheilen. Von diesen Ernennungen oder Bestätigungen haben sie jedesmal Unseren Regierungen Anzeige zu thun, welche, insofern sie bei den gewählten Personen erhebliche Anstände finden sollten, deßfalls an Unser Staatsministerium zu berichten haben. Ueberzeugt sich diese Unsere höchste Staatsbehörde davon, daß die getroffene Wahl nicht geeignet sey, so hat sie den Standesherrn zu Ernennung eines andern Subjects aufzufordern, und der Standesherr ist alsdann dieser Aufforderung zu entsprechen verbunden. § 44. Hinsichtlich der Ernennung zu den Stellen der dermalen bestehenden Physicats- und andern Local-Sanitäts-Beamten, bleibt es bei dem §. 5. des Nachtrags zu Unserer Declaration vom 1ten August 1807. Sollten Wir Uns veranlaßt finden, die Anstellung mehrerer Amts-Aerzte, Amts-Wund-Aerzte oder Thierärzte anzuordnen, so steht ihre Ernennung nur alsdann den Standesherrn zu, wenn sie die Besoldung derselben übernehmen, oder solche aus öffentlichen Stiftungs-Gütern entnommen wird, welche unter der Disposition der Standesherrn stehen. Jedenfalls können die Standesherrn zu den bemerkten Local-Sanitäts-Beamten-Stellen nur solche Subjecte

E DIKT VON 1820 ernennen, welche von Unseren Behörden auf gesetzliche Weise geprüft und für fähig erklärt worden sind; auch haben sie desfalls Unsere Bestätigung einzuholen. § 45. Die Standesherrn haben unter Beobachtung Unserer Landesgesetze das Recht, eingeborne Unterthanen in die Gemeinden ihrer Standesherrschaften aufzunehmen, oder deren Aufnahme zu verweigern; beides unter Vorbehalt des an Unsere höhere Behörde zu nehmenden Recurses. Ebenso können die Standesherrn, jedoch unter ihrer Verantwortlichkeit, fremden Personen auf höchstens ein Jahr, und ohne weitere Verlängerung, temporären Aufenthalt gestatten, und Unterthanen, welche in einem andern Theil Unserer Lande überziehen wollen, aus dem Gemeinde-Verband entlassen. Die Aufnahme von Ausländern in standesherrliche Gemeinden, sowie die Aufnahme von fremden Juden, können die Standesherrn bewilligen, jedoch unter dem Vorbehalt, daß die Aufzunehmenden zuvor bei Unseren Staats-Behörden das Staats-Indigenat erhalten. Die Entlassung von Gemeinde-Gliedern in’s Ausland können die Standesherrn nur alsdann bewilligen, wenn der auswandern Wollende die Entlassung aus dem Unterthanen-Verband bei Unseren Behörden ausgewirkt hat. Einheimische Juden können die Standesherrn, wenn die gesetzlichen Erfordernisse vorhanden sind, nur alsdann recipieren, wenn a.) entweder durch diese Aufnahme die Anzahl der, in einem Ort wohnenden jüdischen Familien nicht vermehrt wird, und z.B. der Sohn an die Stelle des Vaters tritt, oder: b.) wenn der aufzunehmende Jude nicht vom Handel, sondern von einem andern bürgerlichen Gewerbe leben will, und sich zur Aufnahme in die Bürgerschaft eignet. § 46. Die Standerherrn haben das Recht, unter Voraussetzung der gesetzlichen Erfor-

dernisse, in schon bestehende Zünfte aufzunehmen, und die nach Unseren gesetzlichen Bestimmungen noch erforderlichen Concessionen zu Betreibung von Local-Gewerben zu ertheilen, oder zu verweigern, beides unter Vorbehalt des Recurses an Unsere Staats-Behörden. Von jeder Aufnahme in eine Zunft und von jeder ertheilten Gewerbs-Concession haben die Standesherrn Unsere betreffende Behörde durch die Beamten benachrichtigen zu lassen. Die bei solchen Gelegenheiten etwa zur Sprache kommenden Dispensationen von gesetzlichen Vorschriften, sind bei Unseren Staats-Behörden nachzusuchen. § 47. Den Standesherrn überlassen Wir ferner das Recht der unbeschränkten freien Benutzung und Bewirthschaftung ihrer eigenthümlichen Waldungen nach den Bestimmungen Unsrer Verordnung vom 3ten August 1819. Ausrodung von standesherrlichen Wäldern, mit Ausnahme für sich bestehender Walddistrikte von höchstens 10 Morgen, und Benutzung des Waldbodens zu anderen Zwecken, kann nur nach vorher eingeholter Genehmigung Unserer Staats-ForstBehörde erfolgen. § 48. Hinsichtlich der Forst- und JagdPolizei in den, innerhalb der Standesherrschaften liegenden Waldungen von Gemeinden und Corporationen, verordnen Wir Folgendes: a.) Alle Functionen, welche nach Unserer organischen Forstordnung vom Jahr 1811 §. 28. Unseren Oberförstern oder Forstinspectoren zugewiesen sind, sollen in den bemerkten Waldungen durch einen, von dem Standesherrn zu ernennenden Forst-Beamten, welcher den Titel – Forstmeister – führen kann, ausgeübt werden. b.) Dieser Beamte wird von Unserer Staats-Forst-Behörde und zwar, wenn er nicht bereits längere Zeit in gleicher Dienstfunction gestanden hat, nach vorgängigem

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H ESSEN -DARMSTADT Beweis seiner Befähigung, auf diese seine Function verpflichtet, erhält von derselben seine allgemeine Dienst-Instruction, und ist derselben für seine Amtshandlungen, als Forst-Polizei-Beamte, in den erwähnten Gemeinde- und Stifts-Waldungen verantwortlich. c) Diese standesherrlichen Forst-PolizeyBeamten stehen zu den Standesherrn im Allgemeinen in demselben Verhältniß wie nach §. 38. alle übrigen Polizey-Beamten. Den Standesherrn steht daher das Recht zu, sich ebenfalls von dem Forst-Polizey-Beamten die Erfüllung der ihm übertragenen Amtspflichten durch einen Diensteid versprechen, auch sich von ihm über seine amtliche Wirksamkeit allgemeine Uebersichten vorlegen zu lassen; denselben an die Befolgung dieser seiner Amtspflicht zu erinnern, und ihn wo nöthig zu deren Erfüllung, wie die übrigen Polizey-Beamten, nach dem Inhalt des §. 38. durch Geldstrafe anzuhalten; nicht aber können sie sich in einzelnen Fällen in seine Amtsführung durch abändernde Befehle oder Weisungen einmischen. d) Die Standesherrn können zwar diesem Forst-Polizey-Beamten gleichzeitig die Administration eigenthümlicher Waldungen übertragen, er kann aber in solchem Falle, ohne Beobachtung aller gesetzlichen Formen, weder in der einen noch der andern Qualität suspendiert oder vom Amte entfernt werden. e) Die Besoldung dieses Forst-PolizeyBeamten liegt ausschließend den Standesherrn ob; Er soll jedoch von den Gemeinden und Corporationen die nemlichen Diäten und Gebühren zu beziehen haben, welche Unseren Forst-Inspectoren bewilliget sind, so lange hierüber keine allgemeine gesetzliche Abänderung erfolgt. f) Die Anstellung der Revierförster zu Ausübung der Polizey in den, innerhalb der Standesherrschaften gelegenen Gemeindeund Corporations-Waldungen, aus den von Unseren Staats-Forstbehörden geprüften

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Subjecten, bleibt den Standesherrn überlassen. Sie haben jedoch von solchen Anstellungen die Anzeige bei Unserer StaatsForst-Behörde zu machen, und die Qualifikation der angestellten Individuen, sowie deren Verpflichtung auf Unsere ForstPolizey-Gesetze durch den Justiz-Beamten, nachweisen zu lassen. Sollte von den Standesherrn, in Bildung und Eintheilung der Forst-Reviere, soweit solche Gemeindeund Corporations-Waldungen betreffen, Abänderungen getroffen werden wollen, so sind solche zuvor Unserer Staats-Forst-Behörde zur Beurtheilung und Genehmigung vorzulegen. g) Die Revierförster sollen künftig ausschließend von den Standesherrn besoldet, von den Gemeinden und Corporationen aber, nach Vorschrift Unserer Verordnung vom 3ten August 1819 bis zu anderweiter gesetzlicher Bestimmung die bisherigen Beiträge zu diesen Besoldungen alsdann geleistet werden, wenn der, von dem Standesherrn für die Gemeinde etc. Waldungen angestellte Revier-Förster, nicht auch zugleich in eigenthümlichen standesherrlichen Waldungen amtliche Verrichtungen zu besorgen hat. In letzterem Fall soll von den Gemeinden und Corporationen zu diesen Besoldungen nur soviel, und zwar in fixer Summe jährlich beigetragen werden, als dieselben vor der Vollziehung der Forst-Organisation von 1811 für die Ausübung der niederen Forst-Polizey in ihren Waldungen, an die Revier-Förster an Gebühren und Diäten im Durchschnitt jährlich entrichtet haben. Das Quantum dieser jährlichen Beiträge, soll in solchen Fällen, durch beiderseitige Commissarien genau eruirt werden. h) Auch in Beziehung auf die Wirksamkeit der standesherrlichen Revier-Förster ist es Regel, daß bei erfolgenden gesetzlichen Veränderungen, hinsichtlich der Forst-Polizey und Forst-Administration in den übrigen Bestandtheilen des Großherzogthums,

E DIKT VON 1820 das Verhältniß derselben gleichförmig verändert werden müsse. Die standesherrlichen Revier-Förster stehen in der gehörigen Unterordnung unter den standesherrlichen Forstmeistern, wie dieser in Beziehung auf die Forst-Polizey in Gemeindeund Corporations-Waldungen unter Unserer staatsherrlichen Oberforst-Behörde, welche nach Gutfinden jährliche oder periodische Besichtigungen und Visitationen in diesen Waldungen anordnen und die nöthig findenden Vorschriften ertheilen kann. i) Diejenigen, in den Standesherrschaften dermalen befindlichen Forst-Inspectoren, welche ausschließend in Unserem StaatsDienste stehen, sollen von Uns zu andern Diensten verwendet werden; diejenigen aber, welche zugleich im Dienste von Standesherrn sind, werden auch in Hinsicht ihrer, dermalen aus Unserer Staats-Casse zu beziehenden Besoldungen, von den Standesherrn übernommen. k) Sollte den Gemeinden und Corporationen, hinsichtlich der Bewirthschaftung ihrer Waldungen, durch allgemeine gesetzliche Bestimmungen eine größere als die bisherige Befugniß eingeräumt werden, so wird auch, wie sich von selbst versteht, die forstpolizeyliche Befugniß der standesherrlichen Forst-Beamten hiernach modificirt. § 49. Das Jagd- und Fischerey-Recht verbleibt den Standesherrn überall, wo sie es bisher auszuüben hatten, vorbehältlich des Uns hierüber zustehenden GesetzgebungsRechtes und der staatsherrlichen Oberaufsicht.

F. STANDESHERRLICHE GERECHTSAME IN KIRCHEN-SACHEN § 50. Den Standesherrn Unseres Großherzogthums verbleibt die Aufsicht in Kirchen- und Schul-Sachen und über milde

Stiftungen, jedoch nach Vorschrift Unserer Landes-Gesetze. Auch sollen sie das, Ihnen bereits früher zuständig gewesene und belassene allgemeine Präsentations-Recht bei Besetzung der, in ihren standesherrlichen Bezirken erledigt werdenden Pfarr- und Schulstellen, fernerhin ausüben, und die Verwalter von Kirchen-Kasten, Schulfonds und milden Stiftungen, nach Inhalt Unserer früheren Verordnung vom 20. Juni 1808 bestellen. § 51. Zu Ausübung dieser Aufsicht in Kirchen- und Schulsachen, sowie über milde Stiftungen, haben die Standesherrn unter der Benennung – Großherzoglich Hessisches, z.B. Fürstlich und Gräflich Solmsisches Consistorium – eigene Behörden aufzustellen, welche wenigstens aus einem Director, einem geistlichen Rath – welche Stelle der jedesmalige geistliche Inspector des Bezirks, wo das Consistorium seinen Sitz hat, bekleidet – und einem weltlichen Rath bestehen sollen. Die weltlichen Mitglieder der Consistorien sind Uns zur Bestätigung zu präsentiren, und durch den Director des Consistoriums in Dienstpflichten zu nehmen. Der Director selbst wird durch Unseren Kirchen- und Schul-Rath verpflichtet. In Erledigungsfällen einer geistlichen Inspectoratsstelle werden Wir die Vorschläge Unserer Standesherrn zu deren Wiederbesetzung jederzeit gerne vernehmen. Das erforderliche Canzleipersonal wird von den Standesherrn bestellt, die geschehene Bestellung aber, mit dem Nachweis über die Qualification Unserem Kirchenund Schul-Rath durch das Consistorium angezeigt. Es ist Unsere Intention, daß da, wo es die Verhältnisse zulassen oder nöthig machen, mehrere Standesherrn zusammen, ein gemeinschaftliches Consistorium errichten, und Wir behalten Uns überhaupt die näheren Vorschriften über die Bildung solcher

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H ESSEN -DARMSTADT gemeinschaftlichen Consistorien, nach Anhörung Unserer Standesherrn, bevor. § 52. In den Geschäftskreis der Consistorien gehört: a.) Die Anordnung der Pfarrverweser bei Erledigungsfällen von Pfarrstellen nach zuvor eingeholter Entschließung der Standesherrn. b.) Die Erstattung der Anträge auf Wiederbesetzung erledigter Pfarr- und SchulStellen an Unsere Kirchenraths-Collegien, ebenfalls nach vorher eingeholter Entschliessung der Standesherrn. c.) Die Aufsicht über das gesammte geistliche Bauwesen. Bei neuem Bauwesen ist die Genehmigung Unseres Kirchen- und Schulraths einzuholen, und von Reparaturen, welche den Kostenbetrag von 50 fl. übersteigen, haben die Consistorien den Standesherrn berichtliche Anzeige zu thun. d.) Die Aufsicht über Kirchen und Schulzucht und die Verfügung schriftlicher oder mündlicher Warnungen und Verweise gegen nachlässige oder ihre Amtspflicht vergessende Kirchen- und Schuldiener. e.) Die unmittelbare Leitung und Aufsicht über die, dem Zweck und der Stiftung angemessene Verwaltung des KirchenSchul- und milden Stiftungsvermögens, sowie die Revision und Abhör der darüber aufgestellten Rechnungen, insofern letztere nicht dritten Personen zusteht. f.) Von den in Unseren früheren Verordnungen und Instructionen den geistlichen Inspectoren überhaupt zugewiesenen Geschäften, verbleibt denselben in den Standesherrschaften zunächst: 1) Die Aufsicht über die Lehre, Amtsführung und das Privatleben der, in ihrem Bezirke angestellten Pfarrer und übrigen Kirchen- und Schuldiener, so wie über die Aufführung und das Predigen der noch nicht angestellten Candidaten der Theologie.

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2) Die Vorstellung und Einführung der neubestellten oder von einem Kirchspiel in das andere versetzten Kirchen- und Schuldiener mit Zuziehung des einschlägigen Beamten. 3) Die ordentlichen und außerordentlichen Schulprüfungen und Visitationen. 4) Die Revision der Kirchenbücher, solange über die Führung derselben keine abändernde gesetzliche Verfügung erfolgt. Alle übrigen, nach Unseren früheren Verordnungen einem geistlichen Inspector zugewiesenen Geschäfte, kommen dem Consistorium zu, an welches auch der Inspector, als geistliches Mitglied, seine Anzeigen und Anträge hinsichtlich der Amtsführung und des Privatlebens der Kirchen- und Schuldiener und der Candidaten zu solchen Stellen, sowie seine Relation und sein Gutachten über die Schulvisitationen, zu Behuf weiterer Collegialberathung und Berichtserstattung an Unseren Kirchen- und Schulrath, zu bringen hat. § 53. Alle diese Geschäfte haben die Consistorien unter der Aufsicht Unserer Kirchenraths-Collegien verfassungsmäßig auszuüben. Sie sind schuldig, die, von den Kirchenraths-Collegien erforderten, oder, nach obigem, an dieselben zu erstattenden Berichte pünctlich zu erstatten, die hierauf ihnen zugehenden Weisungen und Entschließungen genau zu vollziehen, und den Kirchenraths-Collegien alljährlich genaue Uebersichten über das Kirchen- Schul- und Stiftungsvermögen vorzulegen, auch, auf deren Weisung, die Rechnungen selbst zur Einsicht oder Oberrevision einzusenden. Für eine solche Oberrevision soll jedoch keinerlei Geschäftsgebühr oder Taxe gefordert werden. § 54. Die Standesherrn sind nicht nur berechtigt, in den, oben ad a. und b. bemerkten Fällen, ihren Consistorien Berichte abzufordern und Befehle und Entschließungen zu ertheilen, sondern sie können sich auch von

E DIKT VON 1820 denselben über die geschehene Erfüllung ihrer gesammten Amtspflichten Berichte und Ausweise geben lassen und sie an die Erfüllung dieser ihrer Pflichten erinnern.

Mängel in der Einrichtung der Consistorien, welche sich bei diesen Visitationen ergeben, abzustellen.

§ 55. Hinsichtlich derjenigen milden Anstalten, welche von Unseren Standesherrn oder ihren Vorfahren selbst gestiftet worden sind, gestatten Wir denselben, was die Verwendung der Einkünfte betrifft, in so lange freie, stiftungsmäßige Dispositionsbefugniß, als nicht eintretende Mißbräuche die Dazwischenkunft Unserer Landesbehörden erforderlich machen. Es dürfen also durch diese Verwendungen weder die Capitalfonds der Stiftungen angegriffen, noch andere, auf den Einkünften verfassungsmäßig ruhende Lasten und Ausgaben benachtheiligt werden. Was aber die übrigen, unter oben bemerkte Categorie nicht gehörigen Stiftungen, sowie die Kirchen- und Schulfonds betrifft; so bleiben alle, verfassungsmäßig dabei vorkommenden Gnadensachen, namentlich die Bewilligung von Besoldungszulagen, die Bewilligung von solchen Stipendien, deren Verleihung vor der Vereinigung mit dem Großherzogthum Unseren Standesherrn als Landesherrn, zugestanden hat, und alle sonstigen Unterstützungen an Geld und Naturalien, als Ausflüsse der höchsten Staatsgewalt, Uns vorbehalten. Wir werden jedoch auf deßfallsige Verwendungen und Anträge Unserer Standesherrn jederzeit thunlichst Rücksicht nehmen.

G. STANDESHERRLICHES EIGENTHUM UND EINKÜNFTE

§ 56. Die gewöhnlichen Kirchenvisitationen werden, sowie in Unsern übrigen Landestheilen, von Unsern Kirchen- und Schulraths-Collegien angeordnet. Zur Visitation der standesherrlichen Consistorien werden Wir Commissionen ernennen, welche in gleicher Art wie die zur Visitation von Justiz-Canzleien bestimmten Commissionen zu verfahren haben, und die Standesherrn sind verbunden, die etwaigen

§ 57. Den Standesherrn verbleiben außer ihren eigenthümlichen Gebäuden, Gütern, Waldungen, Mühlen, Höfen, Brauereien, Brennereien, Schäfereien, Activlehen und Erblehen, Bergwerken, Grundzinsen und Gülten, Zehnden, Jagden und Fischereien, Waidgangs-Gerechtigkeiten, Flößereien, eigenthümlichen Wirthschafts-Gerechtigkeiten und andern Gegenständen des Privat-Eigenthums, annoch folgende Einkünfte: a.) die, an die Stelle der LeibeigenschaftsGefälle tretenden bereits regulirten oder noch zu bestimmenden Reluitions-Gelder. b.) die gesetzlichen Receptions-Taxen in den Fällen, in welchen ihnen die Receptionen zustehen. c.) die jedesmal gesetzlichen Concessions-Gelder in den Fällen, wo die Standesherrn oder ihre Behörden die Concessionen zu ertheilen haben. d.) die jedesmaligen gesetzlichen und herkömmlichen Zunftgelder, insoweit solche nicht die Natur von Gewerbssteuern haben. e.) die von den standesherrlichen Justiz-Canzleien, Justiz- oder Polizei-Aemtern, Consistorien und Forstbehörden, vermöge ihrer jedesmal gesetzlichen Befugniß angesetzten Geldstrafen, jedoch mit Ausnahme der Strafen, welche zur Aufrechthaltung der Uns vorbehaltenen Rechte und Einkünfte, angesetzt worden sind. f.) die, nach Unsern jedesmaligen landesgesetzlichen Bestimmungen für diejenigen Geschäfte, welche die standesherrlichen Justiz-Canzleien, Justiz- und Polizei-

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H ESSEN -DARMSTADT Aemter, Consistorien und Forstbehörden zu besorgen haben, zu entrichtenden Sporteln, oder die, dafür nach der Bekanntmachung vom 1ten December 1817. künftig gegeben werden sollende Entschädigungs-Summen, welche sie den Beamten zum unmittelbaren Bezug aus Unserer Staats-Casse in partem salarii anweisen können; – und endlich überhaupt alle Einkünfte und Nutzungen, welche mit dem, ihnen zukommenden Antheil an Ausübung der Justiz- und Polizei gesetzlich verbunden sind. g.) die bisher in die standesherrlichen Cassen geflossenen Weg- und BrückenGelder von Vicinalwegen, unter der Verbindlichkeit, diese Einnahme ausschließend zur Unterhaltung der befragten Wege und Brücken zu verwenden, für welchen Zweck nur insofern Umlagen auf die Gemeinden von Unserer Regierung angeordnet werden können, als die Weg- und Brücken-Gelder nicht zureichen und als die Last der Unterhaltung des Standesherrn, gegen den Bezug dieser Gelder, nicht nach Herkommen oder Vertrag ausschließend obliegt. h.) die, nach erfolgter Ausscheidung der Staatsfrohnden, ihnen von den Unterthanen zu leistenden gutsherrlichen Frohnden oder dafür bestimmte Frohnd-Gelder. i.) die Nachsteuer von dem Vermögen der auswandernden Unterthanen, insofern solche nach den bestehenden oder künftigen Gesetzen und Freizügigkeits-Verträgen noch statthaft ist und seyn wird. k.) die jetzigen Concessions-Gelder für das Schornsteinfegen nach Verhältniß der, in den Concessionen begriffenen standesherrlichen Bezirke. Die innerhalb der Standesherrschaften von Unserem Fiscus bisher bezogenen Noval-Zehnden sollen künftighin zum Vortheil der Zehndpflichtigen nicht mehr bezogen werden. Dagegen soll aber auch von den Standesherrn kein Zehnden mehr von künftigen Neubrüchen gefordert werden können. Der hergebrachte Wald-Markzehnden soll

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jedoch unter dem Novalzehnden nicht begriffen seyn. § 58. Hinsichtlich dieser standesherrlichen Einkünfte ertheilen Wir folgende nähere Bestimmungen: Wenn in verfassungsmäßigem Wege allgemeine gesetzliche Anordnungen erfolgen, durch welche die, in vorstehendem §. verzeichneten nutzbaren Rechte und Gefälle der Standesherrn, zu Staats-Zwecken in Anspruch genommen, vermindert, ganz oder theilweise abgelößt, oder der Form nach verwandelt werden, so soll dies nach der, in §. 23. dieses Unseres Edictes enthaltenen Zusicherung, nicht anders als gegen gleichzeitige, vollständige Entschädigung der Standesherrn geschehen können. Alle übrigen, in den andern Abschnitten dieses Edicts, den grundgesetzlichen Bestimmungen der deutschen Bundesacte gemäß, näher bezeichneten sowohl persönlichen als wie die Ausübung der Justiz und Polizei umfassenden standesherrlichen Berechtigungen, sind aber unter diejenigen zu rechnen, welche, ohne Einwilligung der Standesherrn, denselben, nach besagtem §. 23., selbst gegen Entschädigung, nicht entzogen werden können. § 59. Alle diejenigen Abgaben, Berechtigungen und Auflagen, innerhalb der Standesherrschaften, welche den rechtlichen Character directer oder indirecter Steuern an sich tragen, sind Uns, als Landesherrn, zugefallen, und werden von Uns entweder fort erhoben, oder, insofern solche mit Unseren allgemeinen Steuergesetzen nicht verträglich sind, zur Gleichstellung der Unterthanen gänzlich aufgehoben. § 60. Wenn Zweifel darüber entstehet: ob irgend ein Einkommen der Standesherrn von privatrechtlicher Natur und Folge einer gutsherrlichen Berechtigung sey, somit von Unseren Unterthanen neben ihren, den

E DIKT VON 1820 Staatscassen schuldigen directen und indirecten Steuern, an dieselben fortentrichtet werden müsse, oder, ob solches als eine, von den Unterthanen ihrem vormaligen Landesherrn geleistete Staatsabgabe anzusehen, und daher ohne die Standesherrn für ihren Verlust zu entschädigen, aufzuheben sey; so wollen Wir vorerst durch Unsere Staatsbehörden die Sache prüfen, und, mit Zuziehung der Standesherrn und der betheiligten Unterthanen eine gütliche Vermittlung versuchen lassen. Findet solche nicht statt, so soll für jeden einzelnen Fall dieser Art, zwischen den Standesherrn auf der einen, und den betheiligten Unterthanen auf der andern Seite, welchen letztern Wir nach Umständen Unsern Fiscal zur Assistenz beigeben lassen werden, vor der competenten Gerichtsstelle ein rechtliches Verfahren eingeleitet, und, mit Vorbehalt der jedem Theile zustehenden Rechtsmittel, darüber entschieden werden. Der Besitzstand der Standesherrn soll jedoch in solchen Fällen von Unseren Administrativ-Behörden nicht factisch gestört, sondern auch hierüber nur von dem Richter entschieden werden. § 61. Da in Unserer Verordnung vom 8. April 1819 mehrere Frohnddienste für Staats-Frohnden erklärt, und aufgehoben worden sind, welche Unsere Standesherrn als Grundherrn, und vermöge gutsherrlicher Berechtigung, bisher besessen zu haben behaupten, so soll dieses Verhältniß alsbald durch von Uns zu ernennende Commissarien, mit Zuziehung standesherrlicher Bevollmächtigter, näher untersucht, und für diejenigen Frohnden, welche sich nach ihrem bisherigen Forderungs- und Leistungsgrunde, als gutsherrliche Frohnden darstellen, eine billige Entschädigung festgesetzt, und aus allgemeinen Staatsmitteln den Standesherrn in Form einer jährlichen Rente geleistet werden. Einstweilen und bis dieses geschehen, soll es hinsichtlich der Herbei-

fuhr von Naturalbesoldungs-Gegenständen der Justiz- und Polizeibeamten, sowie der Mitglieder der Justizkanzleien in den Standesherrschaften, eben so gehalten werden, wie in Unseren übrigen Landestheilen.

§ 62. Den Standesherrn verbleibt nicht nur das Eigenthum und das Einkommen der von ihnen bereits eröffneten Bergwerke, sondern auch das vorzugsweise Recht der Benutzung der, sich innerhalb ihrer Standesherrschaften künftig vorfindenden Mineralien und Fossilien, zu deren, nach bergrechtlichen Grundsätzen vorzunehmenden Bau und Aufsuchung sie keiner Consession von Uns bedürfen. Da indessen dem Staate daran gelegen ist, daß Naturproducte dieser Art nicht unbenutzt bleiben, und eine desfallsige Concurrenz nicht ausgeschlossen werde, so kann die Ertheilung der Erlaubniß, nach Erz zu schürfen, die Concession zum Bergbau und zur Anlegung von Hütten- Schmelz- und Hammer-Werken, von Unseren Staats-Behörden auch in den Standesherrschaften an Privat-Personen alsdann ertheilt werden, wenn die Standesherrn zuvor erklärt haben, daß sie den intendirten Bergbau nicht selbst übernehmen wollen. Als ein factisch erklärtes Nichtwollen wird es angesehen, wenn der betreffende Standesherr, auf eine amtliche Benachrichtigung und Aufforderung Unserer Behörden, während dreier Monate nach dem Empfang dieser Aufforderung keine Erklärung giebt. Erklärt sich der Standesherr dahin, daß er von der nachgesuchten Concession selbst Gebrauch machen wolle, so muß derselbe während der nächsten drei Jahre dieser Erklärung wirklich entsprechen, und wenn dieses nicht geschieht, so kann, nach Ablauf dieser Frist, die nachgesuchte Concession von Unsern Staats-Behörden jedem Dritten ertheilt werden.

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H ESSEN -DARMSTADT

H. STANDESHERRLICHE STEUER-VERPFLICHTUNG § 63. Die Standesherren haben von den, nach Unsern Gesetzen steuerbaren Objecten, welche sie besitzen, nach dem Verhältniß ihrer Steuer-Capitalien, alle und jede ordentliche und außerordentliche Steuern und Abgaben zu entrichten, welche zum Behuf der Staatsbedürfnisse für Unsere StaatsCassen, oder zum Behuf von Landesanstalten und Provinzial-Bedürfnissen innerhalb der Provinzen nach den Steuerfuße ausgeschrieben werden, und ihre bisherige Befreiung von den Beiträgen zu solchen Steuern, welche zu gewissen bestimmten Bedürfnissen der Provinzen erhoben worden sind, sowie von den Ober-Einnehmerei-Geldern, findet vom 1ten Juli 1819 an nicht mehr statt. § 64. Um die, von mehreren Standesherrn Unseres Großherzogthums angebrachten Beschwerden über zu hohen Ansatz ihrer Steuer-Capitalien gründlich zu erledigen, und solche in ein gerechtes und billiges Ebenmaas mit den Steuer-Capitalien Unserer andern Unterthanen zu bringen, wollen Wir, auf Ansuchen derselben, für jede Standesherrschaft einen Commissarius ernennen, welcher die Steuer-Capitalien in Beisein und nach Anhörung eines standesherrlichen Beamten revidiren und, nach Vorschrift Unserer allgemeinen Steuergesetze, berichtigen soll. § 65. An allen zum Behuf der Staatsund Provinzialbedürfnisse aufgebracht werdenden ordinären directen Steuern sollen in Folge der, den Standesherrn Unseres Großherzogthums hinsichtlich der directen Steuern bisher bewilligten und durch die deutsche Bundes-Acte bestätigten Begünstigung, vom 1. Juli 1820 an, drei Achttheile des Betrags in Abzug gebracht, und nach diesem verminderten Maasstab, der standesherrliche Beitrag zu allen und jeden or-

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dentlichen directen Steuern geleistet werden. Diese Verminderung beschränkt sich jedoch auf diejenigen steuerpflichtigen Objecte, welche die Standesherrn schon bei der Vereinigung mit dem Großherzogthum steuerfrei besessen haben, und dauert überhaupt nur so lange fort, als das besteuerte Object sich im Eigenthum einer standesherrlichen Familie befindet. Zu allen außerordentlichen Steuern, haben dagegen die Standesherrn nach dem vollen Betrag Ihrer Steuer-Capitalien beizutragen, jedoch ertheilen Wir denselben die Zusicherung, daß in Beziehung auf Sie, die Beiträge zu solchen Staats- und Provinzial-Bedürfnissen, welche bisher in ordinario aufgebracht worden sind, nicht als extraordinäre Steuerbeiträge angesehen werden sollen. § 66. So lange bis nach §. 64. die Berichtigung der standesherrlichen Steuer-Capitalien, welche auf Ansuchen unverzüglich vorgenommen und binnen 6 Monaten erledigt werden soll, erfolgt ist, haben die Standesherrn die laufenden und rückständigen Steuern, nach dem bisherigen Ansatz fortzuentrichten. Nach erfolgter Berichtigung soll alsdann dem Standesherrn das, was auf den Grund des bisherigen Steuerkapitals etwa zuviel bezahlt worden ist, den gesetzlichen Bestimmungen gemäß, durch Abrechnung vergütet werden. § 67. Die Standesherrn genießen die Zollbefreiung von allen zu ihren eigenen Hausbedürfnissen erforderlichen Consumtibilien, jedoch müssen sie sich den Verfügungen gemäß benehmen, welche zur Verhütung von Unterschleifen getroffen werden. Auch sind sie für sich und ihre Familien von der Entrichtung der Chaussée-Gelder innerhalb ihrer Standesherrschaften befreit. Zu allen Consumtions-Auflagen und andern indirecten Abgaben, haben sie, gleich jedem Andern, beizutragen.

E DIKT VON 1820 § 68. Um die Beschwerden zu beseitigen, welche von den Standesherrn hinsichtlich ihrer Concurrenz zu den, nach dem Steuerfuße ausgeschrieben werdenden Beiträgen zu den Amts- und Gemeinde-Bedürfnissen und Schulden, vorgetragen worden sind, werden Wir bei der ersten Versammlung Unserer getreuen Landstände den Entwurf einer allgemeinen Verordnung zur Berathung vorlegen lassen, wodurch die Beitragspflicht der Forensen zu den Amts- und Gemeinde-Bedürfnissen für die Zukunft bestimmt werden soll. Bis dahin soll bei solchen Amts- und Gemeinde-Umlagen provisorisch nach folgenden Grundsätzen verfahren werden: 1) Zu eigentlichen Amts- und Gemeinde-Bedürfnissen, welche durch die speciellen gesellschaftlichen Zwecke der Gemeinden oder Aemter bedingt, oder zu SteuerAusschlägen, welche durch solche veranlaßt worden sind, haben die Standesherrn nur insofern beizutragen, als sie an den Nutzungen des Gemeinde-Vermögens betheiligt sind, oder von den öffentlichen Anlagen, welche durch den Steuer-Ausschlag bezweckt werden, Vortheile genießen, 2) So oft ein Gemeinde-Kriegs-KostenAusschlag innerhalb der Gemeinde von den Ortsvorständen berathen wird, soll ein standesherrlicher Bevollmächtigter zu diesen Berathungen beigezogen werden. 3) Wenn zu Herstellung oder Verbesserung öffentlicher Wege oder Brücken innerhalb der Gemeinden Steuer-Ausschläge erfolgen, so soll vorerst das Weg- und Brücken-Geld, welches die Gemeinden seither etwa bezogen, und zu andern eigentlichen Gemeinde-Bedürfnissen verwendet haben, von denselben restituirt und nur das, was aus diesem Fonds nicht bestritten werden kann, zur Vertheilung gebracht werden. § 69. Als Ehrenvorzug bewilligen Wir den Standesherrn die Befreiung von allen etwaigen Personal-Steuern.

I. VERHÄLTNISS DER STANDESHERRLICHEN DIENER. § 70. Die standesherrlichen Justiz-Canzlei-Directoren, Justiz-Canzlei-Räthe, JustizPolizei- und Sanitäts-Beamten, sowie die Mitglieder der standesherrlichen Consistorien, die Forst-Polizei-Beamten für die standesherrlichen Gemeinde-Waldungen, und sämmtliche Subalternen haben mit Unsern Staats-Dienern, gleicher Categorie, gleichen Rang. Sie müssen gegen Leistung der gesetzlichen Antritts-Gelder, Jahres-Beiträge und Sterbe-Quartale, Unseren Civil-Wittwen-Instituten beitreten, und ihre Wittwen und Kinder haben sodann aus dem Fonds der Wittwen-Casse dieselbe Unterstützung zu erwarten, wie Unsere Staats-Diener gleicher Classe. § 71. Die Standesherrn sind verbunden, die Mitglieder der Justiz-Canzleien, sowie die Justiz- Sanitäts- und Polizei-Beamten und die Subalternen mit Unsern Staats-Dienern gleicher Categorien auch in den Besoldungen insoweit gleichzusetzen, als nicht etwa die Verhältnisse der Orte, an welchen die Justiz-Canzleien ihren Sitz haben, einige Verminderung rechtfertigen. Ebenso sind den, von den Standesherrn ernannten Mitgliedern der Consistorien, welche diese Function neben andern DienstStellen bekleiden, nicht nur in dieser Eigenschaft angemessene Zulagen zu bewilligen, sondern auch, insofern sie nicht an dem Orte wohnen, wo die Sitzungen der Consistorien gehalten werden, die Reisekosten zu vergüten. Naturalien, gesetzlicher Sporteln-Bezug, freie Wohnung und andere Dienst-Emolumente, können auf diese Besoldungen in Aufrechnung gebracht werden. Die Mitglieder der Justiz-Canzleien, sowie die Justiz- und Polizei-Beamten kön-

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H ESSEN -DARMSTADT nen, wie sich von selbst versteht, von den Standesherrn durch Uebertragung von Geschäften, welche ausser ihrem, durch gegenwärtiges Edict bezeichneten amtlichen Wirkungskreise liegen, von der pünktlichen Erfüllung ihrer Amtspflichten nicht abgehalten werden. § 72. Die Correspondenz zwischen Unsern andern Staats-Mittel-Behörden und den standesherrlichen Justiz-Canzleien wird in derselben Form geführt, wie die Correspondenz jener Mittel-Behörden unter sich. An die Justiz- und Polizei-Beamten bedienen sich die ihnen vorgesetzen Staatsbehörden der Rescriptsform, und diese Beamten haben sich ihrer Seits, sowie die JustizCanzleien, in allen Fällen nach denselben Formen zu achten, welche Unseren Behörden gleicher Categorie vorgeschrieben sind. § 73. Die Standesherrn können zu Verwaltung ihrer Güter, Einkünfte und Waldungen, Rentmeister, Kammerräthe und Kammerdirectoren, Förster, Oberförster und Forstmeister ernennen, auch unter der Benennung – Rentkammer oder DomainenCanzlei – collegialisch vereinigte Verwaltungs-Behörden bilden. Auch können sie die, an ihren Höfen bisher üblich gewesenen Hofwürden ertheilen. Wenn dieselben ihren Dienern höhere Titel verleihen wollen, so muß hiezu Unsere Genehmigung nachgesucht werden. § 74. Die standesherrlichen Rentkammern oder Domainen-Canzleien haben sich in ihren Vorstellungen an Unsere Staats-Behörden der allgemein üblichen Curalien zu bedienen. Die Resolutionen sollen in der einfachen Form einer Signatur an die standesherrlichen Rentkammern erlassen werden.

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K. AUSSCHEIDUNG DER SCHULDEN, DIENER UND PENSIONEN § 75. Hinsichtlich der Ausscheidung der standesherrlichen Diener und Pensionen, verbleibt es bei den vorliegenden gesetzlichen Bestimmungen, und den, in Folge derselben bereits geschehenen Ausscheidungen. Die noch abzutheilenden standesherrlichen Kammerschulden sollen nach dem Verhältniß der, den Standesherrn verbleibenden, und der, Uns aus ihrem Kameral-Vermögen zufallenden Einkünfte, abgetheilt, somit die ordinären Steuern, welche die Standesherrn aus ihrem KameralVermögen an Unsere Staats-Cassen entrichten, den standesherrlichen Einkünften abgeschrieben, und denjenigen Einkünften, auf welche die Schulden von Unsern StaatsCassen zu übernehmen sind, zugerechnet werden. Wenn bei bereits erledigten SchuldenAbtheilungen auf diese Grundsätze nicht Rücksicht genommen worden ist, so wollen Wir die betreffenden Standesherrn dafür auf andere Weise billig entschädigen, insofern nicht besondere Verhältnisse oder besondere Verträge dabei eintreten.

LEHNS-VERBAND § 76. Hinsichtlich der standesherrlichen Aktiv- und Passiv-Lehen verbleibt es bei den Bestimmungen Unserer Declaration vom 1ten August 1807.

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN § 77. Unser gegenwärtiges Edict derogirt allen früheren von Uns erlassenen Verordnungen und Verfügungen über die standesherrlichen Verhältnisse, insoweit solche

E DIKT VON 1820 mit dem Inhalt desselben nicht übereinstimmen. Alle übrige gesetzliche Bestimmungen, welche mit dem Inhalt dieses Edicts vereinbarlich sind, bleiben in ihrer gesetzlichen Kraft. Ebenso bleiben die besonderen Verträge in ihrer Gültigkeit, welche Wir mit einzelnen Standesherrn Unseres Großherzogthums hinsichtlich der Bestimmung ihrer Verhältniße zu dem Staat bereits abgeschlossen haben, oder noch abschließen werden. § 78. Es soll daher dieses Edict einen integrirenden Bestandtheil der Verfassung Unseres Großherzogthums bilden, und dessen Inhalt sowohl von Unseren sämmtlichen Landes-Collegien und übrigen Behörden, als wie von den Standesherrn selbst, und Unseren sämmtlichen Unterthanen genau befolgt werden. Urkundlich Unsrer eigenhändigen Unterschrift und des beigedruckten Staats-Siegels. Gegeben Darmstadt den 17. Februar 1820.

(L.S.) LUDEWIG. von Grolman. Indem das vorstehende Edict einstweilen zur allgemeinen Kenntniß gebracht wird, behält sich das Geheime Staats-Ministerium bevor, über die, spätestens am 1. Juni dieses Jahrs beginnende Anwendung desselben, in einer weiteren Bekanntmachung nach der Allerhöchsten Absicht zu verfügen. Darmstadt den 27. März 1820. Aus Allerhöchstem Auftrag. Großherzoglich Hessisches Geheimes Staats-Ministerium. von Grolman. Jaup. Hofmann. Hoppé.

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Ediert nach Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1820, No. 17, Darmstadt, S. 125–160. Das Edikt ist Bestandteil der Verfassung gem. Art. 37. Siehe unter „Verfassung von Hessen-Darmstadt (1820)“ (Verfassungs-Urkunde des Großherzogthums Hessen, Darmstadt 1820, S. 1–40).

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Verordnung von 1820 Verordnung, wie die Wahlen zur Kammer der Abgeordneten erfolgen sollen1

L UDEWIG von Gottes Gnaden Großherzog von Hessen und bei Rhein etc. etc. In Unserem Edict über die landständische Verfassung des Großherzogthums haben Wir eine besondere Verordnung über die Art und Weise vorbehalten, wie die Wahlen zur Kammer der Abgeordneten erfolgen sollen. Wir verordnen daher, wie folgt: A RT. 1. Die Abgeordneten zur zweiten Kammer werden, nach dem Artikel 3. der landständischen Verfassungs-Urkunde, von angesessenem Adel, von Wahlbezirken und von Städten gewählt.

A Von den Abgeordneten des angesessenen Adels A RT. 2. Diejenigen adlichen Grundeigenthümer, welche Staatsbürger und wenigstens 30 Jahre alt sind, auch 300 fl. directe Steuern für eigenthümliches oder nutznießliches Vermögen jährlich entrichten, nehmen Theil an der Wahl der Abgeordneten des angesessenen Adels aus ihrer Mitte und aus denjenigen, welche wenigstens 36 Jahre alt sind. Wir ernennen eine Commission, bei welcher diejenigen, welche hiernach stimmfähig oder wählbar zu seyn glauben, sich zu melden und ihre Stimmfähigkeit oder Wählbarkeit nachzuweisen haben. Das Verzeichniß der Stimmfähigen oder Wählbaren wird vor jeder Wahl öffentlich bekannt gemacht.

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A RT. 3. Die Commission erläßt an jeden dieser Grundeigenthümer in einem besondern Ausschreiben die Aufforderung zur Einsendung der Abstimmung für 6 Abgeordnete und zur Bezeichnung des Wahlzettels mit einer bestimmten Zahl. A RT. 4. Die Commission eröffnet die Abstimmungen an dem in dem Ausschreiben zum Voraus bestimmten Tage. Jeder Wähler darf der Eröffnung beiwohnen, und 3 der zunächst wohnenden werden ausdrücklich dazu eingeladen. Die Commission verschweigt die Namen der Abstimmenden. Das Wahlprotokoll enthält jede Stimme mit der den Wahlzettel bezeichnenden Zahl, und das Resultat der Wahl nach Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Commission mit den anwesenden Wählern durch das Loos. Das von sämmtlichen Anwesenden unterschriebene Protokoll wird an das Geheime Ministerium eingesendet.

B Von den Abgeordneten der Wahlbezirke A RT. 5. Die Ernennung der Abgeordneten aus den Wahlbezirken besteht aus 3 Wahlen, welche unter Aufsicht der Provinzial-Regierungen und der von diesen ernannten Commissäre erfolgen. A RT. 6. Die erste Wahl bestimmt die Bevollmächtigten zur Ernennung der Wahlmänner.

V ERORDNUNG VON 1820 Jede Gemeinde, welche 250 bis 500 Seelen zählt, hat Einen Bevollmächtigten, und für jede weiteren 500 Seelen einen Bevollmächtigten zu wählen. Gemeinden unter 250 Seelen werden zu diesem Zweck mit anderen Gemeinden desselben Bezirks vereiniget. Die Gemeinde versammelt sich hierzu unter Leitung der ersten Orts-Vorstands-Person, welche zwei andere Vorstands-Personen zuzieht. Kann die Abstimmung nicht an einem Vormittag beendigt werden, so hat der Vorstand die Gemeinde in mehrere Abtheilungen zu sondern und für jede einen Vormittag zu bestimmen. Stimmfähig ist jeder in der Gemeinde wohnende Staatsbürger. Wählbar ist jeder in der Gemeinde wohnende Staatsbürger, der wenigstens 25 Jahre alt ist, und wenigstens 20 fl. directe Steuern für eigenthümliches oder nutznießliches Vermögen jährlich entrichtet. Zur Gültigkeit der Wahl gehört Abstimmung von wenigstens 23 der Stimmfähigen. Jeder Stimmende legt seine Stimme einzeln ab; das Protokoll wird mit dem nach Stimmenmehrheit und, bei einer Stimmengleichheit, durch’s Loos gezogenen Resultate von dem ersten Orts-Vorstand und zwei anderen Vorstands-Personen unterschrieben, und sogleich an den Regierungs-Commissär eingesendet. A RT. 7. Die zweite Wahl ernennt die Wahlmänner. Die Bevollmächtigten eines jeden Bezirks wählen 10 Wahlmänner, und, auf den Fall der Verhinderung eines oder des anderen derselben, zwei Ersatzmänner. Sie versammeln sich hierzu in dem Bezirke bei dem Regierungs-Commissär, welcher, zur Leitung des Geschäfts, eine aus ihrer Mitte durch’s Loos gebildete Wahl-Commission von 4 Personen zuzieht. Wählbar sind die 60 in dem Bezirke wohnenden und höchstbesteuerten Staatsbürger,

welche wenigstens 30 Jahre alt sind. Das Verzeichniß derselben wird vorher bekannt gemacht. Zur Gültigkeit der Wahl gehört Abstimmung von wenigstens 43 der Bevollmächtigten. Die Stimmen werden durch Stimmzettel, welche mit fortlaufenden Zahlen bezeichnet sind, abgelegt; sodann der ganzen Versammlung nach Ordnung dieser Zahlen eröffnet. Das Resultat wird nach Stimmenmehrheit gezogen, bei Stimmengleichheit, nach dem Loos, und das Protokoll wird von dem Regierungs-Commissär und der Wahl-Commission unterschrieben. A RT. 8. Die dritte Wahl ernennt die Abgeordneten. Die Wahlmänner eines jeden Bezirks wählen einen Abgeordneten zur zweiten Kammer. Sie versammeln sich hierzu innerhalb des Bezirks auf besondere Einladung des Regierungs-Commissärs, welcher, zur Leitung des Geschäfts, die 3 ältesten Wahlmänner zuzieht. Wählbar ist, wer in dem Großherzogthum entweder 100 fl. directe Steuern jährlich entrichtet, oder als Staatsdiener einen ständigen Gehalt von wenigstens 1000 fl. jährlich bezieht. Das Verzeichniß der erwähnten Besteuerten wird öffentlich bekannt gemacht. Zur Gültigkeit einer Wahl gehört die Abstimmung von wenigstens 45 der Wahlmänner und unbedingte Mehrheit der abgelegten Stimmen. In Ermangelung unbedingter Stimmenmehrheit nach zweimaliger Abstimmung, entscheidet bei einer dritten Abstimmung entweder relative Stimmenmehrheit, oder, bei Stimmengleichheit, das Loos. Jeder Wahlmann betheuert durch Handgelübde, daß er nach eigener Ueberzeugung für das Beste des Landes seine Stimme ablegen werde; daß er hierzu von Niemanden etwas erhalten habe, oder annehmen werde.

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H ESSEN -DARMSTADT Jeder Wahlmann erhält einen Wahlzettel, dessen innere Seite mit fortlaufender Zahl bezeichnet ist; er schreibt seinen Vorschlag auf die innere Seite und seinen eigenen Namen auf den Umschlag. Hierauf werden die Wahlzettel gesammelt, die äußeren Aufschriften mit der Liste der Stimmgeber verglichen, die Zettel aus den Umschlägen, (nachdem jeder die Aufschrift seines Namens anerkannt hat) herausgenommen, gemischt und eröffnet. Das Wahlprotokoll enthält jede Abstimmung, mit Beifügung der Zahl, und das Resultat; es wird sämmtlichen Wahlmännern vorgelesen, von dem Regierungs-Commissär und allen Anwesenden unterschrieben und sogleich mit sämmtlichen Wahlzetteln an die Provinzial-Regierung eingesendet. A RT. 9. Bei keiner dieser 3 Wahlen (Artikel 6., 7., 8.) kann ein Mitglied der ersten Kammer oder ein bei der Wahl der Abgeordneten des ansäßigen Adels Stimmfähiger oder Wählbarer Theil nehmen oder gewählt werden. A RT. 10. Wird ein Abgeordneter zugleich von mehreren Bezirken, oder von einem Bezirk und von einer Stadt erwählt, so steht ihm, binnen 3 Tagen nach erhaltener Bekanntmachung, die Auswahl zu, und die Wahlmänner, deren Wahl er nicht annimmt, wählen von neuem. Hat er in 3 Tagen nicht gewählt, so entscheidet die Regierung der Provinz, in welcher er wohnt, durch’s Loos. A RT. 11. Bevollmächtigte und Wahlmänner können ihre Wahl nicht ablehnen, nur in eigener Person handeln, und nicht sich selbst ihre Stimme geben. Sie werden auf 6 Jahre gewählt und sind von neuem wählbar. Während dieser Zeit findet die neue Wahl von Wahlmännern Statt: 1.) wenn ein solcher mit Tode abgegangen oder unfähig geworden ist, und die Zahl von 10 einschließlich der Ersatzmänner nicht mehr vollständig ist;

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2.) wenn die in den Artikeln 13. und 16. der landständischen Verfassungs-Urkunde vorgeschriebenen neuen Wahlen eintreten sollen. Die bisherigen Wahlmänner sind alsdann von neuem wählbar.

C Von den Abgeordneten der Städte A RT. 12. Die Vorschriften über die Ernennung der Abgeordneten aus den Wahlbezirken (Artikel 5. bis 11.) finden auch für die Ernennung der Abgeordneten aus den Städten Statt. Die Wahl der Bevollmächtigten (Artikel 6.) erfolgt unter besonderer Aufsicht des Regierungs-Commissärs. Eine Stadt, welche 2. Abgeordnete ernennt und, nach der im Artikel 6. bezeichneten Größe ihrer Bevölkerung weniger, als 40. Bevollmächtigte, zu wählen hätte, wählt dennoch 40.; und in denjenigen Städten, welche, nach dem Artikel 6., weniger, als 20. Bevollmächtigte, zu wählen hätten, werden dennoch 20. gewählt. In Einer Wahlhandlung werden von den Bevollmächtigten der Städte, welche 2. Abgeordnete zu ernennen haben, 20. Wahlmänner und 4. Ersatzmänner, und sodann von diesen die 2. Abgeordneten erwählt.

D Allgemeine Bestimmungen A RT. 13. Die Abgeordneten des angesessenen Adels, der Wahlbezirke und der Städte werden auf 6 Jahre gewählt, und sind von neuem wählbar. Während dieser 6 Jahre findet neue Wahl von Abgeordneten Statt: 1.) Wenn ein Abgeordneter in dieser Zeit stirbt oder unfähig wird; 2.) Wenn ein Gewählter die Wahl ablehnt. Dies kann er nur entweder wenn er Staatsbeamter ist, oder wegen ärztlich bescheinig-

V ERORDNUNG VON 1820 ter Krankheit, oder wenn häusliche Verhältnisse nach dem Zeugniß der vorgesetzten Behörde seine persönliche Gegenwart zu Hause wesentlich erfordern; 3.) Wenn die, in den Artikeln 13. und 16. der landständischen Verfassungs-Urkunde vorgeschriebenen neuen Wahlen eintreten. Die bisherigen Abgeordneten bleiben wählbar. A RT. 14. Mitglieder des Geheimen Ministeriums, Collegial-Vorstände, Geistliche, welche in einem Orte wohnen, der keinen andern Geistlichen derselben Confession besitzt, Justiz- oder Polizei-Beamte, angestellte Stadt- und Amts-Aerzte und Wundärzte, können nicht zu Abgeordneten erwählt werden. Andere Staatsbeamte können nur, nach erhaltenem Urlaub von Seiten der Staatsregierung, die Wahl annehmen. A RT. 15. Wie Capitalisten ein zur Wählbarkeit genügendes Eigenthum nachweisen können, bestimmt eine eigene Verordnung. A RT. 16. Wenn bei irgend einer Wahl die

gesetzliche Stimm-Freiheit beschränkt oder Bestechung angewendet worden ist, so wird die Wahl von der Kammer der Abgeordneten für ungültig erklärt, und jeder Schuldige hat, mit Vorbehalt anderer gesetzlicher Strafe, das Staatsbürgerrecht verwirkt. A RT. 17. Jede Wahlhandlung beschränkt sich auf den Gegenstand der vorgeschriebenen Wahlen. Darmstadt den 22. März 1820. Auf besonderen allerhöchsten Befehl. Großherzoglich Hessisches Geheimes Staats-Ministerium. Von Grolman. Jaup. Freiherr von Gruben. 1

Ediert nach Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1820, No. 14, Darmstadt, S. 113– 116. Die Verordnung ist Bestandteil der Verfassung. Siehe unter „Verfassung von Hessen-Darmstadt (1820)“ (Verfassungs-Urkunde des Großherzogthums Hessen, Darmstadt 1820, S. 1–40).

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Gesetz von 1821 Gesetz über die Verantwortlichkeit der Minister und obersten Staatsbeamten1

Ludewig von Gottes Gnaden Großherzog von Hessen und bei Rhein, etc. etc. Da Befehle, welche zu gesetzwidrigen Handlungen, oder zur Verletzung Unserer den Ständen gegebenen Zusagen führen könnten, nie von Unserem Willen ausgehen, sondern nur in einem Mißverständnisse gegründet seyn können, dessen Aufklärung Wir als eine Pflicht Unserer obersten Staatsdiener und Staatsbehörden betrachten, so haben Wir, nach Anhörung und mit Zustimmung Unserer getreuen Stände, für gut befunden, Folgendes gesetzlich zu verordnen: A RT. 1. Die Minister, das Ministerium und alle jetzige oder künftige höchste Administrativ-Stellen sollen, wenn ihre Verantwortlichkeit wegen gesetzwidriger Handlungen oder Nichterfüllung der Zusagen des Regenten an die Stände des Großherzogthums reclamirt wird, sich nie zur Entschuldigung auf angebliche Befehle des Regenten berufen können. A RT. 2. Die Verantwortlichkeit der Minister und obersten Staatsbeamten kann auch alsdann geltend gemacht werden, wenn sie, vor der wirklich erfolgten Anklage, ihr Amt niedergelegt haben, oder von demselben entfernt worden sind. A RT. 3. Unser Ober-Appellationsgericht ist das allein zuständige Gericht, um in Fällen, wo die in den vorhergehenden Artikeln erwähnte Verantwortlichkeit geltend gemacht werden soll, zu untersuchen und zu entscheiden.

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A RT. 4. Die Competenz des Ober-Appellationsgerichts tritt ein, wenn Wir einen Minister, oder obersten Staatsbeamten, sey es aus eigener Bewegung, oder zu Folge einer von beiden Kammern der Stände gemeinschaftlich beschlossenen und durch eine gemeinschaftliche Deputation Uns überreichten Anklage, in den Anklagestand versetzt haben. Im Falle einer solchen Anklage von Seiten der Stände werden Wir die Versetzung in den Anklagestand möglichst bald beschließen, wenn Wir es nicht für nothwendig erachten, Unsern getreuen Ständen zuvor noch nähere Erläuterungen ertheilen zu lassen. A RT. 5. Der angeklagte Minister, oder oberste Staatsbeamte kann verlangen, daß das Gericht wenigstens mit einem Präsidenten und sieben Räthen besetzt sey. A RT. 6. Dem Verurtheilten steht gegen das Erkenntniß das Rechtsmittel der Revision, mit allen Wirkungen der Appellation und eben so das Rechtsmittel der Restitution wegen neu aufgefundenen Thatsachen zu. A RT. 7. Ueber diese Rechtsmittel wird gleichfalls von dem nach Art. 5. besetzten Plenum des Ober-Appellationsgerichts entschieden. Im Falle der Revision sind jedoch der vorige Referent und Correferent ausgeschlossen und es müssen an dem neuen Urtheile wenigstens eben so viele neue Richter Antheil nehmen, als dabei solche

G ESETZ VON 1821 concurriren, welche das erste Urtheil mit gesprochen haben. A RT. 8. Ueber die Art und Weise, wie die Richter zu ergänzen seyen, wenn es im Falle des Art. 5. an der erforderlichen Anzahl der Richter fehlen, oder wenn im Falle des Art. 7. eine Adjunction erforderlich seyn sollte, werden Wir Unsern getreuen Ständen auf dem nächsten Landtage die zweckdienlichen Propositionen machen lassen. A RT. 9. Dieses Gesetz soll als integrirender Theil der Verfassung des Großherzogthums betrachtet werden.

Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und des hierauf gedruckten StaatsSiegels. Darmstadt, den 5. Juli 1821. (L. S.) L UDEWIG von Grolman

1

Ediert nach Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1821, No. 31, Darmstadt, S. 387– 388.

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Revision von 1842 Gesetz, die Abänderung der Art. 16 und 60 der VerfassungsUrkunde betreffend1

L UDWIG II. von Gottes Gnaden Großherzog von Hessen und bei Rhein etc. etc. Wir haben aus Veranlassung der Verkündigung des Strafgesetzbuchs für nothwendig erachtet, die Art. 16 und 60 der Verfassungsurkunde einer Revision zu unterwerfen, und haben daher, mit Zustimmung Unserer getreuen Stände, verordnet und verordnen, wie folgt: A RT. 1. Die rechtskräftige Verurtheilung zur Zuchthausstrafe zieht den Verlust des Staatsbürgerrechts nach sich. Dieselbe Folge hat die wegen Meineids rechtskräftig erkannte Correctionshausstrafe. A RT. 2. An der Ausübung des Staatsbürgerrechts ist, was die Untersuchungen wegen gemeiner Verbrechen oder Vergehen betrifft, gehindert: 1) in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen: Wer sich formell oder materiell im Zustande der Special-Inquisition befindet; 2) in der Provinz Rheinhessen: Wer in den Anklagestand versetzt, oder an das Kreisgericht verwiesen ist; in allen Fällen jedoch nur alsdann, wenn Todesstrafe, oder Zuchthausstrafe, oder Correctionshausstrafe wegen Meineids, den Schuldigen treffen kann. A RT. 3. Bei Militärpersonen ist die, im Eingange des vorhergehenden Artikels ausgedrückte Folge mit jeder Stellung vor das Gericht wegen Untersuchungen über die, in

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dem letzten Absatze des vorhergehenden Artikels genannten, Fälle verbunden. A RT. 4. Wer als Mitglied der einen oder der anderen Kammer auf Landtagen erscheinen will, darf, außer den Fällen der Art. 7 und 9 des gegenwärtigen Gesetzes, nie wegen Verbrechen oder Vergehen vor Gericht gestanden haben, ohne gänzlich freigesprochen worden zu seyn. Einem freisprechenden Erkenntnisse ist die Abolition, sowie der Verzicht des Beschädigten, insofern das Strafgesetzbuch das Verfahren von der Klage des Beschädigten abhängig macht, gleich zu achten. A RT. 5. Verbrechen oder Vergehen im Sinne des vorhergehenden Artikels sind nur diejenigen Handlungen oder Unterlassungen, welche in dem Strafgesetzbuche oder in dem Militärstrafgesetzbuche mit Strafe bedroht sind. A RT. 6. Wer wegen Zuwiderhandlungen gegen die Gesetze und Verordnungen über die indirecten Abgaben zu einer, die Dauer von einem Jahre übersteigenden, Freiheitsstrafe rechtskräftig verurtheilt worden ist, kann nicht als Mitglied der einen oder der anderen Kammer auf Landtagen erscheinen. A RT. 7. Die Unfähigkeit, als Mitglied der einen oder der anderen Kammer auf Landtagen zu erscheinen, haben nicht zur Folge die in den nachfolgenden Artikeln des Strafgesetzbuchs näher bezeichneten und dort mit Strafe bedrohten Handlungen, nämlich:

R EVISION VON 1842 1) Gewaltthätigkeit, Art. 167. 2) Widersetzung und Ungehorsam gegen gewisse obrigkeitliche Verfügungen, Art. 178, 179, 180. 3) Strafbare Privatvereine oder Verbindungen, Art. 182, 183, 184. 4) Verletzung der Amts- und Dienstehre, Art. 191, 192. 5) Störung religiöser Handlungen, Art. 193. 6) Befreiung der Gefangenen, Art. 199 Abs. 3. 7) Münzvergehen, Art. 211, 214. 8) Vergehen in Bezug auf von anderen nachgemachtes oder verfälschtes Stempelpapier, Art. 226. 9) Unbefugte Verfertigung öffentlicher Siegel u.s.w., Art. 228, 229, 230. 10) Ehrenkränkung, Art. 312. 11) Verletzung fremder Geheimnisse, Art. 410. 12) Brandstiftung aus Fahrlässigkeit, sofern keine Tödtung oder Körperverletzung eines Menschen verursacht worden ist, Art. 418 Abs. 1. 13) Ueberschwemmung aus Fahrlässigkeit, sofern keine Tödtung oder Körperverletzung eines Menschen verursacht worden ist, Art. 421. 14) Eigenthumsbeschädigung, sofern der angerichtete Schaden die Summe von fünfzig Gulden nicht übersteigt, Art. 424 Abs. 1. 15) Verbreitung einer Viehseuche aus Fahrlässigkeit, Art. 438. A RT. 8. Ebenso haben die militärischen Vergehen der Militärpersonen, wenn keine andere Strafe, als Verweis, Arreststrafe oder eine einfache Festungsstrafe bis zu einem Jahre einschließlich erkannt worden ist, die Unfähigkeit, als Mitglied der einen oder der anderen Kammer auf Landtagen zu erscheinen, nicht zur Folge. Diese Folge tritt jedoch stets ein, wenn eine Militärperson wegen Desertion, oder

wegen einer der in Art. 155 bis 159 einschließlich, Art. 165 bis 170 einschließlich, des Militärstrafgesetzbuchs mit Strafe bedrohten Handlungen verurtheilt worden ist. A RT. 9. Wer sich wegen folgender, in den nachstehend angeführten Artikeln des Strafgesetzbuchs näher bezeichneten und dort mit Strafe bedrohten Handlungen: 1) Ueberschreitung der Grenzen der Nothwehr, Art. 52. 2) Gewaltthätigkeit, Art. 165. 3) Nöthigung, Art. 168. 4) Widersetzung, Art. 176. 5) Befreiung der Gefangenen, Art. 201. 6) Tödtung aus Fahrlässigkeit, Art. 255. 7) Körperverletzung, Art. 262, 263, 264, 265, 269. 8) Beschädigung bei Raufhändeln, Art. 273 Nr. 5, einschließlich des letzten Satzes des Artikels, Art. 274 Nr. 2, 3 und 4, einschließlich des letzten Satzes des Artikels. 9) Vergiftung aus Fahrlässigkeit, Art. 279. 10) Zweikampf, Art. 292, 294. 11) Entführung. Art. 297 Abs. 3. 12) Ehrenkränkung, Art. 309, 310. 13) Doppelte Ehe (aus Irrthum), Art. 322 Abs. 2. 14) Eigenthumsbeschädigung, Art. 425. 15) Beschädigung durch Veränderung der Grenzzeichen, Art. 430. in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen: formell oder materiell im Zustande der Special-Inquisition, – in der Provinz Rheinhessen: im Anklagestand befindet oder an das Kreisgericht verwiesen ist, ist bis zu erfolgtem rechtskräftigem Erkenntnisse unfähig, als Mitglied der einen oder der anderen Kammer auf Landtagen zu erscheinen. Er erhält jedoch die Fähigkeit nicht nur alsdann wieder, wenn er freigesprochen wird, sondern auch dann, wenn keine höhere Strafe als Gefängniß, beziehungsweise Festung in den Fällen der Art.

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H ESSEN -DARMSTADT 292 und 294, gegen ihn rechtskräftig erkannt worden ist. A RT. 10. Der Art. 16 der Verordnung vom 22. März 1820 über die Wahlen zur Kammer der Abgeordneten bleibt unverändert in Kraft. A RT. 11. Der Art. 16 der Verfassungsurkunde, soweit er vorschreibt, daß jede rechtskräftige Verurtheilung zu einer peinlichen Strafe den Verlust des Staatsbürgerrechts nach sich zieht, und daß die Ausübung desselben durch Versetzung in den peinlichen Anklagestand oder Verhängung der Special-Inquisition gehindert wird, ferner der Art. 60 der Verfassungsurkunde, der Art. 4 des Gesetzes vom 29. October 1830, das Verfahren in Contraventionssachen gegen die Gesetze und Verordnungen über die indirecten Auflagen in der Provinz Rheinhessen betreffend, und endlich der Art. 5 des Gesetzes vom 17. September 1841, die Einführung des Strafgesetzbuchs betreffend, sind aufgehoben. A RT. 12. Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem Tage, an welchem es im Regierungsblatte erscheint, in Kraft. Wer jedoch vor diesem Tage wegen einer der in den Art. 7 und 9 des gegenwärtigen

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Gesetzes in Bezug genommenen strafbaren Handlungen vor Gericht gestanden und schuldig befunden worden, allein zu keiner nach Art und Größe höheren Strafe, als Gefängniß bis zu drei Monaten einschließlich, verurtheilt worden ist, soll gleichwohl fähig seyn, als Mitglied der einen oder der anderen Kammer auf Landtagen zu erscheinen. Ebenso wird in Bezug auf Abs. 1 des Art. 8 des gegenwärtigen Gesetzes verordnet, daß, wer vor dem bemerkten Tage wegen anderer militärischer Vergehen, als der im Art. 8 Abs. 2 erwähnten, zu keiner anderen Strafe als zu Verweis, Arreststrafe, oder einfacher Festungsstrafe bis zu einem Jahre verurtheilt worden ist, gleichwohl fähig seyn soll, als Mitglied der einen oder der anderen Kammer auf Landtagen zu erscheinen. Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und des beigedrückten Staatssiegels. Darmstadt am 28. September 1842. (L. S.) L UDWIG. du Thil. 1

Ediert nach Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1842, No. 37, Darmstadt, S. 517–521.

Erste Revision von 1848 Gesetz, die Freiheit der Presse betreffend1

L UDWIG von Gottes Gnaden Erbgroßherzog und Mitregent von Hessen und bei Rhein etc. etc.

A RT. 3. Der Art.1 des gegenwärtigen Gesetzes steht unter den Garantieen der Verfassungs-Urkunde.

Zur Ausführung des Art. 35 der Verfassungs-Urkunde bestimmen Wir mit Zustimmung Unserer getreuen Stände, wie folgt:

Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und des beigedrückten Staatssiegels.

A RT. 1. Die Presse ist frei. Die Censur ist aufgehoben, und darf nie wieder eingeführt werden.

Darmstadt am 16. März 1848.

A RT. 2. Jede Druckschrift muß mit dem Namen des Druckers und Verlegers, jede Zeitung mit dem Namen des Druckers und verantwortlichen Redacteurs versehen werden.

H. Gagern.

(L. S.) L UDWIG.

1

Ediert nach Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1848, No. 11, Darmstadt, S. 72.

271

Zweite Revision von 1848 Gesetz, das Petitions- und Versammlungsrecht betreffend1

L UDWIG von Gottes Gnaden Erbgroßherzog und Mitregent von Hessen und bei Rhein etc. etc.

A RT. 3. Gegenwärtiges Gesetz steht unter den Garantieen der Verfassungs-Urkunde.

Wir haben Uns bewogen gefunden, mit Zustimmung Unserer getreuen Stände zu verordnen, wie folgt:

Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und des beigedrückten Staatssiegels.

A RT. 1. Der Artikel 81 der VerfassungsUrkunde ist hinsichtlich aller darin enthaltenen Beschränkungen des Petitionsrechts aufgehoben. A RT. 2. Das Recht der Versammlungen zur Berathung über allgemeine politische oder Privat-Interessen kann frei ausgeübt werden.

272

Darmstadt am 16. März 1848. (L. S.) L UDWIG. H. Gagern.

1

Ediert nach Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1848, No. 11, Darmstadt, S. 72.

Dritte Revision von 1848 Gesetz, die religiöse Freiheit betreffend1

L UDWIG III. von Gottes Gnaden Großherzog von Hessen und bei Rhein etc. etc. Um den Grundsatz der Gewissensfreiheit vollständig durchzuführen, haben Wir, mit Zustimmung Unserer getreuen Stände, verordnet und verordnen hiermit, wie folgt: A RT. 1. Jedem Einwohner des Großherzogthums steht die freie und öffentliche Ausübung seines religiösen Cultus zu. Unter dem Vorwande der Religion dürfen jedoch weder die Gesetze des Staats oder der Sittlichkeit übertreten, noch Andere in ihren politischen, bürgerlichen oder religiösen Rechten beeinträchtigt werden. A RT. 2. Die Verschiedenheit des Religionsbekenntnisses hat keine Verschiedenheit in den politischen oder bürgerlichen Rechten zur Folge. Jede Unfähigkeit oder Beschränkung hinsichtlich der Ausübung von politischen oder

bürgerlichen Rechten und Rechtshandlungen, welche bisher als Folge der Verschiedenheit des Religionsbekenntnisses bestanden hat, ist aufgehoben. A RT. 3. Die Bestimmungen dieses Gesetzes genießen den Schutz der Verfassung. Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und des beigedrückten Staatssiegels. Darmstadt den 2. August 1848. (L.S.) L UDWIG. Jaup.

1

Ediert nach Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1848, No. 39, Darmstadt 1848, S. 231– 232.

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Erste Revision von 1849 Gesetz, die Zusammensetzung der beiden landständischen Kammern und die Wahlen der Abgeordneten betreffend1

L UDWIG III. Großherzog von Hessen und bei Rhein etc. etc. Wir haben mit Zustimmung Unserer getreuen Stände verordnet und verordnen hiermit, wie folgt: A RT. 1. Die nach der Verfassungsurkunde des Großherzogthums den Ständen zustehenden Rechte werden durch zwei, aus gewählten Vertretern des Volkes zusammengesetzte Kammern ausgeübt. A RT. 2. Die erste Kammer besteht aus 25, die zweite aus 50 Abgeordneten. A RT. 3. Die Abgeordneten zur zweiten Kammer werden unmittelbar von denjenigen Staatsbürgern des Großherzogthums gewählt, welche das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben; die zur ersten Kammer gleichfalls unmittelbar von denjenigen Staatsbürgern des Großherzogthums, welche das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben, überdieß aber dem Staate jährlich eine ordentliche directe Steuer von zwanzig Gulden bezahlen. Wenn jedoch in einem nach Anlage B. vereinigten Wahlbezirke keine 1000 Stimmberechtigte vorhanden sind, so soll die Zahl von 1000 durch die zunächst Höchstbesteuerten in diesem Bezirke ergänzt werden. A RT. 4. Das Recht, zu wählen, wird nicht ausgeübt von denjenigen, welche 1) nach Art. 16 der Verfassungsurkunde, beziehungsweise Art. 2 und 3 des Gesetzes vom 28. September 1842 (die Abänderung

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der Art. 16 und 60 der Verfassungsurkunde betreffend) – mit den aus dem Gesetze vom 23. Februar 1849 (betreffend einige Abänderungen an dem in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen bestehenden Strafproceß für Civilpersonen) und aus dem Nachtrage zu dem Gesetze vom 28. October 1848 (über die Einführung des öffentlichen und mündlichen Strafverfahrens mit Schwurgericht in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen) vom 23. Febr. 1849 hervorgehenden Modificationen – in der Ausübung ihres Staatsbürgerrechts gehindert sind; oder welche 2) zur Zeit der Wahl in einer öffentlichen Unterstützungsanstalt als Insassen sich befinden, oder während den letztvergangenen zwölf Monaten wegen Landstreicherei oder Bettelei rechtskräftig verurtheilt worden sind. A RT. 5. Zum Abgeordneten der ersten oder der zweiten Kammer wählbar ist jeder Hessische Staatsbürger, der am Tage der Eröffnung der Kammer oder, wenn die Wahl später erfolgt, am Tage der Wahl das 30. Lebensjahr zurückgelegt hat. A RT. 6. Mitglied der ersten oder der zweiten Kammer kann nicht seyn derjenige, welcher 1) nach Art. 16 der Verfassungsurkunde, beziehungsweise Art. 2 und 3 des Gesetzes vom 28. September 1842 (die Abänderung der Art. 16 und 60 der Verfassungsurkunde betreffend) – mit den aus dem Gesetze vom 23. Februar 1849 (betreffend einige

E RSTE R EVISION VON 1849 Abänderungen an dem in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen bestehenden Strafproceß für Civilpersonen) und aus dem Nachtrage zu dem Gesetze vom 28. October 1848 (über die Einführung des öffentlichen und mündlichen Strafverfahrens mit Schwurgericht in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen) vom 23. Febr. 1849 hervorgehenden Modificationen – in der Ausübung seines Staatsbürgerrechts gehindert ist; 2) wegen Diebstahls, Betrugs, Unterschlagung, Fälschung oder Meineids, – oder 3) wegen eines sonstigen im Straf- oder Militärstrafgesetzbuche genannten Verbrechens oder Vergehens zu Dienstentsetzung oder Correctionshaus auf ein Jahr oder länger – rechtskräftig verurtheilt worden ist. A RT. 7. Das Großherzogthum wird zum Zweck der Wahlen in 48 Wahlbezirke eingetheilt, welche in der Anlage A. zu diesem Gesetz näher bestimmt sind. A RT. 8. Die Wahlbezirke Darmstadt und Mainz wählen ein jeder zwei Abgeordnete, die übrigen Wahlbezirke wählen ein jeder einen Abgeordneten zur zweiten Kammer. A RT. 9. Die Wahlbezirke Darmstadt und Mainz wählen ein jeder einen Abgeordneten zur ersten Kammer. Von den übrigen Wahlbezirken werden je zwei nach Anlage B. zu diesem Gesetz zu einem Wahlbezirk vereinigt, welcher einen Abgeordneten zur ersten Kammer ernennt. A RT. 10. Die Regierung ernennt für einen jeden nach Anlage A. und B. gebildeten Wahlbezirk einen Wahlcommissär, der die Wahl zu leiten und die Beobachtung der Vorschriften dieses Gesetzes zu überwachen hat. A RT. 11. Sobald durch Unsere Verordnung die Vornahme der Wahlen verkündet

ist, hat auf Aufforderung des Wahlcommissärs für die Wahl zur ersten Kammer der Ortsvorstand einer jeden Gemeinde zwei Listen anzufertigen, wovon die eine die Stimmberechtigten bei der Wahl zur zweiten Kammer, und die andere die Stimmberechtigten bei der Wahl zur ersten Kammer enthält. Diese Listen müssen mindestens acht Tage vor der Wahl des Abgeordneten zur zweiten Kammer drei Tage lang auf dem Gemeindehause nach vorheriger Bekanntmachung offen gelegen haben. Ueber etwaige nur binnen dieser Frist zulässige Einwendungen entscheidet am vierten Tage die Wahlcommission und hat über dieselben und ihre Entscheidungen, je nachdem sie die Liste der Stimmfähigen bei der Wahl zur ersten oder zur zweiten Kammer betreffen, zwei besondere Protokolle aufzunehmen. Diese Wahlcommission besteht aus dem Bürgermeister oder dem Beigeordneten und aus zwei durch das Loos bestimmten Mitgliedern des Gemeinderaths. Finden sich nicht zwei Mitglieder des Gemeinderaths in einer Gemeinde, so zieht der Bürgermeister oder der Beigeordnete für jedes fehlende Gemeinderaths-Mitglied einen der älteren angesehenen Ortsbürger hinzu. Nach Ablauf des vierten Tages sendet die Wahlcommission eine Beurkundung darüber, daß die Listen die gesetzliche Zeit hindurch offen gelegen haben, an die betreffenden Wahlcommissäre ein. A RT. 12. Die Wahl erfolgt in den einzelnen Gemeinden vor der Wahlcommission der Gemeinde von den in dieser Gemeinde Wohnenden. Die Städte Darmstadt und Mainz werden durch die Wahlcommission in angemessene Districte getheilt. Dasselbe kann in den anderen Städten geschehen, in welchen dieß der Wahlcommission zweckmäßig erscheint. In jedem District ist ein eigenes Wahlbureau, aus einem Mitgliede des Gemeinde-

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H ESSEN -DARMSTADT raths und zwei anderen Ortsbürgern bestehend, niedergesetzt. Das Wahlbureau wird von der Wahlcommission ernannt. A RT. 13. Die Wahl erfolgt in jedem Wahlbezirk an einem und demselben Tage Vormittags von 8–12 und Nachmittags von 2–5 Uhr. Der Wahlcommissär hat den Tag und das Local der Wahl mindestens dreimal 24 Stunden vor Beginn der Wahl in jeder einzelnen Gemeinde durch öffentlichen Anschlag und durch öffentliches Ausrufen bekannt machen zu lassen. Soweit ausführbar, werden sämmtliche Wahlen in allen Bezirken an einem und demselben Tage vorgenommen. A RT. 14. Jeder Wähler zieht in dem Wahlzimmer einen der auf der innern Seite mit fortlaufenden Nummern versehenen Stimmzettel, trägt daselbst auf dieser Seite die Bezeichnung desjenigen, den er zu wählen beabsichtigt, ein, und legt den Zettel in den verschlossenen Stimmkasten. Wer des Schreibens unkundig ist, oder seinen Stimmzettel nicht selbst schreiben will, kann sich dazu eines Mitgliedes der Wahlcommission bedienen. Ueber den ganzen Wahlact ist ein Protokoll aufzunehmen, welches die Namen der Abstimmenden, jede Abstimmung mit Angabe der Nummer des betreffenden Stimmzettels, sowie auch das Resultat der Zusammenstellung der Stimmen zu enthalten hat. Es wird von der Wahlcommission unterschrieben und mit sämmtlichen Stimmzetteln und den sonstigen das fragliche Wahlgeschäft betreffenden Actenstücken an den Wahlcommissär eingesendet. Eine von der Wahlcommission gefertigte und unterzeichnete Abschrift dieses Protokolls bleibt zur Einsicht der Betheiligten drei Tage lang auf dem Gemeindehause offen liegen. In den Städten Darmstadt und Mainz, überhaupt in den Städten, welche durch die Wahlcommis-

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sion nach Art. 12 in Wahldistricte getheilt werden, wird die erste Berechnung des Resultats von den Wahlbureaus, die zweite von der Wahlcommission vorgenommen, an welche jedes einzelne Wahlbureau alsbald sämmtliche Acten einzusenden hat. Andere als die bei der Wahl ausgetheilten Stimmzettel, sowie solche, welche nicht von dem Wähler oder für denselben von einem Mitgliede der Wahlcommission geschrieben sind, oder welche aus dem Wahlzimmer verbracht worden, hat die Wahlcommission nicht zuzulassen; und Stimmzettel, welche den Gewählten nicht hinreichend erkennbar bezeichnen, bleiben bei der Zusammenstellung unberücksichtigt. Eines jeden solchen Umstandes muß jedoch im Protokoll Erwähnung geschehen. Stimmt die Zahl der Stimmzettel mit der Zahl derjenigen, welche nach dem Protokoll abgestimmt haben, in der einen oder der anderen Gemeinde nicht überein, so werden, wenn diese Unregelmäßigkeiten auf das Ergebniß der Wahl von Einfluß seyn sollten, in den betreffenden Gemeinden auf Anordnung des Wahlcommissärs neue Wahlen vorgenommen. A RT. 15. Der Wahlcommissär stellt unter Zuziehung der Wahlcommission des Hauptwahlortes das Resultat der Wahl zusammen, errichtet hierüber ein Protokoll und macht das Ergebniß öffentlich bekannt. Hauptwahlort ist derjenige Ort, von welchem der ganze Wahlbezirk seinen Namen hat. Um gültig gewählt zu seyn, muß man wenigstens eine Stimme mehr haben, als die Hälfte sämmtlicher, die gültig abgestimmt haben, beträgt (absolute Majorität). Anderenfalls ordnet der Wahlcommissär eine neue Wahl an. Bei der zweiten Wahl ist derjenige als gewählt anzusehen, der die meisten Stimmen erhalten hat (relative Majorität). Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos, welches von einem Mitgliede der Wahlcommission gezogen wird.

E RSTE R EVISION VON 1849 A RT. 16. Der Wahlcommissär macht dem Gewählten und dem Wahlcommissär für die Wahl zur ersten Kammer des betreffenden Bezirks unverweilt die Anzeige von der Wahl und sendet dem Ministerium des Innern die Acten ein. A RT. 17. Sobald der Wahlcommissär für die Wahl zur ersten Kammer vermittelst der in dem vorigen Artikel gedachten Anzeige Kenntniß davon erhalten, daß die Abgeordneten zur zweiten Kammer in dem Bezirke gewählt sind, ordnet er die Wahl eines Abgeordneten zur ersten Kammer an.

Solange ein Abgeordneter nicht erklärt hat, die Wahl ablehnen zu wollen, wird präsumirt, er habe dieselbe angenommen. A RT. 21. Sobald ein Abgeordneter von mehreren Wahlbezirken oder in die erste und in die zweite Kammer gewählt worden ist, hat das Ministerium des Innern denselben zur Erklärung aufzufordern, welche Wahl er annehmen wolle. Ist diese Erklärung nicht innerhalb acht Tage nach Empfang der Aufforderung erfolgt, so entscheidet das Ministerium durch das Loos.

A RT. 18. Diese Wahl wird unter Anwendung sämmtlicher in Artikel 12, 13, 14 und 15 enthaltenen Vorschriften, und nachdem das Resultat der in dem Bezirke erfolgten Wahlen zur zweiten Kammer mindestens drei Tage zuvor in den Gemeinden öffentlich bekannt gemacht worden ist, bei denselben Wahlcommissionen und Wahlbureaus, bei denen die Wahlen zur zweiten Kammer stattfinden, vorgenommen. Hauptwahlort ist bei den Wahlbezirken Darmstadt und Mainz, die Stadt Darmstadt und die Stadt Mainz und bei den übrigen Wahlbezirken nach der Bestimmung des Wahlcommissärs einer der Hauptwahlorte zur Wahl für die zweite Kammer.

A RT. 22. Die Dauer der Wahlen wird auf sechs Jahre bestimmt. Während dieser Zeit findet außer dem Falle einer Auflösung eine neue Wahl von Abgeordneten nur dann statt: 1) wenn ein Abgeordneter stirbt; 2) wenn ein Abgeordneter die Wahl ablehnt oder seine Stelle niederlegt; 3) wenn ein Abgeordneter nach Art. 6 unfähig wird; 4) wenn einem Abgeordneten ein öffentliches Amt oder einem bereits im Besitze eines solchen Amtes befindlichen Abgeordneten eine höhere Stelle übertragen wird. Der hiernach Austretende ist jedoch wieder wählbar.

A RT. 19. Nach Erledigung der Wahl macht der Wahlcommissär dem Gewählten die Wahl bekannt und sendet dem Ministerium des Innern die Acten ein.

A RT. 23. Oeffentliche Beamte bedürfen zum Eintritt in eine der beiden Kammern keines Urlaubs.

A RT. 20. Jeder Abgeordnete kann zu jeder Zeit, ohne Angabe von Gründen, die Wahl ablehnen, oder seine Stelle niederlegen. Dieses geschieht durch eine Anzeige bei dem Ministerium des Innern oder, wenn die Kammern versammelt sind, durch eine Anzeige bei dem Präsidenten der Kammer, deren Mitglied der Austretende ist. Der Präsident der Kammer hat dem Ministerium des Innern von der Austrittsanzeige alsbald Nachricht zu geben.

A RT. 24. Der Art. 93 der Verfassungsurkunde wird dahin abgeändert, daß zu einem gültigen Beschlusse der ersten Kammer die Abstimmung von wenigstens 13 Mitgliedern gehört. Ebenso ist zu einem in Art. 110 der Verfassungsurkunde erwähnten Beschlusse die Zustimmung von wenigstens 13 Mitgliedern erforderlich. A RT. 25. Alle mit den Vorschriften dieses Gesetzes im Widerspruch stehenden Bestimmungen und insbesondere:

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H ESSEN -DARMSTADT 1) die Art. 51–61 der Verfassungsurkunde, jedoch mit Ausnahme der in dem ersten Absatze des Art. 61 enthaltenen Bestimmung, wonach kein Mitglied der einen oder der andern Kammer sein Stimmrecht durch einen Stellvertreter ausüben lassen, oder für seine Stimme Instructionen annahmen darf; 2) §. 16 des Edicts vom 17. Feburar 1820, die standesherrlichen Rechtsverhältnisse betreffend; 3) die Verordnung vom 22. März 1820 über die Vornahme der Wahlen, mit Ausnahme des Art. 16, der auch auf die Wahlen zur ersten Kammer ausgedehnt wird; 4) die Verordnung vom 29. März 1820 über die Bildung der Wahlbezirke; 5) die Verordnung vom 31. März 1820 über die Wählbarkeit der Kapitalisten; 6) die Art. 4–9 des Gesetzes vom 28. September 1842, die Abänderung der Art. 16 und 60 der Verfassungsurkunde betreffend, sind aufgehoben und es treten an ihre Stelle die Bestimmungen dieses Gesetzes. Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und des beigedrückten Staatssiegels. Darmstadt, den 3. September 1849. (L. S.) L UDWIG Jaup.

ANLAGE A Verzeichniß der Wahlbezirke für die Wahlen der Abgeordneten zur zweiten Kammer der Landstände, mit Angabe der dazu gehörigen Orte

A. Provinz Starkenburg I. und II. Darmstadt 1. Arheilgen. 2. Bessungen. 3. Darmstadt. 4. Eberstadt.

278

III. Zwingenberg 1. Alsbach. 2. Auerbach. 3. Balkhausen. 4. Beedenkirchen. 5. Bickenbach. 6. Fehlheim. 7. Großhausen. 8. Hähnlein. 9. Hartenau. 10. Hochstädten. 11. Jugenheim. 12. Kleinhausen. 13. Langwaden. 14. Malchen. 15. Niederbeerbach. 16. Oberbeerbach. 17. Pfungstadt. 18. Rodau. 19. Schmalbeerbach. 20. Schwanheim. 21. Seeheim. 22. Staffel. 23. Stettbach. 24. Wurzelbach. 25. Zwingenberg.

IV. Bensheim 1. Bensheim. 2. Bobstadt. 3. Bürstadt. 4. Elmshausen. 5. Gadernheim. 6. Gronau. 7. Hohenstein. 8. Lautern. 9. Lorsch. 10. Raidelbach. 11. Reichenbach. 12. Schönberg. 13. Seehof. 14. Wilmshausen. 15. Zell.

V. Heppenheim 1. Erbach. 2. Heppenheim. 3. Hofheim. 4. Hüttenfeld. 5. Kirschhausen. 6. Lampertheim. 7. Oberhambach. 8. Oberlaudenbach. 9. Sonderbach. 10. Unterhambach. 11. Viernheim. 12. Walderlenbach.

VI. Fürth 1. Affolterbach. 2. Albersbach. 3. Aschbach. 4. Bonsweiher. 5. Breitenwiesen. 6. Brombach. 7. Dürrellenbach. 8. Ellenbach. 9. Erlenbach. 10. Eulsbach. 11. Fahrnbach. 12. Fürth. 13. Gadern. 14. Glattbach. 15. Grasellenbach. 16. Großbreitenbach. 17. Hammelbach. 18. Hartenrod. 19. Hiltersklingen diesseits. 20. Igelsbach. 21. Kleinbreitenbach. 22. Knoden. 23. Kocherbach. 24. Kolmbach. 25. Kröckelbach. 26. Krumbach. 27. Lautenweschnitz. 28. Lindenfels. 29. Linnenbach. 30. Litzelbach. 31. Litzelrimbach. 32. Lörzenbach. 33. Mitlechtern. 34. Mittershausen. 35. Mörlenbach mit Niedermumbach. 36. Münschbach. 37. Oberliebersbach. 38. Oberschaarbach. 39. Rimbach. 40. Schannenbach. 41. Scheuerberg.

E RSTE R EVISION VON 1849 42. Schlierbach. 43. Seidenbach. 44. Seidenbuch. 45. Steinbach. 46. Unterschaarbach. 47. Wahlen. 48. Weschnitz. 49. Winkel. 50. Zotzenbach mit Untermengelbach.

VII. Waldmichelbach 1. Birkenau. 2. Buchklingen. 3. Corsika. 4. Darsberg. 5. Gorxheim. 6. Grein. 7. Hirschhorn. 8. Hornbach. 9. Kallstadt. 10. Kreidach. 11. Kunzenbach. 12. Langenthal. 13. Löhrbach. 14. Ludwigsdorf. 15. Mackenheim mit Schnorrnbach. 16. Neckarhausen. 17. Neckarsteinach. 18. Niederliebersbach. 19. Oberabtsteinach. 20. Obermumbach. 21. Oberschönmattenwaag. 22. Reisen mit Schimbach. 23. Rohrbach. 24. Schönbrunn. 25. Siedelsbrunn. 26. Trösel. 27. Unterabtsteinbach. 28. Unterflockenbach mit Eichelberg. 29. Unterschönmattenwaag. 30. Vöckelsbach mit Obermengelbach. 31. Waldmichelbach. 32. Weiher.

VIII. Beerfelden 1. Airlenbach. 2. Beerfelden. 3. Bullau. 4. Ebersberg. 5. Elsbach. 6. Etzean. 7. Eutergrund. 8. Falkengesäß. 9. Finkenhof. 10. Gammelsbach. 11. Günterfürst. 12. Gütersbach (Erbach Fürstenau). 13. Hainbrunn. 14. Haisterbach. 15. Hebstahl. 16. Hesselbach. 17. Hetzbach. 18. Hiltersklingen jenseits. 19. Hinterbach. 20. Hohberg. 21. Hohstadt. 22. Hüttenthal. 23. Kailbach links vom Itterbach. 24. Kailbach rechts vom Itterbach. 25. Kortelshütte. 26. Kürnbach. 27. Lauerbach. 28. Oberfinkenbach. 29. Obersensbach. 30. Olfen. 31. Raubach. 32. Roßbach. 33. Rothenberg. 34. Schöllenbach. 35. Schönnen. 36. Unterbeerfelden. 37. Unterfinkenbach. 38. Untermossau. 39. Untersensbach. 40. Wimpfen am Berg. 41. Wimpfen, Forstbezirk. 42. Wimpfen im Thal.

IX. Michelstadt 1. Asselbrunn. 2. Bockenrod. 3. Dorferbach. 4. Erbach, Stadt. 5. Erbuch. 6. Erlenbach. 7. Ernsbach. 8. Erzbach. 9. Eulbach. 10. Großgumpen. 11. Kirchbeerfurth. 12. Kleingumpen. 13. Langenbrombach (Fürstenauer Seits). 14. Laudenau. 15. Michelstadt. 16. Momart. 17. Niederkainsbach. 18. Obergersprenz mit Untergersprenz. 19. Oberkainsbach. 20. Oberkleingumpen. 21. Obermossau. 22. Oberostern. 23. Pfaffenbeerfurth. 24. Rehbach. 25. Rohrbach. 26. Steinbach. 27. Steinbuch. 28. Stockheim. 29. Unterostern. 30. Weitengesäß. 31. Winterkasten. 32. Würzberg. 33. Zell.

X. König 1. Affhöllerbach. 2. Annelsbach. 3. Birkert (Breuberger Seits). 4. Birkert (Habitzheimer Seits). 5. Böllstein mit Kilsbach. 6. Breitenbrunn. 7. Dusenbach. 8. Etzengesäß. 9. Forstel. 10. Fürstengrund. 11. Gumpersberg. 12. Haingrund. 13. Hainstadt. 14. Hembach. 15. Hetschbach. 16. Höchst. 17. Höllerbach. 18. Hummetroth. 19. Kimbach. 20. Kirchbrombach. 21. König. 22. Langenbrombach (Breuberger Seits). 23. Lützelwiebelsbach. 24. Mittelkinzig. 25. Mühlhausen. 26. Mümlinggrumbach. 27. Neustadt. 28. Niederkinzig. 29. Oberkinzig. 30. Ohrenbach. 31. Pfirschbach. 32. Rai-Breitenbach. 33. Rimhorn. 34. Rosenbach. 35. Sandbach. 36. Seckmauern. 37. Stierbach. 38. Vielbrunn. 39. Wallbach.

XI. Großbieberau 1. Allertshofen. 2. Asbach. 3. Bierbach diesseits. 4. Bierbach jenseits. 5. Billings. 6. Brandau. 7. Brensbach. 8. Eberbach, Erbachischer Antheil. 9. Eberbach, Gemmingen’scher Antheil. 10. Erlau. 11. Ernsthofen. 12. Fränkisch-Crumbach. 13. Frankenhausen. 14. Frohnhofen. 15. Großbieberau. 16. Güttersbach (v. Gemmingen). 17. Hahn.

279

H ESSEN -DARMSTADT 18. Herchenrode. 19. Hoxhohl. 20. Kleinbieberau. 21. Lichtenberg. 22. Lützelbach. 23. Meßbach. 24. Michelbach. 25. Neunkirchen. 26. Neutsch. 27. Niedermodau. 28. Niedernhausen. 29. Nonrod. 30. Obermodau. 31. Obernhausen. 32. Oberramstadt. 33. Reichelsheim. 34. Rodau. 35 Rohrbach. 36. Steinau. 37. Webern. 38. Wembach. 39. Wersau.

13. Mühlheim. 14. Obertshausen. 15. Rembrücken. 16. Seligenstadt. 17. Steinheim. 18. Weißkirchen. 19. Zellhausen.

XII. Reinheim 1. Dieburg. 2. Georgenhausen. 3. Großzimmern. 4. Gundernhausen. 5. Kleinzimmern. 6. Niederramstadt. 7. Reinheim. 8. Roßdorf. 9. Spachbrücken. 10. Traisa. 11. Ueberau. 12. Waschenbach. 13. Zeilhard.

1. Baierseich. 2. Braunshard. 3. Dreieichenhain. 4. Egelsbach. 5. Erzhausen. 6. Götzenhain. 7. Gräfenhausen. 8. Grießheim. 9. Kelsterbach. 10. Langen. 11. Mörfelden. 12. Offenthal. 13. Philippseich. 14. Schneppenhausen. 15. Treburer Hof, Forsthaus. 16. Walldorf. 17. Weiterstadt. 18. Wixhausen.

XIII. Umstadt

XVIII. Großgerau

1. Dorndiel. 2. Fraunauses. 3. Habitzheim. 4. Hassenroth. 5. Hering. 6. Heubach. 7. Kleestadt. 8. Kleinumstadt. 9. Lengfeld. 10. Mosbach. 11. Niederklingen. 12. Oberklingen. 13. Obernauses. 14. Radheim. 15. Raibach. 16. Richen. 17. Schaafheim. 18. Schlierbach. 19. Schloßnauses. 20. Semd. 21. Umstadt. 22. Waldamorbach. 23. Wiebelsbach. 24. Zipfen.

1. Astheim. 2. Bauschheim. 3. Berkach. 4. Bischhofsheim. 5. Büttelborn. 6. Dornberg. 7. Dornheim. 8. Geinsheim. 9. Ginsheim. 10. Großgerau. 11. Haßloch. 12. Kleingerau. 13. Königstädten. 14. Leeheim. 15. Nauheim. 16. Raunheim. 17. Rüsselsheim. 18. Trebur. 19. Wallerstädten. 20. Worfelden.

XVI. Offenbach 1. Bieber. 2. Bürgel. 3. Neuisenburg. 4. Offenbach. 5. Sprendlingen. 6. Wildhof.

XVII. Langen

XIX. Gernsheim XIV. Babenhausen 1. Altheim. 2. Babenhausen. 3. Dietzenbach. 4. Dudenhofen. 5. Eppertshausen. 6. Harpertshausen. 7. Harreshausen. 8. Hergershausen. 9. Jügesheim. 10. Langstadt 11. Messel. 12. Messenhausen. 13. Münster. 14. Niederroden. 15. Oberroden. 16. Sickenhofen. 17. Thomashütte. 18. Urberach.

1. Biblis. 2. Biebesheim. 3. Crumstadt. 4. Eich. 5. Erfelden. 6. Eschollbrücken. 7. Gernsheim. 8. Goddelau. 9. Großrohrheim. 10. Hahn. 11. Kleinrohrheim. 12. Nordheim. 13. Stockstadt. 14. Wattenheim. 15. Wolfskehlen.

B. Provinz Oberhessen I. Gießen

XV. Seligenstadt 1. Dietesheim. 2. Froschhausen. 3. Hainhausen. 4. Hainstadt. 5. Hausen. 6. Heusenstamm. 7. Kleinauheim. 8. Kleinkrotzenburg. 9. Kleinsteinheim. 10. Kleinwelzheim. 11. Lämmerspiel. 12. Mainflingen.

280

1. Allendorf a. d. Lahn. 2. Annerod. 3. Daubringen. 4. Gießen. 5. Hermannstein. 6. Heuchelheim. 7. Kirchberg. 8. Kleinlinden. 9. Lollar. 10. Mainzlar. 11. Naunheim. 12. Ruttershausen. 13. Staufenberg. 14. Trohe. 15. Waldgirmes. 16. Wieseck.

E RSTE R EVISION VON 1849

II. Battenberg 1. Allendorf a. d. Eder. 2. Altenlothheim. 3. Asel. 4. Basdorf. 5. Battenberg. 6. Battenfeld. 7. Berghofen. 8. Biebighausen. 9. Bromskirchen. 10. Buchenberg. 11. Deißfeld. 12. Dodenau. 13. Dorfitter. 14. Eifa bei Battenberg. 15. Eimelrod. 16. Fronhausen bei Battenberg. 17. Harbshausen. 18. Hatzfeld. 19. Hemmighausen. 20. Herzhausen. 21. Höringhausen. 22. Holzhausen. 23. Kirchlothheim. 24. Leisa. 25. Marienhagen. 26. Niederorke. 27. Oberasphe. 28. Obernburg. 29. Oberwerba. 30. Reddighausen. 31. Rennertehausen. 32. Schmittlothheim. 33. Thalitter. 34. Vöhl.

III. Biedenkopf 1. Achenbach. 2. Allendorf bei Friedensdorf. 3. Biedenkopf. 4. Breidenbach. 5. Breidenstein. 6. Buchenau. 7. Dautphe. 8. Debach. 9. Eckelshausen. 10. Elmshausen. 11. Engelbach. 12. Friedensdorf. 13. Gönnern. 14. Homertshausen. 15. Katzenbach. 16. Kleingladenbach. 17. Kombach. 18. Mornshausen a. d. Dautphe. 19. Niederdieten. 20. Niedereisenhausen. 21. Niederhörlen. 22. Oberdieten. 23. Obereisenhausen. 24. Oberhörlen. 25. Quotshausen. 26. Roth. 27. Silberg. 28. Simmersbach. 29. Wallau. 30. Weifenbach. 31. Wiesenbach. 32. Wolfgruben. 33. Wolzhausen.

IV. Gladenbach 1. Ammenhausen. 2. Bellnhausen. 3. Bieber. 4. Bischoffen. 5. Bottenhorn. 6. Crumbach. 7. Damshausen. 8. Dernbach. 9. Diedenshausen. 10. Endbach. 11. Erdhausen. 12. Fellingshausen. 13. Frankenbach. 14. Frechenhausen. 15. Friebertshausen. 16. Frohnhausen bei Gladenbach. 17. Gladenbach. 18. Günterod. 19. Hartenrod. 20. Herzhausen. 21. Holzhausen. 22. Hülshof. 23. Kehlnbach. 24. Königsberg. 25. Lixfeld.

26. Mornshausen a. d. Salzböde. 27. Niederweidbach. 28. Oberweidbach. 29. Rachelshausen. 30. Rodheim. 31. Römershausen. 32. Roßbach. 33. Rüchenbach. 34. Runzhausen. 35. Schlierbach. 36. Sinkershausen. 37. Steinperf. 38. Weidenhausen. 39. Wilsbach. 40. Wommelshausen.

V. Homberg 1. Appenrod. 2. Arnshain. 3. Atzenhain. 4. Bernsburg. 5. Bernsfeld. 6. Bleidenrod. 7. Büßfeld. 8. Burggemünden. 9. Dannerod. 10. Deckenbach. 11. Ehringshausen bei Oberndorf. 12. Elpenrod. 13. Erbenhausen. 14. Ermenrod. 15. Felda (Groß- und Kleinfelda). 16. Gleimenhain. 17. Gontershausen. 18. Groß- und Kleinlumda. 19. Haarhausen. 20. Hainbach. 21. Höingen. 22. Homberg a. d. Ohm. 23. Kirtorf. 24. Lehrbach. 25. Maulbach. 26. Niedergemünden. 27. Niederofleiden. 28. Niederohmen. 29. Obergleen. 30. Oberofleiden. 31. Otterbach. 32. Rülfenrod. 33. Schadenbach. 34. Schellnhausen. 35. Wahlen. 36. Wettsaasen.

VI. Alsfeld 1. Alsfeld. 2. Altenburg. 3. Angerod. 4. Bieben. 5. Billertshausen. 6. Brauerschwend. 7. Eifa. 8. Elbenrod. 9. Eudorf. 10. Fischbach. 11. Heidelbach. 12. Heimertshausen. 13. Hergersdorf. 14. Hopfgarten. 15. Kestrich. 16. Leisel. 17. Liederbach. 18. Münchleusel. 19. Niederbreidenbach. 20. Oberbreidenbach. 21. Obersorg. 22. Reibertenrod. 23. Reimeroth. 24. Reinroth. 25. Renzendorf. 26. Romrod. 27. Schwabenrod. 28. Schwarz. 29. Storndorf. 30. Strebendorf. 31. Untersorg. 32. Vadenrod. 33. Wallersdorf. 34. Windhausen. 35. Zell.

VII. Lauterbach 1. Almenrod. 2. Angersbach. 3. Bernshausen. 4. Eulersdorf. 5. Fraurombach. 6. Grebenau. 7. Hartershausen. 8. Heblos. 9.

281

H ESSEN -DARMSTADT Hemmen. 10. Hutzdorf. 11. Lauterbach. 12. Maar. 13. Niederstoll. 14. Oberwegfurth. 15. Pfordt. 16. Queck. 17. Reuters. 18. Rimbach. 19. Rimlos. 20. Sandlofs. 21. Schlitz. 22. Sickendorf. 23. Udenhausen. 24. Uellershausen. 25. Uetzhausen. 26. Unterschwarz. 27. Unterwegfurt. 28. Wallenrod. 29. Wernges. 30. Willofs.

VIII. Herbstein 1. Altenschlirf. 2. Bannerod. 3. Blitzenrod. 4. Dirlammen. 5. Eichelhain. 6. Eichenrod. 7. Eisenbach. 8. Engelrod. 9. Fleschenbach. 10. Freiensteinau. 11. Frischborn. 12. Gunzenau. 13. Heisters. 14. Helpershain. 15. Herbstein. 16. Hörgenau. 17. Holzmühl. 18. Hopfmannsfeld. 19. Ilbeshausen. 20. Köddingen. 21. Landenhausen. 22. Lanzenhain. 23. Meiches. 24. Metzlos. 25. Metzlosgehag. 26. Niedermoos. 27. Rösberts. 28. Obermoos. 29. Oberseibertenrod. 30. Radmühl. 31. Rebgeshain. 32. Reichlos. 33. Rixfeld. 34. Rudlos. 35. Salz. 36. Schadges. 37. Schlechtenwegen. 38. Steinfurth. 39. Stockhausen. 40. Stumpertenrod. 41. Ulrichstein. 42. Veitshain. 43. Weidmoos. 44. Wünschenmoos. 45. Zahmen.

X. Grünberg 1. Allendorf a. d. Lumda. 2. Allertshausen. 3. Beltershain. 4. Bollnbach. 5. Climbach. 6. Flensungen. 7. Geilshausen. 8. Göbelnrod. 9. Großeneichen. 10. Grünberg. 11. Haarbach. 12. Höckersdorf. 13. Ilsdorf mit Solms-Ilsdorf. 14. Kesselbach. 15. Kirschgarten. 16. Kleineichen. 17. Lauter. 18. Lehnheim. 19. Lindenstruth. 20. Londorf. 21. Merlau. 22. Oberohmen. 23. Odenhausen. 24. Queckborn. 25. Reinhardshain. 26. Rüdingshausen. 27. Ruppertenrod. 28. Saasen. 29. Stangenrod. 30. Stockhausen. 31. Unterseibertenrod. 32. Weickartshain. 33. Weitershain. 34. Winnerod. 35. Zeilbach.

XI. Hungen 1. Bellersheim. 2. Berstadt. 3. Bettenhausen. 4. Birklar. 5. Einartshausen. 6. Gonterskirchen. 7. Graß, Hof. 8. Hungen. 9. Inheiden. 10. Langd. 11. Langsdorf. 12. Laubach, Waldgemarkung. 13. Münzenberg. 14. Muschenheim. 15. Niederbessingen. 16. Nonnenroth. 17. Obbornhofen. 18. Rabertshausen. 19. Ringelshausen, Hof. 20. Rodheim a. d. Horloff. 21. Röthges. 22. Ruppertsburg. 23. Steinheim. 24. Traishorloff. 25. Traismünzenberg. 26. Ulfa. 27. Utphe. 28. Villingen. 29. Wetterfeld. 30. Wölfersheim. 31. Wohnbach.

IX. Schotten XII. Lich 1. Altenhain. 2. Bermuthshain. 3. Betzenrod. 4. Bobenhausen II. bei Ulrichstein. 5. Breungesheim. 6. Burkhards. 7. Busenborn. 8. Crainfeld. 9. Eschenrod. 10. Feldkrücken. 11. Freienseen. 12. Götzen. 13. Grebenhain. 14. Hartmannshain. 15. Herchenhain. 16. Kaulstoß. 17. Kölzenhain. 18. Lardenbach. 19. Laubach. 20. Michelbach. 21. Rainrod. 22. Rüdingshain. 23. Schmitten. 24. Schotten. 25. Sellnrod. 26. Sichenhausen. 27. Stornfels. 28. Wingershausen. 29. Wohnfeld.

282

1. Albach. 2. Altenbuseck. 3. Arnsburg. 4. Bersrod. 5. Beuern. 6. Burkhardsfelden. 7. Dorfgill. 8. Eberstadt. 9. Ettingshausen. 10. Garbenteich. 11. Großenbuseck. 12. Großenlinden. 13. Grüningen. 14. Hattenrod. 15. Hausen. 16. Leihgestern. 17. Lich. 18. Mühlsachsen. 19. Münster. 20. Oberbessingen. 21. Oberhörgern. 22. Oppenrod. 23. Reiskirchen. 24. Rödgen. 25. Steinbach, Landgericht Gießen. 26. Steinberg. 27. Watzenborn.

E RSTE R EVISION VON 1849

XIII. Butzbach

XVII. Ortenberg

1. Bodenrod. 2. Butzbach. 3. Fauerbach I. bei Butzbach. 4. Gambach. 5. Griedel. 6. Hausen. 7. Hochweisel. 8. Holzheim. 9. Kirchgöns. 10. Langgöns. 11. Maibach. 12. Münster. 13. Niedermörlen. 14. Niederweisel. 15. Obermörlen. 16. Oes. 17. Oppershofen. 18. Ostheim. 19. Pohlgöns. 20. Rockenberg. 21. Ziegenberg mit Langenhain.

1. Bergheim. 2. Bindsachsen. 3. Bleichenbach. 4. Bobenhausen I. bei Ortenberg. 5. Bösgesäß diesseits der Bracht. 6. Burgbracht. 7. Conradsdorf. 8. Eckartsborn. 9. Effolderbach. 10. Gedern. 11. Gelnhaar diesseits. 12. Gelnhaar jenseits. 13. Hirzenhain. 14. Hitzkirchen. 15. Illnhausen. 16. Kefenrod. 17. Lißberg. 18. Merkenfritz. 19. Mittelseemen. 20. Niedermorstadt. 21. Niederseemen. 22. Obermorstadt. 23. Oberseemen. 24. Ortenberg. 25. Ranstadt. 26. Schwickartshausen. 27. Selters. 28. Staden. 29. Steinberg. 30. Usenborn. 31. Volkartshain. 32. Wenings. 33. Wernings. 34. Wippenbach.

XIV. Friedberg 1. Assenheim. 2. Bauernheim. 3. Bönstadt. 4. Bruchenbrücken. 5. Fauerbach II. bei Friedberg. 6. Friedberg. 7. Ilbenstadt. 8. Niederrosbach. 9. Niederwöllstadt. 10. Oberflorstadt. 11. Oberrosbach. 12. Oberwöllstadt. 13. Ockstadt. 14. Ossenheim. 15. Rodheim v. d. Höhe. 16. Stammheim. 17. Unterflorstadt mit Hinsbach. 18. Wickstadt.

XV. Vilbel 1. Büdesheim. 2. Burggräfenrode. 3. Großkarben. 4. Heldenbergen. 5. Holzhausen v. d. Höhe. 6. Kaichen. 7. Kleinkarben. 8. Kloppenheim. 9. Niedereschbach. 10. Niederursel. 11. Obererlenbach. 12. Obereschbach. 13. Okarben. 14. Petterweil. 15. Rendel. 16. Rödelheim. 17. Steinbach, Landgerichts Rödelheim. 18. Vilbel.

XVI. Nidda 1. Beienheim. 2. Bellmuth. 3. Bingenheim. 4. Bisses. 5. Blofeld. 6. Borsdorf. 7. Dauernheim. 8. Echzell. 9. Eichelsachsen. 10. Eichelsdorf. 11. Fauerbach bei Nidda. 12. Geißnidda. 13. Gettenau. 14. Glashütten. 15. Heuchelheim. 16. Kohden. 17. Leidhecken. 18. Melbach. 19. Michelnau. 20. Nidda. 21. Oberlais mit Hof Niederlais. 22. Oberschmitten. 23. Oberwiddersheim. 24. Salzhausen. 25. Schwalheim. 26. Södel. 27. Steinfurth. 28. Unterschmitten. 29. Unterwiddersheim. 30. Wallernhausen. 31. Weckesheim. 32. Wisselsheim.

XVIII. Büdingen 1. Altenstadt. 2. Altwiedermus. 3. Aulendiebach. 4. Büches. 5. Büdingen. 6. Calbach. 7. Diebach am Haag. 8. Dudenrod. 9. Düdelsheim. 10. Eckartshansen. 11. Engelthal. 12. Enzheim. 13. Glauberg. 14. Hainchen. 15. Haingründau. 16. Heegheim. 17. Himbach. 18. Höchst an der Nidder. 19. Langenbergheim. 20. Lindheim. 21. Lorbach. 22. Marienborn. 23. Michelau. 24. Mittelgründau. 25. Oberau. 26. Orleshausen. 27. Pferdsbach. 28. Rinderbügen. 29. Rodenbach. 30. Rohrbach. 31. Rommelhausen. 32. Ronneburg (Schloß und Hof). 33. Stockheim. 34. Vonhausen. 35. Wolf.

C. Provinz Rheinhessen I. und II. Mainz 1. Mainz

III. Oberingelheim 1. Bubenheim. 2. Budenheim. 3. Elsheim. 4. Engelstadt. 5. Drais. 6. Finthen. 7.

283

H ESSEN -DARMSTADT Freiweinheim. 8. Großwinternheim. 9. Heidenfahrt. 10. Heidesheim. 11. Jugenheim. 12. Mombach. 13. Niederingelheim. 14. Oberingelheim. 15. Pfaffenhofen. 16. Sauerschwabenheim. 17. Wackernheim.

IV. Oberolm 1. Bretzenheim. 2. Ebersheim. 3. Essenheim. 4. Gaubischoffsheim. 5. Gonsenheim. 6. Hechtsheim. 7. Kastel. 8. Kleinwinternheim. 9. Kostheim. 10. Laubenheim. 11. Marienborn. 12. Oberolm. 13. Weisenau. 14. Zahlbach.

V. Bingen 1. Appenheim. 2. Aspisheim. 3. Bingen. 4. Büdesheim. 5. Dietersheim. 6. Dromersheim. 7. Gaualgesheim. 8. Gaulsheim. 9. Gensingen. 10. Grolsheim. 11. Horrweiler. 12. Kempten. 13. Niederhilbersheim. 14. Ockenheim. 15. Sponsheim.

VII. Alzei 1. Alzei. 2. Bechenheim. 3. Dautenheim. 4. Dintesheim. 5. Erbesbüdesheim. 6. Esselborn. 7. Flomborn. 8. Flonheim. 9. Freimersheim. 10. Heimersheim. 11. Kettenheim. 12. Nack. 13. Niederwiesen. 14. Offenheim. 15. Schafhausen. 16. Uffhofen. 17. Wahlheim. 18. Weinheim. 19. Wendelsheim.

IX. Westhofen 1. Abenheim. 2. Bermersheim. 3. Blödesheim. 4. Dalsheim. 5. Dittelsheim. 6. Enzheim. 7. Eppelsheim. 8. Gundersheim. 9. Gundheim. 10. Hangenweisheim. 11. Kriegsheim. 12. Leiselheim. 13. Mölsheim. 14. Mörstadt. 15. Monsheim. 16. Monzernheim. 17. Niederflörsheim. 18. Oberflörsheim. 19. Pfeddersheim. 20. Wachenheim. 21. Westhofen.

VI. Wörrstadt X. Worms

1. Eichloch. 2. Harxheim. 3. Niederolm. 4. Niedersaulheim. 5. Niederweinheim. 6. Oberhilbersheim. 7. Obersaulheim. 8. Partenheim. 9. Schornsheim. 10. Sörgenloch. 11. Stadecken. 12. Sulzheim. 13. Udenheim. 14. Undenheim. 15. Vendersheim. 16. Wörrstadt. 17. Wolfsheim. 18. Zornheim.

1. Heppenheim an der Wiese. 2. Herrnsheim. 3. Hochheim. 4. Hohensülzen. 5. Horchheim. 6. Neuhausen. 7. Offstein. 8. Pfiffligheim. 9. Weinsheim. 10. Wiesoppenheim. 11. Worms.

VII. Wöllstein

XI. Osthofen

1. Badenheim. 2. Biebelsheim. 3. Bosenheim. 4. Eckelsheim. 5. Freilaubersheim. 6. Fürfeld. 7. Gaubickelheim. 8. Gumbsheim. 9. Hackenheim. 10. Ippesheim. 11. Neubamberg. 12. Pfaffenschwabenheim. 13. Planig. 14. Pleitersheim. 15. Siefersheim. 16. Sprendlingen mit St. Johann. 17. Steinbockenheim mit Theodorshalle. 18. Tiefenthal. 19. Volxheim. 20. Wallertheim. 21. Welgesheim. 22. Wöllstein. 23. Wonsheim. 24. Zotzenheim.

1. Alsheim. 2. Bechtheim. 3. Eich. 4. Frettenheim. 5. Gimbsheim. 6. Guntersblum. 7. Hamm. 8. Hangenwahlheim. 9. Heßloch. 10. Ibersheim. 11. Mettenheim. 12. Osthofen. 13. Rheindürkheim.

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XII. Odernheim 1. Albig. 2. Armsheim. 3. Bechtolsheim. 4. Bermersheim. 5. Biebelnheim. 6. Born-

E RSTE R EVISION VON 1849 heim. 7. Dolgesheim. 8. Dorndürkheim. 9. Eimsheim. 10. Ensheim. 11. Framersheim. 12. Friesenheim. 13. Gabsheim. 14. Heppenheim im Loch. 15. Hillesheim. 16. Köngernheim (Bösköngernheim). 17. Lonsheim. 18. Odernheim. 19. Schimsheim. 20. Spiesheim. 21. Waldülversheim. 22. Weinolsheim. 23. Wintersheim.

5) Schotten und Grünberg. 6) Butzbach und Lich. 7) Hungen und Nidda. 8) Ortenberg und Büdingen. 9) Vilbel und Friedberg. 10) Darmstadt. 11) Bensheim und Zwingenberg. 12) Gernsheim und Großgerau. 13) Langen und Offenbach. 14) Seligenstadt und Babenhausen. 15) Umstadt und Reinheim. 16) Großbieberau und Fürth. 17) Michelstadt und König. 18) Waldmichelbach und Beerfeldeu. 19) Heppenheim und Worms. 20) Mainz. 21) Bingen und Oberingelheim. 22) Oberolm und Wörrstadt. 23) Wöllstein und Alzei. 24) Osthofen und Westhofen. 25) Oppenheim und Odernheim.

XIII. Oppenheim 1. Bodenheim. 2. Dalheim. 3. Deheim. 4. Dienheim. 5. Hahnheim. 6. Köngernheim an der Selz. 7. Lörzweiler. 8. Ludwigshöhe. 9. Mommenheim. 10. Nackenheim. 11. Nierstein. 12. Oppenheim. 13. Schwabsburg. 14. Selzen.

ANLAGE B Wahlbezirke zur ersten Kammer 1) Battenberg und Biedenkopf. 2) Gladenbach und Gießen. 3) Homberg und Alsfeld. 4) Lauterbach und Herbstein.

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Ediert nach Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1849, No. 52, Darmstadt 1849, S. 435– 450.

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Zweite Revision von 1849 Gesetz, die landständische Geschäftsordnung betreffend1

L UDWIG III. Großherzog von Hessen und bei Rhein etc. etc. Wir haben mit Zustimmung Unserer getreuen Stände verordnet und verordnen hiermit, wie folgt: A RT. 1. Die Kammern beginnen ihre Thätigkeit mit der Prüfung der Legitimationen ihrer Mitglieder. A RT. 2. Nachdem mindestens 15 Mitglieder der ersten und 27 Mitglieder der zweiten Kammer erschienen sind und ihre Anwesenheit bei der Einweisungscommission angemeldet haben, wird auf Veranlassung der letzteren in jeder der beiden Kammern das älteste Mitglied derselben ermittelt und sodann unter dessen Vorsitz jede Kammer durch das Loos in fünf möglichst gleiche provisorische Abtheilungen geschieden. Jede Abtheilung wählt sich einen Vorstand. A RT. 3. Jede Abtheilung erhält von dem Alterspräsidenten eine, soweit es angeht, gleiche Zahl von Legitimationen zur Prüfung zugestellt, in der Art, daß keine Abtheilung eine Legitimation eines ihrer Mitglieder zur Prüfung erhält. Das Resultat der Prüfungen wird sofort durch die Vorstände der Kammer vorgetragen. A RT. 4. Die Abgeordneten, deren Wahl oder gesetzliche Eigenschaften von den provisorischen Abtheilungen beanstandet werden, wohnen den Sitzungen der Kammer bis zur endgültigen Entscheidung der Anstände nicht bei.

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A RT. 5. Jede Kammer wählt sofort unter Vorsitz des Alterspräsidenten ihren Präsidenten, sodann unter Vorsitz des Letzteren zwei Vicepräsidenten, sodann zwei Schriftführer und endlich zwei Stellvertreter derselben. Diese Wahlen sind jedoch nur auf acht Wochen gültig, nach deren Ablauf sie von Neuem und zwar für die ganze Dauer des Landtags vorgenommen werden. A RT. 6. Die Vorbereitung zur Berathung der Kammern geschieht durch gewählte Ausschüsse. Diese Ausschüsse sind theils ständige, theils werden sie für jeden besonderen Gegenstand besonders gewählt. Die erste Kammer wählt ihre Ausschüsse, die stets aus fünf Mitgliedern bestehen müssen, unmittelbar. Die Ausschüsse der zweiten Kammer werden durch die Abtheilungen gewählt. An diese werden die neuen Eingaben verwiesen. Die Kammern können auch kurzer Hand über einen Gegenstand, als besonders dringlich, oder ganz unbedeutend, entscheiden, oder einen Gegenstand an einen bereits bestehenden Ausschuß verweisen. A RT. 7. Nach Eröffnung des Landtags theilt sich die zweite Kammer definitiv durch das Loos in fünf möglichst gleiche Abtheilungen. Der Präsident kann keiner Abtheilung angehören. Die nach Bildung derselben eintretenden Mitglieder werden durch den Präsidenten denjenigen Abtheilungen zugewiesen, welche noch nicht die nach Maßgabe der gesetzlichen Gesammt-

Z WEITE R EVISION VON 1849 zahl der Kammer auf sie kommende Zahl erreicht haben.

A RT. 14. Jeder Ausschuß beider Kammern wählt aus seiner Mitte einen Vorstand.

A RT. 8. Jede Abtheilung wählt aus ihrer Mitte einen Vorstand.

A RT. 15. Sämmtliche Wahlen (Art. 5. 6. 8. 11–14) geschehen durch absolute Stimmenmehrheit. Nach zweimaliger vergeblicher Abstimmung entscheidet die relative Mehrheit und bei Stimmengleichheit das Loos.

A RT. 9. Jedesmal mit Ablauf von acht Wochen findet eine neue, durch das Loos zu bewirkende Zusammensetzung der Abtheilungen statt. A RT. 10. Die Gegenstände, welche in die Abtheilungen verwiesen werden, können daselbst vorläufig berathen werden. A RT. 11. Für jeden in die Abtheilungen verwiesenen Gegenstand wird von denselben ein Ausschuß zur berichtlichen Vorbereitung der Kammerberathung dadurch gewählt, daß jede Abtheilung aus ihrer Mitte ein Ausschußmitglied ernennt. In einzelnen Fällen kann die zweite Kammer sogleich bei der Verweisung in die Abtheilungen oder auf Nachsuchen einer oder der anderen Abtheilung gestatten, daß sie ein Mitglied einer anderen Abtheilung zu dem betreffenden Ausschuß wählen dürfe. A RT. 12. Ausnahmsweise werden in beiden Kammern ständige Ausschüsse für die definitive Prüfung der Legitimationen, die Finanzangelegenheiten und die Petitionen gewählt, von der ersten Kammer in der in Art. 6, von der zweiten in der in Art. 11 bemerkten Weise. Bei jeder neuen Zusammensetzung der Abtheilungen (Art. 9) wird jedoch von diesen Ausschüssen der Ausschuß für die Petitionen in der zweiten Kammer aufgelöst und neu gewählt. A RT. 13. Die zweite Kammer kann einen jeden der durch die Abtheilungen gewählten Ausschüsse um zwei und mehr Mitglieder verstärken, in welchem Falle die Wahl durch die ganze Kammer geschieht. Hinsichtlich des Finanzausschusses muß jedoch eine Verstärkung um wenigstens zwei Mitglieder binnen vier Wochen stattfinden.

A RT. 16. Sowohl die Abtheilungen als die Ausschüsse sind beschlußfähig, wenn sämmtliche Mitglieder eingeladen wurden und mehr als die Hälfte derselben erschienen ist. A RT. 17. Zum Geschäftskreise des Legitimationsausschusses gehören die Berichte über die definitive Gültigkeit der Wahlen, sowie über alle darauf Bezug habenden Reclamationen. A RT. 18. An den Petitionsausschuß werden die Eingaben verwiesen, welche von Nichtmitgliedern der betreffenden Kammer an dieselbe gerichtet werden. A RT. 19. Auf den Vortrag des Petitionsausschusses entscheidet die Kammer, ob die Petition auf sich beruhen, oder an die Staatsregierung abgegeben, oder an einen bereits bestehenden Ausschuß verwiesen werden soll. Findet die Kammer die Petition geeignet, Gegenstand eines Gesetzes oder einer Beschwerde zu werden, so kann sie die Sache in die Abtheilungen verweisen. A RT. 20. Der Art. 3 der landständischen Geschäftsordnung vom 25. März 1820 ist aufgehoben, ebenso die im Art. 6 verordnete Verloosung der Sitze. Jedem Mitglied ist überlassen, seinen Sitz zu wählen. A RT. 21. Das im Art. 11 der landständischen Geschäftsordnung vom 25. März 1820 den Regierungscommissären verliehene Vorrecht, andere Redner zu unterbrechen, ist aufgehoben. Der Präsident wird ihnen aber vor dem Schlusse der Debatte

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H ESSEN -DARMSTADT zu jeder Zeit das Wort geben, wenn es von ihnen verlangt wird und es ohne Unterbrechung des Redners geschehen kann. A RT. 22. Der Art. 17 der landständischen Geschäftsordnung vom 25. März 1820 wird dahin abgeändert, daß die Verhandlung nicht vor Ablauf von 24 Stunden nach Vertheilung des Berichts im Druck unter die Mitglieder der Kammer stattfinden und von dieser Regel nur bei Gegenständen abgewichen werden kann, welche von der Kammer für sehr dringend oder unbedeutend oder nur die formelle Geschäftsbehandlung betreffend, erachtet werden. A RT. 23. Die Abstimmung erfolgt in beiden Kammern durch Aufstehen und Sitzenbleiben, wobei diejenigen, welche eine Frage bejahen, aufstehen, und welche sie verneinen, sitzen bleiben. Durch namentlichen Aufruf geschieht die Abstimmung alsdann, wenn wenigstens fünf Mitglieder auf namentliche Abstimmung antragen. Der letzte Satz des Art. 19 der landständischen Geschäftsordnung vom 25. März 1820, also lautend: „und die Abstimmung über die vorgelegten Fragen wird auf drei Tage vertagt” ist aufgehoben. A RT. 24. Die Art. 99 und 100 der Verfassungsurkunde werden wie folgt abgeändert: Die Verhandlungen und Abstimmungen in beiden Kammern sind für Erwachsene öffentlich und durch den Druck bekannt zu machen. Die Zuhörer haben sich jeder Störung, namentlich aller Aeußerung von Beifall oder Mißfallen zu enthalten. Bei Zuwiderhandlungen kann der Vorsitzende die Entfernung der Ruhestörer oder Räumung der Galerien anordnen. Vertrauliche Sitzungen finden ausnahmsweise statt, wenn von der Staatsregierung

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oder von wenigstens zehn Mitgliedern darauf angetragen wird, und wenn die Kammer nach der alsdann nothwendigen vorläufigen Entfernung der Zuhörer den Antrag für begründet erachtet, in welchem Falle jedoch die Veröffentlichung der Verhandlungen durch den Druck statt findet, es müßte denn von der Kammer in Uebereinstimmung mit der Regierung das Gegentheil beschlossen werden. Die Organe der Staatsregierung sind von keiner vertraulichen Sitzung ausgeschlossen. A RT. 25. Jeder Abgeordnete, der eine Interpellation an die Minister beabsichtigt, hat solche dem Präsidium seiner Kammer einzureichen, welches sie der Kammer vorliest und dem betreffenden Minister Kenntniß davon gibt. A RT. 26. Hierauf hat der betreffende Minister entweder in einer der nächsten Sitzungen oder an einem zum voraus bestimmten Tage die gewünschte Erklärung abzugeben, oder baldthunlichst anzuzeigen, daß überhaupt eine Erklärung nicht abgegeben werden könne. Nach erfolgter Antwort ist dem Anfragenden, auf sein Verlangen, zur Aufhellung von Mißverständnissen, Erläuterung oder Berichtigung der die Anfrage berührenden thatsächlichen Umstände das Wort zu ertheilen, worauf dem Regierungscommissär entweder sogleich oder in einer späteren Sitzung die Erwiederung zusteht. Hiermit ist die Verhandlung beendigt, es bleibt aber dem Urheber der Interpellation, sowie jedem anderen Mitgliede der Kammer überlassen, besondere Anträge zu stellen. A RT. 27. Die Mitglieder der Ständeversammlung, welche nicht an dem Orte derselben wohnen, erhalten auf Begehren, zur Vergütung für ihre Reisekosten, sowie zur Entschädigung für ihren Aufenthalt an dem

Z WEITE R EVISION VON 1849 Orte der Versammlung, täglich 3 fl. 30 kr. aus der Staatskasse. Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und des beigedrückten Staatssiegels. Darmstadt am 10. October 1849.

(L.S.) L UDWIG. Jaup.

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Ediert nach Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1849, No. 63, Darmstadt 1849, S. 519– 523.

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Deutscher Index Adel, 15, 93, 132–133, 238–239 – Abschaffung von Adelstiteln, 78 – Privilegien, 15, 78, 169, 226, 238–240 – Stellung, 156 Bevölkerungsgruppen – Minderheiten – – Juden, 8, 52, 68 – multiethnische Staaten – – Rechte und Privilegien von Ethnien/ Nationen, 52 Bildung, 67–69, 81, 86, 91, 106, 129, 167 – allgemeine Schulen, Errichtung, 12, 68, 81, 106, 254 Eide, 36, 50, 57, 60, 74, 80, 87, 102–104, 113, 119, 148, 151, 221, 239, 242 – Amtseide, 235 – Treueeide, 156, 233, 235 erbliche Titel, Verbot, 196 Exekutive, 59, 72, 78, 86, 101–102 – Befugnisse, 7, 17, 24, 28, 30, 62, 69, 86–87, 89, 102, 154–157, 162–166, 171– 175, 177–179, 182, 184–185 – – Auflösung der Legislative, 173 – – Außenpolitik, 86, 102, 154, 244 – – – Verträge, 86, 90, 102, 154, 175 – – Begnadigungsrecht, 64, 86, 90, 102– 103, 154 – – Einberufung der Legislative, 56, 84, 87, 103, 173 – – Ernennungsrecht, 9, 86, 181–183 – – – Besetzung von Vakanzen, 12 – – Haushaltsrechte, 103 – – – Notbewilligungsrechte, 208 – – judikative Befugnisse, 16, 24, 36, 64, 105, 149, 154, 172, 245, 267 – – legislative Befugnisse, 8–9, 15, 24, 84, 86, 103, 150, 153, 173–175, 207, 244 – – – Exekutivanordnungen oder Verfügungen, 8–9, 11–12, 16, 174 – – – Gesetzesinitiative, 16, 87, 103, 174

– – – Sanktionierung von Gesetzen, 9, 84, 86, 173–174 – – – Vetorecht, 174 – – Militärbefehlsgewalt, 102, 153–154, 231 – – religiöse Führerschaft, 164 – – Vertagungsrecht bez. Legislative, 173 – exekutive Körperschaften, 105, 107 – Minister, 15, 17–18, 164, 181–182, 205 – Mitglieder, 17, 21, 27, 33, 59, 72, 85, 91, 101, 105 – – Ämterhäufung, 59, 102 – – Amtsunfähigkeit, 87, 183 – – Amtszeit, 17, 24, 25, 85, 101 – – Ernennung, 17, 58, 89, 103, 142 – – Qualifikationen, 17, 28, 59 – – Verantwortlichkeit, 24, 25, 27, 85, 87, 103, 105, 182, 267–268 – – Vergütung, 72, 87, 102, 183 – – Wahl, 27, 28, 31, 33, 61, 73, 101, 105 – – Wiederwahl, 31 – Monarch, 139, 153–154, 160, 168, 210 – – Apanagen, 150, 177, 209 – – Domäne, 14, 175–177, 224 – – Huldigung, 118, 195, 238–239 – – Kammergut, 208, 209 – – königliche Zustimmung, 164, 181–182, 195 – – königlicher Haushalt, 14, 138, 177– 178, 181, 209, 210 – – Regentschaft, 118–119, 139, 148, 155– 156, 210 – – Thronfolge, 14, 118, 154–156, 223– 224 – – Unverletzlichkeit, 118 – offizieller Sitz des Parlaments, 154 – Pflichten, 103 – Staatsoberhaupt, 61, 102, 118, 153–154, 223 – – Befugnisse, 61, 90, 118, 143–144, 153– 154, 206, 213 – Staatsrat, 15, 182–183

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D EUTSCHER I NDEX – Verhältnis zu anderen Gewalten, 86–87, 102 Feudale Institutionen und Praktiken, 161, 169 – Fideikomiß, 82, 175–176, 179 – grundherrliche Rechte, 82, 96, 148, 256– 257 – Lehen, 82, 96, 148, 261 – Leibeigenschaft, 15 – – Abschaffung, 225 – Primogenitur, 154 – Privilegien, 89, 158, 234, 238–243, 256– 257 – Stände, 93, 131, 153, 217, 232, 238, 287 Gesetze, 17, 153, 160 – Übergangsbestimmungen, 12, 19, 72, 151 – Zivilrecht, 37, 41, 79, 89, 234, 241 Grundrechte, 78, 93 Handel, 31, 41, 86, 91, 106, 217 Hoheitsrechte, 52–53, 106 – Münzrecht, 90 Judikative, 36, 38, 88, 103, 154 – Gerichte, 8–9, 17, 41, 44, 46, 51, 64, 72, 78, 89, 103–104, 121, 148, 159, 175, 183, 213, 234, 240–241, 245 – – Berufungsgericht, 8, 39, 41, 63–64, 72, 142–143 – – Kriminalgericht, 29, 46, 47, 89, 159 – – lokale Gerichte, 65, 104 – – Militärgerichte, 89, 94 – – Oberster Gerichtshof, 8 – – – als Berufungsinstanz, 8, 89, 104, 174, 267 – – – als Verfassungsgericht, 267 – – – Richter, 8 – – – – oberster/vorsitzender Richter, 66 – – – – Qualifikationen, 8 – Gerichtsprozesse, 90, 104, 245 – Geschworene, 104 – lokale Gerichtsbeamte, 65 – Rechtsprechung, 17, 245 – – Beschränkungen, 234

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– Richter, 17, 37, 64, 65, 89, 104, 184 – – Ernennung oder Wahl, 38, 46, 88–89 – – gesetzliche Richter, 79, 157, 195 – – Unvereinbarkeit mit anderen Ämtern, 37, 91, 157 – Vergütung, 89, 104 – Verhältnis zu anderen Gewalten, 17, 64, 89, 103, 149, 175 – – Unterscheidung von administrativen Körperschaften, 89, 183, 250–251 Kirche, 7–8, 67–69, 91, 121, 127, 158, 161, 164, 168, 199, 200, 226, 254 – Hierarchie, 127–128 – Kirchenautonomie, 95, 127, 206, 226, 254 – kirchliche Orden, 7 – Staatskirche, 80, 164 – Trennung von Staat und Kirche, 95, 226 Korporationen, 15, 96, 160–163, 183, 232 Kriegszustand, 90, 108 Legislative, 53, 78, 82, 93, 131, 217 – Befugnisse, 83, 89, 100, 131, 231–232 – dritte und weitere Häuser oder Kammern, 8–9, 70, 105, 111, 132–135, 181–182, 201, 217, 227, 230, 232–234, 275, 287 – – Befugnisse, 58, 71, 85, 104, 107, 147, 181–182, 194, 206, 220, 230–233, 287 – – – Amtsenthebungsverfahren, 213 – – – Budgetrecht, 58, 85, 141, 206, 211, 212 – – – Ernennungen, 9, 85 – – – Geschäftsordnung, 84, 182 – – – Gesetzgebung, 8–9, 57–58, 84 – – – – Einschränkungen – – – – – parlamentarische Strafbeschlüsse, 9 – – – – Gesetzesinitiative, 57, 84 – – – – Gesetzesveröffentlichung, 84 – – – – Inkrafttreten von Gesetzen, 208, 220 – – – – Lesung von Gesetzesentwürfen, 16, 207 – – – – Sanktionierung von Gesetzen, 16, 84

D EUTSCHER I NDEX – – – – Steuergesetzgebung, 58, 84, 86, 88, 219 – – – Interpellation, 85–87, 289 – – – judikative Funktionen, 213, 267 – – – Ratifizierung von Verträgen, 58 – – Mitglieder, 9, 16, 53, 70, 83, 96–97, 114, 132–135, 201, 202, 229–230, 232– 233, 287 – – – Ämterhäufung, 205, 278 – – – Amtszeit, 16, 83, 97, 202, 218, 229, 265–266, 278 – – – Immunität, Indemnität, 83, 98, 136, 205, 221, 232 – – – Inkompatibilität, 97 – – – Vergütung, 83, 206, 289–290 – – – Virilisten, 111 – – – Wahl, 53, 70, 96–97, 135–136, 181, 201, 202, 204, 218, 228–230, 233, 263, 265, 275–276, 287–288 – – – Wiederwahl, 16, 56, 83, 97, 137, 218 – – Verfahren, 25–27, 98–99, 173, 233– 234, 289 – – – Auflösung, 206, 214, 218 – – – Ausschüsse, 16, 58, 84–85, 91, 100– 101, 107, 233–234, 287–288 – – – Beschlussfähigkeit, 71, 84, 97–98, 100, 278, 288 – – – Dauer der Sitzungsperiode, 56, 137, 206, 230–231 – – – Eröffnungssitzung, 83–84, 97, 233, 287–288 – – – Öffentlichkeit der Sitzungen, 84, 98, 137, 234, 289 – – – Resolutionen, 99 – – – Sitzungsprotokoll – – – – Veröffentlichung, 205, 234 – Einberufung, 56, 60, 84, 88, 218, 230– 231 – gemeinsame Sitzung der Kammern, 56, 84, 90, 218, 287 – Oberhaus, 168 – – Befugnisse, 156, 164, 173, 175, 177– 179, 181–182, 184–185 – – – Budgetrecht, 173, 179 – – – gerichtliche Funktionen, 185 – – – – Anklagerecht, 100

– – – Gesetzgebung, 173–174 – – – – Steuergesetzgebung, 174, 180–181 – – Mitglieder, 168–172 – – – Immunität, Indemnität, 172–173 – – – Qualifikationen, 171 – – – Wahl, 171 – – Verfahren, 174 – – – Wahl parlamentarischer Amtsträger, 112–113 – Struktur – – bikameral, 168 – – unikameral, 82 – Unterhaus, 167 – – Befugnisse, 156, 167–168 – Verhältnis zu anderen Gewalten, 99–100, 173 Mandatsverteilung, 170 – nach Raumeinheiten, 82 Militär, 17, 81, 86, 90, 95, 106, 150, 158, 211, 231 – Mitglieder – – besondere Regelungen für, 79, 174 – Oberkommando, 61 – Organisation, 107, 143, 181 – stehendes Heer, 150, 174, 177 – Unterordnung unter Zivilgewalt, 58 – Wehrpflicht, 78, 106–107, 121, 157, 225, 239 Polizeigewalt, 9–10, 29, 46, 61, 86, 89, 90, 94, 102, 126, 163, 248 Rechnungshof, 71, 88, 91 Rechte, 51, 52, 80–81, 157, 159–161, 224– 225, 239–240 – Auswanderung, 51, 82, 123, 160, 225 – Berufsfreiheit, 80, 106, 226 – Briefgeheimnis, 79–80, 94 – Ehestand, 80, 95 – Eigentumsrechte, 7, 81, 96, 157–159, 256–257 – – Eigentumsfreiheit, 81, 95–96, 122, 225 – – Enteignung, 51, 81–82, 95, 122, 157– 159, 225 – Freiheit der Wissenschaft, 80, 106

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D EUTSCHER I NDEX – Freiheit und Sicherheit der Person, 78, 122 – Gewaltenteilung, 78 – Gleichheit, 14–15, 78, 93, 225 – Justizgrundrechte, 78–80, 90, 94, 122, 226 – – Anklageerhebung durch Staatsanwalt oder Geschworene, 157 – – Geschworenengerichte, 89, 196 – – Kaution, 79, 94 – – rechtliches Gehör, 79, 95, 226 – – Rechtsweggarantie, 79 – Niederlassungsfreiheit, 51, 239 – persönliche Freiheit, 94, 225 – Petitionsrecht, 81, 160, 175, 208 – Pressefreiheit, 52, 80, 95, 123, 149, 195, 226, 240, 272 – Recht auf freie Meinungsäußerung, 80, 95, 220–221, 232 – Religionsfreiheit, 14–15, 80, 95, 121, 157, 164, 196, 225, 274 – Schutz der persönlichen Freiheit (habeas corpus), 78, 157 – Unverletzlichkeit der Wohnung, 79, 94 – Vereinsfreiheit, 81, 95, 195 – Versammlungsfreiheit, 81, 95, 195, 273 – Volkssouveränität, 78 Regierung, 162, 235 – Beziehungen Bund - Einzelstaat, 14, 86, 90, 102 – Finanzen, 10–11, 87–88, 92, 105–106, 137, 161–162, 226–227 – – Einnahmen, ordentlich u. außerordentlich, 10, 86, 88 – – Haushalt, 86, 140, 150, 210 – – Staatsschuld, 10–11, 14, 142, 157, 181, 212, 219, 231 – Regierungsform – – Demokratie, 93 – – Monarchie oder Kaisertum, 7, 117, 153 – subnationale Regierung, 16–17, 107, 123, 129–130, 160–162 – – Beaufsichtigung der Kommunalregierung, 163 – – Kommunalregierung, 17, 107, 163, 227 – – – Kommunalbeamte, 162, 198

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– – Kommunalverfassungen, 15, 107, 162– 163, 198 – – Provinz- oder Länderparlamente, 92 – – Provinz- oder Länderverfassungen, 15, 92 – – Provinzuntergliederungen (Grafschaften/Landkreise etc.), 129, 160, 162 Religion, 62, 80, 86, 106 – Christentum, 52, 67–69, 121, 164 – Judentum, 121 – Staatsreligion, 80 Repräsentation, 93 – freies Mandat, 83, 97, 172 Ritterschaft, 130, 135, 163, 168–169 soziale Wohlfahrt – Armenaufsicht, 63 – Finanzierung, 147 Staats- und Verwaltungsapparat, 11–12, 91–92, 104–105, 107, 175, 177–178, 182, 184 – Beamte, 9, 81, 86, 91, 103, 106, 142, 149, 151, 227 – Verwaltung, 33, 38, 62, 86, 103–105, 122–123, 153, 161–162, 196, 198 Staatsbürgerschaft, 52, 78, 92–94, 107, 157, 224–225, 269 – Verlust, 92, 94, 97, 157, 225, 269, 271 – Verpflichtungen, 93, 157, 225–226 Staatsgebiet, 7, 13–14, 78, 153 Staatsstruktur, 16, 167, 223 – föderaler Staat, 223 Steuern, 15, 82, 99, 113, 160–161, 175, 179–181, 197, 218–219, 256–257 – Besteuerung, 51, 81–82, 161, 180, 196, 197, 218–219, 258–259 – Steuerausgaben, 181 – Steuergleichheit, 120, 157–158, 196 territoriale Organisation – Föderalismus, 93 – Grenzen, 117 Todesstrafe, 80, 94 Verfassung, 58, 93, 108, 153, 223, 235, 262 – Amendierung, 71, 90, 108, 184–185, 262

D EUTSCHER I NDEX – – Verfassungskonvent, 12 – Grundprinzipien, 21 – rechtlicher Status, 174–175, 185–186 – Status, 18, 50, 153, 173, 185 – Verfassungsrevision, 145, 147 Wahlen, 22, 23, 32, 34, 54–56, 60, 73, 76, 82–83, 85, 97, 162, 171, 217, 263–266 – Wahlergebnisse, 83, 277–278 – Wahlkomitee, 172, 204, 276 – Wahlregister, 83 – Wahltag, 23, 83, 277 – Wahlverfahren, 22, 23, 36, 54–55, 60– 61, 73, 83, 101, 172, 263–265, 277 – – Stimmzettel, 263, 277 Wahlkreise, 82, 201, 276, 278–279 – Einzelwahlkreise, 217 Wahlprinzipien, 105 – direkte Wahlen, 82 – Mehrheitsprinzip, 23, 24, 33, 34, 36, 76, 83–85, 135, 277–278, 288 Wahlrecht, aktiv, 96, 171, 263–264 – Alter, 76, 204, 263, 275 – Disqualifikation, 82–83, 96, 202, 204, 275 – Eigentum, 263 – Geschlecht, 204 – Staatsbürgerschaft, 82, 96 – Wohnort, 82, 204, 264 Wahlrecht, passiv, 35, 37, 70, 88, 97, 101, 104–105, 202, 204, 264 – Alter, 22, 23, 35, 55, 83, 86, 111, 135, 217–218, 264, 275 – Bildung, 22, 23, 35, 86 – Disqualifizierung, 22, 23, 35, 112, 135, 202, 204, 218, 275–276 – Eigentum, 111, 112, 172 – Konfession, 22, 23, 35, 111, 135 – Staatsbürgerschaft, 52, 86 – Wohnort, 35, 102, 112, 136, 204 Zölle, 180

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English Index apportionment of representatives, 170 – by geographical units, 82 auditor general, 71, 88, 91 capital punishment, 80, 94 church, 7–8, 67–69, 91, 121, 127, 158, 161, 164, 168, 199, 200, 226, 254 – autonomy of the church/of churches, 95, 127, 206, 226, 254 – ecclesiastical orders, 7 – hierarchy, 127–128 – separation of church and state, 95, 226 – state church, 80, 164 citizenship, 52, 78, 92–94, 107, 157, 224– 225, 269 – loss of, 92, 94, 97, 157, 225, 269, 271 – obligations of, 93, 157, 225–226 commerce, 31, 41, 86, 91, 106, 217 constitution, 58, 93, 108, 153, 223, 235, 262 – amendment of, 71, 90, 108, 184–185, 262 – – constitutional convention, 12 – constitutional review, 145, 147 – fundamental principles, 21 – legal status of, 18, 50, 153, 173, 185 – purpose, 174–175, 185–186 corporations, 15, 96, 160–163, 183, 232 education, 67–69, 81, 86, 91, 106, 129, 167 – common schools, establishment of, 12, 68, 81, 106, 254 election, eligibility for, 35, 37, 70, 88, 97, 101, 104–105, 202, 204, 264 – age, 22, 23, 35, 55, 83, 86, 111, 135, 217–218, 264, 275 – citizenship, 52, 86 – disqualifying attributes, 22, 23, 35, 112, 135, 202, 204, 218, 275–276 – education, 22, 23, 35, 86 – property, 111, 112, 172 – religion, 22, 23, 35, 111, 135 – residence, 35, 102, 112, 136, 204

elections, 22, 23, 32, 34, 54–56, 60, 73, 76, 82–83, 85, 97, 162, 171, 217, 263–266 – election committee, 172, 204, 276 – election day, 23, 83, 277 – electoral returns, 83, 277–278 – voter registration, 83 – voting procedure, 22, 23, 36, 54–55, 60– 61, 73, 83, 101, 172, 263–265, 277 – – ballot, 263, 277 electoral districts, 82, 201, 276, 278–279 – single constituency, 217 electoral principles, 105 – direct elections, 82 – majority principle, 23, 24, 33, 34, 36, 76, 83–85, 135, 277–278, 288 executive, 59, 72, 78, 86, 101–102 – council of state, 15, 182–183 – duties, 103 – executive agencies, 105, 107 – head of state, 61, 102, 118, 153–154, 223 – – competencies, 61, 90, 118, 143–144, 153–154, 206, 213 – members, 17, 21, 27, 33, 59, 72, 85, 91, 101, 105 – – appointment, 17, 58, 89, 103, 142 – – election, 27, 28, 31, 33, 61, 73, 101, 105 – – inability to serve, 87, 183 – – length of term, 17, 24, 25, 85, 101 – – plurality of offices, 59, 102 – – qualifications, 17, 28, 59 – – re-eligibility, 31 – – remuneration, 72, 87, 102, 183 – – responsibility, 24, 25, 27, 85, 87, 103, 105, 182, 267–268 – ministers, 15, 17–18, 164, 181–182, 205 – monarch, 139, 153–154, 160, 168, 210 – – appanage, 150, 177, 209 – – demesne, 208, 209 – – domain, 14, 175–177, 224 – – homage, 118, 195, 238–239 – – inviolability, 118

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E NGLISH I NDEX – – regency, 118–119, 139, 148, 155–156, 210 – – royal assent, 164, 181–182, 195 – – royal household, 14, 138, 177–178, 181, 209, 210 – – succession, 14, 118, 154–156, 223–224 – official seat, 154 – powers, 7, 17, 24, 28, 30, 62, 69, 86–87, 89, 102, 154–157, 162–166, 171–175, 177–179, 182, 184–185 – – adjourning legislature, 173 – – appointing power, 9, 86, 181–183 – – – vacancies, filling of, 12 – – budgetary powers, 103 – – – emergency budgetary powers, 208 – – convoking legislature, 56, 84, 87, 103, 173 – – dissolving legislature, 173 – – foreign affairs, control of, 86, 102, 154, 244 – – foreign affairs, control of – – – treaties, 86, 90, 102, 154, 175 – – judicial powers, 16, 24, 36, 64, 105, 149, 154, 172, 245, 267 – – legislative powers, 8–9, 15, 24, 84, 86, 103, 150, 153, 173–175, 207, 244 – – – executive orders or ordinances, 8–9, 11–12, 16, 174 – – – legislative initiative, 16, 87, 103, 174 – – – sanctioning of laws, 9, 84, 86, 173– 174 – – – veto power, 174 – – military commanding power, 102, 153– 154, 231 – – pardoning power, 64, 86, 90, 102–103, 154 – – religious leadership, 164 – relation to other branches, 86–87, 102 feudal institutions and practices, 161, 169 – entail, 82, 175–176, 179 – estates, 93, 131, 153, 217, 232, 238, 287 – feudal tenure, 82, 96, 148, 261 – primogeniture, 154 – privileges, 89, 158, 234, 238–243, 256– 257

298

– seignorial rights, 82, 96, 148, 256–257 – serfdom, 15 – – abolishment of, 225 fundamental rights: see rights, 78, 93 government, 162, 235 – federal - state relations, 14, 86, 90, 102 – finances, 10–11, 87–88, 92, 105–106, 137, 161–162, 226–227 – – budget, 86, 140, 150, 210 – – public debt, 10–11, 14, 142, 157, 181, 212, 219, 231 – – revenue, ordinary and extraordinary, 10, 86, 88 – form of – – democracy, 93 – – monarchy or empire, 7, 117, 153 – subnational government, 16–17, 107, 123, 129–130, 160–162 – – municipal constitutions, 15, 107, 162– 163, 198 – – municipal government, 17, 107, 163, 227 – – – municipal officers, 162, 198 – – provincial or state constitutions, 15, 92 – – provincial or state parliaments, 92 – – provincial subdivisons (counties etc), 129, 160, 162 – – supervision of local government, 163 hereditary distinctions, outlawed, 196 judiciary, 36, 38, 88, 103, 154 – courts, 8–9, 17, 41, 44, 46, 51, 64, 72, 78, 89, 103–104, 121, 148, 159, 175, 183, 213, 234, 240–241, 245 – – appellate court, 8, 39, 41, 63–64, 72, 142–143 – – court of sessions, 29, 46, 47, 89, 159 – – local courts, 65, 104 – – military courts, 89, 94 – – supreme court, 8 – – – as appellate court, 8, 89, 104, 174, 267 – – – as constitutional court, 267 – – – judges, 8

E NGLISH I NDEX – – – – chief justice, 66 – – – – qualifications, 8 – judges, 17, 37, 64, 65, 89, 104, 184 – – appointment or election, 38, 46, 88–89 – – incompatibility with other offices, 37, 91, 157 – – legally competent judges, 79, 157, 195 – juries, 104 – jurisdiction, 17, 245 – – restrictions upon, 234 – local judicial officers, 65 – relation to other branches, 17, 64, 89, 103, 149, 175 – – distinction from administrative bodies, 89, 183, 250–251 – remuneration, 89, 104 – trials, 90, 104, 245 knighthood, 130, 135, 163, 168–169 law, 17, 153, 160 – civil law, 37, 41, 79, 89, 234, 241 – transitional provisions, 12, 19, 72, 151 legislature, 53, 78, 82, 93, 131, 217 – convocation of, 56, 60, 84, 88, 218, 230– 231 – joint sessions, 56, 84, 90, 218, 287 – lower house, 167 – – powers, 156, 167–168 – powers, 83, 89, 100, 131, 231–232 – relation to other branches, 99–100, 173 – structure – – bicameral, 168 – – unicameral, 82 – third and further houses or chambers, 8– 9, 70, 105, 111, 132–135, 181–182, 201, 217, 227, 230, 232–234, 275, 287 – – members, 9, 16, 53, 70, 83, 96–97, 114, 132–135, 201, 202, 229–230, 232– 233, 287 – – – election, 53, 70, 96–97, 135–136, 181, 201, 202, 204, 218, 228–230, 233, 263, 265, 275–276, 287–288 – – – immunity, indemnity, 83, 98, 136, 205, 221, 232 – – – incompatibility, 97

– – – length of term, 16, 83, 97, 202, 218, 229, 265–266, 278 – – – plurality of offices, 205, 278 – – – re-eligibility, 16, 56, 83, 97, 137, 218 – – – remuneration, 83, 206, 289–290 – – – virilists, 111 – – powers, 58, 71, 85, 104, 107, 147, 181– 182, 194, 206, 220, 230–233, 287 – – – appointing power, 9, 85 – – – budgetary power, 58, 85, 141, 206, 211, 212 – – – bylaws, 84, 182 – – – impeachment, 213 – – – interpellation, 85–87, 289 – – – judiciary functions, 213, 267 – – – legislation, 8–9, 57–58, 84 – – – – legislative initiative, 57, 84 – – – – publication of laws, 84 – – – – reading of bills, 16, 207 – – – – restrictions – – – – – bills of attainder, 9 – – – – sanctioning of laws, 16, 84 – – – – taking effect of laws, 208, 220 – – – – tax or revenue legislation, 58, 84, 86, 88, 219 – – – ratification of treaties, 58 – – procedures, 25–27, 98–99, 173, 233– 234, 289 – – – committees, 16, 58, 84–85, 91, 100– 101, 107, 233–234, 287–288 – – – dissolution, 206, 214, 218 – – – duration of session, 56, 137, 206, 230–231 – – – first/constitutive session, 83–84, 97, 233, 287–288 – – – journal – – – – publication of, 205, 234 – – – quorum, 71, 84, 97–98, 100, 278, 288 – – – resolutions, 99 – – – sessions open to public, 84, 98, 137, 234, 289 – upper house, 168 – – members, 168–172 – – – election, 171

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E NGLISH I NDEX – – – immunity, indemnity, 172–173 – – – qualifications, 171 – – powers, 156, 164, 173, 175, 177–179, 181–182, 184–185 – – – budgetary power, 173, 179 – – – judiciary functions, 185 – – – – right of prosecution, 100 – – – legislation, 173–174 – – – – tax or revenue legislation, 174, 180– 181 – – procedures, 174 – – – election of officers, 112–113 military, 17, 81, 86, 90, 95, 106, 150, 158, 211, 231 – conscription, 78, 106–107, 121, 157, 225, 239 – members – – special regulations for, 79, 174 – organization of, 107, 143, 181 – standing army, 150, 174, 177 – subordination to civil authorities, 58 – supreme command, 61 nobility, 15, 93, 132–133, 238–239 – abolition of titles of, 78 – position of, 156 – privileges, 15, 78, 169, 226, 238–240 oaths, 36, 50, 57, 60, 74, 80, 87, 102–104, 113, 119, 148, 151, 221, 239, 242 – loyalty oaths, 156, 233, 235 – of office, 235 police power, domestic security, 9–10, 29, 46, 61, 86, 89, 90, 94, 102, 126, 163, 248 population groups – minorities – – Jews, 8, 52, 68 – multiethnic states – – rights and privileges of ethnic groups/ nations, 52 religion, 62, 80, 86, 106 – Christianity, 52, 67–69, 121, 164 – Judaism, 121 – state religion, 80

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representation, 93 – free mandate, 83, 97, 172 rights, 51, 52, 80–81, 157, 159–161, 224– 225, 239–240 – assembly, freedom of, 81, 95, 195, 273 – association, freedom of, 81, 95, 195 – emigration, right of, 51, 82, 123, 160, 225 – equality, 14–15, 78, 93, 225 – expression, freedom of, 80, 95, 220–221, 232 – habeas corpus, 78, 157 – inviolability of the home, 79, 94 – legal rights, 78–80, 90, 94, 122, 226 – – bail, 79, 94 – – due process, 79 – – indictment and information, 157 – – to be heard, 79, 95, 226 – – trial by jury, 89, 196 – liberty and security of person, 78, 122 – liberty of residence, 51, 239 – matrimony, 80, 95 – occupation, freedom of, 80, 106, 226 – personal freedom, 94, 225 – petition, right of, 81, 160, 175, 208 – popular sovereignty, 78 – press, freedom of the, 52, 80, 95, 123, 149, 195, 226, 240, 272 – privacy of mail, 79–80, 94 – property rights, 7, 81, 96, 157–159, 256– 257 – – expropriation, 51, 81–82, 95, 122, 157– 159, 225 – – freedom of ownership, 81, 95–96, 122, 225 – religion, freedom of, 14–15, 80, 95, 121, 157, 164, 196, 225, 274 – science, freedom of, 80, 106 – separation of powers, 78 social welfare – financing of, 147 – poor, supervision of, 63 sovereign rights of the state, 52–53, 106 – right of coinage, 90

E NGLISH I NDEX state and administrative apparatus, 11– 12, 91–92, 104–105, 107, 175, 177–178, 182, 184 – administration, 33, 38, 62, 86, 103–105, 122–123, 153, 161–162, 196, 198 – civil servants, 9, 81, 86, 91, 103, 106, 142, 149, 151, 227 state structure, 16, 167, 223 – federal state, 223 state territory, 7, 13–14, 78, 153 tariffs and duties, 180 taxes, 15, 82, 99, 113, 160–161, 175, 179– 181, 197, 218–219, 256–257 – tax equity, 120, 157–158, 196 – tax expenditures, 181 – taxation, 51, 81–82, 161, 180, 196, 197, 218–219, 258–259 territorial organization – boundaries, 117 – federalism, 93 voting rights, 96, 171, 263–264 – age, 76, 204, 263, 275 – citizenship, 82, 96 – disqualifying attributes, 82–83, 96, 202, 204, 275 – gender, 204 – property, 263 – residence, 82, 204, 264 war, state of, 90, 108

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