Constitutions of the World from the late 18th Century to the Middle of the 19th Century: Part V Nassau – Saxe-Hildburghausen 9783598440755, 9783598357176

The six volumes of the German Constitutional Documents  encompass more than 100 texts from Napoleonic times to the St. P

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Constitutions of the World from the late 18th Century to the Middle of the 19th Century: Part V Nassau – Saxe-Hildburghausen
 9783598440755, 9783598357176

Table of contents :
Frontmatter
Inhalt – Contents
Verfassungsedikt von Nassau (1814)
Verfassung von Nassau (1849)
Verfassungsentwurf von Oldenburg (1848)
Staatsgrundgesetz von Oldenburg (1849)
Verfassung von Preußen (1848)
Verfassung von Reuß ältere Linie (1809)
Staatsgrundgesetz von Reuß jüngere Linie (1849)
Patent betreffend die landständische Verfassung von Sachsen (1820)
Verfassung von Sachsen (1831)
Verfassung von Sachsen-Altenburg (1831)
Verfassung von (Sachsen-)Coburg-Saalfeld (1821)
Verfassung von (Sachsen-)Gotha (1849)
Verfassung von Sachsen-Hildburghausen (1818)
Backmatter

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Constitutions of the World from the late 18th Century to the Middle of the 19th Century Verfassungen der Welt vom späten 18. Jahrhundert bis Mitte des 19. Jahrhunderts

Constitutions of the World from the late 18th Century to the Middle of the 19th Century Sources on the Rise of Modern Constitutionalism Editor in Chief Horst Dippel Europe: Volume 3

Verfassungen der Welt vom späten 18. Jahrhundert bis Mitte des 19. Jahrhunderts Quellen zur Herausbildung des modernen Konstitutionalismus Herausgegeben von Horst Dippel Europa: Band 3

K·G ·Saur 2008

Deutsche Verfassungsdokumente 1806–1849 Teil V: Nassau – Sachsen-Hildburghausen Herausgegeben von Werner Heun

German Constitutional Documents 1806–1849 Part V: Nassau – Saxe-Hildburghausen Edited by Werner Heun

K·G ·Saur 2008

Bibliographic information published by the Deutsche Nationalibliothek The Deutsche Nationalibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available in the internet at http://dnb.d-nb.de.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

U Printed on acid-free paper / Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier © 2008 by K . G. Saur Verlag, München Ein Imprint der Walter de Gruyter GmbH & Co. KG Printed in Germany All Rights Strictly Reserved / Alle Rechte vorbehalten. Technical Partner / Technischer Partner: Mathias Wündisch, Leipzig Printed and Bound / Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach ISBN 978-3-598-35717-6

Inhalt – Contents Verfassungsedikt von Nassau (1814) . Erste Revision von 1815 . Zweite Revision von 1815 Revision von 1848 . . . . Verfassung von Nassau (1849) . . . .

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Verfassungsentwurf von Oldenburg (1848) Anlage A . . . . . . . . . . . . . . Anlage B . . . . . . . . . . . . . . Anlage C . . . . . . . . . . . . . . Staatsgrundgesetz von Oldenburg (1849) . Anlage I . . . . . . . . . . . . . . . Nebenanlage A . . . . . . . . Anlage II . . . . . . . . . . . . . . Anlage III . . . . . . . . . . . . . .

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Verfassung von Preußen (1848) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Verfassung von Reuß ältere Linie (1809) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Staatsgrundgesetz von Reuß jüngere Linie (1849) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Wahlgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Patent betreffend die landständische Verfassung von Sachsen (1820) Verfassung von Sachsen (1831) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verzeichniß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Revision von 1846 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Revision von 1848 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erste Revision von 1849 . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweite Revision von 1849 . . . . . . . . . . . . . . . .

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Verfassung von Sachsen-Altenburg (1831) Beilage A . . . . . . . . . . . . . . Beilage B . . . . . . . . . . . . . . Revision von 1833 . . . . . . Revision von 1835 . . . . . . Revision von 1837 . . . . . . Erste Revision von 1840 . . . Zweite Revison von 1840 . . . Erste Revision von 1848 . . . Zweite Revision von 1848 . . Erste Revision von 1849 . . . Zweite Revision von 1849 . .

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I NHALT – C ONTENTS Verfassung von (Sachsen-)Coburg-Saalfeld (1821) Revision von 1846 . . . . . . . . . . Revision von 1847 . . . . . . . . . . Erste Revision von 1848 . . . . . . . Zweite Revision von 1848 . . . . . . Beilage A . . . . . . . . . . . .

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Verfassung von (Sachsen-)Gotha (1849) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Beilagen zum Staatsgrundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Verfassung von Sachsen-Hildburghausen (1818) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

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Verfassungsedikt von Nassau (1814) [Edikt über die landständische Verfassung des Herzogtums Nassau vom 1./2. September 1814]1

LANDESHERRLICHE EDICTE

tenverhältnissen mit dem Eintritte derselben erwarteten.

Wir Friedrich August von Gottes Gnaden souverainer Herzog zu Nassau etc. etc. und Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden souverainer Fürst zu Nassau etc. etc.

Von dieser Absicht ausgehend und von solchen Beweggründen geleitet, haben Wir bis hierher die vollkommenste Duldung religiöser Meinungen und freie Uebung jedes Gottesdienstes in Unsern Landen gehandhabtI , eben so die freie Aeußerung politischer Meinungen, soweit auswärtige Staatsrücksichten nicht eine Beschränkung verlangten. Wir haben in landesherrlichen Edicten Unsern Unterthanen und Staatsangehörigen den freien Abzug mit ihrem Vermögen, nach erfüllter Militärpflicht, in alle diejenigen Staaten zugestanden, wo gleiche Abzugsfreiheit in Unser Staatsgebiet gestattet wirdII ; Wir haben die Leibeigenschaft von Grund aus in Unserm Herzogthum getilgtIII ; den Frohnd- und Dienstzwang unter Schadloshaltung der Dienstherren gelöstIV , körperliche Züchtigungen als Strafmittel abgestelltV , erbliche Vorrechte auf höhere Staatsämter nicht anerkannt, vielmehr aus allen Ständen zu den obersten Civil- und Militärstellen berufen, wer Uns dazu tüchtig erschien. Die Justitzpflege wurde, unabhängig von Uns, durch die angeordneten Justitzbehörden verwaltet; Wir haben Unsern landesherrlichen Fiscus den Gerichtshöfen untergeordnetVI und Uns des Rechts,

sind während der vorüber gegangenen unglücklichen Zeit fremder Oberherrschaft in teutschen Landen, bei fortdauernden Bedrückungen der Gewalt in auswärtigen Staatsverhältnissen, wodurch Wir mit Unsern Unterthanen und Angehörigen in gleichem Maaße wie alle teutsche Staaten gelitten haben, stets und immer bedacht gewesen, die nach dem Rathschluß der göttlichen Vorsehung Uns anvertraute unbeschränkte Regierungs-Wirksamkeit sammt dem Recht der Gesetzgebung dahin zu verwalten, daß in dieser schwierigen Lage, soweit es die Umstände erlaubten, nicht allein die bürgerliche Freiheit Unserer Unterthanen möglichst gesichert, und die politische Gleichheit derselben vor dem Gesetz aufrecht gehalten, sondern auch der Grund zu einer künftigen auf diesen beiden Stützpuncten ruhenden Verfassung gelegt wurde, deren volle Ausbildung Wir im zuversichtlichen Vorgefühl einer nahen glücklichen Veränderung in den gespannten europäischen StaaI II III IV V VI

Nach dem Geist des Edicts vom 14. September 1803. Edict vom 9/12. October 1810. Edicte vom 1. Jan. 1803 und vom 1/3. Septbr. 1812. Edict vom 1/3. September 1812. Edict vom 26/28. December 1809. Edict vom 11 November 1806.

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NASSAU angestellte Staatsdiener nach Willkühr zu entlassen, begebenVII . Wir haben die freie Benutzung des Grundeigenthums unter den Schutz schirmender Gesetze gestellt, das Recht der WildbahnVIII und alle den Anbau des Bodens störende WeidgerechtsameIX bis zur Unschädlichkeit beschränkt, die Ablösung der Zehnten, Grundbelastungen und Servituten vorbereitet, so wie die Vertheilung gemeinheitlicher Allmenden im voraus erleichtert, endlich für die Einführung einer völligen Gewerbefreiheit vorbereitende Maasregeln getroffenX . Wir haben keine Abgaben von Unsern Unterthanen erhoben, ausser für Bedürfnisse des Staats; Wir haben verordnet, daß ein jeder dazu beitrage nach dem Maasstab seines reinen EinkommensXI , daß einzelnen Ständen oder Personen keine Befreiungen davon forthin belassen werdenXII ; Wir haben in dringenden Finanzverlegenheiten Domänen Unseres Hauses zum Vortheil der Staats-Casse veräußert, indem Uns nicht als eine Aufopferung erschien, was von Unserm Familiengut zur Wohlfahrt des Landes verwendet wurde. Wir waren belohnt durch das Bewußtseyn, zum öffentlichen Wohl Unsere Regierungsrechte so zu verwalten, durch die oft und in unzweifelhaften Aeusserungen zu Unserer Kenntniß gekommene treue Anhänglichkeit Unserer Unterthanen, weniger nicht durch den glücklichen Erfolg Unserer Bemühungen, worin die Uns Angehörigen unter mancherlei schwierigen Verhältnissen VII VIII IX X XI XII XIII XIV

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Schutz und wesentliche Vortheile, mit Auszeichnung sogar, nicht selten gefunden haben. Der schönste Lohn aber wurde Uns zu Theil, als Wir Uns durch die Wirkungen dieser Verwaltungsweise in den Stand gesetzt sahen, dem großen Bund gegen die von unbegränztem Ehrgeitz versuchte Aufrichtung einer Alleinherrschaft in Europa mit der ganzen Kraft des Unserer Regierung untergebenen teutschen Staatsgebiets beizutrettenXIII , und als Wir in dem ruhmwürdigen Eifer Unserer Unterthanen für des gemeinsamen teutschen Vaterlandes Wiederherstellung zur Freiheit und Unabhängigkeit Mittel fanden, ein mehreres sogar für diesen großen Zweck aufzubieten, als Uns nach den abgeschlossenen Verträgen zu leisten oblagXIV . Wir haben Unsern Unterthanen bei andern Veranlassungen öffentlich dafür gedankt, und erneuern auch jetzt gern diesen Ausdruck Unsers Gefühles. Sie haben ihr Recht auf eine selbstständige und ehrenhafte Stellung unter den verwandten Stämmen des teutschen Volkes im künftigen teutschen Staatenverein sich befestigt, und Wir finden Uns bewogen, die Anerkennung dieses Rechts durch die dauerhafte Begründung einer eigenthümlichen Verfassung noch mehr ihnen allenthalben zu versichern. Wir haben den Augenblick erlangter Befreiung von dem Uebergewicht fremden Einflusses dazu benutzt, die im Gefolge des aufgedrungenen Continentalsystems bei Uns nothwendig gewordene Beschränkungen des Handels und einiger Gewerbe wie-

Edict vom 3/6. December 1811. Edict vom 17/21. May 1811. Edict vom 7/9. November 1812. Edicte vom 10/14. Februar und vom 1/3. September 1812. Mehrere hierauf sich beziehende Vollziehungsgesetze. Edict vom 10/14. Febr. 1809 und mehrere Nachträge namentlich vom 14/16. Dec. 1812. Edicte vom 10/14. Febr. 1809 und vom 6/9. October 1809. Edict vom 16. November 1813. Edict vom 4/5. December 1813.

V ERFASSUNGSEDIKT VON NASSAU (1814) der aufzuhebenXV , die Anstalt allgemeiner Bewaffnung, mit Unterdrückung der bei dem früheren Militär-System bestandenen Militär-Dispensationstaxen, auf eine fest bestimmte und bleibende Weise in Unserm Herzogthum einzuführenXVI , auch die vormalige Freiheit des Buchhandels und der Druckerpressen, mit Beschränkung des Nachdrucks zum Vortheil teutscher Schriftsteller und Verleger jedoch, Unsern Unterthanen zurückzugebenXVII . Die fortdaurende Wirkung dieser Gesetze und constitutionellen Einrichtungen steht unter dem erhabenen Schutz der verbündeten Mächte, nach deren weisen, das Wohl der Nationen befestigenden Beschlüssen ihnen von außen die beruhigende Gewährleistung der mit Gerechtigkeit vereinten Stärke auch forthin verbleiben wird. Es ist also nur übrig, Allem, was für die Einführung einer liberalen, den Bedürfnissen Unserer Zeit und Unseres Staates entsprechenden Verfassung in Unserem Herzogthum entweder schon geschehen ist, oder noch erforderlich seyn wird, auch eine gleichkräftige Gewährleistung im Innern zu geben, welche Wir in der unverweilten Errichtung von Landständen gefunden zu haben glauben dürfen. Indem Wir Unsern Landständen die Bewahrung jener angeführten Grundlagen sowohl, wie die weitere Ausbildung einer solchen eigenthümlichen Landesverfassung übertragen, überlassen Wir Uns der Hoffnung, dieselben gegen den Wechsel aller Dinge, welchem gesetzliche Einrichtungen in rein monarchischen Staatsformen mehr, wie anderwärts, unterworfen sind, nach Möglichkeit auf dieser Seite sicher gestellt zu haben. Außerdem werden Wir von der Absicht geleitet, den Standes- und Grundherren Unseres Herzogthums, deren vormalige unmittelbare Reichsgebiete im Lauf der

Ereignisse Unserer Oberherrlichkeit und Regierung untergeben worden sind, einen verhältnißmäßigen Einfluß auf die eigenthümliche Gesetzgebung und Verwaltung Unseres Staats als erbliches Vorrecht zuzusichern, und auf diese Art ihnen einen verfassungsmäßigen Wirkungskreis zu eröffnen, in welchem sie für des Landes und ihrer vormaligen Untertanen Wohlfahrt thätig seyn können, und wodurch billige Ansprüche befriedigt werden, ohne die zum Flor Unsers vereinigten Herzogthums erforderliche, und Unsern sämmtlichen Unterthanen in gleichem Maaß wohlthätige Einheit in der Landesgesetzgebung und Vereinfachung der Verwaltung und Verwaltungsformen zu stören, deren glücklichen Folgen sich Alle, wie Wir sehnlichst wünschen und hoffen, in den kommenden ruhigeren Zeiten noch mehr erfreuen werden, als bisher unter minder günstigen äußern Verhältnissen geschehen konnte. Hiernach haben Wir beschlossen und verordnen, wie nachfolgt:2 § 1. Die Landstände Unsers Herzogthums sind zusammengesetzt aus Mitgliedern der Herren-Bank und Landes-Deputirten, welche in abgesonderten Sitzungen sich versammeln. Die Mitglieder der Herren-Bank werden von Uns auf Lebenszeit, oder erblich ernannt, die Landes-Deputirten aber von den Vorstehern der Geistlichkeit und der höhern Lehranstalten, von den begütertesten Landeigenthümern und von den Inhabern größerer Gewerbe in dem weiter unten bestimmten Verhältniß und in Gemäßheit der darüber ertheilten Vorschriften erwählt. § 2. Die politische Stellung Unserer Landstände im Allgemeinen und im Besondern, so wie auch die vollständige Bezeich-

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Edict vom 18/21. März 1814 und mehrere Ministerial-Bekanntmachungen. Edicte vom 20/21. Jan. 1814. XVII Edict vom 4/5. May 1814. XVI

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NASSAU nung desjenigen Antheils, den Wir ihnen an allen Zweigen der Gesetzgebung einräumen können und werden, hängt mit von den zu erwartenden näheren Bestimmungen Unserer und Unseres Herzogthums Verhältnisse zu dem künftigen Gesamtverein der teutschen Staaten ab. Vorläufig also, und bis zu hiernächst erfolgender nachträglichen Verordnung erklären Wir hiermit und versprechen für Uns und Unsere RegierungsNachfolger unabänderlich und für alle Zukunft verbindlich, daß Wir die Sicherheit des Eigenthums und der persönlichen Freiheit unter die mitwirkende Gewährleistung Unserer Landstände stellen. Sie sollen darüber wachen und darauf zu halten befugt seyn, daß die freie Wirksamkeit der obersten Justizbehörden niemals beschränkt werde, daß willkührliche Verhaftungen, ohne rechtliches Verfahren nach den bestehenden Gesetzen nie und auf keine Weise Statt finden, auch daß keiner Unserer Unterthanen jemals seinem gewöhnlichen Gerichtsstand, und durch die Gesetze vorher bestimmten ordentlichen Richter durch außerordentliche Maasregeln entzogen werde. Zu dem Ende legen Wir sofort Unseren Landständen nachfolgende Rechte bei: 1) Ohne ihre Einwilligung soll an den, in dem Eingang des gegenwärtigen Edicts erwähnten, die Aufrechterhaltung der bürgerlichen und Gewerbe-Freiheit, so wie die Gleichheit der Abgaben bezweckenden Gesetzen und Einrichtungen weder von Uns, noch von Unsern Regierungs-Nachfolgern zur Beschränkung der darin bestimmten Rechte jemals eine Abänderung verfügt werden. Ueberdies sollen wichtige, das Eigenthum, die persönliche Freiheit und die Verfassung betreffende neue Landesgesetze nicht ohne den Rath und die Zustimmung der Landstände eingeführt werden. 2) Sie können Uns Vorschläge zu Abänderung bestehender und Einführung neuer Gesetze überreichen, allgemeine und besondere Beschwerden einzelner Landesthei-

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le oder Unterthanenclassen Uns vortragen, und fordern, daß gegen Unsern Staats-Minister, so wie auch gegen Landescollegien wegen bestimmter Beschuldigungen eine Untersuchungs-Commission angeordnet werde, wenn diese Beschuldigungen auf bescheinigten Angaben beruhen, daß von ihnen Verletzungen der hier oben unter Nro. l. angeführten, und sogleich hier nachfolgend über die Abgaben-Erhebung und Verwendung festgesetzten, Verfassungsbestimmungen verfügt, oder zugelassen worden, oder auch, daß sie sich Concussionen, oder verbotene Annahme von Geschenken erlaubt, oder bei ihren Untergebenen zugelassen haben. Dergleichen Vorschläge und Beschwerden können von jedem einzelnen Mitgliede der Herrenbank und der Landesdeputirten während den Sitzungen ihrer Versammlung in Antrag gebracht werden. Die Anträge werden in jeder Abtheilung besonders erörtert und darüber abgestimmt. Sie können Uns aber nur alsdann vorgelegt werden, wenn sie die Zustimmung der Mehrheit in jeder Abtheilung erhalten haben. Auf gleiche Art werden die von Uns den Landständen zum Gutachten und Beistimmung mitzutheilenden Gesetzes-Vorschläge in jeder Abtheilung besonders discutirt, und darüber abgestimmt, so daß nur die für sich zählende Stimmen Mehrheit in jeder einzelnen Abtheilung die Zustimmung der Landstände beurkundet. Herrschen getheilte Meinungen in beiden Abtheilungen, so wird die Vereinigung derselben durch eine von jeder Abtheilung in gleicher Anzahl zu erwählende Deputation versucht, welche unter den beiden Präsidenten zusammentritt. Bei nicht Statt findender Vereinbarung behalten Wir Uns die landesherrliche Entscheidung bevor. 3) Alle von den Unterthanen zu erhebende directe und indirecte Abgaben sollen von der Mehrheit Unserer Landstände, wobei die einzelnen Stimmen nach geschehener

V ERFASSUNGSEDIKT VON NASSAU (1814) besondern Umfrage in beiden Abteilungen zusammen zu zählen sind, im Voraus bewilligt werden, alle directe Abgaben für den Zeitraum eines Jahres, die indirecten nach Gutfinden auf sechs Jahre hinaus. Zu dem Ende ist das Bedürfniß des kommenden Jahres sammt dem wahrscheinlichen Ertrag der zu erhebenden Abgaben in genauen und vollständigen Uebersichten ihnen vorzulegen, auf gleiche Art auch die geschehene Verwendung der früher von den Landständen zu angegebenen Staatsbedürfnissen bewilligten Abgaben ihnen unter gestatteter Einsicht der geführten Rechnungen mit den Belegen derselben nachzuweisen. 4) Die Landstände können während ihrer jeweiligen Sitzungszeit Vorstellungen und Bittschriften von einzelnen Unterthanen sowohl, wie auch von Gemeinden annehmen. Solche müssen schriftlich an die Präsidenten beider Abtheilungen eingeschickt werden. § 3. Wir werden die Landstände alljährlich zwischen dem l. Januar und l. April und sonst im Laufe des Jahres, so oft es Uns erforderlich scheint, ausserordentlich versammeln, behalten Uns aber das Recht vor, ihre Sitzungen nach Gutfinden zu unterbrechen, auch die Versammlung der LandesDeputirten gänzlich aufzulösen, und eine anderweite Wahl derselben anzuordnen. Eine jede eigenmächtige Zusammenkunft der Versammlung der Landstände oder einer von ihren Abtheilungen ohne Unsere vorgängige Einladung ist unerlaubt, und was darin verhandelt oder beschlossen werden sollte, für null und nichtig zu achten. Bei den ordentlichen und außerordentlichen Versammlungen der Landstände werden Wir zu den Sitzungen jeder Abtheilung Commissarien abordnen, welche an allen Verhandlungen Antheil nehmen, ohne jedoch bei den Abstimmungen zugegen zu sein. Die Handhabung der innern Poli-

zei der Versammlungen bleibt ihnen selbst überlassen nach Maasgabe einer Ordnung jedoch, die im Lauf der ersten Sitzung zu entwerfen und Uns zur Genehmigung vorzulegen ist. Während der Versammlung der Landstände kann kein Mitglied ohne Zustimmung der Abtheilung, wozu es gehört, aus irgend einem Grunde oder Veranlassung zu gefänglicher Haft gebracht werden. § 4. Gebohrne Landstände und Mitglieder der Herrenbank sind alle Prinzen Unsers Hauses nach zurückgelegtem Ein- und zwanzigsten Jahr ihres Lebensalters. Sodann ertheilen Wir die Landstandschaft zur Herrenbank als ein erbliches mit dem Besitz der in Unserm Herzogthum bestehenden Standesherrschaften verbundenes Vorrecht den Fürstlichen Häusern von Anhalt-Bernburg-Schaumburg, von SolmsBraunfels, von Wied-Neuwied, von WiedRunckel und von Solms-Lich, sodann den gräflichen Familien von Waldbott-Bassenheim und von Walderndorf, endlich dem Herrn Fürsten von der Leyen wegen der Grundherrlichkeit zu Fachbach und Nievern, dem Herrn Fürsten von Hatzfeld wegen der Grundherrschaft Schönstein und dem Freiherrn vom Stein wegen der Herrschaften Frücht und Schweighausen sammt übrigen von Unserm Gesammthaus zu Lehen tragenden Stammgütern. Die jeweiligen Häupter dieser Fürstlichen, Gräflichen und Freiherrlichen Familien und Inhaber der bemeldeten Standesgebiete und Grundherrschaften sind erbliche Landstände in Unserm Herzogthum und gebohrene Mitglieder der Herrenbank. Sie haben das Recht, den Versammlungen der Landstände vom Eintritt in das fünf und zwanzigste Lebensjahr an persönlich beizuwohnen, und können sich nach Gutfinden auch durch besonders dazu abgeordnete Bevollmächtigte darin vertreten lassen. Gleiches Vertrettungsrecht steht den Vor-

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NASSAU mündern unmündiger Familienhäupter zu. Doch müssen ihre stellvertrettende Bevollmächtigten in Unsern Landen angesessen seyn, und mindestens dem Freiherrenstand angehören, auch das fünf und zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt haben. Ausser diesen vorgenannten werden Wir noch andere Mitglieder der Herrenbank auf Lebenszeit oder mit dem Recht der Vererbung nach Unserm Gutfinden, und vorher eingeholten Gutachten der schon bestehenden Mitglieder ernennen, mit der Einschränkung jedoch, daß dieselben zum teutschen Fürsten-, Grafen- oder Freiherrenstand gehören, und wenigstens zweihundert Gulden zu jedem Grundsteuer-Simplum in Unserm Herzogthum beitragen. Kein Mitglied der Herrenbank kann sich durch ein anderes Mitglied in der Versammlung vertreten lassen, oder ihm die Führung seiner Stimme übertragen.3 § 5. Die Versammlung der Landstände von der Herrenbank findet gleichzeitig Statt mit der Versammlung der Landesdeputirten und an dem nehmlichen Ort. Die Einladungsschreiben werden Wir den Mitgliedern unmittelbar zufertigen, den Präsidenten aber für die Dauer jeder Sitzungs-Zeit aus ihrer Mitte ernennen. Die allgemeinen Sitzungskosten sind aus Unserer Staats-Casse zu bestreiten. § 6. Die Versammlung der Landesdeputirten besteht aus zwey und zwanzig Mitgliedern, bei deren Wahl die hier nachfolgenden Vorschriften zu beobachten sind. Die Inspectoren der evangelisch-lutherischen und der reformirten Geistlichkeit, sodann die Landdechanten der katholischen versammeln sich an einem bestimmten Tage unter dem Vorsitz eines von Uns hierzu abzuordnenden Commissarius, auf dessen vorgängige ihnen zuzufertigende Einladung. Eine jede dieser Wahlversammlungen erwählt Einen Landesdeputirten, auf völlig gleiche Art die Vorsteher der höhern Lehr-

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anstalten Einen, und alle in der 12. bis 16. Gewerbsteuer-Classe catastrirten Gewerbebesitzer drei Landesdeputirte aus ihrer Mitte. Die Kosten der Reise zur Wahlversammlung sind den geistlichen Inspectoren, Landdechanten und Rectoren der Lehranstalten zu vergüten. Die Landeigenthümer, welche zu jedem Grundsteuer-Simplum wenigstens Sieben Gulden und darüber beitragen, erwählen fünfzehn Landesdeputirte aus ihrer Mitte und unter denjenigen Gutseigenthümern, die zu jedem Grundsteuer-Simplum wenigstens Ein und Zwanzig Gulden und darüber beitragen, auch das fünf und zwanzigste Lebens Jahr zurückgelegt haben. Zu dem Ende sind die Wahlmänner durch Einladung des von Uns zu ernennenden vorsitzenden und dirigirenden Commissarius nach der vorgewesenen Abtheilung Unseres Herzogthums in Steuer-Revisions Districte, in den fünf Hauptorten derselben nämlich in Wiesbaden, Limburg, Usingen, Ehrenbreitstein und Hachenburg zu versammeln, und von ihnen die Wahl dergestalt zu vollziehen, daß die Wahlversammlung zu Wiesbaden vier, eine jede der Wahlversammlungen zu Usingen, Limburg und Ehrenbreitstein drei, und jene zu Hachenburg zwei Landesdeputirte zu ernennen hat. In allen Wahlversammlungen ohne Unterschied entscheidet die absolute Stimmen Mehrheit der anwesenden Mitglieder. Abwesende können ihr Stimmrecht an einen andern nicht übertragen. Die Abstimmung über geeigenschaftete Candidaten zu Landesdeputirten wird so oft in der Versammlung wiederholt, bis die absolute Stimmen Mehrheit für einen jeden Einzelnen entschieden ist. Die Wahl der Landesdeputirten geschieht für die Dauer von sieben Jahren. Nach Ablauf derselben wird zur neuen Wahl geschritten, wenn nicht etwa früher eine ausserordentliche Auflösung der Landesdeputirten-Versammlung von Uns verfügt worden ist. Die abtrettende Landesdeputirten sind in jedem Fall wieder wahlfähig.4

V ERFASSUNGSEDIKT VON NASSAU (1814) § 7. Die Reisekosten nebst Taggebühren für die Dauer der Sitzungszeit und für die Tage ihrer Gegenwart am Ort der Versammlung sollen den Landesdeputirten ohne Unterschied aus Unserer Staats-Casse vergütet, und der Betrag der letztern, nach angehörtem Gutachten der Landstände im Laufe der ersten Sitzungszeit von Uns bestimmt werden. Gleichermaßen sind die allgemeinen Sitzungskosten der Landesdeputirten-Versammlung aus Unserer Staats-Casse zu bestreiten. § 8. Die Landesdeputirten versammeln sich auf die ihnen von Unserem dirigirenden Staats-Ministerium zukommende Einladung am bestimmten Ort und Tag. Den Präsidenten ihrer Versammlung werden Wir für eine jede Sitzungszeit aus drei von ihnen Uns vorzuschlagenden Mitgliedern ernennen. Nur die Stimmen der in einer Sitzung anwesenden Landesdeputirten werden gezählt; Abwesende können sich durch Andere nicht vertreten lassen. § 9. Die Sitzungen der Landstände sind nicht öffentlich; doch können dieselben durch Stimmenmehrheit die öffentliche Bekanntmachung ihrer Verhandlungen im Ganzen und Einzelnen mittelst Abdruck und Vertheilung von fünf und zwanzig Exemplarien an jedes ihrer Mitglieder verordnen. Auch sind nach dem Ermessen der Stimmenmehrheit in den Versammlungen sachgemäße Auszüge aus ihren Sitzungsprotocollen durch das allgemeine Intelligenzblatt zur öffentlichen Kenntniß zu befördern. § 10. Die gegenwärtige Edictal-Verordnung soll von Unserem nachgesetzten Staatsministerium dergestalt in Vollziehung gebracht werden, daß die erste Versammlung der Landstände im nächstkommenden Jahre Statt finden kann.

Mögen Unsere Unterthanen aller Stände und Classen darin einen neuen Beweis Unseres unbegränzten Zutrauens zu ihrer treuen Anhänglichkeit und vaterländischen Gesinnung wahrnehmen, und Unser unwandelbares reines Bestreben erkennen, Bürgerglück und Wohlstand in Unserem Staatsgebiet auf sicheren Grundlagen und dauerhaft zu befestigen! – Gegeben zu Biebrich am l. und zu Schloß Engers am 2. September 1814. Friedrich August, Herzog zu Nassau.

Friedrich Wilhelm, Fürst zu Nassau.

vt Freiherr von Marschall. 1

Ediert nach Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau, Jahrgang 1814, Num. 18, Wiesbaden, S. 67– 73. Das Original enthält keinen eigenen Titel. Das Edikt über die landständische Verfassung wurde am 1./2. September 1814 beschlossen und unterzeichnet sowie am 3. September 1814 im Gesetzblatt verkündet. Bzgl. des Inkrafttretens bestimmt §. 10, daß die erste Versammlung der Landstände erst im folgenden Jahr, also 1815, erfolgen sollte. Allerdings dauerte es bis 1819, bis der Herzog die Kammern zum ersten Mal einberufen hat. Siehe dazu Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 45, sowie Hessischer Landtag, Jahrgang 1818, S. 21. Die Verfassung selbst wurde schließlich abgelöst von der „Verkündigung der Zusammenstellung des nach den bestehenden Gesetzgebungen in dem Herzogthum geltenden Staatsrechts“ (Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau, Jahrgang 1849, Nr. 40, Wiesbaden, S. 613–635). Siehe unter „Verfassung von Nassau (1849)“. Für weiterführende Hinweise siehe Hessischer Landtag (Hrsg.), 175 Jahre Nassauische Verfassung: Eine Ausstellung des Hessischen Landtags und des Hessischen Hauptstaatsarchivs zur Erinnerung an den Erlaß der Nassauischen Verfassung am 1./2. September 1814, Wiesbaden 1989; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 45 f.; Waldemar Marner, Die Verfassung des Herzogtums Nassau von 1814, ihre Entstehung und Entwicklung, Diss. Mainz 1953; Winfried Schüler, Das Herzogtum Nassau 1806–1866: Deutsche Geschichte im Kleinformat, Wiesbaden 2006, insbes. S. 55 ff. 2 Durch das „Landesherrliche Edikt“ vom 5. April 1848 wurde das Ein-Kammer-System eingeführt und die folgenden Vorschriften dementsprechend geändert (Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau, Jahrgang 1848, Num. 12, S. 73–91). Siehe unter „Revision von 1848“.

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NASSAU 3

Siehe dazu die Bestätigung und Ergänzung der hier getroffenen Regelung durch das Gesetz „Die Bildung der Herrenbank der Landstände betreffend.“ vom 4. November 1815 (Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau, Jahrgang 1815, Wiesbaden, S. 137–138). Siehe unter „Zweite Revision von 1815“.

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4 Zur Wahl siehe auch die Ergänzung im Gesetz „Die Wahl der Landstände betreffend.“ vom 4. November 1815 (Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau, Jahrgang 1815, Wiesbaden, S. 136–137). Siehe unter „Erste Revision von 1815“.

Erste Revision von 1815 (Die Wahl der Landstände betreffend.)1

Wir Friedrich August, von Gottes Gnaden, souverainer Herzog zu Nassau etc. etc., und Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, souverainer Fürst zu Nassau etc. etc. Erwägend, daß nach Unserm über Errichtung der Landstände in Unserm Herzogthum erlassenen Edict vom 1/2. September v. J. die Wahlfähigkeit der Landes-Deputirten und das Recht Mitglieder der Wahlversammlungen aus der Classe der Landeigenthümer und Gewerbbesitzer zu werden, mit einem nach dem Maas der Grund- und Gewerbsteuer-Cataster bestimmten Besitz von Liegenschaften und Gewerben verbunden worden ist, haben darüber nähere Anordnungen zu erlassen, für nöthig erachtet, wie diese Vorschriften Unseres angeführten Edicts auf die mit Unserm Herzogthum neu vereinigten vormals Oranien-Nassauischen Fürstenthümer Dillenburg und Hadamar, sodann in der ehemaligen Grafschaft Westerburg und Herrschaft Schadeck angewendet werden sollen, in welchen die bestehende Steuer-Einrichtung nach Maasgabe der Edicte vom 10/14. Februar 1809 und 15/16. December 1812 noch nicht vollständig eingeführt worden ist. Wir wollen demnach und verordnen hierüber, was nachfolgt: § 1. Alle Landeigenthümer in den hier oben bezeichneten Landestheilen sind zu Wahlmännern und Wahl-Candidaten nach Unserer Absicht, und nach dem Sinn Unseres Constitutions-Edicts geeigenschaftet,

wenn sie der dort noch provisorisch beibehaltenen Grundsteuer-Einrichtung gemäß von ihrem Grundeigenthum im Lauf des gegenwärtigen Jahres so viel an Grundsteuer entrichtet haben, als nach den Bestimmungen jenes Edicts die Wahlmänner und Wahlcandidaten in vier Grundsteuer Simpeln zu bezahlen haben. § 2. Alle Gewerbebesitzer, welche bei der für das künftige Jahr gegen Aufhebung der Mobiliar-, Patent und Personal-Steuer dort einzuführenden Gewerbsteuer in die zwölfte bis sechzehnte Gewerbsteuer-Classe catastrirt werden, sind zur Wahl der Landesdeputirten aus ihrer Mitte berechtigt. § 3. Da die Steuer-Revisions-Districte und die hiernach für die Bildung der Wahlversammlungen bezeichneten Landesbezirke durch die Statt gefundenen Territorial Abtretungen wesentlich einwirkende Abänderungen erlitten haben; so sollen zur Wahl der Landesdeputirten aus den Guthseigenthümern nunmehro drei Wahlversammlungen gebildet werden, zu Wiesbaden, zu Weilburg und zu Dillenburg. Zu Wiesbaden versammeln sich die Wahlmänner aus den Aemtern: Höchst, Königstein, Walau, Wiesbaden, Eltville, Rüdesheim, Caub, Braubach, Nassau, Catzenellnbogen, Kirberg, Wehen und Idstein. Sie erwählen sechs Landesdeputirte. Zu Weilburg werden fünf Deputirte erwählt von den Wahlmännern der Aemter Reichelsheim, Atzbach, Weilburg, Usingen, Runkel, Limburg, Dietz, Meudt, Montabaur, Herschbach, Selters und Hachenburg.

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NASSAU Zu Dillenburg treten die Wahlmänner aus den Fürstenthümern Dillenburg und Hadamar, und aus der Grafschaft Westerburg zusammen, um vier Landesdeputirte zu erwählen.

§ 4. Im Uibrigen ist allenthalben nach den Vorschriften des mehr angezogenen Edicts zu verfahren; insonderheit werden die Listen der Wahlmänner und Wahl-Candidaten hiernach durch die General-Direction der directen Steuern aufgestellt.

Gegeben Biebrich den 3. und Weilburg den 4. November 1815. (L.S.) Friedrich August, Herzog zu Nassau.

(L.S.) Friedrich Wilhelm, Fürst zu Nassau.

vt Freiherr von Marschall.

1

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Ediert nach Verordnungsblatt des Herzogthums

Nassau, Jahrgang 1815, Wiesbaden, S. 136–137.

Zweite Revision von 1815 (Die Bildung der Herrenbank der Landstände betreffend.)1

Wir Friedrich August, von Gottes Gnaden, souverainer Herzog zu Nassau etc. etc., und Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, souverainer Fürst zu Nassau etc. etc. Haben die durch eingetretene Territorialveränderungen und durch die öffentlich bekannt gemachte Entsagung einiger Mitglieder herbeigeführte Nothwendigkeit über die Bildung der Herrenbank Unserer Landstände neue Bestimmungen zu erlassen, erwogen: Wir bestätigen zuvörderst alle in dem Constitutionsedict vom 1/2ten September vorigen Jahrs enthaltene allgemeine Vorschriften, in Beziehung auf die Anordnung der Herrenbank der Stände Unseres Herzogthums und auf die Formen, wornach die Mitglieder ihre landständischen Rechte ausüben werden Erbliche Mitglieder der Herrenbank bleiben sodann 1.) von den im angeführten Constitutionsedict §. 4 aufgeführten Landständen außer den Prinzen Unseres Hauses: die Frau Herzogin Hermine von Oesterreich, als Gräfin zu Holzappel und Herrin zu Schaumburg; der Herr Fürst von der Leyen; die Herren Grafen von Waldbott-Bassenheim und Walderdorf, und der Freiherr vom Stein. Hiernächst bewilligen Wir 2.) die mit dem Besitz der Grafschaft Westerburg verbundene erbliche Landstandschaft zur Herrenbank der gräflichen Familie von Leiningen Westerburg. Endlich 3.) ertheilen Wir den gesammten adeli-

chen Gutseigenthümern in Unserem Herzogthum Sechs Virilstimmen bei der Herrenbank, welche sie durch eben so viele aus ihrer Mitte erwählte Deputirte des Adels vertreten lassen. Die Wahl dieser Sechs Deputirten geschieht in einer, ganz nach Art der übrigen Wahlversammlungen, unter dem Vorsitz eines von Uns zu ernennenden dirigirenden Commissarius, zu bildenden Wahlversammlung, wozu alle Gutseigenthümer vom Adel berufen werden, die zu einem GrundsteuerSimplum wenigstens einundzwanzig Gulden und darüber entrichten, oder die in den Fürstenthümern Dillenburg und Hadamar, so wie in der Grafschaft Westerburg und dem jenseits der Lahn gelegenen Theil des Amts Runkel, im gegenwärtig laufenden Jahr zur Grundsteuer einen Beitrag von zusammen vierundachtzig Gulden und darüber geleistet haben. Adeliche Gutseigenthümer weiblichen Geschlechts und Minorenne können in dieser Wahlversammlung durch Bevollmächtigte ihr Stimmrecht ausüben lassen. Adelichen Gutseigenthümern, welche den hier bestimmten Grundsteuer-Betrag von ihren Besitzungen nicht entrichten, bleibt das Recht vorbehalten, in den Wahlversammlungen der übrigen Landeigenthümer oder Gewerbbesitzer zu erscheinen. Sie üben darin ihr Stimmrecht, in so weit ihnen ein solches nach der gesetzlichen Bestimmung zusteht, zu der Landesdeputirtenwahl. Die gegenwärtige Edictalverordnung ist zugleich mit der unterm heutigen Datum

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NASSAU über die nunmehrige Bildung dieser Wahlversammlungen erlassenen Edictalverordnung durch Abdruck im Verordnungsblatt öffentlich zu verkünden, und durch Unser

Staatsministerium nach Maaßgabe des Constitutionsedicts vom 1/2 ten September vorigen Jahrs zu vollziehen.

Gegeben zu Biebrich am 3ten und zu Weilburg am 4ten November 1815. (L.S.) Friedrich August, Herzog zu Nassau.

(L.S.) Friedrich Wilhelm, Fürst zu Nassau.

vt Freiherr von Marschall.

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Ediert nach Verordnungsblatt des Herzogthums

Nassau, Jahrgang 1815, Wiesbaden, S.137–138.

Revision von 1848 Landesherrliches Edikt1

Wir Adolph, von Gottes Gnaden Herzog zu Nassau etc. etc.

seits die Abgeordneten zur Ständeversammlung wählen.

haben, von der Ueberzeugung durchdrungen, daß die in dem Constitutionsedicte vom ½ September 1814 und in den darauf gegründeten späteren Gesetzen enthaltenen Bestimmungen über die Zusammensetzung der landständischen Versammlung Unseres Herzogthums den dermaligen Verhältnissen nicht mehr entsprechen, nach Vernehmung Unserer Landstände und mit deren Zustimmung beschlossen, daß in Zukunft die Repräsentation des Landes in Einer Kammer stattfinden, und die Wählbarkeit zum Volksabgeordneten von einem bestimmten Vermögensbesitz nicht abhängig seyn soll. Indem Wir danach die sämmtlichen auf die Bildung der Herrenbank bezüglichen gesetzlichen Vorschriften hiermit außer Kraft setzen, erlassen Wir weiter in Betreff der Wahlen zur Ständeversammlung Unseres Herzogthums die nachfolgenden Bestimmungen.

§ 2. Die in den Gemeindeverband aufgenommenen Gemeindebürger üben ihr Stimmrecht bei dieser Wahl in der Gemeinde aus, welcher sie angehören. Volljährige von der Verbindlichkeit des persönlichen Eintritts in die Gemeindebürgerschaft ausgenommene Staatsbürger, sowie die recipirten Israeliten üben ihr Stimmrecht in der Gemeinde in welcher sie ihren Wohnsitz haben.

I. ABSCHNITT Wahlberechtigung der Urwähler § 1. Jeder volljährige Gemeindebürger und diejenigen staatsbürgerlichen Einwohner ohne Unterschied der Religion, welche nach §. 3 pos. 1, 2, 3, 4, 5 und 7 des Gemeindeedicts vom 5. Juni 1816 bis jetzt von der Verbindlichkeit des persönlichen Eintritts in die Gemeindebürgerschaft ausgenommen sind, wählen die Wahlmänner, welche ihrer-

§ 3. Ein Urwähler kann sein Stimmrecht nur in Einer Gemeinde des Herzogthums ausüben. § 4. In der Regel bildet jede Gemeinde eine Wahlversammlung; in größeren Gemeinden, welche bisher in Bezirke zu Gemeindevorsteherwahlen eingetheilt waren, bildet ein jeder dieser Bezirke eine besondere Wahlversammlung. § 5. Für die Wahl der nächsten Ständeversammlung werden in jeder Gemeinde des Herzogthums Stimmregister aufgestellt. Zu dem Ende ladet der Gemeindevorstand (Schultheiß und Vorsteher) sämmtliche Einwohner der Gemeinde auf die im §. 13 bestimmte Weise ein, in der Gemeindeversammlung zu erscheinen. Diese Gemeindeversammlung entscheidet durch absolute Stimmenmehrheit (wenigstens eine Stimme mehr als die Hälfte der Erschienenen) über die Aufnahme der Berechtigten in das Stimmregister. Dem Ausgeschlossenen steht das Recht

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NASSAU der Berufung an die Ständeversammlung zu. § 6. Für die Zukunft wird am ersten Sonntag nach jedem Neujahrstag in jeder Gemeinde des Herzogthums eine Bereinigung der Stimmregister auf die im vorigen Paragraphen vorgeschriebene Weise vorgenommen. Diejenigen, welche unterdessen das Stimmrecht in der Gemeinde neu erworben haben, werden in das Stimmregister eingetragen und die es verloren haben, werden gestrichen. § 7. Die Stimmregister über sämmtliche wahlfähige Gemeindeeinwohner müssen jeder Zeit zu Jedermanns Einsicht offen gelegt werden. § 8. Jeder Stimmberechtigte muß persönlich in der Wahlversammlung erscheinen. Bevollmächtigung findet nicht statt. § 9. Von dem Stimmrecht ausgeschlossen sind: 1) die Volljährigen, welche unter Curatel gestellt sind; 2) diejenigen, über welche rechtskräftig der Concurs erkannt ist, so lange sie ihre Gläubiger nicht befriedigt haben, oder nach einem zu erlassenden Gesetz in ihre staatsbürgerliche Rechte nicht wieder eingesetzt sind; 3) diejenigen, welche ständige Armenunterstützung aus öffentlichen Cassen genießen; 4) diejenigen, welche durch rechtskräftiges Urtheil wegen eines gemeinen Verbrechens, worunter politische Verbrechen nicht zu verstehen sind, zu Zuchthausstrafe, oder wegen eines aus Betrug oder Gewinnsucht entstandenen Verbrechens zu Correctionshausstrafe verurtheilt sind. § 10. Die Wahlversammlung entscheidet – vorbehaltlich des Rechts der Berufung

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an die Ständeversammlung – über Anstände, welche sich in Bezug auf Ausübung des Stimmrechts ergeben.

II. ABSCHNITT Wahlversammlung der Urwähler § 11. Die Wahlversammlung findet nach Entscheidung des Ortsvorstandes in der größten Kirche, oder im Rath- oder Schulhaus des Wahlortes, oder in einem sonstigen passenden Local statt. § 12. Die Wahlversammlung beginnt wo möglich an einem Sonntage um 11 Uhr Vormittags und dauert bis Abends. Ist bei einbrechender Dämmerung die Wahl nicht beendet, so wird die Wahlversammlung am folgenden Tage fortgesetzt nach Versiegelung der Protocolle und der noch nicht verlesenen Stimmzettel. Der Beginn der Wahlversammlung wird durch Glockengeläute oder die Schelle angezeigt. § 13. Jeder Stimmberechtigte, welcher in der Gemeinde wohnhaft ist, muß wenigstens zweimal 24 Stunden vor der Wahlversammlung auf Veranstaltung des Gemeindevorstandes dazu eingeladen und daß solches geschehen, von ihm bescheinigt sein. In Abwesenheit des Stimmberechtigten wird die Anzeige einem Familiengenossen oder einem Bediensteten desselben gemacht, und von diesem die vorgeschriebene Bescheinigung ausgestellt. Außerdem wird der Tag der Urwählerversammlung im Intelligenzblatt und andern öffentlichen Blättern bekannt gemacht. § 14. Jede Gemeindewahlversammlung wählt auf je 100 Seelen Einen Wahlmann. Es wird dabei jedesmal die letzte Volkszählung zu Grund gelegt. Eine Seelenzahl von mehr als 66 wird für 100 gezählt.

R EVISION VON 1848 Die Gemeinden, in welchen die Seelenzahl nicht 100 beträgt, wählen dennoch Einen Wahlmann. § 15. Die Urwahlen finden sowohl bei der Erneuerung der Ständeversammlung, als auch bei jeder Ersatzwahl statt.

III. ABSCHNITT Verfahren in der Gemeindewahlversammlung § 16. Auf die von Unserem Staatsministerium ergehende Bekanntmachung wegen Vornahme der landständischen Wahlen haben Unsere Aemter die Gemeindewahlversammlungen in ihrem Bezirke anzuordnen. § 17. Der Gemeindevorstand eröffnet die Wahlversammlung und läßt sofort durch offene Abstimmung (Aufhebung der Hände) einen Vorsitzer der Wahlversammlung, zwei oder in größeren Gemeinden vier Stimmenzähler und zwei Schreiber wählen. § 18. Sobald dieser Wahlausschuß gewählt ist, ließt 1) der Vorsitzende die §§. 1. 3. 4. 7. 8. 9. 11. 18. 20. 21. 22. 23. 24. dieses Wahlgesetzes vor. 2) Stellt er die Anfrage an die Versammlung, ob sich Personen in derselben befinden, welche nicht stimmberechtigt sind, und richtet die Ermahnung an sie, sich aus der Versammlung zu entfernen. 3) Läßt er über Beanstandung des Stimmrechts eines Anwesenden die Versammlung durch absolute Stimmenmehrheit entscheiden, unter Vorbehalt der Berufung. (§. 10.). 4) Läßt er die Stimmzettel an die Wähler vertheilen. 5) Nach Schließung der Thüren läßt er die Anwesenden durch die Stimmzähler zählen. 6) Jeder Stimmende hat so viel Wahlmänner auf den Stimmzettel zu schreiben,

als die Gemeinde, oder die Abtheilung der Gemeinde, welcher er angehört, zu ernennen hat. Die Person derjenigen, welchen der Wähler seine Stimme geben will, muß möglichst genau nach Vornamen, Familiennnamen, Geschäft oder anderen Merkmalen (Wohnung und dergleichen) bezeichnet sein. Wenn aber einer oder der andere der Stimmberechtigten auch nicht so viel Personen aufschreibt, als er aufschreiben sollte, so schadet dies der Gültigkeit der Wahlhandlung nicht. Schreibt er mehr Personen auf, so werden die zuletzt stehenden, die richtige Zahl überschießenden, nicht berücksichtigt. In Wahlorten, die mehrere Wahlmänner zu ernennen haben, kann die Einrichtung getroffen werden, daß die Stimmenden ihre Wahlzettel zu Hause aufschreiben. 7) Alsdann läßt der Vorsitzende die Stimmzettel einsammeln. 8) Läßt der Vorsitzende die Stimmzettel zählen und vergleicht deren Zahl mit der Anzahl der Wähler. Sind mehr Stimmzettel abgegeben, als Wahlberechtigte anwesend waren, so ist die stattgehabte Wahlhandlung ungültig, und muß auf’s neue vorgenommen werden. 9) Er läßt die Stimmzettel von den Stimmzählern eröffnen, verlesen und durch die Schreiber im Protocoll verzeichnen. 10) Sobald der Stimmzähler den Stimmzettel verlesen, überreicht er ihn dem Vorsitzenden, welcher seinerseits nachsieht, ob die Namen richtig abgelesen, und wenn er die geschehene Verlesung richtig findet, den Zettel zerreißt. Hält er dafür, das ein oder mehrere Namen unrichtig abgelesen seien, so entscheidet er mit dem gesammten Wahlausschuß nach Stimmenmehrheit: a) welche Namen der Stimmzettel enthalte oder b) ob derselbe als unleserlich oder wegen ungenauer Bezeichnung der Person hinsichtlich dieser unleserlich oder ungenau

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NASSAU bezeichneten Person zu verwerfen sei. 11) Nachdem sämmtliche Stimmzettel verlesen sind, läßt der Vorsitzende die Schreiber das Verzeichniß der Stimmen im Protocoll verlesen und erklärt hierauf, wer die meisten Stimmen (relative Stimmenmehrheit) erhalten habe. Wo mehrere Wahlmänner zu ernennen sind, sind es diejenigen, die unter allen übrigen die meisten Stimmen erhalten haben. Bei eintretender Stimmengleichheit zwischen solchen Personen, welche nach dem Wahlergebniß die mindeste relative Stimmenmehrheit erhalten haben, läßt der Vorsitzende sofort zur Entscheidung durch das Loos zwischen denselben schreiten. Für Abwesende zieht einer der Stimmenzähler. § 19. Der Wahlausschuß hat für Beobachtung der gegenwärtigen Vorschriften, sowie überhaupt für Erhaltung der Ordnung und Ruhe in der Versammlung zu wachen. Er darf indeß weder durch Empfehlung oder Vorschläge noch auf sonst irgend eine Weise sich erlauben, auf die Wahlfreiheit einzuwirken. § 20. Ueber die Wahlverhandlung ist ein doppeltes Protocoll zu führen. Nach gezogener Stimmenmehrheit ist dasselbe in Gegenwart der noch anwesenden Mitglieder der Wahlversammlung zu verlesen und von dem Vorsitzenden, den Stimmenzählern und den Schreibern zu unterzeichnen. Dasselbe soll den Tag, Beginn und Ende der Versammlung, die Zahl der bei jeder Abstimmung anwesenden Wähler und das Verzeichniß der jedesmal auf jede Person gefallenen Stimmen enthalten. Das eine Protocoll schickt der Ausschuß spätestens in 48 Stunden nach Vollendung der Wahlen an dasjenige Amt, in dessen Amtssitz die Deputirten-Wahlversammlung des betreffenden Wahlbezirks zusammenkommt, zur demnächstigen Abgabe an diese Wahlmännerversammlung.

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Das andere wird von dem Ausschuß verwahrt. § 21. Die ernannten Wahlmänner erhalten eine von sämmtlichen Mitgliedern des Wahlausschusses unterschriebene und mit dem Ortssiegel versehene, nach einem vorgeschriebenen Formular, Anlage 1.2 , auszustellende Urkunde über ihre Ernennung.

IV. ABSCHNITT Wählbarkeit zu Wahlmännern § 22. Jeder nach §. 1. und §. 9. dieses Gesetzes zur Wahl Berechtigte kann zum Wahlmanne gewählt werden. § 23. Die Gemeinde-Wahlversammlungen wählen die Wahlmänner aus den nach §. 1. und §. 9. dieses Gesetzes in der Gemeinde Wahlberechtigten. § 24. In größeren Gemeinden, die in mehrere Wahlbezirke abgetheilt sind, können die Bewohner jeden Bezirks, welche einen oder mehrere Wahlmänner zu ernennen haben, diese Wahlmänner aus den nach §. 1. und 9 wählbaren Bewohnern des ganzen Ortes wählen, ohne Rücksicht auf den Bezirk, welchen dieselben bewohnen. Wird Jemand in mehreren Bezirken zugleich zum Wahlmann gewählt, so hat er sich innerhalb 24 Stunden nach erhaltener Anzeige zu erklären, für welchen Bezirk er das Wahlmannamt annimmt, worauf das betreffende Herzogliche Amt innerhalb weiterer 24 Stunden eine neue Wahl anzuordnen hat. § 25. Die Annahme des Wahlmannamts kann von keinem Staatsbürger ohne genügende Ursache, als Krankheit, nothwendige Abwesenheit, verweigert werden. Die Wahlgemeindeversammlung entscheidet sofort und ohne Berufung über das Begehren des Gewählten, das Amt nicht annehmen zu wollen.

R EVISION VON 1848

V. ABSCHNITT

zirke eingetheilt.

Wahlmännerversammlung § 26. Das Herzogthum ist in 14 Wahlbe-

I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV.

dem ” ” ” ” ” ” ” ” ” ” ”

Amte ” ” ” ” ” ” ” ” ” ” ”

Die Wahlbezirke werden gebildet aus folgenden Aemtern:

Dillenburg und Herborn. Marienberg und Rennerod. Hachenburg und Selters. Weilburg und Runkel. Hadamar und Wallmerod. Limburg und Diez. Montabaur und Nassau. Braubach und St. Goarshausen. Usingen und Reichelsheim. Königstein und Höchst. Idstein und Wehen. Wiesbaden und Hochheim. Eltville und Rüdesheim. Nastätten und Schwalbach.

§ 27. Die Wahlorte, wo die Wahlmännerversammlungen stattfinden, sind: 1) für den ersten Wahlkreis, abwechselnd zuerst in Dillenburg, dann in Herborn. 2) für den zweiten Wahlkreis, zuerst in Rennerod, dann in Marienberg. 3) für den dritten Wahlkreis, zuerst in Hachenburg, dann in Selters. 4) für den vierten Wahlkreis, zuerst in Weilburg, dann in Runkel. 5) für den fünften Wahlkreis, zuerst in Hadamar, dann in Wallmerod. 6) für den sechsten Wahlkreis, zuerst in Limburg, dann in Diez. 7) für den siebenten Wahlkreis, zuerst in Montabaur, dann in Nassau. 8) für den achten Wahlkreis, zuerst in Braubach, dann in St. Goarshausen. 9) für den neunten Wahlkreis, in Usingen. 10) für den zehnten Wahlkreis, abwechselnd zuerst in Höchst, dann in

Königstein. 11) für den eilften Wahlkreis, zuerst in Idstein, dann in Wehen, 12) für den zwölften Wahlkreis, zuerst in Wiesbaden, dann in Hochheim. 13) für den dreizehnten Wahlkreis, zuerst in Eltville, dann in Rüdesheim. 14) für den vierzehnten Wahlkreis, zuerst in Nastätten, dann in Schwalbach. § 28. Die Wahlmänner versammeln sich ohne weitere Aufforderung in Gemäßheit der ihnen übergebenen Ernennungsurkunde (Anlage 1)3 am dritten Montag nach Beginn der Wahlmänner-Wahl, Vormittags neun Uhr in der größten Kirche des Hauptortes des betreffenden Wahlbezirkes, oder einem sonstigen passenden Local. § 29. Die Wahlmänner wählen nach der Volkszahl auf je 9600 Seelen Einen Deputirten, sowie auf eine Bruchzahl von wenigstens 5400 der Bevölkerung des Bezirks Einen weiteren Deputirten zu der StändeVersammlung auf die Dauer von drei Jahren, also: 23

NASSAU 1)

2)

3)

4)

5)

6)

7)

8)

9)

10)

11)

12)

13)

14)

im ersten Wahlbezirk: Dillenburg Herborn im zweiten Wahlbezirk: Hachenburg Selters im dritten Wahlbezirk: Marienberg Rennerod im vierten Wahlbezirk: Weilburg Runkel im fünften Wahlbezirk: Hadamar Wallmerod im sechsten Wahlbezirk: Limburg Diez im siebenten Wahlbezirk: Montabaur Nassau im achten Wahlbezirk: Braubach St. Goarshausen im neunten Wahlbezirk. Usingen Reichelsheim im zehnten Wahlbezirk: Königstein Höchst im eilften Wahlbezirk: Idstein Wehen im zwölften Wahlbezirk: Wiesbaden Hochheim im dreizehnten Wahlbezirk: Eltville Rüdesheim im vierzehnten Wahlbezirk: Nastätten L. Schwalbach

17,332 15,756



12,393 16,313



9,454 14,740



19,619 14,480



19,489 15,199



16,345 16,474



17,936 12,946



11,494 11,761



21,891 1,574



16,459 18,287



18,661 10,622



27,472 13,693



12,382 13,169



12,242 11,754



Summa

24

Einwohner

Deputirte

33,094

3

28,906

3

24,194

2

34,099

3

34,688

4

32,819

3

30,882

3

23,255

2

23,465

2

34,746

4

29,283

3

41,165

4

25,551

3

23,996

2

420,143

41

R EVISION VON 1848

VI. ABSCHNITT Verfahren in der WahlmännerVersammlung § 30. Jeder Wahlmann muß persönlich in der Wahlversammlung erscheinen. Bevollmächtigung findet nicht statt. § 31. Der an Jahren älteste Wahlmann eröffnet die Wahlmännerversammlung, indem er die Versammlung auffordert, einen Vorsitzenden, vier Stimmzähler und zwei Schriber durch offenes Handmehr zu erwählen. § 32. Sobald dieser Wahlausschuß gewählt ist, nimmt derselbe zuerst die Prüfung der von den Wahlmännern vorzulegenden Ernennungsurkunden (s. Anlage 1)4 vor. § 33. Zur Vornahme der Wahl eines Deputirten zur Ständeversammlung ist die Anwesenheit von drei Viertheilen der in dem betreffenden Bezirk zu ernennenden Wahlmänner erforderlich. Um zu beurtheilen, ob die nöthigen drei Viertheile anwesend sind, hat der Urwähler-Ausschuß durch den ältesten Wahlmann eine mit dem Gemeindesiegel versehene Bescheinigung über die Zahl und die Namen der gewählten Wahlmänner dem Ausschuß der Wahlmänner-Versammlung zustellen zu lassen. § 34. Die Wahl der Deputirten findet zwar im Uebrigen in derselben Weise Statt, wie oben in den §§. 12, 18 und 19 in Betreff der Wahlen der Wahlmänner durch die Urwählerversammlungen vorgeschrieben ist, jedoch mit dem Unterschied, daß hier über jeden zu wählenden Deputirten eine besondere Abstimmung stattfindet und daß zur Wahl des Deputirten absolute Stimmenmehrheit (d. h. eine Stimme mehr als die Hälfte der Erschienenen) erfordert wird. Nachdem hiernach der Vorsitzende die Stimmzettel hat zählen lassen, vergleicht er

deren Zahl mit der Anzahl der Wähler, und wenn nicht mehr Stimmzettel abgegeben worden sind, als Wahlmänner anwesend waren, verkündigt er das absolute Mehr (z. B. von 100–51 Stimmen) und läßt dies im Protocoll notiren. Nachdem sodann sämmtliche Stimmzettel verlesen sind, läßt der Vorsitzende die Schreiber das Verzeichniß der Stimmen im Protocoll verlesen, und erklärt hierauf, ob und wer in dieser Abstimmung die absolute Stimmenmehrheit erhalten hat. Wenn diese Mehrheit nicht erreicht ist, so läßt er eine neue Abstimmung in derselben Weise vornehmen, wie die erste. Bei einer zweiten Abstimmung läßt der Vorsitzende durch die Schreiber die Namen derjenigen Personen verlesen, welche in dieser Abstimmung noch ferner gewählt werden können, indem nämlich diejenigen aus der Wahl wegfallen, welche die geringste Stimmenzahl oder weniger als 10 Stimmen für sich haben. Bei einer etwaigen dritten Abstimmung kann nur unter denjenigen zwei Personen gewählt werden, welche die höchste Stimmenzahl in sich vereinigen. Nur in dem Falle, daß bei dieser Abstimmung jede dieser Personen eine gleiche Anzahl Stimmen erhält, läßt der Vorsitzende sofort zur Entscheidung durch das Loos zwischen denselben schreiten. Für Abwesende zieht einer der Stimmzähler. Wo mehrere Deputirte zu wählen sind, wird in der vorgeschriebenen Weise fortgefahren, bis sämmtliche Deputirte gewählt sind. Ueber die Wahlverhandlung ist, wie bei den Urwählerversammlungen, ein doppeltes Protocoll zu führen. Nach gezogener Stimmenmehrheit ist dasselbe in Gegenwart der noch anwesenden Mitglieder der Wahlversammlung zu verlesen und von dem Vorsitzenden, den Stimmzählern und den Schreibern zu unterzeichnen. Dasselbe enthält gleichfalls den Tag, Beginn und Ende der Versammlung, die Zahl der bei jeder Abstimmung anwesenden Wahlmänner und das Verzeichniß der auf jede Person gefalle-

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NASSAU nen Stimmen. Das eine Protocoll schickt der Wahlmännerausschuß spätestens 48 Stunden nach Vollendung der Wahlen an Unser Staatsministerium, das andere wird vom Ausschuß verwahrt. § 35. Wenn Jemand von mehreren Wahlversammlungen zum Deputirten gewählt wird, so hat Unser Staatsministerium dem Betreffenden sogleich Kenntniß davon zu geben, damit sich derselbe spätestens binnen 8 Tagen nach Empfang der Anzeige erkläre, von welchem Wahlbezirke er die auf ihn gefallene Wahl annehme, worauf dann das Staatsministerium den betreffenden Wahlausschuß zur Veranstaltung einer neuen Wahl eines Volksabgeordneten in Gemäßheit der Bestimmungen dieses Gesetzes auffordert.

VII. ABSCHNITT Wählbarkeit zu Volksabgeordneten § 36. Wählbar zum Volksabgeordneten sind alle nach §. 1. dieses Gesetzes zur Wahl berechtigten Nassauischen Staatsbürger. Ausgeschlossen sind: a) die im §. 9. Erwähnten; b) der Staatsminister, die Präsidenten, Vicepräsidenten und Directoren der Landesregierung, Generalsteuer- und DomänenDirection, der Rechnungskammer, sowie der General und die Obristen der stehenden Truppen; c) sämmtliche höhere und niedere als solche besoldete Hofbedienstete. § 37. Im Wahlbezirk ihres Wohnorts können folgende Beamte nicht in die Ständekammer gewählt werden: a) die Amtmänner; b) die Recepturbeamten.

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VIII. ABSCHNITT Prüfung der Wahlprotocolle § 38. Beamte, welche in Folge dieses Gesetzes von der Wahlfähigkeit nicht ganz oder theilweise ausgeschlossen und als Landstände gewählt sind, haben die auf sie gefallene Wahl der ihnen vorgesetzten Behörde anzuzeigen, welche auf den etwa nöthigen Ersatz des Angestellten in seinem Staatsdienste innerhalb 8 Tagen nach erhaltener Anzeige die nöthigen Vorkehrungen zu treffen verpflichtet ist. Der gewählte Beamte bedarf keines Urlaubs zu seinem Eintritt in die Ständeversammlung. Derjenige Deputirte, welcher nach seiner Wahl eine Anstellung im öffentlichen Dienst erhält, oder auf eine höhere Stelle befördert wird, muß sich einer neuen Wahl unterwerfen. § 39. Die Versammlung der Volks-Abgeordneten beginnt an jedem künftigen Landtag in der ersten Sitzung nach der Eröffnung derselben ihre Arbeit mit der Prüfung der Vollmachten der neu eintretenden Abgeordneten. Die Abgeordneten jedes Wahlkreises prüfen die Wahlen vom folgenden und die vom letzten diejenigen des ersten. Nachdem von denselben Bericht über diese Prüfung erstattet ist, entscheidet die Versammlung durch Stimmenmehrheit über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der stattgehabten Wahl.

IX. ABSCHNITT Ungültigkeitserklärung stattgehabter Wahlen § 40. Die Wahl eines Mitgliedes in die Ständekammer wird ungültig erklärt: 1) Wenn unberechtigte Personen an der Urwahlversammlung Theil genommen oder einer oder mehrere Wähler nicht förmlich

R EVISION VON 1848 zur Wahl eingeladen und zu dem a) nach Abzug dieser Personen von dem Mehr der auf die Wahlmänner gefallenen Stimmen der oder die ernannten Wahlmänner nicht das relative Mehr auf sich vereinigt haben würden, und ferner b) nach Abzug dieser Wahlmännerstimmen für die gewählten Abgeordneten als solche kein absolutes Mehr vorhanden wäre. In diesem Falle wird nur diese betreffende Abgeordneten-Wahl ungültig erklärt und für den oder die ungültig Erklärten eine neue Wahl angeordnet. 2) Wenn bei einer Wahlmännerversammlung nicht ¾ der gewählten Wahlmänner anwesend waren, 3) wenn bei einer Ur- oder WahlmännerVersammlung mehr Stimmzettel abgegeben wurden, als Wähler anwesend waren, worauf dann das im gegenwärtigen §. Nr. 1 a und b vorgeschriebene Verfahren eingehalten wird. 4) wenn die Wahlverhandlung bei Licht statt gefunden hat, 5) wenn die Abstimmung nicht geheim durch Stimmzettel vor sich ging, 6) wenn eine oder mehrere unberechtigte Personen an der Wahlmänner-Versammlung Theil genommen haben und nach Abzug der Zahl ihrer Stimmen der Gewählte nicht mehr das absolute Mehr auf sich vereinigt; 7) Wenn Wahlbestechungen bei Urwahlen oder bei Mitgliedern der WahlmännerVersammlung stattgefunden haben, in welchem Fall die ganze Wahlverhandlung der Bezirkswahlversammlung für ungültig erklärt und zu einer neuen Urwahl in diesem Wahlbezirk geschritten werden muß; 8) Wenn durch die Staatsbehörden oder einzelne Beamte in Mißbrauch der Amtsgewalt auf die Wahlen eingewirkt wurde.

X. ABSCHNITT Strafbestimmungen § 41. Wer an einer Wahlverhandlung, sei es als Urwähler oder Wahlmann Antheil nimmt, ohne dazu berechtigt zu sein, wird durch die betreffende Wahlversammlung aus dem Wahllocale gewiesen. Wenn die unberechtigte Theilnahme wissentlich geschieht, so verfällt er überdies, auch wenn er nicht ausgewiesen worden sein sollte, auf erhobene Anklage in eine Geldstrafe von 10–100 fl. je nach Vermögen und dem verursachten Schaden. § 42. Wer bei einer Wahlmänner-Wahlversammlung ohne genügende Entschuldigungen (wozu z. B. Unkenntniß mit der auf ihn gefallenen Wahl, Krankheit, gefährliche Krankheit von Familiengliedern und unverschiebbare Abreise, oder der Tod von Eltern, Nachkommen oder der Ehefrau gerechnet werden) ausbleibt oder sich vor Beendigung der Wahlhandlung entfernt, verfällt in eine Strafe von 20 bis 200 fl. je nach Vermögen und verursachtem Schaden. § 43. Wer in einer Abstimmung mehr als einen Stimmzettel wissentlich einlegt, sowie der Stimmzähler, welcher in derselben Abstimmung von einzelnen Personen wissentlich mehr als einen Stimmzettel annimmt, wird mit einer Strafe von 30 bis 300 fl. ebenfalls nach Vermögen und verursachtem Schaden belegt. § 44. Sämmtliche Mitglieder des Wahlausschusses, welche nach eingetretener Abenddämmerung das Wahlgeschäft bei Licht fortsetzen lassen, und die Wahl ferner leiten, werden mit einer Ordnungsbuße je nach ihrem Vermögen von 5 bis zu 20 fl. gestraft und haben überdieß die durch die ungültige Wahl verursachten Kosten zu ersetzen. § 45. Der Wahlvorsitzende, der statt geheimer Abstimmung durch Stimmzettel, wo

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NASSAU solche vorgeschrieben ist, eine offene Abstimmung vor sich gehen ließ, verfällt ebenfalls je nach seinem Vermögen in eine Strafe von 5 fl. bis 20 fl. und hat die durch die ungültige Wahl verursachten Kosten zu ersetzen. § 46. Die Staatsbeamten oder diejenigen Privatpersonen, welche durch Bestechung auf die Wahl, sei es der Urwähler oder Wahlmänner, Einfluß zu üben versucht haben, werden mit Verlust ihres activen Bürgerrechts bis auf drei Jahre und mit Verlust ihres etwaigen Amts gestraft. Wenn die Bestechung insoweit vollzogen worden, daß entweder das Versprechen von dem Wähler angenommen, oder bereits eine Gabe ausgehändigt ist, so wird der Bestechende außer dem Verlust des activen Bürgerrechts bis auf drei Jahre und seines etwaigen Amtes mit Correctionshausstrafe von drei Monaten bis zu Einem Jahr bestraft, und hat überdieß die durch die ungültige Wahl verursachten Kosten zu ersetzen. Der Bestochene wird gleichfalls mit Verlust seines activen Bürgerrechts bis auf drei Jahre bestraft. § 47. Die Staatsbeamten, welche in Mißbrauch ihrer Amtsstellung auf die Wahlen einwirken, werden mit Verlust ihres activen Bürgerrechts bis auf drei Jahre bestraft, und überdieß in eine Gefängnißstrafe von 1–3 Monaten verurtheilt. § 48. Wer sich den Verfügungen der Wahlversammlung, des Wahlausschusses oder des Wahlvorsitzenden unbefugter Weise widersetzt oder durch ungestümes störendes Betragen die Wahlverhandlung stört, wird mit einer Geldstrafe von 3 fl. bis 100 fl. bestraft.

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§ 49. Wer die ihm auferlegte Geldstrafe nicht vermögend ist zu zahlen, hat für jeden Gulden Strafe einen Tag Gefangenschaft auszuhalten.

XI. ABSCHNITT Vom Gerichtsstande § 50. Vergehungen gegen die Bestimmungen des Wahlgesetzes beurtheilen bis zum Erlasse von gesetzlichen Bestimmungen über die Schwurgerichte als erste Instanz mit Appellation an das Ober-Appellations-Gericht die Hof- und Appellationsgerichte.

XII. ABSCHNITT Uebergangsbestimmungen § 51. Gegenwärtiges Gesetz, durch welches alle früheren Gesetze in Bezug auf die Wahlen zur Ständeversammlung aufgehoben sind, tritt sofort in Kraft und soll durch das Verordnungsblatt und durch besonderen Abdruck, sowie in den Gemeinde-Versammlungen bekannt gemacht und durch die betreffenden Beamten und Behörden in Vollziehung gesetzt werden. § 52. Dieses Gesetz ist demnächst durch die künftige Ständeversammlung zu revidiren und mit den dann zumal zu erlassenden neuen verfassungsmässigen Bestimmungen in Einklang zu bringen. Wiesbaden, den 5. April 1848. (L. S.) Adolph. Auf höchsten Specialbefehl der Hof- und Appellationsgerichts-Präsident Raht.

R EVISION VON 1848

Anlage I

Der unterzeichnete Ausschuß der Urwählerversammlung zu ____ bescheinigt hierdurch, daß der ____ in dieser Versammlung zum Wahlmann für die Gemeinde ____ ernannt worden ist und hat sich derselbe am ____ zur Wahl eines Deputirten zu ____ mit

dieser Bescheinigung einzufinden. 1

Ediert nach Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau, Jahrgang 1848, Num. 12, S. 73–89. 2 Im Anschluß abgedruckt. 3 Im Anschluß abgedruckt. 4 Im Anschluß abgedruckt.

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Verfassung von Nassau (1849) Verkündigung der Zusammenstellung des nach den bestehenden Gesetzgebungen in dem Herzogthum geltenden Staatsrechts1

Nachdem zwischen Unserer Regierung und der Ständeversammlung während deren letzter Sitzung eine Verhandlung und Verständigung über die in dem Herzogthum vermöge der bisherigen Gesetzgebungen bestehenden staatsrechtlichen Normen stattgefunden hat, so verkündigen Wir hiermit die aus dieser Erörterung hervorgegangene Zusammenstellung in Nachfolgendem als das anerkannte gesetzliche Staatsrecht des Herzogthums, indem Wir zugleich, auf Antrag der Ständeversammlung, allen Angehörigen des Landes diejenigen bestehenden Rechte vorbehalten, welche in dieser staatsrechtlichen Zusammenstellung könnten übergangen worden seyn. Gegeben Biebrich den 28. December 1849. (L.S.) Adolph. vdt. Wintzingerode.

STAATSRECHTLICHE ZUSAMMENSTELLUNG I. Abschnitt Allgemeine Bestimmungen § 1. Das Herzogthum bildet mit seinen gegenwärtigen Landestheilen einen unter Einer Verfassung vereinigten Staat. § 2. Eine Veränderung des Staatsgebiets darf nur im Wege der Gesetzgebung Statt finden.

Ausgenommen ist die Feststellung zweifelhafter Grenzen, wenn dadurch Staatsangehörige aus dem Staatsverbande nicht ausgeschlossen werden. (Vergl. den vorstehenden §. 1 und das Constit. Edict vom 1/2. September 1814. §. 2 pos.1.) § 3. Das Herzogthum ist ein Theil des deutschen Bundesstaates.

II. Abschnitt Grundrechte § 4. Vor dem Gesetze gilt kein Unterschied der Stände. Der Adel als Stand ist aufgehoben. Alle Standesvorrechte sind abgeschafft. Alle Staatsangehörige sind vor dem Gesetze gleich. Alle Titel, insoweit sie nicht mit einem Amte verbunden sind, sind aufgehoben und dürfen nie wieder eingeführt werden. Kein Staatsangehöriger darf von einem nichtdeutschen Staate einen Orden annehmen. Die öffentlichen Aemter sind für alle Befähigten gleich zugänglich. Die Wehrpflicht ist für Alle gleich; Stellvertretung bei derselben soll nicht Statt finden. Die Regelung der Wehrpflicht auf den Grund vorstehender Vorschrift bleibt der Gesetzgebung vorbehalten: ebenso die Ausfüllung von Lücken im Privatrechte, insoweit solche in Folge der ausgesprochenen 31

NASSAU Aufhebung der Standesunterschiede eintreten. (Vergl. §. 7 des im achten Stücke des Reichsgesetzblattes von dem Erzherzog Reichsverweser publicirten Reichsgesetzes vom 27. December 1848, die Grundrechte des deutschen Volkes betreffend, und Art. 1 und 3 des Einführungsgesetzes zu demselben.) § 5. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Die Verhaftung einer Person soll, außer im Falle der Ergreifung auf frischer That, nur geschehen in Kraft eines richterlichen mit Gründen versehenen Befehls. Dieser Befehl muß im Augenblick der Verhaftung, oder innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden dem Verhafteten zugestellt werden. Die Polizeibehörde muß Jeden, den sie in Verwahrung genommen hat, im Laufe des folgenden Tages entweder frei lassen, oder der richterlichen Behörde übergeben. Jeder Angeschuldigte soll gegen Stellung einer vom Gericht zu bestimmenden Caution oder Bürgschaft der Haft entlassen werden, sofern nicht dringende Anzeigen eines schweren peinlichen Verbrechens gegen denselben vorliegen. Im Falle einer widerrechtlich verfügten oder verlängerten Gefangenschaft ist der Schuldige und nöthigenfalls der Staat dem Verletzten zur Genugthuung und Entschädigung verpflichtet. Die für das Heerwesen erforderlichen Modificationen dieser Bestimmungen werden besonderen Gesetzen vorbehalten. (Vergl. §. 8 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 und 3 des Einführungsgesetzes.) § 6. Die Todesstrafe, ausgenommen wo das Kriegsrecht sie vorschreibt, sowie die Strafen des Prangers, der Brandmarkung und der körperlichen Züchtigung, sind abgeschafft.

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Die Strafe des bürgerlichen Todes findet nicht Statt. (Vergl. §. 5 und 9 des Reichsgesetzes über die Grundrechte, Art. 1 und 3 des Einführungsgesetzes und das Strafgesetzbuch vom 14. April 1849.) § 7. Die Wohnung ist unverletzlich. Eine Haussuchung ist nur zulässig: 1) in Kraft eines richterlichen mit Gründen versehenen Befehls, welcher sofort oder innerhalb der nächsten vier und zwanzig Stunden dem Betheiligten zugestellt werden soll; 2) im Falle der Verfolgung auf frischer That durch den gesetzlich berechtigten Beamten; 3) in den Fällen und Formen, in welchen das Gesetz ausnahmsweise bestimmten Beamten auch ohne richterlichen Befehl dieselbe gestattet. Die Haussuchung muß, wenn thunlich, mit Zuziehung von Hausgenossen erfolgen. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist kein Hinderniß der Verhaftung eines gerichtlich Verfolgten. (Vergl. §. 10 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1, 3 und 7 des Einführungsgesetzes.) § 8. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf, außer bei einer Verhaftung oder Haussuchung, nur in Kraft eines richterlichen mit Gründen versehenen Befehls vorgenommen werden, welcher sofort oder innerhalb der nächsten vier und zwanzig Stunden dem Betheiligten zugestellt werden soll. (Vergl. §. 11 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 des Einführungsgesetzes.) § 9. Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung

V ERFASSUNG VON NASSAU (1849) festzustellen. (Vergl. §. 12 des Reichsgesetzes über die Grundrechte.) § 10. Jeder Staatsangehörige hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise durch vorbeugende Maßregeln, namentlich Censur, Concessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen, Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postverbote oder andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden. Vergehen, welche durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung begangen werden, sind nach den allgemeinen Strafgesetzen zu bestrafen. Ueber Preßvergehen, welche von Amtswegen verfolgt werden, wird durch Schwurgerichte geurtheilt. (Vergl. §. 13 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 und 6 des Einführungsgesetzes.) § 11. Jeder Staatsangehörige hat volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Ueberzeugung zu offenbaren. (Vergl. §. 14 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 des Einführungsgesetzes.) § 12. Die Staatsangehörigen sind unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Uebung ihrer Religion. Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach dem Gesetze zu bestrafen. (Vergl. §. 15 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 des Einführungsgesetzes.) § 13. Durch das religiöse Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen und staats-

bürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. Den staatsbürgerlichen Pflichten darf dasselbe keinen Abbruch thun. (Vergl. §. 16 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 des Einführungsgesetzes.) § 14. Jede Religionsgesellschaft soll künftig ihre Angelegenheiten selbstständig ordnen und verwalten, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Die organischen Einrichtungen und Gesetze, welche für die bestehenden Kirchen zur Durchführung dieses Princips erforderlich sind, sollen möglichst bald getroffen und erlassen werden. Keine Religionsgesellschaft genießt anderen gegenüber Vorrechte durch den Staat; es besteht keine Staatskirche. Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. (Vergl. §. 17 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 und 2 des Einführungsgesetzes.) § 15. Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden. (Vergl. §. 18 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 des Einführungsgesetzes.) § 16. Die Formel des Eides soll künftig lauten: „So wahr mir Gott helfe“. (Vergl. §. 19 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 3 des Einführungsgesetzes.) § 17. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe soll nur von der Vollziehung des Civilactes abhängig sein; die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung des Civilactes Statt finden. Die Religionsverschiedenheit soll kein bürgerliches Ehehinderniß bilden. (Vergl. §. 20 des Reichsgesetzes über die

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NASSAU Grundrechte und Art. 3 des Einführungsgesetzes.)

Grundrechte und Art. 1 des Einführungsgesetzes.)

§ 18. Die Standesbücher sollen von den bürgerlichen Behörden geführt werden. Die Ausführung der Bestimmungen in §. 16, 17 und 18 wird durch die Gesetzgebung geordnet. (Vergl. §. 21 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 3 des Einführungsgesetzes.)

§ 23. Die öffentlichen Lehrer sollen die Rechte der Staatsdiener haben. Der Staat soll unter gesetzlich geordneter Betheiligung der Gemeinden aus der Zahl der Geprüften die Lehrer der Volksschulen anstellen. (Vergl. §. 26 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 3 des Einführungsgesetzes.)

§ 19. Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei. (Vergl. §. 22 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 des Einführungsgesetzes.) § 20. Das Unterrichts- und Erziehungswesen steht unter der Oberaufsicht des Staats, und soll, abgesehen vom Religionsunterricht, der Beaufsichtigung der Geistlichkeit als solcher enthoben werden. (Vergl. §. 23 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 3 des Einführungsgesetzes.) § 21. Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen, zu leiten und an solchen Unterricht zu ertheilen, steht jedem Staatsangehörigen frei, wenn er seine Befähigung der betreffenden Staatsbehörde nachgewiesen hat. Der häusliche Unterricht unterliegt keiner Beschränkung. (Vergl. §. 24 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 des Einführungsgesetzes.) § 22. Für die Bildung der Jugend soll durch öffentliche Schulen überall genügend gesorgt werden. Eltern oder deren Stellvertreter dürfen ihre Kinder oder Pflegebefohlenen nicht ohne den Unterricht lassen, welcher für die unteren Volksschulen vorgeschrieben ist. (Vergl. §. 25 des Reichsgesetzes über die

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§ 24. Für den Unterricht in Volksschulen und niederen Gewerbeschulen soll kein Schulgeld bezahlt werden. Unbemittelten soll auf allen öffentlichen Unterrichtsanstalten freier Unterricht gewährt werden. Die Einrichtung des Schulwesens nach den Grundsätzen der §§. 20, 23 und 24 wird durch die künftige Gesetzgebung geordnet. (Vergl. §. 27 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 3 des Einführungsgesetzes.) § 25. Es steht einem Jeden frei, seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er will. (Vergl. §. 28 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 des Einführungsgesetzes.) § 26. Jeder Staatsangehörige hat das Recht, sich mit Bitten und Beschwerden schriftlich an die Behörden und an den Landtag zu wenden. Dieses Recht kann sowohl von Einzelnen als auch von Corporationen und von Mehreren im Vereine ausgeübt werden; beim Heere jedoch nur in der Weise, wie es die Disciplinarvorschriften bestimmen. (Vergl. §. 159 des Reichsgesetzes vom 28. März 1849.) § 27. Eine vorgängige Genehmigung der Behörden ist nicht nothwendig, um öffentliche Beamten wegen ihrer amtlichen Handlungen gerichtlich zu verfolgen.

V ERFASSUNG VON NASSAU (1849) (Vergl. §. 160 des Reichsgesetzes vom 28. März 1849.) § 28. Die Staatsangehörigen haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln; einer besonderen Erlaubniß dazu bedarf es nicht. Volksversammlungen unter freiem Himmel können bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden. (Vergl. §. 29 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 des Einführungsgesetzes.) § 29. Die Staatsangehörigen haben das Recht, Vereine zu bilden. Dieses Recht soll durch keine vorbeugende Maßregel beschränkt werden. (Vergl. §. 30 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 des Einführungsgesetzes.) § 30. Die in den §§. 28 und 29 enthaltenen Bestimmungen finden auf das Heer Anwendung, insoweit die militärischen Disciplinarvorschriften nicht entgegenstehen. (Vergl. §. 31 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 des Einführungsgesetzes.) § 31. Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen nicht beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. (Vergl. §. 6 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 des Einführungsgesetzes.) § 32. Das Eigenthum ist unverletzlich. Eine Enteignung kann nur aus Rücksichten des gemeinen Besten, nur auf Grund eines Gesetzes und gegen gerechte Entschädigung vorgenommen werden. Das geistige Eigenthum soll durch die Gesetzgebung geschützt werden. (Vergl. §. 32 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 und 6 des Einführungsgesetzes.)

§ 33. Jeder Grundeigenthümer kann seinen Grundbesitz unter Lebenden und von Todeswegen ganz oder theilweise veräußern. Die vollständige Durchführung des Grundsatzes der Theilbarkeit des Grundeigenthums bleibt der Gesetzgebung vorbehalten. Für die todte Hand sind Beschränkungen des Rechts, Liegenschaften zu erwerben und über sie zu verfügen, im Wege der Gesetzgebung aus Gründen des öffentlichen Wohls zulässig. (Vergl. §. 33 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 und 4 des Einführungsgesetzes.) § 34. Jeder Unterthänigkeits- oder Hörigkeitsverband hört für immer auf. (Vergl. §. 34 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 des Einführungsgesetzes.) § 35. Ohne Entschädigung sollen wegfallen: 1) die Patrimonialgerichtsbarkeit und die grundherrliche Polizei, sammt den aus diesen Rechten fließenden Befugnissen, Exemtionen und Abgaben; 2) die aus dem guts- und schutzherrlichen Verbande fließenden persönlichen Abgaben und Leistungen. Mit diesen Rechten fallen auch die Gegenleistungen und Lasten weg, welche dem bisher Berechtigten dafür oblagen. (Vergl. §. 35 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 und 3 des Einführungsgesetzes.) § 36. Alle auf Grund und Boden haftenden Abgaben und Leistungen, insbesondere die Zehnten, sind ablösbar. Es soll fortan kein Grundstück mit einer unablösbaren Abgabe oder Leistung belastet werden. (Vergl. §. 36 des Reichsgesetzes über die

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NASSAU Grundrechte und Art. 1 und 4 des Einführungsgesetzes.) § 37. Im Grundeigenthum liegt die Berechtigung zur Jagd auf eigenem Grund und Boden. Die Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grund und Boden, Jagddienste, Jagdfrohnden und andere Leistungen für Jagdzwecke sind ohne Entschädigung aufgehoben. Nur ablösbar jedoch ist die Jagdgerechtigkeit, welche erweislich durch einen lästigen mit dem Eigenthümer des belasteten Grundstücks abgeschlossenen Vertrag erworben ist. Die Ausübung des Jagdrechts aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und des gemeinen Wohls zu ordnen, bleibt der Gesetzgebung vorbehalten. Die Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grund und Boden darf in Zukunft nicht wieder als Grundgerechtigkeit bestellt werden. (Vergl. §. 37 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 und 4 des Einführungsgesetzes.) § 38. Die Familienfideicommisse sind aufzuheben. Die Art und Bedingungen zur Aufhebung bestimmt die Gesetzgebung. (Vergl. §. 38 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 und 4 des Einführungsgesetzes.) § 39. Aller Lehensverband ist aufzuheben. Das Nähere über die Art und Weise der Ausführung hat die Gesetzgebung anzuordnen. Ebenso ist die nähere Feststellung der in §. 35 Absatz 1 und §. 36 Absatz 1 geordneten Verhältnisse und die Ausführung des §. 37 bezüglich der Ablösung der betreffenden Jagdgerechtigkeiten und der Ausübung des Jagdrechts der Gesetzgebung vorbehalten. (Vergl. §. 39 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 und 4 des Einführungsgesetzes.)

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§ 40. Die Strafe der Vermögenseinziehung soll nicht stattfinden. (Vergl. §. 40 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 und 3 des Einführungsgesetzes, sowie das Strafgesetzbuch vom 14. April 1849.) § 41. Jede Gemeinde hat als Grundrechte ihrer Verfassung: a) die Wahl ihrer Vorsteher und Vertreter; b) die selbstständige Verwaltung ihrer Gemeindeangelegenheiten mit Einschluß der Ortspolizei, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmung; c) die Veröffentlichung ihres Gemeindehaushaltes; d) Oeffentlichkeit der Verhandlungen als Regel. (Vergl. §. 184 des Reichsgesetzes vom 28. März 1849 und das Gemeindegesetz vom 12. December 1848.) § 42. Jedes Grundstück soll einem Gemeindeverbande angehören. (Vergl. §. 185 des Reichsgesetzes vom 28. März 1849 und das Gemeindegesetz vom 12. December 1848.) § 43. Die Volksvertretung hat eine entscheidende Stimme bei der Gesetzgebung, bei der Besteuerung, bei der Ordnung des Staatshaushaltes; auch hat sie das Recht des Gesetzvorschlags, der Beschwerde, der Adresse, sowie der Anklage der Ministerialvorstände. Die Sitzungen des Landtags sind in der Regel öffentlich. (Vergl. §. 187 des Reichsgesetzes vom 28. März 1849.)

III. Abschnitt Von dem Staatsoberhaupte § 44. Der Herzog übt als Oberhaupt des Staats die Rechte der Staatsgewalt nach der Verfassung aus.

V ERFASSUNG VON NASSAU (1849) § 45. Das Recht der Thronfolge ist in Gemäßheit der Hausgesetze erblich im Mannesstamme des Nassauischen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt. (Vergl. Art 24. des Nassauischen Erbvereins vom Juni 1783.) § 46. Der Herzog wird nach den Hausgesetzen volljährig nach zurückgelegtem ein und zwanzigsten Lebensjahr. § 47. Wenn der Herzog minderjährig oder in der Unmöglichkeit zu regieren ist, wird die Vormundschaft und die mit derselben in diesem Falle verbundene Regentschaft nach Maßgabe der Hausgesetze von dem nächsten volljährigen Agnaten, oder im Falle ein solcher in der Walramischen Linie nicht vorhanden, oder die Vormundschaft zu übernehmen verhindert wäre, von dem Haupte der Ottonischen Linie des Nassauischen Hauses geführt; doch ist es dem jeweiligen regierenden Herzog vorbehalten, einen anderen seiner Agnaten aus besonderem Vertrauen in beiden Fällen zum Vormund zu bestimmen. Der Mutter des minderjährigen regierenden Herzogs ist die Mitvormundschaft übertragen. In der Eigenschaft als Mitvormünderin hängt von derselben die Fürsorge für die Person des minderjährigen Herzogs und dessen Erziehung vorzugsweise ab, wogegen die vormundschaftliche Regierung dem zum Vormunde und Regenten ernannten Agnaten überlassen ist. (Vergl. Art. 32 und 33 des Erbvereins vom Juni 1783.) §. 48. Die Person des Herzogs ist unverletzlich. Die Ministerialvorstände sind verantwortlich. Alle Regierungsacte des Herzogs bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung wenigstens eines Ministerialvorstandes, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.

Durch keine Anordnung des Herzogs können die Ministerialvorstände der ihnen wegen der Verwaltung ihres Amtes obliegenden Verantwortlichkeit enthoben werden. § 49. Dem Herzog steht die vollziehende Gewalt zu. § 50. Er ernennt und entläßt die Vorstände der Ministerien, und besetzt, soweit die Gesetze darüber nicht anders bestimmen, die Stellen in der Staatsverwaltung und im Militär. § 51. Der Herzog genehmigt die Gesetze, ordnet deren Verkündigung an, und erläßt die zur Ausführung der Gesetze erforderlichen Verordnungen. Gesetze und Verordnungen müssen in dem Verordnungsblatte verkündigt werden. § 52. Der Herzog vertritt das Herzogthum nach Außen und schließt mit anderen Staaten Verträge ab. Diese bedürfen der Zustimmung des Landtags, wenn dadurch neue Lasten aufgelegt, oder Gesetze gegeben oder verändert werden. § 53. Er hat das Recht, die Strafen, welche von den Gerichten erkannt sind, zu erlassen oder zu mildern, sowie das Recht, Strafuntersuchungen niederzuschlagen. Zu Gunsten eines wegen seiner Amtshandlungen verurtheilten Ministerialvorstandes kann der Herzog das Recht der Begnadigung und Strafmilderung nur auf Antrag des Landtags ausüben. § 54. Der Herzog übt das Münzrecht. § 55. Dem Herzog steht das Recht zu, den Landtag zu berufen, zu vertagen, aufzulösen, die Sitzungen desselben zu eröffnen und zu schließen.

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NASSAU

IV. Abschnitt Von dem Landtage § 56. Die Vertretung des Volkes findet in Einer Kammer Statt. (Vergl. den Eingang des Edicts vom 5. April 1848.) § 57. Dem Landtage sind folgende Rechte beigelegt: 1) Ohne die Einwilligung desselben sollen bestehende Gesetze nicht geändert und neue Landesgesetze nicht erlassen werden. Sollten in besonders dringenden Fällen provisorische Gesetze nothwendig seyn, so können solche, jedoch nur mit der Contrasignatur und unter der Verantwortlichkeit des Gesammtstaatsministeriums, erlassen werden. Dieselben sind alsdann dem nächsten Landtage zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen. 2) Dem Landtage steht das Recht zu, Vorschläge zur Abänderung bestehender und Einführung neuer Gesetze zu machen. 3) Alle von den Staatsangehörigen zu erhebenden directen und indirecten Abgaben bedürfen der Vorausbewilligung des Landtags. 4) Der Landtag hat das Recht, Beschwerden vorzutragen und zu fordern, daß gegen die Ministerialvorstände wegen bestimmter Beschuldigungen ein gerichtliches Verfahren eingeleitet werde. Auch kann der Landtag fordern, daß gegen die Mitglieder der Landescollegien wegen bestimmter Beschuldigungen ein gerichtliches Verfahren eingeleitet werde, wenn diese Beschuldigungen darauf beruhen, daß von denselben Verletzungen der Verfassung verfügt oder zugelassen, oder auch, daß sie sich Concessionen oder verbotene Annahme von Geschenken erlaubt, oder bei ihren Untergebenen zugelassen haben. 5) Der Landtag kann während seiner jeweiligen Sitzungszeit Vorstellungen und Bittschriften annehmen und darüber beschließen. Solche müssen schriftlich an den

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Präsidenten eingeschickt oder von einem Mitgliede der Versammlung übergeben werden. 6) Der Landtag ist berechtigt, sowohl bezüglich der ihm vorliegenden Arbeiten, als über sonstige Theile der Staatsverwaltung von der Regierung oder deren Commissarien Aufklärung und Acteneinsicht zu verlangen. (Vergl. §. 2 des Edicts vom 1/2. September 1814 und oben §. 43.) § 58. Der Landtag wird jährlich zwischen dem 1. Januar und 1. April, und sonst im Laufe des Jahres, so oft es erforderlich erscheint, außerordentlich zusammenberufen. Dem Herzog ist jedoch das Recht vorbehalten, die Sitzungen des Landtags nach Gutfinden zu unterbrechen, auch die Versammlung gänzlich aufzulösen und eine anderweite Wahl derselben anzuordnen. Eine jede eigenmächtige Zusammenkunft des Landtags ohne vorgängige Einladung ist unerlaubt, und was darin verhandelt und beschlossen werden sollte, für null und nichtig zu achten. (Vergl. §. 3 des Constit. Edicts vom 1/2. September. 1814.) § 59. In den Sitzungen des Landtags wird die Regierung durch die Ministerialvorstände oder Commissarien vertreten, welche die Pflicht haben, auf Verlangen des Landtags in den öffentlichen und den Ausschußsitzungen zu erscheinen, und das Recht, daselbst zu jeder Zeit gehört zu werden. (Vergl. §. 3 des Constit. Edicts vom 1/2. September 1814.) § 60. Der Landtag wählt seinen Vorsitzenden, seine Schriftführer und stellt das Hülfspersonal an. Die Handhabung der inneren Ordnung des Landtags bleibt ihm selbst überlassen, nach Maßgabe einer Geschäftsordnung, die von ihm im Laufe der

V ERFASSUNG VON NASSAU (1849) ersten Sitzung zu entwerfen ist. (Vergl. die bezüglichen Verhandlungen des Landtags vom Jahr 1848.) § 61. Der Landtag prüft die Wahl seiner Mitglieder und entscheidet durch Stimmenmehrheit über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der stattgehabten Wahl. (Vergl. §. 39 des Edicts vom 5. April 1848.) § 62. Während der Versammlung des Landtags kann kein Mitglied ohne Zustimmung desselben aus irgend einem Grunde oder Veranlassung zu gefänglicher Haft gebracht werden. Kein Mitglied des Landtags darf zu irgend einer Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufs gethanen Aeußerungen von Staatswegen gerichtlich verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Rechenschaft gezogen werden. (Vergl. §. 3 des Constit. Edicts vom 1/2. September 1814.) § 63. Die Reisekosten nebst Taggebühren für die Dauer der Sitzungszeit und für die Tage ihrer Gegenwart am Orte der Versammlung werden den Volksabgeordneten aus der Staatscasse vergütet. Die Größe der Taggebühren bestimmt das Gesetz. Gleichermaßen sind die allgemeinen Kosten der Abgeordnetenversammlung aus der Staatscasse zu bestreiten. (Vergl. §. 7 des Constit. Edicts vom 1/2. September 1814.) § 64. Die Abgeordneten versammeln sich auf die ihnen von dem Staatsministerium zukommende Einladung am bestimmten Ort und Tag. Nur die Stimmen der in einer Sitzung anwesenden Abgeordneten werden gezählt. Abwesende können durch Andere sich nicht vertreten lassen. (Vergl. §. 8 des Constit. Edicts vom 1/2. September 1814.)

§ 65. Die Mitglieder des Landtags vertreten das Nassauische Volk: sie können durch Instructionen nicht gebunden werden. Zur Beschlußfassung ist die Anwesenheit von zwei Drittheilen der Mitglieder des Landtags erforderlich. (Vergl. die Grundsätze des gemeinen Rechts über die Beschlußfassung von Corporationen und §. 40 der Geschäftsordnung.) § 66. Die Sitzungen des Landtags sind öffentlich. Ausnahmen beschließt die Versammlung. (Vergl. §. 9 des Constit. Edicts vom 1/2. September 1814, die Proclamation vom 5. März 1848 und oben §. 43.) § 67. Die Mitglieder des Landtags werden vom Volke gewählt. Die Zahl derselben beträgt dermalen 41, in Gemäßheit des §. 29 der Wahlgesetzes vom 5. April 1848, wonach auf 9600 Seelen Ein Abgeordneter, sowie auf eine Bruchzahl von wenigstens 5400 der Bevölkerung des Bezirks Ein weiterer Abgeordneter zu wählen ist. Die Wahl geschieht nach den im Wahlgesetze enthaltenen Vorschriften. § 68. Beamte, welche als Abgeordnete gewählt sind, bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in die Ständeversammlung. Derjenige Abgeordnete, welcher nach seiner Wahl eine Anstellung im öffentlichen Dienste erhält, oder auf eine höhere Stelle befördert wird, muß sich einer neuen Wahl unterwerfen. (Vergl. §. 38 des Edicts vom 5. April 1848.) § 69. Die Wahl der Abgeordneten geschieht für die Dauer von drei Jahren; nach Ablauf derselben wird zur neuen Wahl geschritten, wenn nicht etwa eine außerordentliche Auflösung der Versammlung verfügt worden ist. Die abtretenden Abgeordneten sind in jedem Falle wieder wählbar.

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NASSAU (Vergl. §. 6 des Constit. Edicts vom 1/2. September 1814 und § 28 des Edicts vom 5. April 1848.)

V. Abschnitt Von der Rechtspflege § 70. Alle Gerichtsbarkeit geht vom Staate aus. Es sollen keine Patrimonialgerichte bestehen. (Vergl. §. 41 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 3 des Einführungsgesetzes.) § 71. Die richterliche Gewalt wird selbstständig von den Gerichten geübt. Cabinetsund Ministerialjustiz ist unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Ausnahmegerichte sollen nie stattfinden. (Vergl. §. 42 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 des Einführungsgesetzes.) § 72. Es gibt keinen privilegirten Gerichtsstand der Personen oder Güter. Die Militärgerichtsbarkeit ist auf die Aburtheilung militärischer Verbrechen und Vergehen, sowie der Militärdisciplinarvergehen beschränkt, vorbehältlich der Bestimmungen für den Kriegszustand. (Vergl. §. 43 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 3 des Einführungsgesetzes.) § 73. Kein Richter soll, außer durch Urtheil und Recht, von seinem Amte entfernt, oder im Rang und Gehalt beeinträchtigt werden. Suspension soll nicht ohne gerichtlichen Beschluß erfolgen. Kein Richter soll wider seinen Willen, außer durch gerichtlichen Beschluß in den durch das Gesetz bestimmten Fällen und Formen, zu einer anderen Stelle versetzt oder in Ruhestand gesetzt werden.

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Zur Ausführung der im zweiten und dritten Satze dieses Paragraphen ausgesprochenen Grundsätze sollen besondere Gesetze erlassen werden. (Vergl. §. 44 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 1 und 3 des Einführungsgesetzes.) § 74. Das Gerichtsverfahren soll öffentlich und mündlich seyn. Ausnahmen von der Oeffentlichkeit bestimmt im Interesse der Sittlichkeit das Gesetz. (Vergl. §. 45 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 3 des Einführungsgesetzes.) § 75. In Strafsachen gilt der Anklageproceß. Schwurgerichte urtheilen in schwereren Strafsachen und bei allen politischen Vergehen. (Vergl. §. 46 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 3 des Einführungsgesetzes.) § 76. Die bürgerliche Rechtspflege soll in Sachen besonderer Berufserfahrung durch sachkundige, von den Berufsgenossen frei gewählte Richter geübt oder mitgeübt werden. (Vergl. §. 47 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 3 des Einführungsgesetzes.) § 77. Rechtspflege und Verwaltung sind getrennt und von einander unabhängig. In Fragen bestrittener Competenz der Verwaltungsbehörden und Gerichte haben die Letzteren zu entscheiden. (Vergl. §. 48 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 3 des Einführungsgesetzes.) § 78. Die Verwaltungsrechtspflege findet nicht statt; über alle Rechtsverletzungen entscheiden die Gerichte. Den Polizeibehörden steht keine Strafgerichtsbarkeit zu.

V ERFASSUNG VON NASSAU (1849) (Vergl. §. 49 des Reichsgesetzes über die Grundrechte und Art. 3 des Einführungsgesetzes.) § 79. Die in den §§. 70, 72, 74 bis 78 ausgesprochenen Grundsätze sollen, soweit dies nicht bereits geschehen ist, im Wege der Gesetzgebung zur Durchführung gebracht werden. (Vergl. Art. 3 des Einführungsgesetzes zu den Grundrechten.)

VI. Abschnitt Von dem Staatshaushalte § 80. Die Staatsbedürfnisse, insoweit sie nicht durch Einkünfte aus den Staatsgütern und Regalien gedeckt sind, sollen durch Besteuerung des reinen Einkommens der Staatsangehörigen aufgebracht werden. (Vergl. §. 1 des Edicts vom 10/14. Februar 1809, desgl. pos. 7 der Proclamation von 5. März 1848.) § 81. Es sollen die Steuern in der zweifachen Form von directen und indirecten Auflagen erhoben werden. Die directen Steuern sind bestimmt, denjenigen Staatsausgabebetrag zu decken, der durch die übrigen Staatseinkünfte, namentlich von Domänen, Regalien und indirecten Auflagen nicht gedeckt ist. (Vergl. §. 3 und 5 des Edicts vom 10/14 Februar 1809) § 82. Die von den Staatsangehörigen zu erhebenden directen und indirecten Abgaben sind von der Zustimmung des Landtags abhängig; sie werden im voraus bewilligt, die directen Abgaben für den Zeitraum eines Jahres, die indirecten nach Gutfinden auf längere Jahre hinaus. Zu dem Ende ist das Bedürfniß des kommenden Jahres sammt dem wahrscheinlichen Ertrage der zu erhebenden Abgaben dem Landtage in genauen und vollständigen Uebersichten vorzulegen; auf gleiche Art auch die geschehene Verwendung der früher von dem

Landtag zu angegebenen Staatsbedürfnissen bewilligten Ausgaben demselben unter gestatteter Einsicht der geführten Rechnungen mit den Belegen nachzuweisen. (Vergl. §. 2. pos. 3 des Constit. Edicts vom 1/2 September 1814.) § 83. In Betreff der Besteuerung können Bevorzugungen einzelner Güter und Stände nicht eingeführt werden. (Vergl. die Edicte vom 10/14 Februar 1809 und vom 6/9 October 1809 und die reichsgesetzlichen Vorschriften über die Grundrechte.) § 84. Die Domänen sind Staatseigenthum; ihre Verwaltung geschieht durch die Staatsfinanzbehörde unter Controle des Landtags. Auf den Einkünften der Domänen haftet die Verbindlichkeit, die Kosten für den standesmäßigen Unterhalt des Herzogs und der Herzoglichen Familie, sowie die Landesverwaltungsausgaben, soweit dieses möglich ist, zu bestreiten. Der Betrag der für die Herzogliche Schatulle und Hofhaltung (Civilliste) zu verwendenden Summe ist Gegenstand einer Vereinbarung mit dem Landtag. Die den dermaligen Mitgliedern der Herzoglichen Familie ausgesetzten Apanagen und Witthum bleiben auf deren Lebenszeit unverändert; über die künftig zu gewährenden Apanagen, Witthume und Ausstattungen wird mit dem Landtag eine feststehende Bestimmung vereinbart, welcher nachmals in den vorkommenden einzelnen Fällen nachzugehen ist. § 85. Die zu dem Capitalstocke des Domanialvermögens gehörigen Güter, Renten und Gerechtsame sind unveräußerlich. (Vergl. Art. 10 und 11 des Erbvereins vom Jahre 1783 und §. 1 des Edicts vom 17. Juni 1837.) § 86. Unter diesem Verbote aller Veräußerungen sind nicht begriffen: Die Abtheilung von Gemeinschaften, die

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NASSAU Ablösung von Grundabgaben und Diensten, die Vererbleihung, Austauschung und der Verkauf kleinerer Domanialgüter und Grundstücke und die Niederlegung oder Veräußerung überflüssiger Gebäude. Die dagegen erworben werdenden Objecte fallen von selbst dem Capitalstocke anheim; der in dem einen oder anderen Falle eingehende Gelderlös muß zu demselben wieder angelegt und darf zu laufenden Ausgaben nicht verwendet werden. (Vergl. Art. 12 des Erbvereins und §. 2 des Edicts vom 17. Juni 1837.) § 87. Die Güter, Renten, Rechte und Gerechtsame dürfen nicht verpfändet werden. Eine Verpfändung von Einkünften aus denselben ist nur dann zulässig, wenn ein Fall einer nothwendigen oder nützlichen Capitalaufnahme vorliegt, namentlich also wegen einer wirklichen Verwendung zum Nutzen und zur Abwendung einer durch Krieg oder Unglücksfälle entstandenen Noth. (Vergl. Art. 14 bis 16 des Erbvereins und §. 3 des Edicts vom 17. Juni 1837.) § 88. Veräußerung und Verpfändung von Staatsgütern, insoweit sie überhaupt zulässig sind, Aufnahme von Anleihen und Uebernahme von Garantieen zu Lasten des Staates können nur mit Zustimmung des Landtags stattfinden. Zur Veräußerung von geringfügigen zum Staatsgut gehörigen Immobilien genügt die nachträgliche Einholung der Genehmigung des Landtags. (Vergl. den §. 2. pos. 3 des Constit. Edicts vom 1/2. September 1814, den vorstehenden §. 84 und die pos. 7 der Proclamation vom 5. März 1848.) § 89. Die Rechnung über den Staatshaushalt wird jährlich von der Rechnungskammer auf den Grund des festgesetzten Staatsbudjets geprüft und abgeschlossen und die abgeschlossene Rechnung dem Landtage vorgelegt.

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(Vergl. §. 2. pos. 3 des Constit. Edicts vom 1/2. September 1814.)

VII. Abschnitt Von der Gewähr der Verfassung § 90. Bei jedem Regierungswechsel gibt der Herzog in der Bekanntmachung über den Regierungsantritt die Versicherung der unverbrüchlichen Aufrechterhaltung der Landesverfassung. § 91. Jedes Mitglied des Landtags leistet bei seinem Eintritt in denselben folgenden Eid: „Nachdem ich Seiner Hoheit dem Herzog bereits den Huldigungseid geleistet habe, gelobe und schwöre ich, daß ich die Rechte und Befugnisse, die mir durch die freie Wahl meiner Mitbürger übertragen worden sind, treu und gewissenhaft ausüben, und dabei als den Zweck meiner jedesmaligen Willensäußerung überall und allein nur den wahren Vortheil des Landes und seiner Einwohner – einzig nach der Erleuchtung meines Gewissens aus frei geschöpfter Ueberzeugung, ohne alle Nebenabsichten oder andere Rücksichten – vor Augen haben wolle. So wahr mir Gott helfe!“ (Vergl. die landständischen Verhandlungen vom Jahr 1848 Band 1. S. 4.) § 92. Jeder Bürger leistet bei seiner Reception den Eid, dem Herzog und der Verfassung treu und gehorsam zu sein. Denselben Eid leistet jeder Staatsbeamte bei dem Antritt seiner ersten Dienststelle in Verbindung mit dem Diensteid. Das Militär wird auf die Verfassung vereidigt und dieser Eid in den Fahneneid aufgenommen. (Vergl. die Proclamation vom 5. März 1848 und die sich daran anknüpfenden Generalbefehle.)

V ERFASSUNG VON NASSAU (1849) § 93. Im Falle des Kriegs oder Aufruhrs können die Bestimmungen im zweiten Abschnitt über Verhaftung, Haussuchung und Versammlungsrecht von der Regierung für einzelne Bezirke zeitweise außer Kraft gesetzt werden, jedoch nur unter folgenden Bedingungen: 1) die Verfügung muß in jedem einzelnen Falle vom Gesammtministerium ausgehen; 2) das Gesammtministerium hat die Zustimmung des Landtags, wenn derselbe versammelt ist, sofort einzuholen. Wenn derselbe nicht versammelt ist, so darf die Verfügung nicht länger als vierzehn Tage dauern, ohne daß derselbe zusammenberufen und die getroffenen Maßregeln zu seiner Genehmigung vorgelegt werden. (Vergl. den §. 197 des Reichsgesetzes vom 28. März 1849.)

Allgemeine Schlußbestimmung § 94. In den Fällen, in welchen nach dem Vorstehenden neue Gesetze in Aussicht gestellt sind, bleiben bis zur Erlassung derselben für die betreffenden Verhältnisse die bisherigen Gesetze in Kraft.

(Vergl. Art. 7 des Einführungsgesetzes zu den Grundrechten.)

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Ediert nach Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau, Jahrgang 1849, Nr. 40, Wiesbaden, S. 613– 635. Die provisorische neue Verfassung wurde am 28. Dezember 1849 beschlossen sowie unterzeichnet und am 29. Dezember schließlich verkündet und ist an diesem Tag auch in Kraft getreten. Ihr vorausgegangen ist das [Edikt über die landständische Verfassung des Herzogtums Nassau vom 1./2. September 1814] (Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau, Jahrgang 1814, Num. 18, Wiesbaden, S. 67–73). Siehe unter „Verfassungsedikt von Nassau (1814)“. Abgelöst wurde sie von der „Verordnung über das geltende Staatsrecht und die Organisation der Stände“ vom 25. November 1851, siehe Horst Dippel (Hrsg.), Verfassungen der Welt, 1850 bis zur Gegenwart, Teil 1: Europa, München, K.G. Saur 2002–2005, Mikrofiche-Nr. 301, 1 ff. Für weiterführende Hinweise siehe Hessischer Landtag (Hrsg.), 175 Jahre Nassauische Verfassung: Eine Ausstellung des Hessischen Landtags und des Hessischen Hauptstaatarchivs zur Erinnerung an den Erlaß der Nassauischen Verfassung am 1./2. September 1814, Wiesbaden 1989, S. 22 f.; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 519; Winfried Schüler, Das Herzogtum Nassau 1806–1866: Deutsche Geschichte im Kleinformat, Wiesbaden 2006, insbes. S. 203 f.

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Verfassungsentwurf von Oldenburg (1848)

Entwurf des Grundgesetzes über die landständische Verfassung für das Großherzogthum Oldenburg1

I Von den Landständen im Allgemeinen A RT. 1. In dem Großherzogthum Oldenburg soll eine landständische Verfassung bestehen, welche allen drei Provinzen desselben, dem Herzogthum Oldenburg und den Fürstenthümern Lübeck und Birkenfeld, als einem Ganzen, gemeinschaftlich ist. A RT. 2. Die Landstände sind berufen die nach diesem Grundgesetze ihnen zustehenden Rechte in dem Umfange, in der Art, und unter den Bedingungen, wie solches in demselben bestimmt ist, wahrzunehmen. A RT. 3. Die Ausübung der ständischen Rechte kann nur auf den Landtagen, den vom Großherzoge berufenen gemeinschaftlichen Versammlungen der Landstände, geschehen.

II Von der Wirksamkeit der Landstände A RT. 4. Ein Gesetz kann nicht erlassen, aufgehoben, geändert oder authentisch ausgelegt werden ohne die Zustimmung der Landstände. A RT. 5. Bei dem Steuer- und Abgabewesen des Staats bedarf es der Zustimmung der Landstände dergestalt, daß neue Steuern, oder neue Lasten oder Leistungen

für die Bedürfnisse des Großherzogthums oder einer Provinz, oder eines Theils derselben ohne ständische Zustimmung nicht auferlegt, noch die gegenwärtigen oder die künftig bestehenden Abgaben und sonstigen Einnahmen der Landes-Cassen erhöhet oder abgeändert werden können. Dasselbe gilt von einer Aenderung oder Erhöhung aller und jeder Gemeindelasten, Abgaben und Leistungen und von neuer Einführung solcher, wenn zu den desfalls zu treffenden gesetzlichen Anordnungen die Zustimmung der Gemeinde oder ihrer Vertreter nicht zu erlangen gewesen ist. A RT. 6. Aenderungen in den Tarifen der Eingangs- Durchgangs- und Ausgangssteuern können, wenn die Landstände nicht versammelt sind, ohne Zuziehung derselben einstweilen und bis zum Ablaufe des Jahres in welchem der nächste ordentliche Landtag (Art. 51.) versammelt sein wird, verfügt werden, sobald eine solche Aenderung auf einer mit einem anderen Staate nach der letzten ordentlichen oder außerordentlichen (Art. 51.) Versammlung der Landstände eingegangenen Verabredung beruhet. Die weitere Fortdauer derartiger Aenderungen bedarf der Zustimmung der Landstände. A RT. 7. Staatsverträge, in Folge welcher Gesetze zu erlassen sind, können nur unter Vorbehalt der ständischen Rechte abgeschlossen werden. A RT. 8. Es bedarf der Zustimmung der Landstände nicht bei denjenigen Verordnun-

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O LDENBURG gen, welche 1. zur Vollziehung oder Handhabung bestehender Gesetze, oder 2. zur Ausübung des Landesherrlichen Oberaufsichts- und Verwaltungsrechts dienen, oder 3. durch die Umstände dringend geboten sind und nach dem Erachten des Großherzogs weder einen Aufschub bis zur nächsten ordentlichen Versammlung der Landstände zulassen, noch die Berufung eines außerordentlichen Landtags rechtfertigen. Die Dringlichkeit und Zweckmäßigkeit solcher Verfügungen soll den Ständen auf dem nächsten Landtage nachgewiesen werden. Finden dieselben alsdann Bedenken, der getroffenen gesetzlichen Anordnung ihre Zustimmung zu ertheilen, so tritt solche außer Kraft. Dieser unter Nr. 3. gedachte Ausnahmefall kann auf eine Aenderung oder authentische Auslegung dieses Grundgesetzes und dessen Anlagen nicht erstreckt werden. A RT. 9. Unabhängig von der Zuziehung der Landstände sind: 1. im Verwaltungswege zu verfügende neue Ansetzungen zu den bestehenden Abgaben oder Leistungen, und Aenderungen in der Art ihrer Vertheilung oder des Beitrags zu denselben nach Maßgabe des Hergebrachten oder gesetzlich Angeordneten. 2. Erlassungen von Eingangs- Durchgangs- und Ausgangssteuern in einzelnen Fällen; 3. zeitweilige Erlassungen von Abgaben oder von Abgabenrückständen einzelner Contribuenten, und Erlassungen von Sporteln, Gebühren und Strafgeldern in einzelnen Fällen. A RT. 10. Die Landstände haben das Recht der Zustimmung zu Anleihen auf den Credit der Landescassen, dergestalt, daß ohne ihre Einwilligung keine das Großherzogthum oder eine Provinz desselben verpflichtende Schuld gemacht werden kann.

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Dieses Recht der Zustimmung erstreckt sich nicht allein auf den Betrag der Anleihe, sondern auch auf die Art ihrer Aufnahme und Tilgung. A RT. 11. Die Landstände haben das Recht des Beiraths und beziehungsweise der Zustimmung bei Festsetzung der Staatseinnahmen und Staatsausgaben. Es soll zu dem Ende das von drei zu drei Jahren festzusetzende Budget der Einnahmen und Ausgaben der Landescasse einer jeden Provinz den Landständen zur Prüfung und Begutachtung vorgelegt werden. Wenn sich dabei das Erforderniß der Erhöhung bestehender Abgaben oder Leistungen, oder der Auflegung neuer, oder einer Anleihe ergeben würde, so bedarf es der Zustimmung der Landschaft zu den durch diese außerordentlichen Mittel zu deckenden Ausgabepösten. Auch eine Ueberschreitung der im Budget verzeichneten Normalausgabesätze ist, in so fern dieselbe nicht durch bereits gegenwärtig rechtlich bestehende Verhältnisse begründet wird, von der ständischen Zustimmung abhängig. A RT. 12. Die Landstände haben das Recht der Prüfung der Landescasse-Rechnungen über die Staatseinnahmen und Staatsausgaben, zur Aufstellung etwaiger Erinnerungen und Begründung etwaiger Anträge auf Ermäßigung der Ausgaben oder anderweitige Verwendung der Einnahmen. Die Rechnungen sollen zu dem Ende mit den Revisionsbemerkungen und deren Beantwortung durch den Rechnungsführer, nebst den Entwürfen zu den Decisionen dem Landtage vorgelegt werden. A RT. 13. Wenn in einem Zweige der Verwaltung die Ausgaben unter dem Anschlage geblieben sind, so haben die Stände zu bestimmen, ob die unverwandt vorräthigen Summen in die Einnahme der nächsten Budgetperiode (Art. 11.) übergehen, oder

V ERFASSUNGSENTWURF VON O LDENBURG (1848) ob dieselben einen besonderen Reservefonds bilden sollen. Die bei der Militairverwaltung etwa entstehenden Ueberschüsse der im Budget der Landescassen veranschlagten Ausgabesumme über den wirklichen Bedarf der Budgetperiode sollen einen Reservefonds für unvorhergesehene oder außerordentliche Militairausgaben bilden, dessen Verwendung den Ständen bei Verlegung der Landescasse-Rechnungen nachgewiesen werden soll. A RT. 14. Die in den Artikeln 5. 10. und 11. gedachte ständische Zustimmung kann nur von solchen Voraussetzungen oder Bedingungen abhängig gemacht werden, welche entweder den Umfang des Bedürfnisses, oder die Größe, oder die Art der Vertheilung und Erhebung, oder die Dauer der in Frage stehenden Abgaben, Leistungen und Lasten betreffen. A RT. 15. Wenn die Stände es bedenklich finden einem Gesetze ihre Zustimmung zu ertheilen, oder wenn sie Aenderung des ihnen vorgelegten Gesetzentwurfs beantragen, so sind in der desfallsigen Erklärung die Gründe dafür anzugeben. A RT. 16. Wenn der Gesetzentwurf mit Widerlegungsgründen oder mit Abänderungen abermals an denselben Landtag gebracht wird, so hat derselbe lediglich seine Annahme oder Ablehnung des ganzen Entwurfs zu erklären. A RT. 17. Der Eingang eines jeden der zustimmenden Beschlußnahme der Stände unterlegenen Gesetzes soll der erfolgten Zustimmung derselben Erwähnung thun. A RT. 18. Die Landstände haben das Recht des Antrags auf Erlassung neuer Gesetze, auf Abhulfe von Mängeln in der bestehenden Gesetzgebung, in der Rechtspflege oder Verwaltung.

Gesetzentwürfe können nur vom Großherzoge an die Stände, nicht von diesen an den Großherzog gebracht werden. A RT. 19. Die Stände haben die Verpflichtung über Anordnungen, welche ihrer Zustimmung nicht bedürfen, wenn solche vom Großherzoge an sie gebracht werden, ihre gutachtliche Erklärung abzugeben. A RT. 20. Die Stände haben das Recht der Anklage eines Staatsdieners bei dem Großherzoge wegen Bestechung, wegen Bedruckung der Unterthanen, wegen gesetzwidrig bewirkter Verhaftung, und wegen Unterschlagungen bei den Landescassen, in so fern nicht bereits eine gerichtliche Untersuchung deshalb anhängig ist. Innerhalb vierzehn Tagen nachdem der Landtag die Klagschrift eingereicht hat, soll diese dem zuständigen Gerichte übergeben werden, welches unter Mitwirkung der dem Angeklagten vorgesetzten Dienstbehörde die Generaluntersuchung zu übernehmen und dann, wenn es nach eigenem richterlichen Ermessen Grund dazu gefunden hat, mit der Specialinquisition oder der Gerichtstellung und der Abgebung des Erkenntnisses zu verfahren hat. A RT. 21. Die Landstände haben das Recht der Anklage wegen Verletzung dieses Grundgesetzes, nach Maßgabe der Bestimmungen der Art. 87. ffg. A RT. 22. Zur Ausführung der Beschlüsse des Deutschen Bundes, welche durch ihre vom Großherzoge verfügte Bekanntmachung Gesetzes Kraft erhalten, bedarf es der Zuziehung der Stände nicht. A RT. 23. Die Aufbringung der Mittel zur Erfüllung der Bundespflichten ist von ständischer Zustimmung unabhängig; über die Art und Weise dieser Aufbringung wird der Beirath der Stände erfordert. A RT. 24. In folgenden Fällen kann der Großherzog über die in den Landescassen

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O LDENBURG disponiblen Mittel, d. h. diejenigen Summen, welche zur Deckung der im Budget veranschlagten Summen nicht erforderlich sind, ohne Zustimmung der Stände verfügen, oder, bei befundener Unzulänglichkeit des Bestandes der Landescasse ohne ständische Zustimmung eine Anleihe auf den Credit der Landescasse aufnehmen, oder eine Erhöhung bestehender Abgaben eintreten lassen: 1. wenn bei neuen Leistungen für Bundeszwecke ein Einverständniß zwischen dem Großherzoge und den Ständen über die Art und Weise der Aufbringung der desfalls erforderlichen Mittel nicht erreicht ist; 2. wenn die Mittel zur Ausführung eines Bundesbeschlusses unverzüglich aufgebracht werden müssen und die Stände nicht versammelt sind. Ist die erforderliche Leistung dauernd, oder wird dieselbe vor der nächsten Versammlung der Stände wiederkehren, so soll, wenn letztere nicht innerhalb sechs Monaten bevorsteht, sofort ein außerordentlicher Landtag berufen werden; 3. wenn außerordentliche Umstände den Großherzog bestimmen zur Sicherheit des Landes oder zur Abhülfe von Landescalamitäten unverzüglich einen nicht im Budget veranschlagten Aufwand zu machen und die Stände nicht versammelt sind, dieselben auch wegen Dringlichkeit der Umstände oder sonstiger Hindernisse nicht zum Landtage berufen werden können. In allen diesen Fällen soll dem nächsten Landtage die Nothwendigkeit der getroffenen Maßregeln und die Verwendung der erhobenen Summe zu dem bestimmten Zwecke nachgewiesen werden. Die Stände haben dann auch darüber sich zu erklären, ob die in Frage stehende Last von dem gesammten Großherzogthum, oder von einer Provinz, oder von einem Theile derselben, und in welcher Weise zu tragen ist. Wenn die Landstände von der Nothwendigkeit der getroffenen Maßregel, oder von der zweckgemäßen Verwendung der ver-

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ausgabten Summe sich nicht überzeugen können, so haben sie das Recht gegen dasjenige Mitglied des Staats- und Cabinetsministeriums, welches die zu jenem Ende ergangenen Landesherrlichen Verfügungen contrasignirt hat (Art. 83.) wegen Verletzung des Grundgesetzes Klage zu erheben. A RT. 25. Die Vertheilung der Centralausgaben, d. h. derjenigen, welche das gesammte Großherzogthum zu leisten hat, auf die Landescassen der drei Provinzen soll nach der Bevölkerung derselben, wie sie der in der Bundesmatrikel aufgeführten Volkszahl zum Grunde liegt, geschehen (Anlage A.).

III Von der Organisation der Landstände und den Eigenschaften ihrer Mitglieder A RT. 26. Die Landstände des Großherzogthums sollen aus vierzig Abgeordneten bestehen, welche theils durch das Gesetz, theils durch Landesherrliche Ernennung, theils durch die Wahl ihrer Mitbürger berufen werden. A RT. 27. Kraft des Gesetzes haben der Besitzer des Oldenburgischen Fideicommisses und der Besitzer der Herrlichkeit Dinklage das Recht der Landstandschaft. A RT. 28. Vom Großherzoge werden drei Abgeordnete ernannt, wovon zwei dem Herzogthum Oldenburg angehören sollen, und einer dem Fürstenthum Lübeck oder dem Fürstenthum Birkenfeld. A RT. 29. Durch Wahl werden fünf und dreißig Abgeordnete berufen, und zwar vier von den Städten und ein und dreißig von den Landgemeinden des Großherzogthums.

V ERFASSUNGSENTWURF VON O LDENBURG (1848) A RT. 30. Die wahlberechtigten Städte des Großherzogthums bilden fünf Wahlbezirke. Es haben einen Abgeordneten zu wählen: 1. die Stadt Oldenburg; 2. die Stadt Jever; 3. die Stadt Eutin mit dem Flecken Schwartau; wechselnd bei jeder allgemeinen Wahl, zuerst: 4. die Städte Delmenhorst und Wildeshausen, und dann 5. die Städte Vechta, Cloppenburg mit Crapendorf und Friesopthe. A RT. 31. Die Landgemeinden des Großherzogthums bilden zwölf Wahlbezirke, und es hat zu wählen: 1. im Herzogthum Oldenburg jeder der sieben Kreise drei Abgeordnete; 2. im Fürstenthum Lübeck jedes der beiden Aemter zwei Abgeordnete; 3. im Fürstenthum Birkenfeld jedes der drei Aemter ebenfalls zwei Abgeordnete. A RT. 32. Für jeden ernannten und gewählten Abgeordneten soll ein Stellvertreter ernannt und gewählt werden. Die durch das Gesetz berufenen Mitglieder der Stände können sich durch ihren nächsten volljährigen Blutsverwandten von der männlichen Seite auf dem Landtage vertreten lassen. Von den Stellvertretern gilt dasselbe was in Ansehung der Abgeordneten vorgeschrieben ist. A RT. 33. Um Stände-Mitglied sein zu können wird erfordert, daß 1. die gesetzlichen Mitglieder ein Alter von 24 Jahren, alle übrigen Abgeordneten ein Alter von 30 Jahren haben; und daß 2. alle durch Ernennung und durch Wahl berufene Abgeordnete ihren Wohnsitz in der Provinz haben, für welche sie ernannt, oder welcher der Bezirk in dem sie gewählt werden angehört; nur die von den Fürstenthü-

mern Lübeck und Birkenfeld gewählten Abgeordneten können ihren Wohnsitz in einer andern Provinz des Großherzogthums haben. A RT. 34. Zur Stände-Mitgliedschaft ist unfähig und für immer davon ausgeschlossen: 1. derjenige, welcher wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurtheilt ist, vorbehältlich der Landesherrlichen Wiederverleihung der Fähigkeit dazu; 2. derjenige, dem die Fähigkeit der Stände-Mitgliedschaft zur Strafe gerichtlich abgesprochen ist; 3. derjenige, welcher durch den Landtag aus demselben ausgeschlossen ist (Art. 70. 71.). A RT. 35. Die Fähigkeit zum Abgeordneten berufen zu werden ist einstweilen entzogen: 1. demjenigen, der unter Curatel steht; 2. demjenigen, der in Concurs befangen ist, oder dessen Schuldenwesen im Wege gerichtlichen Accordes regulirt wird, bis dahin, daß sämmtliche Gläubiger sich befriedigt erklären; 3. demjenigen, gegen den wegen Verbrechen oder Vergehen die Special-Inquisition oder die Gerichtstellung erkannt, oder die provisorische Verhaftung verfügt ist; 4. demjenigen, welcher in der Untersuchung wegen eines Verbrechens von der Instanz entlassen ist, während der ersten fünf Jahre nach der Abgebung des Erkenntnisses; 5. allen für den öffentlichen Dienst verpflichteten Personen, imgleichen Aerzten und Anwälden, während sie von ihrer Amtsoder Geschäftsführung suspendirt sind. A RT. 36. Die Eigenschaft eines Abgeordneten geht verloren: 1. wenn sich ein Umstand ergeben hat, der die Ernennung oder Wahl des Abgeordneten gesetzlich gehindert haben würde; 2. mit dem Eintritt eines Umstandes, der

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O LDENBURG nach Art. 34 und 35. die Berufung zum Abgeordneten ausschließt; 3. mit der Auflösung des Landtags; 4. mit dem Ablaufe der Zeit für welche die Abgeordneten ernannt oder gewählt sind; 5. für einen Abgeordneten des Herzogthums Oldenburg wenn er seinen Wohnsitz außerhalb desselben verlegt hat.

IV Von der Wahl und Ernennung der Abgeordneten A RT. 37. Die Wahl der Abgeordneten geschieht nach den Vorschriften der Wahlordnung (Art. 48.) durch Wahlmänner, und ist zu der Zeit und an dem Orte vorzunehmen, welche der Großherzog durch ein Landesherrliches Wahlausschreiben dazu bestimmen wird. A RT. 38. Zur Leitung jeder Wahlhandlung wird der Großherzog in dem Wahlausschreiben einen Wahlcommissair ernennen, der auf die Ordnungsmäßigkeit und die Freiheit der Wahl zu achten, sonst aber einigen Einfluß auf dieselbe, durch Empfehlung oder Vorschlag oder auf andere Weise, nicht auszuüben hat. Dieselbe Verpflichtung hat jeder, der mit der Leitung einer sonstigen nach Inhalt dieses Grundgesetzes oder dessen Anlagen vorzunehmenden Wahlhandlung beauftragt ist. Die Wahl der Abgeordneten kann nur von jemand geleitet werden, der in der Wahlversammlung nicht selbst stimmberechtigt ist. A RT. 39. Jeder in der Wahlversammlung anwesende Wahlmann ist verpflichtet durch Abgebung seiner Stimme an der Wahl Theil zu nehmen. A RT. 40. Zur Wahl eines Abgeordneten wird die Uebereinstimmung der Mehrheit der anwesenden Wahlmänner erfordert. Wenn bei der ersten Abstimmung eine absolute

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Stimmenmehrheit sich nicht ergeben hat, so ist über alle dabei Benannte die Abstimmung zu wiederholen. Wenn auch dann weder eine absolute Stimmenmehrheit noch eine gleiche Vertheilung sämmtlicher Stimmen auf zwei Personen – in welchem Falle das Loos entscheidet – vorhanden ist, so findet, unter Ausscheidung derjenigen Person, welche die wenigsten Stimmen erhalten hat – worüber bei Gleichheit der Stimmen das Loos entscheidet – über alle Benannte eine fernere Abstimmung statt, und ist damit so lange fortzufahren, bis eine absolute Stimmenmehrheit erreicht ist, oder bei gleicher Vertheilung sämmtlicher Stimmen auf zwei Personen das Loos entschieden hat. In derselben Weise soll allenthalben verfahren werden, wo in diesem Grundgesetze und dessen Anlagen bei sonstigen Wahlhandlungen absolute Stimmenmehrheit gefordert ist. A RT. 41. Die Wahlstimmen dürfen nicht unter Bedingungen gegeben, und kein Abgeordneter darf an Instructionen gebunden werden, noch dieselben annehmen. Wer die Berufung zum Abgeordneten unter Bedingungen oder Instructionen angenommen hat, verliert die Fähigkeit zur Stände-Mitgliedschaft. A RT. 42. Niemand soll versuchen durch Geschenke oder Versprechung eines Vortheils, oder durch Drohungen auf die Wahl zum Wahlmann oder Abgeordneten einzuwirken. Eine dadurch bewirkte Wahl ist ungültig. Wer Geschenke oder das Versprechen eines Vortheils in Beziehung auf die Wahl zum Wahlmann oder Abgeordneten angenommen hat, soll die Fähigkeit zur StändeMitgliedschaft verlieren. A RT. 43. Die Ernennung und die Wahl der Abgeordneten gelten für sechs Jahre, nach deren Ablauf dieselben wieder ernannt

V ERFASSUNGSENTWURF VON O LDENBURG (1848) und gewählt werden können. Die Berufung eines Abgeordneten welche während einer Wahlperiode statt findet (Art. 46.), gilt für die noch übrige Dauer derselben. A RT. 44. Die Wahl oder Ernennung zum Abgeordneten kann jeder ablehnen. A RT. 45. Hof- und Civil-Staatsdiener, Militair-Personen, Geistliche und Lehrer an gelehrten und hoheren Bürger-Schulen bedürfen zum Eintritt in die Stände der Genehmigung des Großherzogs. Diese Genehmigung schließt die Beurlaubung für die Dauer des Landtags in sich. Zum Eintritt in einen ferneren während der Wahlperiode berufenen Landtag bedarf es besonderer Beurlaubung nach den Vorschriften der Verordnung vom 5. April 1830, welche indeß nur aus erheblichen in Rücksichten auf den Dienst beruhenden, dem Landtage nachrichtlich mitzutheilenden, Gründen versagt werden kann. A RT. 46. Wenn ein Abgeordneter und dessen Stellvertreter in die Stände nicht eintreten können, oder aus denselben wieder ausgetreten sind, so findet eine anderweitige Wahl beziehungsweise Ernennung an die Stelle der Ausgefallenen statt, falls solche noch vor den nächsten allgemeinen Wahlen wirksam werden kann. A RT. 47. Jede Wahl eines Abgeordneten unterliegt in Absicht auf ihre Gesetzmäßigkeit einer vorläufigen Prüfung der Regierung derjenigen Provinz, in welcher der Abgeordnete seinen Wohnsitz hat. A RT. 48. Die näheren Vorschriften über die ständischen Wahlen sind in der Wahlordnung (Anl. B.) enthalten.

V Von den Landtagen A RT. 49. Die Einberufung der Stände zum Landtage geschieht durch ein Landesherrliches Patent.

A RT. 50. Eigenmächtige Versammlung von Ständemitgliedern um ständische Rechte auszuüben ist untersagt. A RT. 51. Ordentliche Landtage sollen alle drei Jahre statt haben, dergestalt, daß die Versammlung des folgenden Landtags vor Ablauf von drei Jahren nach der Schließung des letzten ordentlichen Landtags erfolgt; außerdem können außerordentliche Landtage berufen werden. Auf den ordentlichen Landtagen können alle Rechte ausgeübt werden, welche grundgesetzlich Gegenstand der ständischen Wirksamkeit sind. Auf den außerordentlichen Landtagen können nur diejenigen Gegenstände zur Verhandlung kommen, welche denselben vom Großherzoge zur Berathung und Beschlußnahme überwiesen werden. A RT. 52. Wenn die Vorschrift des Art. 51. wegen regelmäßiger Berufung des ordentlichen Landtags unerfüllt geblieben sein sollte, so kann gegen sämmtliche stimmführende Mitglieder des Staats- und Cabinetsministeriums wegen Verletzung des Grundgesetzes Klage erhoben werden. A RT. 53. Die Dauer eines Landtags wird jedes Mal in dem Einberufungspatente bestimmt werden, die eines ordentlichen Landtags indeß nicht unter sechs Wochen. Der Großherzog kann dieselbe verlängern. A RT. 54. Dem Großherzoge steht das Recht zu, den Landtag zu vertagen, zu schließen und aufzulösen. Eine Vertagung kann nur auf langstens sechs Monate geschehen. Nach einer Auflösung des Landtags sollen die neuen Wahlen innerhalb drei Monaten ausgeschrieben werden und innerhalb der auf die Wahlausschreibung folgenden drei Monate soll die Versammlung der Stände zu einem ordentlichen Landtage statt finden.

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O LDENBURG A RT. 55. Vor der förmlichen Eröffnung des Landtags soll in vorläufigen Versammlungen der einberufenen Ständemitglieder eine Prüfung der Legitimation sämmtlicher Abgeordneten, unter Leitung einer vom Großherzoge ernannten Commission vorgenommen, und damit in Gemäßheit der Geschäftsordnung (Art. 79.) vom Landtage nach dessen Eröffnung fortgefahren werden. Wenn der Landtag sich nicht mit dem Beschlusse der Regierung (Art. 47.) einverstanden erklärt hat, so steht dem Großherzoge die Entscheidung zu. A RT. 56. Jeder Abgeordnete hat folgenden Eid zu leisten: Ich schwöre Treue Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge ____ (ganzer Namen) ____ und gewissenhafte Erfüllung der durch das Grundgesetz über die landständische Verfassung des Großherzogthums Oldenburg mir auferlegten Pflichten. A RT. 57. Sobald in den vorläufigen Versammlungen der Ständemitglieder die Prüfung der Legitimationen beendigt ist und wenigstens ein und zwanzig Abgeordnete anwesend sind, auch die Beeidigung derselben statt gefunden hat, soll der Landtag förmlich eröffnet werden. A RT. 58. Der Großherzog wird Commissarien ernennen, welche berufen sind, die Landesherrlichen Propositionen an den Landtag und dessen Erklärungen und Anträge an den Großherzog zu bringen, dem Landtage Erläuterung oder Aufklärung über die seiner Berathung unterliegenden Gegenstände zu ertheilen, und die Geschäftsverbindung des Landtags mit den Behörden zu vermitteln; alle Mittheilungen zwischen diesem und dem Landtage können nur durch die Commissarien befördert werden. A RT. 59. Die Landesherrlichen Commissarien sind berechtigt jeder Sitzung der Landstände beizuwohnen, haben jedoch vor

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der förmlichen Abstimmung, wenn solche nicht geheim geschieht, dieselbe zu verlassen. Nachdem die Commissarien abgetreten sind, ist eine weitere Berathung unzulässig. A RT. 60. Zur Leitung der Geschäfte auf dem Landtage wird der Großherzog einen Landtags-Director und einen Vice-LandtagsDirector ernennen. Letzterer hat bei Verhinderung des Directors denselben zu vertreten. Zu den Stellen des Landtags-Directors und des Vice-Landtags-Directors hat der Landtag, unter dem Vorsitze des ältesten Abgeordneten, sechs Personen aus seiner Mitte in Vorschlag zu bringen. A RT. 61. Zur Wahrnehmung der Secretariats- und Registraturgeschäfte ist ein Landtags-Secretair anzustellen, den der Landtag aus drei vom Landtags-Director vorgeschlagenen Personen zu erwählen hat. Der Landtags-Secretair darf nicht Mitglied der Stände, gleichwohl nicht nach Art. 34. und 35. davon ausgeschlossen sein. Die Anstellung des Landtags-Secretairs unterliegt der Genehmigung des Großherzogs, wenn die Wahl auf eine Person gefallen ist, welche zum Eintritt in die Landstände als deren Mitglied nach Art. 45. der Landesherrlichen Genehmigung bedürfte; im anderen Falle wird eine desfallsige Anzeige erfordert. A RT. 62. Die Ernennung des LandtagsDirectors und des Vice-Landtags-Directors gilt für die Dauer der Wahlperiode, beziehungsweise bis zur Auflösung des Landtags, die Anstellung des Landtags-Secretairs für die Dauer des Landtags. A RT. 63. Der Landtag ist nur dann beschlußfähig, wenn wenigstens ein und zwanzig Abgeordnete in der Versammlung anwesend sind.

V ERFASSUNGSENTWURF VON O LDENBURG (1848) A RT. 64. Ein Landtagsbeschluß wird durch absolute Stimmenmehrheit der anwesenden Abgeordneten gefaßt, in so weit nicht dieses Grundgesetz oder die Geschäftsordnung ein Anderes vorschreiben. A RT. 65. Wenn bei der ersten Abstimmung Stimmengleichheit sich ergeben hat, so soll dieselbe, und zwar wenn der Landtags-Director es für angemessen erachtet erst in der folgenden Sitzung wiederholt werden, und wenn auch die zweite Abstimmung zu einem Beschlusse durch absolute Stimmenmehrheit nicht geführt hat, so entscheidet die Stimme des Landtags-Directors. A RT. 66. In allen denjenigen zur Berathung des Landtags stehenden Angelegenheiten, welche die Interessen nur der einen oder andern Provinz des Großherzogthums angehen – worüber im Zweifelsfalle der Landtag zu entscheiden hat – haben nur die Abgeordneten der betheiligten Provinz unter dem Vorsitze des Landtags-Directors an der Berathung und Beschlußfassung Theil zu nehmen. A RT. 67. Ein Antrag, welcher lediglich die eine oder andere Provinz des Großherzogthums angeht, kann nicht von einem Abgeordneten einer unbetheiligten Provinz ausgehen. A RT. 68. Jeder Abgeordnete ist verpflichtet, an der Ausübung der ständischen Rechte Theil zu nehmen, dabei die Gesetze des Landes, insbesondere dieses Grundgesetzes, die wohlerworbenen Rechte und die Interessen aller seiner Mitbürger sorgfältig zu beachten, stets das unzertrennliche Wohl des Großherzogs und des Vaterlandes zur Richtschnur zu nehmen, und bei seinen Abstimmungen der eignen wohlgeprüften Ueberzeugung gewissenhaft zu folgen. A RT. 69. Ein Abgeordneter, der in die Ständeversammlung eingetreten ist, kann nur mit Genehmigung des Großherzogs und

des Landtags aus derselben wieder austreten. A RT. 70. Ein Abgeordneter, der sich eigenmächtig der Theilnahme an den Geschäften des Landtags dauernd entzieht, kann, wenn die durch den Landtags-Director ihm gewordene Aufforderung zur Erfüllung seiner Pflicht fruchtlos geblieben ist, durch Beschluß des Landtags aus demselben ausgeschlossen werden. Auf die durch das Gesetz berufenen Ständemitglieder finden die Art. 69. und 70. keine Anwendung. A RT. 71. Der Landtag kann die Ausschließung eines Abgeordneten aus den Ständen beschließen, der wegen eines solchen Vergehens rechtskräftig verurtheilt oder nur von der Instanz entlassen ist, worin der Landtag eine entehrende Handlung erkennt. A RT. 72. Wenn die Wahl beziehungsweise Ernennung eines Abgeordneten unwirksam geworden ist, oder derselbe an der Theilnahme an den Geschäften des Landtags dauernd verhindert ist, so tritt der Stellvertreter in denselben ein. A RT. 73. Die Abgeordneten können wegen ihrer Meinungsäußerungen und Abstimmungen auf dem Landtage nicht zur Verantwortung gezogen werden. Jedoch wird jeder Abgeordnete auf die Beachtung der Geschäftsordnung hingewiesen, und ist wegen eines durch mündliche oder schriftliche Aeußerungen auf dem Landtage begangenen Verbrechens oder Vergehens ein gerichtliches Verfahren nicht ausgeschlossen. A RT. 74. Während des Landtags kann ein abwesendes Ständemitglied nur dann verhaftet werden, wenn dessen schleunige Verhaftung wegen eines Verbrechens oder Vergehens von dem zuständigen Gerichte nothwendig befunden ist. Der Landtag ist davon sofort in Kenntniß zu setzen, und kann

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O LDENBURG derselbe über die von ihm gesetzwidrig erachtete Verhaftung bei dem zuständigen Gerichte Beschwerde erheben. A RT. 75. Beleidigungen des Landtags, oder eines Abgeordneten wegen seiner Aeußerungen oder seines Verhaltens auf dem Landtage sollen nach den Gesetzen über Bestrafung der Beleidigung der Amtsehre an einem Collegium oder an höheren Staatsbeamten verübt, Drohungen und Gewaltthätigkeiten gegen den Landtag, oder gegen einen Abgeordneten unter der obigen Voraussetzung, nach den Gesetzen über Bestrafung der Widersetzung gegen obrigkeitliche Personen geahndet werden. A RT. 76. Eingaben, welche von Einzelnen oder von Körperschaften an den Landtag gebracht werden, darf derselbe in so weit berucksichtigen, als jeder Abgeordnete darauf einen Antrag an den Landtag gründen kann; bei Beschwerden jedoch nur dann, wenn von dem Beschwerdeführer glaubhaft nachgewiesen ist, daß er bei den zuständigen Behörden eine Abhülfe vergeblich nachgesucht hat. Vorstellungen jeder Art dürfen dem Landtage nur schriftlich eingesandt, nicht in der Ständeversammlung persönlich uberreicht oder mündlich an den Landtag gebracht werden. A RT. 77. Der Großherzog wird den Ständen auf ihre Anträge vor der Beendigung des Landtags Bescheid ertheilen. A RT. 78. Die Landtags-Protocolle sollen durch den Druck bekannt gemacht werden; es kann jedoch in einzelnen Fällen die Veröffentlichung des Protocolls oder eines Theils desselben nach dem Beschlusse des Landtags unterbleiben. Die Oeffentlichkeit der ständischen Sitzungen ist von dem Beschlusse des ersten nach der Verkündung dieses Grundgesetzes berufenen Landtags abhängig.

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A RT. 79. Die näheren Vorschriften über die Behandlung der Geschäfte in den vorläufigen Versammlungen der Abgeordneten und auf dem Landtage sind in der Geschäftsordnung (Anlage C.) enthalten.

VI Von der Gewähr des Grundgesetzes A RT. 80. Bei der Auslegung dieses Grundgesetzes soll der Grundsatz festgehalten werden, daß dasselbe die Ausübung nur derjenigen Rechte des Großherzogs, als Souverains, beschränkt, bei welchen und in so weit es den Ständen eine Wirksamkeit ausdrücklich zugewiesen hat. A RT. 81. Die Wahlordnung und die Geschäftsordnung sind zwar nicht Theile dieses Grundgesetzes, sie können gleichwohl nicht ohne ständische Zustimmung abgeändert, authentisch erläutert oder aufgehoben werden. A RT. 82. Anträge auf Abänderung des Grundgesetzes können vom Großherzoge an den Landtag und von diesem an den Großherzog gebracht werden. Ein Beschluß des Landtags, durch welchen derselbe einem Antrage auf Abänderung des Grundgesetzes seine Zustimmung ertheilt, erfordert, daß von wenigstens dreißig bei der Abstimmung anwesenden Abgeordneten mindestens zwanzig, und bei größerer Anzahl der Abstimmenden zwei Drittel derselben sich für den Antrag erklärt haben. A RT. 83. Alle vom Großherzoge erlassene Gesetze und Verordnungen, und alle Landesherrliche Verfügungen an die Landesbehörden sollen von einem Mitgliede des Staats- und Cabinetsministeriums contrasignirt werden, wodurch dasselbe die Verantwortlichkeit dafür übernimmt, daß solche den Landesgesetzen, insbesondere diesem Grundgesetze nicht widerstreiten.

V ERFASSUNGSENTWURF VON O LDENBURG (1848) In Militair-Angelegenheiten bedürfen diejenigen Landesherrlichen Verfügungen der Contrasignatur nicht, welche die Disciplin und die Formation des Truppencorps und den Dienst überhaupt angehen. A RT. 84. Wenn über die Erklärung oder Anwendung des Grundgesetzes, oder über den Umfang der ständischen Rechte eine Verschiedenheit der Ansichten zwischen dem Großherzoge und den Ständen obwaltet und eine Verständigung nicht erreicht worden ist, so soll die Frage vom Oberappellationsgerichte, als Schiedsgericht, erledigt werden.I A RT. 85. Das Oberappellationsgericht hat vom Staats- und Cabinetsministerium und vom Landtage Erklärungen über den in Frage stehenden Zweifel einzuziehen, welche nach gegenseitiger Mittheilung in einer zweiten Schrift zu beantworten sind. A RT. 86. Der hierauf abzugebende Spruch des Oberappellationsgerichts soll von demselben öffentlich bekannt gemacht werden und dann die Kraft einer authentischen Auslegung haben. A RT. 87. Eine Verletzung des Grundgesetzes soll vom Oberappellationsgerichte, nach gerichtlich geführter Untersuchung, geahndet werden. Als eine Verletzung des Grundgesetzes ist jede Handlung oder Unterlassung anzusehen, welche den Vorschriften desselben widerstreitet. A RT. 88. Ein gerichtliches Verfahren wegen Verletzung des Grundgesetzes ist nur dann zulässig, wenn deshalb Namens des Großherzogs oder von den Landständen Klage erhoben ist. Das Oberappellationsgericht kann die Untersuchung selbst führen, oder damit ein anderes Gericht beauftragen.

A RT. 89. Wenn der Großherzog sich bewogen findet, wegen Verletzung des Grundgesetzes Klage erheben zu lassen, so wird durch das Staats- und Cabinetsministerium ein mit den etwa erforderlichen Belegen versehener Klagantrag an das Oberappellationsgericht gebracht werden. A RT. 90. Wenn der Landtag beschlossen hat gegen einen öffentlichen Beamten wegen Verletzung des Grundgesetzes Klage zu erheben, so hat er seine Beschwerde zuvörderst bei dem Großherzoge anzubringen. Wenn letzterer auf diesem Wege nicht innerhalb drei Wochen eine den Ständen genügende Erledigung erhalten hat, so können dieselben die Klage mit Beifügung ihrer etwaigen Belege beim Oberappellationsgerichte einreichen, und zwar in diesem Falle ohne Vermittelung der Landesherrlichen Commissarien. A RT. 91. Wird ein Angeklagter der Verletzung des Grundgesetzes schuldig befunden, so kann vom Oberappellationsgerichte, neben der Verurtheilung zur Ersetzung des etwa verursachten Schadens, auf Vereinsgeldbuße von 25 bis 300 Thlr., Verlust der Fähigkeit zur Ständemitgliedschaft, und gegen einen öffentlichen Beamten auch auf Suspension oder Entlassung vom Amte, oder auf Dienstentsetzung erkannt werden. Die Strafe kann geschärft werden durch öffentliche Bekanntmachung des Urtheils. A RT. 92. Bei der Beurtheilung der Frage, ob die angeschuldigte Verletzung des Grundgesetzes und die Verschuldung des Angeklagten als erwiesen anzusehen, ist das Oberappellationsgericht nicht an die Vorschriften des Strafgesetzbuches gebunden, dasselbe hat vielmehr nur seiner gewissenhaften Ueberzeugung zu folgen. Für das gerichtliche Verfahren, für die Art und das Maß der zu erkennenden Strafe, nach

I Für den Fall der Errichtung eines Bundesgerichts würden die Bestimmungen der Art. 84. 85. 86. wegfallen oder die danach nothigen Aenderungen erleiden.

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O LDENBURG der Erheblichkeit der Uebertretung und dem Grade der Verschuldung, imgleichen für die Verbindung mehrerer der im Art. 91. angedroheten Strafen, auch in den Fällen der Art. 41. und 42., sind die Vorschriften des Strafgesetzbuchs maßgebend.

des Verurtheilten im Amte, oder auf die Fähigkeit zur Wiederanstellung erstreckt werden, wenn nicht das gerichtliche Erkenntniß den Angeklagten in der einen oder andern Beziehung der Landesherrlichen Gnade empfohlen hat.

A RT. 93. Wegen eines mit der angeschuldigten Verletzung des Grundgesetzes zusammentreffenden sonstigen Verbrechens oder Vergehens findet das weitere Verfahren vor der zuständigen ordentlichen Behörde statt, welcher zu dem Ende von dem Oberappellationsgerichte erforderliche Mittheilung zu machen ist.

A RT. 96. Jeder Regierungsnachfolger hat bei seinem Regierungsantritte in dem desfalls zu erlassenden Landesherrlichen Patente die Erklärung abzugeben, daß er das Grundgesetz aufrecht erhalten und beobachten wolle. Dieselbe Erklärung hat im Falle der Unmündigkeit des Regierungsnachfolgers, oder bei sonstiger Verhinderung seines Regierungsantritts der Regierungsverweser abzugeben.

A RT. 94. Gegen das Erkenntniß des Oberappellationsgerichts steht dem Angeklagten wie dem Kläger das Rechtsmittel der Revision zu. Die Revisionsinstanz wird dadurch gebildet, daß dem Oberappellationsgerichte vier Mitglieder der Gerichte im Herzogthum Oldenburg als Hülfsrichter hinzutreten, und ein anderer Referent und Correferent bestellt werden. Zwei dieser Hülfsrichter werden von dem klagenden, zwei von dem angeklagten Theile erwählt. Unterbleibt die Wahl von Seiten eines Theils, so wählt statt seiner das Oberappellationsgericht die Hülfsrichter. A RT. 95. Das Landesherrliche Begnadigungsrecht kann, wenn der Angeklagte der Fähigkeit zur Ständemitgliedschaft verlustig erklärt, oder auf Dienstentlassung oder Entsetzung erkannt ist, nicht auf Beibehaltung jener Fähigkeit, oder auf Belassung

1. 2. 3.

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des ” ”

Herzogthums Fürstenthums ”

ANLAGE A zum Grundgesetze über die landständische Verfassung für das Großherzogthum Oldenburg In der Bundesmatrikel, welche als Regel sowohl für Bürgschaftsstellungen als Geldleistungen gilt, mit alleiniger Ausnahme der anders vertheilten Bundescanzleikosten, ist das Großherzogthum Oldenburg mit 217,769 Einwohnern aufgeführt. Dabei ist angenommen die Bevölkerung

Oldenburg Lübeck Birkenfeld

zu ” ”

179,769 18,000 20,000

Einwohnern ” ”

V ERFASSUNGSENTWURF VON O LDENBURG (1848)

ANLAGE B zum Grundgesetze über die landständische Verfassung

Wahlordnung I Von den Wahlmännern und ihrer Erwählung § 1. Die Wahlmänner von welchen nach Art. 37. u. 32. des Grundgesetzes die Abgeordneten und deren Stellvertreter zu wählen sind, werden theils durch das Gesetz vermöge ihres Gemeinde-Amts, theils durch Wahl berufen. § 2. Wahlmänner sind: 1. im Herzoghtum Oldenburg: a. in den wahlberechtigten Städten: die Mitglieder des Magistrats mit Einschluß des Kämmerers, die Mitglieder des städtischen Ausschusses (Stadtrath, Bürger-Ausschuß), und zweimal so viele gewählte Bürger, als der städtische Ausschuß Mitglieder zählt, welche in der Bürger-Versammlung zu erscheinen berechtigt sind; b. in den Wahlbezirken der Landgemeinden: die Kirchspielsvögte und Beigeordneten und die Mitglieder des Amts-Ausschusses; 2. im Fürstenthum Lübeck: a. in der Stadt Eutin: die Mitglieder des Magistrats, die Bürger-Deputirten, achtzehn Bürger oder Einwohner der Stadt, welche zu Bürger-Deputirten wählbar sind oder wählbar sein würden, wenn sie das Bürgerrecht besäßen; b. im Flecken Schwartau: die Quartiersmänner, zwölf Einwohner des Fleckens, welche zu Quartiersmännern wählbar sind; c. in den Dorfschaften des Amts Eutin und des Amts Schwartau je vierzig Personen, welche volljährig, nicht nach Art. 34.

und 35. des Grundgesetzes unfähig sind zu Stände-Mitgliedern berufen zu werden, und zur Classensteuer in einer der ersten sieben Classen der Steuer-Rolle angesetzt sind, oder in denjenigen Dorfschaften, worin eine Classen-Steuer nicht erhoben wird, an sonstiger directer Steuer wenigstens 10 Thlr. jährlich zu entrichten haben; 3. im Fürstenthum Birkenfeld: die Bürgermeister, die Mitglieder der Ortsvorstände mit Einschluß der Beisitzer. § 3. Die durch Wahl zu berufenden Wahlmänner sollen gewählt werden: 1. in den Städten des Herzogthums Oldenburg: von der Bürger-Versammlung; 2. im Fürstenthum Lübeck: in der Stadt Eutin von der Bürger-Versammlung und denjenigen Einwohnern der Stadt, welche, wenn sie das Bürgerrecht besäßen, in der Bürger-Versammlung zu erscheinen berechtigt sein würden; im Flecken Schwartau von der Versammlung sämmtlicher Einwohner, welche die Quartiersmänner zu erwählen berechtigt sind; in den Dorfschaften der Aemter Eutin und Schwartau unter Leitung des Amts von sämmtlichen Einwohnern, welche volljährig und nicht nach Art. 34. u. 35. des Grundgesetzes unfähig sind zu Stände-Mitgliedern berufen zu werden, und an directer Steuer einen Beitrag an die Landes-Casse zahlen, mit Ausschluß jedoch aller in Privatdiensten stehenden Personen. § 4. Die Wahlmänner werden von der Wahlversammlung einer jeden Gemeinde besonders gewählt. Die sämmtlichen Dorfschaften eines jeden der beiden Aemter Eutin und Schwartau sollen acht Wahl-Gemeinden bilden, welche die Regierung des Fürstenthums Lübeck nach der Belegenheit der Dorfschaften und unter Berücksichtigung der Einwohnerzahl

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O LDENBURG derselben zusammen zu legen hat. Jede Wahlversammlung einer solchen Gemeinde wählt fünf Wahlmänner. § 5. Zeit und Ort der Wahlversammlung hat die Regierung der Provinz auf ortsübliche Weise mindestens acht Tage vor dem Termine zur öffentlichen Kunde zu bringen. Die Wahlversammlung muß längstens innerhalb vier Wochen nach der Verkündung des zur Wahl der Abgeordneten erlassenen Landesherrlichen Ausschreibens stattfinden. § 6. Zur Erwählung der Wahlmänner wird die Anwesenheit der Mehrheit der Mitglieder der Versammlung erfordert. Wenn die danach erforderliche Anzahl der Wahlberechtigten nicht erschienen ist und abgestimmt hat, so hat die Gemeinde für das Mal das Wahlrecht verloren. § 7. In der zur Erwählung der Wahlmänner berufenen Versammlung hat der Vorsitzende zunächst die Berechtigung der Anwesenden in der Versammlung zu erscheinen zu prüfen. Wer von demselben für nicht berechtigt erklärt wird, hat, mit Vorbehalt des Rechts der Beschwerdeführung bei der Regierung der Provinz, an der Versammlung nicht Theil zu nehmen. § 8. Nachdem der Vorsitzende die Versammlung an die gesetzlichen Erfordernisse der zu Wählenden erinnert hat, geschieht die Abgebung der Wahlstimmen mündlich zum Protocoll. § 9. Diejenigen Personen, welche die meisten Stimmen erhalten haben, sind gewählt. Bei Gleichheit der Stimmen entscheidet das Loos. Der Vorsitzende hat der Versammlung das Ergebniß der Wahl bekannt zu machen, die gesetzliche Zulässigkeit der Gewählten zu prüfen, und wenn nach seinem Erachten dem einen oder andern derselben die gesetzlichen Erfordernisse mangeln, sofort eine neue Wahl zu veranlassen,

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unter Vorbehalt des Rechts der Beschwerdeführung bei der Regierung der Provinz, sowohl auf Seiten des einzelnen Betheiligten als der Wahlversammlung, worüber letztere sofort zum Protocoll sich zu erklären hat. § 10. Die Annahme der Wahl zum Wahlmanne kann nur abgelehnt werden, wenn der Gewählte bereits das 70ste Lebensjahr zurückgelegt hat. § 11. Nach beendigter Wahl hat der Vorsitzende jedem Wahlmanne entweder sofort oder doch längstens innerhalb der nächsten acht Tage zu seiner Legitimation einen durch die Unterschrift des Vorsitzenden und des Protocollführers zu beglaubigenden Auszug aus dem Wahlprotocolle zuzustellen, und dem in dem Landesherrlichen Wahlausschreiben ernannten Commissair zur Leitung der Wahl der Abgeordneten die statt gefundene Erwählung der Wahlmänner anzuzeigen.

II Von der Wahlhandlung der Wahlmänner § 12. Sofort nach der Verkündigung des Landesherrlichen Wahlausschreibens hat der zur Leitung der Wahl der Abgeordneten und ihrer Stellvertreter ernannte Wahlcommissair von den Aemtern, beziehungsweise Magistraten, des ihm überwiesenen Wahlbezirks ein Verzeichniß der durch das Gesetz berufenen Wahlmänner desselben einzuziehen, und nachdem solches bei ihm eingegangen ist, und sämmtliche Wahlen der Wahlmänner ihm angezeigt sind (§. 11.), jeden Wahlmann des Bezirks durch Vermittelung des Amts, beziehungsweise Magistrats, zur Wahlversammlung schriftlich verabladen zu lassen. Die Bescheinigungen der geschehenen Ladung sind unverzüglich an den Wahlcommissair einzusenden. § 13. Von der Verpflichtung des Wahlmanns zum Erscheinen in der Wahlver-

V ERFASSUNGSENTWURF VON O LDENBURG (1848) sammlung befreien nur ärztlich bescheinigte Krankheit oder sonstige unvermeidliche, als solche amtlich bezeugte Hindernisse. § 14. Eine Bevollmächtigung zur Abgebung der Wahlstimmen, oder eine Stellvertretung ist unzulässig, insbesondere können auch die Mitglieder der städtischen und der Amts-Ausschüsse nicht durch ihre Ersatzmänner vertreten werden. § 15. Der Wahlcommissair eröffnet die Versammlung mit der Prüfung der Legitimation der Wahlmänner durch Verlesung des in §. 12. gedachten Verzeichnisses und der nach §. 11. den Wahlmännern ausgestellten und von diesen dem Wahlcommissair in der Versammlung übergebenen ProtocollAuszüge. § 16. Die Wahlhandlung kann nur vorgenommen werden, wenn von den sämmtlichen Wahlmännern des Wahlbezirks mindestens zwei Drittel in der Versammlung erschienen sind. Wenn das nicht der Fall ist, so hat der Wahlcommissair sofort eine zweite Wahlversammlung auf einen der nächsten acht Tage anzuberaumen, und mit der abermaligen Ladung der nicht erschienenen Wahlmänner nach Vorschrift des §. 12. zu verfahren. Die Kosten dieser zweiten Versammlung, insbesondere die Tagegelder – täglich 2 Thlr. – und die nothwendigen wirklich aufgewandten Reisekosten aller zum zweiten Mal in der Wahlversammlung erscheinenden Personen, fallen denjenigen Wahlmännern zur Last, welche in der ersten Versammlung nicht erschienen sind, ohne gesetzlich entschuldigt (§. 13.) gewesen zu sein. In der zweiten Wahlversammlung ist die Wahlhandlung vorzunehmen, sobald die Mehrheit sämmtlicher Wahlmänner des Wahlbezirks erschienen ist. Ist das nicht der Fall, so hat der Wahlbezirk für die gegenwärtige Wahl sein Wahlrecht verloren.

§ 17. Der Wahlcommissair hat nach beendigter Prüfung der Legitimation der Wahlmänner dieselben zur Erklärung aufzufordern, ob sie ohne alle Nebenrücksichten lediglich nach gewissenhafter Ueberzeugung stimmen wollen, wie ein jeder es für das allgemeine Wohl des Landes am zuträglichsten halte, worauf jeder Wahlmann antwortet: ja, auf Ehre und Gewissen. Nachdem dieses geschehen, soll niemand zur Wahlversammlung noch zugelassen werden. § 18. Bevor zur Abstimmung geschritten wird, hat der Wahlcommissair die Erfordernisse der Wählbarkeit zum Abgeordneten nach Maßgabe der Art. 33. 34. und 35. des Grundgesetzes zu verlesen, und, damit nicht die Wahl auf eine in einem anderen Wahlbezirke bereits gewählte Person falle, die etwa bekannten Ergebnisse der früheren Wahlhandlungen der Versammlung mitzutheilen, worauf unter den Wahlmännern eine Besprechung über die vorzunehmende Wahl statt finden kann. § 19. Die Abstimmung geschieht durch Abgebung von Stimmzetteln in die Wahlurne, deren jeder so viele Namen, mit Angabe des Wohnorts, enthalten muß, als der Wahlbezirk Abgeordnete zu wählen hat. § 20. Zur Ermittelung des Ergebnisses der Abstimmung hat der Wahlcommissair einen der Wahlmänner zur Hülfleistung als Beistand einzuladen. Der Beistand hat die abgegebenen Stimmzettel, nachdem die Uebereinstimmung der Anzahl derselben mit der Anzahl der anwesenden Wahlmänner festgestellt ist, zu verlesen und mit fortlaufender Nummer zu versehen und der dem Wahlcommissair beigegebene Protocollführer die verlesenen Namen zu protocolliren.

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O LDENBURG § 21. Stimmzettel, die wegen Ungenauigkeit ihrer Angaben es zweifelhaft lassen, welcher Person die Stimme hat gegeben werden sollen, fallen bei der Berechnung der abgegebenen Stimmen aus. § 22. Nachdem unter Mitwirkung des Beistandes das Ergebniß der Wahl ermittelt ist, und so weit erforderlich das im Art. 40. des Grundgesetzes vorgeschriebene Verfahren statt gefunden hat, hat der Wahlcommissair das Ergebnis der Versammlung zu verkünden. § 23. Der Wahlcommissair hat hierauf mit der Wahlversammlung zu untersuchen, ob der Gewählte die gesetzlich erforderlichen Eigenschaften eines Stände-Mitgliedes besitzt. Wenn die Mehrheit der Wahlmänner mit bestimmter Angabe der Gründe solches verneint, so ist sofort eine abermalige Wahl vorzunehmen. § 24. Nach beendigter Wahl der Abgeordneten ist zur Wahl der Stellvertreter zu schreiten, nach Vorschrift der §§. 19–23. In denjenigen Wahlbezirken für welche mehrere Stellvertreter zu wählen sind, ist in Absicht auf die Ordnung ihrer Einberufung zum Landtage diejenige Person auf welche die meisten Stimmen gefallen sind, als erster Stellvertreter und diejenige welche weniger Stimmen erhalten hat, als zweiter oder dritter Stellvertreter zu bezeichnen. Bei Gleichheit der Stimmen entscheidet über diese Ordnung das Loos. § 25. Diejenigen zu Abgeordneten oder Stellvertretern gewählten Personen, welche etwa in der Wahlversammlung anwesend sind, hat der Wahlcommissair zur Erklärung über die Annahme der Wahl aufzufordern. Wird dieselbe abgelehnt, so ist sofort eine abermalige Wahl vorzunehmen. § 26. Sobald die Wahl geschehen ist, sind die Stimmzettel zu vernichten und ist

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dann die Wahlhandlung mit der Unterzeichnung des Wahlprotocolls durch den Wahlcommissair, den Beistand und zwei andere Mitglieder der Versammlung zu schließen. § 27. Ob den Wahlmännern – abgesehen von dem Falle des §. 16. – Tagegelder und Reisekosten zu bestehen sind, und zu welchem Betrage, bleibt, unter Vorbehalt Landesherrlicher Genehmigung, von der Beschlußnahme des ersten Landtags abhängig.

III Von der vorläufigen Prüfung der Legitimation der Abgeordneten und Stellvertreter § 28. Nach beendigter Wahlhandlung hat der Wahlcommissair die Wahlacten an die Regierung einzusenden, die gewählten Personen, in so fern dieselben nicht etwa in der Wahlversammlung anwesend gewesen sind, von der auf sie gefallenen Wahl zu benachrichtigen, und dem Amte, beziehungsweise Magistrate, in dessen Bezirke die Gewählten ihren Wohnsitz haben, von dem Ergebnisse der Wahl Mittheilung zu machen. Das Amt, beziehungsweise der Magistrat, hat unverweilt über diejenigen Umstände deren Kenntniß zur Beurtheilung der gesetzlichen Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Wahl erforderlich ist, an die Regierung zu berichten, soweit thunlich unter näherer Nachweisung derselben. § 29. Wer außer dem Falle des §. 25. die Wahl ablehnen will, hat davon unverweilt der Regierung der Provinz Meldung zu thun. § 30. Die Regierung der Provinz hat die Legitimation der zu Abgeordneten und Stellvertretern gewählten Personen zu prüfen, und diejenigen von ihr als legitimirt erkannten, welche nicht erst nach Art. 15. des Grundgesetzes zum Eintritt in den Landtag der Genehmigung des Großherzog bedürfen, davon, unter Zustellung einer Legitimations-Urkunde, in Kenntniß zu setzen.

V ERFASSUNGSENTWURF VON O LDENBURG (1848) § 31. Wenn unter den Gewählten sich Personen befinden, welche nach Art. 45. des Grundgesetzes zum Eintritt in den Landtag der Landesherrlichen Genehmigung bedürfen, so hat die Regierung der Provinz, nach genügend befundener Legitimation derselben, davon dem Großherzoge Anzeige zu machen, und, nachdem die Genehmigung erfolgt ist, nach Vorschrift des §. 30. zu verfahren. Wenn der Großherzog die Genehmigung dem Abgeordneten und seinem Stellvertreter versagt, so wird, wenn in Folge dessen ein Wahlbezirk keinen Stellvertreter mehr hat, eine abermalige Wahl ausgeschrieben werden. § 32. Wenn die Regierung Bedenken findet, die Wahl eines Abgeordneten oder Stellvertreters für zulässig zu erklären, so hat sie an den Großherzog zu berichten, und ist dann mit weiterer Prüfung der Legitimationen und der desfallsigen Entscheidung nach Vorschrift des Art. 55. des Grundgesetzes zu verfahren. § 33. Sobald die Regierung die Prüfung der Wahlen beendigt hat, hat sie davon dem Großherzoge Anzeige zu machen, und demnächst sämmtliche, die Wahl der Abgeordneten und ihrer Stellvertreter betreffende, bei ihr vorhandenen Acten der im §. 4. der Geschäftsordnung gedachten Landesherrlichen Commission zuzustellen.

ANLAGE C zum Grundgesetze über die landständische Verfassung

Geschäftsordnung I Von der Behandlung der Geschäfte in den vorläufigen Versammlungen der Abgeordneten § 1. Der Großherzog wird eine Commis-

sion, die aus einem oder mehreren Commissarien bestehen kann, ernennen, welche in den vorläufigen Versammlungen der Abgeordneten (GG. Art. 55.) den Vorsitz führen und bei denselben nach den im Grundgesetze und in dieser Geschäftsordnung enthaltenen Vorschriften wirksam sein soll. § 2. Die Abgeordneten haben sich zu der im Einberufungspatente (GG. Art. 49) bestimmten Zeit an dem Orte, wo der Landtag gehalten werden soll, einzufinden, und ihre Anwesenheit der Landesherrlichen Commission (§. 6) anzuzeigen. § 3. Diejenigen Abgeordneten, welche rechtzeitig zu erscheinen verhindert sind, haben davon der Commission vor der ersten Versammlung der Abgeordneten unter Anführung und Bescheinigung der Abhaltungsgründe schriftlich Anzeige zu machen, und zugleich die von der Regierung ihnen ertheilte Legitimationsurkunde (WO. §. 30.) einzusenden. § 4. In der ersten Versammlung der Abgeordneten läßt die Landesherrliche Commission durch den behuf Wahrnehmung der Secretariatsgeschäfte ihr zugeordneten Official das ihr ertheilte Commissorium verlesen und die Namen der anwesenden Abgeordneten zu Protocoll nehmen. § 5. Die Versammlung schreitet darauf zur Prüfung der Legitimation (GG. Art. 55.) sämmtlicher Abgeordneten und hat zu dem Ende die von der Regierung der Provinz ihnen ausgestellten Legitimationsurkunden von denselben entgegen zu nehmen, und sind von der Landesherrlichen Commission die an sie etwa eingesandten Legitimationsurkunden (§. 3.) vorzulegen. Die Commission hat die Versammlung zur Erklärung aufzufordern, ob sie gegen die Legitimation Erinnerungenzu machen habe, sei es in Rücksicht auf die Gesetzmäßigkeit der Wahl oder auf die Erfordernisse der Wählbarkeit.

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O LDENBURG Werden Erinnerungen vorgebracht, so hat derjenige den sie betreffen etwaige Aufklärungen zu ertheilen, braucht aber der weiteren Verhandlung darüber nicht beizuwohnen. § 6. Die Landesherrliche Commission ist verbunden, bei diesem Geschäfte auf Verlangen aus den ihr von den Regierungen mitgetheilten Wahlacten alle erforderliche Auskunft zu geben, auch die Einsicht der Acten selbst der Versammlung zu gestatten. § 7. Die Versammlung kann die Prüfung der Legitimation und die desfallsige Beschlußfassung durch einen Ausschuß vorbereiten lassen. § 8. Ueber die Legitimation eines Abgeordneten entscheidet Uebereinstimmung der Regierung der Provinz (GG. Art. 47. W. O. §. 30–32.) und der Mehrheit der anwesenden Abgeordneten. Wer danach für nicht legitimirt erklärt wird, kann nicht in den Landtag eintreten. Stimmt wenigstens die Hälfte der anwesenden Abgeordneten mit der Regierung nicht überein, so soll eine nochmalige Erörterung auf dem Landtage gleich nach dessen Eröffnung auf desfallsigen Vortrag der Landesherrlichen Commissarien (GG. Art. 58.) statt haben. § 9. Diejenigen Abgeordneten, gegen deren von der Regierung anerkannte Legitimation in den vorläufigen Versammlungen ein Bedenken nicht erhoben, oder ein etwa erhobenes Bedenken beseitigt ist, sind von der Landesherrlichen Commission für legitimirt zu erklären. § 10. Die Versammlung hat darüber zu entscheiden, ob die zeitliche Abwesenheit (§. 3.) eines für legitimirt erklärten Abgeordneten genügend gerechtfertigt erscheint,

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und hat im Verneinungsfalle die Landesherrliche Commission der Regierung der Provinz davon Anzeige zu machen, welche den Abwesenden zum Eintritt in den Landtag innerhalb acht Tagen aufzufordern und davon daß solches geschehen, die Commission in Kenntniß zu setzen hat. Wenn der Abgeordnete mit Ablauf jener Zeit am Orte des Landtags sich nicht eingefunden hat, so wird derselbe angesehen als habe er die Wahl beziehungsweise Ernennung zum Abgeordneten abgelehnt und die Regierung hat auf desfalls ihr gewordene Anzeige den Stellvertreter einzuberufen. § 11. Nach beendigter Prüfung des Legitimationspuncts wird von den Abgeordneten der im Art. 56. des Grundgesetzes vorgeschriebene Eid geleistet. Die durch das Gesetz berufenen Ständemitglieder leisten diesen Eid nur bei ihrem ersten Eintritt in die Ständeversammlung. Sonstige Geschäfte finden vor der Eröffnung des Landtags nicht statt. § 12. Das in den vorläufigen Versammlungen der Abgeordneten zu führende Protocoll ist von der Landesherrlichen Commission und von drei Ständemitgliedern zu unterzeichnen.

II Von der Behandlung der Geschäfte auf dem Landtage § 13. An dem vom Großherzoge festgesetzten Tage wird der Landtag auf die von demselben bestimmte Weise feierlich eröffnet. § 14. Die dem Landtage zugeordneten Landesherrlichen Commissarien werden sich durch Verlesung ihrer Landesherrlich vollzogenen Vollmacht legitimiren. § 15. Die Sitzordnung ist folgende: der Landtagsdirector, zu seiner Linken der Vice-Landtagsdirector und zur Rechten

V ERFASSUNGSENTWURF VON O LDENBURG (1848) die Landesherrlichen Commissarien nehmen ihren Platz an einem besonderen Tische; die Abgeordneten in einem Halbkreise dem Directoriatstische gegenüber, zuerst der Besitzer des Aldenburgischen Fideicommisses, darauf der Besitzer der Herrlichkeit Dinklage und dann die übrigen Abgeordneten in alphabetischer Folge ihrer Namen. Der Landtagssecretair hat seinen Platz in der Nähe des Landtagsdirectors an einem besonderen Tische. § 16. Der Landtag hat dann zunächst die ihm anheim gestellte Entscheidung über die Legitimation einzelner Abgeordneten (§. 8.) abzugeben, vorbehältlich jedoch der Schlußbestimmung des Art. 55. des Grundgesetzes. Die etwa abwesenden, vom Landtage für legitimirt erklärten Abgeordneten sind durch Vermittelung der Landesherrlichen Commissarien sofort von der Regierung der Provinz einzuberufen, demnächst in die Ständeversammlung einzuführen und zu beeidigen. Von einem Beschlusse, wodurch ein Abgeordneter für nicht legitimirt erklärt wird, ist der Regierung der Provinz behuf Einberufung des Stellvertreters Anzeige zu machen. § 17. Der Landtag hat sodann die Candidaten zu den Stellen des Landtagsdirectors und des Vice-Landtagsdirectors durch geheime Stimmgebung zu erwählen. Jede der vorzuschlagenden sechs Personen muß die absolute Stimmenmehrheit der anwesenden Abgeordneten erhalten haben. § 18. Nachdem der Großherzog den Landtagsdirector und den Vice-Landtagsdirector ernannt hat, ist mit der Wahl des Landtagssecretairs in Gemäßheit des Art. 61. des Grundgesetzes zu verfahren. Wenn es vom Landtage erforderlich gefunden wird, kann auch ein zweiter Landtagssecretair gewählt werden, und zwar in

gleicher Weise wie der erste. Die Vertheilung der Geschäfte zwischen beiden Landtagssecretairs hängt vom Landtagsdirector ab. Das zur Expedition und Aufwartung nöthige Personal hat der Landtagsdirector anzunehmen. Die dem Secretair, dem Expedienten und Boten für die Dauer des Landtags zu bestehende Vergütung hat der Landtag festzusetzen. § 19. Der Landtagssecretair soll eine vom Landtagsdirector, nach vorgängiger Zustimmung der Landesherrlichen Commissarien, zu vollziehende Instruction erhalten, und vor dem versammelten Landtage auf dieselbe eidlich verpflichtet werden. § 20. Der Landtagsdirector ertheilt den übrigen Officialen der Stände Instruction nach seinem Ermessen. § 21. Der Landtagsgdirector hat die Zahl und die Zeit der ordentlichen Sitzungen der Stände, nach Rücksprache mit denselben, zu bestimmen. Der Landtagsdirector eröffnet und schließt die Sitzung, wobei er Tag und Stunde der folgenden anzeigt. Der Landtagsdirector kann außerdem auch außerordentliche Sitzungen ansagen lassen, wovon er jedesmal auch die Landesherrlichen Commissarien zeitig in Kenntniß zu setzen hat. § 22. Der Landtag darf sich mit Zustimmung der Landesherrlichen Commissarien vertagen, in der Regel jedoch nicht auf längere Zeit als drei Tage. § 23. Jeder Abgeordnete hat von etwaiger Verhinderung der Sitzung beizuwohnen dem Landtagsdirector unter Anführung des Grundes zeitig schriftlich Anzeige zu machen. Unbegründete Versäumniß der Sitzung

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O LDENBURG hat der Landtagsdirector in der Versammlung zu rügen, und nach Umständen eine Beschlußnahme des Landtags nach Maßgabe des Art. 70. des Grundgesetzes zu veranlassen. § 24. Im Fall der Landtagsdirector und der Vice-Landtagsdirector zugleich verhindert sein sollten, den Sitzungen beizuwohnen, haben die Landesherrlichen Commissarien einen Abgeordneten zur Uebernahme des Vorsitzes einzuladen. Bei Verhinderung des Landtagssecretairs bleibt es dem Landtage überlassen, mit der Wahrnehmung der Geschäfte desselben, unter Zustimmung der Landesherrlichen Commissarien, einen Abgeordneten zu beauftragen. § 25. Eine Beurlaubung eines Abgeordneten darf nur in dringenden Fällen und nur mit Rücksicht darauf geschehen, daß die zur Beschlußfassung nothwendige Anzahl von Abgeordneten am Orte des Landtags versammelt bleibt. Den Urlaub ertheilt der Landtagsdirector, jedoch auf längere Zeit als acht Tage nur mit Zustimmung des Landtags. Der Landtagsdirector und der Vice-Landtagsdirector können nur mit Genehmigung des Großherzogs durch den Landtag beurlaubt werden. § 26. Landesherrliche Mittheilungen können zu jeder Zeit dem Landtage eröffnet werden. Dieselben werden von den Landesherrlichen Commissarien in der Versammlung vorgetragen, so weit nöthig mündlich erläutert, und dem Landtagsdirector schriftlich übergeben. § 27. Berathungen und Beschlußnahmen über Landesherrliche Mittheilungen können nur statt finden, nachdem dieselben in der Tagesordnung (§. 28.) verzeichnet sind. § 28. Der Landtagsdirector hat die Tagesordnung festzustellen, welche am Schlusse

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einer jeden Sitzung für die nächste Sitzung von ihm bekannt zu machen und im Versammlungslocal anzuheften ist. Wenn Erinnerungen gegen die Tagesordnung von Seiten der Landesherrlichen Commissarien oder eines Abgeordneten erhoben werden, und ein allseitiges Einverständniß darüber nicht erreicht wird, so hat der Landtag desfalls zu entscheiden. § 29. Jeder Abgeordnete, der einen Antrag stellen will, hat in der Sitzung, unter allgemeiner Angabe seines Gegenstandes, die Erlaubniß dazu nachzusuchen, welche vom Landtagsdirector sofort zu ertheilen ist, sobald auf dessen Anfrage wenigstens zwei Abgeordnete die Antragstellung unterstützen. Der Antrag kann jedoch in seiner näheren Ausführung und Begründung erst alsdann vorgetragen werden, nachdem derselbe auf die Tagesordnung gesetzt ist. Zu dem Ende ist jeder Antrag, zu dessen Einbringung der Landtagsdirector die Erlaubniß ertheilt hat, demselben schriftlich zu übergeben. Sobald der Antrag nach Maßgabe der Tagesordnung von dem Antragsteller vorgetragen worden ist, hat der Landtagsdirector nach §. 34. zu verfahren; es sei denn, daß er denselben seinem Gegenstande nach, als außerhalb der ständischen Wirksamkeit gelegen, überall nicht zur Berathung geeignet hält, in welchem Falle der Landtag zuvörderst über die Frage der Zulässigkeit des Antrags abzustimmen hat. § 30. Jeder Antrag eines Abgeordneten muß so gefaßt sein, daß er mit Bestimmtheit ausdrückt, wie nach der Absicht des Antragstellers der Beschluß des Landtags zu fassen sein werde. § 31. Verbesserungsanträge sind von den Vorschriften des §. 29. in so weit ausgenommen, daß dieselben sofort nach Anhörung des Hauptantrags oder auch während der Berathung über letzteren vorgetragen werden können. Das weitere Verfahren

V ERFASSUNGSENTWURF VON O LDENBURG (1848) in Ansehung eines Verbesserungsantrags hängt vom Ermessen des Landtagsdirectors, falls aber Widerspruch gegen dessen Verfügung erhoben wird, von der Entscheidung des Landtags ab. § 32. Landesherrliche Propositionen und Anträge der Abgeordneten können, so lange die Aufforderung zur Abstimmung nicht erfolgt ist, jederzeit zurückgenommen werden. Mit der Zurücknahme der Propositionen und Anträge fallen auch die Verbesserungsanträge. Der zurückgenommene Antrag eines Abgeordneten, imgleichen ein damit weggefallener Verbesserungsantrag kann von einem andern Abgeordneten jederzeit wieder aufgenommen werden. Wenn die Wiederaufnahme unmittelbar nach der Zurücknahme erfolgt, so ist letztere als nicht geschehen anzusehen; bei späterer Wiederaufnahme ist nach der Vorschrift des §. 29. zu verfahren.

und Beschlußnahme in einer folgenden Sitzung nach Maßgabe der Tagesordnung. Wird dagegen die Verweisung der Sache an einen Ausschuß beschlossen, so ist derselbe vom Landtage nach relativer Stimmenmehrheit zu erwählen. Der Ausschuß kann aus drei, fünf oder sieben Mitgliedern bestehen; derselbe wählt einen Vorstand aus seiner Mitte, auf welchen im Ausschusse die Zuständigkeiten des Landtagsdirectors übergehen und bestellt eines seiner Mitglieder zum Berichterstatter, ein anderes zum Protocollführer, wenn dieser erforderlich erachtet wird. § 35. Hat der Landtag beschlossen, daß dem Antrage eines Abgeordneten keine Folge zu geben sei, so kann solcher auf demselben Landtage nicht wiederholt werden.

§ 33. Nach der Verlesung des Protocolls der vorhergegangenen Sitzung durch den Landtagssecretair kommen zunächst die Landesherrlichen Mittheilungen zum Vortrage, oder zur Berathung oder Beschlußnahme, sodann die weiteren Gegenstände der Tagesordnung. Eine Abweichung von derselben in Ansehung dieser letzteren kann allein der Landtagsdirector verfügen, jedoch wenn Einwendungen dagegen erhoben werden nur mit Zustimmung des Landtags.

§ 36. Ueber jeden Gegenstand, der auf dem Landtage zur Verhandlung kommt, kann eine vorläufige Besprechung unter den Abgeordneten statt finden. Nachdem vom Landtagsdirector die förmliche Berathung eröffnet ist, darf nur derjenige Abgeordnete sich äußern, welcher um das Wort gebeten hat und dem solches vom Landtagsdirector durch namentlichen Aufruf bewilligt ist. Diese Bewilligung ist jedem Abgeordneten zu ertheilen. Ob dem Einzelnen das Wort über denselben Gegenstand mehrmals zu bewilligen ist, hängt von dem Ermessen des Landtagsdirectors ab. Den Landesherrlichen Commissarien kann das Wort nie verweigert werden.

§ 34. Nach beendigtem Vortrage einer Landesherrlichen Mittheilung, welche eine Beschlußnahme des Landtags erfordert, so wie nach beendigter Verlesung des Antrags eines Abgeordneten, hat der Landtagsdirector die Frage zu stellen: ob die Sache an einen Ausschuß zur Begutachtung verwiesen werden solle. Im Verneinungsfalle erfolgt die Berathung

§ 37. Wenn von Seiten des Landtags oder eines Abgeordneten eine Erläuterung von den Landesherrlichen Commissarien gewünscht wird, so haben diese auf desfallsiges Ersuchen des Landtagsdirectors dem Wunsche, soweit thunlich, zu genügen. Giebt der Vortrag oder die Aeußerung eines Abgeordneten den Landesherrlichen Commissarien Veranlassung, aus eigener

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O LDENBURG Bewegung Erläuterung oder Aufklärung zu geben, so können sie zu dem Ende jederzeit das Wort verlangen. § 38. Der Landtagsdirector schließt die Berathung, wenn auf seine Anfrage niemand weitere Wortführung verlangt hat, beziehungsweise solche nicht bewilligt ist, oder der Landtag den Schluß der Berathung begehrt. § 39. Unmittelbar nach geschlossener Berathung hat der Landtagsdirector den zur Beschlußnahme stehenden Gegenstand in bestimmte Fragen zu fassen, und ist über jede einzelne derselben durch Bejahung oder Verneinung in derselben Sitzung, in welcher die Berathung geschlossen worden, von der Versammlung abzustimmen. Der Landtagsdirector kann jedoch ausnahmsweise die Fassung der Fragen oder die Abstimmung darüber bis zur nächsten Sitzung verschieben. § 40. Werden von den Landesherrlichen Commissarien oder von einem Abgeordneten gegen die Fassung oder Folge der vom Landtagsdirector gestellten Fragen Bedenken erhoben, so hat, wenn eine Verständigung nicht erfolgt, desfalls zuvörderst der Landtag zu entscheiden. § 41. Wenn über die Wortfassung eines Beschlusses eine Abstimmung erforderlich wird, so braucht solche nicht in derselben Sitzung zu geschehen, in welcher die Beschlußnahme selbst erfolgt ist. § 42. Unmittelbar vor einer förmlichen Abstimmung läßt der Landtagsdirector die Frage noch einmal durch den Landtagssecretair verkündigen. Die förmliche Abstimmung geschieht in der Regel durch Sitzenbleiben und Aufstehen. Die Sitzenbleibenden sind als Verneinende, die Aufgestandenen als Bejahende anzusehen. Der Landtagssecretair zählt

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dann laut die Sitzenden und Aufgestandenen, worauf der Landtagsdirector das Ergebniß erklärt durch ein bloßes: Ja, Nein, Stimmengleichheit. § 43. Auf den Antrag von wenigstens fünf Abgeordneten muß geheim gestimmt werden, d. h. mit weißen und schwarzen Kugeln. Die weißen Kugeln bedeuten Ja, die schwarzen Nein. Behuf der geheimen Abstimmung werden auf den Secretariatstisch zwei Urnen gestellt, eine weiße und eine schwarze, und jedem Abgeordneten wird vom Landtagssecretair eine weiße und eine schwarze Kugel behändigt. Dieser ruft dann die Abgeordneten einzeln auf in der Folge der Sitzordnung. Die Abgeordneten haben in die weiße Urne diejenige Kugel zu geben, mit welcher sie abstimmen wollen, in die schwarze Urne die andre Kugel. Nachdem alle Abgeordnete abgestimmt haben, zählt der Landtagsdirector laut die in die weiße Urne abgegebenen weißen und schwarzen Kugeln und verkündet danach das Ergebniß durch ein bloßes: Ja, Nein, Stimmengleichheit. § 44. Ein Abgeordneter darf sich der Abstimmung nicht enthalten, ausgenommen mit Bewilligung des Landtags auf den Grund eigner Betheiligung an der Sache. § 45. Ein Abgeordneter darf nicht gegen einen Beschluß des Landtags protestiren, gleichwohl, um sich gegen besorgte nachtheilige Folgen desselben zu verwahren, seine abweichende Ansicht schriftlich zu den Acten bringen oder zu Protocoll geben. § 46. Ein Landtagsausschuß (§. 34.) hat das ihm aufgetragene Geschäft stets ohne Verzug zu erledigen; es kann demselben vom Landtagsdirector ein Termin zur Berichterstattung bestimmt werden. § 47. Die Art der Behandlung des Geschäfts bleibt dem Ermessen des Ausschusses überlassen, insbesondere auch ihm an-

V ERFASSUNGSENTWURF VON O LDENBURG (1848) heim gestellt sich Mittheilungen der Landesherrlichen Commissarien oder deren persönliche Gegenwart bei seinen Berathungen durch Vermittelung des Landtagsdirectors zu erbitten. § 48. Das Gutachten des Ausschusses ist der Ansicht seiner Majorität gemäß zu verfassen; es steht jedoch jedem Mitgliede frei, die Aufnahme seiner abweichenden Meinung in den Bericht zu verlangen. § 49. In Ansehung der gutachtlichen Berichte des Ausschusses gilt dasselbe, was in den §§. 29. 30. 33. rücksichtlich der Anträge der Abgeordneten bestimmt ist. Jedes Gutachten des Ausschusses ist von dessen sämmtlichen Mitgliedern zu unterzeichnen und von dem Berichterstatter auf dem Landtage zu verlesen. Sobald es nach Lage der Sache zweckmäßig erscheint, ist mit dem Gutachten ein Entwurf des zu fassenden Beschlusses zu verbinden. Der Ausschluß hat nach Beendigung seines Geschäfts die Acten dem Landtagssecretair zu übergeben. § 50. Sofort nach beendigtem Vortrage des Berichterstatters hat der Landtag darüber Beschluß zu fassen: ob der Bericht des Ausschusses vor der Berathung darüber den einzelnen Abgeordneten, unter Beifügung etwaiger Anlagen, mitgetheilt werden solle oder nicht. Im letzteren Falle hat die Berathung wenn thunlich in der nächsten Sitzung statt. § 51. Ein von einem Ausschuß begutachteter Gegenstand kann, nach Beschluß des Landtags, ganz oder theilweise abermals an denselben oder an einen neuen Ausschuß verwiesen werden. § 52. Außer dem im §. 50. gedachten Falle hat eine förmliche Mittheilung der Vorträge und Anträge an die einzelnen Abgeordneten nicht statt.

§ 53. Außer der Verlesung der Mittheilungen der Landesherrlichen Commissarien, eines Antrags durch den Antragsteller und des gutachtlichen Berichts eines Ausschusses durch den Berichterstatter, ist die Verlesung schriftlicher Vorträge oder Aufsätze der Abgeordneten unzulässig. § 54. Alle Vorträge und Aeußerungen der Abgeordneten werden vom Platze aus gehalten und an den Landtagsdirector gerichtet. § 55. So wie es einerseits Pflicht eines jeden Abgeordneten ist, in seinen schriftlichen und mündlichen Vorträgen und Aeußerungen seine Meinung frei und rückhaltlos nach seiner gewissenhaften Ueberzeugung auszusprechen, so ist es andrerseits nicht minder Pflicht, dabei stets den gehörigen Anstand, eine leidenschaftlose Sprache, und die Vorschriften des Grundgesetzes und dieser Geschäftsordnung zu beobachten. Jede Abschweifung auf Gegenstände, welche dem vorliegenden Antrage oder der vorliegenden Berathung fremd sind, ist sorgfältig zu vermeiden. Diese Vorschriften finden ebenfalls in den Ausschüssen Anwendung. § 56. Die Landesherrlichen Commissarien so wenig als die Abgeordneten dürfen in ihren Vorträgen, oder nachdem ihnen das Wort bewilligt ist, unterbrochen werden, so weit nicht im §. 37. und in den nachfolgenden §§. ein anderes bestimmt ist. § 57. Einen Abgeordneten, welcher in der Sitzung gegen die Bestimmungen des §. 55. gefehlt hat, hat der Landtagsdirector, je nach Verschiedenheit der Umstände, entweder an die Beobachtung des Grundgesetzes und der Geschäftsordnung zu erinnern, oder förmlich zur Ordnung zu rufen, oder auch die Mißbilligung durch den Landtag bei diesem zu beantragen. Nach dreimaligem Rufe zur Ordnung hat

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O LDENBURG der Landtagsdirector dem Abgeordneten für die Sitzung das Wort zu nehmen. § 58. Halten die Landesherrlichen Commissarien oder ein Abgeordneter dafür, daß der Landtagsdirector im einzelnen Falle an der Erfüllung der im §. 57. ihm auferlegten Pflicht es ermangeln lasse, so haben sie denselben aufmerksam darauf zu machen. § 59. Ob ein Abgeordneter wegen seiner Aeußerungen auf dem Landtage, sei es im versammelten Landtage oder in einem Ausschusse desselben, auf den Grund des Art. 73. des Grundgesetzes zu gerichtlicher Untersuchung zu denunciiren sei, unterliegt der Beschlußnahme des Landtags. Den Landesherrlichen Commissarien sowohl als jedem Abgeordneten steht die Befugniß zu, auf einen desfallsigen Beschluß anzutragen. § 60. Wenn die Landesherrlichen Commissarien oder ein Ständemitglied dafür halten, daß ein Abgeordneter Angelegenheiten zur Sprache bringt, welche ihrem Gegenstande nach nicht innerhalb des Wirkungskreises der Stände liegen; so hat auf desfallsiges Verlangen der Landtagsdirector dem weiteren Vortrage sofort Einhalt zu thun. Erklärt alsdann der betheiligte Abgeordnete die Aeußerung für nicht geschehen, so hat es dabei sein Bewenden, im entgegengesetzten Falle hat der Landtag über die Frage, ob die behauptete Ueberschreitung vorliege oder nicht, einen Beschluß zu fassen. § 61. Wenn in den Fällen der §§. 59. und 60. der Beschluß des Landtags mit der Ansicht der Landesherrlichen Commissarien nicht übereinstimmt, so hat jener die Sache dem Großherzoge vorzutragen, bei dessen Entscheidung es in den Fällen des §. 59. sein Bewenden hat. Ist dagegen in dem Falle des §. 60. die Landesherrliche Erklärung nicht in Uebereinstimmung mit dem Beschlusse des Landtags erfolgt, so kann

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dieser dagegen die schiedsrichterliche Entscheidung (GG. Art. 84.) anrufen, bis wohin die Sache auf dem Landtage nicht zu weiterer Erörterung kommen darf. § 62. So lange die Ausschließung eines Abgeordneten noch in Frage steht, ist derselbe von der Theilnahme an den Sitzungen und Verhandlungen des Landtags nicht ausgeschlossen. Der Berathung und Beschlußnahme über seine Ausschließung darf derselbe nicht beiwohnen. § 63. Sobald der Landtagsdirector es für Aufrechthaltung der Ordnungsmäßigkeit der Verhandlung auf dem Landtage erforderlich hält, hat er dieselbe durch ein Zeichen mit der Glocke zu unterbrechen, oder nach Umständen die Sitzung zu schließen. Jede Aeußerung eines Abgeordneten vor der Wiedereröffnung der Verhandlung durch den Landtagsdirector ist untersagt. § 64. Ueber alle Verhandlungen einer jeden Sitzung hat der Landtagssecretair ein Protocoll zu führen, welches insbesondere den wesentlichen Inhalt der Vorträge und Berathungen und das Ergebniß der Abstimmungen enthalten muß. Alle schriftlichen Mittheilungen der Landesherrlichen Commissarien und alle Anträge der Abgeordneten, in so weit nicht etwa zufolge §. 31. die schriftliche Einreichung eines Verbesserungsantrags unterblieben ist, imgleichen die Berichte der Ausschüsse sind dem Protocoll als Anlagen beizufügen. Der Landtag hat zwei Abgeordnete damit zu beauftragen, dem Secretair, so oft dieser es wünscht, bei der Abfassung des Protocolls behülflich zu sein. Erinnerungen gegen die Richtigkeit des Protocolls dürfen nur unmittelbar nach Verlesung desselben vorgebracht und müssen sofort erledigt werden. Das Protocoll ist von dem Landtagsdirector, den vorgedachten beiden Abgeordne-

V ERFASSUNGSENTWURF VON O LDENBURG (1848) ten, wenn sie bei der Aufnahme desselben mitgewirkt haben, und dem Secretair zu unterzeichnen. Jedem Protocoll ist ein Inhaltsverzeichniß anzuhängen. § 65. Den Druck der Landtagsprotocolle hat der Landtagssecretair zu besorgen. Eine in der Sitzung etwa vorgekommene Uebertretung der Vorschrift des Art. 73. des Grundgesetzes darf durch den Druck des Protocolls nur in so weit veröffentlich werden, daß des Vorgangs und seiner Folgen in allgemeinen Ausdrücken Erwähnung geschieht. Der Bestimmung des Landtags bleibt es überlassen, ob auch die Anlagen eines Protocolls (§. 64.) dem Druck übergeben werden sollen. Ausgenommen von der Veröffentlichung durch den Druck sind die von den Landesherrlichen Commissarien oder einem Abgeordneten als vertraulich bezeichneten Mittheilungen und die darauf sich beziehenden Erwiederungen der Stände. § 66. Die bei der Oeffentlichkeit der Sitzungen, wenn solche der erste Landtag beschlossen hat, erforderlichen desfallsigen näheren Bestimmungen bleiben vorbehalten. § 67. Wenn ein Abgeordneter die Geheimhaltung eines Protocolls und dessen Anlagen, ganz oder zum Theil, beantragen will, so muß solches unmittelbar nach Unterzeichnung des Protocolls und bevor wegen des Drucks etwaiger Anlagen vom Landtage Beschluß gefaßt ist, erklärt werden. Wegen der beschlossenen Geheimhaltung ist das Erforderliche in einem gleichfalls geheim zu haltenden besondern Protocolle zu bemerken. § 68. Die Entwerfung aller Ausfertigungen des Landtags liegt der Regel nach dem Landtagssecretair ob. Vorträge an den Großherzog über Gegenstände, welche

durch einen Ausschuß begutachtet sind, hat in der Regel der Berichterstatter des Ausschusses zu entwerfen. § 69. Der Landtag hat einen Ausschuß zu erwählen, welchem der Landtagsdirector nach seinem Ermessen die Entwürfe der Ausfertigungen behuf Prüfung und Berichtigung der Redaction überweisen kann, zu welchem Ende dieselben zuvörderst dem Landtagsdirector vorzulegen sind. § 70. Jeder schlüssig verfaßte Entwurf ist durch den Landtagssecretair in der Sitzung zu verlesen. Ist die Abfassung des Entwurfs dem Beschlusse des Landtags gemäß befunden, so wird derselbe durch den Landtagsdirector, und wenn die vorliegende Sache durch einen Ausschuß begutachtet worden ist, auch durch den Berichterstatter des Ausschusses signirt. Die Ausfertigung wird vom Landtagsdirector unterzeichnet und vom Landtagssecretair paraphirt, wodurch jener für die Uebereinstimmung derselben mit dem Beschlusse des Landtags, dieser für die Uebereinstimmung derselben mit der Minüte verantwortlich wird. § 71. Die an den Großherzog gerichteten Erklärungen und Anträge des Landtags sind in der Ausfertigung „Unterthänigste Erklärung – Eingabe –“ zu überschreiben, und zu unterzeichnen: „Die Landstände des Großherzogthums Oldenburg“, in dem Falle des Art. 66. des Grundgesetzes aber: „Die zu den Landständen des Großherzogthums aus dem Herzogthum Oldenburg – Fürstenthum Lübeck – Fürstenthum Birkenfeld – Abgeordneten.“ § 72. Zur Abordnung einer ständischen Deputation an den Großherzog ist dessen vorgängige Genehmigung erforderlich. § 73. Der Landtagssecretair hat Journale zu führen, in der vom Landtagsdirector vorzuschreibenden Form:

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O LDENBURG 1. über die auf die Tagesordnung zu bringenden Gegenstände (§. 28.); 2. über die dem Landtagsdirector zugestellten, von ihm mit dem Präsentatum zu bezeichnenden Eingaben, insbesondere auch über die nach §. 26. erfolgenden Eingänge; 3. über die Bestellung der Ausschüsse (§. 34.); 4. über die vom Landtage ausgegangenen Ausfertigungen (§. 70) und 5. über die Urlaubsbewilligungen (§. 25.), wobei insbesondere die Ursache und die Dauer des Urlaubs anzugeben sind. § 74. Sobald der Landtag vertagt, geschlossen oder aufgelöset ist, haben die Stände sofort sich zu trennen, widrigenfalls dieselben nach Art. 50. des Grundgesetzes einer Verletzung desselben sich schuldig machen. § 75. Wenn der Landtag auf bestimmte Zeit vertagt ist, wobei stets der Tag der Wiedereröffnung anberaumt werden soll, so haben dazu die sämmtlichen Abgeordneten ohne Weiteres sich einzufinden; ist der Landtag auf unbestimmte Zeit vertagt, so werden die Abgeordneten durch besondere in den amtlichen öffentlichen Blättern zu publicirende Patente einberufen. § 76. Das Protocoll über die Verkündigung einer vom Großherzoge verfügten Vertagung, imgleichen der Schließung oder Auflösung des Landtags, haben auch die Landesherrlichen Commissarien zu unterzeichnen. § 77. Die ständische Registratur wird bei Vertagung oder Beendigung des Landtags,

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insofern erstere nicht durch diesen selbst beschlossen ist, von dem Landesherrlichen Commissar, dem Landtagsdirector und dem Landtagssecretair, nach vorgängiger Feststellung des richtigen Bestandes der Acten, unter Siegel gelegt und in die Registratur des Oberappellationsgerichts zur Aufbewahrung abgegeben. § 78. Der Landtagsdirector und der Landtagssecretair führen das ständische Siegel, welches die Aufschrift hat: „Landstände des Großherzogthums Oldenburg.“ § 79. An Reisekosen sollen den durch Landesherrliche Ernennung und durch Wahl berufenen Abgeordneten die nothwendigen und wirklich gemachten Auslagen und – in so fern sie nicht an dem Orte oder in der Nähe des Orts wo der Landtag statt findet, wohnen – an Tagegeldern täglich 2 ½ Thlr. ausgezahlt werden. § 80. Die sämmtlichen Kosten, welche der Landtag verursacht, sind aus den Landescassen an die Betheiligten auszuzahlen.

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Ediert nach Entwurf des Grundgesetzes über die landständische Verfassung für das Großherzogthum Oldenburg, Oldenburg ca. 1848. Hierbei handelt es sich um einen undatierten Entwurf des beratenden Ausschusses. Mit dem Patent vom 10. März 1848 ordnete der Großherzog die Wahl eines beratenden Ausschusses an, der einen Verfassungsentwurf ausarbeiten sollte und am 17. Mai 1848 zusammentrat. Für weiterführende Hinweise siehe L.W. Fischer und C.F. Bucholtz, Erläuterungen zum Entwurf eines Staatsgrundgesetzes für das Großherzogthum Oldenburg, Oldenburg 1848.

Staatsgrundgesetz von Oldenburg (1849) Staatsgrundgesetz für das Großherzogthum Oldenburg1

I. ABSCHNITT Von dem Großherzogthum und dessen Regierung im Allgemeinen A RT. 1. Das Großherzogthum Oldenburg besteht: 1) aus dem Herzogthum Oldenburg, von dem die Herrschaft Jever einen integrirenden Theil bildet, 2) aus dem Fürstenthum Lübek, 3) aus dem Fürstenthum Birkenfeld. Es ist ein unter einer Verfassung vereinigter untheilbarer Staat, dessen Verhältnisse nach den Bestimmungen des gegenwärtigen Staatsgrundgesetzes sich regeln und dessen Selbstständigkeit nur durch die allgemeine Verfassung Deutschlands beschränkt ist.

Im letzteren Falle genügt jedoch die Zustimmung des Provinziallandtages. A RT. 4. Als Oberhaupt des Staats übt der Großherzog die Rechte der Staatsgewalt verfassungsmäßig aus. Seine Person ist heilig und unverletzlich. Derselbe wird in seinen privatrechtlichen Beziehungen vor den Landesgerichten Recht geben und nehmen. A RT. 5. Der Sitz der Staatsregierung bleibt innerhalb des Staatsgebiets. Der Großherzog kann seinen wesentlichen Aufenthalt nicht außerhalb Landes nehmen.

A RT. 2. Dem Großherzoge steht nach Maßgabe des vom deutschen Bunde gewährleisteten Abkommens vom 8. Juni 1825 die Hoheit über die Herrschaft Kniphausen, den Besitzer der Herrschaft und dessen Familie zu.

A RT. 6. Der Großherzog kann nicht zugleich Oberhaupt eines außerdeutschen Staates sein, noch in Dienstespflichten irgend eines anderen Staates stehen. Die Regierung des Großherzogthums kann ohne Zustimmung des allgemeinen Landtages nicht mit der Regierung eines anderen deutschen Staates in einer Person vereinigt werden.

A RT. 3. Kein Bestandtheil des Großherzogthums und kein Recht des Staats oder des Staatsoberhauptes kann ohne Zustimmung des allgemeinen Landtags veräußert werden. Auch Grenzberichtigungen bedürfen der Zustimmung des Landtages, wenn dabei Staatsangehörige aus dem Staatsverbande treten, oder Krongut oder Staatsgut aufgegeben, oder Gemeinde- oder Privatgrundstücke wider den Willen der Besitzer abgetreten werden sollen.

A RT. 7. Ist der Großherzog an der Ausübung der Regierung verhindert, so führt während dieser Verhinderung der von ihm zu ernennende Stellvertreter die Regierung nach den Bestimmungen des Staatsgrundgesetzes und den damit übereinstimmenden Vorschriften, die der Großherzog ihm aus eigener freier Entschließung ertheilen mögte. Es können jedoch dem Stellvertreter keine ausgedehntere Rechte übertragen werden, als nach den Bestimmungen dieses

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O LDENBURG Staatsgrundgesetzes einem Regenten zustehen (Art. 17.). Auch der Stellvertreter darf seinen wesentlichen Aufenthalt nicht außerhalb Landes nehmen. A RT. 8. Die Landesregierung ist erblich im Mannesstamme des Herzogs Peter Friedrich Ludwig nach dem Rechte der Erstgeburt und der Linealfolge. Die weibliche Erbfolge bleibt auch nach Abgang des Mannsstammes ausgeschlossen. A RT. 9. Würden dereinst Besorgnisse wegen der Regierungserledigung bei der Ermangelung eines grundgesetzlich zur Nachfolge berechtigten Prinzen entstehen, so soll zeitig vom Großherzog und dem allgemeinen Landtage durch eine weitere grundgesetzliche Bestimmung für die Regierungsnachfolge Vorsorge getroffen werden. Sollte diese Vorsorge nicht getroffen sein, so soll im Falle der Regierungserledigung der dazu neu gewählte allgemeine Landtag die Regierungsnachfolge bestimmen, und zwar mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der wenigstens zu drei Vierteln anwesenden Abgeordneten. Während dieser Erledigung führt das Staatsministerium die Regierung. A RT. 10. Der Großherzog ist volljährig, sobald er sein achtzehntes Jahr vollendet hat.

Anfalls der Regierung an deren eigener Uebernahme durch Minderjährigkeit oder sonst verhindert sein würde. A RT. 13. In Ermangelung solcher Anordnung oder falls der Großherzog selbst an der Ausübung der Regierung verhindert sein sollte, gebührt die Regentschaft dem in der Erbfolge zunächst stehenden volljährigen und regierungsfähigen Prinzen. A RT. 14. Im Fall der Minderjährigkeit des Großherzogs tritt die gesetzliche Regentschaft (Art. 13.) von selbst ein; in den anderen Fällen der Art. 11. und 13. aber hat das Staatsministerium, nach eigenem Beschlusse oder auf Antrag des versammelten allgemeinen Landtages oder des ständigen Landtags-Ausschusses, eine Zusammenkunft der volljährigen Prinzen des Großherzoglichen Hauses, mit Ausschluß des zunächst zur Regentschaft berufenen, zu veranlassen. Wenn wenigstens drei der berufenen Prinzen erschienen sind, so wird dieser Familienrath über das Erforderniß einer Regentschaft nach vorgängiger Begutachtung des Staatsministeriums durch absolute Stimmenmehrheit beschließen. Dem versammelten oder außerordentlich zu berufenden Landtage ist dieser Beschluß sofort zur Genehmigung vorzulegen.

A RT. 11. Eine Regentschaft tritt ein, wenn der Großherzog minderjährig oder sonst an der eigenen Ausübung der Regierung dauernd verhindert ist. Bis zum wirklichen Antritt der Regentschaft führt das Staatsministerium die Regierung.

A RT. 15. Ist ein solcher Beschluß in Ermangelung der im vorhergehenden Artikel gedachten drei volljährigen Prinzen nicht zu erreichen, oder erfolgt er nicht binnen drei Monaten nach desfälliger Einladung, so hat das Staatsministerium selbst über das Erforderniß einer Regentschaft einen Beschluß zu fassen und zur Genehmigung an den allgemeinen Landtag zu bringen.

A RT. 12. Der Großherzog ist befugt, mit Zustimmung des allgemeinen Landtags, im Voraus für den Fall eine Regentschaft anzuordnen, daß sein Nachfolger zur Zeit des

A RT. 16. Fehlt es an einer zur Regentschaft berechtigten Person (Art. 13.), so hat der Landtag auf den Vorschlag des Staatsministeriums den Regenten zu erwählen.

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S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) Bei der Wahl zum Regenten sind die Gemahlin des Großherzogs, dessen leibliche Mutter und Großmutter von väterlicher Seite, falls und auf so lange die letzteren nicht wieder vermählt sind, vorzugsweise zu berücksichtigen. A RT. 17. Der Regent übt die Staatsgewalt, wie sie dem Großherzog selbst zusteht, in dessen Namen verfassungsmäßig aus. Eine Veränderung der Verfassung darf jedoch von ihm nur beantragt werden, wenn er dazu vorher die Zustimmung des Familienraths (Art. 14.) erlangt hat. Die Bestimmungen der Art. 5. und 6. leiden auch auf den Regenten Anwendung. A RT. 18. Die wegen Minderjährigkeit des Großherzogs eingetretene Regentschaft hört auf, sobald derselbe die Volljährigkeit erreicht hat. In den anderen Fällen der Regentschaft ist auf dem in den Art. 14. und 15. vorgesehenen Wege über deren Beendigung zu bestimmen. A RT. 19. Der Regent, mit Ausnahme der Mutter und Großmutter, kann die Vormundschaft über den minderjährigen Großherzog nicht führen. A RT. 20. Die Erziehung des minderjährigen Großherzogs gebührt, wenn darüber vom letztregierenden Großherzoge keine Anordnungen getroffen worden, zunächst der leiblichen Mutter und nach dieser der Großmutter von väterlicher Seite, falls und so lange sie nicht anderweit vermählt sind. In Ermangelung derselben ist die mit der Leitung der Erziehung beauftragende Person auf dem in den Art. 14. und 15. vorgesehenen Wege zu ernennen. In allen Fällen bedarf es bei Annahme der übrigen zur Erziehung und zum Unterricht erforderlichen Personen der Zustimmung des Staatsministeriums. Sollte dieses sich mit der die Erziehung leitenden Person nicht einigen können, so hat der Regent oder, wo die Mutter oder Großmutter selbst

Regentin wäre, der Landtag die Vermittelung zu übernehmen und nöthigenfalls für eine der beiden Ansichten zu entscheiden. A RT. 21. Im Uebrigen werden die Verhältnisse des Großherzoglichen Hauses vom Großherzog hausgesetzlich bestimmt. Das Hausgesetz ist dem Landtage zur Kenntnißnahme und soweit nöthig zur Zustimmung vorzulegen.

II. ABSCHNITT Von der ausübenden Gewalt des Großherzogs und dem Staatsministerium A RT. 22. Dem Großherzoge steht die ausübende Gewalt allein zu; die gesetzgebende in Gemeinschaft mit dem Landtage, nach Maßgabe der im Abschnitt IX. enthaltenen näheren Bestimmungen. Er befiehlt die Verkündigung der Gesetze, ohne jemals dieselbe aussetzen zu können, und erläßt die zu ihrer Vollziehung nöthigen Verordnungen. A RT. 23. Der Großherzog ist für die Ausübung der Regierungsgewalt unverantwortlich. Alle seine Regierungserlasse bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung eines Mitgliedes des Staatsministeriums, wodurch dieses Mitglied die persönliche Verantwortlichkeit übernimmt. A RT. 24. Das Staatsministerium nimmt unter dem Großherzoge die oberste Leitung der Regierung wahr. Der Großherzog ernennt und entläßt die Mitglieder des Staatsministeriums lediglich nach eigener Entschließung, wobei es der im Art. 23. gedachten Gegenzeichnung nicht bedarf. A RT. 25. Der Erbgroßherzog nimmt nach vollendetem achtzehnten Jahre an den Berathungen des Staatsministeriums Theil,

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O LDENBURG nicht aber an der Gegenzeichnung und Verantwortlichkeit der Mitglieder desselben. A RT. 26. Die Mitglieder des Staatsministeriums sind für alle Handlungen und Unterlassungen in Staatsangelegenheiten verantwortlich und darüber auch dem Landtage Auskunft und Rechenschaft schuldig. A RT. 27. Der Großherzog vertritt das Großherzogthum nach Außen. Er schließt Verträge mit anderen Staaten; diese bedürfen jedoch der Zustimmung oder Bestätigung des allgemeinen Landtages. A RT. 28. Der Großherzog leitet und überwacht die gesammte innere Landesverwaltung. A RT. 29. Das gesammte Militär steht unter des Großherzogs Oberbefehl. A RT. 30. Dem Großherzoge steht die Belohnung ausgezeichneter Verdienste zu. A RT. 31. Der Großherzog übt das Recht der Begnadigung; in Fällen jedoch, welche auf einer von dem Landtage erhobenen Anklage wegen Verletzung der Verfassung oder der Gesetze beruhen, nur mit Zustimmung des Landtages.

III. ABSCHNITT Von den Grundrechten des Volks A RT. 32. Das Recht eines Oldenburgischen Staatsbürgers (Staatsangehörigkeit) und das damit verbundene Ortsbürgerrecht (Gemeindeangehörigkeit) wird erworben und verloren nach den näheren Bestimmungen der deutschen Reichsgesetze und der Landesgesetze. A RT. 33. Vor dem Gesetze sind Alle gleich. Vor dem Gesetze gilt kein Unterschied der Stände. Der Adel als Stand ist aufgehoben.

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Alle Standesvorrechte sind abgeschafft. Alle Titel, in soweit sie nicht mit einem Amte verbunden sind, sind aufgehoben, und dürfen nie wieder eingeführt werden. Kein Staatsangehöriger darf von einem außerdeutschen Staate einen Orden annehmen. Die öffentlichen Aemter sind für alle Befähigte gleich zugänglich. Die für die verschiedenen Stände bestehenden privatrechtlichen Bestimmungen über die Güterverhältnisse der Eheleute bleiben bis zur demnächstigen gesetzlichen Regelung in Kraft. A RT. 34. Durch das religiöse Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen so wie der staats- und gemeinde-bürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. In den staats- und gemeinde-bürgerlichen Pflichten begründet dasselbe keinen Unterschied und darf es solchen Pflichten keinen Abbruch thun. A RT. 35. Die Wehrpflicht ist für Alle gleich; Stellvertretung bei derselben findet nicht Statt. Die Gesetzgebung wird die Wehrpflicht auf Grund der vorstehenden Bestimmungen regeln. Bis dahin bleiben die bisherigen Gesetze in Kraft. A RT. 36. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Niemand kann anders, als nach dem Gesetze verurtheilt, keiner ohne Urtheil bestraft werden. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Ausnahmegerichte sollen nie Statt finden. Die Verordnungen über die Zwangsarbeitsanstalten für das Herzogthum Oldenburg vom 29. Mai 1821 und für das Fürstenthum Birkenfeld vom 30. Mai 1844 bleiben bis weiter in Kraft; doch sollen einem der nächsten ordentlichen Landtage Entwürfe zu neuen Gesetzen darüber vorgelegt werden.

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) A RT. 37. Gerichtliche Verfolgungen können nur Statt finden in den gesetzlichen Fällen und Formen. Die Verhaftung einer Person soll, außer im Falle der Ergreifung auf frischer That, nur geschehen in Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls. Dieser Befehl muß im Augenblicke der Verhaftung oder innerhalb der nächsten vier und zwanzig Stunden dem Verhafteten zugestellt werden; auch ist der Verhaftete innerhalb sechs und dreißig Stunden von einem Gerichtsbeamten zu verhören. Die Polizeibehörde muß Jeden, den sie in Verwahrung genommen hat, im Laufe des folgenden Tages entweder frei lassen oder der richterlichen Behörde übergeben. Geschah die Verhaftung nicht von der zum weitern Verfahren zuständigen Gerichtsbehörde, so ist der Verhaftete ohne Verzug an diese abzuliefern. Eine polizeigerichtliche Verhaftung bedarf, wenn sie länger als acht und vierzig Stunden dauern soll, der Genehmigung des vorgesetzten Gerichts. Jeder Angeschuldigte soll gegen Stellung einer vom Gerichte zu bestimmenden Caution oder Bürgschaft der Haft entlassen werden, sofern nicht dringende Anzeichen eines schweren peinlichen Verbrechens gegen denselben vorliegen. Im Falle einer widerrechtlich verfügten oder verlängerten Gefangenschaft ist der Schuldige und nöthigenfalls der Staat dem Verletzten zu Genugthuung und Entschädigung verpflichtet. Die Verwahrungsorte oder Gefängnisse dürfen die Freiheit nicht mehr beschränken, und es darf dem Verhafteten kein größeres Uebel zugefügt werden, als die gesetzlichen Zwecke der Haft und der Strafe unumgänglich nothwendig machen. Die für das Heer- und Seewesen erforderlichen Modificationen dieser Bestimmungen werden besondern Gesetzen vorbehalten. Bis zu deren Erlassung bleiben die be-

stehenden betreffenden Gesetze in Kraft. A RT. 38. Die Wohnung ist unverletzlich. Eine Haussuchung ist nur zulässig: 1. in Kraft eines richterlichen mit Gründen versehenen Befehls, welcher sofort oder innerhalb der nächsten vier und zwanzig Stunden den Betheiligten zugestellt werden soll; 2. im Falle der Verfolgung auf frischer That durch den gesetzlich berechtigten Beamten; 3. in den Fällen und Formen, in welchen das Gesetz ausnahmsweise bestimmten Beamten auch ohne richterlichen Befehl allgemeine Haussuchungen gestattet. Die deshalb bestehenden Gesetze sollen einer Revision unterworfen werden. Bei politischen Untersuchungen finden allgemeine Haussuchungen nicht Statt. Die Haussuchung muß, wenn thunlich, mit Zuziehung von Hausgenossen erfolgen. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist kein Hinderniß der Verhaftung eines gerichtlich Verfolgten. A RT. 39. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf, außer bei einer Verhaftung oder Haussuchung, nur in Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls vorgenommen werden, welcher sofort oder innerhalb der nächsten vier und zwanzig Stunden dem Betheiligten zugestellt werden soll. Bei allgemeinen Haussuchungen soll bis zur Erlassung des im Art. 38. unter 3. erwähnten Gesetzes eine Beschlagnahme von Briefen und Papieren nur in Kraft eines richterlichen Befehls und unter Beobachtung der für denselben geltenden Vorschriften Statt finden. A RT. 40. Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen.

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O LDENBURG A RT. 41. Die Todesstrafe, ausgenommen wo das Kriegsrecht sie vorschreibt oder das Seerecht im Falle von Meutereien sie zuläßt, die Strafen der körperlichen Züchtigung, des Lattengefängnisses, der Abbitte und des Widerrufs, der Zwang zur Ehrenerklärung, so wie die öffentliche Ausstellung sind abgeschafft. An die Stelle der aufgehobenen Todesstrafe tritt bis zur Erlassung anderer strafgesetzlichen Bestimmungen die gesetzlich nächst mildere Strafe. Der bürgerliche Tod soll als Strafe oder Folge einer Strafe nicht Statt finden. Wo derselbe bereits ausgesprochen ist, sollen die Wirkungen aufhören, in so weit erworbene Privatrechte dadurch nicht verletzt werden. A RT. 42. Die Einziehung des gesammten Vermögens oder eines Verhältnißtheiles desselben bleibt unstatthaft. A RT. 43. Jeder hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise durch vorbeugende Maßregeln, namentlich Censur, Concessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen, Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postverbote oder andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden. A RT. 44. Jeder hat für sich und im Vereine mit Mehreren das Recht zu Anträgen, Vorstellungen und Beschwerden, sowohl bei den zuständigen Behörden als bei dem Landtage. Die Ausübung desselben Rechts durch ihre Vorsteher steht jeder Gemeinde und jeder sonstigen vom Staate anerkannten Genossenschaft zu. Bei abschlägigen Verfügungen der Verwaltungsbehörden sollen die Entscheidungsgründe angeführt werden.

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Die von den Unterbehörden zum Zweck der Entscheidung eingezogenen Berichte sollen auf Verlangen mitgetheilt werden. A RT. 45. Die Staatsbürger haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln; einer besonderen Erlaubniß dazu bedarf es nicht. Volksversammlungen unter freiem Himmel können bei dringender Gefahr für öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden. A RT. 46. Die Staatsbürger haben das Recht, Vereine zu bilden. Dieses Recht soll durch keine vorbeugende Maßregel beschränkt werden. A RT. 47. Die in den Art. 45. und 46. enthaltenen Bestimmungen finden auf das Heer Anwendung, in so weit die militairischen Disciplinarvorschriften nicht entgegen stehen. A RT. 48. Eine allgemeine Volksbewaffnung mit freier Wahl der Führer soll organisirt werden, zur Vertheidigung des Vaterlandes, so wie zur Aufrechthaltung der inneren Ordnung und Sicherheit. A RT. 49. Zur Aufrechthaltung der inneren Ruhe und Sicherheit, so wie zur Vollziehung der von den bürgerlichen Behörden ergangenen Verfügungen kann die Militärgewalt nur auf ausdrücklichen Antrag der zuständigen, dafür verantwortlichen, bürgerlichen Behörde einschreiten, und nicht weiter als diese es verlangt. Vor wirklichem Gebrauch der Waffengewalt muß der versammelten Menge die bevorstehende Anwendung bestimmt und vernehmlich und so zeitig bekannt gemacht werden, daß die versammelte Menge so wie jeder Einzelne in derselben sich fortbegeben kann. Bei Organisirung einer allgemeinen Volksbewaffnung oder einer Bürgerwehr können die Bestimmungen dieses Artikels

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) im Wege der Gesetzgebung abgeändert werden. A RT. 50. Im Falle eines Aufstandes kann die Staatsregierung, wenn die übrigen gesetzlichen Mittel zur Unterdrückung desselben nicht ausreichen, die gesetzliche Ordnung und die gefährdete Freiheit der Person und des Eigenthums durch außerordentliche Mittel herstellen und schützen. Sie darf zu dem Ende in den bedrohten Orten oder Bezirken die Ausübung der in den Art. 37. 38. 39. 40. 45 und 49. gesicherten Rechte einstweilen hemmen und selbst das Standrecht anordnen, muß aber zuvor daselbst verkünden, daß und in welchem Umfange es geschehe. Diese Maßregeln bedürfen indeß der Zustimmung des allgemeinen oder des Provinziallandtages, wenn sie versammelt sind, sonst aber der nachzuholenden Rechtfertigung vor denselben. In Fällen äußerster Noth und dringenster Eile, wo die höhere Verfügung nicht abgewartet werden kann, darf die oberste Behörde der Provinz unter eigener Verantwortlichkeit die gedachten Maßregeln treffen, die Verkündung des Standrechts ausgenommen. Die Formen und Bedingungen für solche außerordentliche Maßregeln demnächst anders oder näher festzustellen, bleibt einem Aufruhrgesetze vorbehalten. A RT. 51. Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen nicht beschränkt; Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. A RT. 52. Die Freiheit des Gewerbes und sonstigen Nahrungsbetriebs darf nur gesetzlich, und nur in so weit beschränkt werden, als es vom Gemeinwohl gefordert wird. Beschränkungen der Gewerbe und gewerblichen Anlagen von Seiten des Staats auf Grund eines beanspruchten Regals finden nicht Statt.

Die jetzt gesetzlich bestehenden Beschränkungen bleiben bis zu ihrer Aufhebung in Kraft. A RT. 53. Die Postanstalten sollen nicht den Zweck haben, eine Quelle der Staatseinkünfte zu sein. A RT. 54. Handels- und Gewerbsprivilegien können nur in einzelnen Fällen, nur auf dem Wege des Gesetzes und nur unter Festsetzung ihres Umfanges und auf eine bestimmte Zeit ertheilt werden. Erfindungs- und Einführungs-Patente auf höchstens zehn Jahre bedürfen jedoch der Zustimmung des Landtags nicht. A RT. 55. Ein Mühlenregal des Staats findet nicht Statt. Alle Zwangs- und Bannrechte der Mühlen, auch jedes einer Mühle anklebende Recht zum Widerspruche gegen Anlegung neuer, so wie gegen Erweiterung alter Mühlen und gegen das Halten von Handmühlen und Quirren hören sofort auf. Die Berechtigten haben nur in so weit einen Entschädigungsanspruch gegen den Staat, beziehungsweise die Pflichtigen, als ihr Recht auf besonderen Verträgen mit dem Staate oder den Pflichtigen beruht. Ein Gesetz wird die näheren Bestimmungen, insbesondere auch darüber treffen, wem die Entschädigung zur Last fällt. A RT. 56. Das Eigenthum ist unverletzlich. Es darf nur aus Rücksichten des gemeinen Besten auf Grund eines Gesetzes und nach vorgängiger gerechter Entschädigung entzogen oder beschränkt werden. An dem bestehenden Deich- und Sielrechte soll dieser Artikel nichts ändern. A RT. 57. Jeder Grundeigenthümer kann seinen Grundbesitz unter Lebenden und von Todeswegen ganz oder theilweise veräußern. Die Durchführung dieses Grundsatzes der Theilbarkeit alles Grundeigenthums soll

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O LDENBURG baldigst durch Uebergangsgesetze vermittelt werden; bis dahin bleiben die bestehenden Gesetze und Vorschriften in Kraft. Für die todte Hand sind Beschränkungen des Rechts, Liegenschaften zu erwerben und über sie zu verfügen, im Wege der Gesetzgebung aus Gründen des öffentlichen Wohls zulässig. A RT. 58. Die Patrimonialgerichtsbarkeit, die Gerichtsbarkeit der Städte, die Markengerichtsbarkeit, die grundherrliche Polizei, so wie alle anderen einem Grundstücke oder einer Person zuständigen Hoheitsrechte und die aus diesen Rechten herstammenden Befugnisse, Exemtionen und Abgaben jeder Art sollen ohne Entschädigung aufgehoben und nicht wieder eingeführt werden. Mit diesen Rechten fallen auch die Gegenleistungen und Lasten weg, welche den bisher Berechtigten dafür oblagen. A RT. 59. 1. Jeder guts- und schutzherrliche so wie jeder Hörigkeits- und Unterthänigkeits-Verband hört für immer auf und kann nicht wieder eingeführt werden. Die von diesem Verbande befreiten Stellen und Grundstücke gehen in das freie Eigenthum desjenigen über, welchem zur Zeit der Verkündung dieses Staatsgrundgesetzes das vererbliche Colonatrecht zusteht. Die Vorrechte, welche einem Gläubiger des Pflichtigen zur Zeit der Aufhebung des gutsherrlichen Verbandes aus dem Grunde der vom Gutsherrn ertheilten Bewilligung (Consenses) zustanden, bleiben demselben auch ferner ungeschmälert. Im Uebrigen sollen die Rechtsverhältnisse jener Stellen und Grundstücke gesetzlich näher festgestellt werden. 2. Ohne Entschädigung sind aufgehoben und können nicht wieder eingeführt werden: a. der Gesindezwangsdienst, Freikauf und Sterbefall und alle etwa sonst noch bestehende aus dem guts- und schutzherrlichen Verbande entspringende persönliche

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Abgaben und Leistungen; b. das Heimfallsrecht des Gutsherrn; c. der Neubruch und Blutzehnten; d. das Recht am Holze auf fremdem oder pflichtigem Boden, dieses Recht stamme aus einem Hoheits- oder gutsherrlichen Rechte; e. alle Staatsfrohnen, Landfolgedienste oder dem Staate als solchem zu leistende Hofdienste und derartige Belästigungen, mit Ausnahme der Gemeinde-Dienste und Lasten und der Nothleistungen durch Krieg, Brand, Ueberschwemmung und dergleichen veranlaßt. In Beziehung auf die bisher geforderten Dienste und Leistungen zu Staatswegen wird ein Gesetz Bestimmungen darüber treffen, welche Wege Staatswege sind. Zur Unterhaltung und Erbauung von Kunststraßen und ihren Zubehörungen sollen diese Dienste und Leistungen überall nicht gefordert werden. Wo seit dem 2. August 1830 an die Stelle der unter 2a. bis d. erwähnten Befugnisse, Abgaben und Leistungen andere getreten sind, fallen auch diese ohne Entschädigung weg. Sind dieselben zugleich mit anderen Berechtigungen abgelös’t und dafür im Ganzen Abgaben, Leistungen oder Capitalzahlungen angenommen, so sollen diese auf Verlangen der Pflichtigen nach bestimmten im Entschädigungsgesetze zu stellenden Ansätzen verhältnißmäßig vermindert, beziehungsweise in dem zu drei Prozent zu kapitalisirenden Betrage gekürzt, bis solches geschehen, aber fortgezahlt werden. Auf Verlangen des Zahlenden ist ein Versprechen der Rückzahlung des nach dem Entschädigungsgesetz zuviel Gezahlten zu leisten. Wo bereits Zahlung geschehen ist, soll mit Ausnahme der Entschädigung für Aufhebung des Rechts am Holze unter d., nach dem angegebenen Verhältnisse das Gezahlte vom Staate erstattet werden. Mit Aufhebung der unter Ziffer 1. und 2. genannten Rechte fallen auch die Gegenleistungen und Lasten weg, welche den bisher

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) Berechtigten dafür oblagen. 3. Alle übrige unter Ziffer 2. nicht erwähnte, aus einem bis hiezu noch bestandenen guts- und schutzherrlichen Verbande fließende, auf dem Grundeigenthum ruhende Dienste, Grundzinsen und Reallasten, so wie die Zehnten jeden Ursprungs, sind aufgehoben unter Vorbehalt der Entschädigung und unter den folgenden, so wie den sonstigen näheren Bestimmungen, welche ein dem nächsten außerordentlichen Landtage vorzulegendes Gesetz treffen wird: a. der guts- und schutzherrliche Verband wird als bis hiezu bestehend angesehen nur bei den Hofhörigen und in den Fällen, wo das Heimfallsrecht bis hiezu noch besteht; b. die Verpflichtung zur Entschädigung haftet als Reallast auf den bisher pflichtigen Grundstücken; c. die Entschädigung soll zu Capital angesetzt werden, und dieses auf keinen Fall den sechszehnfachen Betrag des Geldwerthes des jährlichen Reinertrages übersteigen. Eine etwaige Verwandlung des Capitals in Rente bleibt der Vereinbarung überlassen; d. der jährliche Reinertrag wird nach den näheren Bestimmungen des zu erlassenden Gesetzes, der Geldwerth desselben nach dem Durchschnitt der letzten dreißig Jahre ermittelt, e. das festzustellende Entschädigungscapital wird vom Tage der Verkündung des Staatsgrundgesetzes an mit vier Procent verzinset. Die bereits durch freie Vereinbarung, durch Vermittelung oder Entscheidung der Commission zur Regulirung der gutsherrlichen Verhältnisse oder durch gerichtliche Entscheidungen rechtsgültig erfolgten Umwandlungen und Ablösungen der hier unter Ziffer 3. erwähnten Befugnisse, Abgaben und Leistungen bleiben in Kraft. Jedoch sollen in den Fällen, wo der Staat die

Gutsherrschaft war, die seit dem 2. August 1830 zu Stande gekommenen Ablösungen zu immerwährender Rente, zu Amortisationsrente, oder zu Capital, auch wenn die Zahlung vollständig geleistet ist, auf Antrag der Pflichtigen revidirt und die – bis dahin aber fortzuzahlenden – Geldäquivalente nach den Grundsätzen des zu erlassenden Entschädigungsgesetzes, jedoch – capitalisirt – zum fünf und zwanzigfachen Betrage des Geldwerthes des jährlichen Reinertrages ermäßigt, beziehungsweise gekürzt oder zurückerstattet werden. 4. Auch alle andere unzweifelhaft auf Grund und Boden (auch Häusern) haftende Abgaben und Leistungen, insbesondere auch Erbpachten, Grundheuer, Mühlendienste, Leistungen für Mühlen so wie die von den Bestimmungen unter den Ziffern 2. und 3. nicht betroffenen, aus gutsherrlichen Verhältnissen herrührenden Abgaben, Dienste und Leistungen, nicht weniger die für frühere gutsherrliche Berechtigungen durch Vertrag oder Entscheidung bereits festgesetzten oder noch festzusetzenden Renten jeder Art, welche nicht unter die Ziffer 2. und 3. fallen, sind ablösbar, ohne Rücksicht auf die Person und das Verhältniß des Berechtigten und des Verpflichteten, in so fern die Gesetzgebung nicht die unentgeltliche Aufhebung des einen oder anderen begründet findet. Die näheren Bestimmungen hierüber und über die Art der Ablösung bleiben gleichfalls dem zu erlassenden Gesetze vorbehalten; doch soll auch bei diesen Ablösungen das Princip der Billigkeit den Verpflichteten gegenüber festgehalten werden. Bei Diensten, welche erweislich aus einem gutsherrlichen Verhältnisse herrühren, soll die Entschädigung den sechszehnfachen Betrag des jährlichen Reinertrags nicht übersteigen. 5. Es soll fortan kein Grundstück mit einer unablösbaren Abgabe oder Leistung belastet werden. 6. Auf die an den Staat zu zahlenden s. g.

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O LDENBURG Ordinärgefälle und sonstigen an den Staat als solchen zu zahlenden ständigen Gefälle auf die Gemeinde- und GenossenschaftsAbgaben und auf eigentliche Servituten findet dieser Artikel keine Anwendung. A RT. 60. Das Jagd- und Fischereiregal so wie die Jagdhoheit und sämmtliche bisherige Jagdgesetze sind aufgehoben. Jagd- und Fischereigerechtigkeiten auf fremdem Grund und Boden und in fremden Gewässern, so wie die Jagddienste, die Jagdfrohnen und andere Leistungen für Jagdzwecke, und Fischereifrohnen sind ohne Entschädigung aufgehoben. Die bestehenden Pachtverträge über Jagden auf fremdem Grund und Boden sind aufgelöst; der Pachtzins des laufenden Pachtjahres ist nach Verhältniß der Zeit der Jagdnutzung in diesem laufenden Pachtjahr zu berechnen. Jedem steht das Jagdrecht auf eigenem Grund und Boden und das Fischereirecht in eigenen Gewässern zu. Der Gesetzgebung bleibt vorbehalten, die Ausübung des Jagdrechts aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und des gemeinen Wohls zu ordnen. Die Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grund und Boden und das Fischereirecht in fremden Gewässern darf in Zukunft nicht wieder als Grundgerechtigkeit bestellt werden. A RT. 61. Das bestehende Steuer- und Abgabenwesen soll untersucht und gesetzlich neu geordnet werden. Alles steuerbare Vermögen und Einkommen ist der Besteuerung zu Zwecken des Staats und der Gemeinde unterworfen. Ausgenommen sind: 1. die Großherzoglichen Schlösser mit ihren Nebengebäuden und Gärten; 2. die dem Gottesdienste gewidmeten Gebäude und die Begräbnißstätten. Andere nothwendige Ausnahmen bleiben der Gesetzgebung vorbehalten. Alle Freiheiten und Begünstigungen im

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Beitrage zu den Staats- und Gemeinde-Lasten sind hinsichtlich der Staatslasten mit dem 1. April 1849, hinsichtlich der Gemeindelasten mit dem 1. Mai 1849 aufgehoben. Nur ausnahmsweise und nur für solche, für welche dem Staate, beziehungsweise der Gemeinde erweislich etwas gezahlt ist oder noch etwas gezahlt oder geleistet wird, soll nach einem zu erlassenden Gesetze Entschädigung geleistet werden. Fortan können derartige Freiheiten weder verliehen noch irgendwie erworben werden. In den an den Staat zu zahlenden Steuern werden vom 1. April 1849 an die bisherigen Freien nach dem Fuße der additionellen Contribution den Pflichtigen gleich gesetzt. Im Fürstenthum Lübek und im Amte Varel soll nach dort passendem Fuße die Steuergleichheit eintreten. Alle Communallasten werden vom 1. Mai 1849 an in Deichbänden, Vogteien, Sielachten, Kirchspielen, Schulachten und sonstigen Gemeinden, denen sie zu leisten sind, nachbargleich vertheilt. Die Vertheilung der ordinären Unterhaltung der Pfanddeiche und der Wasserzüge, imgleichen der Unterhaltung der öffentlichen Wege bleibt indeß bis zu anderweitiger Ordnung nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmung unverändert.

IV. ABSCHNITT Von den politischen Gemeinden A RT. 62. Die politische Gemeinde als solche bildet eine Unterabtheilung des Staats und dient insofern seinen Zwecken. Die Verfassung dieser Gemeinden soll unter Anwendung der in den Art. 63. bis 67. ausgesprochenen Grundsätze gesetzlich neu geordnet werden. Bis dahin bleiben die bestehenden Einrichtungen in Kraft.

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) A RT. 63. Alle Gemeinden in Stadt und Land werden eine möglichst gleiche Verfassung erhalten. A RT. 64. Jede Gemeinde hat in ihren Angelegenheiten das Recht der freien Selbstverwaltung und darf in dieser Beziehung nur durch das Gesetz und auch durch dieses nicht weiter beschränkt werden, als der Staatszweck es nothwendig erfordert. A RT. 65. Die Gemeinden haben die freie Wahl ihrer Vertreter und Beamten. Sofern die Gemeindebeamten Functionen erhalten, die über die eigentlichen Gemeindeangelegenheiten hinausgehen, tritt zu ihrer Ernennung auch die Staatsregierung ein. A RT. 66. Für die Verhandlungen aller Gemeinden gilt der Grundsatz der Oeffentlichkeit. Zahl, Zeit und Ort der Versammlungen sowohl der ganzen Gemeinde als ihrer Vertreter kann die Gemeindeverwaltung bestimmen. A RT. 67. Keine Gemeinde kann mit Leistungen oder Ausgaben beschwert werden, zu denen sie nicht ihre Zustimmung gegeben hat, oder durch das Gesetz verpflichtet ist. A RT. 68. Zwischen allen Gemeinden besteht für alle Staatsbürger Freizügigkeit. Das Gesetz wird die Bestimmungen festsetzen über die Erwerbung des Gemeindebürgerrechts, über die specielle Gewerbeberechtigung und über die Unterstützungspflicht der Gemeinden gegen Einzelne. Bis dahin wird jeder Oldenburgische Staatsbürger durch den Umzug in eine Gemeinde, beziehungsweise durch das Wohnen in derselben, Mitglied des politischen Gemeindeverbandes, wenn nachgewiesen wird, daß er in den letzten drei Jahren weder eines entehrenden Verbrechens oder Vergehens bestraft

worden, noch Unterstützung aus Armenmitteln erhalten hat. Die entgegenstehenden gesetzlichen Bestimmungen sind aufgehoben. Für das Fürstenthum Birkenfeld bleiben die dort bestehenden Bestimmungen über den Umzug provisorisch in Kraft. A RT. 69. Die Gemeinden eines bestimmten Bezirks treten zu einer Kreisgemeinde zusammen, deren Verfassung nach denselben Grundsatzen und Grundlagen wie die Verfassung jener geordnet wird.

V. ABSCHNITT Von der Religions-Uebung und den Religionsgesellschaften A RT. 70. Jeder Staatsbürger hat volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Ueberzeugung zu offenbaren. A RT. 71. Jeder Staatsbürger ist unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Uebung seiner Religion und deren Gebräuche. Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach dem Gesetze zu bestrafen. A RT. 72. Die Wahl des Glaubensbekenntnisses ist nach zurückgelegtem vierzehnten Jahre der eigenen freien Ueberzeugung eines Jeden überlassen. In welcher Religion die Kinder erzogen werden sollen, haben lediglich Diejenigen zu bestimmen, denen nach bürgerlichen Gesetzen die Erziehungsrechte zustehen. Letzteres gilt insbesondere auch von der Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen. Die näheren Bestimmungen, insbesondere auch darüber, wie es mit der religiösen

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O LDENBURG Erziehung der Kinder nach dem Tode der Eltern zu halten ist, bleiben der Gesetzgebung vorbehalten. A RT. 73. Jede Religionsgesellschaft (Kirche) ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Es steht den verschiedenen Religionsgesellschaften frei, sich mit andern zu größern Gemeinschaften zu vereinigen und darf der Verkehr mit den kirchlichen Obern auf keine Weise gehemmt werden. A RT. 74. Die Wahl, Ernennung oder Einsetzung der Kirchenbeamten und Diener erfordert keine Mitwirkung von Seiten der Staatsgewalt. A RT. 75. Jeder Religionsgenossenschaft bleibt überlassen, die Aufbringung der Abgaben und Leistungen zu ihren Zwecken selbst zu ordnen. A RT. 76. Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat; es besteht keine Staatskirche. A RT. 77. Denjenigen Religionsgesellschaften, welche bereits Genossenschafts(Corporations-) Rechte haben, werden dieselben gewährleistet, und können auch andern dieselben nur versagt werden, wenn Lehre, Disciplin oder Verfassung dem Staatszwecke zuwider laufen. A RT. 78. Die Kirchengemeinden und Religionsgenossenschaften werden in dem Besitz ihres Kirchenvermögens, so wie bei der stiftungsmäßigen Verwendung desselben geschützt und gelten zu dessen Erhaltung nur dieselben Bestimmungen, welche für die übrigen Gemeinden maßgebend sind.

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A RT. 79. Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Beobachtung kirchlicher Ruhetage gezwungen werden. A RT. 80. Die Formel des Eides soll künftig lauten: „So wahr mir Gott helfe.“ Anstatt des Eides leistet derjenige, dem sein religiöses Bekenntniß einen Eid verbietet, ein Gelöbniß in der Form, welche nach seinem religiösen Bekenntniß an die Stelle des Eides tritt. A RT. 81. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe soll nur von Vollziehung des Civilacts abhängig sein. Die kirchliche Trauung kann nur nach Vollziehung des Civilacts Statt finden. Die Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehinderniß. Bis zur Erlassung der nach diesem Artikel erforderlichen nähern gesetzlichen Bestimmungen bleiben die jetzt geltenden Gesetze in Kraft. A RT. 82. Die organischen Einrichtungen und Gesetze, welche für die bestehenden Kirchen zur Durchführung des Grundsatzes der Selbstständigkeit und Selbstverwaltung (Art. 73. 74. 75. und 78.) erforderlich sind, sollen möglichst bald getroffen werden. Bis dahin bleiben die bestehenden Verfassungen, insbesondere für die evangelischen Kirchengemeinden die jetzige Consistorialverfassung, in Kraft. Jedoch wird das in Angelegenheiten der katholischen Kirche bisher geübte landesherrliche Placet und Visum hiemit aufgehoben.

VI. ABSCHNITT Von den Unterrichts- und Erziehungsanstalten A RT. 83. Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) A RT. 84. Das Unterrichts- und Erziehungswesen steht unter der Oberaufsicht des Staats, und ist abgesehen vom Religions-Unterricht, der Beaufsichtigung der Geistlichkeit als solcher enthoben. Den Religionsunterricht beaufsichtigen und leiten die betreffenden Religionsgenossenschaften. A RT. 85. Es soll eine obere Schulbehörde gebildet werden, worin sich Mitglieder aus den verschiedenen Religionsgenossenschaften befinden. Die unteren Schulbehörden sollen neu eingerichtet werden. Die Mitglieder derselben werden von den Gemeinden frei gewählt; Geistliche und Lehrer sind wählbar. A RT. 86. Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen, zu leiten und an solchen Unterricht zu ertheilen, steht jedem Deutschen frei, wenn er seine Befähigung der betreffenden Staatsbehörde nachgewiesen hat. Der häusliche Unterricht unterliegt keiner Beschränkung. A RT. 87. Es steht einem Jeden frei, seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden wie und wo er will. A RT. 88. Für die Bildung der Jugend soll durch öffentliche Schulen überall genügend gesorgt werden. Alle öffentliche Unterrichtsanstalten sollen stets mit angemessenen Lehrkräften und Lehrmitteln versehen sein. A RT. 89. Eltern oder deren Stellvertreter dürfen ihre Kinder oder Pflegbefohlenen nicht ohne den Unterricht lassen, welcher für die unteren Volksschulen vorgeschrieben ist. A RT. 90. Unbemittelten soll auf allen öffentlichen Unterrichts-Anstalten freier Unterricht gewährt werden.

A RT. 91. Die öffentlichen Lehrer haben die Rechte der Staatsdiener; sie haben ein Recht auf angemessene Besoldung, so wie auf angemessene Pension. A RT. 92. Die Volksschulen sind Gemeindeanstalten. Die Ausgaben für dieselben, insbesondere die Besoldung der Lehrer, sind zunächst von der Gemeinde zu bestreiten. Wird eine Gemeinde durch die Schulausgaben über ihre Kräfte beschwert, so soll der erforderliche Zuschuß aus der Staatscasse erfolgen. A RT. 93. Alle Volksschulen sind so einzurichten, daß die Jugend in denselben eine allgemein-menschliche und bürgerliche, so wie auf Verlangen der betreffenden Gemeinde eine religiös-confessionelle Bildung erhält. A RT. 94. Der Staat stellt unter gesetzlich geordneter Betheiligung der Gemeinden aus der Zahl der Geprüften die Lehrer der Volksschulen an. Auf Verlangen der Gemeinden sind vor der Anstellung über die religiös-confessionelle Befähigung Zeugnisse der kirchlichen oder der zur Prüfung dieser Befähigung berufenen Behörde beizubringen. A RT. 95. Für den Unterricht in Volksschulen und niederen Gewerbsschulen wird kein Schulgeld bezahlt. A RT. 96. Für die Bildung tüchtiger Volksschullehrer ist durch Vervollkommnung der dazu vorhandenen Anstalten zu sorgen. Solche Anstalten sollen auf Antrag der betreffenden Religionsgenossenschaften so eingerichtet und beaufsichtigt werden, daß dadurch die religiös-confessionelle Bildung der heranzubildenden Lehrer gesichert ist. Ein Anschluß an andere deutsche Bildungsanstalten derselben Confession ist gestattet.

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O LDENBURG A RT. 97. In jedem Kreise und in jedem der beiden Fürstenthümer, sofern diese nicht in mehrere Kreise getheilt werden, soll wenigstens eine höhere Bürgerschule unter Berücksichtigung der Gewerbe und der Landwirthschaft errichtet werden. Wo eine Gelehrtenschule besteht, kann die höhere Bürgerschule mit derselben verbunden werden.

den Beistand der bürgerlichen und militärischen Behörden zu verlangen.

A RT. 98. Die Gymnasien, die Gelehrtenschulen, die Kriegs- und Marineschulen (Navigationsschulen) sind Staatsanstalten. Kein Staatsangehöriger, welcher seine hinreichende Befähigung darthut, wozu bei den Kriegsschulen auch die vorschriftsmäßige Dienststellung gehören kann, darf von dem Unterrichte auf diesen Anstalten ausgeschlossen werden.

A RT. 103. Es soll keinen privilegirten Gerichtsstand der Personen oder Güter geben. Die Militärgerichtsbarkeit ist auf die Aburtheilung militärischer Verbrechen und Vergehen, so wie der Militär-Disciplinarvergehen beschränkt, vorbehältlich der Bestimmungen für den Kriegsstand.

A RT. 99. Die näheren Bestimmungen, welche zur Durchführung der in den Art. 84. 85. 87. 88. 90. bis 98. ausgesprochenen Grundsätze erforderlich sind, wird ein unter Hinzuziehung von Schulmännern der verschiedenen Confessionen zu entwerfendes Gesetz baldigst treffen. Bis dahin bleiben die bestehenden Einrichtungen in Kraft.

VII. ABSCHNITT Von der Rechtspflege A RT. 100. Alle Gerichtsbarkeit geht vom Staate aus. Es sollen keine Patrimonialgerichte, also auch keine Gerichte der Städte und keine Markengerichte bestehen. A RT. 101. Die richterliche Gewalt wird selbstständig von den Gerichten geübt. Cabinets- und Ministerialjustiz ist unstatthaft. Die Gerichte sind berechtigt, den Schutz und, zur Ausführung ihrer Verfügungen,

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A RT. 102. Die Einrichtung, die Zuständigkeit und das Verfahren der Gerichte soll nach den in den Art. 103. bis 109. ausgesprochenen Grundsätzen gesetzlich neu geregelt werden. Bis dahin bleiben die bestehenden Gesetze in Kraft.

A RT. 104. Rechtspflege und Verwaltung sollen getrennt und von einander unabhängig sein. Ueber Compentenzconflicte zwischen den Verwaltungs- und Gerichtsbehörden entscheidet ein durch das Gesetz zu bestimmender Gerichtshof. A RT. 105. Die Verwaltungsrechtspflege soll aufhören. Ueber alle Rechtsverletzungen sollen die Gerichte entscheiden. Der Polizei soll keine Strafgerichtsbarkeit beigelegt werden. A RT. 106. Die bürgerliche Rechtspflege soll in Sachen besonderer Berufserfahrung durch fachkundige, von den Berufsgenossen frei gewählte Richter geübt oder mitgeübt werden. A RT. 107. Es sollen Friedensgerichte eingeführt und es soll auf die Einführung von Schiedsgerichten Bedacht genommen werden. A RT. 108. Das Gerichtsverfahren soll öffentlich und mündlich sein. Ausnahmen von der Oeffentlichkeit des

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) Verfahrens bestimmt im Interesse der Sittlichkeit das Gesetz. A RT. 109. In Strafsachen soll der Anklageprozeß gelten. Schwurgerichte sollen jedenfalls in schweren Strafsachen und bei allen politischen Vergehen, so wie bei denjenigen Preßvergehen, welche von Amtswegen verfolgt werden, urtheilen. A RT. 110. Jedem, der sich durch eine Verwaltungsmaßregel in seinen Privatrechten gekränkt glaubt, steht der Rechtsweg offen, ohne daß es einer besonderen Erlaubniß bedarf. A RT. 111. Die Verwaltung der Staatsund Krongüter und der Steuern nimmt in allen sie betreffenden Rechtsstreitigkeiten Recht vor den ordentlichen Gerichten. A RT. 112. Es soll die nöthige gesetzliche Vorkehrung getroffen werden, daß durch die Bestimmungen der Art. 110. und 111. der freie Fortgang der Verwaltung nicht gehemmt werde. A RT. 113. Die Strafe der gerichtlichen Landesverweisung findet gegen Angehörige des Großherzogthums und anderer deutscher Staaten nicht Statt. A RT. 114. Moratorien dürfen von Staatswegen nicht ertheilt werden.

den Behörden gesetzlich überlassen bleibt. In dieser Beziehung bleibt es bis zu anderweitiger gesetzlicher Regelung bei den gegenwärtig bestehenden Vorschriften. A RT. 117. Staatsdienst und Hofdienst sind künftig in derselben Person nicht zu vereinigen. A RT. 118. Das höchste Landesgericht wird in der Weise ergänzt, daß durch gemeinschaftliche Wahl von Seiten seiner Mitglieder und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern des Landtages drei Personen vorgeschlagen werden, aus welchen der Großherzog eine ernennt. Wenn der Landtag nicht versammelt ist, geschieht der Vorschlag durch die gemeinschaftliche Wahl von Seiten der Mitglieder des ständigen Landtags-Ausschusses und einer gleichen Zahl von Mitgliedern des höchsten Landesgerichts. Die Ernennung der Präsidenten bleibt ohne solchen Vorschlag dem Großherzoge vorbehalten. Im Falle der Einsetzung eines mit anderen Staaten gemeinsamen höchsten Landesgerichts können die Bestimmungen dieses und des folgenden Artikels, so wie die Bestimmung im Schlußsatze des Art. 122. im Wege der Gesetzgebung abgeändert oder aufgehoben werden.

A RT. 115. Ueber Polizeivergehen und deren Bestrafung soll ein besonderes Gesetz erlassen werden.

A RT. 119. Die Besetzung der sonstigen richterlichen Aemter erfolgt nur nach Anhörung des höchsten Landesgerichts (Art. 118).

VIII. ABSCHNITT

A RT. 120. Ordentliche Richterstellen sollen bei ihrer Erledigung sofort wieder definitiv besetzt werden. Diese Bestimmung tritt jedoch erst mit der nach Art. 100. 102. bis 109. einzuführenden neuen Gerichtsverfassung in Kraft.

Von dem Staatsdienste A RT. 116. Der Großherzog ernennt oder bestätigt alle Staatsdiener des Civilstandes und des Militärstandes (Officiere und Militärbeamte), in sofern die Bestellung nicht

A RT. 121. Künftig darf kein richterliches Amt mit einem einträglichen Nebenamt verbunden werden. Ausnahmen können aus

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O LDENBURG besonderen Gründen, jedoch nur mit Zustimmung des Landtages gemacht werden. A RT. 122. Kein Richter darf, außer durch Urtheil und Recht, von seinem Amte entfernt, oder an Rang und Gehalt beeinträchtigt werden. Suspension darf nicht ohne richterlichen Beschluß und nicht ohne gleichzeitige Verweisung der Sache an das zuständige Gericht erfolgen. Der Beschluß ist vom höchsten Landesgerichte (Art. 118.) zu fassen. A RT. 123. Kein Richter darf wider seinen Willen, außer durch gerichtlichen Beschluß in den durch das Gesetz bestimmten Fällen und Formen, zu einer andern Stelle, versetzt oder in Ruhestand gesetzt werden. A RT. 124. Während der ersten Jahre nach dem Eintritt in den Staatsdienst dient jeder Staatsbeamte, Richter ausgenommen, zur Erprobung seiner Fähigkeit und Würdigkeit, und kann nach dem Ermessen des Großherzogs ohne Pension wieder entlassen werden. Nach Ablauf von drei Jahren wird ihm auf sein Ansuchen die definitive Anstellung bewilligt, wenn er sich, namentlich durch die etwa erforderliche Hauptprüfung, als tüchtig bewährt hat. Ausnahmen von der Anstellung auf Probe sind unter besondern Umständen zulässig, jedoch vor dem Landtage zu rechtfertigen. A RT. 125. Im Verwaltungswege findet die Entlassung solcher definitiv angestellten Beamten nur unter Verleihung der gesetzlichen Pension, eine Versetzung derselben nur unter Belassung des ganzen bisherigen Gehalts Statt. Eine Verminderung oder Entziehung jener Pension kann nur in Folge richterlichen Spruchs geschehen.

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A RT. 126. Im Uebrigen sollen die Verhältnisse des Staatsdienstes, worunter jedoch der Hofdienst nicht begriffen ist, durch besondere Gesetze in volksthümlicher Umgestaltung näher geordnet werden. Vorzüglich ist dabei Bedacht zu nehmen auf: Verminderung der Behörden, Stellen und Beamten; Vereinfachung des Dienstes und Abkürzung des Geschäftsganges; Ueberwachung des Dienstes durch möglichste Oeffentlichkeit der Verhandlungen; Berufung wechselnder Beamten aus den Volksgenossen für dazu geeignete Stellen. Das Gesetz hat insbesondere auch wegen Besoldungen, Pensionirungen und Titelverleihungen, desgleichen wegen der Disciplinarverhältnisse der Beamten und wegen der Mittel, wodurch die Staatsregierung über die Fähigkeit und Würdigkeit derselben, jedoch ohne regelmäßige Personalberichte, die nöthige Kenntniß sich verschafft, nähere Bestimmungen zu treffen, und festzusetzen, daß jeder Bericht über die Fähigkeit und Würdigkeit der Beamten auf Antrag der Betheiligten, so weit er sie betrifft, denselben nicht vorenthalten werden dürfe; diejenigen unteren Staatsämter zu bezeichnen, wozu die Anstellung auf Kündigung erfolgt, welche jedoch möglichst zu beschränken ist; ein Dienstgericht für Aburtheilung der Fälle einzusetzen, in welchen Beamte sich zur Wahrnehmung ihres Dienstes unfähig oder unwürdig erweisen würden. Dieses Gericht ist auf den Grund der Berufsgleichheit zu bilden; es erkennt als Schwurgericht. Die denselben Gegenstand betreffende Verordnung vom 23. Juli 1841 soll aufgehoben und das Gesetz über das neu einzuführende Dienstgericht dem nächsten allgemeinen Landtage vorgelegt werden.

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849)

IX. ABSCHNITT Von den Landtagen

A Von dem allgemeinen Landtage

1 Organisation der Versammlung A RT. 127. Für das Großherzogthum besteht ein allgemeiner in einer Kammer vereinigter Landtag. Neben demselben besteht für jeden der drei Landestheile, Oldenburg, Lübek und Birkenfeld, ein Provinziallandtag. A RT. 128. Der allgemeine Landtag wird aus Abgeordneten gebildet, welche durch Wahl ihrer Mitbürger auf Grundlage der Bevölkerung berufen werden. A RT. 129. Die Wahl der Abgeordneten wird durch Wahlmänner vermittelt. Diese Bestimmung gilt jedoch vorläufig nur für die drei ersten ordentlichen Landtage, und ist auf dem letzten derselben wieder darüber Beschluß zu fassen. Es kann alsdann, so wie auf jedem ferneren ordentlichen Landtage, jene Bestimmung im Wege der Gesetzgebung aufgehoben werden. A RT. 130. Zur Wahl der Wahlmänner wird das Großherzogthum in Wahlbezirke, zur Wahl der Abgeordneten in Wahlkreise eingetheilt. A RT. 131. Sämmtliche stimmberechtigte Wähler eines Wahlbezirks (Urwähler) wählen auf je zweihundertfünfzig Einwohner einen Wahlmann, und sämmtliche Wahlmänner eines Wahlkreises auf je sechstausend Einwohner einen Abgeordneten. Die der Wahl vorhergehende Volkszählung soll hierbei maßgebend sein. Beträgt der Ueberschuß der Bevölkerung mehr als die Hälfte obiger Verhältnißzahlen, so wird dafür noch ein Wahlmann beziehungsweise ein Abgeordneter gewählt.

A RT. 132. Jeder ist nur in dem Bezirke, worin er wohnt, als Urwähler stimmberechtigt und als Wahlmann wählbar. Die Abgeordneten können aus dem ganzen Großherzogthum gewählt werden. A RT. 133. Stimmberechtigt als Urwähler, wählbar zum Wahlmann und fähig Abgeordneter zu sein, ist jeder selbstständige Staatsbürger, der das fünf und zwanzigste Jahr vollendet hat, sofern er nicht durch die Bestimmungen des Art. 134. ausgeschlossen ist. Als selbstständig ist derjenige nicht anzusehen 1. der unter Curatel steht; 2. der innerhalb des letzten Jahres vor der Wahl Unterstützung aus öffentlichen Armenmitteln erhalten hat; 3. der ohne einen eigenen Heerd bei Anderen in Kost und Lohn steht. A RT. 134. Ausgeschlossen (Art. 133.) ist derjenige: 1. dem die Fähigkeit dazu auf den Grund des Gesetzes gerichtlich abgesprochen ist: 2. der wegen eines nach der Volksansicht entehrenden Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig verurtheilt ist, bis zum Ablauf des fünften Jahres nach überstandener Strafe; 3. der wegen eines solchen Verbrechens oder Vergehens (Ziffer 2.) in den Stand der Anschuldigung versetzt ist, so wie derjenige, gegen welchen die einstweilige Verhaftung verfügt ist, während der Dauer der Untersuchung, beziehungsweise der Haft. A RT. 135. Die näheren Bestimmungen über das Verfahren bei den Wahlen enthält das Wahlgesetz. A RT. 136. Wird ein Abgeordneter zu einem besoldeten Amte ernannt und nimmt er dasselbe an, so verliert er seine Eigenschaft als Abgeordneter, und es muß sofort eine andere Wahl angeordnet werden, durch welche er jedoch wieder erwählt werden kann.

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O LDENBURG A RT. 137. Zu Abgeordneten gewählte Beamte des Civil- oder des Militär-Dienstes und Schullehrer bedürfen des dienstlichen Urlaubs und haben zu dem Ende ihre Wahl sofort den Vorgesetzten anzuzeigen und die Ertheilung des Urlaubs zu erwarten. Der Urlaub wird nur dann versagt werden, wenn der Landtag mit der Staatsregierung darin einverstanden ist, daß dem Eintritte des Gewählten in den Landtag erhebliche Rücksichten des Dienstes entgegenstehen. Die Staatsregierung wird ihre etwaigen Bedenken dieser Art unverzüglich dem Landtage mittheilen, falls aber solche nicht vorhanden sind, den Urlaub zeitig bewilligen. A RT. 138. Jeder zum Abgeordneten Gewählte kann die Wahl ablehnen, auch jeder Zeit abtreten. A RT. 139. Für jeden ordentlichen Landtag wird eine neue Wahl sämmtlicher Abgeordneten vorgenommen. Die bisherigen Abgeordneten können wieder gewählt werden. A RT. 140. Wenn ein Abgeordneter ausgetreten, ausgeschlossen, gestorben oder auf längere Zeit verhindert ist, als der Landtag seine Abwesenheit für zulässig erachtet, und bis zur Beendigung der Wahlperiode (Art. 139.) eine neue Wahl noch wirksam werden kann, so ist diese sofort anzuordnen. A RT. 141. Dem Landtage steht die Entscheidung zu: 1. über die Legitimation der gewählten Abgeordneten, insbesondere auch (Art. 134. Ziffer 2. 3.) darüber, ob die angeschuldigte Uebertretung als eine nach der Volksansicht entehrende anzusehen ist; 2. über die Nothwendigkeit der neuen Wahl eines Abgeordneten.

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A RT. 142. Der Landtag wählt nach seiner Eröffnung durch den Großherzog (Art. 172.) in geheimer Stimmgebung aus seiner Mitte einen Präsidenten und einen oder mehrere Vicepräsidenten, entweder für seine ganze Dauer oder für einen kürzeren Zeitraum. A RT. 143. Zur Wahrnehmung der Schriftführung und Registratur-Geschäfte wählt der Landtag für seine Dauer einen oder mehrere Schriftführer entweder aus seiner Mitte oder aus drei von dem Präsidenten vorgeschlagenen anderen Personen. Im letzteren Falle erhält der Schriftführer eine angemessene Vergütung.

2 Wirksamkeit des Landtages A RT. 144. Der Landtag ist als der gesetzliche Vertreter aller Staatsbürger und des ganzen Landes im Allgemeinen berufen, deren auf der Verfassung beruhende Rechte geltend zu machen und das Wohl des Staats mit treuer Anhänglichkeit an die Verfassung zu befördern. A RT. 145. Der Landtag steht nur zur Staatsregierung in unmittelbarer Geschäftsbeziehung, Mittheilungen zwischen ihm und dem Staatsgerichtshofe (Art. 231.) ausgenommen. Er ist befugt, über alle Landesangelegenheiten von der Staatsregierung durch die Großherzoglichen Bevollmächtigten (Art. 173.) Auskunft zu begehren. Auch werden in geeigneten Fällen die Mitglieder des Staatsministeriums persönlich dem Landtage die gewünschte Aufklärung ertheilten. A RT. 146. Die Abgeordneten folgen bei ihren Abstimmungen nur ihrer eigenen gewissenhaften Ueberzeugung; sie sind nicht an Aufträge oder Vorschriften irgend einer Art und Quelle gebunden.

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) Seine Stimme hat jeder persönlich abzugeben. A RT. 147. Jedes Mitglied des Landtags leistet bei seinem ersten Eintritt in die Kammer folgenden Eid: „Ich gelobe, die Staatsverfassung heilig und treu zu bewahren, und auf dem Landtage das Wohl des Staats ohne Nebenrücksichten nach meiner eigenen gewissenhaften Ueberzeugung bei meinen Anträgen und Abstimmungen zu beachten. So wahr mir Gott helfe.“ Dieser Eid wird vom Präsidenten des Landtags in die Hände des Großherzogs oder der dazu von ihm beauftragten Mitglieder des Staats- und Cabinets-Ministeriums und von den übrigen Mitgliedern dem Präsidenten in der Versammlung abgelegt. Wenn ein ehemaliger Abgeordneter durch neue Wahl wieder eintritt, verpflichtet er sich mittelst Handschlags auf seinen früheren Eid. A RT. 148. Kein Abgeordneter kann wegen seiner Aeußerungen aus dem Landtage anders als durch den Präsidenten oder von der Versammlung zurechtgewiesen und zur Verantwortung gezogen werden. Wegen eines durch solche Außerungen etwa begangenen Verbrechens oder Vergehens kann der Landtag seine Mißbilligung förmlich aussprechen, auch den Fall zur strafrechtlichen Erledigung an das Gericht verweisen. Wegen seiner Abstimmung darf Niemand zur Verantwortung gezogen werden. A RT. 149. Während des Landtags und auf der Reise dahin und zurück können die Abgeordneten wegen Verbrechens oder Vergehens nur bei Ergreifung auf frischer That oder mit Zustimmung des Landtags oder seines Ausschusses verhaftet werden. Im ersten Falle ist dem Landtage, beziehungsweise dessen Ausschuß, von der Verhaftung sofort Kenntniß zu geben.

A RT. 150. Vorstellungen jeder Art dürfen dem Landtage nur schriftlich eingesandt, nicht in der Versammlung persönlich überreicht und nicht mündlich an diese gebracht werden. A RT. 151. Der Landtag hat das Recht, Beschwerden und Bitten von Staatsbürgern, Gemeinden und anerkannten Genossenschaften dem Staatsministerium und nach Befinden dem Großherzoge selbst zur geeigneten Berücksichtigung vorzulegen, so wie über die in der Landesverwaltung wahrgenommenen Mißbräuche aus eigenem Antriebe Beschwerde zu führen. Die Abstellung gegründet befundener Beschwerden soll ohne Verzug geschehen und jedenfalls der Erfolg der Beschwerden, so wie der zur Gewährung empfohlenen Bitten dem Landtage eröffnet werden. A RT. 152. Der allgemeine Landtag berathet und beschließt nur über die alle drei Provinzen des Großherzogthums gemeinsam betreffenden Angelegenheiten und Einrichtungen. A RT. 153. Zu diesen gemeinsamen Angelegenheiten und Einrichtungen gehören: 1. alle aus der Gemeinschaftlichkeit des Staatsoberhaupts sich ergebende Beziehungen, namentlich die Gebührnisse des Großherzogs; 2. daß Verhältniß zum deutschen Reiche und die Vertretung im Auslande; 3. der allgemeine Landtag und der ständige Landtagsausschuß; 4. der Staatsgerichtshof; 5. das Staatsministerium; 6. das Gesammt-Landes-Archiv; 7. die Behörden zur Prüfung für den Staatsdienst; 8. das höchste gemeinsame Landesgericht; 9. das Kriegswesen; 10. die Wittwen-Casse;

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O LDENBURG 11. die Verwaltung der etwaigen Gesammtschulden des Großherzogthums; 12. die Ueberwachung des Staatsvermögens auch in den Provinzen; 13. die Veräußerung von Bestandtheilen des Großherzogthums und von Rechten des Staats und des Staatsoberhauptes; 14. Die Gesetzgebung a) über die vorstehend aufgeführten und etwa ferner für gemeinsam erklärten (Art. 154.) Gegenstände; b) über den Staatsdienst und die Pensionirung der Staatsbeamten; c) über Entschädigung wegen aufgehobener Bannrechte und wegen aufgehobener Rechte aus bis hiezu bestandenem guts- und schutzherrlichen Verbande; d) über Ablösung der auf Grund und Boden haftenden Abgaben und Leistungen; 15. Abänderung des Staatsgrundgesetzes mit Ausnahme des Art. 206. A RT. 154. Auch andere als die im vorhergehenden Artikel genannten Gegenstände können unter Zustimmung des Großherzogs durch Beschluß des allgemeinen Landtags für gemeinsam erklärt werden. Wird indeß auf dem allgemeinen Landtage von der Mehrheit der anwesenden Abgeordneten einer Provinz behauptet, daß eine zur Berathung gebrachte Angelegenheit nicht das ganze Großherzogthum, sondern eine einzelne Provinz angehe, oder umgekehrt, und ist die Mehrheit der Abgeordneten einer der beiden andern Provinzen damit nicht einverstanden, so ist die Frage vor ein vereinbartes Schiedsgericht, und, wenn die Vereinbarung über ein Schiedsgericht nicht innerhalb vierzehn Tagen zu Stande kommt, vor den Staatsgerichtshof in dieser Eigenschaft zu bringen. A RT. 155. Nur dem allgemeinen Landtage steht das Recht zu auf Ministeranklage (Art. 230.) und auf Vertretung durch den ständigen Landtags-Ausschuß.

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A RT. 156. Die Provinzial-Gesetze und Voranschläge sind durch die Staatsregierung baldthunlichst dem allgemeinen Landtage, beziehungsweise dem ständigen Landtags-Ausschuß, vorzulegen, damit diese eintretenden Falls die Gerechtsame des ganzen Großherzogthums wahren können. A RT. 157. Ein Gesetz kann vom Großherzoge nur in Uebereinstimmung mit dem Landtage erlassen, aufgehoben, geändert oder authentisch ausgelegt werden. A RT. 158. Der Landtag hat das Recht des Antrages auf Erlassung von Gesetzen. Gesetzentwürfe können vom Großherzog an den Lantdag und von diesem an den Großherzog gebracht werden. A RT. 159. Die Gesetze des deutschen Reichs und die Erlasse der allgemeinen deutschen Regierungsgewalt haben ohne Weiteres im Großherzogthume verbindliche Kraft. A RT. 160. Es bedarf der Zustimmung des Landtags nicht: 1. bei Verordnungen zur Vollziehung oder Handhabung bestehender Gesetze; 2. bei Verordnungen von gesetzlicher Bedeutung, welche durch die Umstände dringend geboten sind, und weder einen Aufschub bis zum nächsten ordentlichen Landtage zulassen, noch die Berufung eines außerordentlichen Landtags gestatten oder durch ihre Wichtigkeit rechtfertigen, auch eine Abänderung des Staatsgrundgesetzes nicht enthalten. Verordnungen dieser Art sind von allen Mitgliedern des Staatsministeriums zu contrasigniren. Läßt die Dringlichkeit der Sache es zu, so ist zuvor der ständige Landtagsausschuß, wenigstens durch die Mitglieder desselben, welche in der Provinz sich aufhalten, worin die Staatsregierung zur Zeit ihren Sitz hat, mit seinem Gutachten zu hören. Die Dringlichkeit und die Zweckmäßigkeit solcher Verordnungen soll dem nächs-

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) ten Landtage nachgewiesen werden. Findet dieser Bedenken, der erlassenen Verordnung seine Zustimmung zu ertheilen, so ist dieselbe sofort wieder aufzuheben. Durch ein beistimmendes Gutachten des Landtags-Ausschusses zu der erlassenen Verordnung wird eine Anklage wegen Verletzung des Staatsgrundgesetzes nicht ausgeschlossen. A RT. 161. Eine Erklärung wodurch ein Gesetzentwurf ganz abgelehnt wird, oder Abänderungen desselben beantragt werden, muß die Angabe der Beweggründe enthalten. A RT. 162. Der Großherzog erläßt und verkündet die Gesetze mit ausdrücklichem Bezug auf die erfolgte Zustimmung des Landtags, beziehungsweise auf die nach Art. 160. Ziffer 2. vorliegenden Umstände. A RT. 163. Der Landtag kann über Anordnungen, welche seiner Zustimmung nicht bedürfen, so wie über die bei beabsichtigten Aenderungen in der Gesetzgebung im Allgemeinen zu befolgenden Grundsätze auf Antrag der Staatsregierung seine gutachtliche Erklärung abgeben. A RT. 164. Der Landtag hat das Recht der Steuerbewilligung nach den näheren Bestimmungen des Art. 216.

3 Landtag und Geschäftsbetrieb A RT. 165. Die Einberufung des Landtags geschieht durch eine Verordnung des Großherzogs, welche in die Gesetzblätter eingerückt wird. A RT. 166. Ordentliche Landtage finden in den ersten drei Jahren jährlich Statt. Sodann sollen alle drei Jahre ordentliche Landtage statt haben. Es bleibt indessen der Gesetzgebung vorbehalten, auch ferner jährliche ordentliche Landtage eintreten zu lassen. Für diesen Fall bleibt die Erweiterung

der im Art. 139. festgesetzten Wahlperiode auf drei Jahre der Gesetzgebung gleichfalls vorbehalten. A RT. 167. Außerdem sollen außerordentliche Landtage berufen werden, wenn Gesetzgebungs- oder andere Angelegenheiten es dringend erfordern. Auch ohne Berufung tritt der Landtag in den Fällen der Art. 171. und 227. außerordentlich zusammen. A RT. 168. Die Dauer eines Landtags wird stets in der Einberufungsverordnung, die eines ordentlichen Landtags nicht unter sechs Wochen bestimmt, wodurch jedoch eine angemessene Verlängerung nicht ausgeschlossen ist. A RT. 169. Dem Großherzoge steht das Recht zu, den Landtag zu vertagen, zu schließen und aufzulösen. A RT. 170. Eine Vertagung kann nur auf höchstens sechs Monate, und zwar ohne Zustimmung des Landtags nur einmal geschehen. A RT. 171. Zugleich mit der Auflösung des Landtags müssen die neuen Wahlen ausgeschrieben werden. Der Landtag ist auf einen Tag einzuberufen, welcher innerhalb der auf die Wahlausschreibung folgenden zwei Monate fällt. Unterbleibt das Eine oder das Andere, so treten die Mitglieder des aufgelösten Landtags bis zum Zusammentritt der neu gewählten Abgeordneten in ihre früheren Rechte und versammeln sich ohne Einberufung baldthunlichst zur Wahrung des Staatsgrundgesetzes. A RT. 172. Der Großherzog eröffnet und entläßt den Landtag entweder in eigener Person oder durch einen dazu Bevollmächtigten. A RT. 173. Die Eröffnung geschieht nach vorläufiger Berichtigung der Legitimation

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O LDENBURG der Abgeordneten, sobald deren wenigstens zwei Drittel anwesend sind. A RT. 174. Eine Versammlung des Landtags findet außer der Zeit, für welche er vom Großherzog oder Kraft des Gesetzes berufen ist, nicht Statt. A RT. 175. Der Großherzog wird Bevollmächtigte der Staatsregierung ernennen. Die Bevollmächtigten bringen die Vorlagen der Staatsregierung an den Landtag und dessen Erklärungen und Anträge an den Großherzog. Sie ertheilen dem Landtage die erforderlichen Erläuterungen oder Aufklärungen, und vermitteln überhaupt die Geschäftsverbindung mit der Staatsregierung. A RT. 176. Die Mitglieder des Staatsministeriums und die Großherzoglichen Bevollmächtigten sind berechtigt, jeder Sitzung des Landtags beizuwohnen. Sie können demselben vor Schluß der Debatte und vor dem letzten Wort des Antragstellers jederzeit Mittheilungen machen und muß ihnen bis dahin das Wort stets gegeben werden, sofern dadurch ein begonnener Vortrag nicht unterbrochen wird. A RT. 177. Die Sitzungen des Landtags sind öffentlich. Sie werden ausnahmsweise geheim, wenn auf Antrag der Großherzoglichen Bevollmächtigten oder auf den von wenigstens noch fünf Mitgliedern unterstützten Antrag eines Mitgliedes nach Entfernung der Zuhörer die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten die geheime Berathung beschließt. Wenn in geheimer Sitzung berathen worden, ist der Gegenstand der Verhandlung im Allgemeinen in dem Protokolle anzugeben. A RT. 178. Den Zuhörern ist keinerlei Einwirkung auf die Versammlung oder den Gang der Verhandlungen, keine Aeußerung des Beifalls oder der Mißbilligung gestattet.

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Der Präsident hat auch in dieser Beziehung die äußere Ordnung durch angemessene Verfügungen, nöthigenfalls durch Entfernung der Zuhörer aufrecht zu erhalten. A RT. 179. Der Landtag ist nur dann beschlußfähig, wenn wenigstens zwei Drittel der Abgeordneten anwesend sind. A RT. 180. Ein Beschluß des Landtags wird durch absolute Stimmenmehrheit der anwesenden Abgeordneten gefaßt, wenn nicht dieses Grundgesetz, oder in Beziehung auf Wahlen die Geschäftsordnung ein anderes bestimmen. A RT. 181. Der Präsident stimmt immer mit. Wenn bei der ersten Abstimmung sich Stimmengleichheit ergeben hat, so soll dieselbe – und zwar, wenn der Präsident es für angemessen erachtet, erst in der folgenden Sitzung – wiederholt werden, und wenn auch die zweite Abstimmung zu einem Beschlusse durch absolute Stimmenmehrheit nicht geführt hat, so ist der zur Abstimmung gebrachte Antrag als abgelehnt zu betrachten. A RT. 182. Die über die Verhandlungen auf dem Landtage aufgenommenen Protokolle werden durch den Druck bekannt gemacht. Die Protokolle über geheime Sitzungen werden nicht gedruckt, wenn nicht mit Zustimmung der Großherzoglichen Bevollmächtigten der Landtag die Veröffentlichung beschließt. A RT. 183. Vor Schließung oder baldigst nach Auflösung der jedesmaligen Versammlung eröffnet der Großherzog dem Landtag über dessen bis dahin nicht erledigten Anträge seine bestätigende oder verwerfende Erklärung in einem Landtagsabschiede. Der Landtagsabschied ist in die Gesetzsammlung einzurücken.

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) A RT. 184. Die näheren Bestimmungen über die Behandlung der Geschäfte auf dem Landtage wird die von demselben zu beschließende Geschäftsordnung enthalten. Bis zur Feststellung einer solchen gilt die von dem zunächst vorhergehenden Landtage angenommene Geschäftsordnung. Die Abgeordneten erhalten die Reisekosten erstattet und beziehen Taggelder, auf welche nicht verzichtet werden darf. Die Abgeordneten, welche am Versammlungsorte wohnen, erhalten die Hälfte der Taggelder.

4 Ständiger Landtags-Ausschuß A RT. 185. Die Bestimmungen über den ständigen Landtags-Ausschuß kommen nur dann zur Anwendung, wenn eine dreijährige Periode für die ordentlichen Landtage eintreten wird (Art. 166). A RT. 186. Vor der Schließung oder Vertagung eines Landtags wählt derselbe aus seiner Mitte mit absoluter Stimmenmehrheit einen ständigen Ausschuß. A RT. 187. Die Wirksamkeit des Ausschusses ist auf die Zeit zwischen den Landtagen beschränkt. A RT. 188. Der Ausschuß besteht außer seinem Vorstande aus fünf Abgeordneten – drei Abgeordneten des Herzogthums und einem Abgeordneten eines jeden der beiden Fürstenthümer. A RT. 189. Den Vorstand des Ausschusses wählt der Landtag aus den Abgeordneten des Herzogthums durch absolute Stimmenmehrheit. A RT. 190. Der Ausschuß ergänzt sich im Fall des Abgangs eines Mitgliedes durch Erwählung eines anderen Abgeordneten, unter Beachtung der in den Art. 188. und 189. aufgestellten Grundsätze. Im Falle des Abgangs des Vorstandes

übernimmt einstweilen das älteste der Mitglieder aus dem Herzogthume dessen Verrichtung und veranlaßt den Ausschuß zur Wahl eines neuen Vorstandes. A RT. 191. Die Mitglieder des Ausschusses haben während seiner Versammlung dieselben Rechte wie die Landtagsabgeordneten. (Art. 138. 148. 149. 184. Abs. 2). Die Wahl in den Ausschuß kann Niemand, so lange er Abgeordneter ist, ablehnen. Die im Art. 148. und 149. dem Landtage und seinem Präsidenten gegebenen Befugnisse stehen dem Ausschusse und seinem Präsidenten zu. Des dienstlichen Urlaubs bedürfen die Mitglieder des Ausschusses nicht; der Präsident des Ausschusses hat aber der Staatsregierung von der Einberufung eines der im Art. 137. gedachten Beamteten sofort Anzeige zu machen. A RT. 192. Der Ausschuß hat die Bestimmung: 1. einzelne Geschäfte des Landtags vorzubereiten oder zur Ausführung zu bringen, wenn er dazu von ihm beauftragt ist; 2. in den Fällen der Art. 160. und 221. sein Gutachten abzugeben: 3. auf die Vollziehung der Beschlüsse und der Landtagsabschiede zu achten, und sonst auf verfassungsmäßige Weise das Interesse des Landtags wahrzunehmen; 4. die Berufung eines außerordentlichen Landtags unter Darlegung der Gründe zu beantragen. Ueber die seiner Wirksamkeit unterliegenden Angelegenheiten kann er jederzeit von der Staatsregierung oder dem von derselben dazu ernannten Bevollmächtigten die erforderlichen Aufschlüsse begehren. A RT. 193. Der Ausschuß versammelt sich in der Stadt Oldenburg auf Berufung seines Vorstandes, der davon jedesmal dem Staatsministerium Anzeige macht.

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O LDENBURG Dem Antrage des Staatsministeriums oder zweier Mitglieder des Ausschusses auf Berufung des letzteren ist stets zu genügen. A RT. 194. Der Ausschuß soll mindestens einmal in jedem Jahre zusammentreten, wenn nicht in demselben Jahre ein Landtag Statt gefunden hat. A RT. 195. Im Ausschusse entscheidet absolute Stimmenmehrheit der, auf geschehene Berufung Aller, Erschienenen. Der Vorstand hat in allen Angelegenheiten eine Stimme, die bei Stimmengleichheit den Ausschlag giebt. Wenn nur zwei erschienen sind, müssen beide sich einigen. A RT. 196. Von seinen Sitzungen werden nur diejenigen öffentlich gehalten, bei denen er dies angemessen finden sollte. Zu einer öffentlichen Sitzung können Bevollmächtigte der Staatsregierung (Art. 175.) abgeordnet werden. A RT. 197. Der Ausschuß erstattet dem nächsten Landtage Bericht über seine Thätigkeit. A RT. 198. Ob es zur Erledigung der Geschäfte des Ausschusses einer persönlichen Zusammenkunft seiner Mitglieder bedarf, oder ob deren schriftliche Erklärung genügt, bleibt der Beurtheilung des Vorstandes überlassen.

B Von den Provinziallandtagen

gebildet, die auf je fünfzehnhundert Einwohner des Fürstenthums nach der allgemeinen Wahlordnung gewählt werden. Es bestehen für die Wahl dieser Abgeordneten folgende Wahlkreise: 1. für das Fürstenthum Lübek: a. Stadt und Amt Eutin, b. Amt Schwartau. 2. für das Fürstenthum Birkenfeld: a. Amt Birkenfeld, b. Amt Oberstein, c. Amt Nohfelden. A RT. 201. Die Abgeordneten des Herzogthums zum allgemeinen Landtage sind zugleich die Abgeordneten zum Provinziallandtage des Herzogthums Oldenburg. A RT. 202. Jeder Provinziallandtag hat in den Angelegenheiten der Provinz die Rechte und Befugnisse des allgemeinen Landtages, soweit sie nicht durch die dem allgemeinen Landtage vorbehaltenen Rechte beschränkt werden. Insbesondere bleiben die Einkünfte jeglicher Art in den genannten Landestheilen, imgleichen die Aufbringungsweise der zur Bestreitung der gemeinsamen Ausgaben erforderlichen Mittel der Beschlußnahme der Provinziallandtage vorbehalten, unbeschadet der Bestimmungen der Art. 61. und 153. A RT. 203. Der Provinziallandtag besteht für die für den allgemeinen Landtag festgesetzten Perioden, wird zusammenberufen, vertagt, geschlossen und aufgelös’t wie dieser und verfährt wie dieser. Die Geschäftsordnung darf er jedoch modificiren.

A RT. 199. Für die besonderen Angelegenheiten des Herzogthums Oldenburg, des Fürstenthums Lübek und des Fürstenthums Birkenfeld treten die Provinziallandtage in Oldenburg, in Eutin und in Birkenfeld zusammen.

A RT. 204. So lange die Bestimmung des Art. 201. besteht, ist auch der allgemeine Landtag als aufgelös’t anzusehen, sobald der Provinziallandtag des Herzogthums aufgelös’t wird.

A RT. 200. Die Provinziallandtage der Fürstenthümer werden aus Abgeordneten

A RT. 205. Die Abgeordneten der Provinziallandtage haben dieselben Rechte und

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S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) Pflichten und denselben Schutz wie die Abgeordneten des allgemeinen Landtages. A RT. 206. Die Bestimmungen über die Zahl der Abgeordneten und über die Zusammenlegung der Wahlkreise für die Provinziallandtage unterliegen der Abänderung durch ein Provinzialgesetz. A RT. 207. Im Einverständnisse mit dem betheiligten Provinziallandtage können sämmtliche Bestimmungen über die Verhältnisse und die Stellung der Provinziallandtage auf dem allgemeinen Landtage im gesetzlichen Wege abgeändert werden. Ohne ein solches Einverständniß kann diese Abänderung nur unter den Voraussetzungen des Art. 242. geschehen.

X. ABSCHNITT Vom Staatsgute, dem Krongute und von den Gebührnissen des Großherzogs und des Großherzoglichen Hauses A RT. 208. Die Sonderung des Domanial-Vermögens in Krongut und Staatsgut ist durch die zwischen dem Großherzoge und dem Landtage getroffene Vereinbarung vom 5. Februar 1849 geschehen, welche diesem Staatsgrundgesetze unter Nr. I. anliegt und als ein wesentlicher Bestandtheil desselben anzusehen ist.2 A RT. 209. Das gesammte vorhandene Staatsgut bildet eine im Eigenthume des ungetheilten Großherzogthums stehende Gesammtmasse, zerfällt aber in Beziehung auf die damit verbundenen Lasten und Beschwerden und in Beziehung auf den Genuß seiner Aufkünfte in drei nach den verschiedenen Provinzen gesonderte Massen. Der Genuß, die Lasten und Beschwerden des Staatsguts verbleiben der Provinz, zu der dasselbe gehört. Das Domanial-Vermögen (Staatsgut,

Krongut) ist bei Festsetzung des Beitrags aus jedem dieser drei Landestheile zu den Gesammtausgaben des Großherzogthums (Art. 223.) zu berücksichtigen und ist das ausgeschiedene Krongut jeder Provinz, zu der dasselbe gehört, auf die sie treffende Beitragsquote in Anrechnung zu bringen. A RT. 210. Das Staatsgut ist in seinen wesentlichen Bestandtheilen zu erhalten und auf eine das nachhaltige Einkommen sichernde Weise zu benutzen. Abweichungen von diesem Grundsatze, Veräußerungen oder Beschwerungen mit Schulden und andern Lasten sind mit Bewilligung des allgemeinen Landtags zulässig. Dieser Bewilligung bedarf es nicht für gesetzliche Ablösungen, für gesetzliche Ausweisungen, so wie für Veräußerung einzelner Landstücke zur Beförderung der Landescultur, zur angemessenen Beseitigung etwaiger Unzuträglichkeiten oder zur Berichtigung zweifelhafter Grenzen im Inlande. Der Erlös aus Ablösung und Veräußerung ist vorläufig zinsbar zu belegen. Zu einer sonstigen Verwendung desselben bedarf es der Zustimmung des allgemeinen Landtags. A RT. 211. Das Staatsgut wird von den Staats-Finanzbehörden verwaltet. A RT. 212. Die Aufkünfte des Staatsguts fließen in die Staatscassen und werden lediglich zu Staatsausgaben verwendet. A RT. 213. Alle Veränderungen im Bestande des Staatsguts sind dem nächsten ordentlichen allgemeinen Landtage darzulegen. A RT. 214. Die Bestimmungen in Betreff des Kronguts und der Gebührnisse des Großherzogs und des Großherzoglichen Hauses sind in der Anlage Nr. I. (Art. 208.) enthalten.3

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O LDENBURG A RT. 215. Dem Großherzoge und der Großherzoglichen Familie steht über das Privatvermögen die freie Verfügung zu, nach den näheren Bestimmungen des Hausgesetzes. Das dermalige im Großherzogthum vorhandene Privatgrundvermögen des Großherzogs ist in der Anlage Nr. II. verzeichnet.4

anderen Grunde sich verzögert, dürfen die für den ordentlichen Staatsbedarf bewilligten Steuern und Abgaben noch sechs Monate hindurch forterhoben werden. Diese sechs Monate werden in die neue Finanzperiode eingerechnet. Die bestehenden Steuern und Abgaben sind längstens bis zum Schlusse des nächsten Landtags fortzuerheben.

XI. ABSCHNITT

A RT. 220. Der Landtag und der ständige Landtags-Ausschuß überwachen die Erhebung und bestimmungsmäßige Verwendung der Staatseinkünfte innerhalb der durch das Finanzgesetz gezogenen Grenzen, für deren Innehaltung, auch in der Art, daß Ersparnisse in einer Ausgaberubrik nicht für eine andere verwandt werden, das Staatsministerium verantwortlich ist. Zu dem Ende sollen auf jedem ordentlichen Landtage zugleich mit dem Voranschlage die bis dahin abgelegten und von der Staatsregierung decidirten Rechnungen der Haupt-Cassen und der zugehörigen Neben-Cassen nebst den erforderlichen Belegen und Erläuterungen vorgelegt werden.

Vom Staatshaushalte A RT. 216. Ohne Zustimmung des Landtags können Steuern und Abgaben weder ausgeschrieben noch erhoben, Anleihen und Schulden nicht gültig gemacht werden. A RT. 217. Der gesammte Staatshaushaltsbedarf soll auf jedem ordentlichen Landtage für die nächstfolgende Finanzperiode mit Zustimmung des Landtags festgesetzt werden. Zu dem Ende wird die Staatsregierung dem Landtage einen nach den Hauptverwaltungszweigen aufgestellten Voranschlag vorlegen. Der Voranschlag muß mit möglichster Vollständigkeit und Genauigkeit die Ausgaben, Einnahmen und die Deckungsmittel befassen, insbesondere das Bedürfniß der zu machenden Ausgaben nachweisen, die Art und Weise der Aufbringung der Mittel begründen und mit allen zur Prüfung erforderlichen Belegen und Erläuterungen versehen sein. A RT. 218. Der vom Landtage bewilligte Voranschlag bildet die Grundlage des demnächstigen Finanzgesetzes, welches mit Beziehung auf diese Bewilligung vom Großherzoge beim Schlusse des Landtages verkündet wird. A RT. 219. Wenn nach Ablauf der Bewilligungszeit das Zustandekommen eines neuen Finanzgesetzes aus dem einen oder

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A RT. 221. In dringenden und unvorhergesehenen Fällen kann die Staatsregierung unter den im Art. 160. Z. 2. angegebenen Voraussetzungen und Bedingungen, die zur Deckung eines außerordentlichen Bedürfnisses unumgänglich erforderlichen finanziellen Maßregeln vorläufig verfügen. Es sind dieselben aber unter Nachweisung der verwandten Summen dem nächsten Landtage zur Erwirkung der verfassungsmäßigen Zustimmung vorzulegen. Die beiden letzten Absätze des Art. 160. finden auch hier Anwendung. A RT. 222. Die Erlassung rückständiger Domanial-Einnahmen, Steuern, Abgaben, Sporteln und Gebühren in einzelnen Fällen bleibt dem Ermessen der Staatsregierung überlassen.

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) A RT. 223. Die Vertheilung der dem gesammten Großherzogthum zur Last fallenden Ausgaben geschieht über die Provinzen nach deren Steuerkräften. Bis zu einer genügenden Ermittelung dieser Steuerkräfte in allen Landestheilen wird eine Quote zu den Gesammtausgaben des Großherzogthums dahin festgesetzt, daß dazu beizutragen haben: das Herzogthum Oldenburg achtzig Procent, das Fürstenthum Lübek eilf und ein halbes Procent, das Fürstenthum Birkenfeld acht und ein halbes Procent. Auf dem dritten nach Erlassung des Staatsgrundgesetzes zu berufenden ordentlichen allgemeinen Landtage soll diese Quotenbestimmung einer abermaligen Prüfung unterzogen und nach deren Ergebniß der Beitrag jeder Provinz zu den Gesammtausgaben im Wege der Gesetzgebung – jedoch unter Beobachtung des nach Art. 154. vorher eintretenden Verfahrens, falls die Abgeordneten der einzelnen Provinzen über die Größe der Quoten sich nicht einigen – weiter geordnet werden. Bis dahin bleibt der jetzt bestimmte Beitragsfuß bestehen.

XII. ABSCHNITT Von der Gewähr der Verfassung A RT. 224. Der Großherzog sichert gleich nach Vereinbarung des Staatsgrundgesetzes dem Lande eidlich die unverbrüchliche Aufrechthaltung der Verfassung in einer Urkunde zu, welche dem Landtage zugestellt und in dessem Archive niedergelegt wird. A RT. 225. Jeder Regierungsnachfolger verspricht vor seinem Regierungsantritt mittelst feierlichen Eides: „die Staatsverfassung unverbrüchlich aufrecht zu erhalten und in Gemäßheit der grundgesetzlichen Bestimmungen, so wie nach den Gesetzen zu regieren.“ Die Mitglieder des Staatsministeriums

und fünf Abgeordnete des versammelten Landtages oder die sofort einzuberufenden Mitglieder des ständigen Landtags-Ausschusses, welche sich im Herzogthum Oldenburg aufhalten, oder, falls der Landtag aufgelößt sein sollte, fünf Abgeordnete des letzten Landtages werden zu dem Ende versammelt. Das Ausbleiben der einen oder anderen der eingeladenen Personen veranlaßt keinen Aufschub der Handlung. Das darüber aufgenommene und von dem Regierungsnachfolger, so wie von den Anwesenden unterschriebene Protokoll wird im Landtags-Archive aufbewahrt. Bis zur Eidesleistung des RegierungsNachfolgers führt das Staatsministerium die Regierung. A RT. 226. Ist der Regierungsnachfolger durch Krankheit oder Abwesenheit an der sofortigen feierlichen Eidesleistung verhindert, so tritt für die Dauer des Hindernisses eine schriftliche eidliche Versicherung desselben Inhalts an die Stelle des Eides. A RT. 227. Der verfassungsmäßig geschehene Regierungsantritt wird darauf vom Landtag anerkannt. Ist der Landtag bei der Regierungserledigung nicht versammelt, so tritt der zuletzt versammelt gewesene Landtag am vierzehnten Tage nach der Regierungserledigung auch ohne Berufung zusammen. Der Landtag kann wider seinen Willen innerhalb vier Wochen nach der Regierungserledigung, beziehungsweise nach seinem Zusammentritt nicht vertagt, geschlossen oder aufgelös’t werden. A RT. 228. Im Falle einer Regentschaft ist von dieser der im Art. 225. vorgesehene Eid zu leisten. A RT. 229. In den Diensteid der Staatsbeamten, so wie in den Fahneneid ist der Eid auf die Verfassung aufzunehmen. Die zur Zeit im Dienste befindlichen Personen sind

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O LDENBURG sobald als möglich auf die Verfassung zu beeidigen. A RT. 230. Der Landtag ist befugt, die Mitglieder des Staatsministeriums, welche sich, sei es durch eigenes Handeln oder Unterlassen oder durch bloße Zulassung, vorsätzlich oder fahrlässig, einer Verletzung der Verfassung oder sonstiger Verletzung ihrer Amtspflicht schuldig gemacht haben sollten, gerichtlich anzuklagen. Der Beschluß zu einer solchen Anklage bedarf zu seiner Gültigkeit der Wiederholung in einer zweiten, wenigstens acht Tage nach der ersten Abstimmung abgehaltenen Sitzung. A RT. 231. So lange es hierfür an einem allgemeinen deutschen Gerichte fehlt, tritt ein besonderer Staatsgerichtshof ein. Die Bestimmungen über dessen Einrichtung und Verfahren sind in der Anlage III. enthalten.5 A RT. 232. Die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs erstreckt sich auch auf die Mitschuldigen. A RT. 233. Der Landtag kann auf sein Klagerecht verzichten und eine bereits erhobene Anklage jederzeit fallen lassen. A RT. 234. Das Klagerecht verjährt in vier Jahren von dem Tage an, wo die Thatsache, auf welche die Anklage gebaut wird, zur Kunde des Landtages gekommen ist. A RT. 235. Ueber die vom Staatsgerichtshofe zu erkennenden Strafen wird ein Gesetz, welches einem der nächsten Landtage vorgelegt werden soll, die erforderlichen Bestimmungen treffen. Bis dahin erkennt der Staatsgerichtshof: 1. als Strafe einer Verletzung der Verfassung: Mißbilligung, Verweis, Dienstentlassung oder Dienstentsetzung und im Falle des Hochverraths dessen gesetzliche Strafe; 2. wegen sonstigen Amtsverbrechens

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oder Amtsvergehens die gesetzlichen Strafen; 3. stets auch über etwaige Entschädigungsforderungen und über die Prozeßkosten. A RT. 236. Dem Staatsgerichtshof bleibt unbenommen, die vorläufige Entfernung des Angeklagten aus dem Staatsministerium schon während des Prozesses zu verfügen. A RT. 237. Das Erkenntniß – lautet auf Verurtheilung oder Freisprechung; eine Entlassung von der Instanz ist nicht zulässig. Bis das im Art. 235. gedachte Gesetz vorliegt, kann der Gerichtshof bei der Verurtheilung von Erstattung der Kosten ganz oder theilweise entbinden, auch eine Pensionirung, unter Bestimmung der Größe der Pension, anordnen; diese darf jedoch die Hälfte des Gehalts nicht übersteigen. A RT. 238. Der Landtag hat die Befugniß gegen andere, zum Staatsministerium nicht gehörende Beamte wegen Verletzung der Verfassung oder eines sonstigen AmtsVerbrechens oder Vergehens eine gerichtliche Untersuchung durch Antrag bei dem Staatsministerium zu veranlassen. Dieses hat den Antrag sofort dem zuständigen Gerichte mitzutheilen und davon, daß und wie es geschehen ist, den Landtag in Kenntniß zu setzen. Dieselbe Befugniß hat der ständige Landtags-Ausschuß. A RT. 239. Waltet über die Auslegung des Staatsgrundgesetzes eine Verschiedenheit der Ansichten zwischen der Staatsregierung und dem Landtage ob, und ist eine Verständigung nicht erreicht, so soll auf Antrag, sei es der Staatsregierung oder des Landtages, die Frage von einem vereinbarten Schiedsgerichte oder vom deutschen Reichsgerichte, oder so lange ein solches fehlen sollte, vom Staatsgerichtshofe als Schiedsgericht erledigt werden.

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) A RT. 240. Dem Schiedsgerichte ist von jedem Theile eine schriftliche Ausführung zu übergeben, solche gegenseitig mitzutheilen und in einer zweiten Schrift zu beantworten; alles in den vom Schiedsgerichte zu bestimmenden Fristen. A RT. 241. Der vom Schiedsgerichte abzugebende Spruch soll von demselben öffentlich bekannt gemacht werden und dann die Kraft einer authentischen Auslegung haben. A RT. 242. Ein Beschluß des Landtages, wodurch eine Abänderung des Staatsgrundgesetzes oder ein Zusatz zu demselben beantragt oder zugestanden wird, erfordert: 1. daß er auf zwei nach einander folgenden Landtagen, zwischen denen eine neue Abgeordnetenwahl Statt gefunden hat, gefaßt werde; 2. daß der Tag der Abstimmung jedes Mal acht Tage vorher angekündigt worden; 3. daß wenigstens drei Viertheile der einberufenen Abgeordneten an der Abstimmung Theil nehmen und wenigstens zwei Drittheile dieser Theilnehmenden sich für die Abänderung oder den Zusatz erklären. Dieser Artikel findet auf diejenigen Bestimmungen keine Anwendung, deren Abänderung durch die Gesetzgebung in diesem Staatsgrundgesetze vorbehalten ist.

XIII. ABSCHNITT Allgemeine Bestimmungen A RT. 243. Auf eine der neuen Gestaltung Deutschlands entsprechende Feststellung der staatsrechtlichen Verhältnisse der Herrschaft Kniphausen ist von der Staatsregierung, soweit nöthig unter Zuziehung des Landtags, hinzuwirken. A RT. 244. Aller Lehnsverband ist aufzuheben. Das Nähere über die Art und Weise der Ausführung ist durch ein Gesetz zu ordnen.

A RT. 245. Die Familienfideicommisse sind aufzuheben. Die Art und die Bedingungen der Aufhebung sind durch ein Gesetz zu bestimmen. Gleiche Bestimmungen wie für die Familienfideicommisse gelten für die Stammgüter. A RT. 246. Die Civilehe ist einzuführen. A RT. 247. Die Führung der Verzeichnisse über Ehen, Geburten und Todesfälle (Standesbücher) soll neu geordnet und bürgerlichen Behörden übertragen werden. A RT. 248. Die Einführung des Notariats, die Verbesserung des Vormundschaftwesens, namentlich durch Betheiligung der Familie, und des Hypothekenwesens nach dem Grundsatze der Specialität, so wie des Armenwesens bleibt der Gesetzgebung vorbehalten. A RT. 249. Das Vermögen und Einkommen der zu Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecken bestehenden Anstalten, Stiftungen und Fonds darf für andere als die stiftungsmäßigen Zwecke nicht verwendet werden. Nur in dem Falle, wo der stiftungsmäßige Zweck nicht mehr zu erreichen steht, darf eine Verwendung zu anderen ähnlichen Zwecken mit Zustimmung der Betheiligten und, sofern öffentliche Anstalten in Betracht kommen, mit Bewilligung des Landtags erfolgen. A RT. 250. Die von den bestehenden politischen Gemeinden bisher unabhängigen Genossenschaften, deren neue gesetzliche Ordnung erforderlich ist, namentlich die Wasserbaugenossenschaften, sind durch ein Gesetz, so weit thunlich nach den über die politischen Gemeinden geltenden Grundsätzen zu regeln. Den Wasserbaugenossenschaften ist bei der Anstellung aller Beamten Mitwirkung zu geben. A RT. 251. Die Verhältnisse der Marken und Markengenossenschaften in den Krei-

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O LDENBURG sen Vechta und Cloppenburg sind durch ein dem nächsten Landtage vorzulegendes Gesetz neu zu ordnen. Das bisher vom Staate, vom Gutsherrn oder vom Markenrichter ausgeübte Recht, von den Markengründen in den ehemals münsterschen Kreisen die s. g. tertia marcalis d. h. den dritten Theil der Markenflächen an sich zu ziehen, desgleichen die in den vormals unter hannoverscher Hoheit gestandenen Marken hergebrachten markenrichterlichen Ansprüche auf Grund und Boden, sollen durch ein Gesetz aufgehoben und sollen über die Verwendung derselben die näheren gesetzlichen Bestimmungen, unter wesentlicher Berücksichtigung der nicht markenberechtigten Grundbesitzer und der Nichtgrundbesitzer, getroffen werden. Bis zur Erlassung dieses Gesetzes bleiben die bestehenden Verhältnisse, insbesondere die angeführten markenrichterlichen Rechte, in dem Umfange, in welchem sie gegenwärtig ausgeübt werden, in Kraft. A RT. 252. Zur Bewirkung ber Nutzbarmachung unbebauter Flächen, – insbesondere zu dem Zwecke, den Unbemittelten die Erwerbung von Grundbesitz zu erleichtern – soll für das Herzogthum Oldenburg eine besondere Behörde hergestellt werden. Dieser Behörde ist die Leitung der Anstalten und Einrichtungen, welche vom Staate zu dem gedachten Zwecke getroffen werden, zu übertragen, und sind ihr insbesondere die dem Staate zustehenden Ausweisungen unbebauter Flächen zu überlassen. Auch soll sie durch angemessene Staatsmittel zu geeigneter Unterstützung von Anbauern in den Stand gesetzt werden. A RT . 253. Bis zur Erlassung der Gesetze, welche zur Ausführung der im Staatsgrundgesetze ausgesprochenen Grundsätze erforderlich oder bereits in Aussicht gestellt sind, bleiben die besteden in Gesetz und Herkommen begründeten Normen in Gültigkeit, sofern solchen nicht Bestimmungen

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des Staatsgrundgesetzes entgegenstehen. A RT. 254. Es ist auf möglichste Verbreitung der Kenntniß des Staatsgrundgesetzes Bedacht zu nehmen.

ANLAGE I Vereinbarung zwischen Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge und dem durch das Gesetz vom 26. Juni 1848 berufenen Landtage des Großherzogthums Oldenburg wegen des Domanialvermögens § 1. Dem Großherzoge verbleiben die Schlösser und deren Pertinentien nebst den bisher unter der Hofverwaltung gestandenen und den sonstigen Grundstücken und Natural-Bezügen, wie solche in der Anlage A. verzeichnet sind.6 § 2. Von dem gesammten, bisher von den Staatsbehörden verwalteten DomanialBestande werden zur Sustentation des Großherzoglichen Hauses Grundstücke ausgeschieden zum Pachtwerthe von fünfundachtzigtausend Thaler, und für Krongut der jetzt regierenden Fürstlichen Familie (Art. 8. des Staatsgrundgesetzes) erklärt, in dessen Besitz der jedesmalige regierende Großherzog sich befindet. § 3. Zum Krongute im Besitze des Großherzogs gehören auch die im §. 1. gedachten Grundstücke. § 4. Der nach §. 2. auszuscheidende Domanial-Bestand soll keine Forsten, keine Außengroden und soweit thunlich keine Gewerbsbetriebsanstalten und keine unbehausete eingedeichte Groden befassen. § 5. Der Pachtwerth der in §. 2. gedachten Grundstücke soll durch Berechnung des Pachtertrags, so weit es angeht, nach einem

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) Durchschnitte der letzten zwanzig Jahre, ermittelt werden. Bei administrirten Gütern soll der nach Abzug der Verwaltungskosten verbliebene Ueberschuß dem Pachtertrage gleichgelten. § 6. Der Großherzog giebt, vorbehältlich der Bestimmung im §. 7. die der regierenden Fürstlichen Familie zustehenden Rechte an dem gesammten übrigen DomanialVermögen zum Besten des Landes auf, und erklärt dasselbe für Staatsgut. § 7. Der Großherzog bezieht zu dem im §. 2. angegebenen Zwecke aus dem unter diesem Vorbehalt für Staatsgut erklärten Domanial-Vermögen jährlich eine baare Summe von fünfundachtzigtausend Thalern. § 8. Diese fünfundachtzigtausend Thaler werden hiedurch auf das bisherige Domanial-Vermögen (§. 6.) radicirt, dergestalt, daß dessen Einkünfte zunächst bestimmt bleiben zur Abführung jener fünfundachtzigtausend Thaler, wozu es keiner besonderen ständischen Zustimmung und Bewilligung bedarf. Diese Radicirung soll der staatswirthschaftlichen Verwaltung und Verfügung auch über diesen Theil des Staatsguts keinen Eintrag thun. § 9. Der Bezug der zur Sustentation des Großherzoglichen Hauses bestimmten Baarsumme aus dem bisherigen Domanial-Vermögen (§. 7.) unterliegt der Vereinbarung des Regierungs-Nachfolgers mit dem allgemeinen Landtage, unbeschadet jedoch der im §. 8. bestimmten Radicirung und ihrer Folgen. Wenn diese Vereinbarung nicht vor Erlassung des nächsten Finanzgesetzes getroffen ist, so soll die deutsche Reichsgewalt ersucht werden, über den Betrag der Baarsumme Entscheidung abzugeben. Bis dahin, daß diese Entscheidung erfolgt ist, bleibt der Regierungs-Nachfolger im

Genusse der vom Regierungs-Vorfahren bezogenen Summe. § 10. Das Großherzogliche Krongut, dessen im §. 2. gedacht ist, wird unter Verantwortlichkeit des Staatsministeriums von der Staatsfinanzbehörde verwaltet. Es ist deshalb besondere Rechnung zu führen, welche dem allgemeinen Landtage gleichzeitig mit der Staatscasse-Rechnung vorgelegt werden soll. § 11. Das Großherzogliche Krongut kann nur mit ständischer Zustimmung veräußert oder mit Schulden belastet werden, und ist vom Lande untrennbar. § 12. Der Großherzog übernimmt auf die zur Sustentation des Großherzoglichen Hauses vorbehaltenen Mittel: 1. die Kosten der gesammten Hofhaltung; 2. die Dotation des volljährigen Erbgroßherzogs, welche nie weniger als jährlich dreizehntausend fünfhundert Thaler betragen soll; 3. sämmtliche Apanagen der Mitglieder der regierenden Fürstlichen Familie; 4. die Fräuleinsteuer; 5. das Witthum der verwittweten Großherzogin; 6. im Fall einer Regentschaft den angemessenen Bedarf des Regenten, über dessen Betrag das Hausgesetz nähere Bestimmung treffen wird; 7. die jetzigen und künftigen Pensionen der zum Hofe gehörigen Personen und ihrer Angehörigen; 8. sämmtliche Baukosten, sowohl zur Erhaltung als zum Neubau der der regierenden Fürstlichen Familie nach §. 1. und 2. verbleibenden Gebäude; 9. die Beiträge zur Brandcasse; 10. die Gemeinde-Abgaben und Lasten, welche über Grund und Boden vertheilt werden, vorbehältlich der Ausnahme im Art. 61. des Staatsgrundgesetzes;

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O LDENBURG 11. die durch die Verwaltung des Kronguts erwachsenden Kosten. Die Gebühren und Kosten für Hebung der Einkünfte des Kronguts bleiben zu Lasten der Staatscasse; auch wird von demselben kein Beitrag zu dem Aufwande geleistet, den die Staatsfinanzbehörde und ihre Officialen erfordern, wohin jedoch Tagegelder und Fuhrkosten nicht gehören. § 13. Staatslasten, Steuern und Abgaben, welche an den Staat zu leisten sind, können die zur Sustentation des Großherzoglichen Hauses bestimmten Mittel nicht unterworfen werden. Auch unterliegt das Privat-Capital-Vermögen des Großherzogs und der Mitglieder der regierenden Fürstlichen Familie keinerlei Staats- oder Gemeinde-Steuern, Abgaben und Lasten. § 14. Diese Vereinbarung ist nur für die Dauer der im Art. 8. des Staatsgrundgesetzes bestimmten Regierungsnachfolge gültig und fällt mit allen daraus zu ziehenden Folgerungen weg, sobald kein Nachkomme aus dem Mannsstamme des Herzogs Peter Friedrich Ludwig mehr an der Regierung des Großherzogthums ist, unbeschadet jedoch des Rechtsbestandes der inzwischen am Domanialbestande vorgenommenen Aenderungen.

NEBENANLAGE A Verzeichniß der zur Großherzoglichen Hofverwaltung vorbehaltenen Gebäude, Grundstücke und sonstigen Gegenstände

I

mer-Hause, dem Küchenflügel, den Holzschuppen, der Eishütte, den Enclos und dem innern und äußeren Schloßplatze, welcher letzterer sich von der Brücke an der Huntestraße in der Nähe der Mühle bis 30 Schritte östlich und südlich von der Hauptwache und bis an die Brücke neben der Wache und zu der Barrière erstreckt, welche den Baumhof von der Straße des inneren Damms trennt. Zu dem Schloßplatze gehört ferner das Straßenpflaster in seiner ganzen Breite südlich von der Allée auf dem innern Damm bis zu der Brücke im mittlern Damm; 2. das kleine Palais mit dem daneben belegenen Hofraum; 3. der Marstall mit dem Reithause und der neuen Wagenremise, so wie mit der alten Wagenremise und dem freien Platze neben derselben, worauf das ehemals Schröder’sche Haus gestanden, an der Mühlenstraße, dem Düngerplatze und der Remise bei dem Haaren-Vorwerke; 4. das am Schloßgarten am innern Damm belegene, von der Wittwe des Cammer-Cassirers Müller angekaufte Haus, nebst Platz vor demselben; 5. die Castellanei am äußersten Damm mit den Nebengebäuden, dem Eiskeller und Garten; 6. der Eiskeller am Wall, nebst Brücke und Thor; 7. der Schloßgarten mit den sämmtlichen darin befindlichen Gebäuden; 8. der sonst Mucksche Garten vor dem Everstenholze mit dem darin befindlichen Gartenhause;

Im Herzogthum Oldenburg:

9. die Wallmeisterwohnung mit Stall und Garten am Everstenholze;

1. das Großherzogliche Schloß mit dem damit in Verbindung stehenden Frauenzim-

10. der herrschaftliche Gemüsegarten auf der Schanze auf dem äußersten Damm;

102

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) 11. der Wall; 12. das Everstenholz; 13. der Gestüthof auf dem Haarenvorwerk mit Einschluß der dortigen Wohnung und Garten für den Gestütmeister und Knechte; 14. die Gemälde-Gallerie; 15. das naturhistorische Museum am Stau nebst Stall und Nebengebäude und Garten; 16. die Begräbniß-Capelle; 17. nachstehende bisher vom Marstall und Gestüt benutzte Grundstücke: a. die Harbersschen Weiden groß p. m. 40 Scheffel Saat; b. Renken-Weide, groß 22 Scheffel Saat; c. Steinkreuz-Wiese, früher 127 Scheffel Saat; d. Pastorei-Wiese, ehemalige, groß 26 Scheffel 20  R. e. große und kleine Vorwerksweide, 77 Scheffel 18  R. 290  F.; f. Gartenland (jetzt Weide) groß 18 Scheffel 22  R. 110  F.; g. Harten’sche Weide, groß 50 Scheffel 28  R. 126  F.; h. Exercirplatz, groß 55 Scheffel 7  R. 29  F.; i. Haarenmühlenweiden, groß 30 Scheffel 10  R. 210  F.; k. Papenweide, groß 19 Scheffel 9  R.; l. Seggernweide, groß 50 Scheffel 2  R. 156  F.; m. kleine und lange Holzweide, groß 27 Scheffel 5  R. 240  F.; n. die große Dammkoppel-Parcele, circa 51 Scheffel Saat und der Anschuß an die Renken-Weide; o. der Blutegelteich neben dem Garten der Haarenmühle mit der Berechtigung der

Ueberwegung durch diesen Garten nach dem Teiche; 18. der große Wildpark zu Rastede mit dem darin befindlichen Wohnhause und Nebengebäude des Parkaufsehers; 19. der kleine Wildpark daselbst; 20. die zur Dienstwohnung des Parkaufsehers zu Hankhausen früher gelegten 12 und 14 Scheffel Saat Landes und ein Placken aus der Gemeinheit;  21. das Schloß         22. der Schloßthurm        23. das Wachthaus vor      dem Schlosse  zu Jever;   24. der Marstall         25. der Schloßgarten         26. die Wagen- und Torf-    Remise bei dem Schlosse; 27. Für die Schlösser in Oldenburg und Rastede an Brennholz nach einem 10jährigen Durchschnitt, jährlich Für das Schloß in Jever an Brennholz, jährlich und an Torf

615

Faden

14 50

” Fuder.

Sollte der Hof künftig längere Zeit in Jever residiren, so wird an Brennholz mehr geliefert: a. für den Sommermonat 10 Faden b. ” ” Wintermonat 30 ” 28. die Jagd auf den sämmtlichen Kronund Staatsgütern; 29. die herrschaftlichen Kirchenstühle und das Gräfliche Mausoleum in der St. Lambertus-Kirche zu Oldenburg resp. in

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O LDENBURG der Kirche zu Jever und die Herrschaftlichen Gräber auf dem Kirchhofe zu Oldenburg.

Forstbenutzung in diesen Forstorten steht zwar der Forstbehörde zu, jedoch hat dieselbe dieserhalb mit der Hofverwaltung vorgängige Rücksprache zu nehmen;

II

8. die Herrschaftlichen Zimmer im Försterhause zu Wüstenfelde;

Im Fürstenthum Lübek: 1. das Großherzogliche Schloß mit sämmtlichen Nebengebäuden, als namentlich den Wagen-Remisen, den Marstall mit der Reitbahn, der Castellanei, dem Waschhause am See, den Fischbehältern, der Eishütte; der innere und äußere Schloßplatz, der Platz bei der Castellanei bis zum See; der Jungfernstieg und der Freigang; die Mitbenutzung des Materialhauses und der Holzhöfe am Jungfernstieg; 2. das Cavalierhaus; 3. die Hofgärtnerwohnung nebst Zubehör am Jungfernstiege, die Gartenknechtswohnung nebst Zubehör daselbst; 4. der Schloßgarten mit sämmtlichen darin befindlichen Gebäuden; der Küchengarten nebst Zubehör bei der Hofgärtnerwohnung; die Wasserleitungen nach dem Schloßgarten; die Aufsicht über die Anlage nach dem Eichenhain und über die Spitze des Exercirplatzes, soweit diese mit Bäumen und Buschwerk bestanden ist; 5. die Insel im großen Eutiner See mit den darauf befindlichen Gebäuden; 6. der Jägerhof bei Eutin nebst den dazu gehörigen Nebengebäuden, Zwinger, Hofplatz und Gärten; 7. der Pavillon nebst Küchengebäude und Pferdestall zu Sielbeck, die vormalige Ziegelerwohnung und das zum Ausbau bestimmte vormalige Brennhaus mit den umliegenden Gründen; die Parkanlage im Ukeleigehege, deren etwaige Ausdehnung, auch auf die benachbarten, näher namhaft zu machenden, Forstorte und nach dem Leben vorbehalten bleibt; die Forstcultur und

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9. die zum Schlosse gehörigen Feuerlösch-Geräthschaften; 10. die ausschließliche Jagd auf den sämmtlichen Kron- und Staatsgütern; 11. an Lieferungen und Leistungen: a) aus den Forsten: für das Schloß u.s.w., inclus. freie Anfuhr, wie bisher, 142 Faden gesundes Buchenkluftholz, 8 Faden Eichenholz, 1 Faden Knüppelholz, 24 Tragt Busch zu Besen, nebst Schächten, 1 ½ Fuder Erbsenbusch und 127,000 Soden Baggertorf, so wie 3,200 Soden Stichtorf. Im Fall der Hof längere Zeit in Eutin residirt, wird an Brennholz mehr geliefert: für den Sommermonat 10 Faden ” ” Wintermonat 30 ” b) vom Bauhofe: jährlich unentgeldliche Lieferung von 4 Fuder Heu nach dem Marstall, so wie gegen marktgängige Vergütung Heu und Stroh, falls der Hof anwesend ist; jährliche unentgeldliche Lieferung von 100 Fuder Grand und von 60 Karren Dünger nach dem Schloßgarten; jährliche unentgeldliche Lieferung von 10 Fuder Heu à circa 1,500 Pfund, 10 Fuder Stroh à circa 150 Klappen, und 4 Fuder Streustroh nach dem Jägerhofe; jährliche unentgeldliche Leistung der zu den Jagden benöthigten Fuhren, desgleichen Stellung der erforderlichen Kähne; gewisse bei Anwesenheit des Hofes bisher geleistete außerordentliche Fuhren. c) von 33. resp. Erbpächtern und vormals nach dem Vorwerk Rotenstande dienstpflichtig gewesenen Hufnern, einem jeden

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) jährlich 1 Fuder Heu oder aber 4 Thlr. an die Marstallscasse; 12. die herrschaftlichen Gräber auf dem Kirchhofe bei Eutin.

III

Er besteht fort innerhalb dieser Periode auch im Falle einer Vertagung oder Auflösung des Landtages, und nach Ablauf derselben für den einzelnen Fall, der durch Uebergabe der Anklageschrift vorher an ihn gebracht worden, bis zur gänzlichen Beendigung des Processes.

im Fürstenthum Birkenfeld 1. die Wohnung im Regierungsgebäude für die Großherzogliche Familie; 2. die Lieferung des bei Anwesenheit des Großherzoglichen Hofes in Birkenfeld erforderlichen Feuerungs-Materials und Wildes.

ANLAGE II Die sämmtlichen zum Privatvermögen Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs gehörenden im Lande belegenen Grundstücke bestehen in folgenden: 1) im Herzogthum Oldenburg: das Schloß und das Erbprinzenhaus zu Rastede mit den dazu gehörigen Pertinenzien; das Vorwerk zu Rastede; die Mühle zu Hankhausen; die Gristeder Forstbüsche und Wiesen; das Theater zu Oldenburg. 2) im Fürstenthum Lübek: das Gut Benz und das s. g. Palais in der Stadt Eutin.

ANLAGE III Von der Einrichtung und dem Verfahren des Staatsgerichtshofs § 1. Der Staatsgerichtshof besteht aus einem Präsidenten und sechs Richtern. § 2. Er wird am Schlusse jedes ordentlichen Landtags für eine Wahlperiode gebildet.

§ 3. Drei Mitglieder desselben werden durch das Loos aus den Mitgliedern des höchsten Landesgerichts berufen. § 4. Von den übrigen vier Mitgliedern werden aus den richterlichen Beamten im Großherzogthum von der Staatsregierung zwei und von dem allgemeinen Landtage ebenfalls zwei erwählt. Diese Mitglieder müssen wenigstens dreißig Jahre alt und dürfen nicht Abgeordnete zum Landtage sein. Sämmtliche sieben Mitglieder wählen unter sich den Präsidenten. § 5. Auf gleiche Weise (§. 4.) und unter gleichen Beschränkungen erfolgt die Ernennung von vier Ersatzrichtern. § 6. Fällt ein Mitglied des Staatsgerichtshofes aus irgend einem Grunde weg, so findet, wenn es dem höchsten Landesgerichte angehört, sofort eine Ergänzung durch das Loos Statt (§. 3.). Für ein nach §. 4 erwähltes Mitglied, welches ausfällt, tritt nach der bei der Wahl zu bestimmenden Reihenfolge ein Ersatzrichter ein, und zwar, wenn es von der Staatsregierung erwählt war, das von der Staatsregierung ernannte, und wenn es von dem Landtage erwählt war, das von dem Landtage ernannte. § 7. Die Mitglieder des Staatsgerichtshofes sind für diesen ihren Beruf von dem Diensteide entbunden und bloß durch den geleisteten Eid auf Verfassung und Gesetz verpflichtet.

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O LDENBURG § 8. Eine Zurücknahme der Ernennung der Mitglieder des Staatsgerichtshofs und der Ersatzrichter ist während der Zeit und während des Processes, wofür sie berufen sind (§. 2.), nicht zulässig. § 9. Wird ein Mitglied des Staatsgerichtshofes befördert oder erhält ein solches Zulage, so steht den Anklägern deshalb die Ablehnung desselben zu. § 10. Der Staatsgerichtshof versammelt sich auf Einberufung durch den Präsidenten, welcher damit sogleich verfahren muß, wenn er unter Angabe des Gegenstandes durch einen ihm beglaubigt mitgetheilten Beschluß des Landtags dazu aufgefordert wird. § 11. Jedes Mitglied des Staatsgerichtshofs kann sowohl von dem anklagenden, als von dem angeklagten Theile abgelehnt werden, unter Darlegung der Umstände oder Verhältnisse, welche gegründete Bedenken gegen seine Unparteilichkeit erregen. § 12. Falls einem Mitgliede Umstände oder Verhältnisse bekannt sind, die gegen seine Person solche Bedenken (§. 11.) erregen könnten, hat es dem Staatsgerichtshofe davon Anzeige zu machen. Dieser wird beiden Theilen die Anzeige mittheilen. § 13. Wird von dem einen oder dem anderen Theile ein Ablehnungsgrund geltend gemacht, so entscheidet der Staatsgerichtshof über die Statthaftigkeit der Ablehnung. § 14. Das Hauptverfahren vor dem Staatsgerichtshof, nach der etwa nöthig erachteten Voruntersuchung ist das Anklageverfahren. Es soll mündlich und öffentlich sein. Die Oeffentlichkeit kann auf Antrag der Staatsregierung in Uebereinstimmung mit dem Landtage, beziehungsweise mit dem

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ständigen Landtags-Ausschusse aus Rücksichten des Staatswohls vom Staatsgerichtshofe ausgeschlossen werden. § 15. Die Anklage wird von einem bis drei von dem Landtage aus seiner Mitte erwählten Bevollmächtigten ein- und durchgeführt. Sie muß die Anklage-Puncte bestimmt und umständlich enthalten. § 16. Der Staatsgerichtshof ist an positive Beweisregeln nicht gebunden und entscheidet nach seiner gewissenhaften Ueberzeugung. § 17. Dem Angeklagten steht gegen ein ihn verurtheilendes Erkenntniß, so wie gegen einen Zwischenbescheid, der ihm bleibenden Rechtsnachtheil droht, das binnen drei Tagen einzulegende Rechtsmittel der weiteren Vertheidigung vor dem Staatsgerichtshofe zu. Erkenntnisse auf Verhaftung sind des eingewandten Rechtsmittels ungeachtet sofort vollstreckbar. § 18. Bei einer Berufung auf ein anderweites Endurtheil ist die Zahl der Richter um zwei zu vermehren, so daß der erste von der Staatsregierung ernannte und der erste von dem Landtage ernannte Ersatzrichter hinzutreten. In allen Fällen einer Berufung wird die Leitung des ferneren Verfahrens einem anderen als dem bisher damit betraut gewesenen Richter nach Wahl des Staatsgerichtshofes übertragen. § 19. Der Präsident des Staatsgerichtshofs hat für die Vollziehung der Beschlüsse und Erkenntnisse zu sorgen und im Fall eines Anstandes den Staatsgerichtshof wieder zusammen zu berufen.

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Ediert nach Gesetzblatt für das Herzogthum Oldenburg, 12. Band, 1849–1851, Jahrgang 1849, Oldenburg, S. 57–132.

S TAATSGRUNDGESETZ VON O LDENBURG (1849) Das Staatsgrundgesetz wurde am 14. Februar 1849 beschlossen, am 18. Februar 1849 unterzeichnet sowie schließlich am 1. März 1849 verkündet und trat gleichzeitig in Kraft. Bis zur Ablösung durch das revidierte Staatsgrundgesetz vom 22. November 1852 (siehe dazu Horst Dippel (Hrsg.), Verfassungen der Welt, 1850 bis zur Gegenwart, Teil 1: Europa, München, K.G. Saur 2002– 2005, Mikrofiche-Nr. 311, 1–82) erfolgten noch zwei Revisionen mit Gesetz vom 1. Juni 1850 (Gesetzblatt für das Herzogthum Oldenburg, 12. Band, Jahrgang 1850, Oldenburg, S. 502) und Gesetz vom 15. Oktober 1852 (Gesetzblatt für das Herzogthum Oldenburg, 13. Band, Jahrgang 1852, Oldenburg, S. 135f.). Der Verfassung ging ein Entwurf aus dem Jahre 1848 voraus, siehe „Verfassungsentwurf von Oldenburg (1848)“. Für weiterführende Hinweise siehe Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 540–541; Jörg-Detlef Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. Aufl., Neuwied 1998, S. 77 f. und 92 f. 2 Anlage I „Vereinbarung zwischen Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge und dem durch das Gesetz vom 26. Juni 1848 berufenen Landtage des Großherzogthums Oldenburg wegen des Domanialvermögens“ (Gesetzblatt für das Herzogthum Oldenburg,

12. Band, 1849–1851, Jahrgang 1849, Oldenburg, S. 119–122). Im Anschluß an die Verfassung abgedruckt. 3 Anlage I „Vereinbarung zwischen Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge und dem durch das Gesetz vom 26. Juni 1848 berufenen Landtage des Großherzogthums Oldenburg wegen des Domanialvermögens“ (Gesetzblatt für das Herzogthum Oldenburg, 12. Band, 1849–1851, Jahrgang 1849, Oldenburg, S. 119–122). Im Anschluß an die Verfassung abgedruckt. 4 Anlage II, (Gesetzblatt für das Herzogthum Oldenburg, 12. Band, 1849–1851, Jahrgang 1849, Oldenburg, S. 128). Im Anschluß an die Verfassung abgedruckt. 5 Anlage III „Von der Einrichtung und dem Verfahren des Staatsgerichtshofs“ (Gesetzblatt für das Herzogthum Oldenburg, 12. Band (1849–1851), Jahrgang 1849, Oldenburg, S. 129–132). Im Anschluß an die Verfassung abgedruckt. 6 Nebenanlage A „Verzeichniß der zur Großherzoglichen Hofverwaltung vorbehaltenen Gebäude, Grundstücke und sonstige Gegenstände“ (Gesetzblatt für das Herzogthum Oldenburg, 12. Band, 1849–1851, Jahrgang 1849, Oldenburg, S. 123–128). Im Anschluß an Anlage I abgedruckt.

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Verfassung von Preußen (1848) Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Vom 5. Dezember 18481

Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc. thun kund und fügen zu wissen: daß Wir in Folge der eingetretenen außerordentlichen Verhältnisse, welche die beabsichtigte Vereinbarung der Verfassung unmöglich gemacht und, entsprechend den dringenden Forderungen des öffentlichen Wohls, in möglichster Berücksichtigung der, von den gewählten Vertretern des Volkes ausgegangenen umfassenden Vorarbeiten die nachfolgende Verfassungsurkunde zu erlassen beschlossen haben, vorbehaltlich der am Schlusse angeordneten Revision derselben im ordentlichen Wege der Gesetzgebung. Wir verkünden demnach die Verfassung für den Preußischen Staat wie folgt:

TITEL I Vom Staatsgebiete A RT. 1. Alle Landestheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange bilden das Preußische Staatsgebiet. A RT. 2. Die Gränzen dieses Staatsgebietes können nur durch ein Gesetz verändert werden.

TITEL II Von den Rechten der Preußen A RT. 3. Die Verfassung und das Gesetz bestimmen, unter welchen Bedingungen die

Eigenschaft eines Preußen und die staatsbürgerlichen Rechte erworben, ausgeübt und verloren werden. A RT. 4. Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Standesvorrechte finden nicht statt. Die öffentlichen Aemter sind für alle dazu Befähigten gleich zugänglich. A RT. 5. Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Die Bedingungen und Formen, unter welchen eine Verhaftung zulässig ist, sind durch das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit vom 24. September laufenden Jahres bestimmt. A RT. 6. Die Wohnung ist unverletzlich. Das Eindringen in dieselbe und Haussuchungen sind nur in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen gestattet. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf, außer bei einer Verhaftung oder Haussuchung, nur auf Grund eines richterlichen Befehles vorgenommen werden. A RT. 7. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. AusnahmeGerichte und außerordentliche Kommissionen, soweit sie nicht durch diese Verfassungsurkunde für zulässig erklärt werden, sind unstatthaft. Strafen können nur in Gemäßheit des Gesetzes angedroht oder verhängt werden. A RT. 8. Das Eigenthum ist unverletzlich. Es kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohles gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende,

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P REUSSEN Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden. A RT. 9. Der bürgerliche Tod und die Strafe der Vermögenseinziehung finden nicht Statt. A RT. 10. Die Freiheit der Auswanderung ist von Staats wegen nicht beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. A RT. 11. Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung zu ReligionsGesellschaften (Art. 28. und 29.) und der gemeinsamen öffentlichen Religions-Uebung wird gewährleistet. Der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse und der Theilnahme an irgend einer Religionsgesellschaft. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen. A RT. 12. Die evangelische und die römischkatholische Kirche, sowie jede andere Religionsgesellschaft, ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Kultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds. A RT. 13. Der Verkehr der Religionsgesellschaften mit ihren Oberen ist ungehindert. Die Bekanntmachung ihrer Anordnungen ist nur denjenigen Beschränkungen unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen. A RT. 14. Ueber das Kirchenpatronat und die Bedingungen, unter welchen dasselbe aufzuheben, wird ein besonderes Gesetz ergehen. A RT. 15. Das dem Staate zustehende Vorschlags-, Wahl- oder Bestätigungsrecht bei Besetzung kirchlicher Stellen ist aufgehoben.

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A RT. 16. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe wird durch deren Abschließung vor den dazu bestimmten Civilstands-Beamten bedingt. Die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung des Civilaktes stattfinden. A RT. 17. Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei. A RT. 18. Der preußischen Jugend wird durch genügende öffentliche Anstalten das Recht auf allgemeine Volksbildung gewährleistet. Aeltern und Vormünder sind verpflichtet, ihren Kindern oder Pflegebefohlenen den zur allgemeinen Volksbildung erforderlichen Unterricht ertheilen zu lassen, und müssen sich in dieser Beziehung den Bestimmungen unterwerfen, welche das Unterrichtsgesetz aufstellen wird. A RT. 19. Unterricht zu ertheilen und Unterrichtsanstalten zu gründen, steht Jedem frei, wenn er seine sittliche, wissenschaftliche und technische Befähigung den betreffenden Staatsbehörden nachgewiesen hat. A RT. 20. Die öffentlichen Volksschulen, so wie alle übrigen Erziehungs- und Unterrichtsanstalten stehen unter der Aufsicht eigener, vom Staate ernannter Behörden. Die öffentlichen Lehrer haben die Rechte der Staatsdiener. A RT. 21. Die Leitung der äußeren Angelegenheiten der Volksschule und die Wahl der Lehrer, welche ihre sittliche und technische Befähigung den betreffenden Staatsbehörden gegenüber zuvor nachgewiesen haben müssen, stehen der Gemeinde zu. Den religiösen Unterricht in der Volksschule besorgen und überwachen die betreffenden Religionsgesellschaften. A RT. 22. Die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung und Erweiterung der öffentlichen Volksschule werden von den Gemeinden

V ERFASSUNG VON P REUSSEN (1848) und im Falle des nachgewiesenen Unvermögens ergänzungsweise vom Staate aufgebracht. Die auf besonderen Rechtstiteln beruhenden Verpflichtungen Dritter bleiben bestehen. In der öffentlichen Volksschule wird der Unterricht unentgeltlich ertheilt. A RT. 23. Ein besonderes Gesetz regelt das gesammte Unterrichtswesen. Der Staat gewährleistet den Volksschullehrern ein bestimmtes auskömmliches Gehalt. A RT. 24. Jeder Preuße hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Gedanken frei zu äußern. Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise, namentlich weder durch Censur, noch durch Konzessionen und Sicherheitsbestellungen, weder durch Staatsauflagen noch durch Beschränkungen der Druckereien und des Buchhandels, noch endlich durch Postverbote und ungleichmäßigen Postsatz oder durch andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden. A RT. 25. Vergehen, welche durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung begangen werden, sind nach den allgemeinen Strafgesetzen zu bestrafen. Vor der erfolgten Revision des Strafrechts wird darüber ein besonderes vorläufiges Gesetz ergehen. Bis zu dessen Erscheinen bleibt es bei den jetzt geltenden allgemeinen Strafgesetzen. A RT. 26. Ist der Verfasser einer Schrift bekannt und im Bereiche der richterlichen Gewalt des Staates, so dürfen Verleger, Drucker und Vertheiler, wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird, nicht verfolgt werden. Auf der Druckschrift muß der Verleger und der Drucker genannt sein.

A RT. 27. Alle Preußen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrigkeitliche Erlaubniß friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln. Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf Versammlungen unter freiem Himmel, welche in allen Beziehungen der Verfügung des Gesetzes unterworfen sind. Bis zum Erlaß eines solchen Gesetzes ist von Versammlungen unter freiem Himmel 24 Stunden vorher der Orts-Polizeibehörde Anzeige zu machen, welche die Versammlung zu verbieten hat, wenn sie dieselbe für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährlich erachtet. A RT. 28. Alle Preußen haben das Recht, sich zu solchen Zwecken, welche den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen. A RT. 29. Die Bedingungen, unter welchen Korporationsrechte ertheilt oder verweigert werden, bestimmt das Gesetz. A RT. 30. Das Petitionsrecht steht allen Preußen zu. Petitionen unter einem Gesammtnamen sind nur Behörden und Korporationen gestattet. A RT. 31. Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen. Das Gesetz bezeichnet die Beamten, welche für die Verletzung des Geheimnisses der der Post anvertrauten Briefe verantwortlich sind. A RT. 32. Alle Preußen sind wehrpflichtig. Den Umfang und die Art dieser Pflicht bestimmt das Gesetz. Auf das Heer finden die in den §§ 5. 6. 27. 28. enthaltenen Bestimmungen in soweit Anwendung, als die militärischen Disziplinar-Vorschriften nicht entgegen stehen. A RT. 33. Die bewaffnete Macht besteht: aus dem stehenden Heere, der Landwehr,

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P REUSSEN der Bürgerwehr. Besondere Gesetze regeln die Art und Weise der Einstellung und die Dienstzeit. A RT. 34. Die bewaffnete Macht kann zur Unterdrückung innerer Unruhen und zur Ausführung der Gesetze nur auf Requisition der Civil-Behörden und in den vom Gesetze bestimmten Fällen und Formen verwendet werden. A RT. 35. Die Einrichtung der Bürgerwehr ist durch ein besonderes Gesetz geregelt. A RT. 36. Das Heer steht im Kriege und im Dienste unter der Militär-Kriminal-Gerichtsbarkeit und unter dem Militär-StrafGesetzbuch; außer dem Kriege und dem Dienste unter Beibehaltung der Militär-Kriminal-Gerichtsbarkeit unter den allgemeinen Strafgesetzen. Die Bestimmungen über die militärische Disziplin im Kriege und Frieden, sowie die näheren Festsetzungen über den Militär-Gerichtsstand bleiben Gegenstand besonderer Gesetze. A RT. 37. Das stehende Heer darf nicht berathschlagen. Ebensowenig darf es die Landwehr, wenn sie zusammenberufen ist. Auch wenn sie nicht zusammenberufen ist, sind Versammlungen und Vereine der Landwehr zur Berathung militärischer Befehle und Anordnungen nicht gestattet. A RT. 38. Die Errichtung von Lehen und die Stiftung von Familien-Fideikommissen ist untersagt. Die bestehenden Lehen und Familien-Fideikommisse sollen durch gesetzliche Anordnung in freies Eigenthum umgestaltet werden. A RT. 39. Vorstehende Bestimmungen (Art. 38) finden auf die Thronlehen, das Königliche Haus- und Prinzliche Fideikommiß, sowie auf die außerhalb des Staates belegenen Lehen und die ehemals reichsunmittelbaren Besitzungen und Fideikommisse, in sofern letztere durch das deutsche

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Bundesrecht gewährleistet sind, zur Zeit keine Anwendung. Die Rechtsverhältnisse derselben sollen durch besondere Gesetze geordnet werden. A RT. 40. Das Recht der freien Verfügung über das Grundeigenthum unterliegt keinen anderen Beschränkungen, als denen der allgemeinen Gesetzgebung. Die Theilbarkeit des Grundeigenthums und die Ablösbarkeit der Grundlasten wird gewährleistet. Aufgehoben ohne Entschädigung sind: a) die Gerichtsherrlichkeit, die gutsherrliche Polizei und obrigkeitliche Gewalt, sowie die gewissen Grundstücken zustehenden Hoheitsrechte und Privilegien, wogegen die Lasten und Leistungen wegfallen, welche den bisher Berechtigten oblagen. Bis zur Emanirung der neuen Gemeinde-Ordnung bleibt es bei den bisherigen Bestimmungen hinsichtlich der Polizei-Verwaltung. b) die aus diesen Befugnissen, aus der Schutzherrlichkeit, der früheren Erbunterthänigkeit, der früheren Steuer- und Gewerbe-Verfassung, herstammenden Verpflichtungen. Bei erblicher Ueberlassung eines Grundstückes ist nur die Uebertragung des vollen Eigenthums zulässig; jedoch kann auch hier ein fester ablösbarer Zins vorbehalten werden.

TITEL III Vom Könige A RT. 41. Die Person des Königs ist unverletzlich. A RT. 42. Seine Minister sind verantwortlich. – Alle Regierungs-Akte des Königs bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.

V ERFASSUNG VON P REUSSEN (1848) A RT. 43. Dem Könige allein steht die vollziehende Gewalt zu. Er ernennt und entläßt die Minister. Er befiehlt die Verkündigung der Gesetze und erläßt unverzüglich die zu deren Ausführung nöthigen Verordnungen. A RT. 44. Der König führt den Oberbefehl über das Heer. A RT. 45. Er besetzt alle Stellen in demselben, sowie in den übrigen Zweigen des Staatsdienstes, in sofern nicht das Gesetz ein Anderes verordnet. A RT. 46. Der König hat das Recht, Krieg zu erklären, Frieden zu schließen und Verträge mit fremden Regierungen zu errichten. Handelsverträge, sowie andere Verträge, durch welche dem Staate Lasten oder einzelnen Staatsbürgern Verpflichtungen auferlegt werden, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Kammern. A RT. 47. Der König hat das Recht der Begnadigung und Strafmilderung. Zu Gunsten eines wegen seiner Amtshandlungen verurtheilten Ministers kann dieses Recht nur auf Antrag derjenigen Kammer ausgeübt werden, von welcher die Anklage ausgegangen ist. Er kann bereits eingeleitete Untersuchungen nur auf Grund eines besonderen Gesetzes niederschlagen. A RT. 48. Dem Könige steht die Verleihung von Orden und anderen mit Vorrechten nicht verbundenen Auszeichnungen zu. Er übt das Münzrecht nach Maaßgabe des Gesetzes. A RT. 49. Der König beruft die Kammern und schließt ihre Sitzungen. Er kann sie entweder beide zugleich oder nur eine auflösen. Es müssen aber in einem solchen Falle innerhalb eines Zeitraums von 40 Tagen nach der Auflösung die Wähler und innerhalb eines Zeitraums von 60 Tagen nach der Auflösung die Kammern versammelt werden.

A RT. 50. Der König kann die Kammern vertagen. Ohne deren Zustimmung darf diese Vertagung die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Session nicht wiederholt werden. A RT. 51. Die Krone ist, den Königlichen Hausgesetzen gemäß, erblich in dem Mannsstamme des Königlichen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge. A RT. 52. Der König wird mit Vollendung des 18ten Lebensjahres volljährig. Er leistet in Gegenwart der vereinigten Kammern das eidliche Gelöbniß, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren. A RT. 53. Ohne Einwilligung beider Kammern kann der König nicht zugleich Herrscher fremder Reiche sein. A RT. 54. Im Fall der Minderjährigkeit des Königs vereinigen sich beide Kammern zu Einer Versammlung, um die Regentschaft und die Vormundschaft anzuordnen, in sofern nicht schon durch ein besonderes Gesetz für Beides Vorsorge getroffen ist. A RT. 55. Ist der König in der Unmöglichkeit zu regieren, so beruft der Nächste zur Krone oder Derjenige, der nach den Hausgesetzen an dessen Stelle tritt, beide Kammern, um in Gemäßheit des Artikels 54. zu handeln. A RT. 56. Die Regentschaft kann nur einer Person übertragen werden. Der Regent schwört bei Antretung der Regentschaft einen Eid, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren. A RT. 57. Dem Kron-FideikommißFonds verbleibt die durch das Gesetz vom 17. Januar 1820. auf die Einkünfte der Domainen und Forsten angewiesene Rente.

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P REUSSEN

TITEL IV Von den Ministern A RT. 58. Die Minister, sowie die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staatsbeamten haben Zutritt zu jeder Kammer und müssen auf ihr Verlangen zu jeder Zeit gehört werden. Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen. Die Minister haben in einer oder der anderen Kammer nur dann Stimmrecht, wenn sie Mitglieder derselben sind. A RT. 59. Die Minister können durch Beschluß einer Kammer wegen des Verbrechens der Verfassungsverletzung, der Bestechung und des Verrathes, angeklagt werden. Ueber solche Anklage entscheidet der oberste Gerichtshof der Monarchie in vereinigten Senaten. So lange noch zwei oberste Gerichtshöfe bestehen, treten dieselben zu obigem Zwecke zusammen. Die näheren Bestimmungen über die Fälle der Verantwortlichkeit, über das Verfahren und das Strafmaaß werden einem besonderen Gesetze vorbehalten.

TITEL V Von den Kammern A RT. 60. Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kammern ausgeübt. Die Uebereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich. A RT. 61. Dem Könige, sowie jeder Kammer steht das Recht zu, Gesetze vorzuschlagen.

Vorschläge, welche durch eine der Kammern oder durch den König verworfen worden sind, können in derselben Session nicht wieder vorgebracht werden. A RT. 62. Die erste Kammer besteht aus 180 Mitgliedern. A RT. 63. Die Mitglieder der ersten Kammer werden durch die Provinzial-, Bezirksund Kreisvertreter erwählt. (Artikel 104.) Die Provinzial-, Bezirks- und Kreisvertreter bilden, nach näherer Bestimmung des Wahlgesetzes, die Wahlkörper und wählen die nach der Bevölkerung auf die Wahlbezirke fallende Zahl der Abgeordneten.I A RT. 64. Die Legislaturperiode der ersten Kammer wird auf sechs Jahre festgesetzt. A RT. 65. Wählbar zum Mitgliede der ersten Kammer ist jeder Preuße, der das 40ste Lebensjahr vollendet, den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses nicht verloren und bereits fünf Jahre lang dem preußischen Staatsverbande angehört hat. A RT. 66. Die zweite Kammer besteht aus 350 Mitgliedern. Die Wahlbezirke werden nach Maaßgabe der Bevölkerung festgestellt. A RT. 67. Jeder selbstständige Preuße, welcher das 24ste Lebensjahr vollendet, nicht den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses verloren hat, ist in der Gemeinde, worin er seit sechs Monaten seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, stimmberechtigter Urwähler, in sofern er nicht aus öffentlichen Mitteln Armenunterstützung erhält.II

I Bei der Revision der Verfassungsurkunde bleibt zu erwägen, ob ein Theil der Mitglieder der ersten Kammer vom Könige zu ernennen und ob den Oberbürgermeistern der großen Städte, sowie den Vertretern der Universitäten und Akademien der Wissenschaften und der Künste, ein Sitz in der Kammer einzuräumen sein möchte. II Bei der Revision der Verfassungsurkunde bleibt es zu erwägen, ob nicht ein anderer Wahlmodus, namentlich der des Eintheilung nach bestimmten Klassen für Stadt und Land, wobei sämmtliche bisherigen Urwähler mitwählen, vorzuziehen sein möchte.

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V ERFASSUNG VON P REUSSEN (1848) A RT. 68. Die Urwähler einer jeden Gemeinde wählen auf jede Vollzahl von 250 Seelen ihrer Bevölkerung einen Wahlmann. A RT. 69. Die Abgeordneten werden durch die Wahlmänner erwählt. Die Wahlbezirke sollen so organisirt werden, daß mindestens zwei Abgeordnete von einem Wahlkörper gewählt werden. A RT. 70. Die Legislaturperiode der zweiten Kammer wird auf drei Jahre festgesetzt. A RT. 71. Zum Abgeordneten der zweiten Kammer ist jeder Preuße wählbar, der das dreißigste Lebensjahr vollendet, den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses nicht verloren und bereits ein Jahr lang dem preußischen Staatsverbande angehört hat. A RT. 72. Die Kammern werden nach Ablauf ihrer Legislaturperiode neu gewählt. Ein Gleiches geschieht im Falle der Auflösung. In beiden Fällen sind die bisherigen Mitglieder wieder wählbar. A RT. 73. Das Nähere über die Ausführung der Wahlen zu beiden Kammern bestimmt das Wahl-Ausführungsgesetz. A RT. 74. Stellvertreter für die Mitglieder der beiden Kammern werden nicht gewählt. A RT. 75. Die Kammern werden durch den König regelmäßig im Monat November jeden Jahres, und außerdem, so oft es die Umstände erheischen, einberufen. A RT. 76. Die Eröffnung und die Schließung der Kammern geschieht durch den König in Person oder durch einen dazu von ihm beauftragten Minister in einer Sitzung der vereinigten Kammern. Beide Kammern werden gleichzeitig berufen, eröffnet, vertagt und geschlossen. Wird eine Kammer aufgelöst, so wird die andere gleichzeitig vertagt.

A RT. 77. Jede Kammer prüft die Legitimation ihrer Mitglieder und entscheidet darüber. Sie regelt ihren Geschäftsgang durch eine Geschäftsordnung und erwählt ihren Präsidenten, ihre Vicepräsidenten und Schriftführer. Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in die Kammer. Durch die Annahme eines besoldeten Staatsamtes oder einer Beförderung im Staatsdienste verliert jedes Mitglied einer Kammer Sitz und Stimme in derselben und kann seine Stelle nur durch eine neue Wahl wieder erlangen. Niemand kann Mitglied beider Kammern sein. A RT. 78. Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich. Jede Kammer tritt auf den Antrag ihres Präsidenten oder von 10 Mitgliedern zu einer geheimen Sitzung zusammen, in welcher dann zunächst über diesen Antrag zu beschließen ist. A RT. 79. Keine der beiden Kammern kann einen Beschluß fassen, wenn nicht die Mehrheit ihrer Mitglieder anwesend ist. Jede Kammer faßt ihre Beschlüsse nach absoluter Stimmenmehrheit, vorbehaltlich der durch die Geschäftsordnung für Wahlen etwa zu bestimmenden Ausnahmen. A RT. 80. Jede Kammer hat für sich das Recht, Adressen an den König zu richten. Niemand darf den Kammern oder einer derselben in Person eine Bittschrift oder Adresse überreichen. Jede Kammer kann die an sie gerichteten Schriften an die Minister überweisen und von denselben Auskunft über eingehende Beschwerden verlangen. A RT. 81. Eine jede Kammer hat die Befugniß, Behufs ihrer Information Kommissionen zur Untersuchung von Thatsachen zu ernennen.

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P REUSSEN A RT. 82. Die Mitglieder beider Kammern sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie stimmen nach ihrer freien Ueberzeugung und sind an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden. A RT. 83. Sie können weder für ihre Abstimmungen in der Kammer, noch für ihre darin ausgesprochenen Meinungen zur Rechenschaft gezogen werden. Kein Mitglied einer Kammer kann ohne deren Genehmigung während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der That oder binnen der nächsten 24 Stunden nach derselben ergriffen wird. Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden nothwendig. Jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied der Kammern und eine jede Untersuchungsoder Civilhaft wird für die Dauer der Sitzung aufgehoben, wenn die betreffende Kammer es verlangt. A RT. 84. Die Mitglieder der ersten Kammer erhalten weder Reisekosten, noch Diäten. Die Mitglieder der zweiten Kammer erhalten aus der Staatskasse Reisekosten und Diäten nach Maaßgabe des Gesetzes. Ein Verzicht hierauf ist unstatthaft.

TITEL VI Von der richterlichen Gewalt A RT. 85. Die richterliche Gewalt wird im Namen des Königs durch unabhängige, keiner anderen Autorität als der des Gesetzes unterworfene Gerichte ausgeübt. Die Urtheile werden im Namen des Königs ausgefertigt und vollstreckt. A RT. 86. Die Richter werden vom Könige oder in dessen Namen auf ihre Lebenszeit ernannt.

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Sie können nur durch Richterspruch aus Gründen, welche die Gesetze vorgesehen und bestimmt haben, ihres Amtes entsetzt, zeitweise enthoben oder unfreiwillig an eine andere Stelle versetzt und nur aus den Ursachen und unter den Formen, welche im Gesetze angegeben sind, pensionirt werden. Auf die Versetzungen, welche durch Veränderungen in der Organisation der Gerichte oder ihrer Bezirke nöthig werden, findet diese Bestimmung keine Anwendung. A RT. 87. Den Richtern dürfen andere besoldete Staatsämter nicht übertragen werden. Ausnahmen sind nur auf Grund eines Gesetzes zulässig. A RT. 88. Die Organisation der Gerichte wird durch das Gesetz bestimmt. A RT. 89. Zu einem Richteramte darf nur der berufen werden, welcher sich zu demselben nach Vorschrift der Gesetze befähigt hat. A RT. 90. Gerichte für besondere Klassen von Angelegenheiten, insbesondere Handels- und Gewerbegerichte, sollen im Wege der Gesetzgebung an den Orten errichtet werden, wo das Bedürfniß solche erfordert. Die Organisation und Zuständigkeit der Handels-, Gewerbe- und Militairgerichte, das Verfahren bei denselben, die Ernennung ihrer Mitglieder, die besonderen Verhältnisse der Letzteren und die Dauer ihres Amtes werden durch das Gesetz festgestellt. A RT. 91. Die noch bestehenden beiden obersten Gerichtshöfe sollen zu einem einzigen vereinigt werden. A RT. 92. Die Verhandlungen vor dem erkennenden Gerichte in Zivil- und Strafsachen sollen öffentlich sein. Die Oeffentlichkeit kann jedoch durch ein öffentlich zu verkündendes Urtheil ausgeschlossen werden, wenn sie der Ordnung oder den guten

V ERFASSUNG VON P REUSSEN (1848) Sitten Gefahr droht. Auch in Zivilsachen kann die Oeffentlichkeit durch Gesetze beschränkt werden. A RT. 93. Bei den mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, bei allen politischen Verbrechen und bei Preßvergehen erfolgt die Entscheidung über die Schuld des Angeklagten durch Geschworene. Die Bildung des Geschworenengerichts wird durch ein Gesetz geregelt. A RT. 94. Die Kompetenz der Gerichte und Verwaltungsbehörden wird durch das Gesetz bestimmt. Ueber Kompetenzkonflikte zwischen den Verwaltungs- und Gerichtsbehörden entscheidet ein durch das Gesetz bezeichneter Gerichtshof. A RT. 95. Es ist keine vorgängige Genehmigung der Behörden nöthig, um öffentliche Zivil- und Militairbeamte wegen der durch Ueberschreitung ihrer Amtsbefugnisse verübten Rechtsverletzungen gerichtlich zu belangen.

TITEL VII Von den Staatsbeamten A RT. 96. Die besonderen Rechtsverhältnisse der nicht zum Richterstande gehörigen Staatsbeamten, einschließlich der Staatsanwälte, sollen durch ein Gesetz geregelt werden, welches, ohne die Regierung in der Wahl der ausführenden Organe zweckwidrig zu beschränken, den Staatsbeamten gegen willkürliche Entziehung von Amt und Einkommen angemessenen Schutz gewährt. A RT. 97. Auf die Ansprüche der vor Verkündigung der Verfassungsurkunde etatsmäßig angestellten Staatsbeamten soll im Staatsdienergesetz besondere Rücksicht genommen werden.

TITEL VIII Von der Finanzverwaltung A RT. 98. Alle Einnahmen und Ausgaben des Staats müssen für jedes Jahr im Voraus veranschlagt und auf den StaatshaushaltsEtat gebracht werden. Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt. A RT. 99. Steuern und Abgaben für die Staatskasse dürfen nur, soweit sie in den Staatshaushalts-Etat aufgenommen oder durch besondere Gesetze angeordnet sind, erhoben werden. A RT. 100. In Betreff der Steuern können Bevorzugungen nicht eingeführt werden. Die bestehende Steuergesetzgebung wird einer Revision unterworfen und dabei jede Bevorzugung abgeschafft. A RT. 101. Gebühren können Staats- oder Kommunalbeamte nur auf Grund des Gesetzes erheben. A RT. 102. Die Aufnahme von Anleihen für die Staatskasse findet nur auf Grund eines Gesetzes statt. Dasselbe gilt von der Uebernahme von Garantieen zu Lasten des Staats. A RT. 103. Zu Etatsüberschreitungen ist die nachträgliche Genehmigung der Kammern erforderlich. Die Rechnungen über den Staatshaushalt werden von der OberRechnungskammer geprüft und festgestellt. Die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt jeden Jahres, einschließlich einer Uebersicht der Staatsschulden, wird von der Ober-Rechnungskammer zur Entlastung der Staatsregierung den Kammern vorgelegt. Ein besonderes Gesetz wird die Einrichtung und die Befugnisse der Ober-Rechnungskammer bestimmen.

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P REUSSEN

TITEL IX Von den Gemeinde-, Kreis-, Bezirksund Provinzial-Verbänden

A RT. 104. Das Gebiet des Preußischen Staates zerfällt in Provinzen, Bezirke, Kreise und Gemeinden, deren Vertretung und Verwaltung durch besondere Gesetze, unter Festhaltung folgender Grundsätze, näher bestimmt wird: 1) Ueber die inneren und besonderen Angelegenheiten der Provinzen, Bezirke, Kreise und Gemeinden beschließen aus gewählten Vertretern bestehende Versammlungen, deren Beschlüsse durch die Vorsteher der Provinzen, Bezirke, Kreise und Gemeinden ausgeführt werden. Das Gesetz wird die Fälle bestimmen, in welchen die Beschlüsse der Gemeinde-, Kreis-, Bezirks- und Provinzialvertretung der Genehmigung einer höheren Vertretung oder der Staatsregierung unterworfen sind. 2) Die Vorsteher der Provinzen, Bezirke und Kreise werden von der Staatsregierung ernannt, die der Gemeinden von den Gemeindemitgliedern gewählt. Die Organisation der Exekutivgewalt des Staates wird hierdurch nicht berührt. 3) Den Gemeinden insbesondere steht die selbstständige Verwaltung ihrer Gemeindeangelegenheiten zu, mit Einschluß der Ortspolizei. Den Zeitpunkt und die Bedingungen des Ueberganges der Polizeiverwaltung an die Gemeinden wird das Gesetz bestimmen. Die polizeilichen Funktionen können in Städten von mehr als 30.000 Einwohnern auf Staatsorgane übertragen werden. 4) Die Berathungen der Provinzial-, Bezirks-, Kreis- und Gemeindevertretungen sind in der Regel öffentlich. Die Ausnahmen bestimmt das Gesetz. Ueber die Einnahmen und Ausgaben muß jährlich wenigstens ein Bericht veröffentlicht werden.

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ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN A RT. 105. Gesetze und Verordnungen sind nur verbindlich, wenn sie zuvor in der vom Gesetze vorgeschriebenen Form bekannt gemacht worden sind. Wenn die Kammern nicht versammelt sind, können in dringenden Fällen, unter Verantwortlichkeit des gesammten Staatsministeriums, Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen werden, dieselben sind aber den Kammern bei ihrem nächsten Zusammentritt zur Genehmigung sofort vorzulegen. A RT. 106. Die Verfassung kann auf dem ordentlichen Wege der Gesetzgebung abgeändert werden, wobei in jeder Kammer die gewöhnliche absolute Stimmenmehrheit genügt. A RT. 107. Die Mitglieder der beiden Kammern und alle Staatsbeamten haben dem Könige und der Verfassung Treue und Gehorsam zu schwören. A RT. 108. Die bestehenden Steuern und Abgaben werden forterhoben, und alle Bestimmungen der bestehenden Gesetzbücher, einzelnen Gesetze und Verordnungen, welche der gegenwärtigen Verfassung nicht zuwiderlaufen, bleiben in Kraft, bis sie durch ein Gesetz abgeändert werden. A RT. 109. Alle durch die bestehenden Gesetze angeordneten Behörden bleiben bis zur Ausführung der sie betreffenden organischen Gesetze in Thätigkeit. A RT. 110. Für den Fall eines Krieges oder Aufruhrs können die Artikel 5. 6. 7. 24. 25. 26. 27. und 28. der Verfassungsurkunde zeit- und distriktsweise außer Kraft gesetzt werden. Die näheren Bestimmungen darüber bleiben einem besonderen Gesetze vorbehalten. Bis dahin bewendet es bei den in dieser Beziehung bestehenden Vorschriften.

V ERFASSUNG VON P REUSSEN (1848)

UEBERGANGSBESTIMMUNGEN A RT. 111. Sollten durch die für Deutschland festzustellende Verfassung Abänderungen des gegenwärtigen Verfassungsgesetzes nöthig werden, so wird der König dieselben anordnen und diese Anordnungen den Kammern bei ihrer nächsten Versammlung mittheilen. Die Kammern werden dann Beschluß darüber fassen, ob die vorläufig angeordneten Abänderungen mit der deutschen Verfassung in Uebereinstimmung stehen.

A RT. 112. Die gegenwärtige Verfassung soll sofort nach dem ersten Zusammentritt der Kammern einer Revision auf dem Wege der Gesetzgebung (Art. 60. und 106.) unterworfen werden. Das im Artikel 52. erwähnte eidliche Gelöbniß des Königs, sowie die vorgeschriebene Vereidung der beiden Kammern und aller Staatsbeamten, erfolgen sogleich nach vollendeter Revision (Artikel 107.). Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel. Gegeben Potsdam, den 5. Dezember 1848.

(L. S.) Friedrich Wilhelm.

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Graf v. Brandenburg.

v. Ladenberg.

v. Manteuffel.

v. Strotha.

Rintelen.

v. d. Heydt.

Ediert nach Gesetzsammlung für die KöniglichPreußischen Staaten, Jahrgang 1848, Nr. 3065, Berlin, S. 375–391. Die Verfassung wurde am 5. Dezember 1848 durch einen einseitigen Akt des Königs Friedrich Wilhelm IV. unter Gegenzeichnung des gesamten Ministeriums beschlossen und an diesem Tag auch unterzeichnet. Die Verkündung und das Inkrafttreten erfolgten am 6. Dezember 1848. Ihr gingen mehrere Entwürfe voraus, so z.B. ein Urentwurf der Verfassung vom 15. Mai 1848 sowie ein Regierungsentwurf vom 20. Mai 1848 und ein Entwurf der Verfassungskonvention vom 26. Juli 1848 („Charte Waldeck“), vgl. dazu Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 729 ff. Weiterhin gab es einen Entwurf der Zentralabteilung der Nationalversammlung vom 12. Oktober 1848, abgedruckt in Wilhelm Altmann, Ausgewählte Urkunden zur Brandenburgisch-Preussischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, II. Teil, 1. Hälfte, 1806–1849, Berlin 1915, S. 327–329. Die Verfassung wurde von der Verfassungsurkunde für den preußischen Staat vom 31. Januar 1850 abgelöst, wobei es sich bei dieser um eine revidierte Version der vorliegenden Verfassung handelt. Siehe da-

zu Horst Dippel (Hrsg.), Verfassungen der Welt, 1850 bis zur Gegenwart, Teil 1: Europa, München, K.G. Saur 2002–2005, Mickrofiche-Nr. 279, 1–67. Die Verfassung entspricht weitestgehend dem Kommissionsentwurf, enthält jedoch einige Änderungen, vgl. Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 764. Sie wurde von König Friedrich Wilhelm IV. am 5. Dezember 1848 nach Auflösung der Nationalversammlung oktroyiert. Für weiterführende Angaben siehe Wilhelm Altmann, Ausgewählte Urkunden zur BrandenburgischPreußischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, II. Teil, 1. Hälfte, 1806–1849, 2. Aufl., Berlin 1915; Susanne Böhr, Die Verfassungsarbeit der preußischen Nationalversammlung 1848, Frankfurt am Main 1992; Huber, Dokumente I, S. 484–493; Huber, Verfassungsgeschichte I, S. 290 ff; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 762 ff.; Michael Kotulla, Das konstitutionelle Verfassungswerk Preußens (1848–1918), Heidelberg 2003; Jörg-Detlef Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. Aufl., Neuwied 1998, S. 75 f., 80 ff.; Herbert Obenaus, Anfänge des Parlamentarismus in Preußen bis 1848, Düsseldorf 1984.

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Verfassung von Reuß ältere Linie (1809) [Landesgrundgesetz für das Fürstentum Reuß älterer Linie vom 15. März 1809]1

Von Gottes Gnaden Wir Heinrich der Dreyzehnte, älterer und des ganzen Stammes ältester Fürst Reuß, Graf und Herr von Plauen, Herr zu Greiz, Cranichfeld, Gera, Schleiz und Lobenstein, des Königl. Ungarischen Sanct Stephan-Ordens Groß-Creuz etc. etc. etc. thun hiermit kund und zu wissen: Es ist bekannt genug, unter welchen ungünstigen Umständen Wir, vor nunmehro Acht Jahren, die Landes-Regierung angetreten – eine angeerbte große Schulden-Last, die Revenüen und Hülfsquellen aber, durch gänzliche Veräußerung mehrerer ansehnlicher Domainen-Güther und Minderung anderer, ungemein geschwächet vorgefunden haben. Unser redliches Bestreben, die Gebrechen der ererbten Finanzen, durch Wiedererwerbung abgekommener Grundstücke, durch Ankauf ein oder des andern Guthes und Errichtung einer ökonomisch-mercantilischen Anstalt, zu mindern, ist eben so bekannt, als wie wenig großen Theils der gehofte Erfolg Unserer wohlgemeinten Absicht entsprochen hat. Hiezu mußte sich nun schon im dritten Jahre Unserer Regierung der zerstöhrende Greizer Brand verhängnißvoll gesellen. – Wir erkennen zwar dankbar, die Uns damals von Unserer getreuen Ritter- und Landschaft, zu Herstellung Unseres jetzigen Residenz-Schlosses, bewilligte ansehnliche Hülfe. Indessen hat gleichwohl die leidige Erfahrung gelehret, daß damit Unser Cameral-Brand-Bau-Aufwand bey weitem

nicht bestritten werden können. Unter so widrigen Umständen konnte es nicht ausbleiben, daß die angeerbte Schuld, schon im vierten Jahre nach dem Brande, außerordentlich aufgeschwollen. Indessen waren Wir noch immer im Stande, durch Unser Privat-Vermögen den Cameral-Etat, in mehrfacher Rücksicht, zu Hülfe zu kommen, und das Mißverhältniß wenigstens einstweilen minder fühlbar zu machen. Nachdem aber ganz neuerlich die härtesten Schläge auch Unser gesammtes Privat-Eigenthum betroffen; so blieb Uns nichts übrig, als zu Abwendung einer gänzlichen fortschreitenden Zerrüttung, den Beyrath Unserer getreuen Stände, über die ausgiebigsten Mittel zu einer gründlichen Remedur, verfassungsmäßig zu vernehmen. Wenn es nun der, auf vorgängige Berathung mit Unseren getreuen Ständen, einberufenen und mit gehöriger Vollmacht versehenen Ritter- und Landschaftlichen Deputation eines Theils gelungen, nebst der standesmäßig unumgänglichen Subsistenz des Landesherrn, einen Fond zur jährlichen Schuldenminderung auszumitteln, jedoch solches nicht anders, als durch neue schwere Bürden Unserer getreuen Unterthanen geschehen können, so ist es aber auch anderen Theils für Uns unerläßliche Pflicht, die Verwendung zum Zwecke sorgfältigst zu sichern, und zu dem Ende jeder willkührlichen Schwächung des Staats-Vermögens durch Veräußerung, so wie jeder weiteren Vermehrung der Schulden, durch feste

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R EUSS Ä LTERE L INIE Bestimmung der darauf Bezug habenden Rechts-Geschäfte, wirksam und bleibend für die Zukunft vorzubeugen. Wir haben dahero für Uns, Unsere männliche Descendenz und Nachfolgere, nach angehörtem Rathe Unserer Regierung und Cammer, auch Ritter- und Landschaftlichen-Deputation, nachstehendes LandesGrund-Gesetz zu erlassen Uns bewogen gefunden.

VON DEN LANDESBEDÜRFNISSEN UND DEN DAZU BESTIMMTEN STEUERN UND CONTRIBUTIONEN § 1. Die ordentliche und außerordentliche Bedürfnisse des Landes müssen bestritten und der Betrag derselben durch Steuern und Contributionen, auf dem Verfassungsmäßigen Wege der Ständischen Bewilligund Landesherrlichen Genehmigung aufgebracht werden. In diesen Landesbedürfnissen ist die jährliche Minderung der Landesschulden mit begriffen. § 2. Die ordentlich und gewöhnliche Landes-Bedürfnisse werden auch künftig aus den Steuer-Cassen, mit den in selbige fließenden zwölf ordentlichen Steuern bestritten, und da diese Cassen seit zwey Jahren, der Unterhaltung des Contingents ganz überhoben worden; so befinden sie sich nunmehro im Fall eines jährlichen Ueberschusses. Damit nun das Land von den älteren auf diesen Cassen haftenden Schulden endlich einmal befreyet werde, so sollen selbige für die Zukunft mit neuen bedeutenden Lasten nicht weiter beschweret werden, vielmehr obgedachter Ueberschuß, lediglich und allein zur Steuer-Schulden-Verminderung verwendet, und wenn diese gänzlich

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getilget sind, den ausserordentlichen Landes-Bedürfnissen, mithin der Kriegs-Contributions-Casse, gewidmet werden. § 3. Die Contributions-Casse hat im Jahre 1806. zu Bestreitung der damals entstandenen großen und ausserordentlichen Landes-Bedürfnisse errichtet und in dem kaum zweyjährigen Zeitraume mit einer schweren Schuldenlast beleget werden müssen. Zudeme sind die aus einer noch unausgebildeten Staats-Verfassung entstehende Militair- und andere Ausgaben ihrem Betrage nach, dermalen noch gar nicht zu übersehen, mithin bey dieser Casse ein SchuldenTilgungs-Plan vor der Hand so wenig übersehbar, daß es vielmehr lediglich von der Zukunft abhängen wird, ob die Zuflüsse zu Bestreitung der laufenden Ausgaben hinreichen werden. Indessen wenn auch eine Minderung der Contributions-Schuld vor der Hand nicht zu hoffen ist, so kann und darf selbige doch nicht weiter, so schwer es auch mehrern Contribuenten leider fallen wird – ganz außerordentliche und ungewöhnliche LandesCalamitäten ausgenommen – bleibend vermehret werden. Wenn dahero ein dringender Nothfall noch weitere Anleihen augenblicklich erheischen sollte, so soll und muß unverzüglich eine gleich große Summe, mittelst eines extraordinairen verhältnißmäßigen Kriegs-Contributions-Termines, wieder abgetragen werden. Der Anstoß böser Zeitumstände kann dagegen nicht in Betracht kommen. Denn auch die Zukunft wird, nach dem Laufe der Dinge, ihre Calamitäten mit sich bringen, und es wäre unverantwortlich, unter jenem Vorwand, Schuld auf Schuld häufen und die Sorge der Bezahlung der Nachkommenschaft und ihrer vermeintlich besseren Zeit überlassen zu wollen. § 4. Die auf den Grundstücken haftenden Steuern sind unveräusserlich. Exemtionen, aus dem Grunde der Verwüstung und sonst, können nur auf vorgängiges Gutach-

V ERFASSUNG VON R EUSS ÄLTERE L INIE (1809) ten der Regierung und beyden ersten Ritterund Landschaftlichen Deputirten, ertheilet werden, und die Landesherrliche Exemtions-Urkunde bedarf, bey dem Nachtheil der Nichtigkeit, der collegialisch und Ständischen Mitvollziehung. Steuer-Begnadigungen und Erlasse auf gewisse Zeit, wegen Feuer- und WasserSchadens, Mißwachs etc. werden zwar, wie bishero von der Landes-Herrschaft in Gnaden bewilliget, jedoch muß die Regierung erst mit ihrem Gutachten gehöret werden. Die Kriegs-Contributions-Beyträge sind bereits, gegen jeden Abgang im Wege der Begnadigung gesichert und die Ueberlästigungs-Beschwerden, als Justiz-Gegenstände, an die Regierung verwiesen. Hierbey hat es auch für die Zukunft lediglich sein Bewenden, und können Ermäßigungen nur aus den erheblichsten Gründen ertheilet werden. § 5. Da der Steuerfuß so außerordentlich ungleich ist, so wird baldmöglichst und sobald die Vorarbeiten zur Reife gediehen, zu dessen Revision mit Zuziehung der LandesDeputation, geschritten werden.

VON DEM CAMERALVERMÖGEN UND VON CAMMER-SCHULDEN § 6. a) Die Domanial-Grundstücke an Residenz- und andern Schlössern, mit zubehörigen Gebäuden, an Gärten, Wiesen, Teichen, Forsten und Waldstücken, Jagden und Fischereyen, alle Domainen-Güther mit ihren Pertinentien, ökonomische Anstalten, als Ziegel- und Kalkhütten. b) Alle Geld- und Natural-Abgaben der Unterthanen, endlich c) die ohnehin bereits durch RetuitionsContracte sehr geminderte Natural-Dienste der Unterthanen an Frohne jeder Art zu Behuf der Domanial-Grund-Besitzungen

bilden zusammen den Inbegriff des Landesherrlichen Cameral-Vermögens. § 7. So wie nun dasselbe zur Standesmäßigen Subsistenz des regierenden Herrn und seines Fürstlichen Hauses, zur Bestreitung des Verwaltungs- und sonstigen Aufwandes bestimmt ist, also folget daraus eines Theils das Recht des Landesherrn, das Cameral-Vermögen bestmöglichst, jedoch als ein guter Hausvater, mithin pfleglich zu benutzen und bestimmungsmäßig zu verwenden, aber auch andern Theils die Verbindlichkeit, die Substanz nicht anzugreifen und zu schwächen, vielmehr dieselbe mit weiser Sorgfalt, als ein ihm nur nießbräuchlich zustehendes Guth, zu erhalten und zu verbessern. § 8. Aus der Natur dieser permanenten Bestimmung des Cameral-Vermögens, zu einem fortwährenden Zwecke fließet dessen Unveräußerlichkeit von selbst. Wir erklären dahero hiermit und Kraft dieses für Uns und Unsere Regierungsfolgere, von nun an und für die Zukunft, von der Bekanntmachung dieses Landes-GrundGesetzes an gerechnet, alles Cameral-Vermögen des §. 6. auf jedem Wege, es sey Erboder Wiederkäuflich, auch Erbpachtweise, für unveräußerlich und unablöslich. Jedoch sind von dieser Regel ausgenommen 1) außerordentliche, zwar seltne doch mögliche Fälle, großen, sichern und evidenten Nutzens, in welchen auch künftig, doch unter Beobachtung der weiter unten bestimmten Formen, eine Veräußerung rechtbeständig statt finden kann; 2) Die Vererbung kleiner Parcellen zu Bauplätzen, jedoch lediglich gegen einen dem Werthe des Platzes verhältnißmäßigen jährlichen Erbzins und ohne Kauf-Schilling, 3) Die Ablassung gar nicht – und nicht einmal als Holzboden zur Cultur nutzbarer Plätze,

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R EUSS Ä LTERE L INIE 4) Die Vertauschung einer DomainenGuths-Parcelle gegen ein anderes GrundStück, zu bequemerer öconomischen Bewirthschaftung. § 9. Zur gesetzlichen Form der Ausnahmesweise noch künftig, nach §. 8. No. 1. 2. 3. und 4. zuläßigen Veräußerungen des Cameral-Vermögens gehöret, daß die Cammer als Verwaltungs-Behörde, und – im Falle No. 1. nebst derselben auch die Regierung und die beyden ersten Ritter- und Landschaftlichen Deputirten – mit ihrem Gutachten gehöret, die Urkunde von dem Landesherrn vollzogen, von den Mitgliedern der Cammer und – im Falle No. 1. zugleich mit von denen Mitgliedern der Regierung und von beyden ersten Ritterschaftlichen Deputirten – contrasigniret werde. Sind in letzterem Falle Räthe und Deputirte verschiedener Meinung, und die Mehrheit ist für die Veräußerung, so sind die Dissentirenden mit zu signiren verpflichtet; ist hingegen die Majorität dagegen, so kann die Veräußerung gar nicht statt finden. § 10. Alle und jede künftige Veräußerungen des Cameral-Vermögens, welche sich zu den Ausnahmen §. 8. nicht eignen, und bey welchen die nach Verschiedenheit der Fälle §. 9. vorgeschriebene Förmlichkeit nicht beobachtet worden, sind mit dem Gebrechen der Nichtigkeit behaftet, der Regierungs-Nachfolger ist das abgekommene Grundstück, Gefälle etc. ohne alle Vergütung wieder einzuziehen, berechtiget, und verbleibet dem Acquirenten nur der Regreß gegen die Landerben des Fürsten, mit welchem er das gesetzwidrige Geschäfte eingegangen. Es verstehet sich jedoch von selbst, daß alle diejenigen Veräußerungen, welche bishero bereits geschehen, rechtsbeständig und unangefochten bleiben. § 11. Alle diejenigen ältern und neuern Schulden, welche auf Unserer General-Cas-

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se bereits haften, und aus selbiger verzinset werden, erklären Wir hiermit noch zum Ueberfluß, für rechtmäßige Cammer-Schulden, deren Verzinß- und Abtragung Uns und jedem Regierungs-Nachfolger aus dem Cameral-Vermögen oblieget. § 12. Da die Cammeral-Revenüen, mit Hülfe der Landes-Sustentations-Gelder, in Voraussetzung sorgsamer Sparsamkeit und Ordnung im Haushalt, Uns und Unsere Regierungs-Nachfolgere in Stand setzen werden, die Cameral-Schuld jährlich zu mindern, und den beschlossenen Tilgungs-Plan unausgesetzt zu verfolgen, so können Wir billig jede neue Schulden-Vermehrung für eine widerrechtliche Ueberlästigung der Nachkommenschaft, mithin in der Regel für unerlaubt, wie hiermit geschiehet, erklären. Indessen sind die Ereignisse der Zukunft bekanntlich zu unübersehbar, als daß nicht Ausnahmen statt finden sollten. § 13. In diesem Falle, und wenn unabwendbare Noth, oder großer, sicherer und evidenter Nutzen, eine Abweichung von der Regel gebieten, und zu einer Anleihe geschritten werden sollte, hat die Cammer darüber ihr Gutachten, mit umständlicher Anführung der Rechtfertigungs-Ursachen, zu verabfassen, dasselbe der Regierung mitzutheilen, dann aber beyde Collegia sich mit den zwey ersten Ritterschaftlichen Deputirten zu vernehmen. Sind sämmtliche oder die Mehrheit der Stimmen für die Anleihe, so kann selbige geschehen, und wird eine rechtmäßige Cammer-Schuld; ist hingegen die Mehrheit gegen die Erborgung, so kann selbige, als Cameral-Schuld gar nicht statt finden. In jenem Falle gehöret zur Form des Geschäftes, daß in dem Schuldbekenntiß, die rechtfertigende Ursache der Anleihe angeführet, die Verwendung zu keinem andern, als dem angegebenen Zwecke versprochen, und

V ERFASSUNG VON R EUSS ÄLTERE L INIE (1809) nach der Unterschrift des Landesherrn folgendes Zeugniß: Daß Wir die unterzeichnete die Erborgung vorstehenden Capitals einmüthig (nach der Mehrheit der Stimmen) gebilliget, bezeugen Wir durch unsere Namens Unterschrift und Vordrückung des uns anvertraueten Siegels und resp. führenden Wappen, von sämmtlichen Mitgliedern der Regierung und Cammer auch beiden Landes-Deputirten vollzogen befindlich sey. § 14. Wenn eine Cammer-Schuld aufgekündiget wird und ein anderes Capital, höchstens von gleichem Betrage, wieder aufgenommen werden muß, mithin keine neue Schuld, sondern nur eine Veränderung in der Person des Gläubigers entstehet, so fallen die Förmlichkeiten §. 13. weg und treten dagegen folgende ein: Im neuen Schuldbekenntniß muß der Gläubiger, zu dessen Befriedigung wieder geborget wird, und der Betrag seines Capitals, als Veranlassung des Geschäftes, bemerket, und der neuen Urkunde die ältere eingelösete quittiret und cassiret angehänget werden. Werden zu einem größern aufgekündigten Capital mehrere kleinere aufgenommen, so wird dem einen neuen Schuldbrief die Urschrift des eingelöseten, den übrigen aber beglaubte Abschrift desselben, in obiger Maße beygefüget. Im Falle ein Capital nur zum Theil bezahlet, mithin das Schuldbekenntniß nicht zurückgegeben wird; so wird der Urkunde für den neuen Gläubiger, welcher zu dieser Partial-Zahlung geborget, die Urschrift der Quittung hierüber angeschlossen. § 15. Alle neue Schulden, bey welchen die Formen §. 13. und alle Darlehen zu Tilgung älterer Schulden, bey welchen die Formen §. 14. ermangeln, sind für Cammer-Schulden nicht zu achten, für den Regierungs-Nachfolger nicht verbindlich, und

wird dem Gläubiger ein Forderungs-Recht auf das Cameral-Vermögen nicht erworben. § 16. Geldaufnahmen zu künftiger Erwerbung von Cammer-Güthern, Gerechtsamen etc. so wie ganz oder zum Theil deswegen stehenbleibende Kaufgelder, sind neue Cammer-Schulden, mithin an die Formen §. 13. gebunden. Hingegen sind Dotal- und ParaphernalGelder Fürstl. Gemahlinnen, Dienst- und Pacht-Cautions-Capitalien, nicht dafür zu achten, und nur für deren nützlichste Verwendung zu sorgen.

VON CHATOULL- ODER PRIVAT-GÜTHERN UND SCHULDEN § 17. Zu Unserm Privat-Vermögen gehören hauptsächlich, active, eine große Zahl hiesiger Bankactien, einige Hammerwerke und Mercantil-Anstalten, passive aber, die großen Schulden, welche Unseres Hochseeligen Herrn Vaters Gnaden und Wir selbst, im ehemaligen allgemeinen gewissermassen ererbten Vertrauen auf die Waldungensche Direction dieser Institute, gemacht haben. Nachdeme sich aber neuerlich, aus der von Uns verfügten gründlichen Untersuchung der Bank, deren sehr mißliche Lage, und der große Verlust der Actien-Besitzer ergeben, die Revision der übrigen Institute auch der Erwartung nicht entsprochen; so hat Uns dieser an Unserm Privat-Vermögen so hart als unvermuthet erlittene Schlag, noch mehr aber das Schicksal Unserer dabey betheilten so vielen Creditoren tief bekümmern müssen. Wir vermögen zwar leider! nicht, ihnen dermalen die freye Disposition über das Ihrige zu gewähren: Indessen ist es Uns doch gelungen, wenigstens die Verzinsung zu 4 Procent zu sichern.

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R EUSS Ä LTERE L INIE § 18. Es haben nemlich Unsere getreuen Ritter- und Landschaftliche Deputirte – im Mitgefühle deutscher Redlichkeit und der Uns und ihnen, auch im Privat-Verhältniß, theuren Fürsten-Ehre – von den neuern Sustentationsgeldern 4000 Rthlr. jährlich zu diesem Zwecke bewilliget und da Wir zu gleichem Behufe Unsere Intraden von den ausländischen Gütern Weisendorf und Radeburg mit Rödern nebst etwaigen Kaufgeldern des erstern, bestimmt haben, so ist mit Zuversicht zu hoffen, daß wenigstens die Zinsen gedecket seyn werden. § 19. Unsere Privat-Schulden-Casse haben Wir Unserem Finanz-Rath Hey, ohne alle Vermischung mit der Bank, anvertrauet, werden ihn dieserhalb vor Unserer Regierung überhaupt, und besonders auf die pünktliche Bezahlung der Zinsen, vorzüglich jeder andern Ausgabe, verpflichten, und vor dieser Behörde Rechnung ablegen lassen. § 20. Alle Unsere Dienere, in deren Wirkungs-Kreis Gegenstände dieses Landes-

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Grund-Gesetzes gehören, werden von Uns zu dessen pünktlicher Festhaltung angewiesen. Zu Bekräftigung und steter unverbrüchlicher Beobachtung dieser Unserer Willensmeinung, haben Wir selbige eigenhändig vollzogen und mit Unserm größeren Insiegel bedrucken lassen, befehlen übrigens, daß selbige von Unserer Regierung, im Weg der Publication, zu jedermanns Wissenschaft gebracht werde. So geschehen, Greiz den 15. März 1809. L. S. Heinrich XIII. Fürst Reuß.

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Ediert nach Mandate, Gesetze und Verordnungen [1438–1868], Nr. 11, Blätter 97r.-100v., Bestand des Thüringischen Staatsarchives Greiz. Das Original enthält keinen eigenen Titel. Das Landesgrundgesetz wurde am 15. März 1809 unterzeichnet. Es wurde abgelöst durch die „Verfassung des Fürstenthums Reuß älterer Linie“ vom 28. März 1867. Siehe dazu Horst Dippel (Hrsg.), Verfassungen der Welt, 1850 bis zur Gegenwart, Teil 1: Europa, München, K.G. Saur 2002–2005, Mikrofiche-Nr. 355, 1 ff.

Staatsgrundgesetz von Reuß jüngere Linie (1849) Staatsgrundgesetz für das Fürstenthum Reuß Jüngere Linie1

Wir Heinrich der Zwei und Sechzigste, Jüngerer Linie und des ganzen Stammes Aeltester regierender Fürst Reuß, Graf und Herr von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und Lobenstein etc. etc. beurkunden hierdurch Folgendes: Die Verhandlungen des konstituirenden Landtages für das Fürstenthum Reuß Jüngerer Linie, welcher einberufen war, um in Gemeinschaft mit der Staatsregierung ein neues Landesgrundgesetz zu berathen und zu vereinbaren, haben zu dem erwünschten Ziele geführt. Wir haben kein Bedenken gefunden, die Uns vorgetragenen und von Uns reiflich erwogenen Anträge und Beschlüsse zu genehmigen, und indem Wir denselben Unsere Landesfürstliche Sanktion ertheilen, so verkünden Wir im Nachstehenden das vereinbarte Staatsgrundgesetz, mit dem aufrichtigen Wunsche, daß es das Band der Eintracht zwischen Fürsten und Volk immer enger knüpfen, die wohlverstandenen Freiheiten der Staatsangehörigen verbürgen, die Wirksamkeit der Staatsregierung kräftigen und dem Lande für alle Zeiten zum Segen gereichen möge.

STAATSGRUNDGESETZ FÜR DAS FÜRSTENTHUM REUSS JÜNGERER LINIE Erster Abschnitt Von dem Staatsgebiete § 1. Das Fürstenthum Reuß Jüngerer Linie bildet einen untheilbaren, selbstständi-

gen Theil des deutschen Reichsgebietes. § 2. Die für die Verwaltung des Staates nöthig werdende Organisation erfolgt durch das Gesetz. § 3. Die Grenzen des Staates können nur in Kraft eines Gesetzes verändert werden. Grenzberichtigungen mit einem Nachbarstaate, durch welche nur einzelne Stücke zur Herstellung einer geordneten Abgrenzung ausgetauscht oder abgelassen werden, nicht aber ein Staatsangehöriger abgetreten wird, können ohne Zustimmung der Landesvertretung geschehen.

Zweiter Abschnitt Von den Staatsangehörigen und ihren Rechten § 4. Die Bedingungen für den Erwerb und Verlust des Staatsbürgerrechts werden durch das Gesetz bestimmt. § 5. Die Strafe des bürgerlichen Todes soll nicht Statt finden, und da wo sie bereits ausgesprochen ist, in ihren Wirkungen aufhören, soweit nicht hierdurch erworbene Privatrechte verletzt werden. § 6. Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen nicht beschränkt, Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. § 7. Vor dem Gesetze gilt kein Unterschied der Stände. Der Adel als Stand ist aufgehoben. Alle Standesvorrechte sind abgeschafft. Die Staatsangehörigen sind vor dem Gesetze gleich.

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R EUSS J ÜNGERE L INIE Alle Titel, insoweit sie nicht mit einem Amte verbunden sind, sind aufgehoben und dürfen nie wieder eingeführt werden. Kein Staatsangehöriger darf von einem außerdeutschen Staate einen Orden annehmen. Die öffentlichen Aemter sind für alle Befähigten gleich zugänglich. Das Waffenrecht und die Wehrpflicht ist für Alle gleich; Stellvertretung bei letzterer findet nicht Statt. Die weitern Bestimmungen trifft das Gesetz. § 8. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Die Verhaftung einer Person soll, außer im Falle der Ergreifung auf frischer That nur geschehen in Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls. Dieser Befehl muß im Augenblicke der Verhaftung oder spätestens innerhalb der nächsten vier und zwanzig Stunden dem Verhafteten zugestellt werden. Binnen gleicher Frist muß eine vorläufige Vernehmung stattfinden. Die Polizeibehörde muß Jeden, den sie in Verwahrung genommen hat, spätestens im Laufe des folgenden Tages entweder freilassen oder der richterlichen Behörde übergeben. Jeder Angeschuldigte soll gegen Stellung einer vom Gericht nach dem Gesetze zu bestimmenden Kaution oder Bürgschaft der Haft entlassen werden, sofern nicht dringende Anzeigen eines schweren peinlichen Verbrechens gegen denselben vorliegen. Im Falle einer widerrechtlich verfügten oder verlängerten Gefangenschaft ist der hieran Schuldige und nöthigenfalls der Staat dem Verletzten zur Genugthuung und Entschädigung verpflichtet. § 9. Die Todesstrafe, ausgenommen wo das Kriegsrecht sie vorschreibt, sowie die Strafen des Prangers, der Brandmarkung und der körperlichen Züchtigung, sind abgeschafft.

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§ 10. Die Wohnung ist unverletzlich. Eine Haussuchung ist nur zulässig: 1) in Kraft eines richterlichen mit Gründen versehenen Befehls, welcher sofort oder innerhalb der nächsten vier und zwanzig Stunden dem Betheiligten zugestellt werden soll, 2) im Falle der Verfolgung auf frischer That, durch den gesetzlich berechtigten Beamten; 3) in den Fällen und Formen, in welchen das Gesetz ausnahmsweise bestimmten Beamten auch ohne richterlichen Befehl dieselbe gestattet. Die Haussuchung muß, wenn thunlich, mit Zuziehung von Hausgenossen erfolgen. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist kein Hinderniß der Verhaftung eines gerichtlich Verfolgten. § 11. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf, außer bei einer Verhaftung oder Haussuchung, nur in Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls, welcher sofort oder innerhalb der nächsten vier und zwanzig Stunden dem Betheiligten zugestellt werden soll, erfolgen. § 12. Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die Verletzung desselben ist peinlich zu bestrafen. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen. § 13. Jeder Staatsangehörige hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise durch vorbeugende Maßregeln, namentlich Zensur, Konzessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen, Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postverbote oder andere Hemmungen des freien Verkehrs be-

S TAATSGRUNDGESETZ VON R EUSS JÜNGERE L INIE (1849) schränkt, suspendirt oder aufgehoben werden. Ueber Preßvergehen, welche von Amtswegen verfolgt werden, wird durch Schwurgerichte geurtheilt. § 14. Jeder Staatsangehörige hat volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Niemand ist verpflichtet seine religiöse Ueberzeugung zu offenbaren. § 15. Jeder Staatsangehörige ist unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Uebung seiner Religion. Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach dem Gesetze zu bestrafen. § 16. Durch das religiöse Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte wieder bedingt noch beschränkt. Den staatsbürgerlichen Pflichten darf dasselbe keinen Abbruch thun. § 17. Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber, wie jede andere Gesellschaft im Staate, den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat; es besteht keine Staatskirche. Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. Ueber das Recht der Kirchengemeinden, ihre kirchlichen Beamten zu wählen, ergeht ein besonderes Gesetz. § 18. Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden. § 19. Die Formel des Eides soll eine für Alle gleichmäßige, an kein bestimmtes Religionsbekenntniß geknüpfte sein; sie soll lauten: „So wahr mir Gott helfe!“

§ 20. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Zivilaktes abhängig; die kirchliche Trauung kann nur nach Vollziehung des Zivilaktes Statt finden. Die Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehinderniß. § 21. Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Behörden geführt. § 22. Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei. § 23. Das Unterrichts- und Erziehungswesen steht unter der Oberaufsicht des Staats, und ist, abgesehen vom Religionsunterricht, der Beaufsichtigung der Geistlichkeit, als solcher, enthoben. § 24. Unterricht zu ertheilen, sowie Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und zu leiten, steht jedem Staatsangehörigen frei, wenn er seine moralische, wissenschaftliche, bezüglich technische Befähigung der betreffenden Staatsbehörde nachgewiesen hat. Der häusliche Unterricht unterliegt keiner Beschränkung. § 25. Für die Bildung der Jugend soll durch öffentliche Schulen überall genügend gesorgt werden. Eltern oder deren Stellvertreter dürfen ihre Kinder oder Pflegbefohlenen nicht ohne den Unterricht lassen, welcher für die unteren Volksschulen vorgeschrieben ist. § 26. Die öffentlichen Lehrer haben die Rechte der Staatsdiener. Der Staat stellt unter gesetzlich geordneter Betheiligung der Gemeinden aus der Zahl der Geprüften die Lehrer der Volksschulen an. § 27. Für den Unterricht in Volksschulen und niederen Gewerbeschulen wird kein Schulgeld bezahlt. Unbemittelten soll auf allen öffentlichen

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R EUSS J ÜNGERE L INIE Unterrichtsanstalten freier Unterricht gewährt werden. Die Unterhaltung der öffentlichen Bildungsanstalten, sowie die angemessene Besoldung der Lehrer an denselben liegt dem Staate ob, dagegen übernimmt er das sämmtliche Schulvermögen. Die für Schulzwecke gemachten Stiftungen bleiben unverändert fortbestehen. § 28. Es steht einem Jeden frei, seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er will. § 29. Jeder Staatsangehörige hat das Recht, sich mit Bitten und Beschwerden an die Behörden zu wenden, dieselben auch in geeigneten Fällen an den Landtag und an die Reichsversammlung schriftlich zu bringen. Dieses Recht kann sowohl von Einzelnen, als von Mehreren im Verein ausgeübt werden. § 30. Jeder Staatsbürger hat das Recht, öffentliche Beamte wegen amtlicher Handlungen gerichtlich zu verfolgen, einer vorgängigen Erlaubniß durch die Oberbehörde bedarf es dazu nicht. § 31. Die Staatsangehörigen haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln; einer besonderen Erlaubniß dazu bedarf es nicht. Volksversammlungen unter freiem Himmel können bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden. § 32. Die Staatsangehörigen haben das Recht, Vereine zu bilden. Dieses Recht soll durch keine vorbeugende Maßregel beschränkt werden. § 33. Die in den §§. 31. und 32. enthaltenen Bestimmungen finden auf das Militair Anwendung, insoweit die militairischen Disziplinar-Vorschriften nicht entgegenstehen.

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§ 34. Das Eigenthum ist unverletzlich. Eine Enteignung kann nur aus Rücksichten des gemeinen Besten, nur auf Grund eines Gesetzes und gegen vorhergehende gerechte Entschädigung vorgenommen werden. Das geistige Eigenthum soll durch die Gesetzgebung geschützt werden. § 35. Jeder Grundeigenthümer kann seinen Grundbesitz unter Lebenden und von Todeswegen ganz oder theilweise veräußern. Das Nähere hierüber bestimmt das Gesetz. Für die todte Hand sind Beschränkungen des Rechts, Liegenschaften zu erwerben und über sie zu verfügen, im Wege der Gesetzgebung aus Gründen des öffentlichen Wohls zulässig. § 36. Jeder Unterthänigkeits- und Hörigkeitsverband hört für immer auf. § 37. Ohne Entschädigung sind aufgehoben: 1) die Patrimonialgerichtsbarkeit und die grundherrliche Polizei, sammt den aus diesen Rechten fließenden Befugnissen, Exemtionen und Abgaben. 2) die aus dem guts- und schutzherrlichen Verbande fließenden persönlichen Abgaben und Leistungen. Mit diesen Rechten fallen auch die Gegenleistungen und Lasten weg, welche dem bisher Berechtigten dafür oblagen. § 38. Alle auf Grund und Boden haftenden Abgaben und Leistungen, insbesondere die Zehnten sind ablösbar: ob auch nur auf Antrag des Belasteten oder auch des Berechtigten und in welcher Weise, darüber bestimmt ein besonderes Gesetz. Alle noch nicht zu gegenseitigem Abschlusse gediehenen Ablösungen erfolgen von jetzt an nur nach einem neu zu erlassenden Gesetze. Es soll fortan kein Grundstück mit einer

S TAATSGRUNDGESETZ VON R EUSS JÜNGERE L INIE (1849) unablösbaren Abgabe oder Leistung belastet werden. Alle Bannrechte sind aufgehoben, die dafür zu leistenden Abgaben des bisher Berechtigten fallen weg. Etwaige Entschädigung übernimmt der Staat. § 39. Im Grundeigenthum liegt die Berechtigung zur Jagd auf eignem Grund und Boden. Die Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grund und Boden, Jagddienste, Jagdfrohnden und andere Leistungen für Jagdzwecke sind ohne Entschädigung aufgehoben. Nur ablösbar jedoch ist die Gerechtigkeit, welche erweislich durch einen lästigen mit dem Eigenthümer des belasteten Grundstückes abgeschlossenen Vertrag erworben ist; über die Art und Weise der Ablösung hat ein besonderes Gesetz das Weitere zu bestimmen. Die Ausübung des Jagdrechts aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und des gemeinen Wohls zu ordnen, bleibt der Gesetzgebung vorbehalten. Die Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grund und Boden darf in Zukunft nicht wieder als Grundgerechtigkeit bestellt werden. Die Fischereigerechtigkeit in Bächen, welche in fremdem Privateigenthume sich befinden, ist sammt den, mit einer solchen Gerechtigkeit verbundenen Servituten ablösbar. Soweit sie aber lediglich auf Regalität begründet wird, ist sie ohne Entschädigung aufgehoben. § 40. Es soll ein Steuersystem Statt finden, nach welchem neben dem Grundbesitze alle vorhandenen Steuerkräfte zu verhältnißmäßiger Mitleidenheit gezogen werden. Die Besteuerung bei den Staatslasten sowohl, als bei den Gemeindelasten soll so geordnet werden, daß alle Bevorzugung einzelner Stände und Güte aufhört. § 41. Die Familienfideikommisse sind

aufzuheben. Die Art und Bedingungen der Aufhebung bestimmt das Gesetz. Die gleichen Bestimmungen gelten für die Stammgüter. § 42. Aller Lehensverband ist aufzuheben. Das Nähere über die Art und Weise der Ausführung hat die Gesetzgebung anzuordnen. § 43. Die Strafe der Vermögenseinziehung soll nicht Statt finden. § 44. Alle Gerichtsbarkeit geht vom Staate aus. Es sollen keine Patrimonialgerichte bestehen. § 45. Die richterliche Gewalt wird selbstständig von den Gerichten geübt. Kabinetsund Ministerial-Justiz ist unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Ausnahmegerichte sollen nie Statt finden. § 46. Es soll keinen privilegirten Gerichtsstand der Personen oder Güter geben. Die Militairgerichtsbarkeit ist auf die Aburtheilung militairischer Verbrechen und Vergehen, sowie der Militairdisziplinarvergehen beschränkt, vorbehältlich der Bestimmungen für den Kriegsstand. § 47. Kein Richter darf, außer durch Urtheil und Recht, von seinem Amte entfernt, oder an Rang und Gehalt beeinträchtiget werden. Suspension darf nicht ohne gerichtlichen Beschluß erfolgen. Kein Richter darf wider seinen Willen, außer durch gerichtlichen Beschluß in den durch das Gesetz bestimmten Fällen und Formen, zu einer andern Stelle versetzt oder in den Ruhestand gesetzt werden. § 48. Das Gerichtsverfahren soll öffentlich und mündlich sein. Ausnahmen von der Oeffentlichkeit bestimmt im Interesse der Sittlichkeit das Gesetz.

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R EUSS J ÜNGERE L INIE § 49. In Strafsachen gilt der Anklageprozeß. Schwurgerichte sollen in schwereren Strafsachen und bei allen politischen Vergehen urtheilen. § 50. Die bürgerliche Rechtspflege soll in Sachen besonderer Berufserfahrung durch sachkundige, von den Berufsgenossen frei gewählte Richter geübt oder mitgeübt werden. § 51. Rechtspflege und Verwaltung sollen getrennt und von einander unabhängig sein. Ueber Kompetenzkonflikte zwischen den Verwaltungs- und Gerichtsbehörden, sowie über die Frage, ob eine Sache sich zum Gerichtsverfahren eigne, entscheiden die Justizbehörden des Landes im geordneten Instanzenzuge bis zum Oberappellationsgerichte, von dessen Entscheidung der Rekurs an das Reichsgericht nach den darüber bestehenden Gesetzen freisteht. § 52. Die Verwaltungsrechtspflege findet nicht Statt; über alle Rechtsverletzungen entscheiden die Gerichte. Der Polizei steht keine Strafgerichtsbarkeit zu. § 53. Ueber die rechtlichen Verhältnisse aller Staatsdiener soll ein besonderes Gesetz bestimmen. § 54. Rechtskräftige Urtheile deutscher Gerichte sind gleich den Erkenntnissen der Gerichte des Fürstenthums Reuß Jüngerer Linie wirksam und vollziehbar. § 55. Es findet eine, die freieste Selbstverwaltung sichernde Gemeindeordnung Statt. § 56. Es findet allgemeine Volksbewaffnung Statt. Das Nähere bestimmt das Gesetz.

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Dritter Abschnitt Von dem Staatsoberhaupt § 57. Die Person des Fürsten ist unverletzlich: die Staatsdiener sind verantwortlich. Alle Regierungsakte des Fürsten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des verantwortlichen Ministeriums, das für deren Gesetzmäßigkeit einzustehen hat. Der Mangel einer solchen Gegenzeichnung macht die Verfügung ungiltig. § 58. Die Regentenhandlungen der Vorfahren sind von den Nachfolgern anzuerkennen und zu vertreten, sofern sie ohne Ueberschreitung der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Befugniß unternommen wurden. § 59. Dem Fürsten allein steht die vollziehende Gewalt zu; er verfügt die Verkündigung der Gesetze und erläßt die zu deren Vollziehung nöthigen Verordnungen. § 60. Dem Fürsten gebührt die Besetzung aller Staatsämter und der Oberbefehl über das Militair. § 61. Der Fürst hat das Recht der Begnadigung und der Strafmilderung. Gegen die von den Vertretern des Landes in Anklagestand versetzten Staatsdiener findet eine solche überhaupt nur unter den §. 133. vorgesehenen Bestimmungen oder auf Antrag der Volksvertretung selbst Statt. § 62. Das Recht auf die Regierung des Landes ist den Hausgesetzen gemäß erblich im Mannsstamme des Fürstlichen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge. § 63. Ist der nach den Bestimmungen des §. 62. zur Regierung berufene Erbfolger minderjährig oder an dem Antritte der Regierung aus einem anderen Grunde verhindert, ohne daß von seinem Vorfahren

S TAATSGRUNDGESETZ VON R EUSS JÜNGERE L INIE (1849) durch eine mit Zustimmung der Volksvertretung errichtete Verfügung deshalb genügende Vorsorge getroffen worden ist, so tritt für die Dauer der Minderjährigkeit oder der sonstigen Verhinderung eine Regentschaft ein in der unterzeichneten Weise. Diese Regentschaft tritt auch ein, wenn das Staatsoberhaupt während der Regierung durch irgend einen Grund dauernd an der Fortführung derselben verhindert ist, für die Zeit der Verhinderung und wenn dasselbe in der obenangegebenen Weise keine Vorkehrung getroffen hat. Die Regentschaft gebührt in Bezug auf den minderjährigen Landesfürsten zunächst der leiblichen Mutter desselben, wenn diese aber sich nicht mehr am Leben befindet, oder anderweit vermählt oder sonst verhindert ist, dem nächsten volljährigen zur Regierung fähigen Agnaten des Fürstlichen Hauses. Die Volljährigkeit tritt ein mit dem zurückgelegten ein und zwanzigsten Lebensjahre. Bei der obengedachten Verhinderung des Landesfürsten kommt die Regentschaft der Gemahlin desselben zu, wenn aus der gemeinschaftlichen Ehe ein zur unmittelbaren Nachfolge berechtigter noch minderjähriger Prinz vorhanden ist und zwar für die Dauer dieser Minderjährigkeit. Sobald dagegen ein zur unmittelbaren Nachfolge berechtigter, großjähriger Prinz vorhanden ist, so übernimmt dieser die Regentschaft. Ist überhaupt keine männlichen Nachkommenschaft des behinderten regierenden Fürsten vorhanden, so gebührt die Regentschaft dem nächsten regierungsfähigen Agnaten. Der Regentschaft steht auf Grund der Hausgesetze ein Regentschaftsrath zur Seite. Die weitern Bestimmungen darüber trifft ein Gesetz. § 64. Das sämmtliche innerhalb des Lan-

des gelegene Domanial-, Haus- und Familiengut an Gütern, Forsten und Zubehör wird dem Staate zur Verwaltung abgetreten. Der Fürst bekommt dagegen eine Zivilliste für sich und sein Fürstliches Haus. Das Nähere wird im Wege der Vereinbarung festgesetzt. § 65. Der Sitz der Staatsregierung kann nie außer Landes verlegt werden.

Vierter Abschnitt Von der Volksvertretung § 66. Die Rechte des Volks werden durch freigewählte Abgeordnete ohne Unterschied des Standes vertreten. § 67. Auf je 4000 Einwohner ist ein Vertreter vom Volke zu wählen und für jeden Volksvertreter ein Stellvertreter. Die Wahlen erfolgen nach Maßgabe des unter A. beigedruckten Wahlgesetzes. 2 § 68. Kein Volksvertreter kann sein Stimmrecht durch Auftrag ausüben lassen oder für seine Stimme Instruktionen annehmen. § 69. Beim Eintritt in die Landtagsversammlung gelobt jeder Volksvertreter mittelst Handschlags Folgendes an: Ich gelobe die Staatsverfassung heilig und treu zu bewahren und in der Landtagsversammlung das Staatswohl ohne Nebenrücksichten nach meiner eigenen gewissenhaften Ueberzeugung bei meinen Anträgen und Abstimmungen zu beobachten.

Fünfter Abschnitt Von den Rechten und Pflichten der Volksvertretung § 70. Der Volksvertretung stehen im Allgemeinen folgende Rechte zu: a) entscheidende Stimme bei der Besteuerung, insbesondere das Recht der Steuerbewilligung;

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R EUSS J ÜNGERE L INIE b) entscheidende Stimme bei der Ordnung des Staatshaushaltes, c) entscheidende Stimme bei der Gesetzgebung; d) das Recht des Gesetzvorschlags, der Beschwerde, der Adresse, sowie der Anklage der Minister.

Sechster Abschnitt Steuerbewilligung und Finanzverwaltung § 71. Die Volksvertretung hat die Pflicht, nächst der Ueberwachung des gesammten Staatsvermögens, dahin mitzuwirken, daß nicht nur die Beiträge der Staatsangehörigen zu dem, was die Verwaltung des Landes und das Gemeinwohl erheischt, mit Sparsamkeit gefordert und mit Gerechtigkeit vertheilt, sondern auch die gesammten Staatseinkünfte mit Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit ihrer Bestimmung gemäß verwendet werden. § 72. Es soll zu dem Ende der Volksvertretung ein genauer Anschlag (Etat) von dem, was zu den Zwecken des Staates in ihren verschiedenen Beziehungen erforderlich ist, zur Berathung vorgelegt und der Bedarf mit ihr gemeinschaftlich geprüft und festgesetzt, die Art, wie dieser Bedarf aufzubringen ist, mit ihr bestimmt, ohne ihre ausdrückliche Zustimmung keine neue Steuer irgend einer Art ausgeschrieben und keine Abgabe, deren Bewilligungsperiode abgelaufen ist, eingefordert werden. § 73. Es müssen jedoch auch abgelaufene Verwilligungen, insofern sie nicht für einen vorübergehenden und bereits erreichten Zweck bestimmt waren, in der Zwischenzeit bis zur verfassungsmäßigen Periode des nächsten Landtages und nach Eröffnung des Landtages bis zur Bestimmung des neuen Finanzetats und zur Feststellung der zu dessen Deckung erforderlichen Mittel fortgesetzt werden. Jedoch darf diese weitere Erhebung nicht

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über die nächste Finanzperiode hinausgehen, indem dann unbedingt die Bewilligung der Volksvertretung nothwendig wird. § 74. Die Bewilligungen der Steuern dürfen von der Volksvertretung nicht an die Bedingung der Erfüllung bestimmter, das Budget nicht betreffender Anträge geknüpft werden. Sie kann jedoch immer eine vollständige Uebersicht und Nachweisung der Staatsbedürfnisse und der Staatseinnahmen fordern. § 75. Sind die Staatsregierung und die Volksvertretung über den Finanzetat und die zu dessen Bestreitung für die nächste Finanzperiode erforderlichen öffentlichen Abgaben, über ihren Betrag, ihre Art und Erhebungsweise einverstanden, so werden diese Abgaben als von der Volksvertretung genehmigte, mittelst Fürstlichen Patents ausgeschrieben und bekannt gemacht. § 76. Ueber die Verwendung der bewilligten Steuern und Abgaben, sowie der gesammten Staatseinnahmen mit alljährlich vollständige Rechnung abgelegt. Der Volksvertretung steht das Recht zu, die Rechnungen über die aus der Landeskasse bestrittenen Staatsbedürfnisse zu prüfen und über die darin bemerkten Anstände Auskunft zu fordern. S. die §§. 115. 116. 117. 118. über den Landtagsausschuß. § 77. Die gesammte Landesschuld ist unter die Gewährleistung der Volksvertretung gestellt. Zur Aufnahme neuer Landesschulden und zur Kreirung von Kassenscheinen ist die Zustimmung der Volksvertretung erforderlich. Bei Schuldurkunden, welche der Staat ausstellt, ist die Mitunterzeichnung durch den Landtagsausschuß nothwendig. – § 116 b. – Als neue Landesschulden sind nicht zu

S TAATSGRUNDGESETZ VON R EUSS JÜNGERE L INIE (1849) betrachten diejenigen Vorschüsse, welche Behufs einer Tilgung von früheren Landesschulden aufgenommen werden, ebensowenig die Ausstellung neuer Schuldurkunden an die Stelle älterer Obligationen. – Konvertirung. – § 78. In außerordentlichen Fällen, z. B. in Kriegszeiten, in der Nothwendigkeit schleuniger Erfüllung der Bundespflichten, wo die Staatsbedürfnisse weder durch die ordentlichen noch durch außerordentliche Beiträge der Staatsangehörigen, ohne deren zu große Belastung bestritten werden können, die Einberufung des Landtages aber nicht sofort ausführbar erscheint, kann das Ministerium die erforderlichen Summen unter seiner Verantwortung und unter der Verpflichtung, über die Nothwendigkeit und Verwendung derselben gegen den nächst zusammentretenden Landtag sich auszuweisen, aufnehmen.

Siebenter Abschnitt Gesetzgebung § 79. Kein Gesetz kann ohne Zustimmung der Volksvertretung erlassen, abgeändert, aufgehoben oder authentisch interpretirt werden. § 80. Die Gesetzentwürfe werden von dem Fürsten an die Volksvertretung gebracht; ebenso hat diese das Recht, auf neue Gesetze, sowie auf Abänderung oder Aufhebung bestehender anzutragen und zu dem Ende Entwürfe vorzulegen. § 81. Der Fürst sanktionirt die Gesetze und macht sie bekannt. In der Verkündigung wird Bezug genommen auf die erfolgte Zustimmung der Volksvertretung. (§.59.) § 82. Der Fürst erläßt auch solche, ihrer Natur nach der Zustimmung der Volksvertretung bedürfende, aber durch das Staatswohl dringend gebotene Verordnungen, deren Zweck durch Verzögerung vereitelt wer-

den würde, mit Ausnahme aller und jeder Abänderungen in der Verfassung und in dem Wahlgesetze3 . Dafür, daß das Staatswohl Eile geboten habe, ist das Ministerium verantwortlich. § 83. Alle in dieser Weise erlassenen Verordnungen sind dem nächsten Landtage zur nachträglichen Beschlußfassung vorzulegen. Die von ihm etwa beschlossene Aufhebung einer solchen Forderung hat keine rückwirkende Kraft. § 84. An der Ausführung der verfassungsmäßigen Beschlüsse der Reichsgewalt kann der Landesfürst nicht gehindert und können die dazu erforderlichen Mittel von der Volksvertretung nicht versagt werden. Hinsichtlich der Art und Weise der Aufbringung der Mittel ist die Mitwirkung der Volksvertretung erforderlich. § 85. In allen Beziehungen zu anderen Staaten vertritt der Fürsten den Staat allein. § 86. Es kann jedoch durch Verträge mit anderen Staaten kein Theil des Staatsgebietes und des Staatseigenthums veräußert, keine Last auf das Land oder dessen Angehörige übernommen und kein Landesgesetz abgeändert oder aufgehoben, auch keine Verpflichtung, welche den Rechten der Staatsbürger Eintrag thun würde, eingegangen werden, ohne daß die Zustimmung der Volksvertretung vor dem Abschlusse eingeholt und ertheilt worden ist. § 87. Von dieser Zustimmung sind die bereits abgeschlossenen Verträge für ihre vertragsmäßige Dauer ausgenommen. § 88. Der Fürst kann einen der Volksvertretung übergebenen Gesetzentwurf noch während der Discussion darüber wieder zurücknehmen. § 89. Die ständische Erklärung, wodurch ein Gesetzvorschlag entweder ganz abgelehnt wird, oder Veränderungen dazu bean-

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R EUSS J ÜNGERE L INIE tragt werden, muß die Angabe der Beweggründe enthalten. § 90. Ein von der Volksvertretung ganz abgelehnter Gesetzentwurf kann zwar bei einem folgenden Landtage unverändert wieder an sie gebracht werden, während desselben Landtags aber nur in veränderter Weise. § 91. Die von der Volksvertretung auf Vervollkommnung der Gesetzgebung und Verfassung gestellten Anträge oder eingebrachten Gesetzentwürfe sind während des Landtages, auf welchem sie vorgeleget werden, in Erwägung zu ziehen.

cken, namentlich solche, welche auf Abänderung des Staatsgrundgesetzes und des Wahlgesetzes4 sowie der, in Folge derselben getroffenen organischen Bestimmungen gerichtet sind, ingleichen alle, welche den Staatshaushalt und die Besteuerung der Staatsangehörigen betreffen, erfordern zu ihrer Giltigkeit nicht allein eine Stimmenmehrheit von mindestens zwei Dritttheilen der verfassungsmäßigen Zahl der Mitglieder des Landtages, sondern auch das Einverständniß des Staatsoberhauptes.

Achter Abschnitt Ueberwachung der Verwaltung

§ 92. Die Erklärung des Fürsten über Bestätigung oder Nichtbestätigung eines solchen Antrages oder Gesetzentwurfes erfolgt innerhalb sechs Wochen vom Eingange der betreffenden ständischen Erklärungsschrift an gerechnet, und zwar im Falle der Nichtbestätigung unter Angabe der Bestimmungsgründe. Ist die Session vor Ablauf dieser sechs Wochen geschlossen worden, so wird die Entschließung des Fürsten dem Landtagsausschusse eröffnet. Geht binnen der vorgebrachten sechs Wochen die Fürstliche Erklärung nicht ein, so gilt der Gesetzvorschlag oder Antrag als verworfen. In diesem Falle, sowie wenn der Fürst die Sanktion ausdrücklich versagt hat, darf der Antrag oder Gesetzesbeschluß erst vom nächsten ordentlichen Landtage – in der nächsten Landtagsperiode – wiederholt und nochmals zur Discussion gebracht werden. Wird dann ein solcher Antrag oder Gesetzesvorschlag von den zwei folgenden ordentlichen Landtagen mit jedesmaliger Neuwahl der Abgeordneten hinter einander gleichmäßig mit einer Majorität von zwei Dritttheilen wiederholt und eingebracht, so erlangt er auch ohne die Sanktion des Landesfürsten Gesetzeskraft. Anträge des Landtages, welche auf Abänderung der Verfassung des Staates abzwe-

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§ 93. Die Volksvertretung ist berechtigt, Mißbräuche, welche derselben in den verschiedenen Zweigen der Verwaltung bekannt werden, zur Abhilfe anzuzeigen. § 94. Es soll derselben über die Beschwerden, welche theils durch die Abgeordneten, theils durch Eingaben Anderer zur Sprache kommen, auf Verlangen vollständige Auskunft ertheilt und es soll jede solche von der Volksvertretung vorgebrachte Beschwerde mit Genauigkeit und Sorgfalt untersucht und derselben, so weit sie gegründet befunden wird, abgeholfen werden. § 95. Einzelne, Vereine und Korporationen können sich nur dann mit Beschwerden über erlittene Rechtsverletzung an die Volksvertretung wenden, wenn sie die gesetzlichen und verfassungsmäßigen Wege, um bei den Landesbehörden eine Abhilfe ihrer Beschwerden zu erlangen, vergeblich eingeschlagen haben. Das §. 29. gewährleistete Recht der Bitte bleibt unbeschränkt. § 96. Beschwerden und Bitten dürfen weder von Privatpersonen, noch von Vereinen, noch von Korporationen persönlich überreicht, sondern sie müssen an das Landtagsdirektorium entweder unmittelbar oder

S TAATSGRUNDGESETZ VON R EUSS JÜNGERE L INIE (1849) durch ein Mitglied der Landtagsversammlung eingebracht werden.

Neunter Abschnitt Bestimmungen über die Ausübung der, der Volksvertretung zustehenden Rechte durch den Landtag § 97. Die der Volksvertretung zustehenden Rechte werden, mit Ausnahme der im Abschnitt X. dem Landtagsausschusse übertragenen besonderen Rechte und Befugnisse, ausschließend von derselben im Landtage ausgeübt. § 98. Der Landtag soll regelmäßig alle zwei Jahre im Monat Oktober und außerdem so oft es zur Erledigung dringender und wichtiger Landesangelegenheiten von der Staatsregierung, sei es nach eigenem Ermessen, sei es auf Antrag der Volksvertretung, für nöthig befunden wird, einberufen werden. § 99. Die Anordnung zur Zusammenberufung des Landtages ergehet durch den Fürsten. § 100. Jeder einberufene Abgeordnete ist verpflichtet, der erhaltenen Einladung zu Folge am Tage vor Eröffnung des Landtages persönlich zu erscheinen und seine Anwesenheit bei dem Ministerium zu melden § 101. Ist ein Abgeordneter verhindert, dem Landtage beizuwohnen, so hat er sein Ausbleiben dem Ministerium schriftlich so zeitig anzuzeigen und zu entschuldigen, daß sein Stellvertreter noch zur rechten Zeit einberufen oder nöthigenfalls eine neue Wahl angeordnet werden kann. § 102. Ein Beamteter, welcher zum Volksvertreter gewählt ist, bedarf keines Urlaubs; es genügt eine bloße desfallsige Anzeige bei der vorgesetzten Behörde. In Bezug auf die Stellvertretung eines

gewählten Abgeordneten in seinem Amte, sowie darauf, wie die Kosten der Stellvertretung zu decken seien, ergeht ein Gesetz. Der Eintritt eines Abgeordneten in den Staatsdienst, sowie die Beförderung oder Verbesserung eines zum Abgeordneten gewählten Staatsdieners im Amte bedingt eine neue Wahl. Der Ausgeschiedene ist wieder wählbar. § 103. Wenn nicht wenigstens zwei Drittheile der Abgeordneten anwesend sind, so kann weder der Landtag eröffnet, noch sonst eine vorbereitende Verhandlung mit Gültigkeit vorgenommen werden. § 104. Der Landtag prüft die Wahlen seiner Mitglieder und entscheidet darüber; er regelt seinen Geschäftsgang durch eine Geschäftsordnung und erwählt seinen Präsidenten, seinen Vizepräsidenten und seine Schriftführer. § 105. Der Landtag verhandelt mit dem Fürsten durch das Mittel des Ministeriums. An dieses allein hat sich daher die Volksvertretung wegen jeder Auskunft und oder wegen der Materialien, deren sie für ihre Geschäfte bedarf, zu wenden. Es empfängt die von ihr abzugebenden Erklärungen und Gutachten, sowie ihre sonstigen Vorstellungen, Bitten und Beschwerden. § 106. Mindestens Ein Mitglied des Ministeriums oder die Kommissarien desselben müssen den Sitzungen des Landtages beiwohnen, um Aufschlüsse zu ertheilen und die Staatsregierung in jeder Beziehung zu vertreten. § 107. Die Eröffnung des Landtages erfolgt durch den Fürsten oder in dessen Auftrag durch das Ministerium. § 108. Die Verhandlungen des Landtages sind in der Regel öffentlich. Sie werden auf Antrag der Regierungs-Kommissarien oder auf Antrag jedes einzelnen Mitgliedes der Versammlung geheim gehalten.

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R EUSS J ÜNGERE L INIE Das Nähere hierüber bestimmt die Geschäftsordnung.

Innern des Hauses steht nach Maßgabe der Geschäftsordnung dem Präsidium zu.

§ 109. Zur Gültigkeit eines Beschlusses im Landtage gehört die Anwesenheit von mindestens zwei Dritttheilen der Abgeordneten.

§ 112. Sämmtliche Abgeordnete genießen für die Zeit ihres Aufenthalts auf dem Landtage, vor und mit dem Tage der Eröffnung und bis und mit dem Tage nach dem Schlusse des Landtags eine tägliche Auslösung, worüber ein besonderes Regulativ mit dem Landtage vereinbart wird. Diese Tagegelder, sowie der gesammte Aufwand für die landständischen Versammlungen werden aus der Landeskasse bestritten. Kein Abgeordneter darf auf seine Tagegelder verzichten.

§ 110. Ein Beschluß des Landtages kann weder durch Protestation, noch durch Berufung auf höchste Entscheidung, noch auf andere Weise gehindert werden. Die Minderheit muß sich der Mehrheit unterwerfen. § 111. Ein Landtagsabgeordneter darf vom Augenblicke des ihm behändigten Mandats an, ein Stellvertreter von dem Augenblicke an, wo er an die Stelle des Abgeordneten einberufen worden ist, während der Dauer des Landtags ohne Zustimmung der Landtagsversammlung weder verhaftet, noch in strafrechtliche Untersuchung gezogen werden, mit alleiniger Ausnahme der Ergreifung auf frischer That. In diesem letztern Falle ist der Landtag von der getroffenen Maßregel sofort in Kenntniß zu setzen und es steht demselben zu, die Aufhebung der Haft und der Untersuchung bis zum Schlusse des Landtags zu veranlassen. Dieselbe Befugniß steht dem Landtage in Betreff einer Verhaftung oder Untersuchung zu, welche über einen Abgeordneten zur Zeit seiner Wahl bereits verhängt gewesen ist. Kein Abgeordneter darf zu irgend einer Zeit wegen seiner Abstimmung in der Landtagsversammlung oder wegen der bei Ausübung seines Berufs gethanen Aeußerungen gerichtlich verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden, wenn nicht der vorgekommene Fall das rechtliche Kennzeichen eine Injurie, Verleumdung oder eines in den Gesetzen mit Strafe bedrohten sonstigen Vergehens an sich trägt. Die Aufrechterhaltung der Ordnung im

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§ 113. Der Landtag wird durch einen Landtagsabschied geschlossen, mit welchem die Versammlung von dem Fürsten selbst oder dem Ministerium entlassen wird. § 114. Dem Fürsten steht das Recht zu, den Landtag unter Angabe der Gründe zu vertagen oder aufzulösen. Ohne Zustimmung des Landtags darf die Vertagung die Frist von dreißig Tagen nicht übersteigen und während derselben Landtagsperiode nicht wiederholt werden. Im Falle der Auflösung des Landtages erlischt das Mandat der sämmtlichen Abgeordneten von selbst; es sind jedoch die Mitglieder des aufgelöseten Landtages wieder wählbar. Die Frist für den Zusammentritt des neugewählten Landtages darf nicht über sechszig Tage nach erfolgter Auflösung ausgedehnt werden.

Zehnter Abschnitt Von dem Landtagsausschusse § 115. In der Zeit zwischen zwei ordentlichen Landtagen besteht ein Ausschuß, welcher aus dem letzten Präsidenten des Landtages und zwei von der Versammlung

S TAATSGRUNDGESETZ VON R EUSS JÜNGERE L INIE (1849) durch einfache Stimmenmehrheit zu wählenden Abgeordneten zusammengesetzt ist, bei deren Wahl darauf zu sehen ist, daß jedes der vormaligen drei Fürstenthümer Reuß Jüngerer Linie vertreten sei. § 116. Die Obliegenheiten und Befugnisse dieses Ausschusses sind: a) Die Rechte der Volksvertretung aufrecht zu erhalten, die Ausführung der vom Staatsoberhaupte und vom Landtage gefaßten Beschlüsse zu überwachen, in dringenden Fällen Anzeige an die Staatsregierung zu erstatten und Vorstellungen und Beschwerden bei derselben anzubringen, auch wenn es nothwendig erscheinen sollte, auf Zusammenberufung eines außerordentlichen Landtages unter Anführung der Gründe anzutragen. b) Schuldverschreibungen über die auf verfassungsmäßigem Wege auf Staatskassen aufgenommenen Kapitalien mitzuunterzeichnen. c) Bei der Abnahme der Rechnungen über diejenigen Kassen, welche der Betheiligung der Volksvertretung unterliegen, mitzuwirken, namentlich die Rechnungsbelege einzusehen, Erinnerungen zu ziehen, darüber zu wachen, daß die festgesetzten Etats dieser Kassen eingehalten werden. Sollten sich bei dieser Abnahme Anstände ergeben, welche durch den Ausschuß nicht erledigt werden können, so bleiben diese der Beschlußnahme des Landtags vorbehalten. § 117. Dem Ausschusse wird behufs der Prüfung der Rechnungen ein besonderes Exemplar derselben sechs Wochen vor der Rechnungsabnahme zugestellt. Die von dem Ausschusse bei dieser Prüfung gezogenen Erinnerungen werden von demselben der Behörde spätestens drei Wochen vor dem Termin der Rechnungsabnahme mitgetheilt. Ein Exemplar der abgenommenen und unter Zustimmung des Ausschusses justi-

fizirten Rechnungen ist in dem Archive des Landtages aufzubewahren und demselben jedesmal vorzulegen. § 118. Die Auslösungen der Mitglieder des Ausschusses erfolgen nach Maaßgabe des §. 112. für die Zeit ihrer jedesmaligen Zusammenkunft.

Eilfter Abschnitt Gewähr der Verfassung. Verpflichtung der Staatsdiener auf dieselbe. Verantwortlichkeit des Ministeriums § 119. Das gegenwärtige Verfassungsgesetz ist für alle Landesangehörige nach seiner Verkündigung durch den Landesfürsten verbindlich. § 120. Vor Ausübung der verfassungsmäßigen Regierungsrechte leistet der Landesfürst bei dem Regierungsantritte vor der versammelten Volksvertretung das eidliche Gelöbniß, die Verfassung des Staates aufrecht zu erhalten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren. Ueber diese Handlung wird ein förmliches, von dem Fürsten mitzuvollziehendes Protokoll aufgenommen und im Landtagsarchive niedergelegt. Dieselbe Pflicht liegt dem Regierungsverweser beim Antritte der Regentschaft ob. Bis zur Eidesleistung von Seiten des Fürsten oder von Seiten des Regierungsverwesers werden die verfassungsmäßigen Rechte des Regenten von dem verantwortlichen Ministerium ausgeübt. § 121. Alle Staatsdiener und Beamteten, alle Magistrate und Ortsgerichte schwören jetzt und künftig bei der Anstellung auf gewissenhafte Beobachtung der Landesverfassung. Das Militair wird ebenfalls auf die Verfassung vereidet.

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R EUSS J ÜNGERE L INIE § 122. Alle Landesangehörigen sind bei ihrer Aufnahme in das Bürger- und Gemeinderecht verbunden, folgenden Eid zu leisten: „Ich schwöre Treue dem Landesfürsten, Gehorsam dem Gesetze und Beobachtung der Landesverfassung!“ § 123. Jeder Staatsdiener haftet für die Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit seiner amtlichen Thätigkeit. § 124. Die von dem Fürsten ausgehenden Verfügungen sind von einem Mitgliede des Ministeriums zu kontrasigniren. Dasselbe ist dafür verantwortlich, daß keine von ihm kontrasignirte und von ihm unterschriebene Verfügung eine Verletzung des Verfassungsgesetzes enthält. Diese Verantwortlichkeit kann durch Befehle des Fürsten nicht aufgehoben oder vermindert werden. § 125. Die Volksvertretung ist befugt, diese Verantwortlichkeit durch Beschwerde oder förmliche Anklage geltend zu machen. § 126. Unerlaubte Handlungen oder Versehen und Nachlässigkeiten der unteren Staatsdiener können der Volksvertretung zur Ausübung dieses Rechts nur dann Veranlassung geben, wenn deshalb bei der zuständigen höheren Behörde und zuletzt beim Ministerium vergebens Klage geführt worden und dieses eben dadurch, daß solches vergeblich gewesen, sich selbst einer Pflichtwidrigkeit schuldig gemacht hat. § 127. Nur Beschwerdeführung, nicht förmliche Anklage ist gegen eine höhere Behörde zulässig, wenn die Unzweckmäßigkeit einer Verordnung oder anderen Maßregel die Volksvertretungen zum Gebrauche ihres Rechts auffordert; förmliche Anklage dagegen findet Statt, wenn eine absichtliche Verletzung der Verfassung in Frage stehet. § 128. Ist Beschwerde erhoben, so wird der dadurch betroffene Staatsdiener oder

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die betroffene Behörde mit Verantwortung gehört. Ist diese nicht ausreichend, vielmehr die von der Volksvertretung erhobene Beschwerde ganz oder zum Theil begründet, so erfolgt Landesfürstlicher Seits die Anweisung zur Verbesserung des Fehlers, zur Abstellung des Mangels, zur Aufhebung des Mißbrauches, unbeschadet der einzuleitenden förmlichen Untersuchung, wenn sich bei weiterem Eingehen in der Sache gröbere Vergehen hervorthun. § 129. Der Volksvertretung ist von dem Erfolge ihrer Beschwerdeführung jedes Mal Kenntniß zu geben. § 130. Ist förmliche Anklage erhoben, so ist zu deren Untersuchung und Entscheidung das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht in Jena ausschließend kompetent. Es steht aber dem Angeklagten wie der Volksvertretung frei, auch auf Versendung der Akten an ein anderes deutsches Spruchkollegium, behufs der Entscheidung über die Anklage an der Stelle des Oberappellationsgerichtes anzutragen. § 131. Der Fürst läßt daher die erhobene Klage an das gemeinschaftliche Tribunal zu Jena überweisen. Findet dasselbe die Klage hinlänglich begründet und durch Angabe der Beweismittel gehörig unterstützt, so hat es nach den gesetzlichen Formen das Verfahren einzuleiten, das Erkenntniß mit Gründen im Namen des Fürsten zu sprechen und auf dagegen eingelegtes Rechtsmittel dasselbe Verfahren zu beobachten, wie in anderen Sachen, welche durch Kompromiß an das Oberappellationsgericht gelangen – §. 41. f. der Oberappellationsgerichtsordnung. – § 132. Von der Ueberweisung der Anklage an das Oberappellationsgericht wird die Volksvertretung, oder wenn diese nicht versammelt ist, der Landtagsausschuß in Kenntniß gesetzt. Uebrigens steht es der

S TAATSGRUNDGESETZ VON R EUSS JÜNGERE L INIE (1849) Volksvertretung frei, einem Anwalt zur Verfolgung der angebrachten Klage und zu Wahrnehmung des ständischen Interesse beim Oberappellationsgericht Auftrag zu ertheilen. Kommt bei einem Verfahren das Interesse der Landeskasse in Frage, so ist der Zivilpunkt außerdem anhängig zu machen und zu verfolgen. Von der Organisation des Reichsgerichts bleibt es abhängig, ob die Anklagen gegen die Minister gleich dort anzubringen und zu verhandeln sind, oder ob nur Rekurs von den Entscheidungen des Oberappellationsgerichts an das Reichsgericht Platz greifen wird. § 133. Untersuchungen gegen Staatsdiener wegen Verfassungsverletzungen oder Dienstverbrechen, welche auf die an den Fürsten gelangte Anklage verfügt worden, können ohne Zustimmung der Volksvertretung nicht niedergeschlagen und das Begnadigungsrecht kann ohne dieselbe nie dahin ausgedehnt werden, daß ein durch gerichtliches Erkenntniß in Entfernung vom Amte verurtheilter Staatsdiener in seiner bisherigen Stelle gelassen oder anderweit im Staatsdienste wieder angestellt werde, es wäre denn, daß in Rücksicht auf Wiederanstellung das richterliche Erkenntniß einen L. S.

ausdrücklichen Vorbehalt zu Gunsten des Verurteilten enthielte. § 134. Wenn über die Auslegung einzelner Bestimmungen der Verfassungsurkunde Zweifel entsteht und derselbe nicht durch Uebereinkunft zwischen der Regierung und der Volksvertretung beseitigt werden kann, so soll schiedsrichterliche Entscheidung des Oberappellationsgerichts zu Jena nach Analogie der in der Oberappellationsgerichtsordnung §.41.-44. enthaltenen Bestimmungen eintreten. An die Stelle des Oberappellationsgerichts tritt das Reichsgericht, sobald dasselbe errichtet sein wird. § 135. Gegenwärtiges Verfassungsgesetz wird unter die Garantie des deutschen Bundes gestellt. Wir werden dieses Staatsgrundgesetz im Ganzen, wie in seinen einzelnen Theilen treu und gewissenhaft beobachten, auch gegen alle Eingriffe und Verletzungen nach Kräften schützen, weisen auch alle Unsere Behörden und Diener an, demselben unverbrüchlich nachzuleben. Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und Vordrückung Unsers Landesfürstlichen Insiegels. Schloß Osterstein, am 30. November 1849.

Heinrich der 62. Jüngerer Linie Fürst Reuß. Dr. Hermann Robert v. Bretschneider. Ernst Friedrich Dinger. Dr. Emil v. Beulwitz.

WAHLGESETZ für die Wahlen zum Landtage des Fürstenthums Reuß Jüngerer Linie § 1. Wahlberechtigt ist jeder unbescholtene Staatsbürger, welcher das fünf und zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt hat und eine direkte Staatssteuer entrichtet.

So lange indessen eine allgemeine Einkommen- resp. Vermögenssteuer nicht eingeführt ist, ist jeder unbescholtene Staatsangehörige wahlberechtigt, welcher das fünfundzwanzigste Lebensjahr zurückgelegt hat und selbstständig ist. § 2. Als unselbstständig sind von der Wahl ausgeschlossen;

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R EUSS J ÜNGERE L INIE a) Haussöhne, b) Dienstboten und Handwerksgesellen, die keinen eigenen Hausstand haben, c) Handlungs- und andere Geschäftsgehilfen, welche keinen eigenen Hausstand haben, oder sich im Brode ihres Handlungsoder Geschäftsherrn befinden. § 3. Als bescholten sind von der Wahl ausgeschlossen diejenigen welche durch rechtskräftiges richterliches Erkenntniß wegen gemeiner Verbrechen in Zucht- oder Strafarbeitshausstrafe verurtheilt oder zur Arbeit angehalten worden sind. Es lebt jedoch die Wahlberechtigung derselben wieder auf, wenn seit Verbüßung der richterlich erkannten, oder durch Begnadigung herabgesetzten Strafe, oder wo letztere ganz erlassen worden ist, seit dem Erlassen derselben, ein zehnjähriger Zeitraum verflossen ist. § 4. Das Wahlrecht ruht, so lange ein Wahlberechtigter sich unter Zustandsvormundschaft oder in einem gerichtlichen Konkurse befindet, oder aus öffentlichen Kassen Unterstützung empfängt. Des Wahlrechts sind auch diejenigen verlustig, welchen durch rechtskräftiges Erkenntniß dasselbe abgesprochen worden ist. § 5. Wer berechtigt ist, an der Wahl der Abgeordneten als Wähler Theil zu nehmen, (§. 1–4.) ist auch befähigt, als Abgeordneter gewählt zu werden. § 6. Die Wahl der Abgeordneten geschieht sowohl in den Städten als auf dem platten Lande nach Wahlbezirken und zwar direkt durch sämmtliche Stimmberechtigte des Bezirks ohne Dazwischenkunft von Wahlmännern. Zu diesem Zwecke wird das ganze Land in 19 Wahlbezirke von je 4000 Einwohnern getheilt, deren jedem die Wahl eines Abgeordneten und eines Stellvertreters für denselben zusteht.

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§ 7. Jeder stimmberechtigte Staatsangehörige kann, auch wenn er in mehr als einem Wahlbezirke das Wohnrecht hat, nur in Einem Wahlbezirke wählen und zwar in demjenigen, in welchem er sich wesentlich aufhält. Jeder stimmberechtigte Wähler ist ohne Rücksicht darauf, in welchem Wahlbezirke des Landes er seinen Wohnsitz hat, zum Abgeordneten und Stellvertreter wählbar. Würde Jemand in mehr als einem Wahlbezirke gültig als Abgeordneter oder Stellvertreter gewählt, so hat er sich nach davon erhaltener Kunde bei dem Ministerium zu erklären, für welche der gleichzeitigen Wahlen er sich entscheidet und es findet hierauf in denjenigen Wahlbezirken, für welche die Wahl nicht angenommen worden ist, die anderweite Wahl eines Abgeordneten und eines Stellvertreters oder bezüglich blos eines neuen Stellvertreters Statt. § 8. Die Wahl jedes Abgeordneten und jedes Stellvertreters erfolgt auf zwei Jahre. Bei der nach Ablauf dieser zweijährigen Periode in allen Wahlbezirken vorzunehmenden neuen Wahl ist jeder ausgeschiedene Abgeordnete oder Stellvertreter wieder wählbar. § 9. Sollte im Laufe der zweijährigen Wahlperiode der Landtag durch den Fürsten in Gemäßheit des §. 114. der Verfassungsurkunde aufgelöst werden, so treten sämmtliche Abgeordnete und deren Stellvertreter mit Vorbehalt ihrer Wiederwählbarkeit aus. Außerdem erlischt das Mandat jedes Abgeordneten oder Stellvertreters, wenn die Bedingungen seiner Wählbarkeit (§. 1. bis 4.) ganz oder zum Theil aufhören. Tritt ein solcher Fall oder der Tod eines Abgeordneten oder Stellvertreters ein, so ist davon durch die Gerichtsbehörde des Wohnorts dem Ministerium Anzeige zu machen, damit von diesem wegen anderweiter Wahl eines Abgeordneten und eines Stellvertreters oder bezüglich blos eines Stellvertreters

S TAATSGRUNDGESETZ VON R EUSS JÜNGERE L INIE (1849) das Nöthige verfügt werden kann. Alle nach Vorstehendem im Laufe einer zweijährigen Wahlperiode vorgenommenen Ergänzungswahlen sind nur bis zu den nach Ablauf dieser Wahlperiode in sämmtlichen Wahlbezirken vorzunehmenden neuen Wahlen von rechtlicher Wirkung. § 10. Vater und Sohn ingleichen Brüder können nicht zugleich als Abgeordnete eintreten. Wenn unter ihnen keine Einigung über einen freiwilligen Rücktritt erfolgt, so geht der Vater dem Sohne der ältere Bruder dem jüngeren vor. Die Wahl eines Abgeordneten oder Stellvertreters, dessen Vater, Sohn oder Bruder bereits Abgeordneter oder Stellvertreter eines anderen Wahlbezirkes ist und es für die Periode bleibt, für welche er gewählt worden, ist unwirksam. § 11. Es wird vorausgesetzt, daß jeder Staatsbürger dem ehrenvollen Rufe als Abgeordneter willig folge. Will ein zum Abgeordneten Gewählter die Wahl ablehnen, so muß er dieß unter Angabe der Gründe innerhalb der nächsten acht Tage nach der officiellen Bekanntmachung des Wahlresultats dem Ministerium schriftlich anzeigen. Thut er dies binnen der festgesetzten Frist nicht, so wird vorausgesetzt, daß er die Wahl angenommen habe. Die zur Rechtfertigung einer ablehnenden Erklärung angeführten Gründe prüft das Ministerium und gibt vorläufige Entscheidung darüber. Beruhigt sich der Gewählte bei derselben nicht, so wird die Sache dem Landtage vorgeleget, welcher entweder sofort Beschluß darüber faßt, oder eine nähere Darlegung und Prüfung der Entschuldigungsursachen veranlaßt und auf deren Grund endgiltig enscheidet. § 12. Die Mitglieder der obern Landesbehörden können überhaupt nicht als Abgeordnete oder Stellvertreter gewählt werden.

§ 13. Jede Abgeordnetenwahl geschieht lediglich auf Anordnung des Fürsten. Das Wahlgeschäft steht unter der Leitung und Aufsicht des Ministeriums. Dieses trifft daher auf dazu erhaltene Fürstliche Anweisung die zur speciellen Ausführung der Wahlakte erforderlichen Anordnungen und ernennt insbesondere die mit Leitung der Wahlen zu beauftragenden Wahlkommissarien, deren Namen es öffentlich bekannt macht. § 14. Sobald die Wahlen für den Landtag angeordnet worden, ist zuvörderst die Grundliste der Wähler aufzustellen, worin a) Vor- und Zunamen, b) das Lebensalter, c) Stand und Gewerbe jedes Wählers anzugeben ist. Nach Einführung der im §. 1. erwähnten Steuerverfassung ist auch d) der Steuersatz beizufügen. Es werden hierbei die Wähler in alphabetischer Reihenfolge aufgezeichnet. § 15. Diese Grundlisten werden von den Gemeindevorständen der einzelnen Ortschaften entworfen, und zwar in den Städten unter Zuziehung des Gemeinderathes und der Bezirksvorsteher, auf dem platten Lande unter Mitwirkung des Gemeinderathes, oder, wo ein solcher nicht vorhanden, mindestens zweier Gemeindeglieder. In den Städten werden für jeden Bezirk besondere Grundlisten gefertigt. Einzeln gelegene Häuser, welche einem Gemeindebezirke noch nicht zugetheilt sind, werden zu denjenigen Ortschaften gezählt, zu welchem sie rücksichtlich der Armenversorgung geschlagen sind. § 16. Diese Listen sind hierauf in den Städten an Rathsstelle, in den Ortschaften des platten Landes bei den Gemeindevorständen zu Jedermanns Einsicht acht Tage lang öffentlich auszulegen, und es ist

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R EUSS J ÜNGERE L INIE der Zeitpunkt dieser Auslegung von der Gemeindebehörde vorher sowohl im Amtsund Verordnungsblatte als durch Anschlag an ortsüblicher Stelle unter der Bemerkung bekannt zu machen, daß Reklamationen gegen deren Inhalt nur dann auf Berücksichtigung für die bevorstehende Wahl Anspruch haben, wenn sie innerhalb der achttägigen Frist vom Tage der Auslegung der Grundliste an gerechnet, bei der Behörde, welche die Bekanntmachung erläßt, angebracht werden. Nach Ablauf der gedachten Frist werden diese Grundlisten, nachdem sie zuvor auf dem platten Lande den betreffenden Wahlkommissarien (§. 13 und 20.) zur Begutachtung bezüglich Berichtigung mitgetheilt worden, in dem Falle, daß Reklamationen erhoben worden sind, die nicht an Ort und Stelle erledigt werden konnten, von den Gemeindevorständen an das Ministerium eingesendet und die erhobenen Reklamationen auf dessen Entscheidung ausgesetzt. Die über die Statthaftigkeit einer Reklamation ertheilte Entscheidung schließt die Befugniß des Reklamanten zur Beschwerdeführung beim Landtage nicht aus. § 17. Sobald die Grundlisten – vorbehältlich der Beschwerdeführung beim Landtage festgestellt sind, wird zur Wahl der Abgeordneten und der Stellvertreter geschritten. Das Ministerium fertigt zu diesem Zwecke die ihm nach Maßgabe des §. 16. eingesandten Grundlisten mit seiner Entscheidung den betreffenden Gemeindevorständen wieder zu. § 18. Das Ministerium bestimmt den Tag, an welchem im ganzen Lande die Wahlen vorgenommen werden sollen. § 19. Die Vorladung der Wähler zur Wahl verfügt das Ministerium durch Bekanntmachung in den öffentlichen Blättern. Diese Verfügung haben die Gemeindevorstände durch öffentlichen Anschlag und

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noch überdies durch besondere Einladung jedes Wahlberechtigten zur allgemeinen Kenntniß zu bringen. Den öffentlichen Anschlägen ist überall ein Exemplar der betreffenden Grundliste beizufügen. § 20. Die Wahlhandlung selbst wird in den Städten durch die Gemeindevorstände unter Mitwirkung der Gemeinderäthe und der Bezirksvorsteher, auf dem Lande aber durch Wahlkommissäre, welche von der Staatsregierung sogleich bei der Anordnung der Wahl ernannt und öffentlich bekannt gemacht werden – §. 13. – unter Zuziehung der Gemeindevertreter geleitet und vollzogen. Es kann ein Wahlkommissär zu Wahlen in verschiedenen Orten beauftragt und es können die Wahlkommissarien ermächtigt werden, die Wahlen für mehrere nahe gelegene Orte in eine Wahlhandlung zu vereinigen. § 21. Die Wahlkommissäre, sowie alle bei der Leitung der Wahl Betheiligten haben sich jeder Einwirkung auf die Wahl zu enthalten. § 22. Die Wahlhandlung beginnt mit einem kurzen Vortrage, welcher die Bedeutung derselben hervorzuheben, die nothwendigen Erfordernisse der Stimmzettel in Erinnerung zu bringen, besonders aber darauf hinzuweisen hat, daß die Wähler bei ihrer Staatsbürgerpflicht ihre Stimmen ohne alle Nebenrücksicht und so abzugeben haben, wie sie es dem allgemeinen Wohle am Zuträglichsten halten. Gleichzeitig wird einem jeden der anwesenden Wähler ein gedruckter und gestempelter Stimmzettel eingehändigt und es werden dabei die Namen der mit Stimmzettel versehenen Wähler der Reihe nach in eine besondere Liste verzeichnet, überdieß auch dieselben in der vorliegenden alphabetischen Grundliste der betreffenden Ortschaft oder bezüglich des Stadtbezirks vorgestrichen.

S TAATSGRUNDGESETZ VON R EUSS JÜNGERE L INIE (1849) Wahlabstimmungen, welche auf andern, als die von der Behörde ausgegebenen gestempelten Stimmzettel geschrieben sind, haben keine Giltigkeit. Jeder Wähler schreibt sodann die Namen derjenigen Personen, von denen er die eine als Abgeordneten des Bezirks, die andere als dessen Stellvertreter wählt, auf den empfangenen Stimmzettel, schlägt diesen zusammen und legt ihn in ein dazu bestimmtes verdecktes Gefäß. § 23. Die Stimmgebung muss persönlich erfolgen, eine Bevollmächtigung zur Abgabe einer Wahlstimme findet nicht Statt. Es ist jedoch nicht erforderlich, daß jeder Wähler seinen Stimmzettel eigenhändig ausfüllt, vielmehr bleibt nachgelassen, daß während der Wahlhandlung ein Wähler die Namen der von ihm Gewählten auch durch einen Andern auf den Stimmzettel schreiben läßt, vorausgesetzt nur, daß er den letzteren, als seine wahre und freie Abstimmung enthaltend, in das Gefäß eigenhändig niederlegt. Das Nichterscheinen einzelner oder auch mehrerer Stimmberechtigten thut der Giltigkeit des Wahlgeschäfts keinen Abbruch, und der Wahlakt wird daher zur festgesetzten Stunde ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Stimmberechtigten vorgenommen. Die Nichterschienenen verzichten für diesen Wahlakt auf ihre Stimmen. Ausnahmsweise soll jedoch, wenn ein Wähler durch dringende, sogleich glaubhaft zu bescheinigende Hindernisse an der persönlichen Wahrnehmung des Wahltermins verhindert würde, demselben gestattet sein, seine Abstimmung vor oder nach der Wahlhandlung bei der Wahlbehörde persönlich zu Protokoll zu geben; letzteren Falls muß dies jedoch unter der obigen Voraussetzung unbedingt noch im Laufe des Wahltages geschehen und kann überhaupt nur so lange an diesem Tage zugelassen werden, als die

im §. 26. vorgeschriebene Einsendung der Wahlacten an das Ministerium noch nicht erfolgt ist. § 24. Sobald sämmtliche erschienene Stimmberechtigte eines Ortes bezüglich Wahlbezirks gestimmt haben, und die ausgegebenen Stimmzettel eingeliefert sind, werden diese auf Anordnung des Wahldirigenten aus dem Gefäße hervorgenommen und entfaltet. Die darauf befindlichen Namen der Gewählten werden öffentlich ausgerufen und in die zu führende Stimmliste dergestalt eingetragen, daß die Namen der auf jeden einzelnen Stimmzettel zum Abgeordneten und der zu dessen Stellvertreter gewählten Personen jedesmal in getrennten Kolumnen nach dem Wortlaute der Stimmzettel neben einander verzeichnet werden. Sollte sich hierbei finden, daß einer oder der andere Wähler bei Ausfüllung seines Stimmzettels nicht überall der gesetzlichen Vorschrift in §. 6. und §. 22. gemäß verfahren sei, sondern entweder weniger oder mehr als zwei Namen aufgeschrieben habe, oder daß er für Jemanden gestimmt habe, der zum Abgeordneten oder Stellvertreter nach §. 5. nicht wählbar ist, oder sollten nicht alle ausgehändigten Stimmzettel wieder eingeliefert worden sein, so schadet dieß der Giltigkeit der ganzen Wahlhandlung nicht. Es wird vielmehr angenommen, daß derjenige Wähler, welcher nur einen Namen aufgeschrieben, damit den von ihm erwählten Hauptabgeordneten habe bezeichnen wollen, rücksichtlich des fehlenden Namens eines Stellvertreters aber sich seines Wahlrechtes begeben habe; falls dagegen mehr als zwei Namen auf einem Stimmzettel sich finden, so gelten der Reihe nach nur der erste Name als der des Abgeordneten und der zweite als der des Stellvertreters, während die überzählig beigefügten Namen als nicht geschrieben betrachtet werden. Dieß letztere findet auch auf völlig unle-

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R EUSS J ÜNGERE L INIE serlich geschriebene, auf zweideutige oder fingirte und auf die Namen solcher Personen Anwendung, welche zu Abgeordneten oder Stellvertretern nach §. 5. nicht wählbar sind. Von denjenigen, welche ihre Stimmzettel nicht zurückgeliefert haben, wird ebenfalls angenommen, daß sie ihres Stimmrechts für den einzelnen Fall sich begeben haben. Nach beendigter Wahlhandlung sind die Stimmzettel nebst den Wahllisten und Protokollen, welche von dem Wahldirigenten und wenigstens drei Beiständen zu unterzeichnen sind, unter der Aufschrift: Wahl-Akten der Gemeinde N. im Wahlbezirke N. an das Ministerium einzusenden. § 25. Das Ministerium zieht hierauf aus den einzelnen Abstimmungen, zuerst rücksichtlich des zu erwählenden Abgeordneten und dann in Betreff seines Stellvertreters das Ergebniß der Wahl, wobei relative Stimmenmehrheit genügt. Ergibt sich hierbei für zwei oder mehrere Gewählte Stimmengleichheit, so ist eine Entscheidung durch das Loos herbeizuführen. § 26. Nach vollendeter Prüfung der Wahlakten und nach Beseitigung der etwa zur Erledigung zu bringenden Erinnerungen trägt das Ministerium dem Fürsten das Resultat der Wahlen vor. Hierauf werden die Namen der für jeden Wahlbezirk erwählten Abgeordneten und Stellvertreter durch das Ministerium in den

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öffentlichen Blättern bekannt gemacht und jeder Abgeordnete erhält von derselben Behörde ein vorläufiges Wahldekret zu seiner Beglaubigung. § 27. Sobald der Landtag eröffnet ist, werden dem versammelten Landtage die sämmtlichen Wahlakten vorgelegt und er entscheidet schließlich über die Berechtigung der zum Abgeordneten oder Stellvertreter Gewählten zum Eintritt in den Landtag. (L.S.) Heinrich der 62. Jüngerer Linie Fürst Reuß. Dr. v. Bretschneider. Ernst Dinger. Dr. Emil v. Beulwitz.

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Ediert nach Gesetzsammlung für die Fürstlich Reußischen Lande jüngerer Linie, Greiz, Band 8, 1849– 1852, Jahrgang 1849, No. 102, S. 53–74. Das Wahlgesetz ist hier ediert nach A. Rauch, Parlamentarisches Taschenbuch, Lieferung 6, Plauen 1867, S. 204–214, da es nicht unmittelbar als Anlage im Anschluß an den Verfassungstext in der Gesetzsammlung von 1849 abgedruckt wurde. Das Staatsgrundgesetz wurde am 30. November 1849 unterzeichnet und am 14. Dezember 1849 verkündet. Es wurde abgelöst durch das revidierte Staatsgrundgesetz vom 14. April 1852. Siehe dazu Horst Dippel (Hrsg.), Verfassungen der Welt, 1850 bis zur Gegenwart, Teil 1: Europa, München, K.G. Saur 2002–2005, Mikrofiche-Nr. 356, 1 ff. 2 Im Anschluß abgedruckt. 3 Im Anschluß abgedruckt. 4 Im Anschluß abgedruckt.

Patent betreffend die landständische Verfassung von Sachsen (1820) Decret an die Landstände1

S. Königliche Majestät eröffnen der gesammten getreuen Landschaft hierdurch die Entschließungen, welche Höchstdieselben auf das in Folge der Decrete vom 20. October, 3. und 26. November und 22. December 1817 mittels unterthänigster Schrift vom 23. Juni 1818 von einer getreuen Landschaft eingereichte Gutachten, die Verbeßerung der Landtags-Ordnung und andere dahin gehörige Gegenstände betr. gefaßt haben.

AD I., das von den Ständen eröffneten Gutachtens, soll es im Allgemeinen dabei, daß die Besitzer der von den an Preußen abgetretenen Hauptgütern beim hiesigen Königreiche verbliebenen Pertinenzstände zu den hiesigen Landesversammlungen, wie solches schon beim vorigen Landtage beobachtet worden ist, weiter nicht einberufen werden, sein Verbleiben haben.

AD II., Laßen S. Majestät, daß die Bestimmungen der Landtagsordnung vom Jahre 1728 nach welcher die Prälaten, Grafen und Herren, bei der allgemeinen Landesversammlung ein besonderes Collegium bilden, noch ferner in Kraft bleiben mögen, Sitz gestellen. Die Universität Leipzig soll für hin in diesem Collegio ihren Platz nehmen, und

Sitz und Stimme darinnen nach den Grafen angewiesen erhalten; demohnerachtet behalten die Universitäts-Deputierten ihren bisherigen Standort innerhalb der Schranken bei den Feierlichkeiten der Eröffnung und Beendigung des Landtags; auch ist sie bei Benennung des Collegio jedesmal namentlich aufzuführen; der Syndicus mag aber ferner wie bisher, als ihr Mitdeputierter betrachtet und ihm alternando mit dem ersten Deputirten an den Sitzungen Antheil und an dem Tische der Prälaten, Grafen und Herren, Platz zu nehmen, gestattet werden. Es halten endlich S. Majestät für genehm, daß der Decan des Domstiftes St. Petri zu Budißin den ihm beim vorigen Landtage im Prälaten-Collegio provisorisch angewiesenen Platz hierin darum verlaßen, und vielmehr bei jezigen und bei künftigen allgemeinen Landesversammlungen in dem engern Ausschuß-Collegio der Ritterschaft, zunächst nach den oberlausitzischen Standesherren sitzen möge; in Ansehung der Klosterrechte der beiden oberlausitzischen Jungfrauenklöster, Marienstern und Marienthal, behält es bei dem, nach dem Alter der erlangten Landtagsfähigkeit in dem engern ritterschaftlichen Ausschuße ihren vorläufig assignirten Platze sein Bewenden.

AD III., Werden S. Königlichen Majestät wegen einer allgemeinen Kreistagsordnung die unmittelst statt gefundenen freieren Verhand-

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S ACHSEN lungen, der alterbländischen Landschaft zu fernerer Begutachtung vorlegen laßen.

AD IV., Die Monita der Stände über einzelne Paragraphen der Landtagsordnung vom Jahre 1728 betr. In beiden S. Königliche Majestät kein Bedenken, die durch Höchstes Decret von 16. October 1812 erfolgte Erläuterung des §. 12 denselben nunmehr dahin zu modifiziren, daß bei Asension der ritterschaftlichen Stände und davon weitere in den engern Ausschuß, obwohl die desfallsige Denomination in der Regel nach der Anciennetät, wie sie im weitern Ausschuße geseßen, einzurichten ist, auf die Directoren des weitern Ausschußes, wenn auch diese die Anciennetät von den übrigen Mitgliedern deßelben nicht haben sollten, vorzügliche Rücksicht zu nehmen sey. Auch hat das Aufrücken in den engern Ausschuß nach der im weitern Ausschuße gehalten Anciennetät in Ansehung solcher Mitglieder des weitern Ausschußes der Ritterschaft eine Ausnahme zu erleiden, welche noch keiner Landesversammlung in dieser Eigenschaft beigewohnt haben. Die im §§ 18. und 20. der Land- und Ausschußtags-Ordnung über die unter den verschiedenen ständischen Collegiio zu beobachtende Verhandlungsweise enthaltenen Vorschriften ist in Absicht auf die wegen der Präliminarien und der Bewilligungs-Schriften eingeführten Prädeliberationen hinzu zu fügen, daß solche von deren Erbmarschalle oder deßen Verweser jedesmal mit Zuziehung der Directoren der zweiten und dritten ritterschaftlichen Linie gehalten werden sollen. In Ansehung der beim §. 21.,

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wegen der Deputationen geschehenen Anträge wird genehmigt, daß für die Zukunft, mit möglichster Berücksichtigung der Theilnahme aller Kreise, jedesmal zwei Mitglieder der allgemeinen Ritterschaft, und jedem der beiden ritterschaftlichen Ausschüße aber abwechselnd 1. oder 2. Personen zu jeder zu ernennenden Deputation gezogen werden; auch ist, wenn in einer Deputation verschiedene Ansichten über das abzugebende Gutachten sich zu Tage legen, der Deputations-Antrag zwar nach dem Erachten der Mehrheit einzurichten, des vorgefallenen Dissenses jedoch am Schluße der Deputations-Schrift Erwähnung zu thun: und obwohl jedem Stande frei stehet, seine Meinungen und Anträge über die zur Erörterung und Berathung durch Deputationen ausgesetzten Gegenstände in Schriften besonders vorzutragen und zu erklären, so sehen doch S. Majestät für ordnungsmäßig an, daß die desfallsigen Eingaben allemal dem Erbmarschalle oder deßen Verweser zugestellt werden, und daß das Urtheil, ob sie zur betreffenden Deputation abzugeben und bei solcher zu berücksichtigen sind, dem mit Beirathe des engeren Ausschußes der Ritterschaft zu faßenden Beschluße deßelben überlaßen bleibe. Die im §. 30., wegen Vidimierung der bei den Kreisen aufzubewahrenden Exemplaren der Landund Ausschußtags-Acten enthaltene Vorschrift ist, dafern sie, wie es das Ansehen hat, bisher nicht immer beobachtet worden seyn sollte, wiederum in Uebung zu bringen. S. Königliche Majestät nehmen aber Anstand, den hierbei wegen des Abdrucks der Landtagschriften geschehenen Antrag zu genehmigen. Von dem von den Ständen ad. §§ 30. und 31., der Landtags-Ordnung geklagter Mangel an einer angemeßenen Besetzung der ritterschaftlichen Collegien abhelfliche Maaße

PATENT BETREFFEND DIE LANDSTÄNDISCHE V ERFASSUNG VON S ACHSEN (1820) zu ertheilen, wollen Höchstdieselben die den neuschriftfüßigen Rittergüthern, welche bis mit dem Jahre 1804. diese Eigenschaft erlangt hatten, durch das Decret vom 6. April 1805 zum Erscheinen auf Landtagen beigelegte Berechtigung nach den in sothannen Decrete ausgedrückten Bestimmungen, nunmehr auf alle neuschriftfüßigen Rittergüther ohne Unterschied ausdehnen. Auch haben S. Majestät dem von der alterbländischen Landschaft geschehenen Vorschlage, in jedem Kreise eine Anzahl ritterschaftlicher Stellen zu fundiren, welche aus dem Mittel der nach Vorschrift der Land- und Ausschußtagsordnung in §§ 31. 32 und 33. und zeitherigen Observanz nicht landtagsfähigen Besitzer der schriftfüßigen Güther im Kreise durch Wahl ersetzt wurden, Höchst Ihren Beifall gegeben. Zu dem Ende soll, wie bereits vor diesem Landtage geschehen, auch künftig, so oft nöthig, in jedem der vier Kreise ein ritterschaftlicher Convent, mit Convention aller schriftfüßigen Rittergüther im Kreise, durch den vorsitzenden ritterschaftlichen Stand ausgeschrieben und gehalten werden. Die schriftfüßige Ritterschaft des meißnischen Kreises soll zehen Wahlstellen, die des Leipziger neune, die des erzgebirgischen und voigtländischen Kreises jede fünf Wahlstellen zu besetzen haben. Bei den diesfalls vorzunehmenden Wahlen ist in derselben Weise, wie bei andern auf Landtagen erfolgenden Wahlen zu verfahren. Die Stadträthe, welche schriftfüßige Rittergüther besitzen, enumerieren bei diesen Wahlen, mögen aber, wie die altadelichen Ritterguthsbesitzer, welche ferner vermöge des ihnen verfassungsmäßig zuständigen Rechts in den Landesversammlungen erscheinen, selbst nicht gewählt werden. Im übrigen ist die Wahl unter allen beliehenen Besitzern der im Kreise belegenen schriftfüßigen Rittergüther, ohne Unterschied des Standes, dem Convente freigelaßen; es werden aber die Kreisstände von selbst sich verpflichtet füh-

len, ihre Stimmen dabei nur auf solche Personen zu richten, von deren Einsicht, Erfahrung, Rechtschaffenheit und patriotischer Denkart nur ersprießliche Mitwirkung bei den landschaftlichen Berathungen zu erwarten ist. Die gewählten ritterschaftlichen Stände sollen gleiche Rechte und Verbindlichkeiten mit den altadelichen Ritterguthsbesitzern haben; sie erhalten vom Kreise keine Instruction und haben bei der Theilname an den landständischen Verhandlungen blos ihrer gewißhaften Ueberzeugung zu folgen; es steht ihnen zwar frei, die durch die Mehrheit der Stimmen ihnen zugetheilte Wahlstelle bei dazu vorhandenen triftigen Gründen gleich anfangs abzulehnen, oder auch in der Folge zu resigniren und solches dem Kreis-Vorsitzenden bekannt zu machen: außer diesem Falle aber gilt die auf ihn gefallene Wahl nicht blos für den ihr zunächst folgenden Landtag, sondern auch für alle nachfolgenden Landesversammlungen, so lange sie im Kreise, in welchem sie gewählt worden sind, mit einem landtagsfähigen Guthe angeseßen bleiben; auch sind sie befugt, die landständische Uniform zu tragen. Da S. Königliche Majestät für angemeßen finden, daß fürderhin der engere ritterschaftliche Ausschuß aus 25. der weitere aus 40. erbländischen Stellen zusammen gesetzt sey, so sollen künftig sechs Stellen im engern, und zehen Stellen im weitern Ausschuße durch gewählte Stände besetzt und davon dem meißnischen und leipziger Kreise. Indem 2. im engern und 3. im weitern Ausschuße, dem erzgebirgischen und voigtländischen Kreise, Indem 1. im engern und 2. im weitern Ausschuße zugetheilt werden. Beim dermaligen Landtage haben jedoch die sämmtlichen Wahlstände unter der allgemeinen Ritterschaft Platz zu nehmen; auch können in der Folge in den engern ritterschaftlichen Ausschuß nur diejenigen aufrücken, welche zuvor im Landtag in dem weitern Ausschuße geseßen haben.

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S ACHSEN In Ansehung des Erscheinens der Amtsaßen bewendet es bei der bisherigen Verfassung. Jedoch wird den alterbländischen Ständen zur Erwägung gestellt, ob nicht die Gültigkeit der den Amtsaßen von ihren Mitständen ertheilten Vollmacht auf so lange, als sie zu der amtsaßigen Ritterschaft deßelben Amtes gehören würden, zu erstarken, und hiermit die Vornahme einer jedesmaligen neuen Wahl vor jedem Landtage zu umgehen seyn möchte. Bei den hiesigen allgemeinen Landesversammlungen sollen der oberlausitzischen Ritterschaft von jetzt eilf Stellen im engeren Ausschuße und vierzehen im weitern Ausschuße angewiesen werden; auch soll das Vorrecht der resignirten Landesbeamten, die in den Ausschüßen gehabten Stellen auf Lebenszeit zu behalten, den gegenwärtigen Inhabern zwar für ihre Personen verbleiben, für die Folge aber in Wegfall gelangen. ad § 37., wird genehmigt, daß die Auslösung der bei Land- oder Ausschußtagen anwesenden Stände nur für die Tage, an welchen sie den Sitzungen nach der, von den Directoren der ständischen Collegien zu führenden Controle wirklich beigewohnt haben, verabreicht werde. Wer aber durch Krankheit oder dringende Dienstgeschäfte vom Erscheinen auf dem Landhause behindert war, hat die Auslösung fort zu genießen. Auch verbleibt es in Ansehung der Auslösungen für die Sonn und Festtage bei der bisherigen Verfaßung. In Ansehung aller übrigen in dem ständischen Gutachten, resp. nach Folge der §§ der Landtags-Ordnung, und in den am Schluße angehängten Anträgen und Bitten berührten Gegenstände und Puncte, laßen S. Königliche Majestät bei den zeitherigen durch die Land- und Ausschußtagsordnung vom Jahre 1728 und die zu deren Erläuterung und nähern Bestimmung insonderheit auch quo ad § 37. so viel die zur Landtagsfähigkeit daselbst erforderte Religionsqualität

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betrifft, seitdem ergangener Anbefohlnisse, auch durch Observanz begründeten Landtags-Verfaßung es bewenden. Es mögen jedoch, soviel das Anbringen wegen Aufnahme der Städte Berna, Adorf und Grimma, unter die Städte des weitern Ausschußes anbelangt, die Stadt Berna aus dem leipziger Kreise und die Stadt Adorf im Voigtland in dem gedachten Ausschuß ersetzt werden. Es haben übrigens S. Königliche Majestät die in Absicht der künftigen Präsentation zu den landschaftlichen Ober____ Einwohnerstellen unter ____2 getroffenen Vereinigung, daß zwar denjenigen Kreisen, welchen nach Maasgabe der Steuer-Instruction das formliche Präsentationsrecht jetzt zunächst zusteht, dem erzgebirgischen und dem leipziger Kreise, deßelben nach dem Abgange der dermaligen landschaftlichen Obersteuer Einnahmen annoch verbleiben, in der Folge aber keine Alternative gewisser Kreise unter sich mehr, statt finden, sondern zur nächsten dritten Vacanz den voigtländischen Kreis präsentiren, und sodann das Wahlrecht unter sämmtlichen vier Kreisen, dem meißnischen, erzgebirgischen, leipziger und voigtländischen, nach dieser ein für allemal bestimmten Reihe abwechseln solln, zu genehmigen geruhet. Wie nun die getreuen Stände sich hiernach gehorsamst zu achten haben; Also sehen S. Königliche Majestät dem Gutachten der alterbländischen Stände wegen der oberwähnten Wahl der Amtsaßen entgegen und verbleiben denselben zu Dresden am 16. October 1820, Friedrich August.

1 Ediert nach Acta den allgemeinen Landtag im Jahre 1820 betr., Vol. 11, S. 324–333, Archiv-Nr.: 2514, im Bestand des Sächsischen Hauptstaatsarchives, Dresden. Bei dem Text handelt es sich um eine Handschrift. Er wurde am 16. Oktober 1820 beschlossen. Es folgte am 4. September 1831 die Unterzeichnung und Verkündung der „Verfassungsurkunde des Königreichs Sachsen“ (Gesetzsammlung für das Königreich Sach-

PATENT BETREFFEND DIE LANDSTÄNDISCHE V ERFASSUNG VON S ACHSEN (1820) sen, Jahrgang 1831, 40. Stück, Dresden, S. 241–276). Ihr ging ein Entwurf vom 1. März 1831 voraus.

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Der Text im Originaldokument ist aufgrund eines Flecks an diesen Stellen nicht lesbar.

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Verfassung von Sachsen (1831) Verfassungsurkunde des Königreichs Sachsen1

Wir, Anton, von Gottes Gnaden, König von Sachsen etc. etc. etc. und Friedrich August, Herzog zu Sachsen etc.

durch die Verfassung festgesetzten Bestimmungen aus. Seine Person ist heilig und unverletzlich.

thun hiermit kund, daß Wir, in Folge der von Unsern getreuen Ständen wiederholt ausgesprochenen Wünsche, und mit Rücksicht auf die in andern Staaten des Deutschen Bundes bereits getroffenen und durch die Erfahrung bewährt gefundenen Bestimmungen, die Verfassung Unserer Lande, mit Beirath und Zustimmung der Stände, in nachfolgender Maße geordnet haben.

§ 5. Der König kann, ohne Zustimmung der Stände, weder zugleich Oberhaupt eines andern Staats werden, Erbanfälle ausgenommen, noch seinen wesentlichen Aufenthalt außerhalb Landes nehmen.

ERSTER ABSCHNITT Von dem Königreiche und dessen Regierung im Allgemeinen § 1. Das Königreich Sachsen ist ein unter Einer Verfassung vereinigter, untheilbarer Staat des Deutschen Bundes. § 2. Kein Bestandtheil des Königreichs oder Recht der Krone kann ohne Zustimmung der Stände auf irgend eine Weise veräußert werden. Grenzberichtigungen mit benachbarten Staaten sind hierunter nicht begriffen, wenn nicht dabei Unterthanen abgetreten werden, welche unzweifelhaft zu dem Königreiche gehört haben. § 3. Die Regierungsform ist monarchisch und es besteht dabei eine landständische Verfassung. § 4. Der König ist das souveraine Oberhaupt des Staats, vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie unter den

§ 6. Die Krone ist erblich in dem Mannsstamme des Sächsischen Fürstenhauses, nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge, vermöge Abstammung aus ebenbürtiger Ehe. § 7. In Ermangelung eines durch Verwandtschaft oder Erbverbrüderung zur Nachfolge berechtigten Prinzen geht die Krone auf eine, aus ebenbürtiger Ehe abstammende, weibliche Linie, ohne Unterschied des Geschlechts, über. Hierbei entscheidet die Nähe der Verwandtschaft mit dem zuletzt regierenden Könige, bei gleicher Nähe das Alter der Linie und in selbiger, das Alter der Person. Nach dem Uibergange gilt wieder der Vorzug des Mannsstamms in der Primogeniturordnung. § 8. Der König wird volljährig, sobald er das achtzehnte Jahr zurückgelegt hat. § 9. Eine Regierungsverwesung tritt ein während der Minderjährigkeit des Königs, oder wenn derselbe an der Ausübung der Regierung auf längere Zeit verhindert ist, und für die Verwaltung des Landes nicht selbst Vorsorge getroffen hat, oder treffen kann.

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S ACHSEN In beiden Fällen wird die Regierungsverwesung von dem der Thronfolge nächsten volljährigen Agnaten geführt. Sie besteht nur auf solange, als der König an der Ausübung der Regierung behindert ist, und deren Eintritt und Schluß wird gesetzlich bekannt gemacht. § 10. Sollte sich bei einem zunächst nach dem Könige zur Thronfolge bestimmten Familiengliede ein Hinderniß zeigen, welches demselben die eigene Verwaltung des Landes unmöglich machen würde, so ist noch unter der Regierung des Königs durch ein Staatsgesetz über den künftigen Eintritt der Regierungsverwesung zu entscheiden. § 11. Würde der König während seiner Regierung, oder bei dem Anfalle der Thronfolge, durch ein solches Hinderniß von der eigenen Verwaltung des Landes abgehalten seyn, ohne daß früher die obenbestimmte Verfügung getroffen wäre, so soll längstens binnen sechs Monaten in einer von der obersten Staatsbehörde (§. 41.) zu veranlassenden Versammlung sämmtlicher im Königreiche anwesenden, nach zurückgelegtem 21sten Jahre volljährigen Prinzen des Königlichen Hauses, mit Ausschlusse des zunächst zur Regentschaft berufenen Agnaten, auf vorgängiges Gutachten jener Behörde, über den Eintritt der Regierungsverwesung, nach absoluter Stimmenmehrheit, ein Beschluß gefaßt und solcher den versammelten oder außerordentlich zusammen zu berufenden Ständen zur Genehmigung vorgelegt werden. Sind nicht mindestens drei Königliche Prinzen zu Fassung eines diesfallsigen Beschlusses gegenwärtig, so werden die den Jahren nach ältesten regierenden Häupter der Ernestinischen Linie bis zu Erfüllung dieser Zahl zu der Versammlung eingeladen. § 12. Der Regierungsverweser übt die Staatsgewalt in dem Umfange, wie sie dem

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Könige zusteht, unter dessen Namen verfassungsmäßig aus. Veränderungen in der Verfassung dürfen von dem Regierungsverweser weder in Antrag gebracht, noch, wenn sie von den Ständen beantragt worden, genehmigt werden, als wenn solches von ihm, unter Beirath des nach §. 11. constituirten Familienraths, und in Folge eines in der daselbst vorgeschriebenen Maße gefaßten Beschlusses geschieht. Dergleichen Veränderungen erhalten aber sodann bleibende Gültigkeit. § 13. Der Regierungsverweser hat, insofern er nicht ein auswärtiger Regent ist, seinen wesentlichen Aufenthalt im Lande zu nehmen. Der Aufwand desselben wird von der Civilliste (§. 22) bestritten. § 14. Die oberste Staatsbehörde (§. 41.) bildet den Regentschaftsrath des Regierungsverwesers, und dieser ist verbunden, in allen wichtigen Angelegenheiten das Gutachten derselben einzuholen. § 15. In Ermangelung einer von dem Könige getroffenen Anordnung gebührt die Erziehung des minderjährigen Königs der Mutter, und wenn diese nicht mehr lebt, oder sich anderweit vermählt, der Großmutter von väterlicher Seite; jedoch kann die Ernennung der Erzieher und Lehrer und die Festsetzung des Erziehungsplans nur nach Rücksprache mit dem Regierungsverweser und dem Regentschaftsrathe geschehen. Bei einer Verschiedenheit der Ansichten hat der Regierungsverweser mit dem Regentschaftsrathe die Entscheidung; auch liegt diesem, nach dem Absterben oder der anderweiten Vermählung der Mutter oder der Großmutter, die Sorge für die Erziehung des minderjährigen Königs allein ob. Die diesfallsigen Berathungen des Regentschaftsraths werden unter dem Vorsitze des Regierungsverwesers gepflogen, welcher bei dem zu fassenden Beschlusse nur

V ERFASSUNG VON S ACHSEN (1831) eine Stimme, jedoch, im Falle der Stimmengleichheit, die Entscheidung hat.

ZWEITER ABSCHNITT Von dem Staatsgute, so wie von dem Vermögen und den Gebührnissen des Königlichen Hauses § 16. Das Staatsgut besteht, als eine einzige untheilbare Gesammtmasse, aus dem, was die Krone an Territorien, Aemtern, Kammergütern, Domainen, den dazu gehörigen Fluren, Gebäuden und Inventarien, Grundstücken, Forsten und Mühlen, Bergund Hüttenwerken, Kuxen, Regalien, Amtskapitalien, Einkünften, nutzbaren Rechten, öffentlichen Anstalten, Beständen, Außenständen und Vorräthen jeder Art und sonst besitzt und erwirbt, und es geht dasselbe in seinem ganzen Umfange auf den jedesmaligen Thronfolger über. Neben demselben besteht das Fideicommiß des Königlichen Hauses. Von beiden ist das Privatvermögen des Königs und der Königlichen Familie zu unterscheiden. § 17. Das Staatsgut wird durch eine den Grundsätzen der Verfassung gemäß constituirte Finanzbehörde verwaltet und lediglich zu Zwecken des Staats benutzt. Sein Ertrag bleibt den Staatscassen überlassen. Uibrigens ist dem Könige unbenommen, eine oder die andere Domaine, gegen Abzug einer, nach dem Durchschnitts-Ertrage der letzten zehn Jahre, bestimmten Summe von der Civilliste (§. 22.) auf Lebenszeit zu eigner Verwaltung und Benutzung zu übernehmen; auch bleiben die in der Beilage I. verzeichneten Schlösser, Paläste, Hofgebäude, Gärten und Räume zu der freien Benutzung des Königs. So lange der Lehnsverband zwischen dem Könige, als Oberlehnsherrn, und seinen Vasallen noch besteht, wachsen die heimfallenden Lehen dem Staatsgute zu;

es bleibt aber dem Könige das Recht, Erbverwandelungen zu bewilligen, Lehnspardon zu ertheilen, auch alle andere aus der Oberlehnsherrlichkeit fließende Befugnisse auszuüben. Lehnsanwartschaften werden jedoch nicht ertheilt werden. § 18. Das Staatsgut ist stets in seinen wesentlichen Bestandtheilen zu erhalten und kann daher, ohne Einwilligung der Stände, weder durch Veräußerungen vermindert, noch mit Schulden oder andern Lasten beschwert werden. Unter dem Veräußerungsverbote sind jedoch diejenigen Veränderungen nicht begriffen, welche bei einzelnen Parcellen, zu Beförderung der Landescultur, oder zu Entfernung wahrgenommener Nachtheile durch Verkauf, Austausch oder Ablösung, so wie in Folge eines gerichtlichen Urtheils, oder zu Berichtigung zweifelhafter Gränzen, nöthig oder gut befunden werden sollten. Die Kaufgelder sind, sobald sich eine vortheilhafte Gelegenheit findet, zu Erwerbung inländischen Grundeigenthums anzuwenden, inzwischen aber auf eine andere zweckmäßige Weise werbend anzulegen. Was durch eine solche Veräußerung an Grundeigenthum, Rechten, Einkünften oder Kaufgeldern erlangt wird, nimmt die Eigenschaft des veräußerten Gegenstandes an und tritt an dessen Stelle. Den Ständen ist bei jedem ordentlichen Landtage (§. 115.) nachzuweisen, was seit dem letztvorherigen vom Staatsgute veräußert, warum die Veräußerung bewirkt, was dabei erlangt und in welcher Maße das erlangte Kaufgeld vorschriftmäßig angewendet worden sei. § 19. Alle Bestände, Forderungen und Ansprüche des Königlichen Fiscus gehen auf die allgemeinen Staatscassen über. Dagegen werden die auf ersterm haftenden Schulden und Ansprüche aller Art von letztern zu alleiniger Vertretung übernommen.

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S ACHSEN Die Rechte der Gläubiger bleiben unverletzt. § 20. Das Königliche Hausfideicommiß besteht: a.) aus alle dem, was zu der Einrichtung oder Zierde der in der Beilage unter I. verzeichneten Königlichen Schlösser, Paläste, Hofgebäude und Gärten dient, dem Mobiliar, welches der Aufsicht der Hofämter und Hofintendanten anvertraut und zum Bedarfe oder Glanze des Hofs bestimmt ist, den Ställen, an Pferden, Wagen und sonstigem Inventario, den Jagderfordernissen, den in dem grünen Gewölbe und andern Königlichen Sammlungen befindlichen Kostbarkeiten, Gold- und Silbergeräthen und Porcellanen, der Gemäldegalerie, den Kupferstich-, Naturalien-, Münz- und andern Kabinetten, der Bibliothek, der Kunst-, Rüst- und Gewehrkammer. Demselben wächst b.) alles dasjenige zu, was der König während seiner Regierung, aus irgend einem Privatrechtstitel, oder durch Ersparnisse an der Civilliste erworben, und worüber derselbe unter den Lebenden nicht disponirt, ingleichen dasjenige Vermögen, welches der König vor seiner Gelangung zum Throne besessen, so wie das, was er mit diesem Vermögen nachher erworben hat, insofern von ihm über dieses Vermögen weder unter den Lebenden, noch auf den Todesfall verfügt worden ist. Dasselbe ist Eigenthum des Königlichen Hauses, dessen Besitz geht aber, nach der §. 6. und 7. für die Krone bestimmten Successionsordnung und sonst, auf den jedesmaligen rechtmäßigen Regenten des Königreichs Sachsen über. Dasselbe ist von dem Lande unzertrennbar und unveräußerlich. Unter dem Veräußerungsverbote sind jedoch diejenigen Veränderungen nicht begriffen, welche durch Verkauf oder Austausch einzelner Gegenstände für gut befunden werden sollten. Was durch Veräußerung

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an Gegenständen oder Kaufgeldern erlangt wird, nimmt die Eigenschaft des veräußerten Gegenstandes an und tritt an dessen Stelle. Die Kaufgelder sind, sobald sich eine vortheilhafte Gelegenheit findet, zu Vermehrung des Hausfideicommisses anzuwenden. Auch steht dem jedesmaligen Regenten lediglich unter Zustimmung der Stände das Befugniß zu, die zu demselben gehörigen Kostbarkeiten, bis zur Höhe einer Million Thaler, in außerordentlichen Nothfällen zu Staatszwecken zu verpfänden. Es ist jedoch der verpfändete Theil desselben, sobald als möglich, wieder einzulösen. Nur in den §. 105. erwähnten außerordentlichen dringenden Fällen, wo die Einberufung der Stände durch die Umstände unmöglich gemacht wird, kann eine Verpfändung desselben vom Könige, unter Verantwortlichkeit der ihn hierbei berathenden Minister, auch ohne Zustimmung der Stände, verfügt werden, und es treten alsdann die Bestimmungen des gedachten §s. in Kraft. § 21. Privateigenthum des Königs ist alles dasjenige, was derselbe vor der Gelangung zum Throne bereits besessen hat, und mit diesem Vermögen ferner erwirbt; es steht ihm darüber die freie Disposition unter den Lebendigen und auf den Todesfall zu. Hat der König über dieses Vermögen nicht disponirt, so wächst dasselbe bei seinem Ableben dem Hausfideicommisse zu. Uiber dasjenige Vermögen, was der König sonst während seiner Regierung aus irgend einem Privatrechtstitul, oder durch Ersparnisse an der Civilliste, erwirbt, steht demselben die freie Disposition unter den Lebenden zu, bei seinem Ableben aber fällt es ebenfalls dem Hausfideicommisse anheim. § 22. Der König bezieht jährlich eine mit den Ständen, auf die Dauer seiner Regierung verabschiedete Summe aus den Staats-

V ERFASSUNG VON S ACHSEN (1831) cassen, als Civilliste, zu seiner freien Disposition in monatlichen Raten im Voraus zahlbar. Diese Summe ist als Aequivalent für die den Staatscassen, auf die jedesmalige Dauer der Regierungszeit des Königs, überwiesenen Nutzungen des Königlichen Domainengutes zu betrachten und kann, während der Regierungszeit des Königs, weder ohne dessen Zustimmung vermindert, noch ohne die Bewilligung der Stände vermehrt, auch, als wesentliches Bedürfniß zu Erhaltung der Würde der Krone, zu keiner Zeit und auf keine Weise mit Schulden belastet werden. Diese Nutzungen sollen auch den Staatscassen so lange überwiesen bleiben, als eine Civilliste bewilligt wird, welche der jetzt mit Fünfmalhundert Tausend Thalern ____ verabschiedeten an Höhe wenigstens gleich kommt. Die Civilliste des mit Tode abgegangenen Königs besteht fort, bis die seines Nachfolgers verabschiedet ist, jedoch längstens nur bis zur Vereinigung über ein neues Budget. Von selbiger werden bestritten: die Chatullengelder des Königs und seiner Gemahlinn, die Unterhaltungs- und Erziehungskosten seiner Kinder, die Gehalte aller Königlichen Hofbeamten und Diener, die künftig auszusetzenden Pensionen derselben, so wie ihrer Wittwen und Kinder, der gesammte Aufwand für die Hofhaltung, den Stall, die Hofjagd und die dazu gehörigen Inventarien, den katholischen und evangelischen Hofgottesdienst, für letztern, nach der Höhe des zeitherigen Beitrags, die Hofkapelle und Hoftheater, die Unterhaltungskosten der nach §. 17. dem Könige zur freien Benutzung bleibenden Schlösser, Paläste, Hofgebäude und Gärten, endlich alle hier nicht erwähnte ordentliche oder außerordentliche Hofausgaben, deren Bestreitung nicht ausdrücklich auf das Staatsbudget gewiesen ist. § 23. Die den dermaligen Gliedern des

Königlichen Hauses ausgesetzten Apanagen, Witthümer und andern vertragsmäßigen Gebührnisse, Hand- und Garderobengelder, bleiben, unter Beobachtung der wegen der Secundogenitur bestehenden Bestimmungen, auf deren Lebenszeit unverändert und werden in das Budget aufgenommen. Uiber die künftig, unter Anrechnung der Secundogenitur, zu gewährenden Apanagen, Witthümer, Heirathsgüter und andere dergleichen Gebührnisse ist mit den Ständen eine feststehende Bestimmung zu verabschieden, welcher nachmals in jedem einzelnen Falle nachzugehen ist, und welche in das Hausgesetz aufgenommen werden soll. Ohne Einwilligung der Stände können diese Gebührnisse nicht verändert, und nie durch Uiberweisung von Grundstücken zur Benutzung gewährt werden. Die Entrichtung derselben erfolgt aus den Staatscassen, ohne Zurechnung auf die Civilliste.

DRITTER ABSCHNITT Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Unterthanen § 24. Der Aufenthalt innerhalb der Grenzen des Staats verpflichtet zu Beobachtung der Gesetze desselben und begründet dagegen den gesetzlichen Schutz. § 25. Die Bestimmungen über das Heimathsrecht und Staatsbürgerrecht bleiben einem besondern Gesetze vorbehalten. § 26. Die Rechte der Landeseinwohner stehen für alle in gleicher Maße unter dem Schutze der Verfassung. § 27. Die Freiheit der Personen und die Gebahrung mit dem Eigenthume sind keiner Beschränkung unterworfen, als welche Gesetz und Recht vorschreiben.

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S ACHSEN § 28. Jeder ist daher berechtigt, seinen Beruf und sein Gewerbe nach eigener Neigung zu wählen und sich dazu im In- oder Auslande auszubilden, soweit nicht hierbei ausdrückliche Gesetze oder Privatrechte beschränkend entgegenstehen.

gesellschaften genießen gleiche bürgerliche und politische Rechte. Alle andere Glaubensgenossen haben an den staatsbürgerlichen Rechten nur in der Maße einen Antheil, wie ihnen derselbe vermöge besonderer Gesetze zukommt.

§ 29. Jedem Unterthan steht der Wegzug aus dem Lande ohne Erlegung einer Nachsteuer frei, soweit nicht die Verpflichtung zum Kriegsdienste oder sonst Verbindlichkeiten gegen den Staat oder Privatpersonen entgegenstehen.

§ 34. Die Verschiedenheit des Standes und der Geburt begründet keinen Unterschied in der Berufung zu irgend einer Stelle im Staatsdienste.

§ 30. Die Verpflichtung zu Vertheidigung des Vaterlandes und die Verbindlichkeit zum Waffendienste ist allgemein; es finden dabei keine andern, als die durch die Gesetze bestimmten Ausnahmen Statt. § 31. Niemand kann gezwungen werden, sein Eigenthum oder sonstige Rechte und Gerechtigkeiten zu Staatszwecken abzutreten, als in den gesetzlich bestimmten, oder durch dringende Nothwendigkeit gebotenen, von der obersten Staatsbehörde zu bestimmenden Fällen und gegen Entschädigung, welche ohne Anstand ermittelt und gewährt werden soll. Entsteht ein Streit über die Summe der Entschädigung, und der Eigenthümer oder der Berechtigte will sich bei der Entscheidung der Verwaltungsbehörde nicht beruhigen, so bleibt ihm unbenommen, die Sache im ordentlichen Rechtswege zur Erledigung zu bringen; es ist aber einstweilen die Abtretung zu bewirken und die von jener Behörde festgesetzte Summe ohne Verzug zu bezahlen.

§ 35. Die Angelegenheiten der Presse und des Buchhandels werden durch ein Gesetz geordnet werden, welches die Freiheit derselben, unter Berücksichtigung der Vorschriften der Bundesgesetze und der Sicherung gegen Mißbrauch, als Grundsatz feststellen wird. § 36. Jeder hat das Recht, über gesetzoder ordnungswidriges Verfahren einer Behörde, oder Verzögerung der Entscheidung, bei der zunächst vorgesetzten, schriftliche Beschwerde zu führen. Wird selbige von der vorgesetzten Behörde ungegründet gefunden, so ist diese verpflichtet, den Beschwerdeführer über die Gründe ihres Urtheils zu belehren. Glaubt derselbe, sich auch bei der Entscheidung der obersten Staatsbehörde nicht beruhigen zu können, so darf er die Beschwerde den Ständen, mit der Bitte um Verwendung, schriftlich vortragen, welche dann zu beurtheilen haben, ob die Sache geeignet sei, von ihnen am Throne bevorwortet zu werden. Uibrigens bleibt auch Jedem unbenommen, seine Wünsche und Beschwerden bei dem Regenten unmittelbar anzubringen.

§ 32. Jedem Landeseinwohner wird völlige Gewissensfreiheit und, in der bisherigen oder der künftig gesetzlich festzusetzenden Maße, Schutz in der Gottesverehrung seines Glaubens gewährt.

§ 37. Kein Unterthan soll mit Abgaben oder andern Leistungen beschwert werden, wozu er nicht vermöge der Gesetze, oder Kraft besonderer Rechtstitel, verbunden ist.

§ 33. Die Mitglieder der im Königreiche aufgenommenen christlichen Kirchen-

§ 38. Alle Unterthanen haben zu den Staatslasten beizutragen.

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V ERFASSUNG VON S ACHSEN (1831) § 39. Es soll ein neues Abgabensystem festgestellt werden, wobei die Gegenstände der directen und indirecten Besteuerung, nach möglichst richtigem Verhältnisse, werden zur Mitleidenheit gezogen werden. Die bisher bestandenen Realbefreiungen sollen, gegen angemessene Entschädigung, deren Modalität unter Vernehmung mit den Ständen, durch die künftige Gesetzgebung näher zu bestimmen ist, aufgehoben werden. § 40. Neue bleibende Befreiungen von Staatslasten können in keiner Weise vergünstigt oder erworben werden.

VIERTER ABSCHNITT Von dem Staatsdienste § 41. Es bestehen die Ministerial-Departements der Justiz, der Finanzen, des Innern, des Kriegs, des Cultus und der auswärtigen Angelegenheiten, deren Vorstände den Ständen verantwortlich sind. Diese Vorstände bilden das Gesammt-Ministerium, als die oberste collegiale Staatsbehörde. Auf den Vorstand des Ministerii des Cultus, welcher stets der evangelischen Confession zugethan seyn muß, in Gemeinschaft mit wenigstens zwei andern Mitgliedern des Gesammt-Ministerii derselben Confession, geht der bisherige Auftrag in Evangelicis über. Zu seinem Wirkungskreise gehören die §. 57. bezeichneten Angelegenheiten aller Confessionen. Es kann ein Staatsrath gebildet werden, zu welchem, außer den Vorständen der Ministerial-Departements, diejenigen Personen gezogen werden, welche der König geeignet findet. § 42. Alle Staatsdiener sind für ihre Dienstleistung verantwortlich.

§ 43. Alle Verfügungen in Regierungsangelegenheiten, welche der König unterzeichnet, müssen von dem Vorstande eines Ministerial-Departements, welcher bei der Beschlußnahme wirksam gewesen ist, in der Reinschrift, zum Zeichen seiner Verantwortlichkeit für die Zweckmäßigkeit und Uibereinstimmung derselben mit den Gesetzen und der Verfassung des Landes, contrasignirt werden. Eine solche mit der erforderlichen Contrasignatur nicht bezeichnete Verfügung ist als erschlichen zu betrachten und daher unverbindlich. § 44. Die Verhältnisse der Staatsdiener, worunter jedoch der Hofdienst nicht mit begriffen ist, sollen durch ein besonderes Gesetz näher bestimmt werden, in welchem vorzüglich die nöthige Unabhängigkeit des Richteramts berücksichtigt werden wird.

FÜNFTER ABSCHNITT Von der Rechtspflege § 45. Die Gerichtsbarkeit wird in einer gesetzlich bestimmten Instanzenordnung verwaltet. § 46. Alle Gerichtsstellen haben ihren Entscheidungen Gründe beizufügen. § 47. Sie sind bei Ausübung ihres richterlichen Amtes innerhalb der Grenzen ihrer Competenz von dem Einflusse der Regierung unabhängig. Ueber Competenzzweifel zwischen den Justiz- und Verwaltungsbehörden entscheidet in letzter Instanz eine besondere Behörde, deren Organisation durch ein Gesetz bestimmt wird, und deren Mitglieder zur Hälfte aus Räthen des obersten Justizhofes bestehen müssen. § 48. Kein Unterthan darf seinem ordentlichen Richter entzogen werden, außer in

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S ACHSEN den von den Gesetzen vorausbestimmten Fällen. § 49. Jedem, der sich durch einen Act der Staatsverwaltung in seinen Rechten verletzt glaubt, steht der Rechtsweg offen. Ein besonderes Gesetz wird die nöthigen Ausnahmen und Bestimmungen treffen, damit durch die Ausübung dieses Befugnisses der freie Fortgang der Verwaltung nicht gehemmt werde. § 50. Der Fiscus nimmt in allen ihn betreffenden Rechtsstreitigkeiten Recht vor den ordentlichen Landesgerichten. § 51. Niemand darf ohne gesetzlichen Grund verfolgt, verhaftet, oder bestraft und über vier und zwanzig Stunden über die Ursache seiner Verhaftung in Ungewißheit gelassen werden. § 52. Der König hat in strafrechtlichen Fällen das Recht der Abolition, so wie der Verwandlung, Minderung oder des Erlasses der Strafe, kann aber zuerkannte Strafen nicht schärfen. § 53. Die Confiscation kann künftig nur bei einzelnen Sachen, welche als Gegenstand oder Werkzeug einer Vergehung gedient haben, Statt finden. Eine allgemeine Vermögensconfiscation tritt in keinem Falle ein. § 54. Moratorien dürfen von Staatswegen nicht ertheilt werden. § 55. Die Rechtspflege wird, auf eine der Gleichheit vor dem Gesetze entsprechende Weise, in der Maße eingerichtet werden, daß die privilegirten Gerichtsstände aufhören, soweit nicht einzelne auf Verträgen oder besondern Verhältnissen beruhende, Ausnahmen noch ferner nothwendig bleiben. Die nähern Bestimmungen hierüber werden durch ein Gesetz getroffen werden.

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SECHSTER ABSCHNITT Von den Kirchen, Unterrichtsanstalten und milden Stiftungen § 56. Nur den im Königreiche aufgenommenen oder künftig, mittelst besondern Gesetzes, aufzunehmenden christlichen Confessionen steht die freie öffentliche Religionsübung zu. Es dürfen weder neue Klöster errichtet, noch Jesuiten, oder irgend ein anderer geistlicher Orden, jemals im Lande aufgenommen werden. § 57. Der König übt die Staatsgewalt über die Kirchen (jus circa sacra), die Aufsicht und das Schutzrecht über dieselben nach den diesfallsigen gesetzlichen Bestimmungen aus, und es sind daher namentlich auch die geistlichen Behörden aller Confessionen der Oberaufsicht des Ministeriums des Cultus untergeordnet. Die Anordnungen im Betreff der innern kirchlichen Angelegenheiten bleiben der besondern Kirchenverfassung einer jeden Confession überlassen. Insbesondere wird die landesherrliche Kirchengewalt (jus episcopale) über die evangelischen Glaubensgenossen, so lange der König einer andern Confession zugethan ist, von der §. 41. bezeichneten Ministerialbehörde femer in der zeitherigen Maße ausgeübt. § 58. Beschwerden über Mißbrauch der kirchlichen Gewalt können auch bis zu der obersten weltlichen Staatsbehörde gebracht werden. § 59. Die Kirchen und Schulen und deren Diener sind in ihren bürgerlichen Beziehungen und Handlungen den Gesetzen des Staats unterworfen. § 60. Alle Stiftungen ohne Ausnahme, sie mögen für den Cultus, den Unterricht, oder die Wohlthätigkeit bestimmt seyn,

V ERFASSUNG VON S ACHSEN (1831) stehen unter dem besondern Schutze des Staats, und das Vermögen oder Einkommen derselben darf unter keinem Vorwande zum Staatsvermögen eingezogen, oder für andere, als die stiftungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Nur in dem Falle, wo der stiftungsmäßige Zweck nicht mehr zu erreichen steht, darf eine Verwendung zu andern ähnlichen Zwecken, mit Zustimmung der Betheiligten und, in sofern allgemeine Landesanstalten in Betracht kommen, mit Bewilligung der Stände erfolgen.

SIEBENTER ABSCHNITT Von den Ständen

I Organisation der Ständeversammlung § 61. Für das ganze Königreich Sachsen besteht eine allgemeine, in zwei Kammern abgetheilte Ständeversammlung. Neben selbiger wird die besondere Provinzial-Landtagsverfassung in der Oberlausitz und die Kreistagsverfassung in den alten Erblanden, vorbehältlich der in Rücksicht beider nöthig werdenden Modificationen, noch ferner fortbestehen. § 62. Beide Kammern sind in ihren Rechten und Befugnissen einander gleich. Zeit und Ort der Sitzungen beider sind jederzeit dieselben. § 63. Zu der ersten Kammer gehören folgende Mitglieder: 1.) die volljährigen Prinzen des Königlichen Hauses; 2.) das Hochstift Meißen, durch einen Deputirten seines Mittels; 3.) der Besitzer der Herrschaft Wildenfels; 4.) die Besitzer der fünf Schönburgischen Receßherrschaften, Glaucha, Waldenburg, Lichtenstein, Hartenstein und Stein, durch einen ihres Mittels;

5.) ein Abgeordneter der Universität Leipzig, welcher von selbiger aus dem Mittel ihrer ordentlichen Professoren gewählt wird; 6.) der Besitzer der Standesherrschaft Königsbrück; 7.) der Besitzer der Standesherrschaft Reibersdorf; 8.) der evangelische Oberhofprediger; 9.) der Decan des Domstifts St. Petri zu Budissin, zugleich in seiner Eigenschaft als höherer katholischer Geistlicher, und im Falle der Behinderung oder der Erledigung der Stelle, einer der drei Capitularen des Stifts; 10.) der Superintendent zu Leipzig; 11.) ein Abgeordneter des Collegiatstifts zu Wurzen, aus dem Mittel des Capitels; 12.) die Besitzer der vier Schönburgischen Lehnsherrschaften, Rochsburg, Wechselburg, Penig und Remissen, durch einen ihres Mittels; 13.) zwölf auf Lebenszeit gewählte Abgeordnete der Rittergutsbesitzer; 14.) zehn vom Könige, nach freier Wahl, auf Lebenszeit ernannte Rittergutsbesitzer; 15.) die erste Magistratsperson der Städte Dresden und Leipzig; 16.) die erste Magistratsperson in sechs vom Könige, unter möglichster Berücksichtigung aller Theile des Landes, nach Gefallen zu bestimmenden Städten.2 § 64. Für die §. 63. unter 3. 4. 6. 7. und 12. benannten Besitzer der Herrschaften kann im Falle der Minderjährigkeit, oder wenn sie aus Ursachen, welche die Kammer als statthaft anerkennt, an dem Landtage persönlich Theil zu nehmen, nicht vermögen, derjenige nächste Nachfolger in die Kammer eintreten, welcher nach §. 74. für die Person dazu geeignet ist. Den Besitzern der Herrschaft Wildenfels und der Schönburgischen Receßherrschaften ist jederzeit nachgelassen, wegen ihrer erblichen Stimmen, Bevollmächtigte in die Kammer ein-

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S ACHSEN treten zu lassen, welche die nach §. 74. erforderlichen Eigenschaften haben, und im Königreiche Sachsen mit einem Rittergute angesessen sind.3 § 65. Die zwölf Abgeordneten der Rittergutsbesitzer werden in Kreis- und Oberlausitzer-Provinzial-Versammlungen gewählt. An der Wahl nimmt jeder Besitzer eines der im Wahlgesetze für stimmberechtigt erklärten Rittergüter Theil. Sie wird nach den Bestimmungen des Wahlgesetzes bewirkt. Wählbar sind nur diejenigen Rittergutsbesitzer, deren Gut mindestens jährlich Zwei Tausend Thaler reinen Ertrag gewährt. Ein, unter Concurrenz der Rittergutsbesitzer selbst, auf Kreistagen oder ProvinzialLandtagen gefertigtes, von Zeit zu Zeit zu revidirendes Verzeichniß der sowohl zu der ersten, als zu der zweiten Kammer wählbaren Rittergüter ist bei der Wahl jederzeit zum Grunde zu legen. Jeder der vom Könige zu ernennenden zehn Rittergutsbesitzer muß von einem, oder mehrern im Königreiche Sachsen gelegenen Rittergütern einen jährlichen Reinertrag von mindestens Vier Tausend Thalern beziehen. Der König kann bei der Ernennung auch auf Besitzer Schönburgischer Receß- und Lehnsherrschaften Rücksicht nehmen, doch sind hierbei die diesen Herrschaften schon zukommenden erblichen Stimmen jedenfalls in Abzug zu bringen. Minister im activen Dienste und besoldete Hofbeamte können nicht ernannt werden. Die Zahl von zehn muß stets vorhanden seyn.4 § 66. Diejenigen Mitglieder der ersten Kammer, welche, vermöge ihres Amts, in selbiger eine Stelle haben, behalten solche so lange, als sie dieses Amt bekleiden. Die Abgeordneten der Stifter und der Universität, so wie die Bevollmächtigten der Herrschaft Wildenfels und der Schönburgischen Receßherrschaften, behalten ihre Stelle, bis sich ein Nachfolger legitimirt.

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Die gewählten, so wie die vom Könige ernannten Rittergutsbesitzer bleiben so lange Mitglieder der Kammer, als sie diejenigen Eigenschaften behalten, vermöge deren letztere ernannt, und erstere sowohl im Allgemeinen, als in dem betreffenden Bezirke erwählt werden können. Uiberdieß treten jedoch die gewählten Rittersgutsbesitzer aus, wenn sie während ihrer ständischen Function zu einem Staatsdienste ernannt, oder im Staatsdienste befördert werden, oder ein besoldetes Hofamt annehmen, können aber dann von Neuem gewählt werden. Beiden Klassen der Rittergutsbesitzer ist die Resignation gestattet, wegen Krankheit, welche das Individuum auf längere Zeit zu Geschäften untauglich macht und durch ärztliche Zeugnisse belegt wird, wegen solcher häuslicher, Familien- oder Dienst-Verhältnisse, welche die persönliche und beständige Anwesenheit, nach beizubringender genüglicher Bescheinigung, wesentlich erfordern, ferner wegen 60jährigen Alters, oder wenn sie bereits drei ordentlichen Landtagen (§. 115.) beigewohnt haben.5 § 67. Der Präsident der ersten Kammer wird von dem Könige, aus der Mitte der Herrschafts- oder Rittergutsbesitzer in selbiger, zu jedem Landtage besonders ernannt und darf nicht im Auslande wohnen. Zu der Function eines Stellvertreters des Präsidenten schlägt die Kammer durch Wahl drei Personen aus ihrer Mitte vor, von denen der König Eine ernennt. Die Wahl erfolgt nach absoluter Stimmenmehrheit. Sollte bei dreimaliger Abstimmung eine solche nicht erlangt werden, so entscheidet bei der letzten Abstimmung die relative Stimmenmehrheit Uiber die amtliche Stellung und Geschäftsführung des Präsidenten und seines Stellvertreters, so wie über die Protocollführung und Leitung der Kanzleigeschäfte, enthält die Landtagsordnung die nähern Bestimmungen.6

V ERFASSUNG VON S ACHSEN (1831) § 68. Die zweite Kammer besteht aus 1.) Zwanzig Abgeordneten der Rittergutsbesitzer, 2.) Fünf und zwanzig Abgeordneten der Städte, 3.) Fünf und zwanzig Abgeordneten des Bauernstandes, und 4.) Fünf Vertretern des Handels und Fabrikwesens.7 § 69. Für jedes Mitglied der zweiten Kammer wird ein Stellvertreter gewählt. Dieser tritt in Fällen zeitiger Abwesenheit oder Behinderung des Mitglieds ein, im Falle des Todes oder gänzlichen Austritts aber für die Dauer des Landtags nur dann, wenn ein solcher Fall erst während des Landtags, oder so kurz vor demselben Statt gefunden hat, daß zu einer neuen Wahl keine Zeit übrig ist; außerdem ist eine neue Wahl sowohl eines Abgeordneten, als eines Stellvertreters vorzunehmen. Uiber die Einberufung des Stellvertreters entscheidet die Kammer.8 § 70. Die Wahl der Abgeordneten der Rittergutsbesitzer zu der zweiten Kammer und ihrer Stellvertreter erfolgt in Kreis- und Oberlausitzer Provinzial-Versammlungen. Wahlberechtigt sind die Besitzer der durch das Wahlgesetz hierzu befähigten Güter, wählbar aber nur diejenigen von ihnen, welche ein Gut von mindestens jährlich Sechshundert Thalern reinem Ertrage besitzen. Die Wahlen der Abgeordneten der Rittergutsbesitzer, der Städte und des Bauernstandes und der Stellvertreter für selbige erfolgen nach den Vorschriften des Wahlgesetzes. Uiber die Wahlen der Vertreter des Handels und Fabrikwesens und ihrer Stellvertreter wird besondere gesetzliche Bestimmung erfolgen.9 § 71. Alle drei Jahre, am Schlusse eines ordentlichen Landtags (§. 115.), tritt

ein Theil der Abgeordneten zu der zweiten Kammer aus. Um diesen auf einander folgenden Austritt zu ordnen, wird bei dem ersten Landtage eine Loosung vorgenommen. In Folge deren treten nach dem ersten Landtage aus: sechs Abgeordnete der Rittergutsbesitzer, acht Abgeordnete der Städte, acht Abgeordnete des Bauernstandes und ein Vertreter des Handels- und Fabrikstandes, welche die niedrigsten Nummern gezogen haben; nach dem zweiten Landtage, sieben Abgeordnete der Rittergutsbesitzer, acht Abgeordnete der Städte, acht Abgeordnete des Bauernstandes und zwei Vertreter des Handels- und Fabrikstandes, welche die nächst niedrigen Nummern gezogen haben, und nach dem dritten Landtage alle übrige Abgeordnete. Die später gewählten Abgeordneten treten nach dem dritten ordentlichen Landtage seit ihrer Wahl aus. Die Austretenden können sofort wieder gewählt werden. Die Abgeordneten der zweiten Kammer hören auch früher auf, Mitglieder derselben zu seyn, a) wenn sie die Wählbarkeit entweder im Allgemeinen, oder für die Klasse, oder den Bezirk, für welchen sie gewählt werden, verlieren; b) wenn sie während der Dauer ihrer ständischen Function im Staatsdienste angestellt oder befördert werden, oder in ein besoldetes Hofamt treten, oder c) wenn der König die Kammer auflößt. In den Fällen unter b. und c. können jedoch selbige wieder gewählt werden.10 § 72. Der Präsident der zweiten Kammer und dessen Stellvertreter werden von dem Könige ernannt. Zu Anfange jeden Landtags sind von der Kammer vier ihrer Mitglieder durch geheime Stimmgebung zu wählen und vorzuschlagen, von denen der König eins als Präsidenten und eins als dessen Stellvertre-

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S ACHSEN ter bestellt. Die Wahl wird nach den Bestimmungen §. 67. bewirkt. Die Landtagsordnung bestimmt die Function beider.11 § 73. Zur Theilnahme an einer auf die Ständeversammlung sich beziehenden Wahl wird das erfüllte 25ste, und zur Wählbarkeit das erfüllte 30ste Altersjahr erfordert.12 § 74. Weder zur Theilnahme an einer Wahl berechtigt, noch wählbar sind Diejenigen, welche a) unter Curatel stehen, b) zu deren Vermögen ein Schuldenwesen entstanden ist, es mag dasselbe zum förmlichen Concurs gediehen, oder der Weg der außergerichtlichen Erledigung desselben eingeschlagen worden seyn, so lange nicht ihre Gläubiger, vollständige Befriedigung erhalten zu haben, erklären. c) Diejenigen, welche wegen solcher Vergehen, die, nach allgemeinem Begriffe, für entehrend zu halten sind, vor Gericht gestanden haben, ohne von der Anschuldigung völlig frei gesprochen zu seyn. Ob ein Vergehen nach allgemeinem Begriffe für entehrend zu halten sei, entscheidet hinsichtlich eines Wahlmanns die Wahlversammlung, und hinsichtlich eines Abgeordneten die Kammer.13 § 75. Wird ein Staatsdiener zum Abgeordneten oder Stellvertreter zu einer der beiden Kammern gewählt, so hat derselbe solches der vorgesetzten Dienstbehörde anzuzeigen, damit diese ermesse, ob die Annahme der Wahl genehmigt werden könne und, nöthigen Falls, wegen einstweiliger Versehung des Amts Vorsorge treffe. Die Genehmigung kann ohne erhebliche, in dem Wesen des Amts beruhende und den Ständen zur Nachricht mitzutheilende Gründe nicht versagt werden. Gerichtsdirectoren und gutsherrliche Beamte haben die Zustimmung ihrer Principa-

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le, städtische Beamte die Zustimmung der Stadträthe einzuholen; diese kann aber nur aus denselben Ursachen verweigert werden, wie die landesherrliche Erlaubniß für die Staatsdiener. Uiber Reclamationen wegen verweigerter Genehmigung entscheidet die Regierung.14 § 76. Die Sitzordnung in der ersten Kammer richtet sich bei den §. 63. unter l. bis mit 12. benannten Mitgliedern nach der angegebenen Reihefolge, bei den übrigen aber, so wie in der zweiten Kammer, nach dem Loose, welches bei jedesmaliger Eröffnung der Kammer gezogen wird. Für die hierbei noch nicht anwesenden Mitglieder zieht der Präsident die Loose. Die Bevollmächtigten und Stellvertreter nehmen die Plätze derer, die sie vertreten, ein. § 77. Uiber das Wahlverfahren für beide Kammern und die Wahlberechtigung für die zweite Kammer enthält das Wahlgesetz die nähere Bestimmung. Dasselbe ist zwar kein integrirender Theil der Verfassung, kann aber ohne ständische Zustimmung nicht verändert werden.

II Wirksamkeit der Stände § 78. Die Stände sind das gesetzmäßige Organ der Gesammtheit der Staatsbürger und Unterthanen, und als solches berufen, deren auf der Verfassung beruhende Rechte, in dem durch selbige bestimmten Verhältnisse zu der Staatsregierung, geltend zu machen und das unzertrennliche Wohl des Königs und des Landes, mit treuer Anhänglichkeit an die Grundsätze der Verfassung, möglichst zu befördern. § 79. Die Angelegenheiten, welche vor die Ständeversammlung gehören, sind in dieser Verfassungsurkunde bestimmt vorgezeichnet.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN (1831) Dergleichen Angelegenheiten können in keinem Falle zur Erledigung an ständische Ausschüsse, an die Kreisstände, oder an einzelne ständische Corporationen gebracht werden. Die Ständeversammlung darf aber auch wieder ihrer Seits sich nur mit diesen ihr zugewiesenen Angelegenheiten, oder den vom Könige besonders an sie gebrachten Gegenständen beschäftigen. § 80. Die Stände sind verbunden, die von dem Könige an sie gebrachten Gegenstände vor allen übrigen in Berathung zu ziehen. § 81. In beiden Kammern können die Mitglieder derselben, mit Ausnahme der §. 64. in Rücksicht der Herrschaftsbesitzer bemerkten Fälle, nur persönlich erscheinen und dürfen Niemanden beauftragen, in ihrem Namen zu stimmen.15 Die Abgeordneten haben eine Instruction von ihren Committenten nicht anzunehmen, sondern nur ihrer eigenen Uiberzeugung zu folgen. Uibrigens bleibt jedem Mitgliede überlassen, die an selbiges für die Ständeversammlung gelangenden besondern Anliegen weiter zu befördern und, nach Befinden, zu bevorworten. § 82. Jedes Mitglied der Ständeversammlung leistet, bei seinem ersten Eintritte in die Kammer, folgenden Eid: Ich schwöre zu Gott etc. die Staatsverfassung treu zu bewahren und in der Ständeversammlung das unzertrennliche Wohl des Königs und Vaterlands, nach meinem besten Wissen und Gewissen, bei meinen Anträgen und Abstimmungen allenthalben zu beobachten. So wahr mir Gott helfe etc. Diesen Eid legen die Präsidenten beider Kammern in die Hände des Königs, und die übrigen Mitglieder der Kammer in der Versammlung an den Vorstand derselben ab. Wenn ein gewesener Abgeordneter durch

neue Wahl, als solcher, in eine Kammer eintritt, so leistet er die Pflicht blos mittelst Handschlags, unter Verweisung auf den früher abgelegten Eid. § 83. Jedes Mitglied der Stände kann in der Kammer seine Meinung frei äußern. Ein Mitglied, welches bei dem Gebrauche dieses Rechts den Gang des Geschäfts unstatthafterweise aufhält, oder sich die Mißbilligung der Kammer erregende Aeußerungen erlaubt, kann von dem Präsidenten zur Ordnung verwiesen werden. Die Mitglieder der Kammern haben sich bei ihren Discussionen aller Persönlichkeiten, aller unanständigen und beleidigenden Ausdrücke, so wie aller Abweichungen von dem vorliegenden Berathungsgegenstande zu enthalten, widrigen Falls der Präsident sie zur Ordnung zu verweisen und, im Weigerungsfalle, selbst die fernere Wortführung zu untersagen das Recht hat. Sollten sie sich selbst persönliche Ausfälle gegen den Regenten, die Königliche Familie, die Kammern, oder einzelne Mitglieder der Kammern erlauben und, ohngeachtet der Erinnerung des Präsidenten, hiermit fortfahren, so ist derselbe berechtigt und verpflichtet, die Sitzung für diesen Tag auf der Stelle zu schließen und in der folgenden Sitzung über die Bestrafung des betreffenden Mitglieds der Kammer vorzutragen, welche entscheiden wird, ob dasselbe zum bloßen Widerruf, oder zum zeitlichen oder gänzlichen Ausschluß aus der Kammer zu verurtheilen sei. Wenn die gerügte Aeußerung ein besonderes Verbrechen, oder eine persönliche Beleidigung in sich begreift, so kann das fragliche Mitglied der Kammer, es mag nun dessen Ausschließung erfolgt seyn oder nicht, deshalb noch vor seinem ordentlichen Richter belangt werden. Verlangt es der Ausgeschlossene, so ist die Entscheidung, ob derselbe bei einer künftigen Ständeversammlung wieder wähl-

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S ACHSEN bar seyn solle, an den Staatsgerichtshof (§. 142.) zu verweisen, sonst ist derselbe künftig nicht wieder wählbar. § 84. Die Stände genießen, sowohl in ihrer Gesammtheit, als einzeln, völlige Unverletzlichkeit der Person während der Dauer des Landtags. Daher darf insbesondere, außer dem Falle der Ergreifung auf frischer That bei einem begangenen peinlichen Verbrechen und dem Falle des Wechselverfahrens, kein Mitglied der Ständeversammlung während ihrer Dauer, ohne ausdrückliche Zustimmung der Kammer, der selbiges angehört, verhaftet werden. § 85. Gesetzentwürfe können nur von dem Könige an die Stände, nicht von den Ständen an den König gebracht werden. Die Stände können aber auf neue Gesetze, so wie auf Abänderung oder Aufhebung bestehender antragen. Jedem Gesetzentwurfe werden Motiven beigefügt werden.16 § 86. Kein Gesetz kann ohne Zustimmung der Stände erlassen, abgeändert oder authentisch interpretirt werden. § 87. Der König erläßt und promulgirt die Gesetze, mit Bezug auf die erfolgte Zustimmung der Stände, und ertheilt die zu deren Vollziehung und Handhabung erforderlichen, sowie die aus dem Aufsichts- und Verwaltungsrechte fließenden Verfügungen und Verordnungen. § 88. Der König erläßt auch solche, ihrer Natur nach der ständischen Zustimmung bedürfende, aber durch das Staatswohl dringend gebotene Verordnungen, deren vorübergehender Zweck durch Verzögerung vereitelt werden würde, mit Ausnahme aller und jeder Abänderungen in der Verfassung und dem Wahlgesetze. Dafür, daß das Staatswohl die Eile geboten, sind sämmtliche Minister verantwortlich. Sie haben deshalb insgesammt die Ver-

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ordnungen zu contrasigniren; auch müssen letztere den Ständen bei der nächsten Zusammenkunft zur Genehmigung vorgelegt werden. § 89. In Ausführung der vom Bundestage gefaßten Beschlüsse kann die Regierung durch die ermangelnde Zustimmung der Stände nicht gehindert werden. Sie treten sofort mit der vom Könige verfügten Publication in Kraft. Es müssen daher auch die zur Ausführung derselben erweislich erforderlichen Mittel aufgebracht werden, wobei jedoch die Mitwirkung der Stände in Ansehung der Art und Weise der Aufbringung dieser Mittel, insoweit dieselbe verfassungsmäßig begründet ist, nicht ausgeschlossen wird. § 90. Der König kann einen an die Kammern gerichteten Gesetzvorschlag noch während der ständischen Discussion darüber zurücknehmen. Dasselbe kann geschehen, wenn ein Gesetzvorschlag zwar von der Mehrheit der Kammern angenommen wird, dabei aber die §. 129. erwähnte Absonderung der Abgeordneten eines Standes eingetreten ist.17 § 91. Wenn die Kammern über die Annahme eines Gesetzvorschlags getheilter Meinung sind, so haben sie, vor der Abgabe ihrer Erklärung, das §. 131. vorgeschriebene Vereinigungsmittel zu versuchen.18 § 92. Bleiben auch dann noch die Curiatstimmen beider Kammern getheilt, so ist zu der Verwerfung des Gesetzvorschlags erforderlich, daß in einer der beiden Kammern wenigstens zwei Drittheile der Anwesenden für die Verwerfung gestimmt haben.19 § 93. Die ständische Erklärung, wodurch entweder ein Gesetzvorschlag ganz abgelehnt wird, oder Veränderungen dabei beantragt werden, muß die Angabe der Beweggründe enthalten.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN (1831) § 94. Wird ein von den Ständen mit Abänderungen angenommener Gesetzentwurf vom Könige nicht genehmigt, so kann selbiger entweder ganz zurückgenommen, oder vorher noch einmal, während desselben Landtags, mit Widerlegungsgründen, in der vorigen Maße, oder auch mit von der Regierung selbst vorzuschlagenden Abänderungen, an die Stände gebracht werden. In beiden letztern Fällen steht der Regierung frei, die unbedingte Erklärung über Annahme oder Ablehnung desselben zu verlangen. § 95. Ein von den Ständen ganz abgelehnter Gesetzentwurf kann zwar bei einem folgenden Landtage anderweit unverändert an sie gebracht werden, während desselben Landtags aber nur in veränderter Maße. § 96. Ohne Zustimmung der Stände können die bestehenden directen und indirecten Landesabgaben nicht verändert, auch dürfen dergleichen Abgaben ohne ihre Bewilligung, mit Ausnahme des §. 103. bemerkten Falls, nicht ausgeschrieben und erhoben werden. § 97. Die Stände haben die Verpflichtung, für Aufbringung des ordentlichen und außerordentlichen Staatsbedarfs durch Aussetzung der hierzu erforderlichen Deckungsmittel zu sorgen. Sie haben dagegen das Befugniß, hierbei die Nothwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Höhe der Ansätze zu prüfen und deshalb Erinnerungen zu machen, auch sich sowohl wegen der Annahme der angesetzten Summen, als über die Art der Deckung, die Grundsätze und Verhältnisse, nach welchen die Abgaben und Leistungen auf Personen und Gegenstände zu legen und zu vertheilen sind, so wie über die Dauer und Erhebungsweise zu entschließen. § 98. Bei jedem ordentlichen Landtage (§. 115.) wird den Ständen eine genaue Berechnung der in den vorhergegangenen drei

Jahren stattgefundenen Einnahme und Ausgabe und ein Voranschlag des Bedarfs für di nächstfolgenden drei Jahre, nebst den Vorschlägen zu dessen Deckung, möglichst bald nach Eröffnung des Landtags mitgetheilt. § 99. Um Beides beurtheilen zu können, werden ihnen sowohl von der obersten Staatsbehörde, als auch, auf ihren Antrag, von den betreffenden Departementschefs, die nöthigen Erläuterungen gegeben, so wie Rechnungen und Belege mitgetheilt werden. Ansätze für geheime Ausgaben können dabei nur in soweit vorkommen, als eine schriftliche, von mindestens drei verantwortlichen Ministerialvorständen contrasignirte Versicherung des Königs bezeugt, daß die Verwendung zum wahren Besten des Landes stattgefunden habe, oder stattfinden werde. § 100. Nach pflichtmäßiger genauen Prüfung der gedachten Berechnungen, Uibersichten und Unterlagen, haben die Stände über den darnach aufzubringenden Bedarf ihre Erklärung an den König gelangen zu lassen. Insofern sie hierbei auf Verminderung der verlangten Summen antragen, muß dieses unter bestimmter und ausführlicher Nachweisung der Gründe dazu, sowie der Gegenstände, bei welchen, und der Art und Weise, wie, ohne Hintansetzung des Staatszwecks, Ersparnisse gemacht werden können, geschehen. § 101. Sind die beiden Kammern bei der Abstimmung über die Bewilligung getheilt, so tritt, zum Zwecke einer Vereinigung, das §. 131. vorgeschriebene Verfahren ein.20 § 102. Die ständische Bewilligung von Abgaben darf nicht an Bedingungen geknüpft werden, welche nicht das Wesen, oder die Verwendung derselben unmittelbar betreffen.

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S ACHSEN § 103. Die von den Ständen nach §. 100. an die Regierung gelangenden Anträge und die Gründe, auf welchen sie beruhen, werden auf das reiflichste erwogen, auch, soweit es nur immer mit dem Staatswohle vereinbar ist, jederzeit berücksichtigt werden. In dem Falle aber, daß sie unannehmbar befunden würden, die Stände hingegen, auf deshalb ihnen geschehene Eröffnung und anderweite Berathung, die Bewilligung in der verlangten Maße wiederholt ablehnen wollten, läßt der König die Auflagen für den Staatsbedarf, insofern sie nicht ausdrücklich nur für einen vorübergehenden, bereits erreichten Zweck bestimmt sind, nach Ablauf der Bewilligungszeit, durch die oberste Staatsbehörde, mittelst einer in die Gesetzsammlung aufzunehmenden Verordnung, noch auf ein Jahr ausschreiben und forterheben. In dem zu erlassenden Ausschreiben wird der besondern Natur desselben gedacht und Beziehung auf diesen §. der Verfassungsurkunde genommen. Ein solches verlängertes Ausschreiben kann jedoch nur auf ein Jahr erlassen werden; weshalb der König längstens sechs Monate vor Ablauf dieser Frist eine außerordentliche Ständeversammlung einberufen wird. Die Bewilligung wird übrigens nur dann als abgelehnt betrachtet, wenn in einer der beiden Kammern mindestens zwei Drittheile der Anwesenden für die Ablehnung gestimmt haben.21 § 104. Mit Ausnahme des §. 103. erwähnten Falls, soll in den Ausschreiben, welche Landesabgaben betreffen, die ständische Bewilligung besonders erwähnt werden, ohne welche weder die Einnehmer zur Einforderung berechtigt, noch die Unterthanen zur Entrichtung verbunden sind. § 105. Ohne Zustimmung der Stände kann kein Anlehn gültig gemacht werden. Wenn in außerordentlichen, dringenden und unvorhergesehenen Fällen schleunige finanzielle Maßregeln erfordert werden, zu

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welchen an sich die Zustimmung der Stände nothwendig ist, so ist eine außerordentliche Ständeversammlung einzuberufen. Sollten jedoch äußere Verhältnisse eine solche Einberufung durchaus unmöglich machen, so darf der König, unter Verantwortlichkeit der ihn hierbei berathenden Vorstände der Ministerial-Departements, das zu Deckung des außerordentlichen Bedürfnisses unumgänglich Nöthige provisorisch verfügen, auch, erforderlichen Falls, Ausnahmsweise ein Anlehn aufnehmen; es sind aber die getroffenen Maßregeln, sobald als irgend möglich, der Ständeversammlung, und spätestens bei dem nächsten ordentlichen Landtage vorzulegen, um deren verfassungsmäßige Genehmigung zu bewirken; auch ist selbiger über die Verwendung der erforderlich gewesenen Summen Nachweisung zu geben. § 106. Um die Regierung für unvorhergesehene Ereignisse mit den erforderlichen außerordentlichen Hülfsmitteln zu versehen, ist ein Reservefond zu bilden, welcher in das Budget aufgenommen und jedesmal bewilligt wird. § 107. Zu Verzinsung und Tilgung der Staatsschulden besteht eine besondere Staatsschulden-Casse, welche unter die Verwaltung der Stände gestellt ist. Diese Verwaltung wird durch einen ständischen Ausschuß, mit Hülfe der von ihm ernannten und vom Könige bestätigten Beamten, geführt. Er hat auch bei erfolgender Auflösung der zweiten Kammer seine Geschäfte bis zu Eröffnung der neuen Ständeversammlung und erfolgter Wahl eines neuen Ausschusses fortzusetzen. Der Regierung steht vermöge des Oberaufsichtsrechts frei, von dem Zustande der Casse zu jeder Zeit Einsicht zu nehmen. Die Jahresrechnungen über dieselbe werden von der obersten Rechnungsbehörde geprüft, und bei jedem ordentlichen Landtage (§. 115.) den Ständen zur Erinnerung

V ERFASSUNG VON S ACHSEN (1831) und Justification vorgelegt. Nach erfolgter Justification wird das Resultat der Rechnungen im Namen der Stände durch den Druck bekannt gemacht.22 § 108. Die Stände sind verpflichtet und berechtigt, über die Erhaltung des Staatsguts und des Königlichen Hausfideicommisses in der §. 18. und 20. angegebenen Maße zu wachen. § 109. Die Stände haben das Recht, im Bezug auf alle zu ihrem Wirkungskreise gehörige Gegenstände, dem Könige ihre gemeinsamen Wünsche und Anträge in der geeigneten Form vorzulegen. Hierzu gehören auch Anträge auf Abstellung wahrgenommener Gebrechen in der Landesverwaltung oder Rechtspflege. Eben so ist jedes einzelne Mitglied der Stände befugt, seine auf dergleichen Gegenstände sich beziehenden Wünsche und Anträge in seiner Kammer vorzubringen. Diese entscheidet, ob und auf welche Weise selbige in nähere Erwägung gezogen werden sollen. Nimmt sie sich, in Folge der geschehenen Erörterung, der Sache an, so hat sie den Beitritt der andern Kammer zu veranlassen, indem selbige nur in Uibereinstimmung beider Kammern an den König gebracht werden kann.23 § 110. Beschwerden gegen die oberste Staatsbehörde und einzelne Vorstände von Ministerial-Departements (§. 41.) über die Anwendung der Gesetze in der Landesverwaltung und Rechtspflege kann, in sofern sich deshalb nicht beide Kammern zu vereinigen vermögen, auch jede Kammer allein anbringen. Zu Begründung solcher Beschwerden ist §. 43. die Contrasignatur aller Verordnungen und andern Ausfertigungen in Regierungsangelegenheiten, welche der König eigenhändig unterzeichnet, angeordnet. Unerlaubte Handlungen oder grobe Vernachlässigungen der den Ministerial-Depar-

tements untergeordneten Staatsdiener können nur dann Gegenstand ständischer Beschwerde werden, wenn der dadurch unmittelbar Verletzte bei dem betreffenden Departement vergebens Klage geführt, oder sonst die gesetzlichen Vorschritte gethan hat. § 111. Die Stände können schriftliche Beschwerden der Unterthanen, nicht aber Deputationen von Körperschaften annehmen. Findet sich, daß eine solche Beschwerde noch nicht auf dem verfassungsmäßigen Wege bis zu dem betreffenden MinisterialDepartement gelangt und daselbst ohne Abhülfe geblieben sei, so bleibt sie unberücksichtigt. Im entgegengesetzten Falle, und wenn den Ständen die Beschwerde begründet erscheint, bleibt ihrem Ermessen überlassen, selbige entweder an das betreffende Departement oder die oberste Staatsbehörde abzugeben, oder zu ihrer eigenen Sache zu machen und, nach vorgängiger Discussion in beiden Kammern, dem Könige zur geeigneten Berücksichtigung zu empfehlen. Die erfolgte Abstellung solcher Beschwerden, oder das Ergebniß der Erörterung, wird ihnen eröffnet werden. § 112. Alle ständische Beschlüsse, welche auf eine Angelegenheit des Landes Bezug haben, bedürfen, um wirksam zu werden, der ausdrücklichen Sanction des Königs. § 113. Auf jeden von den Ständen an den König gebrachten Antrag wird ihnen eine Entschließung, und zwar im Ablehnungsfalle unter Angabe der Gründe, wo möglich noch während der Ständeversammlung, ertheilt werden. Dieß gilt insbesondere auch, wenn der Antrag auf Erlassung, Aufhebung oder Abänderung eines Gesetzes gerichtet war. § 114. Die Ständeversammlung darf, mit Königlicher Genehmigung, zu Vorbereitung bestimmt anzuzeigender Berathungsgegenstände und zu Ausführung von Be-

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S ACHSEN schlüssen in ständischen Angelegenheiten, welche die Königliche Sanction erhalten haben, Deputationen ernennen, welche zu diesem Zwecke in der Zwischenzeit von einem Landtage zum andern zusammentreten und thätig seyn können.

III Landtag und Geschäftsbetrieb bei selbigem § 115. Der König wird längstens alle drei Jahre einen ordentlichen Landtag einberufen und außerordentliche, so oft es Gesetzgebungs- oder andere dringende Angelegenheiten erfordern. Eine außerordentliche Zusammenkunft der Stände ist jedesmal nöthig, wenn ein Regierungswechsel eintritt; die Einberufung erfolgt dann binnen der nächsten vier Monate. Der Ort des Königreichs, wo der Landtag gehalten werden soll, hängt von der jedesmaligen Bestimmung des Königs ab. Zu jedem Landtage werden die Stände mittelst einer von der obersten Staatsbehörde ausgehenden Bekanntmachung in der Gesetzsammlung und durch an jeden zu erlassende Missiven einberufen. § 116. Der König ordnet den förmlichen Schluß der Ständeversammlung an, kann auch solche vertagen und die zweite Kammer auflösen, wodurch zugleich die erste für vertagt erklärt wird. Die Vertagung darf nicht über sechs Monate dauern. Im Falle der Auflösung der zweiten Kammer soll die Wahl neuer Abgeordneten zu selbiger und die Einberufung der Stände ebenfalls innerhalb der nächsten sechs Monate erfolgen.24 § 117. Der König eröffnet und entläßt die Ständeversammlung entweder in eigener Person, oder durch einen dazu bevollmächtigten Commissar.

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§ 118. Eigenmächtig dürfen die Kammern weder sich versammeln, noch nach dem Schlusse oder der Vertagung des Landtags, oder Auflösung der zweiten Kammer versammelt bleiben und berathschlagen.25 § 119. Die definitiven Resultate des Landtags werden in eine förmliche Urkunde, den Landtagsabschied, zusammengefaßt, welche die Königliche Erklärung über die Verhandlungen mit den Ständen enthält, von dem Könige eigenhändig vollzogen, den Ständen bei ihrer Entlassung urschriftlich ausgehändigt und in die Gesetzsammlung aufgenommen wird. § 120. Die Stände, mit Ausnahme derjenigen Mitglieder der ersten Kammer, welche Kraft erblichen Rechts, oder als Abgeordnete der Capitel und der Universität, auf Landtagen erscheinen, bekommen, insofern sie nicht an dem Orte, wo der Landtag gehalten wird, beständig wohnen, als Entschädigung für den erforderlichen außerordentlichen Aufwand, Tage- und Reisegelder, in der in der Landtagsordnung bestimmten Maße.26 § 121. Jede Kammer verhandelt getrennt von der andern und hat bei den an den König zu bringenden Erklärungen eine Curiatstimme. § 122. Von den Königlichen Mittheilungen an die Kammern ergehen diejenigen, welche auf Abgaben- und Bewilligungs-Gegenstände Bezug haben, zuerst an die zweite Kammer. Bei andern Gegenständen hängt es von dem Ermessen des Königs ab, an welche der beiden Kammern solche zuerst gelangen sollen. § 123. Alle Königliche Anträge müssen, ehe sie bei einer Kammer zur Discussion und Abstimmung gelangen können, von einer besondern, aus dem Mittel der Kammer bestellten Deputation erörtert werden, welche darüber an die erstere Vortrag erstattet.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN (1831) § 124. Dergleichen Deputationen werden auch für andere Berathungs-Gegenstände ernannt.

eröffnen ist, so kann letzterm auf Verlangen jede abweichende Meinung beigefügt werden.27

§ 125. Diesen Deputationen (§. 123. 124.) werden, so oft die Deputationen selbst darauf antragen, durch Königliche Commissarien die nöthigen Erläuterungen gegeben werden. Es muß jedoch jede Deputation, vor Abgabe ihres Gutachtens an die betreffende Kammer, die ihr von dem Königlichen Commissar in ihrer Sitzung mündlich mitzutheilenden Bemerkungen hören, auch dieselben in Erwägung ziehen und, nach Befinden, berücksichtigen.

§ 129. Die Abstimmungen geschehen von den einzelnen Mitgliedern, ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der Stände. Es ist jedoch den Abgeordneten der Rittergutsbesitzer, der Städte und des Bauernstandes in der zweiten Kammer erlaubt, wenn wenigstens drei Viertheile der Anwesenden ihren Stand in seinen besondern Rechten oder Interessen durch den Beschluß der Mehrheit für beschwert achten, eine Separatstimme abzugeben. Eine solche Separatstimme muß in die Erklärung der Ständeversammlung, neben dem Beschlusse der Mehrheit, aufgenommen und mit an die Regierung gebracht werden.28

§ 126. Jedem Mitgliede der Kammer und Königlichen Commissar steht frei, der Deputation seine Ansicht über den zu berathenden Gegenstand schriftlich vorzulegen. § 127. Berathungen der Kammern können nur bei der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der durch die Verfassung bestimmten Zahl der Mitglieder Statt finden. § 128. Beschlüsse können von der ersten Kammer nur, wenn mindestens die Hälfte, und von der zweiten nur, wenn mindestens zwei Drittheile der verfassungsmäßigen Zahl der Mitglieder in der Sitzung anwesend sind, gefaßt werden. Bei der Abstimmung hat jedes Mitglied, auch der Präsident, eine Stimme. Die Beschlüsse werden, außer §. 92. 103. und 152. bestimmten Fällen, nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt. Wenn Gleichheit der Stimmen eintritt, so ist die Sache in einer folgenden Sitzung wieder zum Vortrage zu bringen. Würde auch in dieser Sitzung eine Stimmenmehrheit nicht erlangt, so giebt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag. Ist der Gegenstand der Berathung ein solcher, wo blos ein Gutachten der Stände zu

§ 130. Die von einer Kammer an die andere gebrachten Anträge, Gesetzentwürfe und Erklärungen können ersterer mit Verbesserungsvorschlägen, welche durch eine Deputation erörtert werden müssen, zurückgegeben werden. § 131. Können sich beide Kammern, in Folge der ersten Berathung, über den betreffenden Gegenstand nicht sogleich vereinigen, so haben sie aus ihrem beiderseitigen Mittel eine gemeinschaftliche Deputation zu ernennen, welche unter den beiden Vorständen der Kammern über die Vereinigung der getheilten Meinungen zu berathschlagen hat, und deren Mitglieder hierauf das Resultat ihrer Verhandlung den Kammern zu anderweiter Berathung vorzutragen haben. Dafern sich dieselben auch dann nicht vereinigen, so treten bei Gesetzgebungsund Bewilligungs-Gegenständen die §. 128. enthaltenen Vorschriften ein. Bei blosen Berathungs-Gegenständen aber wird alsdann von jeder Kammer eine durch ihren Vorstand, im Namen derselben, unterzeichnete

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S ACHSEN besondere Schrift bei der obersten Staatsbehörde eingereicht.29

zu besorgen, ist eine besondere verantwortliche Deputation zu ernennen.

§ 132. Die Anträge und Beschlüsse, über welche beide Kammern sich vereinigt haben, werden in eine gemeinschaftliche ständische Schrift zusammengefaßt, welche, von den Vorständen beider Kammern im Namen der Ständeversammlung unterzeichnet, bei der obersten Staatsbehörde eingereicht wird.30

§ 137. Die nähern Bestimmungen über den Landtag und den Geschäftsbetrieb bei selbigem enthält die Landtagsordnung.

§ 133. Nur die oberste Staatsbehörde ist zur Communication zwischen der Regierung und den Ständen bestimmt; auch die einzelnen Kammern stehen nur mit dieser Staatsbehörde in unmittelbarer Geschäftsbeziehung.

§ 138. Der Thronfolger hat bei dem Antritte der Regierung, in Gegenwart des Gesammt-Ministerii und der beiden Präsidenten der letzten Ständeversammlung, bei seinem Fürstlichen Worte zu versprechen, daß er die Verfassung des Landes, wie sie zwischen dem Könige und den Ständen verabschiedet worden ist, in allen ihren Bestimmungen während seiner Regierung beobachten, aufrecht erhalten und beschützen wolle. Ein Gleiches ist auch von dem Regierungsverweser (§. 9.) zu bewirken. Die hierüber zu ertheilende Urkunde, wovon ein Abdruck in die Gesetzsammlung aufgenommen wird, ist den beiden Präsidenten der Kammern auszuhändigen, welche sie der nächsten Ständeversammlung zu übergeben und immittelst im ständischen Archive beizulegen haben.

§ 134. Die Mitglieder des Ministerii und die Königlichen Commissarien haben den Zutritt zu den Sitzungen der Kammern, können an den Discussionen Antheil nehmen und haben das Recht, zu verlangen, nach Schlusse derselben nochmals gehört zu werden, treten aber, wenn, soviel die Commissarien betrifft, diese nicht selbst Mitglieder der Kammer sind, bei der Abstimmung ab. Nach ihrem Abtritte darf die Discussion nicht von Neuem aufgenommen werden.31 § 135. Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich. Sie werden geheim auf den Antrag der Königlichen Commissarien bei Eröffnungen, für welche sie die Geheimhaltung nöthig achten, und auf das Begehren von drei Mitgliedern, denen, nach dem Abtritte der Zuhörer, wenigstens ein Viertheil der Mitglieder der Kammer über die Nothwendigkeit der geheimen Berathung beitreten muß. § 136. Die über die Verhandlungen in den Kammern aufgenommenen Protocolle werden durch den Druck bekannt gemacht, wenn nicht die Geheimhaltung in einzelnen Fällen durch die Kammer beschlossen wird. Um die Redaction in angemessener Weise

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ACHTER ABSCHNITT Gewähr der Verfassung

§ 139. Der Unterthanen-Eid und der Eid der Civil-Staatsdiener und der Geistlichen aller christlichen Confessionen ist, nächst dem Versprechen der Treue und des Gehorsams gegen den König und die Gesetze des Landes, auch auf die Beobachtung der Landesverfassung zu richten. § 140. Die Stände haben das Recht, Beschwerden über die durch die Königlichen Ministerien oder andere Staatsbehörden geschehene Verletzung der Verfassung in einem gemeinschaftlichen Antrage an den König zu bringen.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN (1831) Dieser wird den Beschwerden sofort abhelfen, oder, wenn ein Zweifel dabei obwaltet, selbige, nach der Natur des Gegenstandes, durch die oberste Staatsbehörde, oder die oberste Justizstelle erörtern lassen. Wird die Erörterung der obersten Staatsbehörde übertragen, so hat diese ihr Gutachten dem Könige zur Entscheidung vorzulegen; wird selbige aber an die oberste Justizstelle verwiesen, so hat letztere zugleich die Sache zu entscheiden. Der Erfolg wird in beiden Fällen den Ständen eröffnet. § 141. Die Stände haben insbesondere auch das Recht, die Vorstände der Ministerien, welche sich einer Verletzung der Verfassung schuldig machen, förmlich anzuklagen. Finden sie sich durch ihre Pflichten aufgefordert, eine solche Anklage zu erheben, so sind die Anklagepunkte bestimmt zu bezeichnen, und in jeder Kammer durch eine besondere Deputation zu prüfen. Vereinigen sich hierauf beide Kammern in ihren Beschlüssen über die Anklage, so bringen sie dieselbe, mit ihren Belegen, an den nachstehend §. 142. bezeichneten Staatsgerichtshof. § 142. Zum gerichtlichen Schutze der Verfassung wird ein Staatsgerichtshof begründet. Diese Behörde erkennt über Handlungen der Vorstände der Ministerien, welche auf den Umsturz der Verfassung gerichtet sind, oder die Verletzung einzelner Punkte der Verfassung betreffen. Uiberdies kann auch noch in den §. 83. und 153. bemerkten Fällen an selbige der Recurs genommen werden. § 143. Der Staatsgerichtshof besteht aus einem Präsidenten, welcher von dem Könige aus den ersten Vorständen der höhern Gerichte ernannt wird, und aus zwölf Richtern, wovon der König sechs aus den Mitgliedern jener Gerichte, und jede Kammer drei, nebst zwei Stellvertretern, außerhalb

der Mitte der Ständeversammlung wählt. Unter den von den Ständen gewählten Mitgliedern müssen mindestens zwei Rechtsgelehrte seyn, welche auch, mit Vorbehalt der Einwilligung des Königs, aus den Staatsdienern gewählt werden können. Die Stelle des Präsidenten vertritt im Verhinderungsfalle der erste der vom Könige bestellten Richter. Die Ernennung der Mitglieder erfolgt für die Periode von einem ordentlichen Landtage zum andern, und zwar jederzeit am Schlusse desselben. Im Falle einer Vertagung des Landtags oder der Auflösung der zweiten Kammer bleibt der am Schlusse des vorigen ordentlichen Landtags bestellte Gerichtshof bis wieder zum Schlusse der nächsten Ständeversammlung fortbestehen.32 § 144. Der Präsident und sämmtliche Richter werden für diesen ihren Beruf besonders verpflichtet, und im Bezug auf selbigen ihres Unterthanen- und sonstigen Diensteides entbunden. Weder der König noch die Stände können die Ernennung der Mitglieder während der Zeit, auf welche sie ernannt sind, zurücknehmen. Nimmt jedoch ein von den Ständen gewählter Richter ein Staatsamt an, so hört er dadurch auf, Mitglied des Staatsgerichtshofs zu seyn, kann aber von der betreffenden Kammer sofort wieder gewählt werden. § 145. Das Gericht versammelt sich auf Einberufung durch den Präsidenten, welche von diesem sogleich geschehen muß, wenn er dazu einen von dem Vorstande des Justiz-Ministerii contrasignirten Befehl des Königs, oder eine von den Präsidenten beider Kammern unterzeichnete Aufforderung, mit Angabe des Gegenstandes, erhält. Die Function des Gerichts hört auf, wenn der Proceß geendigt ist. Der Präsident hat für die Vollziehung der

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S ACHSEN Beschlüsse zu sorgen und im Falle eines Anstands das Gericht wieder zu versammeln. § 146. Der Präsident bestellt, zu Leitung der vom Staatsgerichtshofe zu führenden Untersuchung, ein vom Könige ernanntes und ein rechtskundiges, von den Ständen gewähltes Mitglied. Zu jeder hauptsächlichen Entscheidung werden von sämmtlichen Mitgliedern, mit Einschlusse des Präsidenten, nach Stimmenmehrheit zwei Referenten gewählt. Ist der erste Referent ein vom Könige ernanntes Mitglied, so muß der Correferent ein von den Ständen gewähltes seyn, und umgekehrt. Im Falle der Stimmengleichheit bei dieser Wahl entscheidet die Stimme des Präsidenten. § 147. Bei jedem Beschlusse muß eine gleiche Anzahl vom Könige bestellter und von den Ständen gewählter Mitglieder anwesend seyn. Sollte durch Zufall eine Ungleichheit der Zahl eintreten, welche nicht sogleich durch anderweite Ernennung, oder durch Eintritt eines Stellvertreters gehoben werden kann, so tritt das letzte Mitglied von der überzählenden Seite aus; doch darf die Zahl der Richter nie unter zehn seyn. Dem Präsidenten steht, außer den §. 146. und 153. bemerkten Fällen, keine Stimme zu. Im Falle der Stimmengleichheit entscheidet die für den Angeklagten günstigere Meinung. Die Acten des Staatsgerichtshofs werden durch den Druck bekannt gemacht. § 148. Das Strafbefugniß des Staatsgerichtshofs erstreckt sich nur auf ausdrückliche Mißbilligung des Verfahrens oder Entfernung vom Amte. Wenn selbiger die in seiner Competenz liegende Strafe erkannt hat, ohne eine weitere ausdrücklich auszuschließen, so bleibt

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nicht nur dem ordentlichen Richter vorbehalten, gegen den Verurtheilten ein weiteres Verfahren von Amtswegen eintreten zu lassen, sondern der Staatsgerichtshof hat auch diesem Richter von dem Ausgange der verhandelten Anklage Nachricht zu geben. § 149. Gegen den Ausspruch des Staatsgerichtshofs findet keine Appellation, wohl aber die Berufung auf ein anderweites Erkenntniß Statt. In diesem Falle sind zwei andere Mitglieder als Referent und Correferent dergestalt zu wählen, daß, wenn bei dem ersten Erkenntnisse der Referent ein vom Könige bestelltes Mitglied war, der nunmehrige Referent ein von den Ständen gewähltes seyn muß, und umgekehrt. Auch ist zu einem solchenanderweiten Verspruche der Gerichtshof noch um zwei Mitglieder zu vermehren und daher Königlicher Seits noch ein Mitglied eines höhern Gerichts außerordentlich zuzuordnen, ständischer Seits aber einer der nach §. 143. vorher bestimmten Stellvertreter einzuberufen. § 150. Der König wird nicht nur die Untersuchung niemals hemmen, sondern auch das ihm zustehende Begnadigungsrecht nie dahin ausdehnen, daß ein von dem Staatsgerichtshofe in die Entfernung vom Amte verurtheilter Staatsdiener in seiner bisherigen Stelle gelassen, oder in einem andern Justiz- oder Staatsverwaltungs-Amte angestellt werde, dafern nicht in Rücksicht der Wiederanstellung das Erkenntniß einen ausdrücklichen Vorbehalt zu Gunsten des Verurtheilten enthält. § 151. Die Resignation des Angeklagten hat auf das gegen ihn eingeleitete Verfahren und den Urtheilsspruch keinen Einfluß. § 152. Anträge auf Abänderungen oder Erläuterungen in den Bestimmungen der Verfassungsurkunde, oder auf Zusätze zu derselben, können sowohl von dem Könige an die Stände, als von den Ständen an den König gebracht werden.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN (1831) Zu einem gültigen Beschlusse in dieser Angelegenheit wird die Uibereinstimmung beider Kammern, und in jeder Kammer die Anwesenheit von drei Viertheilen der verfassungsmäßigen Zahl der Mitglieder, sowie eine Stimmenmehrheit von zwei Drittheilen der Anwesenden erfordert; auch kann von den Ständen ein solcher Antrag nicht eher an den König gebracht werden, als bis in zwei ordentlichen, unmittelbar auf einander folgenden Ständeversammlungen deshalb übereinstimmende Beschlüsse gefaßt worden sind. Bei dem ersten nach Publication der Verfassungsurkunde zu haltenden Landtage kann aber eine Abänderung oder Erläuterung der Verfassung, oder ein Zusatz zu selbiger in der Ständeversammlung weder beantragt, noch beschlossen werden. § 153. Wenn über die Auslegung einzelner Punkte der Verfassungsurkunde Zweifel entsteht, und derselbe nicht durch Uibereinkunft zwischen der Regierung und den Ständen beseitigt werden kann, so sollen die für und wider streitenden Gründe sowohl von Seiten der Regierung, als der Stände, dem Staatsgerichtshofe zur Entscheidung vorgelegt werden. Zu diesem Behufe ist von jedem Theile eine Deduction dem Gerichtshofe zu übergeben, solche gegenseitig mitzutheilen und in einer zweiten Schrift zu beantworten, so daß jedem Theile zwei Schriften freistehen. Bei der Entscheidung giebt im Falle der Stimmengleichheit die Stimme des Präsidenten den Ausschlag. Der hierauf ertheilte Ausspruch soll als authentische Interpretation angesehen und befolgt werden. § 154. Alle Gesetze, Verordnungen und Observanzen, welche mit einer ausdrücklichen Bestimmung der gegenwärtigen Verfassungsurkunde im Widerspruche stehen, sind insoweit ungültig. Indem Wir die vorstehenden Bestimmun-

gen für das Staatsgrundgesetz Unseres Königreichs hiermit erklären, ertheilen Wir zugleich, bei Unserm Fürstlichen Worte, die Versicherung, daß Wir nicht nur die darin enthaltenen Zusagen selbst genau erfüllen, sondern auch diese Verfassung gegen alle Eingriffe und Verletzungen kräftigst schützen wollen. Zu dessen Urkund haben Wir gegenwärtiges Staatsgrundgesetz eigenhändig unterschrieben und mit Unserm Königlichen Siegel versehen lassen. So geschehen und gegeben zu Dresden, am Vierten September, im Jahre nach Christi, Unsers Erlösers und Seligmachers Geburt, Ein Tausend Acht Hundert und Ein und Dreißig. Anton. Friedrich August, H. z. S. (L. S.) Gottlob Adolf Ernst Nostitz und Jänckendorf. D. Johann Daniel Merbach

I Verzeichniß sämmtlicher Königl. Schlösser und Gebäude in Dresden, Pillnitz, Moritzburg, Sedlitz und Hubertusburg, die für Se. Majestät, die Königl. Familie und den Hof-Etat gebraucht werden. 1.) Das Residenzschloß. 2.) Das Ehrhardsche Haus. 3.) Das Kühnsche Haus. 4.) Das Gerrische Haus. 5.) Die Hofapotheke nebst dem Backhause. 6.) Das Königl. Palais. 7.) Die zum Königl. Palais gezogenen Häuser auf der kleinen Brüdergasse. 8.) Die Königl. Waschhäuser und Trockenplätze.

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S ACHSEN 9.) Das Brühlsche Palais nebst Garten und Eisgrube. 10.) Der Gondelschuppen an der Elbe. 11.) Die Herzogl. Gartengebäude nebst Vermachung. 12.) Die Patientenburg. 13.) Das ehemalige Rossische Haus. 14.) Die Schloßkalkhütte im Orangengarten. 15.) Die Hofbauschreiberei und Vorrathsgebäude. 16.) Der Vorrathsschuppen hinter dem katholischen Schulgebäude. 17.) Die Hofmauerpolirer-Wohnung. 18.) Die Hofzimmerpolirer-Wohnung. 19.) Das Interims-Spritzenhaus nebst der Feuergeräths-Gehülfen-Wohnung. 20.) Der Vorrathsschuppen in der Ostraallee. 21.) Der Hofzimmerhof. 22.) Das Rüstkammergebäude. 23.) Das Gebäude des Orangengartens, oder die sogenannten Zwingergebäude. 24.) Das Japanische Palais nebst Garten. 25.) Das Große Opernhaus nebst Seitengebäuden. 26.) Die Königl. Theatergebäude. 27.) Das theatralische Malergebäude auf der Ostraallee. 28.) Das Löwenhaus nebst dem Stalle. 29.) Das Reißigen-Stallgebäude. 30.) Das Klostergebäude. 31.) Die neuen Ställe in der Ostraallee. 32.) Die Pferdeställe und Wagenschuppen im Kloster, Italienischen Dörfchen, in Neustadt und an der Brühlschen Terasse. 33.) Die Stallamtswiesen. 34.) Die Langebrücker-Wiese. 35.) Die gesammten Schloßgebäude nebst Gärten in Moritzburg. 36.) Die gesammten Schloßgebäude nebst Garten-Anlagen und sonstigen Zubehör in Pillnitz. 37.) Das Schloßgebäude und Lustgarten in Sedlitz. 38). Das Palais im großen Garten.

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39.) Das Schloß zu Hubertusburg nebst Zubehör. 1

Ediert nach Gesetzsammlung für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1831, 40. Stück, Dresden, S. 241– 276. Die Verfassung wurde am 4. September 1831 unterzeichnet und verkündet. Bis zu diesem Zeitpunkt galt die altständische Verfassung (vgl. dazu insbes. C. d. von Witzleben, Die Entstehung der constitutionellen Verfassung des Königreichs Sachsen, Leipzig 1881, S. 32–64). Ihr ging ein Entwurf vom 1. März 1831 voraus. Für weiterführende Angaben vgl. Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 76–83; Rolf Stober, Quellen zur Entstehungsgeschichte der Sächsischen Verfassung, Dresden 1993; C. D. von Witzleben, Die Entstehung der constitutionellen Verfassung des Königreichs Sachsen, Leipzig 1881, insbes. S. 178 ff. 2 Die §§ 63–75 wurden durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4ten September“ vom 15. November 1848 aufgehoben und durch neue Vorschriften ersetzt (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 3 Die §§ 63–75 wurden durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 aufgehoben und durch neue Vorschriften ersetzt (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 4 Die §§ 63–75 wurden durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 aufgehoben und durch neue Vorschriften ersetzt (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 5 Die §§ 63–75 wurden durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 aufgehoben und durch neue Vorschriften ersetzt (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 6 Die §§ 63–75 wurden durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 aufgehoben und durch neue Vorschriften ersetzt (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 7 Die §§ 63–75 wurden durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. Novem-

V ERFASSUNG VON S ACHSEN (1831) ber 1848 aufgehoben und durch neue Vorschriften ersetzt (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 8 Die §§ 63–75 wurden durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 aufgehoben und durch neue Vorschriften ersetzt (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 9 Die §§ 63–75 wurden durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 aufgehoben und durch neue Vorschriften ersetzt (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 10 Die §§ 63–75 wurden durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 aufgehoben und durch neue Vorschriften ersetzt (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 11 Die §§ 63–75 wurden durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 aufgehoben und durch neue Vorschriften ersetzt (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 12 Die §§ 63–75 wurden durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 aufgehoben und durch neue Vorschriften ersetzt (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 13 Die §§ 63–75 wurden durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 aufgehoben und durch neue Vorschriften ersetzt (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 14 Die §§ 63–75 wurden durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 aufgehoben und durch neue Vorschriften ersetzt (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 15 § 81 wurde durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 geändert (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Kö-

nigreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 16 § 85 wurde durch das „Gesetz über das Recht der Kammern zu Gesetzvorschlägen“ vom 31. März 1849 geändert (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1849, No. 31, Dresden, S. 58–60). Siehe unter „Zweite Revision von 1849“. 17 § 90 wurde durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 geändert, (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 18 § 91 wurde durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 geändert, (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 19 § 92 wurde aufgehoben durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848, (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 20 § 101 wurde durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 geändert, (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 21 § 103 wurde durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 geändert, (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 22 § 107 wurde durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 geändert, (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 23 § 109 wurde durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 geändert, (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“.

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S ACHSEN 24

§ 116 wurde durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 geändert, (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 25 § 118 wurde durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 geändert, (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 26 § 120 wurde durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 geändert, (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 27 § 128 wurde durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 geändert, (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 28 § 129 wurde aufgehoben durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November

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1848, (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 29 § 131 wurde durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 geändert, (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 30 § 132 wurde durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“ vom 15. November 1848 geändert, (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 31 Ergänzt durch das „Gesetz, das Abtreten der Minister und Königlichen Commissare bei den Abstimmungen in den ständischen Kammern betreffend“ vom 19. Juni 1846 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1846, No. 27, Dresden, S. 64). Siehe unter „Revision von 1846“. 32 § 143 wurde durch das „Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831“vom 15. November 1848 geändert, (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226). Siehe unter „Erste Revision von 1848“.

Revision von 1846 Gesetz, das Abtreten der Minister und Königlichen Commissare bei den Abstimmungen in den ständischen Kammern betreffend; vom 19ten Juni 18461

Friedrich August, von Gottes Gnaden König von Sachsen etc. etc. etc. Die § 134 der Verfassungsurkunde vom 4ten September 1831 enthaltene Bestimmung, daß die Mitglieder des Ministerii und die Königlichen Commissarien, wenn, soviel die Commissarien betrifft, diese nicht selbst Mitglieder der betreffenden Kammer der Ständeversammlung sind, bei der Abstimmung abtreten, ist in jene Urkunde aus dem am 1sten März 1831 den damaligen Ständen vorgelegten, auf Oeffentlichkeit der Kammerverhandlungen nicht gerichteten ersten Entwurfe dazu übergegangen, obwohl nachmals bei der Berathung dieses Entwurfs die Oeffentlichkeit der Kammersitzungen beschlossen und § 135 der Verfassungsurkunde ausgesprochen worden ist. In Erwägung nun, daß durch letztere

Vorschrift die erstgedachte Bestimmung in der Allgemeinheit, wie sie der angezogene § 134 enthält, ihre Bedeutung verliert, haben Wir mit Zustimmung Unserer getreuen Stände beschlossen und verordnen, daß das gedachte Abtreten nur noch bei den Abstimmungen durch Namensaufruf in geheimer Sitzung stattzufinden habe. Zu dessen Urkunde haben Wir dieses Gesetz eigenhändig vollzogen und Unser Königliches Siegel beidrucken lassen. Gegeben zu Dresden, am 19ten Juni 1846. Friedrich August. (L.S.) Johann Paul von Falkenstein.

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Ediert nach Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1846, No. 27, Dresden, S. 64.

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Revision von 1848 Provisorisches Gesetz wegen einiger Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4ten September 1831; vom 15ten November 18481

Wir, Friedrich August, von Gottes Gnaden König von Sachsen etc. etc. etc. haben mit den getreuen Ständen die nachbemerkten, durch das neue Wahlgesetz nöthig wordenen und sonst zweckmäßig erschienenen Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4ten September 1831 vereinbart:

§I Die §§ 63 bis mit 76 werden aufgehoben und es treten folgende Paragraphen an deren Stelle: § 63. Mitglieder der ersten Kammer. Die erste Kammer besteht außer den volljährigen Prinzen des Königlichen Hauses, deren jedesmaliges Erscheinen von ihrem Willen abhängt, aus Funfzig Abgeordneten, welche aus den § 64 gedachten Wahlbezirken dergestalt gewählt werden, daß je drei zusammengeschlagene Bezirke zwei Abgeordnete zu wählen haben. § 64. Mitglieder der zweiten Kammer. Die zweite Kammer besteht aus Fünf und Siebenzig Abgeordneten, Behufs deren Wahl das Königreich Sachsen in eben so viel Wahlbezirke getheilt wird, von welchen jeder einen Abgeordneten zu ernennen hat. § 65. Stimmberechtigung bei der Wahl der Abgeordneten zur zweiten Kammer.

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Stimmberechtigt bei der Wahl der Abgeordneten zur zweiten Kammer ist, ohne Unterschied der Religion und des Glaubensbekenntnisses, jeder männliche volljährige und selbstständige Staatsangehörige und zwar innerhalb derjenigen Gemeinde des Königreichs Sachsen, in welcher er seinen wesentlichen Wohnsitz hat, insofern ihm nicht einer der § 66 angegebenen Ausschließungsgründe entgegensteht. Im Sinne dieses Gesetzes sind selbstständig in Städten Bürger und Schutzverwandte, auf dem Lande Angesessene und Hausgenossen, und sämmtliche der Armee Angehörigen. Die der Armee Angehörigen üben ihr Stimmrecht in den Gemeinden ihres Aufenthaltsorts aus. Die nach § 20 unter 4 und 5 der Landgemeindeordnung einem Gemeindebezirke an sich nicht angehörigen Rittergüter oder andere zur Gemeinde in gleichem Verhältnisse stehenden Güter werden in Bezug auf die Wahlberechtigung ihrer Bewohner ein für allemal derjenigen Landgemeinde oder einer der Landgemeinden zugetheilt, deren Heimathsbezirk sie angehören. § 66. Hindernisse der Stimmberechtigung. Ausgeschlossen von der Stimmberechtigung sind a) diejenigen, welche unter Curatel stehen, b) Almosenempfänger, c) diejenigen, zu deren Vermögen ein

R EVISION VON 1848 Schuldenwesen entstanden ist, es mag dasselbe zum förmlichen Concurs gediehen, oder der Weg der außergerichtlichen Erledigung eingeschlagen worden sein, so lange nicht ihre Gläubiger vollständige Befriedigung erhalten zu haben erklären, d) alle von öffentlichen Aemtern entsetzte und von der juristischen Praxis removirte Personen, ingleichen die suspendirten, so lange die Suspension dauert, e) diejenigen, welche wegen solcher Vergehen, die nach allgemeinen Begriffen für entehrend zu achten, vor Gericht gestanden haben und schuldig befunden worden sind. § 67. Wählbarkeit zum Abgeordneten in die zweite Kammer. Zu Abgeordneten in die zweite Kammer wählbar sind ohne Unterschied der Religion und des Glaubensbekenntnisses alle männliche Staatsangehörige des Königsreichs Sachsen, a) welchen einer der § 66 gedachten Ausschließungsgründe nicht entgegensteht, b) welche nicht im ausländischen activen Dienste stehen, und c) welche ein Alter von dreißig Jahren haben. § 68. Stimmberechtigung bei den Wahlen zur ersten Kammer. Zur Stimmberechtigung bei den Wahlen für die erste Kammer hat zu den Erfordernissen §§ 65 und 66 noch hinzuzutreten, daß der Wählende in hiesigen Landen mit Grundbesitz ansässig sei. § 69. Wählbarkeit zum Abgeordneten in die erste Kammer. In die erste Kammer wählbar sind diejenigen § 67 Bezeichneten, welche wenigstens Zehn Thaler ____ jährlich an ordentlichen directen Steuern entrichten. § 70. Erneuerung der Wahlen zur zweiten Kammer. Die Wahlen der Abgeordneten für die

zweite Kammer sind zu jedem ordentlichen Landtage zu erneuern. § 71. Erneuerung Wahlen zur ersten Kammer. Die Erneuerung der Wahlen zur ersten Kammer findet für jeden ordentlichen Landtag zur Hälfte Statt. Beim ersten Landtage wird die Hälfte der Abgeordneten, welche zuerst auszutreten hat, durch das Loos bestimmt; später wechseln beide Hälften so, daß diejenige ausscheidet, welche bereits zwei ordentlichen Landtagen beigewohnt hat. § 72. Sonstiges Erlöschen der Eigenschaft als Mitglied der Kammer. Die Mitglieder beider Kammern hören auch früher auf, es zu sein, a) wenn sie die zur Wählbarkeit erforderlichen Eigenschaften verlieren, b) wenn sie während der Dauer ihrer Abgeordnetenfunction im Staatsdienste angestellt oder befördert werden, oder in ein Hofamt treten, c) wenn der König die Kammern auflöst. In den Fällen unter b. und c. können sie jedoch wieder gewählt werden, sowie auch im Falle a. zu solchen Stellen, wozu die verlorene Eigenschaft nicht erforderlich ist. § 73. Wenn die betreffende Kammer nicht etwas Andres beschließt, ist sofort zur Veranstaltung einer neuen Wahl zu verschreiten, wenn ein Abgeordneter a) mit Tode abgeht, b) die zur Wählbarkeit erforderlichen Eigenschaften verliert oder c) während der Dauer seiner Abgeordnetenfunction im Staatsdienste angestellt oder befördert wird, oder in ein Hofamt eintritt, oder d) ihm von der betreffenden Kammer verstattet wird, die Function eines Abgeordneten wieder aufzugeben. § 74. Wenn ein Kammermitglied wegen eines nach § 66 unter e. zu beurtheilenden

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S ACHSEN Vergehens in Untersuchung sich befindet, so kann demselben der Sitz in der Kammer bis nach erfolgter definitiver Freisprechung Seiten der betreffenden Kammer verweigert werden. § 75. Präsidenten der Kammern und deren Stellvertreter. Jede Kammer wählt aus ihrer Mitte einen Präsidenten und zwei Stellvertreter für denselben. Die Wahl erfolgt nach absoluter Stimmenmehrheit. Sollte bei dreimaliger Abstimmung eine solche nicht erreicht werden, so entscheidet bei der letzten Abstimmung die relative Stimmenmehrheit. Ueber die amtliche Stellung und Geschäftsführung der Präsidenten und ihrer Stellvertreter, sowie über die Protocollführung und Leitung der Canzleigeschäfte enthält die Landtagsordnung die näheren Bestimmungen.

§V § 101. fallen die Worte aus: „zum Zwecke einer Vereinigung.“

§ VI § 103. schließt mit den Worten: „eine außerordentliche Ständeversammlung einberufen wird.“

§ VII § 107. UND 118. ist statt „der zweiten Kammer“ zu setzen: „der Kammern.“

§ VIII § II § 81. bleiben die Worte weg: „mit Ausnahme der § 64 in Rücksicht der Herrschaftsbesitzer bemerkten Fälle.“

§ 109. ist nach den Worten: „Uebereinstimmung beider Kammern“ einzuschalten: „und in deren Ermangelung nur durch den nach Stimmenmehrheit der vereinigten Kammern (§ 131) gefaßten Beschluß.“

§ III § 90. beschränkt sich auf den Satz: „Der König kann einen an die Kammern gerichteten Gesetzvorschlag noch während der ständischen Discussion darüber zurücknehmen.“

§ IV § 91. erhält folgende Fassung: „Wenn die Kammern über die Annahme eines Gesetzvorschlags getheilter Meinung sind, so tritt das § 131 vorgeschriebene Verfahren ein.“ und § 92. kommt in Wegfall.

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§ IX § 116. Schluß und Vertagung des Landtags, Auflösung der Kammern. wird folgendergestalt gefaßt: „Der König ordnet den förmlichen Schluß des Landtags an, kann auch denselben vertagen und die Kammern auflösen. Die Vertagung darf nicht über sechs Monate dauern. Die Auflösung trifft immer beide Kammern zugleich. Im Falle der Auflösung soll die Wahl neuer Abgeordneter und die Einberufung des Landtags ebenfalls innerhalb der nächsten sechs Monate erfolgen.“

R EVISION VON 1848

§X § 120. fallen die Worte aus: „Mit Ausnahme derjenigen Mitglieder der ersten Kammer, welche Kraft erblichen Rechts oder als Abgeordnete der Capitel und der Universität auf Landtagen erscheinen.“

§ XIV § 132. ist nach den Worten: „vereinigt haben“ einzuschalten: „oder über welche nach § 131 Beschluß gefaßt worden ist.“

§ XV § XI § 128. fällt die Bezugnahme auf §§ 92 und 103 hinweg.

§ XII § 129. gelangt in Wegfall.

§ XIII § 131. Zusammentritt beider Kammern zur gemeinschaftlichen Berathung und Abstimmung. ändert sich folgendergestalt: „Können beide Kammern, nachdem diejenige Kammer, an welche der betreffende Gegenstand zuerst gelangt ist, über die differenten Ansichten der andern Kammer nochmals berathen hat, sich nicht vereinigen, so treten dann beide noch zu einer gemeinschaftlichen Berathung und Abstimmung zusammen und es wird der Beschluß nach der Mehrheit der vereinigten Stimmen gefaßt. Bei dem Zusammentritte beider Kammern hat der Präsident derjenigen Kammer den Vorsitz, in welcher der Gegenstand zuerst zur Berathung gekommen ist. Jede Kammer bestellt hierzu einen Referenten. Betrifft die Meinungsverschiedenheit nur einen Berathungsgegenstand, so wird von jeder Kammer eine durch ihren Vorstand im Namen derselben unterzeichnete besondere Schrift bei der obersten Staatsbehörde eingereicht.“

§ 143. sind die Worte: „Auflösung der zweiten Kammer“ zu vertauschen mit denen: „Auflösung der Kammern.“ Zu dessen Urkunde haben Wir das gegenwärtige Gesetz eigenhändig vollzogen und Unser Königliches Siegel beidrucken lassen. Gegeben zu Dresden, am 15ten November 1848. Friedrich August. (L S) Martin Oberländer.

DIE NACH §§ II, V, VI, VII, VIII, X, XI, XIV UND XV DES VORSTEHENDEN GESETZES ABGEÄNDERTEN §§ 81, 101, 103, 107, 109, 118, 120, 128, 132 UND 143 DER VERFASSUNGSURKUNDE LAUTEN NUN FOLGENDERGESTALT: § 81. 4) Persönliche Ausübung der ständischen Function. In beiden Kammern können die Mitglieder derselben nur persönlich erscheinen und dürfen Niemanden beauftragen, in ihrem Namen zu stimmen. Die Abgeordneten haben eine Instruction von ihren Committenten nicht anzunehmen, sondern nur ihrer eigenen Ueberzeugung zu folgen.

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S ACHSEN Uebrigens bleibt jedem Migliede überlassen, die an selbiges für die Ständeversammlung gelangenden besondern Anliegen weiter zu befördern und nach Befinden zu bevorworten. § 101. Verfahren, wenn die Kammern über die Bewilligung getheilt sind. Sind die beiden Kammern bei der Abstimmung über die Bewilligung getheilt, so tritt das § 131 vorgeschriebene Verfahren ein. § 103. Verfahren, wenn über die Bewilligung eine Vereinigung mit den Ständen nicht erfolgt. Die von den Ständen nach § 100 an die Regierung gelangenden Anträge und die Gründe, auf welchen sie beruhen, werden auf das reiflichste erwogen, auch, soweit es nur immer mit dem Staatswohle vereinbar ist, jederzeit berücksichtigt werden. In dem Falle aber, daß sie unannehmbar befunden würden, die Stände hingegen, auf deshalb ihnen geschehene Eröffnung und anderweite Berathung, die Bewilligung in der verlangten Maaße wiederholt ablehnen wollten, läßt der König die Auflagen für den Staatsbedarf, insofern sie nicht ausdrücklich nur für einen vorübergehenden bereits erreichten Zweck bestimmt sind, nach Ablauf der Bewilligungszeit durch die oberste Staatsbehörde, mittelst einer in die Gesetzsammlung aufzunehmenden Verordnung, noch auf ein Jahr ausschreiben und forterheben. In dem zu erlassenden Ausschreiben wird der besondern Natur desselben gedacht und Beziehung auf diesen Paragraph der Verfassungsurkunde genommen. Ein solches verlängertes Ausschreiben kann jedoch nur auf ein Jahr erlassen werden, weshalb der König längstens sechs Monate vor Ablauf dieser Frist eine außerordentliche Ständeversammlung einberufen wird. § 107. Staatsschuldencasse.

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Zu Verzinsung und Tilgung der Staatsschulden besteht eine besondere Staatsschuldencasse, welche unter die Verwaltung der Stände gestellt ist. Diese Verwaltung wird durch einen ständischen Ausschuß mit Hülfe der von ihm ernannten und vom Könige bestätigten Beamten geführt. Er hat auch bei erfolgender Auflösung der Kammern seine Geschäfte bis zu Eröffnung der neuen Ständeversammlung und erfolgter Wahl eines neuen Ausschusses fortzusetzen. Der Regierung steht vermöge des Oberaufsichtsrechts frei, von dem Zustande der Casse zu jeder Zeit Einsicht zu nehmen. Die Jahresrechnungen über dieselbe werden von der obersten Rechnungsbehörde geprüft, und bei jedem ordentlichen Landtage (§ 115) den Ständen zur Erinnerung und Justification vorgelegt. Nach erfolgter Justification wird das Resultat der Rechnungen im Namen der Stände durch den Druck bekannt gemacht. § 109. 11) Petitionsrecht der Stände. Die Stände haben das Recht, in Bezug auf alle zu ihrem Wirkungskreise gehörige Gegenstände dem Könige ihre gemeinsamen Wünsche und Anträge in der geeigneten Form vorzulegen. Hierzu gehören auch Anträge auf Abstellung wahrgenommener Gebrechen in der Landesverwaltung oder Rechtspflege. Eben so ist jedes einzelne Mitglied der Stände befugt, seine auf dergleichen Gegenstände sich beziehenden Wünsche und Anträge in seiner Kammer vorzubringen. Diese entscheidet, ob und auf welche Weise selbige in nähere Erwägung gezogen werden sollen. Nimmt sie sich in Folge der geschehenen Erörterung der Sache an, so hat sie den Beitritt der andern Kammer zu veranlassen, indem selbige nur in Uebereinstimmung beider Kammern und in deren Ermangelung nur durch den nach Stimmenmehrheit der vereinigten Kammern (§ 131)

R EVISION VON 1848 gefaßten Beschluß an den König gebracht werden kann. § 118. Verbot eigenmächtiger Versammlungen. Eigenmächtig dürfen die Kammern weder sich versammeln, noch nach dem Schlusse oder der Vertagung des Landtags, oder Auflösung der Kammern, versammelt bleiben und berathschlagen. § 120. Tage- und Reisegelder der Stände. Die Stände bekommen, insofern sie nicht an dem Orte, wo der Landtag gehalten wird, beständig wohnen, als Entschädigung für den erforderlichen außerordentlichen Aufwand Tage- und Reisegelder, in der in der Landtagsordnung bestimmten Maaße. § 128. Abstimmung und Beschlußfassung derselben. Beschlüsse können von der ersten Kammer nur, wenn mindestens die Hälfte, und von der zweiten nur, wenn mindestens zwei Drittheile der verfassungsmäßigen Zahl der Mitglieder in der Sitzung anwesend sind, gefaßt werden. Bei der Abstimmung hat jedes Mitglied, auch der Präsident, eine Stimme. Die Beschlüsse werden, außer den § 152 bestimmten Fällen, nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt. Wenn Gleichheit der Stimmen eintritt, so ist die Sache in einer folgenden Sitzung wieder zum Vortrage zu bringen. Würde auch in dieser Sitzung eine Stimmenmehrheit nicht erlangt, so giebt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag. Ist der Gegenstand der Berathung ein solcher, wo blos ein Gutachten der Stände zu eröffnen ist, so kann letzterem auf Verlangen jede abweichende Meinung beigefügt werden.

§ 132. Gemeinschaftliche ständische Schriften. Die Anträge und Beschlüsse, über welche beide Kammern sich vereinigt haben, oder über welche nach § 131 Beschluß gefaßt worden ist, werden in eine gemeinschaftliche ständische Schrift zusammengefaßt, welche, von den Vorständen beider Kammern im Namen der Ständeversammlung unterzeichnet, bei der obersten Staatsbehörde eingereicht wird. § 143. Dessen Organisation. Der Staatsgerichtshof besteht aus einem Präsidenten, welcher von dem Könige aus den ersten Vorständen der höheren Gerichte ernannt wird, und aus zwölf Richtern, wovon der König sechs aus den Mitgliedern jener Gerichte, und jede Kammer drei, nebst zwei Stellvertretern, außerhalb der Mitte der Ständeversammlung, wählt. Unter den von den Ständen gewählten Mitgliedern müssen mindestens zwei Rechtsgelehrte sein, welche auch, mit Vorbehalt der Einwilligung des Königs, aus den Staatsdienern gewählt werden können. Die Stelle des Präsidenten vertritt im Verhinderungsfalle der erste der vom Könige bestellten Richter. Die Ernennung der Mitglieder erfolgt für die Periode von einem ordentlichen Landtage zum andern, und zwar jederzeit am Schlusse desselben. Im Falle einer Vertagung des Landtags oder der Auflösung der Kammern bleibt der am Schlusse des vorigen ordentlichen Landtags bestellte Gerichtshof bis wieder zum Schlusse der nächsten Ständeversammlung fortbestehen.

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Ediert nach Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1848, 29. Stück, No. 83, Dresden, S. 219–226.

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Erste Revision von 1849 Gesetz, die Abänderung der §§ 85 und 120 der Verfassungsurkunde betreffend; vom 31sten März 18491

Wir, Friedrich August, von Gottes Gnaden König von Sachsen etc. etc. etc.

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haben mit Zustimmung der Kammern des Königreichs beschlossen und verordnen wie folgt:

§ 120. Tage- und Reisegelder der Kammermitglieder Die Mitglieder der Volksvertretung bekommen als Entschädigung für den erforderlichen außerordentlichen Aufwand Reise- und Tagegelder nach den näheren Bestimmungen der Geschäftsordnung. Zu dessen Urkund haben Wir das gegenwärtige Gesetz eigenhändig vollzogen und Unser Königliches Siegel beidrucken lassen. Gegeben zu Dresden, am 31sten März 1849.

§ 1. Die §§ 85 und 120 der Verfassungsurkunde vom 4ten September 1831 sind aufgehoben. § 2. An ihre Stelle treten folgende Bestimmungen:

I § 85. 8) Wirksamkeit der Kammern in der Gesetzgebung Gesetzentwürfe können von dem Könige an die Kammern und von den Kammern an den König gebracht werden. Die Kammern können aber auch auf Vorlage neuer Gesetze, so wie auf Abänderung oder Aufhebung bestehender, antragen. Jedem Gesetzentwurfe sind Motiven beizufügen.

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Friedrich August. (LS) D. Christian Albert Weinlig.

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Ediert nach Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1849, No. 30, 9. Stück, Dresden, S. 57–58.

Zweite Revision von 1849 Gesetz über das Recht der Kammern zu Gesetzvorschlägen; vom 31sten März 18491

Wir, Friedrich August, von Gottes Gnaden König von Sachsen etc. etc. etc. haben, in weiterem Verfolg der unter heutigem Tage verfügten Abänderung des § 85 der Verfassungsurkunde, im Einverständnisse mit den Kammern des Königreichs, Folgendes beschlossen und verordnen demnach: § 1. Jeder Abgeordnete hat das Recht, in der Kammer, zu welcher er gehört, Gesetzentwürfe einzubringen. Ein Abgeordneter, welcher die Absicht hat, den Entwurf zu einem Gesetze vorzulegen, hat davon der Kammer, und zwar auf dieselbe Weise, wie wenn er einen nach Abschnitt XIII der Geschäftsordnung zu behandelnden Antrag stellen wollte, Mittheilung zu machen, den Gegenstand und Zweck, sowie die Hauptgrundsätze des Gesetzes darzulegen und die Genehmigung der Kammer zur Vorlegung des Entwurfs zu beantragen. § 2. Die Kammer hat darauf zuvörderst über die Frage, ob sie zur Vorlegung des Gesetzentwurfs über den bezeichneten Gegenstand ihre Zustimmung ertheilen wolle, Beschluß zu fassen. Auch hierbei ist ganz so zu verfahren, wie nach der Geschäftsordnung in Bezug auf die Behandlung von Anträgen der Kammermitglieder vorgeschrieben ist. § 3. Ist in Gemäßheit eines Kammerbeschlusses die im vorigen Paragraphen erwähnte Zustimmung ausgesprochen, so hat derjenige Abgeordnete, von welchem der

Vorschlag ausgegangen ist, den angekündigten Gesetzentwurf in übersichtlicher und bestimmter Fassung und mit Motiven versehen vorzulegen. Nachdem diese Vorlage erfolgt und der Kammer angezeigt ist, werden dergleichen Gesetzentwürfe ganz so behandelt, wie wegen der vom Könige an die Kammern gelangten Gesetzvorlagen durch die Verfassungsurkunde und Geschäftsordnung bestimmt ist. Sind jedoch derartige Gesetzentwürfe ausnahmsweise nicht unmittelbar nach ihrer Einbringung gedruckt und vertheilt worden, so ist alsbald, und jedenfalls noch vor der Berichtserstattung darüber durch einen Ausschuß, dem Gesammtministerium eine Abschrift davon zuzustellen, auch eine gleiche Abschrift zum Gebrauche der Kammermitglieder in der Canzlei der betreffenden Kammer auszulegen. Vergl. § 161 der Geschäftsordnung. § 4. Wenn einer der beiden Kammern über irgend einen Gegenstand bereits ein Gesetzentwurf vorliegt, er mag nun vom Könige ausgegangen, oder von Mitgliedern der betreffenden Kammer eingebracht worden sein, so kann in der andern Kammer über den nämlichen Gegenstand nicht eher verhandelt werden, als bis die Kammer, welche zuerst mit der Sache sich beschäftigt hat, Beschluß darüber gefaßt und diese Beschlußfassung in der gewöhnlichen Weise der andern Kammer mitgetheilt hat. Eben so wenig kann aber auch, wenn ei-

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S ACHSEN ner Kammer bereits ein vom Könige ausgegangener Gesetzentwurf vorliegt, in derselben Kammer ein den Gegenstand dieses Gesetzentwurfs betreffender Gesetzvorschlag von Kammermitgliedern eingebracht, noch ein selbstständiger Antrag gleichen Inhalts vor der Verhandlung über den Gesetzentwurf selbst, zum Zwecke hauptsächlicher Beschlußfassung in Berathung gezogen werden. § 5. Eine jede Kammer hat das Recht, einen in der andern Kammer von Mitgliedern derselben eingebrachten Gesetzentwurf abzulehnen, auch ohne eine Berathung der einzelnen Bestimmungen desselben vorzunehmen. § 6. Wird ein von Kammermitgliedern eingebrachter Gesetzentwurf von derjenigen Kammer, in welcher er zunächst vorgeschlagen worden ist, verworfen, so kann er in der andern Kammer nur unter der Voraussetzung zur Berathung kommen, wenn ein Mitglied dieser Kammer die Zustimmung der letztern zur Vorlage des Entwurfs in der § 1 und 2 bezeichneten Weise nachgesucht und erhalten hat. § 7. Soll ein Gesetzentwurf mit dem Antrage auf Genehmigung und Publication desselben an den König gelangen, so ist dazu die Uebereinstimmung beider Kammern erforderlich, daher nöthigenfalls, und also bei Anfangs getheilter Meinung darüber, nach § XIII des Gesetzes vom 15ten November 1848 zu verfahren. Ist bei dem Zusammentritte beider Kammern zur gemeinschaftlichen Beschlußfassung bestimmt worden, daß dem Könige ein Gesetzentwurf zur Genehmigung und Publication überreicht werden soll, so muß in dem § 5 erwähnten Falle diejenige Kammer,

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welche den Gesetzentwurf ohne specielle Berathung Anfangs abgelehnt hatte, diese Berathung erst noch vornehmen, ehe die Uebergabe des Gesetzes an den König erfolgen kann, so daß also nach Befinden auch noch ein zweiter Zusammentritt der Kammern zur Vereinbarung über die einzelnen Bestimmungen des Gesetzes erforderlich werden kann. § 8. Gesetzvorschläge der Kammern, denen die Genehmigung des Königs versagt worden ist, können während des nämlichen Landtags in keiner der beiden Kammern unverändert wiederholt werden. § 9. Will der König einen von den Kammern ausgegangenen Gesetzentwurf nur mit Abänderungen genehmigen, so sind diese Abänderungen von der Regierung den Kammern noch während des nämlichen Landtags mitzutheilen und es steht dann den letztern frei, den Gesetzentwurf entweder ganz zurückzunehmen oder die Abänderungen zu genehmigen, oder auch den Gesetzentwurf mit Widerlegungsgründen in der vorigen Maaße, ebenfalls noch während des nämlichen Landtags, dem Könige zu unveränderter Genehmigung oder Ablehnung zu überreichen. Urkundlich haben Wir dieses Gesetz eigenhändig unterschrieben und das Königliche Siegel beidrucken lassen. Dresden, den 31sten März 1849. Friedrich August. (L S) D. Christian Albert Weinlig.

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Ediert nach Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1849, No. 31, Dresden, S. 58–60.

Verfassung von Sachsen-Altenburg (1831)

Grundgesetz für das Herzogthum Sachsen-Altenburg vom 29sten April 18311

Wir Friedrich, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein etc. etc. entbieten allen Unsern getreuen Unterthanen Unsern gnädigsten Gruß und fügen zu wissen: Wir haben Uns bewogen gefunden, Unserm Herzogthum ein Grundgesetz zu verleihen, und verordnen demnach, nach erfolgtem Beirath Unserer getreuen Landschaft und mit deren Zustimmung, wie nachsteht:

GRUNDGESETZ FÜR DAS HERZOGTHUM SACHSENALTENBURG Erste Abtheilung Von dem Herzogthume, dem Landesherrn und dem herzoglichen Hause

I. Abschnitt Herzogthum § 1. Das Herzogthum Sachsen-Altenburg bildet in seinen, durch die Theilungsverträge im Gesammthause Sachsen bis jetzt bestimmten und durch künftige Verträge in solchem oder mit fremden Staaten noch zu

bestimmenden einzelnen Bestandtheilen ein staatsrechtliches, zur Theilnahme an einer und derselben Verfassung vereinigtes Ganzes. § 2. Von dem hierunter begriffenen staatsrechtlichen Gebiete kann kein Theil veräußert werden. Bei vorkommenden Erbtheilungen im Gesammthause Sachsen finden jedoch die Grundsätze des Gesammthauses Anwendung. Wenn zur Ausgleichung mit den Nachbarstaaten wegen bestehender Grenzstreitigkeiten, Hoheits- und anderer Irrungen ein Austausch kleinerer Gebietstheile sich als räthlich oder unvermeidlich darstellt und dabei Abtretung von Wohnsitzen mit Unterthanen oder von Domanialeigenthum beabsichtigt wird, so geht der landesherrlichen Genehmigung eines solchen Vertrags die Vernehmlassung der Landesdeputation voraus. § 3. Der jetzige Bestand des Landes, der Domänen und Schlösser – (mit Ausnahme der vom jetzigen Regenten oder dessen Nachfolgern aus Schatullmitteln etwa geschehenen oder künftig geschehenden Anschaffungen) –, erbt ungeschmälert in der Staatserbfolge der Herzoglichen Speziallinie Sachsen-Altenburg fort. Unter keinem Vorwande kann jemals ein – nicht erweislich aus solchen Schatullmitteln erworbener – Theil, wenn er auch noch so gering wäre,

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S ACHSEN -A LTENBURG während der Dauer des jetzigen Spezialhauses, zu Gunsten eines Allodialerben gegen den Regierungsnachfolger in Anspruch genommen werden. Eine Schatull- oder Privatbesitzung kann nie der Landeshoheit entzogen werden.

II. Abschnitt Der Landesherr § 4. Der Herzog ist als souveräner Landesherr das Oberhaupt des Staates, vereinigt in sich die gesammte, ungetheilte Staatsgewalt, und übt sie unter den in der Verfassungsurkunde festgesetzten Bestimmungen aus. Seine Person ist heilig und unverletzlich. Er kann den Sitz der Regierung in keinem Falle außerhalb des Staats verlegen. § 5. Nur von dem Herzog, als Staatsoberhaupt, oder mit seiner Zustimmung und in seinem Namen, werden die verfassungsmäßig gegebnen Gesetze bekannt gemacht. § 6. Der Herzog steht an der der Spitze der ganzen Staatsverwaltung, und vertritt den Staat in allen seinen Verhältnissen gegen andere Staaten. § 7. Alle Gerichtsbarkeit und alle Polizeigewalt wird im Namen des Herzogs entweder unmittelbar oder mittelbar ausgeübt und unter seiner landesherrlichen Oberaufsicht verwaltet. § 8. Ohne des Herzogs Bestätigung kann kein Todesurtheil vollzogen werden. Dem Herzog steht das Recht der Begnadigung in Strafsachen zu, welche jedoch die gerichtliche Verfolgung der aus einer Rechtsverletzung herfließenden Privatansprüche niemals ausschließt oder aufhebt. § 9. Vom Herzoge allein können unter den weiter unten, – Abtheilung V. §§. 201– 209. – folgenden näheren Bestimmungen Steuern und Landesabgaben ausgeschrieben werden.

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§ 10. Dem Herzoge steht die ausschließende Verfügung über das Militär zu. Nur mit seiner Zustimmung und in seinem Namen kann eine Bewaffnung der Landeseinwohner angeordnet werden.

III. Abschnitt Verhältniß zum Gesammthause Sachsen und zum deutschen Bund § 11. Der Herzog ist zugleich Mitglied des deutschen Bundes und des Gesammthauses Sachsen. In dieser Beziehung hat er nach den Bundes- und Hausgesetzen Rechte und Pflichten, welche durch die innere Landesgesetzgebung nicht geändert werden können. § 12. Die Beschlüsse der Bundesversammlung, welche die Verhältnisse des deutschen Bundes, der Bundesglieder, und der deutschen Staatsbürger im Allgemeinen betreffen, sind ein Theil des Staatsrechts des Herzogthums Altenburg, und haben in demselben, nach deren Verkündigung durch den Landesherrn, verbindende Kraft. Hierdurch wird jedoch die Mitwirkung der Landstände des Herzogthums in Ansehung der Aufbringung der Mittel zur Erfüllung der Bundesverbindlichkeiten, insoweit dieselbe verfassungsmäßig begründet ist (§. 204.), nicht ausgeschlossen.

IV. Abschnitt Nachfolger in der Regierung § 13. Die Nachfolge in der Regierung des Herzogthums ist, vermöge der Primogeniturordnung vom 24. Juni 1703 und der letztwilligen Verordnung vom 11. Januar 1705, erblich in der geraden leiblichen und gesetzmäßigen Nachkommenschaft des jetzt regierenden Herzogs vom Mannsstamme, nach den Grundgesetzen des Erstgeburtsrechts und der Linealordnung; – dergestalt, daß beim Erlöschen der regierenden Linie jederzeit der nächsten Linie und

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) in derselben dem Erstgebornen und dessen männlicher Nachkommenschaft der Vorzug gebührt. Hiernach bestimmt sich in dem Herzoglichen Spezialhause die Staatserbfolge auch bei allen, künftig demselben anfallenden Landen und Besitzungen in allen und jeden Successionsfällen, für welche übrigens die Verträge und das Herkommen in dem Sächsischen Gesammthause der Ernestinischen und der Albertinischen Hauptlinie die Richtschnur geben. Dabei wird zugleich bestimmt, dass eine Uebertragung der Landesschulden von der neuen Erwerbung auf die Herzoglichen Hauptlande nicht ohne landschaftliche Zustimmung erfolgen könne. § 14. Die Regentenhandlungen des Vorfährers sind von dem Landesnachfolger anzuerkennen und zu vertreten, sofern sie ohne Ueberschreitung der verfassungsmäßigen und hausgesetzlichen Befugniß unternommen wurden.

V. Abschnitt Volljährigkeit. Vormundschaft § 15. Der Herzog und sämmtliche Prinzen des Herzoglichen Hauses werden mit dem zurückgelegten 21. Lebensjahre großjährig und beziehungsweise regierungsfähig. Den Prinzen des Hauses kann der regierende Herzog, auf Ansuchen ihres bisherigen, oder hierzu besonders bestellten, Vormundes, die Großjährigkeit ertheilen, wenn sie wenigstens das 18. Jahr ihres Alters erfüllt haben. Der Herzog selbst kann von dem, an Jahren ältesten regierenden Herrn des Sächsischen Gesammthauses aller Linien, nach zurückgelegtem 18. Lebensjahre, unter Zustimmung der bisherigen Vormundschaft und Regentschaft, für großjährig erklärt werden.

§ 16. Während der Minderjährigkeit des Landesnachfolgers wird, im Falle von dem verstorbenen Regenten nicht deshalb besondere Bestimmungen getroffen worden sind, die Vormundschaft und Regentschaft geführt zunächst von der leiblichen Mutter, und, (wenn diese sich nicht mehr am Leben befindet oder anderweit vermählt oder sonst verhindert ist), von dem den Jahren nach ältesten volljährigen Prinzen unter den Agnaten im Herzoglichen Hause, und, wenn ein solcher nicht vorhanden ist, vom ältesten regierenden Herrn im Gesammthause Sachsen, Gothaischer Linie. § 17. Der Vormundschaft steht ein aus mindestens drei Mitgliedern bestehendes Ministerium als Regentschaftsrath zur Seite, welchen dieselbe in allen Regierungsangelegenheiten zu Rathe zu ziehen hat. Wenn in dieser Hinsicht von dem verstorbenen Landesherrn keine Anordnung getroffen ist, so tritt das bisherige Ministerium desselben in den Regentschaftsrath ein. Letzterer führt zugleich die Aufsicht über die Verwaltung der Privateinkünfte und des Privatvermögens des minderjährigen Herzogs und über die Rechnungsführung dabei.

VI. Abschnitt Domanialvermögen. Familienprivatgut. Schatullgut. Civilliste2 § 18. Das jetzige und künftige Domänenvermögen an Gebäuden, Kammergütern, Waldungen, liegenden Gründen, Erbzinsen, Lehngeldern und andern aus der Grundherrlichkeit fließenden Renten Gerechtsamen u.s.w. auch Regalien, ist Eigenthum des Herzoglichen Hauses, und erbt in demselben, nach den Bestimmungen des §. 3. fort. Insofern die Domänen-Verwaltung einen Theil der Finanzverwaltung bildet, ordnet sie sich nach den, in der zweiten Beilage des Grundgesetzes ausgesprochnen Grundsätzen.

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S ACHSEN -A LTENBURG Auf den reinen Ertrag der in die landesherrliche Kammer fließenden gesammten Einkünfte, und der gegenwärtig ihr zugehenden, der landschaftlichen Bewilligung unterliegenden, Kammerhülfe wird die Deckung der Kosten der Hofhaltung des Landesherrn und der Unterhaltung der Herzoglichen Familie verwiesen, wie solche in ihrem Gesammtbetrage, der Civilliste, durch die verfassungsmäßige Verhandlung über den Kammer-Etat festgesetzt werden. § 19. Dem regierenden Herzog steht das Recht zu, innerhalb des Umfangs der Civilliste auf die Dauer seiner Regierung zu bestimmen, in welcher Summe hiervon für den Unterhalt oder die Privatkasse jedes einzelnen selbstständigen Familienglieds ein gewisser jährlicher Betrag ausgeschieden werden soll. Er ist hierbei nur an diejenigen Rücksichten gebunden, welche die Natur der Sache in Hinsicht auf das Verhältniß der Zahl der zu berücksichtigenden Familienglieder zum Gesammtaufwande des Herzoglichen Hauses erheischt. Apanagen, die der Vorfahrer den Agnaten des neuen Regenten in Gemäsheit des eben gedachten Grundsatzes ausgesetzt hat, können von dem Letztern nicht gemindert werden. § 20. Das Herzogliche Haus besitzt als Privat-Eigenthum Fideikommißkapitalien, namentlich das Josephinische Fideikommiß. In Ansehung des Stammes und der Benutzung dieser Kapitalien bestehen besondere Vorschriften, welche unabhängig sind von einer zuwiderlaufenden Verfügung des jeweiligen Nutznießers. § 21. Hiervon verschieden, bildet Dasjenige, was der regierende Herzog aus dem Gesammtbetrage der Civilliste für seine Person, oder als Nutznießer der ebengenannten Fideikommiß-Kapitalien, bezieht, oder was er sonst außer der Staatserbfolge, durch Erbschaft, Testament oder auf irgend eine

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andere Weise nach privatrechtlichen Titeln erwirbt, die Herzoglichen Schatull-Einkünfte und das Schatullgut. §. 22. Die Schatull-Einkünfte und das Schatullgut stehen unter der unbeschränkten Disposition des Souveräns und werden nach privatrechtlichen Grundsätzen beurtheilt. Privatschulden des Landesherrn können nur gegen die Herzogliche Schatulle – nicht also auch gegen das Fideikommiß – geltend gemacht werden; und der Regierungsnachfolger ist für solche nur in soweit verbindlich, als das von dem Vorgänger erworbene und von ihm hinterlassene Schatullvermögen reicht. Auch durch Testamente, Schenkungen und Vermächtnisse kann nur über das Schatullgut gültig verfügt werden. In Ermangelung einer letztwilligen Verfügung findet in das zurückgelassene Schatullvermögen des Regenten die Intestat-Erbfolge nach deren landesgesetzlicher Bestimmung statt.

VII. Abschnitt Gemahlin des Landesherrn § 23. Die Gemahlin des Herzogs führt den Titel und das Wappen ihres Gemahls. Sie hat den Rang vor allen übrigen Gliedern der Familie, unmittelbar nach dem Regenten. Die Einkünfte derselben an Zinsen von der Morgengabe, an Nadelgeldern und Renten des Paraphernalvermögens werden durch den Inhalt der Ehepakten bestimmt. Die Nadelgelder machen einen Theil der Civilliste des Herzoglichen Hauses aus. § 24. Der Betrag und die Verhältnisse des Witthums der Gemahlin des Herzogs, sowie der Wittwensitz wird ebenfalls zunächst durch den Inhalt der Ehepakten bestimmt. Das Witthum kommt mit dem Eintritte des Falls in diesem vertragsmäßig festgesetzten Betrage ohne Weiteres in der Civilliste des Herzoglichen Hauses in Ansatz.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) Zu dessen Sicherstellung bedarf es daher, insofern die ganze Civilliste mit dem übrigen gesammten Kammer-Etat unter landschaftlicher Gewährleistung steht, keiner besondern Anweisung der Renten eines bestimmten Domänen-Grundstücks oder Amtsbezirks. Wegen des eintretenden Witthums kann die bestehende Civilliste nicht ohne landschaftliche Zustimmung erhöht werden, und es ist daher bei Abfassung von Ehepakten hierauf jederzeit Rücksicht zu nehmen.

VIII. Abschnitt Erbprinz. Nachgeborne Prinzen und Prinzessinnen § 25. Das Einkommen des Erbprinzen, und der Bedarf seines Hauses wird jedesmal durch einen besondern Ansatz in der Civilliste festgesetzt (§. 19.). § 26. Die Apanage der nachgebornen Söhne des regierenden Herrn unterliegt keiner bestimmten hausgesetzlichen Norm, indem in Gemäsheit der Primogeniturordnung jedem regierenden Herrn freisteht, dieselbe je nach der Zahl seiner Söhne und dem Stande der Finanzverhältnisse des herzoglichen Hauses, ohne Rücksicht auf frühere Beispiele, nach väterlichem Ermessen festzustellen, so hoch, als die Umstände es zulassen oder gebieten. Da die Apanagen in der Gesammt-Summe der Civilliste mit begriffen werden, so kann der jedesmalige Stand von einer Finanzperiode (§. 203) zur andern nicht erhöht werden, und jede Erhöhung, insofern dadurch die Civilliste überhaupt erhöht wird, ist von landschaftlicher Zustimmung abhängig. Künftig bewilligte Apanagen können nur mit Zustimmung des Regenten außerhalb des Herzogthums verzehrt werden. § 27. So lange der Vater am Leben ist, führt in der Regel kein nachgeborner Prinz, der nicht – (sey es durch Annahme ei-

nes auswärtigen Dienstverhältnisses oder sonst) – eigene hinreichende Einkünfte erworben hat, eine besondere Hofhaltung außer in dem Fall seiner Vermählung. § 28. Kein Prinz und keine Prinzessin des Hauses kann ohne Genehmigung des regierenden Herrn zu einer Vermählung schreiten. Alle von den Prinzen und Prinzessinnen des Herzoglichen Hauses geschlossenen Eheverträge sind nichtig, wenn sie die Bestätigung des regierenden Herzogs nicht erhalten haben. Eine, ohne dessen förmliche Einwilligung geschlossene Ehe eines Mitglieds des Herzoglichen Hauses hat daher in Beziehung auf Stand, Titel und Wappen desselben keine rechtliche Wirkung. Eben so wenig können daraus auf StaatsErbfolge, Apanage, Aussteuer, Witthum Ansprüche gemacht werden. Die aus solcher Ehe erzeugten Kinder oder deren Mutter haben während des Prinzen Leben nur eine Alimentation aus dessen eignem Vermögen zu fordern. Im Falle derselbe ohne Testament stirbt, bekommen die hinterlassenen Kinder mit ihrer Mutter zusammen den sechsten, oder den vierten Erbantheil an dem Privatvermögen, je nachdem der Verstorbene auch legitime Kinder einer andern Ehe hinterläßt, oder nicht hinterläßt. § 29. Wenn sich ein apanagirter Prinz mit Genehmigung des regierenden Herzogs vermählt, wird ihm ein Schloß oder ein Haus, so gut es vorhanden ist, zur Bewohnung übergeben. Dessen erste Herstellung in brauchbaren Stand an Dach und Mauern und übrigen Eingebäuden erfolgt aus Kammermitteln, auf welche auch jeder, wegen der Festigkeit, Sicherheit und allgemeinen Brauchbarkeit des Gebäudes unumgänglich erforderliche Erhaltungsaufwand verwiesen bleibt. Alle, zur weitern innern Einrichtung oder zur Verschönerung und Verzierung dienli-

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S ACHSEN -A LTENBURG chen Herstellungen hat der apanagirte Prinz aus eignen Mitteln bewirken zu lassen und zu unterhalten. § 30. Wenn ein apanagirter Prinz ohne Hinterlassung von männlichen gesetzmäßigen Leibeserben stirbt, so geht dessen Apanage zunächst auf dessen Linie über. Im Falle in den Ehepakten die Einzahlung eines Heirathsgutes, und, zu Gunsten des Herzoglichen Hauses, Verzicht auf dessen Rückfall bedungen und zugestanden worden ist, so erhält die fürstliche Wittwe eines apanagirten Prinzen auf ihre Lebenszeit oder bis zu einer anderweiten Vermählung die eine Hälfte der Apanage ihres Gemahls als Leibgeding oder Witthum; die andere Hälfte dient zum Unterhalt der vorhandenen Prinzen und Prinzessinnen. Ist ein apanagirter Herr ohne männliche Leibeserben verstorben, so soll die ihm ausgesetzte Apanage nach dem Ableben seiner Wittwe und seiner unverheiratheten Prinzessinnen Töchter auf die aus seiner Speciallinie abstammenden Prinzen, so lange einer in derselben vorhanden ist, forterben; sie fällt dagegen an den regierenden Herrn zurück, wenn in dieser Speciallinie der Mannsstamm ganz erloschen ist, ohne sodann den übrigen Apanagirten aus andern Speciallinien zuzuwachsen. Eben dasselbe tritt ein, wenn ein apanagirter Prinz unverheirathet oder kinderlos und ohne Hinterlassung einer fürstlichen Wittwe stirbt. § 31. Wenn dem Herzoglichen Hause durch Erbfälle ein ansehnlicher Landesoder sonstiger Vermögens-Zuwachs zu Theil würde, so ist der, vermöge des Erstgeburtsrechts in dessen Besitz kommende regierende Herr verbunden, den eben vorhandenen apanagirten Prinzen eine Zulage der gesammten Apanagegelder nach Verhältniß des Zuwachses, welcher der Civilliste überhaupt aus der neuen Erwerbung zu Theil wird, zu verwilligen. § 32. Die unvermählten Prinzessinnen

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des regierenden Herrn genießen bis zum Tode ihrer Eltern freie Wohnung und freien Lebensunterhalt in der Familie und Hofhaltung ihres Vaters oder ihrer Mutter. Zu ihren persönlichen Ausgaben für Garderobe, Geschenke, milde Gaben und dergl. wird ihnen unter der Civilliste des Herzoglichen Hauses ein angemessenes Nadelgeld vom Zeitpunkt ihrer völlig beendigten Erziehung an ausgesetzt. Nach ihrer Eltern Ableben ist der Landesnachfolger verbunden, den volljährigen Prinzessinnen des verstorbenen Herzogs auf Verlangen eine Wohnungseinrichtung in einem besondern Theile des Herzoglichen Residenzschlosses oder sonst eine anständige freie Wohnung im Lande zu gewähren, und zu einem eignen Haushalte, einer jeden Prinzessin den dritten Theil desjenigen Apanagebetrags auf die Civilliste anzuweisen, welcher zur Zeit des Falles von den im gleichen Verwandtschafts-Grad zum Regenten stehenden Prinzen bezogen wird. § 33. Die Prinzessinnen des Hauses, sie seyen Töchter des regierenden Herrn, des erstgebornen oder eines nachgebornen Prinzen, erhalten bei ihrer Vermählung eine den jedesmaligen finanziellen Verhältnissen des Herzoglichen Hauses angemessene Ausstattung durch Heirathtsgut und Aussteuer, wozu eine besondere Bewilligung von Seiten der Landstände in Anspruch zu nehmen ist. Dagegen stellt jede Prinzessin bei Vollziehung der Ehepakten eine Entsagungsurkunde aus, wodurch sie zum Besten des männlichen Stammes des Herzoglichen Hauses auf Apanagen, auf alle jetzigen und künftigen Besitzthümer des Herzoglichen Hauses, ingleichen auf alle liegende und fahrende, bewegliche oder unbewegliche Güter, nichts davon ausgenommen, die von Fürstenthümern, Landen oder Herrschaften des Gesammthauses Sachsen aller Linien herrühren, förmlich und eidlich Verzicht leistet.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831)

IX. Abschnitt Privatrechtliche Verhältnisse § 34. Die Glieder des Herzoglichen Hauses sind bei Verfügungen über ihr Privatvermögen an die Beobachtung der durch die Landesgesetze vorgezeichneten Formen und Vorschriften gebunden; und durch die Landesgesetze überhaupt wird auch die Erbfolge in dasselbe bestimmt. § 35. Alle aus Eigenthums- und Vertragsverhältnissen herrührende, das Eigenthum und Vermögen betreffende Klagen gegen ein Glied des Herzoglichen Hauses werden bei dem Landes-Justiz-Kollegium angebracht. Es muß jedoch dem Regenten vorher durch Einreichung einer Abschrift der beabsichtigten Klage davon Kunde gegeben werden, damit von Demselben zuvörderst ein Versuch zu gütlicher Hinlegung der Sache gemacht werden kann. Für alle andere persönliche gerichtliche Angelegenheiten der Prinzen und Prinzessinnen des Hauses, bestimmt der Regent, nach den jedesmaligen Umständen des Falls das zu beobachtende Verfahren und die Art und Weise der Entscheidung, nach vorgängigem Vortrage in einem Familienrathe, welcher aus dem Herzoge, und den anwesenden volljährigen unbetheiligten Prinzen, unter Zuziehung der Glieder des Ministeriums und der ersten Hofämter, besteht.

X. Abschnitt Verantwortlichkeit bei Regierungshandlungen § 36. Der Landesherr selbst ist im Lande über alle äußere persönliche Verantwortung für seine Regierungshandlungen erhaben. Er übt dieselben unter Verantwortlichkeit seines aus mehreren Räthen bestehenden

Ministeriums. Zu dem Ende muß eine jede vom Landesherrn und mit dessen Namensunterschrift ausgehende Verfügung in Regierungssachen die Gegenzeichnung (Kontrasignatur) eines Mitgliedes des Ministeriums erhalten, zum Beweise, daß hierüber pflichtmäßiger Vortrag im Geheimen Rathe gehalten und die Gesetzmäßigkeit des Beschlusses erwogen worden ist. § 37. Die Verantwortlichkeit für jede gesetzwidrige Verfügung haftet zunächst auf Demjenigen, von welchem sie ausgegangen ist; Befehle einer höhern Behörde, selbst des Landesherrn, decken solche nur dann, wenn sie in gehöriger Form von dem zuständigen (kompetenten) Obern ausgegangen sind, wodurch dann dieser verantwortlich wird. Die Klage gegen höhere Staatsbeamten wegen verfassungswidrig ertheilter oder gegengezeichneter (kontrasignirter) Befehle kann, wenn nicht auf die von dem unmittelbar Betheiligten bei den Behörden und zuletzt bei dem Landesherrn geschehenen Schritte, die ihn benachtheiligende Verfügung zurückgenommen, oder demselben der daraus etwa bereits entstandene erweisliche Schade ersetzt worden ist, von der Landschaft erhoben werden; jedoch ist vor deren Erhebung umständliche Anzeige der Beschwerdepunkte beim Landesherrn zu machen und eine Erörterung im Verwaltungsweg zu veranlassen (§. 216.). Führt letztere nicht zum Zweck einer sachgemäßen Schadlostellung, so tritt der Rechtsweg vor dem Oberappellationsgericht nach den, nunmehr auch für das Herzogthum SachsenAltenburg Kraft erlangenden Bestimmungen des §. 39. der Oberappellationsgerichtsordnung ein.

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Zweite Abtheilung Allgemeine Rechte und Pflichten der Unterthanen

I. Abschnitt Unterthanschaft und Staatsbürgerrecht § 38. Alle unter dem Rechtsschutze der Herzoglichen Staatsgewalt vereinigte Bewohner des Herzogthums Altenburg sind, vermöge einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Unterwerfung, als Unterthanen (Staatsangehörige) anzusehen und stehen zur Staatsgewalt und dem Lande, entweder, als Landesunterthanen, in einem andauernden, oder, als zeitige Unterthanen, in einem vorübergehenden Verhältniß (§. 94.). § 39. Wenn ein Landes-Unterthan im Gebiet des Herzogthums ein eignes Hauswesen gründet, oder einem solchen durch Ehe und älterliche Gewalt angehört, so hat er als Inländer und Einwohner alle persönliche und dingliche Rechte und Pflichten eines Landesunterthan sowohl für seine und seiner Angehörigen Person, als auch für sein Vermögen. Wenn aber Jemand im Herzogthum nur Grundstücke erwirbt und demselben persönlich-fremd bleibt, so ist er als ausländischer Grundbesitzer (Eingesessener, Forenser im weitern Sinn) (§. 91.) anzusehen. § 40. Mit der Landesunterthanschaft ist das Staatsbürgerrecht aufs Engste verknüpft. Es gewährt dem damit Berechtigten außer dem Rechtsschutz noch besondere staatsrechtliche, persönliche Vorzüge (§. 81.). § 41. Zur Begründung der Landesunterthanschaft genügt das Heimathsrecht (Wohnrecht, Indigenat) im Herzogthum, welches erlangt wird: a) durch die Geburt von einer Mutter, welche in stehender Ehe mit einem altenburgischen Unterthan lebt, oder (im Fall einer

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außerehelichen Geburt) welche sich im Unterthanverband befindet. – In beiden Fällen macht es keinen Unterschied, ob die Geburt im Lande oder während eines zeitigen Aufenthalts der Mutter im Auslande erfolgt. – Die Heimathsbestimmungen der im Auslande von einer Inländerin, und im Inlande von einer Ausländerin gebornen Kinder ordnen sich nach besondern Staatsverabredungen. b) Durch eine den Landesgesetzen gemäße Verheirathung einer Ausländerin mit einem Landesunterthan, c) durch Verleihung eines Staats-, Kirchen- oder Schulamtes, durch Eintritt in den Militärdienst und definitive Anstellung im Hofdienst; d) durch Aufnahme in eine Gemeinde des Landes und e) durch Beleihung mit einem Rittergute. Über die Einbürgerung der Heimathslosen entscheiden die mit mehrern Bundesstaaten abgeschlossenen oder noch zu verabredenden Verträge (§. 98.). § 42. Zur Aufnahme in den Staatsverband des Herzogthums Altenburg ist das Bekenntniß der christlichen Religion erforderlich; die besondere Confession erwirkt keine Verschiedenheit der politischen und bürgerlichen Rechte. Die Aufnahme selbst geschieht von den Gemeinden unter Aufsicht der Landesregierung in den gesetzlichen Formen. § 43. Die Rechte eines Landesunterthan gehen verloren: a) durch Verheirathung einer Inländerin mit einem Ausländer; b) durch das Eintreten in einen fremden Staats-, Hof- oder Militärdienst, in ein fremdes Kirchen- und Schulamt; c) durch Auswanderung (§. 69.). In beiden letztern Fällen kann das Unterthanverhältniß fortbestehen, wenn um diese Vergünstigung beim Landesherrn ausdrücklich gebeten und sie ertheilt wird.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831)

II. Abschnitt Rechte der Landes-Unterthanen, die zugleich Landes-Einwohner sind § 44. Jeder altenburgische Landesunterthan, der zugleich Landes-Einwohner (§. 39.) ist, hat ohne Rücksicht auf Stand und Geburt gleiche Anwartschaft zu den im Grundgsetz enthaltenen staatsbürgerlichen Rechten (§. 81.). Eben so bestimmen sich die mit der Landesunterthan- und Einwohnerschaft verbundenen allgemeinen Rechte und Pflichten nach dem gegenwärtigen Grundgesetz, ohne weitern Einfluß des Standes oder der Geburt. Rechte der inländischen Landesunterthanen sind, – nächst der persönlichen Glaubens- und Gewissensfreiheit (§. 129.) – vorzüglich folgende: 1. Rechtsschutz § 45. Kein Landes-Unterthan, der zugleich Landes-Einwohner ist, soll in bürgerlichen oder peinlichen Rechtssachen, außer den, gesetzlich im Voraus bestimmten Fällen, seinem ordentlichen Richter entzogen, oder nach fremden Gesetzen, wenn er sich diesen nicht selbst unterworfen hat, gerichtet werden. Es darf daher in peinlichen Rechtssachen keine Auslieferung oder auch nur Stellung an ausländische Gerichte geschehen, es sey denn in Folge von Staatsverträgen und der Gegenseitigkeit, namentlich bei nothwendigen Gegenüberstellungen (Konfrontationen) und bei geringern Vergehungen (als Forstfrevel und dergleichen). Dem Oberrichter steht es frei, Rechtssachen, die seiner Gerichtsbarkeit zustehen, zur Erleichterung, einer Unterbehörde auftragsweise zu übertragen; oder unter besondern Umständen – (z.B. bei Verwandtschaft des Richters mit der Parthei, und dergleichen) – Rechtssachen an ein anderes Untergericht zu verweisen. Die Staatsregierung ist befugt, außer-

ordentliche Kriminal-Gerichte, ingleichen (auch für solche Personen, die nicht dem Militär angehören) Stand-Gerichte in Fällen offener Empörung oder doch eines thätigen Anstrebens gegen die Staatsgewalt ohne Weiteres niederzusetzen. Sollten andere, die öffentliche Sicherheit oder Wohlfahrt wesentlich gefährdende, aber minder dringende Verhältnisse obwalten, so erfordert die Anordnung von besondern Kriminalgerichten die vorherige Zustimmung der Landes-Deputation. In beiden Fällen müssen die Kriminalrichter mit dem Richtereid belegt seyn. § 46. Das richterliche Verfahren und Urtheil innerhalb seiner gesetzlichen Form und Wirksamkeit ist selbstständig und unabhängig von jedem willkührlichen Einflusse der Staatsregierung. Wohl aber ist es, dessen unbeschadet, deren Pflicht, auf schnelle, unpartheiische und minder-kostspielige Rechtspflege zu sehen und hierzu, vermöge der Aufsichtsund Disciplinargewalt, hinzuwirken. Jeder vom Staate angestellte oder in einer Stadtgemeinde erwählte und von der Staatsregierung bestätigte (§. 121.) Beamte einer Richterbehörde – (er habe den Richtereid oder den Eid als wirklicher Aktuarius geleistet) – ist als auf lebenslang angestellt zu betrachten, und kann ohne richterlichen Spruch nicht entsetzt, noch gegen seinen Willen, ohne gleichen Gehalt und Dienststand, auch Vergütung der Umzugskosten, auf eine andere Stelle versetzt werden. (s. auch §. 83.) In Ansehung der Patrimonialgerichte soll künftig der Bedacht auf die Vereinigung mehrerer Gerichte zu einem Gerichtsamt, unter Fixirung der Gerichtsbeamten und deren ebenmäßiger lebenslänglicher Anstellung, gerichtet werden. Ueber Kompetenzzweifel zwischen Justiz- und Verwaltungsbehörden entscheidet die höchste Stelle.

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S ACHSEN -A LTENBURG § 47. Keinem neuen Gesetz darf rückwirkende Kraft beigelegt werden. Jedem Definitv-Urtheile müssen Entscheidungsgründe beigefügt werden. § 48. Dem Landesherrn ist das Recht der Strafmilderung und der gänzlichen Begnadigung zuständig (§. 8.), nicht aber die Befugniß einer Erhöhung oder Erschwerung der durch Richterspruch zuerkannten Strafe. Sollte bei einem Richterspruch ein Kriminalgesetz übersehen oder sachwidrig angewendet worden seyn, so kann, entweder auf den Antrag der Landes-Justiz-Behörde oder nach deren eingeholtem Gutachten, der Fiskal zur Revisions-Einleitung aufgerufen werden. Die Strafe allgemeiner Vermögenskonfiskation findet, unbeschadet der Bestimmungen §. 55., nicht mehr Statt und ist durch andere Strafarten zu ersetzen. §. 49. Sämmtliche Staats- und herrschaftliche Kassen haben den Landesunterthanen vor dem Justizkollegium Recht zu geben. Jeder gegen sie zu erhebenden Klage muß jedoch eine Erörterung im Verwaltungswege und eine, entweder der höchsten Stelle, oder, (insofern die Klage eine Unterkasse betrifft), der vorgesetzen Landesbehörde derselben zu überreichende geschichtliche Darlegung der Klagbegründung in Beschwerdeform vorausgehen. § 50. Die Gemeinden (Kommunen) bedürfen zur Eröffnung eines Prozesses der besondern Erlaubniß der Landesregierung, welche dieserhalb eine kürzliche Sacherörterung vorausgehen läßt (§. 125.).

nes verübten Verbrechens, oder sonst aus gesetzmäßigen Rücksichten. Er muß schon Tags nach seiner Verhaftung, oder doch sobald es nur immer die vorher erforderliche Feststellung des Thatbestandes zuläßt, verhört und von dem Grund seiner Freiheitsberaubung in Kenntniß gesetzt werden. Bleibt er länger als dreimal 24 Stunden ohne Verhör in Haft, so unterliegt der Richter für jeden nicht gerechtfertigten Tag der Verzögerung der Sachsenbuße. § 52. Die Gefangenen sollen glimpflich behandelt, und Geständnisse durch Zwangsmaßregeln nicht erpreßt werden. Nur halsstarrige Verweigerung der schuldigen Antwort und überwiesene Lügen unterliegen der gesetzlichen Ahndung. § 53. Alle die Freiheit der Person oder des Eigenthums beschränkende Zwangsverhältnisse, welche dem erhöhten Kulturzustande des Landes nicht mehr entsprechen – (wie Frohnden und Dienste, dem Land- oder Waldbau hinderliche Dienstbarkeiten, Zehnten, Bier- und Mahlzwangsrechte ) – sollen nach Maasgabe der hierüber zu erlassenden Gesetze abgelöst oder gegen angemessene Entschädigung aufgehoben werden können; – wiewohl unbeschadet der dem Staate und dessen Oberhaupt oder den Gemeinden von den Unterthanen oder Ortsbürgern (Nachbarn) zu gewährenden Leistungen (Landesfrohnen, Einquartierungen, Spannfuhren, Leistungen an Kirchen und Schulen, Straße- und Wegearbeiten und dergleichen). 3. Sicherheit des Eigenthums

2. Freiheit der Person. Gesetzliche Entfernung von PrivatZwangsverhältnissen für Person und Eigenthum § 51. Kein Landesunterthan darf verhaftet werden, als in Folge des, durch Thatgründe sich rechtfertigenden Verdachts ei-

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§ 54. Der Staat sorgt für die Sicherheit des Privat-Eigenthums. Für Staats- oder Kommunalzwecke kann Privat-Eigenthum nur dann in Anspruch genommen werden, wenn diese Zwecke wesentlich sind; und es muß in solchem Falle eine angemessene Entschädigung für den Verlust bewil-

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) ligt werden. Eine solche Verpflichtung zu Aufgabe von Privat-Eigenthum findet beispielsweise Statt, bei Anlegung oder Erweiterung von Kunst- und Landstraßen, und von Vicinal- und Kommunikationswegen; bei Erweiterung eines Flußbetts oder starken Bachs; bei Anlegung von Erddurchstichen zur Erlangung einer geraden Wasserströmung; bei Erweiterung der Städte, Dörfer und öffentlichen Gebäude; bei Herstellung eines geraden Straßenzugs in den Städten; bei Anlegung von Marktplätzen; insbesondere bei Wiederherstellung zerstörter Gebäude. – Ueber die von dem Eigenthümer im Zweifel gezogne Nothwendigkeit einer Abtretung hat die Landesregierung zu entscheiden, mit alleinigem Vorbehalt der Berufung an den Landesherrn. Wenn über den Betrag der Entschädigung keine gesetzliche Bestimmung vorliegt, so wird diese ermittelt durch eine auf den Grund des muthmaaslichen gewöhnlichen Kaufwerths zu bewirkende Abschätzung von drei Sachverständigen. Zu diesen ernennt der Eigenthümer, der Fiskus (oder bezüglich die Ortsgemeinde), und die betreffende Gerichts-Behörde je Einen; alle drei Abschätzer werden vor dem Beginn ihres Geschäftes beeidigt. § 55. Die Staatsregierung ist berechtigt, solche Gegenstände des Privat-Eigentums, deren Besitz, Anwendung oder ungehinderter Vertrieb (Cirkulation) wegen obwaltender besonderer Umstände dem Staatswohl nachtheilig werden könnte, entweder ganz oder für einige Zeit durch polizeiliche Verordnungen dem gemeinen Besitz und Verkehr zu entziehen. So kann die Abforderung von Waffen eintreten, im Fall ein die öffentliche Sicherheit bedrohender Mißbrauch derselben erfolgt oder dringend zu befürchten ist, so die Abforderung und Vernichtung angesteckter und ansteckungsfähiger Gegenstände im Fall einer drohenden Epidemie.

Jeder Unterthan ist alsdann verbunden, die vor Erlaß der Verordnung besessenen Gegenstände solcher Art gegen Entschädigung, die nachher in seine Hände kommenden aber ohne solche abzuliefern. Eben so sind fiskalische und polizeiliche Konfiskationen, letztere insonderheit nach den Verordnungen des Markt- oder Innungsrechts (namentlich bei Verfälschung von Verkaufsgegenständen, z.B. Wein, Bier) nicht aufgehoben. 4. Freies Verfügungsrecht über das Vermögen § 56. Jeder Landesunterthan kann, sobald er volljährig ist, (§. 82.) und nicht unter Vermögens-Vormundschaft steht, den Gesetzen gemäs, frei über sein Vermögen verfügen. Insbesondere ist die Uebertragung des Grundeigenthums an Ausländer unbeschränkt, ohne jedoch für die Person des Erwerbers ein Recht zur Aufnahme als Landesunterthan zu erwirken. § 57. Der Landesunterthan kann auch ferner im Auslande Besitzungen haben und erwerben, sobald nicht eine persönliche Ansässigkeit damit verknüpft ist. Wäre dies, so ist die ausdrückliche landesherrliche Erlaubniß erforderlich. 5. Freie Erwerbsbefugniß § 58. Jeder altenburgische Landesunterhan, der zugleich Inländer ist, hat die freie Erwerbsbefugniß, oder das Recht, seine körperlichen und geistigen Kräfte zu Erlangung seines Fortkommens so zu verwenden, daß er die bestehenden Gesetze und Polizei-Verordnungen, ingleichen die Privatgerechtsame Anderer dabei genau beachtet. Insbesondere setzt die Betreibung zünftiger Gewerbe, deren genügende Erlernung und die Verfolgung der Innungsvorschriften voraus.

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S ACHSEN -A LTENBURG § 59. Monopole (ausschließliche Privilegien) sollen künftig nicht mehr ertheilt oder wieder erneuert werden. Zur Belohnung neuer Erfindungen oder wesentlicher Vervollkommnungen älterer Erfindungen können Patente auf mehrere Jahre ertheilt werden, welche dem Erfinder das ausschließliche Recht zur Benutzung seiner Erfindung für diese Zeit gewähren. § 60. Eben so ist der Landesunterthan berechtiget, auch an ausländischen Handlungs-Etablissements, Fabriken und dergleichen Theil zu nehmen. Doch entbindet ihn dies nicht von seinen dießseitigen Unterthanspflichten (§. 43. 57.). 6. Anwartschaft auf Staats-, Kirchenund Schulämter § 61. Kein altenburgischer Landesunterthan ist durch seine Geburt oder seinen Stand von der Anwartschaft auf Staatsund andere öffentliche, ingleichen auf die Kirchen- und Schulämter ausgeschlossen; jeder Anstellung muß jedoch eine ordnungsmäßige Prüfung der Kenntnisse und Ermittelung der sonstigen Fähigkeit vorausgehen. Bei gleicher Tüchtigkeit werden Inländer vorzugsweise berücksichtigt. Der Landesherr ernennt und bestätigt alle Staatsdiener, insofern er solches nicht den Behörden überlässt. 7. Freie Wahl in der Ausbildung und Theilnahme an den Bildungsanstalten

§ 63. Alle Unterrrichts- und Bildungsanstalten des Landes, wo nicht deren Statuten Beschränkungen vorzeichnen, stehen dieserhalb jedem Landesunterthan offen. 8. Recht zur Verheirathung und Bildung eines Hausstandes § 64. Die Landesunterthanen männlichen Geschlechts können, sobald sie a. die Erlangung einer freiwilligen Unterkunft an einem Orte des Landes, und b. die Befreiung von der Militärpflicht nachgewiesen haben, auch c. nicht in die Klasse der Hülfsbedürftigen gehören, nach zurückgelegtem ein und zwanzigsten Lebensjahre sich mit einer In- oder Ausländerin verheirathen und einen eignen Hausstand gründen. Die Frau erlangt dadurch das Heimathsrecht und die Kinder werden Landeskinder (§. 39.). Dispensationen zur Verehelichung vor zurückgelegtem 21. Lebensjahre können nur dann Statt finden, wenn die oben (a. b. c.) angegebnen Bedingungen erfüllt sind und gleichzeitig die Volljährigkeits-Erklärung (Venia aetatis) nachgesucht und vom Landesherrn ertheilt wird. Wegen der Verheirathung von Hofdienern und Militärpersonen bewendet es ferner bei den ihretwegen bestehenden gesetzlichen Vorschriften. Die Landesunterthanen weiblichen Geschlechts sind an jenes Heirathsalter nicht gebunden, und verlieren nach der Verheirathung mit einem Ausländer das Heimathsrecht. 9. Recht der Beschwerdeführung

§ 62. Der Landesangehörige hat somit auch das Recht, sich zu jedem Stand oder Gewerbe nach freier Wahl zu bestimmen, und sich hierzu im In- oder Auslande auszubilden, wiewohl unter Beobachtung der hierüber, namentlich hinsichtlich der Vorbereitung zum Staatsdienst bestehenden Vorschriften.

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§ 65. Der Landesunterthan ist befugt, über das gesetz- und ordnungswidrige Verfahren einer Behörde oder über Verzögerung einer Entscheidung bei der unmittelbar vorgesetzten Behörde und zuletzt bei dem Herzog schriftliche Beschwerde zu führen. Selbst in dem Falle, daß die Beschwerde

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) ungegründet befunden würde, ist der Beschwerdeführer durch Anführung der Gegengründe zu belehren. Der offenbare Mißbrauch der Beschwerdeführung kann, unbeschadet der Ahndung damit verbundener Schmähungen, Kostengeltung – (aber auch in diesem Falle nicht bei der Kanzlei der höchsten Stelle) – nach sich ziehen. § 66. Beschwerden, welche die Verhältnisse einer Gemeinde angehen, sind zunächst bei der Ortsbehörde, wenn sie nicht gegen diese selbst gerichtet sind, anzubringen und durch dieselbe nach deren Erörterung, wo nöthig, den obern Behörden und zuletzt dem Landesherrn vorzulegen. Wünsche und Anträge der einzelnen Landesunterthanen zu Beförderung des Gesammtwohls einer Gemeinde sind ebenfalls zunächst den Ortsvorstehern zur Erwägung und Berücksichtigung vorzulegen. Wohlgemeinte Vorschläge und Wahrnehmungen zum Beßten des ganzen Landes oder einzelner Theile können unmittelbar an die höchste Stelle gelangen, wo sie jederzeit zur Erwägung gezogen werden; sie können aber auch an die Landschaft gerichtet werden. 10. Recht sich der Druckpresse zu bedienen § 67. Jeder Landesunterthan hat die Befugniß, Thatsachen und Meinungen auf dem Weg des Drucks öffentlich bekannt zu machen; er ist dabei zur Beobachtung der bundesgesetzlichen und inländischen Verfügungen über den Gebrauch der Presse, namentlich zur Vermeidung Dessen verpflichtet, was mit der dem Landesherrn gebührenden Ehrfurcht unvereinbar wäre, was die öffentliche Ruhe im In- oder Auslande, oder die Religiosität und Sittlichkeit gefährden könnte. a) Es sind daher auch künftig Meinungen und Aeußerungen, welche diese Grundlagen des öffentlichen Wohls benachtheiligen,

schon vor dem Druck zu entfernen. b) Beschwerden gegen Zurückweisung vom Druck durch die Censurbehörden gehen an deren vorgesetzte Stelle und zuletzt an das Ministerium. – c) Für die Mittheilung unverbürgter Gerüchte, ingleichen solcher Thatsachen, die nicht dem Gebiete der Geschichte angehören, dauert die Verantwortlichkeit auch nach erfolgtem Abdrucke fort; sie ruht zunächst auf dem Einsender oder Verfasser der Mittheilung oder Druckschrift. Es hat daher jeder inländische Herausgeber oder Verleger einer Zeitung oder Druckschrift nur solche Aufsätze und Mittheilungen aufzunehmen und zum Druck zu befördern, deren Verfasser ihm bekannt und geeignet sind, ihre Aufsätze zu vertreten. Kann solche Vertretung nicht erlangt und verwirklicht werden, so unterliegt der Herausgeber, und, wenn dies ein Fremder ist, der Verleger, oder im Fall auch dieser ein Ausländer ist, der inländische Drucker, als Verbreiter, eben der Verantwortlichkeit, welche den Einsender oder Verfasser getroffen hätte. d) Findet sich ein Inländer oder eine inländische Behörde durch eine Druckschrift oder einen aufgenommenen Artikel benachtheiligt, so steht bei dem Beschwerdeführer der Rechtsweg vor der Gerichtsbehörde des Druckers, aus dessen Druckerei die fragliche Schrift hervorgegangen, in doppelter Weise offen: durch Anstellung einer Injurienklage, wenn er die Unwahrheit der durch den Druck bekannt gemacht und ihn verletzenden Thatsache alsbald bescheinigt, oder wenn er die Form der Aeußerung an sich als eine Verletzung anspricht; – oder durch Erhebung der Verleumdungs(Diffamations-) Klage, wenn er den Verfasser zum Beweis der Wahrheit des Mitgetheilten auffordert. In beiden Fällen ist der verantwortliche Herausgeber, Verleger, oder Drucker verbunden, den Verfasser oder Einsender der genannten Gerichtsbehörde zu nennen, und, wenn er nicht vor derselben

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S ACHSEN -A LTENBURG Recht gibt, zu vertreten. Siegt der Kläger in der Injurien – oder Diffamations-Klage ob, so trifft den Verklagten, außer Strafe und Privatgenugthuung, die Verbindlichkeit, das Erkenntniß auf seine Kosten durch den Druck öffentlich bekannt machen zu lassen; wird aber vom Beklagten bei angestellter Diffamations-Klage die Wahrheit der gedruckten Thatsache erwiesen, so ist der Kläger, neben der Kostengeltung, wegen seines Versuchs zu theilweiser Gefährdung der Offenkundigkeit (Publicität), noch besonders mit einer angemessenen Geldstrafe zu belegen, und das Erkenntniß kann, auf ausdrückliche richterliche Anordnung oder auch ohne solche, öffentlich bekannt gemacht werden. – e) Ausländer haben bei Beschwerden über Mißbrauch öffentlicher Bekanntmachungen auf denselben Rechtsschutz wie Inländer Anspruch, sobald ein gleicher Rechtsschutz notorisch oder erweislich hiesigen Unterthanen auch in ihrem Vaterlande zu Theil wird.

Zur Auswanderung ist ein Erlaubnißschein der Landesregierung erforderlich. Unbeschadet der, zum Bereich der Richterbehörden gehörigen Arrestanlegungen auf Vermögenstheile des Auswandernden, wegen Schulden an Inländer, darf unter jener Voraussetzung der zu suchende Auswanderungsschein niemals verweigert werden. Mit der Auswanderung wird der Unterthansverband nicht blos für den Auswandernden selbst, sondern auch für dessen Frau und für die in väterlicher und (was die unehelich gebornen betrifft) in mütterlicher Gewalt befindlichen Kinder aufgelöst. (§. 43.)

11. Versorgung bei Hülfsbedürftigkeit

III. Abschnitt Verpflichtungen der Landesunterthanen

§ 68. Altenburgische Unterthanen, welche durch eigene Kräfte Ihren Unterhalt nicht mehr verdienen können, sind gesetzmäßig von ihren Blutsverwandten und Ehegenossen zu unterstützen. Die Obliegenheit der aushülflichen Versorgung solcher Hülflosen fällt nächst den genannten Personen, derjenigen Gemeinde zur Last, welcher der Arme angehört. Die Armengesetze verfügen hierüber das Nähere. 12. Recht der Auswanderung § 69. Die Befugniß zum Auswandern in einen fremden Staat, der erweislich die Aufnahme zugesteht, setzt die Erfüllung der Obliegenheit als Landesunterthan und Staatsbürger voraus (§. 78) und richtet sich beziehungsweise nach den mit einzelnen Staaten bestehenden Staatsverabredungen.

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§ 70. Abzugsgeld findet bei Auswanderungen in einen andern deutschen Bundesstaat niemals statt, und in einen außerhalb des deutschen Bundes gelegenen Staat nur in den Grenzen billiger Rechts-Erwiderung (§. 96.).

§ 71. Die Verpflichtungen der LandesUnterthanen, welche zugleich Landes-Einwohner sind, bestehen in Folgenden:

1. Treue und Ehrfurcht gegen den Landesherrn Dem Landesherrn, dessen Person heilig und unverletzlich ist und welcher die gesammte Staatsgewalt in sich vereinigt (§. 4.), ist jeder Unterthan Treue, Ehrfurcht und Gehorsam schuldig. Eben so gebührt dem muthmaaslichen Regierungsnachfolger und den übrigen Mitgliedern des Regentenhauses vorzügliche Ehrerbietung.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) 2. Gehorsam gegen Gesetz und Obrigkeit § 72. Die im Herzogthum Altenburg geltenden Gesetze (wozu auch die vom Landesherrn verkündeten Bundesbeschlüsse gehören §. 12.) sind die Richtschnur, wornach ein jeder Landesunterthan und Einwohner seine Handlungen einzurichten hat. Er bleibt daher auch außerhalb der Grenzen des Landes denselben unterworfen, und wird wegen der im Auslande begangenen Gesetzwidrigkeiten, wenn es nicht bereits dort geschehen, im Vaterlande nach den in diesem für solche Ueberschreitungen bestehenden Gesetzen gerichtet. Sollten jedoch die einschlagenden Strafgesetze des fremden Staates, worinnen der Altenburger ein Verbrechen begangen hat, milder seyn, als die inländischen, und der Angeschuldigte dies nachzuweisen vermögen, so wird das Strafmaas ausnahmsweise nach den milderen fremden Gesetzen bestimmt. § 73. Die wichtigste Unterlage des Altenburgischen öffentlichen Rechts bildet das gegenwärtige Grundgesetz. Es ist für jeden Landesunterthan bindend und dessen Beobachtung im Unterthans- (Huldigungs-) ingleichen im Dienst-Eide noch besonders zu versichern. Eine Verletzung des Grundgesetzes, besonders einer der hier genannten Unterthanspflichten gilt als Treuebruch und Staatsvergehen. 3. Theilnahme an den Staatslasten § 74. Zur Erhaltung der Staatseinrichtung und ihrer verschiedenen Zwecke sind gemeinsame Aufwände erforderlich. Sie aus eignen Mitteln aufzubringen, ist eine ungetheilte Pflicht aller Landesunterthanen, welche daher alle bestehenden und alle künftig auf verfassungsmäßigem Wege auferlegten persönlichen Leistungen (als Steuern und Abgaben jeder Art) unweigerlich

und zu der bestimmten Zeit, bis zur verfassungsmäßigen Abschaffung der einen oder der andern, pünktlich abzuentrichten haben. Es bewendet nicht nur bei der Bestimmung, daß bei allen künftig aufzulegenden Abgaben und Leistungen vom Grundeigenthum Gleichheit ohne Ausnahme statt haben soll, (also von Lehngütern eben so wie vom freien Erbe nach Verhältniß beigetragen wird), – sondern es soll auch die Aufhebung aller bisherigen Befreiungen von direkten und indirekten Abgaben, soweit keine Staatsverträge dem entgegen stehen, gegen Entschädigung, durch ein verfassungsmäßiges Gesetz vermittelt, und allmählig der Bedacht auf ein Abgabe-System gerichtet werden, wonach alle Staatsangehörige verhältnißmäßig zu den Staatslasten beitragen. – Von der Zeit an, wo die Lehngüter zu den bisherigen Grundsteuern beitragen werden, sollen auch die Kammer- und Schatullgüter zu denselben ebenfalls gegen Entschädigung beigezogen werden. Dagegen sollen schon von jetzt an einzelne Theile des gesammten herrschaftlichen Grund-Eigenthums (nicht blos Theile von Kammer- und Schatullgütern) welche in Privatbesitz übergehen, mit Steuern belegt werden; und ebenso bei Grundstücken, welche bisher steuerpflichtig waren und von der Landesherrschaft erworben werden, die Steuerpflichtigkeit, dieser Erwerbung ungeachtet, fortdauern. § 75. Um insbesondere hinsichtlich der Grundsteuer hinkünftig eine, der Ertragsfähigkeit der einzelnen steuerpflichtigen Grundstücke mehr entsprechende Gleichförmigkeit herzustellen, werden in den nächsten Jahren Steuer-Revisionen (insoweit sie noch nicht statt gehabt haben), angeordnet, und hiernach die einzelnen Steuerbeiträge berichtigt werden. Da wo Erhöhung eintreten sollte, wird dem Eigenthümer kein Rückanspruch an seinen Vorbesitzer eingeräumt.

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S ACHSEN -A LTENBURG § 76. Die Landesunterthanen haben gegenüber die Befugniß, durch ihre landständischen Vertreter an der Regulirung der Landesabgaben Theil zu nehmen (§. 201–209.) und von Zeit zu Zeit über den Zustand der Obersteuer- (Landes-) Kasse öffentlich unterrichtet zu werden (§. 247.) 4. Schutz des Landes durch Waffendienst § 77. Zu den vornehmsten Obliegenheiten der deutschen Bundes-Staaten gehört ein nach dem Bevölkerungsverhältniß festgesetzter Militärstand. Die Landesunterthanen ohne Ausnahme des Standes und der Geburt sind daher, nach den nähern Bestimmungen der Konscriptionsgesetze die hierzu erforderlichen Militärdienste zu leisten, und die diesfälligen Aufwände zu tragen verbunden. § 78. Kein altenburgischer Landesunterthan kann sich in das Ausland wenden, bevor er nicht seiner Militärpflicht volle Genüge geleistet (§. 69.) oder deshalb besondere landesherrliche Erlaubniß erhalten hat. § 79. Es ist aber kein Landesunterthan verbunden, sich außerhalb der Zwecke des deutschen Bundes in fremdem Solde gebrauchen zu lassen. § 80. Die Landesunterthanen haben außerdem die Verbindlichkeit, zu Aufrechterhalthung der öffentlichen Sicherheit und bürgerlichen Ordnung, nach den Anordnungen des Staats-Oberhaupts, innerhalb Landes, Schutz und Waffendienste zu leisten, sich in Bürgergarden oder Ortswachen zu bilden, und den von ihnen selbst gewählten oder gegebenen Vorgesetzten pünktlichen Gehorsam, sowie der ersten Aufforderung der Obrigkeit, Polizei, oder des Ortsvorstandes zur Waffenhülfe unweigerlich Folge zu leisten. –

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Den Ungehorsamen trifft außer der gesetzmäßigen Strafe, die Pflicht zur Uebertragung der aus seinem Ungehorsam entstehenden Nachtheile.

IV. Abschnitt Staatsbürgerrecht 1. Rechte § 81. Das Staatsbürgerrecht äußert sich in der Ausübung gewisser innerer politischer Rechte durch die Befähigung: a) Ortsrichter und Gerichtsbeisitzer zu seyn, b) ein Staats- oder, mit Rücksicht auf die Ortsstatuten, ein Gemeindeamt zu verwalten und c) nach Maasgabe des Grundgesetzes (s. V. Abschn.) an der landständischen Vertretung sowohl als Wähler, als insbesondere auch als Abgeordneter selbst Theil zu nehmen. 2. Erlangung a. durch Volljährigkeit und Heimathsrecht § 82. Im Allgemeinen erlangt jeder Landesunterthan durch Ansässigmachung, Gewinnung des Ortsbürgerrechts, Landeshuldigung das Staatsbürgerrecht; doch wird dabei vorausgesetzt, der Eintritt in die Volljährigkeit, welche mit dem vollendeten 21. Jahre erreicht wird, und Unbescholtenheit des Rufs (§. 89.). b. durch Staats-, Kirchen- und SchulDienste § 83. Insbesondere gewährt auch der Eintritt in den Dienst des Staats, der Kirche oder Schule, die definitive Anstellung als Hofbeamter, das Staatsbürgerrecht. Aus diesem fließt die vorzugsweise Verpflichtung der öffentlichen Beamten und Diener, ihren Dienstpflichten auf das Genügendste

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) zu entsprechen, und dadurch den übrigen Staatsbürgern mit dem besten Beispiel voranzugehen. – Jeder Staatsdiener, jeder öffentliche weltliche und geistliche Beamte ist für seine Dienstleistung verantwortlich. – Daher kann gegen sie wegen Untauglichkeit oder Dienstverfehlung eine zeitige Dienstenthebung und, soviel die weltlichen Beamten betrifft, Versetzung in ein geringeres Amt verfügt werden. Grobe Uebertretung des Diensteides hat eine förmliche Untersuchung und nach Befinden gänzliche DienstEntlassung zur Folge. Hinsichtlich der Entsetzung patentirter Staatsdiener bewendet es bei den gesetzlichen Vorschriften und Formen. § 84. Es sind auch die wegen Dienstverbrechen gegen die öffentlichen Beamten, gegen Kirchen- und Schuldiener sich ergebenden Anzeigen von der vorgesetzten Behörde jederzeit bei strenger Verantwortlichkeit der höchsten Stelle vorzulegen, welche nach Befinden eine Disciplinar-, oder sogleich peinliche Untersuchung einleiten läßt. Wenn Gefahr auf dem Verzuge haftet, muß die vorgesetzte Behörde, gleichzeitig mit Erstattung ihres Anzeigeberichts, die erforderlichen Vorkehrungen treffen. Die wegen Dienstverbrechen eingeleiteten Untersuchungen werden niemals niedergeschlagen; und solche Beamte, gegen welche der Richterspruch unbedingte Entsetzung ausspricht, erhalten nie wieder eine Anstellung. § 85. Dagegen haben die durch Alter oder Krankheit ohne ihr Verschulden dienstunfähig gewordenen Staats- und Kirchendiener auf einen angemessenen, ihren Lebensunterhalt sichernden Ruhegehalt Anspruch zu machen. Zu Erleichterung des Staats in dieser Obliegenheit besteht für die Civilbeamten der Pensionsfonds (§. 34. der zweiten Beilage des Grundgesetzes). Zum Besten der Wittwen und Waisen der Civilbeamten und der Geistlichen dienen

die bereits vorhandenen und, beziehungsweise der letztern, wo möglich, zu erweiternden Wittwenanstalten (§. 33. daselbst). 3. Verlust des Staatsbürgerrechts und des Staatsdienstes § 86. Das Staatsbürgerrecht (und folgbar auch das öffentliche, Kirchen- oder Schulamt) geht verloren; a) mit der durch Auswanderung erfolgten Aufgabe der Landesunterthanschaft; b) mit Annahme ausländischer Dienste oder Gehalte ohne Genehmigung des Herzogs; c) durch rechtskräftige Beurtheilung in eine Zuchthaus- oder Prangerstrafe, oder wenn (wegen Verletzung der Staatsbürgerund Unterthanpflichten) auf dessen Verlust besonders erkannt wird, und d) durch kriegsgerichtliche Ausstoßung aus dem Militär. § 87. Es kann dasselbe, was den Verlust durch Verurtheilung und Militärausstoßung betrifft, nur in dem einzigen Falle einer späteren Unschuldausführung wieder hergestellt werden. Die Entscheidung darüber steht, auf gutachtlichen Bericht des Justizkollegiums dem Herzog zu; doch ist hier eine neue Ableistung des Huldigungseides von nöthen. § 88. Die Wahl- und Vertretungsrechte in Ansehung der Landesrepräsentation gehen insbesondere verloren durch Einwirkung einer Bestechlichkeit bei den Wahlen, sowohl für den Wähler als den Erwählten, und zwar unbeschadet der Bestrafung (§. 5. der Wahlordnung). 4. Vorübergehendes Ruhen des Staatsbürgerrechts § 89. Das Staatsbürgerrecht kann vorübergehend nicht ausgeübt werden: a) während der Staatsbürger unter irgend einer Vormundschaft sich befindet;

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S ACHSEN -A LTENBURG b) während eines ausgebrochenen Gants oder eingetretener außergerichtlicher Liquidationsverhandlungen, in Ansehung des Gemeinschuldners, so lange derselbe nicht, – (entweder nach geschehener voller Auszahlung der Gläubiger, oder doch nach vollständiger Nachweisung eines ganz unverschuldeten großen Unglücks, wie Feuersbrunst, Plünderung, Beraubung und dergleichen als alleiniger Ursache des Gants) – durch die obere Justizbehörde förmlich schuldlos erklärt (rehabilitirt) wird. c) Für Diejenigen, welche für die Bedienung der Person oder der Haushaltung eines andern Privatmanns Kost oder Lohn empfangen, während der Dauer dieses Abhängigkeitsverhältnisses. Endlich ruht das Staatsbürgerrecht d) während einer peinlichen Untersuchung bis zum Erkenntnis auf eine nichtentehrende Strafe (§. 86. c. und d.) oder auf Freisprechung. – Auch in dem Falle, wenn wegen Dringlichkeit naher Verdachtsgründe, die Freisprechung von einem mit einer entehrenden Strafe bedroheten Verbrechen nur nach zuerkanntem und abgeleistetem Reinigungseide erfolgt ist, ruht das Staatsbürgerrecht, wegen eingetretener Bescholtenheit des Rufs, noch ferner bis zur gänzlichen Unschuldsausführung. § 90. Oeffentliche Beamte, Kirchen- und Schuldiener werden so lange, als ihr Staatsbürgerrecht ruht, ihres Amtes enthoben (suspendirt). Die einstweilige Verfügung über ihr Diensteinkommen und ihren Lebensunterhalt bleibt der Staatsregierung anheim gestellt.

V. Abschnitt Eingesessene Unterthanen § 91. Eingesessene (Forenser im weitern Sinn des Worts) sind Diejenigen, welche mit bloßem Grundbesitz im Lande angesessen sind, aber in demselben keine Heimaths-

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rechte haben. Ihnen stehen die Rechte der Staatsbürgerschaft nicht zu. Sie genießen jedoch für ihr Eigenthum den dinglichen, und (im Falle eines zeitigen persönlichen Aufenthalts im Lande) den persönlichen Staatsschutz. Aus dieser Rücksicht haben sie den Huldigungseid abzuleisten, ohne jedoch dadurch das Staatsbürgerrecht oder auch nur das Heimathsrecht zu erlangen. § 92. Sie haben nach Maasgabe ihres Grundbesitzes zu den öffentlichen Staatsund Ortsgemeindelasten mit beizutragen, und dieserhalb in dem Orte, in dessen Flur sie Grundstücke erwerben, einen ansässigen Bürgen für sich zu bestellen, der alle Abgaben und Leistungen für sie zu besorgen hat. § 93. Die Eingesessenen sind wegen dinglicher Klagen vor dem inländischen Ortsgericht Recht zu nehmen verbunden, wegen persönlicher aber nur dann, wenn in ihrem eignen Lande der volle Landsassiat, absonderlich bei dem in Lehns-Verbande stehenden Gütern, auf dem Grund der Gegenseitigkeit anerkannt wird.

VI. Abschnitt Zeitige Unterthanen. Ausländer § 94. Zeitige Unterthanen (Fremde) sind solche, die sich nur vorübergehend im Lande aufhalten, ohne daselbst in den Verband der Landesunterthanen aufgenommen zu seyn. Sie stehen auf die Dauer ihres Aufenthalts unter dem Schutze der Landesgesetze, und haben sich derselben Privatrechte zu erfreuen, wie die Landesunterthanen. Sie sind daher – (mit Ausnahme fremder Souveräns und ihrer Familienglieder, und der fremden, am Herzoglichen Hofe beglaubigten Gesandten) – den Landesgesetzen unterworfen, und dem Staate die Leistungen schuldig, welche nach den Gesetzen und Ortsstatuten von ihnen gefordert werden können.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) Ihre Handlungen im Landesbereich unterliegen der richterlichen Beurtheilung nach den inländischen gesetzlichen Formen und Vorschriften. Ihre Verurtheilung zieht in der Regel die Ausweisung nach sich; eine Auslieferung an die Gerichte ihrer Heimath zum Zwecke der Untersuchung und Bestrafung hier begangener Frevel geschieht nur in Folge eines Staatsvertrags, oder der vollkommenen Rechts-Erwiderung in ähnlichen Fällen. § 95. Ausländer werden wegen Verbrechen, welche sie außerhalb des Landes begangen haben, im Lande zwar verhaftet, aber nur dann zur Untersuchung gezogen, wenn sie sich auch eines Verbrechens im Lande schuldig gemacht haben. Im Gegenfall erfolgt ihre Auslieferung an den Ort des von ihnen begangenen Verbrechens, oder an den Staat, dem sie als Unterthanen angehören. § 96. Sollten in einem andern Staate durch Gesetze oder besondere Verfügungen Fremde im Allgemeinen, oder Altenburger insbesondere, von den Vortheilen gesetzlicher Privatrechte der dortigen Unterthanen ausgeschlossen seyn, so kann ein Erwiderungsrecht gegen letztere, wenn sie im Herzogthum Altenburg verweilen, jedoch nur mit Genehmigung des Landesherrn angewendet werden. § 97. Ausländern steht es frei, im Herzogthum Altenburg zu irgend einer Wissenschaft, Kunst oder einem Gewerbe sich auszubilden, und sie haben sich dieserhalb des Staatsschutzes zu erfreuen, gewinnen aber dadurch so wenig, als wenn sie sich daselbst in Kost oder Lohn eines Staatsbürgers befinden, ein Recht auf die Aufnahme als Un-

terthanen. Von selbst versteht es sich, daß sie während ihres Aufenthaltes im Lande genau dessen Gesetze zu befolgen haben. § 98. Diejenigen Ausländer, welche sich auf einige Zeit zu Betreibung von Geschäften oder sonst auf selbstständige Weise im Lande aufhalten wollen, müssen dieserhalb die Erlaubnis der Ortsobrigkeit auswirken, welche ihnen dieselbe mittelst einer Aufenthaltskarte ertheilt. Unterobrigkeiten haben die Aufenthaltskarten nicht länger als auf sechs Monate auszustellen; doch steht der Landesregierung wegen eines längern Aufenthalts der Fremden das Dispensationsrecht zu. Der bloße Aufenthalt ohne förmliche Aufnahme in eine Gemeinde des Landes erwirbt an sich keine Heimathsrechte (§. 41.).

Dritte Abtheilung Korporationen im Staate

A Im Allgemeinen § 99. Die Verbindung mehrerer Landesunterthanen zu einem gemeinschaftlichen bürgerlichen Lebenszweck kann nur dann auf das Recht der Gesammtpersönlichkeit, als Korporation im Staate, gültigen Anspruch machen, sobald solche Verbindung die Genehmigung und Anerkennung der Staatsregierung erhält. Von dem Ermessen der letztern hängt es daher ab, welchen Umfang von Befugnissen sie solchen Korporationen gewähren will, deren Rechtszuständigkeiten nicht durch das Grundgesetz oder frühere gesetzliche Bestimmungen geordnet sind.

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B Orts-Gemeinden I. Abschnitt Bildung derselben durch Gemeindebürger und Nachbarn § 100. Die wichtigsten Korporationen im Staate sind die Orts-Gemeinden, indem sie durch Zusammenwirken und Zusammenleben nach gesetzlicher Ordnung, die Beförderung der allgemeinen sowohl, als besondern Wohlfahrt in ihrem gesellschaftlichen Bereich bezwecken. Sie bilden hierinnen die Grundlage des ganzen Staatsverbandes. Mit Ausnahme der Staatsbeamten, Kirchen- und Schuldiener – (wegen deren Verhältnisse, so wie wegen der Verhältnisse der Rittergutsbesitzer zu den Ortsgemeinden das Nöthige ergehen wird) – kann im Herzogthum Altenburg Niemand das Staatsbürgerrecht ausüben, oder die vollen Rechte der Landesunterthanschaft sich aneignen, der nicht als Bürger oder Nachbar einer inländischen Gemeinde angehört. Insbesondere sind Aerzte, Anwälte, Notare und andere im nichtunmittelbaren Staatsdienst stehende Personen als Mitglieder des Gemeindeverbands ihres Wohnortes anzusehen. § 101. Die Mitglieder einer Stadt- oder Dorfgemeinde bestehen aus drei Klassen: a) der Klasse der Gemeindebürger (volles Bürger- oder Nachbarrecht, §. 102.-105.) b) der Klasse der Ausmärker (Forenser im engern Sinn) und Handwerksbürger (§. 106. 107.) und c) der Klasse der Schutzverwandten (§. 108.). 1. Volles Nachbarrecht § 102. Das Gemeinde- oder Ortsbürgerrecht (volle Nachbarrecht) umfaßt die Theilnahme an allen Befugnissen, welche der

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Gemeinde als solcher zustehen, sowohl an Privatrechten, als an politischen und Ehrenrechten und zwar: a) Genuß des Gemeindeschutzes und, wo ein gemeinsamer Ortsgerichtsstand besteht, Anspruch daran; b) Recht zu Betreibung eines freien oder zünftigen Gewerbes; c) Befugniß zum unbedingten Erwerb von Grundbesitz im Ort und in der dazu gehörigen Flur; d) Theilnahme an den Gemeindegütern, Statuten, Koncessionen und milden Stiftungen; e) Antheil an der passiven und activen Vertretung in der Gemeinde; f) Anwartschaft auf Gemeindeämter und g) Anspruch auf gesetzmäßige Unterstützung von der Gemeinde im Falle der Hülfsbedürftigkeit. § 103. Gegenüber verpflichtet das Ortsbürgerrecht (Nachbarrecht) zur Treue und zum Gehorsam gegen die Orts-Obrigkeit, zur Theilnahme an den persönlichen Leistungen, an Kommunal-Wachdiensten und Gemeindefrohnen jeder Art, und zur Entrichtung sowohl der landesherrlichen Abgaben als der besondern durch Gemeindebeschluß angeordneten Einlagen und Beiträge. – Streitigkeiten über Umlagen und Beiträge, oder über Vertheilung von Berechtigungen unter den Gemeindegliedern selbst werden, als dem Oberaufsichtsrecht des Staats unterliegend, nicht im Proceß- sondern im Verwaltungswege kürzlich erörtert und entschieden, so daß zuletzt der Rekurs an den Landesherrn freisteht. § 104. Das Ortsbürgerrecht kann nur erlangt werden durch Geburt oder durch Aufnahme in Maasgabe der gesetzlichen Vorschriften. Es geht verloren nach den nähern Bestimmungen der Stadt- und Gemeindeordnungen, und nächst diesen im Allgemeinen aus denselben Anlässen, aus welchen

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) das Staatsbürgerrecht verloren geht, (§. 86.) und zwar dergestalt, dass die Auswanderung und die Annahme fremder Dienste und Gehalte ohne Erlaubniß den Verlust des Ortsbürgerrechts in seinem vollen Umfang herbeiführt, die Erleidung der Zuchthausoder Prangerstrafe, die kriegsgerichtliche Ausstoßung aus dem Militär, ingleichen ein ausdrücklich auf den Verlust des Staatsbürgerrechts gerichtetes Erkenntniß nur die Ehrenvorzüge des Ortsbürgerrechts aufhebt, nicht aber dessen nutzbaren Ausflüsse. – Es erwacht wieder in seinem vollen Umfange in dem §. 87. gedachten Falle. § 105. Jede Einwirkung auf Gemeindewahlen durch Bestechung erwirkt außer der Bestrafung, sowohl für den Wähler als Erwählten, den Verlust der Ehrenvorzüge des Ortsbürgerrechts, besonders des activen und passiven Wahlrechts und daher den Verlust der Befähigung zur Verwaltung eines Kommunal-Amtes. 2. Ausmärker (Forenser im engern Sinn.) § 106. Ausmärker ( Forenser im engern Sinn, Feldbürger) sind Diejenigen, welche in der Flur eines Ortes Grundeigenthum besitzen und ihr Heimathsrecht an einem andern Orte des Herzogthums haben. Ihnen steht kein Anspruch auf die persönlichen Rechte des Ortsbürgers zu, wohl aber auf den Gemeindeschutz hinsichtlich ihrer Besitzungen, ingleichen hinsichtlich ihrer Person für die Dauer einer zeitigen Anwesenheit in ähnlichem Verhältnisse, welches bei den Eingesessenen (Forensern im weitern Sinn), dem Staate gegenüber, statt findet. (§. 91.) Mit Rücksicht auf diesen Gemeindeschutz ist der Ausmärker auch zu allen, den gesammten Grundbesitz der Flur betreffenden Gemeindeabgaben antheilig beizutragen verbunden; es kann ihm jedoch kein

verhältnißmäßig höherer Beitrag angemuthet werden, als die übrigen Gemeindemitglieder in Ansehung ihrer Grundstücke entrichten. § 107. Gleichfalls eine beschränkte Theilnahme an den Gemeindeverhältnissen steht den Handwerksbürgern zu, welche in einigen Gegenden des Landes üblich sind, und die an einer außerhalb ihres Wohnorts bestehenden Innung Theil nehmen. Sie stehen zu dem Orte der Innung blos in der durch diese bedingten Beziehung, und genießen keine persönlichen Gemeinderechte; wogegen sie auch nur gewisse, durch die Stadtordnungen oder das Herkommen geordnete Abgaben an die Gemeinde der Innung entrichten. 3. Schutzverwandte § 108. Schutzverwandte (Schutzbürger) sind Diejenigen, welche, ohne das wirkliche Nachbarrecht an einem Ort zu erlangen, in demselben einen gesetzlichen dauernden Aufenthalt haben, und, gegen eine Abgabe (das Schutzgeld), gewisse Gewerbe und Handthierungen treiben dürfen, zu denen das wirkliche Nachbar- und Bürgerrecht nicht erfordert wird. Sie genießen während ihres Aufenthalts, sowohl für ihre Person, als ihre in dem Orte zu betreibenden Geschäfte, den obrigkeitlichen und vollen Gemeindeschutz, sowie den Genuß der öffentlichen Ortsanstalten, ohne im übrigen auf die Ortsbürger- (Nachbar-) Rechte Anspruch machen zu können. Ausländer können aber nur dann als Schutzbürger eingezeichnet werden, wenn sie von der Obrigkeit ihres Heimathsorts die Versicherung ihrer Wiederaufnahme beibringen und zu den christlichen Confessionen gehören. § 109. Im Allgemeinen bestehen daher für die Rechte der Ortsbürger oder Nachbarn folgende bereits gegebene Regeln:

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S ACHSEN -A LTENBURG a) Durch Verleihung des Ortsbürger- oder vollen Nachbarrechts wird zugleich das Staatsbürgerrecht verliehen (§. 100.); b) Jede Gemeinde ist schuldig, einen Staats-, Kirchen- oder Schuldiener, den sein bleibender Dienstberuf in ihre Mitte führt, aufzunehmen (§. 82.); c) Das Schutzbürgerrecht (Schutznachbarrecht) darf an christliche Ausländer nur gegen eine amtliche Versicherung ihrer ordentlichen Obrigkeit wegen ihrer Wiederannahme ertheilt werden (§. 108.) und d) Fremden, welche zu einem bestimmten Zweck nur eine Zeit lang an einem Orte verweilen wollen, ist, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften, nur auf eine gewisse Zeitdauer mittelst Aufenthaltskarten der Aufenthalt im Lande zu verstatten. (§. 98.). II. Abschnitt Rechte der Gemeinden 1. Einzelne Befugnisse § 110. Die Gemeinderechte umfassen im Allgemeinen die Befugniß der Personen-Einheit im Rechtssinne, daher 1. das Recht der Vertretung durch Einzelne aus ihrer Mitte; – 2. den Genuß der gesetzlichen Vorzüge der Minderjährigen in Ansehung ihres Vermögens und ihrer Gerechtsame; – 3. die Befugniß, eines gemeinschaftlichen Siegels sich bedienen zu dürfen; – 4. das Recht der Erwerbung von Grundbesitzungen und Berechtigungen; – 5. die Verwaltung des Gemeindevermögens durch selbst gewählte Beamte; – 6. die Einführung besonderer Anstalten zu Gemeinde- oder andern gemeinnützigen Zwecken, insbesondere auch – 7. die Befugniß der Aufnahme der Gemeindebürger oder Nachbarn. – Alles unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften und Formen.

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2. Gemeindebeschlüsse § 111. Zu einem gültigen Gemeindebeschlusse ist die ordnungsmäßige Vorrufung aller betheiligten Gemeindeglieder, und die Stimmenmehrheit unter mindestens 2 Drittheilen der hierauf Erschienenen, oder, unter den dazu befugten Gemeindevertretern, die absolute Stimmenmehrheit erforderlich. Der Beschluß verbindet alle Gemeindemitglieder, doch darf er sich nicht über die Privatrechte von Einzelnen oder Korporationen erstrecken. 3. Gemeindeschulden § 112. Für Gemeindeschulden haftet zunächst das Gemeindevermögen, und aushülflich das Privatvermögen der einzelnen Glieder; letzteres vornehmlich dann, wenn die Schuld zu solchen Bedürfnissen gemacht ist, zu deren Bestreitung auch die Einzelnen hätten beitragen müssen. Später hinzutretende Mitglieder sind beitragspflichtig. 4. Gemeindevermögen § 113. Es ist keiner Staatsbehörde gestattet, über das Gemeindevermögen ohne Zustimmung der Vorsteher zu verfügen, noch weniger darf dasselbe jemals mit dem Staatsvermögen vereinigt werden. III. Abschnitt Verpflichtungen der Gemeinden § 114. Die Gemeinden haben die Verpflichtung, nirgends etwas zu unternehmen, wodurch sie die allgemeinen Rechte des Staates beschränken können; vielmehr sollen sie bemüht seyn, Alles zu befördern, was dem Staatszweck entsprechend und heilsam ist. Daher liegt ihnen vornehmlich ob: die Beförderung der öffentlichen Sicherheit in

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) allen Beziehungen und besonders in ihrem Gemeindebereich, die Fürsorge für öffentliche Anstalten (als Brücken-, Wege-, Pflaster-, Brunnen-, Kranken-, Armen-, und dergleichen nicht andern Behörden obliegende Institute); die Bereithaltung der Löschgeräthe, und der zu dem KommunalWachtdienst vorräthigen Waffen und Wehren. IV. Abschnitt Arten. Dorf- und Stadtgemeinden 1. Dorfgemeinden § 115. Im Uebrigen beruht es vor der Hand noch hinsichtlich der einzelnen Dorfgemeinden bei den bisher bestandenen Einrichtungen, mit Vorbehalt der Abänderung durch den Erlass einer allgemeinen Dorfordnung. 2. Stadtgemeinden In Ansehung der Stadtgemeinden wird als Grundlage des städtischen Gemeindelebens für künftig zu erlassende Stadtordnungen Folgendes im Allgemeinen festgesetzt. (1.) In Bezug auf bürgerliche Nahrung § 116. Die Städte haben, unter der Aufsicht und dem Ordnen eines Stadtraths, die Befugniß zur Betreibung bürgerlicher Nahrung, in freiem städtischen Verkehr oder unter zunftmäßigen Beziehungen. (2.) Kämmereirecht § 117. Ihnen steht das Kämmereirecht zu, d.h. die Berechtigung auf Besitz, Benutzung und Verwendung des gemeinschaftlichen städtischen Eigenthums und (wenn dessen Ertrag für die Bedürfnisse der Stadtverwaltung, sowie zur Errichtung und Erhaltung der gemeinnützlichen Anstalten nicht zureicht) der Anspruch auf aushülfliche Zuziehung der einzelnen Bürger mit verhältnißmäßigen Beiträgen.

(3.) Polizeirecht § 118. Sie üben das Ortspolizeirecht aus, abzweckend auf Verhütung und Abwendung alles Dessen, was innerhalb des städtischen Bezirks der Wohlfahrt der ganzen Gemeinde oder des Einzelnen nachtheilig seyn kann, sofern diese Fürsorge nicht den Herzoglichen Polizei-Kommissionen übertragen ist. (4.) Erwerbungsrecht § 119. Die Stadtgemeinde hat außerdem das Recht, durch Vertrag, Stiftungen, Koncessionen und auf andere rechtsbeständige Weise, einzelne, aus der Natur obiger beiden Rechtsgattungen nicht fließende Gerechtsame (als Patronat, Mitaufsicht über Kirchen und Schulen, Marktrecht u. s. w.) zu erwerben, und die erworbenen zum allgemeinen Besten ihres Vereins, ebenfalls unter landesherrlicher Oberaufsicht, auszuüben oder ausüben zu lassen. (5.) Statutenrecht § 120. Bei Ausübung dieser allgemeinen Rechte hat auch die Stadtgemeinde, mittelst des Statutenrechts, die Befugniß, für ortsbürgerliche Zuständigkeiten und allgemeine Ordnung, durch Beschluß oder vertragsmäßiges Uebereinkommen unter sich, zu Beförderung der städtischen Zwecke, verbindende Bestimmungen festzusetzen, deren Wirksamkeit jedoch von der landesherrlichen Genehmigung abhängig ist. (6.) Justizverwaltung § 121. Die Justiz wird in den größeren Städten von der Verwaltung getrennt, und, wo sich nur thunlich zeigt, durch Einführung von selbstständigen Stadtgerichten, abgesonderten Beamten übertragen. Die Unterordnung unter die Landes-Justizbehörden und die Beachtung des gesetzlichen Instanzenzugs bleiben unverrückt. Denjenigen Städten, denen die Wahl ihrer

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S ACHSEN -A LTENBURG Justizbeamten bisher zustand, verbleibt solche auch ferner, wiewohl mit der Beschränkung, daß in künftigen Erledigungsfällen zwei Rechtskundige des Landes, der obern Justizbehörde zur Auswahl präsentirt werden. Die Wahl geschieht durch die Stadtverordneten (§. 124.) unter Mitwirkung des Stadtraths. Die Anstellung der Justizbeamten geschieht jederzeit auf die Lebensdauer (§. 46.) und die Richterstellen sollen möglichst auf feste Besoldung gesetzt werden. In solchen Fällen, wo Unterthanen, die der unmittelbaren Gerichtsbarkeit Herzoglicher Behörden untergeben sind, den Stadtgerichten mit überwiesen werden sollen, sind wegen Bestellung der Justizbeamten besondere Verabredungen zu treffen.

§ 123. Wenigstens Einer der Vorsteher des Stadtraths, (in größern Städten der erste Bürgermeister oder Stadtschultheiß, in kleinern Städten der Syndikus) muß ein der Rechte kundiger Altenburgischer Staatsbürger seyn. Dieser wird durch die Stadtverordneten (auf gleiche Weise wie die Justizbeamten) durch Präsentation zweier Personen an die Landesregierung auf Lebensdauer gewählt. Die Anstellung der übrigen städträthlichen Beamten geschieht in der Regel nur auf Zeitdauer von 3 bis 6 Jahren. Ihre Wahl erfolgt ebenfalls durch die Stadtverordneten; jedoch so, daß sie zwei taugliche Gemeindebürger dem Stadtrath zur Auswahl vorschlagen und dieser den Erwählten der Landesregierung zur Bestätigung vorträgt.

(7.) Städtische Verwaltung (8.) Stadtverordnete § 122. Die Verwaltung aller gemeinsamen städtischen Angelegenheiten und alles Kommunvermögens, die Ausübung und Feststellung der städtischen Gerechtsame, ingleichen die Ortspolizei (soweit solche nicht die Herzogliche Polizei-Kommission ausübt,) steht dem Stadtrathe zu. Dieser ist berechtigt und zugleich verpflichtet, auf einem freien Gerichtstage in jeder Woche, auf Anrufen der einzelnen Bürger, Sühnversuche über ihre noch nicht anhängigen Rechtshändel zu veranstalten. Die dabei zu beobachtende Form wird durch ein besonderes Regulativ näher bestimmt werden. So gebührt auch dem Stadtrathe (beziehungsweise in Gemeinschaft mit der Herzoglichen Polizei-Kommission) die Aufsicht über die Innungsangelegenheiten der Stadt. Irrungen über die Anwendbarkeit und Erläuterung eines Innungsartikels werden, ohne Prozeßverhandlung, im Verwaltungswege erörtert und unterliegen der landesherrlichen Erklärung und Feststellung des in Zweifel gekommenen Artikels.

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§ 124. Die Bürgerschaft selbst wird vertreten durch aus ihrer Mitte zu ernennende Stadtverordneten, welche dem Stadtrathe, als städtischer Verwaltungsbehörde, rathend, vermittelnd und genehmigend zur Seite stehen. Insbesondere sind sie berufen zur Kontrole über die städtische Verwaltung, zur Prüfung aller Gemeindeangelegenheiten und zur verfassungsmäßigen Zustimmung in alle, das Gemeindevermögen und die bürgerlichen Abgaben, auch die Gerechtsame der Gemeindebürger wesentlich angehenden stadträthlichen Anordnungen; keineswegs aber zur Eingreifung in die Verwaltung oder Ausführung selbst, welche vielmehr dem Stadtrathe allein zustehen. Ihre Stellung zum Stadtrath ist der Stellung der Landstände zur Staatsregierung ähnlich; ihr Amt ein freies Ehrenamt. Sie werden ebenfalls nur auf Zeitdauer von drei bis sechs Jahren durch die, von den einzelnen Abtheilungen der Bürgerschaft zum Behuf der Landes-Deputirten zu ernennenden Wählern (s. Wahlordnung §. 29. ff.) mittels Stimmenmehrheit erwählt.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) Ihre Sprecher (Vorsteher) erwählen sie aus sich selbst oder aus der übrigen Bürgerschaft, und ergänzen sich im letztern Falle selbst durch neue Wahl. – Das Nähere bestimmen die einzelnen Stadtordnungen. V. Abschnitt Beaufsichtigung und Leitung der Stadt- und Dorfgemeinden durch die Staatsregierung § 125. So wie jede Gemeinde nur unter Genehmigung des Staats bestehen kann, so unterliegt sie auch dem Aufsichtsrechte desselben. Dieses giebt sich kund 1) durch das Ordnen der Ortspolizei; 2) durch Genehmigung der Gemeinde-Prozeß-Eröffnungen; 3) in der Durchsicht und Kontrolirung des Gemeinde-Rechnungs- und Kassewesens; 4) in der Zustimmung bei Veräußerung und Verpfändung liegender Güter und Gerechtsame, bei Aufbringung außerordentlicher oder dauernder Gemeindeauflagen, bei gewichtigen Bau- und andern außerordentlichen Aufwänden, bei Gemeindeanleihen, bei Einführung von Ortsstatuten und andern organischen Einrichtungen; 5) durch Bestätigung der Beamtenwahlen oder deren Versagung, und durch Regulirung der BeamtenGehalte. § 126. Die Specialaufsicht über die Dorfgemeinden wird ausgeübt durch die Herzoglichen Aemter und beziehungsweise die Patrimonialgerichte, unter der obern Leitung der Landesregierung. Die Aufsicht über die Stadtgemeinden und deren besondere Verhältnisse (§. 116– 124) liegt der Landesregierung selbst ob, und kann von ihr einem einzelnen Staatsdiener oder einer Behörde übertragen werden. Die Landesregierung ist befugt, von Zeit zu Zeit, und besonders bei bemerkter Unregelmäßigkeit, entweder von Amtswegen oder auf den Antrag der Stadt- oder Gemeindeverordneten, Revisionen vorzunehmen, und wenn sich hierbei Dienstverfehlungen

der stadträthlichen oder örtlichen Verwaltungsbeamten hervorthun, disciplinarisch einzuschreiten, oder nach Befinden die Entfernung der ihrem Beruf untreuen Beamten nach geschehener Vertheidigung, unter Beifügung der Gründe, auszusprechen, wiewohl unbeschadet der Verwendung (des Rekurses) derselben an den Landesherrn, und beziehungsweise an die obere Verwaltungsbehörde. Die Entfernung vom Amte erwirkt eine sofortige neue Wahl. Die Wiedererwählung des Entfernten ist ungültig. In Ansehung der Justizverwaltung in den Städten lieget die Untersuchung und Abstellung von Nachlässigkeiten und die Ahndung gegen deren Urheber der obern Justizbehörde ob. § 127. Die Landesregierung giebt in allen Irrungen zwischen Stadtrath und Stadtverordneten, nach vorgängiger Sacherörterung, die Entscheidung, von welcher der Rekurs an den Landesherrn nachgelassen ist.

Vierte Abtheilung Kirchen und Schulen. Fromme Stiftungen

I. Abschnitt Von der Landeskirche und andern Bekenntnissen der christlichen Religion § 128. Die evangelisch-protestantische Kirche ist die Kirche des Landes. § 129. Die Bekenner anderer christlichen Partikularkirchen genießen den Schutz des Staats, und die freie Ausübung ihres Glaubens, vorbehältlich der landesherrlichen Rechte. Sie haben den Anspruch auf gleiche staatsbürgerliche Rechte mit den Bekennern der evangelisch-protestantischen Kirche; kein Glaubensbekenntniß entbindet

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S ACHSEN -A LTENBURG aber von den Pflichten gegen den Staat, oder gegen die Gemeinde des Wohnorts.

II. Abschnitt Der Herzog als Kirchen- und Staats-Regent § 130. An der Spitze der Landeskirche steht der evangelistisch-protestantische Regent, welcher als gleichzeitiges Staatsoberhaupt das Recht der Oberaufsicht und die Verpflichtung zum Schutze der Kirche hat. Sollte der Regent sein Glaubensbekenntniß ändern, so werden die Kirchenhoheitsrechte einem evangelisch-protestantischen Ministerium, welches aus mehr als zwei Gliedern besteht, übertragen. § 131. Alle kirchlichen Gesetze ergehen in seinem Namen, und bedürfen seiner Bestätigung.

III. Abschnitt Von der Kirchengewalt 1. Deren Grundlage § 132. Die Kirchengewalt gründet sich auf die Lehren der heiligen Schrift, auf die Grundsätze der evangelisch-protestanischen Kirche, und auf die bestehenden Landesgesetze. 2. Deren Ausübung § 133. Die Kirchengewalt wird zum Theil unter Mitwirkung von Vertretern der Landeskirche ausgeübt, zum Theil geschieht es unter der obern Leitung und Autorität des Landesherrn durch das Konsistorium. Insbesondere ist letzteres der Fall bei der vollziehenden Kirchengewalt oder der Kirchenregierung.

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a) Unter Mitwikung von Vertretern der Kirche § 134. Die Gegenstände der Kirchengewalt, bei denen eine Mitwirkung von Vertretern der Kirche nothwendig ist, sind: Die Ordnung der öffentlichen Gottesverehrung; – Bestimmungen in Bezug auf den öffentlichen Lehrbegriff und die allgemeine Kirchenverfassung –: erstere, soweit sie nach den Grundsätzen der evangelischprotestantischen Kirche überhaupt zulässig sind. Synoden § 135. Verordnungen dieser Art (§. 134) werden durch mündliche oder schriftliche Berathungen in Synoden vorbereitet. Die General-Synode besteht aus den Räthen des Konsistoriums, den Superintendenten, den Lokaladjunkten und einigen (von den Superintendenten und Lokaladjunkten jeder Ephorie aus den Gliedern derselben gewählten) Geistlichen des Herzogsthums; den Vorsitz führt der Präsident des Konsistoriums. Special-Synoden werden gebildet durch den Superintendent jeder Ephorie, die Lokaladjunkten und einige Geistliche der Ephorie; – sie dienen, um, in den Fällen schriftlicher Verhandlung, die dann erforderten schriftlichen Gutachten nach den einzelnen Ephorien zu vermitteln und dem Konsistorium vorzulegen. § 136. Synoden versammeln sich nur mit Vorwissen und Genehmigung des Landesherrn, und auf Berufung des Konsistoriums. Die Kosten der Synoden werden, unter möglichster Beschränkung derselben, aus der Landeskasse bestritten. § 137. Soll ein Gegenstand der im §. 134 bezeichneten Art zur Gesetzgebung vorbereitet werden, so wird zuerst das Gutachten der Synode eingeholt, welches sich bei mündlichen Berathungen aus der Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder der Generalsynode, und bei schriftlichen

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) aus der Stimmenmehrheit der abstimmenden Mitglieder der Spezialsynoden und des Konsistoriums ergiebt. Dasselbe wird dem Landesherrn vom Konsistorium vorgelegt, und von ihm im Falle seines Einverständnisses, auch der Landschaft zum Anrath mitgetheilt. Erklärt sich die Synode und die Landschaft zustimmend für den Gesetzentwurf, so kann das Gesetz erlassen werden; und ist bindend für alle Mitglieder der Landeskirche. b. Durch das Konsistorium 1) Im Allgemeinen § 138. Die Befugnisse der Kirchengewalt, welche vom Konsistorium entweder unmittelbar auftragsweise verwaltet, oder zur landesherrlichen Entscheidung und Bestätigung vorbereitet werden, sind: 1) das Recht, die Lehrer und Diener der Kirchen und Schulen zu berufen, sie in Ansehung ihrer Lehre und ihres Wandels zu beaufsichtigen und sie zu enturlauben; – 2) das Recht, die Mitglieder der Kirche zur Befolgung der Pflichten gegen die Kirche und die Schule anzuhalten; – 3) die Handhabung der bestehenden Vorschriften über den Gottesdienst und die Schuleinrichtungen; die Besorgung der Verlöbniß-, Ehe- und Begräbniß-Sachen; – 4) die Gerichtsbarkeit über Kirchen- und Schuldiener, und Kirchen- und Schulgüter und deren Gerechtsame, – 5) das Recht, zur Erläuterung und Erneuerung der bestehenden organischen Gesetze Verordnungen zu erlassen, und 6) was sonst nach der bestehenden Kirchenverfassung dahin zu rechnen ist. 2) Zusammensetzung und Verpflichtung des Konsistoriums § 139. Das Konsistorium besteht aus einigen geistlichen und einigen weltlichen

Räthen; es ist der Landeskirche und dem an deren Spitze stehenden Landesherrn verantwortlich. 3) Einzelne Obliegenheiten a. Erhaltung der reinen Lehre des Evangeliums § 140. Es wacht darüber, daß in Kirchen und Schulen die reine Lehre des Evangeliums verkündigt und dadurch Glaube, Liebe und ein frommer Wandel, insonderheit auch Gehorsam gegen die Obrigkeit und das bürgerliche Gesetz, erweckt und befördert werde; daß die Sakramente heilig geachtet und verwaltet; daß die Kirchenordnung zur Erbauung aufrecht erhalten und öffentliche Laster entfernt werden. b. Beaufsichtigung der Schulen § 141. Es beaufsichtigt die Schulen des Landes und sorgt dafür, daß kein Kind ohne gehörigen Unterricht im Worte Gottes und in nützlichen Kenntnissen verbleibe; daß nach den gesetzlichen Vorschriften kein unbefähigter Jüngling zur Universität abgehe; und es erhält sich in Kenntniß über die sich auf der Universität befindenden Landeskinder. c. Wirksamkeit bei der Anstellung und Entlassung der Geistlichen und Schullehrer § 142. Es prüft die Kandidaten des Predigtamtes und die anzustellenden Prediger; und sorgt dafür, daß Niemand öffentlich oder in der Kirche lehre oder predige, oder die heiligen Sakramente reiche, ohne ordentlichen Beruf. § 143. Zu Predigerstellen in den Städten und auf dem Lande, welche nicht Patronatstellen sind, schlägt das Konsistorium dem Landesherrn zur Bestätigung vor. Ein vom Konsistorium nicht für tüchtig und würdig Befundener kann nicht vorgeschlagen und also auch nicht angestellt werden.

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S ACHSEN -A LTENBURG Uebrigens bleibt es den Kirchfahrtsgliedern, wie bisher, unbenommen, bei der Anstellung des ihnen zugedachten Predigers ihre Erklärung zu geben. § 144. In dem Falle, wenn eine Patronatstelle auf eine andere Weise als durch Versetzung des bisherigen Pfarrers auf eine unmittelbar vom Konsistorium abhängende Stelle erledigt wird, und der Patron einen nicht inländischen Kandidaten oder Geistlichen präsentirt, muß dieser beim Konsistorium über seine Studien und seinen sittlichen Wandel sich genügend ausweisen und dann durch eine Probepredigt und eine wohlzubestehende gründliche Prüfung, seine Kenntnisse und Amtsfähigkeit darlegen. – Das Konsistorium ist verpflichtet, jeden nicht genügend Befundenen zurückzuweisen. – Niemand kann zu einer Patronatstelle vorgeschlagen werden, welcher in einem Lande Kandidat geworden ist, oder (im Fall er es noch nicht wurde) der in einem Lande geboren ist, in welchem hiesige Kandidaten nicht gesetzlich zu Patronatstellen gelangen können. Für den Fall, daß ein Geistlicher von einer Patronatstelle auf eine Konsistorialstelle befördert werde, bewendet es wegen der Wiederbesetzung seiner Stelle bei den dieserhalb bestehenden besondern Vorschriften. § 145. Die Versetzung der Geistlichen auf andere Stellen und die Versetzung in den Ruhestand wird gleichmäßig vom Konsistorium vermittelt. § 146. Auch liegt ihm ob die Untersuchung gegen Geistliche wegen ihrer Amtsführung oder ihres Lebenswandels. Unfreiwillige Entlassungen (Enturlaubungen) angestellter Geistlicher setzen ein richterliches Erkenntniß des Konsistoriums voraus, welches mit Entscheidungsgründen belegt ist, und nach gehöriger Vertheidigung des Angeschuldigten erfolgt.

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§ 147. Gegen ein solches Erkenntniß kann innerhalb dreiwöchentlicher Nothfrist Vorstellung beim Landesherrn eingereicht werden. Sieht dieser sich auf erhaltenen Vortrag im Geheimenrathe und (bei bedenklichen Fällen) nach vernommenem Gutachten einer anderweiten Behörde veranlaßt, das Konsistorial-Erkenntniß zu bestätigen, so behält es bei demselben sein Bewenden. § 148. Findet der Landesherr Anstand dabei, so wird das Gutachten der Synode, – ohne Mitwirkung der Konsistorialräthe, und unter der Leitung des ältesten Special-Superintendenten – vermöge schriftlicher oder mündlicher Abstimmung, vernommen. Wenn dasselbe ebenfalls für die Entlassung stimmt, so wird diese vollzogen; stimmt es dagegen, so bleibt dem Landesherrn die Entscheidung vorbehalten. § 149. Geistliche, welche eines gemeinen peinlichen Vergehens angeschuldigt sind, werden vom Amt suspendirt und der weltlichen Behörde zur Untersuchung und Bestrafung übergeben. – Wenn ein rechtskräftiges Erkenntniß sie zu einer entehrenden Strafe (Zuchthausoder Prangerstrafe) veurtheilt, so sind sie hierdurch ihrer geistlichen Stelle ohne Ruhegehalt verlustig. Wenn sie durch Ableistung eines Reinigungseides von der weltlichen Strafe frei kommen, oder ihnen eine an sich nicht entehrende Gefängnißstrafe zuerkannt wird, so sind die Akten nach rechtskräftig gewordenem Erkenntnisse von der weltlichen Behörde dem Konsistorium zuzustellen, welches dann erwägt, inwiefern die verwirkte Bescholtenheit des Rufes mit der Wirksamkeit des Geistlichen vereinbarlich, und der Fall zu einer Entlassung des Geistlichen mit oder ohne Ruhegehalt (§.§. 146. 148.) auf dem Disciplinarwege geeignet sey. § 150. Was von den Geistlichen gesagt ist, gilt analog auch von den Schullehrern

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) und den andern Kirchendienern, nur daß deren Anstellung, Versetzung und Entlassung theilweise nicht auf vorherige landesherrliche Zustimmung erfolgt. § 151. Doch bleibt auch ihnen in Fällen der unfreiwilligen Entlassung der Rekurs an den Landesherrn frei. d. General-Visitationen § 152. Das Konsistorium hat dafür zu sorgen, daß im ganzen Lande die Kirchen und Schulen mittelst General-Visitationen nach einer regelmäßigen Reihefolge untersucht, die Ergebnisse niedergeschrieben, und die dabei von dem abgeordneten geistlichen Konsistorialrathe wahrgenommenen oder von dem Ortsgeistlichen, dem Schullehrer oder der Gemeinde angezeigten Mängel abgestellt, und der Erfolg einer jeden General-Visitation dem Landesherrn angezeigt werde. e. Erhaltung der Moralität § 153. Es führt die Aufsicht darüber, daß die Unterthanen sich eines gottesfürchtigen Lebenswandels befleißigen, und daß die Heilmittel der Religion gehörig benutzt werden: es hindert, nach den bestehenden Einrichtungen, den Druck und Verkauf von Schriften, die der Religiosität und den guten Sitten nachtheilig werden. f. Berathung mit den Synoden § 154. Die schriftliche oder mündliche Berathung mit den Synodalgliedern bleibt auch für andere als die §. 134. bezeichneten Fälle der kirchlichen Gesetzgebung und Verwaltung vorbehalten.

IV. Abschnitt Vom Vermögen der Kirchen, Schulen und Stiftungen § 155. Das Stiftungsvermögen (die Dotation) der Kirchen und Schulen kann, so

lange sie bestehen, im Werth und Ertrag nie willkührlich gemindert oder eingezogen werden. Es genießt die Rechte Minderjähriger. Das Vermögen eingegangener Kirchen und Schulen darf nur wieder zu gleichen Zwecken verwendet werden. § 156. Besitzt eine Kirche oder Schule nicht genug Einnahme, um die ihr obliegenden Ausgaben zu bestreiten, so ist zuvörderst die Kirchfahrt (Parochie) oder Schulgemeinde gehalten, das Fehlende zu ergänzen. Bei nachgewiesener Mittellosigkeit der Kirch- oder Schulgemeinde tritt in dringenden Fällen der Staat (wo nöthig durch Vermittelung einer landschaftlichen Verwilligung) aushülflich ein. § 157. Die erforderlichen Umlagen und Leistungen für Zwecke der Kirchen- und Schulärarien, für geistliche und Schul-Gebäude und dergleichen, unter die Mitglieder der Kirchfahrt oder Schulgemeinde, werden unter Genehmigung des Konsistoriums angeordnet und Streitigkeiten darüber nach den §. 103. aufgestellten Grundsätzen entschieden. Das Konsistorium hat die Oberaufsicht auf das Bauwesen in den Kirchengemeinden und auf das Rechnungswesen derselben. § 158. Liegende Gründe oder Gerechtsame einer Kirche und Schule können nur mit Zustimmung des Konsistoriums und des Landesherrn veräußert, nie aber in Erbpacht gegeben werden. § 159. Milde Stiftungen stehen, wo nicht ein Anderes verordnet ist, unter dem Konsistorium und genießen den besondern Staatsschutz. § 160. Kirchen, Schulen und fromme Stiftungen können liegende Gründe von bedeutendem Werthe und dingliche Gerechtigkeiten nicht ohne Vorwissen des Landesherrn erwerben, wohl aber Vermächtnisse und Schenkungen ohne solches, wenn sie

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S ACHSEN -A LTENBURG frei sind von lästigen Bedingungen, annehmen. Doch hat das Konsistorium auch im letztern Falle den Landesherrn mit dem Namen der mildthätigen Geber bekannt zu machen. § 161. Die Zinsen frommer Stiftungen dürfen keine anderweitige Bestimmung erhalten. Nur wenn veränderte Zeitumstände, im Sinne des Stifters eine anders gestaltete Verwendung räthlich machen, kann eine solche – aber auch dann nur mit Zustimmung der betheiligten Curatoren, Collatoren, Patrone und Gemeinden – eintreten.

Fünfte Abtheilung Von den Landständen

I. Abschnitt Allgemeine Bestimmungen § 162. Die Landstände sind das verfassungsmäßige Organ der Gesammtheit der Staatsbürger und Unterthanen in dem grundgesetzlichen Verhältniß zur Staatsregierung. § 163. Sie werden durch freie Wahl aus den Klassen: der Rittergutsbesitzer, der Stadtbewohner und des Bauernstandes gewählt. § 164. Sie bilden Eine Kammer, und üben ihre Wirksamkeit aus, entweder in der vollen Versammlung des Landtags oder durch einen Ausschuß, die Landes-Deputation. § 165. Ein Landtag findet regelmäßig alle 4 Jahre an einem vom Landesherrn zu bestimmenden Orte statt; er kann von Demselben auch früher, nicht aber später berufen werden.

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Der Schluß eines Landtags wird ebenfalls vom Landesherrn verfügt. Jede Versammlung ohne landesherrliche Berufung ist gesetzwidrig. § 166. Dem Landesherrn steht das Recht zu, die gewählten Landstände zu jeder Zeit zu vertagen oder aufzulösen. Im letztern Falle wird der ihnen ertheilte Auftrag ungültig, und es treten neue Wahlen ein. Die Mitglieder der frühern Stände-Versammlung können wieder gewählt werden.

II. Abschnitt Zusammensetzung der Landstände3 § 167. Die Landstände bestehen aus einem Präsidenten und 24 Abgeordneten, und zwar: 8 Abgeordneten der Rittergutsbesitzer – (nämlich 5 aus dem Altenburgischen und 3 aus dem Kahla-Eisenbergischen Kreis) – 8 Abgeordneten der Städte – (nämlich 2 von der Stadt Altenburg; je einem von Eisenberg; von Kahla mit Orlamünda und Naschhausen; von Lucka mit Gößnitz und Meuselwitz; von Roda: von Ronneburg; und von Schmölln) – und 8 Abgeordneten des Bauernstandes – (nämlich 4 aus dem Amte Altenburg; je einem aus den Aemtern Eisenberg; Kahla [nach Abrechnung der zum Amt Roda gezogenen Wahlabtheilungen]; Roda [mit Hinzurechnung der vom Amt Kahla abgetrennten Wahlbezirke]; und Ronneburg). – § 168. Die Erwählung derselben und ihrer Stellvertreter geschieht in der Art, wie solches die in der ersten Beilage enthaltene Wahlordnung vorschreibt. Die darin vorgeschriebene Geschäftsform hat bis zu Erlangung anderweiter Erfahrungen und Erlassung eines andern Gesetzes provisorische Gültigkeit. Die Wahl der Abgeordneten der Gutsbesitzer geschieht ohne Vermittelung von Wahlmännern; die Abgeordneten der Städte

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) und des Bauernstandes werden durch Vermittelung von Wahlmännern (also vermöge zweier Wahlhandlungen) gewählt.

Stelle statt. Auch kann der Ausgeschlossene sich an den Landtag wenden, und dieser auf Mittheilung der Ursachen und, nach Befinden, nochmalige Erörterung antragen.

III. Abschnitt Von den Bedingungen der Wahlberechtigung, und von der Ausübung derselben4

§ 174. Die landschaftlichen Abgeordneten werden künftig (unbeschadet des landesherrlichen Rechts der Auflösung [§. 166.]) auf 12 Jahre oder 3 Finanzperioden ( §. 203.) gewählt, und es erneuert sich ihre Versammlung vom zweiten ordentlichen Landtage nach Verkündigung des Grundgesetzes, sowie nach jeder Auflösung der Landschaft an, jedesmal um ein Drittel ihrer Glieder. Es treten daher unmittelbar vor dem Beginn des genannten Landtags

1. Im Allgemeinen § 169. Die Befugniß, an den aktiven Wahlhandlungen Theil zu nehmen, setzt bei allen 3 Klassen voraus: a) das Staatsbürgerrecht, dem das volle Landsassiat (§. 93.) der Rittergutsbesitzer gleich zu achten ist; b) die Volljährigkeit (§. 82.); c) das Bekenntniß der christlichen Religion ohne Unterschied der Konfessionen; d) Unbescholtenheit des Rufs (§. 89.). § 170. Nähe der Verwandtschaft unter den Wahlmännern entzieht ihnen die Befugniß zu wählen nicht. § 171. Um als Abgeordneter gewählt werden zu können, wird als allgemeine persönliche Bedingung aller 3 Klassen vorausgesetzt: a) das Staatsbürgerrecht, oder bei Rittergutsbesitzern das volle Landsassiat; b) ein 25jähriges Alter; c) Bekenntniß der christlichen Religion ohne Unterschied der Konfession; d) Unbescholtenheit des Rufs ( §. 89.). § 172. Die Ermangelung oder der Verlust Eines der §. 169. und 171. genannten persönlichen Erfordernisse schließt die Befugniß aus, dort, zu wählen, und hier, gewählt zu werden. § 173. Kommen über diese Berechtigungen Zweifel vor, so werden diese von der Landesregierung entschieden. Von deren Entscheidung findet Rekurs an die höchste

2 Abgeordnete der Rittergutsbesitzer, 3 ” der Städte, 3 ” des Bauernstandes aus; vor dem Beginne des dritten ordentlichen Landtages 3 Abgeordnete der Rittergutsbesitzer, 2 ” der Städte, 3 ” des Bauernstandes; und vor dem Beginne des vierten ordentlichen Landtages 3 Abgeordnete der Rittergutsbesitzer, 3 ” der Städte, 2 ” Bauern, u. s. w. Außerdem erlischt das Recht eines Abgeordneten, wenn die Bedingungen seiner Wählbarkeit aufhören. § 175. Um die Reihefolge des Austritts zu erlangen, werden sogleich bei dem ersten Landtag nach Verkündigung des Grundgesetzes, ingleichen nach jeder Auflösung (§. 166.) die Abgeordneten jeder Klasse unter sich darüber loosen, wer von ihnen vor dem zweiten, wer vor dem dritten und wer vor dem vierten ordentlichen Landtage auszutreten habe. Die spätere Erneuerung ergiebt sich dann von selbst.

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S ACHSEN -A LTENBURG § 176. Da, wo eine Stadt oder ein Amt nur Einen Abgeordneten zu ernennen hat, erlischt mit dessen durch das Loos (§. 175.) erfolgendem Austritt auch das Recht des für ihn gewählten Stellvertreters. Wo von einer Stadt oder von einem Amt mehrere Abgeordnete zu ernennen sind, ingleichen bei den Abgeordneten der Rittergutsbesitzer tritt mit jedem vermöge des Looses ausscheidenden Abgeordneten derjenige Stellvertreter aus der Reihe der Stellvertreter, der die mindeste Stimmenzahl hatte, und, wo diese gleich war, der an Jahren Jüngere.5 § 177. An die Stelle der ausscheidenden Abgeordneten und Stellvertreter wird von den Rittergutsbesitzern der Kreise und von den Wahlmännern der Städte und Aemter, denen die abgehenden angehörten, eine neue Wahl vorgenommen. Um diese Wahlen einzuleiten, hat die Landschaft dem Landesherrn die Ergebnisse der von ihr nach §. 174. 175. vorgenommenen Verloosungen anzuzeigen. § 178. Vater und Sohn, ingleichen Brüder können nicht zugleich als Abgeordnete eintreten. Wenn unter ihnen keine Einigung über einen freiwilligen Rücktritt erfolgt, so geht der Vater dem Sohne, der ältere Bruder dem jüngern vor.6 § 179. Jeder Staatsbürger folgt willig dem ehrenvollen Rufe als Wahlmann oder als Landesabgeordneter. Nur ärztlich bescheinigte Krankheit oder unverschiebliche Abwesenheit können davon entschuldigen. Ablehnungsgesuche gegen die Uebernahme der Pflichten eines Abgeordneten, oder Gesuche um Enthebung von denselben sind, außer der Zeit einer landschaftlichen Versammlung, bei der höchsten Stelle anzubringen und bescheinigt zu unterstützen. Im Genehmigungsfalle wird der betreffende Stellvertreter einberufen und dem landschaftlichen Vorstand davon Nachricht ertheilt. –

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Werden beiderlei Gesuche während einer landschaftlichen Versammlung veranlaßt, so sind sie an deren Vorstand zu richten und von diesem mit den übrigen Ständen zu erörtern. Im Genehmigungsfalle geschieht davon, behufs der Einberufung eines Stellvertreters, Anzeige beim Landesherrn.7 § 180. Für den verhinderten oder enthobenen (§. 179.) Abgeordneten eines Kreises, Amtes oder einer Stadt, welche mehr als Einen Abgeordneten sendet, tritt der mit den meisten Stimmen gewählte Stellvertreter ein. § 181. Ist der vorhandene einzige, oder, im Falle mehrere Abgeordnete und deshalb auch mehrere Stellvertreter zu wählen waren, sind diese Stellvertreter ebenfalls anderweit zu ersetzen, so erfolgt diese Ergänzung durch Diejenigen, welche bei der Wahlhandlung für die Stellvertreter, nach diesen selbst die meisten Stimmen erhalten haben: die Ersatzmänner.8 § 182. Wenn Staatsbeamte, aktive Militärs, Geistliche oder Schulbeamte die Eigenschaften besitzen, um zu wählen oder gewählt zu werden, so nehmen sie an dem Wahlgeschäfte Theil, ohne besondere landesherrliche Erlaubniß; sie bedürfen aber einer solchen, ehe sie eine auf sie gefallene Wahl annehmen. Diese Erlaubniß wird ohne erhebliche, in dem Wesen des Amts beruhende Gründe nicht versagt werden. Die Mitglieder des Herzoglichen Geheimen Ministeriums können nicht als Abgeordnete gewählt werden.9 § 183. Jeder Unterthan kann zwar, wenn er durch verschiedenen Grundbesitz oder Heimathsrecht mehr als einer Klasse beizuzählen ist, das Recht zu wählen in mehrern Klassen ausüben; gewählt werden kann er aber nur in Einer Klasse von Abgeordneten und nur in Einem Bezirk. Würde ein, dem Stande der Rittergutsbesitzer nicht Angehöriger (§. 188.) mehr als einmal gültig als

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) Abgeordneter erwählt, so hat er sich binnen drei Tagen nach erhaltener Kunde bei der Regierung zu erklären, für welche der gleichzeitigen Wahlen er sich entscheidet. Unterläßt er diese Anzeige, so erfolgt diese Entscheidung der Regierung ohne eine solche. 2. Besondere Erfordernisse der Wahlberechtigung für die Wahlen der Rittergutsbesitzer § 184. Um in der Klasse der Rittergutsbesitzer zu wählen oder gewählt werden zu können, ist neben den, §. 169. und 171. gedachten allgemeinen Voraussetzungen, der Besitz eines landtagsfähigen Ritterguts, ohne Unterschied der adlichen oder nicht adelichen Geburt des Besitzers, erforderlich. § 185. Jedes, einen abgesonderten Lehnskomplex bildende, von dem Lehnhof separat verliehene und der abgesonderten Disposition von Seiten des Lehnsbesitzers unterliegende Rittergut hat – unbeschadet der persönlichen Erfordernisse des Besitzers (§. 169. 171.) – Eine aktive und passive Wahlstimme. Das Verzeichniß der landtagsfähigen Rittergüter und gleichzeitig der gesammten möglichen Stimmenzahl der Rittergutsbesitzer ergiebt die Unterbeilage A. der Wahlordnung. Es steht dem Landesherrn frei, solchen Rittergütern, die bis jetzt nicht landtagsfähig sind, diese Eigenschaft zu verleihen. Bis dahin nehmen deren Besitzer an der Wahlberechtigung im Bauernstande Theil. Ein Besitzer mehrerer landtagsfähigen Rittergüter (§. 185.) hat eben so viel aktive Wahlstimmen; mehrere Besitzer oder eine ganze Genossenschaft von Besitzern eines Ritterguts-Komplexes haben nur eine aktive und passive Wahlstimme, über deren Vertretung durch Einen sie sich zu vereinigen und die Uebereinkunft bei dem Lehnhof anzuzeigen haben.

Bei künftigen Zerspaltungen von Rittergütern wird die Verwendung der Wahlstimme besonders erwogen, und im eintretenden Falle der Landschaft Gelegenheit zu Darlegung etwaiger Anträge gegeben. § 186. Nur die Hauptbelehnten, nicht aber die Mitbelehnten können wählen oder gewählt werden. § 187. Beim Wählen kann der Lehnsvormund den noch nicht volljährigen Lehnsbesitzer, der Ehegatte die verheirathete Lehnsbesitzerin und der volljährige Sohn die verwittwete oder geschiedene Lehnsbesitzerin vertreten. Die Fähigkeit, als Abgeordneter gewählt zu werden, steht dem Gatten einer Rittergutsbesitzerin und dem 25jährigen Sohn einer verwittweten oder geschiedenen Lehnsbesitzerin zu, nicht aber dem Lehnträger einer nicht verheiratheten.10 § 188. Ein Rittergutsbesitzer kann nur als solcher gewählt werden, nicht aber auch für eine andere Klasse von Abgeordneten, wenn er auch sonst dazu geeigenschaftet wäre. § 189. Wer in beiden Kreisen des Landes Rittergüter besitzt, kann nur da wählen und gewählt werden, wo er seine wesentliche Wohnung hat, oder, wenn er im Auslande lebt, wo das höher in der Lehnstaxe befindliche Gut gelegen ist. 3. Besondere Erfordernisse der Wahlberechtigung für die Städte und den Bauernstand § 190. Zur Bestellung von Wahlmännern (§. 168.) sind in den Städten Diejenigen befugt, welche neben den §. 169. genannten allgemeinen Erfordernissen das stetige Wohnrecht in einer Stadt oder deren Vorstädten, ingleichen einen eigenen Hausstand besitzen, und zugleich, wenn sie innerhalb der Stadt wohnen, städtische Abgaben, wenn sie in der Vorstadt wohnen, direkte

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S ACHSEN -A LTENBURG Steuern, mindestens die Schulsteuer, entrichten. § 191. Auf dem Lande, (wohin aber in dieser Beziehung die Marktflecken Gößnitz und Meuselwitz nicht zu rechnen,) muß Derjenige, welcher an der Bestellung eines Wahlmannes Theil nehmen will, außer den §. 169. genannten gemeinschaftlichen Erfordernissen, Eigenthümer eines bäuerlichen mit Wohnsitz versehenen Grundstücks oder doch eines blosen Wohnhauses seyn. § 192. Einer Wittwe und geschiedenen Frauenzimmern steht das Recht, an der Bestellung der Wahlmänner Theil zu nehmen, dann zu, wenn sie Eigenthümerin eines Hauses sind, und die Berechtigung durch einen volljährigen Sohn ausüben können. Eben so kann eine verheirathete Hausbesitzerin auf dem Lande an der Bestellung der Wahlmänner durch ihren Ehemann Theil nehmen lassen. Dieser kann aber hierdurch nicht 2 Stimmen erlangen. – Unverheirathete Frauen haben kein Stimmrecht. – Mehrfache Angesessenheit giebt nur ein einfaches Stimmrecht. § 193. In Beziehung auf das landschaftliche Wahlgeschäft werden zu den Städten auch die Vorstädte gerechnet, so daß die Bewohner der Vorstädte, welche sonst die in ” ” ” ” ” ”

der ” ” ” ” ” ”

Stadt ” ” ” ” ” ”

§. 192. erforderlichen Eigenschaften besitzen, an der aktiven Wahlfähigkeit und der passiven Wählbarkeit Theil nehmen können. § 194. Schutzverwandte (§. 108.), ingleichen Eingesessene und Ausmärker (Forenser im weitern und im engern Sinne, §. 91. 106.), und Handwerksbürger (§. 107.) nehmen an dem Vorrechte städtischer Wahlen keinen Theil. § 195. Die Marktflecken Gößnitz und Meuselwitz üben ihre landschaftlichen Wahlrechte in Gemeinschaft mit der Stadt Lucka aus (§. 168.), ohne daß jedoch hierdurch im Uebrigen ihre zeitherigen Verhältnisse geändert werden. Eben so werden die landschaftlichen Wahlrechte der Stadt Orlamünda nebst Naschhausen zusammen ausgeübt mit der Stadt Kahla, ohne daß dadurch dem selbstständigen Stadtrechte von Orlamünda Abbruch geschehen soll. § 196. Um als städtischer oder bäuerlicher Abgeordneter gewählt werden zu können, muß man neben dem Besitz der §. 171. benannten allgemeinen Eigenschaften, jährlich an Land- oder Handels- oder Grundoder Viehsteuer oder diesen zusammen wenigstens entrichten:

Altenburg Schmölln Lucka, und den Marktflecken Gößnitz und Meuselwitz Ronneburg Kahla und Orlamünda Roda Eisenberg

13 5½ 5 3½ 6 3½ 6

Thlr. ” ” ” ” ” ”

dann, soviel die Aemter betrifft, an Land- und Viehsteuern jährlich mindestens im ” ” ” ” 222

Amte ” ” ” ”

Altenburg Ronneburg Eisenberg Kahla Roda und den dazu gewiesenen Theilen des Amtes Kahla

25 13 11 11 6¼

Thlr. ” ” ” ”

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) Dabei wird es dem Ehemanne, der für seine Person das volle Ortsbürgerrecht besitzt, zu gute gerechnet, wenn die Ehefrau einen Theil des obgenannten Steuerquantums entrichtet.11 § 197. In den Städten wird den vorsitzenden Gliedern (Bürgermeistern, Stadtschultheißen, Stadtrichtern, Stadtältesten, Syndicus) der Stadträthe, ingleichen den andern stimmführenden Mitgliedern derselben und den Stadtverordneten, wegen der bei ihnen vorausgesetzten Kenntniß der Stadtverhältnisse und wegen ihres vermutheten Interesses an deren Wohlstand, auch ohne Rücksicht, ob sie Steuern oder Stadtabgaben entrichten, auf ihre Amtsdauer die Fähigkeit bewilligt, als Abgeordnete für ihre Stadt erwählt zu werden.

IV. Abschnitt Vorlegung der Wahlergebnisse an den Landesherrn12 § 198. Sobald alle Wahlen von der Landesregierung richtig gestellt sind, legt sie dem Landesherrn die Ergebnisse derselben (§. 3. der Wahlordnung) vor. Bei diesem Anlaß spricht sich der Landesherr über den Eintritt etwa gewählter Beamten (§. 182.) aus. Hierauf wird der landschaftliche Vorstand von den gewählten Abgeordneten durch die Staatsregierung in Kenntniß gesetzt, und jeder Abgeordnete erhält aus dem Geheimen Ministerium ein Wahldekret zu seiner Beglaubigung.

V. Abschnitt Bestimmung und Obliegenheiten der Landstände 1. Allgemeine Verpflichtungen § 199. Die Landstände sind im Allgemeinen verpflichtet, die Interessen aller Klassen und Stände der Unterthanen zu vertreten, und nicht das Interesse des einzelnen

Standes oder Bezirks, dem sie nach ihrem sonstigen Verhältniß angehören. § 200. Sie geloben Treue und Gehorsam dem Landesherrn und dem Gesetz; gewissenhafte Erwägung der an sie gelangenden Berathungsgegenstände, und Abgabe ihrer Stimme nach ihrer eigenen Ueberzeugung, und nach der Forderung des Rechtsgesetzes und des Nutzens für Herrn und Land. 2. Mitwirkung bei der Gesetzgebung und Verwaltung a. Bei Gesetzen, welche die Freiheit der Person oder das Eigenthum betreffen, insbesondere bei Steuerauflagen § 201. Bei allgemeinen neuen Gesetzen, welche die Freiheit der Personen oder das Eigenthum aller Staatsangehörigen, ingleichen die Grundverfassung und die Militäraushebung betreffen, ist ihre Mitwirkung dergestalt erforderlich, dass ohne ihren Beirath und ihre Zustimmung keines erlassen, kein bestehendes unter neuer Belästigung der Unterthanen abgeändert, und keines aufgehoben werden kann. § 202. Insbesondere wirken sie mit bei der Regulirung der den Unterthanen obliegenden Pflicht, die zur Erhaltung der Staatszwecke erforderlichen Mittel aufzubringen. § 203. Sie erörtern den Bedarf der verschiedenen Kapitel der Staatsverwaltung gemeinschaftlich mit der Staatsregierung. Zu Festsetzung der Finanz-Etats, (welche regelmäßig auf 4 Jahre, eine Verwilligungszeit oder Finanzperiode, geschieht,) ist das Einverständniß der Staatsregierung und der Landschaft erforderlich, so daß ohne Zustimmung der Stände kein Kapitel der laufenden Verwilligung dauernd erhöht, und ohne Zustimmung der Staatsregierung kein Kapitel der laufenden Verwilligung dauernd vermindert werden kann, insofern nicht der bestimmt bezeichnete Gegenstand und Zweck der Bewilligung weggefallen ist.

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S ACHSEN -A LTENBURG § 204. Die Landschaft ist verbunden, die zu anständiger Aufbringung (Dotirung) der erforderlichen, und deshalb vor dem Einnahme-Etat festzusetzenden, Ausgabesätze nöthigen Mittel zu bewilligen; es kann aber auch ohne landschaftliche Verwilligung kein Auflagegesetz (Steuerausschreiben) erlassen werden. Die zur Dotation eines bestimmten Ausgabeerfordernisses von der Landschaft erfolgende Bewilligung eines Etatssatzes kann, so wenig als bei Verwilligung neuer Abgaben an Bedingungen geknüpft werden. Letztere würden vielmehr, mit Ausnahme der Vorverhandlungen über Zweck und Dauer (modus und dies) unzulässig seyn. § 205. Alle Bewilligungen finden nur auf Anträge des Landesherrn Statt, insbesondere sind sofortige Bewilligungen für einzelne Personen oder Verwaltungszweige ohne dergleichen Anträge unzulässig. Doch bleibt der Landschaft nachgelassen, um landesherrlich Anträge auf dergleichen Bewilligungen zu bitten. § 206. Sollte ein Einverständniß über einen künftigen Finanzetat nicht erlangt werden können, und die Verwilligungszeit zu Ende gehen, so ist der Landesherr befugt, auf den Grund der bisherigen Etats die Verwilligungen noch Einmal auf Ein Jahr auszuschreiben, innerhalb dessen die Verhandlungen zum Schlusse zu bringen sind. § 207. Mit jedem Antrag auf Erneuerung des auf vier Jahre zu erlassenden Auflagegesetzes wird der Landschaft der Voranschlag des Ausgabebedarfs und der muthmaaslichen Einnahmen auf die bevorstehende, und die Rechenschaft über die Verwendung der Staatsgelder auf die abgelaufene Verwaltungsperiode zur Prüfung vorgelegt. § 208. Die nähern Grundsätze der Finanz-Verwaltung des Landes und der Domänen sind in der 2. Beilage des Grundge-

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setzes enthalten und bilden ein Theil desselben. § 209. Wenn die Stände sich veranlaßt finden, da, wo ihre Zustimmung zur Gültigkeit eines Gesetzes erforderlich ist, dieselbe abzulehnen, so haben sie dieß mit Anführung aller ihrer Gründe zu thun, damit der Landesherr den Gegenstand nochmals in Ueberlegung ziehen kann. b. Bei Gesetzen anderer Art § 210. Allgemeine Landesgesetze, welche nicht die Freiheit der Person und das Eigenthum aller Unterthanen betreffen, werden den Ständen zu ihrer Begutachtung mitgetheilt. Der Landesherr wird ihre Bemerkungen bei weiterer Erörterung der Sache in Erwägung ziehen, und sie benutzen, so weit Er es zweckmäßig erachtet.13 § 211. Reglementarische Verfügungen zur Ausführung bestehender Gesetze, Verordnungen, die aus dem Aufsichts- und Verwaltungsrechte fließen, polizeiliche Anordnungen, (insofern sie nicht die Freiheit der Person, oder das Eigenthum aller Unterthanen berühren, oder die Grundverfassung ändern [§. 201.]); ferner Vorschriften zur Sicherheit des Staats bedürfen der ständischen Begutachtung nicht; der Landesherr kann sie aus besondern Gründen erfordern. § 212. Die Verwaltung des Militärkollegiums ist der Landschaft wie dem Landesherrn wegen der Geldverwendung verantwortlich; – die Landschaft ist über Konscriptionsgesetze mit Beirath und Zustimmung zu vernehmen, und sie hat das Recht der Beschwerdeführung, wenn dem Konscriptionsgesetz entgegen gehandelt würde. § 213. Die Wirksamkeit der Landschaft in Angelegenheiten der Kirchen und Schulen richtet sich lediglich nach der vierten Abtheilung des Grundgesetzes.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) c. Bei Mängeln in der Gesetzgebung und Verfassung § 214. Die Landschaft hat das Recht und die Verpflichtung, dem Landesherrn die von ihr bemerkten Mängel in der Gesetzgebung anzuzeigen, und, unter genauer Angabe der Gründe, um Erlaß, Abänderung oder Aufhebung eines Gesetzes zu bitten, worauf Derselbe den Gegenstand erörtern lassen, und die Behörde zu Bearbeitung eines Gesetzentwurfs instruiren oder sonst das Nöthige beschließen wird. Die Gesetzvorschläge selbst gehen von der Staatsregierung aus.14 d. Bei Mängeln in der Verwaltung § 215. Es liegt ihr gleichmäßig ob, Regelwidrigkeiten in einzelnen Verwaltungszweigen, welche der Aufsicht der Oberbehörden und des Regenten auf die Dauer entgangen seyn möchten, zur Kenntniß des Landesherrn zu bringen, dessen Wunsch es ist, von jeder ungeeigneten Vorkommenheit in der, unter seiner obersten Leitung stehenden Staatsverwaltung Kunde zu erhalten. e. Vermittelung von Beschwerden einzelner Unterthanen, Korporationen und Orte § 216. Die Landschaft hat die Verpflichtung, Beschwerden einzelner Staatsangehörigen, Korporationen und Orte an den Landesherrn zu bringen. Es müssen diese jederzeit schriftlich bei der Landschaft angebracht seyn, und sie dürfen von ihr nur dann angenommen werden, wenn der Beschwerdeführer gehörig nachweist, daß er sich vorher, ohne Erfolg, an die geeigneten Landeskollegien und zuletzt an die höchste Stelle gewendet hat (§. 37.). Keine Vorstellung oder Beschwerde kann von der Landschaft an den Landesherrn anders gebracht werden, als wenn die Majorität derselben damit einverstanden ist.

f. Bei außerordentlichen Kommissionen § 217. In solchen Fällen, wo bei außerordentlichen, außer dem regelmäßigen Gang der Staatsverwaltung liegenden Ereignissen Kommissionen niedergesetzt werden, und dabei persönliche oder Geld-Leistungen der gesammten Unterthanen in Frage kommen, wird der Landesherr auch ständische Abgeordnete als Mitglieder zuziehen.

VI. Abschnitt Art der Ausübung der landschaftlichen Thätigkeit § 218. Die Landschaft übt ihre verfassungsmäßige Thätigkeit aus, entweder in voller Versammlung auf Landtagen, oder durch einen Ausschuß, die Landes-Deputation. 1. Vom Landtag a. Berufung, Eröffnung § 219. Der Landtag versammelt sich mindestens alle 4 Jahre auf Berufung des Landesherrn. Zu diesem Behufe erhält der Landschafts-Präsident ein Herzogliches Rescript und jeder der landschaftlichen Abgeordneten einen Ministerial-Erlaß. Die Berufung wird auch besonders durch das Amtsblatt kürzlich bekannt gemacht werden. § 220. Sollte ein berufener Landstand durch vorübergehende Ursachen am persönlichen Erscheinen bei einem Landtage schon vor dessen Anfange behindert seyn, so hat er davon beim Herzoglichen Geheimen Ministerium sogleich Anzeige zu machen, damit der betreffende Stellvertreter berufen werden könne. Urlaubsgesuche während des Landtags erledigt die Landschaft, und zeigt die bewilligten, wo die Einberufung des Stellvertreters nothwendig wird, der höchsten Stelle zu diesem Behufe an.15

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S ACHSEN -A LTENBURG § 221. Am Morgen des zu Eröffnung des Landtages bestimmten Tages und sobald die anwesenden Stände beim Landesherrn ihre Ankunft gemeldet haben, ordnet derselbe einen Kommissarius ab, um den neu eintretenden landschaftlichen Abgeordneten den Eid abzunehmen, dessen Inhalt §. 200. angegeben ist. § 222. Hierauf begiebt sich der Landesherr, gefolgt von den Ständen, in die Kirche, um den Segen des Höchsten anzurufen. Nach Vollendung der Andacht wird der Landtag eröffnet durch Mittheilung der Propositionspunkte, entweder vom Landesherrn persönlich oder durch Kommissarien in Seinem Namen. b. Landschaftliche Beamte § 223. Die landschaftlichen Beamten sind der Präsident der Landschaft, und dessen Gehülfe, der Landschafts-Syndikus und ein Protokollführer. § 224. Den Landschafts-Präsident ernennt der Landesherr aus der Zahl der Abgeordneten und Stellvertreter der Rittergutsbesitzer vor dem Eintritt jedes Landtags auf die Zeit bis zum Beginn des darauf folgenden Landtags.16 § 225. Der Gehülfe des Präsidenten wird von der Landschaft aus der Zahl der anwesenden Abgeordneten nach absoluter Stimmenmehrheit erwählt und vom Landesherrn bestätigt. Die Wahl geschieht in der zweiten Woche des Landtags und ist, ausgenommen den Fall der Auflösung der Stände, gültig bis zum Beginn des nächsten Landtags. Er vertritt den Landschafts-Präsidenten in solchen Abwesenheits- und Verhinderungsfällen, wo eine schriftliche Geschäftsverwaltung unthunlich ist; er unterstützt ihn überhaupt in seiner Amtsführung und ist Mitglied der Landes-Deputation.

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§ 226. Der Präsident ist Dirigent der Landschaft; er eröffnet die Eingänge, theilt die Vorträge aus, zeichnet (signirt), nebst dem Gehülfen die Entwürfe und Protokolle; er unterschreibt die Eingaben, leitet die landschaftlichen Erörterungen, zieht die Abstimmung, und vertritt bei öffentlichen Veranlassungen die Landschaft als deren Redner. § 227. Die Landschaft kann sich nie ohne seine Aufforderung und seine Theilnahme versammeln. Er ist zunächst verantwortlich für die Einhaltung aller gesetzlichen Bedingungen. Syndikus § 228. Der Syndikus besorgt alle von der Landschaft beschlossenen Ausfertigungen; er ist Sekretär und Archivar der Stände. Bekleidet ein Staatsdiener die Stelle, so wird er für die Dauer von Landtagen und Deputationstagen seiner Pflichten gegen den Landesherrn entlassen; dies geschieht zugleich mit der §. 221. gedachten Vereidung der Abgeordneten. Er wird von der Landschaft das erstemal gewählt für die Zeit bis zum Anfang des nächsten Landtages, und kann alsdann auf Lebenszeit gewählt werden. Er bedarf der landesherrlichen Bestätigung. Protokollführung und Schreiberei § 229. Die Landschaft erwählt für jede Versammlung einen geeigneten Protokollführer. Ist dies ein Staatsdiener, so benennt sie ihn dem Geheimen Ministerium mündlich, worauf derselbe, – wenn er irgend für die Zeit entbehrlich ist – auf die Dauer der Versammlung der herrschaftlichen Dienerpflicht entlassen wird. Die Schreiberei wird zunächst von angestellten Kanzlisten besorgt, welche jedesmal besonders verpflichtet werden, und Schreibegebühren erhalten.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) c. Geschäftsform § 230. Der Landschaftspräsident und neben ihm sein Gehülfe haben den Vorsitz; an sie reihen sich die übrigen Abgeordneten dergestalt, daß von den drei Abtheilungen des Landtags diejenige, welche zuletzt eingetreten ist, (und in Hinsicht einer gänzlichen Erneuerung der Landschaft diejenige, welche zuletzt ausscheiden wird) die letzten Plätze einnimmt. Die Glieder jeder Abtheilung loosen unter sich beim Beginn jedes Landtags, ohne Rücksicht der Klasse, der sie angehören. Der anderweite Eintritt eines Neugewählten bedingt keine Ausnahme. § 231. Die Verhandlungsform zwischen dem Landesherrn und der Landschaft geschieht entweder durch unmittelbare höchste Erlasse oder durch Ministerialmittheilungen.17 § 232. Der Landesherr ordnet Kommissarien zu mündlichen Eröffnungen und zur Theilnahme an den Berathungen in die Landstube ab. Zu letzterm Behufe theilt der Präsident jedesmal 2 Stunden vor Eröffnung einer Sitzung dem Vorsitzenden im Ministerium die Tagesordnung mit. § 233. Die landesherrlichen Kommissarien müssen so oft gehört werden, als sie es verlangen. Berufen sie sich auf Beibringung von Erörterungen und Nachweisungen, so wird auf ihren Antrag die Schlußfassung bis nach deren Vorlegung ausgesetzt. Kommen bei der Landschaft wesentliche Abänderungen von vorgeschlagenen Gesetzentwürfen und Bewilligungsanträgen in Frage, so ist die Erbittung und Zuziehung landesherrlicher Kommissarien unerläßlich. Sie verlassen die Landstube während der Abstimmungen; aber es kann dann nach ihrem Abtritt die Diskussion nicht von Neuem aufgenommen werden.

§ 234. Abgesehen von Fällen, wo landesherrliche Kommissarien nothwendig zugezogen werden müssen, kann die Landschaft auch vertrauliche Sitzungen ohne deren Beisein halten, in welchen jedoch niemals Beschlüsse gefasst werden dürfen. Letztere setzen vielmehr allemal eine solche Diskussion voraus, an welcher landesherrliche Kommissarien Antheil nehmen können. Es können daher die Berathungen und Niederschreibungen vertraulicher Sitzungen nicht öffentlich bekannt gemacht werden. § 235. Vom Präsident hängt es ab, ob er die zur Berathung vorliegenden Gegenstände selbst vortragen, oder ob er Referenten ernennen, oder sie durch eine Kommission begutachten lassen will. Letzteres kann auch in Folge eines landschaftlichen Beschlusses geschehen. Die Kommissionen werden durch Wahl bestellt, oder, wenn die Landschaft damit einverstanden ist, vom Präsident ernannt. § 236. Nachweisungen aus dem Geschäftsbereich der Obersteuer-Verwaltung und der Landesbank erhält die Landschaft durch die von ihr dahin präsentirten Mitglieder oder die Vorstände der genannten Behörden. Werden Nachweisungen aus andern Geschäftszweigen gewünscht, so wendet sich der Präsident dieserhalb an das Herzogliche Geheime Ministerium. § 237. Die landesherrlichen Eröffnungen werden jederzeit zuerst in Berathung gezogen. Während sie erwogen werden, sammelt zugleich eine Kommission der Landschaft die Gegenstände zu Bitten, Anträgen und Beschwerden. – Die Berathung über den Finanzetat muß so zeitig zum Schluß gebracht und das Ergebniß angezeigt werden, daß nach Befinden weitere Verhandlungen darüber Statt finden können. § 238. Niemand kann ohne Auftrag des Präsidenten eine an ihn gebrachte oder von

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S ACHSEN -A LTENBURG ihm ausgehende Petition selbst vortragen. Sie muß jederzeit schriftlich an den Präsident gebracht werden, welcher sie dann nach seinem Ermessen zum Vortrag austheilt. § 239. Anträge von einzelnen Abgeordneten müssen dem Präsident gleichfalls schriftlich übergeben oder außerhalb der Sitzungen dem Syndikus zur Niederschrift mitgetheilt werden. Es hängt vom Präsident ab, wem er sie zum Vortrag zutheilen will. Auf gelegentliche Aeußerungen und Anträge kann weder eine Erörterung noch Schlußfassung statt finden. § 240. Nach eröffneter und vollendeter freien Berathung erfolgt die Abstimmung. Jeder Abgeordnete gibt seine Stimme lediglich nach seiner eignen Ueberzeugung; Instruktionen dazu sind unzulässig. Bei wichtigern Gegenständen oder wenn sonst die Mehrheit solchen Aufschub begehrt, geschieht die Abstimmung nicht an dem Tage der Erörterung. Die Frage wird vom Präsident gestellt. Alle ständische Schlüsse, welche auf eine Angelegenheit des Landes Bezug haben, bedürfen der Sanktion des Landesherrn. § 241. Beim Stimmen gibt zuerst der Referent, dann der Präsident und dessen Gehülfe die Stimme, die weitere Stimmfolge beginnt von dem Nachbar des Referenten zur Rechten, und endigt bei jenem zur Linken desselben. Bei allen Schlußfassungen wird mit lauter Stimme und den Worten abgestimmt: Einverstanden! oder: nicht Einverstanden! Geheime Stimmgebung ist nur zulässig bei der Wahl des Gehülfen, der Mitglieder der Landes-Deputation, der Kommissionen, und des Syndikus. § 242. Es steht nur den landesherrlichen Kommissarien, dem Präsident und den Referenten oder Mitgliedern der ständischen Kommissionen zu, geschriebene Reden und

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Vorträge abzulesen, alle übrigen Mitglieder bedienen sich ausschließlich des mündlichen Vortrags. § 243. Die Schlußfassungen erfolgen nach der gewöhnlichen Stimmenmehrheit. § 244. Wenn Gerechtsame einer einzelnen der 3 Klassen von Abgeordneten in Frage kommen, so muß, um die Gültigkeit eines Beschlusses durch Stimmenmehrheit zu erlangen, die Mehrzahl der anwesenden Abgeordneten des betheiligten Standes – welchen dabei das Recht einer abgesonderten Berathung über die fraglich Angelegenheit zusteht – dieser Stimmenmehrheit beigetreten seyn. Im Gegenfalle wird die Vermittelung und nach Befinden Entscheidung des Landesherrn in Anspruch genommen, welche jederzeit unter Anführung der Gründe ertheilt werden wird.18 § 245. Die einzelnen Abgeordneten haben die Verpflichtung der Freimüthigkeit bei den Berathungen, wobei sich von selbst versteht, dass dieselbe innerhalb der gesetzlichen Grenzen bleiben muß. § 246. Sämmtliche Abgeordnete erhalten Reisekosten, auf die Meile der Reise von ihrem Rittergute (oder ihrem Heimathsorte, falls selbiger im Herzogthum Altenburg liegt), zum Orte des Land- oder Deputationstages und zurück, zusammen 1 ½ Thaler, ingleichen auf die Dauer der Versammlung Tagegelder, für die am Versammlungsorte wohnhaften Einen Thaler, für die auswärtigen Zwei Thaler täglich. Der gesammte Aufwand für landschaftliche Versammlungen wird aus der Obersteuerkasse bestritten. Der Präsident und Syndikus empfangen fixe Gehalte. § 247. Eine Uebersicht der Verhandlungen des Landtags wird durch die Landschaft öffentlich bekannt gemacht werden.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) Der Voranschlag und die Rechnungslegung der Obersteuerkasse, ingleichen die Resultate der Kammerverwaltung, (letztere während des Bestehens der jetzigen Finanzgrundsätze) werden beim Eintritt einer neuen Finanzperiode von der Staatsregierung öffentlich mitgetheilt werden (§. 76.). Alle Bekanntmachungen der Landschaft irgend einer Art erfordern die landesherrliche Genehmigung. d. Schluß des Landtags § 248. So wie keine Versammlung der Landschaft ohne Veranlassung des Landesherrn statt finden kann, so hängt auch die Schließung jeder Versammlung vom Landesherrn ab. Sobald sie ausgesprochen ist, geht die Versammlung ohne Weiteres auseinander. 2. Von der Landes-Deputation a. Zweck § 249. Die Landes-Deputation hilft die vom Landesherrn bestätigten Beschlüsse des Landtages, soweit es von landschaftlicher Seite geschehen kann, in Vollzug setzen; sie tritt vermittelnd ein bei erheblichern Anständen in der Finanzverwaltung, während des Laufs einer Finanzperiode, und bereitet, auf Veranlassung der Regierung, die Geschäfte der nächsten Versammlung vor. b. Zusammensetzung § 250. Die Deputation besteht aus dem Präsident, dessen Gehülfen und 6 Mitgliedern der Abgeordneten, welche bei jedem Landtag für die Zeit vom Schlusse desselben bis zur Eröffnung des künftigen durch Stimmenmehrheit aus der Zahl der Abgeordneten, und zwar zwei aus jeder Klasse, gewählt und vom Landesherrn bestätigt werden.

Unter den gesammten Mitgliedern der Landesdeputation müssen wenigstens zwei aus dem Kahla-Eisenbergschen Kreis seyn. Für den Fall des Abgangs von Mitgliedern der Landesdeputation sind zugleich einige Deputations-Stellvertreter aus der Zahl der Abgeordneten zu wählen und vorzuschlagen. c. Wirksamkeit § 251. Ihre Wirksamkeit äußert sich 1) bei der Gesetzgebung Der Landesherr kann Gesetzentwürfe, welche Er späterhin an die gesammte Landschaft gelangen lassen will, der Deputation vorlegen, um zuvörderst deren Ansicht zu vernehmen und die Berathung in der Landschaft zu erleichtern. § 252. Gesetzentwürfe, welche von der Staatsverwaltung auf Veranlassung landschaftlicher Anträge bearbeitet wurden, können der Deputation vorgelegt, und, wenn sich diese damit, unter Berücksichtigung der §. 260. enthaltenen Bestimmung, einverstanden erklärt, alsbald vom Landesherrn erlassen werden. 2) Bei der Finanzverwaltung § 253. Sobald sich wichtige Anstände bei der Kammer-, Steuer-, Militär- oder Bank-Verwaltung ergeben, deren längerer Aufschub wesentlichen Nachtheil bringen könnte, tritt die Wirksamkeit der Landesdeputation dahin ein, daß sie (ohne die Befugniß dauernder Bewilligungen zu besitzen) der augenblicklichen Verlegenheit durch Bewilligungen auf die noch übrigen Jahre der Finanzperiode oder durch Bewilligungen einmaliger Zahlungen oder durch geeignete Vorschläge und Vorstellungen abzuhelfen sucht. § 254. Wenn Anforderungen dieser Art von der Verwaltungsbehörde durch Vermit-

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S ACHSEN -A LTENBURG telung der höchsten Stelle an die Landesdeputation gelangen, müssen sie von der Behörde jederzeit genau nachgewiesen seyn.

desherrn um Berufung einer ständischen Versammlung oder Deputation zu bitten.

3) Bei den übrigen Zweigen der Verwaltung

e. Verhältnisse zur Landschaft und Geschäftsform

§ 255. Die Landesdeputation hat die Verpflichtung, verfassungswidrige Ereignisse zur Kenntniß des Landesherrn zu bringen, und auf Abhülfe anzutragen, wenn sie die Ueberzeugung hat, daß ein Aufschub solcher Anzeige bis zum nächsten Landtage wesentlichen Schaden bringen werde.

§ 260. Die Beschlüsse und Erklärungen der Landes-Deputation sollen, so weit möglich, den vorangegangenen, vom Landesherrn genehmigten landschaftlichen Beschlüssen entsprechen, und können nur dann von deren Sinn und Zweck abweichen dürfen, wenn dazu durch das Vorkommen neuer Thatsachen eine nothwendige Veranlassung gegeben wird. Doch ist im letzern Falle, wenn nicht Gefahr beim Verzuge ist, der Berufung von mindestens drei Mitgliedern der Deputation auf vorgängige Befragung der ganzen Landschaft nachzugeben.

4) Andere Befugnisse § 256. Sie hat das Recht, die von der Landschaft zu besetzenden Stellen in dem Magdalenen-Stift und der Carolinen-Töchterschule zu verleihen. Dieß geschieht jedoch, wenn nicht ohnehin Veranlassung zu einer Zusammenkunft vorliegt, auf schriftlichem Wege. § 257. Durch einen von der Landschaft mit absoluter Stimmenmehrheit gefaßten Beschluß können ihr überhaupt, unter Zustimmung des Landesherrn, auch noch andere Befugnisse der gesammten Landschaft zur interimistischen Wahrnehmung übertragen werden. d. Berufung § 258. Dem Landesherrn steht es frei, die Landesdeputation, sowohl wegen der jetzt genannten Gründe, als auch sonst, so oft zu versammeln, als Er deren Rath und Gutachten über irgend welche Gegenstände zu vernehmen wünscht. Die Berufung geschieht durch ein Rescript an den Landschaftspräsident oder, bei dessen Abwesenheit und Dringlichkeit der Ursache, an dessen Gehülfen. § 259. In den Fällen der §. 253. und 255. bezeichneten Art steht auch dem Landschaftspräsident die Befugniß zu, den Lan-

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§ 261. Es ist dem Ermessen der Deputation freigegeben, im Falle solche Angelegenheiten vorliegen, welche Verwilligungen auf mehr als Ein Jahr innerhalb der stehenden Finanzperiode und störende Etatsveränderungen zur mittelbaren Folge haben, und bei denen ein Aufschub nach der Natur der Sache möglich ist, entweder ihre Erklärung sofort abzugeben, oder auf Vernehmlassung gesammter Landschaft, und zwar vermöge deren persönlicher Einberufung, oder vermöge schriftlicher Befragung, anzutragen. Ehe solche Vernehmlassung geschieht, muß die Zustimmung des Landesherrn unter Mittheilung der von der Deputation gefaßten Ansicht eingeholt werden. § 262. Zur Gültigkeit der Beschlüsse bei der Landesdeputation gehört die Abstimmung der ganzen Mitgliederzahl, so daß die Abwesenden entweder schriftlich stimmen, oder, bei eiligern Veranlassungen, durch andere, vom Landschaftspräsident zugezogene Landesabgeordneten vertreten werden. Die Stimmenmehrheit giebt übrigens auch hier die Entscheidung.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) § 263. Wenn von einem Landtag bis zum andern ein Mitglied der Landesdeputation an der fernern Theilnahme an derselben gehindert ist, so beruft der Landschaftspräsident den ersten Deputations-Stellvertreter aus der Klasse des Abgegangenen (§. 250.) und präsentirt ihn zur landesherrlichen Bestätigung. § 264. Ueber die in der Zwischenzeit von einem Landtage zum andern vorgekommenen Zusammenkünfte der Landesdeputation ist der Landschaft bei ihrer nächsten Versammlung Vortrag zu erstatten. Die Landschaft ist an die vom Landesherrn bestätigten Beschlüsse der Landesdeputation gebunden. Mit Auflösung der Landstände ist auch die Deputation aufgelöst. § 265. Die Protokollführung und Expedition bei der Landesdeputation ist eine Geschäftsobliegenheit des Syndikus.

Allgemeine Bestimmungen über das Grundgesetz § 266. Die Bestimmungen des Grundgesetzes treten nach erfolgter Verkündigung

in Kraft und können nur im Einverständniß des Landesherrn mit der Landschaft abgeändert werden. Doch bleibt bis zur ersten Versammlung der Landschaft in Folge des Grundgesetzes die jetzige Landschaft in ihrer bisherigen Wirksamkeit. Im Falle einer nicht auszugleichenden verschiedenen Ansicht zwischen der Staatsregierung und Landschaft über die Auslegung einzelner Punkte tritt ein schiedsrichterliches Verfahren, nach Analogie des in der Oberappellations-Gerichts-Ordnung §. 41–44. verordneten ein; doch ist vor dessen Betreten ein nochmaliger Versuch einer Hinlegung im Erörterungswege zu machen. Die künftigen Regierungsnachfolger sind an das Grundgesetz gebunden, und werden dieß beim Regierungsantritte jedesmal noch besonders erklären. Jeder Beamte und Unterthan des Landes, die jetzigen und künftigen, sind durch den Akt seiner Verkündigung als auf das Grundgesetz verpflichtet zu betrachten, und machen sich durch dessen Ueberschreitung, auch wenn sie nicht besonders darauf verpflichtet sind, straffällig.19 Gegeben Altenburg, am 29. April 1831.

(L.S.) Friedrich, Herzog zu Sachsen. Joseph, Herzog zu Sachsen, Erbprinz von Sachsen-Altenburg. Karl Joh. Heinr. Ernst Edler v. Braun.

Karl Chr. v. Wüstemann

Chr. Gottfr. Hermann.

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ERSTE BEILAGE Wahlordnung20

I Allgemeine Vorschriften für die Wahlen in allen 3 Klassen der Landstände § 1. Die Wahl der Abgeordneten der Rittergutsbesitzer geschieht vermöge einer einzelnen Wahlhandlung; jene der Abgeordneten der Städte und des Bauernstandes geschieht vermöge zweier Wahlhandlungen durch Vermittelung von Wahlmännern. § 2. Für jede Klasse der Abgeordneten sind Stellvertreter in gleicher Zahl wie letztere selbst zu wählen. Die Wahl derselben geschieht nach Vollendung der Wahl der Abgeordneten, bei den mündlichen Wahlhandlungen an demselben Tag. § 3. Das ganze Wahlgeschäft erfolgt unter der Leitung und Aufsicht der Landesregierung. Diese ertheilt, auf dazu erhaltenen höchsten Befehl, die zur speciellen Leitung erforderlichen Aufträge, prüft die vorgenommenen Wahlen im Zusammenhalt mit den ihr vorzulegenden Stimmzetteln, und trägt dem Landesherrn die Ergebnisse vor, wenn sie nichts zu erinnern gefunden hat, oder ihre Erinnerungen beseitigt sind. § 4. Die Wahlmänner können sich nur in Folge landesherrlicher Aufforderung versammeln. Jeder nicht angeordnete Zusammentritt von Wahlmännern, um unter sich eine Verabredung über Gegenstände der Wahl zu treffen, ist gesetzwidrig, und zieht den Verlust der Theilnahme an der bevorstehenden Wahl, für die Urheber der Versammlung ernstere Ahndung, nach sich. § 5. Die Erwählung muß aus der freien Ueberzeugung der Stimmenden hervorgehen. Wer diese durch Gaben oder Versprechungen abzulenken sucht, fällt in die §.88. des Grundgesetzes enthaltenen Nachtheile.

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§ 6. Das Mitstimmen eines oder einiger nicht befugten Wahlmänner macht – unbeschadet des etwaigen Einflusses auf die Stimmenmehrheit für einen Erwählten – nicht die ganze Wahlhandlung ungültig. § 7. Bei jeder Wahlhandlung hat der Stimmende, vor der Abgabe seiner Stimme und nach vorgängiger Verweisung auf seine Unterthanen– und Bürgerpflicht, durch Handgelöbniß zu versichern, daß er solche ohne allen Einfluß und alle Nebenrücksicht lediglich nach freier eigener Ueberzeugung und so abgeben wolle, wie es dem Gesetz gemäß sey und wie er es dem allgemeinen Wohl am zuträglichsten halte. § 8. Eine Bevollmächtigung zur Abgabe einer Wahlstimme findet nicht statt. § 9. Das Nichterscheinen einzelner Stimmberechtigter bei der ersten oder zweiten Wahl (bei der Ernennung der Wahlmänner und bei der Wahl der Abgeordneten) thut der Gültigkeit des Wahlgeschäftes keinen Abbruch. Sollten aber weniger als 2/3 der bestellten Stimmberechtigten erscheinen, so ist auf Kosten der ungenügend oder gar nicht Entschuldigten ein neuer Wahltag anzusetzen. § 10. Die Wählenden erhalten keine Vergütung für Reiseaufwand oder Versäumniß; die erforderlichen Kommissionskosten werden aus der Obersteuerkasse bestritten.

II Besondere Vorschriften für die Klasse der Rittergutsbesitzer § 11. Die Erwählung der Abgeordneten der Rittergutsbesitzer und ihrer Stellvertreter geschieht, bis zu anderweiter gesetzlicher Bestimmung, auf schriftlichem Wege,

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) und in zwei Zeitabschnitten: im ersten Termin werden die Abgeordneten und im zweiten deren Stellvertreter gewählt. § 12. Sobald vom Landesherrn eine Wahl von Abgeordneten ausgeschrieben wird, theilt der herzogliche Lehnhof der Landesregierung ein beglaubigtes Verzeichniß der nach der persönlichen Befähigung zum Erwählen, ingleichen ein zweites, der zum Erwähltwerden berechtigten Rittergutsbesitzer mit. Die Regierung kann die Leitung des Wahlgeschäftes selbst besorgen, oder dazu einen Kommissarius aus ihrer Mitte ernennen, der jedoch nicht selbst Vasall seyn darf. § 13. Die Regierung oder deren Kommissarius erläßt nun an sämmtliche in dem ersten Verzeichniß aufgezeichnete Vasallen Schreiben, worin sie aufgefordert werden, zu der vorzunehmenden Abgeordneten-Wahl Stimmen an die Befähigten ihres Kreises abzugeben und wobei zugleich der unausgefüllte Entwurf einer Wahlerklärung, sowie eine Abschrift des vom Lehnhofe mitgetheilten Verzeichnisses der Vasallen, welche als Abgeordnete gewählt werden können, beigefügt wird. § 14. Der Entwurf der Wahlerklärung enthält zugleich eine Einschaltung, worin der Wählende (nach §. 7. der Wahlordnung) auf die von ihm geleistete Vasallenpflicht versichert, dieselbe nach freiem Willen und bestem Wissen zu bewirken. § 15. Das Aufforderungsschreiben der Regierung oder ihres Kommissarius kann entweder dem Vasallen oder Gerichtsverwalter, oder einem Beamteten auf dem Gute zur Besorgung übergeben werden. Die Einhändigung geschieht ohne Kostenzahlung von Seiten der Vasallen. § 16. Der Rittergutsbesitzer hat hiernächst den ihm zugegangenen Entwurf der Wahlerklärung mit den Namen der von ihm

aus seinem Kreis vorzuschlagenden Abgeordneten auszufüllen, und sendet sie sodann in einem kurzen, von ihm zu unterzeichnenden und zu versiegelnden Begleitschreiben, (worinnen er zugleich seine etwaigen Ausstellungen gegen das mitgetheilte Verzeichniß niederlegen kann) an die Regierung oder deren Kommissarius vor dem zur Eröffnung der Wahlerklärungen angesetzten ersten Wahltermine ein, indem er zugleich auf der Aufschriftsseite (Adresse) des Schreibens dessen Gegenstand andeutet. § 17. Eine auf diese Weise abgegebene Wahlerklärung kann nicht zurückgenommen werden. Diejenigen Stimmberechtigten, welche nicht vor dem angesetzten Termin ihre Wahlerklärungen eingeben, verzichten für diesesmal auf das Recht dazu; sollten weniger als 2/3 der erforderten Wahlerklärungen zeitig eingehen, so werden die Säumigen durch auf ihre Kosten abgesendete Warteboten an ihre Verpflichtung erinnert werden. § 18. Kurz vor dem Termin veranlaßt die Regierung drei ältere Glieder der Rittergutsbesitzer (zwei aus dem Altenburgischen und einen aus dem Kahla-Eisenbergischen Kreise), sich an dem festgesetzten ersten Wahltermin, als Beistände bei der Eröffnung der Wahlerklärungen, einzufinden und bei der Ermittelung der Wahlergebnisse mitzuwirken. § 19. An dem genannten Tage entsiegelt die Regierung oder deren Kommissarius im Beiseyn der drei ritterschaftlichen Beistände die eingegangenen Begleitschreiben, prüft deren Aechtheit, und ordnet und numerirt sie nach Maasgabe des ersten Verzeichnisses, indem zugleich die Namen der Nichtstimmenden aufgezeichnet werden. Die in den Begleitschreiben enthaltenen Wahlerklärungen werden, ohne sie Jemand mitzutheilen, alsbald zusammenge-

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S ACHSEN -A LTENBURG brochen, in die für jeden Kreis bestimmte abgesonderte Wahlurne gelegt, hierauf unter einander gemischt, und dann aus den, willkührlich aus den Wahlurnen zu ziehenden und unter Einsicht der Beistände zu eröffnenden Wahlerklärungen die Namen der Gewählten zum Protokoll gegeben. Hierauf werden die so eben angegebenen Stimmen zusammengezogen und die nach der relativen Stimmenmehrheit von den meisten Stimmen gewählten Namen in der Reihe der erhaltenen Stimmenzahl als Abgeordnete bezeichnet. Findet sich hierbei eine Stimmen-Gleichheit, welche es zweifelhaft macht, ob der Gewählte Abgeordneter werden kann, so entscheidet hierüber eine Loosziehung, welche von dem Kommissarius und dessen Beiständen, soweit diese nicht etwa selbst betheiligt sind, vorgenommen wird. § 20. Das Protokoll wird von den anwesenden Personen unterzeichnet und die Wahlerklärungen von ihnen eingesiegelt. War das Wahlgeschäft einem Kommissarius übertragen, so berichtet dieser über das Ergebniß mit Einsendung der Akten, und unter verwahrlicher Beilegung der versiegelten und mit einer Inhalts-Aufschrift zu versehenden Wahlerklärungen, an die Landesregierung zur Prüfung des vorgewesenen Geschäfts. § 21. Es wird hiernächst ungesäumt ein zweiter Wahltermin zur Wahl der Stellvertreter anberaumt, welche (mit Rücksicht auf den aus den Abgeordneten und Stellvertretern der Rittergutsbesitzer beider Kreise zu ernennenden Landschafts-Präsidenten) aus zehn wählbaren Rittergutsbesitzern bestehen. Es ergehen neue Aufforderungsschreiben an die Wahlberechtigten, in welchen ihnen das Ergebniß der Abgeordnetenwahl bekannt gemacht, und sie unter Benennung des zweiten Wahltermins zur zeitigen schriftlichen Abgabe ihrer Wahlerklärun-

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gen aufgefordert und zugleich die schon früher ernannten 3 Beistände zum persönlichen Erscheinen in dem Wahltermin eingeladen werden. Die Verfahrungsweise bei der Wahl der Stellvertreter ist derjenigen der Abgeordneten gleich, und es gelten dafür die oben (§. 13–20) gegebenen Vorschriften und Formen. Wird der Landschafts-Präsident vom Landesherrn (§. 224. des Grundgesetzes) aus der Zahl der Abgeordneten ernannt, so tritt der mit den meisten Stimmen versehene Stellvertreter des Kreises, dem der Präsident angehört, als Abgeordneter an dessen Statt ein.21 § 22. Für den Fall der Unzureichenheit der Stellvertreter ihres Kreises werden die zu Stellvertretern Vorgeschlagenen, welche sich in der Minorität befinden, als Ersatzmänner (§. 181. des Grundgesetzes) betrachtet. Für den Kreis, welchem der aus der Zahl der Abgeordneten ernannte Präsident nicht angehörte, ist der mit der mindesten Stimmenzahl ernannte Stellvertreter als erster Ersatzmann anzusehen.22 § 23. Die Ergebnisse beider Wahlen sind nach deren Berichtigung dem Landesherrn vorzulegen.

III Besondere Vorschriften für die Wahlen in den Städten und auf dem Lande § 24. In den Städten liegt die specielle Leitung der ersten Wahl – d.h. derjenigen, vermöge deren die Wahlmänner aufgestellt werden – den Herzoglichen Kreisämtern, auftragsweise, ob, insofern nicht dieserhalb in den einzelnen Stadtordnungen besondere Vorschriften enthalten sind. Für die beiden Wahlen des Bauernstandes haben die Herzoglichen Aemter Auftrag.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) § 25. Sobald landschaftliche Wahlen in der Klasse der Städte und des Bauernstandes angeordnet werden, ist zuvörderst eine Grundliste Derer aufzustellen, welche an der Ernennung von Wahlmännern Theil zu nehmen berufen sind.

Ernennung der Wahlmänner § 26. In den Städten wird diese Grundliste durch die Stadträthe, unter Theilnahme der Stadtverordneten; in den Aemtern durch die Ortsgerichtspersonen, unter Prüfung und Feststellung von Seiten der Aemter, entworfen. § 27. In künftig zu errichtenden Stadtordnungen ist möglichst der Bedacht darauf zu nehmen, daß dieselben Abtheilungs- und Geschäftsformen bei Aufstellung der Wahlmänner für die Stadtverordneten auch auf die landschaftlichen Wahlmänner anwendbar bleiben. § 28. Die Grundliste der Vorwähler, d.h. Derer, welche die Wahlmänner ernennen, wird nach den Hausnummern gefertigt, und enthält nach deren fortlaufender Nummer ein Verzeichniß aller hierzu berechtigten Staatsbürger. Die Erfordernisse dieser Berechtigung ergiebt das Grundgesetz, für die Städte insonderheit die §§. 169. 190. ff. und für das Land die §§. 169. 191. ff. desselben. § 29. Die Städte, Marktflecken und Dörfer sind in Wahlabtheilungen einzutheilen. In den Städten und Marktflecken werden die stimmfähigen Bewohner von je 15 Häusern zu Einer Wahlabtheilung gerechnet; wenn Häuser über die letzte Wahlabtheilung überschießen, so bilden deren Bewohner, im Falle ihre Zahl über 7 steigt, eine eigene Abtheilung, im Gegenfall stimmen sie mit der letzten Abtheilung und bilden mit derselben nur Eine Stimme.

§ 30. Auf den Dörfern sind die Wahlabtheilungen zu je 35–65. Gutssitzen oder Wohnhäusern abgetheilt, und dabei die Gerichtssprengel Drackendorf, Gleina, Rausdorf und Rabis vom Amt Kahla zum Amt Roda gerechnet worden. Das sich hiernach ergebene Verzeichniß der bäuerlichen Wahlbezirke, Unterbeilage B., ist bis zu einer gänzlichen Veränderung der zum Grund liegenden Verhältnisse beizubehalten, so daß die grundgesetzlich berechtigten Bewohner jeder in dem Verzeichniß genannten Wahlabtheilung Einen Wahlmann ernennen. § 31. Sowohl in den Städten, als auf dem Lande können, nach Befinden, auch zwei Abtheilungen zusammenstimmen, welche dann zwei Wahlmänner bestellen. § 32. Die Vorladung der Mitglieder der einzelnen Wahlabtheilungen geschieht von Seiten der Wahlbehörde a) durch öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt und beziehungsweise im örtlichen Nachrichtsblatt, und b) durch öffentlichen Anschlag der Grundliste am Rathhaus und, bezüglich der Marktflecken und Dörfer, an Gerichts- und Amtsstelle, c) und zugleich in den Städten durch Niederlegung eines Exemplars der Grundliste bei jedem Bezirks- oder Gemeindevorsteher, oder Viertelsmeister; und auf den Dörfern durch Niederlegung eines Verzeichnisses für die betreffende Wahlabtheilung bei dem Dorfrichter zur beliebigen Einsicht der Bewohner des Bezirks. Die Wahlbehörde hat diese Niederlegung zugleich durch den Druck mit bekannt zu machen. § 33. Die Vorwähler auf dem Lande werden nach dem Ermessen der Aemter entweder an den Amtssitz oder bequem gelegne Orte beschieden. § 34. Für jede Wahlabtheilung ist eine eigne Zeit genau zu bestimmen. Die Vorgeladenen müssen pünktlich zu

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S ACHSEN -A LTENBURG derselben erscheinen, und können weder mit einer frühern, noch spätern Wahlabtheilung stimmen. Auch kann Niemand, der nicht vorgeladen ist, und amtliche Verrichtungen hat, gegenwärtig seyn. § 35. Die leitende Wahlbehörde ernennt aus der Zahl der bestehenden Gemeindevertreter der Stadt und bezüglich den Ortsgerichtspersonen des Amtes 5 Mitglieder zu ihren Beiständen bei der ersten Wahlhandlung, wo möglich solche Personen, die nicht selbst zu Abgeordneten gewählt werden können. Von diesen sind wenigstens zwei stets anwesend und zeichnen die Abschnitte des Protokolls mit, während deren Aufnahme sie gegenwärtig waren.

ben, erfolgt die Aufzeichnung der letztern, in Anwesenheit wenigstens der Mehrzahl der Beistände; das Protokoll wird geschlossen, von diesen signirt, und dann von der leitenden Behörde bei der Herzoglichen Regierung mit Beischluß der Akten übergeben. § 41. Die Landesregierung prüft die Liste der bestellten Wahlmänner; findet sie wegen später bemerkter oder entschiedner Mängel die Ausscheidung eines Wahlmannes für nöthig, so hängt es von ihr ab, statt seiner den in der Stimmenzahl Nächstfolgenden einzuberufen, oder seine Stelle unbesetzt zu lassen.

§ 36. Der Wahlakt jeder einzelnen Wahlabtheilung beginnt damit, daß die Namen der nach der Grundliste zur Abtheilung Gehörigen aufgerufen werden. Die Nichterschienenen werden aufgezeichnet, und verzichten, unbeschadet der Gültigkeit der Handlung, auf ihr diesmaliges Wahlrecht; doch können sie zu Wahlmännern bestellt werden. Etwaige Einwendungen gegen die Grundliste sind auf der Stelle anzubringen und zu erörtern.

§ 42. Die Leitung der Hauptwahlen, (worin die Abgeordneten durch die bestellten Wahlmänner gewählt werden) geschieht in den Städten durch Kommissarien der Landesregierung, auf dem Lande durch die Herzoglichen Aemter. Die Wahlmänner von Orlamünda und Naschhausen werden nach Kahla beschieden. Die Wahl der Abgeordneten für Lucka, Gößnitz und Meuselwitz geschieht an einem dieser Orte oder in Altenburg.

§ 37. Nach Abstattung des feierlichen Handgelöbnisses (§. 7. der Wahlordnung) vereinigen sich die anwesenden Mitglieder der Wahlabtheilung über die Bestellung eines Wahlmannes aus ihrer Mitte. Dies geschieht mündlich durch relative Stimmenmehrheit.

§ 43. Nach erhaltenem Auftrag veranlaßt der Regierungs-Kommissarius in Ansehung der Städte die betreffende erbgerichtliche Behörde zur Bearbeitung der Steuer- und Wahllisten, auf deren Grund die Wahl der Abgeordneten erfolgt. In Ansehung der Dorfschaften wendet sich das Amt unmittelbar an die Steuer-Einnahmen.

§ 38. Abstimmungen für Andere mit Ausnahme der §. 192. des Grundgesetzes gedachten Fälle finden nicht statt. § 39. Der Name des von jeder Abtheilung bestellten Wahlmannes wird zum Protokoll verzeichnet und die Abtheilung entlassen.

2 Erwählung der Abgeordneten der Städte und des Bauernstandes durch die Wahlmänner

§ 40. Wenn alle Wahlabtheilungen auf diese Weise ihre Wahlmänner bestellt ha-

§ 44. Die Grundlage der Steuer- und Wahlliste ist ein vom Untersteuereinnehmer

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V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) auf Verlangen des Stadtrathes oder des Amtes amtlich auszufertigendes Verzeichniß aller Derer, welche in der Stadt und Vorstadt, und beziehungsweise in den betreffenden Marktflecken und Dörfern, den erforderlichen jährlichen Steuerbetrag an Land- oder Handels-, oder Grund-, oder Viehsteuern, oder diesen zusammen, und, beziehungsweise der Dörfer, an Land und Viehsteuern (§. 199. des Grundgesetzes) leisten. § 45. Die Steuereinnahmen sind verpflichtet, bei Fertigung dieser Listen in Anmerkungen anzuzeigen, wenn ihnen bekannt ist, daß einige ihrer Steuerpflichtigen auch andern Landessteuerbehörden Abgaben genannter Art entrichten. § 46. Die zuständige Behörde durchgeht hierauf das Steuerverzeichniß mit Zuziehung von Stadtverordneten oder der Ortsgerichtspersonen, ergänzt es in der obengenannten Beziehung wegen Derjenigen, die an mehr als Eine Steueruntereinnahme leisten, und scheidet alsdann aus dem empfangenen Steuerverzeichniß Diejenigen aus, welche in Entbehrung einer der §. 171. des Grundgesetzes genannten persönlichen Eigenschaften nicht als Abgeordnete gewählt werden können. Ist es auf diese Weise berichtigt und festgestellt, so wird es als Steuer- und Wahlliste für die ganze Stadt und bezüglich für das ganze Amt ausgefertigt. § 47. Schließlich fügt der RegierungsKommissarius der städtischen Steuer- und Wahlliste die Namen der nach §. 197. des Grundgesetzes in solche aufzunehmenden Rathsglieder und Stadtverordneten hinzu. § 48. Wenn auf diese Weise die Steuerund Wahllisten gehörig abgeschlossen sind, wird von dem Kommissarius der Regierung, oder, in Ansehung der Wahlen des Bauernstandes vom Amte, (wo möglich unter Mitabdruck der Steuer- und Wahlliste im

Amtsblatt) ein Wahltag angesetzt, zu welchem die Wahlmänner nach der dieserhalb vorliegenden Liste durch schriftlichen Umlauf und eine Bekanntmachung im Amtsund bezüglich dem örtlichen Nachrichtsblatt vorgeladen werden. § 49. Schriftliche Abstimmungen und Bevollmächtigungen finden nicht statt. § 50. Bei der Wahlhandlung selbst zieht der Regierungs-Kommissarius oder das Amt, wo möglich aus der Zahl nicht selbst Wählbarer, 5 Mitglieder der Stadtverordneten, oder eben soviel Gerichtspersonen zu, welche der ganzen Wahlhandlung beiwohnen und die darüber aufgenommenen Niederschriften mit zeichnen. § 51. Die Wahlhandlung beginnt mit Verlesung der vorgeforderten Wahlmänner, Aufzeichnung der Nichterschienenen und mit der Vorlesung zu Abgeordneten Wählbaren, nach der Steuer- und Wahlliste. Auch über diese können etwaige Bemerkungen angebracht werden, welche, im Falle sie nicht alsbald ihre Erledigung finden, der Herzoglichen Regierung vorzulegen sind. § 52. Eine Abschrift der Steuer- und Wahlliste wird schon vor der Wahlhandlung bei den Bezirks- oder Gemeindevorstehern oder den Viertelsmeistern zur Durchsicht niedergelegt. §.53. Die erschienenen Wahlmänner erstatten hierauf das gesetzliche Angelöbniß. Die im Voraus numerirten Stimmzettel werden gemischt und jedem Wahlmann einer zugestellt, welchen er eigenhändig mit dem Namen des von ihm aus der Zahl der nach der vorliegenden Steuer- und Wahlliste wählbaren Kandidaten zum Abgeordneten Gewählten versieht, und darauf in die Hand des Vorsitzenden zurückgiebt. § 54. Dieser ordnet nun die empfangenen Stimmzettel wieder nach den Numern,

237

S ACHSEN -A LTENBURG diktirt die Numern und die Namen der Gewählten zum Protokoll und zieht die Ergebnisse der Wahl. § 55. Zur vollen Gültigkeit dieser Wahl ist erforderlich, daß der Gewählte, oder, wo mehrere Abgeordnete zu wählen sind, diese Mehrere wenigstens ¼ der abgelegten Stimmenzahl erhalten haben. Ist dies nicht der Fall, so wird unter den 6, dann 5 und endlich 4 und weniger Kandidaten, welche die meisten Stimmen haben, so lange fort scrutinirt, bis die erforderliche Stimmenzahl erlangt wird. § 56. Bei Stimmengleichheit entscheidet in den Städten das höhere Bürgeralter, auf dem Lande das höhere Lebensalter. § 57. Sobald die Wahl des oder der Abgeordneten vollendet ist, wird zur Wahl des oder der Stellvertreter auf dieselbe Weise, wie vorangegeben und unter Beobachtung der gleichen Formen (§. 53. 55.) verschritten. Auch hier entscheidet Stimmenmehr-

heit, und, bei Stimmengleichheit, das höhere Alter. (§. 56.) Diejenigen, welche nach den Stellvertretern die meisten Stimmen haben, werden nach der Reihe der Stimmenzahl als deren Ersatzmänner betrachtet. (§. 181. des Grundgesetzes).23 § 58. Nach geschehener Wahl der Abgeordneten und Stellvertreter wird das Protokoll geschlossen und gezeichnet, und der Erfolg der Landesregierung mit Beifügung der Akten und Wahlzettel vorgelegt, welche dann die Wahlhandlung prüft und das Ergebniß dem Landesherrn anzeigt. § 59. Die Wirksamkeit der landschaftlichen Wahlmänner als solcher endigt sofort mit der Wahl; so wenig sie vorher über die Gegenstände ihrer Wahl Abreden treffen können, so wenig findet eine weitere Versammlung statt. Jede neue Wahl erfordert die abermalige Berufung und Verpflichtung der Wahlmänner durch die Behörde.

Unter-Beilage A Verzeichniß der Rittergüter, welchen das Stimmrecht in landschaftlichen Angelegenheiten zusteht

A im Altenburgschen Kreise 1) Dobitschen. 2) Ehrenhayn. 3) Falkenhayn. 4) Friedrichshaida. 5) Gauern. 6) Göllnitz und Großtauschwitz. 7) Haynichen. 8) Hayn. 9) Heukendorf. 10) Kauern. 11) Kauerndorf. 12) Kertschütz. 13) Langenleuba-Niederhayn. 14) Lehnitzsch.

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15) Löbichau. 16) Löhmigen. 17) Lohma. 18) Lumpzig. 19) Maltis. 20) Mannichswalde. 21) Meuselwitz und Schnauderhaynchen. 22) Mockern. 23) Mumsdorf. 24) Nischwitz. 25) Nobitz. 26) Nöbdenitz. 27) Oberlödla. 28) Oberzetscha. 29) Podelwitz. 30) Poderschau.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) 31) Pölzig. 32) Pöschwitz. 33) Pohlhof. 34) Ponitz. 35) Poschwitz. 36) Posterstein. 37) Prößdorf. 38) Rautenberg. 39) Reichstädt. 40) Röda, Tittmannisch. 41) Röda, Genzschisch. 42) Röpsen. 43) Romschütz. 44) Roschütz. 45) Rückersdorf. 46) Schelchwitz. 47) Schwanditz. 48) Selka. 49) Sommeritz. 50) Starkenberg. 51) Tegkwitz. 52) Teuritz. 53) Treben und Haselbach. 54) Unterau. 55) Unterlödla. 56) Untschen. 57) Volmershayn. 58) Weisbach. 59) Windischleuba vordern Theils. 60) Windischleuba hintern Theils. 61) Wolperndorf. 62) Zechau. 63) Zschöpperitz. 64) Zürchau. 65) Zumrode. 66) Zweitschen.

B im Kahla-Eisenbergschen Kreise 1) Altenberga. 2) Carsdorfberg.

3) Clengel. 4) Drackendorf. 5) Droschka. 6) Eichenberg. 7) Etzdorf. 8) Etzelbach. 9) Friedrichstanneck. 10) Gräfendorf. 11) Gumperda. 12) Göritzberg. 13) Gösen.  14) Haynchen obern Theils 15) Haynchen untern 16) Hartmannsdorf. 17) Haynspitz. 18) Kuhfraß. 19) Langenorla. 20) Möckern. 21) Naschhausen.  22) Niederkrossen obern Theils 23) Niederkrossen untern  24) Orlamünda obern Theils 25) Orlamünda untern  26) Ottendorf obern Theils 27) Ottendorf untern 28) Quirla, Trübigerisch. 29) Quirla, Listisch. 30) Rabis. 31) Rausdorf. 32) Reinstädt. 33) Rodias. 34) Rothe Vorwerk. 35) Schiebelau. 36) Schlettwein. 37) Schlöben. 38) Serba. 39) Spaal. 40) Törpla. 41) Uhlstädt. 42) Winzerla.  43) Zeutsch obern Theils 44) Zeutsch untern

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S ACHSEN -A LTENBURG

Unter-Beilage B Verzeichniß der Wahlbezirke in den Herzoglichen Aemtern, wie solche zu Bestellung von Wahlmännern für die Abgeordneten des Bauernstandes gebildet sind Numer des Wahlbezirks.

Ortschaften, welche den Wahlbezirk bilden.

I Kreisamt Altenburg Erste Abtheilung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. u. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. u. 23. 24. 25. u. 26. 27. 28.

Altendorf. – Cosma. – Kürbitz. – Kaymnitz. – Schlöpitz. – Löpitz. Burkersdorf. – Gleina. – Saara. Lehndorf. – Selleris. – Gardschütz. – Heiligleichnam. Mockern. Ehrenberg. – Zschechwitz. – Lehnitzsch. Illsitz. – Jauern. – Göldschen. – Röthenitz. – Nöbden. Gödissa. – Kratschütz. – Altkirchen. – Gnadschütz. – Köthenitz. Trebula. – Bohra. Gimmel. – Greicha. – Großtauschwitz. – Platschütz. – Kleintauschwitz Großstöbnitz. Zschernitzsch bei Schmölln. – Nedenitzsch. Kleinstöbnitz. – Kleinmückern. – Maltis. Taupadel. – Bornshayn. Nörditz. – Zürchau. – Löhmigen. Podelwitz. – Kultschau. Naundorf b. G. – Gieba. – Runsdorf. Zehma. – Greipzig. – Prisselberg. – Großmecka. Pfersdorf. – Koblenz. – Köthel. – Kauritz. Haynichen. – Götzenthal. – Gosel. – Waldsachsen. Merlach. – Zschöpel. – Dreusen. Ponitz. – Schönhayn. – Guteborn. Vollmershayn. Thonhausen. – Wettelswalde. Weisbach. Brandrübel. – Kummer. – Nitzschka. Zweite Abtheilung

29. u. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 240

Schönhayda. – Sommeritz. – Selka. Posterstein. Lohma. Nöbdenitz. – Raudenitz. – Kleinstechau. Großstechau. – Löbichau. Beerwalde. – Falkenau.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) Numer des Wahlbezirks. 36. 37. 38. 39. 40. u. 41. 42. 43. 44. u. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55.

Ortschaften, welche den Wahlbezirk bilden. Ingramsdorf. – Drosen. – Dobra. – Kakau. – Hartroda. Wildenbörthen. – Drogen. – Mohlis. Zagkwitz. – Untschen. – Burkersdorf. – Steinsdorf. – Schloßig. Beiersdorf. – Unterau. – Braunshayn. Pölzig. Reichstädt. – Bethenhausen. – Herschfeld. Sachsenroda. – Harthau. – Frankenau. Dobitschen. – Tauscha.– Obercossa. Lumpzig. – Craasa. – Dobraschütz. – Pontewitz. Rolicka. – Rodameuschel. – Prähna. – Meucha. – Göllnitz. Kertschütz. – Zschöpperitz. Schwanditz. – Breesen. – Mehna. – Naundorf. – Zweitschen. Romschütz. – Dölzig. – Creutzen. – Misselwitz. Starkenberg. – Untercossa. Göhren. – Gödern. – Lutschütz. – Crebitschen. – Schlauditz. – Lossen. Pöhla. – Posa. – Großröda. – Kleinröda. Petsa. – Tegkwitz. Monstab. – Oberlöda. – Rödigen. Dritte Abtheilung

56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. u. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78.

Unterlödla. – Steinwitz. – Drescha. – Wiesenmühle. – Kröbern. – Schelditz. Leesen. – Zechau. Poderschau, Alt- und NeuKriebitsch. Rositz. – Fichtenhaynichen. – Untermolbitz. Gorma. – Obermolbitz. Oberzetscha. – Zschernitzsch. Rasephas. – Kauerndorf. – Knau. Rautenberg. – Unterzetscha. – Gerstenberg. Zschaschelwitz. – Pöschwitz. – Primmelwitz. Lehma. – Trebanz. – Plottendorf. Fockendorf. Treben. – Haselbach. Serbitz. Thräna. Wintersdorf. – Heuckendorf. Gröba. – Neubraunshayn. Pflichtendorf. – Waltersdorf. Prößdorf. Breitenhayn. – Bünroda.

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S ACHSEN -A LTENBURG Numer des Wahlbezirks. 79. 80. 81. 82. 83.

Ortschaften, welche den Wahlbezirk bilden. Mumsdorf. – Teuritz. Schnauderhaynichen. Windischleuba. Poschwitz. – Remsa. – Schelchwitz. – Münsa. Borgishayn. – Pähnitz. – Pahna. Vierte Abtheilung

84. 85. 86. 87. 88. 89. u. 90. 91. 92. 93. u. 94. 95. 96. 97. 98. 99. 100. 101. 102. 103. 104. u. 105. 106. 107. 108. 109. 110.

Bocka. – Pöppschen. Niederleupten. – Cotteritz. – Craschwitz. Wilchwitz. Nobitz. Oberleupten. – Priefel. – Hauersdorf. – Garbus. – Clausa. Heyersdorf. – Dippelsdorf. – Ehrenhayn. – Nirkendorf. Lohma. – Zschernigen. Buscha. – Boderitz. – Wiesebach.  Langenleuba. Schömbach. – Neuenmörbitz. Steinbach. – Beiern. – Flemmingen. Frohnsdorf. Jückelberg. – Wolperndorf. – Göppersdorf. Garbisdorf. – Ulmsdorf. Oberarnsdorf. – Gößdorf. – Jesenitz. Heiersdorf. – Röhrsdorf. – Niederwiera. – Hartha. – Neukirchen. – Wickersdorf. Paditz. – Stünzhayn. – Modelwitz.   Rußdorf.  Zschaiga. – Mockzig. – Kleinmecka. – Tautenhayn. – Zumroda.

II Amt Ronneburg 1. u. 2. 3. 4. 5. 6. u. 7. 8. 9.

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Mannichswalde. Pillingsdorf. – Vogelgesang. Haselbach. Mensdorf. – Stolzenberg. Rückersdorf. – Paitzdorf. Friedrichshaida. Röpsen.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) Numer des Wahlbezirks. 10. 11.u. 12. 13. 14. 15. 16. u. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. u. 27.

Ortschaften, welche den Wahlbezirk bilden. Nischwitz. Jonaswalde. – Heuckewalde. Großenstein. – Baldenhayn. Linda. – Schmirchau. Reust. Kauern. – Lengefeld. – Poris. – Thränitz. Roschütz. Gessen. – Hilbersdorf. – Naulitz. Mückern. – Pöppeln. Dorna. – Wachholderbaum. – Hain. Raitzhain. Corbussen. Gauern. – Braunichswalde.

III Kreisamt Eisenberg 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. u. 16. 17.–19. 20.–22. 23. 24. 25. 26. 27. u. 28. 29. 30.

Ahlendorf. – Buchheim. Etzdorf. Königshofen. Thiemendorf. Walpernhayn. Gösen. – Haynchen. – Tünschütz. – Willschütz. Törpla. – Petersberg. – Stünzmühle. Aubitz. – Döllschütz. – Pretschwitz. – Rauschwitz. – Schmörschwitz. Nischwitz. – Carsdorfberg. – Hohendorf. – Graitschen. Droschka. – Hetzdorf. Clengel. – Göritzberg. Serba. Haynspitz. Saasa. – Friedrichstanneck. Weisenborn. Klosterlausnitz. Hermsdorf. Reichenbach. St. Gangloff. Oberndorf. Kraftsdorf. – Rüdersdorf. Reichardsdorf. – Tautenhayn. Seifarthsdorf. – Mühlen a. d. R. – Cursdorf. Hartmannsdorf. – Rauda.

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S ACHSEN -A LTENBURG Numer des Wahlbezirks.

Ortschaften, welche den Wahlbezirk bilden.

IV Amt Roda 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. u. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. u. 26. 27. 28. 29. 30.

Haynbücht. – Gernewitz. Podelsatz. – Gröben. Schlöben. – *Rabis. – Zöttnitz. (*Rabis vom Amte Kahla zum Amte Roda verwiesen.) Mennewitz. – Trockhausen. – Lotschen. Gleina. Großlöbichau. – Lucka. Scheiditz. – Albersdorf. Ruttersdorf. – Dorna. Bollberg. Schleifreisen. St. Gangloff. Mörsdorf. Quirla. Möckern. – Uhlrichswalda. Tissa. – Tröbnitz. Geisenhayn. – Meusebach. Waltersdorf. – Erdmannsdorf. Lippersdorf. Ottendorf. – Eineborn. Tautendorf. – Hellborn. Kleinebersdorf. – Unterrenthendorf. Weisbach. – Carlsdorf. – Rattelsdorf. Bremsnitz. *Rausdorf. – *Laasdorf. (*Rausdorf und Laasdorf, vom Amte Kahla zum Amte Roda verwiesen.) *Drackendorf. – *Ilmnitz. (*Drackendorf und Ilmnitz, vom Amte Kahla zum Amte Roda verwiesen.) *Zöllnitz. (*Desgleichen.)

V Kreisamt Kahla 1. 2. 3. 4. 5. 6.

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Oberhasel. – Kolkwitz. Mötzelbach. – Ammelstädt. – Gräfendorf. Etzelbach. Kuhfras. – Kleinkochberg. – Neusitz. Schmieden. – Heilingen. – Winzerla. Engerda.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) Numer des Wahlbezirks. 7. 8. 9. 10. u. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. u. 35. 36. 37. 38. u. 39. 40. 41. u. 42.

Ortschaften, welche den Wahlbezirk bilden. Dorndorf. – Röbschütz. Beutelsdorf. – Partschefeld. Zeutzsch. Uhlstädt. Obercrossen. – Kleincrossen. – Rückersdorf. Niedercrossen. Freienorla. – Schweinitz. Langenorla. – Saalthal. – Bucha. Dienstädt. – Bucha. Eichenberg. – Bibra. Gumperda. Zweifelbach. – Geunitz. Reinstädt. Röttelmisch. Drösnitz. – Keslar. – Wittersroda. Meckfeld. – Zimmritz. – Großcröbitz mit Kleincröbitz. Rodias mit den Rückersmühlen. – Gleina. – Schirnewitz. – Zwabitz. Altenberga. – Greuda. Altendorf. – Schöps. Oelcknitz. Großbockedra. Kleinbockedra. – Sulza. Oberbodnitz. – Magersdorf. Großpürschütz. – Jägersdorf. Unterbodnitz. – Kleinpürschütz. Obergneus. – Untergneus. Trockenborn mit Wolfersdorf. – Seitenbrück. Seitenroda. Hummelshayn. Schmölln. – Kleineutersdorf. Lindig. Löbschütz. – Großeutersdorf. Bemerkung. Die zum Amtsbezirk Kahla gehörenden Gerichtsbezirke Drackendorf, Rausdorf und Rabis, ersterer mit den Gerichtsdörfern Ilmnitz, Laasdorf und Zöllnitz, sind ihrer Localität wegen zum Wahlbezirk Roda verwiesen worden.

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S ACHSEN -A LTENBURG

ZWEITE BEILAGE Nähere Grundsätze der Finanzverwaltung

I Allgemeine Bestimmungen § 1. Es besteht Einheit des Kameral- und landschaftlichen Interesse dergestalt, daß Kameral- und Landeseinkünfte, ungeachtet der in Ansehung der Verwaltung derselben bestehenden Trennung, unter vorausgesetzter Fortdauer der jetzigen Staatsverhältnisse, und unbeschadet der bestehenden Patrimonial-Eigenthumsrechte des Herzoglichen Hauses an dem gesammten Kammervermögen und den Regalien, ihrem Wesen nach genau verbunden sind. § 2. Obgleich die einzelnen Bestimmungen und Obliegenheiten der Kammer- und Obersteuerkasse gegenseitig nicht genau geschieden sind, so soll doch, (unbeschadet der jetzigen etwa im Einzelnen abweichenden Einrichtungen) der Kammer zunächst obliegen: die landesherrliche Civilliste (vorbehältlich des schon bisher bestehenden landschaftlichen Beitrags zu derselben); die Kosten ihrer eigenen Verwaltung, die Erhaltung des Kammervermögens; die Erhaltung der Landstraßen und Chausseen; der Aufwand auf die landesherrliche Gerichtsbarkeit bei den Herzoglichen Aemtern und Herzoglichen Gerichten; Beiträge zu gemeinnützlichen Anstalten; die Verzinsung ihrer Schulden; – der Obersteuerkasse dagegen: ein Beitrag zur landesherrlichen Civilliste; die Kosten der Landesbehörden mit Ausnahme der Kammer; die Zuschüsse für Geistliche, für Schulen und für Bildungsanstalten, welche nicht stiftungsmäßig der Kammer obliegen; die Erhaltung der Armen-, der Medizinal-, der Polizei- und der Strafanstalten; eine Unterstützung der Kammer bei größeren Straßenbauten, wenn hierzu eine besondere landschaftliche Bewilligung erfolgt ist; Beiträge zum Uferbau

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bei Strömen und Flüssen; die Kosten der Bundesverhältnisse und der diplomatischen Agenten; des Militärs; der landschaftlichen Versammlungen; die Kosten der Geschäftsvorfälle in Landes-Hoheitssachen; die Verzinsung ihrer Schulden.

II Besondere Vorschriften wegen der Kammerverwaltung § 3. Die Kammerausgaben werden nach einem unter landschaftlicher Beistimmung festgestellten Kammer-Etat normirt, dergestalt, daß derselbe in den Hauptsummen auf keine Weise einseitig, sondern nur mit landschaftlicher Beistimmung überschritten, oder die etatmäßige Einnahme durch willkührliche einseitige Verfügungen vermindert werden kann. § 4. Der Kammerverwaltung bleibt die freie Befugniß innerhalb der jedesmaligen Finanzperiode, durch den Minderbedarf in dem einen oder andern Ausgabe-Kapitel, oder durch den Mehrertrag einzelner Einnahme-Kapitel den vorübergehenden Mehrbedarf bei andern Ausgabe-Kapiteln zu decken, und minder bedeutende Erlasse regelmäßiger Einnahmen auszugleichen. § 5. Diese Kompensationsbefugniß kann eine einseitige dauernde Erhöhung ganzer Ausgabe-Kapitel, oder eine einseitige dauernde Verminderung ganzer Einnahmesätze nicht begründen; beides kann nur in Folge einer Vereinigung mit der Landschaft eintreten. § 6. Bei jeder neuen Finanzperiode werden die Kapitel der Kammereinnahme und Ausgabe unter Zustimmung der Landschaft auf den Grund immittelst erlangter Erfahrung und mit Beachtung der zu anständiger

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) Dotirung der erforderlichen Ausgabesätze vorliegenden Mittel festgestellt. § 7. Der also festgestellte Kammer-Etat ist unter landschaftliche Garantie gestellt, so daß für die jedesmalige Verwilligungszeit die Deckung des im Etat sich berechnenden Ausgabenüberschusses bei der Kammerverwaltung, oder des wegen unabwendbarer Ausfälle bei der Kammereinnahme sich ergebenden Mehrbedarfs der Kammerhauptkasse aus der Obersteuerhauptkasse gewährt wird. § 8. Bei jeder Finanzperiode ist ein entsprechender Reserve-Fonds zur Deckung minder bedeutender und unerwarteter Ausgaben zur Verfügung der Staatsregierung zu stellen, und eben so auf einen TilgungsFonds der Schulden Bedacht zu nehmen. § 9. Wenn im Laufe einer Verwilligungszeit sich solche unvorhergesehene außerordentliche Bedürfnisse bei der Kammerkasse ergeben, daß sie von den laufenden Einnahmen nicht bestritten werden können, so ist die Landes-Deputation davon in Kenntniß zu setzen, und diese hat für jedes nothwendige Bedürfniß auf geeignetem Wege baldmöglich Abhülfe zu verwilligen. Einstweilen ist die Kammerverwaltung befugt, nach Berathung im Finanz-Kollegium und mit landesherrlicher Zustimmung, eine Summe von 3000 Thalern aus der Steuerhauptkasse für die Dauer der laufenden Verwilligungszeit zu erheben. § 10. So lange der Kammer-Etat noch einer Aushülfe aus Steuermitteln bedarf, ist die letztere nicht unter dem Gesichtspunkte eines wiederzuersetzenden Vorschusses, sondern eines der Kammerkasse für immer bleibenden Zuschusses zu betrachten. Nur die über den festgesetzten und bei den Verwilligungen zu Grunde gelegten KammerEtat nach §. 9. aus der Obersteuerkasse etwa gemachten, nicht vorher verwilligten,

aushülflichen Zahlungen können als Vorschüsse betrachtet, und ein Wiederersatz aus der Kammer, falls deren Lage bis dahin sich gebessert hat, beim nächsten Landtage beantragt werden. Alle im Laufe der abgewichenen Finanzperiode aus der Obersteuerkasse in die Kammerkasse geleisteten Zahlungen sind, wenn nicht bei Gelegenheit des nächsten Finanz-Etats deren Wiederersatz bestimmt wird, als nachträglich verwilligt anzusehen, und nicht wieder in Anspruch zu nehmen. § 11. Die Staatsregierung ist zur pfleglichsten Bewirthschaftung des KammerVermögens und zur Benutzung einer jeden, sich zu dessen Verbesserung und Vermehrung darbietenden Gelegenheit verbunden. Heimfallende Lehngüter wachsen dem Vermögen des Herzoglichen Hauses zu, und werden der Verwaltung der Kammer überwiesen. Der Ertrag der 5 ersten Jahre nach dem Heimfall fließt in die landesherrliche Schatulle; der der künftigen in die Kammerkasse, wo er zunächst zur Verbesserung der Civilliste bestimmt ist. § 12. So lange aus der Obersteuerkasse außerordentliche Zuschüsse zur Kammerkasse (mit Ausnahme der zur Kammer fließenden und einer Zurücknahme nirgends unterliegenden Landesabgaben und der Beiträge zur Civilliste) geleistet werden, so lange ist zugleich durch gemeinsame Ermittelung festzusetzen und im Etat einzutragen, welche Beiträge der etwa überschießenden Kammer-Einnahme zur Amortisation der Kammerschulden, oder zur Verbesserung des Kammervermögens, oder nächstdem unmittelbar zu Landesbestem zu verwenden sind. § 13. Von dem Zeitpunkte an, wo dergleichen außerordentliche Zuschüsse nicht weiter statt finden, und wo das jetzige Kammer-Vermögen schuldenfrei geworden seyn

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S ACHSEN -A LTENBURG wird, hat der Landesherr die alleinige Verfügung über die Verwendung der Kammer-Ueberschüsse. Doch wird auch dann noch der Landschaft bei jedem Landtag eine Uebersicht über die Resultate der Kammer-Verwaltung vorgelegt, und die letztere bleibt auch der Landschaft dafür verantwortlich, wenn das Kammer-Vermögen willkührlich vermindert wird, oder neue Schulden gewirkt werden. § 14. Gleich wie das ganze jetzige Kammer-Vermögen nach dem §. 3. und 18. des Grundgesetzes unveräußerlich ist, so kann auch in Bezug auf die dadurch entstehende Veränderung der Einnahmen und Ausgaben ohne vorherige landschaftliche Zustimmung keine neue Kammerschuld gewirkt werden. Schulden, ohne ausdrückliche Zustimmung der Landschaft auf die Kammer gewirkt, sind unverbindlich für beide. Jede Kammerobligation, die nicht Kautions-Kapitale betrifft oder über ein neues Kapital nur zur Tilgung eines gleichgroßen ältern ausgestellt ist, muß zu ihrer Gültigkeit ein Zeugniß des Geheimen Ministeriums über die ständische Zustimmung erhalten, sowie in Obligationen über Kautionsoder solche Kapitalien, die an die Stelle älterer treten, diese Bewandniß gleichmäßig angegeben seyn muß. § 15. Die Mitglieder des Kammer-Kollegiums sind für die Befolgung obiger Vorschriften dem Landesherrn und der Landschaft persönlich verantwortlich.

III Besondere Vorschriften für die Obersteuerverwaltung § 16. Der Etat der Obersteuerkasse beruht ebenfalls auf einer Uebereinkunft der Staatsregierung mit der Landschaft. § 17. Die von der letztern für die einzelnen Zweige des Dienstes bewilligten Kapi-

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telsummen dürfen im Laufe einer Finanzperiode nicht willkührlich überschritten werden. Zu außerordentlichen im Etat nicht vorgesehenen Ausgaben bedarf es der Zustimmung der Landesdeputation. § 18. Um die Staatsregierung in den Stand zu setzen, kleinere unerwartete Ausgaben, welche ihrer Natur nach der Obersteuerkasse obliegen, zu befriedigen, wird ihr auf jede Etatsperiode von 4 Jahren ein Reservefonds von 6000 Thalern überwiesen, über welchen sie nach eigener Ueberzeugung verfügen kann. Die diesfallsigen Ausgabebelege enthalten den Zweck der Verwendung. § 19. Wegen der in den §§. 17. und 18. getroffenen Vorsehungen finden Auszahlungen auf zu hoffende ständische Genehmigung nicht statt. § 20. Die Verwaltung der Obersteuerkasse und der ihr angewiesenen Einnahmequellen ist einem Landes-Kollegium übertragen, bei welchem der Landschafts-Präsident und ein Mitglied der von der Stadt Altenburg gewählten landschaftlichen Abgeordneten landschaftliche Beisitzer für die Steuer-Sachen und Angelegenheiten des Finanz-Kollegiums sind. Der Landschafts-Präsident kann für die Zeit seiner Abwesenheit von der Residenzstadt einen ritterschaftlichen Abgeordneten substituiren; dieser muß aber wo möglich in der Stadt, oder doch deren Nähe wohnen. § 21. Verfügungen zu Auszahlungen, die nicht auf Dauer angeordnet (sogenannte Ordinaria) sind, bedürfen im Entwurf die Zeichnung (Signatur) mindestens von Einem landschaftlichen Beisitzer. § 22. Die in Folge der Etatsverhandlungen vorkommenden, so wie überhaupt alle Anordnungen von Zahlungen ergehen von

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) Seiten des Landesherrn, und, was die ständigen oder den eigenen diesfallsigen Verwaltungs-Aufwand der Obersteuerbehörde betrifft, von dieser im Namen des Landesherrn. § 23. Die Schulden der Obersteuerkasse können nicht willkührlich erhöht werden. Zur Gültigkeit jeder neuen Schuldurkunde für die genannte Kasse gehört die Mitunterschrift der beiden landschaftlichen Mitglieder der Obersteuerbehörde, wobei der Landschaftspräsident von seinem Substituten bei der Obersteuerbehörde vertreten werden kann. § 24. Es ist bei jedem Etat der Bedacht auf einen Schuldentilgungsfonds zu nehmen. In Ansehung des jetzigen Schuldenbetrags sind hierüber besondere Festsetzungen zu treffen. Künftig darf keine neue Schuld ohne gleichzeitige Angabe und Einführung eines Tilgungsfonds von mindestens 1 Procent gewirkt werden. § 25. Die Mitglieder der Obersteuerbehörde sind für die Aufrechthaltung obiger Vorschriften dem Landesherrn und der Landschaft persönlich verantwortlich.

IV Vereinigung der Interessen der Kammerund Obersteuer-Verwaltung im Finanzkollegium. § 26. Damit die Interessen der Kammer und Hauptsteuerverwaltung auch außer dem Landtag eine regelmäßige Verbindung erhalten, treten die Behörden, denen sie übertragen sind, für mehrere Gegenstände in Ein Kollegium, das Finanz-Kollegium, zusammen. § 27. Dieses ist als solches dem Landesherrn und der Landschaft verantwortlich; und ihm ist die gemeinsame Berathung aller, auf Abänderung der bestehenden Etats,

auf größere Einnahme-Erlasse, bedeutendere unvorhergesehene Ausgaben für beide Kassen sich beziehenden Fälle übertragen; so daß jede Behörde, bevor sie Anträge dieser Art an die höchste Stelle bringt, zuvor deren Erörterung im Finanzkollegium veranlassen muß. Auch ist die Zustimmung des Finanzkollegiums erforderlich, wenn von Seiten der Kammerverwaltung beabsichtigt wird: die Ablösung von Zinsen, Diensten und dergleichen Leistungen; der Verkauf entbehrlicher Gebäude; die Veräußerung kleiner Grundstücke aus staatswirthschaftlichen Rücksichten, zu Beförderung der Landeskultur oder zu Aufhebung einer nachtheiligen eigenen Verwaltung, oder zu Beendigung eines, über Eigenthums- oder Dienstbarkeitsverhältnisse anhängigen Rechtsstreites. Der Erlös muß jedoch unter Mitwirkung des Finanz-Kollegiums zu neuen Erwerbungen verwendet, oder einstweilen als Amts-Kapital zinsbar gemacht werden. § 28. Die Kammerrechnung wird außer eigner Revision beim Kammer-Kollegium der Prüfung der Obersteuerbehörde unterworfen; und die Obersteuerrechnung nach eigner Revision in der Obersteuerbehörde der Prüfung des Kammer-Kollegiums unterzogen. Die gegenseitigen Bemerkungen werden im Finanzkollegium erörtert, und, wenn die Monita sich nicht erledigen, dem Geheimen Ministerium zur Entscheidung vorgelegt. § 29. Jede Jahresrechnung, sowohl der Kammer- als der Obersteuer-Kasse, wird hierauf der höchsten Stelle vorgelegt. Gegen Ende des letzten Verwilligungsjahres einer Finanzperiode empfängt dieselbe Bericht über den Voranschlag zur nächstkünftigen und Rechenschaft über die nächstabgelaufene. § 30. Der Posten eines KammerPräsidenten soll nie mit dem eines Direktors

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S ACHSEN -A LTENBURG der Obersteuerbehörde vereinigt werden.

V Von der Landesbank und den Fonds einiger Landes-Institute § 31. Unter der Oberleitung des Finanz-Kollegiums, dem Landesherrn, wie der Landschaft verantwortlich, steht die Landesbank, in Gemäßheit der darüber vorhandenen Vorschriften. § 32. Ueber das Vermögen der Zuchtund Irrenhäuser, des Brandassekurationsund anderer Institute, welches durch eigne Beiträge der Unterthanen oder aus der Landeskasse gebildet ist, kann nicht ohne Zustimmung der Landschaft verfügt werden. § 33. In Ansehung der zum Besten der Wittwen und Waisen der Diener bestehenden Diener-Wittwen-Societät wird bestimmt, daß die Gewährleistung für das Vermögen dieses Instituts auch ferner von der Landschaft übernommen wird, wogegen ihr Mittheilung der jährlichen Rechnung und überdies eine nähere Theilnahme an der Leitung der Anstalt durch Aufnahme eines landschaftlichen Abgeordneten in die Ober-Verwaltung der Wittwen-Societät zugesichert wird. § 34. So wenig das Kapital der Wittwensocietät von der Staatsregierung je zu andern Zwecken verwendet werden kann, so wenig kann dies mit dem Vermögen des Pensionsfonds geschehen. Ueber die nähern Verhältnisse des letztern wird von Seiten der Staatsregierung Bestimmung getroffen werden. Die jährlichen Rechnungen werden der Landschaft mitgetheilt.

1

Ediert nach Grundgesetz für das Herzogthum Sachsen-Altenburg, Jahrgang 1831, Nr. 10, Altenburg, S. 71–175.

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Das Grundgesetz wurde am 9. April 1831 beschlossen und am 29. April 1831 unterzeichnet sowie verkündet und trat an diesem Tag auch in Kraft (vgl. §. 266). Es wurde abgelöst durch die Verfassung für SachsenAltenburg vom 27. März 1919. Siehe dazu Horst Dippel (Hrsg.), Verfassungen der Welt, 1850 bis zur Gegenwart, Teil 1: Europa, München, K.G. Saur 2002–2005, Mikrofiche-Nr. 361, 1 ff. Für die späteren Revisionen siehe Horst Dippel (Hrsg.), Verfassungen der Welt, 1850 bis zur Gegenwart, Teil 1: Europa, München, K.G. Saur 2002–2005, Mikrofiche-Nr. 358, 1 ff. Für weiterführende Hinweise siehe Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 532; Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Andeutungen über den staatsrechtlichen und politischen Charakter des Grundgesetzes für das Herzogthum Sachsen-Altenburg vom 29. April 1831, Leipzig 1831. 2 Der Abschnitt wurde geändert durch die „Ministerial-Bekanntmachung, den Vertrag über die Vereinigung des Kammer- und Obersteuer-Vermögens, sowie über die Feststellung der Herzoglichen Civilliste betreffend“ vom 6. Dezember 1849 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1849, Nr. 92, Altenburg, S. 232–240). Siehe unter „Zweite Revision von 1849“. 3 Der Abschnitt wurde aufgehoben und ersetzt durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 4 Der Abschnitt wurde aufgehoben und ersetzt durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 5 Näher ausgeführt durch das „Patent, einige Bestimmungen über die Erwählung und den Eintritt der landschaftlichen Abgeordneten und Stellvertreter betreffend“ vom 25. Januar 1840 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1840, Nr. 2, Altenburg, S. 1–4). Siehe unter „Erste Revision von 1840“. Ebenso weiter erläutert durch das „Patent, eine Erläuterung des §. 176 des Grundgesetzes, in Betreff des Eintritts und Ausscheidens der landschaftlichen Stellvertreter anlangend“ vom 5. Dezember 1840 (GesetzSammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1840, Nr. 48, Altenburg, S. 150). Siehe unter „Zweite Revision von 1840“. Beide wurden aufgehoben durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 6 Näher ausgeführt durch das „Patent, einige Be-

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -A LTENBURG (1831) stimmungen über die Erwählung und den Eintritt der landschaftlichen Abgeordneten und Stellvertreter betreffend“ vom 25. Januar 1840 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1840, Nr. 2, Altenburg, S. 1–4). Siehe unter „Erste Revision von 1840“. Aufgehoben durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12– 17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 7 Erläutert duch die „Bekanntmachung des Geheimen Ministerii, über die Gründe zur Ablehnung landschaftlicher Wahlen und zur Ertheilung von UrlaubsBewilligungen für landschaftliche Abgeordnete“ vom 11. April 1835 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1835, Nr. 13, Altenburg, S. 38). Siehe unter „Revision von 1835“. Aufgehoben durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 8 Näher ausgeführt durch eine „Höchste Erläuterung, des Grundgesetzes hinsichtlich der Wahlen der Ersatzmänner für die Stellvertreter des landschaftlichen Abgeordneten“ vom 20. Juli 1833 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1833, Nr. 30, Altenburg, S. 117–118). Siehe unter „Revision von 1833“. Ebenso weiter erläutert durch das „Patent, einige Bestimmungen über die Erwählung und den Eintritt der landschaftlichen Abgeordneten und Stellvertreter betreffend“ vom 25. Januar 1840 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1840, Nr. 2, Altenburg, S. 1–4). Siehe unter „Erste Revision von 1840“. Beide aufgehoben durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 9 Erläutert duch die „Bekanntmachung des Geheimen Ministerii, über die Gründe zur Ablehnung landschaftlicher Wahlen und zur Ertheilung von UrlaubsBewilligungen für landschaftliche Abgeordnete“ vom 11. April 1835 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1835, Nr. 13, Altenburg, S. 38). Siehe unter „Revision von 1835“. Aufgehoben durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 10 Näher ausgeführt durch das „Patent, einige Bestimmungen über die Erwählung und den Eintritt der landschaftlichen Abgeordneten und Stellvertreter betreffend“ vom 25. Januar 1840 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1840, Nr. 2, Altenburg, S. 1–4). Siehe unter „Erste Revision von

1840“. Aufgehoben durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12– 17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 11 Geändert durch das „Patent, die Herabsetzung des Wahlcensus für städtische oder bäuerliche LandtagsAbgeordnete betreffend“ vom 23. September 1837 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang Nr. 43, 1837, Altenburg, S. 240–241). Siehe unter „Revision von 1837“. Aufgehoben durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 12 Der Abschnitt wurde aufgehoben und ersetzt durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 13 Geändert durch das „Gesetz, die landständische Initiative bei Gesetzesvorschlägen betr.“ vom 21. Oktober 1848 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 38, Altenburg, S. 86). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 14 Geändert durch das „Gesetz, die landständische Initiative bei Gesetzesvorschlägen betr.“ vom 21. Oktober 1848 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 38, Altenburg, S. 86). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 15 Erläutert duch die „Bekanntmachung des Geheimen Ministerii, über die Gründe zur Ablehnung landschaftlicher Wahlen und zur Ertheilung von UrlaubsBewilligungen für landschaftliche Abgeordnete“ vom 11. April 1835 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1835, Nr. 13, Altenburg, S. 38). Siehe unter „Revision von 1835“. Aufgehoben durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 16 Aufgehoben und ersetzt durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 17 Näher ausgeführt durch das „Gesetz, eine Erläuterung des §. 231 des Grundgesetzes in Bezug auf die landschaftliche Interpellationsbefugniß betr.“ vom 7. April 1849 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1849, Nr. 32, Altenburg, S. 96). Siehe unter „Erste Revision von 1849“. 18 Aufgehoben und ersetzt durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (Gesetz-Sammlung für das Her-

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S ACHSEN -A LTENBURG zogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 19 Geändert durch das „Gesetz, die landständische Initiative bei Gesetzesvorschlägen betr.“ vom 21. Oktober 1848 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 38, Altenburg, S. 86). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 20 Erläutert durch das „Patent, einige Bestimmungen über die Erwählung und den Eintritt der landschaftlichen Abgeordneten und Stellvertreter betreffend“ vom 25. Januar 1840 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1840, Nr. 2, Altenburg, S. 1–4). Siehe unter „Erste Revision von 1840“. Aufgehoben durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (GesetzSammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 21 Erläutert durch „Höchste Erläuterung, des Grundgesetzes hinsichtlich der Wahlen der Ersatzmänner für die Stellvertreter des landschaftlichen Abgeordneten“ vom 20. Juli 1833 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1833, Nr. 30, Altenburg, S. 117–118). Siehe unter „Revision von 1833“. Aufgehoben durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (Gesetz-

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Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 22

Erläutert durch „Höchste Erläuterung, des Grundgesetzes hinsichtlich der Wahlen der Ersatzmänner für die Stellvertreter des landschaftlichen Abgeordneten“ vom 20. Juli 1833 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1833, Nr. 30, Altenburg, S. 117–118). Siehe unter „Revision von 1833“. Aufgehoben durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (GesetzSammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 23

Erläutert durch „Höchste Erläuterung, des Grundgesetzes hinsichtlich der Wahlen der Ersatzmänner für die Stellvertreter des landschaftlichen Abgeordneten“ vom 20. Juli 1833 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1833, Nr. 30, Altenburg, S. 117–118). Siehe unter „Revision von 1833“. Aufgehoben durch das „Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend“ vom 10. April 1848 (GesetzSammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17). Siehe unter „Erste Revision von 1848“.

Revision von 1833 Höchste Erläuterung, des Grundgesetzes hinsichtlich der Wahlen der Ersatzmänner für die Stellvertreter der landschaftlichen Abgeordneten, vom 20sten Juli 18331

Nach §. 181. des Grundgesetzes, so wie nach §. 22. und dem Schlusse des §. 57. der Wahlordnung sind diejenigen, welche bei der Wahl der Stellvertreter für die landschaftlichen Abgeordneten nach den gewählten Stellvertretern die meisten Stimmen haben, der Reihe der Stimmenzahl nach als deren Ersatzmänner zu betrachten. Da sich jedoch durch die Erfahrung ergeben hat, daß bei dieser Art und Weise der Wahl der Ersatzmänner solche oft nur in Folge weniger Stimmen in die Reihe der Stellvertreter eintreten, und daher häufig ihre Berufung zur Vertretung der Landesinteressen nicht als Ausfluß des auf ihre Person gerichteten öffentlichen Vertrauens angesehen werden kann, so haben des regierenden Herzogs Durchlaucht, in Genehmigung eines von getreuer Landschaft hierauf besonders E. v. Braun.

1

gerichteten Antrages, die Entschließung gefaßt, die betreffenden Bestimmungen des Grundgesetzes und der Wahlordnung dahin zu erläutern und anderweit festzustellen, daß auch die Wahl der Ersatzmänner für die Stellvertreter der landschaftlichen Abgeordneten durch eine besondere Wahlhandlung unter Beobachtung der gleichen Formen, wie bei der Wahl der landschaftlichen Abgeordneten und deren Stellvertreter (§§. 21. und 57. der Wahlordnung) erfolgen soll. Zur allgemeinen Nachachtung wird Solches auf höchsten Befehl hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Altenburg, den 20. Julius 1833. Herzoglich Sächsisches Geheimes Ministerium.

K. Chr. v. Wüstemann.

Ediert nach Gesetz-Sammlung für das Herzogthum

Hermann.

Altenburg, Jahrgang 1833, Nr. 30, Altenburg, S. 117– 118.

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Revision von 1835 Bekanntmachung des geheimen Ministerii, über die Gründe zur Ablehnung landschaftlicher Wahlen und zur Ertheilung von Urlaubs-Bewilligungen für landschaftliche Abgeordnete, vom 11. April. 18351

Seine Durchlaucht der Herzog haben, unter Beirath und Zustimmung getreuer Landschaft, Sich bewogen gefunden, in Erläuterung der §. 179, 182 und 220 des Grundgesetzes über die Gründe zur Ablehnung landschaftlicher Wahlen und zur Ertheilung von Urlaubs-Bewilligungen folgende Bestimmungen zu treffen: 1) Neben ärztlich bescheinigter Krankheit und neben unverschieblicher Abwesenheit, sey letztere im In- oder Auslande (§. 179 des Grundgesetzes), begründet auch von der Obrigkeit des Wohnortes beglaubigte häusliche Unentbehrlichkeit nach ihrer Beschaffenheit die gänzliche oder nur zeitliche Enthebung von der Theilnahme an den landschaftlichen Versammlungen. Sollte Jemand ohne solche Gründe die auf ihn gefallene Wahl als Abgeordneter ablehnen, oder von derselben enthoben zu seyn wünschen, so kann ihm zwar, nach dem Ermessen der Staatsregierung, hierin gewährt werden, jedoch nur in der Weise, daß er für seine Lebenszeit auf die aktive und passive landschaftliche Wahlberechtigung verzichtet, auch seine Nichtannahme nebst dem Verzicht im Amts- und Nachrichtsblatt bekannt gemacht wird. 2) Nach vollendetem 65. Lebensjahre steht es Jedem frei, eine alsdann auf ihn fallende Wahl zum Landesabgeordneten abzulehnen. Wenn ein Landesabgeordneter sein

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65. Lebensjahr im Laufe einer Finanzperiode vollendet, so kann er nach deren Ablauf aus der Landschaft treten und deshalb höchsten Orts Antrag stellen. 3) Nicht minder giebt die mindestens zwölfjährige Theilnahme an den landschaftlichen Versammlungen die Befugniß, eine wiederholte Wahl zum Landesabgeordneten abzulehnen. Die jetzigen, mit dem Beginn der nächsten und der darauf folgenden Finanzperiode, grundgesetzlich ausscheidenden Abgeordneten können, in sofern sie von neuem gewählt werden sollten, von der Befugniß, diese Wahl abzulehnen, nicht eher Gebrauch machen, als bis für sie die Zeit der zwölfjährigen Theilnahme am Landtage vollständig abgelaufen ist, wo dann eintretenden Falls für die bezüglich zweite und dritte Finanzperiode deren Stelle durch die Stellvertreter zu ersetzen seyn wird. 4) Dringender Beruf als Staatsdiener ist ein bereits im Grundgesetz (§. 182) anerkannter Grund gänzlicher oder theilweiser Enthebung von der landschaftlichen Thätigkeit. Die Beurtheilung, ob ein Beamter dem Dienst unentbehrlich sey, gebührt jedoch lediglich der Staatsregierung, welche ihre Ansicht darüber in der Ertheilung oder Nichtertheilung der Wahlbestätigung ausspricht (§. 198 des Grundgesetzes). Sollte der gewählte Beamte glauben, daß dringende Dienstpflichten seine Entbindung von

R EVISION VON 1835 der landschaftlichen Thätigkeit für einige Zeit oder für immer nothwendig machen, so würde er seine Bedenken der Staatsregierung vorzulegen und von dieser die gänzliche oder zeitliche Zurücknahme des ihm zur Befolgung des landschaftlichen Rufes gegebenen Dienst-Urlaubs zu erwarten haben. Auf höchsten Befehl wird dieß zur Nachricht und Nachachtung hiermit öffentlich

bekannt gemacht. Altenburg, den 11. April 1835. Herzoglich Sächsisches Geheimes Ministerium. v. Wüstemann.

1 Ediert nach Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1835, Nr. 13, Altenburg, S. 38.

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Revision von 1837 Patent, die Herabsetzung des Wahlcensus für städtische oder bäuerliche Landtags-Abgeordnete betreffend, vom 23. September 18371

Wir Joseph, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen, Jülich, Kleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein etc. etc.

steuertermins eingetretenen Minderung der direkten Abgaben eine Herabsetzung der im §. 196. des Grundgesetzes vorgeschriebenen verschiedenen Grade des Wahlcensus für städtische und bäuerliche LandtagsAbgeordnete erforderlich geworden ist, so haben Wir im Einverständniß mit getreuer Landschaft Uns veranlaßt gefunden, dieselben anderweit dergestalt festzusetzen, daß vom Tage der Promulgation gegenwärtigen Patentes an die Entrichtung einer terminlichen Landsteuerquote von

Nachdem wegen der seit Erlassung des Grundgesetzes für das Herzogthum Sachsen-Altenburg im Jahre 1831 mit dem Wegfall der außerordentlichen Handelssteuer, der Braurechtssteuer und des 13. Land-

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Altenburg, Schmölln, Lucka und den Marktflecken Gößnitz und Meuselwitz, Ronneburg, Kahla und Orlamünda, Roda und Eisenberg.

und soviel die Aemter betrifft die Entrichtung einer dergleichen von mindestens ” ” ” ”

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Amt ” ” ” ”

Altenburg, Ronneburg, Eisenberg, Kahla und Roda.

R EVISION VON 1837 als Bedingung der Wählbarkeit angesehen werden soll.

Gegeben Altenburg den 23. September 1837.

(L. S.) Joseph, H. z. S. E. v. Braun.

v. Wüstemann.

Hermann.

1

Ediert nach Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1837, Nr. 43, Altenburg, S. 240– 241.

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Erste Revision von 1840 Patent, einige Bestimmungen über die Erwählung und den Eintritt der landschaftlichen Abgeordneten und Stellvertreter betreffend, vom 25. Januar 18401

Joseph, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen, Jülich, Kleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein etc. etc. etc. Nachdem bei dem letzten Landtage außer der durch höchstes Patent vom 23. September 1837 bereits bekannt gemachten Herabsetzung des Wahlcensus für städtische und bäuerliche Landtags-Abgeordnete im Einvernehmen mit getreuer Landschaft noch einige andere Bestimmungen in Bezug auf die landschaftlichen Wahlen und den Eintritt der landschaftlichen Abgeordneten beschlossen worden sind, so sehen Wir Uns veranlaßt, dieselben gegenwärtig, wo landschaftliche Erneuerungswahlen vorzunehmen sind, in Folgendem bekannt zu machen:

I zu §. 176. des Grundgesetzes Die Stellvertreter der fünf und resp. drei Abgeordneten der Ritterschaft, der vier Abgeordneten des Altenburg’schen Amtsbezirks und der zwei Abgeordneten der hiesigen Residenz-Stadt bilden ein in sich abgeschlossenes und von der Reihefolge der Abgeordneten unabhängiges Ganzes, dergestalt, daß dieselben ohne Rücksicht auf die

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verschiedenen Zeitabtheilungen, nach welchen die Deputirten eingetreten sind und ausscheiden, nur nach der durch die Zeit ihres eigenen Eintritts sich bestimmenden Reihefolge successiv einzuberufen sind. Hiernach ist z. B. unter den im Amtsblatt von 1837. Seite 546 ff. Benannten im Verhinderungsfall des bis zu 1848 erwählten Abgeordneten Freiherrn von Seckendorff auf Meuselwitz, der dermalige erste – bis zu 1844 erwählte – Stellvertreter von Bärenstein auf Zechau einzuberufen.

II zu §. 178. des Grundgesetzes In Bezug auf die Wahl von Brüdern zu Landtags-Abgeordneten sind zwei Fälle zu unterscheiden: a) ob sie zu gleicher Zeit gewählt werden und mithin gleichzeitig einzutreten hätten, oder b) ob sie nach einander gewählt werden und der eine Bruder bereits eingetreten ist. Im ersteren Falle haben die Brüder das Recht, sich über den freiwilligen Rücktritt des Einen zu vereinigen; geschieht dies nicht, so geht der ältere dem jüngern vor. Im zweiten Falle bleibt der bereits Eingetretene Mitglied, so daß der später Gewählte gar nicht eintreten kann. Dieselben Vorschriften würden für den Fall gelten, daß Vater und Sohn zu Landtags-Abgeordneten gewählt werden sollten.

E RSTE R EVISION VON 1840

III zu §. 181. des Grundgesetzes Ersatzmänner, welche in Gemäßheit der die betreffenden Bestimmungen des Grundgesetzes und der Wahlordnung erläuternden Ministerialbekanntmachung vom 20. Juli 1833 dermalen gleich den landschaftlichen Abgeordneten und deren Stellvertretern durch eine besondere Wahlhandlung zu wählen sind, werden in Uebereinstimmung mit der Ansicht getreuer Landschaft künftig nur in so weit, als es dem Gouvernement die Nothwendigkeit in einzelnen Fällen zu erheischen scheint, gewählt werden.

IV zu §. 187. des Grundgesetzes In Erläuterung des §. 187 des Grundgesetzes wird bis auf Weiteres bestimmt, daß der Vater eines nicht volljährigen RittergutsBesitzers, wenn er zugleich Lehnsvormund ist, für den Sohn zum Landtags-Abgeordneten gewählt werden kann.

V zu §. 25. und 31. der Wahlordnung Da die Vornahme von Urwahlen bei jeder regelmäßigen, alle 4 Jahre zu 1/3tel erfolgenden Erneuerung der Landschaft im hiesigen großen Amtsbezirk, wo der Abtheilung desselben in vier besondere Wahlbezirke nach Anleitung der Beilage B. zur Wahlordnung noch keine praktische Folge gegeben worden ist, den Behörden eine zu große Geschäftslast aufbürdet, so wird hierdurch verordnet, wie folgt: Der hiesige Amtsbezirk wird in die, in der Beilage B. zur Wahlordnung angegebenen 4 Wahlbezirke wirklich abgetheilt. Die Urwähler jedes Bezirks bestellen die Wahlmänner aus ihrer Abtheilung und zwar, den

Fall der Auflösung eines Landtags ausgenommen, auf 12 Jahre oder 3 Finanz- und Wahlperioden dergestalt, daß bei jeder regelmäßigen Ausscheidung eines LandtagsAbgeordneten aus hiesigem Amtbezirk eine der 4 Abtheilungen und wenn zwei Abgeordnete ausscheiden zwei Abtheilungen der Wahlmänner durch Urwahlen nach der in der Beilage B. zur Wahlordnung angegebenen Reihefolge erneuert und deren neu gewählte Wahlmänner sodann neben den älteren Abtheilungen der Wahlmänner bei der Hauptwahl der Abgeordneten und Stellvertreter mitzuwirken haben. Im laufenden Jahre ist mit dieser Einrichtung der Anfang zu machen.

VI zu §. 33. der Wahlordnung Da bisher in den übrigen Amtsbezirken, außer dem Altenburg., die Vornahme der landschaftlichen Vorwahlen größtentheils auf die Amtsstädte beschränkt worden ist, so werden zu Erleichterung der Vorwähler Unsere Aemter andurch angewiesen, nach §. 33. der Wahlordnung die Vorwahlen nicht bloß an den Amtssitzen vorzunehmen, sondern namentlich rücksichtlich der von solchen entfernter wohnenden Wahlberechtigten auch an anderen bequem gelegenen Orten abzuhalten.

VII zu §. 48. und 51. der Wahlordnung Es ist vorgekommen, daß Jemand, welcher zur Zeit der Entwerfung der Steuerund Wahllisten und bis zur geschlossenen Vorwahl gar keine Landsteuer entrichtet, vielmehr erst durch einen nach völlig geschlossener Vorwahl und unmittelbar vor der Hauptwahlhandlung abgeschlossenen Kauf den Wahlcensus erlangte, noch die

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S ACHSEN -A LTENBURG Eintragung in die Steuer- und Wahlliste und in Folge dessen die Wählbarkeit in Anspruch nahm. In Bezug hierauf wird daher hiermit Folgendes bestimmt: Von dem Zeitpunkte an, wo Abschriften der gehörig abgeschlossenen Steuer- und Wahllisten nach §. 52. der Wahlordnung bei den Bezirks- oder Gemeinde-Vorstehern niedergelegt und die (möglichst gleichzeitig mit der Bekanntmachung dieser Listen zu bewirkenden!) Ladungen des RegierungsKommissarius oder des Amtes zu dem angesetzten Wahltage nach §. 48. den Wahlmännern insinuirt sind, bleibt eine jede etwa später erfolgende Erwerbung des Wahlcensus für die eben bevorstehende Hauptwahlhandlung unberücksichtiget und es kann von diesem Zeitpunkte ab kein Nachtrag in die Steuer- und Wahllisten auf den Grund etwa später erworbener Befähigung dazu mehr Statt finden. – Dagegen können Bemerkungen, die in Gemäßheit des §. 51. der Wahlordnung (bei denen es unbedingt das Bewenden behält) auch am Wahltage selbst vorgebracht werden, noch die Folge haben, daß Individuen, welche bis dahin die Berechtigung und persönliche Befähigung zur passiven Wählbarkeit verloren haben, aus der vorliegenden Steuer- und Wahlliste entfernt werden, weshalb insonderheit die betreffenden Steuerämter selbst dem Dirigenten der Wahlhandlung zeitig anzuzeigen haben, welche Steuer-Abschreibungen etwa seit dem ihrerseitigen Schlusse der Wahlliste bis zum Wahltage vorgekommen sind,

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insofern durch diese Steuerabschreibungen die Steuer-Quanta einzelner Individuen unter den vorgeschriebenen Wahlcensus herabgegangen seyn sollten. Endlich haben aber auch,

VIII die betreffenden Justiz- und Steuer-Behörden das im Laufe einer Finanz- oder Wahlperiode eintretende Ableben eines landschaftlichen Abgeordneten, Stellvertreters, oder resp. Ersatzmannes, oder den Verlust der Befähigung desselben zum LandesAbgeordneten (z. B. des Census) sofort mittels Berichtes zur Kenntniß Unserer LandesRegierung zu bringen, von welcher sodann hierüber Anzeigebericht an Uns zu erstatten ist. Urkundlich haben Wir dieses Patent, nach dessen Inhalte sich alle Behörden und Unterthanen, die es angeht, zu achten haben, eigenhändig unterzeichnet und mit Unserem Herzoglichen Insiegel bedrucken lassen. So geschehen und gegeben zu Altenburg, am 25. Januar 1840. (L. S.) Joseph, H. z. S. E. v. Braun.

v. Wüstemann.

Hermann.

1 Ediert nach Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1840, Nr. 2, Altenburg, S. 1–4.

Zweite Revison von 1840 Patent, eine Erläuterung des §. 176 des Grundgesetzes, in Betreff des Eintritts und Ausscheidens der landschaftlichen Stellvertreter anlangend, vom 5. December 18401

Joseph, von Gottes Gnaden, Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen etc. etc. Wir finden Uns in dem Betracht, daß der Paragraph 176 des Grundgesetzes besonders für den Fall, wenn ein landschaftlicher Abgeordneter als solcher durch Tod oder Verlust seiner Qualifikation austritt, über den Eintritt des Stellvertreters keine besondere Maasgabe enhält, nach vernommenem Beirath getreuer Landschaft und im Einverständniß mit Selbiger bewogen, in Erläuterung des angezogenen Paragraphen des Grundgesetzes rücksichtlich des Eintritts und Ausscheidens der landschaftlichen Stellvertreter überhaupt zu verordnen, daß 1) sich der Eintritt des Stellvertreters bloß auf zeitige Behinderung des Abgeordneten zu beschränken habe, 2) im Fall des gänzlichen Austritts des letzteren vor beendeter Funktion oder seines gänzlich behinderten Eintritts eine neue

Abgeordnetenwahl – und zwar unter einstweiliger Einberufung des Stellvertreters bis zu deren Erfolge für den Fall, daß die Vakanz während eines Landtags eintritt – zu veranstalten, 3) beim Ausscheiden des Abgeordneten nach seiner zwölfjährigen Funktion Abgeordneter und Stellvertreter und 4) im Fall der Stellvertreter zum Abgeordneten gewählt wird, ein neuer Stellvertreter zu wählen sei. Urkundlich haben Wir hierüber gegenwärtiges, mit Unserem Herzoglichen Insiegel versehenes Patent eigenhändig vollzogen und durch den Druck zu Jedermanns Wissenschaft zu bringen befohlen. Gegeben Altenburg, am 5. December 1840. (L. S.) Joseph, Herzog zu Sachsen E. v. Braun.

v. Wüstemann.

Hermann.

1

Ediert nach Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1840, Nr. 48, Altenburg, S. 150.

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Erste Revision von 1848 Gesetz, die Wahlen landschaftlicher Abgeordneter betreffend, vom 10. April 18481

Nachdem vielseitig Wünsche nach einer Umgestaltung der für die Wahlen landständischer Abgeordneter in Unsern Landen grundgesetzlich angeordneten Bestimmungen laut geworden, auch von getreuer Landschaft auf die derselben von Uns gegebene Veranlassung specielle Vorschläge über Abänderung jener Bestimmungen Uns

vorgelegt und von Uns genehmigt worden sind, so verordnen Wir im Einlaut mit diesen landschaftlichen Vorschlägen hiermit Folgendes: § 1. Die Landesvertretung (Landschaft) des Herzogthums Sachsen-Altenburg besteht aus 29 vom Volke gewählten Abgeordneten. Hierzu werden

7 Abgeordnete von den Stadtbewohnern des östlichen Landestheiles, und zwar: 4 von den Bewohnern der Residenzstadt Altenburg, 1 von den Bewohnern der Stadt Schmölln, 1 von den Bewohnern der Stadt Ronneburg und 1 von den Bewohnern von Lucka, Gößnitz und Meuselwitz, 10 Abgeordnete von den Landbewohnern des östlichen Landestheils, und zwar: 8 von den Bewohnern des Altenburgischen, und 2 von denen des Ronneburgischen Amtsbezirks, 7 Abgeordnete von den Landbewohnern des westlichen Landestheils, und zwar 3 von den Bewohnern des Kahlaischen, 2 von denen des Rodaischen und 2 von denen des Eisenberger Amtsbezirks, 5 Abgeordnete von den Stadtbewohnern des westlichen Landestheils, und zwar: 2 von den Bewohnern der Stadt Eisenberg, 1 von denen der Stadt Roda und 1 von denen der Städte Kahla und Orlamünda mit Nachhausen,

der fünfte Abgeordnete der Städte im westlichen Landestheile aber abwechselnd von den Städten Kahla und Orlamünda mit Naschhausen und Roda dergestalt, daß die-

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ses Wahlrecht von Kahla und Orlamünda mit Naschhausen zweimal nach einander – und bei der nächsten bevorstehenden Wahl zum ersten Mal – von Roda aber das dritte

E RSTE R EVISION VON 1848 Mal ausgeübt wird, erwählt. § 2. Nach der Zahl der Abgeordneten theilt sich das Land in 29 Wahlbezirke, deren jedem die Wahl eines Abgeordneten zusteht. Die Eintheilung der ländlichen Wahlbezirke ist in der Beilage sub A zu gegenwärtigem Gesetze geregelt, die Eintheilung der städtischen Wahlbezirke, soweit sie nicht vorstehend (§. 1.) schon geordnet ist, wird bis auf weitere gesetzliche Anordnung den mit Leitung der Wahl beauftragten Behörden überlassen. (vergl. jedoch §. 20.) § 3. Das Recht, an der Wahl als Wähler Theil zu nehmen, setzt voraus: 1) Das Staatsbürgerrecht, dem der volle Landsassiat (§. 93. des GGes.) der Rittergutsbesitzer gleich zu achten ist. 2) Die Volljährigkeit (§. 82 des GGes.) 3) Das Bekenntniß der christlichen Religion ohne Unterschied der Confessionen. 4) Unbescholtenheit des Rufs (§. 89 des GGes.) 5) den Besitz eines eignen Hausstandes. Von denen, deren Staatsbürgerrecht ruht, (§. 89 des GGes.) kann das Wahlrecht eben so wenig ausgeübt werden, als von denen, welche nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte sich befinden. (§. 67 c. des Gesetzes über das Heimathsrecht und das Armenwesen vom 9. August 1833.) § 4. Wer berechtigt ist, an der Wahl der Abgeordneten als Wähler Theil zu nehmen (§. 3), ist auch befähigt, als Abgeordneter gewählt zu werden, sofern er das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat. § 5. Die Ermangelung oder der Verlust eines der §. 3 und 4 genannten persönlichen Erfordernisse schließt das Recht aus, dort zu wählen, und hier, gewählt zu werden. § 6. Die landschaftlichen Abgeordneten werden bei der zunächst bevorstehenden Wahl blos bis zum Ende der Finanzperiode

1849–1852 gewählt, so daß mit dem Ende dieser Finanzperiode sämmtliche Abgeordnete ausscheiden und völlig neue Wahlen Statt finden müssen. Bei allen künftig vorzunehmenden Wahlen werden die Abgeordneten auf 8 Jahre oder 2 Finanzperioden gewählt und es erneuert sich ihre Versammlung beim dritten ordentlichen Landtage nach Verkündigung dieses Wahlgesetzes um 15, und bei jedem ferneren ordentlichen Landtage abwechselnd um 14 und 15 Glieder. Es treten daher unmittelbar vor dem Beginn des bezeichneten (dritten ordentlichen) Landtags 6 Abgeordnete der Städte und 9 Abgeordnete des platten Landes aus. Das landesherrliche Recht zur Auflösung der Stände (§. 166 des GGes.) bleibt allenthalben unberührt. Nach jeder Auflösung des Landtags treten sämmtliche Abgeordnete aus. Außerdem erlischt das Recht jedes Abgeordneten, wenn die Bedingungen seiner Wählbarkeit (§. 3.) aufhören. Tritt ein solcher Fall oder der Tod eines Abgeordneten oder Stellvertreters ein, so ist derselbe von der Gerichtsbehörde des Wohnorts des bisherigen Abgeordneten oder Stellvertreters der Landesregierung und von dieser dem Ministerium anzuzeigen, damit wegen anderweiter Wahl das Nöthige verfügt werden kann. § 7. Um die Reihefolge des Austritts zu erlangen, werden sogleich bei dem ersten Landtage, vor welchem die Wahl der Abgeordneten auf 8 Jahre Statt gefunden hat, die Abgeordneten jeder der beiden Klassen unter sich darüber loosen, wer von ihnen vor dem nächsten Landtage auszutreten habe. Die spätere Erneuerung ergibt sich dann von selbst. § 8. Da wo von einer Stadt nur Ein Abgeordneter zu wählen ist, so wie bei allen

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S ACHSEN -A LTENBURG ländlichen Wahlbezirken erlischt mit dem durch das Loos erfolgenden Austritt des Abgeordneten auch das Recht des für ihn gewählten Stellvertreters. Wo aber mehrere Abgeordnete zu wählen sind, tritt mit jedem vermöge des Looses ausscheidenden Abgeordneten derjenige Stellvertreter aus der Reihe der Stellvertreter, der die mindeste Stimmenzahl hatte, und, wo diese gleich war, der dem Lebensalter nach Jüngere. § 9. An die Stelle der ausscheidenden Abgeordneten und Stellvertreter wird von den Wählern der Wahlbezirke, von denen die abgehenden gewählt waren, eine neue Wahl vorgenommen. Um diese Wahlen einzuleiten, hat die Landschaft dem Landesherrn die Ergebnisse der von ihr nach §. 7 vorgenommenen Verloosung anzuzeigen. § 10. Vater und Sohn, ingleichen Brüder können nicht zugleich als Abgeordnete eintreten. Wenn unter ihnen keine Einigung über einen freiwilligen Rücktritt erfolgt, so geht der Vater dem Sohne, der ältere Bruder dem jüngern vor. Die Wahl eines Mannes zum Abgeordneten, dessen Vater, Sohn oder Bruder bereits Abgeordneter ist und es für die Finanzperiode bleibt, für welche gewählt wird, ist unwirksam. § 11. Jeder Staatsbürger folgt willig dem ehrenvollen Rufe als Abgeordneter. Nur ein mehr als 65jähriges Lebensalter, die mindestens 12jährige Theilnahme an den landschaftlichen Versammlungen, ärztlich bescheinigte Krankheit, unverschiebliche Abwesenheit und von der Obrigkeit des Wohnorts beglaubigte häusliche Unentbehrlichkeit können Anträge auf gänzliche, bezüglich zeitweilige Enthebung von der Theilnahme an den landschaftlichen Versammlungen begründen. Sollte Jemand ohne solche Gründe die

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auf ihn gefallene Wahl als landschaftlicher Abgeordneter ablehnen oder von derselben enthoben zu seyn wünschen, so kann ihm zwar nach dem Ermessen der Staatsregierung und, wenn das Gesuch während einer landschaftlichen Versammlung angebracht wird, nach dem Ermessen der Landschaft hierin gewillfahrt werden, jedoch nur auf die Weise, daß er für seine Lebenszeit auf die aktive und passive landschaftliche Wahlberechtigung verzichtet, auch seine Nichtannahme nebst dem Verzicht im Amts- und Nachrichtsblatte bekannt gemacht wird. Wenn ein Abgeordneter sein 65. Lebensjahr im Laufe einer Finanzperiode vollendet, so kann er nach deren Ablauf aus der Landschaft treten. Dasselbe gilt von denen, bei welchen der 12jährige Zeitraum ihrer Theilnahme an den landschaftlichen Versammlungen sich im Laufe einer Finanzperiode endigt. Ablehnungsgesuche gegen die Uebernahme der Pflichten eines Abgeordneten, oder Gesuche um Enthebung von denselben sind, außer der Zeit einer landschaftlichen Versammlung, bei der höchsten Stelle anzubringen und bescheinigt zu unterstützen. Im Genehmigungsfalle wird der betreffende Stellvertreter einberufen und dem landschaftlichen Vorstand davon Nachricht ertheilt. Werden beiderlei Gesuche während einer landschaftlichen Versammlung veranlaßt, so sind sie an deren Vorstand zu richten und von diesem mit den übrigen Ständen zu erörtern. Im Genehmigungsfalle geschieht davon, Behufs der Einberufung des Stellvertreters, Anzeige beim Landesherrn. § 12. Für den verhinderten oder enthobenen (§. 6) Abgeordneten einer Stadt, welche mehr als Einen Abgeordneten sendet, tritt der mit den meisten Stimmen gewählte Stellvertreter ein. § 13. Staatsbeamte, aktive Militärs, Geistliche und Schulbeamte nehmen an der Wahlhandlung gleich den übrigen Staats-

E RSTE R EVISION VON 1848 bürgern Theil und sie bedürfen zur Annahme der auf sie gefallenen Wahl besondere Erlaubniß der Staatsregierung nicht. Doch haben sie die auf sie gefallene Wahl alsbald der ihnen vorgesetzten Behörde anzuzeigen. Die Mitglieder des Ministeriums können nicht als Abgeordnete gewählt werden. § 14. Jeder Unterthan kann, auch wenn er in mehr als einem Wahlbezirke das Wohnrecht hat, nur in Einem Wahlbezirke mit wählen, und zwar in dem, in welchem er sich wesentlich aufhält. Rittergutsbesitzer wählen in dem Bezirke, in welchem ihr Gut liegt. Würde Jemand in mehr als einem Wahlbezirke gültig als Abgeordneter gewählt, so hat er sich binnen 3 Tagen nach erhaltener Kunde bei der Regierung zu erklären, für welche der gleichzeitigen Wahlen er sich entscheidet. Unterläßt er diese Anzeige, so erfolgt die Entscheidung der Regierung ohne eine solche. § 15. Jede Abgeordnetenwahl geschieht lediglich auf Anordnung des Landesherrn. Das Wahlgeschäft steht unter der Leitung und Aufsicht der Landesregierung. Diese ertheilt daher auch auf dazu erhaltenen höchsten Befehl die zur speciellen Leitung erforderlichen Aufträge. § 16. Sobald landschaftliche Wahlen angeordnet werden, ist zuvörderst die Grundliste der Wähler aufzustellen, worin a) Vor- und Zuname, b) das Lebensalter, c) Stand und Gewerbe des Wählers anzugeben ist und zwar so, daß die Wähler eines jeden der zum Wahlbezirke gehörigen, in alphabetischer Reihe aufzuführenden Orte besonders und gleichfalls in alphabetischer Ordnung aufgezeichnet werden. Eine besondere Liste der Wählbaren (passiv Wahlbefähigten) wird nicht aufgestellt,

indem nach §. 4, 14, 24 alle in sämmtlichen Grundlisten aufgeführten Personen, insoweit sie das 25. Lebensjahr erreicht haben, wählbar sind. § 17. In den Städten wird diese Grundliste durch die Kommunal-Verwaltungsbehörden unter Zuziehung der Bezirksvorsteher, in den Landbezirken von den Herzoglichen Justizämtern unter Zuziehung der Ortsgerichtspersonen entworfen. In der Regel werden für jeden einzelnen Stadtbezirk in den Städten und für jede einzelne Dorfschaft auf dem Lande besondere Grundlisten gefertigt. § 18. Diese Grundliste ist hierauf in den Städten an Rathsstelle, in den Ortschaften des platten Landes bei den Ortsrichtern und Schulzen zu Jedermanns Einsicht drei Tage lang öffentlich auszulegen und, daß und wenn diese Auslegung erfolgt, von der betreffenden Behörde vorher im Amts- und Nachrichtsblatte und bezüglich im örtlichen Nachrichtsblatte unter der Bemerkung bekannt zu machen, daß Reclamationen gegen deren Inhalt nur dann auf Berücksichtigung für die bevorstehende Wahl Anspruch haben, wenn sie innerhalb einer 8tägigen Frist vom Tage der Auslegung der Grundliste an bei der Behörde, welche die fragliche Bekanntmachung erläßt, angebracht werden. Die Behörde sucht hierauf die etwa angebrachten Reklamationen, nach Befinden nach vorgängiger kürzlicher Erörterung, zur Erledigung zu bringen und sendet die dem zu Folge berichtigten Grundlisten jedes einzelnen Wahlbezirks alsbald an die Landesregierung, indem sie die etwa unerledigten Reklamationen zu deren Entscheidung ausstellt. Gegen die Entscheidung der Landesregierung kann Rekurs an das Ministerium ergriffen werden, unbeschadet der Befugniß zur Beschwerdeführung bei der Landschaft. § 19. Sobald die Grundlisten – vorbehältlich der Beschwerdeführung bei der Land-

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S ACHSEN -A LTENBURG schaft – festgestellt sind, wird zur Wahl der Abgeordneten und der Stellvertreter geschritten. Die Leitung derselben liegt den Justizunterbehörden ob und zwar für die Residenzstadt Altenburg und die Stadt Eisenberg den dasigen Stadtgerichten, für die übrigen Städte des Landes und für die ländlichen Wahlbezirke den betreffenden Justizämtern. Diesen Behörden wird daher die Landesregierung die festgestellten Grundlisten zufertigen. § 20. In der Regel wählt jeder Wahlbezirk Einen Abgeordneten, doch ist es zulässig, daß in den Städten, welche mehr als einen Abgeordneten zu stellen haben, auf den Antrag der Kommunalbehörden und der Kommunvertreter von der Bildung mehrerer Wahlbezirke und für den Zweck dieser Wahl abgesehen wird und von den Wählern so viele Abgeordnete gewählt werden, als die ganze Stadt und – was Kahla und Orlamünda mit Naschhausen betrifft – beide Städte zusammen, zu senden berufen sind. § 21. Die mit Leitung der Wahl betrauten Behörden theilen die einzelnen, bezüglich die vereinigten Wahlbezirke unter Berücksichtigung der Ortsverhältnisse in Unterabtheilungen, und bestimmen für jede solche Unterabtheilung besonders die Zeit der Wahlhandlung und einen für dieselbe möglichst günstig gelegenen Ort. § 22. Die Vorladung der Wähler zur Wahl geschieht von Seiten der Wahlbehörde durch öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatte und beziehungsweise im örtlichen Nachrichtsblatte und durch öffentlichen Anschlag am Amt-, Rath- oder Gerichtshause und, wo solche nicht vorhanden, an einem andern passenden Orte. Der Bekanntmachung ist ein Exemplar der betreffenden Grundliste beizufügen, und es ist außerdem ein solches in den Städten bei den Bezirks- oder Gemeindevorstehern, auf den Dörfern bei den Richtern oder Schulzen

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niederzulegen, auch, daß dies geschehen, in der Bekanntmachung mit zu erwähnen. § 23. Die Wahlbehörde zieht zu jeder Wahlhandlung aus der Zahl der Stadtverordneten oder Gemeindevertreter in der Stadt, und der Ortsgerichtspersonen auf dem Lande wenigstens drei Beistände zu, welche der Wahlhandlung beiwohnen und das darüber aufgenommene Protokoll mit unterzeichnen. Auch sorgt sie dafür, daß bei jeder Wahlhandlung für einen Stadtbezirk der betreffende Bezirksvorsteher und bei jeder Wahlhandlung für einen ländlichen Wahlbezirk eine Gerichtsperson für jedes einzelne Dorf gegenwärtig ist, welche die sich anmeldenden, der Behörde etwa nicht bekannten Wähler anzuerkennen vermögen. § 24. Die in angemessenen Abtheilungen successiv vorzurufenden Wähler versichern vor der Abgabe ihrer Stimme und nach vorgängiger Verweisung auf ihre Unterthanenund Bürgerpflicht durch Handgelöbniß, daß sie solche ohne alle Nebenrücksicht, nach ihrer freien, eignen Ueberzeugung und so abgeben wollen, wie sie es dem allgemeinen Wohl am Zuträglichsten halten. Sodann werden die im Voraus numerirten Stimmzettel gemischt und jedem Wähler einer zugestellt, welchen er eigenhändig mit dem Namen des von ihm aus der Zahl derer, welche im ganzen Lande zu Abgeordneten wählbar sind, Gewählten versieht und dann in die Hand des Vorsitzenden zurückgibt. Da wo nach §. 20 mehrere Abgeordnete zugleich gewählt werden sollen, versieht der Wähler den Stimmzettel mit soviel Namen, als Abgeordnete zu wählen sind. Der Name dessen, der gewählt hat, wird in der Grundliste vorgestrichen. § 25. Die Stimmgebung muß persönlich erfolgen; eine Bevollmächtigung zur Abgabe einer Wahlstimme findet nicht Statt. Das Nichterscheinen einzelner oder auch

E RSTE R EVISION VON 1848 mehrerer Stimmberechtigter thut der Gültigkeit des Wahlgeschäfts keinen Abbruch und der Wahlakt wird daher zur festgesetzten Stunde ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Stimmberechtigten vorgenommen. Die Nichterschienenen verzichten für diesen Wahlakt auf ihre Stimme. Das Mitstimmen einer oder einiger nicht befugter Personen macht – unbeschadet des Einflusses auf die Stimmenmehrheit für einen Erwählten – nicht die ganze Wahlhandlung ungültig. § 26. Eine Vergütung für Reiseaufwand oder Versäumniß erhalten die Wähler nicht. § 27. Sobald sämmtliche Unterabtheilungen der einzelnen oder der vereinigten Wahlbezirke gestimmt haben, ordnet der Vorsitzende der Wahlbehörde die empfangenen Stimmzettel wieder nach den Nummern, diktirt die Nummern und die Namen der Gewählten zum Protokoll und zieht die Ergebnisse der Wahl. § 28. Es genügt relative Stimmenmehrheit, bei Stimmengleichheit entscheidet das höhere Lebensalter. Der, bezüglich diejenigen, welche nach dem oder den gewählten Abgeordneten die meisten Stimmen erhalten haben, sind, ohne daß es einer besondern Wahl bedarf, Stellvertreter, und zwar in der Art, daß da, wo mehrere Abgeordnete zu wählen waren, derjenige Stellvertreter, welcher die meisten Stimmen für sich hatte, immer zuerst statt eines behinderten Abgeordneten einberufen wird, die andern Stellvertreter aber je nach der Zahl der auf sie gefallnen Stimmen dann zur Einberufung kommen, wenn gleichzeitig mehrere Abgeordnete behindert sind. § 29. Sobald das Wahlergebniß vom Vorsitzenden der Wahlbehörde gezogen ist, wird das Protokoll geschlossen und gezeichnet und der Erfolg der Landesregierung mit Beifügung der Akten und Wahlzettel vorgelegt, welche dann die Wahlhandlung prüft,

etwaige Erinnerungen zur Erledigung bringen läßt und das Resultat dem Landesherrn vorträgt. Hierauf wird der landschaftliche Vorstand von den gewählten Abgeordneten durch die Staatsregierung in Kenntniß gesetzt und jeder Abgeordnete erhält aus dem Ministerium ein vorläufiges Wahldekret zu seiner Beglaubigung. § 30. Sobald der Landtag eröffnet ist, werden der versammelten Landschaft die sämmtlichen Wahlakten vorgelegt und sie entscheidet schließlich über die Berechtigung der zu Abgeordneten oder Stellvertretern Gewählten zum Eintritt in die Kammer. § 31. Bei jedem ordentlichen Landtag wählt noch vor förmlicher Eröffnung desselben in einer vorbereitenden öffentlichen Sitzung in Gegenwart landesherrlicher Kommissare die Landschaft aus ihrer Mitte drei Candidaten für die Stelle des Landschaftspräsidenten und zwar in drei einzelnen Wahlhandlungen. Es ist nothwendig, daß die zu ernennenden Kandidaten die absolute Stimmenmehrheit erhalten und es ist daher so lange fort zu scrutiniren, bis diese erlangt ist. Diese drei Kandidaten werden dem Landesherrn vorgeschlagen und es wählt derselbe aus ihnen den Landschaftspräsidenten auf die Zeit bis zum Beginn des nächsten ordentlichen Landtags. Bis zur Ernennung des Präsidenten leitet der den Lebensjahren nach älteste Abgeordnete als Alterspräsident die Geschäfte. § 32. Alle mit diesem Gesetz nicht in Einklang zu bringenden Vorschriften des Grundgesetzes, namentlich die §§. 167– 198, 224 und 244 desselben, die dem Grundgesetz als erste Beilage beigefügte Wahlordnung, die höchste Erläuterung des Grundgesetzes hinsichtlich der Wahlen der Ersatzmänner für die Stellvertreter der landschaftlichen Abgeordneten vom 20. Juli 18332 , die Bekanntmachung des Geheimen Ministeriums über die Gründe zur Ablehnung

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S ACHSEN -A LTENBURG landschaftlicher Wahlen und zur Ertheilung von Urlaubsbewilligungen für landschaftliche Abgeordnete vom 11. April 18353 , das Patent, die Herabsetzung des Wahlcensus für städtische und bäuerliche Landtagsabgeordnete betreffend, vom 23. September 18374 , das Patent, einige Bestimmungen über die Erwählung und den Eintritt der landschaftlichen Abgeordneten und Stellvertreter betreffend, vom 25. Januar 18405 und das Patent, eine Erläuterung des §. 176 des Grundgesetzes, in Betreff des Eintritts und Ausscheidens der landschaftlichen Stellvertreter anlangend, vom 5. December 18406 werden hiermit außer Kraft gesetzt. Die in diesem Gesetz vorgeschriebene Geschäftsform hat bis zur Erlangung anderer Erfahrung und verfassungsmäßiger Erlassung eines andern Wahlgesetzes provisorische Gültigkeit. Urkundlich haben Wir dieses Gesetz verfassungsmäßig vollzogen und demselben Unser Insiegel beifügen lassen. Altenburg, den 10. April 1848. (L. S.) Joseph, H. z. S. E. v. Braun.

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K. Pierer.

1 Ediert nach Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 10, Altenburg, S. 12–17. 2 „Höchste Erläuterung, des Grundgesetzes hinsichtlich der Wahlen der Ersatzmänner für die Stellvertreter der landschaftlichen Abgeordneten“ vom 20. Juli 1833 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Nr. 30, Jahrgang 1833, Altenburg, S. 117–118). Siehe unter „Revision von 1833“. 3 „Bekanntmachung des geheimen Ministerii, über die Gründe zur Ablehnung landschaftlicher Wahlen und zur Ertheilung von Urlaubs-Bewilligungen für landschaftliche Abgeordnete“ vom 11. April 1835 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Nr. 13, Jahrgang 1835, Altenburg, S. 38). Siehe unter „Revision von 1835“. 4 „Patent, die Herabsetzung des Wahlcensus für städtische oder bäuerliche Landtags-Abgeordnete betreffend“ vom 23. September 1837 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Nr. 43, Jahrgang 1837, Altenburg, S. 240–241). Siehe unter „Revision von 1837“. 5 „Patent, einige Bestimmungen über die Erwählung und den Eintritt der landschaftlichen Abgeordneten und Stellvertreter betreffend“ vom 25. Januar 1840 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Nr. 2, Jahrgang 1840, Altenburg, S. 1–4). Siehe unter „Erste Revision von 1840“. 6 „Patent, eine Erläuterung des §. 176 des Grundgesetzes, in Betreff des Eintritts und Ausscheidens der landschaftlichen Stellvertreter anlangend“ vom 5. December 1840 (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Nr. 48, Jahrgang 1840, Altenburg, S. 150). Siehe unter „Zweite Revision von 1840“.

Zweite Revision von 1848 Gesetz, die landständische Initiative bei Gesetzesvorschlägen betr., vom 21. October 18481

Joseph, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen, Jülich, Kleve und Berg, auch Engern und Westphalen etc. etc. In Abänderung der §§. 210, 214 und beziehentlich 266 des Grundgesetzes verordnen Wir nach vernommenem Beirathe und unter Zustimmung getreuer Landschaft, wie folgt: § 1. Das Recht, ein Gesetz in Vorschlag zu bringen, gebührt sowohl dem Herzoge, als der Landschaft. § 2. Die von der Landschaft ausgehenden legislativen Beschlüsse sind dem Herzoge zur Sanktion vorzulegen und werden durch Ertheilung dieser Sanktion zum Gesetze erhoben. § 3. Der Herzog ist berechtigt, einem derartigen Beschlusse der Landschaft die Bestätigung zu versagen. § 4. Die Erklärung des Herzogs über Bestätigung oder Nichtbestätigung des ihm vorgelegten Gesetzentwurfs erfolgt binnen 6 Wochen, vom Eingange der betreffenden ständischen Erklärungsschrift an gerechnet, und zwar im Falle der Nichtbestätigung unter Angabe der Bestimmungsgründe. Ist die Diät vor Ablauf dieser sechs Wochen geschlossen worden, so wird die Entschließung des Herzogs dem Landschaftspräsidenten und den übrigen landschaftlichen Beisitzern des Finanzkollegiums eröffnet. § 5. Geht binnen der vorgedachten sechs Wochen die Herzogliche Erklärung nicht

ein, so gilt der Gesetzesvorschlag als verworfen. § 6. In diesem Falle, sowie wenn der Herzog die Sanktion ausdrücklich versagt hat (§. 3), darf der landständische Beschluß erst von der nächstfolgenden neugewählten Landschaft und jedenfalls nicht vor Ablauf von zwei Jahren wieder in Berathung gezogen werden. Wird derselbe sodann zum zweiten Male im Wesentlichen unverändert durch eine Majorität von zwei Drittheilen sämmtlicher Kammermitglieder angenommen, so erhält derselbe, dafern die Publikation nicht schon früher erfolgt, nach Ablauf von 14 Tagen, vom Tage der zweiten Beschlußfassung an gerechnet, von selbst gesetzliche Kraft. § 7. Landständische Vorschläge und Beschlüsse, welche auf gänzliche oder theilweise Abänderung des gegenwärtigen Gesetzes über die Initiative bei der Gesetzgebung, oder der Paragraphen 1 bis 37, ferner 46, 47, 53, 54, 74, 130, 131, 165, Schlußsatz, 166, 203, 204, 206, 211, 233, 237, Schlußsatz, 248 und beziehentlich 266 des Grundgesetzes, sowie der II. Beilage hierzu §. 1 bis 25 abzwecken, unterfallen, so lange nicht bei der nächstens bevorstehenden Revision des Grundgesetzes etwas Anderes vereinbart worden sein wird, den vorstehenden Bestimmungen nicht; derartige Abänderungen können vielmehr nur auf dem §. 266 des Grundgesetzes vorgezeichneten Wege erfolgen.

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S ACHSEN -A LTENBURG § 8. Das gegenwärtige Gesetz tritt, unbeschadet etwaiger Abänderungen durch künftige Reichsgesetze, mit dem Tage seiner Publikation in Kraft. Urkundlich haben Wir dieses Gesetz eigenhändig vollzogen und demselben Unser Herzogliches Insiegel beidrucken lassen.

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Gegeben Altenburg, den 21. October 1848. (L. S.) Joseph, Herzog zu Sachsen. von Planitz.

Sonnenkalb.

Cruciger.

1 Ediert nach Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1848, Nr. 38, Altenburg, S. 86.

Erste Revision von 1849 Gesetz, eine Erläuterung des §. 231 des Grundgesetzes in Bezug auf die landschaftliche Interpellationsbefugniß betr., vom 7. April 18491

Georg, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen, Jülich, Kleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein etc. etc. In Erläuterung des §. 231 des Grundgesetzes verordnen Wir unter Zustimmung getreuer Landschaft, wie folgt: „Das Ministerium hat auf Anfragen und Interpellationen, welche in den Sitzungen der Landschaft von den Landtagsabgeordneten an dasselbe gerichtet werden, die gewünschte Auskunft oder Erklärung nach eignem Ermessen entweder sofort oder in der nächsten landschaftlichen Sitzung zu ertheilen, oder, dafern es auf jene Anfragen überhaupt oder wenigstens zur Zeit nicht zu

antworten vermag, ersteren Falls die Gründe der Unthunlichkeit anzugeben, letzteren Falls aber die Zeit der Antwortsertheilung zu bestimmen. Interpellationen, welche nicht sofort beantwortet werden, sind auf Verlangen des Ministeriums demselben vom Landschaftspräsidium schriftlich zuzustellen.“ Urkundlich unter Unserer Namensunterschrift und beigedrucktem Herzoglichen Insiegel. Altenburg, den 7. April 1849. (L. S.) Georg, H. z. S. v. d. Gabelentz. Graf Beust. Sonnenkalb.

1 Ediert nach Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1849, Nr. 32, Altenburg, S. 96.

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Zweite Revision von 1849 Ministerial-Bekanntmachung, den Vertrag über die Vereinigung des Kammer- und Obersteuer-Vermögens, sowie über die Feststellung der Herzoglichen Civilliste betreffend, vom 6. Dezember 18491

Der zwischen Sr. Hoheit, dem regierenden Herzog, und der Landschaft des Herzogthums abgeschlossene und Beiderseits ratificirte Vertrag über die Vereinigung des Kammer- und Obersteuervermögens, sowie über Feststellung der dem jedesmal regierenden Herzog zu gewährenden Civilliste d. d. Altenburg, den 29. März 1849, ratificirt den 17. Juli/4. April 1849, wird im Nachfolgenden nebst den Beitritts-Erklärungen der volljährigen Agnaten des Herzoglichen Spezialhauses zu diesem Vertrage auf höchsten Befehl in Gesetzeskraft zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Altenburg, den 6. Dezember 1849. Herzoglich Sächsisches Ministerium. Graf Beust. Zu den vielen Wünschen, welche im Laufe des Jahres 1848 von ganzen Kommunen und von einzelnen Staatsangehörigen des Herzogthums Sachsen-Altenburg in zahlreichen, theils an des Herzogs Hoheit, theils an die Landschaft des Herzogthums gerichteten Petitionen kund gegeben worden waren, gehörte auch der nach einer Vereinigung der Kammer- und der Obersteuerkasse in eine gemeinschaftliche Finanzkasse und der damit verbundenen Abtretung der dem Herzogl. Hause an dem gesammten DomainenVermögen grundgesetzlich (§. 18 ff. des Grundgesetzes) zustehenden Rechte an den Staat, so wie nach möglichster Einschrän-

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kung der Kosten der Herzogl. Hofhaltung und der dem regierenden Herzog zu Bestreitung derselben und zu Deckung der gesammten Ausgaben für das Herzogliche Haus gebührenden Civilliste. Se. Hoheit der regierende Herr Herzog Georg von Sachsen-Altenburg, von dem lebhaften Verlangen beseelt, die Wohlfahrt Höchstihrer Unterthanen auf jede mögliche Art zu fördern, und entschlossen, für diesen Zweck auch erhebliche persönliche Opfer nicht zu scheuen, ließen der Landschaft des Herzogthums Sachsen-Altenburg Höchstihre Bereitwilligkeit, über die Art und Weise, auf welche jenen Wünschen thunlichste Berücksichtigung werden könne, Verhandlungen einleiten zu lassen, eröffnen und ernannten einen Kommissarius, um diese Verhandlungen mit der von der Landschaft zu diesem Zwecke zu ernennenden Deputation zu pflegen. Es traten hierauf mehrfache Verhandlungen zwischen diesem Kommissarius und der Deputation der Landschaft ein, es wurde von letzterer über den von ihrer Deputation ihr über den Erfolg dieser Verhandlungen erstatteten Bericht berathen und Beschluß gefaßt und es ist sodann durch die an des Herzogs Hoheit gerichtete bezügliche landschaftliche Erklärungsschrift d. d. Altenburg den 21. December 1848 und das Herzogliche Genehmigungsreskript d. d. Altenburg den 22.

Z WEITE R EVISION VON 1849 December 1848 eine endliche Vereinigung über die fraglichen Verhältnisse erzielt, zu formeller Feststellung derselben aber auf den Grund der gedachten beiden Schriftstücke durch Beauftrage Sr. Hoheit des Herzogs, und zwar durch den Finanz-Vicepräsidenten Christian Friedrich Hase und den Geheimen Konferenzrath Karl Pierer Beide zu Altenburg und durch Kommissarien der Landschaft, namentlich 1) den dermaligen Präsidenten der Landschaft, Heinrich Moritz Friedrich Lorentz, von hier, 2) den Landtagsabgeordneten Arthur Olympius Ottomar Dölitzsch von hier und 3) den Abgeordneten Moritz Karl Wilhelm Laurentius von Schmölln, folgender Vertrag bis auf Genehmigung Sr. Hoheit des Herzogs und der Landschaft abgefaßt worden:

Inhalt und Umfang kein Zweifel obwaltet und kein Rechtsstreit entstanden ist, theilweise von der Landschaft verweigert würde, oder daß das Herzogliche Haus über das Herzogthum Sachsen-Altenburg aus irgend einem Grunde zu regieren aufhören sollte, dergestalt, daß bei dem Eintritt eines der gesetzten Fälle durch solchen Widerruf, die Rechtsverhältnisse, wie sie zuletzt in dem Grundgesetz vom 29. April 1831, und dessen zweiter Beilage anerkannt und festgestellt sind, soweit sie durch gegenwärtigen Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden, ipso jure, jedoch in der Weise wieder aufleben, daß die Zuwüchse, welche etwa seit dem 1. Januar 1849 zu dem Domanialvermögen gekommen sein werden, von den Rechten des Herzogs und des Herzoglichen Hauses auf das Domanialvermögen nicht betroffen werden. Es behält daher der Herzog sich und dem Herzoglichen Hause alle Rechtszuständigkeiten für den Fall, daß er nach Obigem zu einem Widerruf berechtigt werden sollte, nach Befinden auf eine, den in dem Grundgesetze und dessen zweiter Beilage anerkannten und festgestellten Rechtsverhältnissen entsprechende, Entschädigung oder Abfindung vor.

A „Sr. Hoheit der Herzog tritt die ihm und dem Herzoglichen Hause grundgesetzlich zustehenden Rechte am Domanialvermögen, Kammergütern, Waldungen, Erbzinsen, Lehngeldern und andern aus der Grundherrlichkeit fließenden Renten und Gerechtsamen etc. auch Regalien (cf. §. 18 des Grundgesetzes) an den Staat ab, behält sich jedoch für sich und seine Nachfolger, so wie überhaupt für das Herzogliche Haus den Widerruf vor für den Fall, daß etwa wider Erwarten die Erfüllung der in der gegenwärtigen Uebereinkunft zu Gunsten des regierenden Herzogs und des Herzoglichen Hauses überhaupt festgesetzten Bestimmungen ganz, oder, sofern über deren

B „Vom 1. Januar 1849 an fließen die sämmtlichen Kammer-Revenüen, wie die der Obersteuer in eine Hauptfinanzkasse, um fernerhin gemeinschaftlich und ungetrennt durch das neugebildete Finanzkollegium zum Besten des Staats verwaltet und verwendet zu werden.

C „Vom Beginn des Jahres 1849 an wird dem regierenden Herzog aus der Hauptfi-

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S ACHSEN -A LTENBURG nanzkasse statt aller und jeder bisherigen Bezüge des Herzoglichen Hauses aus der Kammeral- und Obersteuerkasse eine feste Civilliste gewährt, welche besteht: 1) aus der eigentlichen dauernden Civilliste, dieselbe umfaßt alle lediglich den Herzog und das Herzogliche Haus betreffenden Aufwände, soweit hierüber nicht besondere Bestimmungen in dem gegenwärtigen Vertrage getroffen worden sind, namentlich auch die Handgelder für den Herzog, die Nadelgelder der Herzogin und der Prinzessinnen, die Bezüge des Herzogs Joseph, die Apanagen der Prinzen des Herzoglichen Hauses, die jetzigen und die künftigen Besoldungen und Pensionen der gesammten a)

3030

Thlr.

b) c)

640 2880

” ”

d)

850



e)

5600



13000

Thlr.

zur Besoldung der Hofgeistlichen, Hoforganisten, Hofkirchner, Hofbibliothekar etc. zur Besoldung der Hofgärtner, Beitrag zur Unterhaltung sämmtlicher Schloßgärten hier, in Eisenberg und Hummelshain, Beitrag zur Unterhaltung öffentlicher Plätze, der Teichpromenade, des Josephsplatzes und des Plateaus hier, zu Gnadenabgaben an arme Familien, Wittwen, Waisen etc. Betrag w. o.

jedoch zur ausschließlichen freien Verfügung des regierenden Herzogs ohne Rechnungsablegung gewährt wird. 3) Hierüber erhält der regierende Herzog noch jährlich 15000 Thaler, wiewohl lediglich auf die Lebensdauer des Herzogs Joseph und so, daß nach des letzteren Tode diese Post sofort an die Hauptfinanzkasse wiederum zurückfällt. 4) Eine Schmälerung der Civilliste, wie sie vorstehend sub C. 1 und 2 festgestellt worden, ist unter keiner Bedingung zulässig, ebenso darf aber auch eine Nachverwilligung für mittelbare oder unmittelbare Bedürfnisse des Herzoglichen Hauses, eine Erhöhung der Civilliste aus keinem Grunde

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Hofdienerschaft, die Kosten der Hofökonomie, des Marstalls und der Baulichkeiten an den Schlössern, diese insoweit sie nicht nach den Bestimmungen sub E. 2 der Hauptfinanzkasse zur Last fallen, die Porti und den Aufwand wegen des Sachsen-Ernestinischen Hausordens, sowie wegen der Gesandtschaften in Angelegenheiten des Herzoglichen Hauses; und beträgt die Summe von 87,000 Thalern jährlich. 2) Aus einem jährlichen Fonds von 13,000 Thalern, welcher mit nachstehenden Summen für die nachbemerkten, mehr öffentlichen Zwecke, als mit

je bei der Landschaft beantragt oder von derselben verwilligt werden; auch verzichtet der Herzog für sich und das Herzogliche Haus ausdrücklich für die Dauer des gegenwärtigen Vertrags auf das in §. 13 der zweiten Beilage zum Grundgesetz erwähnte bedingte Recht, über die Einnahmeüberschüsse der Kammer einseitig zu verfügen, wogegen über die Verwendung der Kammereinnahme-Ueberschüsse, welche sich am Ende des Jahres 1848 ergeben haben, spätere Vereinbarung zwischen Herzog und Landschaft nach Maßgabe des für die jetzt zu Ende gegangene Finanzperiode bestehenden Rechtsverhältnisses vorbehalten bleibt, bei welcher die Bestände in den Kammerkassen, wie solche zu Anfang der Finanz-

Z WEITE R EVISION VON 1849 periode 1845/1848 waren, bei Bemessung des wegen der bisherigen Kassen des Kammerressorts der künftigen vereinigten Finanzverwaltung zu überweisenden Wirthschaftsfonds zu Grunde zu legen sind. 5) Die dem Herzog und dem Herzoglichen Hause anheimfallenden Lehngütern und deren Erträgnissen zugestandenen Rechte sind aufgehoben und gehen vom 1. Januar 1849 auf den Staat über. Die hierauf bezüglichen Bestimmungen in §. 11 der zweiten Beilage des Grundgesetzes treten daher außer Kraft. 6) Der erste Abschnitt des §. 33 des Grundgesetzes wird ausdrücklich aufgehoben und dafür bestimmt, daß den noch unvermählten Töchtern des Herzogs Joseph, den Prinzessinnen Therese und Elisabeth Hoheiten, im Falle ihrer Vermählung je eine Summe von Zehn Tausend Thalern als Beitrag zu der Ausstattung aus der Finanzkasse des Landes ausgezahlt werden soll. 7) Die Abgewährung der baaren Civillistebeträge erfolgt in Silberkurrant des Vierzehnthalerfußes nicht unter 1/6 ohne Restwirkung durch monatliche Vorauszahlung der jedesmaligen Raten aus der Hauptfinanzkasse an die Hofkasse gegen deren Quittungen.

D „Dem Herzoge und dem Herzoglichen Hause bleiben folgende Gebäude und Grundstücke zur Benutzung vorbehalten: 1) An Gebäuden: a) das Herzogliche Residenzschloß hier in Altenburg in seinem ganzen Umfange innerhalb der Ringmauern, von den Pyramiden an beiden Seiten der Schloßauffahrt an bis zum vordern Thore und von da bis zum hintern Thore, mit Einschluß der jetzt dem Oberkoch Dietz überlassenen Räume,

b) das dermalige alte Herzogliche Marstallgebäude, c) die sämmtlichen Gewächshäuser und übrigen Baulichkeiten im Herzoglichen Schloßgarten, so wie die Hofgärtnerwohnung nebst Zubehör, sämmtlich hier; d) das Hoftheatergebäude hier; e) die Fürstengruft auf dem hiesigen städtischen Gottesacker; f) die sonstige Zeugwärterwohnung hier nebst den daran befindlichen Remisen, insoweit letztere und der Hofraum zur Aufbewahrung der Holzvorräthe der Herzogl. Hofhaltung erforderlich sind, so wie der alten Reitbahn; g) das Herzogliche Schloß zu Eisenberg mit seinen Nebengebäuden, namentlich auch der sonstigen Hofgärtnerwohnung; h) das Gewächshaus und die sonstigen Baulichkeiten im Herzoglichen Schloßgarten daselbst; i) das Herzogliche Jagdschloß zu Hummelshain mit seinen sämmtlichen Nebengebäuden; k) die in dem daran befindlichen Park vorhandenen sämmtlichen Baulichkeiten; l) das Schloß auf dem Kammergute zu Ehrenberg nebst den übrigen im Pachtkontrakt über dieses Kammergut d. d. Altenburg, den 28. Mai 1848 reservirten Lokalitäten; m) die in den Gebäuden am Bade zu Ronneburg für den herrschaftlichen Selbstgebrauch schon dermalen bestimmten und im Pachtkontrakt vom 28. November 1844 über die Benutzung der Brunnen- und Badeanstalt nebst Traiteurwirthschaft am mineralischen Brunnen zu Ronneburg von der Verpachtung ausgeschlossenen Lokalitäten; n) die in dem herrschaftlichen Schloßgebäude zu Roda zur Benutzung für die höchsten Herrschaften vorbehaltenen Räume. 2) An Grundstücken: a) der Herzogliche Schloßgarten hier,

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S ACHSEN -A LTENBURG b) der Schloßgarten zu Eisenberg, c) der Park um das Herzogliche Jagdschloß zu Hummelshain, d) der Garten um das Schloß zu Ehrenberg, e) die Anlagen um den großen Teich bei hiesiger Stadt (einschließlich der Insel, jedoch ausschließlich des Teiches selbst) und um das Restaurationsgebäude auf dem Plateau (ebenfalls ausschließlich des Gebäudes), sowie auf dem Josephsplatze hier, ingleichen der Schloßberg hier.

schluß der Rinnen, Abflußröhren, Blitzableiter, Windfahnen; c) die Herstellung und Erhaltung der Röhrenfahrten, Brunnen und sonstigen Wasserleitungen. Zu den Kosten der Unterhaltung der dem Herzog und dem Herzoglichen Hause vorstehend unter D. 2 zur Benutzung überlassenen Grundstücke wird ein Betrag aus der Hauptfinanzkasse nicht geleistet.

F E Bezüglich der Unterhaltungskosten der Gebäude, deren Benutzung nach vorstehendem Abschnitt der Civilliste überwiesen ist, wird bestimmt: 1) die Herzogliche Civilliste hat zu besorgen, bezüglich zu bezahlen: a) die Reparaturen und etwaigen Herstellungen im Innern, namentlich an Thüren, Thoren, Fenstern, Fußböden, Schlössern, Oefen und andern Feuerungsanlagen, desgleichen Treppen, Böden, Krippen, Raufen, Stellagen, Vorsälen, Kellerräumen etc; b) das Weißen, Anstreichen, Malen, Tapezieren, sowie alle sonstigen zur Instandhaltung und Verschönerung der innern Räume erforderlichen Arbeiten; c) die Unterhaltung der Laternen in und vor den Gebäuden; d) das Reinhalten des Innern der Gebäude und der dazu gehörigen Höfe; e) die Erhaltung der Pflasterung in den Höfen wie in dem Innern der Gebäude; f) die Unterhaltung der Feuerlöschanstalten und die Verlohnung des Schornsteinfegers; 2) die Hauptfinanzkasse dagegen: a) die Reparaturen an den Grundund Umfassungsmauern, an den Essen und Kanälen; b) die Erhaltung der Dachung mit Ein-

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Als Se. Hoheit, der damals regierende Herzog Joseph (laut Ministerial-Bekanntmachung v. 31. Mai 1848 S. 482 des Amtsund Nachrichtsblattes für 1848) das neue Marstallbegäude dem Lande zu irgend einem gemeinnützigen Zwecke überlassen zu wollen Sich erklärte, geschah dies mit dem Vorbehalt, daß eine dem künftigen Bedürfniß des Herzoglichen Marstalls entsprechende Lokalität für den Herzoglichen Hof gesichert und eingerichtet werde, und die Landschaft hat in ihrer Erklärungsschrift über das gedachte Erbieten vom 31. Juli 1848 diesen Vorbehalt anerkannt. Dieser Vorbehalt bleibt auch ferner in Kraft.

G Dem Herzog bleibt die fernere Benutzung desjenigen Theils des bisherigen Thiergartens bei Hummelshain zur Haltung eines mäßigen Standes an Roth- und Schwarzwild vorbehalten, welcher zum Hummelshainer Reviere gehört und etwa 1200 Acker umfaßt, jedoch vorbehältlich der nähern Feststellung der speziellen Grenzen, wobei auch die Anlegung einiger Wiesen innerhalb des Thiergartens, wozu indeß keinesfalls mehr als 10 Acker im Ganzen verwendet werden sollen, unbenommen bleibt.

Z WEITE R EVISION VON 1849 Die Kosten der Herstellung und der Erhaltung dieses Thiergartens fallen der Herzoglichen Civilliste zur Last, in soweit sie nicht vor dem letzten Dezember 1848 aus der Kammerkasse bestritten worden sind.

H Dem Herzog steht es frei, zur Veranschlagung und Beaufsichtigung der Baulichkeiten, welche der Civilliste obliegen, Beamte des Bauamtes, und zur Führung der allgemeinen Kontrole über die Verwaltung der Civilliste und Revision der betreffenden Rechnungen Staatsbeamte zu verwenden, ohne daß jedoch hieraus eine Verbindlichkeit des Landes zur Vermehrung des Beamtenpersonals abgeleitet werden darf.

I Nachbenannten Herzoglichen Hofstaatsdienern, als: 1) dem Obersthofmarschall v. Münchhausen, 2) dem Garderobemeister Schneier, 3) dem Hofprediger Sachse, und 4) dem Hofkirchner Glandenberg hier, ingleichen den Dienstnachfolgern der beiden letztern, werden die ihnen in herrschaftlichen Gebäuden, welche der Civilliste nicht mit überwiesen werden, eingeräumten freien Dienstwohnungen in der zeitherigen Weise fortgewährt und die Kosten der Unterhaltung dieser Wohnungen im baulichen Wesen nach Maßgabe des Regulativs vom 19. Mai 1846 von der Hauptfinanzkasse getragen.

K Von jetzt an werden keine Hofdienergehalte mehr in die Staatsdiener-Wittwensozietät aufgenommen. (L. S.) Christian Friedrich Hase. (L. S.) Karl Pierer.

L Von selbst versteht es sich, daß gegenwärtiger Vertrag weder das Schatullgut, noch das Josephinische oder das Oldislebener Fideikommiß, noch auch den sogenannten Prinzessinnenfonds berührt, daß es vielmehr bei den in diesen Beziehungen bestehenden Rechtsverhältnissen allenthalben bewendet.

M Durch die Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrags soll eine direkte oder indirekte Anerkennung des von Seiten des Herzoglichen Hauses behaupteten Patrimonial-Eigenthumsrechts an dem Domänenvermögen durch die Landschaft nicht ausgesprochen sein, vielmehr wird bestimmt, daß durch diesen Vertrag die Frage über jenen Anspruch des Herzoglichen Hauses in keiner Weise berührt werden soll.

N Diese Vereinbarung gilt für alle Zeiten und hat Se. Hoheit der Erbprinz Seine ausdrückliche Zustimmung in dieselbe schriftlich zu erklären; auch wird außerdem das Herzogliche Ministerium die Einwilligung der übrigen Agnaten des Herzoglichen Spezialhauses unverweilt nachsuchen. Zur Urkunde dessen Allen ist hierüber der gegenwärtige Rezeß in zwei gleichlautenden Exemplarien verabfaßt, von den beiderseitigen Beauftragten unterzeichnet und Sr. Hoheit, dem Herzog, so wie der Landschaft des Herzogthums zur Genehmigung vorzulegen beschlossen worden. So geschehen Altenburg, den 29. März 1849.

(L. S.) Heinrich Moritz Friedrich Lorentz. (L. S.) Adv. Arthur Dölitzsch. (L. S.) Moritz Karl Wilhelm Laurentius. 277

S ACHSEN -A LTENBURG

RATIFIKATIONS-URKUNDE zu dem Vertrage zwischen Seiner Hoheit, dem regierenden Herzog, und der Landschaft des Herzogthums Sachsen-Altenburg über Vereinigung des Kammer- und ObersteuerVermögens und Feststellung der Herzoglichen Civilliste Den zwischen Uns und Unserer getreuen Landschaft zu Stande gekommenen und im Vorstehenden formulirten, auch durch Unsere Beauftragten in Gemeinschaft mit den landschaftlichen Kommissarien vollzogenen Vertrag d.d. Altenburg, den 29. März 1849 über Vereinigung des Kammer- und Obersteuer-Vermögens, sowie über Feststellung der Uns zu gewährenden Civilliste genehmigen Wir andurch für Uns und Unsere Nachfolger in der Regierung des Herzogthums Sachsen-Altenburg ausdrücklich und in rechtsverbindlichster Weise mit dem Bemerken, daß die Bestimmungen dieses Vertrags unter D. 1. b. und f. und unter F. durch die zwischen Uns und getreuer Landschaft anderweit zu Stande gekommene Vereinbarung insofern wieder aufgehoben resp. zur Erledigung gekommen sind, als nach dieser Vereinbarung Uns und Unseren Nachfolgern die Räume des neuen Marstallgebäudes und der daran befindlichen Reitbahn, mit Ausschluß des vorderen, bei dem Bassin gelegenen, für Landeszwecke vorbehaltenen Hauptflügels, zur Benutzung überlassen worden sind, und Wir dagegen auf die Benutzung des alten Marstallgebäudes und der alten Reitbahn von der Zeit an, wo der auf Kosten Unserer Civilliste zu veranstaltende Ausbau jener Uns zur Benutzung überlassenen Räume des neuen Marstallgebäudes vollendet sein wird und diese für die Zwecke des Marstalls benutzbar geworden sind, Verzicht geleistet haben. Wir versprechen diesen Vertrag nebst den vorgedachten Abänderungen genau einhal-

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ten und durch Unsere Behörden und Diener genau befolgen lassen zu wollen, und haben zur Beurkundung dieser Unserer Erklärung die gegenwärtige Ratifikations-Urkunde anfertigen lassen, solche eigenhändig unterzeichnet und Unser Herzogliches Insiegel beidrucken lassen. Gegeben Altenburg, den 17. Juli 1849. (L. S.) Georg, Herzog zu Sachsen-Altenburg. v. d. Gabelentz. Graf Beust. Sonnenkalb. Vorstehender Vertrag ist von der versammelten Landschaft des Herzogthums Sachsen-Altenburg durch förmlichen Beschluß vom heutigen Tage mit dem Bemerken genehmigt worden: daß die Bestimmungen desselben unter D. 1. b. und f. und unter F. durch die in der landschaftlichen Sitzung vom 2. dieses Monats zwischen der Landschaft und Sr. Hoheit dem Herzoge zu Stande gekommene Vereinbarung insofern wieder aufgehoben resp. zur Erledigung gekommen sind, als nach dieser Vereinbarung Sr. Hoheit dem Herzoge und dessen Nachfolger die Räume des neuen Marstallgebäudes und die daran befindliche Reitbahn, mit Ausschluß des vorderen, bei dem Bassin gelegenen, für Landeszwecke vorbehaltenen Hauptflügels, zur Benutzung überlassen worden sind, und Se. Hoheit der Herzog dagegen auf die Benutzung des alten Marstallgebäudes und der alten Reitbahn von der Zeit an, wo der auf Kosten des Herzogs zu veranstaltende Ausbau jener Demselben zur Benutzung überlassenen Räume des neuen Marstallgebäudes vollendet sein wird und diese für die Zwecke des Marstalls benutzbar geworden sind, Verzicht geleistet hat. Urkundlich Altenburg, am 4. April 1849.

Z WEITE R EVISION VON 1849 Die Landschaft des Herzogthums Sachsen-Altenburg. (L. S.) Franz Friedrich Karl Schwepfinger, landschaftl. Präsidialgehilfe.

BEITRITTS-ERKLÄRUNG Seiner Hoheit des Erbprinzen Ernst, Herzogs zu Sachsen, Erbprinzen von SachsenAltenburg zu dem Vertrage wegen der Herzoglichen Civilliste. Wir Ernst, Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Erbprinz von Sachsen-Altenburg etc. erklären und bekennen hiermit: Nachdem zwischen Unseres Herrn Vaters, des regierenden Herzogs Georg, Gnaden und der getreuen Landschaft des Herzogthums Sachsen-Altenburg ein Vertrag über Vereinigung des hierländischen Kammer- und Obersteuer-Vermögens, sowie über Feststellung der an den jedesmal regierenden Herzog zu gewährenden Civilliste zu Stande gekommen und der diesfallsige Rezeß d. d. Altenburg, den 29. März 1849 von den beiden vertragschließenden Theilen genehmigt und beziehungsweise unterm 17. Juli 1849 und 4. April 1849 mit den nöthigen Ratifikationen versehen worden ist, so nehmen Wir in Gemäßheit des von getreuer Landschaft ausgesprochenen Wunsches einer hinzukommenden Beitrittserklärung der Agnaten des Herzoglichen Spezialhauses keinen Anstand, den Inhalt und die Bestimmungen dieses Uns wohlbekannten Vertrags nebst den in der Ratifikationsurkunde hierzu angegebenen Abänderungen als auch für Uns verbindlich hiermit ausdrücklich anzuerkennen und die Versicherung von Uns zu stellen, daß, soviel an Uns ist, Wir gedachten Vertrag stets treulich beobachten und darüber wachen wollen, daß demselben auf keine Weise ent-

gegengehandelt werde. Zu dessen Urkunde haben Wir die gegenwärtige Beitrittserklärung eigenhändig vollzogen und derselben Unser Fürstliches Siegel beidrucken lassen. Geschehen und gegeben Altenburg, am 14. August 1849. (L. S.) Ernst, Erbprinz von Sachsen-Altenburg.

BEITRITTS-ERKLÄRUNG Seiner Hoheit des Herzogs Joseph zu Sachsen zu dem Vertrag wegen der Herzoglichen Civilliste. Wir Joseph, Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen etc. erklären und bekennen hiermit: Nachdem zwischen Unseres Herrn Bruders, des regierenden Herzogs Georg von Sachsen-Altenburg, Hoheit und Liebden einerseits und der getreuen Landschaft des Herzogthums Altenburg andererseits ein Vertrag über Vereinigung des Sachsen-Altenburgischen Kammer- und ObersteuerVermögens, sowie über Feststellung der an den jedesmal regierenden Herzog zu gewährenden Civilliste zu Stande gekommen und der diesfallsige Rezeß d. d. Altenburg, den 29. März 1849 von den beiden vertragschließenden Theilen genehmigt und beziehungsweise unterm 17. Juli 1849 und 4. April 1849 mit den nöthigen Ratifikationen versehen worden ist, so nehmen Wir in Gemäßheit des von getreuer Landschaft ausgesprochenen Wunsches einer hinzukommenden Beitrittserklärung der Agnaten des Herzoglichen Spezialhauses keinen Anstand, den Inhalt und die Bestimmungen dieses Uns wohlbekannten Vertrags nebst den in der Ratifikationsurkunde hierzu angegebenen Abänderungen als auch für Uns verbindlich hiermit ausdrücklich anzuerkennen

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S ACHSEN -A LTENBURG und die Versicherung von Uns zu stellen, daß, soviel an Uns ist, Wir gedachten Vertrag stets treulich beobachten und darüber wachen wollen, daß demselben auf keine Weise entgegengehandelt werde. Zu dessen Urkunde haben Wir die gegenwärtige Beitrittserklärung eigenhändig vollzogen und derselben Unser Fürstliches Siegel beidrucken lassen. Geschehen und gegeben Altenburg, am 5. Decbr. 1849. (L. S.) Joseph, Herzog zu Sachsen.

BEITRITTS-ERKLÄRUNG Seiner Hoheit des Prinzen Friedrich, Herzogs zu Sachsen, Prinzen von Sachsen-Altenburg, zu dem Vertrage wegen der Herzoglichen Civilliste. Wir Friedrich, Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Prinz von Sachsen-Altenburg etc. erklären und bekennen hiermit: Nachdem zwischen Unseres Herrn Bruders, des regierenden Herzogs Georg von Sachsen-Altenburg, Hoheit und Liebden einerseits und der getreuen Landschaft des Herzogthums Altenburg andererseits ein Vertrag über Vereinigung des Sachsen-Altenburgischen Kammer- und ObersteuerVermögens, sowie über Feststellung der an den jedesmal regierenden Herzog zu gewährenden Civilliste zu Stande gekommen und der diesfallsige Rezeß d. d. Altenburg, den 29. März 1849 von den beiden vertragschließenden Theilen genehmigt und beziehungsweise unterm 17. Juli 1849 und 4. April 1849 mit den nöthigen Ratifikationen versehen worden ist, so nehmen Wir in Gemäßheit des von getreuer Landschaft ausgesprochenen Wunsches einer hinzukommenden Beitrittserklärung der Agnaten des Herzoglichen Spezialhauses keinen Anstand, den Inhalt und die Bestimmungen dieses

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Uns wohlbekannten Vertrags nebst den in der Ratifikationsurkunde hierzu angegebenen Abänderungen als auch für Uns verbindlich hiermit ausdrücklich anzuerkennen und die Versicherung von Uns zu stellen, daß, soviel an Uns ist, Wir gedachten Vertrag stets treulich beobachten und darüber wachen wollen, daß demselben auf keine Weise entgegen gehandelt werde. Zu dessen Urkunde haben Wir die gegenwärtige Beitrittserklärung eigenhändig vollzogen und derselben Unser Fürstliches Siegel beidrucken lassen. Geschehen und gegeben Altenburg, am 14. August 1849. (L. S.) Friedrich, Herzog zu Sachsen, Prinz von Sachsen-Altenburg.

BEITRITTS-ERKLÄRUNG Seiner Hoheit des Prinzen Eduard, Herzogs zu Sachsen, Prinzen von Sachsen-Altenburg, zu dem Vertrage wegen der Herzoglichen Civilliste. Wir Eduard, Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Prinz von Sachsen-Altenburg etc. erklären und bekennen hiermit: Nachdem zwischen Unseres Herrn Bruders, des regierenden Herzogs Georg von Sachsen-Altenburg, Hoheit und Liebden einerseits und der getreuen Landschaft des Herzogthums Altenburg andererseits ein Vertrag über Vereinigung des Sachsen-Altenburgischen Kammer- und ObersteuerVermögens, sowie über Feststellung der an den jedesmal regierenden Herzog zu gewährenden Civilliste zu Stande gekommen und der diesfallsige Rezeß d. d. Altenburg, den 29. März 1849 von den beiden vertragschließenden Theilen genehmigt und beziehungsweise unterm 17. Juli 1849 und 4. April 1849 mit den nöthigen Ratifikationen

Z WEITE R EVISION VON 1849 versehen worden ist, so nehmen Wir in Gemäßheit des von getreuer Landschaft ausgesprochenen Wunsches einer hinzukommenden Beitrittserklärung der Agnaten des Herzoglichen Spezialhauses keinen Anstand, den Inhalt und die Bestimmungen dieses Uns wohlbekannten Vertrags nebst den in der Ratifikationsurkunde hierzu angegebenen Abänderungen als auch für Uns verbindlich hiermit ausdrücklich anzuerkennen und die Versicherung von Uns zu stellen, daß, soviel an Uns ist, Wir gedachten Vertrag stets treulich beobachten und darüber wachen wollen, daß demselben auf keine

Weise entgegen gehandelt werde. Zu dessen Urkunde haben Wir die gegenwärtige Beitrittserklärung eigenhändig vollzogen und derselben Unser Fürstliches Siegel beidrucken lassen. Geschehen und gegeben in München, am 27. August 1849. (L. S.) Eduard, Herzog zu Sachsen, Prinz von Sachsen-Altenburg.

1 Ediert nach Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Altenburg, Jahrgang 1849, Nr. 92, Altenburg, S. 232– 240.

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Verfassung von (Sachsen-)Coburg-Saalfeld (1821) Gesetz, die ständische Verfassung betreffend1

Wir Ernst etc. etc. Nachdem Wir die Wünsche Unserer getreuen Stände über die landständische Verfassung vernommen und in möglichster Berücksichtigung derselben Unsere Entschließung gefaßt haben, so sehen Wir Uns nunmehr bewogen, diese landständische Verfassung, verbunden mit den übrigen dahin gehörigen gesetzlichen Bestimmungen, in eine Urkunde zusammen zu fassen, und verordnen daher Folgendes als die Verfassung des Herzogthums Coburg-Saalfeld.

von ihm gegebenen, in dieser Verfassungsurkunde festgesetzten, Bestimmungen aus. Die Person des Landesherrn ist heilig und unverletzlich. § 4. Die Herzogliche Würde ist erblich in der directen leiblichen und gesetzmäßigen Nachkommenschaft des Herzogs nach dem Erstgeburtsrecht in männlicher Linie, so wie sich überhaupt die Erbfolge in dem Herzoglichen Hause nach der für dasselbe bestehenden Primogenitur-Constitution und nach den Verträgen in den Sächsischen Häusern richtet.

TIT. II TIT. I Von dem Herzogthum und dessen Regierung im Allgemeinen § 1. Das Herzogthum Coburg (Saalfeld, mit Einschluß des Amtes ThemarI ) bildet einen deutschen Bundesstaat. § 2. Die Beschlüsse der Bundesversammlung, welche die verfassungsmäßigen Verhältnisse Deutschlands, oder die Verhältnisse deutscher Staatsbürger im Allgemeinen betreffen, sind ein Theil des Staatsrechts des Herzogthums, und haben in demselben, wenn sie vom Landesherrn verkündet worden sind, verbindliche Kraft. § 3. Der Herzog ist, als Landesherr, das Oberhaupt des Staates, vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt, und übt sie in den I

Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Staatsbürger § 5. Der Genuß aller bürgerlichen Rechte steht nur Inländern zu. § 6. Das Recht eines Inländers (Indigenat) wird erworben: a) durch die Geburt für denjenigen, dessen Vater oder Mutter zur Zeit seiner Geburt Inländer waren; b) durch Verheirathung einer Ausländerin mit einem Inländer; c) durch Verleihung eines Staatsamtes, oder Erwerbung von Grundeigenthum verbunden mit wesentlicher Wohnung im Lande; d) durch besondere Aufnahme, welche entweder ausdrücklich oder auch durch zehnjährige Duldung geschieht.

Ist an S. Meiningen im Jahre 1826 abgetreten worden.

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(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD § 7. Staatsbürger sind diejenigen volljährigen Inländer männlichen Geschlechts, welche den Huldigungseid geschworen haben.

§ 15. Die Freiheit der Person und des Eigenthums ist keiner andern Beschränkung unterworfen, als welche Recht und Gesetze bestimmen.

§ 8. Jede rechtskräftige Verurtheilung zu einer peinlichen Strafe zieht den Verlust des Staatsbürgerrechts nach sich. Außerdem wird es verloren durch Auswanderung.

§ 16. Jedem Einwohner steht das Recht der freien Auswanderung nach den Bestimmungen des Gesetzes zu.

§ 9. Die Ausübung des Staatsbürgerrechts wird gehindert: a) durch Versetzung in den peinlichen Anklagestand, oder Verhängung der Specialinquisition; b) durch das Entstehen eines gerichtlichen Concurs-Verfahrens über das Vermögen bis zur Befriedigung der Gläubiger; c) während der Dauer einer Curatel; d) für diejenigen, welche für die Bedienung der Person oder der Haushaltung von Andern Kost und Wohnung erhalten.2 § 10. Alle Einwohner des Herzogthums Coburg-Saalfeld sind vor dem Gesetze gleich. § 11. Die Geburt gewährt bei sonst gleichen Eigenschaften keinen Vorzug zur Erlangung irgend eines Staatsamtes. § 12. Die Verschiedenheit der in dem Herzogthum anerkannten christlichen Confessionen hat keine Verschiedenheit in den politischen und bürgerlichen Rechten zur Folge.

§ 17. Alle aus dem Lehensverband herrührende Frohnen sind ablösbar, so wie alle Feudallasten überhaupt, nach einem darüber des nächsten erfolgenden allgemeinen Gesetz. § 18. Das Eigenthum kann für öffentliche Zwecke nur gegen vorgängige Entschädigung nach dem Gesetze in Anspruch genommen werden. § 19. Jeder Staatsbürger, für welchen keine gesetzliche Ausnahme besteht, ist verpflichtet an der ordentlichen Kriegsdienstpflicht Antheil zu nehmen. Bei dem Aufrufe zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit entscheidet unter den Gleichverpflichteten das Loos, nach den bestehenden Loosungslisten, mit Gestattung der Stellvertretung. § 20. In außerordentlichen Nothfällen ist jeder Einwohner zur Vertheidigung des Vaterlandes verpflichtet, und kann für diesen Zweck zu den Waffen gerufen werden.

§ 13. Den anerkannten christlichen Confessionen ist die gesetzmäßige freie und öffentliche Ausübung ihres Religions-Cultus gestattet.

§ 21. Das Materielle der Justiz-Ertheilung und das gerichtliche Verfahren innerhalb der Grenzen seiner gesetzlichen Competenz, Form und Wirksamkeit sind von dem Einflusse der Regierung ganz unabhängig, und es soll Niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

§ 14. Jedem Einwohner des Herzogthums Coburg wird der Genuß vollkommener Gewissensfreiheit zugesichert; der Vorwand der Gewissensfreiheit darf jedoch nie ein Mittel werden, um sich irgend einer nach den Gesetzen obliegenden Verbindlichkeit zu entziehen.

§ 22. Kein Einwohner des Herzogthums darf anders, als in den durch das Recht und die Gesetze bestimmten Fällen und Formen verhaftet oder bestraft werden. Keiner darf länger als vier und zwanzig Stunden über den Grund seiner Verhaftung in Ungewißheit gelassen, und dem ordentlichen Richter

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V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD (1821) soll, wenn die Verhaftung von einer andern Behörde geschehen ist, in möglichst kurzer Frist von dieser Verhaftung die erforderliche Nachricht gegeben werden. § 23. Die Verhältnisse der Civil-Staatsdiener werden in einem besondern Gesetze, welches einen Bestandtheil der Verfassungsurkunde bildet, ausführlich bestimmt werden. § 24. Jedem steht die Wahl seines Berufs und Gewerbes nach eigener Neigung frei. Unter Beobachtung der hinsichtlich der Vorbereitung zum Staatsdienst bestehenden Gesetze ist es jedem überlassen, sich zu seiner Bestimmung im Inlande oder Auslande auszubilden.

TIT. III Von den Kirchen, den Unterrichtsund Wohlthätigkeits-Anstalten § 25. Die innere Kirchenverfassung genießt auch den Schutz der politischen Verfassung. § 26. Verordnungen der Kirchengewalt können ohne vorgängige Einsicht und Genehmigung des Landesherrn weder verkündet noch vollzogen werden. § 27. Die Geistlichen sind in ihren bürgerlichen Verhältnissen und bei strafbaren Handlungen, welche nicht bloße Dienstvergehen sind, der weltlichen Obrigkeit unterworfen.

und können unter keiner Bedingung dem Staatsvermögen einverleibt werden. § 30. Die Fonds der milden Stiftungen zur Beförderung der Gottesverehrung, des Unterrichts und der Wohlthätigkeit, werden genau nach den darüber in den Stiftungsbriefen enthaltenen Verordnungen verwaltet. Ueber Abänderungen in der Veraltung oder Verwendung, insoferne solche Abänderungen nach dem Sinne des Stifters zulässig sind, sollen die Stände vorher jedesmal mit ihrem Gutachten gehört werden.

TIT. IV Von den Gemeinden § 31. Die Angelegenheiten der Gemeinden sollen durch ein Gesetz geordnet werden, welches als Grundlage die eigene selbstständige Verwaltung des Vermögens unter der Oberaufsicht des Staats aussprechen wird. § 32. Die Grundbestimmungen dieses Gesetzes werden einen Bestandtheil der Verfassung bilden.3 § 33. Das Vermögen der Gemeinden kann unter keiner Voraussetzung dem Staatsvermögen einverleibt werden.

TIT. V Von den Landständen4

§ 28. Die Beschwerden über Mißbrauch der Amtsbefugnisse der Geistlichkeit können jederzeit bei der geordneten obern Landesstelle angebracht werden.

§ 34. Für alle in dem Herzogthum Coburg-Saalfeld vereinte Landestheile soll von jetzt an eine Gesammtheit von Landständen bestehen, welche allen Theilen des Landes als einem Ganzen gemeinschaftlich ist.

§ 29. Das Kirchengut, das Vermögen der vom Staate anerkannten Stiftungen der Wohlthätigkeits- und Unterrichtsanstalten, genießen des besondern Schutzes des Staats

§ 35. Diese Gesammtheit von Landständen wird gebildet: 1) aus sechs Abgeordneten, welche die sämmtlichen Rittergutsbesitzer im Lande

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(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD aus ihrer Mitte wählen, in der Art, daß drei aus dem Fürstenthum Coburg, zwei aus dem Fürstenthum Saalfeld und einer aus dem Amte Themar auf dem Landtage erscheinen; 2) aus zwei Abgeordneten der Stadt-Obrigkeiten zu Coburg und Saalfeld, von welchen jede einen aus ihrer Mitte, ferner 3) aus drei Abgeordneten der Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck, von welchen jede einen aus ihren Bürgern zu wählen hat, und 4) aus sechs Abgeordneten der übrigen Städte und sämmtlichen Dorfsgemeinden, so daß aus jedem Amt mit Inbegriff der einbezirkten Städte einer der Eingesessenen gewählt wird. § 36. Jeder Abgeordnete wird nur auf den Zeitraum vom Anfang einer ständischen Versammlung bis zur nächsten, mithin in der Regel auf 6 Jahre (§. 80) gewählt, und bleibt bei gleichen Eigenschaften von neuem wählbar. Findet sich der Landesherr veranlaßt, eine ständische Versammlung früher oder vor dem Schlusse ihrer Geschäfte aufzulösen, so erlöschen dadurch die bisherigen Wahlen und es tritt vor der Wiedereröffnung der neuen Stände-Versammlung, welche in diesem Falle binnen sechs Monaten geschehen soll, eine neue Ständewahl ein. § 37. Jedes Stände-Mitglied ist als Abgeordneter nicht seines einzelnen Wahlbezirkes, sondern des ganzen Landes anzusehen. Es können daher weder einzelne derselben, noch mehrere zusammen, etwas in LandesAngelegenheiten unter sich verhandeln, und so Anträge oder Beschwerden an den Regenten bringen, sondern alles muß von der Gesammtheit der Stände bei deren gesetzmäßigen Versammlung ausgehen, und jedes einzelne Mitglied derselben soll bei seiner Theilnahme an den ständischen Verhandlungen nach seiner eigenen Ueberzeugung stets das Wohl des Ganzen beabsichtigen,

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eben so wenig Instructionen oder Aufträge für seine Abstimmung von Andern annehmen, als sein Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten ausüben, wobei ihm jedoch unbenommen bleibt, Beschwerden einzelner Staatsbürger oder ganzer Gemeinden über Verletzung constitutioneller Rechte, in der Stände-Versammlung vorzutragen. Vor Eröffnung der landständischen Versammlung hat jeder Deputirte folgenden Eid zu leisten: „Ich schwöre Treue dem Herzog, treue Beobachtung der bestehenden Landes-Verfassung, Gehorsam den Landes-Gesetzen, und in der Stände-Versammlung das allgemeine Wohl nach bester eigener Ueberzeugung zu berathen.“ Die Stellvertreter sind, wenn sie im Laufe einer ständischen Versammlung einberufen werden, vor ihrer Theilnahme an den Berathungen auf gleiche Weise zu verpflichten. § 38.5 Zur Theilnahme an der Ständewahl sind im Allgemeinen nur diejenigen Staatsbürger berechtigt, welche im vollen Genuß des Staatsbürgerrechts sich befinden, und welche niemals wegen eines mit peinlicher Strafe gesetzlich bedrohten Verbrechens, wenigstens nicht ohne nachher erfolgte gänzliche Lossprechung, in Untersuchung, oder wegen Schulden, wenigstens nicht ohne völlige Befriedigung ihrer Gläubiger, in Concurs befangen waren. § 39. An der Wahl der von den Rittergutsbesitzern im Lande zu wählenden Abgeordneten und Stellvertreter zur StändeVersammlung soll jeder Besitzer eines im Lande gelegenen Ritterguts, dem keines der allgemeinen Erfordernisse abgeht, ohne Rücksicht auf Stand, Dienstverhältnisse und Wohnort, Theil nehmen, und mehrere Besitzer eines Ritterguts haben einen von ihnen zur Stimmführung zu bevollmächtigen. Bei der Wahl zu Deputirten und Stellvertretern ist jedoch auch jeder der übrigen Mitbesitzer, in wiefern er sonst die gesetz-

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD (1821) lichen Eigenschaften hat, wählbar, nur mit der Beschränkung, daß aus den sämmtlichen Besitzern eines Ritterguts für einen und denselben Landtag nur Einer als Deputirter oder Stellvertreter erscheinen kann. Eheweiber, welche ein Rittergut besitzen, können diese Theilnahme von ihrem Ehemann ausüben lassen, und dem Ehemann verbleibt diese Theilnahme auch nach dem Tode der Besitzerin so lange, als demselben vermöge der väterlichen Gewalt der Nießbrauch des von der Ehefrau den Kindern hinterlassenen Gutes zukommt. § 40. In den Städten wird in der Regel zur Wahlberechtigung außer den allgemeinen Bedingnissen (§. 38.) das erlangte Bürgerrecht, verbunden mit wesentlicher Wohnung, erfordert. § 41. In den Dörfern ist auf gleiche Weise zur Theilnahme an den Wahlen das Nachbarrecht und der Besitz eines Hauses nöthig. Jedoch stimmen die Geistlichen auf dem Lande und die sonst daselbst sich befindenden Staatsdiener auch ohne diese Bedingung mit der Gemeinde ihres Orts. § 42. Die Wahl der Abgeordneten für die Rittergutsbesitzer und Stadtobrigkeiten geschiehet unmittelbar durch die Wahlberechtigten aus der treffenden Classe selbst; die Wahl der übrigen Abgeordneten aber geschiehet durch Wahlmänner. In den Städten wählt unter Leitung der Stadtobrigkeit jedes Viertel vier Wahlmänner, in den Amtsbezirken wählt unter Leitung einer Amtsperson jedes Dorf, welches unter 50 Häuser hat, einen Wahlmann; Dörfer von 50-74 Häusern wählen zwei, Dörfer von 75–99 Häusern wählen drei Wahlmänner und so weiter in dem Verhältniß zu 25 Häusern. Die Wahlmänner in den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck wählen unter Leitung eines Regierungs-Commissairs die Abgeordneten aus der Bürgerschaft, und die

Wahlmänner aus den Aemtern und einbezirkten Städten unter Aufsicht des treffenden Amtes aus dessen Bezirk die Deputirten und Stellvertreter. § 43. Bei der Theilnahme an der Ständewahl gilt durchgängig die Regel, daß die Wähler und Wahlmänner die Abzuordnenden aus ihrer Wahlclasse wählen, und daß ein Wähler oder Wahlmann bei der Wahl der Mitglieder einer ständischen Versammlung nur einmal seine Stimme geben, und hierin niemals in doppelter oder mehrfacher Eigenschaft handeln kann. § 44. Die allgemeinen Erfordernisse eines Wahlmannes und eines Mitgliedes der Stände-Versammlung sind: 1) Bekenntniß zur christlichen Religion, ohne Unterschied der Confession, 2) das Staatsbürgerrecht, 3) dreißigjähriges Alter, 4) Unbescholtenheit des Rufs, indem kein Mitglied der ständischen Versammlung wegen eines gesetzlich mit Criminalstrafe bedroheten Verbrechens ohne unbedingt erfolgte Freisprechung in Untersuchung gekommen, oder auch ohne vollständige Befriedigung seiner Gläubiger in Concurs befangen gewesen sein darf. Endlich 5) kann ein Mitglied der Stände weder unter väterlicher Gewalt, noch unter Vormundschaft, noch unter Privatdienstherrschaft stehen. § 45. Bei der Classe der Rittergutsbesitzer können auch die Väter, die den Nießbrauch an den Gütern ihrer Kinder haben, und die Ehemänner von Weibern, denen Rittergüter eigenthümlich zugehören, zu Abgeordneten bei der Stände-Versammlung gewählt werden. Gleiches gilt auch von dem, der sich nicht im alleinigen Besitz, sondern nur im Mitbesitz eines Ritterguts mit einem oder mehreren befindet. § 46. Die Abzuordnenden von den Städten und Dorfsgemeinden sollen entweder

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(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD den Besitz eines im Lande belegenen schuldenfreien Vermögens von 5000 Gulden rhn., oder ein unabhängiges reines Einkommen von jährlich 400 Gulden rhn. nachweisen, oder eidlich versichern können. § 47. Bei den Abgeordneten aus den Städten und Dörfern ist nach obigen Bedingungen wesentliche Wohnung im Lande erforderlich; bei den aus den Rittergutsbesitzern aber wird diese ausnahmsweise nicht verlangt. Personen, welche in wirklichen Diensten eines andern Staates stehen, können ohne besondere Bewilligung eines Landesherrn nicht zur Wahl gelangen. § 48. Die Wahl der Ständemitglieder und eines Stellvertreters für jedes derselben geschiehet jedes Mal vor der Eröffnung eines neuen Landtags auf vorgängige Anordnung des Landesherrn. Für die Rittergutsbesitzer und die Abgeordneten von den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck wird der Wahltag unmittelbar von der Landes-Regierung sechs Wochen vorher im Regierungsblatt bekannt gemacht, und der zur Leitung des Wahlgeschäfts bestimmte Commissarius (§. 52.) bekannt. Für die übrigen Stände erfolgt diese Bekanntmachung ebenfalls sechs Wochen vorher durch öffentliche Anschläge an jedem Orte von dem das Wahlgeschäft leitenden Behörden (§. 52.). Die ohne solche Bekanntmachung eigenmächtigerweise vorgenommenen Wahlen sind ungültig und strafbar. Die Wahlen werden übrigens da, wo sie an einem Tage nicht beendigt werden können, jedesmal an den nächstfolgenden fortgesetzt und so ohne Unterbrechung vollendet. § 49. In der Regel werden die Wahlversammlungen von den Rittergutsbesitzern in dem Regierungsgebäude zu Coburg, für die Abgeordneten aus den Städten Coburg, Saalfeld und Pößneck auf den dasigen Rathhäusern, und für die von den übrigen und den Dorfsgemeinden zu wählenden Stände

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in den Localen der treffenden Justiz-Aemter gehalten. Die den Wahlact leitenden Behörden können jedoch nach Befinden auch ein anderes schickliches Locale dazu wählen, und haben den bestimmten Ort bei der Bekanntmachung des Wahltags jedesmal anzugeben. § 50. Vor jeder Wahl der Wahlmänner haben die leitenden Behörden sich vollständige Verzeichnisse der Wahlberechtigten ihres Bezirkes zu verschaffen, und diejenigen, welche bei dem Wahlact ohne die dazu erforderlichen Eigenschaften erscheinen, von der Theilnahme daran auszuschließen. Etwaige Beschwerden über eine solche Ausschließung und deshalbige Anträge auf Ehrenerklärung und Genugthuung können bei dem Justiz-Collegium zur rechtlichen Verhandlung und Entscheidung angebracht werden, doch kann dadurch der Wahlact selbst keine Störung erleiden. § 51. Bei solchen Wahlversammlungen muß wenigstens ein Dritttheil der stimmberechtigten Einwohner des Wahlbezirks anwesend sein, außerdem wird eine anderweite Versammlung auf einen nahen Tag anberaumt, wo dann die Wahl der Wahlmänner in jedem Falle vor sich geht. Bei den Wahlen der Abgeordneten müssen sämmtliche Wahlmänner zugegen sein. Blos Krankheit entschuldigt die nicht persönliche Theilnahme und berechtiget einen solchen Wahlmann zur schriftlichen Einsendung seiner Stimme, wobei die unten §. 57. folgenden Bestimmungen zu beachten sind. § 52. Zur Leitung der Wahl der Abgeordneten wird sowohl für die Rittergutsbesitzer, als für die Stadtobrigkeiten und die Städte Coburg, Saalfeld und Pößneck ein besonderer Regierungs-Commissair ernannt, und die Wahlen der übrigen Stände sollen unter Aufsicht und Leitung der ersten JustizBeamten in ihren Amtsbezirken geschehen. Die leitenden Behörden erhalten übrigens

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD (1821) für diese Arbeit keine Gebühren, sondern nur ihre gehabten Auslagen aus der Landescasse ersetzt. § 53. Die Wahlberechtigten können bei der Abstimmung nur in eigener Person, nicht durch Bevollmächtigte handeln, und nicht sich selbst ihre Stimme geben. § 54. Den Rittergutsbesitzern ist nachgelassen, ihre Abstimmung in eigenhändig geschriebenen und mit ihren vollen Namen unterzeichneten Wahlzetteln abzugeben. Die Anwesenden stimmen in der Ordnung ab, wie sie sich zum Wahltage angemeldet haben, und die Abwesenden haben ihre Abstimmung bis zum Wahltage einzusenden. Die Eröffnung der Wahlzettel geschiehet in Gegenwart der Erschienenen, und die drei zunächst wohnenden Rittergutsbesitzer werden ausdrücklich dazu eingeladen. Jeder Rittergutsbesitzer hat übrigens seine Abstimmung in Gemäßheit des §. 57. einzurichten. § 55. Die Wahlberechtigten der übrigen Stände haben ihre Abstimmung dem zur Leitung des Wahlgeschäftes Beauftragten mündlich und einzeln zu eröffnen.

jedem Wählenden für die doppelte Zahl der Abzuordnenden, Candidaten namhaft gemacht, und wenn dieses geschehen ist, durch die das Wahlgeschäft leitende Behörde die Namen in Ordnung so zusammengestellt, daß derjenige, welcher die meisten Stimmen erhalten hat, als erwählter Deputirter für die Stände-Versammlung und so nach Mehrheit der Stimmen die übrigen als Stellvertreter angesehen werden. Träfe es sich jedoch, daß die Wählenden oder Wahlmänner auf gleiche Personen gefallen sein sollten, so geht derjenige als Deputirter oder Stellvertreter dem andern vor, der vor dem andern namhaft gemacht worden ist; wäre aber auch die Ordnungszahl, in der die Candidaten namhaft gemacht wurden, gleich; so entscheidet das Loos. Sollten alle Stimmen eine Person treffen, so wird der Stellvertreter besonders gewählt. § 58. Ablehnen kann ein Gewählter die Stelle eines Abgeordneten nur, wenn er Staatsdiener ist, oder wegen ärztlich bescheinigter Krankheit, oder wegen häuslicher Unentbehrlichkeit, die seine obrigkeitliche Behörde zu beglaubigen hat.

§ 56. Jeder Wahlberechtigte leistet vorher das Handgelöbniß, daß er nach inniger Ueberzeugung für das Beste des Landes seine Stimme abgeben werde, und daß er hierzu weder überredet worden, noch sonst etwas erhalten habe, oder annehmen werde. Sollten dennoch Empfehlungen oder Werbungen vorkommen, so wird die dadurch bewirkte Wahl ungültig, eine anderweite nöthig und die Schuldigen verlieren mit Vorbehalt anderer gesetzlicher Strafe ihr Wahlrecht.

§ 59. Ueber die Wahlhandlungen werden von den Commissarien entweder selbst, oder durch beizuziehende verpflichtete Secretarien, und bei den Justiz-Aemtern durch den zweiten Beamten, oder einen verpflichteten Actuar, ausführliche Protocolle mit genauer Bemerkung jedes Stimmenden und seiner Abstimmung aufgenommen, von den Commissarien und ersten Beamten unterschrieben, und nebst den Acten mit einem die Namen der Gewählten und deren Stellvertreter enthaltenden Bericht an die Landes-Regierung eingesendet.

§ 57. Bei der Wahl der Abzuordnenden und Stellvertreter selbst werden sowohl bei derjenigen, die unmittelbar durch die Wahlberechtigten geschiehet, als bei der Wahl, die durch Wahlmänner vollzogen wird, von

§ 60. Die Landes-Regierung prüft dann ohne Zeitverlust die sämmtlichen Wahlen und sendet die Acten mit ihren gutachtlichen Anträgen berichtlich an das LandesMinisterium ein.

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(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD § 61. Die hierauf eingehenden Resolutionen werden sowohl den leitenden Behörden, als den genehmigten Gewählten und ihren Stellvertretern bekannt gemacht, und wegen der etwa erforderlichen neuen Wahlen wird das Nöthige angeordnet. § 62. Abweisende Resolutionen werden jedesmal mit Gründen versehen, dem Nichtgenehmigten aber ist es noch verstattet, sich an die Stände-Versammlung und Intercession bei dem Landesherrn zu wenden. Beim Zurückweisen eines Gewählten tritt der Stellvertreter, für diesen aber derjenige ein, der nach ihm die meisten Stimmen hat, und wenn ein solcher nicht vorhanden ist, erfolgt eine neue Wahl.

TIT. VI Von den Befugnissen der Landstände § 63. Die Stände sind befugt, sich mit denjenigen Gegenständen zu beschäftigen, welche im Nachfolgenden zu ihrem Wirkungskreis angewiesen sind, und welche sich a) auf die Gesetzgebung, b) auf die Finanz-Verwaltung und auf Erhaltung des Landes- und Domanial-Eigenthums, und c) auf gemeinschaftliche Anträge und Beschwerden beziehen, und in folgenden näher angegeben sind. § 64. Neue Gesetze, welche die eigentliche Landes-Verfassung, das heißt, die Bestimmung der gegenseitigen Rechte des Regenten und der Stände betreffen, so wie Abänderungen und Erklärungen der hierunter bestehenden, bedürfen zu ihrer Gültigkeit die Zustimmung der Stände. § 65. Ohne Beirath und Zustimmung der Stände können Gesetze, welche die persönliche Freiheit und das Eigenthum betreffen, nicht gegeben, abgeändert oder aufge-

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hoben werden. Wenn die Versammlung gegen einen Vorschlag stimmt, so bleibt er bis zum nächsten Landtag ausgesetzt. Dagegen können einzelne Verfügungen in dringenden Fällen, so wie diejenigen besondern Anordnungen ohne Beirath der Stände getroffen werden, welche sich auf einzelne Fälle, Gemeinheiten, Vereine und Personen, oder auf vorübergehende Ereignisse beziehen, jedoch gelten diese Verfügungen nur für den besondern dringenden oder einzelnen Fall, und können nicht zur Consequenz als Gesetz gezogen werden. § 66. Der Regent ist befugt, ohne ständische Mitwirkung die zur Vorbereitung, Vollstreckung und Handhabung der Gesetze erforderlichen, so wie die aus den Landesherrlichen Rechten fließenden Verordnungen und Anstalten zu treffen, und überhaupt in allen Fällen das Nöthige zur Sicherheit des Staats vorzukehren. Auch bleiben die Landesherrlichen Rechte hinsichtlich der Privilegien, Dispensationen und Abolitionen durchgängig unbeschränkt. § 67. Gesetzesentwürfe können nur vom Landesherrn an die Stände, nicht von den Ständen an den Landesherrn gebracht werden. Die Stände können aber auf neue Gesetze, so wie auf Abänderung oder Aufhebung der bestehenden antragen, und solches zur weitern höchsten Entschließung des Landesherrn anheimstellen. § 68. In Ansehung des Finanzwesens steht den Ständen die Steuer-Verwilligung und bei der Verwaltung der Landescasse unter der Aufsicht des Regenten folgende Concurrenz zu: 1) wird der Etat der Landescasse mit Zustimmung der Stände hergestellt; 2) sind die Stände berechtigt, zu verlangen und darüber zu wachen, daß der immer von einem Landtage zum andern geltende, für diese Finanzperiode vom Landesherrn als Gesetz ausgesprochene Etat pünktlich

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD (1821) beobachtet werde, und für diese pünktliche Beobachtung sind die obern Landes-Administrations-Behörden verantwortlich; 3) haben die Stände zu allen über den Etat gehenden und außerordentlichen Ausgaben ihre besondere Zustimmung zu ertheilen; 4) werden den Ständen die Cassenrapporte mitgetheilt; 5) haben die Stände das Recht, bei der Landes-Regierung auf Cassenstürze mündlich oder schriftlich anzutragen, und die Landes-Regierung hat diesen Anträgen alsbald zu willfahren; auch ist bei diesen Cassenstürzen stets ein Mitglied der Stände zuzuziehen, und auf dessen Anträge dabei Rücksicht zu nehmen; 6) haben die Stände die Abnahme, Prüfung und Justificatur der Landescasse-Rechnungen gemeinschaftlich mit der LandesRegierung zu besorgen, und 7) zur Besetzung der Landescassirerstelle dem Landesherrn geeignete Personen zur Auswahl und Ernennung vorzuschlagen. § 69. Die Stände sind ferner befugt, von dem Ministerium alle Subsidien zu verlangen, welche zu obigen Geschäften, insbesondere aber zur Prüfung der Etats und Rechnungen, so wie zur Uebersicht der Verwendung ihrer Verwilligung und endlich zur Beurtheilung derjenigen Mittel erforderlich sind, durch welche die Staatsbedürfnisse gedeckt werden sollen. § 70. Zur Landescasse sollen nicht nur die mit Bewilligung der Stände fortbestehenden directen und indirecten Steuern, so wie alle noch künftig von den Ständen zur Deckung der Landesbedürfnisse verwilligt werdende Abgaben, sondern auch das Einkommen aus den Regalien und alle aus Uebung der Landesherrlichen Gewalt entspringenden Gefälle, nicht minder der gesammte Ertrag der Chaussee- und Weggelder aller Art, so wie alle zum Behuf des Militairs und in Beziehung auf solches von den Untertha-

nen erfolgende Leistungen und die von Hintersassen zu zahlenden Schutzgelder fließen. Ueber diese der Landescasse zu überweisenden Fonds, so wie über die Errichtung einer Schuldentilgungscasse, wird eine besondere Bestimmung durch Etats getroffen werden, welche nach erfolgter Uebereinkunft als ein integrirender Theil der Verfassung anzusehen ist. § 71. Dagegen soll die Landescasse die sämmtlichen Kosten der Staatsverwaltung, die Unterhaltung der dem Staatsdienst gewidmeten öffentlichen Gebäude, des Militairs, den Aufwand für Landesbehörden, Kirchen und Schulen, für Chausseen und Wege und überhaupt für alles, was zur Erhaltung und Förderung des gemeinen Wesens durch allgemeine Landesanstalten erforderlich ist, bestreiten. Die Ueberschüsse sind nach Bestreitung der Zinsen zunächst zu dem Schuldentilgungsfonds, so wie auch zur Erhöhung des Fonds der Diener-Pensionen zu verwenden, und in wie fern die zunächst auf die Domainen radicirten Bedürfnisse des Herzoglichen Hauses und Hofs nicht aus den Domanial-Einkünften so vollständig, als die Würde des Landesherrn erfordert, bestritten werden können, treten Zuschüsse zu den Kosten des Hofstaats aus der Landescasse zur Hauptdomainencasse ein. § 72. Die Steuern sind nur zur Bestreitung der Landesbedürfnisse bestimmt, zu welchen alle Staatsbürger nach verhältnißmäßiger Gleichheit, und alles Grundeigenthum im Lande, ohne Ausnahme, also auch die Domainengüter und Renten ebenfalls nach verhältnißmäßiger Gleichheit, beizutragen haben. Diese sämmtlichen Steuern sollen niemals ohne vorhergegangenes Gehör der Stände und ohne deren ausdrückliche Verwilligung ausgeschrieben oder erhoben werden. Doch dürfen die Stände ihre Verwilligungen nicht an Bedingungen knüpfen, wel-

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(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD che den Zweck und die Verwendung derselben nicht selbst betreffen. § 73. Die Auflagen, insofern sie nicht blos für einen vorübergehenden Zweck bestimmt waren, dürfen nach Ablauf der Verwilligungszeit noch ein Jahr fort erhoben werden, wenn die Stände-Versammlung aufgelöst wird, ehe ein neues Finanzgesetz zu Stande kommt, oder wenn die ständischen Berathungen sich verzögern. Dieses Jahr wird jedoch in die neue Finanzperiode eingerechnet. § 74. Der Landesherr ist übrigens dann, wenn die Stände die nothwendige Verwilligung für die Erfüllung neuer, durch Verpflichtungen gegen den deutschen Bund gegründeter Verbindlichkeiten verweigern sollten, zur Ausschreibung der dazu erforderlichen durch Ersparnisse nicht aufzubringenden Summen berechtigt, und es wird über deren Verwendung öffentliche Rechenschaft abgelegt; auch steht dem Landesherrn die ausschließende Verfügung über das Militair, die Formation desselben, die Disciplinar-Verwaltung und das Recht, alle den Kriegsdienst betreffenden Verordnungen zu erlassen, ohne ständische Mitwirkung zu. Aushebungen zur Vermehrung der Truppen über die Bundespflicht hinaus, können nur durch ein solches Gesetz bestimmt werden, welches, wie das ConscriptionsReglement, mit ständischer Concurrenz erlassen ist, unbeschadet jedoch des Landesherrlichen Rechts, in dringenden Fällen die zur Sicherheit und Erhaltung des Staats nothwendigen Vorkehrungen zu treffen. § 75. Die gesammte Staatsschuld soll durch ein besonderes Gesetz und durch die Errichtung einer besondern StaatsschuldenTilgungsanstalt sicher gestellt, auch eine Vermehrung der Staatsschulden ohne Einwilligung der Stände nicht vorgenommen werden. Die Officianten der Staatsschulden-

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Tilgungs- so wie der Landes-Casse sollen auf die genaueste Befolgung der Constitution und der ihnen in dieser Gemäßheit zu ertheilenden Instruction in Gegenwart des Landschafts-Directors, oder eines StändeMitglieds, verpflichtet werden. § 76. Die Domainen-Revenüen sollen für die Erhaltung des Regentenhauses, für die Administrationskosten, und den übrigen Bedarf verwendet werden. Zur Sicherheit und Erhaltung des dem regierenden Herzoglichen Hause eigenthümlich zuständigen Domanial-Vermögens will der Landesherr die Stände zur Berathung in Ansehung einer nützlichen oder schädlichen Verwendung dieses Vermögens zugezogen und die Stände als Garants von dem Domanial-Vermögen angesehen wissen; die Stände sind daher gehalten, in solcher Eigenschaft der Garants, keine Verminderung oder Veräußerung des DomanialVermögens zu gestatten. § 77. Die Stände haben das Recht, alles dasjenige vorzutragen, was sie vermöge eines, von der absoluten Mehrheit der wenigstens zu zwei Drittheilen versammelten Abgeordneten des Landes bei der StändeVersammlung gefaßten Beschlusses für geeignet halten, um an den Landesherrn als Bitte oder Beschwerde gebracht zu werden. Dergleichen Anträge werden jederzeit eine willige Aufnahme finden, und nach vorgängiger Erwägung und Befinden die erforderlichen Verfügungen zu Erfüllung solcher Bitten und zur Abhülfe der Beschwerden getroffen werden. § 78. Insbesondere haben auch die Stände das Recht, auf die in dem §. 77. bestimmte Art, diejenigen Beschwerden an den Landesherrn zu bringen, welche sie sich gegen das Benehmen der Staatsdiener aufzustellen bewogen finden können. Solche Beschwerden sollen nämlich jedesmal zuerst bei dem Landesherrn angebracht werden, und nur

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD (1821) dann auf dem Wege förmlicher Klage an das Justiz-Collegium, oder wenn sie gegen dessen Mitglieder gerichtet sind, an das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht in Jena gelangen, wenn sie von besonderer Erheblichkeit sind, und Unterschleife bei öffentlichen Cassen, Bestechungen, absichtlich verweigerte oder verzögerte Rechtspflege, Eingriffe in die Verfassung, oder in die gesetzliche Freiheit, die Ehre und das Eigenthum der einzelnen Unterthanen oder verfassungsmäßiger Behörden und Communen betreffen, und durch die von dem Landesherrn auf die zuerst bei ihm angebrachte Beschwerde getroffene Verfügung und darauf erfolgte Verantwortung des Angeschuldigten nicht erledigt sind. Ohne eine solche vorgängige Verantwortung des Angeschuldigten soll aber in keinem Falle eine förmliche Untersuchung gegen denselben verfügt werden. § 79. Einzelne und Corporationen können sich nur dann an die Stände wenden, wenn sie hinsichtlich ihrer individuellen Interessen sich auf eine unrechtliche Weise für verletzt oder gedrückt halten, und zugleich nachzuweisen vermögen, daß sie die gesetzlichen und verfassungsmäßigen Wege bei den Landesbehörden zur Abhülfe ihrer Beschwerden vergeblich eingeschlagen haben. Solche Beschwerden können dann die Stände, falls sie nicht von ihnen, nach ertheilter Auskunft von den obersten Landesbehörden, sofort als unbegründet verworfen werden, auf die vorbemerkte Weise an den Regenten bringen. Anträge Einzelner und ganzer Corporationen hinsichtlich allgemeiner politischer Interessen sind dagegen unzulässig und strafbar, indem die Prüfung und Wahrung dieser Interessen lediglich der Stände-Versammlung als Gesammtheit zukommt.6 § 80. In der Regel soll von sechs zu sechs Jahren ein ordentlicher Landtag, und zwar jedesmal im Februar anfangend, gehalten

werden, und auf diese Zeit auch die Verwilligung geschehen. Es hängt jedoch von dem Landesherrn ab, ob er mehrmals und wie oft er die Abgeordneten des Landes zu außerordentlichen Landtägen zusammenberufen will. Nach Verlauf von sechs Jahren erlischt die Function der auf diese Zeit gewählten ständischen Deputirten, eben so wie in dem Fall der von dem Landesherrn innerhalb dieser sechs Jahre geschehenen Auflösung der Stände-Versammlung, in beiden Fällen aber mit Ausnahme der den Ausschuß bildenden Mitglieder, deren Function erst mit der Wiedereröffnung eines neuen Landtags erlischt. § 81. Der Landesherr allein hat das Recht, die Stände zu berufen und die ständische Versammlung zu vertagen, aufzulösen und zu schließen. Ständische Versammlungen ohne Landesherrliche Zusammenberufung, oder nach bereits erfolgtem Schluß, oder nach geschehener Vertagung des Landtags sind unzulässig und gesetzwidrig, und alle dabei gefaßten Beschlüsse sind nichtig. § 82. Die Stände genießen während des Landtags einer völligen Unverletztheit der Person, und können während dieser Zeit ohne Einwilligung der Stände-Versammlung keiner Art von Arrest unterworfen werden, den Fall der Ergreifung auf frischer That bei begangenen Verbrechen ausgenommen, wo aber der Stände-Versammlung ungesäumt Anzeige des Vorfalls mit Angabe der Gründe gemacht werden soll. § 83. Die Eröffnung eines Landtags, so wie die Schließung desselben geschiehet von dem Landesherrn entweder in eigner hoher Person, oder durch einen besonders dazu beauftragten Commissair, und nach dem Schlusse wird der den Ständen bereits eröffnete Landtags-Abschied bekannt gemacht.

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TIT. VII Von der Geschäftsordnung bei den Landtägen § 84. Auf den Landtägen sind alle ständischen Angelegenheiten in der Regel von der Gesammtheit der Stände zu behandeln. Diejenigen, welche für besondere Commissionen oder den Landschafts-Director allein gehören, sind unten angegeben. § 85. Nach Beendigung der Wahlen erfolgt die Zusammenberufung der Stände von dem Regenten durch ein Rescript an die Landes-Regierung mit Bestimmung des Orts und der Zeit. Hierauf wird eine allgemeine Bekanntmachung im Regierungsblatt, und an jedes Stände-Mitglied ein besonderes Einberufungsschreiben erlassen.7 § 86. Die Abgeordneten haben ihre Anwesenheit einer dazu ernannten Landesherrlichen Commission zu melden, oder bei derselben ihr Nichterscheinen schriftlich und zeitig zu entschuldigen, um deren Stellvertreter noch einberufen zu können. Wenn nicht wenigstens zwei Drittheile der Abgeordneten anwesend sind, kann weder der Landtag eröffnet, noch sonst eine vorbereitende ständische Verhandlung mit Gültigkeit vorgenommen werden. § 87. Die Landesherrliche Commission versammelt dann zuvörderst an einem dazu bestimmten Tage die Abgeordneten, um die Wahl eines Landschafts-Directors und eines Secretairs, so wie eines Stellvertreters für den Landschafts-Director und den Secretair, von der Stände-Versammlung bewirken zu lassen. Die Wahl selbst geschiehet durch geheimes Stimmgeben an die Commission nach der Ordnung des natürlichen Alters der einzelnen Abgeordneten. § 88. Zu diesen Stellen ist jedes Mitglied der ständischen Versammlung, welches im Lande angesessen ist, wählbar. Um die zu

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diesen Wahlen nöthige unbedingte Stimmen-Mehrheit zu erlangen, kann so lange abgestimmt werden, bis wenigstens Stimmengleichheit erfolgt, dann entscheidet das Loos. § 89. Die geschehenen Wahlen werden dem Landesherrn von der Commission zur Bestätigung vorgetragen. Erfolgt diese aus anzugebenden Gründen nicht durchgängig, so wird wegen der Nichtgenehmigten zu einer anderweiten Wahl geschritten, die ebenfalls vorzutragen ist. § 90. Nach eingegangener Landesherrlichen Bestätigung geschiehet die Eröffnung der ständischen Versammlung, nachdem vorher der Landschafts-Director, der Secretair und die Stellvertreter derselben von der Commission verpflichtet worden sind. In der Stände-Versammlung sitzt der Landschafts-Director oben an, und neben ihm zur linken Seite der Secretair und die Stellvertreter von beiden, die übrigen Stände aber nach der Ordnung ihres natürlichen Alters. Die Mitglieder des Landes-Ministeriums haben bei der Stände-Versammlung freien Zutritt, außer bei Abstimmungen und vertraulichen Sitzungen. § 91. Der Landschafts-Director hat zur Leitung der Geschäfte die Rechte und Obliegenheiten eines Collegial-Präsidenten. Er empfängt die Eingänge, bestimmt, eröffnet und schließt die Sitzungen, leitet die Berathungen, verhütet alle Abschweifungen, und stellt die Gegenstände des Abstimmens in einzelnen zur unbedingten Bejahung und Verneinung geeigneten Fragen auf; er handhabt die Ordnung, so wie die Gesetze des Anstandes, duldet keine Persönlichkeiten oder beleidigende Aeußerungen, und kann, Falls ein Mitglied seine Verweisung zur Ordnung unbefolgt läßt, die Sitzung alsbald schließen, und die Gesammtheit der Stände darf dann in der nächsten Sitzung Miß-

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD (1821) billigung und im Wiederholungsfalle zeitige oder gänzliche Ausschließung aus der Stände-Versammlung erkennen. Der Landschafts-Director erhält ferner die schriftlichen Anzeigen von dem Grund der Abwesenheit der im Orte sich befindenden Mitglieder, ertheilt den Anwesenden einen Urlaub bis zu vier Tagen, und bringt die Gesuche um einen längern oder um gänzlichen Abgang bei der Stände-Versammlung zum Vortrag, von welchen sodann auch höchsten Orts Anzeige zu machen ist. § 92. Der Secretair führt die Protocolle in den allgemeinen Sitzungen, entwirft die schriftlichen Ausfertigungen und Beschlüsse, und sorgt für Ordnung der Canzlei, so wie für Aufbewahrung und Ordnung der Acten. § 93. Zu Anfang der Sitzung wird das Protocoll der vorhergehenden, um es mit Einverständniß der Stände-Versammlung zu fassen, durch den Secretair vorgelesen, von dem Präsidenten und dem Secretair unterschrieben und von sämmtlichen anwesenden Deputirten signirt. Nach Bekanntmachung des Inhalts der Eingänge seit der letzten Sitzung wird zur Tages-Ordnung geschritten. § 94. Zuerst sind nämlich die von dem Landesherrn den Ständen vorgelegten Anträge, und zwar in der Ordnung, wie sie gefaßt und eingegangen sind, in Berathung zu ziehen. Die Mittheilung dieser Anträge geschieht schriftlich, entweder durch das Landes-Ministerium, oder eine besondere Commission. Zur Beförderung des Ganges der Geschäfte können wichtige Angelegenheiten durch Mitglieder des Landes-Ministeriums oder besondere Commissionen in der Stände-Versammlung noch besonders mündlich erörtert und erläutert werden. § 95. Wenn die vorhandenen Landesherrlichen Anträge durch Beschlüsse erledigt

sind, dann werden diejenigen Gegenstände in der von dem Landschafts-Director zu bestimmenden Ordnung vorgenommen, welche von den Mitgliedern der Stände-Versammlung in Antrag gebracht worden sind. Es steht nämlich jedem Mitgliede wie dem Landschafts-Director frei, über sonst irgend wichtige Gegenstände, die nicht in den Landesherrlichen Anträgen enthalten sind, Vortrag zu thun, nachdem es seine Absicht dem Landschafts-Director angezeigt und dieser einen Tag dazu bestimmt hat. Schriftliche Verhandlungen der Stände mit andern Behörden oder Personen außer dem LandesMinisterium sind nicht gestattet. § 96. Zur Bearbeitung einzelner Gegenstände kann die Versammlung einige aus ihrer Mitte durch Wahl nach relativer Mehrheit der Stimmen ernennen. Diese Commissionen haben sich mit den Mitgliedern des Ministeriums oder den Landtags-Commissarien zu benehmen, um die erforderlichen Nachrichten zu erhalten, oder um zu einer Ausgleichung etwa abweichender Ansichten zu gelangen. Bei den Verhandlungen einer solchen Commission führt ein Mitglied das Protocoll, die Beschlüsse werden nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt, und durch ein von der Commission selbst gewähltes Mitglied derselben entweder mündlich oder schriftlich in der ständischen Versammlung zum Vortrage gebracht. Bei der Berathung darüber hat jedes Mitglied der Commission seine Stimme so gut, wie die übrigen Stände. § 97. Nur diejenigen, welche einen Antrag machen, oder den Beschluß einer Commission vorzutragen haben, sind zur Vorlesung schriftlicher Aufsätze berechtigt; den übrigen Mitgliedern ist es zwar freigestellt, ihre Meinungen über die vorgekommenen Berathungspunkte ausführlich zu äußern, sie haben sich aber auf mündliche Vorträge zu beschränken.

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(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD § 98. Findet der Landschafts-Director die in Berathung gekommenen Gegenstände zur Fassung der nöthigen Beschlüsse genugsam vorbereitet, so wird zur Stellung der Fragen, worüber abgestimmt werden soll, übergegangen, und es steht jedem Mitgliede frei, auf Abänderung dieser Stellung anzutragen; ist hierüber die Discussion beendigt, so erklärt der Landschafts-Director die ständischen Verhandlungen darüber für geschlossen, und setzt einen Tag zur Abstimmung fest. Die Abstimmung erfolgt dann ohne weitere Erörterung. Jedes Mitglied stimmt auf die vorgelegten Fragen des Landschafts-Directors (§. 91.) aufgerufen vom Jüngsten an nach der Reihe der Sitze, zuletzt der Secretair und LandschaftsDirector, durch Ja oder Nein. Der Secretair bemerkt das Resultat der Abstimmung der Zahl nach, und der Landschafts-Director spricht am Ende den Beschluß der Stände aus. § 99. Zur Gültigkeit eines solchen Beschlusses ist die absolute Mehrheit der Stimmen bei Anwesenheit von wenigstens zwei Drittheilen der ständischen Gesammtheit nöthig, und zu Abänderungen der ständischen Verfassung wird die Gleichstimmung von drei Viertheilen derselben erfordert. Tritt statt der absoluten Stimmen-Mehrheit im erstern Fall eine Gleichheit der Stimmen ein, und bleibt dieselbe auch nach nochmaliger Abstimmung, so entscheidet der Ausspruch des Regenten bei andern Gegenständen die Meinung für die bestehende Einrichtung, und bei Beschwerden gegen Einzelne die ihnen günstigere Ansicht. Gegen einen auf die vorgedachte Weise gefaßten Beschluß findet durchaus keine weitere Einwendung statt. § 100. Die Beschlüsse der Stände-Versammlung werden mit der gehörigen Deutlichkeit und Bestimmtheit abgefaßt, und im Concept von sämmtlichen anwesenden De-

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putirten signirt, unter der Aufschrift: Erklärungsschrift der getreuen Stände des Herzogthums Coburg-Saalfeld, vom Landschafts-Director und Secretair unterschrieben, dem Landes-Ministerium übergeben, und von diesem werden die Resolutionen des Regenten den Ständen ebenfalls schriftlich erörtert. § 101. Mündliche Erklärungen der Stände über vorgekommene Berathungspunkte finden eben so wenig, als mündliche Anträge, bei dem Regenten Statt, auch ist zu Deputationen der Stände an den Landesherrn jedesmal eine vorher dazu eingeholte Erlaubniß nöthig. § 102. Bei einem blos vertagten Landtage geschiehet die Zusammenberufung der Stände durch den landschaftlichen Ausschuß auf den Grund eines Landesherrlichen Rescripts, und die Geschäfte werden dann in derselben Ordnung wie sonst auf den Landtägen behandelt. § 103. Die Mitglieder der Stände-Versammlung erhalten auf Begehren aus der Landescasse sowohl Vergütung der Reisekosten, als auch eine für alle ganz gleichmäßige tägliche Auslösung für die Zeit ihres Aufenthalts.

TIT. VIII Von dem ständischen Ausschuß § 104. Während der Zeit, wo keine Stände-Versammlung stattfindet, werden die landständischen Geschäfte durch einen Ausschuß besorgt, welcher aus a) dem Landschafts-Director und dem Secretair, dann b) vier andern Mitgliedern der ständischen Versammlung besteht. Diese vier Mitglieder werden von der Stände-Versammlung jedesmal während

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD (1821) des Landtags durch absolute StimmenMehrheit gewählt und dem Landesherrn zur Genehmigung angezeigt. Die Wirksamkeit dieses Ausschusses hört bei der wieder eintretenden Versammlung der ständischen Gesammtheit auf, und die Mitglieder desselben nehmen an den Geschäften dieser Versammlung jedoch in dem Fall, daß der Landtag, wo der Ausschuß gewählt worden, geschlossen und nicht blos vertagt sein sollte, nur in so ferne Theil, als sie bei der jetzt neu auftretenden Stände-Versammlung entweder selbst zu Stände-Mitgliedern bei derselben gewählt und bestätigt sind, oder als die neue Stände-Versammlung über ihre bisherige Geschäftsführung Auskunft oder Rechenschaft verlangt.8 § 105. Die Verrichtungen des Ausschusses sind: 1) die Zusammenberufung der landständischen Abgeordneten, wenn von dem Landesherrn entweder auf Antrag des Ausschusses oder aus eigener Bewegung ein vertagter Landtag wieder in Thätigkeit gesetzt wird; 2) vorläufige Berathung und Bearbeitung der bei der ständischen Gesammtheit zum Vortrag kommenden Geschäfte, so weit sie nämlich schon vor der Zusammenkunft bekannt sind, z. B. vorläufige Prüfung der Etats-Berathung über vorgekommene Beschwerden, Revision der früherhin ohne landschaftliche Concurrenz erlassenen Verordnungen, Begutachtung der von dem Gouvernement mitgetheilten Gesetz-Entwürfe u.s.w. Uebrigens steht dem Ausschuß während der Zeit, wo derselbe die ständischen Geschäfte allein zu besorgen hat, frei, in Ansehung der ihm erforderlichen Nachrichten und Aufschlüsse sich unmittelbar an die oberste Landesbehörde zu wenden, und versteht es sich von selbst, daß die Mitglieder der Stände-Versammlung in den Plenar-Sitzungen an das Gutachten des Ausschusses nicht gebunden sind;

3) fortwährende Vertretung der Stände außer dem Landtag während seiner Periode. Der Ausschuß kann jedoch weder Steuern und andere Belastungen des Staatsbürgers bewilligen, noch sich definitiv über Gesetzvorschläge oder andere zur unmittelbaren Cognition der Landschaft geeignete Gegenstände erklären. Angelegenheiten, welche nicht bis zum nächsten Landtag ausgesetzt werden können, sind nach vorgängiger Genehmigung des Landesherrn zur Ersparung der Kosten eines Landtags von dem Ausschuß mit den über seine vorläufige Berathung geführten Protocollen auf dem Wege schriftlicher Circulation an sämmtliche Landes-Deputirte zur Abstimmung zu bringen. Zu seiner vollen Competenz gehört: a) die fortwährende Aufsicht über die Aufrechterhaltung der Verfassung und Vollziehung der von dem Landesherrn genehmigten Beschlüsse des Landtags und des festgesetzten Etats; b) die Befugniß, in dringenden Fällen Anzeigen an den Landesherrn zu erstatten, oder Vorstellungen und Beschwerden anzubringen; c) der Antrag auf Zusammenberufung außerordentlicher Landes-Versammlungen, unter Anführung seiner Gründe; d) die Unterzeichnung der landschaftlichen Schuldverschreibungen; e) die Mitaufsicht über die Verwaltung der Landescasse; f) auf die einstweilige Besetzung solcher landständischen Stellen anzutragen, welche bis zum nächsten Landtag nicht ausgesetzt bleiben können. § 106. Die Aufsicht über die Verwaltung der Landescasse wird von einem Mitgliede des Ausschusses und einem Mitgliede der Landes-Regierung besorgt. Diese Cassen-Curatel ist der Landes-Regierung und der gesammten Landschaft, so wie dem Ausschuß in der Art untergeordnet,

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(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD daß alle zur Landescasse sich eignenden Zahlungs-Anweisungen, welche nach der Cassenordnung einer Justificatur bedürfen, nur unter Mitwirkung der Curatel an die Landescasse gelangen können. Der LandesCassirer steht unter der Landes-Regierung und dem landschaftlichen Ausschuß in Beziehung auf den formellen Geschäftsgang; bei verschiedenartigen Ansichten der Herzoglichen Landes-Regierung und des landschaftlichen Ausschusses entscheidet nach vorgängiger Communication des Herzoglichen Landes-Ministerii und der StändeVersammlung oder des Ausschusses, der Landesherr. § 107. Der Landes-Cassirer wird auf Lebenszeit ernannt und von der Landes-Regierung nach §. 75. verpflichtet. Er muß eine angemessene Caution stellen, und kann nur aus denselben Gründen entlassen werden, wie jeder andere Staatsdiener. Ihm liegt die Verwaltung der Landescasse nach den von den Ständen genehmigten und vom Landesherrn bestätigten Etats und in Ansehung der nicht etatsmäßigen Leistungen nach den Anweisungen der Cassen-Curatel, ob. § 108. Der Landschafts-Director, der Secretair und der Cassirer beziehen fixe Besoldungen aus der Landescasse, die Ausschuß-Deputirten aber erhalten bei ihren Versammlungen, welche jährlich wenigstens zweimal gehalten werden, und deren in der Regel auf drei Wochen bestimmte Dauer jedesmal von der Landesherrlichen Bestimmung nach Einsicht der vorwaltenden Geschäfte abhängt, den Ersatz der Reisekosten und dieselbe Auslösung, wie die Abgeordneten bei den Landtägen. § 109. Außer den regelmäßig jährlich zweimal, im Frühjahr und im Herbst, nach vorgängiger Anzeige bei dem Landesherrn stattfindenden Zusammenkünften, kann sich der Ausschuß zur Besorgung der

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ihm obliegenden Geschäfte, nur nach vorgängiger Genehmigung und Einberufung des Landesherrn versammeln. In Ansehung der Form der Verhandlung gelten dieselben Bestimmungen, welche für die Geschäfte auf den Landtägen festgesetzt sind. Die Protocolle sind aber so zu fassen, daß die übrigen oder künftigen Landes-Deputirten den Gang der Verhandlungen und die Gründe, welche einen Beschluß oder ein Gutachten motivirt haben, daraus ersehen können. In dringenden und bei minder wichtigen Angelegenheiten können die Meinungen der Ausschuß-Deputirten auch außer der Versammlung durch den Director schriftlich eingeholt werden. Die Berichte und Expeditionen ergehen nicht im Namen der gesammten Landschaft, sondern unter der Aufschrift: Deputation der Stände des Herzogthums Coburg-Saalfeld, und Resolutionen werden auch an diese Deputation gerichtet. Die Ausfertigungen sind im Concept von dem LandschaftsDirector und den Deputirten zu zeichnen. Die Vollziehung der Reinschrift erfolgt aber von dem Ersten und dem Secretair. § 110. Sollte der Landschafts-Director sterben, oder sonst austreten, so geht seine Function, so wie auch in anderen Verhinderungsfällen, auf den ältesten Deputirten über. Sollte aber nur noch ein Glied des Ausschusses übrig sein, so ist die Zusammenberufung eines Landtags und die Wahl neuer Ausschuß-Mitglieder möglichst zu beschleunigen. § 111. Sollte der Secretair zu einer Zeit sterben, oder sonst abgehen, wo der nächste Landtag noch über zwei Monate entfernt ist, so hat der Ausschuß bis zum nächsten Landtag ein anderes Mitglied des Ausschusses zum Secretair zu wählen, und ihm mit Genehmigung des Landesherrn die Geschäfte des Secretairs interimistisch zu übertragen.

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD (1821)

TIT. IX Von dem Rechnungswesen bei der Landescasse § 112. Einige Zeit vor Eröffnung eines ordentlichen Landtags entwirft die FinanzBehörde, unter Concurrenz der gesammten Landes-Regierung, die Etats, welche in der Regel auf 6 Jahre einzurichten sind, und diese Entwürfe werden von dem Ministerium dem bestehenden Ausschuß zur vorbereitenden Verfügung mitgetheilt. Zu dieser Prüfung kann der landschaftliche Ausschuß die Mittheilung aller Notizen von dem LandesMinisterium verlangen, welche nicht nur eine vollständige Uebersicht des Zustandes aller Cassen geben, sondern auch die Beurtheilung der Mittel zur Aufbringung der erforderlichen Bedürfnisse erleichtern. § 113. Die förmliche Prüfung der Etats erfolgt auf den Landtägen, und die Stände-Versammlung berathet sich über deren Ausführung hinsichtlich der Nothwendigkeit der darinnen aufgeführten Bedürfnisse und hinsichtlich der Ausführbarkeit der zu machenden Verwilligungen. Das Resultat dieser Berathung wird mit der Anzeige der gemachten Verwilligung in einer eigenen Erklärungsschrift der Stände-Versammlung an den Landesherrn gebracht, worauf von Seiten des Landesherrn entweder die Bestätigung der vom Landtag geschehenen Vorschläge erfolgt, oder eine nochmalige Prüfung und Erörterung der Sache veranlaßt wird. § 114. Sind der Landesherr und der Landtag über die sämmtlichen für die nächste Finanzperiode und in derselben erforderlichen öffentlichen Abgaben, über deren Betrag, Art und Erhebungsweise einverstanden, so werden diese Abgaben als von den Landständen verwilligte und von dem Landesherrn genehmigte mittelst Landesherrlichen Patents ausgeschrieben, und sind von

einem Landtag zum andern als bestehend anzunehmen. § 115. Auf die bei dem Landtage festgesetzten und von dem Landesherrn genehmigten Etats ist von den sämmtlichen treffenden Cassenbehörden im Lande so wie von dem Landschaftlichen Ausschuß, der Landes-Regierung und dem Landes-Ministerium bei eigner Vertretung auf das strengste und unverbrüchlichste zu halten. § 116. Die vorstehenden Bestimmungen, welche zunächst die Deckung der gewöhnlichen Staatsbedürfnisse zum Gegenstand haben, gelten auch von dem Fall, wo entweder nach eigenem Ermessen des Landesherrn, oder auf den Bericht eines Landes-Collegiums, andere als die schon mit Zustimmung der Stände-Versammlung bestimmten Finanz-Maaßregeln, welche auf das Interesse des Landes Einfluß haben können, ergriffen, oder andere außerordentliche Leistungen und Anstrengungen der Staatsbürger erforderlich werden sollten. Der Antrag dazu geht von dem Landesherrn unmittelbar an den Landtag, und erst wenn dieser seine Einwilligung ertheilt hat, erfolgt die endliche Bestätigung und die Bekanntmachung derselben in dem gesetzlichen Wege. § 117. Sollten sich in der Zeit von einer der gewöhnlichen landständischen Versammlungen zu der andern solche außerordentliche, nicht vorher zu sehen gewesene Ereignisse zutragen, welche von der Landescasse eine beträchtliche Zahlung, auf die in dem Etat nicht gerechnet werden konnte, unabwendbar erfordern, oder Anstrengungen und Leistungen nöthig machen, so wird in minderwichtigen und eiligen Fällen die Zusammenkunft des Ausschusses, in wichtigeren Fällen, welche für solche von der absoluten Mehrheit der Deputirten bei der Circulation des von dem Ausschuß gemachten Antrags erklärt werden, eine außerordentliche Versammlung der landständischen Ab-

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(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD geordneten vom Landesherrn verfügt werden. § 118. Die Legung der Landes-Cassenrechnungen erfolgt jedesmal innerhalb der ersten zwei Monate nach dem Schlusse des Rechnungsjahres. Die Landes-Regierung nimmt hierauf gemeinschaftlich mit dem landschaftlichen Ausschuß die Prüfung derselben vor, welche die Cassen-Curatel zweckmäßig vorzubereiten und zu erleichtern hat, und dann folgt nach vorgängiger Justificatur die Decharge des Rechnungsführers, auf den gemeinschaftlichen Bericht der Landes-Regierung und des landschaftlichen Ausschusses, von dem Landesherrn. § 119. Dejenigen Diener, welchen die Domainen-Verwaltung obliegt, sind dafür verantwortlich, daß die Stände in Stand gesetzt werden, ihren Verpflichtungen, hinsichtlich der Erhaltung des Domanial-Vermögens, immer Gnüge zu leisten.

TIT. X Von der Gewähr der Verfassung § 120. An diesem Grundgesetz und der dadurch gestifteten Verfassung des Herzogthums Coburg-Saalfeld soll, ohne Uebereinstimmung des Regenten und der Stände nach vorgängiger Berathung auf einem Landtage, weder etwas aufgehoben noch hinzugefügt werden. Jeder Staatsdiener wird auf dessen genaue Beobachtung verpflichtet, und jeder Landes-Regent wird bei dem Antritt der Regierung die Aufrechterhaltung dieser Verfassung durch eine schriftliche Urkunde bei Fürstlichen Worten und Ehren versichern; und diese schriftliche Versicherung noch vor der Huldigung von dem Fürsten in Empfang zu nehmen, ist ein außerordentlicher Landtag zusammen zu berufen. Im Falle einer Vormundschaft schwört

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der Verweser gleich bei dem Antritt der Regentschaft in der deshalb zu veranstaltenden Stände-Versammlung den Eid: Ich schwöre, den Staat in Gemäßheit der Verfassung und der bestehenden Gesetze zu verwalten, die Rechte des Herzoglichen Hauses und die Integrität des Landes zu erhalten, und dem Herzog die Gewalt, deren Ausübung mir anvertraut ist, getreu zu übergeben. Alle Staatsbürger sind bei der Ansässigmachung und bei der Huldigung verbunden, den Eid abzulegen: Ich schwöre Treue dem Herzog, Gehorsam dem Gesetze und Beobachtung der Staats-Verfassung. § 121. Für diese Verfassung soll die Garantie des Bundestages nachgesucht werden. Indem Wir die vorstehenden Bestimmungen für das Staats-Grundgesetz Unsers Herzogthums Coburg-Saalfeld hiermit erklären, ertheilen Wir zugleich die Versicherung, die darinen enthaltenen Zusagen nicht nur Selbst treulich zu erfüllen, sondern auch diese Verfassung gegen alle Eingriffe und Verletzungen kräftigst zu schützen. Zu dessen Urkund haben Wir dieses Verfassungs- und Staats-Grundgesetz eigenhändig vollzogen und mit Unserm größern Herzoglichen Siegel bedrucken lassen. So geschehen Coburg zur Ehrenburg, den 8. August 1821. (L. S.) Ernst, H. z. S. v. Gruner. Arzberger. Hohnbaum. 1

Ediert nach Sammlung der Landesgesetze und Verordnungen für das Herzogthum Coburg, Bd. I, Jahrgang 1821, Nr. IX, Coburg, S. 28–62. Die Verfassung wurde am 8. August 1821 beschlossen, unterzeichnet sowie verkündet und ist an diesem Tag auch in Kraft getreten. Allerdings handelt es sich hierbei um eine Vordatierung, da Ende August noch Änderungen vorgenommen worden sind. Zu den Umständen im einzelnen siehe Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld von 1800–1821, Erlangen 1933.

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD (1821) Zu den vorausgegangenen Entwürfen sowie den Bestrebungen in den Jahren 1804–1808 siehe Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in SachsenCoburg-Saalfeld von 1800–1821, Erlangen 1933, S. 39 ff. sowie 84 ff. Sie wurde nach der Vereinigung mit Sachsen-Gotha durch das gemeinsame Staatsgrundgesetz vom 3. Mai 1852 abgelöst, Siehe dazu Horst Dippel (Hrsg.), Verfassungen der Welt, 1850 bis zur Gegenwart, Teil 1: Europa, München, K.G. Saur 2002–2005, MikroficheNr. 362, 1 ff. Für weiterführende Hinweise siehe Karl Bohley, Die Entwicklung der Verfassungsfrage in Sachsen-Coburg-Saalfeld von 1800–1821, Erlangen 1933; CarlChristian H. Dressel, Die Verfassung des Herzogtums Sachsen-Coburg-Saalfeld von 1821 und die Bildung der Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha durch den Hildburghäuser Erbteilungsvertrag vom 12. November 1826, in: Harald Bachmann (Hrsg.), Zur Verfassungs- und Verwaltungsreform in den Herzogtümern Sachsen-Coburg und Gotha in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Coburg 2002, S. 23–35; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 533; Thomas Nicklas, Das Haus Sachsen-Coburg, Stuttgart 2003, S. 147 ff.; Detlef Sandern, Parlamentarismus in Sachsen-CoburgGotha 1821/26–1849/52, in: Thüringer Landtag Erfurt (Hrsg.), Schriften zur Geschichte des Parlamentarismus in Thüringen, Weimar u.a. 1996, S. 9–171. 2 Aufgehoben durch das „Gesetz, die Ständeversammlung und die Wahl der Abgeordneten hierzu betreffend“ vom 22. April 1848 (Gesetzsammlung für das Herzogthum Coburg, Bd. 1845–1848, Jahrgang 1848, Nr. 52, Coburg 1849, S. 535–545). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“.

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Ein entsprechendes Gesetz konnte für den Geltungszeitraum dieser Verfassung nicht ermittelt werden. 4 Ersetzt durch das „Gesetz, die Ständeversammlung und die Wahl der Abgeordneten hierzu betreffend“ vom 22. April 1848 (Gesetzsammlung für das Herzogthum Coburg, Bd. 1845–1848, Jahrgang 1848, Nr. 52, Coburg 1849, S. 535–545). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 5 Die §§ 38–62 wurden aufgehoben und ersetzt durch das „Gesetz, die Wahl der Landtagsabgeordneten für das Herzogthum Coburg betreffend“ vom 8. Dezember 1846, Gesetzsammlung für das Herzogthum Coburg, Bd. 1845–1848, Jahrgang 1846, Nr. 24, Coburg 1849, S. 297–319. Siehe unter „Revision von 1846“. 6 Die darin enthaltenen Beschränkungen des Petitionsrechts wurden durch das „Gesetz, das Petitionsund Versammlungsrecht betreffend“ vom 6. April 1848 aufgehoben, (Gesetz-Sammlung für das Herzogthum Coburg, Bd. 1845–1848, Jahrgang 1848, Nr. 46, Coburg 1849, S. 491). Siehe unter „Erste Revision von 1848“. 7 Siehe dazu das „Gesetz, die Ständeversammlung und die Wahl der Abgeordneten hierzu betreffend“ vom 22. April 1848 (Gesetzsammlung für das Herzogthum Coburg, Bd. 1845–1848, Jahrgang 1848, Nr. 52, Coburg 1849, S. 535–545). Siehe unter „Zweite Revision von 1848“. 8 Ersetzt durch das „Gesetz, die Abänderung der im §. 104. der Verfassungsurkunde enthaltenen Bestimmungen betreffend“ vom 6. Juli 1847 (Gesetz-Sammlung für das Herzothum Coburg, Bd. 1845–1848, Jahrgang 1847, Nr. 37, Coburg 1849, S. 399). Siehe unter „Revision von 1847“.

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Revision von 1846 Gesetz, die Wahl der Landtagsabgeordneten für das Herzogthum Coburg betreffend. Vom 8. December 18461

Im Namen Sr. Hoheit etc. Durch ein Höchstes Rescript vom 8. d. M. und Jahres ist Uns das von Sr. Hoheit, dem Herzog, vollzogene Gesetz, die Wahl der Landtagsabgeordneten für das Herzogthum Coburg betreffend, nebst den dazu gehörigen Beilagen unter I. und II.2 , zur Publication zugefertigt worden. Demgemäß bringen Wir das gedachte Gesetz nebst den Beilagen hiermit zur öffentlichen Kenntniß. Coburg, am 29. December 1846. Herzogl. Sächs. Landes-Regierung. Hofmann. Wir Ernst, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen Coburg und Gotha, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein und Tonna etc. verordnen mit Beirath und Zustimmung Unserer getreuen Stände, was folgt:

I Bedingungen des Wahlrechts und der Wählbarkeit § 1. Die allgemeinen Erfordernisse für die Theilnahme an der Ständewahl sind: a) das Staatsbürgerrecht, welchem in dieser Beziehung der volle Landsassiat der Rittergutsbesitzer gleich zu achten ist. b) das erfüllte 25ste Lebensjahr. Diejenigen Zustände, durch welche nach

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dem Gesetze die Ausübung des Staatsbürgerrechts gehindert wird, schließen insbesondere auch von der Theilnahme an den Wahlhandlungen aus. § 2. Zur Theilnahme an den Wahlen in dem Stande der Rittergutsbesitzer sind bis auf weitere gesetzliche Bestimmung die Besitzer der in der Beilage I.3 verzeichneten Güter berechtigt, und zwar ohne Rücksicht auf Stand, Dienstverhältnisse und Wohnort. Es steht jedoch dem Herzog frei, künftig auch andern, dazu geeigneten mindestens 6 fl. rhn. Steuersimplum zahlenden Gütern die Landtagsfähigkeit zu verleihen. Mehrere Besitzer eines landtagsfähigen Ritterguts haben einen von ihnen zur Stimmführung zu bevollmächtigen. Eheweiber, welche ein Rittergut besitzen, können diese Theilnahme von ihrem Ehemanne ausüben lassen, und dem letzteren verbleibt diese Theilnahme auch nach dem Tode der Besitzerin so lange, als demselben vermöge der väterlichen Gewalt der Nießbrauch des von der Ehefrau den Kindern hinterlassenen Gutes zukommt. § 3. In der Wahlclasse der Einwohnerschaft zu Coburg ist zur Wahlberechtigung, außer den allgemeinen Erfordernissen (§. 1.) das Heimathsrecht in der Stadt Coburg, verbunden mit wesentlicher Wohnung daselbst nöthig. Es sind jedoch von der Theilnahme an der Ständewahl diejenigen ausgeschlossen, welche weder directe Steuern an die Staatscasse zahlen, noch

R EVISION VON 1846 an städtischen Gemeindelasten Antheil nehmen. § 4. In den Dörfern und Landstädten wird zur Theilnahme an den Wahlen, außer den allgemeinen Erfordernissen (§. 1.) das Heimathsrecht, verbunden mit wesentlicher Wohnung daselbst, erfordert. Es sind jedoch von dieser Theilnahme diejenigen ausgeschlossen, welche weder directe Steuern an die Staatskasse zahlen, noch, in den Landstädten an städtischen Gemeindelasten, in den Dörfern an Gemeindeumlagen Theil zu nehmen haben. § 5. Bei der Ausübung des Wahlrechts gilt – vorbehaltlich der in §. 6. zu bestimmenden Ausnahme – die Regel, daß die Wähler und Wahlmänner (s. §. 15.) die Abzuordnenden lediglich aus ihrer Wahlclasse, beziehungsweise aus ihrem Wahlbezirk, wählen, und daß ein Wähler oder Wahlmann bei einer und derselben Wahlhandlung nur einmal seine Stimme geben, und hierin – abgesehen von dem Fall der Bevollmächtigung eines Rittergutsbesitzers (§. 25.) – niemals in doppelter oder mehrfacher Eigenschaft handeln, auch seine Stimme sich nicht selbst geben kann. Staatsbürger, welche mehr als einer Wahlklasse beizuzählen sind, können das Recht, zu wählen, in diesen mehreren Classen ausüben. § 6. Von den Bestimmungen in §. 5. sind die Abgeordnetenwahlen der Amtsbezirke insofern ausgenommen, als den letzteren das Recht zusteht, vorbehaltlich §. 7. und 9, ihre Abgeordneten und Stellvertreter aus allen Denjenigen auszuwählen, welche in einer Landstadt oder in einer ländlichen Ortsgemeinde des einen oder des andern Amtsbezirks heimathberechtigt sind. § 7. Die allgemeinen Erfordernisse eines Wahlmanns und eines Mitglieds der Ständeversammlung sind:

1) der volle Genuß des Staatsbürgerrechts, welchem auch hier der volle Landsassiat der Rittergutsbesitzer gleichzustellen ist, und 2) dreißigjähriges Alter. § 8. In dem Stande der Rittergutsbesitzer (s. oben §. 2.) können auch die Väter, welche den Nießbrauch an den Gütern ihrer Kinder haben, und die Ehemänner von Weibern, denen Rittergüter eigenthümlich zugehören, zu Abgeordneten gewählt werden. Gleiches gilt auch von Demjenigen, der sich nicht im alleinigen Besitz, sondern nur im Mitbesitz eines Ritterguts mit Einem oder Mehreren befindet, selbst in dem Falle, wenn unter diesen mehreren Besitzern nicht der gewählte, sondern ein anderer, nach der Bestimmung im §. 2. zur Stimmführung bevollmächtigt gewesen ist. § 9. Die Abgeordneten aus der Stadt Coburg und den Amtsbezirken sollen entweder den Besitz eines im Lande gelegenen, schuldfreien Vermögens von 5000 fl. rhn. oder ein reines Einkommen von jährlich 400 fl. rhn. nachweisen, oder eidlich versichern können. Jedoch soll bei der Berechnung des Grundvermögens das der Ehefrau des Abgeordneten zugehörige Vermögen oder dem Vater zur Nutznießung zuständige Besitzthum der Kinder mit in Aufrechnung kommen. § 10. Vater und Sohn ingleichen Brüder können nicht zugleich als Abgeordnete in die Ständeversammlung eintreten. Wenn unter ihnen keine Einigung über einen freiwilligen Rücktritt erfolgt, so geht der Vater dem Sohne, der ältere Bruder dem jüngern vor. § 11. Würde ein mehreren Wahlclassen angehöriger Staatsbürger mehr als einmal gültig als Abgeordneter oder Stellvertreter erwählt, so hat er sich binnen 24 Stunden

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(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD nach empfangener amtlicher Benachrichtigung zu erklären, für welche der gleichzeitigen Wahlen er sich entscheidet.

II

Vermittelung von Wahlmännern. Die Wahl dieser Wahlmänner erfolgt in den Städten unter Leitung der Stadtobrigkeit, in den Dorfschaften unter Leitung eines Deputirten des betreffenden Justizamtes.

Verfahren bei den Wahlen

A Allgemeine Vorschriften § 12. Die Wahl der Ständemitglieder und eines Stellvertreters für jedes derselben geschieht in den durch die Verfassungsurkunde (§§. 36. 80. derselben) bestimmten Fällen jedesmal auf vorgängige ausdrückliche Anordnung des Herzogs. § 13. Das ganze Wahlgeschäft erfolgt unter der Leitung und Aufsicht der Landesregierung. Diese ertheilt, auf dazu erhaltenen Landesherrlichen Befehl, die zur speciellen Leitung erforderlichen Aufträge, prüft die Gesetzmäßigkeit des bei den Wahlhandlungen beobachteten Verfahrens auf den Grund der ihr vorzulegenden Wahlacten, und trägt dem Landesherrn die Ergebnisse der Wahlen vor, wenn sie nichts zu erinnern gefunden hat, oder ihre Erinnerungen beseitigt sind. § 14. Zur speciellen Leitung der Wahl der Abgeordneten sowohl für die Rittergutsbesitzer, als für den Magistrat und die Einwohnerschaft zu Coburg wird ein besonderer Regierungscommissair ernannt. Die Wahlen der übrigen Abgeordneten werden von den ersten Justizbeamten in ihren Amtsbezirken geleitet. § 15. Die Wahl der Abgeordneten der Rittergutsbesitzer und des Abgeordneten des Magistrats zu Coburg geschieht vermöge einer einzigen Wahlhandlung, die Wahl des Abgeordneten der Stadt Coburg und der Abgeordneten der Amtsbezirke geschieht vermöge zweier Wahlhandlungen, durch

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§ 16. Die zu den Hauptwahlen (Wahlen von Landtagsabgeordneten) anberaumten Wahltermine werden von den, das Wahlgeschäft leitenden Behörden im Regierungsblatt und durch öffentliche Anschläge an den Amtstafeln bekannt gemacht. In der Regel soll die Frist zwischen dieser öffentlichen Bekanntmachung und dem Wahltage 4 Wochen umfassen. Insofern jedoch besonders dringende Umstände den Landesherrn zu einer frühern Anberaumung des Wahltermins bestimmen, kann jene Frist bis auf mindestens 14 Tage von Zeit der wirklichen Bekanntmachung an, herabgesetzt werden. Die Frist zur Wahl der Wahlmänner (Vorwahlen) muß mindestens 14 Tage von Zeit der wirklich geschehenen Bekanntmachung an, welche ebenfalls im Regierungsblatt und durch öffentlichen Anschlag an der Amtstafel zu bewirken ist, umfassen. Diejenigen Deputirtenwahlen, welche durch Wahlmänner erfolgen, dürfen nicht eher, als nach Beendigung der Wahl dieser letzteren ausgeschrieben werden. Die Frist für die Ergänzungswahlen (s. §§. 23. 27.) muß wenigstens 3 Tage von Zeit der in gesetzlicher Weise geschehenen Bekanntmachung an umfassen. § 17. Die ohne solche Bekanntmachung eigenmächtigerweise vorgenommenen Wahlen sind ungültig und strafbar. § 18. Können Wahlen an dem hierzu anberaumten Tage nicht beendigt werden, so sind dieselben an dem nächstfolgenden fortzusetzen.

R EVISION VON 1846 § 19. In der Regel werden die Wahlversammlungen der Rittergutsbesitzer in dem Regierungsgebäude zu Coburg, diejenigen zur Wahl des Abgeordneten aus der Stadt Coburg, sowie des Abgeordneten des Magistrats daselbst auf dem dasigen Rathhause, und diejenigen für die von den übrigen Städten und den Dorfgemeinden zu wählenden Abgeordneten in den Localen der treffenden Justizämter gehalten. Die den Wahlact leitenden Behörden können jedoch nach Befinden auch ein anderes schickliches Local dazu wählen und haben den bestimmten Ort bei der Bekanntmachung des Wahltags jedesmal anzugeben.

raumt, wo dann die Wahl der Wahlmänner in jedem Falle vorzunehmen ist. Zur Gültigkeit bei allen Wahlen von Landtagsabgeordneten ist aber die Abstimmung von wenigstens zwei Drittheilen der auf legale Weise einberufenen Wähler erforderlich.

§ 20. Vor jeder Wahl der Wahlmänner haben die leitenden Behörden sich vollständige Verzeichnisse der Stimmberechtigten ihres Bezirks zu verschaffen, und diejenigen, welche bei dem Wahlact ohne die dazu erforderlichen Eigenschaften erscheinen, von der Theilnahme daran auszuschließen. Etwaige Beschwerden über eine solche Ausschließung und diesfallsige Anträge auf Ehrenerklärung und Genugthuung können bei dem Justizcollegium zur rechtlichen Verhandlung und Entscheidung angebracht werden; es kann jedoch eine solche Beschwerde weder die Wahlhandlung aufhalten, noch, wenn sie erst nach vollführter Wahl für begründet erkannt würde, die Gültigkeit dieser Wahl beeinträchtigen.

§ 23. Wenn nach Vollführung der allgemeinen Ständewahl und vor Erlöschen (§§. 36. 80. der Verfassungsurkunde) der dadurch ertheilten Vollmachten zu Ergänzung der Ständeversammlung einzelne Wahlen von Abgeordneten, beziehungsweise Stellvertreter, nöthig werden, so sind dergleichen Ergänzungswahlen durch dieselben Wahlmänner zu vollführen, welche bei der allgemeinen Ständewahl mitgewirkt haben.

§ 21. Zur Theilnahme an den Ständewahlen sollen alle Wahlberechtigten, beziehungsweise alle Wahlmänner sich einfinden. Die Vorwahlen (Wahlen der Wahlmänner) gehen jedoch gültig vor sich, wenn auch nur ein Drittheil der stimmberechtigten Mitglieder des Wahlbezirks erschienen ist und abstimmt. Hat nicht einmal der dritte Theil der Wahlberechtigten an der Abstimmung Theil genommen, so wird eine anderweite Versammlung auf einen nahen Tag in der oben §. 16. festgesetzten Weise anbe-

§ 22. Wird eine zur Ernennung von Wahlmännern oder Landtagsabgeordneten anberaumte Wahl dadurch vereitelt, daß eine zu geringe Anzahl Wähler erscheint, so fallen die Unkosten der neu anzuordnenden Wahl den ohne gegründete Entschuldigung ausgebliebenen Wählern zur Last.

§ 24. Bei allen Wahlhandlungen leistet jeder Stimmberechtigte vor der Wahl an Eidesstatt das Handgelöbniß, daß er nach eigener bester Ueberzeugung und frei von allen Nebenrücksichten seine Stimme so abgeben wolle, wie er es dem Wohle des Landes am zuträglichsten halte. § 25. Das Stimmrecht bei den Wahlen des Magistrats, der Residenzstadt Coburg und der Amtsbezirke kann, sowohl bei den Vorwahlen, als bei den Hauptwahlen, nur in persönlicher Anwesenheit der Abstimmenden ausgeübt werden. Den Rittergutsbesitzern ist die Ertheilung von Vollmachten an andere stimmfähige Rittergutsbesitzer oder Mitbesitzer nachgelassen, jedoch darf kein Wahlberechtigter in der Classe der Rittergutsbesitzer mehr als zwei Vollmachten übernehmen.

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(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD § 26. Sowohl bei den Vorwahlen, als auch bei den Wahlen der Deputirten geschieht die Wahl mittelst geheimer Stimmgebung. Jeder Wähler erhält hierzu durch Ziehung einen gedruckten Wahlzettel. Diese Wahlzettel müssen auf ihrer inneren Seite von der Wahlcommission mit einer Nummer, in fortlaufender Reihe nach der Zahl der Stimmgeber, versehen sein. Nachdem jeder Wähler den Namen, Stand und Wohnort des von ihm Vorzuschlagenden auf den Wahlzettel geschrieben, diesen zusammengelegt und in die vor dem Wahlcommissair stehende Wahlurne eingeworfen hat, werden die Wahlzettel in der letztern umgerüttelt, dann auf den Tisch ausgeschüttet, gezählt, und wenn ihre Zahl mit der Zahl der Wählenden übereinstimmt, geöffnet und der laut verlesene Inhalt eines Jeden alsbald in der Weise zu Protokoll genommen, daß bei jedem der Vorgeschlagenen die Zahl der auf ihn gefallenen Stimmen durch Beischreibung der Nummern der auf ihn lautenden Wahlzettel angegeben wird. Wahlzettel, welche unleserlich geschrieben sind oder die Person des Vorgeschlagenen nicht hinlänglich bezeichnen, werden nicht gezählt, insofern der Aussteller nicht bei der Ablesung des Wahlzettels dessen Inhalt erläutern oder berichtigen sollte. Der Wahlversammlung steht das Recht zu, durch drei von ihr zu ernennende Wahlberechtigte die Stimmzettel, sofort nach Ablesung ihres Inhaltes durch den Wahlcommissarius, einsehen zu lassen. § 27. Zu jedem Abgeordneten wird unter Beobachtung der nämlichen Vorschriften (§. 26.) ein Ersatzmann gewählt, welcher bei Verhinderungen des ersteren dessen Stelle vertritt und für den Fall, wo der Deputirte die Stelle ablehnt, stirbt oder austritt, als nunmehriger Landtagsabgeordneter zur Ständeversammlung einzuberufen ist. Sollte auch der Stellvertreter sterben oder

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sonst abgehen, so ist zu einer Ergänzungswahl (s. §§. 16. 23.) zu schreiten. Für die Classe der Rittergutsbesitzer, welche nach obiger Bestimmung vier Stellvertreter wählen, ist eine dergleichen Ergänzungswahl erst dann anzuberaumen, wenn die noch übrigen Stellvertreter zur Besetzung der erledigten Deputirtenstellen nicht mehr ausreichen. § 28. Nach vollendeter Abstimmung – sowohl bei der Wahl der Wahlmänner, als auch bei der Wahl der Deputirten und deren Stellvertreter – wird das Ergebniß derselben durch den das Wahlgeschäft leitenden Beamten der Wahlversammlung bekannt gemacht. § 29. Ueber die Verhandlung wird durch einen, von dem Wahlcommissarius zuzuziehenden verpflichteten Secretair oder Actuar ein genaues Protocoll aufgenommen, welches die Abstimmenden namentlich aufführt und den Inhalt der einzelnen Stimmzettel (§. 26.) sowie das hiernach sich ergebende Resultat der Wahl angiebt und welches von dem Wahlcommissarius mit zu unterzeichnen ist. § 30. Die ganze Wahlhandlung, einschließlich der Vorlesung des Protokolls geschieht in Gegenwart der Wahlversammlung. Nach Genehmigung des Protokolls und noch im Beisein der Wahlversammlung werden die Stimmzettel mit Ausschluß der etwa beanstandeten, welche zu den Acten zu nehmen sind, vernichtet. § 31. Die mit der Leitung der Wahlhandlung beauftragten Beamten haben die Erhaltung der Ruhe und Ordnung dabei wahrzunehmen, im Uebrigen nur auf Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften und Formen zu sehen und sich zu dem Ende darauf zu beschränken, die Wählenden mit den gesetzlichen Bedingungen der Wählbarkeit bekannt zu machen. In die Wahl selbst darf keine Behörde,

R EVISION VON 1846 besonders nicht diejenige, welche mit der Leitung des Wahlacts beauftragt ist, durch Empfehlung oder Vorschlag einer bestimmten Person oder sonst, sich einmischen. Die Uebertretung dieses Verbots ist als Verletzung der Verfassung streng zu bestrafen. Uebrigens erhalten die Wahlcommissarien und die ihnen beigegebenen verpflichteten Protocollführer für ihre Bemühung keine Gebühren, sondern nur ihre gehabten Auslagen aus der Landescasse ersetzt. § 32. Der zum Abgeordneten oder Stellvertreter Gewählte kann die Stelle auch ohne Angabe der Gründe ablehnen. Die Erklärung über die etwaige Ablehnung der Wahl muß von Seiten Derjenigen, welche in der Classe der Rittergutsbesitzer zu Abgeordneten oder Stellvertretern gewählt werden, sofort im Wahltermine persönlich oder beziehungsweise durch ihre Bevollmächtigten oder von Abwesenden, sobald sie amtlich von der auf sie gefallenen Wahl in Kenntniß gesetzt worden sind, erfolgen, und es haben daher die Rittergutsbesitzer, welche von der ihnen (§. 25.) eingeräumten Befugniß der Bevollmächtigung Gebrauch machen, ihre Bevollmächtigten zu einer Erklärung darüber zu instruiren, ob sie – die Vollmachtgeber – die etwa auf sie fallende Wahl zu Deputirten oder Stellvertretern annehmen würden oder nicht. Den Gewählten aus den übrigen Wahlclassen steht eine 24stündige Bedenkzeit, von dem Zeitpunkte der empfangenen amtlichen Benachrichtigung von ihrer Wahl, zu. Im Falle der Annahme der letztern haben dieselben binnen dieser Frist zugleich den Nachweis oder die eidliche Versicherung des Besitzes des nach §. 9. erforderlichen Vermögens mündlich oder schriftlich zu bewirken. § 33. Personen, welche sich im hiesigen unmittelbaren Civilstaatsdienst, oder im hiesigen activen Militairdienst befinden, bedür-

fen zur Annahme einer Deputirtenwahl der landesherrlichen Erlaubniß, welche jedoch ohne erhebliche, in dem Wesen des Amtes beruhende, den Ständen mitzutheilende Ursachen nicht versagt werden wird.

B Besondere Vorschriften für die einzelnen Wahlklassen

a) Wahl der Deputirten im Stande der Rittergutsbesitzer § 34. Die Wahl der vier Abgeordneten in der Classe der Rittergutsbesitzer geschieht durch absolute Mehrheit der Stimmen von wenigstens zwei Drittheilen sämmtlicher Stimmberechtigter (§§. 2. 21.) und wird in getrennten Wahlacten, das ist immer nur für einen Deputirten vorgenommen. Hat sich bei der ersten Abstimmung eine absolute Stimmenmehrheit nicht ergeben, so wird unter denjenigen 5, dann 4, 3 und 2 Candidaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben, so lange fort scrutinirt, bis die erforderliche Stimmenzahl erlangt ist. Nach Vollendung der Wahl der Deputirten sind in gleicher Weise die vier Stellvertreter einzeln zu wählen. Die Reihenfolge ihrer Wahl bestimmt zugleich die Ordnung, in welcher sie zur Einberufung in die Ständeversammlung gelangen.

b) Wahl des Abgeordneten des Magistrats zu Coburg § 35. Zur Wahl des Abgeordneten des Magistrats zu Coburg wird unter Beobachtung der im §. 21. enthaltenen allgemeinen Vorschrift in allen Fällen – mithin ohne Rücksicht auf die Zahl der wirklich Abstimmenden – absolute Stimmenmehrheit sämmtlicher stimmberechtigten Mitglieder des Magistrats erfordert. Hat sich bei der

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(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD ersten Abstimmung eine solche absolute Stimmenmehrheit nicht ergeben, so muß zu einer zweiten, und, wo nöthig, fernern Wahl, wobei immer nur unter den bei dem unmittelbar vorhergegangenen Scrutinium Vorgeschlagenen gewählt werden darf, geschritten, und hierin so lange fortgefahren werden, bis die erforderliche Stimmenzahl erlangt wird. Das nämliche Verfahren ist bei der alsdann vorzunehmenden Wahl des Stellvertreters zu beobachten.

c) Wahl des Abgeordneten aus der Einwohnerschaft zu Coburg § 36. In der Stadt Coburg wählt jeder der neun Stadtdistrikte aus seiner Mitte vier Wahlmänner mittelst eines einzigen Wahlactes, dergestalt, daß jeder Abstimmende sofort vier Candidaten in dem Stimmzettel aufzeichnet Zur Wahl derselben ist relative Stimmenmehrheit hinreichend. Die Wahl des Deputirten und dessen Stellvertreters durch die Wahlmänner dagegen geschieht durch absolute Mehrheit der Stimmen, bei Anwesenheit und Abstimmung von wenigstens zwei Drittheilen sämmtlicher Wahlmänner, dergestalt, daß der Gewählet, wenn nur 24 oder 25 Wahlmänner erschienen sind, mindestens dreizehn Stimmen, bei Anwesenheit von 26 oder 27 Wahlmännern wenigstens vierzehn Stimmen u. s. w. erhalten haben muß, – und wird in getrennten Wahlacten vorgenommen. Hat sich bei der ersten Abstimmung eine absolute Stimmenmehrheit nicht ergeben, so wird unter denjenigen 9, dann 8. 7. 6. 5. und weniger Candidaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben, so lange fort scrutinirt, bis die erforderliche Stimmenzahl erlangt wird.

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d) Wahl je eines Abgeordneten aus jedem der fünf Amtsbezirke § 37. Die Wahl der Abgeordneten aus den Amtsbezirken erfolgt durch Vermittelung von Wahlmännern, deren Anzahl für jede Landstadt und Dorfgemeinde auf der Beilage II.4 bestimmt ist. Zur Wahl der Wahlmänner genügt relative Stimmenmehrheit. Zur Wahl des Abgeordneten, desgleichen zu der hiervon getrennt vorzunehmenden Wahl des Stellvertreters für solchen, ist absolute Mehrheit der Stimmen bei Anwensenheit und Abstimmung von wenigstens zwei Drittheilen sämmtlicher Wahlmänner erforderlich und es ist, um dieselbe zu erlangen, auf die oben im §. 36. bezeichnete Art zu verfahren.

III Prüfung der Ständewahlen § 38. Jeder nach Vorschrift des §. 85. der Verfassungsurkunde einberufene Landtagsabgeordnete ist durch diese Einberufung selbst als vorläufig legitimirt zu erachten. § 39. Die definitive Entscheidung über die Gültigkeit der Ständewahlen und über die hievon abhängige fernere Zulassung oder Abweisung ihrer Mitglieder gehört zur Competenz der Ständeversammlung, sobald dieselbe eröffnet worden ist. § 40. Zu diesem Behufe werden vom Staatsministerium unmittelbar nach Eröffnung des Landtags der Ständeversammlung sämmtliche Wahlacten gegen Zurückgabe vorgelegt. In gleicher Weise erfolgt auch bei den Ergänzungswahlen die Mittheilung der betreffenden Wahlacten an die Ständeversammlung sofort nach geschehener Einführung der neugewählten Mitglieder.

R EVISION VON 1846 § 41. Es hängt von dem Herzog ab, zu den zur Vorprüfung der Wahlen ernannt werdenden ständischen Commissionen landesherrliche Commissarien abzuordnen. § 42. Nur diejenigen Mängel haben die Nichtigkeit der Wahl eines Landtagsabgeordneten zur Folge, welche entweder die gesetzlichen Eigenschaften des Gewählten betreffen, oder, sofern sie sich auf die persönlichen Eigenschaften der Wähler oder auf das Wahlverfahren beziehen, von solcher Beschaffenheit sind, daß sie nach dem Ermessen der Ständeversammlung, unter den besondern Umständen des jedesmal vorliegenden Falles, einen wirklichen Einfluß auf das Ergebniß der Wahl haben konnten. § 43. Wahlen, welche durch Bestechung oder Drohungen zu Stande gekommen sind,

sind nicht blos als ungültig zu cassiren, sondern haben auch eine gerichtliche Untersuchung zur Folge Gegen diejenigen, welche sich einer dergleichen Handlung schuldig gemacht haben, ist, abgesehen von der sie außerdem treffenden gesetzlichen Strafe, auf den Verlust des activen und passiven Wahlrechts zu erkennen. § 44. Die §§. 38. bis einschließlich 62. der Verfassungsurkunde werden hiermit aufgehoben. § 45. Gegenwärtiges Gesetz tritt mit der Publikation in Kraft. Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und dem vorgedruckten Herzoglichen Siegel. Gegeben Coburg zur Ehrenburg den 8. December 1846.

(L. S.) Ernst, H. z. S. D. Frhr. v. Stein. Heß. Bröhmer.

Pawel.

BEILAGE I Verzeichniss derjenigen Güter, deren Besitzer bis auf weitere gesetzliche Bestimmung zur Theilnahme an den Wahlen in dem Stande der Rittergutsbesitzer berechtigt sind Bezeichnung des Orts. Namen der Besitzer. 1. Ahorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Erffa. 2. Bertelsdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehrlicher. 3. Birkach am Forst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Stockmar. 4. Birkig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Speßhardt. 5. Breitenau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bähring. 6. Dörfles bei Coburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Löhner. 7. Eichhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schöner. 8. Einberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Briegleb. 9. Finkenau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Erffa. 10. Hassenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Wasmer. 11. Heldritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Butler. 12. Hof an der Steinach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Wasmer. 13. Hohenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Imhoff. 14. Horb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Wasmer.

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(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD Bezeichnung des Orts. Namen der Besitzer. 15. Kleinwalbur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nistler. 16. Meeder, oberes Schloß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forkel. 17. Meeder, unteres Schloß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Schauroth. (so lange es im Besitz dieser Familie verbleibt.) 18. Moggenbrunn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Könitz. 19. Neuhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Donop. 20. Neuses bei Coburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückert. 21. Niederfüllbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . König der Belgier. 22. Obersiemau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Stockmar. 23. Rodach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Butler. 24. Roßfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Butler. 25. Scherneck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Lichtenberg. 26. Scheuerfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto. 27. Untersiemau, oberes Schloß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Könitz. 28. Untersiemau, unteres Schloß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Könitz. 29. Weißenbrunn am Forst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Könitz. 30. Weißenbrunn vorm Wald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Steinau. 31. Weidhausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Gohren. 32. Wildenheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Miedel. 33. Wörlsdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Erffa. 34. Ziegelsdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . von Seebach.

BEILAGE II Verzeichniss der einzelnen Orte resp. Wahlbezirke in den Aemtern mit Bemerkung der Zahl der von einem jeden derselben zu wählenden Wahlmänner

A Amtsbezirk Coburg

1. 2.

3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

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Zahl der Wahlmänner. Ahorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Beiersdorf, Kallenberg mit Weihers, Hain- und Haselmühle, Kropfweihers und Kürrengrund, Eichhof mit der Lämmer- und Knochenmühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Bertelsdorf und Elend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Beuerfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Birkach am Forst und Obersiemau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Buchenrod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Cortendorf (Alt- und Neu-), Vestung, Vestungshof und Hügelhaus 2 Dörfles bei Coburg, Neudörfles und Esbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Gossenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Großheirath, Schönau und Erlesmühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

R EVISION VON 1846

11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38.

Zahl der Wahlmänner. Grub am Forst mit der Ziegelhütte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Hohenstein, mit Neu- und Hühnerhaus, Schaafhof, Seemühle, Wohlbach und Ziegelsdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Ketschendorf, Creidlitz mit Hambach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Lützelbuch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Meschenbach und Weißenbrunn am Forst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Moggenbrunn, Sulzdorf und Kößfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Neuses bei Coburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Neuses an Eichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Niederfüllbach mit der Geizenmühle, Roth am Forst . . . . . . . . . . 2 Neuhof mit Nershof und Rögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Neukirchen und Tiefenlauter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Oberfüllbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Oberlauter mit Obergebaue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Oberwohlsbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Rohrbach mit Friesendorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Rossach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Scherneck mit der Weidenmühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Scheuerfeld und Dörfles bei Scheuerfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Seidmannsdorf mit Löbelstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Stöppach und Haarth. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Unterlauter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Untersiemau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Unterwohlsbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Wazendorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Weidach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Weißenbrunn vorm Wald und Fornbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Weitramsdorf, Gersbach und Schlettach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Wüstenahorn, Finkenau und Triebsdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 63

B Amtsbezirk Neustadt

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Zahl der Wahlmänner. Stadt Neustadt, aus jedem Viertel vier Wahlmänner . . . . . . . . . . . 16 Birkig und Horb bei Fürth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Blumenrod, Spittelstein und Theißenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Boderndorf, Kemmaten und Thierach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Einberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Fechheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Fürth am Berg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

311

(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD

8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.

Zahl der Wahlmänner. Haarbrücken, Ketschenbach und Thann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Hassenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Höhn, Brüx, Rüttmannsdorf und Weimersdorf . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Mittelberg, Waltersdorf, Taimbach, Gereuth und Lauterburg . . . 1 Mönchröden mit Schaafhausen, Gneiles und Marmormühle . . . . 3 Oeslau mit der Marmormühle und Rosenau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Rothenhof, Kipfendorf und Wellmersdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Schönstädt und Fischbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Steinach und Wörlsdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Waldsachsen mit Aßig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Wildenheid, Meilschnitz, Ebersdorf mit der Bergmühle . . . . . . . . 2 40

C Amtsbezirk Rodach

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.

Zahl der Wahlmänner. Stadt Rodach, aus jedem Viertel drei Wahlmänner . . . . . . . . . . . . 12 Ahlstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Breitenau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Drossenhausen, Einzelberg und Mirsdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Elsa, Schweighof und Riethmühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Gauerstadt, Carlshahn und Niederndorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Grattstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Groswalbur, Kleinwalbur und Birkenmoor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Heldritt und Lempertshausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Mährenhausen und Sülzfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Meeder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Neida und Herbartsdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Oettingshausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Ottowind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Roßfeld und Rudelsdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Rottenbach und Tremersdorf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Wiesenfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 45

312

R EVISION VON 1846

D Amtsbezirk Sonnefeld

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.

Zahl der Wahlmänner. Bieberbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Ebersdorf und Zeikhorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Frohnlach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Gestungshausen und Firbelsdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Großgarnstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Hof an der Steinach, Horb an der Steinach, Lochleiten . . . . . . . . 1 Hofstädten und Sonnefeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Kleingarnstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Leutendorf, Rothberg und Häusles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Mödlitz, Neuses am Brand, Weischau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Oberwasungen, Mittelwasungen und Aicha . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Trübenbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Unterwasungen und Plehsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Weidhausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Zedersdorf und Weickenbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 32

E Amtsbezirk Königsberg

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Zahl der Wahlmänner. Stadt Königsberg, aus jedem Viertel drei Wahlmänner . . . . . . . . . 12 Altershausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Dörflis, Kottenbrunn und Windsberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Hellingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Köslau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Nassach und Erlsdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 21

1

Ediert nach Gesetzsammlung für das Herzogthum Coburg, Bd. 1845–1848, Jahrgang 1846, Nr. 24, Coburg 1849, S. 297–319.

2 3 4

Im Anschluß an das Gesetz abgedruckt. Im Anschluß an das Gesetz abgedruckt. Im Anschluß an das Gesetz abgedruckt.

313

Revision von 1847 Gesetz, die Abänderung der im §. 104 der Verfassungsurkunde enthaltenen Bestimmungen betreffend1

Wir Ernst, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen Coburg und Gotha, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein und Tonna etc. haben beschlossen und verordnen mit Beirath und Zustimmung Unserer getreuen Stände, was folgt: A RT. 1. Der §. 104. der Verfassungsurkunde vom 8ten August 1821 ist aufgehoben. An die Stelle desselben treten die nachfolgenden Bestimmungen. A RT. 2. Während der Zeit, wo keine Ständeversammlung stattfindet, werden die landständischen Geschäfte durch den ständischen Ausschuß besorgt, welcher aus a) dem Landschaftsdirector und dem Secretär, dann b) drei andern Mitgliedern der ständischen Versammlung besteht.

314

Diese drei Mitglieder werden von der Ständeversammlung nach Eröffnung des Landtags und erledigter Wahlprüfung durch absolute Stimmen-Mehrheit gewählt, und dem Landesherrn zur Genehmigung angezeigt. A RT. 3. Das vorliegende Gesetz ist als ein integrirender Theil der Verfassung zu betrachten und tritt sofort mit der Publication in Wirksamkeit. Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und dem vorgedruckten Herzoglichen Siegel. Coburg zur Ehrenburg, am 6ten Juli 1847. (L. S.) Ernst, H. z. S. D. Frhr. v. Stein. Heß. Bröhmer. Pawel.

1

Ediert nach Gesetzsammlung für das Herzogthum Coburg, Bd. 1845–1848, Jahrgang 1847, Nr. 37, Coburg 1849, S. 401.

Erste Revision von 1848 Gesetz, das Petitions- und Versammlungsrecht betreffend1

Wir Ernst, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen Coburg und Gotha, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein und Tonna etc. haben beschlossen und verordnen mit Beirath und Zustimmung Unserer getreuen Stände, wie folgt: A RT. 1. Der §. 79. der Verfassungsurkunde ist hinsichtlich aller darin enthaltenen Beschränkungen des Petitionsrechts aufgehoben. A RT. 2. Das Recht der Versammlung zur

Berathung über allgemeine politische oder Privat-Interessen kann frei ausgeübt werden. A RT. 3. Gegenwärtiges Gesetz bildet einen integrirenden Theil der Verfassung. Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und dem vorgedruckten Herzoglichen Siegel. Gotha, den 6. April 1848. (L. S.) Ernst, H. z. S. Bröhmer.

1

Ediert nach Gesetzsammlung für das Herzogtum Coburg, Bd. 1845–1848, Jahrgang 1848, Nr. 46, Coburg 1849, S. 493.

315

Zweite Revision von 1848 Gesetz, die Ständeversammlung und die Wahl der Abgeordneten hierzu betreffend. Vom 22. April 18481

Publicirt und ausgegeben mit dem 18. Stücke des Regierungsblattes, den 29. April 1848.

oder seines Abgangs aus ihr, sowie zu seiner Vertretung bei zeitweiser Verhinderung ein Ersatzmann gewählt.

Wir Ernst, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen Coburg und Gotha, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein und Tonna etc.

A RT. 4. Die Wahlmänner-Wahl bewirken Urwähler nach der auf Anlage A bestimmten Anzahl und Bezirksabgrenzung.

haben beschlossen und verordnen mit Beirath und Zustimmung Unserer getreuen Stände, was folgt:

1 Von den Landständen A RT. 1. Die Stände-Versammlung ist Vertreterin der Volksrechte im Herzogthum. Der einzelne Abgeordnete ist für das Herzogthum im Ganzen, nicht zur Geltendmachung der Sonderbelange seines Wahlbezirks gewählt. A RT. 2. Die Stände-Versammlung ist aus achtzehn Abgeordneten der auf Beilage A2 verzeichneten achtzehn Wahlbezirke zusammen gesetzt. A RT. 3. Die Abgeordnetenwahl erfolgt durch Wahlmänner. Zu jedem Abgeordneten wird für den Fall des Nichteintritts des Abgeordneten in die Stände-Versammlung

316

A RT. 5. Die Berufung der Abgeordneten und Ersatzmänner erstreckt sich, sofern die Stände-Versammlung nicht aufgelöst wird, auf sechs Jahre. A RT. 6. Im Fall der Auflösung der Stände-Versammlung ist längstens nach drei Monaten eine neue zu berufen, und sind neue Wahlen der Abgeordneten und Ersatzmänner für sämmtliche Wahlbezirke zeitig einzuleiten. Bei Abgang des Abgeordneten und Ersatzmannes eines Wahlbezirks hat dieser für die Berufungszeit der Abgegangenen einen anderweiten Abgeordneten und Ersatzmann zu wählen, sofern jene nicht bis auf sechs Monate abgelaufen ist und die Stände-Versammlung durch Unterlassung der Wahl nicht beschlußunfähig würde. A RT. 7. Die Abgeordneten und Ersatzmänner haben beim Eintritt in die StändeVersammlung folgenden Eid zu leisten: Ich schwöre Treue dem Herzog, treue Beobachtung der Landesverfassung, Gehorsam den Gesetzen und in der Stände-Versammlung das allgemeine Wohl nach bester Ueberzeugung zu berathen.

Z WEITE R EVISION VON 1848

II Bedingungen des Wahlrechts und der Wählbarkeit A RT. 8. Jeder volljährige, selbstständige Inländer, mit Ausnahme desjenigen, welcher wegen eines nach allgemeiner Annahme als entehrend zu betrachtenden Vergehens oder Verbrechens rechtskräftig verurtheilt ist, ist in der Gemeinde, in welcher er seinen ordentlichen Wohnsitz hat, als Urwähler wahlberechtigt und im ganzen Herzogthum als Wahlmann wählbar. A RT. 9. Als selbstständig sind diejenigen Staatsangehörigen zu betrachten, welche nicht unter väterlicher Gewalt oder Zustandsvormundschaft stehen oder Kost und Lohn als Dienstleute von ihren Dienstherren oder aus öffentlichen Mitteln Armenunterstützung beziehen. A RT. 10. Jeder, der die Eigenschaften eines Wahlmannes besitzt, ist als Abgeordneter oder Ersatzmann für die Stände-Versammlung wählbar, sofern er das dreißigste Lebensjahr zurückgelegt hat. A RT. 11. Das Wahlrecht kann nur in Person ausgeübt werden.

III Verfahren bei den Wahlen A RT. 12. Das Wahlgeschäft erfolgt unter Aufsicht der Landesregierung. Die Wahlmännerwahlen leiten die Gemeindebehörden der Wahlbezirke. Bei Vereinigung mehrerer Gemeinden zu einem Wahlbezirk leiten deren Vorstände die Wahl gemeinschaftlich unter Vorsitz des Vorstandes, den die übrigen Vorstände dazu ausersehen. Die Abgeordneten- und ErsatzmannsWahlen leiten Beauftragte der Landesregierung.

A RT. 13. Die Wahltermine müssen den Urwählern und Wahlmännern acht Tage vor dem Wahltermin unter Angabe des Orts der Wahlversammlung gehörig bekannt gemacht werden. Das Ausschreiben der Wahl im Regierungsblatt und durch Anschlag an die Gemeindetafel vierzehn Tage vor dem Wahltermin gilt für eine gehörige Bekanntmachung des Wahltermins. A RT. 14. Zwischen der Tagfahrt der Wahlmänner- und der Abgeordneten- und Ersatzmanns-Wahl müssen mindestens acht Tage in Mitte liegen. A RT. 15. Die Urwahlen ländlicher Gemeinden werden in den Gemeindehäusern oder sonst einer geeigneten Räumlichkeit des Dorfes, bei Vereinigung mehrerer Ortschaften zu einem Urwahlbezirk des größten Dorfes dieses Bezirks vorgenommen. Die Abgeordneten- und ErsatzmannsWahlen der ländlichen Wahlbezirke geschehen in den Amtssitzen, die Ur- und Hauptwahlen in den Städten auf den dasigen Rathhäusern. A RT. 16. Die Urwahlen sind auf den Grund von Wahllisten zu bewirken. Die Wahllisten sollen wenigstens drei Tage lang vor dem Wahltermin an der Gemeindetafel öffentlich ausgehängt werden. A RT. 17. Jeder Wähler hat das Recht und die Pflicht, Berichtigungen der Wahlliste bei der wahlleitenden Behörde zu beantragen. Der Wahlact selbst kann durch Anträge auf Berichtigung der Wahlliste keinen Aufschub erleiden. A RT. 18. Die Wahlen erfolgen mittelst geheimer Abstimmung durch Wahlzettel. A RT. 19. Die Wahlverhandlung mit Einschluß der Verlesung des Protocolls darüber ist in ihrer ganzen Ausdehnung in Gegenwart der Wahlversammlung vorzunehmen.

317

(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD A RT. 20. Die Wahlversammlung darf die Stimmzettel durch drei Wahlberechtigte einsehen lassen. A RT. 21. Jeder Wahlmann, Abgeordneter und Ersatzmann ist einzeln zu wählen. A RT. 22. Die Wahlmänner-Wahl erfolgt nach relativer Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos zwischen Denen, welche eine gleiche Stimmenanzahl erhalten haben. A RT. 23. Für die Abgeordneten- und Ersatzmanns-Wahl ist die Theilnahme von wenigstens zwei Drittheilen der Wahlmänner an der Wahl wesentliches Erforderniß. Die Wahl der Abgeordneten und Ersatzmänner erheischt absolute Stimmenmehrheit der erschienenen Wahlmänner, welche nöthigenfalls durch Wiederholung des Wahlactes zu erzielen ist. A RT. 24. Staatsbeamte, welche auf das Ergebniß der Wahl einzuwirken versuchen, sind des Vergehens der Verfassungsverletzung schuldig.

IV Prüfung der Ständewahlen

A RT. 25. Jeder nach Vorschrift des §. 85. der Verfassungsurkunde einberufene Abgeordnete ist durch diese Einberufung als vorläufig legitimirt zu erachten. A RT. 26. Nach Eröffnung des Landtages prüft die Stände-Versammlung auf den Grund der Wahlacten die Wahlen und entscheidet über ihre Giltigkeit.

V Schlußbestimmungen A RT. 27. Der §. 9. und Titel V. der Verfassungs-Urkunde vom 8ten August 1821, ferner das Gesetz über die Wahl der Landtagsabgeordneten vom 8ten December 1846 sind aufgehoben. A RT. 28. Gegenwärtiges Gesetz gilt als Theil der Verfassung des Herzogthums. Es tritt mit der Verkündigung in Kraft. Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und dem vorgedruckten Herzoglichen Siegel. Gegeben Coburg zur Ehrenburg, am 22. April 1848. (L. S.) Ernst, H. z. S. Bröhmer.

BEILAGE A

Bezeichnung des Orts resp. Wahlbezirks.

Wahlbezirk I Coburg, Residenzstadt, erstes Viertel Wahlbezirk II Coburg, Residenzstadt, zweites Viertel Wahlbezirk III Coburg, Residenzstadt, drittes Viertel Wahlbezirk IV Coburg, Residenzstadt, viertes Viertel

318

Zahl der Wahlmänner

Zahl der Abgeordneten

20

1

20

1

20

1

20

1

Z WEITE R EVISION VON 1848 Zahl der Wahlmänner

Zahl der Abgeordneten

Summa

1 1 1 1 2 2 2 3 1 1 15

1

Summa

1 4 1 2 2 2 1 3 16

1

Summa

1 1 3 2 2 2 1 1 3 16

1

Bezeichnung des Orts resp. Wahlbezirks.

Wahlbezirk V 1. Veste, Vestungshof u. Hügelhaus u. Löbelstein 2. Ketschendorf 3. Creidlitz mit Hambach und Triebsdorf 4. Haarth und Finkenau 5. Niederfüllbach 6. Meschenbach, Stöppach 7. Hohenstein mit Neuhaus, Schaafhof, Wohlbach 8. Scherneck mit Weidemühle 9. Weißenbrunn a. F. 10. Goßenberg, Ziegelsdorf

Wahlbezirk VI 1. Obersiemau 2. Untersiemau 3. Watzendorf 4. Neuses a. E. 5. Buchenrod 6. Großheirath 7. Birkach a. F. 8. Rossach

Wahlbezirk VII 1. Alt- und Neucortendorf 2. Neudörfles und Dörfles 3. Unterlauter 4. Oberlauter und Obergebauer 5. Tiefenlauter, Neukirchen 6. Moggenbrunn, Beuerfeld 7. Sulzdorf, Kößfeld, Glend 8. Esbach, Bertelsdorf 9. Neuses b. C.

319

(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD

Bezeichnung des Orts resp. Wahlbezirks.

Wahlbezirk VIII 1. Neida, Herbartsdorf 2. Wiesenfeld 3. Beiersdorf 4. Kallenberg, Weihers und Kropfweihers u. Kürrengrund und Eichhof mit Lämmermühle und Lämmereller 5. Weidach 6. Weitramsdorf 7. Gersbach, Schlettach, Dörfles b. Scheuerfeld 8. Scheuerfeld 9. Wüstenahorn 10. Ahorn Summa

Zahl der Abgeordneten

1 2 1 1 1 2 1 2 1 3 15

1

Summa

4 1 1 5 1 1 2 1 16

1

Summa

1 5 7 3 3 19

1

Wahlbezirk IX 1. Ebersdorf 2. Zeikhorn, Friesendorf 3. Oberfüllbach 4. Roth a. F., Grub a. F. 5. Rohrbach 6. Seidmannsdorf 7. Lützelbuch 8. Rögen, Neu- und Neershof

Wahlbezirk X 1. Trübenbach 2. Weidhausen 3. Sonnefeld und Hofstädten 4. Frohnlach 5. Großgarnstadt

320

Zahl der Wahlmänner

Z WEITE R EVISION VON 1848 Zahl der Wahlmänner

Zahl der Abgeordneten

Summa

1 2 1 3 2 2 1 1 1 2 16

1

Summa

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 1 2 15

1

20

1

Bezeichnung des Orts resp. Wahlbezirks.

Wahlbezirk XI 1. Häusles, Leutendorf und Rothberg 2. Horb a. St., Mödlitz 3. Neuses a. Br., Weischau 4. Gestungshausen und Firmelsdorf 5. Hof a. St., Steinach 6. Hassenberg, Weikenbach 7. Zedersdorf 8. Bieberbach 9. Wörlsdorf, Plesten und Wiesenmühle 10. Unterwasungen, Mittelwasungen, Oberwasung

Wahlbezirk XII 1. Kleingarnstadt 2. Aicha, Blumenrod 3. Fechheim 4. Fürth a. B. 5. Horb b. F., Birkig 6. Wellmersdorf, Boderndorf 7. Haarbrücken, Ebersdorf 8. Kemmaten, Kipfendorf 9. Rothenhof 10. Thierach, Theisenstein, Spittelstein, Aßig 11. Einberg 12. Waldsachsen 13. Oeslau

Wahlbezirk XIII Neustadt und die Häuser hinter dem Mupperg

321

(S ACHSEN -)C OBURG -S AALFELD

Bezeichnung des Orts resp. Wahlbezirks.

Wahlbezirk XIV 1. Mönchröden mit Gneiles, Schaafhausen, Merbelmühle und Kupferhammer 2. Wildenheid 3. Ketschenbach, Meilschnitz 4. Thann, Brüx 5. Höhn, Rüttmannsdorf 6. Weimarsdorf, Mittelberg 7. Schönstädt, Fornbach 8. Weißenbrunn v. W. 9. Fischbach, Waltersdorf, Gereuth 10. Taimbach, Lauterburg, Unterwohlsbach, Rosenau 11. Oberwohlsbach Summa

Zahl der Abgeordneten

4 1 1 1 1 1 1 2 1 1 1 15

1

Summa

5 1 1 2 2 2 1 1 15

1

Summa

14 3 1 18

1

Summa

3 2 5 1 4 2 1 18

1

Wahlbezirk XV 1. Meeder 2. Drossenhausen, Tremersdorf 3. Rottenbach 4. Ahlstadt 5. Grattstadt 6. Ottowind, Mirsdorf 7. Oettingshausen 8. Kleinwalbur, Einzelberg, Birkenmoor Wahlbezirk XVI 1. Rodach, Schweighof 2. Roßfeld 3. Lempertshausen, Rudelsdorf Wahlbezirk XVII 1. Heldritt 2. Elsa 3. Großwalbur 4. Breitenau 5. Gauerstadt 6. Carlshahn, Niederndorf, Mährenhausen 7. Sulzfeld

322

Zahl der Wahlmänner

Z WEITE R EVISION VON 1848

Bezeichnung des Orts resp. Wahlbezirks.

Wahlbezirk XVIII 1. Königsberg, Stadt und das Rathsgut Erbrechtshausen 2. Altershausen und Windberg 3. Dörflis 4. Erlsdorf, Kottenbrunn 5. Unterhellingen 6. Kößlau 7. Nassach Summa

Zahl der Wahlmänner

Zahl der Abgeordneten

8 2 1 1 2 1 2 17

1

Zusammenstellung Wahlbezirk » » » » » » » » » » » » » » » » »

I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV. XV. XVI. XVII. XVIII.

20 20 20 20 15 16 16 15 16 19 16 15 20 15 15 18 18 17 Summa

1

Ediert nach Gesetzsammlung für das Herzogthum Coburg, Bd. 1845–1848, Jahrgang 1848, Nr. 52, Co-

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 18

burg 1849, S. 535–545. 2 Im Anschluß abgedruckt.

323

Verfassung von (Sachsen-)Gotha (1849) Staatsgrundgesetz für das Herzogthum Gotha1

Wir Ernst, Herzog zu Sachsen-Coburg und Gotha, Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu der Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein und Tonna etc. etc. thun hiermit kund: Nachdem Uns die Abgeordneten-Versammlung des Herzogthums Gotha, welche einberufen worden, um das Staatsgrundgesetz für das Herzogthum mit der Staatsregierung zu berathen und festzustellen, ihre dießfallsigen Beschlüsse vorgelegt und Wir kein Bedenken gefunden haben, solche anzunehmen und Unser Einverständniß damit zu erklären, so verkünden Wir solche nunmehr als Verfassungsgesetz des Landes mit dem aufrichtigen Wunsche, daß es das Band der Eintracht zwischen Fürst und Volk immer enger knüpfen, wie die bürgerlichen Freiheiten der Staatsangehörigen verbürgen, so auch die Wirksamkeit der Staatsregierung kräftigen und dem Lande auf ferne Zeiten zum Segen gereichen möge.

STAATSGRUNDGESETZ FÜR DAS HERZOGTHUM GOTHA I Von dem Herzogthum, von dem Herzog und von der Regierung im Allgemeinen § 1. Das Herzogthum Gotha ist ein untheilbarer, unter Einer Landesverfassung vereinigter Staat, dessen Selbstständigkeit

nur durch das Verhältniß zum deutschen Bundesstaat beschränkt wird. § 2. Das Herzogthum Gotha ist ein Bestandtheil des deutschen Bundesstaats und daher den Bestimmungen der allgemeinen deutschen Verfassung unterworfen. § 3. Der Herzog ist das verfassungsmäßige Oberhaupt des Staats. Die Staatsgewalt, soweit sie dem Volke in seiner Gesammtheit verfassungsmäßig zukömmt, wird durch die AbgeordnetenVersammlung ausgeübt. § 4. Die Staatsregierung ist erblich im Mannsstamm des Herzoglichen Hauses und zwar nach dem Rechte der Erstgeburt und der Lineal-Erbfolgeordnung. § 5. Weibliche Nachkommen eines Herzogs und deren männliche oder weibliche Nachkommen, sowie solche Nachkommen eines Herzogs, welche nicht aus einer gesetzmäßigen Ehe abstammen, sind von der Regierungsnachfolge ausgeschlossen. § 6. Erbverträge hinsichtlich der Nachfolge in der Regierung können gültiger Weise nur mit Zustimmung von mindestens zwei Drittheilen der verfassungsmäßigen Gesammtzahl der Abgeordneten des Landes abgeschlossen werden. § 7. Das Alter der Volljährigkeit und der Regierungsfähigkeit tritt für den Herzog sowie für jeden Prinzen des Herzoglichen Hauses überhaupt mit der Zurücklegung des 21. Lebensjahres ein.

325

(S ACHSEN -)G OTHA § 8. Die Staatsregierung kann auf den Inhaber eines außerdeutschen Thrones nicht gelangen. Wenn ein Herzog einen außerdeutschen Thron besteigt, so wird dafür angenommen, daß er darauf Verzicht geleistet habe, über das Herzogthum Gotha zu regieren. § 9. Die Vormundschaft und Regierungsverwaltung während der Minderjährigkeit eines Herzogs kommt, wenn darüber von dem verstorbenen Landesfürsten nicht besondere gültige Anordnung (§. 12.) getroffen worden ist, der leiblichen Mutter des minderjährigen Herzogs zu. Ist die leibliche Mutter desselben nicht mehr am Leben oder kann sie die Regierungsverwaltung und Vormundschaft nicht übernehmen oder nicht fortführen, so geht sie auf den nächsten volljährigen nachfolgefähigen Verwandten im Mannsstamme über. § 10. Die im §. 9. wegen der Vormundschaft und Regierung für den Fall der Minderjährigkeit des Herzogs festgestellten Grundsätze finden auch dann Statt, wenn der Herzog aus anderen Gründen (wegen geistiger oder körperlicher Schwächen) die Regierung zu führen oder fortzuführen nicht vermag. § 11. Vormund des Herzogs oder Regierungsverweser kann derjenige nicht sein, welcher nicht innerhalb des Staatsgebiets seine Residenz hat oder nimmt. § 12. Die Anordnung eines Herzogs über die Person des Regierungsverwesers und Vormunds des minderjährigen Herzogs ist nur mit Zustimmung der Abgeordneten-Versammlung gültig. § 13. Die Person des Herzogs sowie des Regierungsverwesers ist unverletzlich und unverantwortlich. Seine Anordnungen sind aber nur dann Regierungshandlungen, wenn

326

sie schriftlich erlassen und von einem Mitglied des Staatsministeriums mit unterzeichnet worden sind. Die Gesetzmäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit einer solchen Anordnung hat der Minister zu verantworten, der sie unterzeichnet hat. Derselbe wird von dieser Verantwortung durch Berufung auf höheren Befehl nicht frei. § 14. Vor Ausübung der verfassungsmäßigen Regierungsrechte hat der Herzog sowie der Regierungsverweser im Beisein der Abgeordneten-Versammlung folgenden Eid auf die Verfassung zu leisten: „Ich schwöre, daß ich die Verfassung des Herzogthums Gotha stets gewissenhaft beobachten und kräftig schützen will. So wahr mit Gott helfe!“ § 15. Wenn der Herzog stirbt oder wenn die Regierung des Regierungsverwesers sich erledigt, so tritt die Abgeordneten-Versammlung spätestens am dritten Tag darauf ohne Berufung zu einem außerordentlichen Landtag zusammen, um von Seiten des Regierungsnachfolgers oder des zum Regierungsverweser bestimmten Prinzen den verfassungsmäßigen Eid abzunehmen. Ereignet sich ein solcher Fall gerade zu der Zeit, wo die Vollmacht der zuletzt einberufen gewesenen Abgeordneten-Versammlung abgelaufen und das sofortige Zusammentreten der neuen Versammlung noch nicht zu ermöglichen ist, so treten die zuletzt einberufen gewesenen Abgeordneten in ihre Verrichtungen zu jenem Endzweck wieder ein. § 16. Bis zur Eidesableistung von Seiten des Herzogs oder von Seiten des Regierungsverwesers werden die verfassungsmäßigen Regierungsrechte von den verantwortlichen Ministern ausgeübt, welche sich zu diesem Endzweck zu Einem Ganzen zu vereinigen haben. § 17. Jeder Staatsbeamte, ferner jeder Inländer bei Erreichung des Alters der Volljäh-

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849) rigkeit, jeder das hiesige Staatsbürgerrecht erlangende Auswärtige, ferner jeder Soldat vor Erfüllung der Kriegspflicht, wenn er auch noch minderjährig ist, hat das Staatsgrundgesetz in Empfang zu nehmen und auf dessen treue Beobachtung folgenden Eid abzuleisten: „Ich schwöre, daß ich den Bestimmungen, welche in der mir so eben eingehändigten Verfassungsurkunde enthalten sind, stets getreulich nachkommen, insbesondere dem Herzog als dem verfassungsmäßigen Staatsoberhaupt treu sein, auch weder selbst etwas zum Umsturz der Verfassung unternehmen, noch Anderen zu diesem Endzweck irgend einen Beistand leisten will. So wahr mir Gott helfe!“

II Von der Abgeordneten-Versammlung § 18. Das Volk übt die ihm in seiner Gesammtheit verfassungsmäßig zustehenden Rechte durch seine Abgeordneten-Versammlung aus. § 19. Die Mitglieder der AbgeordnetenVersammlung haben sich als die Vertreter der Gesammtheit der Staatsangehörigen und nicht als die Vertreter ihrer Wahlbezirke als solcher oder einzelner Volksclassen anzusehen. § 20. Der Abgeordnete, welcher ein besoldetes Staatsamt, eine Beförderung im Staatsdienste oder eine Gehaltserhöhung annimmt, verliert Sitz und Stimme in der Versammlung und kann seine Stelle nur durch eine neue Wahl wieder erlangen. § 21. Die Wahl der Abgeordneten erfolgt auf einen dreijährigen Zeitraum; auf denselben Zeitraum erstreckt sich der von ihnen festzustellende Voranschlag der Staatscasse. § 22. Die Sitzungen der AbgeordnetenVersammlung sind öffentlich.

§ 23. Die weiteren Bestimmungen über die Wahlen und über das dabei zu beobachtende Verfahren enthält die Beilage I., welche einen Bestandtheil des Staatsgrundgesetzes bildet. § 24. Der Herzog beruft die Versammlung ein und bestimmt den Ort derselben. § 25. Der Herzog eröffnet und schließt die Versammlung entweder selbst oder durch einen dazu besonders ernannten Bevollmächtigten. § 26. Der Herzog ist befugt, die Versammlung zu vertagen; es darf jedoch die Vertagung ohne Zustimmung der Abgeordneten die Frist eines Monats nicht überschreiten und nicht inmitten einer Tagessitzung erfolgen; auch kann die Vertagung in demselben Jahre ohne Zustimmung der Abgeordneten-Versammlung nur zwei Mal geschehen. § 27. Ebenso steht dem Herzog zwar das Recht zu, die Versammlung aufzulösen; Er muß indeß alsbald bei der Auflösung die Gründe derselben der Versammlung bekannt machen. § 28. Im Falle der Auflösung erlischt die Vollmacht der Mitglieder der Abgeordneten-Versammlung. Es ist aber dann binnen 14 Tagen eine neue Wahl anzuordnen und längstens binnen drei Monaten ist die neue Versammlung wieder zu eröffnen. § 29. Die Abgeordneten-Versammlung wird regelmäßig einmal im Jahre, wo möglich im Januar, einberufen. Außerordentliche Versammlungen finden Statt, so oft dringende Gesetzgebungsangelegenheiten solches erfordern. § 30. Die Versammlung hat die Gültigkeit der Wahlen ihrer Mitglieder selbst zu prüfen und darüber zu entscheiden. Die näheren Bestimmungen hierüber enthält die in der Beilage II. aufgestellte Geschäftsordnung.

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(S ACHSEN -)G OTHA § 31. Die Versammlung hat ihre Beamten und zwar aus ihrer Mitte selbst zu wählen. Die näheren Bestimmungen enthält ebenfalls die Beilage II. § 32. Alle Mitglieder der AbgeordnetenVersammlung legen den Eid ab: „Ich schwöre, daß ich die Staatsverfassung treu bewahren und in der Abgeordneten-Versammlung das Wohl des Staates nach meinem besten Wissen und Gewissen bei allen meinen Anträgen und Abstimmungen im Auge behalten will. So wahr mir Gott helfe!“ § 33. Kein Abgeordneter hat Vorschriften von seinen Wählern anzunehmen; auch sind die Letzteren nicht befugt, ihm vor Ablauf der gesetzlich bestimmten Zeit die Vollmacht zu entziehen. § 34. Kein Mitglied der Versammlung kann wegen seiner bei den Verhandlungen vorgekommenen Aeußerungen, Anträge und Abstimmungen gerichtlich verfolgt oder zur Verantwortung gezogen werden. § 35. Kein Mitglied der AbgeordnetenVersammlung kann ohne Zustimmung derselben während der Dauer der Sitzungen verhaftet werden, den Fall der Ergreifung auf frischer That wegen Verbrechens ausgenommen. § 36. Zur Gültigkeit eines Beschlusses ist die Anwesenheit und Theilnahme von wenigstens zwei Drittheilen der verfassungsmäßigen Gesammtzahl der Abgeordneten und Stimmenmehrheit von mehr als der Hälfte der Stimmenden erforderlich. § 37. Die Mitglieder des Herzoglichen Staatsministeriums und die von der Staatsregierung besonders abzuordnenden Commissarien haben Zutritt zu den Sitzungen während der Berathungen und Schlußfassungen und können verlangen, über den Gegenstand der Berathung mit Auskunftser-

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theilungen, Erläuterungen und anderen Erklärungen gehört zu werden. § 38. Die Beilage II. über die Geschäftsordnung enthält das Nähere wegen des Geschäftsbetriebes der Abgeordneten-Versammlung. Sie bildet einen Bestandtheil des Staatsgrundgesetzes.

III Von den Gewalten im Staat § 39. Die gesetzgebende Gewalt wird von der Abgeordneten-Versammlung in Gemeinschaft mit dem Herzog nach Maaßgabe der in der Verfassung enthaltenen Bestimmungen ausgeübt. § 40. Der Herzog hat ebenso wie die Abgeordneten-Versammlung das Recht, Gesetze in Vorschlag zu bringen. § 41. Kein Gesetz ist gültig, welches nicht mit den Beschlüssen der Abgeordneten-Versammlung übereinstimmt. § 42. Der Herzog bestätigt und verkündigt die Gesetze. Die Verkündigungsworte sind folgende: „Wir (Ernst) Herzog zu Sachsen etc. bestätigen hiermit folgende, von der Abgeordneten-Versammlung des Herzogthums Gotha gefaßten Beschlüsse und verkündigen dieselben als Gesetz.“ § 43. Der Herzog kann, wenn nach Seinem Ermessen das Staatswohl dies gebietet, die Bestätigung und Verkündigung der Gesetzes-Beschlüsse verweigern; jedoch fällt dieses Weigerungsrecht hinweg, sobald als noch zwei ordentliche Abgeordneten-Versammlungen, unter denen mindestens eine neu gewählte sein muß, nach Prüfung des Beschlusses der früheren Versammlung und der vom Herzoge dagegen erhobenen Bedenken gleichfalls für die Verkündigung

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849) desselben als Gesetz gestimmt haben. Zu einem solchen Beschlusse einer jeden der beiden letzten Versammlungen ist eine Stimmenmehrheit von mindestens zwei Drittheilen der verfassungsmäßigen Zahl der Abgeordneten erforderlich. Längstens binnen 4 Wochen nach dem letzten Beschlusse muß die Bestätigung und Verkündigung erfolgen. § 44. Die von der Abgeordneten-Versammlung angenommenen Gesetz-Entwürfe sind längstens binnen 4 Wochen, von der Zeit an gerechnet, wo sie der Staatsregierung mitgetheilt worden sind, im gewöhnlichen Regierungsblatt des Landes zu verkündigen. Wenn die Verkündigung binnen 4 Wochen nicht erfolgt, ist die Bestätigung des Entwurfs, unbeschadet der Bestimmung im §. 43., als verweigert anzusehen. § 45. Jedes Gesetz tritt, wenn aus besonderen anzugebenden Gründen bei der Verkündigung nicht etwas Anderes bestimmt wird, am vierten Tage nach dem Tage des Regierungsblatts in Kraft, in welchem das Gesetz verkündigt wird. § 46. Der Herzog übt in verfassungsmäßiger Form die vollziehende Gewalt aus, trifft die zur Ausführung der Gesetze nöthigen Anordnungen, ernennt alle Staatsbeamten, schließt Verträge mit anderen Staaten ab (s. §. 50.), übt das Recht der Ertheilung von Auszeichnungen, Würden, der Begnadigung in Strafsachen und der Dispensationen in bürgerlichen Beziehungen, soweit die Gesetze solches zulassen.

Staatsguts, der Staatscasse, der Jahresrente des Herzogs und anderer auf den Staatshaushalt Bezug habenden Gegenstände am 9. und 13. Januar 1849 getroffene Vereinbarung ist als ein wesentlicher Bestandtheil des Staatsgrundgesetzes anzusehen. § 49. Die Ertheilung von Patenten für Erfindungen, die Veräußerung oder Belastung von Bestandtheilen des Staatsguts, Veränderungen in der Organisation der Behörden, Feststellung der Gehaltsvoranschläge in den verschiedenen Verwaltungszweigen als Richtschnur für künftige Aemterbesetzungen, Aenderungen hinsichtlich der bisherigen Eintheilung des Landes in Aemter, Bezirke u. d. g., sowie hinsichtlich der Grenzen der einzelnen Bezirke und Gemeinden sind als Gegenstände der Gesetzgebung zu behandeln. § 50. Zur gültigen Abschließung der Verträge mit andern Staaten gehört die Zustimmung der Abgeordneten-Versammlung. § 51. Veräußerung einzelner Gebietstheile, ingleichen Aufnahme neuer Gebietstheile sind Gegenstände der Gesetzgebung. Es erfordern aber die von der Abgeordneten-Versammlung darüber zu fassenden Beschlüsse zu ihrer Gültigkeit eine Stimmenmehrheit von mindestens 2/3 der verfassungsmäßigen Zahl der Mitglieder der Versammlung.

§ 47. Die Gerechtigkeitspflege wird durch die Gerichtshöfe und richterliche Beamte ausgeübt. Die Beschlüsse und Urtheile werden im Namen des Herzogs ausgefertigt und vollzogen.

§ 52. Beschlüsse der Abgeordneten-Versammlung über Abänderungen des Staatsgrundgesetzes und seiner Beilagen erfordern zu ihrer Gültigkeit nicht allein eine Stimmenmehrheit von mindestens 23 der verfassungsmäßigen Zahl der Mitglieder der Versammlung, sondern auch das Einverständniß des Herzogs.

§ 48. Die anliegende, mit No. III. bezeichnete, zwischen dem Herzog und der Abgeordneten-Versammlung wegen des

§ 53. Die Auferlegung neuer Abgaben, die Veränderung oder Erhöhung der bestehenden öffentlichen Abgaben aller Art, die

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(S ACHSEN -)G OTHA Aufnahme von Anleihen auf die Staatscasse sind Gegenstände der Gesetzgebung. § 54. Die Voranschläge des Staatshaushalts sind ebenfalls als Gesetzgebungsgegenstände zu behandeln. Sie werden auf den für ihre Gültigkeit bestimmten Zeitraum (§. 21.) nach Einnahme und Ausgabe festgestellt. § 55. Auf den Grund des Voranschlags wird das Abgabengesetz erlassen. § 56. Der Abgeordneten-Versammlung sind von Jahr zu Jahr die abgeschlossenen Rechnungen nebst den Belegen zur Beurtheilung der Einhaltung der Voranschläge mitzutheilen. § 57. Ueber die Einnahme-Ueberschüsse der Staatscasse darf nur mit Zustimmung der Abgeordneten-Versammlung verfügt werden. § 58. Die Ausstellung neuer Schuldurkunden an die Stelle älterer, die Erhöhung oder Herabsetzung des Zinsfußes der Staatsschulden darf ohne Zustimmung der Abgeordneten-Versammlung nicht erfolgen. Das Ausgeben von Papiergeld aller Art erfordert die Einwilligung der Versammlung. § 59. Ueberschreitungen des Voranschlags bedürfen des nachträglichen Beweises der Dringlichkeit und Nothwendigkeit. § 60. Wenn mit der Versammlung über einen für die folgende Finanzperiode vorgelegten Voranschlag keine Einigung zu ermöglichen ist und die vorhergehende Finanzperiode zu Ende geht, darf die Staatsregierung die Abgaben nur auf ein Jahr auf den Grund des bisherigen Abgabengesetzes ausschreiben. § 61. Der Herzog bewilligt ohne Zustimmung der Abgeordneten-Versammlung weder Gnadengehalte, noch Geschenke, noch Erlasse auf Unkosten der Staatscasse.

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§ 62. Die Abgeordneten-Versammlung ist berechtigt: 1) der Staatsregierung über etwaige Regelwidrigkeiten, Gebrechen oder Mißbräuche der Staatsverwaltung und Rechtspflege Anzeige und Vorstellung zu machen; 2) derselben ihre Wünsche und Anliegen in Bezug auf die Beförderung der Landeswohlfahrt oder auf die Verbesserung der Gesetzgebung vorzutragen, unbeschadet der Rechte der Abgeordneten-Versammlung in Bezug auf die Gesetzgebung; 3) von der Gesetzmäßigkeit der Amtsverwaltung der Staatsdiener Kenntniß zu nehmen; 4) wegen Verfassungsverletzungen von Seiten der Letzteren Anklage zu erheben (§. 91 u. f.). § 63. Die Abgeordneten-Versammlung steht nur mit der obersten Staatsbehörde in unmittelbarer Geschäftsbeziehung. § 64. Die Abgeordneten-Versammlung ist berechtigt, von Privatpersonen Beschwerden über etwaige, durch Regierungsverfügungen ihnen widerfahrene Beeinträchtigungen anzunehmen, wenn 1) diese Beschwerden schriftlich angebracht werden, 2) dieselbe zuvor den Weg der gesetzlichen Berufung bis an die oberste Staatsbehörde gegangen sind. Die Abgeordneten-Versammlung ist berechtigt, sich bei der Staatsregierung für Erledigung von Beschwerden einzelner Staatsbürger zu verwenden. § 65. Wenn das Herzogl. S. Ernestinische Haus aufhören sollte, über das Herzogthum Gotha zu regieren, so tritt die Abgeordneten-Versammlung, Falls sie nicht gerade einberufen ist, nach den Bestimmungen des §. 17. und zwar sofort zusammen, um die Rechte des Landes an dem Staatsgut zu wahren (s. Beilage III.).

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849) § 66. Ein derartiger Zusammentritt findet auch Statt, wenn das Herzogthum Gotha in den Fall kommt, in Folge einer äußeren Nothwendigkeit seine Selbstständigkeit zu verlieren. § 67. Der Abgeordneten-Versammlung steht das Recht zu, in allen Fällen, wo ihr zur Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Wirksamkeit die Ermittelung und Aufklärung thatsächlicher Verhältnisse wünschenswerth oder nothwendig erscheint, entweder die nöthigen Untersuchungen durch Einen der bereits bestehenden Ausschüsse vornehmen zu lassen, oder aber zu demselben Zwecke einen besondern Ausschuß aus ihrer Mitte zu ernennen. Insoweit diese Ausschüsse, zur Feststellung der Thatsachen, der Auskunftsertheilung oder sonstigen Mitwirkung der Behörden bedürfen, sind die Behörden auf Veranlassung der Abgeordneten-Versammlung von der Staatsregierung hierzu anzuweisen.

IV Von den allgemeinen Volksrechten der Staatsangehörigen

Bleibende Befreiungen von der Verbindlichkeit zur Tragung der Staatslasten dürfen nicht bewilligt werden. § 72. Neue Verleihungen des Rechts, eine Adelsbezeichnung zu führen, finden nicht Statt. § 73. Der Staat hat für die Schäden, welche einem Privatmann durch die Arglist oder grobe Verschuldung der Staatsbeamten als solcher verursacht werden, dann zu haften, wenn der Beschädigte den Schadenersatz vom schuldigen Beamten nicht zu erlangen vermag. § 74. Die Art und Weise, wie durch die bewaffnete Mannschaft zur Aufrechthaltung des gesetzlichen Zustandes eingeschritten werden darf, welche Behörden und unter welchen Formen dieselben den Befehl dazu zu ertheilen haben, wird durch Gesetz bestimmt. § 75. Die Bedingungen der Ausübung eines Berufs werden innerhalb der durch die Reichsgesetze gegebenen Grenzen durch die Landesgesetzgebung näher bestimmt.

§ 70. Das Staatsgrundgesetz und die Gesetze allein bestimmen, unter welchen Bedingungen das Staatsbürgerrecht im Herzogthum Gotha erworben, ausgeübt und verloren werden soll.

§ 76. Im Grundeigenthum liegt die Berechtigung zur Jagd auf eignem Grund und Boden. Die Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grund und Boden, Jagddienste, Jagdfrohnden und andere Leistungen für Jagdzwecke sind ohne Entschädigung aufgehoben. Die Ausübung des Jagdrechts aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und des gemeinen Wohls zu ordnen, bleibt der Gesetzgebung vorbehalten. Die Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grund und Boden darf in Zukunft nicht wieder als Grundgerechtigkeit bestellt werden.

§ 71. Die Belastung der Staatsangehörigen mit unmittelbaren Steuern muß mit möglichster Berücksichtigung der Steuerfähigkeit erfolgen.

§ 77. Zahlungsbefristungen (Moratorien), Monopolien und ausschließende Gewerbs- und Handelsprivilegien dürfen nicht ertheilt werden.

§ 68. Die reichsgesetzlichen Grundrechte bilden einen Bestandtheil der Verfassung dieses Landes; es wird aber in dieser Beziehung noch Folgendes näher festgesetzt. § 69. Der Aufenthalt innerhalb der Grenzen des Staats verpflichtet zur Beobachtung der Gesetze und begründet dagegen den Anspruch auf gesetzlichen Schutz.

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(S ACHSEN -)G OTHA § 78. Jeder Staatsangehörige hat das Recht, sich mit Bitten und Beschwerden allein oder im Verein mit Mehreren schriftlich an die Behörden oder an die AbgeordnetenVersammlung zu wenden (s. §. 64.). § 79. Alle Stiftungen ohne Ausnahme, sie mögen für die Gottesverehrung, den Unterricht oder zu Wohlthätigkeitszwecken bestimmt sein, stehen unter dem Schutze des Staats. Ihr Vermögen oder Einkommen darf nie dem Staatsvermögen einverleibt werden. § 80. Nur in dem Falle, wo der Stiftungszweck nicht mehr zu erreichen ist, kann Verwendung zu anderen ähnlichen Zwecken mit Vorwissen und Zustimmung der etwa Betheiligten und, sofern es sich um allgemeine Landesanstalten handelt, mit Einwilligung der Abgeordneten-Versammlung eintreten. § 81. Jeder Staatsangehörige muß einer Gemeinde angehören. § 82. Jedes Grundstück muß einem Gemeindeverbande angehören. Beschränkungen wegen Waldungen und Wüsteneien werden durch besondere Gesetze bestimmt. § 83. Die Bildung neuer und die Auflösung bereits bestehender Gemeinden, sowie die Feststellung und Abänderung der Gemeindemarkungen kann nur im Wege der Gesetzgebung erfolgen. § 84. Die Gemeinden sind befugt, ihre Gemeindeangelegenheiten selbständig zu ordnen und zu verwalten, soweit die allgemeinen Staatsgesetze solches gestatten. § 85. Das zu erlassende Gemeindegesetz ist als Bestandtheil der Verfassung anzusehen.2

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§ 86. Das Vermögen und die Einkünfte der Gemeinden können unter keiner Voraussetzung dem Staatsvermögen einverleibt werden.

V Vom Staatsdienste § 87. Die Gerichte sind in ihren Entschließungen und Urtheilen von jedem Einflusse der Staatsregierung unabhängig. § 88. Ohne Urtheil und Recht kann kein Richter abgesetzt oder auf eine geringere Stelle versetzt oder wider seinen Willen eine andere Stelle anzunehmen gezwungen werden. Nur dann muß sich ein Richter ohne rechtliches Erkenntniß eine Versetzung gefallen lassen, wenn dieselbe in Folge einer Veränderung der Verfassung der Gerichtsbehörden eintritt und in solchem Falle mit keiner Verringerung seines Ranges und Gehaltes verknüpft ist. § 89. Alle Staatsdiener sind der Regel nach für ihre amtlichen Handlungen verantwortlich. § 90. Kein Staatsdiener ist strafbar, wenn er einen der Form nach verfassungswidrigen Befehl seiner Vorgesetzten unbefolgt läßt. Hat seine Handlung einen formrichtigen Befehl für sich, so trifft die Verantwortlichkeit den Befehlenden; ist dieß nicht der Fall, den Handelnden. § 91. Staatsbeamte, welche gegen die Bestimmungen des Staatsgrundgesetzes oder eines für einen Bestandtheil desselben erklärten Gesetzes verstoßen, machen sich des Vergehens der Verfassungsverletzung schuldig. § 92. Die Grade der Ahndung eines solchen Vergehens werden nach dem Vorhandensein von Vorsatz oder Fahrlässigkeit, nach der Größe der Verschuldung und dem

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849) Umfange des verursachten Schadens, ingleichen nach den Gesetzen über die Zurechnung bemessen. § 93. Die Strafen bestehen in Verweis, zeitweiliger Enthebung von den Amtsverrichtungen, oder gänzlicher Entfernung vom Amte und theilweiser oder gänzlicher Entziehung des Gehalts, mit oder ohne Vorbehalt der Wiederanstellung im Staatsdienste, endlich in Dienstentsetzung. § 94. Die Abgeordneten-Versammlung ist berechtigt, Staatsbeamte wegen Verletzung der Verfassung anzuklagen. § 95. Die Anklage wird bei dem durch ein besonderes Gesetz zu errichtenden Staatsgerichtshof erhoben und von demselben nach vorgängiger Untersuchung entschieden. § 96. Bis dahin, wo dieser Staatsgerichtshof bestellt und das von demselben einzuhaltende Verfahren geregelt sein wird, vertritt das Oberappellationsgericht zu Jena dessen Stelle und ist dazu mit allen Rechten und Pflichten eines Untersuchungsgerichts bekleidet. § 97. Ueber das vom Oberappellationsgerichte zu beobachtende Verfahren, den Umfang der Entscheidung, deren Eröffnung

und das dagegen zulässige Rechtsmittel bestimmt die einen Theil des Staatsgrundgesetzes bildende Beilage IV. das Nöthige. § 98. Durch die Anklage wegen Verfassungsverletzung und durch das darauf gegründete Untersuchungsverfahren wird die Verfolgung der etwa in der Verfassungsverletzung mit enthaltenen gemeinen oder Dienstvergehen durch die ordentliche Criminalbehörde nicht ausgeschlossen. § 99. In Bezug auf Verfassungsverletzungen findet das Begnadigungsrecht des Herzogs weder vor, noch während, noch nach der Untersuchung Statt. § 100. Die vorstehenden Bestimmungen §. 91. bis 94. finden auf die Anklagen der Abgeordneten-Versammlung gegen verfassungsverletzende Mitglieder der des Staatsministeriums insoweit Anwendung, als nicht die Reichsgesetzgebung in dieser Beziehung und insbesondere wegen des Gerichtshofs etwas Anderes verordnet. Ein besonderes Gesetz über Ministerverantwortlichkeit, welches ebenfalls einen Bestandtheil des Staatsgrundgesetzes des Herzogthums Gotha bilden soll, wird vorbehalten.3 § 101. Die Verhältnisse der Staatsdiener, deren Gehalts- und Ruhegehaltsansprüche richten sich im Uebrigen nach der, einen Bestandtheil des Staatsgrundgesetzes bildenden Beilage V.

BEILAGEN ZUM STAATSGRUNDGESETZ Beilage I4 Wahlordnung für das Herzogthum Sachsen-Gotha § 1. Die Abgeordneten-Versammlung des Herzogthums Gotha besteht aus fünf und zwanzig Mitgliedern, deren Ernennung

im Wege der unmittelbaren (directen) Wahl erfolgt. § 2. Zum Zwecke der Erwählung der 25 Abgeordneten ist das Herzogthum S. Gotha in folgende 25 Wahlbezirke eingetheilt:

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(S ACHSEN -)G OTHA

I. II. III. IV. V. VI. VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

XII. XIII.

XIV.

XV. XVI.

XVII.

XVIII.

XIX.

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Wahlbezirk Gotha, umfaßt das nördliche Viertel der Stadt Gotha mit Kindleben. Wahlbezirk Gotha, umfaßt das westliche Viertel der Stadt Gotha. Wahlbezirk Gotha, umfaßt das südliche Viertel der Stadt Gotha. Wahlbezirk Gotha, umfaßt das östliche Viertel der Stadt Gotha. Wahlbezirk Ohrdruf, umfaßt die Stadt Ohrdruf. Wahlbezirk Waltershausen, umfaßt die Stadt Waltershausen nebst dem Dorfe Ibenhain. Wahlbezirk Zella, umfaßt die Stadt Zella nebst den Ortschaften Mehlis, Oberhof, Gehlberg, der Schmücke, den beiden Wirthshäusern zur neuen Schmiede und zur Struth, sowie dem Schützenhof bei Zella. Wahlbezirk Volkenroda-Nazza, umfaßt die Ortschaften Körner, Menteroda, Kleinkeula, Volkenroda, Hohenbergen, Obermehler, nebst den Gütern Oesterkörner, Pöthen und Peißel; Ebenshausen, Frankenroda a. W., Hallungen, Lauterbach, Neukirchen, Nazza. Wahlbezirk Liebenstein, umfaßt die Ortschaften Liebenstein, Manebach, Elgersburg, Gera, Arlesberg, Rippersroda, Gräfenroda nebst Herrenmühle, Dörrberg und Lütsche. Wahlbezirk Crawinkel, umfaßt die Ortschaften Crawinkel, Friedrichsanfang, Frankenhain, Wölfis, Heerda und Tambuchshof, Schwarzwald, Stutzhaus und Louisenthal. Wahlbezirk Georgenthal, umfaßt die Ortschaften Georgenthal, Gräfenhain, Nauendorf, Hohenkirchen, Herrenhof, Wannigsroda, Petriroda, Emleben und Schwabhausen. Wahlbezirk Tambach, umfaßt die Ortschaften Tambach, Dietharz, Catterfeld, Altenberga und Finsterberga. Wahlbezirk Friedrichroda, umfaßt die Ortschaften Friedrichroda mit dem Grunde und Reinhardtsbrunn, Rödichen und Schnepfenthal, Kleinschmalkalden, Schönau v. d. W., Engelsbach und Wipperoda. Wahlbezirk Leina, umfaßt die Ortschaften Leina, Ernstroda, Gospiterode, Cumbach, Uelleben, Boilstädt, Wahlwinkel, Hörselgau, Fröttstädt, Trügleben, Laucha und Sundhausen. Wahlbezirk Ruhla, umfaßt die Ortschaften Ruhla, Thal mit dem Gute zu Seebach, Stockhausen, Schmerbach, Winterstein und Schwarzhausen. Wahlbezirk Tabarz, umfaßt die Ortschaften Großtabarz, Kabarz und Nonnenberg, Kleintabarz, Langenhain, Sondra, Sättelstädt, Kälberfeld, Kahlenberg, Schönau a. d. H., Deubach und Fischbach. Wahlbezirk Friedrichswerth, umfaßt die Ortschaften Friedrichswerth, Teutleben, Mechterstädt, Aspach, Metebach mit Neufrankenroda, Eberstädt, Burla, Hastrungsfeld, Ettenhausen, Weingarten, Haina, Ebenheim und Sonneborn mit Nordhofen. Wahlbezirk Behringen, umfaßt die Ortschaften Großenbehringen, Oesterbehringen, Wolfsbehringen, Brüheim, Wiegleben, Wangenheim, Tüngeda, Reichenbach und Craula, Heßwinkel und Hütscheroda. Wahlbezirk Warza, umfaßt die Ortschaften Warza, Goldbach, Hochheim, Remstädt, Westhausen, Pfullendorf, Hausen und Bufleben.

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849) XX. XXI. XXII. XXIII. XXIV.

XXV.

Wahlbezirk Herbsleben, umfaßt die Ortschaften Herbsleben, Werningshausen, Döllstädt, Groß- und Kleinfahner. Wahlbezirk Tonna, umfaßt die Ortschaften Gräfentonna, Burgtonna, Eckardtsleben, Illeben, Aschara und Ballstädt. Wahlbezirk Molschleben, umfaßt die Ortschaften Molschleben, Eschenbergen, Friemar, Pferdingsleben, Bienstädt, Töttelstädt und Gierstädt. Wahlbezirk Seebergen, umfaßt die Ortschaften Seebergen, Wechmar, Günthersleben, Siebleben, Cobstädt, Grabsleben und Tüttleben. Wahlbezirk Dietendorf, umfaßt die Ortschaften Neudietendorf, Altdietendorf, Großrettbach, Gamstädt, Ingersleben, Bischleben, Rhoda, Stedten, Molsdorf, Apfelstädt und Kornhochheim. Wahlbezirk Ichtershausen, umfaßt die Ortschaften Ichtershausen, Traßdorf, Neuroda, Kettmannshausen, Gossel, Bittstädt, Holzhausen, Haarhausen, Sülzenbrück, Thörei, Rehstädt und Eischleben.

§ 3. Die Bewohner derjenigen für sich gelegenen Güter und Besitzungen, welche bisher keine Erwähnung gefunden haben, wählen mit denjenigen Gemeinden, mit welchen sie einem und demselben Pfarrbezirke angehören. § 4. Die nähere Abgränzung der vier Wahlbezirke in der Stadt Gotha bleibt der städtischen Behörde im Einvernehmen mit dem Stadtverordneten-Collegium überlassen.

und selbstständig ist. § 7. Als unselbstständig sind von der Wahl ausgeschlossen: 1) Haussöhne; 2) Dienstboten und Handwerksgesellen, welche keinen eigenen Hausstand haben; 3) Handlungs- und andere Geschäftsgehülfen, welche keinen eigenen Hausstand haben oder sich am Brod ihres Handlungsoder Geschäftsherrn befinden.

§ 5. Das Stimm- oder Wahlrecht wird von jedem wahlberechtigten Staatsangehörigen nur in demjenigen Wahlbezirke ausgeübt, in welchem derselbe seinen Wohnsitz hat.

§ 8. Aus Gründen der Unselbstständigkeit sind ferner von der Wahl ausgeschlossen: Diejenigen, welche unter Zustandsvormundschaft stehen, und Diejenigen, welche dauernde Unterstützung (Almosen) aus öffentlichen oder Gemeindemitteln beziehen.

§ 6. Wahlberechtigt in den einzelnen Bezirken ist jeder unbescholtene männliche Staatsangehörige, welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt und entweder seit Anfang des der Wahl vorausgegangenen Jahres eine directe Staatssteuer entrichtet hat oder im Herzogthum Gotha mit Grundstücken angesessen ist. So lange indessen eine allgemeine Einkommen- resp. Vermögenssteuer nicht eingeführt ist, ist jeder unbescholtene männliche Staatsangehörige wahlberechtigt, welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat

§ 9. Als bescholten sind von der Berechtigung zum Wählen ausgeschlossen: 1) Personen, denen durch rechtskräftiges Erkenntniß entweder unmittelbar oder mittelbar der Vollgenuß der staatsbürgerlichen Rechte entzogen ist, sofern sie in diese Rechte nicht wieder eingesetzt worden sind; 2) Diejenigen, welche wegen eines nach gesetzlichen Vorschriften oder allgemeiner Annahme zufolge als entehrend zu betrachtenden Vergehens oder Verbrechens gerichtlich verurtheilt worden sind, in jedem Falle

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(S ACHSEN -)G OTHA aber Diejenigen, welche wegen eines gemeinen Vergehens oder Verbechens zur Zuchthausstrafe verurtheilt worden sind. Es lebt jedoch die Wahlberechtigung der unter 2. Genannten wieder auf, wenn seit Verbüßung der richterlich erkannten oder durch Begnadigung herabgesetzten Strafe oder, wo letztere ganz erlassen worden ist, seit dem Erlassen derselben ein zehnjähriger Zeitraum verflossen ist. § 10. Der Verlust des Wahlrechts, auf den Zeitraum von 4 bis 12 Jahren soll, unbeschadet der sonst verwirkten Strafe, ausdrücklich durch strafgerichtliches Erkenntniß gegen diejenigen Personen ausgesprochen werden, welche bei Wahlen Stimmen verkauft, Stimmen für sich oder Andere erkauft oder mehr als einmal bei der für einen und denselben Zweck bestimmten Wahl ihre Stimmen abgegeben oder überhaupt zur Einwirkung auf die Wahl gesetzlich unerlaubte Mittel angewendet haben. Namentlich sind des Wahlrechts auf einen Zeitraum von 4 bis 12 Jahren diejenigen verlustig zu erklären, welche durch Drohungen mit Arbeitsentziehung, durch Versprechen, deren Erfüllung die Herbeiführung eines ungesetzlichen Zustandes voraussetzt, auf die Wahlen einzuwirken versucht oder sich an sich unerlaubter Handlungen zu dem Zwecke schuldig gemacht haben, um in Beziehung auf das Ergebniß einer Wahl Rache gegen eine bestimmte Person auszuüben. § 11. Von der Theilnahme an den Wahlen sind auch noch ferner ausgeschlossen: 1) Diejenigen, über deren Vermögen ein Concurs- oder Fallitzustand eröffnet worden ist, während der Dauer dieses Concurses oder Fallitzustandes und innerhalb der nächsten zehn Jahre, insofern die völlige Befriedigung der Gläubiger nicht schon früher erfolgt sein sollte; 2) Diejenigen, die wegen Ueberschuldung ihres Vermögens mit ihren Gläubigern

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einen gerichtlichen Accord abgeschlossen haben, bis zur accordmäßigen Befriedigung ihrer Gläubiger. § 12. Wählbar zum Landtagsabgeordneten ist jeder männliche Staatsangehörige, welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat, nach den Bestimmungen der §§. 6. 7. 8. 9. 10. 11. stimmberechtigt ist und seit mindestens zwei Jahren im Herzogthum Gotha seinen Wohnsitz hat. Jedoch ist der die Wahl leitende Beamte nebst dem Protocollführer in dem betreffenden Wahlbezirke nicht wählbar. § 13. Personen, welche sich im unmittelbaren Civilstaatsdienste oder im activen Militairdienste befinden, haben, wenn sie als Abgeordnete gewählt werden, solches ihrer vorgesetzten Behörde anzuzeigen, damit wegen der einstweiligen Verwaltung ihres Amts Fürsorge getroffen werden kann. § 14. Innerhalb eines jeden Wahlbezirks findet eine gemeinschaftliche Wahlhandlung Statt. Im Wahlbezirke VolkenrodaNazza sind aber für die Ortschaften Körner, Menterod, Kleinkeula, Volkenroda, Hohenbergen und Obermehler nebst den Gütern Oesterkörner, Pöthen und Peißel einerseits und für die Ortschaften Ebenshausen, Frankenroda a. d. W., Hallungen, Lauterbach, Neukirchen, Nazza andererseits besondere Wahlhandlungen zu veranstalten. § 15. Die Erwählung von Ersatzmännern (Stellvertretern) findet nicht Statt. § 16. Das Wahlrecht kann niemals durch Bevollmächtigte ausgeübt werden und diejenigen Wahlberechtigten, welche in dem Wahltermine nicht erscheinen, gehen ihres Wahlrechtes für den einzelnen Fall verlustig. § 17. Das ganze Wahlgeschäft geht unter der Aufsicht der Landesregierung vor sich. Diese erläßt die dazu erforderlichen Aufträge und Anweisungen und sorgt dafür, daß

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849) die Wahlhandlungen dem Gesetze gemäß vorgenommen werden. § 18. In jeder Gemeinde besteht eine Ortswahlbehörde. In den Städten wird dieselbe aus einem Senator und aus noch vier anderen, vom Stadtverordneten-Collegium aus seiner Mitte alljährlich zu erwählenden stimmführenden Mitgliedern und einem Protokollführer gebildet, wogegen diese Wahlbehörde in den Landgemeinden aus den Schultheißen und aus drei vom Ortsvorstande durch Wahl nach Stimmenmehrheit dazu zu bestimmenden Bevollmächtigten der Gemeinde, sowie dem Gemeindeschreiber, als Protokollführer, alljährlich zusammenzusetzen ist. § 19. Für jeden Wahlbezirk besteht eine wahlleitende Behörde. In den drei Städten Gotha, Waltershausen und Ohrdruf ist dies der Stadtrath, in den übrigen Wahlbezirken liegt die Leitung des Wahlgeschäftes derjenigen Verwaltungsbehörde ob, in deren Verwaltungsbezirk der größere Theil der Bewohner des betreffenden Wahlbezirkes seinen Wohnsitz hat. § 20. Die Wahlen der Abgeordneten sollen regelmäßig zu Anfang des Monats Juni beginnen. Sowohl diese regelmäßigen Wahlen als auch die außerordentlichen werden von der Landesregierung durch Verfügung an die Bezirksbehörden angeordnet. § 21. Die Ortswahlbehörde stellt auf die von der Bezirkswahlbehörde erhaltene Veranlassung eine genaue und vollständige Liste aller derjenigen Ortsangehörigen auf, welche nach §§. 6–11. wahlberechtigt sind und entweder in dem Orte selbst oder in den dem örtlichen Gemeindeverbande bei der Verwaltung zugewiesenen Bezirken ihren Wohnsitz haben. Das Muster einer solchen Liste enthält die Beilage A.

§ 22. Die aufgestellte Wählerliste ist von demjenigen Beamten, welchem die Führung der Personenstandesregister obliegt, in Beziehung auf das Lebensalter, ingleichen von dem betreffenden Steuereinnehmer und demjenigen Gemeindebeamten, welcher das Ortsflurbuch zu führen hat, zu beglaubigen resp. zu vervollständigen, sodann aber in den Städten in einer Vollsitzung der Gemeindevertretung, in den Landorten vor versammelter Gemeinde öffentlich zu verlesen und nach Befinden alsbald zu berichtigen. Nach der öffentlichen Verlesung ist die Liste acht Tage lang auf dem Rathhause, beziehungsweise bei dem Ortsschultheißen zur Einsicht aller männlichen Ortsangehörigen, welche das 25ste Lebensjahr zurückgelegt haben, aufzulegen und, daß solches geschehen, in ortsüblicher Weise bekannt zu machen. § 23. In den drei Städten Gotha, Obrdruf und Waltershausen findet die öffentliche Verlesung der Wählerliste nicht Statt. § 24. Binnen vierzehn Tagen nach Verlesung der Liste, beziehungsweise in den Städten Gotha, Ohrdruf und Waltershausen von Auslegung der Liste an, hat jeder dem Alter nach wahlberechtigte Ortsangehörige das Recht, Berichtigungen der Liste bei dem Stadtrathe, beziehungsweise bei dem Ortsvorstande zu beantragen. Nach Ablauf dieser 14 Tage werden die Wahllisten geschlossen. Reclamationen, welche nach diesem Termine erfolgen, sind als verspätet zurückzuweisen; doch steht es der Ortswahlbehörde bis zum künftigen Wahltermine zu, Berichtigungen der Wählerliste von Amtswegen vorzunehmen, beziehungsweise zu beantragen. § 25. Ueber den Grund oder Ungrund derartiger, auf die Aufnahme von Wahlunfähigen oder auf die Auslassung von Wahlberechtigten gestützten Reclamationen entscheidet in den Städten der Stadtrath, in

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(S ACHSEN -)G OTHA den Landgemeinden der gesammte Ortsvorstand nach absoluter Stimmenmehrheit. Eine Berufung gegen diese Entscheidung findet nicht Statt, es ist jedoch auch diese Entscheidung nur für den einzelnen Fall gültig. § 26. Die geschlossenen Wahllisten sind von den Ortswahlbehörden mit einem Zeugnisse darüber zu versehen, daß und an welchem Tage dieselben verlesen worden, sowie daß und an welchem Tage dieselben öffentlich ausgelegt gewesen seien. Hierauf sind die Listen an die Bezirkswahlbehörde abzugeben. Letztere ist befugt, auf den Grund actenmäßiger Thatsachen, im Einvernehmen mit der Ortswahlbehörde Berichtigungen der Wahllisten von Amtswegen vorzunehmen. § 27. Die Wahltermine müssen von Seiten der die Wahl leitenden Behörden im Regierungsblatte und durch Anschlag an der Raths- oder Amtstafel unter namentlicher Aufführung der einzelnen betheiligten Orte, beziehungsweise Bezirke (§. 2.) und mit Angabe des Versammlungsortes, so wie des Tages und der Stunde bekannt gemacht werden. Auch bleibt den Ortswahlbehörden überlassen, den Wahltermin noch auf andere ihnen geeignet scheinende Weise zur Kenntniß der Wahlberechtigten zu bringen. § 28. Der Ort, wo die Wahlhandlung vorzunehmen ist, wird von der wahlleitenden Behörde nach Gründen der Zweckmäßigkeit bestimmt. § 29. Wenn die Räumlichkeit, in welcher die Wahlhandlung vorgenommen werden soll, nicht groß genug ist, um sämmtliche Wähler auf einmal aufzunehmen, so sind dieselben nach einander, in angemessener Anzahl einzulassen. § 30. Außer der wahlleitenden Behörde und den Stimmberechtigten hat Niemand in

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der Räumlichkeit, wo die Wahl vorgenommen wird, Zutritt. § 31. Zwischen dem Termine zur Wahl und dem Tage, an welchem das die Bekanntmachung enthaltende Stück des Regierungsblattes im Drucke erscheint, muß ein mindestens achttägiger Zeitraum liegen. § 32. Die Wahlhandlung beginnt zur festgesetzten Stunde, ohne Rücksicht darauf, wie viel Wähler sich eingefunden haben. § 33. Der die Wahl leitende Beamte eröffnet die Handlung mit Verlesung des Verfassungseides und der Ermahnung an die Wähler, bei ihrer Stimmabgebung ihrer beschworenen staatsbürgerlichen Pflicht eingedenk zu sein und daher ihre Stimmen ohne alle eigennützige Nebenrücksichten, nach ihrer freien Ueberzeugung und zwar so abzugeben, wie sie der Rücksicht auf das gemeine Wohl solches schuldig seien. § 34. Der die Wahl leitende Beamte wird vom Anfange bis zur Beendigung der Wahlhandlung von einer Commission, welche in den Städten Gotha, Ohrdruf und Waltershausen aus den sämmtlichen Mitgliedern der Ortswahlbehörde, in den übrigen Wahlbezirken aber aus je einem Mitgliede der verschiedenen Ortswahlbehörden gebildet wird, hauptsächlich zu dem Zwecke unterstützt, um vorkommenden Falles außer Zweifel zu setzen, daß die erschienenen Personen mit den in die berichtigten Wahllisten eingetragenen Wahlberechtigten dieselben sind, und um sonstige Auskunft zu ertheilen. § 35. Zur Protocollführung bei der Wahlhandlung wird ein verpflichteter Protocollist beigezogen. § 36. Die Wahlen geschehen durch Stimmzeddel. Jedem der anwesenden Wähler wird, wenn seine Wahlberechtigung unbestritten ist, ein auf der Rückseite gestempelter und mit der fortlaufenden Nummer

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849) versehener Stimmzeddel eingehändigt, in welchen er den Namen des von ihm zum Abgeordneten Erwählten deutlich und mit hinreichender Bezeichnung der Person alsbald im Wahlzimmer selbst einzutragen hat. Hierauf gibt er den Stimmzeddel der Wahlbehörde zurück, welche letzteren, nachdem sie sich von dem Vorhandensein des Stempels überzeugt hat, in ein vor ihr stehendes Gefäß niederlegt. Demjenigen Wahlberechtigten, welcher nicht schreiben kann oder am Schreiben behindert ist, bleibt es nachgelassen, unter Rückgabe des empfangenen Stimmzeddels seine Stimme mündlich zu Protocoll zu geben. § 37. Der Name des einzelnen Wählers wird, wenn letzterer den empfangenen Stimmzeddel zurückgegeben hat, im Protocoll aufgeführt und in der Wahlliste vorgestrichen.

coll diesen Mangel beseitigt. Abänderungen der bereits zurückgegebenen Stimmzeddel sind unzulässig. § 40. Eine Abweichung der Zahl der Wahlzeddel von der Zahl der Wählenden macht eine Wiederholung der Abstimmung bloß dann nöthig, wenn die Mehrheit der anwesenden Wähler es verlangt. § 41. Der der Wahlhandlung beiwohnenden Commission stehet das Recht zu, die Stimmzeddel sofort, nachdem deren Inhalt von der Wahlbehörde verlesen worden ist, einzusehen und etwaige Erinnerungen zu Protocoll zu geben. Ingleichen ist bei der Erörterung über die Gültigkeit undeutlicher oder unleserlicher Stimmzeddel diese Commission beizuziehen.

§ 38. Wenn mindestens 4 Stunden nach der bekannt gemachten Anfangszeit der Wahlhandlung verflossen sind, sodann aber auf Anfrage Niemand mehr zur Stimmgebung sich meldet, so ist die Verhandlung von der Wahlbehörde für geschlossen zu erklären und weiter keine Stimmgebung zulässig.

§ 42. Die ganze Verhandlung, einschließlich der Verlesung des Protocolls wird in Gegenwart der anwesenden Wähler vorgenommen, auch ist denselben das Ergebniß alsbald bekannt zu machen. Sobald etwaige Ausstellungen am Protocolle beseitigt worden sind, werden die Wahlzeddel, mit Ausnahme der beanstandeten, im Beisein der zurückgebliebenen Wähler und der Wahlcommission vernichtet.

§ 39. Hierauf werden die Stimmzeddel auf den Tisch ausgeschüttet, gezählt und, wenn ihre Zahl mit der Zahl der Wähler übereinstimmt, geöffnet, worauf der laut verlesene Inhalt eines jeden Zeddels alsbald in der Weise zu Protocoll genommen wird, dass der Protocollist bei dem Vorgeschlagenen die Zahl der auf denselben gefallenen Stimmen anmerkt. Wahlzeddel, welche unleserlich geschrieben sind oder die Person des Vorgeschlagenen nicht hinlänglich bezeichnen, werden zwar gezählt, aber ihrem Inhalte nach nicht berücksichtigt, es sei denn, daß der Schreiber eines solchen Zeddels auf Erfordern durch mündliche Erklärung zu Proto-

§ 43. Zur Gültigkeit der Wahl eines Abgeordneten ist erforderlich, daß derselbe mehr als die Hälfte der gültig abgegebenen Stimmen erhält. Hat sich bei der ersten Abstimmung eine solche Stimmenmehrheit nicht ergeben, so wird eine anderweite engere Wahl unter denjenigen Personen vorgenommen, welche die meisten und zwar zusammen so viel Stimmen erhalten haben, daß die Zahl der letzteren sich auf mehr als die Hälfte der sämmtlichen gültig abgegebenen Stimmen beläuft. Ergibt sich auch bei dieser Wahl keine absolute Stimmenmehrheit, so werden nunmehr die beiden Personen, welche die meis-

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(S ACHSEN -)G OTHA ten Stimmen erhalten haben, auf eine engere Wahl gebracht. Bei sich ergebender Stimmengleichheit und namentlich auch in dem Falle, wenn Stimmengleichheit unter mehreren Vorgeschlagenen vorliegt und zu entscheiden ist, welcher von ihnen auf die engere Wahl gebracht werden soll, entscheidet das Loos.

so ist von der die Wahl leitenden Behörde ein anderweiter Wahltermin anzuberaumen und dabei in gleicher Weise zu verfahren (§. 36–43). Erfolgt die Ablehnung im Wahltermin selbst, so kann nach Befinden und mit Zustimmung der Wahlversammlung die anderweite Wahlhandlung sofort vorgenommen werden.

§ 44. Bei dem Eintritt von Umständen, welche den Anfang, Fortgang oder die Beendigung der Wahl verhindern, ist mit Zustimmung der anwesenden Wahlcommissions-Mitglieder der Wahltermin auf einen der nächst folgenden Tage zu verlegen resp. aufzuschieben. Die Bekanntmachung dieses anderweiten Wahltermins erfolgt für die Wähler in örtsüblicher Weise.

§ 47. Die mit der Leitung der Wahlhandlung beauftragten Beamten haben die Erhaltung der Ruhe und Ordnung dabei wahrzunehmen. In die Wahl selbst darf keine Behörde, besonders nicht diejenige, welche mit der Leitung des Wahlgeschäftes beauftragt ist, durch Empfehlung oder Vorschlag einer bestimmten Person oder sonst sich einmischen. Die Uebertretung dieses Verbotes wird als Amtsvergehen bestraft.

§ 45. Wer zum Abgeordneten erwählt worden ist, hat sich, wo es sich um Wahlen zur Zusammensetzung einer neuen Abgeordneten-Versammlung am Ende einer Finanzperiode handelt, binnen 8 Tagen von der Zeit an, wo ihm seine Erwählung von der die Wahl leitenden Behörde bekannt gemacht worden ist, über die Annahme oder Nichtannahme der Wahl zu erklären, widrigenfalls die Annahme als erfolgt anzusehen ist. Dagegen beträgt diese Erklärungsfrist sowohl bei Ergänzungswahlen für einzelne Abgeordnete, als auch bei den nach der Auflösung einer Abgeordneten-Versammlung eintretenden Neuwahlen nur 3 Tage. § 46. Wenn eine Wahl abgelehnt wird,

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§ 48. Der die Wahl leitende Beamte, ingleichen die zum Wahlgeschäft beigezogenen Hülfsbeamten erhalten bei Wahlgeschäften außerhalb des Amtssitzes lediglich die gesetzlichen Diäten und Reisegebühren und zwar aus Staatsmitteln. § 49. Nach Beendigung der Wahlen haben die Bezirkswahlbehörden die Wahlacten an die obere Verwaltungsbehörde einzusenden, von welcher solche dem Staatsministerium zur weiteren verfassungsmäßigen Verfügung berichtlich vorzulegen sind. § 50. Die endliche Entscheidung über die Gültigkeit einer Wahl stehet der Abgeordneten-Versammlung zu.

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849)

A Muster einer Wählerliste Liste der Wähler in dem Orte, resp. Bezirke N. N. Laufende Haus Zahl der No. Wähler. 1 1 2 2 3 3 4 4 5 5

Vor- und Zunahme Stand u. Gewerbe Lebensder der Bemerkung. alter. Wähler. Wähler. Joh. Heinrich Umbreit 36 Landwirth. Konrad Braun 50 Leinewebermeister. Friedrich Ernst Knorr 28 Mauergesell. Wilhelm Jacob Wietschel 42 lebt von Zinsen. Robert Otto Uschmann 37 Taglöhner.

Beilage II5 Geschäftsordnung für die AbgeordnetenVersammlung des Herzogthums S. Gotha § 1. Die Staatsregierung bestimmt den Ort im Herzogthum Gotha, an welchem die Sitzungen der Abgeordneten-Versammlung stattfinden sollen. § 2. In dem Sitzungsgebäude ist auch das Archiv und die Bibliothek der Abgeordneten-Versammlung aufzubewahren. § 3. Die gewählten Abgeordneten versammeln sich zu der Zeit, welche in dem Einberufungsschreiben der Staatsregierung festgesetzt ist, an dem bestimmten Ort. Daselbst werden sie vom Staats-Commissarius empfangen. Die Sitzungen beginnen, sobald sich mindestens zwei Drittel der gewählten Abgeordneten eingefunden haben.

Wenn sich der Eine oder der Andere derselben weigert, die Stelle anzunehmen, so wird selbige durch eine vorläufige Wahl besetzt. Diese Wahl erfolgt durch Stimmzeddel. Wer bei der Wahl eines solchen Beamten mehr Stimmen erhalten hat, als irgend ein Anderer, der ist als gewählt anzusehen. § 6. Zum Zwecke der Wahlprüfung werden nach den Altersverhältnissen Ausschüsse von je drei Mitgliedern gebildet. Der erste dieser Ausschüsse hat die Legitimation der Mitglieder des zweiten, der zweite die des dritten und sofort und der letzte die des ersten Ausschusses zu prüfen. § 7. Ueber das Ergebniß der Wahlprüfungen ist von einzelnen Mitgliedern der Ausschüsse sobald als möglich Bericht in öffentlicher Sitzung zu erstatten.

§ 4. Die Versammlung beschäftigt sich, wenn sie eine neu gewählte ist, zunächst mit der Prüfung der Legitimationen ihrer Mitglieder auf den Grund der von der Staatsregierung ihr mitzutheilenden Wahlacten, sowie sonstiger etwaiger Mittheilungen und Vorlagen.

§ 8. Ueber die Zulänglichkeit der sowohl von den Mitgliedern der Ausschüsse als von anderen Abgeordneten rücksichtlich der Legitimationen erhobenen Ausstellungen entscheidet die Versammlung nach Stimmenmehrheit, wobei mehr als die Hälfte der Stimmen für die Zulänglichkeit oder für die Unzulänglichkeit sich erklärt haben muß.

§ 5. Für das Geschäft der Wahlprüfung nimmt das älteste Mitglied die Stelle eines Schriftführers in der Versammlung ein.

§ 9. Wenn die Wahlprüfung beendigt ist und die Zahl der Mitglieder, deren Legitimation für gültig erkannt worden ist, die

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(S ACHSEN -)G OTHA Hälfte der Anzahl der sämmtlichen einberufenen Abgeordneten erreicht, so hat der Vorsitzende die Namen der Anerkannten zu verkündigen und den landesherrlichen Commissär von dem Ergebniß der Wahlprüfung in Kenntniß zu setzen.

vertreter desselben, ferner den Schriftführer und Stellvertreter des Schriftführers durch Stimmzeddel und es entscheidet dabei die absolute Stimmenmehrheit (Uebereinstimmung von mehr als der Hälfte der Stimmen).

§ 10. Der Vorsitzende leistet hierauf vor dem landesherrlichen Commissär den im §. 32. des Staatsgrundgesetzes vorgeschriebenen Eid ab. Den übrigen Mitgliedern der Versammlung sowie allen später in dieselbe eintretenden Abgeordneten wird dieser Eid vom Vorsitzenden, beziehungsweise vom Präsidenten abgenommen.

§ 15. Die einzelnen Abgeordneten haben sich nach Belieben ihren Sitz zu bestimmen, wenn zuvor die Beamten sich die ihrigen gewählt haben.

§ 11. So lange der Vorsitzende Einen der zu Abgeordneten Erwählten, dessen Legitimation von der Versammlung angefochten worden ist, von dem die Wahl für gültig erklärenden Beschlusse der Versammlung nicht auf förmliche Weise in Kenntniß gesetzt hat, ist der Erwählte nicht berechtigt, an den Verhandlungen der Versammlung Theil zu nehmen.

§ 17. Der Präsident eröffnet und schließt die Sitzungen, macht den Anfang der nächsten Sitzung bekannt, wacht über die Aufrechthaltung der Geschäftsordnung, ertheilt denjenigen Mitgliedern der Versammlung, welche darum gebeten haben, das Wort, ruft die einzelnen Mitglieder der Versammlung wegen unparlamentarischen Betragens zur Ordnung, bestimmt die Tagesordnung für die nächstfolgende Sitzung, faßt die Verhandlungen vor der Abstimmung zusammen, ertheilt die auf den Gang der Verhandlungen bezüglichen Erläuterungen, stellt die Fragen zur Abstimmung fest und spricht das Ergebniß der Abstimmung aus. Der Präsident ist zugleich der Vertreter der Versammlung in ihren äußern Beziehungen. Ihm liegt es ob, die Ordnung und Ruhe in dem Sitzungssaal sowohl bei der Versammlung überhaupt, als auch unter den Zuhörern aufrecht zu erhalten. Wenn Ruhestörungen und Unordnungen vorkommen sollten, es mögen dieselben von Mitgliedern der Abgeordneten-Versammlung oder von Zuhörern ausgehen, so hat er das Recht, die Sitzung aufzuheben; auch kann er einzelne Ruhestörer unter den Zuhörern entfernen und im äußersten Falle den für die Zuhörer bestimmten Platz räumen lassen.

§ 12. Umstände, welche die Unfähigkeit eines zum Abgeordneten Gewählten zu dieser Stelle nach Maasgabe der Gesetze bedingen, haben, wenn sie erst nach der Anerkennung der Gültigkeit einer Wahl in der Person des Abgeordneten eintreten oder zur Kenntniß der Versammlung kommen, die erneuerte Prüfung der Wahl und einen Beschluß rücksichtlich der Ausschließung oder Nichtausschließung des Abgeordneten zur Folge. § 13. Wenn von der Versammlung der Antrag auf Ungültigerklärung der Wahl eines Abgeordneten zum Beschluß erhoben worden ist, so hat der Vorsitzende die Staatsregierung zum Zwecke der Anordnung einer anderweiten Wahl davon sofort in Kenntniß zu setzen. § 14. Die Versammlung erwählt den Präsidenten und unter dessen Vorsitz den Stell-

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§ 16. Die Wahl des Präsidenten und dessen Stellvertreters wird alle 4 Wochen erneuert.

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849) Die Staatsregierung stellt ihm hierzu erforderlichen Falls die geeigneten Mittel zur Verfügung. § 18. Der Umfang der Befugnisse des Präsidenten für den einzelnen Fall findet seine Gränzen in den Beschlüssen der Versammlung, welche auf den Antrag eines Mitgliedes gefaßt werden. Auch steht jedem Mitgliede, welches vom Präsidenten zur Ordnung gerufen wird und sich dadurch beschwert erachtet, das Recht der Berufung auf den Beschluß der Versammlung zu. § 19. Dem Präsidenten liegt es ob, die während der Dauer der Versammlung durch die Staatsregierung einzuberufenden Abgeordneten in öffentlicher Sitzung zu verpflichten. § 20. Der Schriftführer hat die Verpflichtung, das Protocoll zu führen oder unter seiner Aufsicht führen zu lassen, bei Abstimmungen zu zählen, die Abstimmungslisten zu führen und die Reihenfolge der Anträge der einzelnen Mitglieder der Versammlung mit dem Präsidenten auf dessen etwaiges Verlangen zu ordnen, die bekannt zu machenden schriftlichen Eingänge zu verlesen und sich allen schriftlichen Arbeiten zu unterziehen, welche ihm mittelst Beschlusses der Versammlung übertragen werden. § 21. Der Präsident und der Schriftführer haben die Aufsicht über die für die Dauer der jährlichen Sitzungen eingerichtete Canzlei der Versammlung. § 22. Das erforderliche Schreiber- und Dienerpersonal ist von der Staatsregierung der Versammlung zur Verfügung zu stellen und vom Präsidenten für die Dauer der Versammlung zu verpflichten. § 23. Von der Staatsregierung ist ein Archivar anzustellen. Dieser hat das Archiv und die Bibliothek unter seiner Obhut und die Verzeichnisse

über die Acten und Bücher zu führen, während der Dauer der jährlichen Sitzungen aber hat derselbe auch für ordnungsmäßige Führung der Registrande und für das Protocolliren zu sorgen, sowie die Canzlei zu beabsichtigen. Wenn seine Kräfte zur Protocollführung nicht ausreichen, so wird die Staatsregierung der Versammlung einen oder mehrere andere Personen zur Verfügung stellen. § 24. Die Sitzungen sind theils ordentliche, theils außerordentliche. Die Zahl und Dauer der ordentlichen Sitzungen für jede Woche wird durch Beschluß der Versammlung festgesetzt, außerordentliche Sitzungen dagegen werden vom Präsidenten der Versammlung in besonders dringenden Fällen anberaumt. § 25. Von der Bestimmung, dass alle Sitzungen öffentlich sein sollen, kann durch Beschluß der Versammlung zwar eine Ausnahme für den einzelnen Fall gemacht werden, es dürfen aber in einer solchen nicht öffentlichen Sitzung keine Beschlüsse gefaßt werden. Das über die Verhandlung in einer solchen Sitzung aufgenommene Protocoll ist längstens binnen 4 Wochen zu veröffentlichen. § 26. Für die öffentlichen Sitzungen wird einer den vorhandenen Räumlichkeiten angemessenen Zahl erwachsener Zuhörer der Zutritt an den für sie bestimmten Plätzen im Sitzungssaale gestattet. Den Zuhörern ist jede Aeußerung von Beifall oder Mißbilligung untersagt. § 27. In den Sitzungen der Abgeordneten-Versammlung ist nur den Berichterstattern der Vorberathungsabtheilungen zuzulassen, schriftliche Vorträge zu erstatten. Alle übrigen Vorträge erfolgen in der Art mündlich, daß auch das Ablesen aufgeschriebener Reden als unstatthaft zurückzuweisen ist.

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(S ACHSEN -)G OTHA § 28. Diejenigen Mitglieder, welche über einen Berathungsgegenstand sprechen wollen, haben sich entweder vor Beginn der Sitzungen bei dem Vorsitzenden schriftlich um das Wort zu melden oder solches im Laufe der Sitzung mündlich und durch Aufstehen zu thun. Die Abgeordneten sprechen in derselben Reihenfolge, in welcher sich dieselben zum Worte gemeldet haben. Eine Ausnahme davon ist in §. 45. bestimmt. § 29. Jeder Redner spricht stehend von seinem Platze aus; alle Vorträge sind an den Präsidenten zu richten. § 30. Wenn der Präsident sich, sei es als Antragsteller oder auch nur bei der Besprechung eines Berathungsgegenstandes, für oder wider betheiligen will, oder wenn über eine gegen seine Amtsführung gerichtete Beschwerde verhandelt wird, so hat er den Vorsitz bis zum Schlusse der Verhandlungen, d. h. bis nach der Abstimmung, seinem Stellvertreter zu überlassen. § 31. Alle Anträge, die von einzelnen Abgeordneten gestellt werden, sind auf Verlangen des Präsidenten schriftlich zu fassen und demselben zu übergeben. § 32. Zur Besprechung kann ein Antrag nicht eher gelangen, als bis er von drei Mitgliedern der Versammlung – außer dem Antragsteller – unterstützt ist. Der Präsident hat daher die Unterstützungsfrage an die Versammlung zu richten, insofern nicht schon eine schriftliche Unterstützung vorliegt. Bezieht sich der Antrag auf einen in der Berathung begriffenen Gegenstand, so gelangt er sofort, sobald er ausreichend unterstützt worden ist, zur Besprechung. Bezieht sich aber der ausreichend unterstützte Antrag nicht auf einen in Berathung befindlichen Gegenstand, so kann der Antrag, falls er einfach ist, ohne Weiteres auf die

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Tagesordnung gebracht oder für den entgegengesetzten Fall Einer der bestehenden Abtheilungen zur Vorberathung überwiesen werden. § 33. Der Antragsteller erhält, wenn ein Antrag von ihm als dringlich bezeichnet und die Unterstützungsfrage bejaht worden ist, das Wort zur Begründung der Dringlichkeit. Hierauf wird die Dringlichkeitsfrage zur Abstimmung gebracht, ohne daß zuvor einem andern Mitgliede über die Dringlichkeit zu sprechen gestattet ist. Bejahet die Versammlung diese Frage, so wird der Antrag, ohne an eine Abtheilung verwiesen zu werden, zur Berathung auf eine der nächsten Tagesordnungen gesetzt. Verneint dagegen die Versammlung die Dringlichkeitsfrage, so ist nach der Bestimmung des vorigen §. zu verfahren. § 34. Sollte der Antragsteller in derjenigen Sitzung, auf welche die Berathung seines Antrags anberaumt worden ist, zu erscheinen behindert sein, so ist, mit Ausnahme dringlicher Fälle, die Berathung auf eine spätere Tagesordnung zu setzen. § 35. Jedes Mitglied, welches zum Worte über einen Antrag gelangt, hat beim Beginn seines Vortrages zu erklären, ob es für oder wider den Antrag zu sprechen beabsichtigt. Liegt kein Antrag zur Besprechung vor, so kann ein Mitglied, welches ums Wort bittet, solches nur dann erhalten, wenn es erklärt, einen neuen Antrag stellen zu wollen. § 36. Am Schluß der Berathung ist dem Berichterstatter der betreffenden Abtheilung das Wort noch einmal zu geben. § 37. Der Präsident ist befugt, den Redner, wenn er sich von der vorliegenden Frage entfernt, zur Sache zurückzurufen und ihm, wenn er die Erinnerungen desselben zu wiederholten Malen nicht beachtet, das Wort zu entziehen. Ein anderes Mitglied

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849) der Versammlung darf den Redner, der das Wort hat, nicht unterbrechen. § 38. Die Mitglieder des Staatsministerii so wie der Herzogl. Commissarius erhalten das Wort, sobald sie sich dazu beim Präsidenten melden. § 39. Befragungsanträge einzelner Mitglieder können nur dann an das Staatsministerium gebracht werden, wenn sie vom Antragsteller schriftlich aufgesetzt und von wenigstens fünf anderen Mitgliedern der Versammlung unterstützt sind. Sodann ist die Befragung auf eine der nächsten Tagesordnungen zu setzen und duch den Vorsitzenden dem Ministerium im Sitzungssaal mündlich vorzutragen. Eine weitere Verhandlung darüber ist unzulässig. § 40. Wenn kein Mitglied mehr das Wort verlangt, oder der Antrag eines Mitgliedes auf Schluß der Berathung von der Versammlung angenommen wird, spricht der Vorsitzende den Schluß der Verhandlung aus. Ehe jedoch der Antrag auf Schluß der Verhandlung zur Abstimmung gebracht werden kann, ist das Verzeichniß derjenigen Abgeordneten, welche sich noch zum Worte gemeldet haben, zu verlesen. § 41. Ueber Anträge auf Schluß der Verhandlung darf keinem Abgeordneten das Wort gegeben werden. § 42. Die Fragestellung ist stets so einzurichten, daß die Fragen einfach mit Ja und Nein beantwortet werden können. § 43. Die Abstimmung über die vom Vorsitzenden in zweckmäßiger Reihenfolge auszusprechenden Fragen erfolgt durch Aufstehen und Sitzenbleiben, so daß ersteres als bejahende, letzteres als verneinende Antwort angesehen wird. Der Schriftführer hat darnach die bejahenden und verneinenden Stimmen zu überzählen.

Ausnahmsweise, sofern es von drei Mitgliedern verlangt wird, tritt Abstimmung durch namentlichen Aufruf ein. § 44. Ist die Anzahl der für und die Anzahl der wider einen Antrag stimmenden Mitglieder gleich, so wird die Abstimmung in der nächstfolgenden Sitzung wiederholt. Bei abermaliger Stimmengleichheit ist der Antrag als verworfen anzusehen. § 45. Sobald ein Antrag, dessen Annahme die Aussetzung der Berathung über einen Gegenstand zur Folge haben würde, von Einem der Redner gestellt wird und die erforderliche Unterstützung gefunden hat, so kann zunächst nur für oder wider diesen Antrag gesprochen werden. Es ist daher auch über einen solchen Antrag besonders um das Wort zu bitten und in der anderweiten Berathung des Haupt-Gegenstandes ist erst dann fortzufahren, wenn der Vorantrag zur Abstimmung gebracht und von der Versammlung erledigt worden ist. § 46. Die über die Verhandlungen der Abgeordneten-Versammlung zu führenden Protocolle müssen, außer einer möglichst übersichtlichen Darstellung der Vorträge und Verhandlungen, die gestellten Anträge, soweit sie Unterstützung gefunden haben, die zur Abstimmung gebrachten Fragen, die Ergebnisse der Abstimmungen (bei der Abstimmung mittelst Namensaufrufes zugleich die einzelnen Stimmen) und die Tagesordnung für die nächstfolgende Sitzung enthalten. § 47. Die Zahl der für und die Zahl der wider einen Antrag Stimmenden ist im Protocolle jedesmal anzugeben. Bei namentlicher Abstimmung sind die Namen der in der Minderheit gebliebenen Abgeordneten im Protocolle anzuführen. § 48. Wenn namentliche Abstimmung erfolgt, so soll es den in der Minderheit gebliebenen Abgeordneten nachgelassen sein,

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(S ACHSEN -)G OTHA die Gründe der Abstimmung zu Protocoll zu geben.

nur vom Präsidenten und Schriftführer unterzeichnet.

§ 49. Das Protocoll wird beim Beginn der nächstfolgenden Sitzung verlesen. Wer eine Ausstellung gegen dessen Inhalt zu machen hat, bringt solche, sobald er das Wort erhalten hat, vor, um die erforderliche Berichtigung herbeizuführen. Wenn dies geschehen ist, unterzeichnet der Protocollführer das Protocoll und der Vorsitzende nebst dem Schriftführer beglaubigt es durch Namensunterschrift.

§ 55. Die Mittheilungen und Erklärungen der Versammlung an die Staatsregierung erfolgen in der Regel schriftlich, wie die Anträge der letztern an die Versammlung.

§ 50. Die Protocolle sind sofort nach erfolgter Genehmigung durch den Druck zu veröffentlichen. Das Nähere hat die jedesmalige Versammlung zu bestimmen. Ein jeder Abgeordneter erthält ein Exemplar der gedruckten Verhandlungen unentgeldlich. § 51. Ist ein Abgeordneter in einer Sitzung zu erscheinen behindert, so hat er davon dem Präsidenten zeitig Anzeige zu machen. Urlaub ertheilt in der Regel der Präsident; wird aber der Urlaub über drei Tage erstreckt, so hat ihn die Versammlung zu bestimmen. § 52. Am Schlusse jeder Sitzung zeigt der Präsident die Tagesordnung der nächstfolgenden an; sie wird am Versammlungssaal zur Einsicht des Publikums angeschlagen und dem Herzogl. Staats-Ministerium schriftlich mitgetheilt.

§ 56. Die Versammlung ordnet ihren Haushalt und ihre geschäftlichen Ausgaben selbst. § 57. Die Versammlung ernennt nach der Wahl ihrer Beamten so viele Ausschüsse als Geschäftsgattungen zur Berathung der Versammlung vorliegen, und vermehrt dieselben je nach Bedürfniß. § 58. Die Mitglieder der einzelnen Ausschüsse werden durch Stimmzeddel nach Stimmenmehrheit ohne Rücksicht auf die dieselbe bildende Stimmenzahl gewählt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos. § 59. Bei den Verhandlungen der Ausschüsse, welchen jeder Abgeordnete beizuwohnen befugt ist, hat das mit den meisten Stimmen erwählte Mitglied den Vorsitz. Eins der Mitglieder führt über die gefaßten Beschlüsse ein Protocoll, wenn solches von der Mehrheit im Ausschusse für nöthig befunden wird. Die Beschlüsse selbst werden nach absoluter Stimmenmehrheit (Uebereinstimmung von mehr als der Hälfte der Stimmenden) gefaßt.

§ 53. Die auf den Grund der Verhandlungen und Beschlüsse über die einzelnen Berathungsgegenstände abzufassenden Erklärungsschriften sind, nachdem sie von der Versammlung genehmigt worden, in einer vom Präsidenten und Schriftführer zu vollziehenden Reinschrift auszufertigen und dem Staatsministerium mitzutheilen.

§ 60. Zum Zwecke des Vortrags der Beschlüsse in der Abgeordneten-Versammlung und deren näherer Begründung ernennt die Abtheilung durch Stimmenmehrheit einen Berichterstatter. Dasselbe Recht stehet der Minderheit der Abtheilung für ihr Minderheitsgutachten zu.

§ 54. Die von der Versammlung beschlossenen Adressen werden gleichfalls

§ 61. Gegenstände, über welche eine Abtheilung Vortrag zu erstatten hat, können

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V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849) nicht eher auf die Tagesordnung gesetzt werden, als bis die Anträge derselben in den Händen aller Abgeordneten sind. Hiervon kann nur auf Beschluß der Versammlung abgewichen werden. § 62. Von der Staatsregierung werden alle diejenigen Nachrichten, Nachweisungen, Belege, Acten und sonstigen Hülfsmittel den Ausschüssen mitgetheilt, die sie als zu ihren Vorberathungsarbeiten erforderlich bezeichnen. § 63. Jeder Abgeordnete erhält aus der Staatscasse für die Dauer der Theilnahme an der Versammlung ein Tagegeld, welches für die am Versammlungsorte Wohnhaften Zwei Thaler, für alle nicht am Versammlungsorte Wohnhaften Abgeordneten dagegen Zwei Thaler funfzehn Groschen beträgt. Die Letzteren erhalten aus derselben Casse die Kosten ihrer Her- und Zurückreise vergütet.

Beilage III6 Vom Staatshaushalt § 1. Das bisherige Cammer- und Domänenvermögen des Herzogthums Gotha ist Staatsgut. § 2. Die im Herzogthum Gotha gelegenen Herzoglichen Schlösser, Palläste, Hofgebäude, Gärten und Gartenanlagen, ferner alle diejenigen zum Herzogthum Gotha gehörigen Cammergüter, Forste, Grundstücke, Berg- und Hüttenwerke, Fischereien, Flößen, Kunststraßen und Wege, Amtswohnungen, andere öffentliche Gebäude, Hoheitsund andere nutzbare Rechte, welche bisher unter der Verwaltung oder Aufsicht der Herzogl. Cammer gestanden haben, sind Bestandtheile des Cammervermögens, insoweit nicht an einzelnen derartigen Gegenständen dem jetzigen oder künftigen Herzog oder dessen Familie Privateigenthumsansprüche zustehen.

§ 3. Die im §. 2. aufgeführten Gegenstände sind so lange als Bestandtheile des Cammervermögens anzusehen, bis ein Herzogl. Privateigenthumsrecht an denselben nachgewiesen worden sein wird. § 4. Das Cammervermögen ist vom Herzogthum Gotha unzertrennbar und geht von jedem regierenden Herzog aus dem Sachsen-Ernestinischen Hause auf seine Regierungsnachfolger als solche nach denselben Staatsgrundgesetzen über, nach welchen die Regierungserbfolge Statt findet. § 5. Ueber die einzelnen Bestandtheile des Cammervermögens sind binnen Jahresfrist vollständige Verzeichnisse zu fertigen. Letztere sind der Versammlung der Abgeordneten des Landes zur Prüfung vorzulegen und nach erfolgter Feststellung im Archiv des Landschaftshauses aufzubewahren, auch bei jedem Regierungswechsel zu prüfen. § 6. Die auf dem Schlosse Friedenstein befindlichen wissenschaftlichen und Kunstsammlungen, ingleichen die Stiftung der Sternwarte Seeberg und der Herzogl. Park zu Gotha bilden ein Familien-Fideicommiß des Gothaischen Hauses und vererben sich in diesem Hause mit der Staatsregierung. Jene Sammlungen dürfen aus der Stadt Gotha nicht entfernt werden, und unterliegen gleich dem Park und der Sternwarte weder einer Veräußerung, noch einer Theilung, noch einer Verpfändung, noch einer Verringerung, noch einer die bisherige öffentliche Benutzung beschränkenden Bestimmung. § 7. Die Erhaltung des Cammervermögensbestandes steht unter der Gewähr der Abgeordneten-Versammlung des Herzogthums Gotha. Ohne deren Zustimmung kann keine Veräußerung, keine Verpfändung, keine Vertheilung, keine Belastung der Domänen erfolgen.

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(S ACHSEN -)G OTHA § 8. Die Domänenwaldungen können selbst insoweit sie aufhören sollten, Staatsgut zu sein, nie der Oberaufsicht des Staates hinsichtlich der Bewirthschaftung der Forste, insbesondere hinsichtlich der Einhaltung des Forstbetriebsplans, hinsichtlich der Holzpreise, sowie hinsichtlich der Anstellung der Forstbeamten, der Wahl und Löhnung der Holzhauer entzogen werden. § 9. Auf den Domänenwaldungen haften für alle Zeiten, jedoch mit Vorbehalt der Gesetzgebung, neben der durch besondere Urkunden festgestellten Gerechtsame der freiwäldschen Landorte, die den Bewohnern vieler Waldortschaften an jenen Domänenwaldungen zustehenden Trift-, Leseholz-, Nachbarholz- und andere Gerechtsame. § 10. Auf dem gesammten Cammeroder Domänenvermögen haftet die von dem jetzigen regierenden Herzog und von Jedem Seiner Regierungsnachfolger über das Herzogthum Gotha aus dem Herzogl. SachsenErnestinischen Hause für die Herzogliche Familie und die Hofhaltung mit Inbegriff der Hofdienerschaft, der Hofcapelle und

des Hoftheaters sowie der gehörigen Erhaltung der im §. 13. verzeichneten Gebäude, Gärten und Gartenanlagen zu beziehende Jahressumme. § 11. Ferner haftet auf dem gesammten Cammer- oder Domänenvermögen nicht nur der Schuldenbestand der bisherigen Cammercasse, sondern auch, dem Lande gegenüber, die zur Verzinsung und Tilgung der Landschaftsschulden des Herzogthums Gotha erforderliche Summe. § 12. Ferner haftet auf dem gesammten Cammer- oder Domänenvermögen die Verbindlichkeit, daß die Einkünfte desselben, soweit sie nicht zu den in den §§. 10 und 11. angeführten Bestimmungen zu verwenden sind, zur Bestreitung der Kosten der Staatsverwaltung des Herzogthums Gotha verwendet werden müssen. § 13. Von der in dem §. 2. aufgeführten Bestandtheilen des Cammervermögens bleiben die nachverzeichneten Schlösser und Hofgebäude mit den Inventarien und den dazu gehörigen Gärten und Gartenanlagen:

1) das Residenzschloß, der Friedenstein zu Gotha mit Ausnahme der den Landesbehörden überwiesenen Geschäftszimmer und Archivgewölbe; 2) der Herzogl. Palast nebst dem Wintergarten, dem Cavalierhaus, Stallgebäude und Garten; 3) das Waschhaus; 4) das Friedrichsthal nebst Garten; 5) das Herzogl. Wohnhaus nebst Garten vor dem Siebleber Thore; 6) das gothische Schlößchen in den Anlagen; 7) das Herzogl. Hoftheater zu Gotha; 8) das neue Marstallgebäude und die Wagenremisen; 9) die Reitbahn, mit Vorbehalt des Gebrauchs zum Reitunterricht; 10) die Orangerie nebst Gewächshäusern, Gartenwohnungen, dem Küchengarten und den darin befindlichen Gebäuden; 11) das Schloß zu Reinhardsbrunn nebst den dazu gehörigen und in dessen Umgebung befindlichen Gärten und Parkanlagen, ingleichen nebst den dazu gehörigen und darin stehenden Gebäuden mit Einschluß des vormaligen Chausseehauses zwischen Reinhardsbrunn und Friedrichroda;  12) das Schloß zu Molsdorf nebst den dazu gehörigen Schloßgärten und 13) das Schloß zu Siebleben Gewächshäusern;

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V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849) 14) das Jagdschloß zu Oberhof; 15) das Jagdschloß zu Jägersruhe, dem jeweiligen regierenden Herzog zur freien Benutzung vorbehalten. Dagegen wird die Verwaltung der übrigen Theile des Domanialvermögens sowie überhaupt aller Einkünfte, Activ- und Passiv-Bestände der Herzogl. Cammer mit der Verwaltung der Steuern vereinigt. § 14. Die Verwaltung der hiernach zu bildenden Staatscasse wird der Aufsicht und Leitung der obern Landesverwaltungsbehörde untergeben. § 15. Die Staatscasse leistet 1) die vom regierenden Herzog und Jedem Seiner Regierungsnachfolger über das Herzoghum Gotha aus dem Herzogl. Sachsen-Ernestinischen Hause für die Herzogl. Familie und Hofhaltung zu beziehende Jahressumme (§. 16.) und zwar in monatlichen Vorauszahlungen;

2) die Kosten für die gesammte Staatsverwaltung mit Einschluß der Verwaltung des Domänenvermögens, sowie der in Gemäßheit der Anleihepläne und Verträge zu bewerkstelligenden Verzinsung und Tilgung der Cammer- und Landschaftsschulden des Herzogthums Gotha; 3) die Witthümer, ferner die Kosten für die Erhaltung der im §. 13. aufgeführten Schlösser in Dach und Fach, ingleichen verschiedener Gärten, Hofdienerpensionen etc., falls und insoweit dergleichen Witthümer, Kosten und Pensionen etc. von der Abgeordneten-Versammlung im Wege besonderer Vereinbarung neben der festen Jahressumme ausdrücklich auf die Staatscasse übernommen worden sein werden. (In Gemäßheit des §. 15. Nr. 3. sind neben der im §. 16. erwähnten baaren Civilliste folgende Ausgaben:

8023 Thlr. Morgengabezinsen und Witthum der Frau Herzogin Maria, 3109 ” Besoldungen etc. ihrer Umgebung, 5825 ” Unterhaltung der Schlösser in Dach und Fach, 3760 ” Unterhaltung der Herzogl. Orangerie, Herzogl. Gärten und Anlagen zu Gotha, 1016 ” Besoldungen zur Hofkirche zu Gotha, 265 ” Besoldungen der Hofmediker zu Gotha, 1434 ” Besoldungen der Schloßgardisten zu Gotha, 2207 ” zur jährlichen Verzinsung und Tilgung der jetzt noch in 37,000 Thlr. bestehenden Gothaischen Theaterbauschuld auf die Staatscasse des Herzogthums Gotha übernommen worden.) § 16. Der Betrag der im §. 15. unter Nr. 1. erwähnten festen Jahressumme wird von jedem regierenden Herzog zu Sachsen-Gotha aus dem Herzogl. Sachsen-Ernestinischen Hause bei Seinem Regierungs-Antritt auf Seine Regierungszeit mit den Abgeordneten des Landes vereinbart. Jener Jahresbetrag besteht für den jetzt regierenden Herzog in Ein Hundert Tausend Thalern.

§ 17. Wenn das Herzogl. Haus Sachsen-Ernestinischer Linie aufhören sollte, über das Herzogthum Gotha zu regieren, so sind die Herzogl. Ansprüche an dem im Herzogthum Gotha befindlichen bisherigen Cammer- und Domänen-Vermögen so zu beurtheilen, als wenn der §. 1. aus dieser Urkunde weggelassen worden wäre.

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Beilage IV7 Gesetz, das Verfahren des Oberappellationsgerichts zu Jena bei Anklagen gegen Staatsdiener wegen Verfassungsverletzungen betreffend § 1. Das Oberappellationsgericht als Untersuchungs- und Spruchbehörde richtet sich, bis ein neues Strafprozeßgesetz auf der Grundlage der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit mit dem Institut der Geschworenen erschienen sein wird, nach den Regeln des gemeinrechtlichen Anklageprozesses. Dem Angeklagten ist eine besondere Vertheidigungsschrift zu gestatten und erst, wenn diese beigebracht oder versäumt ist, erfolgt das Erkenntniß. § 2. Das Erkenntniß mit Gründen ist sowohl dem Angeklagten als der Abgeordneten-Versammlung zu eröffnen, gleichzeitig auch eine beglaubigte Abschrift desselben an den Landesherrn einzusenden. § 3. Demnächst und zwar innerhalb der nächsten vier Wochen von Zeit der Eröffnung an wird das Erkenntniß nebst Gründen auf Staatskosten zur allgemeinen Kenntniß gebracht. § 4. Das Erkenntniß hat zunächst auszusprechen, ob der Angeklagte gegen die Verfassung gehandelt habe, und darnach über die beantragte Strafe und den Kostenpunkt zu entscheiden. § 5. Beiden Theilen steht gegen dieses Erkenntniß nur noch das Rechtsmittel der Revision zu, welches innerhalb 30 Tagen von Zeit der Eröffnung an eingelegt werden muß. Auch über dieses Rechtsmittel entscheidet das Oberappellationsgericht. Demjenigen Theile, welcher das Rechtsmittel zeitig eingewendet hat, ist gestattet, innerhalb sechs Wochen ausschließender (präclusiver) Frist von Zeit der Einwendung

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an eine schriftliche Ausführung zu den Acten zu bringen. Diese wird dem Gegentheile zur Beantwortung binnen gleicher, von Zeit der Behändigung an zu berechnender Frist mitgetheilt. Nach Eingang der beiden Schriften oder Ablauf der dazu bestimmten Fristen bestellt das Oberappellationsgericht einen neuen Berichtserstatter und Mitberichtserstatter. Ein jeder derselben arbeitet einen schriftlichen Vortrag aus, ohne dem andern von dem seinigen Mittheilung zu machen und nachdem sämmtliche Mitglieder vom Inhalte dieser Vorträge durch Umlauf Kenntniß erhalten haben, wird außerhalb der Sitzung schriftlich abgestimmt, darauf hin aber das zweite und letzte Erkenntniß abgefaßt. Wird von Seiten der Abgeordneten-Versammlung gegen ein freisprechendes Erkenntniß ein Rechtsmittel eingewendet, welches jedoch nur wegen Nichtigkeit stattfinden kann, so hat der zweite Spruch bloß die Frage zu beantworten, ob der Angeklagte gegen die Verfassung gehandelt habe oder nicht. § 6. Für den Inhalt und die Eröffnung dieses zweiten Erkenntnisses gelten dieselben Bestimmungen wie oben §. 2 ff.

Beilage V8 Gesetz über den Staatsdienst § 1. Es sind nur Solche zum Staatsdienste zuzulassen, deren Unbescholtenheit und sittliches Verhalten außer Zweifel ist und welche dazu nach Maaßgabe der bestehenden und demnächst zu erlassenden Gesetze ausreichende Befähigung erworben und bethätigt haben. Auswärtige dürfen nur dann in den Staatsdienst des Herzogthums Gotha berufen werden, wenn es an dazu geeigneten Inländern fehlt. § 2. Derjenige Staatsdiener, welcher mittelst eines Decrets des Herzogs oder seines verfassungsmäßigen Vertreters ange-

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849) stellt wird, ist als auf Lebenszeit angestellt anzusehen. Wer dagegen mittelst Rescripts einer Landesbehörde angestellt wird, ist als auf Widerruf angestellt anzusehen. Nur mittelst Rescripts einer Landesbehörde sind diejenigen Staatsdiener anzustellen, deren Beruf vorzugsweise in Ausübung mechanischer Fertigkeiten und Verrichtungen besteht. § 3. Jeder Staatsdiener hat Anspruch auf vollen Bezug des für seine Stelle gesetzlich festgestellten Gehalts. Bei den nach §. 2. mittelst Rescripts anzustellenden Beamten richtet sich der Anspruch des Angestellten auf Gehalt nach dem Inhalt des Rescripts. § 4. Jeder Staatsdiener ist bei dem Antritt seines Amtes auf treue Beobachtung der Verfassungsgesetze, sowie auf Treue und Gewissenhaftigkeit in Erfüllung seiner Amtspflichten zu vereidigen. Cassenbeamte – mit Ausnahme der Bewahrer der Gerichtsdepositen, hinsichtlich deren Verwaltung weitere Anordnung getroffen werden wird – haben überdies eine angemessene Sicherheit entweder durch Einlegung inländischer Staatspapiere oder durch unterpfändliche Einlegung gerichtlicher Schuld- und Pfandverschreibungen oder durch Verpfändung eigener Grundstücke zu bestellen und sind bei ihrer Verpflichtung auf die bestehenden Gesetze über Veruntreuungen öffentlicher Gelder hinzuweisen. § 5. Jeder Staatsdiener ist gehalten, sich Nebenaufträgen der Staatsregierung, sofern solche nicht seinem Geschäftskreise fremd sind, ohne besondere Vergütung, jedoch gegen Ersatz der gesetzlichen Reise- und Zehrungskosten willig zu unterziehen. § 6. Zu einer gewerblichen Nebenbeschäftigung der Staatsdiener ist stets die Genehmigung der ihnen vorgesetzten Behörde erforderlich.

§ 7. Der Vorstand einer Oberbehörde oder dessen Stellvertreter darf sich auf länger als vier Tage nur mit Erlaubniß des Herzogs vom Sitze der Behörde entfernen. Jedes andere Mitglied der Oberbehörde erhält auf solche Zeit Urlaub vom Vorstande, durch welchen vorher die Zustimmung des Herzogs einzuholen ist. Ebenso wird es gehalten, wenn andere der Oberbehörde beigegebene Beamte einen mehr als 14tägigen Urlaub zu erhalten wünschen, während ihnen den Urlaub auf kürzere Zeit der Vorstand oder dessen Stellvertreter ohne höchste Genehmigung zu ertheilen befugt ist. Zu solchen außerordentlichen Entfernungen der Vorstände der Unterbehörden von ihrem Amtssitz, welche über 36 Stunden, jedoch nicht über 4 Tage und 4 Nächte dauern, ist eine Anzeige bei der ihnen zunächst vorgesetzten Behörde und Bericht über die wegen ihrer Stellvertretung getroffene Vorkehrung nöthig. Derartige Entfernungen, welche über 4 Tage und 4 Nächte, jedoch nicht über 3 Wochen dauern sollen, können nur nach vorher ausgewirktem Urlaub der Oberbehörde und nach Anordnung einer genügenden Stellvertretung erfolgen. Urlaubsbewilligungen auf länger als 3 Wochen können dem Vorstand einer Unterbehörde nur vom Herzog auf diesfallsige Berichtserstattung der Landesbehörde ertheilt werden. Wenn Einer der anderen außer dem Vorstande der Unterbehörde bei derselben angestellten Beamten den Amtssitz, beziehungsweise Wohnsitz für länger als einen halben Tag oder über Nacht verlassen will, so bedarf er dazu die Erlaubniß seines Vorgesetzten, des Vorstandes der Behörde. Zu einer längeren als 14tägigen Abwesenheit kann die Urlaubsbewilligung nur unter Zustimmung der Oberbehörde erfolgen und wenn der Urlaub auf länger als sechs Wochen in Anspruch genommen wird, so bedarf es der Einholung der Erlaubniß des Herzogs.

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(S ACHSEN -)G OTHA § 8. Abzüge am Gehalt sind mit dem Urlaub regelmäßig nicht verbunden, können aber, wenn auf länger als 6 Wochen zu bloßen Privatzwecken Urlaub ausgewirkt wird, nach Verhältniß der diese sechs Wochen überschreitenden Zeit angeordnet werden. § 9. Die Besoldungen der Staatsdiener werden der Regel nach in monatlichen Beträgen bezahlt. § 10. Zur eigentlichen Besoldung werden nicht gerechnet: 1) die zur Anschaffung der Schreibmaterialien bewilligten Geldbeträge, 2) die gesetzlichen Zehrungs- und Reisekosten, 3) die Entschädigung der Cassenbeamten für Münzverlust, 4) die Procente und sonstige Antheile (Tantiemen) von Einnahmen, deren Erhebung als Nebengeschäft von einem Staatsdiener besorgt wird, 5) die Gebühren und Nebennutzungen, welche mit einem Dienst verbunden sind, 6) die Dienstkleidung, 7) die Verwilligung von Pferdefutter und dessen Baarvergütung, 8) das zur Verheizung der Geschäftszimmer abgegebene Holz, 9) alle Bezüge, welche nicht als Vergütung der eignen Dienstthätigkeit des Beamten anzusehen sind. Von dergleichen Zugängen ist daher weder bei der Bemessung des Ruhegehalts, noch wo es auf fortdauernde rechtliche Gewährung des Gehalts durch den Staat überhaupt ankömmt, Etwas mit in Aufrechnung zu bringen. § 11. Ohne Erlaubniß der Staatsregierung darf kein Staatsdiener Gehaltsbezüge von einem andern Staate annehmen. § 12. Es ist in besonderen Gesetzen bestimmt, inwieweit die Besoldungen und Ruhegehalte der Staatsdiener von deren Gläubigern wegen ausgeklagter Forderungen als

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Hülfsgegenstand angegriffen werden können. § 13. Keinem Staatsdiener kann die nachgesuchte Entlassung von seinem Amte, wenn er auf den damit verknüpften Gehalt verzichtet, versagt werden. Er muß jedoch, wenn der Dienst solches erfordert, Aufschub des Austritts aus dem Letztern auf einige Zeit, höchstens aber auf 6 Monate, sich gefallen lassen, und jedenfalls erst die etwa selbst verschuldeten Geschäftsrückstände – wenn er Cassenbeanter ist, sein Rechnungs- und Cassenwesen – vollständig zur Erledigung bringen. § 14. Staatsdiener, welche wegen Altersschwäche oder körperlicher Gebrechen ihre Berufsobliegenheiten zu erfüllen nicht mehr vermögen, sind auf ihr Verlangen in den Ruhestand zu versetzen mit einem Ruhegehalt, welcher in einem angemessenen Theil ihrer eigentlichen Besoldung (§. 10.) besteht. § 15. Dieser Ruhegehalt beträgt, wenn die Versetzung des Staatsdieners in den Ruhestand in der Zeit von seinem ersten bis zum Ende seines zehnten Dienstjahres erfolgt, zwei Fünftel ( 4/10) der Besoldung. Auf jedes weitere Dienstjahr wird ein Procent der Besoldung mehr gerechnet, so jedoch, daß der Ruhegehalt vier Fünftel ( 8/10) der Besoldung in der Regel nicht überschreiten darf. Es darf übrigens der Ruhegehalt in keinem Falle unter 80 Thlr. betragen. Sollte noch ein Gesetz erlassen werden über den höchsten jährlichen Betrag eines Ruhegehaltes, so ist ein solches Gesetz als Bestandtheil der Verfassung anzusehen. § 16. Bei Berechnung der Dienstjahre kommt auch die in außergothaischen Diensten verbrachte Dienstzeit, Falls nicht etwas anderes darüber vertragsmäßig festgestellt ist, in Betracht. § 17. Nach vollbrachter 50jähriger Dienstzeit und zurückgelegtem 70. Lebens-

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849) jahre haben die Staatsdiener Anspruch auf den Fortbezug ihres vollen Gehaltes. Diejenigen Staatsdiener aber, welche das 70. Lebensjahr überschritten haben und weniger als 50 Dienstjahre zählen, erhalten 4/5tel ihrer jährlichen Besoldung als Ruhegehalt. § 18. Wenn ein Staatsdiener in der Erfüllung seines amtlichen Berufs beschädigt und dadurch dienstuntauglich geworden ist, so steht ihm ohne Rücksicht auf sein Dienstoder Lebensalter (§. 17.) der Anspruch zu, mit einem jährlichen Ruhegehalt von vier Fünfteln seiner Besoldung in den Ruhestand versetzt zu werden. § 19. Der Staatsdiener, welcher sich in dem Falle befindet, nach §. 14. seine Versetzung in den Ruhestand zu fordern, kann auch gegen seinen Willen von dem Herzog in den Ruhestand versetzt werden. Ist das Unvermögen zu fernerer Dienstführung nur in einem solchen Grade vorhanden, daß bei Unterstützung durch einen Gehülfen die Fortführung seines Amtes mit Grund von ihm gefordert werden kann, so soll ihm ein Gehülfe beigesetzt werden. Im ersteren Falle wird der ihm zukommende Ruhegehalt in gleicher Weise wie nach §. 15. festgesetzt, im letzteren Falle hat er zur Bezahlung des Gehülfen von seinem Gehalt soviel beizutragen, als dieser Gehalt den Betrag des Ruhegehaltes übersteigt, welchen er zu fordern gehabt haben würde, wenn er in den Ruhestand versetzt worden wäre. § 20. Glaubt ein solcher Staatsbeamter das Vorhandensein der Schwäche, Mängel oder Gebrechen bestreiten zu können, wegen deren ihm die Versetzung in den Ruhestand oder die Beigebung eines Gehülfen angesonnen wird, so steht ihm – wiewohl ohne aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Ausführung dieser Maaßregeln – der Rechtsweg gegen die Staatsregierung offen,

um sich den Bezug der vollen Besoldung aus der Staatscasse zu wahren. § 21. Wenn ein zum Richterstande nicht gehöriger Staatsdiener, ohne an Altersschwäche oder körperliche Gebrechen zu leiden, ganz unbrauchbar und untauglich zur Besorgung seines Dienstes erscheint, so kann er nach erfolgter genauer Erforschung der Umstände und – wo nöthig – nach geschehener Einholung eines Gutachtens des Arztes oder geeigneten Sachverständigen auf desfallsige begründete Berichtserstattung der vorgesetzten Oberbehörde sowie auch nach vorgängigem Gehör des betheiligten Beamten, durch einstimmigen Beschluß der obersten Staatsbehörde zu einer geringeren seiner Fähigkeit angemessenen Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Der Betrag des Ruhegehaltes richtet sich in diesem Falle nach §. 15. und mindestens auf diesen Betrag muß sich auch der mit einer geringeren Stelle verbundene Gehalt belaufen. Einem solchen Staatsdiener ist jedoch die Beschreitung des Rechtswegs, um sich die volle Besoldung zu erhalten, unter den im §. 20. angegebenen Voraussetzungen und Bestimmungen unverwehrt. § 22. Unter Vorbehalt der Amtsbezeichnung und der vollen Besoldung kann jeder nicht zum Richterstande gehörige Staatsdiener im Verwaltungswege seiner Dienstverrichtungen enthoben werden. § 23. Einem solchen seiner Stelle enthobenen oder auch ausdrücklich auf Wartegeld gesetzten Staatsdiener, ferner demjenigen, welcher wegen Gebrechen in den Ruhestand versetzt war und wieder diensttauglich geworden ist, kann zu jeder Zeit ein seinen früheren Dienstverhältnissen angemessenes Amt mit oder ohne Bestimmung der Zeitdauer der Amtsverwaltung übertragen werden. Er ist bei Verlust seiner Besoldung oder seines Ruhegehalts und der

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(S ACHSEN -)G OTHA ihm etwa verbliebenen Amtsbezeichnung verpflichtet, das neue Amt anzunehmen, sofern ihm mit dem Amte der Betrag derjenigen Besoldung gewährt wird, welche er vor der Versetzung auf Wartegeld oder in den Ruhestand zu beziehen hatte. § 24. Deshalb darf ein solcher Diener ohne Erlaubniß der Staatsregierung weder in die Dienste eines andern Staats treten, noch sich auf andere Weise in eine Lage versetzen, welche seine Wiederanstellung verhindert oder unmöglich macht. Die Annahme eines außergothaischen Amtes zieht ohne Weiteres den Verlust der Amtsbezeichnung, der Besoldung, beziehungsweise des Ruhegehaltes oder Wartegeldes nach sich. § 25. Will ein solcher Staatsdiener (§. 24.) seinen bleibenden Wohnsitz außerhalb des Herzogthums Gotha nehmen, so ist dazu nicht blos die Genehmigung der obersten Staatsbehörde erforderlich, sondern er hat sich auch ein Sechstel seines Ruhegehaltes oder Wartegeldes in Abzug bringen zu lassen. § 26. Unter Vorbehalt des Ranges und der Besoldung muß sich jeder Verwaltungsbeamte aus höheren Rücksichten des Staats und überhaupt aus Gründen der Verwaltung die Versetzung zu einer andern, seinen Fähigkeiten und seiner bisherigen Dienstführung entsprechenden Stelle gefallen lassen. Auch die Beamten des Richterstandes können wider ihren Willen, jedoch nur für den Fall einer in der Verfassung der Gerichtsbehörden vorgehenden Veränderung und nur zu Stellen im Justizfache versetzt werden. § 27. Bei einer solchen nicht auf Ansuchen des Beamten eintretenden Versetzung werden dem versetzten Staatsdiener die Umzugskosten besonders vergütet. Der Betrag der Umzugskosten ist jedes Mal nach seinen einzelnen Posten genau anzugeben und darf nicht den Aufwand

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übersteigen, welchen der ordentliche sparsame Hausvater in solchen Fällen zu machen pflegt. § 28. Die Bestimmung des §. 27. findet auch dann Anwendung, wenn in Fällen, wovon der §. 23. handelt, ein in Ruhestand oder auf Wartegeld gesetzter Staatsdiener bei seiner Wiederanstellung an einem andern als seinem vorherigen Dienstort angestellt wird. § 29. Die Oberbehörden sind, wenn die ihnen untergeordneten Staatsdiener den ihnen in Bezug auf die Geschäftsführung entheilten Vorschriften nicht nachkommen, berechtigt, sich die gebührende Folgeleistung zu verschaffen: entweder durch Verweise oder Geldstrafen, oder durch Absendung von Warteboten, oder durch Uebertragung der verzögerten Arbeiten an einen Sachkundigen. Den Warteboten oder Stellvertreter hat der Säumige zu bezahlen. Der höchste Betrag von den etwa nach und nach in gesteigertem Maaße aufzuerlegenden Geldstrafen darf indeß den Monatsbetrag der Besoldung nicht übersteigen. Eine Geldstrafe über Zwanzig Thaler darf nicht ohne Vorwissen und Genehmigung des Staatsministeriums erkannt werden. § 30. Wegen fortgesetzter Dienstvernachlässigungen und wegen eines Verhaltens, welches dem Dienstverhältniß zum Vorgesetzten zuwiderläuft, oder das Amtsansehen herabwürdigt, insbesondere: 1) wegen auffälliger Nachlässigkeit in der Berufserfüllung, oder öfter wiederkehrender oder grober Hintenansetzung der zur Erhaltung der Ordnung im Dienst gegebenen Vorschriften, 2) wegen unsittlichen oder ungeziemenden Betragens, wodurch der Diener die Achtung und das Vertrauen des Publikums verscherzt, 3) wegen leichtsinnigen und muthwilligen Schuldenmachens,

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849) 4) wegen auffälliger oder wiederholt bezeigter, zum Nachtheil des Dienstes gereichender Unverträglichkeit, kann außer den im vorigen §. 29. erwähnten Maaßregeln noch zeitweilige Enthebung von den Dienstverrichtungen bis auf drei Monate unter Vorenthaltung der Besoldung und Bedrohung mit Dienstentlassung eintreten. § 31. Die Anwendung solcher Maaßregeln (§. 30.) setzt die schriftliche oder mündliche Vernehmung des Schuldigen voraus; auch sind vollständige Acten darüber zu führen. § 32. Die Führung geheimer Listen über die sittliche Aufführung der Staatsdiener (Conduitenlisten) ist verboten. § 33. Wo es sich um die Ausführung einer angedrohten Dienstentlassung handelt, steht dem Verwaltungsbeamten die Berufung auf gerichtliche Untersuchung und Entscheidung zu. Gegen Justizbeamte kann wegen Dienstwidrigkeiten überhaupt nur in Folge förmlicher gerichtlichen Untersuchung auf Dienstentlassung erkannt werden. In beiden Fällen hat das erkennende Gericht nach der Beschaffenheit der ermittelten Dienstwidrigkeiten und mit Berücksichtigung der vorausgegangenem Maaßregeln nach freier Erwägung zu ermessen, ob das Ansehen des Dienstes und die Rücksicht auf das Gemeinwohl die fernere Beibehaltung des Angeschuldigten in seinem Amte gestatte. § 34. Bei wirklichen Dienstvergehen der Staatsdiener treten die gesetzlichen Strafen ein. Die Leitung der für solche Fälle erforderlichen Disciplinaruntersuchung und die Ertheilung des Erkenntnisses kommt der vorgesetzten Oberbehörde zu. Dem verurtheilten Beamten steht gegen das Erkenntniß nur die binnen 10 Tagen anzumelden-

de Berufung an das Staats-Ministerium zu. Dienstentlassung (mit oder ohne Gehaltsentziehung) kann nur mit Vorwissen und Genehmigung des Staatsministeriums verfügt werden; auch in diesem Falle ist der Staatsdiener berechtigt, Untersuchung und Erkenntniß durch das Gericht zu fordern. Gegen Beamte des Richterstandes kann wegen Dienstvergehen ohne gerichtliche Untersuchung und Aburtheilung weder Dienstentlassung – sei es mit oder ohne Beibehaltung der Besoldung – noch Versetzung – sei es auf eine niedrigere oder gleich ausgestattete Stelle – angeordnet werden. § 35. Einem die Entfernung aus dem Dienste nach sich ziehenden Dienstvergehen steht gleich, wenn es ein Staatsdiener soweit kommen lässt, daß Concurs der Gläubiger über sein Vermögen eröffnet, oder Schulden halber Personalarrest gegen ihn verhängt wird, und wenn er nicht darthun kann, daß er ohne sein Verschulden durch bloße Unglücksfälle in Vermögensverfall gerathen sei. § 36. In wiefern wegen Verfassungsverletzungen der Staatsdiener auf Entfernung (Entlassung) vom Amte mit oder ohne Ruhegehalt, mit oder ohne Vorbehalt der Wiederanstellung im Staatsdienste, ingl. auf Dienstentsetzung erkannt werden kann, solches bestimmt das Staatsgrundgesetz §. 91. u. f. § 37. Wegen gemeiner Verbrechen oder wegen Amtsverbrechen trifft den Staatsdiener die Strafe der Dienstentsetzung oder Entlassung mit den hinsichtlich des Gehalts oder des Ruhegehalts, der Ehrenrechte und Wiederanstellungsfähigkeit daran geknüpften Folgen in den durch die Strafgesetze bestimmten Fällen. § 38. Wenn ein Staatsdiener wegen eines gemeinen Verbrechens oder wegen eines Amtsverbrechens, dessen Begehung mit Dienstentsetzung oder Entlassung bedroht

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(S ACHSEN -)G OTHA ist, in Anklagestand versetzt (die Specialuntersuchung gegen ihn erkannt) wird, so kann von der vorgesetzten Behörde zur einstweiligen Sicherstellung des Dienstes seine zeitweilige Enthebung von demselben verfügt werden. Ist eine solche Verfügung im Voraus schon vorläufig getroffen worden, so entscheidet die gerichtliche Entschließung über die Versetzung oder Nichtversetzung in den Anklagestand darüber, ob sie noch fortdauern oder wieder aufgehoben werden soll. § 39. Bei Dienstvergehen der Verwaltungsbeamten schreitet das Gericht nach §. 3. erst auf Antrag des beschuldigten Beamten oder auf Anzeige der demselben vorgesetzten Oberbehörde ein. Bei Amtsverbrechen oder gemeinen im Amte oder außer demselben von einem der gedachten Beamten verübten Verbrechen ist eine Anzeige der erwähnten Oberbehörde nicht erst abzuwarten. § 40. Bei der gerichtlichen Untersuchung über Dienstvergehen (§. 34.) ist jedesmal von der Oberbehörde, bei welcher (L. S.) D. Frh. v. Stein.

§ 42. Die Verhältnisse der Staatsdiener wegen der Herzoglichen Gothaischen Wittwen-Societät sind in besonderen Gesetzen bestimmt. Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und dem vorgedruckten Herzoglichen Siegel. Gotha, am 25. März 1849.

v. Wangenheim.

Ediert nach Gesetzsammlung für das Herzogthum Gotha, Bd. VI, August 1848 bis 28. Juni 1851, Nr. 342, Gotha, S. 143–194. Das Staatsgrundgesetz wurde am 26. März 1849 beschlossen, bereits am 25. März 1849 unterzeichnet, am 29. März 1849 verkündet und trat schließlich am 2. April 1849 in Kraft. Dieses Staatsgrundgesetz wurde „als provisorisch gültig vollzogen“ bis es am 3. Mai 1852 durch das „Staatsgrundgesetz für die Herzogtümer Coburg und Gotha“ abgelöst wurde. Siehe dazu Horst Dippel (Hrsg.), Verfassungen der Welt, 1850 bis zur Gegenwart, Teil 1: Europa, Mikrofiche-Nr. 362, 1 ff. Zu dem Staatsgrundgesetz wurden darüber hinaus

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§ 41. Die Gerichte haben jedes Urtheil, welches wider einen Staatsdiener wegen eines gemeinen Vergehens oder Verbrechens oder wegen eines Amtsvergehens oder Amtsverbrechens Strafe ausspricht, der demselben vorgesetzten Oberbehörde in gleicher Form zur Kenntnißnahme und beziehungsweise zur Vollziehung der etwa erkannten Entfernung aus dem Dienste mitzutheilen.

Ernst, H. z. S. C. G.

Meister.

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die Disciplinaruntersuchung erfolgte oder von welcher der Antrag auf gerichtliche Untersuchung ausging, ein Vertreter aufzustellen, dessen Anträge zum Behuf der etwaigen Vervollständigung der Untersuchung zu hören sind.

v. Szymborski.

v. Pawel.

fünf Beilagen erlassen: 1. Wahlordnung für das Herzogthum Sachsen-Gotha, 2. Geschäftsordnung für die Abgeordneten-Versammlung des Herzogthums S. Gotha, 3. Vom Staatshaushalt, 4. Gesetz, das Verfahren des Oberappellationsgerichts zu Jena bei Anklagen gegen Staatsdiener wegen Verfassungsverletzung betreffend, 5. Gesetz über den Staatsdienst. Für weiterführende Angaben siehe Reinhard Jonscher, Aspekte der Verfassungsentwicklung in SachsenCoburg und Gotha zwischen 1848 und 1852, in: Harald Bachmann (Hrsg.), Zur Verfassungs- und Verwaltungsreform in den Herzogtümern Sachsen-Coburg und Gotha in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Coburg 2002, S. 37–49 (41 ff.); Detlef Sandern, Parlamenta-

V ERFASSUNG VON (S ACHSEN -)G OTHA (1849) rismus in Sachsen-Coburg-Gotha 1821/26–1849/52, in: Thüringer Landtag Erfurt (Hrsg.), Schriften zur Geschichte des Parlamentarismus in Thüringen, Weimar u.a. 1996, S. 127–131. 2 Ein entsprechendes Gesetz konnte für den Geltungszeitraum dieser Verfassung nicht ermittelt werden. 3 Ein entsprechendes Gesetz konnte für den Geltungszeitraum dieser Verfassung nicht ermittelt werden.

4 Ediert nach Gesetzsammlung für das Herzogthum Gotha, Bd. VI, August 1848 bis 28. Juni 1851, Nr. 342, Gotha, S. 157–168. 5 Ediert nach ibid., S. 169–178. 6 Ediert nach ibid., S. 178–182. 7 Ediert nach ibid., S. 183–184. 8 Ediert nach ibid., S. 185–194.

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Verfassung von Sachsen-Hildburghausen (1818) Grundgesetz der landschaftlichen Verfassung1

Wir Friedrich, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen etc. souverainer Fürst von Hildburghausen etc. haben, überzeugt von dem Nutzen und den Vorzügen landständischer Einrichtungen, die in unsern Landen schon in ältern Zeiten bestandene Landschaft nach Auflösung des vormaligen deutschen Reichs nicht nur mit ihren hergebrachten Rechten und Befugnissen zu erhalten öffentlich erklärt, sondern auch diese nachher, durch Aufnahme eines landschaftlichen Bevollmächtigten in unsere Landesregierung und die ihr zugestandene umfassendere Mitwirkung bei der Gesetzgebung, noch mehr erweitert. So gern Wir unserer treuen Landschaft das Zeugniß ertheilen, daß sie, durch stets willige, rege und redliche Mitwirkung zu allem Guten und Nützlichen und durch treue, uneigennützige Unterstützung der Regierung, sich dem in sie gesetzten Vertrauen würdig erzeigt und nicht wenig beigetragen habe, den Druck einer langen, schweren Zeit und sehr erschöpfende Ereignisse dem Lande minder fühlbar zu machen; so wenig hat es Uns doch entgehen können, daß weder die Art ihrer bisherigen Zusammensetzung, die eine sehr unvollkommene Repräsentation aller Stände enthielt, noch die Bestimmung ihrer Rechte und Obliegenheiten, die, meist nur auf Einzelheiten gerichtet, in sehr wichtigen Verhältnissen des Staates keinen festen Stützpunkt gewährten, den Erfordernissen der Zeit mehr entsprechend sey. Zu diesem Betracht und eingedenk der

von Uns, gleich andern deutschen Fürsten, bei den Wiener Kongreßverhandlungen übernommenen Verpflichtungen, haben Wir schon unterm 15. September 1815 unsere Landschaft zur Erstattung ihrer Erklärung über die Einführung des Bauernstandes in ihre Mitte aufgefordert, und, nachdem Uns dieselbe ihre Wünsche, wegen Feststellung ihrer formalen Verfassung überhaupt, vorgetragen, unsere Landesregierung angewiesen, über diesen Gegenstand, so wie über die künftige Bestimmung der landschaftlichen Rechte und Pflichten ihr umfassendes Gutachten abzugeben. Der Uns hierauf von derselben mit ihren Verhandlungen vorgelegte gutachtliche Entwurf hat unsern landesväterlichen Gesinnungen und Erwartungen desto mehr entsprochen, als Wir darin nicht nur den von unsern Vorfahren seit Jahrhunderten treu und unverrückt erhaltenen Rechtsstand im Wesentlichen gewahrt, sondern auch die seit dem Bestehen unserer Herzoglichen Speciallinie gemachten Erfahrungen benutzt, und die besondern Verhältnisse des Landes, so wie den allgemeinen Standpunkt der deutschen Bundesstaaten berücksichtigt gefunden haben. Nachdem nun unsere getreue Landschaft in den darüber eröffneten Verhandlungen zu dem ihr mitgetheilten, von Uns nur in wenigen Punkten modificirten Entwurf ihre Zustimmung erklärt, und ihn für sich und im Namen der Landes dankbarlichst acceptirt; so verfehlen Wir nicht, nachstehende, auf dem Grund dieser Verhandlungen festgestellte

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landschaftliche Verfassung zu bestätigen und derselben die Kraft eines für alle Zeiten verbindlichen, einseitig nicht abzuändernden Landesgrundgesetzes beizulegen.

TITEL I Von der Landschaft überhaupt und deren Rechten und Pflichten § 1. Allgemeine Bestimmung. Das ganze Land und sämmtliche Unterthanen werden in allen Angelegenheiten zwischen Regenten und Volk durch verfassungsmäßige Abgeordnete (Deputirte) vertreten, deren Gesammtheit die Landschaft ausmacht. So wie alle Rechte und Befugnisse, welche dem Volke in seiner Gesammtheit im Verhältniß zur Regierung zustehen, nur auf diesem verfassungsmäßigen Wege ausgeübt werden können; so sollen auch alle Anforderungen, welche von dessen Bewilligung abhängen, nie auf einem andern gemacht werden. § 2. Rechte der Landschaft. Der Landschaft stehen in dieser Beziehung folgende Rechte zu: a) das Recht des Beiraths und der Zustimmung bei Verträgen und Dispositionen, wodurch die Integrität des Landes verletzt, dessen Einkommen geschmälert, oder die Regierungsverfassung des Herzogl. Hauses verändert wird. b) das Recht der Berathung und Zustimmung bei Einführung neuer und bei Abänderung bestehender allgemeiner Landesgesetze, welche die Grundverfassung des Landes, die Freiheit oder das Eigenthum der Staatsbürger betreffen. c) das Recht die Etats der Staatsbedürfnisse mit dem Regenten, oder der dazu beauftragten Behörde gemeinschaftlich festzusetzen.

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d) das Recht alle für den Staatszweck nöthigen Abgaben und Leistungen der Staatsangehörigen zu verwilligen, dergestalt, daß solche ohne diese Bewilligung nicht ausgeschrieben und gefordert werden können; ingleichen das Recht ausserordentliche Staatsbedürfnisse, mit Genehmigung der Regierung, durch Anlehne auf die Fonds der Steuerkasse zu decken. e) das Recht die verwilligten Steuern, Abgaben und sonstigen zur landschaftlichen Verwaltung gehörigen Gelder in eine eigne Kasse, unter Controle der Regierung, erheben und zu den bestimmten Zwecken verwenden zu lassen. f) das Recht bei den Verfügungen über die Domainen in der Art zu concurriren, daß bei Dispositionen über die Substanz, neben dem agnatischen Consens, auch die Zustimmung der Landschaft erfordert werden soll. g) das Recht bemerkte Mängel in der Gesetzgebung, Ungleichheiten und Mißbräuche in der Verwaltung dem Fürsten anzuzeigen, und zu deren Abstellung Vorschläge zu thun. h) das Recht über Pflichtverletzungen, Willkühr, Nichtachtung der Verfassung von Seiten der Staatsdiener Beschwerde und Klage zu führen, und auf deren Untersuchung und Bestrafung anzutragen. § 3. Mittel zur Ausübung dieser Rechte. Zur Ausübung dieser Rechte sind vornemlich die Versammlungen sämmtlicher Landesabgeordneten (die Landtage) bestimmt. Es steht aber auch der Landschaft das Recht zu, durch Einzelne aus ihrer Mitte, welchen bestimmte Geschäftszweige übertragen sind, (einen Ausschuß) fortwährend repräsentirt zu werden. Desgleichen ist derselben die besondere Befugniß zugestanden, bei der Landesregierung und deren einzelnen Abtheilungen, mit Ausnahme des Justizcollegii, einen ihr,

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -H ILDBURGHAUSEN (1818) wie dem Fürsten, besonders verpflichteten bevollmächtigten Beisitzer (Landrath) zu unterhalten. § 4. Pflichten der Landschaft. Die Landschaft ist verpflichtet, diese Rechte auf das pünktlichste in Ausübung zu bringen, und dabei die allgemeine Wohlfahrt, die Aufrechthaltung der Verfassung und den ungehinderten gesetzmäßigen Fortgang der öffentlichen Verwaltung (insonderheit durch Aufbringung der nöthigen Mittel) zum beständigen Augenmerk zu nehmen. Der übrige Inhalt ihrer Pflichten wird bei den einzelnen Zweigen ihrer Thätigkeit durch Verträge, Gesetze und die Natur der Sache bestimmt. § 5. Verhältniß der landschaftlichen Thätigkeit zu den Beschlüssen des Bundestags. Gesetzliche Anordnungen und allgemeine Beschlüsse des deutschen Bundestages, wodurch dem Lande, als Bundesglied, Verbindlichkeiten aufgelegt werden, sind von der landschaftlichen Einwilligung unabhängig. Nur bei der Ausführung hat die Landschaft mitzuwirken, in so fern nämlich über

die Art und Weise ihrer Vollziehung, oder die dazu erforderlichen Mittel noch eine Frage statt findet.

TITEL II Von den Landes-Deputirten § 6. Art der von denselben auszuübenden Vertretung. Jeder Deputirte vertritt nicht blos seine Gewaltgeber oder einen einzelnen Stand, sondern das Ganze und alle Unterthanen. Doch wird, in Rücksicht der bisherigen vorzugsweisen Berechtigung zur Landstandschaft, die Eintheilung der Abgeordneten nach Klassen oder Ständen beibehalten, und neben den bisherigen Ständen – der Rittergutsbesitzer (Rittergüter) und Bürger (Städte), noch der alle Landbewohner umfassende Stand der Bauern (Aemter) und der geistliche oder Lehr-Stand in die Landschaft eingeführt. § 7. Zahl der Deputirten. Die Zahl der Abgeordneten wird auf Achtzehen festgesetzt, nämlich:

Sechs aus den Besitzern der mit dem Rechte der Landstandschaft bereits versehenen, oder künftig damit zu beleihenden Rittergüter; Fünf aus den Bürgern der Städte Hildburghausen, Eisfeld, Heldburg, Königsberg, Ummerstadt; Sechs aus den Eingesessenen der Aemter Hildburghausen, Eisfeld, Heldburg, Sonnenfeld, Königsberg, Behrungen, mit Einschluß der centfreien Ortschaften und Unterthanen; Einen aus dem geistlichen oder Lehr-Stande. § 8. Ernennung derselben. Ihre Ernennung geschieht durch freie Wahl der Repräsentirten. Jede Klasse wählt die ihr zukommenden Abgeordneten aus ihrer Mitte, die Ritterschaft die ihrigen gemeinschaftlich, von den Städten und Aemtern aber jedes einen aus seinen Eingesessenen.

§ 9. Aufstellung von Stellvertretern. Zugleich werden für die Deputirten der Rittergüter zusammen zwei, und für jeden der übrigen Abgeordneten Ein Stellvertreter ernannt, in Ansehung welcher ebenfalls gilt, was in der Folge von den Deputirten gesagt wird.

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S ACHSEN -H ILDBURGHAUSEN § 10. Allgemeine Erfordernisse der Deputirten. Wer zu einem Landesabgeordneten wahlfähig seyn soll, muß a) sich zur christlichen Religion bekennen, b) seinen Willen selbstständig erklären können und das 29ste Jahr zurückgelegt haben, c) von unbescholtenem Rufe und nicht in Concurs befangen seyn. Der in Concurs verfallene ist nach dessen Beendigung wieder wählbar, wenn er ohne sein Verschulden darein verfallen war. Vater und Sohn, ingleichen Brüder können nicht zu gleicher Zeit Deputirtenstellen bekleiden. Ereignet sich ein solches Zusammentreffen, so gibt die frühere Wahl, und wenn diese nichts entscheidet, das höhere Alter den Vorzug. § 11. Besondere Eigenschaften a) der ritterschaftlichen Deputirten. Zur Bekleidung der Stelle eines Abgeordneten der Rittergutsbesitzer ist erforderlich der Besitz oder Mitbesitz eines mit Repräsentationsrecht in dieser Klasse versehenen (immatrikulirten) Ritterguts. Von mehreren Besitzern Eines solchen Gutes sind alle zugleich wählbar. Es ist nicht nöthig, daß der Gewählte im Lande wohne, wenn er sich nur in einem deutschen Bundeslande aufhält. § 12. b) der städtischen Deputirten. Die Wahlfähigkeit eines Deputirten des Bürgerstandes erfordert die Erlangung des Bürgerrechts und dessen wirkliche Ausübung in den Gemeindeversammlungen. § 13. c) der Amts-Deputirten. Ein Vertreter des Bauernstandes muß entweder das Nachbarrecht einer Dorfsgemeinde haben, oder Eigenthümer eines nicht immatrikulirten Gutes, oder einer Fabrik

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des zu vertretenden Bezirks, und in diesem wohnhaft seyn. § 14. Fall des Zusammentreffens dieser Eigenschaften. Diejenigen, welche verschiedenen Ständen zugleich angehören, sind nur in einem und zwar immer in dem, obiger Ordnung nach, früheren wählbar. § 15. Eigenschaften des geistlichen Deputirten. Der geistliche Deputirte wird aus der höhern Geistlichkeit gewählt. § 16. Dauer der Vertretung, Erneuerung der Wahl. Die Wahl aller Deputirten geschieht auf sechs Jahre. Nach deren Ablauf, oder wenn eine frühere allgemeine Auflösung der Repräsentanten erfolgt, wird eine neue Wahl angeordnet, wobei jedoch die Ausgetretenen, wenn sie die oben bestimmten Eigenschaften nicht verloren haben, immer wieder gewählt werden können. Erfolgt der Abgang eine Deputirten aus irgend einem Grunde vor Beendigung der Vertretungszeit; so tritt dessen Stellvertreter ein, und wenn auch dieser fehlt, wird sofort zu einer Ergänzungswahl geschritten. § 17. Anordnung und Leitung der Wahlen. Die Anordnung allgemeiner Wahlen ergeht vom Regenten an die Landesregierung, welcher die oberste Leitung derselben zusteht. Alle hierbei vorkommende Geschäfte werden kostenfrei besorgt. Ein besonderes Regulativ bestimmt die Art und Weise, wie sämmtliche Wahlen für das erste Mal zu vollziehen sind, welchem, wenn die Volkswahlen in Gang gebracht sind, eine definitive Wahlordnung folgen wird. § 18. Prüfung der Wahlen. Sobald die Wahlen beendigt sind, sendet

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -H ILDBURGHAUSEN (1818) die Regierung die eingegangenen Wahlberichte mit den Wahlacten und ihrem Gutachten, über die Gültigkeit des statt gefundenen Verfahrens, an den Landesherrn ein. Ist das Verfahren unverwerflich, so wird der landschaftliche Ausschuß, unter Mittheilung der Acten, davon in Kenntniß gesetzt. Im Gegenfall erfolgt sofort die Verfügung einer andern Wahl. Findet der Ausschuß bei den Wahlen ein Bedenken, so hat er dieses mit vollständiger Darlegung seiner Gründe dem Regenten ungesäumt anzuzeigen und auf Anordnung einer nochmaligen Wahl anzutragen. Ungültig ist jede Wahl, bei welcher die gesetzlichen Formen, oder die Vorschriften über die Eigenschaften der Deputirten nicht beobachtet worden sind, oder welche durch Bestechung, Versprechungen oder Drohung zu Stande gekommen ist. Im letztern Falle findet, neben der Nichtigerklärung der Verhandlung, noch eine Bestrafung des dabei vorgekommenen Verbrechens durch die Justizbehörde statt. § 19. Verhältniß der Deputirten zu ihren Gewaltgebern. Die Deputirten sind bei ihren Verrichtungen von keiner Instruction ihrer Committenten abhängig, sondern erstatten ihre Erklärung nach den Gesetzen und eigner freier und gewissenhafter Ueberzeugung. Sie sind jedoch berechtigt und verpflichtet, besondere Bitten, Vorstellungen oder Beschwerden ihres Standes, oder Bezirks, und selbst von Einzelnen aus denselben anzunehmen und (unbeschadet ihrer eignen Meinung und Abstimmung) an die Landesversammlung zu bringen. Sie sind verbunden, ihre Wähler von den landschaftlichen Beschlüssen in Kenntniß zu setzen, auch bleibt ihnen nachgelassen, sie von den Gründen und Verhandlungen auf angemessene Art zu unterrichten. § 20. Consulenten der Deputirten. Die Deputirten der Städte und Aemter

sind berechtigt, sich in den zu ihrer Abstimmung kommenden Gegenständen von Consulenten berathen zu lassen, die aber weder eine eigne Stimme haben, noch (wenn sie nicht etwa zugleich gewählte Stellvertreter sind) Deputirtenstimmen ausüben können. Bei den landschaftlichen Versammlungen wird auf Seiten der Aemterdeputirten überhaupt nur Ein Consulent zugelassen. Auch muß dessen Wahl dem Ausschusse angezeigt worden seyn. § 21. Freiheit der Deputirten in ihren Aeusserungen. Die Deputirten sind in Ansehung ihrer Aeusserungen bei den landschaftlichen Verhandlungen nicht verantwortlich. Es versteht sich, daß diese mit dem nöthigen Anstande, ohne Verunglimpfung der höchsten Person des Landesherrn und ohne Beleidigung der Regierung, des Landtags und der einzelnen Deputirten vorgetragen werden müssen. § 22. Persönliche Sicherheit derselben. Bei Landtagen und Conventen sind die landschaftlichen Deputirten und Beamten für ihre Person unverletzlich. Nur im Falle eines Verbrechens oder sehr dringender Umstände kann eine Verhaftung gegen Einzelne statt finden. § 23. Entschädigung der Deputirten und Consulenten. Die Abgeordneten beziehen für die Zeit ihres Aufenthalts bei Landtagen und Conventen die herkömmlichen Diäten und Reisekosten aus der Landschaftskasse. Die Consulenten der verschiedenen Stände werden nicht aus der Landeskasse remunerirt. Die des Bürgerstandes erhalten ihre Taggelder aus den städtischen Aerarien, und der Consulent der Amtseingesessenen wird aus sämmtlichen Dorfs-Gemeindekassen und von den wahlberechtigten Gütern

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S ACHSEN -H ILDBURGHAUSEN etc. nach einem auszumittelnden Normalfuß für seine Arbeiten und Bemühungen vergütet.

TITEL III Von den landschaftlichen Beamten, den Ausschußdeputirten, dem Landrathe § 24. Allgemeine Bestimmung. Die Landschaft bedarf zur Leitung und unmittelbaren Besorgung ihrer Geschäfte gewisser Beamten; einzelne Geschäftszweige und gewisse Rechte kann sie (§. 3.) durch besondere Bevollmächtigte wahrnehmen lassen. Zu den ersteren gehören der Landschaftsdirector, der Landschaftssyndicus, der Landschaftskassier, mit den landschaftlichen Untereinnehmern und Subalternen, zu den letzteren der landschaftliche Ausschuß und der Landrath. Alle hierzu gehörige Personen werden (bis auf den im Ausschuße Platz nehmenden geistlichen Deputirten) von sämmtlichen Landesdeputirten durch absolute Stimmenmehrheit gewählt, und vom Landesherrn bestätigt. § 25. Ernennung des Landschafts-Directors. Der Landschaftsdirector wird aus den Abgeordneten der Ritterschaft, jedesmal auf sechs Jahre gewählt, und ist, so lange er in der Zahl der Deputirten bleibt, immer wieder wählbar. Wirkliche Staats- und Hofdiener, oder solche, welche aus einer landesfürstlichen Kasse Besoldung oder Pension beziehen, können das Amt eines Landschaftsdirectors nicht erhalten; es wäre denn, daß ein solcher in Folge ganz besondern Zutrauens gewählt und die Wahl vom Regenten bestätigt würde. Die Wahl geschieht nach erfolgtem Ablauf der sechsjährigen Zeit, oder nach dem

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Abgange des vorigen Directors, gleich bei ersten Zusammentritt der Abgeordneten zu einem Landtage, und wird dem Fürsten mittelst Berichts zur Bestätigung vorgetragen. Bei einem Wechsel im Directorium muß der abgehende Director die landschaftlichen Geschäfte noch so lange leiten, bis die landesfürstliche Bestätigung des neugewählten erfolgt ist. Die landesherrliche Entschließung soll jedoch immer noch vor dem wirklichen Anfange der Arbeiten des Landtags erfolgen. Im Fall der Landschaftsdirector an der Ausübung seines Amtes verhindert ist, oder in der Zwischenzeit von einem Landtage zum andern ganz abgeht, vertritt der ritterschaftliche Deputirte des Ausschusses dessen Stelle. Ist aber, im letzterm Falle, der verfassungsmäßige Landtag noch entfernt; so ist eine ausserordentliche Versammlung zur Wahl eines Landschaftsdirectors nothwendig und möglichst zu beschleunigen. § 26. Obliegenheiten des LandschaftsDirectors. Der Director leitet alle Geschäfte in und ausser den landschaftlichen Versammlungen. Durch ihn ergehen alle Mittheilungen an die Landesdeputirten, und alle Ausfertigungen im Namen der Landschaft werden von ihm unterzeichnet. Er wacht über Erhaltung der Ordnung in den ständischen Angelegenheiten, so wie über genaue Beobachtung der Dienstobliegenheiten der landschaftlichen Beamten und Diener. Er darf den Gang der Staatsverwaltung nie aus dem Auge verlieren, und hat sich besonders darüber mit dem landschaftlichen Beisitzer der Regierung in Rapport zu setzen, und diejenigen Gegenstände, welche für die Landschaft von besonderm Interesse sind, an den Ausschuß oder den Landtag zu bringen. In allen Dingen, worin dem Landschaftsdirector ausserhalb des Landtags die Leitung der Geschäfte zusteht, kann er nicht

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -H ILDBURGHAUSEN (1818) für sich allein handeln, sondern nur im Einverständniß mit den ihm beigegebenen Ausschußdeputirten, welche auch die Concepte der Ausfertigungen zeichnen. § 27. Anstellung des Syndicus. Der Landschaftssyndicus wird auf Lebenszeit gewählt, und von der Landesregierung in Gegenwart eines oder einiger landschaftlichen Abgeordneten verpflichtet. Er darf kein unmittelbar vom Landesherrn besoldeter Diener seyn, und muß in der Residenzstadt wohnen. Er kann blos auf dem Grund des verlornen Vertrauens, wenn zwei Drittel sämmtlicher Landesdeputirten dafür stimmen, entlassen werden. Seine Besoldung aber kann ihm, gleich andern Staatsdienern, nur durch Urtel und Recht entzogen werden. § 28. Obliegenheit des Syndicus. Der Syndicus ist dem Director zur Erhaltung der Ordnung und Förderung der landschaftlichen Geschäfte beigegeben. Er bereitet bei Landtagen und Conventen die Geschäfte zum Vortrage vor, hat in allen landschaftlichen Angelegenheiten ein berathendes Gutachten, welches er auch unaufgefordert erstattet, und contrasignirt alle Ausfertigungen. Er ist zugleich der ordentliche Expedient und Protokollführer der Landschaft, der Archivar und Führer der Registrande. – Es können jedoch die Führung des Protokolls und die Ausfertigungen auch andern Mitgliedern der ständischen Versammlungen oder deren Consulenten übertragen werden. § 29. Ernennung der Ausschußglieder. Den Ausschuß bilden, nebst dem Landschaftsdirector und Syndicus, a) ein Abgeordneter der Rittergutsbesitzer, b) zwei Städte-Deputirte, c) ein Amts-Deputirter, d) der Deputirte des geistlichen Standes. Ihre Function dauert so lange, als ihre Theilnahme an der Landesrepräsentation,

nämlich 6 Jahre, und sie sind ebenfalls wieder wählbar. Beim Eintritt einer neuen Deputirtenwahl bleiben sie so lange in Thätigkeit, bis ein anderer Ausschuß gewählt wird. § 30. Geschäftskreis des Ausschusses. Die Verrichtungen des Ausschusses bestehen 1) in vorläufiger Berathung und Bearbeitung der auf dem Landtage zum Vortrag kommenden Geschäfte – so weit sie nämlich schon vor dessen Eröffnung bekannt sind, z. B. vorläufiger Prüfung der Etats, Berathung über zu erhebende Beschwerden u.s.w. ohne daß dessen Mitglieder bei Abstimmung über die Sache in voller Versammlung der Landschaft an das Gutachten des Ausschusses gebunden sind; 2) in fortwährender Vertretung der Stände ausser dem Landtage. – Der Ausschuß kann jedoch weder Steuern und andere Belastungen der Staatsbürger bewilligen, noch sich definitiv über Gesetzesvorschläge oder andere zur unmittelbaren Cognition der Landschaft geeignete Gegenstände erklären, sondern er ist verbunden, dergleichen Angelegenheiten, welche nicht bis zum nächsten Landtage ausgesetzt werden können, mit den über seine vorläufige Berathung geführten Protokollen, auf dem Wege schriftlicher Circulation an sämmtliche Landesdeputirte zur Abstimmung zu bringen. – Zu seiner vollen Competenz hingegen gehört: a) die einstweilige Besetzung der landschaftlichen Beamtenstellen, welche bis zum nächsten Landtage nicht erledigt bleiben können; b) die fortwährende Controle über die Aufrechthaltung der Verfassung und Vollziehung der von dem Landesherrn und dem Landtage gemeinschaftlich gefaßten Beschlüsse und festgesetzten Etats; c) die Befugniß in dringenden Fällen Anzeigen an den Landesherrn zu erstatten, oder Vorstellungen und Beschwerden anzu-

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S ACHSEN -H ILDBURGHAUSEN bringen; d) der Antrag auf Zusammenberufung ausserordentlicher Landesversammlungen unter Anführung seiner Gründe; e) die Unterzeichnung der landschaftlichen Schuldverschreibungen; f) die Mitaufsicht über die Verwaltung der Landessteuerkasse. § 31. Landschaftliche Kasse-Curatel. Die unmittelbare Leitung der Kassengeschäfte wird nicht von sämmtlichen Ausschußgliedern geübt, sondern es werden dazu einige derselben beauftragt, welche, mit einem aus der Mitte der Landesregierung zu deputirenden Rathe und dem jedesmaligen Landrathe, einen abgesonderten KasseVorstand bilden. Dieser Vorstand ist der Landesregierung und der gesammten Landschaft in der Art untergeordnet, daß jene, wie diese, die von ihr ausgehenden Zahlungsverfügungen zunächst an denselben erläßt. Unter ihm steht der landschaftliche Hauptkassier. § 32. Ernennung und Function des Landschafts-Kassiers. Der landschaftliche Kassier wird auf Lebenszeit ernennt, und vor der Landesregierung in Gegenwart wenigstens eines landschaftlichen Abgeordneten verpflichtet. Er muß eine angemessene Caution stellen, und kann aus denselben Gründen entlassen werden, wie jeder andere Rechnungsbeamte. Demselben liegt die Verwaltung der Landessteuerkasse und die Verrechnung aller Einnahmen und Ausgaben nach einer besondern Instruction ob. § 33. Bestimmung des Landrathes. Der Landrath, welcher nach dem landesherrlichen Edict vom 28. April 1810. Sitz und Stimme in der Landesregierung hat, ist als solcher kein Mitglied der Landschaft, sondern

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a) die Mittelsperson zwischen derselben und der Landes-Regierung zur Erleichterung der Communication und Erzielung grösserer Gleichförmigkeit beider Behörden, und b) wirkliches Mitglied der Regierung, um durch seine Theilnahme und Mitwirkung in den Geschäften, das Interesse und die Rechte der Landschaft beständig wahrzunehmen. Er folgt bei Abgebung seiner Stimme in Regierungssachen seiner eigenen Ueberzeugung, ohne an besondere Instructionen von der Landschaft gebunden zu seyn, ist aber derselben für das, was auf seine Mitberathung vorgenommen wird, besonders verantwortlich. Seine Obliegenheiten werden in einer Dienstinstruction näher bestimmt.

§ 34. Ernennung des Landraths. Der Landrath wird von drei Jahren zu drei Jahren gewählt, ist aber immer wieder wählbar. Nach Verlauf der ersten drei Jahre kann derselbe auch auf Lebenszeit ernennt werden. Er muß die in dem beregten Edict vorgeschriebenen Eigenschaften besitzen, braucht aber weder ein landschaftlicher Deputirter, noch ein landschaftlicher Beamter zu seyn. Er wird bei der Landesregierung in Gegenwart des Landschaftsdirectors verpflichtet. Ist der Landrath auf Lebenszeit gewählt, so kann ihm seine Besoldung nur durch Urtel und Recht entzogen werden.

§ 35. Besoldung und Remuneration. Der Landschaftsdirector, der Landrath, der Syndicus und der Kassier beziehen fixe Besoldungen aus der Landeskasse, die Ausschußdeputirten aber erhalten bei Conventen die §. 23. bestimmte Auslösung.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -H ILDBURGHAUSEN (1818)

TITEL IV Von Land- und Ausschuß-Tagen § 36. Einberufung des Landtags. Der Landtag wird jedesmal von dem Landesfürsten angeordnet und von dem Landschaftsdirector einberufen. Alle drei Jahre, jedesmal zu Anfang des Jahres wird in der Regel ein Landtag gehalten, ausserdem aber so oft, als es der Regent, auf Antrag des Ausschusses oder aus eigner Bewegung, für nöthig hält. Die Bestimmung des Ortes, wo der Landtag zu halten ist, hängt vom Fürsten ab, doch muß derselbe im Lande gelegen seyn. In der Regel ist die Residenz der Versammlungsort. Jeder Abgeordnete hat, sobald er zum Landtage eintrifft, sich bei dem Director anzumelden. § 37. Eröffnung des Landtags. Sind an dem bestimmten Tage alle Landesdeputirte, oder doch wenigstens zwei Drittel derselben eingetroffen, so erfolgt, auf die vom Director bei der höchsten Behörde zu machende Anzeige, die Eröffnung des Landtags in solenner Form, entweder vom Landesfürsten selbst oder durch einen fürstlichen Commissarius. § 38. Sitz-Ordnung. Ungeachtet die Volksvertreter in dieser Eigenschaft nach §. 6. alle gleich sind, so beobachten sie doch auf Landtagen folgende Sitzordnung: Den ersten Platz nimmt der Landschaftsdirector ein, dann folgen zu beiden Seiten der für diesen im Verhinderungsfalle als Vicedirector eintretende ritterschaftliche Abgeordnete, der Abgeordnete des geistlichen oder Lehrstandes, und die übrigen Abgeordneten der Ritterschaft, der Städte und Aemter. – Die Deputirten der einzelnen Stände unter sich nehmen ihre Plätze nach der Ordnung des natürlichen Alters.

§ 39. Leitung der Geschäfte. Die Leitung aller Geschäfte und Verhandlungen des Landtags kommt dem Director zu. Er läßt die Sitzungen ansagen, eröffnet und schließt sie, und hat in ihnen den Vortrag; doch kann er diesen bei einzelnen Geschäftsgegenständen auch einem andern Mitgliede der Versammlung übertragen. Er hat dafür zu sorgen, daß die landesherrlichen Propositionen und die wichtigern Angelegenheiten immer zuerst vorgenommen werden. Bei den Debatten hat er seine Aufmerksamkeit darauf zu richten, daß der Gegenstand der Verhandlung immer festgehalten werde, und jeden, welcher sich davon entfernt, oder die Regeln des Anstandes verletzt, zur Ordnung zu rufen, auch nöthigen Falls wegen Ergreifung geeigneter Masregeln gegen solche, welche der gesetzlichen Ordnung widerstreben sollten, die Versammlung zu Abgebung ihrer Meinung zu veranlassen. Wünscht ein Mitglied über einen nicht schon in der Reihe der Verhandlungen liegenden Gegenstand einen Vortrag zu thun, so hat es der Versammlung solches anzuzeigen, und von dem Director die Bestimmung der Zeit dazu zu gewärtigen. § 40. Discussion. Die Berathungen in der Versammlung erfolgen mündlich. Es ist aber keinem Mitgliede verwehrt, seine Meinung schriftlich zu übergeben, wenn nur der Gang der Geschäfte dadurch nicht aufgehalten wird. Wichtigere Gegenstände, wie Gesetzentwürfe, neue Verwilligungen, Beschwerdeführungen, werden in der Regel nicht sofort in der Sitzung berathen, in welcher sie zur Proposition kommen, sondern erst in einer folgenden Sitzung. Sollte es zweckmäsig scheinen, dergleichen Gegenstände, ehe sie zur Erörterung in allgemeiner Versammlung kommen, erst besonders prüfen oder bearbeiten zu lassen, so

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S ACHSEN -H ILDBURGHAUSEN steht es der Versammlung frei, hierzu einen Ausschuß nieder zu setzen und ihm die Art der Geschäftsbehandlung zu bestimmen. § 41. Abstimmung. Erst dann, wenn eine Frage vollständig erörtert ist, wird zur Abstimmung geschritten, wobei der Gegenstand immer in möglichst einfache Fragen aufzulösen ist, so daß jeder Abstimmende sich mit Ja oder Nein darüber erklären kann. Zu Fassung eines gültigen Beschlusses ist die Anwesenheit von wenigstens zwei Dritteln sämmtlicher Landesdeputirten erforderlich. Jeder Abgeordnete muß seine Stimme selbst ausüben, und es findet hier keine andere Stellvertretung statt, als durch die §. 9. bezeichneten Vertreter. Die Ordnung der Abstimmung ist dem Director lediglich überlassen, der jedoch sein eignes Votum immer zuletzt abgibt. Alle Beschlüsse werden durch absolute Stimmenmehrheit gefaßt. Im Falle der Stimmengleichheit wird die Sache bei einer andern Sitzung nochmals zur Abstimmung gebracht. Bleiben auch dann die Stimmen gleich, so gibt die des Directors den Ausschlag. In dem Protokoll über die Abstimmung wird nur die Zahl, nicht aber der Name der für das Eine oder das Andere Stimmenden angegeben. Uebrigens steht es jedem Mitgliede frei, auf Scrutinium anzutragen. Dem Beschlusse der Mehrheit muß sich die Minderheit unterwerfen, so daß die Beschlußfassung in keinem Falle durch Protestationen aufgehalten werden kann. Sollte ein Stand sich durch einen solchen Beschluß in seinen wohlerworbenen Rechten beeinträchtig erachten; so bleibt demselben nachgelassen, bei dem Landesherrn, unter Darlegung seiner Gründe, in einer besondern Vorstellung darauf anzutragen, daß dem Beschlusse die höchste Genehmigung versagt werde. Ergibt sich bei genauer Prüfung des Beschlusses eine solche Betheili-

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gung, und ist derselbe nicht etwa ganz zuverwerfen; so wird die Sache zur nochmaligen Berathung und gütlichen Bereinigung an die Landschaft zurückgewiesen. Kommt aber eine Vereinigung auch dann nicht zu Stande; so tritt landesherrliche Entscheidung, nach vorher vernommenen Gutachten der gesammten Landesregierung, ein. § 42. Form der Mittheilung zwischen den Regierungs-Behörden und der Landschaft. Alle landesherrlichen Postulate und Anträge ergehen in Rescripten nach der in der Organisation des Geheimenrathscollegii vom 21. April 1810. bezeichneten Form, unter Contrasignatur des vortragenden geheimen Rathes. Die Landesregierung bedient sich in ihren Mittheilungen an die Landschaft ebenfalls der Rescriptsform. Werden bei Gesetzesvorschlägen oder andern wichtigen Gegenständen mündliche Erleuterungen für zweckdienlich erachtet, so wird der Regent ein Mitglied oder einige Glieder des Geheimenraths oder der Regierung zu den Sitzungen des Landtags abordnen, welche die Sache nach ihren Beweggründen entwickeln, jedoch der ständischen Abstimmung und Beschlußfassung nicht beiwohnen. Die Landschaft erstattet Berichte, Erklärungen, Vorstellungen etc. wobei sie sich derselben Curialien bedient, wie nachgesetzte landesherrliche Behörden bei Berichtserstattungen. – Im Falle abfälliger Erklärung über landesfürstliche Propositionen, hat sie die Gründe jedesmal vollständig anzugeben; worauf der Regent entweder von dem Antrage absteht, oder, im Falle er die Sache noch nicht erschöpft findet, denselben unter Anführung weiterer Gründe erneuert. Die landesherrliche Genehmigung landschaftlicher Beschlüsse und Anträge wird entweder der Landschaft unmittelbar in Re-

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -H ILDBURGHAUSEN (1818) scripten, Resolutionen etc. eröffnet, oder die darauf gefaßte höchste Entschließung in allgemeinen Gesetzen und Verordnungen öffentlich bekannt gemacht, wobei aber der landschaftlichen Mitberathung und Zustimmung immer ausdrückliche Erwähnung geschehen soll. – Im Falle der Nichtgenehmigung wird diese der Landschaft schriftlich bekannt gemacht. § 43. Schluß und Auflösung des Landtags. Die Verhandlungen schließt ein Landtags-Abschied, mit welchem die Versammlung entlassen wird. Der Landesfürst kann durch einen solchen Abschied dieselbe vertagen, oder gänzlich auflösen. Im Falle der Auflösung verlieren sämmtliche Abgeordnete, den Director ausgenommen, ihre Stellen, und es muß längstens binnen drei Monaten zu einer neuen Wahl geschritten werden. Bis zu Vollendung derselben und Einberufung des neuen Landtags, bleibt jedoch der alte Ausschuß in Thätigkeit. Erfolgt die Anordnung zur neuen Wahl in der bestimmten Zeit nicht, so ist die vorige Repräsentation wieder hergestellt. § 44. Ausschußtage (Convente). Der Ausschuß versammelt sich zu Besorgung der ihm obliegenden Geschäfte so oft es die vorhandenen Arbeiten nothwendig machen, auf die Einladung des Directors, ohne dazu einer besondern Erlaubniß zu bedürfen. In Ansehung der Verhandlungen desselben gelten die nämlichen Bestimmungen, welche §. 38.-42. festgesetzt sind. Die über die Berathungen des Ausschusses zu führenden Protokolle sind so zu fassen, daß die übrigen Landesdeputirten den Gang der Verhandlungen und die Gründe, welche einen Beschluß oder ein Gutachten motivirt haben, daraus ersehen können. In dringenden und bei minder wichtigen Angelegenheiten können die Meinun-

gen der Ausschußdeputirten auch ausser der Versammlung schriftlich eingeholt werden. Die Berichte und Expeditionen des Ausschusses ergehen nicht im Namen der gesammten Landschaft, sondern unter seiner eigenen Unterschrift, und die Resolutionen darauf werden an ihn gerichtet. § 45. Verbot unförmlicher Versammlungen und einseitiger Berichte. Alle Versammlungen landständischer Deputirten ausser den Land- und AusschußTagen zur Berathung über landschaftliche Angelegenheiten, ohne besondere Erlaubniß, sind verboten, und die darin gefaßten Beschlüsse ungültig. Eben so sind einseitige Eingaben und Vorstellungen einzelner Volksvertreter bei dem Landesfürsten unerlaubt.

TITEL V Nähere Bestimmungen über die Ausübung der landschaftlichen Rechte § 46. a) in Ansehung der Integrität des Landes etc. Verträge und andere Bestimmungen, welche den Umfang der gegenwärtigen Landestheile, die Landeseinkünfte oder die Regierungsverfassung des Herzoglichen Hauses verändern, sollen den Landständen entweder noch vor deren Eingehung, oder doch noch vor ihrer Ratification zur Ertheilung ihres Rathes und ihrer Zustimmung mitgetheilt werden. Sollte dieses jemals unterbleiben und eine solche Disposition gegen das Interesse des Landes vollzogen werden; so würde der Landschaft, ausser dem Rechte der Klage gegen diejenigen Räthe, welche die zeitige Mittheilung unterlassen, die Befugniß zustehen, bei dem Bundestage auf die Ausuebung des Vertrages oder der Verfügung anzutragen.

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S ACHSEN -H ILDBURGHAUSEN § 47. b) bei der Gesetzgebung. Das Recht des Beiraths in der Gesetzgebung begreift zugleich in sich das Recht der Bitte und des Vorschlags wegen zu ertheilender oder abzuändernder Gesetze. Versagt der Landesherr einem solchen Vorschlage die Sanction, so bleibt demungeachtet der Landschaft die Befugniß, ihn bei künftigen Versammlungen zu erneuern. Alle zur Vollstreckung vorhandener Gesetze nothwendige, oder aus der Natur des Verwaltungs- und Aufsichtsrechts fließende Verordnungen sind von der landschaftlichen Zustimmung unabhängig. Eben so die Regulirung der kirchlichen Angelegenheiten, so weit sie nicht das Eigenthum oder das Verhältniß der Kirche zum Staate betrifft. Sollte ein Zweifel darüber entstehen, ob zu einer ergangenen Verordnung die Zustimmung der Landschaft erforderlich gewesen sey, so steht es zwar dieser frei, bei dem Landesherrn wegen deren Erlassung Beschwerde zu führen; es kann aber einer solchen Verfügung bis zu ihrer Zurücknahme der verfassungsmäßige Gehorsam von niemand versagt werden. § 48. c) bei Regulirung der Etats. Die Voranschläge der Staatsausgaben und Einahmen, welche nach Vorschrift des landesherrlichen Edicts vom 28. April 1810 von der Finanzbehörde unter Concurrenz der gesammten Landesregierung zu fertigen und hinfür immer auf drei Jahre einzurichten sind, werden aus dem Geheimenrathe dem landschaftlichen Ausschuße mitgetheilt, welcher sie prüft und mit seinem Gutachten an die Landschaft abgibt. In dieser Beziehung sind den Ständen von den landesherrlichen Behörden die erforderlichen Rechnungen, Nachweisungen und Aufschlüße auf Verlangen mitzutheilen, um ihnen sowohl von der Nothwendigkeit der gemachten Anforderungen, als von der zweckgemäsen Verwendung der frühern Bewilligungen die vollständigste Ueberzeu-

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gung zu verschaffen. Der Landtag erstattet sowohl über die Annahme der Etats, als über die zu deren Deckung erforderlichen Verwilligungen eine Erklärung, worauf entweder die sofortige landesherrliche Genehmigung und die Ausschreibung der Abgaben mittelst Patents erfolgt, oder weitere Verhandlungen eingeleitet werden. Treten in der Zwischenzeit von einem Landtage zum andern unumgängliche Staatsbedürfnisse ein, auf welche bei der Etatserrichtung nicht gerechnet war; so wird entweder der §. 30. 2. bezeichnete Weg einschlagen, oder eine ausserordentliche Versammlung der Deputirten veranstaltet. § 49. d) bei Feststellung anderer Leistungen. Ein gleiches Verfahren findet statt, wenn Leistungen der Unterthanen, welche nicht in Abgaben bestehen, gefordert oder sonst Masregeln ergriffen werden, welche für die Landschaft ein Interesse haben können. § 50. e) in Ansehung des landschaflichen Kasse-Rechts. Ueber die Verhältnisse der landschaftlichen Kasse und die ihr zu überweisenden Fonds, so wie die Errichtung einer Schulden-Tilgungskasse wird eine besondere Uebereinkunft getroffen werden, und eine Kassenordnung das Nöthige über das Kasse- und Rechnungswesen festsetzen. Die von dem Landschaftskassier vier Wochen nach dem Schluß des Rechnungsjahres bei dem Ausschuß zu übergebende Hauptrechnung wird von diesem in materieller Hinsicht geprüft, und mit dessen Bemerkungen der Landesregierung übergeben, welche sie von der Rechnungskammer revidiren läßt und sodann in Gegenwart des Landschaftsdirectors, eines Ausschußmitgliedes, des Syndikus und des Kassiers gewöhnlichermasen justificirt. Die abgehörten Rechnungen werden dem

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -H ILDBURGHAUSEN (1818) Landtage bei der nächstfolgenden Zusammenkunft vorgelegt. Der Kassevorstand ist der gesammten Landschaft dafür verantwortlich, daß die Etats nicht überschritten werden und keine unjustificirlichen Ausgaben auf die Kasse angewiesen werden. § 51. f) in Ansehung der DomainenVerwaltung. Diejenigen Diener, welchen die Domainenverwaltung obliegt, sind dafür verantwortlich, daß den Rechten der Landschaft, so wie den Verpflichtungen gegen die Agnaten, Genüge geleistet werde. Sollten denselben und dem Interesse des Landes entgegen Dispositionen über das Domainenvermögen getroffen werden; so sind diese auf blose Einsprache der Landschaft, als von Rechtswegen ungültig und selbst für den Landesherrn unverbindlich zuerkennen. § 52. g) in Ansehung des Rechts der Beschwerdeführung. Beschwerden über die Verwaltung überhaupt und die Handlungsweise der Staatsdiener müssen (mit Ausnahme des §. 30. 2. c. bestimmten Falls) vor ihrer Anbringung, auf dem Landtage in Berathung und zur Abstimmung gebracht worden seyn. Den einzelnen Staatsbürgern ist es gestattet, bemerkte Gebrechen oder Mißbräuche deren Abstellung das allgemeine Beste zu erfordern scheint, wie den landesherrlichen Behörden, auch der Landschaft oder dem Landschaftsdirector zur Anzeige zu bringen. § 53. h) in Ansehung des Rechts der Beschwerde und Klage gegen Staatsdiener. Das Recht der Beschwerde und Klage gegen Staatsdiener wird vorzüglich dadurch gesichert, daß alle Verfügungen des Regenten von denjenigen, welche ihn dabei berathen haben, nach Masgabe des Edicts über

die Organisation des Geheimenrathscollegii, contrasignirt werden müssen, und jeder Diener für die auf seinen Vortrag gefaßten Beschlüsse dem Regenten und dem Lande verantwortlich ist. Das Recht förmlicher Klage von Seiten der Landschaft findet nur gegen höhere Staatsdiener in dem Falle statt, wenn die beschwerende Handlung ein Vergehen in sich enthält, welches die Entscheidung eines Gerichtshofes erfordert. In allen andern Fällen tritt blos Beschwerde beim Landesherrn ein, wobei es von den Umständen abhängt, ob eine Untersuchung oder blose Verantwortung Platz greift. In jedem Falle wird der Landtag von dem Erfolg seiner Beschwerde in Kenntniß gesetzt. Die förmliche Klage, welche hinlänglich begründet und durch Angabe der Beweismittel gehörig unterstützt seyn muß, wird ebenfalls bei dem Landesherrn übergeben, soll aber an das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht in Jena, zur Einleitung des geeigneten Verfahrens und rechtlicher Entscheidung, abgegeben werden. Der Landesherr begibt sich für dergleichen Fälle des Abolitionsrechts, des Begnadigungsrechts aber nur in sofern, daß ein Diener, auf dessen Remotion rechtlich erkannt ist, nicht im Staatsdienste gelassen werden kann.

TITEL VI Gewähr der Verfassung § 54. Bedingung der Abänderung. Gegenwärtige Verfassung kann nur durch Uebereinstimmung des Regenten und des Landtags abgeändert werden. § 55. Verpflichtung der Staatsdiener. Alle Staatsdiener sind auf den Inhalt und die genaue Beobachtung dieses Verfassungsgesetzes mit zu verpflichten. Absichtliche Verletzungen desselben werden als Verbrechen bestraft.

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S ACHSEN -H ILDBURGHAUSEN § 56. Fürstlicher Revers bei Regierungsveränderungen. Bei Regierungsveränderungen erfolgt die Huldigung des Landes erst dann, wenn der neue Regent die Beobachtung, Aufrechthaltung und Handhabung der landschaftlichen Verfassung, wie die gegenwärtige Urkunde sie bestimmt, bei seinen fürstlichen Worten und Ehren schriftlich zugesichert hat; zu welchem Ende jedesmal ein außerordentlicher Landtag zu berufen ist. Ist der Regent noch unmündig, so ertheilt der Obervormund und Landesregent diese Versicherung für die Zeit seiner Verwaltung. § 57. Schiedsrichterliche Entscheidung. Sollten über die Auslegung dieser Verfassungsurkunde oder über die Anwendbarkeit ihrer Bestimmungen auf vorkommende Fälle Zweifel entstehen, welche nicht im Wege der Güte beseitigt werden könnten; so soll der Landschaft frei stehen, auf schiedsrichterliche Entscheidung anzutragen. § 58. Garantie durch den deutschen Bund. Endlich soll diese Verfassung unter die besondere Garantie des deutschen Bundes gestellt, und bei dem Bundestage der erforderliche Antrag deshalb gemacht werden.

TITEL VII Auflösung der bisherigen landschaftlichen Verfassung § 59. Bedingungen derselben. Die ältere landschaftliche Verfassung wird, so weit sie mit den Grundsätzen und dem Geiste der gegenwärtigen nicht mehr vereinbar ist, sobald aufgehoben, als die neue durch Eröffnung eines allgemeinen Landtags in Wirksamkeit tritt. Sie behält (L. S.) v. Baumbach. 372

aber, wo jene keine Auskunft geben, subsidiarische Gültigkeit. Wir fügen dieser Sanction die Versicherung bei, während der Uns von Gott anvertrauten Regierung nicht nur diese Verfassung Selbst treu zu beobachten, sondern auch darüber zu wachen, daß ihr auf keine Weise entgegen gehandelt werde, und indem Wir derselben die von unsers Herrn Erbprinzen Liebden in gleicher Gesinnung ertheilte Declaration anschließen lassen, machen Wir unsere jetzigen und künftigen Diener verbindlich und verantwortlich, diesem Verfassungsgesetze in allen Stücken auf das genauste nachzukommen, wie Wir denn auch den von jenen bereits geleisteten Diensteid hierdurch ausdrücklich mit darauf erstreckt haben wollen; achten Uns aber auch zu der Erwartung berechtigt, Unsere treue Ritterschaft und sämmtliche Unterthanen werden in dieser, auf Herstellung einer dauerhaften Ordnung und Sicherung ihrer wichtigsten Rechte in der Staatsverbindung gerichteten Sorgfalt einen neuen Beweis unserer landesväterlichen Gesinnungen erkennen, und darin einen Beweggrund mehr finden, mit Gemeinsinn, Eifer und willigem Gehorsam unter dem Gesetze, zur Erreichung des gemeinschaftlichen Ziels allgemeiner Wohlfahrt mitzuwirken. Zu dessen beständiger Nachweisung haben Wir gegenwärtige Bestätigungs- und Versicherungsurkunde in drei gleichen Exemplarien, wovon das Eine der Landschaft ausgehändigt, das Zweite in unserm Herzogl. Hauptarchiv niedergelegt, und das Dritte bei dem Bundestage übergeben werden soll, eigenhändig vollzogen und mit Unserm landesfürstlichen Siegel bedrucken lassen, und soll dieselbe zur allgemeinen Nachachtung durch den Druck bekannt gemacht werden. So geschehen und gegeben Hildburghausen, den 19. März 1818.

Friedrich, Herzog zu Sachsen. J. Chr. Wagner. v. Schwarzkopf.

V ERFASSUNG VON S ACHSEN -H ILDBURGHAUSEN (1818) 1

Ediert nach Sammlung der in dem Herzogthume Sachsen-Hildburghausen seit dem Jahre 1810 erschienenen landesherrlichen Edicte und Verordnungen, II. Band, Hildburghausen ca. 1826, S. 1–16. Das Grundgesetz wurde am 19. März 1818 beschlossen, unterzeichnet und verkündet und trat am 9. Februar 1819 in Kraft (siehe §. 59 der Verfassung). Durch den Vertrag vom 12. November 1825 kam es zu einer Vereinigung des Fürstentums Saalfeld und des Herzogtums Hildburghausen mit Sachsen-Meiningen, so daß dieses Grundgesetz schließlich durch das „Grundgesetz für die vereinigte landschaftliche Verfassung des Herzogthums Sachsen Meiningen“ vom 23. August 1829 ersetzt wurde (siehe Deutsche Verfas-

sungsdokumente 1806–1849 (Europa Band 3), Teil VI, „Verfassung von Sachsen-Meiningen (1829)“). Dem Grundgesetz ging ein Entwurf voraus, der sich jedoch kaum von der endgültigen Verfassung unterscheidet („Entwurf der landständischen Verfassung des Fürstenthums Hildburghausen nach dem von des Herrn Herzogs Durchlaucht genehmigten Gutachten der Landes-Regierung“, Hildburghausen 1817). Für weiterführende Hinweise siehe Reiner Groß, Verfassungen deutscher Territorialstaaten zwischen 1816 und 1831: Ernestinische Staaten und Königreich Sachsen im Vergleich, in: Jürgen John (Hrsg.), Kleinstaaten und Kultur in Thüringen vom 16. bis 20. Jahrhundert, Köln u.a. 1994, S. 395–406 (402 ff.).

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Deutscher Index

Adel, 17, 127 – Abschaffung von Adelstiteln, 127, 331 – Privilegien, 158, 199 Bevölkerungsgruppen, 209 – Ausländer, 206, 207, 209, 222 Bildung, 34, 83–84, 110–332 – allgemeine Schulen, Errichtung, 34, 82– 84, 110, 129, 215, 217 Eide, 33, 42, 52, 56, 63, 82, 97, 105, 118, 129, 139, 172, 206, 225, 236, 283–284, 286, 300, 316, 326, 328, 342, 351 – Amtseide, 42, 89, 97, 105, 139, 165, 197 – Treueeide, 42, 118, 133, 139, 172, 326– 327 Exekutive, 37, 71–113, 132, 159, 329 – Befugnisse, 184, 289, 304, 341 – – Auflösung der Legislative, 11, 51–52, 70, 113, 181, 182, 185, 218, 293 – – Außenpolitik, 74, 113, 135 – – – Verträge, 113, 135, 329 – – Begnadigungsrecht, 56, 74, 113, 132, 160, 190, 198, 329, 333, 371 – – Einberufung der Legislative, 11, 51, 115, 170, 185, 225, 230, 293–294, 298, 327, 341 – – Ernennungsrecht, 9, 11, 52, 63, 112– 164, 226, 329 – – – Besetzung von Vakanzen, 113 – – Haushaltsrechte, 223, 224, 299 – – Kriegserklärung, Recht zur, 113 – – legislative Befugnisse, 54, 114, 166, 224, 265, 290, 328 – – – Exekutivanordnungen oder Verfügungen, 112–113, 140, 166, 195, 214, 224, 329, 368 – – – Gesetzesinitiative, 114, 166, 182, 186–188, 225, 269, 290, 328 – – – Sanktionierung von Gesetzen, 188, 228, 269, 328–329, 369–370 – – Militärbefehlsgewalt, 113, 292

– – Vertagungsrecht bez. Legislative, 11, 51, 70, 113, 115, 170, 182, 185, 369 – exekutive Körperschaften – – Ministerien, 195 – Minister, 112, 114, 134, 137, 159, 326 – Mitglieder, 298, 333, 366 – – Amtszeit, 298, 366 – – Anwesenheitsrecht i. d. Legislative, 11, 172, 179, 227, 294, 308, 328, 345, 366, 368 – – Ernennung, 298 – – Immunität, Indemnität, 138 – – Verantwortlichkeit, 159, 326, 332–333 – – Vergütung, 138, 139, 333, 366 – – Wahl, 366 – – Wiederwahl, 366 – Monarch, 37, 72, 100, 101, 153, 193 – – Abstammung, 132 – – Apanagen, 101, 157, 192–194, 274 – – Domäne, 41–42, 95–96, 100–102, 113, 123, 124, 133, 155, 191, 272, 273, 292, 300, 347–371 – – Huldigung, 371–372 – – Kammergut, 95, 100, 123, 155, 272, 273, 347–348 – – königliche Zustimmung, 169, 193 – – königlicher Haushalt, 95–96, 100, 101, 123, 125, 155, 273–278, 329, 347 – – Regentschaft, 72–113, 132, 153–326, 371 – – Thronfolge, 36–73, 113, 153, 172, 283, 325, 347 – – Unverletzlichkeit, 112, 132, 283, 297 – – Zivilliste, 133, 154–157, 192–194, 272–274, 276–280 – Staatsoberhaupt, 71, 74, 132, 153, 190, 214, 283, 325–330 – – Befugnisse, 47–48, 51, 54–55, 61, 68, 69, 143, 166, 174–175, 181, 182, 184, 186, 190, 288, 292, 294, 296–297, 299, 327

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D EUTSCHER I NDEX – Staatsrat, 159, 227 – Verhältnis zu anderen Gewalten, 159 Feudale Institutionen und Praktiken, 74, 147, 189, 192, 198, 284 – Feudalleistungen, 130, 275 – Fideikomiß, 36, 48, 99, 112, 131, 156, 169, 192, 347 – grundherrliche Rechte, 9 – Lehen, 36, 99, 112, 131, 273 – Leibeigenschaft – – Abschaffung, 7, 130 – Primogenitur, 113, 153, 190, 325 – Privilegien, 9 – Stände, 31–32, 45, 74, 133, 147, 148, 150, 158, 218, 223, 285, 314, 359, 361 Gesetze, 37, 82, 90, 98, 118, 195, 203, 214, 223, 302, 330, 350 – Übergangsbestimmungen, 28, 118–119, 231, 333 Grundrechte, 31, 34, 203, 284, 331 Handel, 77 Hoheitsrechte, 78–80, 113 – Münzrecht, 37, 113 Infrastruktur – Postwesen, 77 Judikative, 40, 84–116, 159, 329 – Gerichte, 40, 74–75, 78, 84–85, 98, 99, 105, 116, 131, 132, 159, 332 – – außerordentliche Gerichte, Verbot, 9, 131, 160 – – Berufungsgericht, 217 – – Kriminalgericht, 197 – – lokale Gerichte, 206 – – Militärgerichte, 40, 112, 116, 131 – – Oberster Gerichtshof, 28, 55, 116, 140, 185, 333, 350, 371 – – – als Berufungsinstanz, 333 – – – als Verfassungsgericht, 55–175, 231 – – – Richter, 40, 99, 106, 116, 185, 197, 354 – – – – Amtsenthebungsverfahren, 40, 131

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Amtszeit, 116, 185 Anzahl, 185 Ernennung, 116, 185, 197 oberster/vorsitzender Richter, 106, 173–174 – – – – Qualifikationen, 116, 185 – – untergeordnete Gerichte, 116 – – Verfassungsgericht, 105, 106 – – Zusammensetzung, 105, 106, 173 – Gerichtsprozesse, 40, 116–117, 131, 198 – Geschworene, 117 – Rechtsprechung, 36, 132, 140, 159, 197, 333 – – reguläre Verfahren, 140 – Richter, 32, 85–332 – – Ernennung oder Wahl, 132 – – gesetzliche Richter, 74, 159–160, 284 – – Unvereinbarkeit mit anderen Ämtern, 85–86 – Staatsanwalt, 117 – Vergütung, 333 – Verhältnis zu anderen Gewalten, 84, 117, 284, 332 – – Unterscheidung von administrativen Körperschaften, 159 Kirche, 82, 110, 158, 160, 214–217, 224, 285 – Hierarchie, 215, 285 – Kirchenautonomie, 33, 82, 110, 160 – Staatskirche, 82, 129, 213 – Trennung von Staat und Kirche, 110 Korporationen, 34, 111, 207, 208 Kriegszustand, 42, 118, 135 Legislative, 9, 45, 51, 113–114, 325, 327– 328, 333 – Befugnisse, 45, 55, 89, 139, 164, 166, 169, 172–175, 329–330, 346 – dritte und weitere Häuser oder Kammern, 36–39, 42, 48, 72–89, 91, 94, 95, 98, 99, 218, 219, 229, 285, 296–297, 314, 316, 318 – – Befugnisse, 9, 10, 45, 90–91, 184, 224, 225, 229, 230, 285, 290, 294–295, 297, 308, 325–327, 330, 333, 360

D EUTSCHER I NDEX – – – Amtsenthebungsverfahren, 141 – – – Budgetrecht, 38, 46–47, 96, 223, 229, 290–291, 299–300, 330, 360, 365, 370–371 – – – Ernennungen, 230, 365 – – – – Bestätigung von Ernennungen, 326 – – – Geschäftsordnung, 54, 61, 172, 182, 294, 328, 341 – – – Gesetzgebung, 10, 38, 134–136, 182, 186–188, 214, 269, 290, 328, 359 – – – – Einschränkungen, 225 – – – – – Verfassungsmäßigkeit, 140 – – – – Gesetzesausfertigung, 91 – – – – Gesetzesinitiative, 10, 47, 186– 188, 269, 328, 344, 369–370 – – – – Gesetzesveröffentlichung, 17, 190, 328–329 – – – – Inkrafttreten von Gesetzen, 43, 269, 328–372 – – – – Lesung von Gesetzesentwürfen, 135, 187–188, 229, 269, 297, 367 – – – – Sanktionierung von Gesetzen, 188, 224 – – – – Steuergesetzgebung, 10, 45, 290– 292, 329–330 – – – – Verabschiedung von Gesetzesentwürfen – – – – – Mehrheiten, 52–269, 296 – – – Interpellation, 10, 271, 292, 297, 328 – – – judikative Funktionen, 10, 47, 360 – – – Ratifizierung von Verträgen, 45, 329, 369 – – – Vertagung, 63, 70, 327 – – – Zuweisung von Haushaltsmitteln, 46–47, 330, 346, 360 – – Mitglieder, 9, 12, 17, 38–39, 48–49, 53, 61, 87–89, 91, 95, 181–183, 219, 220, 223, 226, 229, 258, 261–264, 285– 287, 307, 316, 318, 360, 361 – – – Ämterhäufung, 26, 181, 226, 264, 289, 307 – – – Amtszeit, 12, 23, 39–40, 48, 50–51, 142, 219, 226, 263–264, 267, 286,

327, 362, 364, 365 – – – Ernennung, 11, 48, 50, 53, 318, 361, 364–366 – – – Immunität, Indemnität, 11, 39, 53– 89, 293, 328, 363 – – – Inkompatibilität, 87–88, 143, 327 – – – Pflichtanwesenheit, 37, 53, 63, 64, 264, 294 – – – Qualifikationen, 49, 62 – – – Vakanz, 261 – – – Vergütung, 12–13, 39, 150, 185, 186, 228, 296, 298, 347, 363, 366 – – – Wahl, 9, 12, 23, 39, 48, 50, 53, 58, 87–88, 133, 142, 143, 181, 223, 229, 253, 254, 256, 258, 259, 261, 264, 285–286, 288, 304, 316–327, 333, 339–362, 364, 365 – – – Wiederwahl, 12, 39–40, 142, 286, 362, 364, 365 – – Verfahren, 10–13, 38–39, 53, 62, 89, 91–93, 99, 183–185, 187, 225–231, 295–296, 342–347 – – – Abstimmungen, 10, 47, 53, 66, 92, 185, 228, 230, 295–297, 343, 345– 346, 368, 371 – – – Auflösung, 91, 263, 286, 316, 327, 369 – – – Ausschüsse, 93, 94, 138, 139, 184, 295, 331, 341, 346–347, 360, 363, 365, 367, 369 – – – Beschlussfähigkeit, 52, 92, 137, 138, 294, 328, 341, 368 – – – Dauer der Sitzungsperiode, 51, 91, 343, 360 – – – Eröffnungssitzung, 26, 38, 52, 62, 88, 91, 137, 225, 226, 267, 293, 308, 314, 341, 364, 367 – – – Öffentlichkeit der Sitzungen, 39, 54, 69, 131, 137, 179, 327, 343 – – – Resolutionen, 343 – – – Sitzungsprotokoll, 65, 68, 69, 92, 226, 231, 295, 298, 343, 345–346, 365, 368–369 – – – – Veröffentlichung, 13, 54, 69, 228, 229

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D EUTSCHER I NDEX – – – Wahl parlamentarischer Amtsträger, 63, 88, 137, 182, 226, 267, 294, 296– 297, 327–328, 342, 346, 364–366 – Einberufung, 137, 297, 327, 330–331, 367 – gemeinsame Sitzung der Kammern, 183, 184, 188 – Oberhaus, 113, 161 – – Befugnisse, 113, 115 – – – Budgetrecht, 167 – – – Ernennungsrecht, 115 – – – gerichtliche Funktionen – – – – Anklagerecht, 140 – – – Geschäftsordnung, 115 – – – Gesetzgebung, 166–167 – – – – Gesetzesinitiative, 114 – – – – Gesetzesveröffentlichung, 132 – – – – Sanktionierung von Gesetzen, 136, 166, 168 – – – – Steuergesetzgebung, 167 – – – Interpellation, 115 – – – Mittelzuweisung, 135, 137 – – Mitglieder, 114, 161, 180 – – – Amtszeit, 115, 163 – – – Immunität, Indemnität, 116, 165– 166 – – – Parlamentsbeamte, 137 – – – Pflichtanwesenheit, 137 – – – Vergütung, 116, 170 – – – Vorsitzender des Oberhauses, 162 – – – Wahl, 114–115, 162, 164, 180–181 – – Verfahren, 115, 166, 170–172 – – – Abstimmungen, 171 – – – Ausschüsse, 170–171 – – – Beschlussfähigkeit, 115, 171, 185 – – – Öffentlichkeit der Sitzungen, 115, 172 – – – Resolutionen, 172 – – – Sitzungsprotokoll, 172 – – – – Veröffentlichung, 172 – offizieller Sitz, 61, 341 – Struktur, 114 – – bikameral, 114, 161, 180 – Unterhaus, 162–163 – – Befugnisse – – – Budgetrecht, 167

378

– – – Ernennungen – – – – Bestätigung, 17 – – – Gesetzgebung, 166–217 – – – – Lesung von Gesetzesentwürfen, 135 – – – – Sanktionierung von Gesetzen, 135, 166, 168 – – – – Steuergesetzgebung, 167 – – – Steuerbewilligungsrecht, 134 – – Mitglieder, 162–163, 180 – – – Ämterhäufung, 164 – – – Immunität, Indemnität, 165–166 – – – Qualifikationen, 163 – – – Vergütung, 170 – – – Wahl, 163–164, 180–181 – – – Wiederwahl, 163, 180–181 – – Verfahren, 166, 170–172 – – – Abstimmungen, 171 – – – Auflösung, 138, 168–169 – – – Ausschüsse, 148, 170–171 – – – Beschlussfähigkeit, 171, 185 – – – Eröffnungssitzung, 220 – – – Öffentlichkeit der Sitzungen, 172 – – – Resolutionen, 172 – – – Sitzungsprotokoll, 172 – – – – Veröffentlichung, 172 – Verhältnis zu anderen Gewalten, 172, 184, 330, 333, 346 Mandatsverteilung – nach Einwohnerzahl, 23 Militär, 32, 35, 37, 42, 47, 74, 76–77, 112, 122, 130, 132, 139, 190, 204 – Mitglieder – – besondere Regelungen für, 51 – Oberkommando, 74, 132 – Organisation, 111–112, 204 – stehendes Heer, 111–112 – Wehrpflicht, 7, 31–32, 74, 111, 158, 204, 284 Miliz, 76–77, 111–112 Polizeigewalt, 32, 36, 74–75, 118, 190, 331 Rechte, 7, 76, 80, 111, 133, 136, 137, 140, 157, 204, 205, 208–210

D EUTSCHER I NDEX – Auswanderung, 77, 110, 127, 158, 202, 284 – Berufsfreiheit, 34, 83, 130, 157–158, 200, 207, 285, 331 – Briefgeheimnis, 32–33, 75, 109, 111, 128 – Ehestand, 129, 200 – Eigentumsrechte, 8, 9, 77–78, 109–110, 112, 130, 131, 195, 198, 223, 284, 290, 331 – – Eigentumsfreiheit, 35, 76–77, 109– 110, 130, 157, 284 – – Enteignung, 35, 77, 109–110, 112, 130, 158, 199 – Freiheit der Wissenschaft, 82, 110, 129 – Freiheit und Sicherheit der Person, 74, 109, 128, 157, 198, 223 – Freizügigkeit, 35, 81, 109 – Gewaltenteilung, 73, 132 – Gewerbefreiheit, 8, 77, 111, 157–158, 199, 285 – Gleichheit, 7, 31–32, 84, 109, 127, 284 – Justizgrundrechte, 9, 32, 85, 159–285 – – Anklageerhebung durch Staatsanwalt oder Geschworene, 350 – – rechtliches Gehör, 140 – – Rechtsweggarantie, 56, 85, 109, 160, 197 – – Verbot grausamer oder ungewöhnlicher Bestrafung, 7 – persönliche Freiheit, 32, 35 – Petitionsrecht, 11, 38, 89, 111, 130, 158, 184, 200, 201, 225, 272, 315, 330–332 – Pressefreiheit, 8, 33, 111, 128, 158, 201 – Recht auf freie Meinungsäußerung, 7, 76, 111, 128 – Religionsfreiheit, 7, 33–34, 74, 81–110, 129, 158, 160, 213, 284 – Schutz der persönlichen Freiheit (habeas corpus), 9 – Unverletzlichkeit der Wohnung, 32, 75, 109, 128 – Vereinsfreiheit, 35, 76, 130 – Versammlungsfreiheit, 35, 76, 111, 130, 315 – Volkssouveränität, 325

– Waffen, Besitz oder Tragen von, 128, 132 Regierung, 71, 97, 133 – Beziehungen Bund - Einzelstaat, 8, 31, 47, 190, 283, 325, 361 – – Befugnisse des Bundesstaates – – – legislative Kompetenz, 89–91 – – Vorrang des Bundesrechts, 166 – Finanzen, 8, 46–48, 81, 95–96, 102, 134, 135, 139, 155–156, 167–168, 214, 217, 218, 246–285, 297–298, 330 – – Einnahmen, ordentlich u. außerordentlich, 41, 134, 135, 210, 248, 291, 330 – – Haushalt, 41–42, 96, 134, 224, 246, 247, 249–250, 291, 347, 349 – – Haushaltsjahr, 134, 246–249 – – Staatsschuld, 122, 134, 168–169, 184, 292 – öffentlicher Besitz, 155, 347 – Regierungsform – – Demokratie, 360 – – Monarchie oder Kaisertum, 112, 153 – subnationale Regierung, 118 – – Beaufsichtigung der Kommunalregierung, 213, 332 – – Kommunalregierung, 208, 210, 332 – – Kommunalverfassungen, 132, 208, 210–212 – – Provinz- oder Länderparlamente, 137, 140, 147, 148, 150, 218 – – Provinzuntergliederungen (Grafschaften/Landkreise etc.), 147, 150 – Verklagen des Staates, 331 Religion, 129, 332 – Christentum, 160, 172, 284 Repräsentation, 19, 37, 205, 212, 286, 327 – freies Mandat, 50, 88–89, 115–116, 165, 183, 228, 286, 328 Ritterschaft, 148, 150, 221, 286–287 soziale Wohlfahrt, 99, 160–161, 202, 332, 361 – Armenaufsicht, 99 staatliche Unabhängigkeit, 325

379

D EUTSCHER I NDEX Staats- und Verwaltungsapparat, 34, 37, 40–41, 74, 80, 85–86, 110, 132, 285, 332 – Beamte, 7, 34–35, 39, 81–83, 85–86, 117, 129, 130, 132, 140, 141, 168–169, 200, 205, 206, 216, 217, 285, 318, 331– 350 – Verwaltung, 7, 127, 136, 210, 223–225, 230, 246, 249, 371 – – Gewässer, 371 Staatsbürgerschaft, 33–35, 41, 81, 109, 127, 129, 157, 196, 197, 200, 202, 204– 206, 208, 283–284, 317, 331 – Verlust, 28, 127, 196, 205, 208, 284, 331 – Verpflichtungen, 196, 202, 203, 332 Staatsgebiet, 31, 71, 99, 109, 118, 127, 135, 153, 329 Staatsstruktur – föderaler Staat, 283 Steuern, 41, 45, 80, 96, 101, 102, 117, 122, 123, 131, 190, 203, 206, 256, 291, 330 – Besteuerung, 8, 117, 133, 331 – Steuergleichheit, 8, 117, 291–292 territoriale Organisation, 189 – Grenzen, 31, 127 Todesstrafe, 32, 75–76, 128 Verfassung, 8, 36, 42, 45, 54, 56, 71, 80– 81, 97, 98, 100, 119–120, 139–141, 153, 155, 157, 172, 189, 314, 318, 333 – Amendierung, 54, 118, 174–175, 329 – Grundprinzipien, 54 – rechtlicher Status, 54–55, 175, 300, 359, 372 – Verfassungsrevision, 180, 371 Volkszählung, 20–21, 87 Wahlen, 21, 57, 60, 87, 114–115, 209, 218, 232, 234, 235, 238, 305, 306, 327, 333, 336, 340–342, 362 – Anfechtung, 26–27, 265, 289, 290, 305, 309, 342, 363 – Wahlergebnisse, 22, 26, 59, 60, 146, 232– 234, 238, 267, 289, 304, 306, 327, 339, 341–342 – Wahlkomitee, 60, 143–144, 233, 234, 236, 237, 288–289, 306, 337

380

– Wahlregister, 16, 19–288, 305, 337 – Wahltag, 20, 23, 144, 233, 237, 266, 304, 317, 337–338, 340 – Wahlverfahren, 12, 17, 19–22, 25, 50, 57, 87, 115, 143–146, 232–238, 253, 259, 265–267, 288–289, 294, 304–308, 318, 333, 336–341, 362 – – mündlich, 289 – – Stimmzettel, 20–21, 25, 59, 60, 144, 145, 232, 266, 289, 306, 317–318, 338– 339 Wahlkreise, 23–24, 48–87, 115, 180, 234, 259, 262–263, 310–313, 316, 318–320, 322, 323, 333–336 – Einzelwahlkreise, 15–16, 48–334 Wahlprinzipien, 50, 60, 145, 287, 305, 316–317 – direkte Wahlen, 142, 287, 304, 333 – freie Wahlen, 22, 27–28, 144, 218, 232, 233, 289, 305, 306, 309 – geheime Wahlen, 27–28, 145, 294, 305 – Mehrheitsprinzip, 12, 19, 21, 22, 25–26, 50, 146, 182, 210, 226, 253, 267, 289, 296–297, 307, 308, 339–340, 364 Wahlrecht, aktiv, 15, 17, 19, 87, 141, 142, 180, 209, 219–222, 232, 234, 235, 263, 302–303, 317 – Alter, 19, 141, 180, 263, 302, 335 – Bildung, 9, 34 – Disqualifikation, 20, 87, 141, 142, 180– 181, 263–264, 302, 303, 309, 317, 335– 336 – Eigentum, 9, 15, 35–36, 181, 263, 302, 336 – Geschlecht, 180, 302 – Konfession, 19, 263 – Staatsbürgerschaft, 74, 180, 263, 302, 335 – Wohnort, 265, 335 Wahlrecht, passiv, 11, 22, 26, 29, 49, 60, 87, 114–115, 142, 181, 209, 219–222, 256, 259, 263, 286–294, 303, 317, 361– 362 – Alter, 11, 49, 114–115, 164, 181, 263, 265, 287, 303, 336, 361

D EUTSCHER I NDEX – Disqualifizierung, 49–50, 87, 143, 164, 181, 258–260, 263–264, 309, 361, 364, 365 – Eigentum, 164, 287–288, 303 – Geschlecht, 181 – Konfession, 287, 361

– Staatsbürgerschaft, 114–115, 181, 286– 287, 303, 336 – Wohnort, 11, 22, 49, 288, 336, 362, 365 Wirtschaft, 99 – Banken, 250 – Regulierung, 331

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English Index

apportionment of representatives – by inhabitants, 23 capital punishment, 32, 75–76, 128 census, 20–21, 87 church, 82, 110, 158, 160, 214–217, 224, 285 – autonomy of the church/of churches, 33, 82, 110, 160 – hierarchy, 215, 285 – separation of church and state, 110 – state church, 82, 129, 213 citizenship, 33–35, 41, 81, 109, 127, 129, 157, 196, 197, 200, 202, 204–206, 208, 283–284, 317, 331 – loss of, 28, 127, 196, 205, 208, 284, 331 – obligations of, 196, 202, 203, 332 commerce, 77 constitution, 8, 36, 42, 45, 54, 56, 71, 80– 81, 97, 98, 100, 119–120, 139–141, 153, 155, 157, 172, 189, 314, 318, 333 – amendment of, 54, 118, 174–175, 329 – constitutional review, 180, 371 – fundamental principles, 54 – purpose, 54–55, 175, 300, 359, 372 corporations, 34, 111, 207, 208 economy, 99 – banking, 250 – regulations, 331 education, 34, 83–84, 110–332 – common schools, establishment of, 34, 82–84, 110, 129, 215, 217 election, eligibility for, 11, 22, 26, 29, 49, 60, 87, 114–115, 142, 181, 209, 219– 222, 256, 259, 263, 286–294, 303, 317, 361–362 – age, 11, 49, 114–115, 164, 181, 263, 265, 287, 303, 336, 361 – citizenship, 114–115, 181, 286–287, 303, 336

– disqualifying attributes, 49–50, 87, 143, 164, 181, 258–260, 263–264, 309, 361, 364, 365 – gender, 181 – property, 164, 287–288, 303 – religion, 287, 361 – residence, 11, 22, 49, 288, 336, 362, 365 elections, 21, 57, 60, 87, 114–115, 209, 218, 232, 234, 235, 238, 305, 306, 327, 333, 336, 340–342, 362 – contestation of, 26–27, 265, 289, 290, 305, 309, 342, 363 – election committee, 60, 143–144, 233, 234, 236, 237, 288–289, 306, 337 – election day, 20, 23, 144, 233, 237, 266, 304, 317, 337–338, 340 – electoral returns, 22, 26, 59, 60, 146, 232–234, 238, 267, 289, 304, 306, 327, 339, 341–342 – voter registration, 16, 19–288, 305, 337 – voting procedure, 12, 17, 19–22, 25, 50, 57, 87, 115, 143–146, 232–238, 253, 259, 265–267, 288–289, 294, 304–308, 318, 333, 336–341, 362 – – ballot, 20–21, 25, 59, 60, 144, 145, 232, 266, 289, 306, 317–318, 338–339 – – viva voce, 289 electoral districts, 23–24, 48–87, 115, 180, 234, 259, 262–263, 310–313, 316, 318– 320, 322, 323, 333–336 – single constituency, 15–16, 48–334 electoral principles, 50, 60, 145, 287, 305, 316–317 – direct elections, 142, 287, 304, 333 – free elections, 22, 27–28, 144, 218, 232, 233, 289, 305, 306, 309 – majority principle, 12, 19, 21, 22, 25–26, 50, 146, 182, 210, 226, 253, 267, 289, 296–297, 307, 308, 339–340, 364 – secret elections, 27–28, 145, 294, 305

383

E NGLISH I NDEX executive, 37, 71–113, 132, 159, 329 – council of state, 159, 227 – executive agencies – – ministries, 195 – head of state, 71, 74, 132, 153, 190, 214, 283, 325–330 – – competencies, 47–48, 51, 54–55, 61, 68, 69, 143, 166, 174–175, 181, 182, 184, 186, 190, 288, 292, 294, 296–297, 299, 327 – members, 298, 333, 366 – – appointment, 298 – – election, 366 – – immunity or indemnity, 138 – – length of term, 298, 366 – – re-eligibility, 366 – – remuneration, 138, 139, 333, 366 – – responsibility, 159, 326, 332–333 – – right of attendance in legislature, 11, 172, 179, 227, 294, 308, 328, 345, 366, 368 – ministers, 112, 114, 134, 137, 159, 326 – monarch, 37, 72, 100, 101, 153, 193 – – appanage, 101, 157, 192–194, 274 – – civil list, 133, 154–157, 192–194, 272– 274, 276–280 – – demesne, 95, 100, 123, 155, 272, 273, 347–348 – – domain, 41–42, 95–96, 100–102, 113, 123, 124, 133, 155, 191, 272, 273, 292, 300, 347–371 – – homage, 371–372 – – inviolability, 112, 132, 283, 297 – – lineage / descent, 132 – – regency, 72–113, 132, 153–326, 371 – – royal assent, 169, 193 – – royal household, 95–96, 100, 101, 123, 125, 155, 273–278, 329, 347 – – succession, 36–73, 113, 153, 172, 283, 325, 347 – powers, 184, 289, 304, 341 – – adjourning legislature, 11, 51, 70, 113, 115, 170, 182, 185, 369 – – appointing power, 9, 11, 52, 63, 112– 164, 226, 329 – – – vacancies, filling of, 113

384

– – budgetary powers, 223, 224, 299 – – convoking legislature, 11, 51, 115, 170, 185, 225, 230, 293–294, 298, 327, 341 – – dissolving legislature, 11, 51–52, 70, 113, 181, 182, 185, 218, 293 – – foreign affairs, control of, 74, 113, 135 – – – treaties, 113, 135, 329 – – legislative powers, 54, 114, 166, 224, 265, 290, 328 – – – executive orders or ordinances, 112– 113, 140, 166, 195, 214, 224, 329, 368 – – – legislative initiative, 114, 166, 182, 186–188, 225, 269, 290, 328 – – – sanctioning of laws, 188, 228, 269, 328–329, 369–370 – – military commanding power, 113, 292 – – pardoning power, 56, 74, 113, 132, 160, 190, 198, 329, 333, 371 – – war and peacemaking, 113 – relation to other branches, 159 feudal institutions and practices, 74, 147, 189, 192, 198, 284 – entail, 36, 48, 99, 112, 131, 156, 169, 192, 347 – estates, 31–32, 45, 74, 133, 147, 148, 150, 158, 218, 223, 285, 314, 359, 361 – feudal obligations, 130, 275 – feudal tenure, 36, 99, 112, 131, 273 – primogeniture, 113, 153, 190, 325 – privileges, 9 – seignorial rights, 9 – serfdom – – abolishment of, 7, 130 fundamental rights: see rights, 31, 34, 203, 284, 331 government, 71, 97, 133 – federal - state relations, 8, 31, 47, 190, 283, 325, 361 – – federal powers – – – legislative, 89–91 – – supremacy of federal law , 166

E NGLISH I NDEX – finances, 8, 46–48, 81, 95–96, 102, 134, 135, 139, 155–156, 167–168, 214, 217, 218, 246–285, 297–298, 330 – – budget, 41–42, 96, 134, 224, 246, 247, 249–250, 291, 347, 349 – – fiscal period, 134, 246–249 – – public debt, 122, 134, 168–169, 184, 292 – – revenue, ordinary and extraordinary, 41, 134, 135, 210, 248, 291, 330 – form of – – democracy, 360 – – monarchy or empire, 112, 153 – public domain, 155, 347 – subnational government, 118 – – municipal constitutions, 132, 208, 210– 212 – – municipal government, 208, 210, 332 – – provincial or state parliaments, 137, 140, 147, 148, 150, 218 – – provincial subdivisons (counties etc), 147, 150 – – supervision of local government, 213, 332 – suits against the state, 331 infrastructure – postal system, 77 judiciary, 40, 84–116, 159, 329 – attorney general, 117 – courts, 40, 74–75, 78, 84–85, 98, 99, 105, 116, 131, 132, 159, 332 – – appellate court, 217 – – composition of courts, 105, 106, 173 – – constitutional court, 105, 106 – – court of sessions, 197 – – extraordinary courts, prohibition of, 9, 131, 160 – – inferior courts, 116 – – local courts, 206 – – military courts, 40, 112, 116, 131 – – supreme court, 28, 55, 116, 140, 185, 333, 350, 371 – – – as appellate court, 333 – – – as constitutional court, 55–175, 231

– – – judges, 40, 99, 106, 116, 185, 197, 354 – – – – appointment, 116, 185, 197 – – – – chief justice, 106, 173–174 – – – – impeachment, 40, 131 – – – – number, 185 – – – – qualifications, 116, 185 – – – – tenure, 116, 185 – judges, 32, 85–332 – – appointment or election, 132 – – incompatibility with other offices, 85– 86 – – legally competent judges, 74, 159–160, 284 – juries, 117 – jurisdiction, 36, 132, 140, 159, 197, 333 – – ordinary, 140 – relation to other branches, 84, 117, 284, 332 – – distinction from administrative bodies, 159 – remuneration, 333 – trials, 40, 116–117, 131, 198 knighthood, 148, 150, 221, 286–287 law, 37, 82, 90, 98, 118, 195, 203, 214, 223, 302, 330, 350 – transitional provisions, 28, 118–119, 231, 333 legislature, 9, 45, 51, 113–114, 325, 327– 328, 333 – convocation of, 137, 297, 327, 330–331, 367 – joint sessions, 183, 184, 188 – lower house, 162–163 – – members, 162–163, 180 – – – election, 163–164, 180–181 – – – immunity, indemnity, 165–166 – – – plurality of offices, 164 – – – qualifications, 163 – – – re-eligibility, 163, 180–181 – – – remuneration, 170 – – powers – – – appointing power – – – – confirmation of appointments, 17

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E NGLISH I NDEX – – – budgetary power, 167 – – – legislation, 166–217 – – – – reading of bills, 135 – – – – sanctioning of laws, 135, 166, 168 – – – – tax, revenue legislation, 167 – – – tax grants, right of, 134 – – procedures, 166, 170–172 – – – committees, 148, 170–171 – – – dissolution, 138, 168–169 – – – first/constitutive session, 220 – – – journal, 172 – – – – publication of, 172 – – – quorum, 171, 185 – – – resolutions, 172 – – – sessions open to public, 172 – – – votes, 171 – official seat, 61, 341 – powers, 45, 55, 89, 139, 164, 166, 169, 172–175, 329–330, 346 – relation to other branches, 172, 184, 330, 333, 346 – structure, 114 – – bicameral, 114, 161, 180 – third and further houses or chambers, 36– 39, 42, 48, 72–89, 91, 94, 95, 98, 99, 218, 219, 229, 285, 296–297, 314, 316, 318 – – members, 9, 12, 17, 38–39, 48–49, 53, 61, 87–89, 91, 95, 181–183, 219, 220, 223, 226, 229, 258, 261–264, 285–287, 307, 316, 318, 360, 361 – – – appointment, 11, 48, 50, 53, 318, 361, 364–366 – – – election, 9, 12, 23, 39, 48, 50, 53, 58, 87–88, 133, 142, 143, 181, 223, 229, 253, 254, 256, 258, 259, 261, 264, 285–286, 288, 304, 316–327, 333, 339–362, 364, 365 – – – immunity, indemnity, 11, 39, 53–89, 293, 328, 363 – – – incompatibility, 87–88, 143, 327 – – – length of term, 12, 23, 39–40, 48, 50–51, 142, 219, 226, 263–264, 267, 286, 327, 362, 364, 365 – – – mandatory attendance, 37, 53, 63, 64, 264, 294

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– – – plurality of offices, 26, 181, 226, 264, 289, 307 – – – qualifications, 49, 62 – – – re-eligibility, 12, 39–40, 142, 286, 362, 364, 365 – – – remuneration, 12–13, 39, 150, 185, 186, 228, 296, 298, 347, 363, 366 – – – vacancy, 261 – – powers, 9, 10, 45, 90–91, 184, 224, 225, 229, 230, 285, 290, 294–295, 297, 308, 325–327, 330, 333, 360 – – – adjournment, 63, 70, 327 – – – appointing power, 230, 365 – – – – confirmation of appointments, 326 – – – appropriation of funds, 46–47, 330, 346, 360 – – – budgetary power, 38, 46–47, 96, 223, 229, 290–291, 299–300, 330, 360, 365, 370–371 – – – bylaws, 54, 61, 172, 182, 294, 328, 341 – – – impeachment, 141 – – – interpellation, 10, 271, 292, 297, 328 – – – judiciary functions, 10, 47, 360 – – – legislation, 10, 38, 134–136, 182, 186–188, 214, 269, 290, 328, 359 – – – – legislative initiative, 10, 47, 186– 188, 269, 328, 344, 369–370 – – – – passage of bills – – – – – majorities, 52–269, 296 – – – – promulgation, 91 – – – – publication of laws, 17, 190, 328– 329 – – – – reading of bills, 135, 187–188, 229, 269, 297, 367 – – – – restrictions, 225 – – – – – constitutionality of laws, 140 – – – – sanctioning of laws, 188, 224 – – – – taking effect of laws, 43, 269, 328– 372 – – – – tax or revenue legislation, 10, 45, 290–292, 329–330 – – – ratification of treaties, 45, 329, 369

E NGLISH I NDEX – – procedures, 10–13, 38–39, 53, 62, 89, 91–93, 99, 183–185, 187, 225–231, 295–296, 342–347 – – – committees, 93, 94, 138, 139, 184, 295, 331, 341, 346–347, 360, 363, 365, 367, 369 – – – dissolution, 91, 263, 286, 316, 327, 369 – – – duration of session, 51, 91, 343, 360 – – – election of officers, 63, 88, 137, 182, 226, 267, 294, 296–297, 327–328, 342, 346, 364–366 – – – first/constitutive session, 26, 38, 52, 62, 88, 91, 137, 225, 226, 267, 293, 308, 314, 341, 364, 367 – – – journal, 65, 68, 69, 92, 226, 231, 295, 298, 343, 345–369 – – – – publication of, 13, 54, 69, 228, 229 – – – quorum, 52, 92, 137, 138, 294, 328, 341, 368 – – – resolutions, 343 – – – sessions open to public, 39, 54, 69, 131, 137, 179, 327, 343 – – – votes, 10, 47, 53, 66, 92, 185, 228, 230, 295–297, 343, 345–346, 368, 371 – upper house, 113, 161 – – members, 114, 161, 180 – – – election, 114–115, 162, 164, 180– 181 – – – immunity, indemnity, 116, 165–166 – – – leader of upper house, 162 – – – length of term, 115, 163 – – – mandatory attendance, 137 – – – parliamentary officers , 137 – – – remuneration, 116, 170 – – powers, 113, 115 – – – appointing power, 115 – – – appropriation of funds, 135, 137 – – – budgetary power, 167 – – – bylaws, 115 – – – interpellation, 115 – – – judiciary functions – – – – right of prosecution, 140 – – – legislation, 166–167

– – – – legislative initiative, 114 – – – – publication of laws, 132 – – – – sanctioning of laws, 136, 166, 168 – – – – tax or revenue legislation, 167 – – procedures, 115, 166, 170–172 – – – committees, 170–171 – – – journal, 172 – – – – publication of, 172 – – – quorum, 115, 171, 185 – – – resolutions, 172 – – – sessions open to public, 115, 172 – – – votes, 171 military, 32, 35, 37, 42, 47, 74, 76–77, 112, 122, 130, 132, 139, 190, 204 – conscription, 7, 31–32, 74, 111, 158, 204, 284 – members – – special regulations for, 51 – organization of, 111–112, 204 – standing army, 111–112 – supreme command, 74, 132 militia, 76–77, 111–112 nobility, 17, 127 – abolition of titles of, 127, 331 – privileges, 158, 199 oaths, 33, 42, 52, 56, 63, 82, 97, 105, 118, 129, 139, 172, 206, 225, 236, 283–284, 286, 300, 316, 326, 328, 342, 351 – loyalty oaths, 42, 118, 133, 139, 172, 326–327 – of office, 42, 89, 97, 105, 139, 165, 197 police power, domestic security, 32, 36, 74–75, 118, 190, 331 population groups, 209 – foreigners, 206, 207, 209, 222 religion, 129, 332 – Christianity, 160, 172, 284 representation, 19, 37, 205, 212, 286, 327 – free mandate, 50, 88–89, 115–116, 165, 183, 228, 286, 328 rights, 7, 76, 80, 111, 133, 136, 137, 140, 157, 204, 205, 208–210

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E NGLISH I NDEX – assembly, freedom of, 35, 76, 111, 130, 315 – association, freedom of, 35, 76, 130 – bearing or keeping of arms , 128, 132 – emigration, right of, 77, 110, 127, 158, 202, 284 – equality, 7, 31–32, 84, 109, 127, 284 – expression, freedom of, 7, 76, 111, 128 – habeas corpus, 9 – inviolability of the home, 32, 75, 109, 128 – legal rights, 9, 32, 85, 159–285 – – cruel or unusual punishment, prohibition of, 7 – – due process, 56, 85, 109, 160, 197 – – indictment and information, 350 – – to be heard, 140 – liberty and security of person, 74, 109, 128, 157, 198, 223 – matrimony, 129, 200 – movement, freedom of, 35, 81, 109 – occupation, freedom of, 34, 83, 130, 157– 158, 200, 207, 285, 331 – personal freedom, 32, 35 – petition, right of, 11, 38, 89, 111, 130, 158, 184, 200, 201, 225, 272, 315, 330– 332 – popular sovereignty, 325 – press, freedom of the, 8, 33, 111, 128, 158, 201 – privacy of mail, 32–33, 75, 109, 111, 128 – property rights, 8, 9, 77–78, 109–110, 112, 130, 131, 195, 198, 223, 284, 290, 331 – – expropriation, 35, 77, 109–110, 112, 130, 158, 199 – – freedom of ownership, 35, 76–77, 109– 110, 130, 157, 284 – religion, freedom of, 7, 33–34, 74, 81– 110, 129, 158, 160, 213, 284 – science, freedom of, 82, 110, 129 – separation of powers, 73, 132 – trade, freedom of, 8, 77, 111, 157–158, 199, 285

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social welfare, 99, 160–161, 202, 332, 361 – poor, supervision of, 99 sovereign rights of the state, 78–80, 113 – right of coinage, 37, 113 state and administrative apparatus, 34, 37, 40–41, 74, 80, 85–86, 110, 132, 285, 332 – administration, 7, 127, 136, 210, 223– 225, 230, 246, 249, 371 – – waters, 371 – civil servants, 7, 34–35, 39, 81–83, 85– 86, 117, 129, 130, 132, 140, 141, 168– 169, 200, 205, 206, 216, 217, 285, 318, 331–350 state independence, 325 state structure – federal state, 283 state territory, 31, 71, 99, 109, 118, 127, 135, 153, 329 taxes, 41, 45, 80, 96, 101, 102, 117, 122, 123, 131, 190, 203, 206, 256, 291, 330 – tax equity, 8, 117, 291–292 – taxation, 8, 117, 133, 331 territorial organization, 189 – boundaries, 31, 127 voting rights, 15, 17, 19, 87, 141, 142, 180, 209, 219–222, 232, 234, 235, 263, 302– 303, 317 – age, 19, 141, 180, 263, 302, 335 – citizenship, 74, 180, 263, 302, 335 – disqualifying attributes, 20, 87, 141, 142, 180–181, 263–264, 302, 303, 309, 317, 335–336 – education, 9, 34 – gender, 180, 302 – property, 9, 15, 35–36, 181, 263, 302, 336 – religion, 19, 263 – residence, 265, 335 war, state of, 42, 118, 135