Communicating Sustainability: Perspektiven der Nachhaltigkeit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft 9783205792376, 9783205788171

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Communicating Sustainability: Perspektiven der Nachhaltigkeit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
 9783205792376, 9783205788171

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Josef Mantl · Alexander Ochs · Marc R. Pacheco (Hg.)

Communicating Sustainability Perspektiven der Nachhaltigkeit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft

2012 B Ö H LAU VE R LAG W I E N KÖLN WE I MAR

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung durch:

Stadt Graz

Wirtschaftskammer Österreich – Abteilung für Bildungspolitik

Verbund AG, Wien Sustainable Future Campaign Team Sprecher: Josef Mantl Projektleitung und Editor: Alexandra Dancasiu Creative Director: Bernd Plank Team: Daniel Bessler, Alexander Ceh, Christof Hausladen, Georg Krasser, Martin Kulhanek, Sonja Planeta, Franz Teuchmann, Richard Tremmel, Florian Vorraber, Cathrin Waltl, Stefan Windberger

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: © Getty Images/Leander Baerenz © 2012 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Michael Rauscher, Wien Korrektorat: Sophie Gudenus Druck und Bindung: Generaldruckerei Szeged Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in Hungary ISBN 978-3-205-78817-1

Inhaltsverzeichnis

Josef Mantl · Alexander Ochs · Marc R. Pacheco

Einleitung 9 Josef Mantl · Alexander Ochs · Marc R. Pacheco

Introduction 13

SUSTAINABLE FUTURE Josef Mantl · Alexandra Dancasiu

Sustainability, die gute Nachricht 19 Alexander Ochs

Vom Ende der Welt bis an den Anfang der Glückseligkeit. Nachhaltigkeit verstehen, nachhaltig handeln 29 Marc R. Pacheco

The Politics of Building a Sustainable Future 45

SUSTAINABLE POLITICS Johannes Hahn

Der Beitrag der EU-Regionalpolitik zur nachhaltigen Entwicklung 61

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Inhaltsverzeichnis

Michael Spindelegger

Nachhaltigkeit in der österreichischen Außenpolitik 71 Rudolf Hundstorfer

Ein aktiver und fairer Wohlfahrtsstaat ist die Voraussetzung für eine umweltverträgliche Gesellschaft 83 Sebastian Kurz

Integration durch Leistung 91 Eva Glawischnig-Piesczek · Stefan Wallner

It’s the energy … Ein politisches Plädoyer für die grüne Energiewende als Schlüssel zu einer nachhaltigen Gesellschaft 99 Laura Rudas

Nachhaltige Politik in Zeiten der Krise 105 Siegfried Nagl

Wie findet eine intelligente Stadt statt  ? 111 Veronika Mickel

Die Josefstadt  : Nachhaltigkeit auf 1 km2 119

SUSTAINABLE ECONOMY AND ENVIRONMENT Reinhold Mitterlehner

Nachhaltigkeit als Chance für Österreichs Wirtschaft 125



Inhaltsverzeichnis

Nikolaus Berlakovich

Nachhaltigkeit als globale Verantwortung und unmittelbare Handlungsprämisse 129 Franz Benedikt Zöchbauer

Sustainability  : time for leadership 137 Christian Plas ∙ Erwin Mayer

Von der privaten zur politischen Nachhaltigkeit 143 Stefan F. Windberger

Achieving the Millennium Development Goals through Social Business 153 Melanie Sully

So Near, So Far – Sustainable Politics in the Black Sea 163

SUSTAINABLE EDUCATION AND SOCIETY Michael Landertshammer · Belinda Hödl

Keine Zukunft ohne Bildung 173 Wolfgang Mantl

Die schöpferische Kraft nachhaltiger Bildung als Entwicklungsmotor 185 Alexander Ceh

Die völkerrechtliche Dimension der Nachhaltigkeit 189

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Inhaltsverzeichnis

Tamara Buschek

The Roma Issue from a European Union Perspective 201 Martin Kulhanek

Digitale Medien und Nachhaltigkeit 225 Jared Butler

Let’s Not Be a Euthyphro  : Philosophical Approaches to Sustainable Culture

Anhang: Veranstaltungen der Sustainable Future Campaign, 2007–2012 243

AutorInnen 247

Josef Mantl · Alexander Ochs · Marc R. Pacheco

Einleitung

Die Sustainable Future Campaign ist die Nachhaltigkeitsinitiative rund um die Hochschulliga für die Vereinten Nationen – Akademisches Forum für Außenpolitik. Das Akademische Forum für Außenpolitik (AFA) ist die österreichische überparteiliche Organisation für junge Leute, Studierende und AbsolventInnen mit Interesse an internationalen Fragen. Als United Nations Youth and Student Association of Austria ist das AFA gleichzeitig die unabhängige Jugendorganisation der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen (ÖGAVN). Deshalb hat sich das AFA dem Geist der Charta der Vereinten Nationen verpflichtet, versteht sich als Bindeglied zwischen der UNO und der Jugend und will den Nachhaltigkeitsgedanken v. a. bei der Zukunftsgeneration fördern. Die Sustainable Future Campaign wird von Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund getragen, die aber die Sorge um unsere Welt und unsere Gesellschaft gemeinsam haben. Entwicklung und Nachhaltigkeit sind uns ein großes Anliegen. Wir wollen aktiv etwas beitragen, verbessern und verändern. Die Sustainable Future Campaign wurde von einer Gruppe dynamischer Leute gegründet und begleitet, die durch das gemeinsame Ziel einer nachhaltigen Zukunft zusammengeschweißt sind. Wir, Josef Mantl (Sprecher der Sustainable Future Campaign und Vizepräsident der Hochschulliga für die Vereinten Nationen), Alexander Ochs (Direktor des Klima- und Energie-Programmes des Worldwatch Institute in Washington D.C.) und Marc R. Pacheco (Al Gore Climate Messenger und Chairman des Massachusetts Senate Committee on Global Warming and Climate Change), möchten mit diesem Buch Nachhaltigkeit aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Unsere AutorInnen zählen zu unseren UnterstützerInnen und RednerInnen der letzten Jahre und helfen uns mit diesem Sammelband, die Sustainable Future Campaign abzurunden. Jede/r unserer AutorInnen schrieb einen Beitrag, der persönliche Einsicht und professionellen Blick verbindet und das Thema Nachhaltigkeit ganz individuell behandelt. Diese Vielfalt an Themen und Ideen bot den Rahmen für viele Diskussionen und Vorträge, die jungen Menschen und Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft, Industrie, Finanz, Wissenschaft, Diplomatie,

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Umwelt, Kultur und Gesellschaft dabei helfen sollen, sich an die komplexe Struktur globaler Prob­leme heranzuwagen, über diese nachzudenken, Meinungen auszutauschen und miteinander zu kommunizieren. „Nachhaltigkeit kommunizieren“ ist unsere Mission. Mit diesem Buch wollen wir unsere Bemühungen der letzten Jahre zusammenfassen und unsere LeserInnen zu weiteren Diskussionen anregen, ganz im Sinne einer nachhaltigen Nachhaltigkeitskommunikation.

Die Sustainable Future Campaign Die Gesellschaft ist einerseits am stärksten betroffen und tragisches Opfer schlechter Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik, gleichzeitig aber auch selbst mitverantwortlich. Es genügt nicht abzuwarten und darauf zu hoffen, dass der Staat handelt. Die Gesellschaft kann entscheiden, sie kann wählen und sie kann auch selbst handeln. Die Sustainable Future Campaign ist eine Kommunikations- und Informationsplattform, welche versucht, Menschen auf der ganzen Welt zu erreichen. Wir veranstalten Vorträge, Symposien und Diskussionen mit Opinion Leadern aus unterschiedlichsten Sparten. Staaten und ihre Regierungen, aber auch verschiedene Organisationen widmen sich der Verbesserung der Umwelt, der nachhaltigen Entwicklung und auch der Verbesserung von Nachhaltigkeitskonzepten. Auch die Sustainable Future Campaign bemüht sich nun schon seit fünf Jahren, konkrete Impulse zu setzen, die der Jugend und der Gesellschaft eine Orientierung geben sollen, um so besser über Nachhaltigkeit nachdenken, reflektieren und auch in diesem Sinne handeln zu können. Wir alle sind für unsere Welt verantwortlich und wir haben die Möglichkeit, aktiv etwas zu tun, uns zu informieren und unsere Stimme abzugeben. Unsere Ziele  : • Kommunikations- und Informationsplattform zur Anregung neuer Gedanken und Ideen • Analyse neuer Wege und Methoden für eine nachhaltige Lebensweise • Informationen für die Jugend und die Zivilgesellschaft über nachhaltiges Leben und Handeln • Förderung inter- und transdisziplinärer Dialoge zwischen der Zivilgesellschaft, Politik, Wirtschaft, Industrie, Finanz, Wissenschaft, Diplomatie, Umwelt und Kultur



Einleitung

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Wir danken dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, dem Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, der Wirtschaftskammer, der Industriellenvereinigung, dem Land Steiermark, der Stadt Graz, dem Unternehmen Verbund, der Firma Saubermacher, der Nachhaltigkeitsberatung Denkstatt, dem Österreichischen Biomasseverband, dem Massachusetts Senate Committee on Global Warming and Climate Change, der Initiative „go governance“, den Jugendorganisationen und all unseren Partnern für die Unterstützung in dem halben Jahrzehnt der Sustainable Future Campaign.

Earth Summit Seit 2007 hat die Welt eine große globale Nahrungsmittelkrise, Instabilität des Ölpreises, steigende Klimavariabilität und die schlimmste globale Finanzkrise seit fast einem Jahrhundert erlebt. Wir nähern uns immer mehr jenem Punkt, an dem eine mögliche Vermeidung des katastrophalen Klimawandels unwahrscheinlich ist. Die Mehrheit der Ökosysteme auf der Erde ist als Folge menschlicher Aktivitäten mittlerweile geschädigt oder zumindest stark beeinträchtigt. Wenn das Wachstum der Weltwirtschaft weiter im bisherigen Tempo voranschreitet, wird die Menschheit bis Ende des Jahrhunderts mindestens zwei weitere Planeten finden müssen, um das derzeitige Konsumverhalten aufrechterhalten zu können. Angesichts dieser Vielzahl von Problemen ist es immer wieder aufs neue entscheidend, dass die globalen Entscheidungsträger zusammenkommen, um einen nachhaltigen Entwicklungsweg zu kreieren, der einen angemessenen Lebensstandard, unter Berücksichtigung unserer Ökosysteme und Ressourcen, für die Weltbevölkerung ermöglicht. Das derzeitige Entwicklungsmoment kann nicht fortgesetzt werden – das Umkehren von mehr als 150 Jahren unnachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung wird ein neues Denken und innovative Lösungen erfordern. Am 24. Dezember 2009 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Resolution, mit der Zustimmung zu einem „Rio +20“ Earth Summit im Jahr 2012. Die Resolution nannte vier Schwerpunkte für die UN-Konferenz über nachhaltige Entwicklung im Jahr 2012  :

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Josef Mantl · Alexander Ochs · Marc R. Pacheco

• Überprüfung der Verpflichtungen • Emerging Issues • Green Economy im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Armut und nachhaltiger Entwicklung • Institutionelle Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung Leider gelten die Ergebnisse des Gipfels als äußerst unbefriedigend. Umso mehr und gerade jetzt sind weitere und neue nachhaltige Aktivitäten und Aktionen gefragt – Communicating Sustainability  ! Die Sustainable Future Campaign blickt auf erreichte Ziele und Projekte zurück und möchte mit diesem Buch die Bemühungen der vergangenen Jahre zusammenfassen und weiter vorantreiben. „Nachhaltigkeit kommunizieren“ nützt die Energie der Vergangenheit, um einen Impuls für die Zukunft zu setzen.

Josef Mantl · Alexander Ochs · Marc R. Pacheco

Introduction

The Sustainable Future Campaign is a project of the United Nations Youth and Student Association — Academic Forum for Foreign Affairs. The Academic Forum for Foreign Affairs (AFA) is the Austrian non-partisan organization for young people, students and graduates interested in international issues. Being also the United Nations Youth and Student Association of Austria, AFA is at the same time the independent youth branch of the Foreign Policy and United Nations Association of Austria (UNA-AUSTRIA). Therefore, AFA has committed itself to the spirit of the Charta of the United Nations and understands itself as a link between the UN and the youth. The Sustainable Future Campaign is formed by people with different backgrounds, majors, professions and ideas. But we all have a main thing in common  : We care about our world and about our society. We care about development and sustainability. Furthermore we do not only care but we also want to contribute, improve and change. We are a bunch of people who came together to form and start the Sustainable Future Campaign. We, Josef Mantl (Spokesman of the Sustainable Future Campaign and Vice President of the United Nations Youth and Student Association), Alexander Ochs (Director of the Climate and Energy Programme at the Worldwatch Institute in Washington D.C.) and Marc R. Pacheco (Climate Messenger of the Climate Reality Project founded by Al Gore and Chairman of the Massachusetts Senate Committee on Global Warming and Climate Change) would like to discuss and look at sustainability from different perspectives. This book is a compilation of our speakers and supporters of the last years. Each of our authors wrote an article expressing personal insight and professional view on sustainability. Different perspectives, topics and ideas formed a bright framework for our many discussions and panels which helped young people, leaders from the public and private, industrial, finance, scientific, diplomatic, environmental and cultural sector and opinion leaders from the civil society to focus on global problems, reflect, share opinions and communicate with each other. “Communicating Sustainability” is our mission and we would like to summarize our efforts of the last years with this book and engage many

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of our readers in further discussions, keeping Communicating Sustainability sustainable.

The Sustainable Future Campaign Society is the most affected and tragic victim of bad development and at the same time it is the most responsible. It is not enough to wait and see what happens on the governmental level. The government is the representative body of the civic society. The society can choose, can vote and can act. The Sustainable Future Campaign is a communication and information platform, which aims to engage people from all around the world with a special focus on the youth. We are planning and leading a series of debates and panel discussions with opinion leaders with different backgrounds. As governments and major organizations work to improve environmental conditions, development, and sustainability, the Sustainable Future Initiative leads a five year long effort to introduce tangible steps to the world’s youth and the society to think, reflect and act on behalf of sustainable development. We all are responsible for our world and we have the possibility to act, get informed and vote. Our objectives  : • Creating a communication and information platform for innovation and sharing of ideas • Finding new ways and methods to live sustainably • Informing the youth and society how to help, live and act in a sustainable way • Promoting interdisciplinary dialogues bringing people from the society and from the political, economic, industrial, financial, scientific, diplomatic, environmental and the cultural sector together We thank the Austrian Ministry of Agriculture, Forestry, Environment and Water Management, the Austrian Ministry of Economy, Family and Youth, the Austrian Ministry of Science and Research, the Austrian Ministry for European and International Affairs, the Austrian Ministry of Labour, Social Affairs and Consumer Protection, the Austrian Chamber of Commerce, the Association of Industrialists, the State of Styria, the City of Graz, the company Verbund, the company Saubermacher, the Sustainability Consult-



Introduction

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ing Denkstatt, the Austrian Biomass Association, the Massachusetts Senate Committee on Global Warming and Climate Change, the initiative “go governance”, the youth organizations and all our partners for their support in the half decade of the Sustainable Future Campaign.

Earth Summit 2012 Since 2007 the world has witnessed a major global food crisis, serious volatility in oil prices, increasing climate variability and the worst global financial crisis for almost a century. We are fast approaching a point beyond which the avoidance of catastrophic climate change will become significantly less likely. The majority of the planet’s ecosystems are degraded or under severe pressure as a result of human activity. If global economic growth continues at the current rate, humanity will have to find at least another two planets by the end of the century to sustain consumption patterns. Facing these myriad problems, it is critical that global leaders come together to define a sustainable development pathway that secures a reasonable standard of living for the global population whilst preserving our ecosystems and resources. The current development paradigm cannot continue - reversing over 150 years of unsustainable economic development will require new thinking and innovative solutions. On 24th December 2009 the UN General Assembly passed a resolution agreeing to hold a “Rio+20” Earth Summit in 2012. The resolution outlines four areas of focus for a UN Conference on Sustainable Development in 2012  : • Review of commitments • Emerging Issues • Green Economy in the context of Poverty Eradication and Sustainable Development • Institutional framework for Sustainable Development Unfortunately, the results of the summit are very poor. Especially at the moment more new sustainable activities and actions are needed — Communicating Sustainability  !

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Josef Mantl · Alexander Ochs · Marc R. Pacheco

The Sustainable Future Campaign looks back at reached goals and implemented projects and would like to acknowledge the efforts of the past years with this book. “Communicating Sustainability” is taking the energy of the past to set an impulse for the future.

Josef Mantl · Alexandra Dancasiu

Sustainability, die gute Nachricht

Ein Blick aus der Vogelperspektive Nachhaltigkeit. Globalisierung. Corporate Social Responsibility. Armut. Outsourcing. Digital Media. Finanzkrise. Terrorismus. Green Jobs. Shared Value. Social Business. Diese Schlüsselbegriffe unserer Zeit sind tägliche Schlagzeilen und doch nicht genau fassbar. Manche spiegeln die negativen Externalitäten, die an unserem Wirtschaftssystem unbeachtet vorüberziehen, wider, andere inspirieren und geben Grund zur Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Tag für Tag werden Untergangsszenarien generiert, sei es im Zusammenhang mit Naturkatastrophen, Kriegen oder Finanz- und Wirtschaftskrisen. Aber die Zivilgesellschaft schläft schon lange nicht mehr, und während in Russland die Protestierenden mehr Demokratie verlangen, sind die BürgerInnen der EU engagiertere Fürsprecher der Klimagerechtigkeit als ihre VolksvertreterInnen. Man darf ruhig staunen, was sich in den letzten Jahren alles getan hat. Auf der ganzen Welt sind Bewegungen entstanden, die sich durch das Internet koordinieren und eine nachhaltige Zukunft in all ihren Aspekten einfordern. Der Einzelmensch fühlt sich mehr denn je für sein eigenes Schicksal und das seiner Umwelt verantwortlich. Sei es über das Internet oder auch lokal im Rahmen von Nachbarschaften und auf Gemeindeebene, Menschen kommen wieder vermehrt zusammen, um sich auszutauschen, Probleme zu lösen und gemeinsam einander zu helfen. Innovative Ideen, die früher lokal blieben und nur an wenige Personen gebunden waren, deren Geist oft vom Erfinder mit ins Grab genommen wurde, leben nun nicht nur in Büchern weiter, sondern streuen ihre Samen im Internet und verbreiten sich im Netz. Der Austausch der Ideengeber mit denjenigen, die die Umsetzung planen, hat sich entkompliziert  ; neue Initia­ tiven entstehen online in Sekundenschnelle. Das 21. Jahrhundert zeichnet sich dadurch aus, dass viele Impulse Form gewinnen können, ohne sich dabei komplizierten bürokratischen Prozessen beugen zu müssen. Staaten sind nicht mehr die Hauptakteure, und die Welt wird, wie der amerikanische Diplomat Richard Haass treffend bemerkt, eine apolare bleiben.

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Internet oder Realität  ? In Zeiten einer stark vernetzten virtuellen Welt und eines nahezu ebenso schnelllebigen realen Gegenstückes ist es wichtig, sich nicht im Dickicht der Ideen zu verlieren. Zivile Widerstände und Revolutionen organisieren sich über das Internet in Ländern, in denen es noch vor einem Jahr niemand für möglich gehalten hätte, politische Messages verbreiten sich über Facebookpages mit Tausenden von „Likes“ und Zwitschern ist nicht mehr nur den Vögeln vorbehalten. Wer etwas mag, der liked es. Wer etwas sehr mag, der shared es. Und wer seinen Senf dazugeben möchte, darf das getrost in seinem Comment machen. Wir agieren und interagieren auf Social-MediaPlattformen, sind individuell aktiv, brauchen aber dennoch die Gemeinschaft und den Zusammenhalt in der wirklichen Welt. Die Qualität von Informationen determiniert sich durch ihre Authentizität und ihren Platz in der realen Welt. Es kann keine universal anwendbaren Lösungen für alle Probleme dieser Welt geben, denn es gibt keine identischen Probleme. Eine Analogie in der Problemlösung ist deshalb oft schwierig. Dennoch ist es sinnvoll und ratsam, sich von anderen inspirieren zu lassen, Ähnlichkeiten in der Problematik zu finden und daraus spezifische Lösungen abzuleiten. Die Kombination von online und offline bringt entscheidende Fortschritte. Evgeny Morozov ist Publizist und beschreibt, wie Technologien wie das Internet sich auf die Gesellschaft auswirken und spricht von einer Net Delusion. Das Internet und der Schutz der Anonymität – gewährleistet durch das Internet – schaffen allerdings noch keine Bewegung und auch keine Revolution. Deshalb sprechen wir von Nachhaltigkeit auf allen Ebenen und sämtlichen Kommunikationskanälen, die dabei zusammenarbeiten können und sollten. Die Sustainable Future Campaign ist eine Kommunikations- und Informationsplattform, die es sich zum Ziel gesetzt hat, online und offline zu verbinden, Diskussion zu schaffen und dabei auch Österreich und die internationale Gemeinschaft in einen Dialog zu bringen.

Think global, act local Österreich lebt diesen Leitspruch in vielen Formen vor. Es gibt viele Projekte, Kampagnen und Ideen, die von ÖsterreicherInnen für ÖsterreicherInnen gestartet wurden. Aus der Vielzahl an neuen und kreativen Initiativen wollen wir hier einige als Best-Practice-Beispiele nennen  :



Sustainability, die gute Nachricht

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The Hub, STARTeurope, Sektor 5

Hierbei handelt es sich um innovative Plätze und Orte, an denen Ideen und Entrepreneure zusammenkommen. Allen BesucherInnen und UnternehmerInnen ist gemeinsam, dass sie nach neuen Ideen, unkonventionellen Rahmenbedingungen und horizonterweiternder Inspiration suchen, was sie in den Räumlichkeiten von Hub und Sektor 5 sicherlich auch finden. Im Hub gibt es ein interdisziplinäres Angebot an Veranstaltungen zu diversen Themen wie HubxWater – Water & Sustainability, Design Thinking Workshop, Business Basics u. v. m. Als Oasen der Inspiration und Kreativität bieten sie Reflexion und Aufbruchsstimmung für eine Welt, die immer komplexer wird und wo jede Entscheidung durch die Kette an Risiken wohlüberlegt sein will. STARTeurope bietet eine Plattform für neue und innovative Startups in Österreich und Europa. Dadurch soll ein Unternehmergeist, wie er zum Beispiel im kalifornischen Silicon Valley herrscht, auch hier entstehen – ganz nach dem Motto „innovation through collaboration“. MyProduct.at

„Richtige Männer haben einfach Hunger  !“ – so beschreiben die drei jungen Männer Mike, Rainer und Thomas von MyProduct.at den Start der Plattform in ihrer Philosophie. Österreich ist ein Agrikulturland und hat viele landwirtschaftliche Betriebe mit einzigartigen Produkten. Der Anteil der Stadtbevölkerung nimmt allerdings stetig zu, und oft stehen ländliche Betriebe vor der Abwanderung eines großen Teiles ihrer Kundschaft. MyProduct.at soll dem entgegenwirken und eine Brücke zwischen urbanen KonsumentInnen und ländlichen AnbieterInnen bauen. Seit November 2009 bietet MyProduct.at eine Plattform für hochwertige landwirtschaftliche Produkte aus Österreich, welche es ermöglicht, direkt von LandwirtInnen das eigene Lieblingsprodukt zu bestellen. Ein Klick genügt, und das Produkt wird vom Bauernhof direkt nach Hause geliefert. Derzeit werden auf der Plattform mehr als 1.000 verschiedene Produkte angeboten. Dieses Projekt ist ein gutes Beispiel für das Bestreben der ÖsterreicherInnen, die eigenen Produkte und die heimische Produktion zu stärken und zu schützen. Diese Kombination aus einer Stärkung der Wirtschaftsleistung strukturell benachteiligter Regionen und nachhaltigem Genuss verdient auf alle Fälle Aufmerksamkeit.

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Mingo.at

Ideen zu haben ist eines, aber sie umzusetzen und ein Unternehmen aufzubauen etwas ganz anderes. Beides ist schwierig und braucht Zeit, Kraft und die richtigen Rahmenbedingungen. Die Stadt Wien hat die Startup-Initiative Mingo gegründet, um neue Unternehmen zu unterstützen. Es werden zahlreiche kostenlose Serviceleistungen geboten, um Unternehmen und GründerInnen auf ihrem Weg zu unterstützen. Somit haben auch kleinere Unternehmen eine Chance, zu wachsen und wettbewerbsfähig zu werden. Ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit wird gefördert und mit dem Mingo Award belohnt. Ein Beispiel ist der Hauptpreis in der Kategorie „Sozial orientierte Aktivität“, der 2011 an AfB (Arbeit für Menschen mit Behinderungen) ging. Viele behinderte Menschen leiden mehr unter fehlenden Aufgaben oder Perspektiven als unter ihren eigentlichen Behinderungen. AfB ist es gelungen, mit einem real erfolgreichen Modell viele neue Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen zu schaffen  : Firmen mit sozialer Verantwortung überlassen AfB ihre nicht mehr benötigte ITHardware, die Ware wird abgeholt, getestet und wenn nötig repariert. Das Projekt verbindet soziales Engagement mit dem Nachhaltigkeitsgedanken durch Schonung von kostbaren Ressourcen. Ein Sonderpreis ging an SchülerInnen der Vienna Business School Schönborngasse, die einen Businessplan für ein Fitnesscenter entworfen haben, das Kindern spielerisch eine gesunde Lebensweise vermittelt. Supertaalk.at

Das gemeinsame Freiwilligenprojekt der Teams von Nonapartofthegame. eu und Ichmachpolitik.at ist eine Talkshow, die tiefgründige Gespräche über wichtige politische Themen unserer Zeit bieten möchte und sicherlich zu den spannendsten Journalismusprojekten in Österreich gehört. Übertragen wird die Sendung live über das Internet. Was den Supertaalk als Webprojekt so hervorhebt, ist die Integration der ZuseherInnen. Diese können sich per Videoeinspielung einbringen oder während der Debatte ihre Inputs über Twitter und Facebook mitteilen. Es wird diskutiert, reflektiert und vor allem auch gezielt kritisiert, ohne dabei in eine populistische Polemik zu verfallen. Nie an der Causa vorbei, mit etwas Zynismus und „Schmäh“, ganz im Sinne der Wiener Kaffeehauskultur. Das Projekt ist eine Alternative zu den meist oberflächlichen Medien- und Nachrich-



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tenquellen und bietet mit seinen regelmäßigen Sendungen eine nachhaltige Informationsquelle. TEDx

Auch die internationale Konferenzplattform TED schaffte es nach Österreich. TEDxVienna, TEDxSalzburg und TEDxInnsbruck luden bereits zu interessanten innovativen Veranstaltungen mit international bekannten Größen aus den Bereichen Wissenschaft, Kunst und Politik. Aufgrund des hohen Andranges werden grundsätzlich nicht nur die RednerInnen mit Bedacht ausgewählt, sondern auch die begehrten und streng limitierten Karten selektiv vergeben. Die Auswahl soll gewährleisten, dass die BesucherInnen der TED-Konferenzen zwar nicht homogen sind, aber zumindest alle der Grundidee „Ideas worth spreading“ Folge leisten und somit eine Gemeinschaft entsteht, die auch ein gemeinsames „Wir“ anstatt eines Konglomerats an „Ichs“ widerspiegelt. Die Talks und die Informationen daraus bleiben keineswegs einer kleinen elitären Gruppe vorbehalten, denn ganz dem Credo „Ideas worth spreading“ entsprechend, werden sie im Anschluss an die Konferenz kostenfrei im Internet zur Verfügung gestellt, womit standortunabhängige Information gewährleistet wird. Dadurch sollen Wissen und Information basisdemokratisch und ohne geografische oder finanzielle Barrieren für alle greifbar sein. Natürlich gibt es noch viele andere heimische Initiativen und Projekte, die sich der Nachhaltigkeit aus gesellschaftlicher, ökologischer oder ökonomischer Perspektive widmen. Die Sustainable Future Campaign bringt im Sinne einer Kommunikations- und Informationsplattform all diese Ideen, Initiativen und Menschen zusammen. Durch Veranstaltungen, unsere Homepage und unsere Social-Media-Präsenz informieren wir und bieten einen Raum zum Thema Nachhaltigkeit, wo alle Interessierten und Neugierigen mitmachen, sich informieren und auch nachfragen können. Neue Ideen bringen neue Chancen für die Nachhaltigkeit.

Der internationale Wind in der Nachhaltigkeitsdebatte Die Community der Sustainable Future Campaign ist international breit gestreut. Diese weit reichenden „Fühler“ garantieren uns die globalen Berührungspunkte, die so unerlässlich für das Erkennen neuer Horizonte sind.

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Nachhaltigkeit wird international auf den verschiedensten Ebenen diskutiert. Eine der grundlegenden Darstellungsformen der Nachhaltigkeit, bekannt aus dem Brundtland-Report, ist die Triade aus Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft. Die massiven Auswirkungen der Produktion von Konsumgütern auf die Umwelt und den Lebensraum von Menschen-, Tier- und Pflanzenwelt sind hierfür nur ein konkretes Beispiel. Der Kampf um unseren Planeten und das Wettrennen mit der Zeit, um die globale Erwärmung und die negativen Folgen auf unsere Umwelt möglichst gering zu halten, hat unsere Welt polarisiert und in noch stärkerem Maße politisiert. Die Suche nach einem Sündenbock und den Hauptverantwortlichen erschwert die Verhandlungen und Ausarbeitung von Zielen und Resolutio­ nen auf den internationalen Klimaweltgipfeln. Die Konflikte sind multidimensional, denn Staaten kämpfen gegen Weltkonzerne und Unternehmen, Unternehmen gegen KonsumentInnen und KonsumentInnen gegen Staaten. Der Wunsch nach einer Regulierung geht mit einer Angst vor Überregulierung einher, und kein ökonomisches Modell gibt ausreichende Antworten auf die Externalisierung von Umweltschäden. Zwei Ansätze auf einer methodischen Ebene in der Nachhaltigkeitspolicy sind zu unterscheiden  : Eine Lösung, die von politischen ExpertInnen und Umwelt-AktivistInnen debattiert wird, ist eine zunehmend strengere Regulierung auf nationaler und internationaler Ebene. Es wird argumentiert, dass freiwillige und eigene Initiativen von Einzelpersonen und der Zivilgesellschaft unwahrscheinlich oder ineffektiv sind oder zumindest nur vereinzelt in der Gesellschaft vorkommen. Eine andere Gruppe schlägt vor, Aufklärung und Organisation der KonsumentInnen zu fördern, da nur bewusste KonsumentInnen und eine „nachhaltige Nachfrage“ die Kraft haben, Unternehmensentscheidungen in ihrem Sinne zu gestalten. Sowohl in der Gesetzgebung als auch im Bewusstseinsbildungsprozess dieser Menschen gibt es verfolgenswerte Ansätze – dennoch dürften beide Konzepte nicht umfassend genug sein, um das Problem in ausreichender Geschwindigkeit und Vollständigkeit zu lösen. Auf der Ebene der Methoden und Lösungen gibt es eine starke Triade. Jene drei Parteien, die sich gern gegenseitig die Schuld zuschieben, sind auch jene, die verantwortlich sind und handeln können. Wie bereits erwähnt, kann der Staat einerseits und die Gesellschaft und damit auch jede einzelne Person andererseits an einem nachhaltigen Weltbild und Lebensstil mitwirken. Als drittes Standbein kommen auch Unternehmen hinzu. Multinationale Konzerne sind mittlerweile so groß und komplex, dass es schwer wäre, diese nicht



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in die Nachhaltigkeitsdebatte zu integrieren. Der Umsatz von Coca-Cola ist größer als das BIP von mehreren Entwicklungsländern, und da Unternehmen durch den Konkurrenzdruck schneller als Staaten reagieren müssen, sind sie auch für neue, innovative Ideen empfänglicher. Wenn man mit CEOs, insbesondere in den USA oder Europa, spricht, dann wird oft die Befürchtung laut, dass Nachhaltigkeit und die Entwicklung „grüner“ Produkte einen Nachteil gegenüber KonkurrentInnen aus den Entwicklungsländern darstellen. Die Frage ist, ob KonsumentInnen bereit sind, für nachhaltige und umweltfreundliche Produktion mehr zu zahlen. Folglich betrachten viele CEOs und UnternehmerInnen Nachhaltigkeit als Corporate Social Responsibility und trennen sie somit von den grundlegenden Unternehmenszielen. Schließlich wird Nachhaltigkeit von vielen Unternehmen als teurer PR-Stempel gesehen, dessen Kosten für ein Produkt untragbar sind. Vor allem die Wirtschaftskrise hat dieses Bild verstärkt, da KonsumentInnen ein umweltbewusstes Einkaufen nicht zugetraut wird, weil nachhaltige Produkte im Regelfall teurer sind und in eine Klasse mit Luxus- und Prestigegütern geworfen werden. Mutige und kreative ManagerInnen, die umweltbewusste Generation Y und auch der Druck von NGOs und der umweltbewussten Community haben jedoch gezeigt, dass Nachhaltigkeit sehr wohl auch wettbewerbsfähig ist und als Motor für Innovation durchaus zu den Unternehmenszielen gezählt werden darf und soll. Der Nachhaltigkeitsaspekt schafft auch als Unternehmensstrategie Grundlage für innovative Ideen in so verschiedenen Bereichen wie Technik, Management, Produktion oder Finanzierung. Dass Nachhaltigkeit nicht nur soziale Verantwortung von Unternehmen ist, sondern auch gesellschaftlich ein gelungenes Geschäftsmodell bietet, um soziale Probleme zu bekämpfen, zeigte der Nobelpreisträger Muhammad Yunus. Geld sollte seiner Ansicht nach eher als Finanzspritze in eine Geschäftsidee investiert werden, um denjenigen, die es benötigen, auch nachhaltig eine Chance zu geben, ihre Lebenssituation zu verbessern. Social Business ist daher eine gute Alternative zu Spenden, die oft versickern und nicht effizient genutzt werden. Natürlich schafft Social Business allein noch keine Wunder, aber zusammen mit NGOs und auch MNCs können Hybride entstehen, die gezielt in der Gesellschaft soziale Probleme in Angriff nehmen und auch Raum für die Zivilgesellschafft schaffen, um selbst mitzuwirken und sich zu beteiligen. Durch den Unternehmensaspekt werden weiters Arbeitsplätze geschaffen, die Wirtschaft angekurbelt und Social Businesses – also Unternehmen – gegründet, die auf konkrete soziale Bedürfnisse reagieren und direkt und lokal etwas ändern können.

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Josef Mantl · Alexandra Dancasiu

Auch große Unternehmen können von nachhaltigen Ansätzen und Strategien profitieren. Sustainability ist mehr als nur Corporate Social Responsibility, also eine weitere Verpflichtung von Unternehmen. Umweltfreundliches Denken kann zudem kostensenkend wirken, da die Unternehmen am Ende weniger Rohstoffe brauchen, effizienter produzieren und dadurch Ressourcen sparen. Anzustreben ist, dass Gesetzgeber, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten und versuchen, Emissionen und die Umweltbelastung zu verringern. Gesetzgeber und Unternehmen starten auch Top-Down-Initiativen zum Thema Nachhaltigkeit. Social Business und Corporate Social Responsibility haben sich größtenteils dadurch etabliert, dass PolitikerInnen und ManagerInnen sich Gedanken machen und nach neuen nachhaltigen Lösungen suchen. Die breite Bewegung gewinnt v. a. auch durch Social Media an Stimme und Relevanz, was sich nicht zuletzt durch die Ereignisse des Jahres 2011, den Arabischen Frühling und die Occupy-Bewegung manifestierte. Man kann von einer globalen Gesellschaft sprechen, die durch das Internet miteinander vernetzt ist, kommuniziert und dadurch proaktiv agiert. Atemberaubende neue Entwicklungen wird auch das Mobile Marketing mit Mobile Advertising (Werbung am Mobiltelefon und Smartphone), Applications (funktionelle Anwendungssoftware), QR Codes (zweidimensionale Informationscodes), Augmented Reality (computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung), Location Based Services (standortbezogene Dienste durch Datenbereitstellung), Near Field Communication (kontaktloser Kurzstreckenaustausch von Daten), Solomo (social-local-mobile, Verknüpfung sozialer Netzwerke mit lokalen Angeboten in mobiler Kommunikation) und dem mobilen Internet (world wide web am jeweiligen mobilen device) bringen. Inwieweit sich nun Technologie und Digital Media auf Alltag, Politik und Wirtschaft auswirken werden, bleibt abzuwarten. Das Wichtigste ist aber, dass wir selbst den Entwicklungen nicht nur passiv folgen, sondern aktiv mitwirken und be­wusst teilnehmen.

Die Sustainable Future Campaign als Auftrag Der Blick auf alle diese innovativen Ideen ist Inspiration und Motivation für eine Initiative wie die Sustainable Future Campaign. Die Bewegung muss sich „bottom up“ entwickeln, denn das Warten auf Entscheidungen von PolitikerInnen und anschließendes Kritisieren ist zu wenig – Engagement im



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eigenen Mikrokosmos eines jeden Einzelnen ist gefragt. Die Jugend und die Digital Natives haben in dieser Entwicklung eine herausragende Bedeutung. Die nachhaltige Modernisierung muss aber alle Generationen und Bevölkerungsgruppen, v. a. Frauen und Jugend, erfassen und von diesen mit Verve getragen werden. Gerade das partielle Scheitern von Rio+20 ist Auftrag für neues, mutiges und entschlossenes Handeln. Das lokale Bewusstsein muss sich mit den Eliten der internationalen Staatengemeinschaft verknüpfen. Technologie und Innovation sollen Vernetzungen fördern und das Denken über den Tellerrand hinaus ermöglichen. Diesem Tenor folgt auch die Sustainable Future Campaign. Als Kommunikations- und Informa­tionsplattform und Motor für Out-of-the-box-thinking schafft sie einen Raum, in dem informiert und diskutiert wird und neue Ideen entstehen. Die Zivilgesellschaft darf und soll Fragen stellen können und durch den integrierten Feedbackprozess nicht nur lernen, sondern auch lehren. Sowohl durch große Aktionen als auch kleine Diskussionsrunden sollen Querverbindungen zwischen PolitikerInnen, UnternehmerInnen, Entscheidungsträgern, jungen Leuten und all jenen geschaffen werden, die sich für Nachhaltigkeit und unsere komplexe Welt interessieren. Denn dort, wo sich die Disziplinen überschneiden, entsteht Innovation  : Sustainability, die gute Nachricht.

Alexander Ochs

Vom Ende der Welt bis an den Anfang der Glückseligkeit Nachhaltigkeit verstehen, nachhaltig handeln

Ich wage die These, dass Nachhaltigkeit von den meisten Mitbürgern kaum und von vielen falsch verstanden wird. Zu häufig wird Nachhaltigkeit auf ein umweltpolitisches Konzept zum Erhalt des uns Verbliebenen reduziert. Dabei ist sie weit mehr als ein notwendiger Leitfaden zum Schutz unserer Lebensgrundlagen  ; nachhaltige Entwicklung kann den Weg nach vorn weisen, hinein in eine Zukunft, die dem Einzelnen und der Gesellschaft ein glücklicheres Dasein zu bieten hat als Vergangenheit und Gegenwart. Sie muss es geradezu, nicht allein, weil wir sonst ökologisch bald am Ende sind, sondern auch, weil andere ideologische, politische und ökonomische Entwürfe gescheitert und nicht mehr glaubhaft sind.

Woher wir kommen, wohin wir gehen Der siebenmilliardste Mensch erblickte vor Kurzem die Welt. Damit ist die Weltbevölkerung in nur zwölf Jahren um eine weitere Milliarde gewachsen. Im letzten halben Jahrhundert hat sie sich mehr als verdoppelt. Doch unser ökologischer Fußabdruck ist heute nicht allein deshalb größer, weil wir uns fast explosionsartig vermehrt haben und allen Prognosen zufolge weiter werden, bis hin zu geschätzten neun Milliarden im Jahr 2050. Gleichzeitig veränderten sich Lebensstile und Lebensstandards in den meisten Erdteilen auf eine Art und Weise, die der natürlichen Umwelt nur wenig zuträglich ist  ; wir entziehen dabei zunehmend Tieren, Pflanzen und uns selbst essenzielle Lebensgrundlagen. Es gibt heute keinen Ort mehr auf der Erde, der nicht vom menschlichen Handeln maßgeblich beeinträchtigt wurde. Eines kann sich der Mensch also sicher nicht vorwerfen  : dass er sich die Welt nicht untertan gemacht hätte. In den meisten Fällen leisten wir dabei ganze Arbeit. Der Blaue Planet mit seinen einst grünen, gelben, weißen und roten Tupfern wird immer mehr zur einem bräunlich-grauen „Dreckbatzen“. Selbst auf seinen einst blauen Mee-

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ren schwimmen inzwischen gigantische Inseln von Müll, von denen, einigen Schätzungen zufolge, viele kontinentale Ausmaße angenommen haben. Der Zersiedlung und Umweltverschmutzung fallen immer weitere Teile einst intakter Natur anheim. Die motorisierte Groß-Agrarwirtschaft, aufgebaut auf künstlichem Dünger und Pestiziden, und die Abholzung der Wälder schaffen Ödland oder Monokulturen, wo zuvor Artenreichtum herrschte. Um das Hundert- bis Tausendfache hat der Mensch die natürliche Rate des Artensterbens bereits gesteigert. Die UN-Biodiversitätskommission beschrieb vor Kurzem eindringlich die Gegenwart als Vorboten eines vom Menschen verursachten Massensterbens  : 14 % aller Vögel, 22 % aller Säuge­ tiere und 31 % aller Amphibien sind demzufolge akut gefährdet oder bereits ohne Chance auf Rettung. 40 % der weltweit zur Verfügung stehenden Wasserressourcen werden inzwischen vom Menschen beeinträchtigt. Somit hat sich der Wasserverbrauch der Menschen im letzten Jahrhundert verachtfacht. Verschmutzung, Versalzung, Sedimentzufuhr und andere Formen der Kontaminierung zerstören Seen, Flüsse und Küstengebiete. Laut UNSchätzungen haben weit über eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser mehr, mehr als 2½ Milliarden haben keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen und mehr als jeder siebte Mensch hungert heute – all dies eine Konsequenz daraus, dass die Natur, so wie wir sie nutzen und gestalten und verteilen, nicht mehr das Notwendigste für alle zur Verfügung stellt. Sicher, es gibt auch gute Nachrichten. In einigen Regionen ist die Wasserund Luftverschmutzung zuletzt zum Teil deutlich zurückgegangen. Auch der Artenschutz zeigt vielerorts Wirkung. Und mit dem Ozonloch hat man zumindest ein globales Umweltproblem weitgehend in den Griff bekommen. Auch die Bevölkerungszunahme ist in vielen Teilen der Welt zurückgegangen und in manchen inzwischen sogar rückläufig. Doch insgesamt deuten die Trends eindeutig in Richtung einer dramatischen Verschlimmerung der Umweltsituation.

Sonderstellung Klimawandel Dem Klimawandel kommt im Nachhaltigkeitsdiskurs zu Recht besondere Bedeutung zu. Das liegt zum einen an den extremen, potenziell existenzgefährdenden Folgen der Erderwärmung auf Mensch und Natur, zum anderen an der Schwere der Herausforderungen, die aus den Zielen der Treibhaus-



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gasminderung sowie der Anpassung an den nicht mehr vermeidbaren Teil des Klimaproblems erwachsen. Im vergangenen Jahrhundert hat sich die durchschnittliche Erdtemperatur bereits um etwa 0,74 Grad Celsius erhöht. Die Folgen davon sind unübersehbar. Das arktische Eis hat allein in den vergangenen dreißig Jahren um fast 10 % abgenommen, in den Sommermonaten gar um das Doppelte. Nach 1961 stieg der Meeresspiegel um knappe 2 mm pro Jahr an, seit 1993 sind es bereits über 3 mm jährlich. Auch Inlandgletscher schmelzen weltweit in Rekordrate. Und während in den meisten nördlichen Gefilden der Niederschlag kontinuierlich zunimmt und immer häufiger Überschwemmungen verursacht, leiden weite Teile des Südens unter schlimmeren und längeren Dürreperioden als je zuvor. Überall auf der Welt weiten sich extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Stürme und Überflutungen aus, mit häufig eklatanten Folgen für Mensch und Natur. So mussten bereits Hunderttausende Bangladeschi ihre seit Jahrtausenden angestammte Heimat wegen ständiger Überschwemmungen verlassen  ; in Alaska rutschen den Menschen ihre Häuser ab, weil der Permafrost im Sommer schmilzt  ; im Jahr 2003 fielen 35.000 Europäer einer Hitzewelle zum Opfer  ; Russland hatte 2010 die schlimmsten Wald- und Torfbrände seiner Geschichte zu bekämpfen  ; die Vereinigten Staaten und seine südlichen und östlichen Nachbarn leiden unter der Zunahme von Hurrikans und Tropenstürmen  ; vor allem in Afrika führen Ernteausfälle zu Hungerkatastrophen, vielerorts herrscht akuter Wassermangel, einige Beobachter führen selbst den Völkermord in Ruanda letztlich auf einen Mangel an Umweltressourcen zurück. Viele dieser Umweltkatastrophen kennt man auch aus der Geschichte. Doch zweifelsohne nehmen sie durch den Klimawandel sowohl in ihrer Häufigkeit als auch in ihrer Intensität zu. Natürlich hat sich das Klima auch in der Vergangenheit verändert. Die Erde hat in ihrer Geschichte Eiszeiten und Wärmeperioden durchlebt. Doch die rasante Geschwindigkeit, mit der sich die Erde seit dem 19. Jahrhundert aufheizt, ist das Besorgniserregende, und sie ist nur auf menschliches Handeln seit der industriellen Revolution zurückzuführen. Eben aus dieser Geschwindigkeit entsteht die Gefahr, dass viele Menschen und viele Ökosysteme sich nicht schnell genug anpassen können. Dabei ist ein Teil der Treibhausgase, die in der Vergangenheit ausgestoßen wurden, noch gar nicht voll in der Atmosphäre wirksam geworden. Temperaturzonen werden sich weiter verschieben, Wetterextreme verschlimmern. In einem „business as usual“-Szenario sind mehr als 40 Prozent der Tier- und Pflanzenarten akut

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vom Aussterben bedroht. Über die Hälfte der Menschheit lebt weniger als 80 Kilometer vom Meer entfernt  ; viele von ihnen sind durch den weiteren Meeresspiegelanstieg akut gefährdet. Die Produktivität der Landwirtschaft wird sich weiter vermindern, die Gesundheit vieler Menschen gerät durch eine Zunahme von Unterernährung, Durchfallerkrankungen, Herz- und Atemwegserkrankungen und Infektionskrankheiten in Gefahr. Eine immer größere Anzahl an Menschen wird wegen unzumutbarer Lebensbedingungen zur Migration aus ihrer Heimat gezwungen.

Nachhaltigkeit als wirtschaftliche Notwendigkeit Längst ist klar geworden, dass uns der Klimawandel, abgesehen von den ökologischen Katastrophen, für die er verantwortlich zeichnet, allein wirtschaftlich immer teurer zu stehen kommt. Schätzungen zufolge könnten allein die jährlichen Schäden durch Überschwemmungen in den Vereinigten Staaten und Europa Kosten von 300 Milliarden US-Dollar verursachen. Und es wird deutlich, dass zügiges Handeln wesentlich günstiger ist als ein weiteres Zögern. In seinem vielzitierten Bericht für die britische Regierung beziffert der ehemalige Chefökonom der Weltbank, Sir Nicholas Stern, die Kosten für die Eindämmung der Emissionen in einem Bereich, der die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels nach Annahmen der meisten Wissenschaftler weitgehend verhindern sollte, bei etwa einem Prozent des globalen Bruttosozialprodukts (BSP). Wegen des schneller als ursprünglich angenommen voranschreitenden Klimawandels hat Stern diese Angabe wenig später auf bis zu zwei Prozent erhöht. Die Kosten ungebremster Erderwärmung hingegen schätzt Stern auf bis zu 20 Prozent des Welt-BSP. Klimaschutz wird damit zu einer ökonomischen Notwendigkeit. Es ist hervorzuheben, dass der Klimawandel nicht alle gleich trifft. Zum einen wird er künftige Generationen teurer zu stehen kommen als vergangene, da sich die Situation in Zukunft immer mehr verschlimmern wird und Maßnahmen sowohl zur Emissionsminderung als auch zur Anpassung an neue Wetterextreme immer kostenaufwendiger werden. Zum anderen trifft er ärmere Länder und Menschen stärker als reiche, weil sich Letztere besser dagegen schützen können, auch weil sie ihre Wirtschaften bereits in der Vergangenheit auf Kosten hoher Emissionen entwickelt haben. Es ist eine Grundtragödie des Klimawandels, dass die Staaten des globalen Südens, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, am meisten unter ihm



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leiden werden. Doch letztlich würde der Druck auch auf die Sozialsysteme des Nordens weiter rapide wachsen, würden Menschen aus heimischen oder fremden Gefilden aufgrund des Klimawandels in Arbeitslosigkeit, gesundheitliche Probleme und Migration getrieben.

Occupy climate change Weltweit haben sich in den vergangenen Jahren Protestbewegungen gegründet, die ihrem Unmut über die herrschenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhänge Luft machen. Dem Tea Party Movement und der Occupy-Wallstreet-Bewegung ist dabei eines besonders gemein  : So sehr sich in ihren Zielen unterscheiden mögen, sie sind beide großteils von einer tief sitzenden Frustration darüber motiviert, dass unsere Wirtschafts-, Finanz- und Sozialsysteme nicht mehr im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung arbeiten, sondern eine relativ überschaubare Elite protegieren. Die Aufrechterhaltung des gängigen, zu über 80 % auf fossilen Trägern basierenden Energiesystems „wider besseres Wissen“ ist geradezu paradigmatisch für die Tatenlosigkeit und zunehmende Machtlosigkeit der heutigen politischen Entscheidungsträger gegenüber globalen Konzernen und Finanzinvestoren. Die Verbrennung fossiler Energien zur Elektrizitäts- und Wärmegewinnung sowie im Transportwesen und der industriellen Produktion ist die mit weitem Abstand größte Verursacherin des Klimawandels. Zweifelsohne war die Verbrennung von fossilen Brennstoffen wesentlich für die Entwicklung der heutigen modernen Gesellschaften verantwortlich und hat die komfortablen Lebensverhältnisse vieler in der Gegenwart lebenden Menschen erst ermöglicht. Doch angesichts heute zur Verfügung stehender Alternativen wird die gesellschaftliche Beibehaltung der fossilen Brennstoffe zur Farce. Selbst wenn man die beschriebenen Unkosten der Bekämpfung und Anpassung an den Klimawandel beiseite lässt, ist die rasche Abkehr von fossilen Brennstoffen ein ökologischer und sozioökonomischer Imperativ. Einige Beispiele, die das verdeutlichen  : Die Luftverschmutzung aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe ist die Hauptursache für Smog und sauren Regen und kann chronische Atemwegs- und Herzerkrankungen, Lungenkrebs und Asthma verursachen. Die New York Academy of Sciences schätzt, dass die Gesundheits- und Umweltkosten von Luft- und Wasserverschmutzung als Folge allein der Kohleverbrennung sich in nur einem Jahr (2008) auf 345 Milliarden Dollar belief. China schätzt, dass die Umwelt-

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verschmutzung jährlich bis zu zehn Prozent des BIP der Volksrepublik verschlingt. Die tatsächlichen Kosten von Unfällen mit herkömmlichen Energieträgern wie der Ölbohrinsel BP Deep Horizon im mexikanischen Golf oder des Atomkraftwerkes in Fukushima sind noch immer kaum abzusehen.

Nachhaltigkeit als Befreiungsstrategie Für immer mehr Länder wird die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zum wirtschaftlichen Problem. Einige Entwicklungsländer bezahlen Jahr für Jahr zehn Prozent und mehr ihres BSP für den Import fossiler Energien. Gelder, die auch in den Ausbau heimischer alternativer Energien investiert werden könnten. Auch die enormen Preisschwankungen von Öl, Gas und Kohle sind ein großes Problem. Für manche Länder kann ein Anstieg des Rohölpreises auf dem Weltmarkt von nur $ 10 einen Rückgang des BIP von bis zu 2 % bedeuten. Tatsächlich stieg der Preis eines Barrels Rohöl (hier  : Dated Brent Petroleum) in den letzten 15 Jahren von unter zehn Dollar (Dezember 1998) auf teilweise über 130 Dollar (Juni & Juli 2008) an. Die starken Schwankungen gelten einigen Ökonomen als ein entscheidender Faktor der aktuellen Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Auch viele große Länder und Regionen wie China, Indien, Europa, Japan und Südkorea haben nur geringe und schnell schwindende fossile Ressourcen und sind daher zu einem großen und stetig zunehmenden Teil auf Importe angewiesen. Für diese Länder ist ein kohlenstoffarmer Entwicklungspfad kein Luxus, sondern ein Befreiungsschlag. In Indien und China (der weltweit größte Produzent und Verbraucher von Kohle und seit letztem Jahr ein Netto-Importeur des Rohstoffes) werden mehr als 70 Prozent der Elektrizität durch diese schmutzigste aller Energiequellen gewonnen. Beide Länder laufen Gefahr, bereits in den nächsten 40 Jahren alle heimischen Ressourcen aufgebraucht zu haben. Was Öl betrifft, importiert China bereits heute mehr als die Hälfte seines Verbrauchs, Indien beinahe drei Viertel. Und selbst wenn beide Länder ihre ehrgeizigen Atompläne in die Realität umsetzen sollten, was angesichts der hohen Kosten der Nuklearenergie, der ungeklärten Frage der Brennstoffstäbeentsorgung und des Fukushima-Unfalls eher unwahrscheinlich erscheint, könnten diese nur einen kleinen Rand des gigantischen künftigen Energiebedarfs der beiden Nationen befriedigen. Fast die Hälfte der indischen Bevölkerung hat noch immer keinen Zugang zum Stromnetz, China wird bald der weltgrößte Energieverbraucher sein. Selbst in vielen Öl



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und Gas exportierenden Ländern wie Iran, Nigeria oder Saudi-Arabien profitiert oft nur ein kleiner Teil der Bevölkerung von den Gewinnen aus dem Rohstoffverkauf, der damit stark zur wirtschaftlichen Ungleichheit und in vielen Fällen zu politischer Repression beiträgt.

Technisch machbar Die anhaltende Unterstützung für fossile Brennstoffe trotz ihrer schlechten ökologischen und sozioökonomischen Bilanz wird oft mit ihrer technischen Überlegenheit, ihrer Schlüsselstellung für die wirtschaftliche Entwicklung im Allgemeinen und der Sicherung von Arbeitsplätzen im Besonderen gerechtfertigt. Doch in Wirklichkeit bietet allein die Sonne in einer Stunde mehr Energie (bei gegenwärtigem Stand der Technik  !), als in einem gesamten Jahr weltweit verbraucht wird. Alternative Energieträger wie Wind, Sonne, Biomasse, Geothermie und Wasserkraft sind bereits heute vielerorts voll wettbewerbsfähig und wären es weit darüber hinaus, wenn sie die gesellschaftlich gebotene politische Unterstützung erführen und die Subventionierung konventioneller Energieträger endlich zu Ende käme. Da immer mehr Länder erneuerbare Energien als wirtschaftlich vorteilhaft und zugleich als Befreiungsschlag gegen ihre Abhängigkeit von fossilen Importen erkennen, gewinnt ein globaler Übergang hin zu sauberer Energie zunehmend an Dynamik. Alle Mainstream-Technologien in Bereichen der Erneuerbaren verbuchen enorme Wachstumsraten zwischen 25 und 75 % jährlich, während die fossilen Brennstoffe lediglich im niedrigen einstelligen Prozentbereich zunehmen (allerdings auf wesentlich höherem Niveau) und die Atomkraft nicht nur im Anteil an der Gesamtversorgung, sondern auch in absoluten Zahlen weiter an Kapazität abnimmt. Im Jahr 2010 steuerten erneuerbare Energiequellen bereits etwa ein Viertel der installierten globalen Stromkapazität und ein Fünftel der tatsächlichen Stromerzeugung bei. Etwa die Hälfte der neu hinzugefügten Stromkapazitäten weltweit entfiel auf erneuerbare Energieträger. Die fortgesetzte technische Reifung und riesige unerschlossene Potenziale für die Erneuerbaren bedeuten, dass ihre Kosten notwendig weiter fallen werden, während für die Fossilen langfristig nur eine Preisentwicklung nach oben möglich ist. Was die Schaffung von direkten Arbeitsplätzen anbelangt, haben Studien herausgefunden, dass die meisten erneuerbaren Technologien mehr Arbeitsplätze bieten als konventionelle Kraftwerke.

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Alternative Schnappschüsse der Zukunft In einem „business as usual“-Szenario würde sich der weltweite Energieverbrauch in den nächsten zwanzig Jahren verdoppeln, ein Großteil davon würde weiter aus fossilen Energieträgern gedeckt, die Treibhausgasemissionen würden kontinuierlich anwachsen. Laut dem Internationalen Klimarat der Vereinten Nationen müssen die globalen Emissionen aber bereits vor dem Jahr 2015 ihren Höhepunkt erreicht haben und danach stetig fallen, um eine realistische Chance zu bewahren, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten, eine Grenze, die vielen Wissenschaftlern bereits als zu gefährlich gilt. Doch die Emissionen steigen weiterhin an, und die nationalen Zusagen für Emissionsreduzierungen, die bisher von den Staaten getroffen wurden, halten Schätzungen zufolge den durchschnittlichen Temperaturanstieg bei bestenfalls 3,2 Grad Celsius auf – wenn sie denn eingehalten werden  ; schließlich sind sie bislang größtenteils völkerrechtlich unverbindlich. Die Folgen für den Menschen und die Umwelt wären absehbar katastrophal. Würden die enormen noch weitgehend ungenutzten Potenziale der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz endlich zielstrebiger genutzt – von der Strom- und Kraftstofferzeugung über die Verteilungssysteme bis hin in die sektor- und branchenspezifischen Anwendungen –, unser heutiges Energiesystem wäre schon bald nicht mehr wiederzuerkennen. Unsere Berechnungen haben gezeigt, dass, wenn erneuerbare Energien und Energieeffizienz in enger Integration eingesetzt werden, die Hälfte des weltweiten Energiebedarfs im Jahr 2030 durch Erneuerbare erzeugt werden kann. Bis 2050 können ganze Länder das schaffen, was einzelne Gemeinden weltweit bereits erreicht haben  : sich komplett mit Erneuerbaren zu versorgen, mit einem Ausstoß von sowohl lokalen Schadstoffen als auch Treibhausgasen bei oder nahe null.

Nachhaltige Energie für alle ! Mindestens 1,3 Milliarden Menschen sind derzeit weltweit ohne Zugang zu moderner Elektrizität. Diese marginalisierten Gruppen leben häufig in ländlichen Gebieten weit entfernt von bestehenden Stromnetzen. Etwa drei Milliarden Menschen sind für das Kochen und Heizen von Holz, Kohle oder Dung abhängig. Viele Millionen Frauen und Kinder weltweit verbringen mehrere Stunden am Tag damit, diese Ressourcen zum Teil von Or-



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ten fern ihrer Häuser einzuholen, Hunderttausende von ihnen sterben jedes Jahr an gesundheitlichen Folgen der Innenraumluftverunreinigungen, die bei der Ver­brennung entstehen, oder werden Opfer von Vergewaltigungen und von Schlangenbissen beim Holzsammeln. Es ist vollkommen klar, dass ein Großteil von ihnen auch in den nächsten Jahrzehnten mit konventionellen Strategien keinen Zugang zu modernen Energiedienstleistungen erhalten wird. Zu weit sind sie entfernt von den existierenden Stromnetzen, häufig in topografisch unzugänglichen Gebieten, und es fehlt schlichtweg der finanzielle Anreiz, die nötigen milliardenschweren Investitionen zu tätigen, um sie daran anzuschließen. Der Dieselgenerator war in solchen Gebieten in der Vergangenheit häufig die präferierte Lösung (so denn überhaupt eine gesucht wurde und finanzielle Ressourcen zur Verfügung standen) – doch diese Technologie lässt die Bevölkerung mit einer Technologie zurück, für die sie häufig bereits heute den Treibstoff nicht bezahlen kann. Dezentrale Strom- und Treibstoffressourcen, gewonnen aus lokalen Ressourcen wie Sonne, Wind, Wasser, landwirtschaftlichen und industriellen Abfällen, sind wesentlich besser geeignet, diese Lücke zu schließen. In wohlhabenden Staaten werden hohe Energiekosten zu einem immer größeren Problem für ärmere Bevölkerungsteile. Nachhaltige Energieträger und deren effizienter Einsatz verringern Gesundheitskosten und erlauben es Kindern, auch nach Einbruch der Dunkelheit zu lernen. Sie bieten enorme Wachstumschancen in neuen Märkten, gerade während der Wirtschaftskrise, und schaffen neue Jobs. Es bleibt festzuhalten, dass die zentrale Herausforderung und Chance nachhaltiger Politik – die Bekämpfung des Klimawandels – technisch bereits heute möglich ist und die Schaffung eines emissionsarmen Wirtschaftssystems inklusive der Versorgung eines Großteils der Menschheit mit sauberer Energie neben den ökologischen auch enorme ökonomische, soziale und sicherheitspolitische Vorteile mit sich bringt, wir heute dennoch von den Zielen, trotz Mut machender Ansätze, noch weit entfernt sind.

Der Schlüssel  : politischer Wille und Durchsetzungsvermögen Erneuerbare Energien, Energiespar- und Effizienzmaßnahmen ebenso wie viele andere saubere Technologien sind gesellschaftlich, ökologisch und wirtschaftlich geboten, doch sie werden von der Politik nach wie vor nicht in der Weise gefördert, die notwendig wäre, um ihnen zu einem noch schnelleren

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und umfassenderen Durchbruch zu verhelfen. So ist es angesichts der hier getroffenen Beobachtungen skandalös, dass über zwei Jahrzehnte, nachdem der Klimawandel als wichtige potenzielle Bedrohung auf der politischen Agenda auftauchte, fossile Brennstoffe immer noch Subventionen in erheblichem Ausmaß erhalten. Allein im Jahr 2009 kamen Kohle, Öl und Erdgas direkte finanzielle Unterstützung (sog. Produktionssubventionen) im Wert von 550 Milliarden Dollar zugute, die 12-fache Menge dessen, was für erneuerbaren Energien abfiel. Weitere 100 Milliarden Dollar wurden ausgegeben, um den Verbrauch fossiler Energien zu verbilligen. Hinzu kommen öffentliche Ausgaben für die Finanzierung und Aufrechterhaltung der Infrastruktur. Und diese Zahlen reflektieren eben noch lange nicht die Umwelt- und Gesundheitskosten, die der Öffentlichkeit durch die mangelnde Internalisierung der vielen, oben nur beispielsweise angesprochenen ökologischen und sozialen Externalitäten entstehen. Wie ist das unzureichende Handeln der Politik zu erklären  ? Sicherlich kommen hier viele Faktoren zusammen, die an dieser Stelle nicht detailliert diskutiert werden können. Zu ihnen gehören aber sicherlich handfeste, wirtschaftlich starke und politisch gut vernetzte Partikularinteressen, deren Anliegen sich nicht notgedrungen mit denen der weiteren Gesellschaft decken, da sie bei einem Wandel hin zu einem kohlenstoffarmen Wirtschaftssystem potenziell viel zu verlieren hätten. Doch eben deshalb ist ja die Politik gefordert  ; denn sie hat schließlich die Aufgabe der Veränderung im Dienste des Allgemeinguts – für den reinen Beibehalt des Status Quo bräuchte man sie wohl kaum. Zum Zweiten denken politische Entscheidungsträger häufig in eher kurzen Zeitspannen. Und kurzfristig fehlt eine Investition in neue Technologien, die sich erst langfristig auszahlt, natürlich an anderer Stelle. Zum Dritten stehen wir erst am Anfang eines Paradigmenwechsels. Noch immer prägen das Industriemodell Ford’scher Prägung, die neoliberale Wirtschafts­ ideologie und das Denken in Kuznets-Kurven stark unser Verständnis der Welt. Erst langsam wird uns deutlich, dass dieses Verstehen der Welt diese ständig aufs Neue generiert, aber das Resultat eben wirtschaftlich, finanziell, sozial und ökologisch für viele Verwundungen gesorgt hat und langfristig nicht zu halten – nicht nachhaltig – ist. Die Unfähigkeit der Politik, sich den Problemen der Mehrheit der Menschen effektiver anzunehmen und ein gesellschaftliches und wirtschaftliches System zu schaffen, das die Menschen als fair, transparent und dem Gemeinwohl verpflichtet empfinden, wird zunehmend offenbar. Nachhaltige Entwicklung als über Partei- und Ländergrenzen hinweg akzeptierte Ziel-



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vorgabe und konkrete Messlatte der Politik könnte neues Vertrauen auch in unsere politischen Systeme schaffen.

Politisches Werkzeug steht bereit Trotz der jüngsten Erfolge sauberer Technologien wird sich eine nachhaltige Entwicklung nicht von selbst einstellen, zumindest nicht schnell genug, um größere Umweltkatastrophen und Tragödien für möglicherweise Millio­ nen von Menschen zu verhindern. Benötigt werden politische Regelungen und Marktmechanismen, die gute Ansätze beschleunigen. So sind viele Gemeinden, Bundesstaaten und Länder nach wie vor nicht überzeugt, dass der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft in ihrem Interesse oder die erforderlichen Investitionskosten wert sind. Oft liegt das einzig daran, dass es an notwendigen Informationen und Know-how fehlt. Sogenannte Nachhaltigkeits-Roadmaps können hier ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg sein. Sie beschreiben physisch und technisch verfügbare sowie sozioökonomisch sinnvolle und politisch durchsetzbare Lösungsstrategien. Regierungen stehen zahlreiche politische Optionen zur Verfügung, um die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltiger Technologien zu verbessern, das Investitionsrisiko in diese zu verringern und Interessen in den Status quo in eine Lösungsfindung mit einzubeziehen. Länder an der Spitze der kohlenstoffarmen Entwicklung in vielen Teilen der Welt haben mit verschiedenen Maßnahmen experimentiert und einen Erfahrungsschatz geschaffen, der hilft, unterschiedliche Optionen von regulatorischen Ansätzen bis hin zu marktorientierten Anreizsystemen zu evaluieren. Roadmaps spielen eine entscheidende Rolle, da sie sich am besten eignen für die besonderen an einem bestimmten Ort herrschenden Umstände und angestrebten Politikziele. Weltweit bieten Energieeffizienzstandards Anreize für Unternehmen, ihre eigenen Kohlendioxidemissionen und die Produktion ihrer Produkte zu reduzieren. „Gebäudepässe“ in Deutschland fördern Infrastrukturinvesti­ tionen und nachhaltiges Konsumverhalten. Wetterschutzprogramme in den USA helfen Familien mit niedrigem Einkommen bei der Minderung ihres Energieverbrauchs. In mehr als 80 Ländern, Bundesstaaten und Kommunen von China über die Dominikanische Republik bis nach Uganda fördern Einspeistarife regenerative Stromerzeugung. Die Fülle zur Verfügung stehender Marktmechanismen reicht von Emissionshandelssystemen über Ökosteuern bis zu Subventionen und Steuer- und Importvergünstigungen.

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Handeln auf welcher politischen Ebene … Häufig wird argumentiert, dass es sich beim Klimawandel um ein globales Problem handle, das deswegen auch notwendigerweise eine globale Lösung erfordere. Und in der Tat ist es ja so, dass der Klimawandel verschärft wird, ob nun die Treibhausgasemission in Österreich oder in China erfolgte. Doch viel zu lange hat sich die Politik vielerorts vor dem Nichtstun andernorts versteckt. So ist es natürlich falsch zu argumentieren, dass jede Tonne, die Europa bei der Verfolgung seiner ehrgeizigen Klima- und Energieziele abbaut, von den rasant anwachsenden Emissionen in Schwellenländern aufgehoben würde. Vielmehr kämen die europäischen Emissionen ja ohne Abbau additiv zu den anderswo ausgestoßenen Stoffen hinzu. Natürlich wäre eine starke Global-Governance-Lösung, etwa im Rahmen der Verhandlungen zur Klimarahmenkonvention und zum Kyoto-Protokoll, ein starker, vielleicht sogar der wichtigste Beitrag zu einer effektiven Behandlung des Klimaproblems. Doch nicht nur scheint ein verbindliches und ambitioniertes Regime auf Ebene aller VN-Staaten – trotz einiger bemerkenswerter Fortschritte in der jüngeren Vergangenheit, über deren langfristige Durchschlagskraft man allerdings noch nicht urteilen kann – momentan wenig wahrscheinlich. Selbst wenn, wie von vielen erhofft, dem mit vielen Erwartungen versehenen Gipfel in Kopenhagen 2009 der große Wurf gelungen wäre – etwa eine verbindliche Festlegung auf ein konkretes Höchstziel für die globalen Emissionen und ein verbindlicher Verteilungsschlüssel dafür, welches Land wie viel zu seiner Erreichung beizutragen hätte –, die Entscheidungen hätten von den Ländern doch auch tatsächlich umgesetzt werden müssen (was in der Vergangenheit bei vielen VN-Verträgen nicht der Fall war). Innerhalb der Länder wiederum sind häufig die Bundesstaaten für die für den Klimaschutz wichtigen Bereiche der Politik verantwortlich, etwa die Energiepolitik. Also hätten diese Bundesstaaten mit ihren Energieunternehmen verhandeln müssen. Bei Gelingen hätten diese die Investitionskosten auf ihre Konsumenten, Unternehmer ebenso wie private Haushalte umgelegt. Das heißt, am Ende wären alle Ebenen politischer Entscheidung vom globalen politischen Parkett bis hin zum einzelnen Bürger betroffen gewesen, und auf jeder Ebene hätten sich Implementierungsprobleme einstellen können („Trickle-DownPerspektive“). Umgekehrt kann jeder Mensch seinen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten, indem er etwa öffentliche Verkehrsmittel benutzt, seinen Müll recycelt oder umweltfreundliche Produkte bevorzugt. Aber ein



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Einzelner kann allein gegen den globalen Klimawandel nicht viel erreichen. Es geht darum, Nachbarn und Familienangehörige zu überzeugen, dass nachhaltiges Handeln wichtig ist  ; dieses Verhalten wird sich auch auf Wahlentscheidungen auswirken, bei der Gemeindewahl, bei der im Bundesstaat und zur nationalen Regierung. Und diese von nachhaltig orientierten Menschen gewählten Regierungen werden letztlich auch in der Lage sein, internationale Kooperationsabkommen zu schließen („Bottom-up-Perspektive“). Die Diskussionen über Top-down- oder Bottom-up-Strategien waren von Anfang an falsch. Letztlich sind alle Ebenen der politischen Entscheidungsfindung eng miteinander verwoben. Wenn wir das Ärgste noch verhindern wollen, wenn wir die Wende zur nachhaltigen Entwicklung schaffen wollen, müssen wir auf allen Ebenen das Maximum an Veränderung herausholen. Wir brauchen individuelle Lifestyle-Entscheidungen u n d Leader in den Kommunen, unter den Bundesstaaten und bei den nationalen Regierungen u n d soviel Kooperation wie möglich auf internationaler Ebene, in den VN wie auch in den anderen Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsforen. Man braucht einen Flickenteppich mutiger Aktionen und politischen und individuellen Leaderships, und kann letztlich nur hoffen, dass die Verknüpfungen auf und zwischen den Ebenen sich so schnell wie möglich verdichten und gemeinsam das Schlimmste verhindern.

… und in welchem Sektor  ? Zur zeitlichen (Generationengerechtigkeit, Kurzzeitigkeit politischer Zyklen, Verantwortlichkeit für Emissionen in Vergangenheit versus Zukunft etc.) und vertikalen Komplexität (Top down vs. Bottom up) gesellt sich eine horizontale Verflechtung. Nachhaltige Entwicklung kann eben nicht nur in einem Wirtschafts- und Politikbereich stattfinden. Klimaschutz ist eben nicht allein Aufgabe der Umweltpolitik oder des Energie- oder Transportressorts. Er ist all das und zugleich Infrastruktur- und Industrie-, Landwirtschafts- und Forstpolitik. Er beeinflusst maßgeblich den Wirtschafts- und Handelssektor, ist Binnenpolitik ebenso wie Diplomatie. Im Bildungs- und Forschungsbereich müssen wichtige Entscheidungen getroffen werden. Und auch hier gilt  : Jede eingesparte Tonne zählt, aber kein Sektor kann allein die Wende zur Nachhaltigkeit schaffen. Diese kann nur gelingen, wenn in allen Wirtschaftsund Politikbereichen gehandelt wird und soviel Kooperation innerhalb und zwischen den Bereichen wie möglich erzielt wird.

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Erst wenn man sich die Komplexität der Aufgabe klar macht, wird deutlich, warum wir uns trotz der geschilderten ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Vorzüge so schwer tun, einen nachhaltigen Entwicklungspfad einzuschlagen. Auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung und in allen Handlungsbereichen ist das gegenwärtige Leben der meisten Menschen auf dem Verbrauch fossiler Energien und dem Ausstoß von Treibhausgasen aufgebaut. Der Wissenschaftliche Beirat für globale Umweltveränderungen (WBGU) der deutschen Bundesregierung sprach zuletzt von einer Herausforderung, die in ihrer Bedeutung nur mit zwei bisherigen „Großen Transformationen“ vergleichbar ist  : der Neolithischen Revolution (also dem Übergang von der Jäger-Sammler-Gesellschaft in eine Gesellschaft, die auf Landwirtschaft fußte) und der Industriellen Revolution, der Wandlung von der Agrargesellschaft zur industriellen, ihrerseits eine Veränderungswelle oder Zivilisationsphase, die erst durch die Erschließung damals neuer, nämlich der fossilen, Energieträger ermöglicht wurde.

Nachhaltigkeit als Anleitung zum Glücklichsein Nach Aristoteles strebt jegliches menschliches Handeln nach einem Gut  ; das oberste und höchste Gut aber, zu dessen Erreichung wir erst alle anderen Güter erstreben, ist das Glück. Auch die Aufgabe der Politik muss es sein, die Verfolgung des Glücks so vielen Bürgern wie möglich zu erleichtern. Die Anziehungskraft anderer radikaler politischer Umstürze hat durch historische Erfahrungen für die meisten Bürger an Attraktivität verloren. Gleichzeitig schwindet der Glaube daran, dass die gängige politische und wirtschaftliche Verfasstheit das Glück seiner Bürger maßgeblich befördert. Eine politische Orientierung, die sich stärker an sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Nachhaltigkeit festmacht, könnte ein neues, erfolgreicheres Streben nach Glück auf allen Handlungsebenen und in allen Politikbereichen ermöglichen und neue Kooperation innerhalb und zwischen unseren Gesellschaften möglich machen. Erste Beispiele sind ja durchaus erfolgversprechend. In vielen Gegenden dieser Welt stellen Menschen ihr Konsumverhalten um und berichten davon, wie viel besser es ihnen geht, seit sie nicht mehr das Doppelte ihres Kalorienbedarfs zu sich nehmen, zwei Stunden am Tag im eigenen Auto zur Arbeit pendeln oder jeden Urlaub genau auf der anderen Seite der Erdkugel verbringen müssen. Kommunen in vielen Teilen dieser Welt haben gezeigt, wie



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es sich kohlenstoffärmer oder sogar -frei nicht ähnlich gut, sondern besser leben lässt. In Deutschland wurden in den letzten Jahren 340.000 Arbeitsplätze allein in der Branche der erneuerbaren Energien geschaffen, nach manchen Schätzungen hat die „Clean Economy“ bereits die Traditionssektoren wie die Automobilindustrie überholt. Südkorea hat sich vorgenommen, Asiens sauberster „Technologietiger“ zu werden, und beziffert das angestrebte Ziel seiner Energieexporte im Jahr 2015 auf mindestens 36 Milliarden US-Dollar. Dänemark hat seine Wirtschaft in den letzten 20 Jahren um mehr als ein Drittel vergrößert, obwohl der Energieverbrauch im selben Zeitraum reduziert und der Anteil erneuerbarer Energien von bereits hohem Niveau mehr als verdoppelt wurde. Es gibt wenig Anzeichen, dass solche grünen Ambitionen sich wirtschaftlich oder anderweitig negativ auf diese Länder ausgewirkt hätten. Im Gegenteil scheinen sie sich von der jüngsten Wirtschaftskrise eher besser als andere erholt zu haben und jetzt eher besser für den nächsten Anstieg der Rohstoffpreise präpariert zu sein. In Zukunftstechnologien sind sie als Ergebnis der Investitionen ohnehin führend. Und selbst auf internationaler Ebene gelingen mitunter wichtige Erfolge auf dem Weg zum großen Übergang zur nachhaltigen Entwicklung, etwa innerhalb der Regionen (Beispiele  : EU-Klimapolitik, Integration der Energiesysteme der SICA-Länder) oder darüber hinaus (Beispiele  : bi- und multilaterale Abkommen beim Finanz- und Technologietransfer sowie zum Ziele der Anpassung, Forschungsund Entwicklungsabkommen). 2012 ist nicht nur das Jahr der großen VN-Konferenz zur nachhaltigen Entwicklung „Rio+20“, es ist zugleich das VN-Jahr für „Nachhaltige Energie für Alle“. Damit bietet sich eine noch nicht dagewesene Gelegenheit, auf den Klimawandel, die Energiearmut und die Notwendigkeit nachhaltiger Entwicklung gleichermaßen aufmerksam zu machen und zur Verfügung stehende Lösungen aufzuzeigen. Nachhaltige Entwicklung macht ökologisch, sozial, und ökonomisch Sinn und sie kann das Vertrauen in die Politik selbst wiederbeleben. Maßnahmen stehen in allen politischen Ressorts und Handlungsbereichen auf der individuellen und allen Ebenen der politischen Entscheidung zur Verfügung. Sie können den Weg in eine bessere Zukunft weisen. Was jetzt gefordert ist, ist der Mut, den ersten Pionieren der Nachhaltigkeit nachzueifern. Einige davon sind in diesem Buch versammelt.

Marc R. Pacheco

The Politics of Building a Sustainable Future

Optimally climate change solutions would be most successful when implemented by national governments and coordinated on a global scale. This much is clear. Why then does the United States, despite its super-power status, often appear to lag behind other parts of the world in the area of global warming and climate change policy  ? For example, the United States has yet to ratify the 1997 Kyoto Protocol and has failed to offer a comprehensive climate change strategy comparable to that of the European Union. In contrast, as far back as 2007, the European Commission has committed itself to a 20 % reduction of greenhouse gas emissions below 1990 levels by 20201. Often times the United States is viewed internationally as a single economic and political entity. Aside from US foreign policy and military endeavors, our Federal system of government actually results in fifty relatively distinct economic and political entities. With cultures, political ideologies, and even economies varying significantly from one state to another, it can often be a long and arduous task to reach a national consensus on a given public policy area. Practically speaking the United States is not much different than a group of sovereign nations attempting to find common political ground. The European Union by contrast has found a way to act more promptly on climate change despite also representing numerous independent political entities. Before national policy can be enacted in the United States, especially on something as complex and far-reaching as climate change, there must be some level of consensus among the fifty states. National policy in the United States, while appearing to be imposed in a top-down manner by the Federal government, often takes place as a result of state level leadership. It is very common for States to take a proactive approach to policy matters, deciding for themselves what is important and how the matter should best be approached. States play an important role in leading national policy debates. They very often serve as policy test centers, creating laws and pilot programs that serve as models for future Federal leg1 European Commission. The EU climate and energy package. Online, .

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islation. With populations and geographic borders that rival or surpass many sovereign nations, individual American States can play significant singular roles. California alone comprises one of the world’s ten largest economies, to say nothing of its global cultural and political impact2. Massachusetts, for example, is a founding member of the International Carbon Action Partnership3. Once enough states, or in some cases the right states, have pursued the same policy goal we very often reach a national tipping point where a uniform Federal policy is called for. Now that approximately half of the fifty U.S. states are participating in regional climate change initiatives such as the Regional Greenhouse Gas Initiative and the Western Climate Initiative4, it is likely that we will see comprehensive Federal action on climate change in the next several years. Massachusetts, producing just 1.3 % of the country’s green house gas emissions, cannot solve the climate crisis by itself5. However, this does not mean that we should not lead the way and become an example for other States and other countries to follow. Indeed, throughout its history Massachusetts has been a national leader, particularly in the area of progressive environmental policy. Massachusetts was the first State in the U.S. to implement its own Clean Water Act6 in order to adopt water quality standards and enforce laws relative to water pollution control. Massachusetts’ Clean Air Act7 gave the State regulatory authority over air pollution nearly ten years before the federal laws regarding air pollution control, the Federal Clean Air Act of 19638. In fact, it was the landmark Supreme Court case, Massachusetts v. EPA (Environmental Protection Agency) that determined the EPA’s authority to regulate greenhouse gases9. This ruling led directly to the EPA’s 2009

2 State of California. Department of Finance. California’s World Ranking. Online, 3 International Carbon Action Partnership. Online, . 4 Pew Center on Global Climate Change. Regional Initiatives. Online, < http  ://www.pewclim ate.org/what_s_being_done/in_the_states/regional_initiatives.cfm>. 5 Commonwealth of Massachusetts. Executive Office of Energy and Environmental Affairs. Massachusetts Clean Energy and Climate Plan for 2020. Dec. 2010. Online, < http  ://www.mass. gov/Eoeea/docs/eea/energy/2020-clean-energy-plan.pdf>. 6 1966 Mass. Acts c. 685. 7 1954 Mass. Acts c. 672. 8 Clean Air Act of 1963. Pub. L. No. 88-206, 77 Stat. 392. 9 Massachusetts v. EPA. No. 05–1120. Supreme Ct. of the US. 2 April 2007.



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Endangerment Finding and the ability to regulate motor vehicle greenhouse gas emissions on the Federal level10. In addition, Massachusetts became the first state in the Nation to take action regarding carbon dioxide emissions generated by power plants11. At the time of its passage, the Global Warming Solutions Act was and continues to be the most progressive piece of legislation addressing the global warming and climate change crisis in the country, mandating a reduction in greenhouse gas emissions from 10 to 25 percent below 1990 levels by 2020, and 80 percent below 1990 levels by 2050. What does all of this mean for environmental policy on a National scale  ? As Tip O’Neill, a former Speaker of the United States House of Representatives and Massachusetts native, famously said, “all politics is local.” We are all driven by our own individual experiences and beliefs. If we are able to work together with like-minded individuals to accomplish something locally, we can set Massachusetts on a path to becoming a national leader. Since our Federal system is driven by the States, this can set off a domino effect and lead to significant national policy changes. The pursuit of a national climate change policy is no exception. As someone who enjoyed fishing and taking part in a variety of other activities with my father and family as a young boy, I developed an early appreciation for the outdoors. As a legislator and having the ability to affect environmental policy I began to get involved with local environmental and conservation efforts, such as the Taunton River Watershed, the second largest watershed in Massachusetts, and a myriad of other local environmental initiatives. I began to see the environment as an important legacy that needs to be preserved not just for my generation but for all of those to come. This admiration for nature has stayed with me throughout my career in public service and has directly affected many of my policy goals and endeavors. For example, I have chaired or served as a member on an environmental Committee nearly every year during my twenty-three year tenure in the Massachusetts Legislature. Due to my role as an environmental leader in State politics, I had always had a general familiarity with climate change issues. Since Massachusetts is a coastal state, erosion, sea-level rise, changes 10 United States. Environmental Protection Agency. “Endangerment and Cause or Contribute Findings for Greenhouse Gases Under Section 202(a) of the Clean Air Act  ; Final Rule.” Federal Register 15 Dec. 2009  : 66496-66546. Print. 11 Congressional Research Service. Climate Change  : Action by States To Address Greenhouse Gas Emissions. January 2007.

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in hurricane and weather patterns are all issues we understand. Earlier in my career, I thought I knew a lot about these environmental phenomena and their causes. This would all change with the release of Al Gore’s Academy Award-winning film, An Inconvenient Truth. When An Inconvenient Truth premiered in Massachusetts at the Coolidge Corner Theatre in Brookline, MA in 2006, I was invited to address the audience in my capacity as a local political and environmental leader. As an environmental activist I could not help but be inspired. Seeing these issues brought to life on the screen helped me see them in a new light and with enough information to give me a clear understanding of exactly what climate change was all about. The film closed with a simple message  : Are you ready to change the way you live  ? The climate crisis can be solved. Here’s how to start  : go to www.climatecrisis. net12

The film resonated so strongly with me on a personal level that its meaning and significance kept turning over and over in my mind after I left the theatre. Later that evening, I logged on to the Climate Project’s website and decided to submit my name to become a climate messenger. Looking back, this was a significant step which began the process of creating a law that would ensure a sustainable future for the Commonwealth of Massachusetts. In January of 2007, a few months after submitting my name to the Climate Project, I was chosen to attend an extensive training session in Nashville, Tennessee. As one of approximately one hundred fifty individuals, I was personally trained by Al Gore, along with numerous scientists and environmental and policy experts. This group of soon to be climate messengers represented a large cross section of the American public. While high school teachers, home moms, meteorologists, and an array of other groups were represented, I did not meet any other elected officials that were a part of this training. Following my return to Massachusetts, I began to give a series of Climate Project presentations throughout my Senatorial district. At public libraries and schools, I again met a large cross section of the population that shared my concern and vision. The more I spoke to the people of my district about climate change, the more it became clear that policy action was not only necessary but being called for by the public. 12 An Inconvenient Truth. Paramount Pictures, 2006. Film.



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I also brought the Climate Project’s message to my colleagues in the Legislature. Then President of the Senate Robert Travaglini was a very active and busy man and was often impatient with those of us that wished to take up significant amounts of his time. I gave the Senate President the elevator speech. He had two options  : he could sit through the forty-five minute presentation I had prepared for him, or he could create a Senate Standing Committee on Global Warming and Climate Change and name me Chair. He chose the Committee. About a year later Robert Travaglini approached me to say that I was right, and that he now understood what climate change was all about. Today, Robert Travaglini works in the private sector on a number of issues, including renewable energy. The Senate Standing Committee on Global Warming and Climate Change was officially established on February 22, 200713, and charged with investigating the issues involving global warming and climate change, greenhouse gas emissions, renewable energies, and viable solutions to stimulate our economy, promote jobs, and protect our security and environment14. It is my understanding that at the time of its creation, this was the first standing State legislative committee of its kind in the United States. I immediately assembled Committee staff and began meeting with the many environmental organizations and policy leaders from around the State. We began to review not only what steps were being taken elsewhere to combat climate change, but more importantly, what was not being done. California’s Global Warming Solutions Act of 2006 required the State to identify its emission levels for 1990, and then set those levels as the State’s green house gas emissions cap for 202015 The Committee quickly determined that Massachusetts should pursue the California model but in a more advanced, progressive form, and set our emissions targets below 1990 levels. While we knew that an economy-wide cap on carbon emissions was needed, we also had to be sure that this goal was both aggressive and based on sound science. On April 23, 2007, the Senate Committee on Global Warming and Climate Change held the first in a series of public hearings aimed at examining

13 Massachusetts General Court. Journal of the Senate. 22 Feb. 2007  : 64. Print. 14 Massachusetts General Court. Senate Committee on Global Warming and Climate Change. Online, < http  ://www.malegislature.gov/Committees/Senate/S51>. 15 State of California. California Climate Change Portal. History of California’s Involvement in Air Pollution and Global Climate Change. Online, .

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the science, new technology and methods available to reduce the Commonwealth’s dependence on fossil fuels and to make Massachusetts an innovative leader on solutions to climate change. Those offering testimony at this initial hearing included United States Congressman Ed Markey, a leading national environmental advocate and then Chair of the Select Committee on Energy Independence and Global Warming in the U.S. House of Representatives, Dr. Bruce Anderson, associate chair for the Department of Geography and Environment at Boston University, Dr. Paul Epstein, Associate Director of the Center for Health and the Global Environment at Harvard Medical School, and a large number of other leading academics, environmental advocates, and municipal leaders. What followed was a series of regional hearings around the State focusing on specific areas of concern with respect to climate change  : Green Buildings and Technologies, Environmental and Health Impacts, the State of Our Oceans, and Energy and Utilities. Through these hearings the Committee learned that Massachusetts was already poised to become a leader on climate change. With agreements such as the Regional Greenhouse Gas Initiative (RGGI), Massachusetts had already accomplished more during the first year of Governor Deval Patrick’s Administration, than the previous sixteen years combined16. However, it was clear that this was not enough. The Global Warming Solutions Act requires the State’s Department of Environmental Protection to adopt a statewide greenhouse gas emissions limit. The bill authorizes state agencies to adopt regulations that reduce energy use, increase efficiency and encourage renewable energy sources in the sectors of energy generation, buildings and transportation17. Despite strong support from the public and virtually every environmental organization, passage of the Global Warming Solutions Act was far from certain. After the Senate passed the legislation on March 6, 2008, the bill became stalled in the House of Representatives. Due to the opposition of leading industry and business groups, a common obstacle for progressive environmental policy, the bill became controversial amongst some of my colleagues in the Massachusetts Legislature18.

16 Senate Committee on Global Warming and Climate Change and Senate Committee on Post Audit and Oversight. The Cost of Inaction  : Climate Change in the Commonwealth. July 2008. 17 2008 Mass. Acts c. 298. 18 Associated Industries of Massachusetts. Global Warming Bill Pushes AIM’s Button. March 2008 < http  ://www.aimnet.org/AM/Template.cfm  ?Section=Home&TEMPLATE=/CM/ContentDisplay.cfm&CONTENTID=13615>.



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In the face of this vocal opposition, the Senate Committee on Global Warming and Climate Change, in conjunction with the Senate Committee on Post Audit and Oversight, both of which I chaired, released a report entitled The Cost of Inaction  : Climate Change in the Commonwealth19. The report outlined how, by failing to address climate change, the State of Massachusetts would lose economically as well as environmentally. Not only would putting a statewide carbon cap in place help local businesses and industries to avoid the tremendous long-term economic impact of climate change, but it would also help to stimulate an exploding green economy. With the renewable energy market expanding from approximately $9 billion in 2002 to more than $54 billion in 200620, Massachusetts could take advantage of this fast-growing sector of the economy. By cementing its place in the green economy early, Massachusetts could compete nationally and internationally. As most of our policy decisions are motivated by economic concerns, The Cost of Inaction helped to show the business community that instituting a carbon cap was in fact the economically responsible thing to do. We decided to talk about greening up the bottom line. Like the business community, the Secretary of the Executive Office of Energy and Environmental Affairs had expressed concern over the green house gas reduction target for 2020. The version of the bill that passed through the Senate included a green house gas reduction target of 20 percent below 1990 levels by the year 2020. The Secretary was concerned that the target was too rigid and may not be economically feasible. In response to such concerns, the bill was amended, replacing the 20 percent target with a range of 10–25 % reduction in green house gases by 2020. The Executive Office of Energy and Environmental Affairs would then have the authority to choose the appropriate reduction target from among that range of figures. After making this change, the bill was approved by the House of Representatives and enacted by both branches of Legislature. The final votes were taken just minutes before midnight on July 31, 2008, the final day of formal legislative sessions for the 185th Massachusetts General Court. Ironically, after thorough analysis and review, the same Secretary of Energy and Environmental Affairs who expressed concern over the original emissions target of 20 % eventually chose a target of 25 %, the strongest target allowed under the law. 19 Senate Committee on Global Warming and Climate Change and Senate Committee on Post Audit and Oversight. The Cost of Inaction  : Climate Change in the Commonwealth. July 2008. 20 Pernick, Ron. et al. Clean Energy Trends 2011. Clean Edge, Inc. March 2011  : 4. Online, < http  : //www.cleanedge.com/reports/pdf/Trends2011.pdf>.

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The key to the passage of the Global Warming Solutions Act was its relationship to the other major environmental bills that became law that same year and the development of an active citizen coalition that lobbied heavily for its passage. In 2008, the Legislature focused heavily on the economics of becoming a green state and a leader in clean energy. Five separate Acts were passed to help further these ends  : The Oceans Management Act, the Green Communities Act, the Biofuels Act, the Global Warming Solutions Act, and the Green Jobs Act. The Oceans Management Act lifted prohibition against the construction of renewable energy sites and facilities within State waters while simultaneously establishing a comprehensive planning process to protect our ocean resources21. This legislation was the first of its kind in the United States22. The Green Communities Act was designed to encourage energy efficiency and the development of clean renewable energy sources that can compete in the State’s energy market23. The Biofuels Act aims to encourage the development and manufacture of cellulosic biofuels within Massachusetts24. The Green Jobs Act established the Massachusetts Clean Energy Technology Center25. This Center is the lead State entity tasked with promoting and developing the clean energy sector of our economy. Each of these Acts addresses a separate but related piece of a green economy. For example, we need the Clean Energy Technology Center to promote the development of new technologies, like cellulosic biofuels. If we are going to construct large offshore wind farms, such as the well known Cape Wind project, we need to ensure planning is performed in a manner that diminishes impact on our marine resources. With these comprehensive legislative packages, it is clear that the State of Massachusetts wished to start down the road toward a clean and energy independent future. This is simultaneously an environmental and economic goal. By requiring an eighty percent reduction in our greenhouse gas emissions by 2050, Massachusetts has codified this goal into State law. Our economy-wide cap on emissions can only be met if we pursue clean and green energy developed right here at home in Massachusetts. By starting down this road early enough we will certainly benefit from

21 2008 Mass. Acts c. 114. 22 Commonwealth of Massachusetts. Office of Coastal Zone Management. Online, < http  :// www.mass.gov/czm/oceanmanagement/oceans_act/index.htm>. 23 2008 Mass. Acts c. 169. 24 2008 Mass. Acts c. 206. 25 2008 Mass. Acts c. 307.



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the tremendous economic rewards that the coming clean energy revolution is sure to bring. China currently stands as the world’s leader in the manufacturing of solar panels26. It is my belief that China is not pursuing green energy solutions solely for the environmental benefits it provides but largely for the long term competitive and economic advantages it will realize. If Massachusetts does not position itself as a national and international leader in clean energy, we will continue to export the billions of dollars we spend on energy every year  ; instead of purchasing fossil fuels from the Middle East, we will be purchasing our wind turbines from China. To put the economic benefits of energy independence into perspective, all of the fossil fuel sources for Massachusetts’ energy are located in other States or countries27. Of the approximately $28 billion we spend on energy annually, 80 %, or approximately $22 billion, are sent out of state28. By targeting this share of our energy costs we can keep these investments in Massachusetts. $22 billion worth of income for in-state businesses and their employees will mean significant economic expansion. Reports show that the global market for wind and solar technology has exploded from $6.5 billion in the year 2000 to over $131 billion in 201029. This does not include the biofuels market, which represents another $56 billion globally30. Clearly, the future world economy will rely heavily on clean and renewable energy. It is safe to say that someone will stand to benefit from this economic shift  ; why not Massachusetts  ? In order to implement the greenhouse gas reduction targets mandated in the Global Warming Solutions Act, the Massachusetts Executive office of Energy and Environmental Affairs has developed a portfolio of policies, the Massachusetts Clean Energy and Climate Plan for 2020, designed to reduce our carbon emissions in a manner that also allows us to reap the economic 26 Bradsher, Keith. “China Leading Global Race to Make Clean Energy.” New York Times. 30 Jan. 2010. Online, . 27 Commonwealth of Massachusetts. Executive Office of Energy and Environmental Affairs. Massachusetts Clean Energy and Climate Plan for 2020. Dec. 2010  : 2. Online, < http  ://www. mass.gov/Eoeea/docs/eea/energy/2020-clean-energy-plan.pdf>. 28 Ibid., p.2. 29 Pernick, Ron. et al. Clean Energy Trends 2011. Clean Edge, Inc. March 2011  : 4. Online, < http  : //www.cleanedge.com/reports/pdf/Trends2011.pdf>. 30 Ibid.

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rewards of responsible environmental policy. This portfolio is composed of twenty-five separate policies covering issues such as buildings and existing infrastructure, electricity supply, and transportation. A study by the University of Massachusetts at Amherst estimated that an investment of $100 billion in a green economy could result in the creation of approximately 2 million jobs. In contrast, if we were to make the same investment in fossil fuels we would see only one quarter as many jobs, about 540,00031. Massachusetts has in fact begun to make just such an investment. The State has undertaken one of the most aggressive energy efficiency programs in the United States. We will invest more than $2 billion dollars in energy efficiency programs for our built infrastructure, resulting in an expected return on investment of $6 billion32. These same policies are expected to add an additional 23,000 jobs to our economy by 202033. In fact, the number of individuals employed in energy efficiency services may have already doubled since 200734. Since buildings account for more than half of all energy used in Massachusetts, such policies are expected to reduce our green house gas emissions by nearly 10 %35. This is simultaneously a huge economic benefit and massive reduction in greenhouse gas emissions, accomplished through only one policy area. Massachusetts is also making great progress on the deployment of solar and wind technology. In 2006, solar power in Massachusetts represented just 3½ megawatts. Today, we are approaching 100 megawatts planned or installed36. Similarly, energy from wind power has increased from 3 megawatts in 2006, to over 40 megawatts today37. By the time Cape Wind and other projects are online, Massachusetts could be generating hundreds to thousands of megawatts worth of electricity from wind alone. Between 2007 and the end of 2010, employment in the clean energy sector increased by 31 Pollin, Robert. et al. Green Recovery  : A Program to Create Good Jobs and Start Building a LowCarbon Economy. Political Economy Research Institute. Umass. Sept. 2008  : 10. Online, < http  : //www.peri.umass.edu/fileadmin/pdf/other_publication_types/peri_report.pdf>. 32 Commonwealth of Massachusetts. Executive Office of Energy and Environmental Affairs. Massachusetts Clean Energy and Climate Plan for 2020. Dec. 2010  : 4. Online, < http  ://www. mass.gov/Eoeea/docs/eea/energy/2020-clean-energy-plan.pdf>. 33 Ibid., p.7. 34 Ibid., p.4. 35 Ibid., p.91. 36 Cash, David. Oral Testimony before the Senate Committee on Global Warming and Climate Change. Statehouse, Boston. 10 May 2011. 37 Ibid.



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65 %38. According to a report recently released by the Massachusetts Clean Energy Center, there are approximately 64,310 clean energy workers in Massachusetts today, about 1.5 % of our total workforce39. This provides us with a strong foundation on which we can continue to build. Every additional megawatt of power generated from clean energy sources means additional jobs in manufacturing, installation, and service. Through the Clean Energy and Climate Plan, Massachusetts can see anywhere from 6,000 to 12,000 additional jobs from the renewable energy sector40. In total, The Executive Office of Energy and Environmental Affairs estimates that through the implementation of the Massachusetts Clean Energy and Climate Plan, the Commonwealth will see between 42,000 and 48,000 new jobs by 202041. Rather than being an impediment to economic growth a statewide carbon cap is playing a direct role in this job creation. At the same time that these and other policies are putting Massachusetts’ families to work a greenhouse gas emissions reduction level as high as 35 % below 1990 levels may be within the range of likely outcomes42. A major factor in this future economic expansion is our ability to attract and retain equipment manufacturers and technology companies. In the spring of 2011, I toured the Massachusetts Clean Energy Center’s newly constructed Wind Technology Center. This is the first and only large scale turbine blade testing facility in the United States, capable of testing blades up to 90 meters in length43. This facility has already begun to attract high-tech manufacturers, creating new clean energy jobs right here in Massachusetts. In fact, Massachusetts is currently considered the number two state in the nation for investment in clean energy, second only to California44. At a recent 38 Commonwealth of Massachusetts. Executive Office of Energy and Environmental Affairs. Massachusetts Clean Energy and Climate Plan for 2020. Dec. 2010  : 3. Online, < http  ://www. mass.gov/Eoeea/docs/eea/energy/2020-clean-energy-plan.pdf>. 39 Massachusetts Clean Energy Center. 2011 Massachusetts Clean Energy Industry Report. Oct. 2011  : 3. Online, < http  ://masscec.com/masscec/file/MassCEC%20Industry-Rept_DesignFinal(1).pdf>. 40 Commonwealth of Massachusetts. Executive Office of Energy and Environmental Affairs. Massachusetts Clean Energy and Climate Plan for 2020. Dec. 2010  : 7. Online, < http  ://www. mass.gov/Eoeea/docs/eea/energy/2020-clean-energy-plan.pdf>. 41 Ibid., p.7. 42 Ibid., p.89. 43 Massachusetts Clean Energy Center. WTTC History. Online, < http  ://www.masscec.com/ index.cfm/page/WTTC-History-/pid/11818>. 44 A Future of Innovation and Growth  : Advancing Massachusetts’ Clean-Energy Leadership. Clean

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oversight hearing held by the Senate Committee on Global Warming and Climate Change, Clean Energy Venture Group, a local angel investment firm, testified that their group has doubled in size since the passage of the Green Communities Act and Global Warming Solutions Act. They are currently the most active angel group investing in clean energy in the United States today45. While the initial upfront costs associated with any new technology can be a hurdle, energy efficiency and clean energy can provide one of the fastest returns on investment compared to many other available investment options. As a green energy State we are also learning to manage our expectations relative to market fluctuations, technological changes and other unforeseen circumstances. Recently, Evergreen Solar, a high-profile solar panel manufacturer that received nearly $60 million in financial incentives from the State of Massachusetts, closed its local manufacturing facility and ultimately filed for bankruptcy. While the lower cost of labor found in China plays a factor in many manufacturing decisions, in this case it does not tell the whole story. Evergreen Solar relied on its proprietary solar technology that failed to catch on within the industry despite its lower overall production costs46. The company took a risk by investing in a promising new technology. The State of Massachusetts took a risk by investing in the company. Evergreen Solar’s problems may be evidence that the clean energy market is as vulnerable as any other, but it is not an indictment of our goals and the State’s role in achieving them. If we are going to compete globally we need to continue to invest in new technologies. For every company that fails or files for bankruptcy, there are many more to take its place. As noted above, Massachusetts is second in the nation for investment in clean energy. Currently, there are approximately 4,909 clean energy firms in the state employing more than 64,000 individuals47, and according to the Massachusetts Clean Energy Center, these clean technology firms are experiencing significant rates of growth  : Edge, Inc. April 2010  : 2. Online, . 45 Miller, David. Oral Testimony before the Senate Committee on Global Warming and Climate Change. Statehouse, Boston. 10 May 2011. 46 Alspach, Kyle. “Evergreen Solar to Pilot New Product in Mass., Despite Devens Exit”. Mass High Tech. 13 Jan. 2011. Online, < http  ://www.masshightech.com/stories/2011/01/10/daily44Evergreen-Solar-to-pilot-new-product-in-Mass-despite-Devens-exit.html>. 47 Massachusetts Clean Energy Center. 2011 Massachusetts Clean Energy Industry Report. Oct. 2011  : 3. Online, < http  ://masscec.com/masscec/file/MassCEC%20Industry-Rept_DesignFinal(1).pdf>.



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6.7 % in growth from July 2010 to July 2011 with a projected growth rate of 15.2 % from July 2011 to July 201248. Massachusetts is on this trajectory because we have made the right choices and embraced the politics of building a sustainable future. A clean environment and a healthy economy are not incompatible. I believe that a sustainable economy requires a sustainable environment. Realizing this is an obstacle and finding the political will to pursue these policies is a challenge. In Massachusetts we have accepted this challenge and taken it upon ourselves to implement those policies that will protect our environment and position our economy to reap the rewards.

48 Ibid., p.4.

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Der Beitrag der EU-Regionalpolitik zur nachhaltigen Entwicklung

Einleitung In nur wenigen Jahren haben der Kampf gegen den Klimawandel, das Thema Energieeffizienz und die stärkere Einbindung des Nachhaltigkeitsgrundsatzes in die Wirtschaft Priorität auf der politischen Tagesordnung der Europäischen Union erlangt. Fragen, die früher rein dem Umweltbereich zugeordnet wurden, gelten heute als Anliegen von grundlegender Bedeutung für unseren Wohlstand jetzt und in Zukunft. Nachhaltigkeit ist ein umfassendes Prinzip, das in alle unsere Aktivitäten integriert werden muss. Daher ist nachhaltige Entwicklung ein zentrales Thema in der EU-Strategie „Europa 2020“, das uns den Weg für die kommenden zehn Jahre vorgibt. Nachhaltige Entwicklung ist eine Verantwortung, nicht nur gegenüber unserem Planeten, sondern auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. 16,8 % der Arbeitsplätze in der EU hängen indirekt mit natürlichen Ressourcen zusammen. Darüber hinaus schätzen die Vereinten Nationen, dass sich der globale Markt für Umweltgüter und Umweltdienste bis 2020 mehr als verdoppeln wird. Akteure auf allen Ebenen der Regierungsführung müssen dies berücksichtigen und ihre Schwerpunktsetzung entsprechend anpassen. Die Ziele, die sich die EU in den Bereichen Klimawandel, Versorgung mit erneuerbaren Energien und Schutz der Ökosysteme gesetzt hat, können ohne aktive Einbeziehung der Regionen Europas nicht erreicht werden. Lokale Entscheidungsträger müssen gut informiert und unterstützt werden, damit die getroffenen Maßnahmen in Bereichen wie sauberem Verkehr oder energieeffizienten Gebäuden auch tatsächlich wirksam sind. Die EU-Regionalpolitik spielt in dieser Hinsicht eine wesentliche Rolle, nicht nur, weil es sich um die zweitgrößte EU-Politik mit einem Budget von 344 Milliarden Euro während des Finanzrahmens 2007–2013 handelt, sondern auch, weil ein nachhaltiges und beschäftigungswirksames Wachstum nur mit einem integrierten Ansatz zu erreichen ist, der alle wichtigen Sektoren zusammenbringen kann. Auf der Tagung des Europäischen Rates vom 17. Juni 2010 wurde unterstrichen, dass die Kohäsionspolitik die nachhaltige

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Entwicklung unterstützen muss, damit die europäische Wirtschaft auf den Kurs eines zukunftsfähigen und beschäftigungswirksamen Wachstums gebracht werden kann (Europäischer Rat, 17. Juni 2010  : Schlussfolgerungen). Die EU-Regionalpolitik ist in der Lage, die lokalen Probleme zu erkennen und geeignete Lösungsvorschläge zu machen. Sie ist die einzige Politik, die die europäische, nationale, regionale und lokale Ebene zusammenbringt, um die besten Investitionen für eine nachhaltige Entwicklung durchzusetzen. Ergänzend hinzu tritt der Europäische Sozialfonds, der in die Bereiche Bildung, Stärkung des Humankapitals und Arbeitsmarkt investiert und so zu wirtschaftlichen Veränderungen beiträgt. Während der Finanzperiode 2007–2013 wird schon vieles unternommen, aber die europäische Regionalpolitik muss jetzt ihren Beitrag zu den gemeinsamen Zielen intensivieren. Dieser Artikel ist eine Gelegenheit zu erklären, wie die EU-Regionalpolitik in Zukunft noch mehr und noch besser in nachhaltige Entwicklung investieren wird.

I. Die europäische Regionalpolitik verfügt bereits über wichtige Instrumente für eine nachhaltige Entwicklung Die Rolle der Regionen und Städte im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung

Planungsentscheidungen haben Auswirkungen auf viele Bereiche, die für nachhaltiges Wachstum von besonderer Bedeutung sind – und eben diese Entscheidungen werden auf regionaler Ebene getroffen. Der öffentliche Verkehr, Schutz von Grünflächen und die bestmögliche Nutzung örtlicher Gegebenheiten bei der Entwicklung neuer „grüner“ Unternehmen fallen in den Aufgabenbereich der lokalen Verwaltungsbehörden. Die Position der Europäischen Union im Bereich der grünen Technologien hängt im Wesentlichen von den europäischen Regionen und Städten ab. Städte spielen eine besondere Rolle. Bis zu 75 % der CO2-Emissionen werden in Städten erzeugt, und 70 % der europäischen Bürger leben in Städten (Internationale Energieagentur  : World Energy Outlook). Damit spielen die Städte eine wesentliche Rolle im europäischen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung. Sie müssen die Auswirkungen des Klimawandels bekämpfen und das Angebot einer sauberen und effizienten Energie fördern. Gebäude stellen die größte Quelle von CO2-Emissionen dar. Die Kommission hat kürzlich vorgeschlagen, dass der Anteil an öffentlichen Gebäuden,



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die jährlich nachgerüstet werden, in etwa verdoppelt werden sollte. Die Zuständigkeit dafür fällt hauptsächlich den lokalen Verwaltungsbehörden zu. Einige Regionen haben diese Herausforderungen angenommen und gezeigt, was alles erreicht werden kann. Der umfassende Ansatz für nachhaltige Energieinvestitionen in der Provinz Barcelona ist ein glänzendes Beispiel. Die Provinz Barcelona hat 140 Städte mit 4,5 Millionen Menschen versammelt, um ehrgeizige Investitionspläne im Bereich Energie mit der Unterstützung der Europäischen Kommission vorzuschlagen. Schlüsselidee ist die Entwicklung von nachhaltiger Energie in den Gebäuden und sauberer urbaner Verkehr. Ziel ist daneben aber auch die Bewältigung der Arbeitslosigkeit in der Provinz. Für manche unserer Regionen ist nachhaltige Entwicklung die einzig mögliche Zukunft. Auf der französischen Insel La Réunion (Indischer Ozean) führt der Klimawandel zu einer höheren Anzahl von Zyklonen, die viele negative Auswirkungen haben. Diese Region ist daher fest entschlossen, Energieunabhängigkeit vor 2025 zu erreichen und ein globaler Akteur auf der Ebene der fotovoltaischen Energie zu werden. Die EU-Regionalpolitik ist eine wichtige Unterstützung für die Regionen und Städte

In der aktuellen Haushaltsperiode 2007–2013 verfügt die europäische Regio­ nalpolitik bereits über viele Instrumente zur Förderung des Beitrags der Regionen und Städte zur nachhaltigen Entwicklung. Im Rahmen der angenommenen operationellen Programme für nachhaltige Entwicklung stehen (direkt und indirekt) 105 Milliarden Euro zur Verfügung, das ist ein drei Mal höherer Betrag als während der Haushaltsperiode 2000–2006 und entspricht etwa 30 % der insgesamt für den Zeitraum 2007–2013 vorgesehenen Regionalmittel. Der Beitrag der Regionalpolitik zu nachhaltiger Entwicklung findet auf drei Ebenen statt. Zuerst muss man den Umweltacquis verstärken. 54 Milliarden Euro sind für die Anpassung an die europäischen Gesetze vorgesehen. Das bedeutet, dass wir in Umweltdienstleistungen investieren, wie zum Beispiel Wasserangebot, Wasserschutz, Naturschutz (Natura 2000) und Biodiversität. In dieser Kategorie werden 28 Milliarden Euro für Wasser- und Abfallmanagement genutzt. Wegen des großen Bedarfs im Bereich Infrastruktur sind die He­raus­ forderungen hier enorm. Parallel zur finanziellen Unterstützung ent­wickelt die Regionalpolitik auch Umweltprioritäten. In allen operationellen Pro-

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grammen zwischen 2007 und 2013 haben obligatorische Strategic Environmental Assessments (SEA) stattgefunden, während Environmental Impact Assessments (EIA) vor der eigentlichen Umsetzung der Projekte vorgesehen sind. Damit spielt die Kohäsionspolitik eine wichtige Rolle in der Implementierung der EU-Umweltgesetze. Das zweite Ziel ist der Kampf gegen die Folgen des Klimawandels. Die Kohäsionspolitik hat 48 Milliarden Euro dafür vorgesehen, indem wir eine Wirtschaft mit geringem CO2-Ausstoß unterstützen. Wir investieren in nachhaltigen Verkehr und in nachhaltige Energie. 23 Milliarden Euro stehen für Eisenbahn und sechs Milliarden Euro für Projekte im Bereich sauberer urbaner Verkehr zur Verfügung. Darüber hinaus gehen 4,8 Milliarden Euro in die erneuerbaren Energien und 4,2 Milliarden Euro in die Energieeffizienz. Drittens wird die umweltfreundliche Innovation verstärkt, da wir drei Mil­liarden Euro für nachhaltige Produkte und Prozesse in KMUs vorsehen. Für die Unternehmen bieten sich dadurch neue Marktmöglichkeiten. Ein konkretes Beispiel dafür ist die von der EU kofinanzierte Entwicklung von umweltfreundlichen Autos in Dänemark. Diese sind hybrid und wurden in mehreren westlichen Städten von Dänemark getestet. Das Projekt Tisza Fluss in Ungarn ist auch ein gutes Beispiel für die möglichen Beiträge der europäischen Kohäsionspolitik. Mit dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Kohäsionsfonds haben wir die Rehabilitierung der Schwemmebene ermöglicht, um den Auswirkungen des Klimawandels entgegenzutreten. Das Projekt hat auch andere Vorteile für die Umwelt und die Wirtschaft, da es die Qualität des Wassers verbessert. Es ist auch eine gute Entwicklungsgelegenheit für den Ökotourismus und die umweltfreundliche Landwirtschaft. Wichtig ist auch für uns, dass dieses Projekt verschiedene Akteure involviert hat  : Ministerien, lokale Regierungen, Universitäten, aber auch viele Menschen, die sich für unseren integrierten Ansatz interessieren. Dies beweist, dass regionale Entwicklung und Naturschutz Hand in Hand gehen können. Eine wichtige Rolle spielt auch der Europäische Sozialfonds, der interessante Projekte für die Ausbildung unserer Bürger finanziert. Das Freiwillige Ökologische Jahr gehört beispielsweise dazu  : Es ermöglicht Jugendlichen, ein Jahr beruflich im Naturschutz tätig zu sein. Es handelt sich dabei um „learning-by-doing“-Programme, die das Interesse der Europäerinnen und Europäer an nachhaltiger Entwicklung verstärken. Zu Beginn des laufenden Programmplanungszeitraums genossen Energieeffizienz und erneuerbare Energien keinen so hohen Stellenwert wie heute.



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Die Wirtschafts- und Finanzkrise, knappe öffentliche Haushalte, administrative Engpässe und unzureichendes technisches Fachwissen in diesen für die Verwaltungsbehörden relativ neuen Tätigkeitsbereichen haben zu Verzögerungen beigetragen. Unter unserem Einfluss muss sich diese Situation aber verändern.

II. Rolle der Regionalpolitik bei der Durchführung der Strategie „Europa 2020“ Europa 2020 basiert auf einem dreigleisigen Ansatz. Die EU konzentriert ihre Maßnahmen auf intelligentes Wachstum durch die Entwicklung von Wissen und Innovation, nachhaltiges Wachstum auf der Grundlage einer ressourcenschonenden, ökologischeren und wettbewerbsfähigeren Wirtschaft sowie integratives Wachstum zur Sicherung von Beschäftigung und des sozialen und territorialen Zusammenhalts. Die EU legt dabei ihren Schwerpunkt auf eine Reihe von vorzeigbaren Aktivitäten und Zielen, z. B. Digitale Agenda für Europa, Jugend in Bewegung, Europäische Plattform zur Bekämpfung der Armut. Die Entscheidungen auf lokaler und regionaler Ebene werden einen wesentlichen Einfluss darauf haben, ob die gemeinsam gesetzten Ziele der Strategie erreicht werden. Daher spielt die Regionalpolitik bei der Durchführung der Strategie „Europa 2020“ eine tragende Rolle. Nachhaltige Entwicklung ist für die Regionen und Mitgliedstaaten Europas sowohl Herausforderung als auch Chance. Eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Wirtschaft schafft Arbeitsplätze und führt zu Wirtschaftswachstum, fördert Innovation, sichert die Energieversorgung und schützt die Umwelt. Das Job- und Wachstumspotenzial ist enorm. Um den Beitrag der Regionalpolitik zum nachhaltigen Wachstum zu erhöhen, ist es notwendig zu investieren – und zwar mehr und besser als bisher. Mehr in nachhaltiges Wachstum investieren

Wenn es darum geht, mehr in die grüne Wirtschaft zu investieren, stehen dabei vor allem drei Bereiche im Vordergrund  : der Übergang zu einer emissionsarmen Volkswirtschaft, Ökosystemdienstleistungen und Artenvielfalt sowie Ökoinnovation.

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Emissionsarme Volkswirtschaft

Für den Übergang zu einer emissionsarmen Volkswirtschaft stehen Investitionen in Gebäude, erneuerbare Energien und sauberen Verkehr im Vordergrund. Durch diese Investitionen wird die Ressourceneffizienz verbessert und Arbeitsplätze werden geschaffen. Allein das Ziel, den Anteil an erneuerbaren Energien bis 2020 auf 20 % zu steigern, würde bis zu 410.000 Arbeitsplätze bringen. Der kürzlich von der Kommission verabschiedete Plan zur Energieeffizienz 2011 (Europäische Kommission, 2011  : Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über den Energieeffizienzplan 2011) hebt hervor, dass durch Energieeffizienz bis zu zwei Millionen Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden können. Aber auch für den ländlichen Raum, Peripherieregionen und nicht zuletzt Inseln, die die Energiekraft des Meeres nutzen könnten, sind erneuerbare Energiequellen und Energieeffizienz Entwicklungsmotoren und Investitionen in die eigene Zukunft. Wesentlich dabei ist aber, dass in regionale Stärken investiert wird. Unsere Regionalfonds helfen derzeit bei der Finanzierung von erneuerbaren Energien im Bereich Heizung und Kühlung und bei der Erzeugung von sauberem Strom durch Windkraft, Biomasse, Solarenergie, Geothermie und Meeresenergie. Ökosystemdienstleistungen

Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen bilden die Grundlage für alle sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten und bieten Beschäftigungsmöglichkeiten in KMUs sowie im kulturellen Bereich. Unternehmen hängen sowohl direkt (z. B. durch die Wasserversorgung) als auch indirekt (z. B. Arzneimittel) von der Artenvielfalt ab. Es reicht jedoch nicht aus, Maßnahmen zum Schutz der einzelnen Bestandteile des Ökosystems zu entwickeln, sondern der Ansatz muss ganzheitlich sein und die Umwelt als überspannendes Element aller Strategien zur nachhaltigen Entwicklung in den Regionen begreifen. Die Projekte auf lokaler und regionaler Ebene müssen daher eine möglichst große Anzahl an Ökosystemkomponenten umfassen und mehrere Ebenen mit einbeziehen – Wirtschaft, Artenvielfalt, Klimaschutz etc. Im Mai 2011 hat die Kommission eine Strategie (Europäische Kommission, 2011  : Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den



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Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über Lebensversicherung und Naturkapital – Eine Biodiversitätsstrategie der EU für das Jahr 2020) vorgelegt, um in den kommenden zehn Jahren den Zustand der Biodiversität in Europa zu schützen und zu verbessern. Wichtig ist, dass die von der EU zur Verfügung gestellten Mittel so verwendet werden, dass mögliche negative Auswirkungen der regionalen Entwicklung minimiert und kompensiert werden. Die Regionalpolitik muss daher den Ausbau der Infrastruktur so planen, dass sie zum Erhalt der Artenvielfalt beiträgt. Wir fordern regionale Behörden auf, durch Einbeziehung grüner Infrastrukturen (z. B. Wälder, Flüsse, Küstengebiete) in die Raumplanung die Flächenfragmentierung, Hauptursache für die Verschlechterung der Ökosysteme und Ökosystemdienstleistungen, zu bekämpfen und dadurch ihren Beitrag zum Erreichen der Ziele der EU für nachhaltiges Wachstum, Klimaschutz und Klimaanpassung zu leisten sowie den wirtschaftlichen, räumlichen und sozialen Zusammenhalt zu fördern und das kulturelle Erbe Europas zu schützen. Ökoinnovation

Ökoinnovation ist ein grundlegendes Instrument beim Streben nach Wettbewerbsfähigkeit und bei der Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Ökoindustrie zählt mit rund 3,4 Millionen Beschäftigten inzwischen zu den größten Industriebereichen Europas. In den vergangenen Jahren ist die Ökoindustrie jährlich um ca. 8 % gewachsen, und zwischen 2004 und 2008 wurden 600.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Dabei darf die Rolle von klein- und mittelständischen Unternehmen nicht unterschätzt werden. Da sie einen zentralen Stellenwert bei der Entwicklung von Regionen einnehmen, ist jede Form der Investition, die ihre Wettbewerbsfähigkeit stärkt, Arbeitsplätze schafft und den Schutz der Umwelt fördert, sinnvoll. Die Europäische Kommission veröffentlicht derzeit eine Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für Öko-Innovationsprojekte im Wert von rund 35 Mio. Euro. Unternehmen und Unternehmer aus der ganzen EU, die neue Umweltprojekte auf dem Markt durchsetzen möchten, können eine finanzielle Unterstützung beantragen. Die Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen betrifft Öko Innovationsprojekte, Techniken, Dienstleistungen und Verfahren, die Umweltbelastungen verhindern oder reduzieren oder zu einer bestmöglichen Nutzung der Ressourcen beitragen.

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Regionen sollten jetzt von der Möglichkeit Gebrauch machen, in Öko­ innovation und Innovation allgemein zu investieren, z. B. durch die Entwicklung von Strategien zu intelligenter Spezialisierung, Bildung von Clustern oder Entwicklung adäquater IKT-Infrastrukturen. Besser in nachhaltiges Wachstum investieren

Aber mehr zu investieren allein reicht nicht aus, um die Energieziele zu erreichen und das Potenzial voll auszuschöpfen. Es ist ebenso wichtig, besser und effizienter zu investieren. Hier sind vor allem drei Punkte entscheidend  : Erstens die Integration des Nachhaltigkeitsgrundsatzes in den gesamten Projektzyklus vom Entwurf über die Durchführung bis hin zur Überwachung, beispielsweise durch umweltfreundliche Vergabeverfahren und geeignete Überwachungs- und Bewertungsindikatoren. Zweitens geht es darum, die operationellen Programme im Hinblick auf ihre Klimabeständigkeit und ihre Ressourceneffizienz zu überprüfen, wie z.  B. in Frankreich, wo aufgrund einer Klimaprüfung eines Projektes zur Regeneration eines Küstengebiets eine ganze Küstenstraße verlegt wurde. Und drittens haben wir mithilfe der Regionalpolitik die Möglichkeit, auf eine bessere Regierungsführung auf allen Ebenen hinzuarbeiten und das Sensorium von Verwaltungsbehörden zu schärfen und Partnerschaften auszuweiten, z.  B. mit NRO als politischen Partnern. Wir können nur Erfolg haben, wenn alle Akteure – lokale, regionale und nationale, NRO wie Zivilgesellschaft – einbezogen werden und ihren Beitrag leisten können.

Schlussfolgerungen und Ausblick auf die Zukunft der Regionalpolitik Der von der Europäischen Kommission vorgelegte Fünfte Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt (Europäische Kommission, 2010  : In Europas Zukunft investieren. Fünfter Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt) zeigt, dass die Kohäsionspolitik der EU durch die Verringerung wirtschaftlicher Ungleichheiten und die Förderung der ökologischen und sozialen Entwicklung einen erheblichen Beitrag zu Wachstum und Wohlstand sowie zu einer ausgewogenen Entwicklung in der gesamten Europäischen Union geleistet hat. Der Bericht und die darin enthaltene Bewertung zeigen beispielsweise auf, dass



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im Zeitraum 2000 bis 2006 mit den Instrumenten der Kohäsionspolitik unter anderem geschätzte 1,4 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen, Verkehrsverbindungen modernisiert, Häfen und Flughäfen erneuert, die Umweltbedingungen verbessert und wertvolle Aus- und Weiterbildungsangebote vorgelegt wurden. Trotz dieser Erfolge sind die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Regionen sehr groß, und die Herausforderungen, vor denen Europa steht, sind enorm. Im Fünften Kohäsionsbericht werden Vorschläge für eine Reform der Kohäsionspolitik gemacht. Die europäische Kohäsionspolitik wird sich in Zukunft noch stärker in den Dienst der Strategie „Europa 2020“ stellen und die Finanzierung auf eine begrenzte Zahl von Prioritäten konzentrieren, die mit den Zielen der Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum im Einklang stehen. Mit dieser thematischen Konzentration werden für eine Reihe vorrangiger Bereiche Mindestzuteilungen festgelegt. So sollen beispielsweise in stärker entwickelten Regionen und Übergangsregionen mindestens 80 % der EFRE-Mittel auf nationaler Ebene für die Bereiche Energieeffizienz und erneuerbare Energien, Innovation und KMU-Förderung verwendet werden. Mindestens 20 % davon sollen auf die Bereiche Energieeffizienz und erneuerbare Energien entfallen. Weniger entwickelte Regionen werden, aufgrund ihres breiteren Entwicklungsbedarfs, ein breiteres Spektrum von Investitionsprioritäten zur Auswahl haben. Trotzdem sollen auch in diesen Regionen mindestens 50 % der EFRE-Mittel den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien, Innovation und KMU-Förderung widmen. Gemeinsam vereinbarte Konditionalitäten sollen gewährleisten, dass Projekte auf der Erfahrung anderer aufbauen, damit mögliche Hindernisse schon im Vorfeld beseitigt werden. Eine stärkere Ergebnisorientierung und die Entwicklung der dazu notwendigen Mechanismen gehören derzeit zu den zentralen Herausforderungen der Regionalpolitik. All diese Neuerungen sind für die Entwicklung einer nachhaltigeren Regionalpolitik erforderlich. Doch wenn Europa Ressourcen in Zukunft besser und effizienter einsetzen möchte, reicht es nicht aus, die Regionalpolitik zu reformieren. Alle Entscheidungsträger, und zwar auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene, tragen die Verantwortung, diesen Themen Vorrang einzuräumen. Die Verwaltungsbehörden können schon jetzt agieren, ohne auf die kommenden Reformen und die nächste Finanzperiode zu warten. Mittel stehen schon jetzt zur Verfügung, und sie sollten genutzt werden, um nachhaltiges Wachstum in den Regionen der Europäischen Union zu fördern. Bereits in Planung befindliche Maßnahmen müssen noch rascher umgesetzt und der

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Fokus noch mehr auf die Erreichung der Ziele der Strategie „Europa 2020“ ausgerichtet werden. Jetzt ist auch der richtige Zeitpunkt, den Grundstein für zukünftige Investitionen in Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz zu legen. Die Krise der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass wir eine Politik brauchen, die in die Wettbewerbsfähigkeit unserer Regionen, die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger sowie den Umweltschutz investiert. Diese Politik kann jedoch nur erfolgreich sein, wenn wir an einem Strang ziehen und unsere Handlungen aufeinander abstimmen. Nur so können wir sicherstellen, dass alle Regionen ihren Beitrag für ein nachhaltiges Europa leisten – und so unseren Bürgerinnen und Bürgern eine bestmögliche Zukunft bieten.

Michael Spindelegger

Nachhaltigkeit in der österreichischen Außenpolitik

Der Begriff nachhaltige Entwicklung wurde erstmals in einem Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1987 definiert  : „Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ Diese Definition der Generationengerechtigkeit ist bis heute Bestandteil aller internationalen Umweltabkommen. Der Meilenstein in der internationalen Umweltpolitik war die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992, auf welcher, neben diversen Konventionen (Klimaschutz, Biodiversität, Wüste, gefährliche Chemikalien), das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung verabschiedet wurde. Die Staaten verpflichteten sich, dies in ihre Gesetzgebung zu integrieren und nationale Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln, welche neben dem ökologischen auch den sozialen und ökonomischen Aspekt beinhalten. Fast zwanzig Jahre nach dem Gipfel haben sich die Staats- und Regierungschefs im Juni 2012 erneut in Rio de Janeiro versammelt, um auf der Rio+20-Konferenz für nachhaltige Entwicklung (UNCSD) wichtige Weichen für die Zukunft zu stellen und die grüne Transformation der Weltwirtschaft voranzubringen. Das Jubiläum wurde zum Anlass genommen, die damaligen politischen Verpflichtungen zu erneuern, die politische Aufmerksamkeit für nachhaltige Entwicklung zu erhöhen und diese mit neuen Aspekten zu versehen. Auch wenn Österreich gerne ein noch ambitionierteres Abschlussdokument gesehen hätte, konnte die Rio+20-Konferenz weitere notwendige Prozesse zur nachhaltigen Entwicklung in Gang setzen. So einigte sich die internationale Staatengemeinschaft etwa darauf, die Initiative des UNO-Generalsekretärs Ban Ki-moon „Sustainable Energy for all“ zu unterstützen und in den nächsten Jahren in Ergänzung zu den Millenium Development Goals (MDGs), Sustainable Development Goals (SDGs) auszuarbeiten. Die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung, der Erdgipfel von Rio de Janeiro 1992, beeinflusst die internationale Zusammenarbeit bis heute maßgeblich. Vor zwanzig Jahren gelang es, dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung mit den drei gleichberechtigten Dimensionen von Ökonomie, Ökologie und Sozialer Gerechtigkeit zum allgemeinen

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Michael Spindelegger

Durchbruch zu verhelfen. Dieses Konzept verfolgt mehrere Kernziele, von denen zwei besonders herausragen  : • Die Anliegen der Entwicklungsländer (Überwindung der Armut, wirtschaftliche Entwicklung) sollten zukünftig nicht mehr ausgespielt werden gegen Anliegen der Industriestaaten (Umweltschutz). • Die Befriedigung unserer heutigen Bedürfnisse sollte nicht mehr zu Lasten der Befriedigung der Bedürfnisse zukünftiger Generationen gehen („intergenerational equity“). In der Praxis steht die nachhaltige Entwicklung allerdings noch am Anfang ihrer Verwirklichung. Der 20. Jahrestag der ersten Rio-Konferenz ist daher ein geeigneter Anlass, dieses Konzept erneut zu bekräftigen und es mit neuer politischer Kraft zu erfüllen. Seit 1992 hat sich zudem das Umfeld stark verändert. Die Globalisierung und internationale Interdependenz ist weiter stark fortgeschritten. Die Zusammenarbeit auf globaler Ebene ist daher heute wichtiger denn je. Gerade die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise macht den grenzüberschreitenden Charakter unserer heutigen Herausforderungen erneut deutlich. Daher muss auch die Antwort grenzüberschreitend und von internationalem Engagement geprägt sein. Das Konzept der Nachhaltigkeit formt heute weite Bereiche der österreichischen Außenpolitik und bestimmt das internationale Engagement Österreichs vor allem im multilateralen Kontext, allen voran im Rahmen der UNO und ihrer Teilorganisationen. Frieden und Sicherheit, Menschenrechte, Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungspolitik sind nicht nur Kernbereiche der österreichischen Außenpolitik, sondern auch von direkter Relevanz für die weltweite Verwirklichung nachhaltiger Entwicklung.

Österreich im UNO-Sicherheitsrat In den letzten Jahren wurde das internationale Engagement Österreichs stark mit unserer Arbeit im UNO-Sicherheitsrat verbunden. Zu den österreichischen Prioritäten im UNO-Sicherheitsrat gehörten vor allem die Stärkung des Rechts, die Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, der Schutz der Zivilbevölkerung in Konfliktsituationen, die Stärkung der Rolle von Frauen in der Bewältigung von Konflikten und im



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Wiederaufbau sowie die Bereiche Abrüstung, Rüstungskontrolle und NonProliferation. Ein wesentlicher Durchbruch gelang, als unter österreichischem Vorsitz im November 2009 die von Österreich initiierte Resolution 1894 zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten im Sicherheitsrat einstimmig angenommen wurde. Diese Resolution war ein Kulminationspunkt langer Vorbereitungs- und Überzeugungsarbeit. Sie trägt zur Verbesserung der Einhaltung der internationalen Standards zum Schutz von Zivilisten durch die Konfliktparteien bei und legt den Grundstein für eine effektive Umsetzung von Schutzaufgaben durch friedenserhaltende Operationen. Ein weiterer Schwerpunkt Österreichs im Sicherheitsrat war der Bereich Frauen, Frieden und Sicherheit. Es geht und ging dabei nicht nur um den Schutz von Frauen und Mädchen vor sexueller Gewalt, wie sie in vielen Konflikten, wie beispielsweise im Osten der Demokratischen Republik Kongo, nach wie vor an der Tagesordnung ist, sondern auch darum, den Frauen Sitz und Stimme in der Prävention und Lösung von Konflikten und im Wiederaufbau zu geben. Dies muss natürlich Hand in Hand mit einer aktiven Beteiligung von Frauen in den staatlichen Strukturen und insbesondere auch auf der Entscheidungsebene gehen. Wichtig ist dabei, dass den Staaten konkrete Maßstäbe an die Hand gegeben werden, mit deren Hilfe die Zielerreichung überprüft werden kann. Gemeinsam mit dem Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen (UNIFEM) hat Österreich derartige Maßstäbe entwickelt, die vom Sicherheitsrat 2010 schließlich auch angenommen wurden. Ein weiterer wichtiger Schritt, damit Frauenrechten stärker Gehör verschafft werden kann, war die Schaffung einer zentralen Organisation für Frauenrechte – UN Women – in den Vereinten Nationen. Weiters wurde mit der Schwedin Margot Wallström erstmals eine eigene Sonderbeauftragte der UNO für sexuelle Gewalt in Konflikten eingesetzt. Im Rahmen seines UNO-Engagements ist Österreich auch an der Schnittstelle von Sicherheit und Entwicklung aktiv. Innerösterreichisch wurde ein strategischer Leitfaden mit allen betroffenen Ressorts formuliert, um das Engagement Österreichs in fragilen Situationen zu bündeln und das Zusammenwirken der verschiedenen Akteure der Sicherheits-, Außen- und Entwicklungspolitik, aber auch nicht-staatlicher Partner auf eine solide Basis zu stellen. Es bedarf solch klarer Handlungsvorgaben, um oft isolierte Projekte in ein gemeinsames gesamtstaatliches Engagement umzuwandeln und um Synergien bestmöglich zu nützen. In diesem Zusammenhang ist auch die aktive Beteiligung Österreichs im Bereich „Peacebuilding“ im Rahmen der

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UNO zu erwähnen. Hier soll bereits in der Planungsphase von internationalen Operationen versucht werden, entwicklungspolitische Ziele, sozioökonomische Auswirkungen auf das Einsatzgebiet sowie eine erfolgreiche Überleitung am Ende einer Mission hin zu einer Friedensökonomie und zu nachhaltiger Entwicklung mitzudenken. Aufgrund österreichischer Überzeugungsarbeit verabschiedete das Spezialkomitee der Vereinten Nationen für Friedenserhaltende Operationen 2011 entsprechende Empfehlungen.

Österreich im Menschenrechtsrat Die gegenwärtige Mitgliedschaft Österreichs im Menschenrechtsrat knüpft nahtlos an unsere Schwerpunkte als Mitglied im UNO-Sicherheitsrat an. Zu den traditionellen österreichischen Resolutionsinitiativen im Menschenrechtsrat, wie z. B. Minderheiten und Binnenvertriebene, werden auch unsere Prioritäten aus dem Sicherheitsrat – insbesondere im Bereich des Schutzes der Zivilbevölkerung – im Menschenrechtsrat fortgesetzt. Die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit zieht sich als roter Faden durch das langjährige österreichische UNO-Engagement. Denn ohne den Vorrang der Herrschaft des Rechts bleiben alle Bemühungen um nachhaltige Stabilität und Gerechtigkeit im internationalen Kontext Makulatur. Wesentliche Elemente sind dabei der konsequente Kampf gegen die Straflosigkeit bei schweren Menschenrechtsverletzungen sowie das Bemühen, den Opfern von Menschenrechtsverletzern Gehör zu verschaffen, sie zu unterstützen und sie nicht im Stich zu lassen. Auch die Förderung der Rechte von Kindern steht seit Jahren im Zentrum der österreichischen Menschenrechtsarbeit. Während seiner Mitgliedschaft im Sicherheitsrat war Österreich wesentlich daran beteiligt, die Rechte von Kindern in bewaffneten Konflikten vor Ort zu stärken. Ein Engagement, das im Menschenrechtsrat fortgesetzt und vertieft wird. Während der Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat wollen wir konkrete Fortschritte in unseren Schwerpunktbereichen erzielen  : der Schutz der Religionsfreiheit und religiöser Minderheiten, die Förderung der Medienfreiheit und Schutz von Journalisten sowie die Förderung der Rechte von Kindern und der Schutz vor Gewalt und Ausbeutung. Unser erklärtes Ziel ist es dabei insbesondere auch Synergien zwischen den Mechanismen des Menschenrechtsrats und den Aktivitäten auf der Ebene des Sicherheitsrates herzustellen.



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Österreichische Akzente in der Entwicklungspolitik Österreich hat sich auch im Wirtschafts- und Sozialbereich sowie in der Entwicklungspolitik nachdrücklich für die Verwirklichung des Konzeptes der nachhaltigen Entwicklung engagiert und wird dies weiter tun. Nicht zuletzt auf österreichische Initiativen geht zurück, dass die Rio+20-Konferenz mit ihrem Hauptthema „Green Economy“ eine so starke energiepolitische Dimension hatte. 1992, in der ersten Rio-Konferenz, wurde Energie als Faktor der Nachhaltigkeit bekanntlich nicht einmal erwähnt. Damals galt Energie als „zu politisch“. Zwanzig Jahre später ist Energie zwar noch politischer geworden – allerdings so politisch, dass es als Thema nicht mehr außer Acht gelassen werden kann. Auf Betreiben des damaligen österreichischen Umweltministers Martin Bartenstein hat sich die EU dafür eingesetzt, dass Energie 1997 in das Arbeitsprogramm der Kommission für nachhaltige Entwicklung aufgenommen wurde. 1999 lancierte die damalige Außenministerin Benita Ferrero-Waldner das „Global Forum on Sustainable Energy“, das als wichtige informelle Plattform für den Dialog zwischen allen „Stakeholdern“ zu Energie und Entwicklung international anerkannt wird (www.gfse.at). Aufbauend auf dem „Global Forum on Sustainable Energy“ wurden 2009 und 2011 in enger Zusammenarbeit von UNIDO, IIASA und dem Außenministerium große internationale Stake-holder Konferenzen unter dem Namen, „Vienna Energy Forum“ (Wiener Energieforum) durchgeführt. Es handelte sich dabei um Vorläuferkonferenzen in Vorbereitung der Initiative des UNO-Generalsekretärs Ban Ki-moon „Sustainable Energy for all“, deren Zielsetzung die Überwindung der Energiearmut bzw. Ermöglichung universellen Zugangs zu Basis-Energiedienstleistungen ist. Das im zweijährigen Rhythmus abgehaltene Wiener Energieforum zielt darauf ab, Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse im Bereich der Energie auf internationaler Ebene zu beeinflussen. Dabei profitiert das Forum zusätzlich von der Expertise der in Wien angesiedelten internationalen Organisationen (acht davon mit einem Energiemandat bzw. einer Energiekomponente in ihrem Mandat). Außerdem ist Österreich gemeinsam mit Deutschland die treibende Kraft auf EU-Seite bei der umfassenden EU-Afrika-Partnerschaft im Energiebereich. Im September 2010 konnte ich bei dem ersten hochrangigen Treffen dieser Partnerschaft in Wien über 20 afrikanische Energieminister begrüßen. Wasser, nachhaltige Energie und naturnahe Landwirtschaft sind nicht nur drei der thematischen Schwerpunkte der österreichischen Entwicklungs-

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zusammenarbeit, die auch einen offensichtlichen Bezug zum Konzept der nachhaltigen Entwicklung haben, sondern auch Themenbereiche, in denen Österreich über anerkannte Expertise verfügt. Es liegt dabei auf der Hand, dass insbesondere Wasserfragen in den nächsten Jahren zunehmend an Brisanz gewinnen werden. Entwicklungszusammenarbeit allein reicht allerdings nicht. Es bedarf neuer Ansätze für neue Wachstums- und Entwicklungschancen der am wenigsten entwickelten Länder und neue Mechanismen des globalen Lastenausgleichs. Im Rahmen der Klima-Konvention wurden in Cancun im Dezember 2010 diesbezüglich bereits sehr weitreichende Weichenstellungen vorgenommen. Eine ebenso tragende Rolle kommt der Frage der guten Regierungsführung, der Transparenz und der Bekämpfung der Korruption weltweit zu. Man bräuchte eine neue Weltwirtschaftsordnung, die ökologisch nachhaltig, sozial fair und gerecht ist. Ebenso wie ein neues Konzept und Regeln für den Umgang mit globalen öffentlichen Gütern, wie das Weltklima, ein stabiles globales Finanzsystem, Schutz vor ansteckenden Krankheiten sowie Zugang zu Forschung und Wissenschaft. Der Prozess der Vereinten Nationen zur Rio+20-Konferenz wurde genützt, um Schritte in die richtige Richtung zu setzen. Inhaltlich liegt der österreichische Schwerpunkt im Bereich der „Green Economy“, da Österreich z. B. durch die Umwelttechnologieinitiative vielfach Modellfunktion erfüllen kann. Verstärktes internationales Augenmerk darauf ist unerlässlich, um konkrete Fortschritte unter gleichzeitiger Berücksichtigung der wirtschaftlichen, sozialen und Umweltinteressen zu erzielen. Grüne Wirtschaft hat viele Aspekte und kennt unterschiedliche Geschwindigkeiten, sodass stets der jeweilige ökonomische und ökologische Kontext das Maß vorgeben muss. Auch die Industrie muss hier berücksichtigt werden, denn keines der wohlhabenden Länder des Nordens hat seinen Wohlstand ohne Industrie erreicht. Österreich unterstützt daher die UNIDO-Initiative zu „Green Industry“. Bei dieser Initiative geht es einerseits darum, dass Industrien – unabhängig von Größe, Sektor, oder Standort – ihre Ressourcenproduktivität verbessern und negative Umweltauswirkungen minimieren  ; andererseits sollen spezifisch „grüne Industrien“ gefördert werden, also Industrien, die Umweltgüter und Umweltdienstleistungen erzeugen. Der von UNIDO propagierte „Green Industry“-Ansatz hat viele Vorteile  : • Wachstum wird von Ressourcenverbrauch und Verschmutzung entkoppelt  ; das bringt auch einen klaren Wettbewerbsvorteil.



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• Neue Jobs und Unternehmen werden geschaffen  ; Technologietransfer und Innovation werden gefördert  ; das dient der Armutsreduktion. • Die Umwelt und die menschliche Gesundheit werden geschützt. • Der Umgang mit Chemikalien erfolgt auf sichere Weise  ; Ersatzstoffe bzw. Prozesse werden für besonders gefährliche Chemikalien entwickelt. Die Konferenz von Rio+20 bot auch die Möglichkeit, die strukturellen Defizite der bestehenden Institutionen für nachhaltige Entwicklung zu thematisieren. Die internationale Staatengemeinschaft hat diese Gelegenheit genützt, um konkrete Reformvorschläge zu diskutieren und im Rahmen einer zu erneuernden Architektur für nachhaltige Entwicklung auch die globale Umwelt- und Energiegovernance zu stärken. Wie bereits erwähnt, einigte man sich zudem etwa darauf, die Initiative des UNO-Generalsekretärs „Sustainable Energy for all“ zu unterstützen und, in Ergänzung zu den Millenium Development Goals (MDGs), Sustainable Development Goals (SDGs) auszuarbeiten.

EU 2020 Strategie  : 5 Ziele für nachhaltiges Wachstum Neben den Vereinten Nationen ist Österreich natürlich auch innerhalb der Europäischen Union aktiv in Nachhaltigkeitsstrategien eingebunden. Die Europa 2020 Strategie ist beispielsweise ein integrales Maßnahmenpaket zur Förderung einer intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstumsstrategie der Europäischen Union. Österreich hat hier sehr gute wirtschaftliche Voraussetzungen  : eine sehr gute Infrastruktur, moderne Technologien, gut ausgebildete Fachkräfte und der Erreichung der Ziele sehr förderliche rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Die EU 2020 Strategie definiert klare Ziele, die in wichtigen Bereichen wie Beschäftigung, Innovation, Bildung, soziale Integration sowie Klima und Energie vielversprechende Ergebnisse liefern sollen  :

• Eine Erhöhung der Beschäftigungsquote der 20- bis 64-Jährigen auf 75 Prozent.

• Eine Erhöhung der Investitionen in Forschung und Entwicklung auf 3 Prozent des BIP der Mitgliedstaaten. • Die Verwirklichung der 20-20-20-Klimaziele  : mit einer Verringerung der Treibhausgasemissionen um 20 Prozent, einer Steigerung des Anteils er-

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neuerbarer Energien auf 20 Prozent sowie einer Erhöhung der Energieeffizienz um 20 Prozent. • Weiters die Verringerung der Schulabbrecherquote auf unter 10 Prozent und eine Steigerung der Hochschulabschlüsse der 30- bis 34-Jährigen auf mindestens 40 Prozent. • Und schließlich als besonders von Österreich betriebenes Anliegen eine Senkung der Zahl der von Armut betroffenen Menschen und der Armutsgefährdeten in Europa um mindestens 20 Millionen Personen. Jedes dieser Ziele wird durch eine Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Maßnahmen verstärkt. Die EU verfolgt außerdem sieben Leitinitiativen, die helfen sollen, diese Kernziele zu erreichen  : die Digitale Agenda für Europa, eine Innovationsunion, ein Programm-Cluster Jugend in Aktion, ein ressourcenschonendes Europa, eine Industriepolitik im Zeitalter der Globalisierung, eine Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie eine Plattform zur Bekämpfung von Armut in Europa. Um die Ziele der EU 2020-Strategie zu erreichen, wird daher bewusst auf eine neue ökonomische Governance gesetzt. Auch die wachsende Weltbevölkerung, die bis 2050 um weitere 30 Prozent auf 9 Milliarden Menschen zunehmen dürfte, erfordert, dass sich die EU und andere Regionen gezielt mit den natürlichen Ressourcen unserer Umwelt auseinandersetzen. Die Leitinitiative „Ressourcenschonendes Europa“ ist dabei die wichtigste Initiative zur Förderung eines nachhaltigen Wachstums in der EU. Sie umfasst effiziente, intelligente, kohlenstoffarme sowie innovative Maßnahmen für eine sparsame Nutzung der Rohstoffe. Dies soll in der Folge zu einer erhöhten wirtschaftlichen Dynamik, einer gesteigerten Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität, zur Schaffung von zusätzlichen Wachstums- und Innovationsmöglichkeiten sowie auch zur Bekämpfung des Klimawandels (vor allem zu einer Verringerung der Treibhausgasemissionen) und anderer Umweltauswirkungen führen. Durch frühe und energische Bemühungen der EU in Richtung einer bewussten Ressourcenpolitik durch Recycling in Unternehmen und Privathaushalten konnten die Treibhausgasemissionen in der EU seit 1990 bereits um 10 Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig konnte ein Anstieg der Wirtschaftsleistung von 40 Prozent verzeichnet werden. Das heißt  : Die angestrebte Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch ist bereits voll im Gange. Die Entwicklung einer ganzheitlichen EU-Strategie für ein ressourcenschonendes Umfeld und eine ebensolche Wirtschaft bietet daher



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gute Voraussetzungen, um die längerfristigen Ziele für eine emissionsarme, wettbewerbsfähige Wirtschaft zu erreichen.

Nachhaltigkeit in der Umwelt- und Klimapolitik Während auf europäischer Ebene zu Beginn des Integrationsprozesses weder Umweltschutz noch Nachhaltigkeit ein Thema waren, hat die Umweltpolitik der EU eine beachtliche Entwicklung durchlaufen und ist mittlerweile zu einem zentralen Politikbereich geworden. Beeinflusst und vorangetrieben wurde die Umweltpolitik der EU einerseits von den Entwicklungen auf internationaler Ebene, andererseits spielt die EU auch eine einflussreiche Rolle in internationalen Umweltschutzsystemen. Die umweltpolitischen Aktivitäten auf europäischer Ebene wurden ständig ausgeweitet, sodass heute ein dichtes Netzwerk europäischer Gesetzgebung besteht, das sich auf sämtliche Bereiche des Umweltschutzes (Luft, Gewässer, Abfall, Biodiversität, Chemie, etc.) erstreckt. Ein Paradebeispiel globaler Nachhaltigkeitsbemühungen ist die Klimaschutzpolitik. Klimaschutz hat den Erhalt der Lebensqualität zum Ziel. Temperaturanstieg, Dürreperioden, Gletscherschmelze, Überschwemmungen sind Anzeichen dafür, dass der Klimawandel bereits in vollem Gange ist und ein dringender Handlungsbedarf besteht. Alle Maßnahmen, die wir heute unterlassen, führen zu irreparablen Folgeschäden und extrem hohen Kosten in der Zukunft. Seit der Verabschiedung des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (United Nations Framework Convention on Climate Change/UNFCCC) hat der Klimawandel wie kein anderes umweltpolitisches Thema an Bedeutung gewonnen. Die letzte Weltklimakonferenz (COP 17) fand im Dezember 2011 in Durban, Südafrika, statt. Österreich hat sich sehr dafür eingesetzt, dass in Durban eine ambitionierte, globale und nachvollziehbare Einigung, insbesondere auch in Bezug auf eine zweite Verpflichtungsperiode nach dem Kyoto-Protokoll, zustande kommt. Da für die Zeit nach 2012, wenn das Kyoto-Protokoll ausläuft, noch kein globales und völkerrechtlich verbindliches Vorgehen beschlossen wurde, steht die internationale Klimapolitik unter einem großen Erfolgsdruck. Österreich setzt sich auf europäischer und internationaler Ebene für eine Fortsetzung des Kyotoprotokolls ein. Für einen effektiven Klimaschutz ist es notwendig, dass möglichst viele Akteure, sowohl entwickelte Länder als auch Schwellenländer, ins Boot geholt werden.

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Michael Spindelegger

Die EU ist ein klimapolitischer Vorreiter und Klimapolitik ist heute ein integraler Bestandteil der europäischen Außenpolitik. Die EU muss allerdings ihre Anstrengungen auf bilateraler und multinationaler Ebene noch verstärken, will sie diese Vorreiterrolle beibehalten. Sie darf umweltpolitisch nicht erlahmen und muss sich bezüglich ihrer eigenen Fortschritte immer wieder selbst auf den Prüfstand stellen. Positive Auswirkungen bei der Bekämpfung des Klimawandels beschränken sich nicht auf Europa. Auch andere Länder profitieren von den Maßnahmen, die wir ergreifen. Doch die Anstrengungen einzelner Staaten allein reichen nicht aus, um Umweltprobleme wirksam zu lösen. Unabhängig von der EU müssen alle Länder ihre Umwelt- und Klimaschutzbemühungen intensivieren, stärker aufeinander abstimmen und über Lippenbekenntnisse hinausgehend in konkreten Verpflichtungen festschreiben. Es gibt keine Alternative zu einer Umwelt- und Klimapolitik nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit. Es ist der einzige rationale Weg in die Zukunft, so steinig dieser auch sein mag. Nachhaltigkeit in der Energiepolitik Zu den Herausforderungen, die insbesondere im Rahmen der Vereinten Nationen ein großes Thema sind, zählt die Frage des „universellen Energiezugangs“. Weltweit haben 2,4 Mrd. Menschen keinen Zugang zu Energie, darüber hinaus sind in Europa zwischen 50 und 100 Mio. Menschen von Energiearmut betroffen. Ziel der Vereinten Nationen ist es, durch Erreichung des universellen Energiezugangs bis 2030 ein Gleichgewicht zu den Klimazielen im Sinne von Entwicklungsgerechtigkeit herzustellen. Gleichzeitig müssen Schwellenländer und entwickelte Länder ihrerseits ehrgeizige Energieeffizienzziele erreichen. Anhand von konkreten Zukunftsszenarien hat die Europäische Union vor kurzem eine „Wegskizze 2050“ für die zukünftige Ausrichtung der Energiepolitik erstellt. Darin wird für den Energiebereich – abstellend auf die im Frühjahr 2011 vorgelegte Mitteilung der Europäischen Kommission zur CO2armen Wirtschaft - ein CO2-Reduktionsziel von 80 Prozent bis 2050 angepeilt. Als problematisch erweist sich dabei immer wieder die Frage der Kernenergie. So werden in der Wegskizze, als Instrumente zur Erreichung des ambitionierten Ziels, nicht nur Energieeffizienz, Einsatz erneuerbarer Energieträger und Kohlenstoffabspaltung und -speicherung, sondern, im Rahmen eines von mehreren möglichen Szenarien, auch der Einsatz von Kernenergie „als CO2-arme Umwandlungstechnologie“ angesprochen.



Nachhaltigkeit in der österreichischen Außenpolitik

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Die Erwähnung der Kernenergie in diesem Zusammenhang ist aus österreichischer Sicht abzulehnen  : Bei Betrachtung des gesamten Brennstoffzyklus, beginnend mit dem Uranabbau, über die Errichtung von Kernkraftwerken sowie deren letztendlichen De-Kommissionierung und der Verbringung des Atommülls, ist Kernenergie eine durchaus kohlenstoffreiche Technologie. Aus österreichischer Sicht ergeben sich schon aufgrund ihrer stark steigenden Investitionskosten klare Grenzen für die Verwendung von Nuklearenergie. Die betriebs- und volkswirtschaftliche Rechnung von Bau und Betrieb einer Kernenergieanlage ist nämlich nicht vollständig. Hinzuzurechnen sind erhöhte Vorlaufkosten angesichts steigender Sicherheitsauflagen und Anwendung modernster, sehr kostspieliger Technologien. Dies rechnet sich nur bei Umlegung auf lange Laufzeiten der Kernkraftwerke und führt somit zu drastischen Verzerrungen bei den Kostenbewertungen. Zusätzlich hemmen solche langfristigen Festlegungen die notwendige Flexibilität der energiepolitischen Wahl. Dazu kommt, dass die Gesamtkosten für Endlagerung, Dekommissionierung und vor allem auch Schadensbereinigung nicht eingerechnet werden und mittels Staatshaftung de facto auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Letzteres zeigte sich zuletzt bei der Nuklearkatastrophe von Fukushima sehr deutlich. Da die Rückstellungen des Betreibers nicht einmal ansatzweise für die finanzielle Bewältigung von Nuklearkatastrophen ausreichen, müssen die Schäden durch den Staat in Form einer Fondshaftung übernommen werden. Die Energiewende – wie auch immer sie ausfällt – wird in jedem Fall kostenintensiv sein. Sie erfordert hohe Investitionen in die Infrastruktur, wie beispielsweise in die notwendige Überholung der Übertragungsnetze, um Energiesicherheit langfristig sicherstellen zu können. Das Zeitalter der „billigen Energie“ ohne Rücksicht auf Nachhaltigkeit und Umwelt ist endgültig vorbei. Praktisch anwendbare technologische Lösungen wie etwa Nuklearfusion, die eine deutliche Kostenreduktion möglich machen würden, sind erst für den Zeitraum nach 2050 zu erwarten. Ein neuer Energiemix mit besonderer Rücksicht auf Energieeffizienz und Energieeinsparungen, um die Gesamtkosten der Energie in einem vertretbaren Rahmen zu halten, ist somit unumgänglich. Auch für ein Land wie Österreich mit gegebenen natürlichen Wasserressourcen zur Primärenergieerzeugung ist die Umsetzung einer nachhaltigen Energiepolitik mit großen Herausforderungen verbunden. Ein enges Zusammenwirken aller politischen Entscheidungsträger und Marktteilnehmer

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ist somit unerlässlich. Die Erreichung von 34 Prozent erneuerbarer Energiequellen unter der EU 2020-Strategie erfordert große Investitionen. Zusätzlich muss Österreich die Entwicklung einer kohärenten, transparenten und vorhersehbaren Politik voranbringen. Der Nationale Aktionsplan zu erneuerbaren Energien ist voranzutreiben, die EU-Richtlinie zur Förderung der Verwendung von erneuerbaren Energiequellen umfassend umzusetzen. Unterstützungssysteme müssen sich an langfristigen sowie kosteneffizienten Zielsetzungen orientieren und dabei insbesondere für potenzielle Investoren einen planungssicheren Rahmen anbieten. Gleichzeitig muss diese Umsetzung auf einer weiteren Liberalisierung des heimischen Energiemarktes aufbauen und somit die baldige Umsetzung des sogenannten Dritten Binnenmarktpakets zur Entbündelung der Netzbetreiber einschließen.

Nachhaltiges Handeln betrifft jeden Der 20. Jahrestag der Konferenz über Umwelt und Entwicklung ruft uns in Erinnerung, dass nachhaltiges Handeln nicht nur jeden von uns betrifft, sondern dass auch jeder Einzelne etwas dazu beitragen kann, damit ein nachhaltigeres Österreich seinen Beitrag für eine nachhaltigere Welt leistet. Jeder trifft täglich Entscheidungen, die mit Nachhaltigkeit in Zusammenhang stehen  : beim Zusammenstellen unseres täglichen Speiseplans, bei der Auswahl unserer Kleidung, im Konsum von Medien, bei der Wahl der Verkehrsmittel, in der Gestaltung unserer Freizeit und nicht zuletzt durch aktives Mitwirken an demokratischen Entscheidungsprozessen. Wir haben die Wahl, unseren Lebensstil durch Werte der Nachhaltigkeit prägen zu lassen – mehr Sein und weniger Haben.

Rudolf Hundstorfer

Ein aktiver und fairer Wohlfahrtsstaat ist die Voraussetzung für eine umweltverträgliche Gesellschaft

Die Idee der Nachhaltigkeit durchdringt inzwischen alle Bereiche unserer Gesellschaft. Mein Ressort erkennt in nachhaltiger Sozialpolitik nicht nur den Aspekt einer langfristig gesicherten Finanzierung der sozialen Leistungssysteme, sondern vor allem auch die Schaffung der Voraussetzungen, um möglichst allen Menschen eine Lebensgestaltung nach eigenen Vorstellungen zu ermöglichen. Nachhaltige und aktive Sozialpolitik soll der Freisetzung individueller Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten dienen, Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung dauerhaft verhindern und in der Folge die Entfaltung der gesellschaftlichen Potenziale ermöglichen. Gerade aber auch jener Teil der Bevölkerung, welcher aufgrund sozialer Benachteiligungen, gesundheitlicher oder sonstiger Einschränkungen besonderer Unterstützung bedarf, muss im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten soziale Teilhabe erfahren. Ökonomische Leistungsfähigkeit darf nicht der alleinige Gradmesser für die Erfahrung menschlicher Würde sein. Auch hier muss der Sozialstaat nachhaltige Angebote zur Verfügung stellen, die beispielsweise im Bereich der Betreuung und Pflege eine zukunftsfähige Per­ s­pektive bieten. Im folgenden Beitrag möchte ich einen Überblick über Nachhaltigkeit in der Sozialpolitik geben und darauf eingehen, welche Überschneidungen mit dem Themenfeld Umweltschutz bestehen. Mehr Verteilungsgerechtigkeit, Zugang zu Bildung sowie Bekämpfung von Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung sind Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung von Umweltmaßnahmen. Im Umweltbereich geht es um einen bewussten und schonenden Umgang mit natürlichen Rohstoffen und Energie in der Gegenwart, um die Umwelt nicht zu sehr zu belasten und um den Bedarf zukünftiger Generationen zu sichern. Dies erfordert eine überlegte und koordinierte Politik – gleichermaßen national und international –, welche die Verwendung von Ressourcen und das Setzen von Investitionen sinnvoll miteinander verbindet. Um dabei erfolgreich zu sein, müssen die politischen Maßnahmen auch von den Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen werden. Dafür sind nicht nur Veränderungen

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Rudolf Hundstorfer

in der Umweltpolitik erforderlich, sondern eben auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Ökologische Nachhaltigkeit kann nicht unabhängig von anderen Indikatoren erreicht werden, sondern nur in einer auch wirtschaftlich und sozial nachhaltigen Gesellschaft. Ökologische Nachhaltigkeit gelingt leichter in einer Gesellschaft, in der die private und wirtschaftliche Existenz angemessen gesichert ist. Wer akut von Armut gefährdet ist, wird weniger bereit und auch nicht in der Lage sein, ein ökologisch bewusstes Leben zu führen. Zudem erfordert es ausreichende Informationen. An der Schnittstelle von ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit steht so zum Beispiel die Energiearmut. Betroffen davon sind Menschen, die ihre Wohnungen nicht angemessen warm halten können – wegen zu hoher Energiekosten, aber auch wegen veralteter, verbrauchsintensiver Geräte oder schlechter Isolierung. Neue Geräte oder gar die Umstellung auf schonendere, nachhaltigere Energieversorgung sind meist für Haushalte mit geringen Einkommen und ohne Ersparnisse nicht erschwinglich. An dieser Stelle müssen sowohl Informationen als auch finanzielle Mittel bereitgestellt werden, um der Energiearmut und ihren Ursachen entgegenwirken zu können und gleichzeitig die Nutzung sparsamer und alternativer Energien zu fördern. Erhalt und Ausbau von öffentlicher Infrastruktur sind im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit ebenso wichtig wie für die Teilhabechancen der Bevölkerung. Bei einem gut ausgebauten, funktionierenden Nahverkehr ist die Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen, Einkaufsmöglichkeiten oder Schulen gesichert, ohne dass in einer Reihe von Fällen auf das teurere und umweltbelastendere Auto zurückgegriffen werden muss. Gleiches gilt für den Transport von Gütern und Waren auf der Schiene statt auf der Straße – wenn der Schienentransport neben dem ökologischen Aspekt auch finanzielle Vorteile für den Haushalt und die Wirtschaft bringt, schlägt sich das wiederum auf die Preise nieder und kommt so auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern zugute – neben der Verringerung des Verkehrsaufkommens. Einer Gesellschaft, in der Einkommen und Wohlstand sehr ungleich verteilt sind, in der Bildungs- und Teilhabechancen ungerecht verteilt sind, wird der verantwortungsbewusste Umgang mit natürlichen Rohstoffen und ihrer Umwelt unzureichend gelingen. Armutsgefährdung, mangelnde soziale, politische und kulturelle Teilhabe und eine unzureichende Gesundheitsvorsorge stehen der Verwirklichung einer ökologisch nachhaltigen Gesellschaft entgegen. Die Bemühungen um eine umweltgerechtere Gesellschaft müssen mit den Bemühungen um eine sozial gerechtere Gesellschaft einhergehen.



Ein aktiver und fairer Wohlfahrtsstaat ist die Voraussetzung für eine umweltverträgliche Gesellschaft

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Eine gerechtere Gesellschaft auf den Grundpfeilern sozialer Nachhaltigkeit Übertragen auf unsere Gesellschaft bedeutet Nachhaltigkeit vor allem das Recht auf ein menschenwürdiges Leben für alle, was durch die Prinzipien der Gerechtigkeit und der Kooperation erreicht wird. Ein wesentliches Element der Gerechtigkeit im sozialen Bereich ist die Generationengerechtigkeit. Einkommen und Ressourcen sollen zwischen den Generationen gerecht verteilt sein. Die Pensionsreformen der letzten zwei Jahrzehnte streben ein Alterssicherungssystem an, das auch jungen Generationen trotz Alterung der Gesellschaft in Zukunft ein angemessenes Einkommen im Ruhestand ermöglichen soll. Neben der intergenerationellen Gerechtigkeit müssen auch die Voraussetzungen für gleiche Chancen von Frauen und Männern verbessert werden. Auch Behinderungen, Gesundheitszustand oder Migrationshintergrund dürfen kein Hindernis für ökonomische und soziale Teilhabemöglichkeiten sein. Das Konzept der Chancengerechtigkeit stellt vor allem auf faire Bildungsund Arbeitsmarktchancen, auf die Möglichkeit gesellschaftlicher Teilhabe und auf soziale Sicherheit und Solidarität ab. Um Partizipation zu gewährleisten, müssen Zugang zu politischen Entscheidungsprozessen und Information darüber für die gesamte Bevölkerung möglich sein. Im Hinblick auf soziale Sicherheit und Solidarität geht es vor allem um den Schutz vor Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung, um Schutzmaßnahmen bei Verlust des Arbeitsplatzes, um gesundheitliche Vorsorge, eine für alle zugängliche Kranken- und Pensionsversicherung und um ein adäquates Angebot an sozialen und pflegerischen Diensten. Diese sozialen Sicherungsnetze entsprechen den Prinzipien sozialer Nachhaltigkeit, wenn sie neben der individuellen Absicherung auch auf gesellschaftlicher Solidarität basieren. Ein nachhaltiger Sozialstaat ist durch Effizienz und Effektivität gekennzeichnet  : Er arbeitet mit sinnvollen und adäquaten Leistungen und Anreizen und setzt auf wirksame Lenkungseffekte. Im Arbeitsmarktbereich setzt er sich dafür ein, dass der Arbeitsmarkt möglichst für alle Menschen zugänglich ist und dass die Arbeitseinkommen die Existenzsicherung ermöglichen. Dies bedeutet, die steigende Zahl prekärer Beschäftigungsformen und der working poor als politischen Handlungsbedarf wahrzunehmen.

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Herausforderungen an den nachhaltigen Sozialstaat Im internationalen Vergleich ist Österreich eine der wohlhabendsten und gerechteren Gesellschaften. Die bestehenden Ungleichheiten in Einkommen und Chancen werden in einem stärkeren Ausmaß als im EU-Durchschnitt durch sozialstaatliche Transferleistungen und aktive und präventive Maßnahmen ausgeglichen. Die Grundabsicherung des Lebensstandards für alle Bürgerinnen und Bürger erfolgt zum einen durch die hohe Beschäftigungsquote und zum anderen durch den hohen Anteil kollektivvertraglich festgelegter Mindestlöhne. Die sozialstaatlichen Transferleistungen tragen neben ihrer Schutzfunktion auch zu einer faireren Einkommensverteilung bei. Die in den Jahren 2010/11 eingeführte Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) zielt auf die Sicherung eines Mindestlebensstandards ebenso ab wie auf die (Wieder-)Integration in den Arbeitsmarkt. Daneben umfasst sie erstmals auch eine Krankenversicherung für alle Beziehenden. Als bundesweit vereinheitlichte Neuregelung der Sozialhilfe verbessert sie unter anderem die Situation für Kinder und Alleinerziehende. Trotzdem möchte ich nicht verleugnen, dass es auch in Österreich noch immer Handlungsbedarf gibt – Einkommensunterschiede aufgrund von Bildung und Geschlecht bestehen weiterhin und werden auch durch verschiedene politische Maßnahmen bislang unzureichend reduziert. Noch immer sind 1,4 Millionen Menschen in Österreich durch Ausgrenzung gefährdet – das heißt, sie sind von Armut und Armutsgefährdung, Erwerbslosigkeit und materieller Deprivation betroffen. Gleichzeitig steigen die Einkommen und Vermögen der obersten Einkommensgruppen stetig an. Ebenso steigt die Differenz zwischen den sehr hohen Einkommen und den niedrigen Einkommen. Es sind jedoch nicht nur die Einkommen, die in unserer Gesellschaft besser zu verteilen sind. Auch die bessere Verteilung von Arbeitszeiten stellt eine permanente Herausforderung dar, hier gibt es zwischen Menschen ohne Beschäftigung und Teilzeitarbeitenden auf der einen Seite und Überstundenleistenden bzw. Personen mit All-Inclusive-Verträgen auf der anderen Seite eine sehr ungleiche Verteilung. Die Arbeitsmarktintegration strukturell benachteiligter Gruppen ist eine weitere wichtige Aufgabe des aktiven Sozialstaats. Dies betrifft in Österreich die Erwerbsbeteiligung von älteren Menschen, von gesundheitlich eingeschränkten Personen und von Menschen mit Migrationshintergrund, die



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unter der der Gesamtbevölkerung liegt. Hier muss noch weiter am Abbau von strukturellen Benachteiligungen gearbeitet werden, auch wenn einige Maßnahmen bereits gute Erfolge zeigen. Das Potenzial der älteren Arbeitskräfte kann in einem nachhaltigen und aktiven Sozialstaat noch besser gefördert und genutzt werden – durch Weiterbildungs- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen einerseits, um die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten, und durch aktive Wiedereingliederungsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt andererseits. Entsprechende Maßnahmen haben in den letzten Jahren zu einer deutlichen Erhöhung der Beschäftigungsquote von 55- bis 64-Jährigen geführt. Vor zehn Jahren waren weniger als ein Drittel dieser Altersgruppe in Beschäftigung, heute sind es um zehn Prozentpunkte mehr. Es sind in letzter Zeit diverse Programme entwickelt worden, wie z. B. „Fit2Work“, die zu einer weiteren Erhöhung der Beschäftigung älterer Menschen führen werden. Im Zuge der gerechteren Verteilung von Arbeit und Einkommen darf die täglich geleistete Nichterwerbsarbeit nicht außer Acht gelassen werden. Es bestehen deutliche Diskrepanzen zwischen Frauen und Männern  : Frauen leisten täglich zwei Stunden mehr unbezahlte Haus- und Familienarbeit als Männer. Eine Maßnahme zur Angleichung der unbezahlten Arbeitsleistungen ist die Erhöhung der (Vollzeit-)Erwerbsbeteiligung von Frauen  : In Ländern, in denen ein hoher Anteil der Frauen erwerbstätig ist, gleichen sich auch die Zeiten unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern an. Auf diesem Gebiet haben politische Reformen zu Verbesserungen geführt. Neue Regelungen des Kinderbetreuungsgeldes und der Väterkarenz haben dazu beigetragen, dass Männer Karenz nun stärker in Anspruch nehmen bzw. dass Frauen ihre Berufstätigkeit kürzer als früher unterbrechen. Letzteres schlägt sich mittelfristig auch auf Einkommen und Karrieremöglichkeiten der Frauen nieder. Der in den letzten Jahren verstärkte Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten erlaubt ebenfalls eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gerade für Kinder bis zu einem Alter von drei Jahren müssen die Betreuungsplätze jedoch auch in Zukunft noch weiter ausgebaut werden. Hier sollen, im Einklang mit dem Barcelona-Ziel, zumindest für ein Drittel der Kinder dieser Altersgruppe Plätze geschaffen werden. Außerdem sollten die Öffnungszeiten noch weiter an die Arbeitszeiten der Eltern angepasst werden. Weiters sind mehr familienfreundlichere Arbeitsplätze und Arbeitszeitregelungen nötig. „Gute“ Arbeit weist angemessene Arbeitszeiten und Entlohnung auf und zielt daneben auch auf die persönliche Zufriedenheit am Arbeitsplatz ab. Ein Weg zu solchen Arbeitsplätzen sind unter anderem die

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Zertifizierungen von familienfreundlichen Unternehmen, Hochschulen und Gemeinden, die seit einigen Jahren zunehmend vergeben werden.

Transfers  : Von Geld- zu Sachleistungen Effektive wohlfahrtsstaatliche Leistungen umfassen nicht nur Geldleistungen, sondern auch Sachleistungen, die der Bevölkerung zugutekommen, wo sie tatsächlich benötigt werden. In Österreich bestehen die Sozialleistungen zu einem großen Teil aus Geldleistungen. Diese wurden jedoch in den letzten Jahren zunehmend zu Sachleistungen umgeschichtet, etwa bei Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen. So wurde die 13. Familienbeihilfe auf das Schulstartgeld gekürzt, gleichzeitig wurden jedoch Kinderbetreuungsplätze geschaffen und das Angebot – auch im Rahmen des verpflichtenden Kindergartenjahres – beträchtlich erweitert. Im Pflegebereich wurden ähnliche Umschichtungsmaßnahmen gesetzt  : Die Mittel aus dem Pflegefonds sollen vor allem das Angebot im Bereich der ambulanten, aber auch in stationären Pflegeeinrichtungen verbessern. Das verpflichtende Kindergartenjahr, das eine sprachliche Integration vor dem ersten Schuljahr, vor allem für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache, ermöglichen soll, ist ebenfalls als Transfer im Sinne einer Sachleistung zu sehen. Ein zweites Beispiel ist die Energieberatung in einkommensschwachen Haushalten. Zurzeit wird – neben verschiedenen Initiativen von Energieversorgern und NGOs – gemeinsam ein Modellprojekt von den Ländern Wien, Vorarlberg und der Steiermark sowie dem BMASK durchgeführt. Es setzt Maßnahmen gegen Energiearmut in einkommensschwachen und armutsgefährdeten Haushalten (BezieherInnen von BMS, Heizkostenzuschüsse, kinderreiche Familien etc.). Die oft überdurchschnittlich hohen Energiekosten sollen gesenkt werden, indem die Haushalte durch eine kostenlose Energieberatung über Möglichkeiten des Energiesparens, über Wartung und Effizienz der Geräte oder auch über Schimmelvermeidung informiert werden. Ergänzt wird die Beratung durch „Goody Packs“ für energiesparende Produkte, kleinere Reparaturen oder Kofinanzierung für teurere Maßnahmen wie Thermentausch oder Thermenservice oder für den Einbau eines PrePayment-Zählers.



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Fazit Es ist angesichts des steigenden Ressourcenverbrauchs, des Klimawandels und der wachsenden Weltbevölkerung unumstritten, dass ökologische Nachhaltigkeit unumgänglich ist, um das menschenwürdige Leben der heutigen und zukünftigen Generationen zu sichern. Genauso ist soziale Nachhaltigkeit als Voraussetzung für ökologische Nachhaltigkeit unabdingbar. Nur in einer Gesellschaft mit intaktem sozialem Zusammenhalt und ohne Existenzbedrohungen für die Bevölkerung können Maßnahmen zur wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeit auch durch- und umgesetzt werden. Eine sozial nachhaltige Gesellschaft schafft ein Bewusstsein für Gerechtigkeit auch im Hinblick auf zukünftige Generationen. Auf dem Weg zu einer gerechteren Gesellschaft muss ein fairer und aktiver Wohlfahrtsstaat vor allem für eine gerechtere Verteilung von Arbeit und Einkommen sorgen – im Hinblick auf die Gesamtbevölkerung ebenso wie im Hinblick auf die noch immer bestehenden Geschlechter- und Generatio­ nenunterschiede. Eine sozial gerechte Gesellschaft ermöglicht ein sinnvolles Leben und Partizipation ohne Armut. Ohne einen gewissen Mindestlebensstandard besteht in vielen Lebensbereichen gar nicht die Möglichkeit, sich für einen ökologisch nachhaltigen Lebensstil zu entscheiden. Konsum und Ressourcenverbrauch müssen bewusster werden, um nachhaltiger werden zu können. Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass Prinzipien der Nachhaltigkeit sowohl für die ökologische als auch für die soziale Zukunft von wesentlicher Bedeutung sind.

Sebastian Kurz

Integration durch Leistung

Integration ist als gesamtgesellschaftlicher Zukunftsbereich verstärkt ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Mit der Schaffung eines Staatssekretariats für Integration wurde diesem Prozess Rechnung getragen. Jetzt geht es darum, politische Maßnahmen zu erarbeiten – nach dem Grundsatz  : Integration durch Leistung. Wer sich engagiert, im Beruf, in Vereinen, wer etwas aufbaut für sich, seine Familie und die Gesellschaft, der wird anerkannt und fühlt sich auch anerkannt. Dann funktioniert Integration. Mehr als 1,5 Millionen Menschen in Österreich – das ist nahezu jede oder jeder Fünfte – verfügen über einen „Migrationshintergrund“. Menschen mit Migrationshintergrund sind ein zentraler Bestandteil unserer Gesellschaft. Sie sind Kollegen, Nachbarn und Freunde, die einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung sowie zum Erhalt von Wohlstand in Österreich leisten. Nur eine Integrationspolitik, die sich dieser Zusammenhänge bewusst ist, kann die Aufgaben, die vor uns liegen, erfolgreich bewältigen. Herausforderungen in der Integrationspolitik Das Statistische Jahrbuch für Migration und Integration, das vom Staatssekretariat für Integration herausgegeben wird, liefert einen Überblick über den Status quo. Es macht deutlich, dass wir im Bereich der Integration noch vor großen Aufgaben stehen. Auf das Deutlichste lässt sich dies an der Bildung festmachen  ! Denn das Bildungsprofil der in Österreich lebenden Personen mit Migrationshintergrund unterscheidet sich sehr stark von jenem der Menschen ohne Migrationshintergrund. So sind Zuwanderer in den niedrigsten Bildungsschichten überproportional vertreten, während die inländische Bevölkerung überdurchschnittlich häufig die mittlere Ebene der Lehr- und Fachhochschulausbildungen abgeschlossen hat. Während etwa 13 Prozent der inländischen Bevölkerung zwischen 25 und 64 Jahren 2010 maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügten, lag dieser Anteil bei der Bevölkerung mit Migrationshintergrund bei 30 Prozent.

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Sebastian Kurz

Konkrete Maßnahmen für erfolgreiche Integration Erfolgreiche Integration kann nur funktionieren, wenn man konkrete Maßnahmen entwickelt und auch umsetzt. Eine dieser Maßnahmen für eine erfolgreiche Integrationspolitik ist der Nationale Aktionsplan für Integration. Dieser verfolgt das Ziel, die Maßnahmen für erfolgreiche Integration von Bund, Ländern, Städten, Gemeinden, Sozialpartnern und zivilgesellschaftlichen Organisationen zu optimieren, zu bündeln und systematisch weiterzuentwickeln. Der Aktionsplan ist auch ein Zukunftsprogramm für die Festigung des sozialen Friedens und des Wohlstands in Österreich. Wenn es uns gelingt, ein positives Integrationsklima zu entwickeln, in dem alle Menschen die Chance haben, ihre Fähigkeiten und Potenziale durch Fleiß, Ehrgeiz und Zielstrebigkeit zu nutzen, dann hat das auch einen enorm positiven Effekt auf die gesamte Gesellschaft.

Österreichischer Integrationsfonds Ein wichtiger Partner des Bundesministeriums für Inneres in Integrationsbelangen ist der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF). Ziel des ÖIF ist die sprachliche, berufliche und gesellschaftliche Integration von Asylberechtigten und Migrantinnen und Migranten in Österreich. Zugleich informiert der ÖIF die Mehrheitsgesellschaft sachlich über Fakten und Hintergründe zum Thema.

Expertenrat für Integration und Maßnahmenplan Zusätzlich dazu besteht im Bundesministerium für Inneres ein unabhängiger Expertenrat für Integration. Er fungiert als Kompetenzzentrum und zentraler Motor des Integrationsprozesses. Im Expertenrat sorgen erfahrene und anerkannte Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben für eine hohe Expertise im Bereich Integration. Dieser Expertenrat hat mit einem 20-Punkte-Programm konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für Integration geschaffen. Das Programm findet sich im 1. Integrationsbericht, der im Juli 2011 veröffentlicht wurde, und zielt in erster Linie darauf ab, die gesellschaftlichen Teilhabechancen von Neu- und Altzuwanderern zu verbessern. Die Maß-



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nahmen betreffen die Schlüsselhandlungsfelder Sprache und Bildung, Arbeit und Beruf, Rechtsstaat und Werte, Gesundheit und Soziales, Interkultureller Dialog, Sport und Freizeit sowie Wohnen und die regionale Dimension der Integration. Auf Basis dieser Ziele und Leitlinien arbeiten wir derzeit an einer Vielzahl von Integrationsprojekten und werden bewusst Projekte fördern, die sich eigenverantwortlich mit den Bereichen Deutsch-Sprachkurse, Arbeitsmarkt sowie Kinder und Jugendliche beschäftigen  ; ebenso andere Projekte, die zu einer nachhaltigen Integration beitragen.

Vorschulische Sprachförderung wird forciert So werden wir beispielsweise die sprachliche Frühförderung forcieren. Insgesamt zehn Millionen Euro sollen dafür aufgewendet werden. Diese sollen zu gleichen Teilen von Bund und Ländern aufgebracht werden. Die Vermittlung von Deutschkenntnissen hat dabei Priorität.

Lerncafés – aus den Parks hin zu mehr Bildung Wir unterstützen unter anderem die „Lerncafés“ der Caritas in allen Bundesländern. In den Lerncafés wird Kindern und Jugendlichen mit Bildungsbenachteiligungen und besonders Jugendlichen mit Migrationshintergrund kostenlose Hilfe beim Lernen angeboten. Ziel ist es, ihnen eine möglichst chancengerechte Teilhabe an Bildungs- und Qualifizierungssystemen zu ermöglichen.

Respekt für Österreich – die Rot-Weiß-Rot-Fibel Die Grundwerte der rechtsstaatlichen Ordnung Österreichs stellen das gesellschaftliche Fundament für gelingende Integration dar. Damit Migrantinnen und Migranten die Grundwerte der rechtsstaatlichen Ordnung Österreichs besser vermittelt werden, soll eine „Rot-Weiß-Rot-Fibel“ erstellt werden. In dieser Fibel sollen die Grundwerte der österreichischen Kultur enthalten sein. Inhaltlich sollen Themen wie die Grund- und Menschenrechte, die Verfassungsordnung, das soziopolitische System, aber auch das Fremdenrecht

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angesprochen werden. Diese Inhalte sollen didaktisch zielgruppenadäquat speziell für Migrantinnen und Migranten sinnvoll aufbereitet werden. Hierbei sind alle Möglichkeiten moderner Lehr- und Lerndidaktik zu nutzen (klassische Broschüre, Gruppenunterricht sowie CD-ROM, E-Learning).

Aktion „Zusammen  : Österreich“ Mit der Aktion „Zusammen  : Österreich“ wollen wir Positiv-Beispiele für gelungene Integration in den Vordergrund stellen. Sogenannte Integrationsbotschafterinnen und -botschafter sollen Schulen und andere öffentliche Einrichtungen besuchen und dort Motivationsarbeit leisten. Ob „Promi“ oder „Local Hero“, sie alle haben eine Geschichte zu erzählen, eine Geschichte, die zeigen soll, dass Integration funktioniert. Das schafft einerseits Motivation für Menschen mit Migrationshintergrund, es erfolgreichen role models gleichzutun. Gleichzeitig werden so Vorurteile in der Bevölkerung abgebaut.

Anerkennung von ausländischen Bildungs- und Berufsabschlüssen Es geht auch darum, die arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund zu „heben“. Die derzeit bestehende mangelnde Transparenz der Kompetenzen, die im Ausland erworben worden sind, erhöht die Suchkosten der Betriebe, wenn sie ausländischen Arbeitskräften eine bildungsadäquate Stelle anbieten wollen. Auch die Arbeitskräfte selbst haben Schwierigkeiten herauszufinden, welche Qualifikationen notwendig und nachzuweisen sind, um in Österreich eine passende Beschäftigung zu finden. Der Nachweis und die Transparentmachung der eigenen Kompetenzen, die im Ausland erworben worden sind, sind angesichts der Unsicherheit über die Vergleichbarkeit der Kompetenzen schwierig. Darum ist es notwendig, die Transparenz der Fähigkeiten und Kompetenzen, die in Bildungssystemen in Österreich oder im Ausland erworben wurden, zu erhöhen. Das ist auch eine Voraussetzung dafür, dass Österreich einerseits am internationalen Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte teilnehmen kann, andererseits können die Ressourcen der Migrantinnen und Migranten optimal genutzt werden. Damit können auch die Wettbewerbsfähigkeit und das Wirtschaftswachstum nachhaltig gesichert werden. Dazu ist es notwendig, dass Wissen über die diversen Kompetenzen, die im ausländischen Bil-



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dungssystem erworben werden, vorhanden ist, um diese dann in Bezug zum österreichischen Bildungssystem zu setzen. Gemeinsam mit allen anderen im Bereich der Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen zuständigen Ministerien sollen die Rahmenbedingungen neu gestaltet werden. Bei der Anerkennung von Qualifikationen soll künftig der Fokus auf die für einen Beruf notwendigen Inhalte und Kompetenzen gerichtet sein. So soll unter anderem der Zugang zu gesetzlich reglementierten Berufen, die eine akademische Voraussetzung haben (zum Beispiel Ärzte, Anwälte, Architekten, Steuerberater), für Drittstaatsangehörige ebenso rasch, effizient und unbürokratisch gestaltet werden, wie es derzeit schon für Bürger der EU, des EWR und aus der Schweiz der Fall ist.

Migrantenindex Ein weiteres Vorhaben in diesem Bereich betrifft jene Menschen mit Migrationshintergrund, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Diese Zielgruppe soll künftig vom Arbeitsmarktservice besser betreut werden. Darum soll eine „Task Force Migration“ und ein „Migrantenindex“ beim AMS eingeführt werden. So wie bereits Geschlecht, Alter und Staatsbürgerschaft erfasst werden, soll in Zukunft auch der Migrationshintergrund berücksichtigt werden. Denn manchmal gibt es Sprachdefizite, kulturelle Unterschiede oder Hürden, auf die man gezielt eingehen kann, wenn es das Bewusstsein dafür gibt. Von der Einführung des Index sollen letztendlich alle Personen, die auf eine Unterstützung des AMS angewiesen sind, profitieren. Denn nur wenn man Probleme zielgruppenspezifisch und zielgerichtet analysiert, kann man Menschen schneller in Jobs bringen  !

Dialogforum Islam Was die Auseinandersetzung mit dem Islam als Religionsgemeinschaft betrifft, sollen gemeinsam neue Wege beschritten werden. Religionen spielen für eine moderne und säkulare Gesellschaft eine wichtige Rolle, können sie doch neben sozioökonomischen Faktoren und der Bildung das Handeln des Einzelnen und gesellschaftlicher Gruppen prägen. Vor dem Hintergrund demografischer Entwicklungen – zur Zeit befindet sich rund eine halbe Million Menschen muslimischen Glaubens in Österreich – und in-

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tegrationspolitischer Herausforderungen wurde beim Staatssekretariat für Integration ein Dialogprozess mit Muslimen und über den Islam initiiert. Damit sollen gegenseitiges Verständnis und Respekt gefördert werden. Im Rahmen des Projekts wurden nationale und internationale Expertinnen und Experten genauso einbezogen wie involvierte Bürgerinnen und Bürger sowie Vertreterinnen und Vertreter von muslimischen Verbänden in Österreich. Folgende Ziele sollen im Rahmen des Projekts „Forum.Islam“ umgesetzt werden  : • Bewusstmachung und Betonung des gemeinsamen Grundrechte-Rahmens  ; • Förderung der Integration muslimischer Menschen  ; • Schaffung einer Institution für den nachhaltigen Austausch unter Muslimen  ; • Vermeidung von gesellschaftlicher und politischer Polarisierung  ; • Abbildung der innerislamischen Vielfalt.

Mehr Journalisten mit Migrationshintergrund Wir unterstützen auch ein Projekt für Jungjournalisten mit Migrationshintergrund. In einem zweimonatigen journalistischen Grundkurs sollen talentierte Journalisten mit Migrationshintergrund zwischen 18 und 28 Jahren auf den Alltag in Zeitungs-, Magazin- und TV-Redaktionen vorbereitet werden. Junge Migrantinnen und Migranten sehen dadurch, dass es möglich ist, in Österreich etwas zu bewirken und auch verstärkt meinungsbildend zu wirken. Die Förderung von jungen Journalistinnen und Journalisten mit Migrationshintergrund ist mir ein großes Anliegen, denn noch immer ist diese Bevölkerungsgruppe in den Medienberufen unterrepräsentiert – und mit der Unterstützung der Akademie möchte ich dem entgegensteuern.

Weitere Herausforderungen liegen vor uns Einige wesentliche und wichtige Vorhaben wurden in den letzten Wochen und Monaten auf den Weg gebracht. Doch es müssen noch weitere Maßnahmen gesetzt werden, weil sie für das allgemeine Gelingen der Integration notwendig sind  !



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Eines dieser Handlungsfelder ist der vorschulische Bereich. Eine im Jahr 2008 durchgeführte Sprachstandsbeobachtung zeigt, dass 90 Prozent der viereinhalb- bis fünfeinhalbjährigen deutschsprachigen Kinder, die einen Kindergarten besuchten, ein altersgemäßes Sprachniveau besitzen, während 58 Prozent der Kinder der gleichen Altersgruppe, deren Erstsprache nicht Deutsch war, zusätzliche Fördermaßnahmen benötigten.

Zweites verpflichtendes Kindergartenjahr Um die Integration zu fördern und die weiteren Bildungschancen zu steigern, erscheint es notwendig, ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr einzuführen. Das Motto dabei soll lauten  : „Gratis für alle, verpflichtend für jene, die keine bzw. über zu wenig Deutschkenntnisse verfügen  !“ Festgestellt werden sollen die Deutschkenntnisse spielerisch in Schnuppertagen. Danach soll beurteilt werden, ob das jeweilige Kind ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr absolvieren soll oder nicht.

Schulabschluss sicherstellen, Schulpflichtverletzungen ahnden Auch im weiteren Schul- und Bildungswesen liegen Aufgaben und Herausforderungen vor uns. Der Anteil ausländischer Schülerinnen und Schüler in maturaführenden Schulen ist deutlich unterdurchschnittlich. Er betrug in den Allgemeinbildenden Höheren Schulen sieben Prozent und in den Berufsbildenden Höheren Schulen sechs Prozent. Die Zahlen beim Schulabbruch sind ebenso bedenklich. Während „nur“ vier Prozent der Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund die Schullaufbahn ohne Pflichtschulabschluss beenden, liegt der Anteil bei Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund bei 14 Prozent  ! Ein wesentliches Kriterium für den Abbruch der Schullaufbahn sind Schul­­­ pflichtverletzungen. Es ist wichtig, ausreichend Information über die Bedeutung von Bildung und Qualifikation bereitzustellen. Wir müssen verhindern, dass Kinder und Jugendliche der Schule fernbleiben bzw. von ihr ferngehalten werden. Hier müssen wir gegensteuern, zum Beispiel mit verpflichtenden Elterngesprächen und auch mit konsequenter Verhängung der für Schulpflichtverletzungen vorgesehenen Sanktionen. Denn wer den Schulbesuch verweigert, verbaut sich die Zukunft.

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Sebastian Kurz

Integration kann nur gemeinsam gelingen Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und betrifft uns alle. Eine Herausforderung ist dabei, dass wir nicht nur die Bedürfnisse und Anliegen der Menschen mit Migrationshintergrund berücksichtigen müssen, sondern auch die Sorgen und Ängste der Mehrheitsbevölkerung. Es gibt jetzt einen völlig neuen Zugang zum Thema. Bisher gab es immer nur diejenigen, die entweder gesagt haben  : „Es ist alles eitel Wonne, wir haben keine Probleme.“ Und die anderen, die gesagt haben  : „Alle Ausländer raus  !“ Beides ist grundlegend falsch  ! Und das Motto „Alle raus  !“ funktioniert schon allein deshalb nicht, weil viele der Migranten bereits hier geboren und damit österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind. Wie will man gebürtige Ottakringer mit österreichischem Reisepass des Landes verweisen  ? Es gibt nur eines, was man tun kann  : die Probleme gemeinsam lösen, die Herausforderungen zusammen angehen  ! Wir haben einen neuen Weg eingeschlagen. Nach dem Motto  : Nicht die Herkunft oder die Religionszugehörigkeit eines Menschen sind entscheidend, sondern der Charakter und die Bereitschaft, sich im Berufs- und Gesellschaftsleben anzustrengen und dadurch Anerkennung zu erlangen.

Eva Glawischnig-Piesczek · Stefan Wallner

It’s the energy … Ein politisches Plädoyer für die grüne Energiewende als Schlüssel zu einer nachhaltigen Gesellschaft

Die Gewitterwolken der Krisen unseres Wirtschafts- und Politiksystems entladen sich in immer kürzeren Abständen. Die Bürgerinnen und Bürger gehen – bildlich gesprochen – nicht aufrecht und selbstbewusst durch unsere Straßen. Die Köpfe sind eingezogen, und jeder wartet, wann und wo der nächste Einschlag kommt. Ja, wir leben in einer Zeit der Krisen. Unsere Gesellschaft wird seit einigen Jahren von schweren Erschütterungen gebeutelt. Die Finanzkrise, die Energie- und Klimakrise, die Nahrungsmittelkrise in den Entwicklungsländern. Wir spüren die schiefe Ebene. Es ist etwas außer Balance geraten. Wo wir früher festen Boden unter den Füßen hatten und klare Orientierung vermuteten, erleben wir jetzt Treibsand und einen Verlust der Koordinaten für den sicheren Weg in die Zukunft. Wenn wir uns die Treibmittel unseres aus dem Ruder gelaufenen Wirtschaftssystems ansehen, stoßen wir immer wieder auf zwei wesentliche Faktoren  : virtuelles Geld und fossile Energieträger. Sie waren das Schmiermittel für den rasanten Aufstieg der letzten Jahrzehnte, bei dem die wirtschaftlichen und politischen Eliten im Rausch der Geschwindigkeit vergessen haben, links und rechts zu schauen, was die Folgen des Höllenritts sind. Virtuelles Geld und Öl sind aber auch die Anheizer auf dem rasanten Weg nach unten. Sind unsere derzeitigen Akteure in der Lage, diese Dynamik zu bremsen und zu drehen  ? Wie die wirtschaftlichen Akteure ist die „Hohe Politik“ in den letzten Jahrzehnten in die Falle des kurzfristigen Denkens gegangen. Die Sorge um kurzfristige Standortvorteile ist größer als die Sorge um den Verlust unserer Lebensgrundlagen, das Spielen mit einem komparativen Vorteil dem Nachbarn gegenüber wichtiger als die Sorge um eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung ganzer Regionen wie der EU. Die Finanzwirtschaft ist zum Casino geworden, und die Regierungen stehen am einarmigen Banditen und spielen mit. Gerade erst wurde die Reset-Taste gedrückt. Das Spiel geht schon mun-

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ter weiter. Alles geht wieder, und die Rettungsschirme bieten eine Vollkaskoversicherung für Investoren auf Kosten der Allgemeinheit. All die genannten Krisen folgen einer ähnlichen Logik. Sie folgen der Logik der Konzentration von Wissen, Geld und damit Macht in den Händen weniger Institutionen, die zudem allesamt einen gravierenden Mangel an demokratischer Legitimation und Kontrolle aufweisen. Die Zauberlehrlinge haben das menschliche Maß verloren. Die Hektik der Quartalsberichte hat die langfristige Planung ersetzt. Im Bereich der Finanzmärkte gilt es den Primat der Politik wiederherzustellen. So schwierig dies angesichts der verschobenen Machtverhältnisse scheint, es gibt keine Alternative dazu, aus der Pyramidenspiellogik der Privatisierung der kurzfristigen Gewinne und Sozialisierung der Verluste auszusteigen, wenn wir nicht selbst unsere demokratischen Systeme zu Grabe tragen wollen. Hier gilt es die Lebensfunktionen unseres Gemeinwesens nicht endgültig zu gefährden. Das positive Potenzial umfassender gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Veränderungen liegt in der unglaublichen revolutionären Kraft der grünen Energiewende. Wenn wir hier unsere Chancen nützen, ist diese Zeit der Krisen auch die Zeit des Übergangs in ein neues Zeitalter. Wir stehen vor einer neuen industriellen Revolution, die keinen gesellschaftlichen Bereich unberührt lässt. Die Energierevolution ist eine friedliche Revolution von unten. Sie hat aber, wie alle Revolutionen, nicht nur Gewinner. Es sind die großen Energiekonzerne, neben den Investmentbanken und den big players der globalisierten Wirtschaft, die Angst haben müssen vor dem Verlust an Macht über Milliarden abhängiger Menschen und vor dem Verlust von Einfluss auf nationale und internationale Politik. Unter den zehn umsatzstärksten Unternehmen der Welt befinden sich fünf Ölkonzerne. 2,25 Billionen US-Dollar Umsatz haben die 15 weltgrößten Ölriesen im Jahr 2009 gemacht. Das entspricht der zusammengerechneten Wirtschaftsleistung (BIP) von Österreich, Slowenien, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Schweiz, Schweden, Norwegen, Luxemburg, Finnland, Dänemark und Belgien. Die Gewinne dieser Ölkonzerne im Jahr 2009  : 122 Mrd. USDollar  : Keine Branche verdient mehr. Profite ohne Moral  : Großflächige Zerstörung von Regenwald und anderen Naturregionen, Verseuchung von Luft und Trinkwasser, Vernichtung von Lebensgrundlagen der Bevölkerung in vielen Regionen der Welt, Finanzierung von Bürgerkriegen, Kooperation mit Militär-Diktaturen, Menschenrechtsverletzungen am laufenden Band im



It’s the energy …

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Umfeld von Erdölprojekten, Korruption, Bestechung, Bekämpfung von Klimaschutzgesetzen und schließlich immer wieder katastrophale Unfälle wie zuletzt im Golf von Mexiko  : Die Liste der schmutzigen Geschäfte der Ölkonzerne ist lang. Erneuerbare Energie eignet sich nicht als strategische Ressource für internationale Machtspiele. Hoch an der Zeit, wenn man die zynische Anspielung Zygmunt Baumans auf die Kriege der jüngeren Vergangenheit als Menetekel des neuen Jahrhunderts sieht  : „Krieg ist die Fortsetzung des Freihandels mit anderen Mitteln“ (Flüchtige Moderne, 2003, S. 19). Die grüne Energiewende ist also mindestens im gleichen Ausmaß ein Friedensprojekt, wie sie ein Wirtschaftsprojekt ist. Diese 4. Industrielle Revolution wird als sanfte und friedliche Revolution in die Geschichte von uns allen eingehen, wenn wir die Zeichen der Zeit erkennen, bevor die Auseinandersetzung um den Zugang zu und die Kontrolle von fossilen Rohstoffen weiter eskaliert. Sie wird auch den Ausstieg aus der Atomtechnologie mit sich bringen, die sowohl in ihrer sogenannten „friedlichen Nutzung“ wie auch im militärischen Einsatz unendliches Leid über Zigtausende Menschen gebracht hat. Das wird das von der Mehrzahl der Menschen ersehnte und erkämpfte Ende der – mit Milliarden subventionierten – Gefährdung von zukünftigen Generationen sein. Die Katastrophe von Fukushima hat in aller Dramatik gezeigt, wie hoch die Risiken der Atomindustrie sind. Auf viele Jahrzehnte wird die japanische Bevölkerung unter den Folgen dieses Super-Gaus leiden. Doch selbst wenn wir in Europa jetzt dem beschleunigten Ausstieg aus der Atomenergie folgen, werden die Endlagerung von giftigem Atommüll und die damit verbundenen Gefahren unsere Nachfahren noch über Generationen beschäftigen. Diese sanfte Revolution ist der Schlüssel für eine zivilisatorische Weiterentwicklung unserer Gesellschaften. In der Frage der Energieversorgung bün­deln sich wirtschaftspolitische, friedenspolitische, sozialpolitische, regio­ nalpolitische und umweltpolitische Fragen. Und tatsächlich gibt es auf all diese Fragen e i n e Antwort – und die heißt grüne Energiewende. Die Energiewende ist ein sozialpolitisches Projekt  : Armutsgefährdete Haushalte haben überproportional hohe Energiekosten. Sie wohnen meist in den schwierigsten Wohnverhältnissen mit geringer Wärmedämmung, veralteten Heizsystemen und ineffizienten Elektrogeräten. Daraus ergeben sich eben nicht nur aus der Perspektive des Klimaschutzes Probleme, vielmehr werden sie die tatsächlichen Opfer der auf uns

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zukommenden dramatisch steigenden Preise für fossile Energieträger sein. Bereits jetzt gibt es Menschen, die in Armut leben und am Ende des Monats entscheiden müssen  : essen oder heizen  ? Und der Fernseher bleibt unfreiwillig finster, weil der Strom wegen unbezahlter Rechnungen abgedreht wurde. Dazu kommt die Einschränkung in der Mobilität. Während die reichen Manager in den Städten ihre Firmen-SUVs auch bei doppelt so hohen Spritpreisen von der Privatgarage in die Firmengarage kutschieren werden, wird es für Menschen in ländlichen Regionen, die pendeln müssen, heißen  : umziehen in die Stadt oder hoffen auf einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs, der paradoxerweise derzeit, siehe das Beispiel der Nebenbahnen, rückgebaut wird. Die Energiewende ist ein standortpolitisches Projekt  : Wer wird die Technologieführerschaft in den grünen Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts haben ? Europa hatte lange einen Vorsprung, aber China und Indien haben in den letzten Jahren enorm zugelegt. Im Wissen um die Aussichtslosigkeit, den Energiehunger rasch wachsender Gesellschaften und einer aufstrebenden Wirtschaft mit dem Energiemix von gestern oder vorgestern, wie ihn Europa und die USA vorleben, zu decken, gibt es enorme Investitionen in die Zukunftstechnologien der grünen Energieversorgung. Jene Wirtschaften, die den Umstieg auf erneuerbare Energien am entschlossensten und schnellsten angehen, werden einen bedeutenden Vorsprung im internationalen Wettbewerb haben. Ähnliches gilt für die Ausbildung von Fachleuten, die für Entwicklung und Implementierung der neuen Technologien gebraucht werden. Sind unsere Universitäten und Fachhochschulen, sind unsere Lehrlingsausbildungen hier schon im 21. Jahrhundert angekommen? Es sind genau die green Jobs, die neben den sozialen Dienstleistungen das größte Wachstumspotenzial am Arbeitsmarkt haben. Die Energiewende ist ein Regionalentwicklungsprojekt zur Stärkung des länd­­lichen Raumes   : Die urbanen Zentren sind die Bevölkerungsmagneten der letzten Jahrzehnte. Während die großen Städte ungebremst wachsen, dünnt der ländliche Raum aus und wird bestenfalls zum Wohnbereich für Pendler. Regionen an der Peripherie leiden unter der Abwanderung ganzer Generationen. Eine Bewegung, die sich selbst verstärkt, weil damit weitere Infrastruktur (Schulen, Kindergärten, …) infrage steht und weitere Jobs in der Region verloren gehen und der Abwanderungsdruck steigt. Ein Teil des Problems ist die Zent­



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ralisierungs- und Konzentrationsdynamik unserer Wirtschaftsprozesse. Wir können diesen Regionen eine neue Zukunft geben. Sie können unsere neuen dezentralen und ökologischen Kraftwerke werden. Mit der Erzeugung von Energie durch Wind, Sonne und Biomasse entstehen unzählige neue Jobs dort, wo in den letzten Jahren nur Jobs verloren gingen. Eine Regionalisierung der Energieversorgung bringt Beschäftigung und Wertschöpfung in die ländlichen Regionen und gibt dort Impulse für stabiles und nachhaltiges Wachstum. Und nicht zuletzt sichern die grünen Batterien auch die Mobilität zwischen Peripherie und Zentren, wenn der Ölpreis längst astronomische Höhen erreicht hat. Die Energiewende ist ein Entwicklungsmotor für die Schwellenländer  : Mit leuchtenden Augen hat Nobelpreisträger Muhammad Yunus bei einem Vortrag in Wien von einem neuen Projekt rund um die Grameen Bank erzählt  : „Grameen Shakti“ ermöglicht, ebenfalls nach dem Prinzip von Mikrokrediten, hunderttausenden Haushalten in ländlichen Regionen Bangladeschs die Nutzung von Solarenergie. Energie ist somit für einen größeren Teil der Bevölkerung zugänglich. Das gibt Impulse für Bildung, verbessert die Gesundheitsversorgung und ist die Grundlage für das Entstehen vieler neuer, kleiner Gewerbebetriebe. Wir sehen ein kleines Wirtschaftswunder mithilfe der Sonne und eines intelligenten Social-business-Modells, das zudem das Aus für viele dreckige und laute Dieselaggregate bedeutet. Für Entwicklungsländer bedeutet die Energiewende aber auch den Ausweg aus der Schere von Ausbeutung der Ressourcen und Energieabhängigkeit von Industrieländern. Die Energiewende ist ein Gesundheitsprojekt für unsere Kinder  : Jedes Jahr im Winter geben die Medien Feinstaubalarm. Kinder husten, die Zahl der Atemwegserkrankungen steigt ständig. Die Schadstoffe, die unser fossiles Treibmittel der Wirtschaft und Mobilität hinterlässt, setzen sich in den Lungen unserer Kinder fest. Unsere Ölheizungen und unsere Autos sind die Auslöser dieser alarmierenden Entwicklung. Wir erleben hier konkret im Kleinen, woran unsere Erde im Großen krankt. Wenn schon die Sorge um die Klimakrise mit ihren Folgen für uns alle weit weg von der täglichen Lebensrealität scheint, dann sollte die Gesundheit unserer Kinder und Enkelkinder Motor genug sein, vom Dieselmotor auf den grünen Motor der öffentlichen Verkehrsmittel umoder in die neue Welt der e-mobility einzusteigen.

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Die Energiewende ist eine moderne Unabhängigkeitsbewegung  : Der Gaskonflikt zwischen Russland und der Ukraine hat gezeigt, wie verwundbar und abhängig wir von den großen Energieversorgern und ihren „Lieferanten“ sind. Es sind einige wenige Länder und einige wenige Unternehmen, die den Finger auf unserem Lichtschalter und auf unserem Heizungsthermostat haben. Ein beunruhigender Gedanke, der aber schon längst der Vergangenheit angehören könnte. Mittlerweile kann jedes Haus ein kleines Kraftwerk sein. Ein grünes Kraftwerk, das mehr Energie erzeugt, als es verbraucht. Ein Kraftwerk, das jeden und jede von uns unabhängig macht von internationalen Konflikten, die den Ölpreis in die Höhe treiben  ; unabhängig von Despoten, die im Winter das Gas abdrehen  ; unabhängig von Energiekonzernen, denen wir derzeit auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Wer die Kontrolle über die Energie hat, hat die Macht. Ermächtigen wir uns selbst, und werden wir unsere eigenen Energieerzeuger und Energielieferanten. Die grüne Energiewende ist die Rettung unseres Klimas  : Erst jetzt wollen wir zum Naheliegendsten kommen  : Die grüne Energiewende ist – und hier ist Dramatik leider angebracht – die letzte Chance, die Erderwärmung zu bremsen und letztlich zu stoppen und die unabschätzbaren katastrophalen Folgen eines drastischen Klimawandels zu verhindern. Bei der Energiewende geht es nicht nur um ein bisschen grüne Energie, quasi Homöopathie aus der Steckdose zur Beruhigung des ökologischen Gewissens. Es geht um nachhaltiges Wachstum, Arbeitsplätze, Frieden, Umweltschutz, Gesundheit und Autonomie. Energiewende ist das Zukunftsprojekt für unsere Enkelkinder. Es liegt an uns, unsere Produktions- und Lebensweise „enkelsicher“ zu machen. In Abwandlung des geflügelten Wortes im Clinton-Präsidentschaftswahlkampf könnte man sagen  : It’s the energy, stupid. Es liegt an uns, die Herausforderung anzunehmen und die Chancen, die in dieser ganz und gar friedlichen Revolution liegen, wahrzunehmen. Deshalb  : Grüne Energiewende jetzt  ! Ja, es geht.

Laura Rudas

Nachhaltige Politik in Zeiten der Krise

Nachhaltigkeit ist zu einem vielstrapazierten politischen Begriff geworden, der sich zu einem tendenziell alle Politikfelder übergreifenden Prinzip entwickelt hat, das den generell schonenden Umgang mit Ressourcen im Blick hat, seien es nun wirtschaftliche, soziale oder ökologische. Ein wenig besteht dabei die Gefahr, in Beliebigkeit abzugleiten, wenn jede auch nur im Ansatz über die Tagespolitik hinausweisende Maßnahme mit dem Etikett „nachhaltig“ geadelt wird. Im Gegenzug ist aber auch die Einengung des Begriffs auf den Umweltbereich höchst problematisch, wie gerade die Diskussion um nachhaltige Entwicklung belegt. Die Experten nicht nur der Vereinten Nationen legen größten Wert darauf, einem umfassenderen, eben ökonomische und gesellschaftliche Dimensionen einschließenden Verständnis den Weg zu bahnen. Nicht zufällig enthalten daher die Millennium Development Goals von der Bekämpfung von Armut, Hunger, Krankheit und Kindersterblichkeit über Bildung und Geschlechtergerechtigkeit bis eben auch zu ökologischen Fragen ein breites Spektrum von Aufgaben, die ineinandergreifen müssen, um Nachhaltigkeit tatsächlich erreichen zu können. Und auch das United Nations Environment Programme (UNEP) definiert eine „Green Economy“ als „one that results in improved human well-being and social equity, while significantly reducing environmental risks and ecological scarcities“ (UNEP  : Green Economy Report  : A Preview. 2010). Wenn wir wissen, dass heute fast 900 Millionen Menschen noch keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser haben, 2,6 Milliarden Menschen grundlegende sanitäre Einrichtungen wie Toiletten fehlen oder dass mehr als 800 Millionen Menschen in Slums leben, dann stellt sich die Frage nach den Umweltbedingungen eben in einem komplexeren sozialen Zusammenhang. Aus sozialdemokratischer Perspektive zielt die Nachhaltigkeitsdebatte generell, weit über den Bereich der Entwicklung hinaus, auf ein Wirtschaftsund Sozialmodell, das sich vom derzeit vorherrschenden deutlich unterscheidet. Gerade die Wirtschafts- und Finanzkrise zeigt, dass ein einseitig auf den Rückzug des Staates und die Liberalisierung der Märkte fundiertes

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Laura Rudas

Wachstumskonzept keineswegs nachhaltig ist. Deregulierung, Privatisierung, das Vertrauen ins freie Spiel der Marktkräfte, jene Grundsätze also, die über gut dreißig Jahre die wirtschaftspolitische Debatte prägten, haben nicht zum versprochenen Wohlstand für alle geführt. Im Gegenteil  : Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in den meisten Ländern größer geworden. Am Beginn der Finanzkrise konnte man den Eindruck gewinnen, dass es zu einem Paradigmenwechsel kommen könnte. Massives – und durchaus erfolgreiches – staatliches Handeln, das sich in Konjunkturpaketen, Maßnahmen zur Sicherung der Banken und arbeitsmarktpolitischen Initiativen ausdrückte, stieß auf allgemeine Zustimmung. In der zweiten Phase der Krise sieht dies wieder etwas anders aus  : Austeritätspolitik, Kürzungen im Bereich des Sozialstaats stehen wieder in vielen Ländern an der Spitze der Agenda, während die Regulierung der Finanzmärkte oder die verstärkte internationale Kooperation und Koordination in der Wirtschaftspolitik zu kurz kommen. Österreich beschritt in den Jahren sozialdemokratisch geführter Regierungen andere Wege. Die Bundesregierung unter Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat hier eine wichtige Trendwende in Richtung vermögensbezogene Steuern eingeleitet  : Von der Bankenabgabe, der Vermögenszuwachssteuer bei Wertpapieren, Umwidmungsabgabe bei Immobilien bis hin zur Veränderung von Stiftungsprivilegien und bei der Konzern- und Gruppenbesteuerung – mit neuen, gerechten Einnahmen zeigt Österreich auch weiterhin den Weg zu mehr Verteilungsgerechtigkeit. Jahrzehntelang wurden in Europa vermögensbezogene Steuern zugunsten neoliberaler Privatisierungs- und Belastungspolitik zurückgefahren, während für die Finanzmärkte immer mehr „Freiräume“ geschaffen wurden, die letztendlich zur Krise führten. Dabei hat die Krise schon sehr deutlich gemacht, welche fatalen Folgen der Marktfundamentalismus haben kann. Wirtschaftliche Stag­ nation, Wachstumseinbrüche, steigende Arbeitslosigkeit sowie die Schwächung sozialer Balance und Kohäsion sind direkte Konsequenz mangelnder Steuerung der Märkte im gesellschaftlichen Interesse. In Zeiten von Globalisierung, wachsender Ungleichheit, krisenanfälligen Finanzmärkten ist es sehr wahrscheinlich, dass sich wirtschaftliche Krisen fortsetzen oder verschärfen, wenn ihre Ursachen unbearbeitet bleiben. Mit der in diesem Band thematisierten Frage hat dies unmittelbar zu tun, weil gerade das Vermeiden ökonomischer und sozialer Krisen zugunsten möglichst stabiler, gerechter und ausbalancierter Verhältnisse den Kern nachhaltiger Wirtschaftspolitik darstellen müsste.



Nachhaltige Politik in Zeiten der Krise

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Vorschläge dafür liegen ausreichend vor. Ob der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz, der in unterschiedlichen Kommissionen aktiv ist und nicht müde wird, ein Umdenken in der Wirtschaftspolitik zu propagieren, oder jüngst die deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung, die in einem Policy Paper (Social Growth. Model of a Progressive Economic Policy. Jänner 2012) Leitlinien für eine fortschrittliche Wirtschaftspolitik zusammenfasst – die Stoßrichtung ist, bei allen Differenzen im Detail, ähnlich. Dabei wird rasch deutlich, dass eine nachhaltige Wirtschaftspolitik stets die Berücksichtigung sowohl der nationalstaatlichen, der europäischen als auch der globalen Ebene voraussetzt. Ein Kernpunkt ist, dass die globale Finanzarchitektur umstrukturiert werden muss. Die Krise von 2008 hat das Versagen der multilateralen Institutionen mit großer Deutlichkeit gezeigt. Nur eine effektive Finanzmarktregulierung kann jene Spekulation verhindern, die ganze Staaten an den Abgrund führt sowie wirtschaftliche Stabilität und sozialen Zusammenhalt immens gefährdet, und ein stabiles Angebot an verfügbaren Mitteln für die Realwirtschaft garantieren. Die steigenden Renditeerwartungen einer sich hypertroph entwickelnden Finanzwirtschaft sind jedoch auch grundsätzlich unvereinbar mit dem Konzept nachhaltigen Wirtschaftens. Fakt ist auch, dass die Arbeitslosigkeit steigen und der Verteilungsspielraum sinken wird, wenn die Wirtschaft nicht genug wächst und auch hier nicht anders gegengesteuert wird. Ökonomische Nachhaltigkeit wird im Allgemeinen so definiert, dass das Wirtschaften so angelegt sein muss, dass es eine tragfähige Grundlage für den Wohlstand aller Menschen bietet. Die Krise hat bewiesen, dass fehlende Finanzmarktstabilität und eine zunehmend ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen das Wirtschaftssystem erschüttern, den Wohlstand angreifen und Zukunftschancen (z. B. durch hohe Jugendarbeitslosigkeit) schmälern kann. Die Begrenzung der Risken im Verbund mit verstärkter Transparenz ist Gebot der Stunde. Auch die Schlüsselrolle der Zentralbanken ist in diesem Zusammenhang neu zu definieren. Sollte dies im globalen Maßstab nicht möglich sein, wird Europa einen ersten Schritt setzen müssen. Wachstum und neue Arbeitsplätze sind die Voraussetzung dafür, dass Staaten ihren Verpflichtungen nachkommen können. Wachstum und nachhaltige Entwicklung können durch neue Finanzierungsinstrumente wie die Finanztransaktionssteuer verstärkt werden. Sie dämpft nicht nur den Einfluss von Spekulation, sie bringt auch Mittel für Investitionen.

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Laura Rudas

So wichtig der Schuldenabbau auch ist, muss in der Eurozone über eine reine Austeritätspolitik hinausgegangen werden, weil sie für eine Lösung des Schuldenproblems nicht ausreicht. Wie soll eine schrumpfende Wirtschaft bei sinkenden Steuereinnahmen und geringer Nachfrage hoch verschuldeten Staaten ermöglichen, ihre Verbindlichkeiten zu begleichen  ? Auch eine bessere wirtschaftspolitische Koordinierung würde Europa krisenfester machen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatten um die sogenannte „Wachstumsskepsis“ geht es aus sozialdemokratischer Sicht darum, Wirtschafts-, Sozial- und Umweltfragen nicht gegeneinander auszuspielen. In der aktuellen Debatte muss der Fokus verändert werden  : Es geht um eine gerechte Verteilung von guten Lebensverhältnissen, ergo um ein Wachstum von Wohlstand und Lebensqualität. Soziale Fragen dürfen auch und gerade in Krisenzeiten nicht ausgeblendet werden. Natürlich ist es in Zeiten der Budgetkonsolidierung für manche verlockend, den Sparstift bei den Sozialausgaben anzusetzen. Bloß sollte man bedenken, dass besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sozialer Schutz, aber auch beispielsweise Investitionen in Bildung zentrale stabilisierende Faktoren sind. Im Rahmen der Steuerpolitik ist das Ziel, dass auf Basis sozialer Gerechtigkeit alle Teile der Gesellschaft, auch alle Einkommensgruppen, dazu beitragen, dass die öffentliche Hand ihre Aufgaben auch erfüllen kann. Das klingt im Grunde selbstverständlich, ist es aber, wie wir aus vielen politischen Auseinandersetzungen wissen, ganz und gar nicht. Es schließt sich der Kreis wieder zum Thema Ökologie. „Green Growth“ ist mehr als ein Schlagwort. In mehreren Ländern waren beispielsweise die Investitionsprogramme zur Ankurbelung der Konjunktur in der ersten Krisenphase nicht unwesentlich umweltbezogenen Projekten gewidmet. Erneuerbare Energie, ökologisches Bauen oder Sanieren, Müllmanagement und anderes mehr waren Schwerpunkte, die Implementierung gelang offenbar unterschiedlich gut. Eine Studie spricht davon, dass weltweit immerhin 521 Milliarden US-Dollar oder 16,3 % der Investitionen in Reaktion auf 2008 in solche Projekte geflossen sind (s. Sustainable Development  : From Brundtland to Rio 2012. Background Paper. UN 2010). Das kann freilich nur ein erster Schritt sein auf dem Weg zu besserem Klimaschutz und geringerem Ressourcenverbrauch. Nichtsdestoweniger   : Umwelttechnologien sind ein vielversprechender Sektor für ein neues Feld wirtschaftlichen Wachstums, das nicht auf Kosten der Lebensqualität oder der nachfolgenden Generationen geht.



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Wenn 2012 das UN-Jahr der „nachhaltigen Energie“ für alle begangen wird, so ist das wiederum eine Initiative, um die Bekämpfung von Armut und Klimawandel zu kombinieren. 1,3 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Elektrizität – mit schwerwiegenden Folgen für ihre Gesundheit, Sicherheit und Lebenschancen. Höhere Energieeffizienz und die Steigerung des Anteils an erneuerbaren Energieformen ist aber nicht nur ein Thema für Entwicklungsländer. Die Abhängigkeit von fossiler oder nuklearer Energie ist in mehrfacher Weise eine Schlüsselfrage für die Zukunft auch der entwickelten Welt. In absehbarer Zukunft ist möglicherweise damit zu rechnen, dass die Frage des Energiesystems eine politisch relevante sein wird. Diese Frage bietet positive Anknüpfungspunkte, um ökologische Nachhaltigkeit mit Verteilungsgerechtigkeit und langfristigen ökonomischen Chancen zu verbinden. Es ist Aufgabe – auch der Sozialdemokratie –, diese Wende sozial nachhaltig zu gestalten. Eine ambitionierte und dennoch nicht vollständige Auflistung der Herausforderungen, denen wir, und zwar nicht allein die Sozialdemokratie, uns stellen müssen. Es würde für diesen Beitrag zu weit führen, die Vorschläge im Detail durchzugehen. Was aber diese Zusammenfassung deutlich macht, ist die Breite der Aufgaben, die im Kontext nachhaltigen Wirtschaftens zu diskutieren und zu lösen sind – und dass Nachhaltigkeit immer das Zusammenspiel einer sozial gerechten, ökologisch validen und wirtschaftlich vernünftigen politischen Strategie voraussetzt. Das „magische Dreieck unserer Zeit“, Ökonomie, Ökologie und sozialer Fortschritt, lässt sich nicht einseitig auflösen. Zum Schluss noch ein bisher nur implizit behandelter Aspekt  : die Demokratie. Wenn schwerwiegende, das Wohlergehen sehr großer Teile unserer Bevölkerung betreffende Entscheidungen von oft anonymen, jedenfalls aber in keiner Weise demokratisch legitimierten Instanzen getroffen werden, dann steht nicht weniger auf dem Spiel als unser politisches System als solches. Die Demokratie ermöglicht den Bürgern, Einfluss zu nehmen, eine Wahl zu treffen. Sie können sich für eine von verschiedenen Optionen entscheiden, die ihnen zur Abstimmung vorgelegt werden. Durch nichts und niemanden legitimierte Marktkräfte kann man nicht abwählen – schon gar nicht in einer globalisierten Ökonomie, in der auf nationaler Ebene zwar wichtige, aber jedenfalls beschränkte Steuerungsmöglichkeiten vorhanden sind. Wenn jedoch der Eindruck entsteht, dass Wesentliches nicht mehr beeinflussbar ist, wird die Bereitschaft zu demokratischer Mitwirkung nicht gerade gestärkt.

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Ja, es gibt noch bedeutende Unterschiede zwischen den verschiedenen politischen Parteien, und, ja, jenseits der repräsentativen Demokratie gibt es auch andere Möglichkeiten, sich zu artikulieren und in den öffentlichen Diskurs einzugreifen – etwa die Instrumente der direkten Demokratie. Soziale Nachhaltigkeit muss u. a. auch zum Ziel haben, Partizipation für alle Mitglieder der Gesellschaft zu ermöglichen. Dennoch bleiben das trotz mancher Fortschritte weiter bestehende Demokratiedefizit auf europäischer Ebene, das weitgehende Fehlen einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik zumindest in Europa sowie die kaum gegebene Rechenschaftspflicht der Finanzwirtschaft demokratiepolitische Gefahren erster Ordnung. Sie in den Griff zu bekommen, ist vordringliche Aufgabe – nachhaltiger Politik.

Literatur  Friedrich-Ebert-Stiftung, Social Growth. Model of a Progressive Economic Policy. Berlin, January 2012. Österreich 2020. Zwischenbericht der Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit (2011, unveröffentlicht). Sustainable Development  : From Brundtland to Rio 2012. Background Paper, prepared for consideration by the High Level Panel on Global Sustainability at its first meeting, 19 September 2010. New York 2010. UNEP, Green Economy Report  : A Preview. 2010. UNO Millenniumsentwicklungsziele (Millennium Development Goals), beschlossen im September 2000 in New York.

Siegfried Nagl

Wie findet eine intelligente Stadt statt  ?

Wie findet eine intelligente Stadt statt(?), impliziert die Suche nach einer regionalen Strategie für unsere bebaute und unbebaute Umwelt. Das Thema der intelligenten Stadt erfordert eine Verknüpfung von Stadtentwicklung, Stadt- und Landschaftsplanung, Städtebau und Architektur. Indem es die gewohnte Ausgrenzung der Landschaft aufhebt, regt es an, über neue Visionen, über neue Bilder der Stadt nachzudenken. Im Jahr 2050 wird das globale Bevölkerungswachstum aktuellen Prognosen zufolge seinen Höhepunkt erreicht haben. 80 % der auf neun Milliarden angewachsenen Weltbevölkerung werden in Städten leben, welche die letzten fossilen Ressourcen verschlingen werden. Unsere Umgebung ist im Wesentlichen geprägt durch Erfordernisse, wie räumliche Korridore für Abstandsgrün und Lärmschutzwände für den motorisierten, unabdingbaren Individualverkehr. Der Duden definiert Vision als ein in Bezug auf die Zukunft entworfenes Bild. Als Einzelner und als Kollektiv entwerfen wir ständig Bilder. Sie entstehen aus unseren Bedürfnissen, Zielen und Träumen. Wir entwerfen Visionen für eine bessere Welt, für Gerechtigkeit und Objektivität. In gesellschaftlichen Prozessen entstehen moralische Regeln, werden Gesetze formuliert, Pläne entworfen und Straßen und Häuser gebaut. Wenn wir also vor zwanzig Jahren geglaubt haben, dass wir bauen, um uns vor Regen und Kälte zu schützen, um Waren und Informationen auszutauschen, so war Planen und Bauen auch immer eine Suche nach Bedürfnissen und Inhalten, Zielen und Träumen. Die Bedürfnisse an unser Lebensumfeld sind heute durch die Verfügbarkeit von vielerlei Informationen komplexer geworden. Diese Art von Komplexität äußert sich darin, dass das Thema, die Struktur und der Begriff „Stadt“ heute als Hintergrund, eine Art von Kulisse für vielerlei Ansprüche gebraucht und vor allem missbraucht wird. Aus dieser Sicht entsteht eine raumplanerische, städtebauliche, architektonische Gestalt, als Widerspiegelung der Ziele, welche die heutige Zeit prägt. Jede Zeit entwickelt aus der für sie gültigen Vision Bilder für die Gestalt der Stadt, die sich dann in der Struktur und in der Form der Stadt herausschälen. In der Philosophie und in der Wissenschaft wird die heutige Zeit als ein neuer Abschnitt in unserer Geschichte verstanden. Dafür wird der Begriff

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Siegfried Nagl

„Postmoderne“ verwendet. Der Theologe Hans Küng nennt Fleiß, Rationalität, Ordnung, Gründlichkeit, Pünktlichkeit, Nüchternheit, Leistung und Effizienz als die charakteristischen Werte der Moderne. Die spezifischen Werte der Moderne sollen nicht einfach abgeschafft, wohl aber in einer neuen Kons­ tellation neu interpretiert werden und mit neuen Werten der Postmoderne, mit Imagination, Sensibilität, Emotionalität, Wärme, Zärtlichkeit, Menschlichkeit, kombiniert werden. Was würde das für unser Thema bedeuten  ? Was wäre die Vision für eine smarte Stadt  ? Aus dem Zitat von Hans Küng lassen sich folgende Hinweise finden  : Die moderne Stadt soll nicht „abgeschafft“, aber in einer neuen Konstellation neu interpretiert werden. Es geht nicht mehr um einen Abbruch der vorhandenen alten Stadt, um diese durch eine neue, bessere Stadt zu ersetzen, wie dies der Städtebau der 50er- und 60er-Jahre postuliert hat. Es kann aber auch nicht die moderne Stadt der 70er-Jahre, wie sie sich überall in Europa zeigt, ungeprüft in die Landschaft hinaus erweitert werden. Die vorhandene Stadt wird in ihrer Geschichtlichkeit respektiert und ernst genommen. Sie soll aber – mit dem nötigen Respekt – im Hinblick auf neue Bedürfnisse und Werte transformiert werden.

Welches sind die großen Themen des smarten Städtebaus  ? Der Begriff „smart“ weist darauf hin, dass in unserer Zeit neue Bedürfnisse, Ziele und Träume der Menschen auftauchen, die den Städtebau bestimmen müssen. Sie sind in den meisten Aspekten nicht Alternativen zum klassischen Städtebau, sondern neue Aspekte des menschlichen Bewusstseins und Handelns, die integriert werden müssen. Es gibt ein paar erkannte und dominante Phänomene, welche den öffentlichen Diskurs besetzen. Wir kennen und arbeiten mit den Phänomenen der neuen Ökonomie der globalen Welt. Wir versuchen, die Auswirkungen der neuen Möglichkeiten der Telekommunikation bei der Veränderung der Stadt zu integrieren. Hier sei noch auf einige weitere Themen hingewiesen  : Mobilität  : Ein Drittel der von Menschen verursachten CO2-Belastung der Atmosphäre wird in Österreich durch den Individualverkehr verursacht. Smart City ent-



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wickelt Siedlungsstrukturen, die günstigere Voraussetzungen schaffen und diese Belastung abnehmen können. Dabei geht es um die Qualität der gebauten Stadt, die lokal so hoch sein soll, dass sich der Freizeitverkehr reduziert, es geht aber auch um die Attraktivität der Struktur für den Fußgänger und die Benützer von Fahrrädern und die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Verkehrs. Die Entwicklung laufender Verbesserungen unserer Infrastruktur bildet die Grundlage zu einer neuen Struktur und der Gestaltung des Raumes. Die Landschaftsstadt wird durchzogen mit einem austarierten System unterschiedlichster, aufeinander abgestimmter Verkehrssysteme und Verkehrsträger. Eventisierung von Stadt  : Die Struktur, das Bild der Stadt, dient als Hintergrund für vielerlei Aktivitäten. Unsere Zeit wird strukturiert durch die Eventisierung des öffentlichen Raumes. Jede denkbare Art und Form von Event besetzt die gesellschaftliche Struktur, also direkt auch das Denken und Handeln ebenso wie den öffentlichen Raum per se. War die Eventisierung des Raumes früher auf das Fernsehen beschränkt, so wird heute Raum permanent besetzt mit den Inkunabeln sogenannter zeitgenössischer Werte, hinter denen aber auch immer wieder die Industrie und damit monetäre Aspekte stehen. Smart City Graz stellt den Versuch dar, auf allen Ebenen der Gesellschaft Schritte und Maßnahmen in eine der Zeit und der Situation entsprechende Richtung zu steuern. Durch die unabdingbare Forderung nach Vermögensbildung auf der ökonomischen Ebene der Kommunen wird der Handlungsspielraum für tatsächliche Lebensqualität verbessernde Maßnahmen immer zwingender. Dabei ist abzusehen, dass solche Maßnahmen tatsächliche und erfahrbare Werte für den Bewohner und den Benützer der Stadt schaffen. Kollektive Stadt – individuelle Stadt  : Die moderne Stadt hat vor allem die kollektive und globale Stadt inszeniert. Heute entsteht wieder ein verstärktes Bewusstsein für die Bedeutung des Individuellen und Lokalen in der Stadt. Dabei darf es sich nicht um narzisstische Selbstdarstellung oder Privatisierung wichtiger öffentlicher Räume handeln. Es soll dem Einzelnen oder in der Gruppe dort individueller Raum zur Verfügung gestellt werden, wo es seine Verankerung im Raum fördert und dabei keine öffentlichen Interessen übermäßig verletzt werden. Es sollen aber auch lokale Potenziale des Ortes aktiviert werden, welche die Identität des Ortes stärken.

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Siegfried Nagl

Kontinuität und Veränderung  : Smart City Graz muss sich mit der Polarität von Kontinuität und Veränderung auseinandersetzen. Das stadtplanerische Konzept muss Kontinuität sichern, wo dies unerlässlich ist, es muss aber auch Veränderung oder Vielfalt möglich machen, wo dies sinnvoll und wichtig ist, sodass eine vitale und komplexe Stadt entstehen kann, die sich neuen Herausforderungen stellen kann. Dabei sind die neuen smarten Spielregeln ein wesentlicher Indikator. Die finanziellen Spielräume institutioneller Anleger werden durch die strikten und reglementierten Anforderungen der Banken und Versicherungen neu definiert  ! Stadt – Landschaft  : Eines der großen neuen Themen unserer Zeit ist das Verhältnis von Mensch und Natur. Die Stadt kann die Natur nicht mehr nur als koloniales Erweiterungsgebiet betrachten und ihre Grenzen unbedarft immer weiter in die Landschaft ausdehnen. So muss im Rahmen dieses neuen Bewusstseins des Menschen auch eine neue andere Stadt entstehen, bei der Stadt und Landschaft, Landschaft und Stadt gleichberechtigte Partner sind. Für die moderne Stadt war die Landschaft das Territorium der Stadterweiterung. Sie stand der Stadt zur Verfügung und wurde schrittweise von ihr vereinnahmt. Über neue Worte, wie Ganzheitlichkeit, Ökologie oder Nachhaltigkeit wird heute eine neue Sensibilität und Emotionalität im Umgang mit der Landschaft signalisiert. Die Landschaft wird zum gleichberechtigten Partner der gebauten Stadt. Deshalb ist der Betrachtungsraum Smart City Graz für den Rezipienten interessant. Das Verhältnis Stadt – Landschaft als einer der zentralen Aspekte der Vision  : Das Verhältnis Stadt – Landschaft darf nicht das einzige Thema der Vision Smart City Graz sein. An ihm fokussieren sich aber die zentralen Fragen über die Zukunft des Gebietes. Eine Auseinandersetzung über diesen Aspekt muss verknüpft werden mit vielen anderen Themen wie Verkehrspolitik, Wohnbaupolitik, Standortfragen von öffentlichen Bauten und Anlagen, Stadtmarketing und interkommunale Zusammenarbeit. Es scheint aber so etwas wie das Kernthema zu sein, das dann eine Abstimmung aller anderen Themen möglich machen und vor allem zu einem Katalysator eines kreativen Dialogs in der Region werden kann. „Planung ist das Management divergierender Interessen aller Beteiligten im Raum.“ Zit. Heinz Schöttli



Wie findet eine intelligente Stadt statt  ?

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„Es geht im Grunde um das sich Befinden in Umwelten.“ Zit. Gernot Böhme.

Douglas Tompkins, der Gründer von Esprit und The North Face, erwarb aus dem Verkauf dieser Firmen Regenwald in Patagonien vom chilenischen Staat. Mit dem daraus entstandenen Pumalin-Park begründete er nicht nur eines der größten Naturschutzprojekte auf dem amerikanischen Kontinent, sondern, viel wesentlicher, eine andere neue aktive und fordernde Art der Auseinandersetzung mit aktuellen Problemen unserer Umwelt. Im postmodernen Bewusstsein wird der Mensch sich dieser Dissoziation bewusst und sehnt sich danach, diese Grenzen wieder aufzulösen. Daraus ergeben sich neue Visionen, die sich u. a. als ökologische Ziele manifestieren. Gleichzeitig sollen Sensitivität, Emotionalität und Intuition wieder zu gleichberechtigten Partnern des rationalen Menschen werden. Es geht um „Zwischenstadt zwischen Ort und Welt, Raum und Zeit, Stadt und Land“, es geht um „die inzwischen fast vollständige Durchdringung der Natur durch Menschenwerk und den sich damit auflösenden Gegensatz zwischen Stadt und Natur“, Zit. Thomas Sieverts. Es geht um Veränderungen des menschlichen Bewusstseins, die sich in der Gestalt der Stadt reflektieren  : Das vormoderne Bewusstsein kannte die Stadt noch nicht. Mit dem modernen Bewusstsein entstand die Stadt – und sie wurde im Laufe der Zeit immer stärker zum Gegenpol der Natur. Die Stadt grenzte die Natur aus und sah sie nur noch als Reservefläche für ihre Erweiterung. Es entwickelten sich drei unterschiedliche moderne Stadtmodelle  : Neubau, Ersatzbau, Umbau  : Die Komplexität und die Widersprüchlichkeit der gegebenen Stadt wurden respektiert. Mehr und mehr wurden inzwischen Stadt und Landschaft als ein Ganzes gesehen. Der Umgang mit der Veränderung der Stadt wird zu einem Thema der „Stadt – Landschaft“ oder der Landschaftsstadt.

Keine Grenzen im Grazer Becken Im Südosten von Österreich, am Flusslauf der Mur, entsteht eine neue Stadt. Das Siedlungsgebiet wird unbesehen von Gemeindegrenzen zu Quartieren einer großen Stadtlandschaft im Kreis um eine heute asphaltierte Mitte im Grazer Becken. Von allen Seiten fressen sich die Siedlungsgebiete in die offene Landschaft, im Konflikt mit einer traditionellen, produktionsorientierten

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Siegfried Nagl

Landwirtschaft, ökologischen Zielsetzungen, Erholungs- und Freizeitbedürfnissen und romantischen Landschaftsvorstellungen. Um diesen formulierten Ansprüchen umfassend und nur annähernd gerecht werden zu können, lautete das Motto dieser Aufgabe  : Keine Grenzen (No Boundaries). Dies ist der Titel einer Publikation des amerikanischen Philosophen Ken Wilber. Das Buch handelt von den „Grenzen“ im Bewusstsein des Menschen. Damit sollte auf den auf verschiedenen Ebenen wichtigen Aspekt der Grenzüberschreitung hingewiesen werden. Die Projektziele von Smart City Graz sind einerseits das Nachdenken über neue Bilder der Stadt – die traditionellen Ausgrenzungen und rücksichtslosen Besetzungen der Landschaft sollten überwunden werden –, andererseits das Verknüpfen von Städtebau, Landschaftsplanung und Architektur im Sinne einer offenen Aufgabenstellung. Es sind räumliche Konzepte zu finden und zu entwickeln, mit welchen die traditionellen Grenzen zwischen Stadt und Land zu überwinden wären  ! Die Entwicklung einer Stadt artikuliert sich für den Betrachter in einzelnen Projekten. Es bedarf jedoch eines übergeordneten Rahmens, z. B. kooperativer Planungsverfahren  ; diese können die Grenzen der Stadt, aber auch des Denkens überwinden. Keine Grenzen im Grazer Becken steht für die Suche nach einer zeitgemäßen Vorstellung von Stadt. „Ich habe (…) versucht aufzuzeigen, dass die Gestalt der Stadt nicht das zufällige Produkt einer Addition von willkürlichen technischen, sozialen oder ökonomischen Entscheidungen ist. Die Gestalt der Stadt ist ein Kind unserer Gesellschaft, mit vielen verschiedenen Groß- und Urgroßmüttern und -vätern. Und wie jedes Kind ist auch die Gestalt der Stadt ständig auf der Suche nach ihrer Identität, nach einer Ablösung von ihren Vätern und Müttern, aber auch immer verankert in einer Vergangenheit mit vielen rationalen und emotionalen Bedingungen“, Zit. Carl Fingerhuth.

Ich hätte nie daran gedacht, dass der Umgang mit Planen und Bauen, gerade auch in dieser spielerischen Dimension, eines Tages Gegenstand der täglichen beruflichen Arbeit werden würde. Nur heute ist aus diesem Spiel oftmals tierischer Ernst geworden. Mit dem Eintritt in den Dienst als Stadtsenatsreferent für Planen und Bauen wird man zum Herrscher sich bekriegender Interessengruppen im Kampf um entstehende Wertschöpfungen. Konfliktbereitschaft wie auch fantasievolle Konfliktlösungskompetenz sind gefragt.



Wie findet eine intelligente Stadt statt  ?

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Die vordringlichen Aufgaben in der Stadtentwicklung und in der Stadtplanung bestehen im Erkennen, Verstehen und Thematisieren raumrelevanter Probleme. Dazu bedarf es einer generellen Bereitschaft, über die Probleme eines großen Raumes und/oder eines konkreten/präzisen Ortes überhaupt zu sprechen und darüber ohne Einschränkungen nachzudenken. Dies erweist sich oftmals als Hürde am Beginn von neuen Entwicklungsprojekten. Hierbei geht es immer wieder darum, über den eigenen Schatten zu springen, das heißt, über eigene, oft über Jahrzehnte entstandene und „geliebte“ Vorstellungen/Vorurteile kritisch nachzudenken und sich gegebenenfalls auch davon zu lösen. Veränderungen setzen den Mut zu einer solchen Selbstkritik und auch die Offenheit gegenüber der Kritik anderer voraus. Aus solchen Situationen entstehen Potenziale, mittels derer sich unkonventionelle und maßgeschneiderte Lösungen erarbeiten lassen.

Chancen durch ein sich stimulierendes Umfeld  : Jede Stadt, jeder Ort besitzt ein wirtschaftliches – und dadurch auch räumliches – Entwicklungspotenzial. Durch das neue, sich in Arbeit befindende STEK (Stadtentwicklungskonzept 4.0) und die darin neu definierten und formulierten Rahmenbedingungen, entsteht eine Grundlage für eine gedeihliche, zeitgenössische, interkommunale Zusammenarbeit. Das so entstehende private und dadurch in der Folge auch öffentliche Nahverdichtungspotenzial stellt eine große Gestaltungschance dar. Die Entscheidungsträger – und in der Folge auch alle Bedenkenträger – werden in die Pflicht genommen, die neu entstehende Gestaltungsmasse adäquat und sorgsam als Stadt – Landschaft – Landschafts-Stadtbausteine zu formulieren. In diesem Umfeld ist es notwendig, dass sich alle Benützer/Beteiligten an diesem Raum auf allen Ebenen ihrer Verantwortung bewusst werden. In diesem Umfeld soll(t)en Behörden und Politik einen kritischen Austausch pflegen und versuchen, in wesentlichen Fragen gemeinsame Problemstellungen zu erörtern und daraus Lösungsansätze abzuleiten. Vor diesem Hintergrund entsteht die Smart City Steiermark 2050. Unter Beteiligung von Vertretern von Bund, Ländern, Städten und Gemeinden, allen Grundeigentümern sowie wesentlichen Entscheidungsträgern wird dieses interkommunale Projekt entwickelt. Aus den Erkenntnissen entsteht das Entwicklungskonzept Smart City Steiermark. Dieses wird als ein offenes,

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Siegfried Nagl

systemisches Konzept, permanent unter der Diktatur des Laufes der Dinge, formuliert.

Lob dem Durchhaltevermögen Die hier dargestellten Entwicklungsschritte und Erfolge sind ein Mix aus strukturiertem Vorgehen, Zufall und alltäglicher Kleinarbeit. In wechselnden und sich erneuernden Koalitionen mit Akteuren aus Politik, Verwaltung, Öffentlichkeit und Bürgerschaft erwachsen und regenerieren sich die Impulse, am Bild der Stadt zu arbeiten. Allein erreicht man kaum etwas. Stadtentwicklung nach dieser Methode kennt keine Rezepte, braucht aber vielfältige, kooperierende Akteure und fachliche wie soziale Kompetenzen. Wichtig sind sensible Mitstreiter, die Entwicklungschancen und Potenziale „wittern“ und Realisierungsbündnisse schmieden können. Solche Abläufe kann man nicht durch politische Pamphlete und Verwaltungsorganigramme steuern – man muss sie immer wieder neu erfinden, und meistens klären sie sich erst im Prozess. Neben Fachwissen braucht es Integrationsfiguren und ein gerütteltes Maß an Begeisterungsfähigkeit und Lebenserfahrung. Hauptsache  : Man kann allem etwas Positives abgewinnen.

Veronika Mickel

Die Josefstadt  : Nachhaltigkeit auf 1 km²

Ein Bezirk ist die kleinste politische Einheit, die es in Wien gibt. Die Josefstadt, der 8. Wiener Gemeindebezirk, ist noch dazu mit 1 km² flächenmäßig der kleinste Bezirk in Wien. Im Bezirk geht es auch nicht um die „große“ Politik, sondern um die vielen kleinen Anliegen, die die Bezirksbewohner bewegen. Es ist der Bezirk, in dem jene Arbeit passiert, die unmittelbar für die BürgerInnen da ist. Für mich ein ganz wichtiger Punkt, der mich jeden Tag mit großer Freude an meine Arbeit herangehen lässt. Neben der Unmittelbarkeit der Politik auf kommunaler Ebene gilt für mich jedoch auch Folgendes  : Nur wenn in den Bezirken gute Basisarbeit geleistet wird, können große politische, ökonomische und ökologische Veränderungen erfolgreich umgesetzt werden. Denn es ist die kleinste kommunale Ebene, auf der die Menschen miteinander kommunizieren. Es sind die Bezirksvorsteher und in unseren Gemeinden die Bürgermeister, die tagtäglich im Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern sind, sich der Wünsche und Sorgen annehmen und als Ansprechpartner für jegliche Fragen zur Verfügung stehen. Nachhaltiges Arbeiten für Österreich muss daher auf Ebene der Gemeinden und Bezirke beginnen. Unter diesem Grundsatz lebe ich meine tägliche Arbeit als Bezirksvorsteherin. Ich möchte für meine kurze Ausführung vier Themenbereiche festlegen, denen im Bereich der nachhaltigen Bezirksarbeit aus meiner Sicht besonders große Bedeutung zukommt  : - - - -

Klimaschutz, Bildung, Wirtschaft und Frauenpolitik im 100. internationalen Frauenjahr.

Für ein gutes Klima im Achten Jeden Tag bestimmen Worte wie Klimawandel, CO2-Ausstoß und Emissionshandel die mediale Berichterstattung. Es ist klar, Ziele und Maßnahmen zum

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Veronika Mickel

Klimaschutz müssen auf globaler Ebene vereinbart werden. Aber genauso ist der Beitrag jedes Einzelnen zum Klimaschutz gefragt. Umso mehr, da die internationalen Klimaschutzverhandlungen ins Stocken geraten sind und wir nicht wissen, ob sich die Staatengemeinschaft wieder zu verbindlichen Klimaschutzzielen durchringen wird. Die Josefstadt ist seit dem Jahr 2010 Klimabündnisbezirk und verpflichtet sich damit freiwillig zur Verringerung klimaschädlicher Emissionen. Mir ist es als Bezirksvorsteherin der Josefstadt sehr wichtig, dieses Bekenntnis auch mit Leben zu erfüllen. Ein Schritt in diese Richtung ist der „Josefstädter Klimaschutzpreis“, den wir ins Leben gerufen haben. JosefstädterInnen sollen ermutigt werden, aktiv für mehr Klimaschutz einzutreten und durch eigene Projekte und Konzepte einen Beitrag zu leisten. Bewusstseinsbildung ist wichtig, um umwelt- und klimafreundliches Verhalten im täglichen Leben im Bezirk selbstverständlich zu machen. Ein besonders wichtiger Punkt ist die umweltfreundliche Mobilität. Zu Fuß gehen in einem Bezirk der kurzen Wege, regionales Einkaufen, Carsharing, E-Mobilität  : Als Bezirksvorsteherin ist es mir ein Anliegen, in der Josefstadt ein Angebot zu schaffen, das den JosefstädterInnen umweltfreundliche Mobilität schmackhaft macht. Gut für die Umwelt und gut für die Geldbörse  : „Carsharing“ ist ein besonders sinnvolles Konzept in dicht besiedelten und überparkten Bezirken wie der Josefstadt. Bei Carsharing stehen die unterschiedlichsten Fahrzeugmodelle einer Vielzahl von NutzerInnen zur Verfügung. Fahrten mit CarsharingAutos werden bewusster geplant. Dadurch verringert sich auch das Gesamtfahraufkommen. Ein Carsharing-Auto ersetzt bis zu acht private Pkws  ! Es ist – als überzeugte Carsharing-Nutzerin – mein Ziel, mehr Carsharing-Plätze im Achten einzurichten. Ich hoffe sehr, dass dieses Modell auch wienweit Erfolg hat.

25 % des Budgets für den Bildungsstandort Josefstadt Bildung hat den stärksten Einfluss auf den beruflichen und persönlichen Erfolg eines jeden einzelnen Menschen. Und noch viel mehr. Nichts beeinflusst den Erfolg unserer Stadt so sehr wie der Bildungsstandard unserer Bevölkerung. Nicht umsonst werden immer neue Rankings ins Leben gerufen, die Ausbildungsmöglichkeiten und Bildungsstandards erheben und für den internationalen Vergleich aufbereiten. Bereits in jungen Jahren wird der



Die Josefstadt  : Nachhaltigkeit auf 1 km²

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Grundstein für das weitere Fortkommen eines Menschen gelegt. Es ist daher unerlässlich, in die Bildung unserer Kinder zu investieren. Auch hier sind die Bezirke und Gemeinden gefragt – vor allem im Bereich der Kindergärten und Pflichtschulen, deren Erhaltung im Verantwortungsbereich der Bezirke liegt. In der Josefstadt sind wir uns dieser Verantwortung bewusst. Allein im Jahr 2010 haben wir ein Investitionspaket von mehr als € 450.000 für die Josefstädter Kindergärten und Pflichtschulen beschlossen. Das sind rund 25 % unseres Bezirksbudgets. Für mich ist ganz klar, dass dieser Budgetposten auch in den kommenden Jahren außer Frage steht. Das Miteinander an den Schulen ist mir besonders wichtig  : Daher fördert der Bezirk Mediation zur Bereinigung von Konflikten an Schulen ebenso wie kulturelle Aktivitäten.

Wirtschaft im Bezirk  : Top 3 bei der Kaufkraft Die Wirtschaft eines Landes kann nur dann funktionieren, wenn es auf Bezirks- und Gemeindeebene eine intakte wirtschaftliche Infrastruktur gibt. Gerade die Josefstadt ist dafür bekannt – in Zeiten, in denen internationale Einkaufsketten die Innenstädte dominieren und vereinheitlichen –, einzigartige Geschäfte, in denen persönliche Beratung noch gelebt wird, zu beherbergen. Die Josefstadt ist österreichweit Top 3, was die Kaufkraft anbelangt. Wir sind ein Bezirk, in dem es vielen gut geht. Damit unsere Geschäftsstraßen im Wettbewerb bestehen können, liegt es auch an uns, Kaufkraft im Bezirk zu belassen. Anders gesagt  : Damit unsere Geschäftskultur aufrechterhalten werden kann, ist es wichtig, dass die BewohnerInnen unseres Bezirks das Geschäft ums Eck nicht nur schätzen, sondern auch darin einkaufen. Wir werden für das Einkaufen im Achten werben, denn die Konsumentinnen und Konsumenten haben die Zukunft der Geschäftsstraßen in ihrer Hand  ! Zuletzt möchte ich einen Punkt ausführen, der neben der Betrachtung der drei Säulen der Nachhaltigkeit aus kommunaler Sicht im Jahr 2011 unsere besondere Aufmerksamkeit verdient. Seit 1945 gab es rund 200 Bezirksvorsteher wienweit. Weniger als 10 % davon waren Frauen. Die Josefstadt stellte in den 50er-Jahren die erste Bezirksvorsteherin von Wien  : Maria Franc. Es ist daher naheliegend, dass mir als der jüngsten Bezirksvorsteherin von Wien die Förderung von Frauen besonders am Herzen liegt. Im 100. internationalen Frauenjahr möchten wir in der Josefstadt besondere Akzente im Bereich der Frauenpolitik setzen, wobei das Ziel ganz klar sein muss  : Frauentage in Zukunft verzichtbar zu machen. Im letzten Jahr wurde erstmals die Aus-

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Veronika Mickel

zeichnung „Die Josefstädterin 2011“ ins Leben gerufen. Bei „Die Josefstädterin 2011“ sollen Josefstädterinnen ausgezeichnet werden, die in ihrem Leben viel geleistet haben und/oder leisten – sei es in Beruf, Familie oder Ehrenamt. Viel zu selten werden die Verdienste von Frauen nach außen getragen, viel zu oft als selbstverständlich genommen. Das Ziel der Auszeichnung ist es, Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung zu schaffen, welch wichtigen Beitrag Frauen für unsere Gesellschaft leisten. Lesen Sie einfach nach, was Josefstädterinnen ganz im Sinn der Nachhaltigkeit tun  !

Reinhold Mitterlehner

Nachhaltigkeit als Chance für Österreichs Wirtschaft

Die vergangenen Jahre waren von zahlreichen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Herausforderungen sowie einem stetigen Strukturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft gekennzeichnet. Ausgehend vom Jahr 2008 wurde Österreich insbesondere mit den gravierenden Folgen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise konfrontiert. Solche Zäsuren eröffnen aber stets auch neue Chancen. Denn wer aus der Krise die richtigen Schlüsse zieht, kann die Basis für ein intelligentes und qualifiziertes Wachstum legen, wie das Beispiel Österreich zeigt. Dank eines umsichtigen Krisenmanagements, leistungsstarker Unternehmen und hoch qualifizierter Beschäftigter hat Österreich den weltweiten Konjunktureinbruch besser bewältigt hat als viele andere Länder. Wir haben uns einen Wachstumsvorsprung gegenüber dem Euro-Raum erarbeitet und liegen bei den Arbeitsmarktdaten im europäischen Spitzenfeld. In einem schwierigen internationalen Umfeld, das von volatilen Finanzmärkten und dem Übergreifen der Schuldenkrise auf die Realwirtschaft geprägt ist, sind gute Rahmenbedingungen für ein nachhaltiges Wirtschaften wichtiger denn je. Daher wollen wir insbesondere die Innovationskraft der Unternehmen auf allen Ebenen stärken und die Erschließung neuer Märkte mit neuen Produkten und Dienstleistungen unterstützen. Vor allem der weltweit steigende Bedarf an Energie- und Umwelttechnik-Technologien eröffnet für die österreichische Wirtschaft zusätzliche Geschäftsfelder. Öko-Innovationen gezielt unterstützen Ein zentraler Schlüssel zum Erfolg sind Öko-Innovationen, also die marktfähige Umsetzung von energietechnischen und umweltrelevanten Forschungsergebnissen und Unternehmensentwicklungen. Neben den unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteilen tragen Öko-Innovationen zu einer effizienteren und verantwortungsvolleren Nutzung von natürlichen Ressourcen vor allem im Energie- und Rohstoffbereich bei. Für Österreichs Unternehmen ergibt sich also eine „Win-win“-Situation. Schon jetzt verfügen unsere Unternehmen und Forschungseinrichtungen in diesem Bereich über ein hervorragendes Know-how, das weltweit anerkannt wird. So haben sich Energie- und

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Reinhold Mitterlehner

Umwelttechnologien in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren zu einem gesamtwirtschaftlich bedeutenden Beschäftigungsfeld entwickelt, das überdurchschnittliche Wachstumsraten aufweist. Das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ) unterstützt daher Unternehmen auf allen Ebenen bei der Entwicklung und Umsetzung von Öko-Innovationen. Die Förderbank Austria Wirtschaftsservice (aws) und die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) stellen für den gesamten Innovationszyklus Zuschüsse und Förderungen bereit. Besonders unterstützt wird eine noch intensivere Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft. Als konkretes Beispiel hat die Elektromobilität das Potenzial, einen neuen, ökoinnovativen Markt mit neuen Chancen für den Wirtschafts- und Technologiestandort zu schaffen. Indem wir die Elektromobilität in und aus Österreich forcieren, wird nicht nur die Abhängigkeit von fossilen Treibstoffen reduziert, sondern gibt es auch neue Perspektiven für Österreichs Automobilzulieferer, die Elektro- und Elektronikindustrie und die Energieversorger. Damit unterstützen wir die Umstrukturierung der Wirtschaft, ohne dass die derzeitigen Kernkompetenzen und damit Arbeitsplätze verloren gehen. Gleichzeitig partizipieren wir an den globalen Technologiemärkten der Zukunft. Eine von Wirtschaftsministerium, Wirtschaftskammer Österreich und Industriellenvereinigung beim Fraunhofer-Institut und dem Institut für Fahrzeugantriebe & Automobiltechnik der TU Wien in Auftrag gegebene Studie bescheinigt der Elektromobilität bei Ausnützung aller Potenziale bis 2030 die Schaffung von 57.100 neuen Arbeitsplätzen und eine zusätzliche Wertschöpfung von 4,7 Milliarden Euro. Um die Entwicklung der Elektromobilität weiter voranzutreiben, engagieren wir uns einerseits auf EU-Ebene in der High Level Group „CARS 21“ und unterstützen andererseits österreichische Unternehmen und Wissenschaftler bei ihren Forschungsanstrengungen, wobei ein Schwerpunkt auf der Weiterentwicklung der Batterietechnik liegt. Durch unser nachhaltig ausgerichtetes Energiesystem - mit einem hohen und weiter steigenden Anteil an erneuerbaren Energien - haben wir im internationalen Vergleich eine gute Ausgangsposition für den Vormarsch der Elektromobilität. Vorteile durch die Energiestrategie Österreich Nachhaltiges Handeln ist gerade in der Energie- und Klimapolitik wichtiger denn je. Das BMWFJ hat daher schon im Jahr 2010 die Energiestrategie Österreich präsentiert, die konkrete Maßnahmenvorschläge zum Ausbau der



Nachhaltigkeit als Chance für Österreichs Wirtschaft

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erneuerbaren Energien, zur Erhöhung der Energieeffizienz und zur langfristigen Versorgungssicherheit enthält. Ein wichtiger Meilenstein für die Energiestrategie war der Beschluss des neuen Ökostromgesetzes im Juli 2011. Durch diese massive Anschubfinanzierung beschleunigen wir die Energiewende und bauen den europäischen Spitzenplatz Österreichs beim Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch weiter aus – konkret von derzeit rund 68 Prozent auf einen Anteil von 85 Prozent im Jahr 2020. Durch die Novelle und eine lückenlose Stromkennzeichung ist Österreich schon im Jahr 2014 bilanziell unabhängig von Atomstromimporten und entwickelt sich wieder in Richtung eines Stromexporteurs. Bis 2020 werden wir rund zwölf Milliarden Euro an Investitionen für grüne Technologien bereitstellen, setzen aber über die Förder-Degression auch klare Schritte für eine stärkere Marktorientierung der einzelnen Technologien. Diese Ausrichtung trägt mit dazu bei, dass sich österreichische Unternehmen mit ihren Öko-Innovationen auch auf dem Weltmarkt behaupten können. Noch wichtiger als der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist der effizientere Einsatz von Energie. Angesichts knapper werdender Ressourcen werden die energieeffizientesten Volkswirtschaften im internationalen Wettbewerb leichter bestehen können. Entsprechende Investitionen erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit, nützen dem Klimaschutz, vermindern die Abhängigkeit von Energieimporten, tragen zu einer Senkung der Energiekosten bei den Verbrauchern bei und erzielen darüber hinaus positive Beschäftigungseffekte. Ein Musterbeispiel dafür ist die erfolgreiche Förderaktion für die thermische Sanierung. Bis 2014 stehen pro Jahr 100 Millionen Euro an Bundesförderung zur Verfügung, die jeweils nachhaltige Investitionen von rund 800 Millionen Euro auslösen werden. Viele Zukunftstechnologien – zum Beispiel die Batterien von Elektroautos, Generatoren von Windrädern und Komponenten der Solarindustrie– benötigen seltene Rohstoffe für ihre Produktion. Diese sind oft nur begrenzt verfügbar und auch regional ungleichmäßig verteilt. Das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend hat daher den österreichischen Rohstoffplan ausgearbeitet, der durch die Sicherung der heimischen Rohstoffvorkommen die Versorgung künftiger Generationen mit Rohstoffen gewährleistet. In diesem Rohstoffplan manifestiert sich eine nachhaltige Ressourcenpolitik, die durch die Sicherung und Schonung natürlicher Ressourcen eine erhöhte Versorgungssicherheit mit Wettbewerbsvorteilen verbindet. Österreich beteiligt sich zudem aktiv an den Arbeiten der Europäischen Kommission, die auf einen faireren Zugang zu Rohstoffen für die Mitgliedstaaten auf dem Weltmarkt setzt, die Versorgung aus europäischen Quellen verbessern und die Effizienz erhöhen will.

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Reinhold Mitterlehner

Aufgrund der großen Bedeutung des Themas soll künftig unter Federführung des BMWFJ eine neue innerösterreichische Rohstoffallianz zwischen den Unternehmen und Interessenvertretern, der Wissenschaft und den politischen Entscheidungsträgern geschaffen werden. Wir wollen alle Stakeholder an einen Tisch bringen und durch eine strukturierte Vorgehensweise die Ressourceneffizienz und die Wiedergewinnung von Rohstoffen aus Alt- und Abfallstoffen in Österreich steigern. CSR als Wettbewerbsvorteil für Unternehmen Trotz vieler positiver Entwicklungen müssen die CSR-Anstrengungen in Österreich weiter forciert werden. Oft wird CSR nur in einzelnen Aspekten angewandt und kann daher noch nicht das gesamte strategische Potenzial ausgeschöpft werden. Vielfältige Initiativen wie zum Beispiel die vom Wirtschaftsministerium unterstützte Plattform „respACT – austrian ­business council for sustainable development“ tragen mit dazu bei, die vorhandenen Lücken zu schließen. Die Richtung stimmt also. Schon jetzt leisten verantwortungsvoll agierende Unternehmen einen wichtigen Beitrag zum langfristigen Erfolg des Wirtschaftsstandorts Österreich, wobei das nachhaltige Handeln nicht auf den betriebswirtschaftlichen Bereich beschränkt sein sollte. Vielmehr wird es zunehmend wichtiger, auch gesellschaftliche Aspekte wie die innerbetriebliche Familienfreundlichkeit stärker zu berücksichtigen und die Arbeitskultur gezielt auf die Bedürfnisse von Familien auszurichten. Der demographische Wandel und der Fachkräftebedarf erhöhen in dieser Hinsicht den Handlungsdruck. Die nachhaltig wirksamen Vorteile liegen auf der Hand  : Wer familienfreundlich agiert, steigert in weiterer Folge die Mitarbeiter-Motivation und wird attraktiver für qualifizierte Beschäftigte, was wiederum die Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Angesichts der nationalen und internationalen Trends ist Nachhaltigkeit eine enorme Chance für Österreichs Wirtschaft. Im globalen Wettbewerb setzen sich österreichische Unternehmen zunehmend nicht nur mit ihrer Qualität und Innovationskraft durch, sondern auch durch ein nachhaltiges Agieren in den Kernbereichen Markt, Arbeitsplätze, Ökologie und Gesellschaft. Daher muss es unser gemeinsames Ziel sein, die Vorteile eines verantwortungsvollen Agierens noch stärker im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. In Verbindung mit gut justierten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen soll sich Österreich in Zukunft noch stärker als Vorreiterland für Corporate Social Responsibility positionieren.

Nikolaus Berlakovich

Nachhaltigkeit als globale Verantwortung und unmittelbare Handlungsprämisse

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist in der Forstwirtschaft schon seit etwa hundertfünfzig Jahren in Gebrauch. Dort versteht man darunter das Sichern der Holzproduktion durch Erhaltung der Waldfläche sowie damit verbunden das Abwenden von Naturgefahren. Seit der sogenannten „Brundtland-Kommission für Umwelt und Entwicklung“ der Vereinten Nationen 1987 wurde die Bedeutung von „Nachhaltigkeit“ auf alle Belange erweitert, die das Bewahren und das schonende, womöglich recycelnde Bewirtschaften unserer globalen Lebensgrundlagen zum Ziel haben  : „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen. Die Forderung, diese Entwicklung ‚dauerhaft‘ zu gestalten, gilt für alle Länder und Menschen.“ Als Konzept möglicherweise etwas wenig greifbar. Einfacher gesagt  : das Bemühen um harmonisches Zusammenspiel zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Umweltschutz und sozialen Anliegen. Aber wie gibt man dem konkrete Gestalt  ? Nachhaltigkeit im Alltag Wenn man mit dieser Prämisse einmal bewusst durch den Tag geht, dann wird man überrascht sein, wie „nachhaltiges Verhalten“ bereits in den Alltag eingekehrt ist bzw. wie viele Möglichkeiten es gibt, sich nachhaltig zu verhalten, ohne Komforteinbuße. Einige Beispiele  ? Das Rad hat für viele das Auto und selbst öffentliche Verkehrsmittel als tagtägliches Transportmittel ersetzt, denn die Vorteile sind überzeugend  : Man kombiniert den Weg zur Arbeit bereits mit Bewegung im Freien, vermeidet Wartezeiten und Staus. Man kommt ziemlich konstant mit 15 bis 20 km/h voran und hinterlässt keine CO2-Emissionen in der Atmosphäre. Oder  : Abfälle trennen und entsprechend entsorgen. Damit werden Altpapier, leere Flaschen oder biogene Abfälle wieder dem Stoffkreislauf und damit einer sinnvollen Wiederverwertung und Nutzung zugeführt.

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Nikolaus Berlakovich

Auch Unternehmen entdecken die Vorteile des „Nachhaltigseins“ für sich. Viele Lebensmittelkonzerne setzen mittlerweile auf saisonale, regionale bzw. heimische Bioprodukte. Aber warum auch nicht, wenn die Produkte besser schmecken, weil sie nicht 6.000 Kilometer über den Atlantik transportiert wurden, sondern tatsächlich z. B. im Marchfeld frisch gereift und zum Erntezeitpunkt geerntet und verarbeitet oder verkauft werden  ? Dass Nachhaltigkeit eine Selbstverständlichkeit wird, ist gut so. Dafür arbeitet Österreich seit 20 Jahren – seit jenem Tag in Rio, an dem die Staatsund Regierungschefs aller Staaten dieser Welt anlässlich der Konferenz für Umwelt und Entwicklung zum ersten Mal das Bewusstsein der Welt darauf gerichtet hatten, dass die Ressourcen der Erde nicht unerschöpflich sind und wir damit sorgfältig umgehen müssen. Diese Konferenz in Rio hat die Welt in den folgenden Jahren entscheidend beeinflusst, nicht nur, weil dort der Startschuss für die drei Rio-Übereinkommen zu Klima, Wüste und Biodiversität gefallen ist, sondern auch, weil diese Konferenz den Begriff der „Nachhaltigkeit“ salonfähig gemacht hat.

Nachhaltigkeit braucht Zeit Wie viele andere ist Österreich infolge von Rio den drei Übereinkommen beigetreten und hat das Bestreben nach weltweiter Nachhaltigkeit in die Form einer Strategie gegossen – die Österreichische Strategie für nachhaltige Entwicklung. Die Verpflichtungen, denen sich Österreich durch diese und andere internationale Verträge sowie durch die Strategie verschrieben hat, waren der Anstoß für eine Vielzahl von Aktivitäten, die alle zum Bewusstsein für den Umweltschutz und zum Stolz der Österreicherinnen und Österreicher auf ihr Umweltbewusstsein beigetragen haben. Aber was am Wichtigsten ist  : Das Verhalten der Österreicherinnen und Österreicher hat sich dadurch geändert. „Nachhaltig sein“ zieht immer eine Verhaltensänderung mit sich  ; das sieht man einerseits an den drei Beispielen des Alltags oben und es muss andererseits auch die Prämisse für Politiken im Umwelt-/Nachhaltigkeitsbereich sein. Energieautarkie Österreichs bis 2050 Das ist auch der Grund, weshalb durchschlagende und messbare Erfolge für Aktivitäten im Großen erst mittel- und langfristig zum Tragen kommen



Nachhaltigkeit als globale Verantwortung und unmittelbare Handlungsprämisse

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können. Ein zentrales Beispiel  : mein langfristiges Ziel der Energieautarkie Österreichs bis 2050. Die Vorteile liegen auf der Hand  : Unabhängigkeit, Sicherheit, ­Klimaschutz und Arbeitsplätze  : green jobs. Namhafte Wissenschaftler der österreichischen Universitäten und aus Deutschland haben untersucht, ob und unter welchen Rahmenbedingungen eine hundertprozentige Versorgung Österreichs mit erneuerbaren Energieträgern möglich ist. Das Ergebnis bestätigt mich  : Ja, es geht  ! Mit einer Steigerung der Effizienz und der verstärkten Nutzung erneuerbarer Ressourcen kann Österreich bis 2050 per saldo energieautark sein. Das heißt, so viel Energie produzieren, wie wir verbrauchen. Durch Sanierung alter Gebäude und hohe Standards für neue Gebäude können ca. 50 % Energie eingespart werden. Die größte Wirkung verspricht der Bereich Mobilität. Bis zu 70 % weniger Energieverbrauch sind durch Einsatz von EFahrzeugen und Biokraftstoffen, Ausbau des öffentlichen Verkehrs und Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene möglich. Auch in der Produktion gibt es Einsparpotenzial  : minus 35 % beim Einsatz von Solarthermie für Niedertemperatur und Biomasse für Hochtemperatur. Es gibt bereits Beispiele, die beweisen, dass dies möglich ist  : Güssing ist schon energieautark, IBM entwickelt moderne Systeme für green-IT, in Wien können TouristInnen schon im energieautarken Hotel wohnen, in Vorarlberg gibt es ein intelligentes Bussystem, eine Familie aus Niederösterreich lebt energieautark und hat dafür bereits den Klimaschutzpreis erhalten. Energieautarkie bis 2050 – das ist sehr eindeutig langfristig gedacht. Aber ich finde, dass dieses Bestreben ein fundamentaler Faktor für die Weiterentwicklung Österreichs sein muss, denn nur so sichern wir uns und unseren Kindern die künftige Energieversorgung, und nur so schützen wir nachhaltig unser Klima. Und nur so können wir die Abhängigkeit von Atomstrom reduzieren, denn Atomenergie ist keine Form von nachhaltiger Energie.

Anreize setzen Nötig dafür sind ein Umdenken und eine Verhaltensänderung von Unternehmen und Privatpersonen. Wir machen diese durch entsprechende Rahmenbedingungen, Förderungen und Anreizmaßnahmen attraktiver. Zum Beispiel über den Klima- und Energiefonds. Seit der Gründung im Jahr 2007 hat der Klimafonds 69 Programme ausgeschrieben und rund 28.000 innovative Projekte gefördert. Sein Budget ist auch für die Folgejahre gesichert. Das macht

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uns zu einem verlässlichen Partner. Denn die Klimafonds-Förderungen verkürzen den Weg von der Forschung bis zur Etablierung neuer Produkte, von Technologien und Know-how auf dem Markt. Heimische Betriebe haben dadurch bessere Chancen, sich eine internationale Vorreiterrolle und die Marktanteile zu sichern, wobei besonders die Bereiche erneuerbare Energien, höhere Energieeffizienz und E-Mobilität in die Zukunft weisen.

Berufswahl mit Perspektive Mehr Arbeitsplätze durch green jobs ist das Ziel des „Masterplan green jobs“, den wir gemeinsam mit anderen Bundesministerien, den Ländern, Sozialpartnern und Interessenvertretungen, Unternehmen und anderen strukturfördernden Einrichtungen entwickelt haben, um das green-job-Potenzial in Österreich anzuheben. Nach EU-Definition sind green jobs jene Berufsbilder und Arbeitsplätze, die im Dienst des Umweltschutzes stehen, also das Erzeugen und Umsetzen von Produkten, Technologien und Dienstleistungen, die natürliche Ressourcen schaffen und erhalten sowie jedenfalls Umweltschäden vermeiden. Zum Verständnis eines „grünen Arbeitsbereichs“ gehören aber auch sozial nachhaltige Arbeitsbedingungen wie angemessene Bezahlung, Sicherheit am Arbeitsplatz und arbeitsrechtliche Voraussetzungen. Der Masterplan sieht vor, dass in Österreich bis 2020 100.000 neue green jobs entstehen – vom Öko-Hotelier über die Solarinstallateurin bis zum Umweltberater. Die Anzahl der „grünen“ Arbeitsplätze wächst ständig, angetrieben von den knapper werdenden fossilen Ressourcen, der beobachtbaren Klimaveränderung sowie dem damit einhergehenden Wertewandel in unserer Gesellschaft. National wie auch international steigt die Nachfrage nach grünen Produkten, Technologien und Dienstleistungen laufend, sodass bis 2020 hierfür eine Verdoppelung des globalen Marktes auf 2.740 Milliarden Euro prognostiziert wird. Etabliert sind bereits etliche Sparten, etwa erneuerbare Energien, nachhaltiges Bauen und Sanieren, Wasser- und Abwassermanagement. Green jobs sind als krisensichere Arbeitsplätze mit mehrfachem Nutzen zu sehen  : Sie tragen nicht nur wesentlich zu Aufrechterhaltung und Ausbau von Wertschöpfung und damit Wohlstand bei, sie stellen auch wichtige Instrumente dar, um Ökosysteme zu bewahren und zu schonen, und sie heben damit die allgemeine Lebensqualität. Dementsprechend werden viele Berufsprofile erweitert und mit „grünen“ Inhalten verknüpft, wobei Kompe-



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tenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten in das bestehende Wissen und Können aufgenommen werden und dieses ergänzen. Diese Jobs bedeuten häufig eine enge Berührung mit neuesten Technologien und neuesten Entwicklungen im Umweltbereich und machen sie zu einem attraktiven Anreiz, der genau wiederum die notwendige Verhaltensänderung „versüßt“.

Nachhaltig heißt auch umfassend Die beiden Beispiele – Energieautarkie und green jobs – zeigen, dass eine Verhaltensänderung umso schneller und effektiver wirkt, je mehr Menschen mitmachen. Die Transformation unseres Wirtschaftssystems hin zu einer ressourcenleichten Wirtschaft, die den Menschen dient und eine hohe Lebensqualität zum Ziel hat, ist daher eine der zentralen Zukunftsherausforderungen. Auf EU-Ebene arbeiten wir mit der „Europa 2020-Strategie“ und mit der EU-Nachhaltigkeitsstrategie in diese Richtung. Was erreicht werden soll, ist die absolute Entkoppelung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch bei gleichzeitiger Sicherstellung einer hohen Lebensqualität für alle Menschen, heute und morgen. Es geht darum, die „Nebenwirkungen“ des bisher vor allem quantitativ ausgerichteten Wirtschaftswachstums zu betrachten und das Wachstum in Zukunft langfristig ökologisch und sozial verträglich zu gestalten. Ein wichtiges Element in dieser Diskussion ist die Frage nach ergänzenden, alternativen Messmethoden zum Bruttoinlandsprodukt, das als alleiniger Indikator für Wohlstand und Lebensqualität zu kurz greift und zentrale Aspekte wie eine hohe Umweltqualität, Gesundheit oder die Bedeutung sozialer Beziehungen unberücksichtigt lässt. Dadurch wird nachhaltiges Verhalten messbar, was wiederum einen Anreiz für Änderungen darstellt.

Nachhaltigkeit heißt global denken Wenn wir in der westlichen Welt unsere Lebensstile nachhaltiger gestalten, so wird das auch massive Auswirkungen auf die globale Situation haben. Seit der Konferenz in Rio sind 20 Jahre vergangen. Die Welt hat sich seit damals gravierend weiterentwickelt. Es hat Sinn, jetzt eine Bestandsaufnahme durchzuführen – speziell nach diesen letzten Jahren der Finanz- und Lebensmittelkrise, Klima- und Umweltkatastrophen. Wo stehen wir  ? Was haben

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wir erreicht  ? Wo liegen die Defizite, was können wir machen, um diesen zu begegnen  ?

„Wo stehen wir  ?“ Diese Frage müssen wir damals wie heute noch immer mit problematischen Entwicklungen weltweit kritisch beantworten  : Der Klimawandel wird nach wie vor durch einen Anstieg anthropogener Treibhausgase beschleunigt. Unser derzeitiges Verständnis von Lebensqualität gründet auf sehr ressourcen- und energieintensiven Konsumgewohnheiten  : 20 % der Menschen in den hochindustrialisierten Staaten verbrauchen heute 80 % der global verfügbaren Ressourcen  ; dies ist weder auf die ganze Welt übertragbar, noch entspricht es einer Verteilungsgerechtigkeit. In Zusammenhang damit nehmen die Verkehrsbelastungen im Güter- und Personenverkehr gerade bei den Verkehrsmitteln mit nachteiligen Umweltauswirkungen zu. Zwar ist es gelungen, die Emissionen in der Motoren- und Antriebstechnik zu reduzieren  ; diese werden aber durch gesteigertes Fahrverhalten überkompensiert – mit allen negativen umwelt-, sozial- und gesundheitspolitischen Auswirkungen. Die überbordende Zersiedelung des Grünlands um Ballungsräume zerschneidet die verbliebenen Lebensräume für wild lebende Arten, erfordert darüber hinaus aber auch immer neue Infrastruktur für Verkehr und Versorgung, wodurch noch mehr Flächen verbaut werden. In Österreich fallen täglich durchschnittlich 25 Hektar Land unwiederbringlich der Versiegelung zum Opfer. Diese mit nachhaltiger Entwicklung keinesfalls vereinbare Tendenz wird noch dadurch gesteigert, dass das Anwachsen der Städte ins grüne Umland indirekt die Strukturschwächen des ländlichen Raumes vermehrt, wodurch dessen Potenzial nicht nachhaltig nutzbar ist. Dementsprechend beobachten wir einen rasanten Verlust der biologischen Vielfalt  ; Expertengutachten zufolge sterben täglich weltweit rund 100 Tier- und Pflanzenarten aus, wodurch nicht nur Ökosysteme dramatisch Pufferfähigkeit und damit Stabilität einbüßen, sondern auch biogenetische Ressourcen für künftige Nutzungen irreversibel verloren gehen. Was uns Menschen betrifft, nehmen Zivilisationskrankheiten rapide zu  : vor allem dadurch, dass bedenkliche Stoffe in der Nahrungskette akkumulieren, viele Erreger neue Resistenzen bilden und dazu noch Luftschadstoffe, Dauerlärm und Stress die Gesundheit beeinträchtigen.



Nachhaltigkeit als globale Verantwortung und unmittelbare Handlungsprämisse

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Was haben wir global erreicht  ? Gar nicht so wenig. Wir haben ein globales System geschaffen, das die Nachhaltigkeit in konkrete Formen gießt und messbar macht. Dazu zählt die politische Absichtserklärung der Agenda 21 ebenso wie die Reihe an internationalen Übereinkommen – die Klimarahmenkonvention, die Konvention über die biologische Vielfalt, das Washingtoner Artenschutzabkommen, das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht, das Stockholmer Übereinkommen zum Verbot von gefährlichen chemischen Substanzen und das erst 2010 beschlossene Nagoya-Kuala-Lumpur-Zusatzprotokoll zur Haftung bei Schäden durch die grenzüberschreitende Verbringung von gentechnisch veränderten Substanzen, um nur einige zu nennen. Diese Übereinkommen bilden die Grundlage für die Regulierungen auf nationaler Ebene. Im EUKontext sind diese Regulierungen vielfach die Grundlage für den Acquis Communitaire, unsere Gesetzgebung und Vollstreckung in der Europäischen Union. Wenn man sich das bewusst macht, dann sind die erzielten Errungenschaften doch eigentlich enorm, denn auf internationaler Ebene ist die Nachhaltigkeit noch ein Stückchen schwieriger. Wirklich nachhaltige Entwicklung ist nur dann möglich, wenn auch Sicherheit und Frieden erhalten bleiben  ; diese brauchen wirtschaftliche Prosperität, Armutsbekämpfung, demokratische Entscheidungsfindung auf breiter Basis und eine ökologisch intakte Umwelt. Und die Welt ist eben auch nicht stehen geblieben in den letzten 20 Jahren – die Zahl der Wirtschaftsakteure weltweit steigt ebenfalls stetig und damit auch weiterhin der Druck auf die endliche Verfügbarkeit der natürlichen Ressourcen.

Wie geht’s weiter  ? Diese Entwicklungen erklären teilweise die Defizite, aber was können wir machen, um diesen entgegenzuwirken  ? In erster Linie muss klar sein, dass ein Stillstand nicht möglich ist. Die Krisen der letzten Jahre machen die Umsetzung auf dem Weg zur Nachhaltigkeit umso schwieriger, aber gleichzeitig umso notwendiger. Rio+20 hat sich mit dem Thema „Green Economy“ schon den richtigen Ankerpunkt gewählt. Nachhaltige Entwicklung soll ohne Umweltzerstörung zu Wachstum und Wohlstand für alle führen, trotz Weltbevölkerungswachstum. Moderne, umweltfreundliche Technologien sollen

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dabei helfen. Die Produktion von Nahrungsmitteln sowie die Verwendung von Wasser- und Energieressourcen muss nachhaltiger gestaltet werden. Wir brauchen globale Spielregeln, ein Zusammenspiel von Anreizmaßnahmen und Regelungen, um das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung weltweit verwirklichen und die notwendigen Verhaltensänderungen herbeiführen zu können. Die Bilanz von Rio+20 fällt gemischt aus. Das Ziel der Nachhaltigkeit wurde zwar bestätig und die Green Economy als Mittel auf dem Weg dorthin anerkannt. Doch Rio+20 stellt den kleinsten gemeinsamen Nenner der internationalen Gemeinschaft dar, wenig ambitiös und wenig Fortschritt. Beim derzeitigen globalpolitischen Kräfteverhältnis und den zahlreichen Krisen, die die politische Aufmerksamkeit von der Umweltpolitik weglenken, nicht anders zu erwarten. Der kleinste gemeinsame Nenner darf uns aber nicht daran hindern, dass wir in Österreich, in Europa und mit gleichgesinnten Ländern voranschreiten und unsere Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele weiter umsetzen. Und das Wichtigste  : Nachhaltigkeit fängt im Kleinen an und hört im Großen auf, denn die Verantwortung für den sorgsamen Umgang mit Ressourcen kann nicht an den Grenzen eines Staates einfach abgegeben werden.

Franz Benedikt Zöchbauer

Sustainability  : time for leadership

Befinden wir uns in einer „nobody-in-charge“-Welt  ? So beschreibt Björn Stigson, langjähriger Präsident des World Business Council for Sustainable Development (www.wbcsd.org) den Status quo im Herbst 2011 betreffend Nachhaltigkeit auf globaler Ebene (WBCSD Council Meeting, November 2011, München). Stigson fügt hinzu, dass es eine wichtige Verantwortung weltweit agierender Unternehmer in dieser „nobody-in-charge“-Welt ist, dieses Vakuum zu füllen und offensiver als je zuvor von Unternehmensseite zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln und umzusetzen. Liegt es an der Wirtschaft, unsere Welt zu retten, sie nachhaltig auszurichten und damit für zukünftige Generationen zu bewahren  ? Wenn ja, dann stellt sich die Frage, in welcher Form nimmt die Politik ihren Gestaltungsauftrag wahr und wie artikuliert sich das Engagement der Zivilgesellschaft  ? Wenn nein, wer hat sonst die Innovationskraft und den Gestaltungswillen, dies zu tun  ? Die Frage der globalen Erderwärmung ist eine der zentralsten Herausforderungen unserer Gesellschaft im 21. Jahrhundert. Ob und wie wir diese Herausforderung meistern können, hängt essenziell von der Ausgestaltung unseres Energiesystems ab. Dafür benötigen wir Führungspersönlichkeiten, welche die Vision und auch die Umsetzungskraft für „making a difference“ haben.

Energiepolitische Herausforderungen und Vision 2050 Der World Energy Council (www.worldenergy.org) definiert für unsere Reise ins Jahr 2050 folgende Herausforderungen, von deren Lösung ein nachhaltig gestaltetes Energiesystem wesentlich abhängig ist  : – Die prognostizierte Verdoppelung der weltweiten Nachfrage nach Energie gilt es zu befriedigen und gleichzeitig – die Halbierung des weltweiten Ausstoßes von CO2-Emissionen zu erreichen,

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– den Zugang zur Energieversorgung für 1,5 Milliarden arme Menschen zu ermöglichen sowie – die Etablierung eines globalen Risikomanagements zu gewährleisten. Sind wir noch im energetisch fossil-geprägten Zeitalter  ? Ja. Das Energiesystem der Welt von heute, 2011, ist eines auf Basis fossiler Energieträger. Rund 80 % des weltweiten Bedarfs werden durch Erdöl, Kohle und Gas gedeckt. Und damit von Ressourcen, die endlich sind und deren Umwandlung im Energieprozess klimaschädliche Treibhausgase verursacht. Darüber hinaus gibt es für diese Rohstoffe, insbesondere Erdöl, oft höherwertige Verwendungsmöglichkeiten, als sie mit niedrigen Wirkungsgraden zur Energieerzeugung – wie beispielsweise für die Mobilität – zu nutzen. Setzen wir uns nicht kalkulierbaren Risiken in der Energieversorgung aus  ? Ja. Mit rund 7 % Anteil am Weltenergieverbrauch hat die Atomenergie eine vergleichsweise geringe Bedeutung, auch wenn sich dies in der Stromerzeugung für einzelne Ländern und Regionen anders darstellt. Die 7 % Atomenergie im globalen Energiemix haben aber das Potenzial, ganze Regionen für Jahrtausende unbewohnbar zu machen. Das Unglück im japanischen Atomkraftwerk Fukushima im Frühjahr 2011 hat wieder gezeigt, dass ein Restrisiko auch Realität werden kann und keine statistische Größe ist, die ad acta gelegt werden kann. Die Renaissance der Atomenergie in den vergangenen Jahren war geprägt durch ihren Beitrag als CO2-freie Stromerzeugung zur Bekämpfung des Klimawandels. Eine Internalisierung externer Effekte und die fehlende Möglichkeit, das Risiko eines Atomkraftwerkes zu versichern, führen zur These, dass die Atomenergie ohne staatliche Unterstützung und Sozialisierung des Restrisikos keine marktwirtschaftliche Existenzberechtigung hat. Ein funktionierendes und global etabliertes Risikomanagementsystem müsste daher die Atomenergie aufgrund dieser These als Technologie für eine nachhaltige Energiezukunft im Jahr 2050 ausschließen. Ist die Transformation der globalen Energieversorgung hin zu einem System mit erneuerbaren Energien im Zentrum bis zum Jahr 2050 möglich  ? Ja. Ein Energiesystem mit erneuerbaren Energien im Zentrum ist nicht nur möglich, sondern alternativlos notwendig. Notwendig, um die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft zu gewährleisten. Dies bedarf aber gewaltiger Anstrengungen auf allen Ebenen. Die Daten und Fakten des World Energy



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Outlook 2011 der International Energy Agency (IEA, www.iea.org) veranschaulichen die Transformationserforderlichkeit sehr eindrucksvoll. 2010 ist der weltweite Primärenergieverbrauch um weitere 5 % gestiegen, die globale Energieeffizienz hat sich im zweiten Jahr in Folge verschlechtert, und die CO2-Emissionen erreichen einen neuen Höchststand. 20 % der Weltbevölkerung haben keinen Zugang zu Strom. Allein in den kommenden 25 Jahren bis zum Jahr 2035 entfallen gemäß World Energy Outlook 2011 der IEA 90 % des Bevölkerungswachstums, 70 % der Zunahme der Wirtschaftsleistung und 90 % des Wachstums des Energieverbrauchs auf Nicht-OECD-Länder. Bereits im Jahr 2017 werden ohne zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen so viele CO2-Emissionen durch bestehende Kraftwerke, Fabriken, Fahrzeuge etc. emittiert, wie dies gesamthaft im 450-ppm-Szenario (450 ppm = Szenario zur Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre bei 450 ppm CO2-eq) zur Erreichung des Zwei-Grad-Stabilisierungsziels betreffend Erderwärmung als Höchstmenge an Emissionen berechnet wurde. Wie können wir nun die Herausforderungen meistern und eine zukunftsfähige Vision für unsere Energieversorgung entwickeln  ? Die drei etablierten Nachhaltigkeitsziele aus dem Millennium Statement des World Energy Council geben dafür eine gute Anleitung  : accessibility, availability, acceptability. Accessibility  : der Zugang zu Energie sowie klassischen Energiedienstleistungen und dies zu Preisen, die leistbar und nachhaltig sind. Mit nachhaltig ist hier gemeint, dass die Preise auch die wahren Kostenstrukturen der jeweiligen Technologien oder Dienstleistungen widerspiegeln und dadurch nicht wettbewerbsverzerrend auf dem Markt anbieten. Availability  : die Verfügbarkeit von Energie sowohl kurzfristig als auch in der langfristigen Perspektive. Eine hohe und zuverlässige Versorgungssicherheit ist ein wesentliches Rückgrat für die prosperierende Entwicklung von Volkswirtschaften. Eine diversifizierte Energieversorgung in Bezug auf Energieträger ist dafür sowohl in Bezug auf Technologien als auch mögliche Importländer von hoher Bedeutung. Acceptability  : Die Akzeptanz von Energieträgern durch die Bevölkerung im Allgemeinen sowie durch spezifische Stakeholder ist von hoher Relevanz für deren Verwendung und zukünftige Bedeutung für die Energieversorgung – lokal, national und global. Anhand dieser drei Parameter – Zugang, Verfügbarkeit und Akzeptanz – können die energiepolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts für

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jede Ebene analysiert und darauf aufbauend Antworten gefunden werden. Für jedes Land, für jeden Kontinent verdeutlichen diese Parameter die Herausforderungen in der jeweiligen Differenziertheit sehr klar. Aber gleichzeitig haben sie auch das Potenzial, die notwendigen Gemeinsamkeiten und gegenseitigen Abhängigkeiten zur Erreichung des globalen Klimaschutzzieles aufzuzeigen. Beispielsweise ist die Frage des Zugangs zu Energie in Afrika klar ein Thema einer Grundversorgung mit Energie und Strom, während in Europa die Frage der Leistbarkeit von Energie für ärmere Bevölkerungsschichten im Vordergrund steht. Die Frage der Verfügbarkeit und Akzeptanz von Energieträgern korreliert in der Beantwortung stark mit dem Entwicklungsstand der ausgewählten Volkswirtschaften. Warum auf Energieträger wie Kohle verzichten, wenn eine hohe Ressourcenverfügbarkeit wie in China eine hohe inländische Versorgung garantiert und damit teilweise die Befriedigung der hohen Energienachfrage durch Ressourcen vor Ort ermöglicht werden kann ? Während in Europa die Frage der Substitution von fossilen Energieträgern durch erneuerbare Energien einerseits durch die Ressourcenverfügbarkeit bei erneuerbaren Energien unterstützt wird, andererseits die Kostenfrage durch Ineffizienzen im Fördersystem bei der Forcierung von erneuerbaren Energien einen höheren Stellenwert in der Frage der Akzeptanz in den nächsten Jahren bekommen wird.

Eine urbane Wachstumsgeschichte  : die Menschheit im Jahr 2050 1970 lebten 3,6 Milliarden Menschen auf der Erde, im Oktober des Jahres 2011 wurde die Zahl 7 Milliarden erreicht, und für das Jahr 2050 sind 9 Milliarden Menschen prognostiziert, wovon rund 6 Milliarden in den Städten dieser Welt wohnen werden. Wenn die Herausforderungen des World Energy Council eintreten, dann werden diese 9 Milliarden Menschen die doppelte globale Energienachfrage von heute verursachen. Wie können wir es nun schaffen, dass aus dieser urbanen Wachstumsgeschichte auch eine zukunftsfähige Wachstumsgeschichte der Menschheit auf dieser Erde wird  ?

Perspektiven eröffnen und Werte schaffen  : Zukunft durch Mut zur Innovation Die Welt im Jahr 1900. Europa vor 30 Jahren. Die Bedeutung des Unternehmens Kodak vor 25 Jahren und jetzt. Die Durchdringungsrate mit Mobiltele-



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fonen in Österreich vor 20 Jahren und heute. Der Zugang zu Information via Internet vor 15 Jahren und aktuell. Eine Welt ohne Google, Facebook, Microsoft, E-Mail, Mobiltelefon und Transatlantikflüge. Vorstellbar oder nicht  ? 60 Millionen Neukunden bei Mobiltelefonen allein in drei Monaten im Jahr 2011. Indien. Der Telekomsektor als größter Anbieter von Bankdienstleistungen in einem ganzen Kontinent. Afrika. Mehr als 50 % der globalen Investitionen in Windkraft im Jahr 2010. China. Ein Blick in unsere Geschichtsbücher und die dynamischen Entwicklungen, welche in kurzen Zeitspannen – sind es 3 Monate, 10, 25 oder 100 Jahre – politische Landkarten neu schreiben, global führende Unternehmen entstehen und verschwinden lassen oder unsere Art, untereinander zu kommunizieren, ja sogar die gesamte Lebensweise von Bevölkerungsgruppen neu definieren, zeigt auf  : Die Veränderung ist die einzige Konstante. Um diese Konstante auf „Sustainability“ zu übertragen, sei an den in Öster­ reich geborenen Nationalökonomen Joseph Schumpeter mit der „Kraft der schöpferischen Zerstörung“ gedacht. Mit Innovation auf allen Ebenen der Wertschöpfung neue Entwicklungen zu ermöglichen, das wird die zentrale Zukunftsfrage für die nun verantwortliche Generation in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sein. Die Rezepte von gestern können gute Anregungen sein, aber nicht mehr. Für die Lösung der großen Fragen des 21. Jahrhunderts sind neue Rezepturen gefragt. Trotz aller Komplexität und Größe der globalen Herausforderungen ist die Antwort einfach. Die Chancen, welche die kommenden Jahrzehnte für die jetzige Generation bieten, sind gewaltig und die Aufgaben faszinierend. Viele Herausforderungen sind von globaler und lokaler Relevanz. Ganze Industriesektoren werden neu definiert. Historische Pfade der Entwicklung von Gesellschaften können auf Basis von vorhandenem Wissen im Positiven beeinflusst werden. Um diese Chance zu nützen und damit auch das vorhandene Risiko eines Scheiterns bei der Meisterung dieser Herausforderungen nicht schlagend wird, bedarf es Menschen in allen wichtigen Gesellschaftsbereichen quer durch alle Kontinente mit Visionsstärke, Gestaltungswillen und Umsetzungskraft. Aber auch ausgestattet mit einem Gerüst von Werten, die den verantwortungsvollen Umgang mit Menschen und Natur gewährleisten, und dem Charisma zu begeistern. Zusammengefasst  : „It’s time for leadership – for making a difference“.

Christian Plas ∙ Erwin Mayer

Von der privaten zur politischen Nachhaltigkeit

Der Begriff der Nachhaltigkeit kommt, wie bereits oft angeführt, aus der Forstwirtschaft. Ein Wald sollte demnach so bewirtschaftet werden, dass seine Früchte, v. a. Holz, auch noch in den nächsten Jahrhunderten den nächsten Generationen zur Verfügung gestellt werden können. Ein Gleichgewicht von Holzentnahme und nachwachsenden Bäumen wurde durch Forstverordnungen seit dem 16. Jahrhundert in Europa wie in Japan geregelt. Spätestens seit der Mitte des 20. Jahrhunderts wird der Begriff „Nachhaltigkeit“ auch allgemein für die Ressourcenproblematik und Umweltverschmutzung verwendet. Speziell die knapper werdenden fossilen Ressourcen und der Klimawandel, entstanden durch die Anreicherung des Verbrennungsprodukts CO2 dieser fossilen Energieformen in der Atmosphäre, geben dem Begriff der Nachhaltigkeit eine neue, dramatische Bedeutung. So wie im Mittelalter kann ein Ungleichgewicht im Kohlenstoffkreislauf – diesmal nicht die Entnahme von zu viel Kohlenstoff aus den Wäldern, sondern die Einbringung von zu viel Kohlenstoff in die Atmosphäre – die Lebensgrundlagen der modernen Zivilisation auf Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende, zerstören. War es nach massiven Flächenrodungen noch möglich, die Wälder wieder aufzuforsten und den Schaden innerhalb von wenigen Generationen wieder zu reparieren, so kann ein einmal in Gang gebrachter Klimawandel sich selbst verstärken und in einem auf Jahrtausende stabilen und um mehrere Grad Celsius erwärmten Klima resultieren. Die Folgen wären dramatisch  : Ein um mehrere Meter erhöhter Meeresspiegel würde Küstenstädte unbewohnbar machen, Regenwälder könnten zu Steppen werden und Trinkwasserreserven aus den Gebirgen in Form von Gletschern für Millionen Menschen verloren gehen. Die Landwirtschaft könnte für eine steigende Anzahl von Menschen nur mehr weniger Nahrungsmittel bereitstellen und Krankheiten, die bisher auf heiße, tropische Gebiete beschränkt waren, auch ehemals gemäßigte Zonen erreichen. Auch wenn diese Bedrohungen weithin bekannt sind, stellt sich die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass die Menschheit sich nicht nachhaltig verhält, der CO2-Ausstoß 2010 mit über 30 Gt (= 30 x 109 Tonnen) auch als Folge eines neuen Absatzrekords von Kohle, Öl und Erdgas einen neuen Gipfelwert erreicht hat.

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Die zeitliche Dimension Unser heutiges Wirtschaftssystem ist immer stärker auf große Kapitalgesell­ schaften ausgerichtet. Kurzfristige Quartalsgewinne sind für Investoren oder die Vertreter von Investment-Fonds ausschlaggebend. Die Substanz des Betriebes in fünf oder gar in 50 Jahren ist immer weniger relevant. Kurzfristige Gewinnoptimierung und Bonussysteme, die den raschen Erfolg prämieren, lassen Nachhaltigkeitsberichte derselben Unternehmen als Marketinginstrument, aber nicht als Unternehmensstrategie gelten. Es gilt auch heute wieder möglichst viel „Holz“ zu produzieren, sprich kurzfristig die Gewinne zu maximieren, auch wenn der „Wald“, jetzt ganze Volkswirtschaften, dabei an Substanz verliert.

Wirtschaftswachstum als Ziel Zu dieser nicht nachhaltigen Entwicklung trägt zum Teil auch die Orientierung am „Wirtschaftswachstum“, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, bei. Wenn etwas „wächst“, geht man normalerweise davon aus, dass das Gemessene größer wird, sich auch die Substanz vermehrt, wie es bei einem nachhaltig bewirtschafteten Wald der Fall ist. Beim BIP hingegen handelt es sich um eine Flussgröße, gemessen wird derzeit – um im forstwirtschaftlichen Vergleich zu bleiben – die jährliche Holzentnahme und was aus diesem entnommenen Holz geschaffen wird. Die Verringerung des Waldbestandes bei nicht ausreichender Nachpflanzung wird hingegen nicht bedacht. Bestandsgrößen der Wirtschaft fallen bei der Orientierung am BIP-Wachstum unter den Tisch. Das BIP macht als volkswirtschaftliche Buchhaltung durchaus weiter Sinn, aber Wohlstand und insbesondere Nachhaltigkeit können mit dem BIP nicht erfasst werden. Dazu braucht es umweltpolitische Grenzen, die Wirtschaftswachstum nachhaltig machen können. Das Ziel, die Erderwärmung auf 2° C im Vergleich zu vorindustriellen Werten zu beschränken, ist neben den Zielgrößen zur Armutsbekämpfung, Verfügbarkeit von Wasser und Energie, Biodiversität u. v. m. eine der wichtigsten Leitplanken für unser Wirtschaftssystem. Mit ihm ergibt sich auch ein Kohlenstoffbudget, wie viel fossilen Kohlenstoff die Menschheit noch in die Atmosphäre emittieren darf. Maximal 700 Gt CO2 ergeben angesichts von jährlichen 30 Gt CO2 dramatische Reduktionspfade für Treibhausgasemissionen, die unabhängig vom Wirtschaftswachstum ein-



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zuhalten sind. Für die Industriestaaten wie Österreich resultiert daraus ein Ausstieg aus fossilen Energieträgern innerhalb der nächsten vier Jahrzehnte. Entwicklungs- und Schwellenländer müssen nur wenige Jahrzehnte darauf diesem Beispiel folgen und auf 100 % erneuerbare Energie umstellen und zusätzlich – diesmal buchstäblich, nicht sinngemäß – den Waldbestand wieder erhöhen und großflächige Rodungen stoppen.

Das Allmendeproblem All diese Probleme und auch die notwendigen Beschränkungen von Treib­ hausgasreduktionen sind international anerkannt und akzeptiert. Von Kopenhagen bis Cancun bis zu zahlreichen G-20- und EU-Gipfeln – es mangelt nicht am Wissen um die Bedrohung und auch nicht an Bekenntnissen zum 2° C-Erwärmungsziel. Selbst die von den UN-Wissenschaftlern des IPCC errechneten notwendigen globalen Reduktionen von über 50 % bis 2050 werden nicht in Zweifel gezogen. Trotzdem hat man sowohl bei internationalen Klimaschutzverhandlungen als auch bei EU-weiten Diskussionen über Reduktionsziele für Sektoren und Mitgliedstaaten den Eindruck, dass nicht nur der Mensch dem Menschen, sondern auch Staaten und Interessens vertretungen, frei nach Hobbes, ei­ nan­der Wölfe sein können bzw. nur auf ihre eigenen wirtschaftlichen Vorteile achten. Dieses Eigeninteresse, die individuelle Nutzenmaximierung und unternehmerische Profitmaximierung war lange bis ins Spätmittelalter in vielen Religionen, so auch in der christlichen, verpönt. Zinsverbote und die Vertröstung auf das Jenseits sollten die Begehrlichkeiten im Diesseits eindämmen. Erst die protestantische Ethik stellte den wirtschaftlichen Erfolg im Diesseits in den Vordergrund und legitimierte moralisch das Streben nach Profit und persönlicher Glücksmaximierung. Der Begründer der modernen Volkswirtschaftslehre Adam Smith gab dieser neuen Moral 1776 in seinem Werk „Wohlstand der Nationen“ die bis heute für Marktwirtschaften gültige Formel. Wenn jeder seinen Eigennutz verfolgt, entsteht für die Allgemeinheit der größte Wohlstand. Wie von „unsichtbarer Hand“ gesteuert sorgen demnach freie Märkte und unternehmerische Freiheit und Profitmaximierung für die höchstmögliche Bedürfnisbefriedigung aller. Und seither haben tatsächlich marktwirtschaftliche Systeme, beginnend mit England im 18. Jahrhundert bis zuletzt in China und Indien, viele Men-

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schen aus der Armut geholt und waren planwirtschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen Systemen, gemessen an der BIP-Entwicklung, überlegen. Verteilungspolitische Gerechtigkeit, sodass auch die Mehrheit der Bevölkerung von der Wohlstandsmehrung profitierte, kam aber erst mit der sich politisch organisierenden Arbeiterbewegung in diese ehemals rein kapitalistischen Wirtschaftssysteme. Konnte die Verteilungsfrage, die soziale Komponente der Nachhaltigkeit, zumindest in den Ländern mit sozialer Marktwirtschaft politisch gelöst werden, so sind der Verbrauch fossiler Energien und der Ausstoß von Treibhaus­ gasen wie auch die Reduktion von Waldflächen bislang nicht annähernd nachhaltig. Nicholas Stern spricht deshalb vom größten Marktversagen aller Zeiten. Und nicht nur er, auch das IPCC hat recht, wenn beide beim Auftreten von externen Effekten, wenn Dritte geschädigt werden, feststellen, dass ungeregelte Märkte kein Wohlstandsoptimum erzeugen können. Sie empfehlen auch unisono als zentrales Instrument die Bepreisung des Treibhausgasausstoßes. Präziser lässt sich dieses Marktversagen als die Tragik der Allmende bezeichnen. Gemeingüter wie ein relativ stabiles Weltklima, eine saubere Atmosphäre und nicht übersäuerte Meere, deren Nutzung durch die Ablagerung von CO2 Rivalität der Nutzer erzeugt, sind ein Allmendegut. Der Begriff stammt von der Allmende, der Wiese oder eben auch dem Wald einer Gemeinde, die alle Gemeindemitglieder gratis benutzen konnten. Individuelle Nutzen- oder Profitmaximierung konnte aber dazu führen, dass die Erträge für alle Gemeindemitglieder reduziert wurden. Eine kahle Weide oder ein gerodeter Wald, dessen Boden erodiert, war allzu oft das Ergebnis einer ungehemmten Übernutzung.

Die politische Nachhaltigkeit Jetzt gibt es sehr unterschiedliche Ansätze für die Überwindung dieses Allmendeproblems. Die erste wesentliche Entscheidung ist häufig, dass an den Einzelnen – ob privat oder als Unternehmer – moralisch appelliert wird, sich einzuschränken und z. B. Fernreisen zu unterlassen oder als CEO eines Energiekonzerns verstärkt auf erneuerbare Energien zu setzen. Der Eigennutz oder die Rendite soll hinter eine nachhaltige Lebensweise bzw. Unternehmensführung zurücktreten. Oft wird dabei extra betont, dass die Politik fern und unbeeinflussbar sei und daher konkrete, nahe Schritte, die jetzt schon



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umsetzbar sind, auf privater Ebene gesetzt werden sollten. Zahlreiche grüne Ratgeber liefern Tipps für den Einzelnen, wie er sein Leben nachhaltiger gestalten, seinen Fußabdruck reduzieren kann. Unternehmen werden beraten, wie sie Energie effizienter nutzen können und wo es bereits Möglichkeiten auf den Umstieg zu erneuerbaren Energien gibt, die Logistik wird optimiert, CO2-ärmere Verkehrsträger verstärkt benützt usw.

Individueller Pfad der Tugend oder individuelle Bekehrung ist zu wenig All das sind sinnvolle erste Schritte in die richtige Richtung, aber sie reichen weder im einzelnen Betrieb dazu aus, die oben erwähnten absoluten Reduktionen an Treibhausgasen zu bewirken, noch beteiligen sich genug Betriebe daran, als dass diese Schritte in einer volkswirtschaftlichen Bilanz signifikant erkennbar wären. Und das ist keine Ignoranz der Entscheidungsträger, der CEOs oder (auch öffentlichen) Eigentümer gegenüber der Klimaproblematik, sondern Betriebe haben eben Profite zu erzielen und betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten setzen enge Grenzen für nachhaltige Schritte in der Wirtschaft. Selbst die Marketingbudgets und Imagegewinne durch eine Vorreiterrolle können diese Grenzen nicht aufheben. Erinnert sei hier an die Versuche von BP, in den 1990er-Jahren eine größere renewables division aufzubauen und alle Tankstellen mit großen PV-Anlagen auszustatten. An der Kernproblematik, dass klare politische Rahmenbedingungen fehlen, die Ziele definieren und den nach wie vor zu billigen fossilen Energieträgern deutlich höhere Preise geben, kamen auch diese Versuche nicht vorbei. Auch in Österreich versuchten einige Betriebe und kleinere Gemeinden wie Güssing gegen den fossilen Strom zu schwimmen und die Energiewende vorwegzunehmen, bevor noch echte Klimapolitik in Europa und Österreich stattfindet. Teilweise mit beachtlichem Erfolg. Aber bei näherem Hinsehen wurden auch hier zahlreiche Subventionen mit bis zu 60 % der notwendigen Investitionshöhe in Anspruch genommen und ein kurzfristig ungedeckeltes Ökostromgesetz von 2002 bis 2005 ausgenützt. Das zeigt, wie wichtig politische Weichenstellungen und ein Umlenken der Finanzmittel hin zu nachhaltiger Investition wäre. Obwohl auch in den Jahren davor, während und nach der Geltung des für Investoren in erneuerbare Energien guten Ökostromgesetzes von 2002 bis 2005 Nachhaltigkeitsberichte die gleichen Empfehlungen abgaben, die grüne Gesinnung der Menschen und Unternehmer weder größer noch kleiner wurde, kam es eben genau in dieser Zeit von

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2002 bis 2006 (manche Anlagen gingen erst 2006 ans Netz) zu einem selbst im europäischen Vergleich sehr raschen Ausbau erneuerbarer Energien im Strombereich. Danach war ungeachtet der Einstellung von Haushalten und Unternehmern der Investitionsboom wieder vorbei. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der notwendigen Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch bzw. CO2-Ausstoß. Jene Länder, die im Rahmen einer ökologischen und weitgehend aufkommensneutralen Steuerreform ihre Steuern auf Energie und CO2 erhöhten, erreichten diese Entkoppelung über einen längeren Zeitraum. Länder wie Österreich, deren Anteil an Ökosteuern sinkt, konnten diese Wirkung nicht erzielen, außer kurzfristig zu Zeiten hoher Erdölpreise, die einen ähnlichen Effekt auslösen können. Deswegen steigen die Treibhausgasemissionen weiter an bzw. sinken nicht in jenem Ausmaß, das notwendig wäre, um unter die erforderliche Toleranzgrenze von 2° C zu kommen, und in Österreich nahm der Anteil von Strom aus erneuerbaren Energiequellen von 70 % im Jahr 1997 auf 66 % im Jahr 2010 ab.

Wir brauchen eine politische Nachhaltigkeit Die Lösung dieses Allmendeproblems besteht darin, dass sich sowohl die BürgerInnen als auch die Unternehmen ihrer politischen Verantwortung stellen. Sie müssen erkennen, dass eine nachhaltige Konsum- oder Unternehmenspolitik in erster Linie darin besteht, die richtigen politischen Rahmenbedingungen aktiv und bekennend zu unterstützen. Ein freiwilliger persönlicher Verzicht oder die Missachtung des shareholder values sind weder notwendig noch zielführend. Eines von vielen Beispielen, das diesen Unterschied aufzeigt, ist eine Umfrage unter englischen Schülern der University of the West of England im Dezember 2008. Die befragten Schülerinnen und Schüler zwischen elf und 18 Jahren „beschrieben ihr Gefühl, sich selbst dem Klimawandel machtlos ausgeliefert zu fühlen. Sie empfinden den Klimawandel als etwas, das man erst in ferner Zukunft zu spüren bekommen wird, und glauben, dass sie als Einzelpersonen nichts bewirken können“ (http  ://info.uwe.ac.uk  ; pte, 5. 12. 2008, 12  :55). Dabei hätten sich jedoch selbst motorisierte Jugendliche als sehr aufgeschlossen gegenüber strengeren politischen Vorgaben gezeigt, die Druck in Richtung mehr Unabhängigkeit vom Autoverkehr erzeugen. „Scheinbar



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würde solches Vorgehen den Leuten den Eindruck geben, dass sie den Klimawandel gemeinsam in Angriff nehmen können, da sich jeder gleich zu verhalten hätte“, folgert Line, die Studienautorin. Die Schüler erkannten offensichtlich ihre Allmendeproblematik und die Notwendigkeit von gemeinsamen Spielregeln, letztlich von politischen Entscheidungen. Waren es im 16. Jahrhundert noch oft die Fürsten und die Obrigkeit, die den Rahmen für eine nachhaltige Forstwirtschaft festlegten, so müssen in einer modernen westlichen Demokratie die Bürger und Unternehmer selbst aktiv werden und diese notwendigen Rahmenbedingungen einfordern. Auch der Physiker und Philosoph Armin Grunwald schlägt in die gleiche Kerbe und kritisiert, dass „die politisch Verantwortlichen und oft auch die Medien die Sorge um die Nachhaltigkeit ins Private“ abschieben wollen (http  ://www.geo.de/GEO/natur/oekologie/68500.html). Die Erwartung, dass mit Engagement im Privaten die Wende zu einer nachhaltigen Gesellschaft möglich sei, wird von ihm massiv bestritten. Ökologisch orientiertes Einkaufen, Geld veranlagen etc. reiche nicht aus – aber das zu glauben, komme einem kollektiven Selbstbetrug gleich. Seine zentrale Aussage ist  : „Nachhaltigkeit ist eben nicht Privatsache, sondern Angelegenheit der polis.“ Es braucht politische Entscheidungen auf allen Ebenen und eben die politische Mitbestimmung durch die KonsumentInnen oder besser BürgerInnen. Am Beispiel des Klimawandels sind dies Instrumente wie CO2-Steuern und ein Ökostromgesetz für die Etablierung von erneuerbarer Energie (EEG, deutsches Einspeisetarifsystem), die von den Bürgern befürwortet werden, wollen sie wirklich eine nachhaltige Wirtschaftsform initiieren. Nicht Ökostromkunden, sondern diese Gesetze haben eine Trendwende eingeleitet, aber die Ökostromkunden und ökologischen Pioniere sind oft eine Voraussetzung dafür, dass die Mehrheit der Bürger erkennt, was möglich ist, und diese Gesetze unterstützt. Nach einer Untersuchung von McKinsey sind 75 % der befragten Manager und Investoren der Überzeugung, dass Initiativen in den Bereichen Umwelt, Gesellschaft und Führungsverantwortung langfristig den Wert des Unternehmens steigern. Obwohl sie jedoch dieser Meinung sind, handeln sie nicht danach, weil sie fürchten, von den Finanzmärkten dafür abgestraft zu werden – die politischen Rahmenbedingungen (im Finanzbereich) fehlen (Zeit zu handeln, Dominic Barton, in  : Harvard Business Manager, Mai 2011, S. 18 ff.). In einer Umfrage der denkstatt begrüßten Unternehmen aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen mehrheitlich ein Klimaschutzziel von –30 % bis 2020

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für die EU und eine aufkommensneutrale ökologische Steuerreform mit einer deutlichen Erhöhung des CO2-Preises. Ähnliche und größere Initiativen gab es im Wirtschaftsbereich auch im Sommer 2011 für eine Vorreiterrolle Europas im Klimaschutzbereich. Unternehmerische Entscheider brauchen Planungssicherheit und daher langfristig vereinbarte Klimaschutzziele und CO2-Preissignale, erst dann können sie auf ihrer betrieblichen Ebene die Weichen hin zu Energieeffizienz und erneuerbaren Energien stellen. Den Verbänden und Interessenvertretungen (Unternehmen wie auch Gewerkschaften) allein kann die Einflussnahme auf die Politik nicht überlassen werden, weil in diesen Verbänden die Leitung stets auf die CO2- und energieintensivsten Unternehmen Rücksicht nehmen muss und diese bislang meist für eine Konservierung des nicht nachhaltigen Status quo bei den politischen Rahmenbedingungen eintreten. Der eingangs erwähnte Begründer der modernen Volkswirtschaftslehre Adam Smith bezog sich nicht ausdrücklich auf die Problematik der Dominanz von CO2- und energieintensiven Betrieben in der Energiepolitik, aber auf die Diskrepanz von öffentlichem Interesse und (der Summe der) Verbandsinteressen. „Das Interesse der Kaufleute aller Branchen in Handel und Gewerbe weicht […] stets vom öffentlichen ab, gelegentlich steht es ihm auch entgegen. Jedem Vorschlag zu einem neuen Gesetz oder einer neuen Regelung über den Handel, der von ihnen kommt, sollte man immer mit großer Vorsicht begegnen. Man sollte ihn auch niemals übernehmen, ohne ihn vorher gründlich und sorgfältig, ja sogar misstrauisch und argwöhnisch geprüft zu haben, denn er stammt von einer Gruppe von Menschen, deren Interesse niemals dem öffentlichen Wohl genau entspricht und die in der Regel viel mehr daran interessiert sind, die Allgemeinheit zu täuschen, ja sogar zu missbrauchen.“ (Adam Smith, 1776)

Epilog Das Handeln jeder einzelnen Person und eines jeden Unternehmens in Richtung Nachhaltigkeit ist für sich wichtig. Wir alle müssen unseren Beitrag leisten. Aber der Beitrag der Politik ist, für die gesellschaftlichen Zielsetzungen die passenden Rahmenbedingungen bereitzustellen. Und genau das muss die Zivilgesellschaft von den PolitikerInnen einfordern.



Von der privaten zur politischen Nachhaltigkeit

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Deswegen sollte sich ein an Nachhaltigkeit interessierter Bürger oder Unternehmer/Eigentümer nicht auf seine Verbände verlassen oder hinter diesen verstecken, sondern selbst die als richtig erachteten Rahmenbedingungen öffentlich unterstützen. Konkret bedeutet das für Betriebe zum Beispiel, dass sich eine Unternehmensleitung in ihrem Statement des Nachhaltigkeitsberichtes oder jeder Nachhaltigkeitsstrategie klar und unmissverständlich zu den notwendigen Klimaschutzzielen global, in der EU und für Österreich äußert und so konkret wie möglich auch vom Unternehmen unterstützte Klimaschutzinstrumente wie CO2-Steuern, Ökostromgesetz mit oder ohne Deckel bei der Finanzierung, Emissionshandel, Pkw- und Lkw-Bemautung etc. anführt. Diese Positionierung soll und kann eigene konkrete Schritte des Unternehmens nicht ersetzen, sondern ist im Gegenteil sowohl nach innen an die eigene Mitarbeiterschaft als auch nach außen an die politischen Meinungsbildner ein wichtiges Signal der Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem gesellschaftlichen Wandel. Vielleicht präsentieren dann eines Tages selbst Öl- und Energiekonzerne nicht bloß ein paar modellhafte Projekte für erneuerbare Energie in ihren Berichten oder in ihrer Werbung, sondern setzen sich bewusst für –30 % Treibhausgasreduktion bis 2020 in der EU ein, begrüßen aufkommensneutrale ökologische Steuerreformen und ein ungedeckeltes Ökostromgesetz – weil sie erkennen, dass mit der langfristigen Gestaltung der Rahmenbedingungen auch für sie eine erstrebenswerte Zukunft möglich wird. Bis dahin ist ihr Verhalten nicht nachhaltig.

Stefan F. Windberger

Achieving the Millennium Development Goals through Social Business

I Introduction Following a meeting that was billed as the largest gathering of heads of state in history, the UN’s General Assembly adopted the Millennium Declaration on 8 September 2000. Eight goals, summarized under the points Values and Principles  ; Peace, Security and Disarmament  ; Development and Poverty Eradication  ; Protecting our Common Environment  ; Human Rights, Democracy and Good Governance  ; Protecting the Vulnerable  ; Meeting the Special Needs of Africa and Strengthening the United Nations were set to be achieved by 2015. After the 189 member states of the United Nations had agreed to these broad goals following the three-day Millennium Summit, a detailed list of 8 goals and 18 targets including measurable indicators was derived from the Millennium Declaration and then came to be known as the Millennium Development Goals or MDGs  : Goal 1  : Eradicate extreme poverty and hunger Goal 2  : Achieve universal primary education Goal 3  : Promote gender equality and empower women Goal 4  : Reduce child mortality rates Goal 5  : Improve maternal health Goal 6  : Combat HIV/AIDS, malaria, and other diseases Goal 7  : Ensure environmental sustainability Goal 8  : Develop a global partnership for development Interestingly, six of these eight goals were already mentioned as targets within the same timeframe in a strategy paper that was compiled by the OECD four years earlier (OECD 1996, p. 2 ff.). In order to review the implementation of the MDGs, follow-up conferences were held in 2005 and 2010, each culminating in a vast report that outlined the progress towards achieving the goals in the concerned member

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states. So far, the results have been mixed, with notable improvements in China and India in particular, but significant shortcomings in Sub-Saharan Africa. At the same time, the search for new ideas that could be used to attain the MDG continued. Far away from New York, the Bangladeshi economist Prof. Muhammad Yunus has been working in the field of poverty alleviation since the late 70s and was awarded the Nobel Peace Prize in 2006 together with the Grameen Bank, a financial institution founded by him in 1983 with the focus of providing collateral-free loans to the poor, i.e. microcredits. These small credits were given mainly to women and became an effective tool in poverty alleviation (e.g., Armendáriz and Morduch 2007; Khandker 2001, Morduch 2002; Pitt and Khandker 1998; Robinson 2001). In 2007, Yunus developed a new idea called Social Business which is an economic tool that combines both financial sustainability and the, at least in mainstream economic activities, often neglected social challenges and usually externalized environmental problems. He explained that “whenever I wanted to deal with a social or economic problem, I tried to solve the problem by creating a business around it. Over time I became convicted that it is an excellent way to address social and economic problems, but one that is missing in the framework of economic theory. I strongly feel that it should be included. This missing piece in the theoretical framework is what I call social business.” (Yunus 2010, p. 17). Picking up the thoughts of Adam Smith in the The Wealth of Nations (1776) and especially in his lesser known Theory of Moral Sentiments, where Smith (1759) states that human behaviour is multifaceted, comprising of both selfish and selfless parts  ; Yunus tried to create a model that serves the selfless dimension (2010) and addresses societal challenges without any state intervention. Stiglitz (2006, p. 190) does an excellent job in describing these challenges  : “In the extension of Smithian economics, if morality enters the picture at all, it does so only to enjoin firms to think about the interests of shareholders above all else – in fact, to think only of shareholders.” If we take this as an adequate description of corporate behaviour, Social Business is the answer to a great many problems that have been neglected by companies so far. More recently, the United Nations’ Millennium Declaration states that “the central challenge we face today is to ensure that globalization becomes a positive force for all the world’s people. For while globalization offers great opportunities, at present its benefits are very unevenly shared, while its costs



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are unevenly distributed.” In this regard, Social Business is a means of making capitalism ready for the 21st century  : These enterprises are founded solely on the purpose of achieving a social, environmental or ethical objective like poverty alleviation, countering malnutrition (both MDG 1) or providing healthcare to underserved groups (MDG 4 and 5) but still have to maintain financial stability, i.e. earn more than they spend. In a very recent working paper, the D.G. Internal Markets and Trade of the European Commission sums up the idea  : “[Social Businesses] place the achievement of social impacts above the delivery of financial returns. For this reason they can be seen as hybrid businesses, which lie between traditional for-profit firms and purely philanthropic endeavours with no economic element. In comparison with traditional firms they might be considered by investors solely interested in financial returns as insufficiently profitable. However, at the same time they are distinct from purely philanthropic work because their activity is about doing business. Social businesses are typically characterised by a high degree of (social) innovation  : they can tackle challenges and fill gaps not sufficiently addressed through mainstream business or philanthropic work. They also typically focus on areas that fall beyond the traditional boundaries of State responsibilities, complementing public policy rather than replacing it.” (European Commission 2011, p. 2)

The investing company will be able to recuperate its initial investment after the Social Business breaks even, but doesn’t receive any further dividends or payments. While some may consider this treason of the shareholders (Friedman 1970), it still constitutes the better alternative to any CSR investment, as the benefitted charities will never return the entirety of the initially invested money. Concerning the social objective, both charities and Social Businesses refer to social profit maximization as their primary goal and therefore, this aspect cannot be considered as distinguishing either of them. However, there is a difference between Social Business and Social Entrepreneurship insofar as all SBs are subject to seven principles  : 1. Business objective will be to overcome poverty, or one or more problems (such as education, health, technology access, and environment) which threaten people and society  ; not profit maximization. 2. Financial and economic sustainability.

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3. Investors get back their investment amount only. No dividend is given beyond investment money. 4. When investment amount is paid back, company profit stays with the company for expansion and improvement. 5. Environmentally conscious. 6. Workforce gets market wage with better working conditions. 7. … do it with joy. Whereas the principles one, three and four determine the difference between a social business and a traditional company, number two is key to a traditional enterprise and therefore explains the different approach of Social Business vis-à-vis most NGOs. When linking MDGs and Social Business, the first question to arise might be which MDGs could be targeted by the latter. As mentioned beforehand, microcredits are very relevant to poverty alleviation (MDG 1) and women empowerment (MDG 3). Grameen Bank’s educational scholarships and loans target universal primary education (MDG 2), but this can unfortunately not be generalised for all MFIs. Social Businesses in healthcare could aim at reducing child mortality (MDG 4), improving maternal health (MDG 5) and combatting HIV and other diseases (MDG 6). Environmental sustainability (MDG 7) and its targets such as reducing biodiversity loss and improving the livelihoods of slum dwellers might not be directly tackled, but could once more be the cause of better living conditions due to Social Business initiatives and, most visibly, microfinance.

II From basket case to best practice – Bangladesh as a role model  ? Undoubtedly, Bangladesh is currently the country with the highest number of active Social Businesses. Apart from the French Groupe Danone, which started the world’s first Social Business in late 2006 in the North-Western Bangladeshi town of Bogra, many more companies such as Veolia, BASF, Intel or Adidas are active as of 2012. Grameen Danone is a Social Business producing a yoghurt called Shokti Doi that is enhanced with all the vitamins and micronutrients which are missing in the daily diet of a Bangladeshi child and has especially been the focus of scholarly research, including case studies at Harvard Business School (Rangan and Lee 2010) and HEC Paris. Given the case that their experience



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as a Social Business is the most extensive, it should also be our main focus in this section. In the absence of a mathematical model, we assume that the success of a Social Business is defined by (a) its performance against its business objectives and (b) its performance against its social objectives. According to Grameen Danone’s joint venture agreement (Grameen Group & Danone Asia Pte. Ltd. 2006a, p. 5–6), the company has two primary business objectives  : • In terms of profit and loss, the joint venture should be a non-loss operation company. No shareholder should lose money in their participation. The business model should be profitable for each party. • After having made up for previous losses, Grameen Danone should generate enough surplus to pay back the invested capital to the parties as early as possible [date not specified]. (summary drawn from Humberg 2011, p. 139)

Humberg (2011, p. 140) states that Grameen Danone underperformed concerning its first business objective, as it has been making operating losses every year so far. Reasons for this include, first and foremost, insufficient demand leading to a plant with more than two-thirds of its production capacity left unused as of 2009 (Humberg 2011, p. 142). Taking into account the statement of the Head of Danone Communities (Danone’s fund that acts as a vehicle for the company to invest in Social Businesses), who believes that no thoughts should be spent on repayment before a second plant is up and running (Humberg 2011, p. 140), the first step needs to be to make use of the full production capacity of the Bogra plant and then start building a second factory. The crucial mark of a production of 1.5 million cups per month, corresponding to 85 % of the total capacity of the Bogra plant and close to what is needed to cover for Grameen Danone’s operational and fixed costs, was finally achieved in February 2010 (Humberg 2011, p. 141). Pending the success of the second factory, which is being built in late 2011, break-even thus seems realistic for Grameen Danone’s management in 2012/2013 (Humberg 2011, p. 141), with 2013 being the more generally accepted date (GDFL 2010, p. 15). Turning to the social objectives as formulated in Grameen Danone’s joint venture agreement (Grameen Group & Danone Asia Pte. Ltd. 2006a and 2006b), the following two points can be singled out  :

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• Allow low-income, nutritionally deprived populations (especially children) to have access (in terms of affordability and availability) to daily healthy nutrition in order to improve their nutritional status. • Reduce poverty  : improve the economic conditions of the local D and E class population (Pénicaud 2008, Sultan 2007) by involving local suppliers (farmers) and helping them to improve their practices (upstream), involving the local population via a low-cost/labour-intensive manufacturing model (production), and contributing to the creation of jobs through the distribution model (downstream). (summary drawn from Humberg 2011, p. 153)

The second objective can be directly related to MDG 1 (combatting poverty and hunger) while the first may be also linked with MDGs 4 and 5 (reducing child mortality, which is arguably caused to a certain extent by malnourishment and improving maternal health). The use of sales ladies is also a considerable effort related to MDG 3 (promoting gender equality and empowering women). In absence of a proper monitoring and evaluation system put in place by Danone, the first objective is difficult to measure. Yunus (2011, p. 14) says that two cups of Shokti Doi yoghurt a week over a period of eight to nine months are enough for children to get out of malnutrition. Due to problems in recruiting door-to-door sales ladies (Women who are going out of their house and especially their interaction with strangers are treated with suspicion in a conservative Muslim society such as rural Bangladesh) and the lacking availability of fridges to keep the yoghurt cool, only around 15 % to 20 % of villages in Bogra district are covered by the sales ladies (Humberg 2011, p. 167). Even though the price of 7 Taka (10 US$ Cents) per cup seems to be very low and is necessary for Grameen Danone’s business model to cover for their costs, it is still too much money for people living off 1 US$ a day to consume it regularly (Humberg 2011, p. 171). The fact that one out of four children belonging to Bogra District’s C and D class eats Shokti Doi at least once a week (GDFL 2010, p. 57) supports this. But as the only marginally higher C and (upper) D class incomes already allow this little luxury, the price might be close to what is needed to cover the (lower) D and E class population. As for the second objective, the reports from involved stakeholders are generally positive. Upstream, the local farmers benefit by (a) having income security through fixed contract-like daily milk collection, (b) better market



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access and (c) lower transaction costs by supplying the milk to predefined milk collection points rather than selling it on the comparatively far away market (Humberg 2011, p. 156 ff.). In production, Grameen Danone provides employment to 118 people as of late 2009 (Humberg 2011, p. 159). Downstream, the distribution model employs over 800 sales ladies (GDFL 2010, p. 36), but only around 175 of them are working on a regular basis (Yunus 2010, p. 48). For them, selling the yoghurt is a possibility of supporting their family through additional income and they prize the flexibility of the job (The women can sell Shokti Doi whenever and as often as they want, though the bonus system encourages daily sales of more than 66 cups) and their new possibility of free movement highly (Humberg 2011, p. 165). Overall, it seems that Grameen Danone’s groundbreaking business model has a lot of potential if they are able to sell more yoghurts. Bearing in mind that this is the first Social Business and there was no best-case practice at all, the “bumpy learning curve” (GDFL 2010, p. 14) compared to a usual business is nothing to wonder about. Nevertheless, the fact that the factory is directly employing around 300 people on a regular basis and has a 47,4 % penetration in Bogra households (GDFL 2010, p. 27) remains a promise. The price of Shokti Doi is still to high to reach the ultra-poor, but crosssubsidization through sales in big cities like Dhaka and Chittagong seems to be a viable model as it has boosted output to almost 100,000 units per day as of April 2010 (GDFL 2010, p. 14). Thus, a Grameen Danone-like model can be considered as helping rural children in Bangladesh to achieve a balanced diet (MDG 1) and, to a lesser extent, lessen child mortality (MDG 4) and improve maternal health (MDG 5). The integration of women in the Bangladeshi labour force has been considered successful and the country is on its way to achieve gender equality in education (UNIDO 2011). While UNIDO mainly links this substantial achievement for MDG 3 to a revolution in the garments sector, the impact that microcredits had on rural women since the 70s should also be taken into account (Yunus 2003). The social implications of having female sellers at Grameen Danone can be compared to the latter, as selling products from door to door means real participation in the village life instead of staying at home and being unable even to buy the food to cook due to cultural constraints. Summing up the story of Grameen Danone, substantial contributions to four MDGs can be seen, which is especially very promising in the light of lacking role models for Social Business.

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III Expanding the reach – perspectives for social business It goes without saying that if Social Business is determined to become a global force in reaching the Millennium Development Goals, several steps have to be taken. One of the pioneers of microcredit in the USA, Sam Daley-Harris, derives four points from the early promotion of microcredits that are key to success for the Social Business movement (Daley-Harris 2011, p. 60)  : Firstly, some sort of certification will be necessary as the current involvement of Prof. Yunus through the Yunus Centre or Grameen Creative Lab in most Social Businesses is not sustainable if the numbers of the latter grow on a larger scale. Daley-Harris proposes a “seal of excellence”, which, according to numerous statements by Muhammad Yunus, should ideally be attributed by a governmental or even better international body. Some UN agencies like UNDP, UNCTAD or UNIDO might join forces and form an interagency body within the UN framework, as this would create the greatest possible legitimacy. Secondly, Daley-Harris proposes a set of legal regulations in order to allow Social Businesses to act according to their mission, as the choice between the legal status of a company or that of an NGO is not satisfactory (While companies have the legal obligation to maximize the shareholder’s value (thereby pushing for profit maximization) in most countries, NGOs often cannot make profit by law). The initiative “Citizens for Social Business” started to campaign for a legal regulation within the European Union and aims to collect 1 million signatures for a European Citizen’s Initiative (In place since the Treaty of Lisbon, a European Citizen’s Initiative needs to collect 1 million signatures by EU citizens and then the matter will be discussed in the European Parliament) in order to bring the issue on the table of the European Parliament. Thirdly, new funding streams for Social Businesses need to be found since commercial banks are usually not willing to lend to Social Business-entrepreneurs as their businesses will not maximize their profit and thus will repay their debts more slowly. At the time of writing, both the Grameen Crédit Agricole Fund in Luxembourg and the Paris-based Danone Communities Fund can be considered as successful examples. Funded projects as of 2011 include projects in Bangladesh, Cambodia, France, India and Senegal. Fourthly, awards for role-model Social Businesses should be created as this will increase visibility and also provide best-practice examples for the whole movement.



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Daley-Harris is absolutely right in his analysis and one may add that it’s now time for international organizations and national aid agencies to rethink their programmes. If they decide to spend a fraction of their budget on supporting social businesses instead of charities, they will easily be able to multiply their impact in the field of poverty alleviation as their invested money will flow back after the SB reaches break even, enabling them to invest infinitely into other worthy causes. Moreover, we have seen that Social Businesses can create local employment opportunities, which is not as much the case for e.g. humanitarian aid. It’s time to move poverty into museums.

IV Bibliography Armendáriz, Beatriz and Morduch, Jonathan (2007): The Economics of Microfinance. Cambridge: MIT Press. Daley-Harris, Sam (2011)  : ‘Microcredit Campaign Strategies and Social Business Movement  : What Can the Social Business Movement Learn from the Early Promotion of Microcredit  ?’, in  : The Journal of Social Business, Vol 1, Pp. 46–61. European Commission (2011)  : The Social Business Initiative  : Promoting Social Investment Funds. Staff Working Paper of D.G. Internal Market and Services. http  ://ec.europa. eu/internal_market/consultations/2011/social_investment_funds_en.htm Faivre-Tavignot, Bénédicte  ; Lehmann-Ortega, Laurence and Moingeon, Bertrand (2010)  : ‘Le social business, laboratoire d’apprentissage des stratégies de rupture’, in  : Revue française de gestion, 208–209, Pp. 175–189. Friedman, Milton (1970)  : ‘The Social Responsibility of Business is to Increase its Profits’, in  : The New York Times, September 13, 1970. GDFL (2010)  : Grameen Danone Foods Ltd., a social business in Bangladesh. Grameen Danone Foods Ltd. – GDFL. http  ://www.muhammadyunus.org/images/stories/in_the_media/GDFL_BP_210510.pdf Grameen Group & Danone Asia Pte. Ltd. (2006a)  : Grameen Danone Foods (A social business enterprise)  : Joint venture agreement – Key principles. Internal document. Dhaka and Singapore  : Grameen Group and Danone Asia Pte Ltd. Grameen Group & Danone Asia Pte. Ltd. (2006b). Joint venture agreement. Internal document. Dhaka and Singapore  : Grameen Group and Danone Asia Pte Ltd. Humberg, Kerstin (2011)  : Poverty Reduction through Social Business  ? Lessons Learnt from Grameen Joint Ventures in Bangladesh. Dissertation at the University of Cologne. Khandker, Shahid (2001)  : Does Micro-finance Really Benefit the Poor  ? Evidence from Bangladesh, Paper delivered at Asia and Pacific Forum on Poverty  : Reforming Policies and Institutions for Poverty Reduction held by the Asian Development Bank, Manila.

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Menascé, David  ; Dalsace, Frédéric (2011)  : ‘Getting Involved  : BoP vs Social Business’, in  : The Journal of Social Business, Vol 1, Pp. 117–125. Morduch, Jonathan (2002): Analysis of the Effects of Microfinance on Poverty Reduction. NYU Wagner Working Paper No. 1014. OECD Development Assistance Committee (1996)  : Shaping the 21st Century  : The Contribution of Development Co-operation. http  ://www.oecd.org/dataoecd/23/35/2508761.pdf Pénicaud, Muriel (2008)  : Social innovation to bring nutrition to the poor in Bangladesh & to valorize and professionalize local populations. Paris. Pitt, Mark and Khandker, Shahid (1998): ‚The Impact of Group-Based Credit Programs on Poor Households in Bangladesh: Does the Gender of Participants Matter?‘, in: Journal of Political Economy, Vol 106, No. 5, Pp. 958-996. Rangan, V. Kasturi and Lee, Katherine (2010)  : Grameen Danone Foods Ltd., a Social Business. Harvard Business School Case, September 2010. Robinson, Marguerite (2001)  : The Microfinance Revolution  : Sustainable Finance for the Poor. Washington DC  : World Bank. Smith, Adam (1759)  : The Theory of Moral Sentiments. 2006, New York  : Dover Publications. Smith, Adam (1776)  : The Wealth of Nations  : An Enquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations. London  : Methuen and Co. Ltd. Stelzer, Thomas (2008)  : ‘UN-Millenniumsentwicklungsziele. Kommentar Thomas Stelzer  : Die MDGs der Vereinten Nationen’, in  : Wiener Institut für internationalen Dialog und Zusammenarbeit, news 3/2008. http  ://www.vidc.org/news/news32008/un-millenniumsziele-bis-2015-realistisch Stiglitz, Joseph (2006)  : Making Globalization Work. London  : Penguin. Sultan, Imamus (2007)  : Grameen Danone Foods Limited  : A unique model of social business enterprise. http  ://www.planetfinance.or.jp/files/symposium/presen/en/06Sultan.pdf United Nations (2000)  : Millennium Declaration. http  ://www.un.org/millennium/de claration/ares552e.pdf UNIDO (2011)  : ‘Country Feature  : Bangladesh’, in  : Making It  : Industry for Development, 3/2011, Pp. 36–37. Yunus, Muhammad (2003)  : Banker to the Poor, New York  : Public Affairs. Yunus, Muhammad (2007)  : Creating a World without Poverty  : Social Business and the Future of Capitalism. New York  : Public Affairs. Yunus, Muhammad (2010)  : Building Social Business  : The New Kind of Capitalism that Serves Humanity’s Most Pressing Needs. New York  : Public Affairs. Yunus, Muhammad (2011)  : ‘Vision 2050  : A Poverty-Free World. Social Business – A Step Toward Creating A New Global Economic Order’, in  : The Journal of Social Business, Vol 1, Pp. 7–23. Yunus, Muhammad  ; Moingeon, Bertrand and Lehmann-Ortega, Laurence (2010)  : ‘Building Social Business Models  : Lessons from the Grameen Experience’, in  : Long Range Planning, 43 (2010), Pp. 308–325.

Melanie Sully

So Near, So Far – Sustainable Politics in the Black Sea

The Black Sea as a “neighbour” of the European Union opens up a region of vital importance stretching to the Caucasus and the Caspian Sea. It lies a few hours by plane East of Vienna but is distant in the minds of many and an unknown world often perceived as threatening and inscrutable. Its largely former communist past does not add to its attraction, increasing suspicion and often prejudice. Yet for a sustainable future, secure energy supplies will be necessary and the aim should be to achieve some accommodation and increased mutual understanding. Energy requirements however should not be developed at the expense of the environment  : “The Black Sea Region is rich in wildlife, landscapes and biodiversity – but it is also vulnerable, and current developments especially plans concerning oil and gas extraction and transport as well as the development of transport infrastructure across the region, are a major cause for concern.” (World Wildlife Foundation and Heinrich Böll Foundation, in Black Sea Calling, ed. Melanie Sully, Diplomatic Academy, 2008).

For sustainable development in the region the EU needs to work closely with civil society. The above authors conclude that “the non-governmental sector is indeed essential in promoting awareness and putting the environment higher up the political agenda”. Political stability and democratic governance are also important factors in ensuring a peaceful and prosperous future for the region. This is the key to passing relevant legislation and consolidating the rule of law necessary for a sound economic investment climate. Many of these factors are in their infancy and, just over twenty years after the collapse of the Soviet Union, progress is slow and setbacks all too frequent. Not just institutional reform is necessary but also a change in the mind set which could take place with the growth of a new generation but often this has not been forthcoming. Instead a kind of collective political culture is transferred over time holding back genuine reform and modernisation.

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For sustainable change to happen there have to be internal initiatives and a willingness amongst the elites to cooperate with externally funded programmes on governance. A passive readiness to embrace European values is too little to “get into” the European club. The experience of some countries like Bulgaria shows that there also has to be a post-EU membership strategy to avoid a vacuum opening up once the goal is achieved.1

Conflict and Identity The Black Sea has a great and rich potential but it is also a region where conflict and strife can break out between countries (Russian Federation, Georgia, Armenia, Turkey, Azerbaijan are just some prime examples of those actors involved). With Bulgaria and Romania as EU members, the region is now literally on the doorstep geo-politically of central Europe. Ukraine has for some time shared a border with EU member states and is additionally a large component in the Black Sea jigsaw. Sometimes looking both East and West and sometimes neither, Ukraine is a big player that seems unsure even of its own rules. Bordering the EU and Russia it is of considerable strategic importance also because of the size of its market “coupled with its near double-digit gross domestic product growth potential. That might not be the same as having double-digit growth but if political and other institutions were put on the necessary footing, there is clearly the prospect for Ukraine to become an increasingly economically prosperous country” offering opportunities to exporters and investors (quoted in House of Commons UK, Library Standard Note, 10 Nov. 2011, Ben Smith). Here in this equation there is a big “if ” and many chances have been squandered in Ukraine following the socalled “orange revolution” which if taken, could have meant Ukraine would be further along that road to democratic and economic stability. In countries such as Moldova there is not only the so-called frozen conflict over Transnistria but for long constitutional and political stagnation and confusion. Consensus amongst elites is difficult to achieve and unpredictability coupled with an exodus of the young and skilled in search of a better life elsewhere complicate the problem. A sustainable future will be hard if this flow of talent is not reversed. 1 See V. Kozarev on Bulgaria and EU membership in The Culture of Governance, ed. Melanie Sully, Vienna, 2012.



So Near, So Far – Sustainable Politics in the Black Sea

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Russia to the East with its Black Sea coast periodically flexes its muscles often more out of insecurity than real power. The empire that vanished is mourned by some but a new Russian Federation has grown up looking for its identity. Analysts find it difficult to say what it is and many of the symbols of greatness such as space achievements and military victory in the Second World War can be logged into the Soviet history book. Russia has yet to find its own role and feel comfortable  ; just as importantly its neighbours have yet to feel comfortable with whatever that role might be.2 This motley collection of countries which make up the immediate Black Sea Region lack a specific identity and defy general categorisation yet they share a common destiny and fate, a fate which is intrinsically linked to that of Europe and the Union.

The Eastern Partnership The Eastern Partnership (EaP) of the EU (including the countries of the Black Sea Region such as Armenia, Azerbaijan, Georgia, Moldova and Ukraine) strives to integrate countries in this region binding them to a greater understanding of European values, the rule of law and respect for human rights. Much work has been achieved for example by Poland and the Czech Republic, countries that know and understand the challenges and difficulties of transition. The Eastern Partnership wants a greater use of renewable energy resources and for this it encourages public administration reform for efficient institutions (CIB or comprehensive institution building). In addition the EaP has what it calls “flagship initiatives” such as renewable energy sources, environmental governance and preparation as well as response to natural and man-made disasters. The countries embraced by the project work with NGOs and civil society and since the EaP meeting in Poznan 2011 under the Polish EU Presidency, also involve Turkey. According to specialist Nigar Göksel  :3

2 See also “The Black Sea Between the EU and Russia  : security, energy and democracy”, Bergedorfer Gesprächskreis, Odessa, 2006, published by the Körber Stiftung, Hamburg, 2007. 3 Diba Nigar Göksel is editor-in-chief of the Turkish Policy Quarterly.

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“In effect, Turkey is intertwined in all the EaP Civil Society Forum agenda items – as a neighbor, a strategic partner, an EU candidate, an economic hub, a geographical ‘place in between’.” Turkey is part of the problem and part of the solution for almost all the questions the EU takes up with its EaP neighbors, from historical reconciliation to democratization, from border control to environmental protection, from strategic to demographic questions. Integrating Turkish civil society into the Civil Society Forum as a stakeholder would allow Turkish counterparts to learn with their neighbors, and to share their own insight. Turkish civil society contains a wide range of expertise in issues ranging from free trade regimes to legal reform for human rights that could be put to use. Particularly because much of this specialization was developed with EU-designed NGO-capacity-building and democratization in Turkey, it is a waste not to plug it into regions the EU is now attempting to integrate with similar instruments”. Göksel submitted this paper to the EaP meeting in Poznan pointing out the advantages of working closer with Black Sea country Turkey, a country with an imperial non-Soviet past but with similar experiences to others in the region despite this  : “For some EaP countries, the experiences of Turkish civil society are more relevant than that of EU member states, due to cultural or political similarities. While Turkey’s vibrant civil society has victories it can relate, it also has challenges to share – ranging from limitations on freedom of expression to scant opportunities for critical thought and action. Because of the unfortunate stalemate in Turkey’s EU accession process, frustration among Turks is running high. Yet it is in the interests of Turkey, the EU and the EaP countries that Turkey and the EU do not drift apart and that Turkey’s growing engagement in the region takes place in connection with the European integration process. Turkey-EU relations need as much positive momentum as possible. To the extent that there is any common thinking and identity being forged at the level of democratic civil society in Europe, including progressive Turkish individuals and institutions can only help, and creating a sense of exclusion can only harm. Creatively integrating Turkish civil society into the Civil Society Forum is one simple way to serve this end”.

Turkey can play a major sustainable role in security politics as a link between Europe and the Middle East. It can act in a two way process with the EU receiving good governance for much needed internal reforms. Turkey’s



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understanding of the Arab world and Islam can also be of benefit to the EU.4 Yet polls show that Turks are disillusioned with the European Union and trust has evaporated with the mixed signals coming from Brussels.5 For sustainable politics trust needs to be restored not just in Turkey but also in the member states of the EU itself where economic stress has challenged confidence in political institutions and parties. Low voter-turn out and a failure to inspire youth for political ideas and goals weaken sustainable politics throughout Europe as well as the Black Sea Region. The then Commissioner for External Relations and European Neighbourhood Policy, Benita Ferrero-Waldner, remarked in Prague, 2006 that “the launch of the Eastern Partnership is an historic event. But this is only the beginning. Now we have to make the project a reality and have a lasting and noticeable effect on the people of the partner countries and the European Union”. Themes such as democracy and human rights, justice, freedom and security, stability and safety are underway and work has also advanced on improving the functioning of the judiciary system, public administration reform and fighting corruption.6 Concrete progress is patchy and uneven. In Georgia considerable efforts have successfully been put into fighting corruption.7 For sustainable politics not only should governments work together but also the directly elected assemblies and representative institutions. Parliamentarians have a forum within the EaP through EuroNest, which held its first meeting in Strasbourg in 2011. It includes 60 members from the European Parliament. Parliamentarians also work together within another organisation, the Black Sea Economic Cooperation, which has a parliamentary dimension.8 These bodies can help to form a regional identity amongst parliamentarians. Civil society complements this work but also regional and local authorities are important building blocks. Cities are often the driving 4 On this point see a special issue on NATO and Turkey, Turkish Policy Quarterly, nr 3, 2011 www.turkishpolicy,com. 5 Discussions with specialists in opinion surveys, Centre for European Studies, Middle East Technical University, Ankara, December 2011. 6 See also The Eastern Partnership, produced by the Ministry of Foreign Affairs, Poland, 2011. 7 See Kornely Kakachia, „Democratic Governance in Georgia“, in Anchors of Democracy, ed. Melanie Sully, Vienna, 2011. 8 See Evgeny Kutovoy, „Parliamentary Dimension of the Black Sea Economic Cooperation“, Anchors of Democracy, ed. Melanie Sully, 2011.

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force in history and have traditionally worked across borders with twinning and partner programmes. Within the EaP the Conference of the Local and Regional Authorities has started work under the patronage of the Committee of the Regions. Their work is seen as important since many EU regulations are enforced by local governments.

Austria and the Region For Austria the importance of the region is stressed by the recent opening of an embassy in Baku and the planned coordination office for development in Tbilisi. State Secretary Wolfgang Waldner in a speech in September 2011 stressed high level Austrian commitment to the region with the visit of the Federal President to Azerbaijan and Armenia. He added that especially important for Austria is to see progress in democracy and the rule of law as a way of moving closer to the European Union. But Waldner acknowledged that the heavy burden of the past is proving harder to shake off than most imagined. Despite this sober recognition he appealed nonetheless for pressing resolutely ahead with the ambitious reform agenda instead of slithering back to old ways and thinking. The Arab Spring he said shows that people will not settle for anything less in the long run than freedom of thought and speech. Yet many in the countries of the Eastern Partnership are concerned that the EU is being diverted by firstly its own internal problems which are certainly not negligible and secondly by the Arab Spring and rapidly unfolding events in the Middle East. However even on this stage one cannot bypass Black Sea countries such as Turkey playing a key role when it comes to Iran and Syria, as well as Russia and others. Waldner and Austrian foreign policy see the importance the region has for European stability and future prosperity. Austria has exports to the region and investment chances are a challenge with an opportunity. A closer partnership in some shape or form is an objective of Austrian foreign policy to bring about what Waldner calls a “win-win” situation. For this to occur though there must be trust on both sides and hard work for a new sustainable politics.9 9 For more on the connection between sustainable politics and sustainable economics, see background paper „New Foundations for the World Economy and Global Governance”, Trilogue, Salzburg, August 2011, Bertelsmann Foundation and Austrian Ministry of Foreign Affairs.



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Black Sea Potential and Politics The Black Sea coast holds out great opportunities for tourism and once was in its heyday the preferred resort for those fleeing from Soviet Moscow in the summer. Whether Yalta, Odessa, Sochi or the agreeable climes of the Georgian coast, the Black Sea offered many a chance to recuperate, sunbathe and relax on the golden beaches. That is long since past and now the fashionable elites in Moscow have discovered exotic and expensive destinations and the not so rich hike off to Egypt and southern Turkey. Abkhazia with its splendid resorts where Stalin had several Dachas is lushly green with long stretches of coast offering panoramic views and voluptuous sunsets on the sea. Its climate is less humid than the neighbouring region of Sochi but its political isolation and inaccessibility cuts it off from tourist potential and development. Nature is now beginning to reclaim its once famous beaches and weeds and green plants sprout out of the desolate sand.10 This territory is disputed, the borders non-recognised apart from a few states like Tuvalu and Vanuatu and its future uncertain. Just a short drive from Abkhazia is the international airport of Sochi, ultra modern and a showpiece for the Winter Olympics in 2014. All around in the region, intense building activity takes place. For some this is tantamount to ripping up the environment in a frantic effort to be ready for the games. Some who were resettled to make way for the mammoth building projects claim they now have better housing than before. Others complain they lost summer houses along the coast which used to bring them in a steady albeit modest source of income. Like the games it seems there are always winners and losers. Some also are unhappy with the high rise buildings in the central part of the city which they believe have altered the climate blocking out a refreshing sea breeze in the summer heat which used to waft into the main park with its flowers, Lenin statue and now Olympic count down clock. Big politics is complex and often negotiations between countries are long. There are many obstacles and bridges are few and far between but peopleto-people contacts, scientific exchanges and intercultural dialogue from the bottom up are important aspects that can forge understanding across frontiers. Transnational projects in the region to enhance people-to-people cultural and scientific contacts on the theme of good governance for sustainable poli10 See “The Mysteries of the Caucasus”, Dorota Gierycz, Xlibris, 2011, p. 31.

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tics are being supported by the Cultural Department of the Austrian Foreign Ministry and the City of Vienna International Department. For many years the author has developed such projects in the Black Sea region organising round tables, conferences, exhibitions for young people and with civil society on cultural and scientific topics. These have taken place in Ukraine and continue in Georgia and other countries in the region. International partners such as the OSCE, UNDP as well as the EU have been involved in these bilateral initiatives leading to publications and a scientific network across the region. In addition the Austrian Foreign Ministry has Austrian libraries in Baku, Yerevan and Tbilisi, a recognition of the importance of the region to strengthen Austrian presence culturally. For the time being soft sustainable politics of this kind can continue to lay a basis for the time when the region can be more integrated and when countries within it can be more at peace with their own neighbours.

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Keine Zukunft ohne Bildung

1. Einleitung Bildung beeinflusst maßgeblich unser tagtägliches Handeln und ganz allgemein unsere Leistungen, da diese stark geprägt sind von Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen. Die optimale Entfaltung unseres Potenzials und die daraus resultierenden Leistungen sind Grundvoraussetzung für Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Gleichzeitig trägt Bildung zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung bei, es werden die geistigen, kulturellen, kreativen und lebenspraktischen Potenziale und sozialen Kompetenzen von Menschen entfaltet – dies schafft die Voraussetzungen für Gemeinsinn und Demokratie. Bildung bestimmt somit auch die individuelle Produktivität sowie die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des Einzelnen in einem sich ständig verändernden (Arbeits-)Umfeld. Bildung ist somit als Investition in die Zukunft sowohl individuell als auch gesamtgesellschaftlich gesehen zu verstehen  ! Die verschiedenen Funktionen von Bildung sind dabei keinesfalls Gegensätze, sondern können in einem komplementären Verhältnis zueinander stehen, einander also ergänzen  : Bildung kann zweckfrei und bedarfsorientiert, theoretisch und praktisch, geistig und manuell sein. Bildung kann in Klassenzimmern und in Unternehmen, in Hörsälen und in Werkstätten, in formalen Settings und informell stattfinden. Bildung ist ein öffentliches Gut und eine marktfähige Dienstleistung. (Abteilung für Bildungspolitik 2010  : 14) 1.1 Leistung und Potenziale fördern

Verbindliche Bildungsziele erfordern Leistung, sowohl seitens der Lernenden als auch vonseiten der Lehrenden. Bei der Definition des Zieles sollten die individuellen Potenziale beachtet werden, um sich daran orientieren und entsprechend leistungsdifferenziert vorgehen zu können. Über- und Unterforderung sollten vermieden werden, denn Bildung soll als Ziel haben, Talente zur Entfaltung zu bringen. Bildungs- und damit einhergehende Beratungsprozesse müssen so gestal­ tet sein, dass Individuen mögliche Interessen und Begabungen in unter-

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schiedlichsten Bereichen bei sich entdecken und entwickeln können. Mit Ausnahme der in Gesellschaft und Beruf unabdingbaren Kulturtechniken wie Sprechen, Lesen und Schreiben, Rechnen, Wirtschafts- und IT-Kenntnisse und Englisch darf es keine reflexartigen Wertigkeiten zwischen handwerklichen, allgemeinbildenden, technischen, naturwissenschaftlichen und anderen Bildungsinhalten geben. (Abteilung für Bildungspolitik 2010  : 15) 1.2 Transparenz und Gleichwertigkeit gewährleisten

Lernleistungen können sowohl in unterschiedlichen Institutionen wie Schule, Lehrbetrieb, Universität und Erwachsenenbildungseinrichtungen als auch auf nonformalem Weg erbracht werden. Es gibt eine Vielzahl an (Aus- und Weiter-)Bildungsmöglichkeiten, daher ist es von zentraler Bedeutung, dass Lernleistungen unabhängig davon, wo sie erbracht werden, für Dritte durch Qualifikationsnachweise erkennbar gemacht werden können. Lernleistungen müssen transparent sein  ! Die relative Wertigkeit von Qualifikationsnachweisen darf sich nicht an Lernort oder -art orientieren, sondern muss sich einzig nach validierten Lernleistungen richten. Es geht nicht darum, wo jemand etwas gelernt hat, sondern was sie oder er nachweislich kann. (Abteilung für Bildungspolitik 2010  : 15) 1.3 Durchlässigkeit forcieren

Die bereits angerissene Vielfalt an Lernorten und -arten und die damit einhergehende Segmentierung von Bildungsprozessen nach Institutionen (Schule, Hochschule, betriebliche Bildung etc.) muss durch eine Gesamtstrategie für das Bildungs- und Qualifizierungssystem ausgeglichen werden. Es bedarf eines Zusammenspiels von Erstausbildung und Weiterbildung, von formalem und nonformalem Lernen sowie der unterschiedlichen Bildungseinrichtungen. Zugangsvoraussetzungen zu weiterführenden Bildungsangeboten und Anrechnungen sollen lernzentriert auf Basis erbrachter Lernleistungen und nicht institutionenzentriert begründet sein. Jedem durch einen Qualifikationsnachweis nachgewiesenen Lernschritt muss ein weiterer folgen können, kein Bildungsabschluss soll eine Einbahn darstellen beziehungsweise in einer Sackgasse enden. Dafür bedarf es einer Abstimmung zwischen den politischen Akteuren und den Bildungsanbietern aus den verschiedenen Bildungssegmenten. (Abteilung für Bildungspolitik 2010  : 15)



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1.4 Internationalität stärken

Österreichs Bildung muss den Herausforderungen der zunehmend internationalen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verflechtungen gewachsen sein. Dies hat auch inhaltliche Anforderungen an die Bildung zur Folge  : Fremdsprachen, Mobilität und interkulturelle Kompetenzen müssen als Bildungsziele nachhaltig und in allen Bildungssegmenten Verankerung finden. Strukturelle Folgen ergeben sich aus der Notwendigkeit, individuelle Qualifikationsnachweise, die Leistungen unseres Bildungssystems und die Qualifikationsstärke der Bevölkerung international und insbesondere innerhalb der Europäischen Union adäquat darzustellen. (Abteilung für Bildungspolitik 2010  : 16) 2. Nutzen der Bildung 2.1 Bildung als Investition verstehen

Bildungsausgaben sind eine Investition in die Zukunft eines jeden Einzelnen sowie gesamthaft betrachtet unserer Gesellschaft. Bildungsinvestitionen führen zu hohen gesellschaftlichen und individuellen Erträgen. Die sozialen Erträge sind vor allem für Grund- und Allgemeinbildung sowie für eine erste Berufsausbildung sehr hoch, entsprechend hohe steuerfinanzierte Ausgaben für Bildung sind demnach absolut begründet. Je höher der private Nutzen in Form von höherem Erwerbseinkommen, Status, erhöhter Produktivität etc. ist, desto mehr ist eine private Kostenbeteiligung gerechtfertigt. Dies trifft insbesondere auf Hochschulbildung und weiterführende berufliche Weiterbildung zu. Die ibw-Studie „Zum Nutzen der Weiterbildung“ beleuchtet diese und weitere Aspekte genauer und wird im Folgenden kurz dargestellt. (Abteilung für Bildungspolitik 2010  : 14) 2.2 ibw-Studie „Zum Nutzen der Weiterbildung“

Das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft hat im November 2008 die Studie „Zum Nutzen der Weiterbildung“ präsentiert, die sowohl einen extensiven Literaturüberblick über die internationalen und nationalen Ergebnisse von Weiterbildungsrendite-Studien als auch die Motive für und die Nutzeneffekte von Weiterbildung darstellt. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Ursachen-Wirkungs-Bezug von Weiterbildung nicht eindeutig nachgewiesen werden kann und eine Herausforderung sowohl an die Datenlage

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als auch an die Methodik darstellt. Nutzenindikatoren hängen von Ausmaß und Art der Weiterbildung ab und können nicht stringent von anderen (simultanen) Einflussfaktoren, wie beispielsweise Wechselkursen, Zinsniveau, neuen Technologien, Personal- und Produktstrategien, getrennt werden. Zusammenfassend kann allerdings festgehalten werden, dass Weiterbildung gesamtgesellschaftlich, für Unternehmen sowie für ihre MitarbeiterInnen eine Win-win-Situation darstellt. (Kurt Schmid 2008  : 137) Für die Erstellung der Studie wurde eine repräsentative Stichprobe von WIFI-KursteilnehmerInnen befragt, wobei zwischen deren Kursabschluss und der Befragung im Normalfall zumindest ein Jahr vergangen ist, sodass auch die Auswirkungen der Kursteilnahme auf die berufliche Situation erhoben werden konnte. Die Auswertungen basieren auf 1.118 beantworteten Fragebögen und sind empirisch breit abgesichert. (Kurt Schmid 2008  : 1) 2.3 Exkurs  : Das WIFI

Das WIFI – Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Österreich – ist mit einem Marktanteil von 20 Prozent mit neun Landesinstituten und 80 Außenstellen der größte Anbieter für berufliche Aus- und Weiterbildung in Österreich und seit mehr als 60 Jahren kompetenter Weiterbildungspartner für Österreichs Wirtschaft. Praktisches Know-how „made in Austria“ bietet das WIFI auch in immer mehr Ländern Mittel- und Südosteuropas an und begleitet international expandierende Unternehmen mit Standorten in Bulgarien, Kroatien, Polen, Rumänien, Serbien, der Slowakei, Tschechien und Ungarn. (WIFI-Imagefolder, WIFI Österreich, 2011 Wien) 2.4 Motive für Weiterbildungsmaßnahmen

Weiterbildung bringt naturgemäß ein breites Spektrum an Kosten- und Zeitaufwand mit sich. Die ibw-Studie „Zum Nutzen der Weiterbildung“ hat erhoben, ob beziehungsweise in welchem Ausmaß der mit den Weiterbildungsmaßnahmen einhergehende Aufwand auf die WIFI-KursteilnehmerInnen selbst oder auf das Unternehmen, bei dem sie angestellt sind, aufgeteilt wird. Die Studie zeigt, dass dies stark davon abhängt, ob die Kursteilnahme mit dem Unternehmen abgesprochen wurde, um welche Kursinhalte es sich handelt und wie zeit- beziehungsweise kostenintensiv der Kurs ist. Bei 36 Prozent der KursteilnehmerInnen hat das Unternehmen die Kosten zur Gänze getragen, bei weiteren neun Prozent zumindest teilweise. 20



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Prozent der TeilnehmerInnen besuchten den Kurs entweder gänzlich oder zum Teil während der Arbeitszeit. (Kurt Schmid 2008  : 120 ff.) Unter anderem diese Bereitschaft zur Übernahme von Kosten und die Inkaufnahme des „Verlustes an Arbeitszeit im Unternehmen“ zeigt die Bedeutung von Bildung für die Wirtschaft. Im Rahmen der Studie wurden auch die Motive für die Kursteilnahme abgefragt, welche großteils intrinsischer Natur und von inhaltlichem und thematischem Interesse beziehungsweise Freude am Lernen geprägt sind. Diese Aspekte sind vor allem für die weiblichen Teilnehmer von besonderer Bedeutung. Aufstiegschancen, höheres Gehalt, „Karriere machen“ sowie das Anstreben einer interessanteren und anspruchsvolleren Tätigkeit werden ebenso als Motiv genannt. Aber auch Qualifikationsanpassungen zur Arbeitsplatzsicherung oder zur Anpassung an neue Tätigkeiten spielen eine zentrale Rolle. Für eine kleinere Gruppe sind sehr spezielle, individuelle Motive ausschlaggebend, beispielsweise „sich selbständig machen“ oder „ein zweites berufliches Standbein aufbauen“. (Kurt Schmid 2008  : 94) 2.5 Der Nutzen der ArbeitnehmerInnen

Die analysierten Studien zeigen, dass Weiterbildung einen Nutzen für die ArbeitnehmerInnen, für das Unternehmen, aber auch für die Gesellschaft an sich haben kann. Der Nutzen von – im untersuchten Fall – WIFI-Kursen spiegelt sich bei beinahe 50 Prozent der KursteilnehmerInnen in der Absicherung der Beschäftigung wider, und auch fast alle untersuchten mikro- und makroökonomischen Studien zum Nutzen von Weiterbildung kommen zu dem Ergebnis, dass berufliche Weiterbildung in der Lage ist, das individuelle Entlassungsrisiko zu senken (Kurt Schmid 2008  : 85). Mehr als 40 Prozent üben nach Absolvierung eines Weiterbildungskurses eine interessantere Tätigkeit aus und ein Drittel hat eine bessere berufliche Position und ein höheres Einkommen erreicht. Diese positiven Entwicklungen treten bei vielen KursteilnehmerInnen auch unabhängig davon, ob dies ursprünglich das Teilnahmemotiv war, oftmals auch kumuliert und unabhängig von der beruflichen Position, ein. Es ist anzunehmen, dass dies auch damit zusammenhängt, dass diejenigen eher geneigt sind, Weiterbildungsmaßnahmen zu absolvieren, die Eigenschaften wie Motivation, Ehrgeiz und Fleiß aufweisen. Auch das hohe Ausmaß an Eigeninitiative würde darauf hinweisen, immerhin geben 80 Prozent der KursabsolventInnen an, dass die Teilnahme eigeninitiiert war. Nur ein Drittel

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der TeilnehmerInnen nimmt keine direkten Effekte ihrer Kursabsolvierung wahr – dies schließt allerdings indirekte Auswirkungen, welche die KursabsolventInnen nicht unmittelbar wahrnehmen, keinesfalls aus. (Kurt Schmid 2008  : 104 ff.) 2.6 Der Nutzen der Unternehmen

Wie bereits erwähnt, generieren Weiterbildungsmaßnahmen eine Win-winSituation  : Auch Unternehmen erzielen positive Effekte aus der Weiterbildung ihrer MitarbeiterInnen. Internationale empirische Studien beleuchten monetäre Maßzahlen wie Umsatz, Marktanteil, Profit und Marktwert des Unternehmens sowie nicht-monetäre wie Krankenstände, Beschäftigtenfluktuation, Beschäftigtenmotivation sowie Zufriedenheit und Verbreiterung des beruflichen Tätigkeitsportfolios der MitarbeiterInnen. Almeida und Carneiro untersuchten 2005 in ihrer Studie „The return to firm investment in human capital“ Informationen zu Weiterbildungsausgaben im Zusammenhang mit der Dauer der Weiterbildungsmaßnahmen und kamen zu dem Ergebnis, dass weiterbildungsaktive Unternehmen eine sehr hohe interne Ertragsrate von 24 Prozent erzielen, demgegenüber haben Unternehmen, die nicht in Weiterbildung investieren, eine negative marginale Ertragsrate von –7. (Almeida, Carneiro, 2005) Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass eine breite empirische Evidenz darüber besteht, dass Weiterbildungsausgaben positiv mit Produktivität korrelieren. (Kurt Schmid 2008  : 46.) 2.7 Unternehmerische Kompetenz durch WKO

Allerdings darf nicht „erst“ bei der Weiterbildung angesetzt werden, es bedarf eines festen Fundaments, auf dem aufgebaut werden kann. Der Erwerb von Schlüsselkompetenzen wie Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen sind für alle Personen von grundlegender Bedeutung und essenziell für den Arbeitsmarkt, den sozialen Zusammenhalt und den aktiven Bürgersinn. Die Europäische Union hat eine Empfehlung erlassen, um sicherzustellen, dass die Schlüsselkompetenzen vollständig in die Strategien und Infrastrukturen der einzelnen Mitgliedstaaten integriert werden. Der Referenzrahmen umfasst acht Schlüsselkompetenzen, eine davon ist die unternehmerische Kompetenz. Die Mitgliedstaaten werden aufgerufen, jungen Menschen bis zum Ende ihrer allgemeinen Schulpflicht diese Kompetenz zu vermitteln



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(Europäische Union, 2006). Damit sind fundiertes Wirtschaftswissen sowie soziale und unternehmerische Kompetenz noch stärker zu unverzichtbaren Bestandteilen umfassender Allgemeinbildung geworden. Zwischen einem erfolgreichen Wirtschafts- und einem erstklassigen Bildungsstandort besteht ein enger Zusammenhang. Möglichst fundiertes Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge ist im Interesse des Wirtschaftsstandorts, der einzelnen Unternehmen, der Bildungseinrichtungen auf allen Stufen und ganz besonders der jungen Generation. Wie erfolgreich der Standort Österreich morgen ist, wird heute in den Klassenzimmern entschieden. Das Interesse junger Menschen an wirtschaftlichen Zusammenhängen und vor allem die Fähigkeit, wirtschaftlich denken und handeln zu können, spielte dabei eine zentrale Rolle. Tatsache ist  : Wirtschaft und Schule brauchen einander. Schulen und Wirtschaft sind gefordert, gemeinsam etwas für die Wirtschaftskompetenz der Jugend zu tun. Das ist die beste Zukunftssicherung für Österreich.

3. AWS – Wir bringen Wirtschaft ins Klassenzimmer Die Wirtschaftskammer Österreich und der österreichische Sparkassenverband haben daher die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Schule (AWS) initiiert, welche als Projekt am Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) angesiedelt ist. Die AWS hat seit über 45 Jahren das Ziel, Wirtschaftswissen und wirtschaftliche Handlungskompetenz bei SchülerInnen aller Stufen der berufs- und allgemeinbildenden Schulen zu fördern. Über 10.000 Lehrkräfte beziehen von der AWS regelmäßig inhaltlich fundierte und nach modernen didaktischen Grundsätzen aufbereitete Unterrichtsmaterialien zu aktuellen Themen (Print-Ausgaben und Online-Serviceleistungen auf wko. at/aws). Die AWS hat in den letzten drei Jahren in Kooperation mit den sieben Sparten in der WKÖ sieben Medienpakete zu den wichtigsten Bereichen der österreichischen Wirtschaft herausgegeben, als Abschluss der Reihe wurde 2010 das achte Medienpaket „Österreichs Wirtschaft. Zahlen. Daten. Fakten“ in der Wirtschaftskammer Österreich präsentiert. Aktuell, kompetent, praxisgerecht – mit den AWS-Unterlagen ist der Wirtschaftsunterricht lebendig und spannend, es werden damit jährlich 200.000 SchülerInnen erreicht.

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3.1 Der Unternehmerführerschein®

Auch der Unternehmerführerschein® – als europäisches Vorzeigeprojekt mit österreichischen Wurzeln – bringt jungen Menschen wirtschaftliches Basiswissen und unternehmerische Kompetenz bei. Das hilft beim Eintritt in eine spannende berufliche Zukunft. Wirtschaftliche Kompetenzen, der Umgang mit dem Computer, selbstgesteuertes Lernen mit modernen Medien machen junge Menschen fit für den Übergang von der Schule in den Beruf. Die Wirtschaftskammer Österreich hat 2004 mit dem Unternehmerführerschein® ein modulares Unterrichtsmodell zur Förderung von Unternehmergeist und wirtschaftlichen Kompetenzen geschaffen. Der Unternehmerführerschein® führt zu einem standardisierten Zertifikat und ist europaweit anerkanntes Best-Practice-Beispiel für Entrepreneurship Education. Ursprüng­lich für die Allgemeinbildenden Höheren Schulen entwickelt breitet sich der Unternehmerführerschein® auch an Berufsschulen, Landwirtschaftlichen Fachschulen, Polytechnischen Schulen und Berufsbildenden Mittleren Schulen aus. Die Unabhängigkeit vom Schultyp, flexible Lernformen sowie die gesetzliche Anerkennung – die erfolgreiche Ablegung aller vier Modulprüfungen ist der Unternehmerprüfung gleichgestellt – machen den Unternehmerführerschein® zu einem in Wirtschaft und Schule sowie bei Eltern hochgeachteten Bildungszertifikat. Die europaweite Anerkennung führte zu einer Verbreitung des Unternehmerführerscheins® über Österreichs Grenzen hinaus. In Deutschland, Frankreich, den Benelux-Ländern, dem Kosovo, Polen, Tschechien, Serbien, Albanien, Griechenland, Mali und Äthiopien wird der Unternehmerführerschein® auf nationale Gesetzgebung angepasst und umgesetzt. 3.2 Bildungscluster – Bündelung vorhandener Strukturen

Der Vernetzung von Wirtschaft und Schule hat die Wirtschaftskammer Österreich gemeinsam mit dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur auch einen Namen gegeben  : „Bildungscluster“. Diese Initiative ist eine Dachmarke für freiwillige Zusammenschlüsse von Unternehmen und Bildungseinrichtungen auf regionaler Ebene. Diese Zusammenschlüsse starten gemeinsame Aktivitäten unterschiedlichster Art, beispielsweise Informationsaustausch und Wissenstransfer für SchülerInnen im Unternehmen und natürlich für UnternehmerInnen in der Schule, Mehrfachnutzung bildungsrelevanter Infrastrukturen sowie mehr Wirtschaftsorientierung an Schulen.



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Seit die Bildungscluster 2002 ins Leben gerufen wurden, hat sich in ganz Öster­reich bereits eine Vielzahl von regionalen Bildungsclustern etabliert. Die österreichischen Bildungscluster haben sich je nach Ausrichtung und Umfeld des jeweiligen Schul- und Wirtschaftsstandortes ganz individuell entwickelt. Einige sind aus jahrzehntelangem Engagement und langfristig aufgebauten Netzwerken mit eingespielten Strukturen entstanden, andere haben die Idee aufgenommen und eine regionale Initiative gestartet. Alle haben jedoch das praxisorientierte Konzept einer übergreifenden und kontinuierlichen Zusammenarbeit gemeinsam. Das Ziel ist die Bündelung vorhandener Strukturen auf einer Plattform. 3.3 Bildung im europäischen und internationalen Wettbewerb

Einen Gradmesser für die Qualität unseres Bildungssystems sowie der Leistungsfähigkeit unserer Jugendlichen bieten die internationalen Berufswettbewerbe WorldSkills und EuroSkills. Diese bieten für das jeweilige Veranstalterland ein Großereignis zur Präsentation des eigenen (Berufs-)Bildungssystems, aber auch eine Leistungsschau für die wirtschaftliche Standortqualität und das berufliche Ausbildungssystem. Die Wettbewerbe in den einzelnen Berufen sind auch als ein Wettstreit der Berufsbildungssysteme zu sehen. So trifft das auf einige mitteleuropäische Länder beschränkte duale Berufsausbildungssystem auf rein schulische Systeme (vorwiegend in Nordeuropa und Asien) oder auf das im Wesentlichen unternehmensspezifische Bildungssystem der USA und anderer Länder. 3.3.1. WorldSkills

Träger der „WorldSkills“ – den Berufsweltmeisterschaften mit rund 900 Teilnehmern – ist die 1953 gegründete gemeinnützige internationale Organisation WorldSkills International mit Sitz des Generalsekretariats in den Niederlanden. Die Wirtschaftskammer Österreich ist seit 1958 Mitglied von WorldSkills International und entsendet seit 50 Jahren regelmäßig TeilnehmerInnen zu den Berufsweltmeisterschaften. Insgesamt konnten 419 TeilnehmerInnen für Österreich 170 Medaillen (58 x Gold, 53 x Silber, 59 x Bronze) sowie 137 Diplome „Medaillon of Excellence“ erkämpfen. Österreich wurde mehrmals beste Nation (Lyon 1995, St. Gallen 1997, Montreal 1999), erreichte einen Platz unter den Top 3 (Seoul 2001, St. Gallen 2003) in der Nationenwertung

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und war 1983 selbst Austragungsort mit 300 TeilnehmerInnen in Linz in Oberösterreich. 3.3.2. EuroSkills

EuroSkills ist ein internationaler Berufswettbewerb, der alle zwei Jahre ausgetragen wird. Träger dieser „Berufs-Europameisterschaften“ ist der 2007 gegründete Verein WorldSkills Europe, dessen Generalsekretariat in den Niederlanden seinen Sitz hat. Mission von WorldSkills Europe ist die Aufwertung der technischen und berufsbezogenen Bildung in Europa sowie das Aufzeigen der Notwendigkeit, bestens ausgebildete Fachkräfte in Europa zu haben und die Europäische Union noch wettbewerbsfähiger zu machen. Derzeit hat WorldSkills Europe 27 Mitgliedernationen – beinahe alle EUMitgliedstaaten (außer Dänemark, Griechenland und Rumänien), die weiteren EWR-Länder (Schweiz und Norwegen) sowie den EU-Beitrittskandidaten Türkei. Bei den ersten EuroSkills 2008 in Rotterdam erbrachte das österreichische Team viele Top-Leistungen  : In der Einzelwertung konnten sechs Goldund vier Silbermedaillen, in der Teamwertung zusätzlich zwei Gold-, zwei Silber- sowie eine Bronzemedaille für Österreich erkämpft werden. Damit belegte Österreich hinter Deutschland den hervorragenden zweiten Platz. Das Ergebnis von 2008 wurde 2010 sogar noch getoppt. 20 Medaillen waren das beste Ergebnis, das je bei einem internationalen Berufswettbewerb von einem österreichischen Team erzielt werden konnte. 3.3.3. Exkurs  : SkillsAustria

SkillsAustria als nationales Sekretariat innerhalb der Wirtschaftskammerorganisation koordiniert die Österreichischen Staatsmeisterschaften, die als Qualifikation für WorldSkills und EuroSkills in Kooperation mit den berufsbildenden Schulen durchgeführt werden. Weiters ist SkillsAustria für das Coaching und die Entsendung des österreichischen Teams zu den internationalen Berufswettbewerben WorldSkills und EuroSkills sowie für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. (SkillsAustria, 2010)



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4. Ausblick Ein Bildungssystem muss dynamisch sein, um sich an die sich ständig wandelnden Anforderungen anpassen und nachhaltig funktionieren zu können. Die Bildungspolitik ist ein Bereich, in dem ein Reformstau weitreichende und nachhaltige Konsequenzen hat. Ohne eine umfassende Adaptierung des derzeitigen österreichischen Bildungssystems fällt Österreich im europäischen und internationalen Wettbewerb zurück. Hier braucht es Tatkraft und klare Worte für eine Weiterentwicklung unserer Bildungslandschaft im Interesse unserer Gesellschaft  : Die Strategie des Lebenslangen Lernens muss entwickelt und umgesetzt, das Schulwesen reformiert, verbindliche Bildungsziele geschaffen, duale Ausbildung gestärkt, arbeitsmarktrelevante Hochschulbildung gesichert und berufliche Weiterbildung gestärkt und ausgebaut werden. Wir wollen die Freude an Leistung als Grundstein schon im Kindergarten gelegt wissen. Wir wollen die Schulen, die vor besonderen Herausforderungen stehen, ermutigen, Bildungsstandards und professionelles Management umzusetzen. Wir wollen noch mehr selbstbewusste, neugierige und ziel­­orien­tierte Persönlichkeiten in die Berufswelt bringen. Wir wollen der Ausbildung der wissenschaftlichen Elite an unseren Universitäten neue Impulse geben und das exzellente österreichische Fachhochschulwesen weiter vorantreiben. Wir wollen ein Bildungskonto für alle, damit ein Weiterlernen immer möglich ist. Sorgen wir gemeinsam für optimale Bedingungen für bi l du ng – unseren Rohstoff Nummer eins  ! (Abteilung für Bildungspolitik  : 2010, 4)

5. Literaturverzeichnis Zum Nutzen der Weiterbildung, Internationaler Literaturreview & individuelle Weiterbildungserträge von TeilnehmerInnen an WIFI-Kursen, Kurt Schmid, Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft, ibw-Forschungsbericht Nr. 144, Wien, November 2008. WIFI-Imagefolder, WIFI Österreich, 2011 Wien. Rita Almeida & Pedro Carneiro, 2005. „The return to firm investment in human capital“, CeMMAP working papers CWP21/05, Centre for Microdata Methods and Practice, Institute for Fiscal Studies. Empfehlung 2006/962/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zu Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen [Amtsblatt L 394 vom 30.12.2006].

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SkillsAustria, WorldSkills, EuroSkills, Internationale Berufswettbewerbe, ­Info­broschü­re, Wien, März 2010. Abteilung für Bildungspolitik, Wirtschaftskammer Österreich, Starke Bildung. Starker Standort. Bildungspolitisches Strategiepapier der WKO, Wien, Juni 2010.

Wolfgang Mantl

Die schöpferische Kraft nachhaltiger Bildung als Entwicklungsmotor

Wer Bildung mit Entwicklung in Zusammenhang bringen will, muss sich der mannigfachen Not bewusst sein, die in Entwicklungsgebieten zu finden ist. Das bedeutet auch, dass der Bildungsbegriff ganz anders aussieht als in den Ländern des europäischen und amerikanischen Nordens. Wir nehmen als Ausgangspunkt Äthiopien1, die Wiege der Menschheit, in der unsere Urmutter „Lucy“ aufwuchs, einen uralten Staat wie China, Japan oder Island. Uns muss in diesem Zusammenhang bewusst sein, dass Äthiopien mit seinen Nachbarn (im Uhrzeigersinn) Eritrea, Dschibuti, Somalia, Kenia, Uganda, Südsudan und Sudan ähnliche Notlagen aufweist: starken Analphabetismus – hier haben wir bereits ein Bildungsproblem2 – aber auch Hunger (ca. zehn Millionen Menschen leiden dort ständig unter Hunger, bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 83 Millionen). Armut und unsauberes Wasser sind kennzeichnnd, nur ein Bruchteil der Bevölkerung hat Anschluss an ein Stromnetz. Die Infrastruktur ist mangelhaft. Die religiösen Beziehungen zwischen Christen und Muslimen sind problembelastet, fundamentalistische Gewalt endet nicht selten im blutigen Konflikt.3 Fast die Hälfte der Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt und kaum fünf Prozent über 65. Hohe Arbeitslosigkeit verstärkt die Notlage dramatisch. Allein in Äthiopien gibt es 80 Ethnien (darunter 45 Sudan-Völker) mit vielen Sprachen, wenn auch Amharisch die Amtssprache ist. 1 Einen guten Länderüberblick bieten die jeweiligen Jahrgänge des Fischer Weltalmanachs, zuletzt  : Der neue Fischer Weltalmanach 2012. Zahlen – Daten – Fakten. Frankfurt/Main, September 2011. 2 Zum Problem der Erziehung unter Einschluss der neuen Kommunikationstechniken vgl. Berhanu Beyene/Solomon Teferra Abate  : Access to ICT and Education for Visually Impaired People in Ethiopia. In  : Stefan Brüne/Heinrich Scholler (Hg.)  : Auf dem Weg zum modernen Äthiopien. FS f. Bairu TAFLA. Münster 2005, 29–47. 3 Als Illustration für die Not am Horn von Afrika seien nur vier Beispiele aus Zeitungen der vergangenen Monate angeführt  : Irene Zöch  : Die lang angekündigte Katastrophe. In  : Die Presse, Freitag, 12. August 2011, 8. – Meret Baumann  : Warten auf den Regen im Norden Kenyas. In  : Neue Zürcher Zeitung, Samstag, 20. August 2011, 5. – Ernst Heinrich/Monika Schachner, Gerald Winter  : Jetzt sterben unsere Tiere, dann auch wir. In  : Kleine Zeitung, Donnerstag, 25. August 2011, 2 f. – Dorit Kowitz  : Zu Hilfe. In  : Frankfurter Allgemeine Zeitung, Samstag, 1. Oktober 2011, 44.

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Bildung darf keine punktuelle Aktion sein, sondern muss sich durch Nachhaltigkeit auszeichnen.4 Besonders wichtig sind „einfache“ Schulen, dazu noch Landwirtschafts- und Gewerbeschulen. Sie sind wichtiger als Universitäten mit für den „take-off “ eines Landes nicht nützlichen Studien, viel mehr haben Fachhochschulen eine Zukunftsbedeutung. Staat und Gesellschaft, Stadt und Land müssen mit einem durchaus funktionalistischen Bildungsbegriff in den Blick genommen werden. Die Bildungsziele sind, wie auch nach dem Kant’schen Mündigkeitspostulat, Denk- und Sprachkompetenz, aber immer auch Alltagswissen mit EDV-Kenntnissen und – dies wird in der weltweiten Bildungsdiskussion übersehen – Entwicklung des Charakters und der sozialen Natur des Menschen. Hierher gehört auch als Ziel gerade in diesen Krisenregionen Toleranz als aktive Mitmenschlichkeit, die mehr als Indifferenz ist. In der Entwicklungsfrage geht es eben darum, ein Optimierungsmodell der Bildung in der Kombination eines humanitären Orientierungswissens mit einem funktionalistischen Verfügungswissen umzusetzen. Dabei müsste in diesen Gebieten, die noch eine starke, leider oft fundamentalistisch übertriebene Religiosität aufweisen, ein anthropologisches Minimum moralischer Sätze formuliert werden, die freilich nicht verabsolutiert und vor Weiterentwicklung und Kritik immunisiert werden dürfen. Wachsende Lebenschancen durch Friede sind das Hoffnungsziel. Als Antrieb gilt in allen Einrichtungen der Bildung die Neugierde von der Kindheit bis zum Greisenalter. In Alpbach sagte einmal unser großer Quantenphysiker Anton Zeilinger geradezu begeistert, und er ist durch seine ganze Lebenshaltung glaubwürdig  : „Wozu haben wir diese Neugierde, warum hat uns die Evolution damit ausgestattet  ? Offenbar war es für unsere Ururahnen gut, dass es immer welche gab, die wissen wollten, wie es hinter dem nächsten Berg aussieht. Neugierde eröffnet neue Möglichkeiten. Da hinter dem Berg kann es ja grünere Wiesen geben als hier.“5 Die Belebung durch Neugierde setzt voraus, dass die Basisbedürfnisse an Nahrung, Kleidung, Wohnung und Gesundheit gewährleistet sind. Dazu muss sich Bildung gesellen. Deshalb müssen Staat und Gesellschaft in Beharrlichkeit, das heißt 4 Grundlegend zum Begriff der Nachhaltigkeit  : Felix Ekardt  : Theorie der Nachhaltigkeit. Rechtliche, ethische und politische Zugänge am Beispiel von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Welthandel. Baden-Baden 2011. 5 Anton Zeilinger  : Vom Elfenbeinturm zur Technologie der Zukunft. In  : Erhard Busek (Hg.)  : Zukunft  : Erfahrung, Erwartung, Entwurf. Europäisches Forum Alpbach 2000. Wien 2001, 187.



Die schöpferische Kraft nachhaltiger Bildung als Entwicklungsmotor

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mit Nachhaltigkeit, auch durch Planung, das Bildungswesen ausbauen. Mit immer größerem Reifegrad wird dann die Freiheit des Subjekts und der einzelnen Gemeinschaften zum Produktivitätsfaktor, um das Zusammenleben und Überleben der Menschen zu gewährleisten. Bei der Entfachung der Bildung als Faszination und Notwendigkeit, darf man nicht nur auf Wissensvermittlung setzen. Es gibt eine Dualität von Erfahrung und Erkenntnissen der Welt  : Es gibt die Wissenschaf t und die Kunst, die gerade der Stolz des Südens ist. Die Kunst ist sogar die ältere Ausprägung des menschlichen Geistes, gerade auch in engem Zusammenhang mit der Religion. Es existieren in Österreich verschiedene Aktivitäten, die sich um den Süden der Welt, auch um das Horn von Afrika, kümmern, wie etwa die „Sustainable Future Campaign“ der „Hochschulliga für die Vereinten Nationen“ in Wien, aber auch – wohl am bekanntesten – die unermüdlichen Aktionen des Ehepaares Karlheinz und Almaz Böhm mit dem Programm „Menschen für Menschen“. Eine eigene Gruppe hat zusammen mit der Stadt Graz eine „Graz Schule Äthiopien“ gegründet. Ich möchte nachdrücklich darauf hinweisen, dass es ganz besonders wichtig ist, die Fr auenbildung in allen Altersstufen zu stärken, über alle Vibrationen der Politik hinweg mit dem Optimismus, der das kühle Wort für Hoffnung ist, die Entwicklung nachhaltig zu fördern. Der Leiter des Instituts für Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien, Wolfgang Lutz, hat in einer jüngsten Studie6 nachdrücklich auf diesen Faktor hingewiesen  : „Die zukünftige demografische Entwicklung wird ganz entscheidend vom weiteren Erfolg bei der Bildung von Frauen, insbesondere in Afrika, abhängen. Investitionen in die Frauenbildung sind einer der Hauptfaktoren der zukünftigen Weltbevölkerungsentwicklung.“7 Es wird in dieser Untersuchung eindringlich postuliert, dass Basisbildung, nicht Elitenbildung, einen Rückgang des Bevölkerungswachstums bewirken kann, aber andererseits für das Wirtschaftswachstum von großer Bedeutung ist, ein Schlüssel für das Altern und die Langlebigkeit, aber auch, wie Lutz zu prognostizieren trachtet, für eine lebendige Demokratie und die Überwindung der autoritären Regime. 6 Wolfgang Lutz  : Bildung entscheidet über Wachstum. In  : WU Magazin. Informationen aus der Wirtschaftsuniversität Wien, 3/2011, 12. 7 Lutz, a.a.O., 12 (Anm. 6).

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Ein weiteres Argument für nachhaltige Bildung als Entwicklungsmotor liegt in dem Hinweis des Lutz-Berichtes auf die größere Anpassungsfähigkeit durch Bildung an den unvermeidbaren Klimawandel. Auch hier spielen die Frauen eine wichtige Rolle, um sich gegen Naturkatastrophen zu schützen und Hilfe durch Selbsthilfe zu erreichen. Noch einmal soll Wolfgang Lutz zu Wort kommen  : „Die Bildungsstruktur einer Bevölkerung ist unter allen möglichen Einflussfaktoren vermutlich die entscheidendste Determinante im Sinne der langfristigen Sicherung von Gesundheit, Wohlstand, demokratischer Freiheit und einer Entwicklung mit Anspruch auf Nachhaltigkeit.“8 Ein unersetzlicher „Treibstoff “ für die Bildung als Entwicklungsmotor ist nach Lutz – es sei noch einmal unterstrichen – gerade die Frauenbildung. Die Beweggründe, die uns, die in den noch immer als Wohlfahrtsstaaten zu bezeichnenden Ländern des Nordens leben, bestimmen sollten, Bildung als Entwicklungsmotor für den Süden zu forcieren, lassen sich in einer Trias zusammenzufassen  : 1. eine humanitäre und moralische Verpflichtung, auch wenn es sich – wie im Falle Österreichs – nicht um ehemalige Kolonialländer handelt  ; 2. eine nachhaltige Umsetzung, kein „Strohfeuer“  ; 3. ein Gebot der Klugheit, da entwickelte Länder auch Partner und Zukunf t unserer jungen Menschen sind  ! Leistungsfähigkeit und Leistungsfreude bewähren sich auf der ganzen Welt  ! Bildungshunger verringert den physischen Hunger.

8 Lutz, a.a.O., 12 (Anm. 6).

Alexander Ceh

Die völkerrechtliche Dimension der Nachhaltigkeit

Begriffsdefinition Um die völkerrechtliche Dimension der Nachhaltigkeit zu erläutern, bedarf es zu Beginn der Begriffsdefinition des Wortes „nachhaltig“ bzw. „sustainable“. Im erweiterten Sinn eines „Zustands des globalen Gleichgewichts“ taucht der Begriff „sustainable“ erstmals 1972 an prominenter Stelle im Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ an den Club of Rome auf.1 „We are searching for a model output that represents a world system that is  : 1. sustainable without sudden and uncontrollable collapse (…)“ – Dennis L. Meadows  : The Limits of Growth 1972

Schließlich findet sich das Wort „sustainable“ in der „World Conservation Strategy“, einer 1980 unter der Schirmherrschaft des Generalsekretärs der Vereinten Nationen erarbeiteten Richtlinie für den weltweiten Naturschutz. 1983 wurde von den Vereinten Nationen die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (World Commission on Environment and Development  ; WCED), besser bekannt als die „Brundtland-Kommission“ – benannt nach ihrer Vorsitzenden, der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland – einberufen. 1987 wurde der für seine Definition des Begriffs „Nachhaltige Entwicklung“ bekannte Brundtland-Bericht veröffentlicht. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung definierte die BrundtlandKommission in ihrem Bericht auf zwei Arten  : 1. „Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“2

1 Grober, Ulrich  : Modewort mit tiefen Wurzeln – Kleine Begriffsgeschichte von „sustainability“ und „Nachhaltigkeit“, in  : Jahrbuch Ökologie 2003, München  : Beck, 2002, S. 167–175. 2 Brundtland-Bericht, S. 51  ; Absatz 49.

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Diese Definition der intergenerativen ökologischen Gerechtigkeit (Generatio­ nengerechtigkeit) ist Bestandteil aller danach vereinbarten internationalen Umweltabkommen. 2. „Im Wesentlichen ist dauerhafte Entwicklung ein Wandlungsprozess, in dem die Nutzung von Ressourcen, das Ziel von Investitionen, die Richtung technologischer Entwicklung und institutioneller Wandel miteinander harmonieren und das derzeitige und künftige Potenzial vergrößern, menschliche Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen.“3 Die Veröffentlichung des Brundtland-Berichts gilt als der Beginn des weltweiten Diskurses über Nachhaltigkeit bzw. nachhaltige Entwicklung. Der Bericht wurde in viele Sprachen übersetzt und ist eines der am häufigsten zitierten Werke der Umwelt- und Entwicklungsliteratur. Auf seine Veröffentlichung folgte die Einberufung der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (als Rio-Konferenz oder Erdgipfel bekannt), die im Jahr 1992 in Rio de Janeiro stattfand. Dem Brundtland-Bericht sollten auf internationaler Ebene Taten folgen. Hierfür wurde die „Agenda 21“ beschlossen, auf die unten noch im Detail eingegangen wird. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Schutz des Menschen und der Umwelt“ von 1998 beschreibt Nachhaltigkeit als die „Konzeption einer dauerhaft zukunftsfähigen Entwicklung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension menschlicher Existenz“.4 Dieses DreiSäulen-Modell definiert sich im Wesentlichen wie folgt  : o Ökologische Nachhaltigkeit  : Sie orientiert sich am stärksten am ursprünglichen Gedanken, keinen Raubbau an der Natur zu betreiben. Ökologisch nachhaltig wäre eine Lebensweise, die die natürlichen Lebensgrundlagen nur in dem Maße beansprucht, wie diese sich regenerieren. o Ökonomische Nachhaltigkeit  : Eine Gesellschaft sollte wirtschaftlich nicht über ihre Verhältnisse leben, da dies zwangsläufig zu Einbußen der nachkommenden Generationen führen würde. Allgemein gilt eine Wirtschaftsweise dann als nachhaltig, wenn sie dauerhaft betrieben werden kann. 3 Brundtland-Bericht, S. 49. 4 Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt – Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung“, Deutscher Bundestag  : Drucksache 13/11200 vom 26. Juni 1998, S. 218.



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o Soziale Nachhaltigkeit  : Ein Staat oder eine Gesellschaft sollte so organisiert sein, dass sich die sozialen Spannungen in Grenzen halten und Konflikte nicht eskalieren, sondern auf friedlichem und zivilem Wege ausgetragen werden können. Nur durch das gleichzeitige und gleichberechtigte Umsetzen dieser drei sich wechselseitig bedingenden Aspekte kann die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft sichergestellt und verbessert werden.5 Dieses Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung wird vielfach noch um eine vierte Säule erweitert, welche auch im Fokus des gegenständlichen Papiers steht  : jene der politischen Umsetzungsebene.6

Nachhaltigkeitsstrategie Als Nachhaltigkeitsstrategie bezeichnet man Methoden und Instrumente, welche nachhaltige Entwicklungen auf allen politischen Ebenen strategisch umsetzen. Das Konzept der Nachhaltigkeitsstrategie geht bis auf den Brundtland-Bericht zurück  : „Die Welt muss bald Strategien entwerfen, die den Ländern erlauben, aus ihren gegenwärtigen, oft destruktiven Wachstums- und Entwicklungsprozessen zu nachhaltigen Entwicklungswegen überzuwechseln.“7

Nachhaltigkeit betrifft alle Betrachtungsebenen, kann also lokal, regional, national oder global verwirklicht werden. Während aus ökologischer Perspektive zunehmend ein globaler Ansatz verfolgt wird, steht hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit oft der nationale Blickwinkel im Vordergrund. Desgleichen wird für immer mehr Bereiche eine nachhaltige Entwicklung postuliert, sei es für den individuellen Lebensstil oder für ganze Sektoren wie Mobilität oder Energieversorgung.

5 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages  : Nachhaltigkeit, Der aktuelle Begriff 06/2004, 6. April 2004. 6 Stockmann, Reinhard (1996)  : Die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe. Eine Evaluation der Nachhaltigkeit von Programmen und Projekten der Berufsbildung. Opladen  : Westdeutscher Verlag, S.74–75. 7 Brundtland-Bericht 1987, S. 52.

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Nachhaltigkeitspolitik und Kommunikation der Vereinten Nationen Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme  ; UNEP) wurde 1972 auf der Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen (UNCHE) mit der UN-Resolution 27/2997 vom 15. Dezember 1972 ins Leben gerufen. Nach seinem Selbstverständnis soll das Programm die „Stimme der Umwelt bei den Vereinten Nationen“ sein. Das UNEP wirkt als „Auslöser, Anwalt, Lehrer und Vermittler“ für den schonenden Umgang mit der Umwelt und einer nachhaltigen Entwicklung. Das Programm arbeitet mit verschiedenen Partnern, wie etwa anderen UN-Organisationen, weiteren internationalen Organisationen, Regierungen, NGOs sowie Unternehmen und der Zivilgesellschaft zusammen. Eines der Ziele ist es, politische Instrumente für den Umweltschutz zu entwickeln. Im Rahmen des UNEP wurden die meisten heute gültigen internationalen Umweltabkommen entwickelt und ins Leben gerufen. Die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (United Nations Conference on Environment and Development, UNCED) fand vom 3. bis 14. Juni 1992 in Rio de Janeiro statt. Sie gilt als Meilenstein für die Integration von Umwelt- und Entwicklungsbestrebungen und war seit der Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen in Stockholm (1972) die erste größere internationale Konferenz, die Umweltfragen in einem globalen Rahmen diskutierte. Auch bezüglich der Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen an internationalen Prozessen setzte der „Erdgipfel“ neue Maßstäbe. Insgesamt 2.400 Vertreter von nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) nahmen an der Konferenz teil, weitere 17.000 Menschen beteiligten sich am parallel stattfindenden NGO-Forum. Wichtige Ergebnisse der UNCED sind die Agenda 21, die Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung, die Klimarahmenkonvention, die „Forest Principles“ und die Biodiversitätskonvention. Als Nachfolgekonferenzen fanden 1997 die Konferenz Rio+5 in New York und 2002 der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg statt.

Die Agenda 21 Die Agenda 21 ist ein entwicklungs- und umweltpolitisches Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert und wurde als Leitpapier zur nachhaltigen Entwicklung von 172 Staaten auf der Rio-Konferenz 1992 beschlossen.



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Nachhaltige Entwicklung ist vielerorts zur Leitlinie öffentlichen Handelns geworden. Ihre kommunale Umsetzung ist die Lokale Agenda 21. Die Agenda 21 umfasst 359 Seiten und besteht aus 40 Kapiteln, die sich wiederum in vier Abschnitte gliedern lassen  : o o o o

Soziale und wirtschaftliche Dimensionen Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen für die Entwicklung Stärkung der Rolle wichtiger Gruppen Möglichkeiten der Umsetzung

Die Agenda 21 wurde als ein Maßnahmenpaket vereinbart, das vorrangig internationale Organisationen und nationale Regierungen anspricht, aber auch alle weiteren politischen Ebenen auffordert, im Sinne dieser Ziele zu handeln. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip des Kapitels 28 „Initiativen der Kommunen zur Unterstützung der Agenda 21“, sind viele der globalen Probleme am besten auf lokaler Ebene zu lösen. Unter dem Motto „Think Global – Act Local“ wird deshalb jede regionale Gebietskörperschaft der 172 Unterzeichnerländer aufgerufen, eine eigene lokale Agenda 21 zu erarbeiten. Im Anschluss an die Rio-Konferenz erfolgte durch die Resolution A/ RES/47/191 der UN-Generalversammlung die Gründung der Kommission der Vereinten Nationen für Nachhaltige Entwicklung (Commission on Sustainable Development  ; CSD). Die CSD hat die Aufgabe, die Fortschritte der in der Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung und in der Agenda 21 festgesetzten Ziele zu verfolgen.

Nachhaltigkeitspolitik und Kommunikation der Europäischen Union In den vergangenen Jahren hat die Europäische Union das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung in zahlreiche politische Strategien aufgenommen. Die Europäische Union hat die nachhaltige Entwicklung 1997 als übergeordnetes Ziel in den EG-Vertrag integriert (Vertrag von Amsterdam). Seitdem ist die Einbeziehung der Umweltpolitik in die anderen Gemeinschaftspolitiken zur Verpflichtung der EU-Organe geworden (Artikel 191–193 AEUV). Im Jahr 2001 hat der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs in Göteborg die „Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung“ angenommen. Grundsatz dieser Strategie ist, dass Wirtschaftswachstum, sozia­ler Fortschritt und Umweltschutz miteinander ausgewogen

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in Einklang gebracht werden müssen. Im Februar 2005 veröffentlichte die EU-Kommission die Mitteilung „Überprüfung der EU-Strategie der nachhaltigen Entwicklung 2005 – Erste Bestandsaufnahme und künftige Leitlinien“. Sie kündigt darin die Formulierung neuer Oberziele an, um verstärkt den nicht nachhaltigen Trends in Europa entgegenzuwirken.8 Im Juni 2006 wurde die überarbeitete EU-Strategie zur nachhaltigen Entwicklung durch den Europäischen Rat verabschiedet. Diese Strategie umfasst die gesamte EU-Politik und legt fest, wie wir unsere Bedürfnisse befriedigen können, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen einzuschränken, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. In einem integrierten Ansatz behandelt die Strategie Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialfragen gemeinsam und nennt folgende sieben zentrale Herausforderungen  :9 • • • • • • •

Klimawandel und umweltverträgliche Energien Nachhaltigkeit im Verkehr Nachhaltigkeit beim Verbrauch und in der Produktion Substanzerhaltende Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen Öffentliche Gesundheit Soziale Integration, Bevölkerungsentwicklung und Migration Armut in der Welt

Zu jedem dieser Themen schlug die Kommission konkrete Leitaktionen vor, um eine allgemeine Verbesserung der Lebensbedingungen, größere soziale Gerechtigkeit und das Entstehen neuer innovativer Wirtschaftszweige zu befördern. Die EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung trug nicht zuletzt dazu bei, dass auf nationaler und regionaler Ebene Strategien für eine nachhaltige Entwicklung ausgearbeitet wurden. So verfügen heute nahezu alle Mitgliedstaaten über eigene Strategien, die den internationalen Empfehlungen für bewährte Praktiken entsprechen. Der Zusammenhalt zwischen der EU-Strategie und den nationalen Strategien wird durch nationale Koordinatoren sichergestellt. Den Austausch von bewährten Praktiken und Erfahrungen erleichtert das EU-Netz für nachhaltige Entwicklung, auf des8 Niedersächsisches Ministerium für Umwelt und Klimaschutz, Nachhaltigkeit in der Europäischen Union, http  ://www.umwelt.niedersachsen.de/live/live.php  ?navigation_id=2714&_psmand=10 (1.7.2011). 9 Europäische Kommission, http  ://ec.europa.eu/sustainable/welcome/index_de.htm (1.7.2011).



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sen Website10 Informationen über die nationalen Strategien für nachhaltige Entwicklung abgerufen werden können. Der Europäische Rat hatte die Kommission gebeten, die EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung zu evaluieren. Der erste Bericht wurde im Oktober 2007 angenommen11, der zweite Fortschrittsbericht12 wurde im Juli 2009 vorgelegt.13 Am 3. März 2010 wurde „Europa 2020“, ein auf zehn Jahre angelegtes Wirtschaftsprogramm, von der Europäischen Kommission offiziell vorgeschlagen und im Juni 2010 vom Europäischen Rat verabschiedet. Ziel ist „intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum mit einer besseren Koordinierung der nationalen und europäischen Wirtschaft“. Europa 2020 ist das Nachfolgeprogramm der Lissabon-Strategie, die von 2000 bis 2010 verfolgt wurde. Die Strategie Europa 2020 fußt auf zwei Säulen: dem thematischen Ansatz, in welchem Prioritäten und Kernziele miteinander verknüpft werden und dem System der Länderberichte, das die Mitgliedstaaten dabei unterstützen soll, eigene Strategien für die Rückkehr zu nachhaltigem Wachstum und soliden öffentlichen Haushalten auszuarbeiten. Auf EU-Ebene werden integrierte Leitlinien zur Festlegung der Prioritäten und Ziele verabschiedet. Diese Ziele sind miteinander verknüpft und wechselseitig für den Gesamterfolg entscheidend. An die Mitgliedstaaten werden länderspezifische Empfehlungen gerichtet. Um zu gewährleisten, dass jeder Mitgliedstaat die Strategie Europa 2020 auf seine spezifische Situation zuschneiden kann, sollen die Ziele der Union im Rahmen nationaler Ziele und Verlaufspläne umgesetzt werden. Werden sie nicht in angemessener Weise umgesetzt, können politische Warnungen ausgesprochen werden. Die Klima-Roadmap 205014 soll illustrieren, wie diese Treibhausgasreduktion machbar ist, ohne eine Dämpfung des wirtschaftlichen Wachstums nach sich zu ziehen. Sie soll die effektivsten Wege für die Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft darstellen und verfolgt dabei primär zwei Ziele  :

10 European Sustainable Development Network, http  ://www.sd-network.eu/  ?k=country%20 profiles (1.7.2011). 11 Europäische Kommission, KOM(2007) 642 und SEK(2007)1416. 12 Förderung einer nachhaltigen Entwicklung durch die EU-Politik  : Überprüfung der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung 2009. 13 Überprüfung der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung 2009, 24.7.2009, S. 2. 14 Lexikon der Nachhaltigkeit, http  ://www.nachhaltigkeit.info/artikel/klima_roadmap_2050_ 1454.htm (1.7.2011).

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• Die Untersuchung der technischen und ökonomischen Machbarkeit zur Erreichung einer mindestens 80-prozentigen Treibhausgasreduktion im Jahre 2050 bezogen auf das Jahr 1990 unter Beibehaltung oder Steigerung einer zuverlässigen Energieversorgung und Energiesicherheit sowie wirtschaftlichen Wachstums und Wohlstandes. • Die Untersuchung der Folgen für das europäische Energiesystem über die nächsten fünf bis zehn Jahre. Aus der Umsetzung dieser Ziele ergeben sich folgende Auswirkungen  : • Die Dekarbonisierung des Energie- und Transportsektors führt zu sinkender Abhängigkeit von Kohle- und Gasimporten und einer höheren Belastbarkeit bezogen auf schwankende Energiepreise und unsichere Energiezufuhr für die Europäische Union. • Im schnell wachsenden CO2-emissionsreduzierten Sektor entstehen neue Arbeitsplätze. • Die Einnahme einer Vorreiterrolle in der wachsenden CO2-emissionreduzierten Wirtschaft (low-carbon-economy) birgt Möglichkeiten, wirtschaftliche Vorteile zu generieren (first-move-Strategie). Am 8. 3. 2011 veröffentlichte die EU-Kommission den „Fahrplan für den Übergang zu einer wettbewerbsfähigen CO2-armen Wirtschaft bis 2050“.15 Um das Ziel einer 80-prozentigen Reduzierung der Emissionen bis 2050 zu erreichen, wurde die Erhöhung des Reduktionsziels von Treibhausgasen von 20 auf 25 Prozent für das Jahr 2020 für die EU als möglich angesehen. Dieses Ziel soll vorrangig durch den ebenfalls am 8. 3. 2011 beschlossenen Energieeffizienzplan unterstützt werden.16 Bis 2030 sollen 40 Prozent und bis 2050 80 Prozent Emissionsreduktionen erreicht werden. Für den Zeitraum von 2030 bis 2050 ist von einer „Spannbreite für die zu erreichenden Emissionsreduktionen in Schlüsselsektoren“ die Rede. Zudem soll der Emissionshandel17 in Europa durch Stilllegung von Zertifikaten effektiver gestal-

15 Europäische Kommission, http  ://ec.europa.eu/clima/documentation/roadmap/docs/com_ 2011_112_de.pdf (1.7.2011). 16 Energieeffizienzplan, http  ://www.energieeffizienz-online.info/fileadmin/user_upload/Down loads_2011/EU_Energieeffizienzplan_2011.pdf (1.7.2011). 17 http  ://www.nachhaltigkeit.info/artikel/der_europaeische_emissionshandel_eu_ets_1226.htm (1.7.2011).



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tet werden und als wirksames Klimaschutzinstrument erhalten bleiben. Als langfristiges Ziel wurde in der Roadmap vereinbart, dass der Energiesektor bis 2050 beinahe vollständig dekarbonisiert sein soll. Zu beachten ist jedoch, dass dies auch CO2-Speicherungsverfahren wie das „Carbon Capture and Storage – CCS“18 und Atomenergie mit einschließt. Die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, nationale Fahrpläne für die CO2-Reduktion zu entwickeln, und sollen hierbei unterstützt werden. Die sich noch in Ausarbeitung befindliche Energie-Roadmap 205019 soll Pläne dafür enthalten, wie diese Ziele erreicht werden können. Angesichts des katastrophalen Nuklearunfalls infolge des Tsunamis in Fukushima und des damit verbundenen Umdenkens in Bezug auf den Ausbau der Kernenergie als „saubere Energieform“ in Europa scheint das Erreichen dieser Ziele jedoch fraglich.

Nachhaltigkeitspolitik und Kommunikation der USA Die Administration von Präsident Barack Obama hat sich zum Ziel gesetzt, einen Sinneswandel der amerikanischen Nation in Bezug auf nachhaltige Entwicklung und Ressourcenschonung herbeizuführen. Im Jahr 2010 erreichte die amerikanische Ölproduktion den höchsten Stand seit 2003 und die gesamte US Erdgasförderung erreichte ihren höchsten Stand seit mehr als 30 Jahren. Als Reaktion auf die „Deepwater Horizon“ Ölpest im Golf von Mexiko, hat die Regierung die aggressivste und umfassendste Reform zur Offshore-Öl- und Gas-Regulierung und Aufsicht in der Geschichte der USA ins Leben gerufen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Vereinigten Staaten die Förderung der Offshore-Energie-Ressourcen sicher und verantwortungsvoll ausbauen können. Im Budget des Jahres 2012 hat die Regierung 46 Milliarden US-Dollar an Subventionen für die Erzeugung fossiler Brennstoffe in den nächsten zehn Jahren gestrichen und vorgeschlagen, diese Mittel zur Unterstützung von Innovationen zur Gewinnung saubere Energien zu verwenden. Als „saubere Energiequellen“ werden erneuerbare Energien, aber auch Kernkraft, Erdgas und „Carbon Capture and Sequestration“ definiert. 18 Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, http  ://www.wupperinst.org/projekte/ themen_online/carbon_capture_and_storage/index.html (1.7.2011). 19 Europäische Kommission, http  ://ec.europa.eu/yourvoice/ipm/forms/dispatch  ?form=rm20 50〈  ;=en (1.7.2011).

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Seit seinem Amtsantritt hat Präsident Obama entscheidende Investitionen in moderne Fahrzeug- und Kraftstoff-Technologien, öffentliche Verkehrsmittel und Hochgeschwindigkeitszüge getätigt. Die Verwaltung hat auch neue Kraftstoffverbrauch-Standards für Pkw und Lkw etabliert, die den durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch auf 35,5 Meilen pro Gallone (entspricht 6,72 L/100km) für Kraftfahrzeuge der Modelljahre 2012-2016 senken, was 1,8 Milliarden Barrel Öl einspart und die Treibstoffkosten für durchschnittliche Verbraucher um 3.000 US-Dollar verringert. Aufbauend auf diesen Fortschritten, entwickelt die Verwaltung nun die ersten nationalen Kraftstoffverbrauch- und Treibhausgas-Emissionsstandards für Lkw, Transporter und Busse, sowie die nächste Generation von Standards für Pkw und Lkw der Modelljahre 2017–2025. Bis zum Jahr 2015 sollen eine Million Kraftfahrzeuge mit alternativen Antriebssystemen auf die Straße gebracht werden. Investitionen aufgrund des „Recovery Act“: Die Verwaltung hat mit mehr als 90 Milliarden Dollar die größte Investition in saubere Energie in der Geschichte der Vereinigten Staaten getätigt. Diese wichtigen Maßnahmen haben bereits hunderttausende von Arbeitsplätzen im ganzen Land gesichert, oder neu geschaffen und führen zu einer Verdoppelung der Erzeugung erneuerbarer Energie bis 2012 gegenüber dem Jahr 2008. Aufbauend auf die Investitionen des „Recovery Act“, die bereits zur besseren Isolierung von über 350.000 Häusern geführt haben, was Amerikanern mit niedrigeren Einkommen hilft, die Energiekosten zu senken, verstärkt die Effizienz-Agenda die Interdisziplinarität der Energiesektoren. Sie umfasst eine permanente Verpflichtung zur Weiterführung der „HOMESTAR“ Gesetzgebung, welche Hausbesitzer dabei unterstützt, Nachrüstungen zu finanzieren, sowie eine „Better Buildings Initiative“, welche die Energieeffizienz gewerblicher und industrieller Gebäude bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent erhöhen soll. Der Ausbau und die Modernisierung der Stromnetze erhöht den Zugriff auf abgelegene Standorte für Solar- und Windenergie, reduziert Stromausfälle und hilft Verbrauchern Geld zu sparen. Durch den „Recovery Act“ hat die Verwaltung 4,5 Milliarden US-Dollar für Smart-Grid-Anlagen und den Aufbau neuer Kapazitäten investiert. Darüberhinaus schlägt der Präsident im Budget des Jahres 2012 neue Energie-Innovationen mit Schwerpunkt auf der Entwicklung von Smart-Grid-Materialien und Systemen vor.



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Resümee Ausgehend vom späten 20. Jahrhundert haben sowohl die UNO als auch die EU Nachhaltigkeitsziele auf völkerrechtlicher Ebene postuliert und in einem kontinuierlichen Prozess laufend vertieft. Die Kommunikation der Nachhaltigkeitsziele und -politik ist ein wesentliches Element des Aufbaus von Public Awareness. Durch die von der öffentlichen Hand geförderten und von Gebietskörperschaften, NGOs, Vereinen oder einzelnen Privatpersonen initiierten Grassroots Campaigns wurde bereits viel bewegt. Durch bekannte Persönlichkeiten wie den ehemaligen US-Vizepräsidenten und Nobelpreisträger Al Gore konnten auch in den USA Tausende Menschen dazu bewegt werden, einen nachhaltigeren Lebensstil zu führen. Im Rahmen seines Climate Project wurden bereits mehr als 3.000 freiwillige Climate Messengers ausgebildet, die über 70.000 Präsentationen vor mehr als 7,3 Millionen interessierten Zuhörern gehalten haben.20 Aber der Nachhaltigkeitsgedanke hat längst auch die Realwirtschaft erreicht, Green Jobs boomen und schaffen Arbeitsplätze. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Auswirkungen der menschlichen Zivilisation auf die Umwelt und das Klima unseres Planeten haben ebenso zur Bewusstseinsbildung beigetragen wie der wirtschaftliche Druck steigender Rohstoffpreise, alternative Energiequellen zu fördern. Eine der entscheidendsten Fragen des 21. Jahrhunderts wird daher jene der Sicherung der zukünftigen Energieversorgung durch erneuerbare Energien sein. Die Atomkatastrophe von Fukushima hat der Welt auf drastische Weise erneut vor Augen geführt, dass Kernenergie keine Alternative sein kann. Mit dem Amtsantritt von Barack Obama haben die USA das Ziel proklamiert, die weltweit führende Nation im Bereich erneuerbarer Energie zu werden. Die österreichische Bundesregierung hat mit dem neuen Ökostrom-Gesetz und dem Ökostrom-Ziel von rund 85 Prozent Anteil erneuerbarer Energien bis 2020 die Rahmenbedingungen für Investitionen in neue Technologien geschaffen. Durch die Erhöhung der Fördersumme auf 50 Millionen Euro wird Österreich bis spätestens 2015 unabhängig von Atomstromimporten und wieder Stromexporteur sein.21 Österreich ist mit seiner nachhaltigen Wirtschafts- und Umweltpolitik damit Spitzenreiter in Europa und Vorbild für unsere Partner in der EU. 20 The Climate Project, http  ://theclimateproject.org/content/about (1.7.2011). 21 Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, http  ://www.bmwfj.gv.at/Presse/AktuellePresseMeldungen/Seiten/Mitterlehner%C3%96kostrom-Novelleerh%C3%B6htWettbewe rbsf%C3%A4higkeitdesStandorts%C3%96sterreich.aspx (10.7.2011).

Tamara Buschek

The Roma Issue from a European Union Perspective1

Introduction Minority issues constitute one of the main challenges of the European Union (EU) in regard to human rights and its security policy. The integration of the Roma – the EU’s biggest minority – represents a big challenge for the Member States and the EU as a whole. The development of a sustainable minorities’ policy would improve the quality of relations within society and among Member States, foster growth prospects, and promote cohesion, security and prosperity. An effective inclusion of the Roma population is an essential building block towards a sustainable society. Unfortunately, the Roma’s situation has not improved much in spite of the European institutions’ intensified efforts. The latest developments in several Member States illustrate the “malaise” with Europe’s largest ethnic minority. The French authorities’ decision in August 2010 to expulse Roma from France triggered not only a storm of protests in Europe and abroad, but also generated an intense debate on the situation and the integration of Roma in the EU. These events and the difficult situation of Roma in Hungary itself led Hungary to react and define the integration of Roma as one of the country’s priorities for its Presidency of the Council of the European Union (January–June 2011). One of its aims was to further implement the Stockholm Programme for Justice and Home Affairs, which, inter alia, explicitly called for the full integration of the Roma2. Within the framework of the European Platform for Combating Poverty, the Hungarian Council Presidency sought to combat child poverty and the poverty of the ethnic Roma minority. 1 A first version of this article has already been published by Notre Europe in June 2011 (http  :// www.notre-europe.eu/uploads/tx_publication/Framework-TBuschek-The_Roma-EN.pdf ). 2 The Stockholm Programme – An open and safe Europe in the service of and for the protection of citizens, Chapter 2.3.3.

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In 2009, Hungary witnessed a series of violent crimes against its Roma community (there were 39 violent attacks and 9 deaths3). In addition, a racist tone against Hungary’s biggest minority (8 % of the Hungarian population) – notably due to the Jobbik Party4 – has risen alarmingly. In the context of this anti-Roma political agenda, the radical right paramilitary guard (Magyar Gárda5) deployed in districts containing large Roma communities. Given these facts, it was an absolute necessity for Hungary to declare the Roma issue as a priority for its Council Presidency’s political agenda. In this context, the European Council of 24 June 2011 called for the rapid implementation of the European Fr amework for National Roma Integr ation Str ategies proposed by the European Commission on 5 April 2011. This general integration strategy should serve Member States as a basis for their national integration strategies, which inter alia should lead to a more effective use of earmarked EU funds – only 70 % of the money available for programmes for Roma integration has been used by the Member States. The strategy aims to improve the integration of Roma in four critical fields – education, employment, health care and housing6. In this context, this article presents the situation of the Roma in the EU, sums up the existing European legal provisions for the protection of the Roma’s rights by taking the French government’s measures as a test case and sheds light on the European institutions’ main initiatives to improve the Roma’s situation.

3 Amnesty International, Violent Attacks against Roma in Hungary, 2010, pp. 11–13, http  :// www.amnesty.org/en/library/asset/EUR27/001/2010/en/7ee79730-e23f-4f20-834a-deb8deb23464/eur270012010en.pdf (6.1.2011). 4 Jobbik, a far right party which was set up in 2003, has been the third strongest party in the newly formed Hungarian parliament since the 2010 elections with 47 seats (12.18 %). 5 In December 2009 Magyar Gárda was dissolved by the Hungarian Supreme Court. Since then many other similar groups with similar names (often with the same members) have replaced it. 6 HU Presidency 2011, Priorities of the Hungarian EU presidency, http  ://www.oegfe.at/cms/uploads/media/PPT_Ungarn_2011-01-10.pdf [German only]  ; HU Presidency 2011, Creating a European Roma Policy, http  ://www.eu2011.hu/developing-european-roma-policy (6 1.2011).



The Roma Issue from a European Union Perspective

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I. The Situation of the Roma in the European Union The Roma, a definition

The term “Roma” can be traced back to the word “Rom” and means man/ husband or person in the Romani language  ; “Romni”, the female form, means woman/wife  ; “Roma” is the plural. There are many ethnic subgroups of Roma in Europe, such as the Romani, the Kalé (called “Gitanos” in Spain), Kalderash, Sinti (called “Manouches” in France), Aschkali, Ursari, Lovara or Gurbeti7. The Sinti are the Roma group that has lived for the longest period in middle Europe and are the biggest group in Germany. The Sinti can mainly be found in German-speaking countries (Germany, Austria, Switzerland), in the Benelux countries, in a few countries in Northern Europe (e.g. Sweden), in Northern Italy, as well as in Southern France. The Sinti do not describe themselves as Roma  ; they are called, separately, “Roma and Sinti”. Many Roma have the Indo-European Romani language (romani ćhib) in common, an Indian language that has its roots in Sanskrit. There are many Romani dialects and a few Roma subgroups speak other minority languages (e.g. Beash in Hungary, Gammon in the United Kingdom (UK), and in Ireland, Jenish or Kalo). The origins of the Roma lie in the Indian Middle Ages. Migration from India took place between the 9th and 14th century. By the 15th century, the Roma were spread throughout Europe. Around 10 to 12 million Roma live in the EU, candidate countries and potential candidate countries in the Western Balkans  ; around half of them in the EU (see table 1). The total figure for Roma in the EU is based on estimates, because there is a shortage of data at the national level, as some governments do not allow for “the Roma” as a legitimate category in the censuses. Many Roma also do not want to admit their affiliation. But it is known that the Roma are the biggest ethnic minority in the EU. Within the EU, most Roma live in Romania, Bulgaria and Hungary. One and a half million Roma became Union citizens via the 2004 EU enlargement alone8.

7 In the subsequent text, the term “Roma” will be used to represent all the subgroups. 8 European Commission, Directorate General Employment and Social, Unit D3, The situation of the Roma in the enlarged European Union, 2004, pp. 7–12  ; Grabmair, Rechtliche und politische Maßnahmen der EU zur Verbesserung der Situation der Roma [Legal and political measures of the EU to improve the situation of the Roma  ; in German only], Degree work, Karl-Franzens-Universität Graz, 2008, pp. 11–14  ; Liégeois, The Council of Europe and the Roma 40 years of action, 2010, pp. 11–34.

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Table 19  : The Roma in Europe EU-Member States

Official number (last census)

Bulgaria

370,908 (2001)

700,000

800,000

11,718 (2001)

150,000

250,000

France

No data available

300,000

500,000

Germany

No data available

70,000

140,000

Greece

No data available

180,000

350,000 1,000,000

Czech Republic

Hungary Italy Romania

Maximum ­estimate

190,046 (2001)

400,000

No data available

110,000

170,000

535,140 (2002)

1,200,000

2,500,000

89,920 (2001)

Slovak Republic

Minimum ­estimate

Total for all EU Member States

400,000

600,000

4,359,100

7,456,500

Non-EU Member States Bosnia and Herzegovina

8,864 (1991)

40,000

60,000

Croatia

9,463 (2001)

30,000

40,000

Kosovo (under UNSCR 1244/99)

45,745 (1991)

25,000

50,000

The former Yugoslav Republic of Macedonia

53,879 (2002)

135,500

260,000

Montenegro Serbia (excl. Kosovo) Turkey Total for all Non-EU ­Member States

2,826 (2003)

15,000

25,000

108,193

400,000

800,000

4,656 (1945)

500,000

5,000,000

2,256,000

8,312,200

The current situation of the Roma in the European Union

The everyday existence of the Roma is marked by discrimination in all areas of life. Unrestricted and equal access to employment, education, social protection, health provision, accommodation, other public services and justice continue to not be provided10. In its comparative report about the situation of Roma EU citizens, who have settled in other EU Member States, the EU’s Fundamental Rights Agency (FRA) names poverty, job-seeking, racism and hope for an improvement in living standards as main reasons for the migration of Roma. However, the Roma mostly expect social marginalisation and   9 Ibid., pp. 22–23. 10 European Commission, Directorate General Employment and Social, Unit D3, op.cit., p. 8.



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impoverishment in the host Member State as well as in their home Member States11. In order to interrupt the vicious circle of poverty and discrimination, access to education, employment, healthcare and housing have to be provided in the same manner to the Roma population as to the non-Roma population. In comparison with a European average of 97.5 % of children that finalise primary education, an Open Society Institute Survey of 2008 stated that in six Member States (Bulgaria, Hungary, Latvia, Lithuania, Romania and Slovakia) only 42 % of Roma children do so. Additionally throughout Europe racial segregation in education is widespread. Roma children are mostly sent to segregated schools in ghettos (so called “Gypsy schools” or “special schools”  ; e.g. 75 % in Czech Republic, 80 % in Germany), which are in regard to quality of education far below the average level. An important degree of discrimination can also be noted in the field of employment, which represents a crucial tool for achieving social inclusion. There is an important divergence between the employment rate of Roma population and the one of other groups of the population. Women are especially disadvantaged in access to the labour market (sociological studies indicate that out of the entire percentage of the Roma unemployment rate, 90 % represent women and 10 % men). Data from 2003/2004 indicate an unemployment rate for Slovak Roma of 87.5 % (in comparison with 14.2 % for the whole population)  ; between 50 % and 80 % in the Czech Republic (10.8 % for the whole population) and in Spain half of the Roma population is unemployed or having unstable and illegal jobs. The other crucial areas where extreme gaps between Roma groups and the rest of the population exist are healthcare and housing. Concerning healthcare few data exists, but in general it can be said that general life expectancy for Roma is 10 years less than for the rest of the population (the average EU level is 76 for men and 82 for women) and the child mortality rate is 2 to 6 times higher among the Roma population. Their poor level of health is due to many factors  : poor housing conditions, poor nutrition, restricted access to healthcare due to missing insurances, restricted information about health services and health prevention, and a bigger exposure to environmental harms, which makes them extremely vulnerable to diseases. Substandard housing is 11 European Union Agency for Fundamental Rights, The situation of Roma EU citizens, moving to and settling in other EU Member States, 2009, pp. 5–9, http  ://194.30.12.221/fraWebsite/attachments/Roma_Movement_Comparative-final_en.pdf (10.12.2010).

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a considerable reason for poor health and a lack of integration into society. Roma live, in most cases, in ghetto-like settlements with poor access to public utilities and transportation, often permanently in fear of forced eviction. In July 2008, a Eurobarometer poll on the subject of “Discrimination in the European Union” revealed that around a quarter (24 %) of Europeans would feel uncomfortable about having a Sinti or a Roma as a neighbour  : a glaring contrast to the feeling of wellbeing with a person with a generally “other” ethnic origin (8.1 on a scale from 1 to 10 where 10 represents being totally “comfortable”  ; a comfort of 6.0 for having a Roma as a neighbour)12. It emerged from the EU census carried out by the FRA in April 2009 on the experiences of ethnic minorities and immigrants with discrimination and racist-motivated criminal acts that the highest level of discrimination was reported by Roma. Fifty percent of Roma admitted that they had experienced discrimination in the last 12 months and 81 % that they had been victims of racist-motivated violence and criminal acts13. In a Deliberative Poll on Roma policy14, carried out in Bulgaria in 2007, the feelings of Bulgarian society towards the Roma were made clear. As it seems that certain laws are not applied as strictly with the Roma as with the rest of the Bulgarian population (for example no penalties for not paying electricity bills or for acts of petty crime), the Roma in Bulgaria are often seen by the majority of the population as a privileged group. The high amounts of aid money, which is exclusively available for the improvement of the situation of the Roma as well as the feeling of a higher awareness of the EU with regard to the violation of the rights of Roma than for other Bulgarian citizens, does not contribute to improving the problematic relationship between the Roma and Bulgarians. These tensions reached a regrettable peak in autumn 2011, with country-wide anti-Roma demonstrations, and even violence against the Roma. This highlights the complexity of the problem and the fact that there is a need for problem solving in many different areas. Undeniably, rights go hand in hand with duties. However, the general opinion in EU Member States is that 12 European Commission, Special Eurobarometer 296, Discrimination in the European Union  : Perception, Experiences and Attitudes, 2008, p. 45, http  ://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ ebs/ebs_296_en.pdf (8.12.2010). 13 Fundamental Rights Agency of the European Union (FRA), European Union Minorities and Discrimination Survey, First report of the series ‘Data in Focus’ / The Roma, 2009, 3, http  ://fra. europa.eu/fraWebsite/attachments/EU-MIDIS_ROMA_EN.pdf (8.12.2010). 14 National Deliberative Poll ‘Policies toward the Roma in Bulgaria’ http  ://cdd.stanford.edu/ docs/2007/bulgaria-roma-2007.pdf.



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these are not sufficiently or not at all fulfilled by the Roma. But do the Roma also have an equivalent possibility to comply with general citizens’ duties  ?

II. A Legal Anlaysis of the Roma’s Rights in the EU15 After violent confrontations between young Roma and French security forces in the central French village of Saint-Aignan, caused by the killing of a young Romanian Roma when he fled the police, in July 2010, French authorities systematically dismantled numerous camps – mainly inhabited by Bulgarian and Romanian Roma – and sent their inhabitants to their home countries. By August 2010, altogether 128 illegal settlements had been cleared and 979 Romanians and Bulgarians in “irregular situations“ had been repatriated (151 were forced and 828 went “voluntarily”). Repatriations were accompanied by a payment to aid return (300 euros per adult and 100 euros per child). Since October 2010 a database called OSCAR (Outil de Statistiques et de Contrôle de l’Aide au Retour – Tool for Repatriation Aid Statistics and Control) stores digital photographs and the fingerprints of those who have received the repatriation aid, in order to prevent possible deceit and fraud. This course of action, and especially the following media’s publication of a French interior ministry circular16, ordering regional administrations to clear, within three months, 300 predominantly Roma camps), attracted the European Commission’s attention as guardian of the Treaties. In 2009, France deported 9,875 Roma and more than 8,000 in 2010. The same types of expulsions, albeit on a smaller scale, have also taken place in other Member States, such as in Sweden, Denmark, Italy and Germany17. 15 Spiegel, Legal Tribune online, Was die EU-Kommission Sarkozy vorwirft [What the EU Commission criticises Sarkozy for], http  ://m.lto.de/de/html/nachrichten/1616/roma-ausweisung/ (7.12.2010)  ; Ferner Alsdorf law firm, ECJ on the right to free movement, http  ://www.ferneralsdorf.de/2008/07/eugh-zum-recht-auf-freizugigkeit/ (10.12.2010)  ; Grabmair, op.cit., pp. 25–38. Isak, European law I, Part 25, 2010, 28–31  ; Reding, Andor, Malmström, Joint Information Note, The situation of Roma in France and in Europe, http  ://www.romamigration.ro/en/strategie/the-situation-of-roma-in-france-and-in-europe.htm (1.12.2010). 16 Circular of 5 August 2010, http  ://www.france-info.com/IMG/pdf/7/f/6/Circulaire_du_5aout _2010.pdf (8.1.2011). 17 European Commission, press release IP/10/1207, European Commission assesses recent developments in France, discusses overall situation of the Roma and EU law on free movement of EU citizens, http  ://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do  ?reference=IP/10/1207&format=HTML&age

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As citizens of Romania and Bulgaria, the evicted Roma are Union citizens, as per Article 20 of the Treaty on the Functioning of the European Union (TFEU), and thereby enjoy full free movement in the area of the Union, as per Article 21 TFEU, as any other citizens of the EU. That of course raised the question as to whether the mass French evictions of those belonging to an ethnic group were in line with European law. The European provisions concerning protection against expulsion for Roma and any other citizens coming from a non-EU country are more complex and less protective. EU institutions and as well the Council of Europe’s European Commission against Racism and Intolerance (ECRI) expressed their concern about these “repatriations”. The EU Commissioner for Justice, Fundamental Rights and Citizenship, Vivian Reding, criticised France for breaking EU law and discriminating against the Roma. On 9 September 2010, the European Parliament – “deeply concerned” about the deportations by French and other Member States’ authorities – adopted a resolution on the situation of the Roma in Europe. The resolution demanded the immediate suspension of the expulsions, which have to be considered as “exceptions” with “specific and clear limits” – and the taking of fingerprints was considered as “illegal”. Moreover, the Parliament demanded that political decision-makers avoid “inflammatory and openly discriminatory rhetoric”. In the resolution, the Council and Commission were requested to call for an end to the expulsions and the lack of reaction from these two institutions was also regretted.18 Two charges were levelled against France  : 1. The infringement of EU law as the guidelines of the Directive on the right to move and reside freely, in particular its procedural safeguards, have not been transposed into French law. The Free Movement Directive was to be transposed by 30 April 2006 at the latest. 2. The infringement of the non-discrimination principle of Article 18 TFEU and of Article 21 of the Charter of Fundamental Rights as well as the ban

d=1&language=EN&guiLanguage=en (8.12.2010)  ; migration-info.de, Frankreich  : Roma-Abschiebungen forciert [France  : Roma expulsions forced  ; in German only], http  ://www.migration-info. de/mub_artikel.php  ?Id=100701 (8.12.2010)  ; migration-info.de, Europa  : Diskussion um Umgang mit Roma [Europe  : Discussion about the handling of the Roma  ; in German only], http  ://www. migration-info.de/mub_artikel.php  ?Id=100801 (8.12.2010)  ; Reding, Andor, Malmström, op.cit. 18 European Parliament resolution of 9 September 2010 on the situation of Roma and on freedom of movement in the European Union, T7-0312/201.



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on collective expulsions under Article 19 of the Charter as the expulsions targeted Bulgarian and Romanian Roma. The right to free movement

As any EU citizens, Roma and their family members have a right to free movement in the area of the Union, under Article 21 TFEU and Article 45(1) of the EU Charter of Fundamental Rights . They may stay up to three months, as per Directive 2004/38/EC (Freedom of Movement Directive) 19, without any preconditions and formalities. For a stay of up to three months, the only condition is the possession of a valid personal identity card or a passport (Article 6 Freedom of Movement Directive). A stay of more than three months is then only allowed if the EU citizen is an employee or self-employed person in the host Member State or can show that he/she has sufficient means of subsistence and sickness insurance so as not to claim welfare services (Article 7 Freedom of Movement Directive). Regarding the sufficient resources, the Member States are not allowed to fix a certain amount but have to take into account the personal situation of the individual concerned. Resources can be considered as sufficient when they are higher than the threshold under which social benefits are granted in the host Member State or higher than the national social security pension (Article 8(4) Freedom of Movement Directive). It must also be mentioned that, in the transitional provisions in the Accession Treaty of 25 April 2005 on the accession of B ­ ulgaria 20 21 and Romania up until January 2012 , access to the labour markets of EU Member States, which were already EU Member States before the current 19 Directive 2004/38/EC of the European Parliament and of the Council of 29 April 2004 on the right of citizens of the Union and their family members to move and reside freely within the territory of the Member States amending Regulation (EEC) No 1612/68 and repealing Directives 64/221/EEC, 68/360/EEC, 72/194/EEC, 73/148/EEC, 75/34/EEC, 75/35/EEC, 90/364/EEC, 90/365/EEC and 93/96/EEC (Text with EEA relevance), OJ. L158, pp. 77–123. 20 Treaty between the Member States of the European Unionand the Republic of Bulgaria and Romania, concerning the accession of the Republic of Bulgaria and Romania to the European Union, Official Journal No. L 157 of 21 June 2005. 21 Member States, which limit their labour market through national provisions, can do this for a further two years if their national labour market is faced with considerable problems and communicates this to the Commission. The period of validity of the transitional arrangements may not in any event go beyond seven years.

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accession, is regulated by the national legal provisions of these Member States22. Concretely, this means that Bulgarian and Romanian citizens in France need a work permit23. The right to free movement and residence may be restricted by the states on the basis of public order, security or health (Article 27(1) Freedom of Movement Directive). In this case, however, such restrictions must be based only on the personal behaviour of the affected person and the principle of proportionality (Article 27(1) subparagraph 1 Freedom of Movement Directive). This principle indicates that the Member State authorities should first state the interest that needs to be protected. In this respect, the intended restricting measure must be appropriate to make it reach the goal that it pursues and must not go further than what is required for it to achieve this24. The personal behaviour must represent a factual, present and considerable danger, which affects a basic interest of society (Article 27(2), subparagraph 2 Freedom of Movement Directive)25. Member States are free to decide according to their national requirements what public order and security require, but these requirements are to be understood narrowly so that their consequences cannot be determined by every Member State one-sidedly without control by the institutions of the EU26. EU Member States can expulse any EU citizen who fails to fulfil the freemovement criteria. Nevertheless, the Member States must respect the procedural safeguards for expulsions conducted on the grounds of public order and security, as set out by the Freedom of Movement Directive  : • For every expulsion it must be demonstrated on a case by case basis whether the mandatory conditions for an expulsion exist. • The personal circumstances of the affected person, i.e. the length of stay, the age, the state of health, his/her family situation and economic 22 EU Accession Treaty with Bulgaria and Romania of 25 April 2005, Annexes VI and VII, Article 2 and 5, OJ No L157 of 21 June 2005. 23 European Commission, EU enlargement  : Transitional provisions, http  ://ec.europa.eu/social/ main.jsp  ?catId=466&langId=en (10.12.2010). 24 Case C – 33/07 Jipa, [2008] ECR I-5157, paragraph 29. 25 The requirements set out by the Directive constitute a codification of the earlier jurisprudence of the European Court of Justice on the freedom of the employee within the European Community and should be used and configured in the light of this jurisprudence– Craig, de Burca, EU Law, Text, Cases, and Materials, OUP, 4th edition, 2008, p. 784. 26 Case C – 33/07 Jipa, [2008] ECR I-5157, paragraph 23.



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position, his/her social and cultural integration and his/her connections with his/her country of origin are also to be closely checked. Decisions to expel an EU citizen must be communicated to the person concerned in writing as per Article 30 of the Freedom of Movement Directive and must be fully justified. The grounds for expulsion – outside those grounds which relate to the security of the state – are to be communicated in full. The possibility of accessing legal redress must also be provided. The time period before the expulsion must be at least one month unless the Member State believes that there is an urgent case for the expulsion. This must be substantiated in due form. Additionally Article 19 Charter of Fundamental Rights explicitly states that collective expulsions are inadmissible.

With regard to the allegation that France has not transposed the procedural safeguards of the Freedom of Movement Directive into national law27, it is to be noted that, in its report of 2008 on the application of the Freedom of Movement Directive, the Commission has said that the transposition of procedural safeguards had not been satisfactory and that only four Member States have transposed the safeguards correctly (Cyprus, Lithuania, Spain and Portugal). In general it says that “not one single Member State has transposed the Directive effectively and correctly in its entirety. Not one Article of the Directive has been transposed effectively and correctly by all Member States”. Due to these results, the European Commission released a report on guidance for better transposition and application of the Directive 2004/38/EC28. In the case of France, no procedural safeguards are applied in cases of the highest urgency. The EU citizen receives no written communication about the expulsion decision, is not informed of the reasons why the decision was taken and has no right to legal remedy before the implementation of the decision29. 27 As distinct from Regulations, which are directly applicable, Directives must be transposed into national law (Article 288(3) TFEU). If this does not happen within the set time period, this is a violation of Union law and can be punished with a Treaty infringement procedure (Article 258 TFEU). 28 COM (2009) 313 of 2.7.2009, Communication from the Commission to the European Parliament and the Council on guidance for better transposition and application of Directive 2004/38/EC on the right of citizens of the Union and their family members to move and reside freely within the territory of the Member States. 29 COM (2008) 840 from 10.12.2008, Report from the Commission to the European Parliament

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When France decides on expulsions, French legislation does not refer to the need to check individual circumstances (length of stay, age, state of health, family situation, degree of integration, etc.). Furthermore, entry may not be refused to those who return to France again after their expulsion, except if they were lawfully deported because of a threat to public security and order. Summing up, it is to be noted that such government’s measures are only to be seen as in line with the EU law on free of movement if  : • After a case by case check of, and attention to, personal circumstances, the EU citizen constitutes a threat to public order and security or an exaggerated burden for the welfare system. • The material and procedural guarantees in connection with the right to free movement were fully respected by national authorities. • These measures do not amount to any collective expulsions of Roma (or any other group of EU citizens). The non-discrimination principle, child protection, and data protection

Article 2 Treaty on European Union (TEU) names as one of the values on which the Union is based “respect for human rights, including the rights of persons belonging to minorities“. Attention to, and protection of, minorities demands both protection from discrimination and also promotion of their culture and language30. Respect for, and protection of, minorities is a condition for entry into the EU (Article 49 TEU in connection with Article 2 TEU). According to the Copenhagen criteria, the circumstances of the Roma create problems in many accession countries. According to them, the political criterion must, alongside the economic and acquis criteria, be met for a country to join the EU. The political criterion demands “stability of institutions guaranteeing democracy, the rule of law, human rights, respect for and protection of minorities”. One cannot speak of the complete fulfilment of this criterion either in the old or new Member States. and the Council on the application of Directive 2004/38/EC on the right of citizens of the Union and their family members to move and reside freely within the territory of the Member States. 30 European Commission, Directorate General Employment and Social, Unit D3, op.cit., pp. 7,18  ; Open Society Institute, Monitoring the EU Accession Process  : Minority Protection, 2002, p. 18.



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It must also be stressed that, in their dealings with the rights of entry and rights to stay of EU citizens, the national authorities are bound by the provisions of the EU Charter of Fundamental Rights, which became binding with the entry of force of the Lisbon Treaty on 1 December 2009. The Charter of Fundamental Rights namely applies to Member States when they implement Union law (Article 51(1) Charter of Fundamental Rights)  ; for the measures discussed here it is about the application by a Member State in concrete cases of EU primary and secondary law regarding the free movement of people31. The measures taken by the French authorities in August 2010 must comply with  : • the non-discrimination principle rooted in Article 21 of the Charter, which in paragraph one bans, inter alia, discrimination based on race, skin colour, ethnic or social origin, belonging to a national minority and, in paragraph two, bans any discrimination on the basis of belonging to a country  ; • the gener al prohibition on discrimination on grounds of nationality in Article 18 TFEU Article 19(1) TFEU empowers the Council, on a proposal from the Commission and after consulting the Parliament, to adopt unanimously measures to combat discrimination on the basis of sex, race, ethnic origin, religion, ideology, disability, age or sexual orientation. On the basis of Article 19 TFEU, important directives for non-discrimination were enacted. The key piece of EU legal provisions on combating discrimination and thereby a particularly important directive for the Roma is Directive 2000/43/EC on equal treatment between persons irrespective of r acial or ethnic origin (R ace Equality Directive 32). It is directed against discrimination based on race or ethnic origin in the areas of employment, education, social protection, including social security and health services as well as with regard to the access to and provision of goods and services, including of housing. Unequal treatment is then only 31 COM( 2011) 160 of 30.3.2011, Report from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions, 2010 Report on the Application of the EU Charter of Fundamental Rights. 32 Council Directive 2000/43/EC of 29 June 2000 implementing the principle of equal treatment between persons irrespective of racial or ethnic origin, OJ 2000 L 180, p. 22.

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allowed when the characteristic, which is connected to the race or ethnic origin and on which the discrimination is based, constitutes a substantial and decisive precondition for the professional activity and if the objective is legitimate and the requirement proportionate (Article 4 Racial Equality Directive). Article 1 Race Equality Directive defines the purpose of the Directive as “to lay down a framework for combating discrimination on the grounds of racial or ethnic origin”. The minimum requirements of the current state legal provisions are stipulated by this Directive. Both direct and indirect discrimination are covered. As per Article 2(3), direct discrimination is also harassment, which violates the dignity of the person and creates a degrading environment. An instruction to discriminate is, as per Article 2(4), also banned. In Article 3(2) it is specified that the Directive does not cover difference of treatment based on nationality. But if the discrimination is based on a criterion that, with a characteristic, which “is necessarily connected and inextricably linked” to membership of a country, this is seen as direct discrimination. In 2008, the Council approved a Fr amework Decision on R acism and Xenophobia (Fr amework Decision 2008/913/JHAI 33). This requires the harmonisation of all legal and administrative provisions for acts of punishment with a racist or xenophobic background in all Member States. The two last cited legal acts are part of the whole European legal framework. Their provisions are binding for the Member State – in this case French – authorities in the formulation of their policy when they decide on measures for their internal security. They are to be directly directed at France as a Member State and must be respected by France and any other Member State. According to Article 24 of the Charter, the best interest of the child must be an overriding consideration for all measures that concern children34. Article 8 of the Charter guarantees the protection of personal data for eve33 Council Framework Decision 2008/913/JHA of 28 November 2008 on combating certain forms and expressions of racism and xenophobia by means of criminal law, OJ L 328, 6.12.2008, pp. 55–58. 34 The importance of this aspect was also raised through questions from the MPs of the German federal parliament to the German federal government  : Answer of the German government to the inquiry of MPs Ulla Jelpke, Jan Korte, Jan van Aken, further MPs and the DIE LINKE parliamentary group – Drucksache 17/3018 – http  ://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/ 17/032/1703288.pdf, Question 10, (7.1.2011).



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ryone. This right is explicitly regulated in Directive 95/46/EC on the protection of individuals with regard to the processing of personal data and on the free movement of such data (Data Protection Directive 35 ). Article 7 Data Protection Directive details the preconditions for the processing of personal data. The person concerned must give their consent (Article 7 lit a Data Protection Directive) and the processing, out of which “racist and ethnic origin” emerges, is banned (Article 8(1) Data Protection Directive). According to this legal background, measures of national authorities are only in line with EU law if  : • They target all Union citizens in the same way in similar situations and not individual citizens on the basis of race, colour of skin, ethnic and social origin, their belonging to a national minority or for belonging to a country. • The wellbeing of Roma children was an overriding consideration in the implementation of the measures. • Personal data, which were inserted into the OSCAR database are only used for the specific purpose of the prevention of fraudulent double counting and not used for other purposes that were not mentioned. Initially, the European Commission decided to act against France only for non-transposition of the Free Movement Directive. It announced that it would make a formal request in an official letter if it did not have an outline of measures and a precise schedule for the transposition of the Freedom of Movement Directive into national law by 15 October 2010. The written request would then be sent in the context of the Treaty infringement procedure. With regard to the allegation of discrimination, the Commission asked only for additional information. By 15 October, France did present the requested legal drafts and a schedule for the transposition of the Free Movement Directive. The Commission has therefore forgone an infringement procedure against France and did not send the prepared letter of formal notice.

35 Directive 95/46/EC of the European Parliament and of the Council of 24 October 1995 on the protection of individuals with regard to the processing of personal data and on the free movement of such data, OJ L 281 of 23.11.1995, pp. 31–50.

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III. Main EU Initiatives to Improve the Situation of the Roma36 The social and economic integration of the Roma is one of the EU’s priorities. That is why, for a decade, the European institutions have been regularly calling for intensified measures from the Member States to improve the situation of the Roma. Policy tools

In this spirit, a European Platform for Roma Inclusion was established in 2009. This is supposed to serve for exchanges of experience of successful integration strategies between EU countries, the European institutions, international organisations as well as representatives of Roma civil society. The meetings of the platform (two per year) are arranged and led by the Member State that holds the Council Presidency at that time. At the first meeting, on 24 April 2009, in the framework of the Czech EU Presidency, 10 Common Basic Principles on Roma inclusion 37 were drafted. These are supposed to be helpful for the various players in the development of strategies and measures. Exchange of information and further development of appropriate measures are made at the Roma Summits , which take place every two years and are organised by the European Commission. The first European summit for the integration of the Roma took place in Brussels on 16 September 2008 and the second one in Córdoba (Spain) on 8 and 9 April 2010. In order to improve the social and material situation of the Roma, the European Commission also set up a Roma Task Force on 7 September 36 European Commission, MEMO/10/383, Roma people living in the EU  : Frequently asked questions  ; European Commission, IP/10/589, EU adopts new measures to improve housing conditions of Roma communities  ; European Commission, DG Employment, Social and Integration, European Platform for the Integration of Roma, http   : //ec.europa.eu/social/ main.jsp  ?catId=761&langId=en (7.1.2011)  ; European Commission, Call for the submission of proposals – European Commission – DG REGIO Pilot project “Europe-wide co-ordination of the process of integrating the Roma“ – Integration of the Roma, (2009/C 171/08)  ; COM (2011) 173/, op.cit  ; European Commission, DG Employment, Social Affairs and Inclusion, Commission calls on EU countries to set national strategies for Roma integration, http  ://ec.europa.eu/social/main.jsp  ?langI d=en&catId=89&newsId=1011&furtherNews=yes (5.4.2011). 37 European Commission, DG Employment, Social Affairs and Inclusion, http  ://ec.europa.eu/ social/main.jsp  ?catId=761&langId=en (7.1.2011).



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2010, which is supposed to analyse the use of EU funds by the Member States for the economic and social integration of the Roma. The Task Force published its first results on 21 December 2010. These indicate that the EU funds admittedly afford considerable possibilities to press on with Roma integration but their effectiveness is limited by bottlenecks at national, regional and local level. There is a problem with regard to the development of adequate strategies and targeted measures and the administrative capacity to make use of the EU funds. It is not the task of the European Commission to propose projects. The Member States must develop these themselves. The Task Force will now identify possibilities for a more effective use of EU funds. The results of this analysis flew into the EU Fr amework for National Roma Integr ation Str ategies up to 2020, which was proposed by the European Commission on 5 April 2011, adopted by the Council in May 2011 and endorsed by the European Council of 24 June 2011. This EU Framework calls on Member States to develop their own Roma integration strategy (based on the individual size and situation of the Roma population in each respective country) and presents therefore a guideline for national Roma policies in four priority areas – access to education, employment, healthcare, housing and essential services (such as water, electricity and gas). Member States are requested to align their national strategies with the approach of the EU Framework by keeping in mind the Common Basic Principles on Roma Inclusion. National contact points should be appointed and be in charge of the coordination and the development of the national strategy. The EU’s Fundamental Rights Agency will in cooperation with other relevant bodies collect the social data needed in order to assess the results which will be annually reported to the European Parliament and the Council. The Member States have until the end of the year to present their programmes38. On the one hand, NGOs working with Roma communities welcome the European Commission’s initiative and underline its positive points such as its symbolic significance, the attempt to make Member States’ national policies more focused on Roma integration, making the EU’s role clearer, underlining the Roma problems and making them a key priority for the EU. But on the other hand, critics have voiced concerns that the Framework document is too brief and vague, and is failing to specify anti-discrimination or anti-Gypsyism measures or to deal with violence against Roma and

38 COM (2011) 173/4, op.cit.

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woman empowerment issues39. As MEP Lívia Járóka (EPP, HU) said “The document is of course not flawless and could be much bolder in many ways but it is a considerable step in the right direction”. The real value of this Framework cannot be analysed as it has not been implemented yet and as a real improvement in regard to Roma integration strongly depends on the political will of every single Member State. The European Council adopted the strategy at its meeting on 24 June 2011. In order to strengthen also the coordination between the measures of the Member States, the European Commission has sent all Member States a catalogue of questions regarding Roma integration. 21 of the 27 Member States have cooperated with this plan. No answer was received from Austria, Cyprus, Denmark, France, Portugal and the United Kingdom. On 7 April 2010, the European Commission published a communication 40 in which concrete proposals for more effective policy measures to improve the situation of the Roma are listed. This communication is the first political position paper specially dedicated to the Roma. Also to be mentioned is the European Union Agency for Fundamental Rights, which was set up by a Council Regulation of 15 February 200741 with its seat in Vienna. Since 1 March 2007, it has been continuing, inter alia, with the work of its forerunner, the European Monitoring Centre for Racism and Xenophobia. The agency is supposed to support the Community bodies and Member States and provide them with expertise with regard to fundamental rights when they exercise Community law. The European Parliament adopts resolutions, which deal with the Roma, such as for example the resolution on the situation of the Roma in the EU42 and the resolution on the situation of Roma women in the EU43. These resolutions are admittedly not legally binding but are politically binding. 39 Laco Oravec from the Milan Šimečka Foundation in an interview for the Slovak Spectator, http  ://spectator.sme.sk/articles/view/42325/2/european_commission_prods (18.4.2011). 40 COM (2010) 133, Communication from the Commission to the Council, the European Parliament, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions, The social and economic integration of the Roma in Europe. 41 Regulation (EC) No. 168/2007 of the Council of 15 February 2007 on the establishment of an Agency of the European Union for Fundamental Rights, OJ No. L53 S.1. 42 European Parliament resolution on the situation of the Roma in the European Union, OJ No. 045E of 23.2.2006, pp. 0129–0133. 43 European Parliament resolution on the situation of the Roma women in the European Union (2005/2164(INI)), OJ C 298E of 8.12.2006, pp. 283–287.



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Financial tools

The EU Framework for National Roma Integration Strategies up to 2020 also suggests methods to maximize the use of existing EU-funds for Roma integration. Currently 26,5 billion euros are, through the Structural Funds and the European Agricultural Fund for Rural Development (EAFRD), at the Member States’ disposal for social inclusion targets, but the existing budget is underspent. For a more efficient use, the national programmes financed by EU-funds have to be amended. The European Commission plans to install a monitoring mechanism in order to evaluate the results in each Member State. In the framework of the EU structural funds, the European institutions have made considerable funds available for the integration of the Roma. The two relevant funds for the Roma are the European Social Fund (ESF) and the European Regional Development Fund (ERFD). According to Article 175 TFEU these funds are supposed to contribute to a strengthening of economic and social solidarity. 12 of the 27 Member States (Bulgaria, the Czech Republic, Spain, Finland, Greece, Hungary, Ireland, Italy, Poland, Romania, Slovenia and Slovakia) have support programmes which run to 17.5 billion euros (including 13.3 billion euros from the ESF). After a proposal by the European Commission, certain rules for the use of ERFD resources were simplified so that marginalised groups of populations can improve their living situations. In addition, the EAFRD was used by some Member States for Roma integration projects. Concerning the 3.8 million Roma in the Western Balkans and Turkey, the EU will provide help in the framework of the enlargement process, notably through the Instrument for Pre-Accession Assistance (IPA) 44. In the framework of the Pan European Coordination of Roma Integr ation Methods pilot project, which was initiated by the European Parliament, the European Commission (DG REGIO) has called for

44 COM (2011) 173/4, Communication from the Commission to the European Parliament, The Council, The European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions, An EU Framework for National Roma Integration Strategies up to 2020, pp. 5–7  ; European Commission, Directorate General Employment and Social, Unit D3, op.cit., pp. 17–30  ; COM (2009) 567, Communication from the Commission to the European Parliament, The Council, The European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions, Solidarity in health  : Reducing health Inequalities in the EU, p. 3.

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the submission of proposals on three independent subjects (early childcare, education  ; self-employment through micro-credit  ; information and raising awareness). Hence three grant agreements totalling 5 million euros were signed in June 2010 and will run until 201245. In many Member States, the European Commission has organised high level events bringing together political decision makers, stakeholders and representatives of Roma communities in order to increase awareness of the different possibilities for projects in the framework of the structural funds.

Closing Words The course of action of the French government and the unprecedented reactions to that have at least still further directed general attention to the poverty and discrimination of the Roma and let Roma integration policy become a priority on the political agenda. As guardian of the Treaties, it was naturally the European Commission’s task to carry out a legal analysis of the French government’s measures. Since its analysis showed incompatibility with EU law, the European Commission had no other choice than to demand the French government to comply. It might be regretted that only additional information was called for with regard to the allegation of discrimination. This lets the question emerge as to whether this is sufficient as a measure of deterrence for Member States. But it became clear that the social and economic challenges both in the Member State of origin as well as in the host Member State are wide-ranging and that the social marginalisation of the Roma must be fought with still more effective means and measures. As the key areas of education, housing, health and access to the labour market are competences of the Member States, the latter bear special responsibility. But for real improvement, the national, local and regional authorities, civil society and European institutions all need to work together. One should also bear in mind that integration strategies and help programmes should not be directed only to help the Roma, but also generally favour economic and social development in the two least developed Member States – Bulgaria and Romania. The Roma who have settled there see, 45 The three chosen projects are managed by Roma Education Fund, Polgár Alapítvány az Esélyekért and SPOLU International Foundation.



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because of the prevailing poverty in their country, no other option but to leave it in the hope of finding better economic conditions in other Member States. Fuelled by the same problems and hopes, the Bulgarians and Romanians have been doing this for a long time already, but the Roma are additionally exposed to considerable racism in their home country. If the fight against the widespread discrimination and deep prejudices of Europe towards its biggest ethnic minority is not conducted simultaneously, with the integration of the Western Balkans, all the efforts for Roma integration will probably be accompanied by still more crises and might turn into an even larger problem for the EU. A bigger responsibility is expected from the European Commission, but this crisis situation has shown that the problem can only be solved with the joint responsibility of the European institutions and the individual Member States. By putting forward the European Framework for National Roma Integration Strategies, the European Commission is affirming its guiding role by coordinating, monitoring and evaluating national Roma policies. But by doing so it is not freeing Member States from their primary responsibility. The EU’s essential added value is the enforcement of EU-law in this field, the sanctioning of violations – which should be done more rigorously than so far – and the provision of adequate funds and the facilitation of their use. The plight of the Roma is a general European problem that requires a general European solution. It is crucial that the Roma are involved in this process because a Roma policy without the cooperation of the Roma is not achievable.

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Martin Kulhanek

Digitale Medien und Nachhaltigkeit

Gesellschaftliche Nachhaltigkeit im Bereich der Kommunikation bedeutet für mich als Mitgestalter und Mitentwickler von modernen Kommunika­ tionsplattformen vor allem Folgendes  : 1. Ein Verantwortungsbewusstsein aufseiten der Konsumenten bzw. User bezüglich Oversharing und massivem Datenexhibitionismus zu wecken. Wichtige Schritte wären hier Aufklärungskampagnen und Schulfächer wie „Internet und Medien“. „Oversharing“ beschreibt als Fachwort im Bereich der neuen Medien die übertriebene Freizügigkeit einzelner User, Informationen über sich und andere ungewollt und oder gewollt massiv zu verbreiten. Oversharing fällt oft im Zusammenhang mit der Plattform Facebook. Dabei muss man zwischen Nonsense-Exhibitionismus („Guten Morgen Facebook J“) und zukunftsgefährdendem Exhibitionismus (politische Statements, Fotos von exzessivem Alkoholkonsum, Äußerungen über den Arbeitgeber etc.) unterscheiden. Naturgemäß ist Zweiteres ein weit größeres Problem. 2. Soziale Plattformen und digitale Kommunikationsinstrumente (Facebook, Google Plus, Netlog, Myspace, Blog und andere Internetportale wie z. B. Datingplattformen) so mitzugestalten und ihre Entwicklung auf eine Weise so mitzubestimmen, dass „fragwürdige Veröffentlichungen“ von Grund auf dezimiert werden. Bis es erste Ergebnisse aus diesen Bemühungen geben wird, werden vermutlich noch einige Jahre vergehen. Die Gesellschaft muss zuerst ihre eigene Webmoral entwickeln. Genauso wie in allen anderen Lebensbereichen müssen wir lernen zu verstehen, was angebracht ist und was nicht. Derzeit befinden wir uns in einer „Probierphase“  : Manche trauen sich gar nichts, manche haben bereits ein gutes Gefühl für ihre Veröffentlichungen, und andere wiederum haben überhaupt kein Gespür und machen alle nur erdenklichen Fehler. Aufgrund dieser Entwicklung wird sich die gesellschaftliche Kommunikation genauso einer vollständigen Veränderung unterziehen wie damals mit der Erfindung des Buchdrucks, des Telefons bzw. der E-Mail. Einziger Haken  : Heutzutage scheinen Entwicklungen komplizierter, bürokratischer und langsamer verarbeitet zu werden als jemals zuvor. Dass unsere unflexible

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Martin Kulhanek

und veraltete Rechtslage mit der Schnelllebigkeit des Internets nicht zusammenpassen würde, war schon vor Jahren bemerkt worden. Von der Politik wurde fürs Erste sicherheitshalber trotzdem nichts getan. Mittlerweile gibt es deswegen die größte Uneinigkeit über Rechtsgrundlagen wie Datenschutz, Urheberrecht und Markenrecht, die es je gegeben hat. Auf den nächsten Seiten möchte ich auf die Geschichte, die derzeitige Lage und folglich auf die Zukunftsaussichten in Bezug auf soziale Medien eingehen. Im Speziellen werde ich auf die Plattform Facebook und deren Konkurrenz eingehen.

Facebook Nicht mehr wegzudenken ist das kleine weiße „f “ auf dem blauen Viereck von Plakaten, Inseraten, Werbebannern und Onlinebotschaften der Werbetreibenden. Sätze wie „Werde Fan“, „Finde uns auf Facebook“ scheinen mittlerweile zu jeder Standardwerbung dazuzugehören. Kaum ein anderes Inst­ rument hat unsere Kommunikation so nachhaltig verändert wie Facebook. Es entspricht durchaus der Wahrheit, dass Facebook nicht das erste soziale Netzwerk war, jedoch war Facebook Inc. der erste Anbieter, der sein Angebot kontinuierlich verbesserte und an die Bedürfnisse der Gesellschaft mehr und mehr anpasste. Plattformen wie Myspace, StudiVZ und Netlog waren kurzfristig gesehen sehr nette Lösungen, scheiterten jedoch an der Schnelllebigkeit des Webs und verschwanden. Facebook deklarierte sich selbst frühzeitig als Technologiekonzern mit der Hauptaufgabe, seinen Usern die bestmöglichen und innovativsten Inst­ rumente für eine moderne Kommunikation bereitzustellen. Diese Strategie scheint sich bezahlt zu machen. Facebook steht mittlerweile klar und unangefochten an der Spitze der sozialen Netzwerke mit mehr als 800 Millionen Unique Usern. Unique User sind User, die sich im letzten Monat zumindest einmal auf Facebook eingeloggt haben. Interessant ist, dass 50 Prozent, also 400 Milionen User, sich täglich auf Facebook einloggen  !

Social Geography 213 der 740 Millionen Europäer sind auf Facebook (http  ://www.socialba kers.com/countries/continents), und Luft nach oben ist mehr als genug.



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In einzelnen Ländern dominieren noch lokale Netzwerke wie z. B. „Nasza Klasa“ in Polen mit 14,5 Millionen Usern. Vergleichsweise hat Facebook hier „nur“ 7 Millionen User. Damit hat Facebook in Ländern wie Polen mit einer Penetration von 18,5 % noch einiges an Potenzial, sollte sich die Gesellschaft für das modernere, internationalere Netzwerk entscheiden. Solche Länder mit einer Penetration von 15 bis 20 % nenne ich gerne Facebook-Schwellenländer. Charakterisiert sind sie durch eine sehr unklare Social-Media-Landschaft. Es gibt keine eindeutige Social-Media-Plattform, kurz  : Die User bzw. die Gesellschaft ist noch am Ausprobieren. Diese „Facebook-Schwellenländer“ haben häufig ihre Entscheidung zwischen „lokal“ und „international“ noch nicht getroffen. Vergleichbare Entwicklungen kann man auch bei den bekanntesten Social-Media-Plattformen für geschäftliches Networking beobachten  : Xing und LinkedIn. Das internationale LinkedIn mit Hauptsitz in Mountain, Kalifornien, umfasst mittlerweile 100 Millionen User weltweit. LinkedIn wurde 2003 gegründet, expandiert zunehmend und ist seit 2009 in deutscher Sprache verfügbar. Xing hingegen ist der lokale Anbieter im deutschsprachigen Raum. Erst vor Kurzem hat LinkedIn ein Büro in Deutschland eröffnet und macht damit dem lokalen Konkurrenten Xing ordentlich Druck. Die weiteren Entwicklungen im Zusammenhang mit lokalen und internationalen Anbietern bleiben also im Zuge der stetigen Globalisierung weiterhin spannend. Österreich kann man durchaus als „Facebook-Industriestaat“ bezeichnen. Eigene lokale Netzwerke gab es kaum. Früh etablierte sich Facebook und wurde Monopolmacht. Nahezu jeder dritte Österreicher ist mittlerweile auf Facebook (2,6 Millionen User). Beobachtet man zusätzlich die allgemeine Demografie auf Facebook, speziell den Anteil der über 34-Jährigen, erkennt man, dass diese nur 28 Prozent der Facebook-User ausmachen. Abschließend kann man schlussfolgern, dass in der Altersverteilung der meisten Länder ein enormes Potenzial steckt. Zwei Faktoren spielen hier eine Rolle  : Einerseits interessieren sich immer mehr dieser älteren Personen für soziale Netzwerke und andererseits bringt der Lauf der Zeit mehr und mehr User auf den Markt, für die das Web eine Selbstverständlichkeit ist.

Unternehmen auf Facebook Wo Menschen sind, sind auch Produkte und Unternehmen. Die Einbindung von Social Media in den Marketing Mix ist mittlerweile sogar bei den kleins-

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Martin Kulhanek

ten Unternehmen angekommen. Leider wissen die wenigsten, wie die Umsetzungsphase auszusehen hat. Natürlich kann man Social Media einfach als weiteren Kanal betrachten, den man ordentlich und brav bespielen muss. Leider ist es immer noch der gängige Fehler aller Social-Media-Beginner, Facebook-Unternehmensprofile genau so zu befüllen wie die Website oder andere klassische Kanäle. Einige wenige haben frühzeitig bemerkt, dass in Social Media eine andere Kommunikation notwendig ist. Diese Ausnahmeunternehmen generierten in kürzester Zeit riesige Communities. Starbucks hat mittlerweile 26 und Victoria’s Secret 16 Millionen Fans. Für manche mögen das nur leere Zahlen sein, deswegen scheint die Frage auf der Hand zu liegen  : Was bedeutet eigentlich Fan zu sein konkret  ? Versteht man nämlich den Hintergrund des Fan-Seins, versteht man auch, welche Macht die Unternehmen mit dieser Masse an Menschen haben. Doch eins nach dem anderen. Zuallererst muss man festhalten, dass Facebook nicht mehr von „Fans“ spricht und auch die Funktion „werde Fan“ im Facebooksortiment eigentlich gar nicht mehr auftaucht. Die korrekte Bezeichnung für eine Fanseite ist jetzt Facebook-Unternehmensseite bzw. Facebook-Gemeinschaftsseite. Der „Werde Fan“-Button wurde zum allgemeinen „Like“-Button. Seit dieser Veränderung kann man an Unternehmen, Marken und prominente Personen nur noch ein „Gefällt mir“ vergeben. Der Hintergrund ist ein psychologischer  : Facebook beobachtete, dass die User wesentlich lieber den Facebook „Like“Button anklickten als den „Ich werde Fan“-Button. Einleuchtend, denn die Reizschwelle, jemandem ein „Gefällt mir“ zu geben, ist wesentlich niedriger, als sich mit einem Klick als Fan zu deklarieren. Wir wissen nun, dass es sich bei den besagten Facebookseiten von Starbucks und Victoria’s Secret um Facebook-Unternehmensprofile handelt und dass 26 bzw. 16 Millionen Menschen weltweit diesen Marken ein „Gefällt mir“ gegeben haben. Was passiert nun eigentlich, nachdem diese User „Gefällt mir“ geklickt haben  ? Endet hier der ganze Social-Media-Zirkus  ? Selbstverständlich nicht. Gerade dann beginnt das Abenteuer für alle Social-Media-Verantwortlichen in den Unternehmen. Mit dem „Gefällt mir“ gibt der User dem Unternehmen die Erlaubnis, ihn täglich und zu jeder Zeit zu benachrichtigen bzw. über Werbebotschaften, Aktionen und Gewinnspiele zu informieren. Diese Tatsache klingt nun fürs Erste etwas utopisch, in Wahrheit haben die User nämlich viele Möglichkeiten, diese Werbebotschaften zu blockieren und stark zu selektieren, sollten sich Unternehmen im Social Web danebenbe-



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nehmen. Womit wir hier wieder beim Thema Social-Media-Feingefühl wären. Auch Unternehmen müssen ein Gefühl dafür entwickeln, wie oft ihre Zielgruppe eigentlich wirklich etwas über die Marke oder das Produkt lesen will. Die enormen „Gefällt mir“-Zahlen dieser einzelnen Unternehmen bewegten viele Kunden, viele User, Unternehmen und Agenturen zu der Annahme, dass hohe Fanzahlen etwas besonders Positives seien. Damit begann auch schon die Ära der Fake-Profile (Profile, hinter denen keine realen Personen stehen) und Like-Käufe (Einkauf von Profilen, die in der Folge eine gewisse Seite liken – siehe auch  : Faymann-Facebook-Skandal). Reine Like-Zahlen wurden als Ziel formuliert. Profile wurden fingiert, Freunde eingekauft und die Quantität der „Freunde“ einer Unternehmensseite in den Vordergrund gestellt. Gegen Ende 2011 veröffentlichte Facebook mit dem Wert „Sprachen darüber“ direkt unter dem „Gefällt mir“ die erste Zahl, die die Interaktion der User darstellen soll. Sprich, haben wir echte Markeninteressierte auf der Page, die sich tatsächlich mit der Marke und mit den Produkten auseinandersetzen, oder sind es nur lauter desinteressierte Schmarotzer  ? Mit der prominenten Positionierung dieses Wertes will auch Facebook den Nutzern sagen, dass die derzeitige Entwicklung nicht nachhaltig sein kann. Ein Umdenken findet bereits statt, und eine weitere Professionalisierung ist zu erkennnen. Doch wird es noch einige Zeit dauern, bis die Unternehmen und Marken das Potenzial von Facebook erkennen.

Google – allwissend und trotzdem nicht perfekt Google war sich vor dem Facebook-Hype seiner Position im Web sehr ­sicher. 2006 kaufte Google sogar die größte Videoplattform Youtube auf. Auf Youtube werden Videos, Clips und Filmausschnitte hochgeladen, veröffentlicht, geteilt und bewertet. Pro Tag werden so 100 Millionen Clips angesehen, und laut dem Unternehmen Ellacoya Networks ist Youtube verantwortlich für zehn Prozent des gesamten Internet-Datenverkehrs  ! In den letzten Jahren wurde Google jedoch klar, dass sie Social Media nicht hätten unterschätzen dürfen. Laut einer Erhebung der Marktforschungsfirma Comscore verbringen User mittlerweile circa 16 % ihrer Online-Zeit auf Facebook und nur 12 % auf Google (Youtube und Google Plus bereits inbegriffen). Bleiben die User aus, kann Google seine Werbung nicht

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Martin Kulhanek

verkaufen. Deswegen ist es Google mittlerweile ein großes Anliegen, sich am Social-Media-Markt zu beteiligen. Mit dem sozialen Netzwerk Google Plus unternimmt Google den zweiten Versuch, die Alleinherrschaft von Facebook zu beenden. Bereits im Jahr 2010 versuchte Google, mit dem sozialen Netzwerk Google Buzz in die SocialMedia-Landschaft einzusteigen, scheiterte jedoch und schloss die Plattform 2011 unter dem Vorwand, sich nun voll auf Google Plus konzentrieren zu wollen. Mit einem gewaltigen Medienhype startete Mitte 2011 Google sein neues soziales Netzwerk Google Plus. Slogans wie „Der neue Facebook-Killer“ waren wochenlang in den Printmedien zu lesen. Mit Profilen von prominenten Persönlichkeiten wie Paris Hilton wurde alles Erdenkliche getan, um Google Plus in den Schlagzeilen zu halten. Mit der „streng geheimen“ Beta-Phase, in der man nur über Kontakte zu Google Plus hinzugefügt werden konnte, versuchte Google das Interesse noch weiter zu maximieren. Zu Beginn funktionierte diese Art der Vermarktung auch sehr gut. Google konnte in kürzester Zeit enorme Zugewinne aufweisen und rühmte sich damit, „das am schnellsten wachsende soziale Netzwerk der Geschichte“ zu sein. Nicht dazugesagt wurde jedoch, dass sich viele User nur ein einziges Mal auf Google Plus eingeloggt haben und dann nie wieder kamen. Außerdem wurde vergessen, die weitere Entwicklung – unter anderem die Entwicklung der Unternehmensseiten – rascher voranzutreiben. Fünf Monate nach der Veröffentlichung von Google Plus hatte das Netzwerk 40 Millionen Mitglieder. Eine grobe Abwanderung von FacebookUsern zu Google Plus ist und war nie zu erkennen. Ob sich Google Plus zumindest in gewissen Gruppen durchsetzen wird oder ob die Plattform wie der Vorgänger ein komplettes Desaster wird, wird sich bald zeigen.

Eine neue Ebene – Mobile Mobile bezeichnet in diesem Zusammenhang die Internetnutzung auf einem mobilen Endgerät (Smartphone, Tablet). Es gibt bereits zahlreiche Statistiken, die auch für einen Laien deutlich zu interpretieren sind. - Mobile ist auf dem Vormarsch und wird in kurzer Zeit mindestens genauso wichtig sein wie die Internetnutzung von lokalen Standcomputern aus. Viele werden sich jetzt fragen, wieso gerade das so interessant ist. Nun man darf Folgendes nicht vergessen: das Interconnected Network (Internet)



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und dessen Darstellung wurde, von seiner Basisbewegung an bis vor kurzem, ausschließlich für große Displays entwickelt. Heute kommen Geräte auf den Markt, die das Internetsurfen auf 3,5 Zoll ermöglichen. Hier ist unbewusst eine Spaltung des Internet passiert. Eine Spaltung, die das Internet grundlegen verändert hat. Wie schwer es Unternehmen haben, sich in dieser neuen Ebene zu etablieren und zurechtzukommen, zeigt auch hier wieder Facebook: Mehr als die Hälfte der Facebookuser verwendet Facebook mittlerweile vom Smartphone aus (450 Millionen Menschen weltweit!), eine Implementierung der Facebook Ads (Werbeinschaltungen auf Facebook, die immerhin für den Großteil des Umsatzes verantwortlich sind) gibt es bis heute nicht. Und das bestimmt nicht, weil Facebook nichts verdienen will. Auch Facebook, einem Weltkonzern, fällt es schwer, diese „Ebene“ strategisch und klug zu betreten.

Eine Dritte, Vierte und Fünfte Dimension? Worauf dürfen wir uns die nächsten Jahre freuen? Es ist grundsätzlich auszuschließen, dass es bei diesen zwei Ebenen verbleiben wird. Entwicklungen im Internet hatten bis dato immer einen kontinuierlichen bis exponentiellen Charakter. Auch in diesem Fall empfehle ich vor allem Unternehmen, die vom Internet leben, dass sie sich auf diesen Grundcharakter des Internets einstellen sollten. An dieser Stelle darf ich auf die „Smartbrille“ Google Project Glasses verweisen oder auf ein Patent von Apple, das einen Datenhelm mit stereoskopischer Funktion beschreibt! Die Zukunft bleibt spannend.

Jared Butler

Let’s Not Be a Euthyphro  : Philosophical Approaches to Sustainable Culture

Within a milieu of writings from talented economists, scientists and politicians, the perspective whence this essay arises may, at a quick glance, seem out of place. This in fact struck me as I prepared my thoughts for a philosophical take on sustainability culture for this compilation. For philosophy, perhaps particularly in the United States, is a discipline as misunderstood as it is undervalued. Thus, the objectives of the present discussion shall be to define as best we can what we mean by philosophy and to apply this understanding to the challenges posed by communicating sustainability and sustainable culture at large. I will explain that philosophy does not merely contribute methods of clarification or logical analysis to the dialogues concerned with sustainability, but identifies a lifestyle of self-examination and critique that supports a sustainable culture.

Evading self-deception  : Platonic irony and philosophy’s objectives Philosophy is (or owing to its history, has become) a theoretical discipline. Of late, fashionable intellectual trends such as bio- and business ethics purport to be “applied” philosophy, but these are more accurately described as parts of the medical and business fields or professions, rather than philosophy itself. There thus might be some content to the stereotyped image of the academic philosopher perched in his ivory tower. But any philosopher—despite fundamentally different beliefs, aims, preconceptions and methodologies—when building his system of self-consistent concepts is after a particular way of life. Common to the distinct philosophical systems of history are rigorous consistency, self-criticism and evasion of self-deception. These trends of conceptually consistent, self-critical systems wary of selfdeception date to the foundations of Western philosophy in the Dialogues of Plato. (For as Alfred North Whitehead said, all philosophy is a series of footnotes to Plato.) In Plato’s Euthyphro, an early dialogue concerned with

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Jared Butler

definitions of piety, Socrates engages the title character, who has just testified against his father in a case of murder. Euthyphro professes that his actions are founded on his own enlightened knowledge of piety. Ever the gadfly, Socrates, himself about to respond to charges of impiety brought against him by a few Athenians, queries Euthyphro on the matter. Socrates ironically requests that Euthyphro take him on as a student as he continually spins the arrogant man into dialectical circles. At each interval, a definition of piety is rendered incomplete or inadequate, and a new definition is hypothesized only to meet the same fate. Plato’s characterization of Euthyphro generates the dialogue’s thick irony  ; throughout, he is conceited to the point of utter ignorance of his interlocutor’s ridicule. Remarkably self-assured, Euthyphro is vilely riddled in the mire of self-deception. With no firm definition of piety, the dialogue ends in aporia—an impasse or state of puzzlement—and Euthyphro, weary of Socrates’ inquiry, hurries away to mind his affairs. Now, it is not the case that the “moral” of the story is to eschew Euthyphro’s ignorance of logical rigor  ; although even the simplest of readings can deduce that Socrates is indeed after a consistent understanding of what piety is. For it is not armed with the consistency of an abstract logic alone that we embark on the path towards an examined life (the pursuit of which is the Socratic objective). Not solely concerned with rigorous argumentation, “[philosophy],” wrote Alexander Nehamas, “is a whole way of life, even if, as I believe, it does not dictate a single manner of living that all should follow” (Nehamas, 1998, p. 43). Philosophers are then, admittedly, concerned with perfecting their language, that of logical argumentation. But primarily, philosophy is concerned with self-criticism and the constant struggle against self-deception. Too often are we lulled by excuses, self-assurance and false securities, and too easily do we fall into habits of going about our business. It is precisely these habits of experience that are to be ruptured if we are to engage life authentically. Thus in the next section, we shall investigate the philosophical oeuvre, the aesthetic theory in particular, of a single contemporary philosopher relevant to the present discussion.

Gilles Deleuze and the aesthetic encounter French philosopher Gilles Deleuze (1925–1995) was among the most prominent thinkers of the second half of the last century. He commented on litera-



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ture, painting and cinema; wrote extensively on metaphysics and the philosophy of science; and provided several scholarly monographs on some of the most important figures in the history of Western philosophy (e.g. Spinoza, Leibniz, Hume, Kant, Nietzsche, Bergson and Foucault). His writings on rupturing habits of perception and the aesthetic encounter are of particular interest here. We shall glimpse the intersections of philosophy, art and science, and their roles in the communication of a sustainable lifestyle shall be made clear. For Deleuze, we fall into habits of being that merely “reconfirm” the “world we inhabit” and “that which we already understood our world and ourselves to be” (O’Sullivan, 2006, p. 1). The aesthetic encounter ruptures these habits  ; for Deleuze, this encounter is vital to the construction of a creative subjectivity from a prior chaos. “[The] task of art,” in Deleuzean thought, “is to produce ‘signs’ that will push us out of our habits of perception into” these “conditions of creation”(Smith and Protevi, 2008, sec. 5). This view of art excludes art as (merely) an object of knowledge  : the true artwork “harbours within it an excess, a rapture, a potential of associations that overflows all the determinations of its ‘reception’ and ‘production’” (O’Sullivan, 2006, p. 40). A view of the artwork as (only) an object of culture or knowledge misses the most important and the most efficacious features of the experience of art. True art is essentially “antithetical to knowledge, if by knowledge we understood the accretion of information about ‘reality’ as we typically experience it” (O’Sullivan, 2006, p. 40). Aforementioned, Deleuze’s opus features several monographic studies of historically significant philosophers. Among these, the early modern philosopher Baruch Spinoza (1632–1677) influenced Deleuze’s ethical estimation of affect. For Deleuze, one is compelled to organize “one’s world so as to produce joyful encounters, or affects which are of the ‘joy-increasing type’, those which increase our capacity to act in the world” (O’Sullivan, 2006, p. 42). Glossing Spinoza, Deleuze argues that “Nature is a multiplicity of perfectly individuated multiplicities. The plane of consistency of Nature is like an immense Abstract Machine, abstract yet real and individual  ; its pieces are the various assemblages and individuals, each of which groups together an infinity of particles entering into an infinity of more or less interconnected relations” (Deleuze and Guattari, 1987, p. 254). We thus must understand a complex interconnection of multiplicities, relations that, albeit abstract, are quite real, immanent and precisely not transcendent. Interrelated and cooperative bodies come together in a “rhizomatic of friendship.” Rhizomatic, a

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Jared Butler

term borrowed from botany, here refers to the non-hierarchical, nomadic multiplicity of connections of information, culture and knowledge. Like the root systems of grass, any point can and will connect to another as intermediaries with no main root or trunk. Ethics, in the Deleuzo-Spinozan sense, “ultimately produces an understanding of one’s self and the world – and in fact a certain overcoming of one’s separation from the world” (O’Sullivan, 2005, p. 271). In overcoming our separation from the world, we “become animal” in Deleuze’s terminology. We become aware of our fundamental and indissoluble connection to Nature and the whole of humanity, of our concurrent evolution alongside and within the natural world, and of the mutual needs and interests that constitute the complex web of being on this planet. Obstructing these transformations is precisely habit  : our normal ways of going about our lives, our voluntary ignorance of and separation from the interconnected multiplicity of Nature. Above, we have sketched a philosopher’s theory of art and life in which the aesthetic encounter plays a vital role in disrupting these trivial patterns of existence. Let us now take the time to consider artists and artworks that concretely demonstrate this theory.

Environmental art, the encounter and communicating sustainability Adrian Parr’s Hijacking Sustainability (2009) is an elucidation of the status, goals, and problems of sustainability culture (specifically the status and problems of sustainability relative to commodification within a capitalist landscape). Her conclusions, informed as the rest of the book is by Deleuze’s body of work, focus on the role aesthetics plays in contemporary approaches and public reactions to collapsing global ecosystems. Arguing that a genuine aesthetic encounter can provocatively challenge the arrogance and apathy of a face turned away from the responsibilities demanded by the present day, she highlights the work of artists Spencer Tunick and Jean-Claude Didier. American artist Spencer Tunick has been known for documenting the nude figure in public for the last twenty years. En masse, the figures in his video and photographic work number into the hundreds and, losing their individual shape, emerge as an abstract extension of the landscape with which they interact. In August 2007, he photographed 600 nude bodies at the retreating Aletsch glacier in Switzerland as part of a Greenpeace campaign.



Let’s Not Be a Euthyphro  : Philosophical Approaches to Sustainable Culture

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Describing Tunick’s work, Parr’s rhetorical use of scientific data is key to her salient argument. She begins her section on Tunick with a bevy of statistics, which scientifically describe the collapsing glacial landscape. She then describes Tunick’s photographs in order to demonstrate their efficacy in communicating a specific feeling or reaction to an environmental crisis in a way that statistical data cannot. Tunick’s installation and photographs of human bodies, their nudity an image par excellence of vulnerability, intimately connect the fragility of the human body to the fragility of the natural ecosystem. He relates the limp clump of impotent, lifeless bodies to the comparably impotent, lifeless earth, the two posed together on the brink of extinction (Parr, 2009, p. 163). More poignantly on the other hand, through another analytical lens, we have before us an image of the utmost literality. We see an image of 600 human bodies, each a furnace of roughly 98.6 degrees Fahrenheit or 37 degrees Celsius, collectively burning through the thick repository of ancient glacial ice. The present human body, rather than removed from the scene behind the wheel of an SUV, is listlessly, lethargically villainous  ; the very presence of human homeostasis is destructive, even at rest—the heat of exhalation and temperature regulation carving away at Nature. A more literal image of the negative effects of human presence is difficult to conjure. The reaction we have to this image transcends the numerical, statistical information that describes it. Images confront us, and somewhere between the retina and the occipital cortex find the pathway to our hearts and souls. Tunick thus engages the indifference and apathy of the present generation, and challenges the materialism and consumerism of our modern lifestyle in a manner more broadly efficacious than scientific data. The work of French artist Jean-Claude Didier similarly confronts the intertwined and oppositional potentiality of death for human life and the natural world. His installation Trapped Inside (2006) in Gigiri, Kenya features the endangered African Greenheart tree on life support, kept alive in an atmosphere controlled transparent structure. Normally, intensive care units are reserved for humans  ; we are accustomed to seeing human life given the privilege and effort of measures such as life support. These works accomplish something that scientific statistical data does not, and for that matter, accomplish something quite different than the marketing programs that emphasize a product’s sustainable merit, which Parr spends considerable time in her book to belittle. In sum, according to Parr, the universal language of art “[sustains] the provocative experience that arises when art encounters sci-

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Jared Butler

ence, and the language of science is mediated in opposition to the epicenter of global power  : U.S.-style capitalism and militarism” (Parr, 2009, p. 163). Hence, there is a powerful connection between art and science when each addresses a problem or constellation of problems in its own terms. Science’s grounding in reference, prediction and functional relationships naturally contribute to the awareness of humankind’s global impact, and this level of detail as well as the power of prediction are essential to our understanding of our place in and effects on the world. On the other hand, the “aesthetic grammar of culture” can translate or transliterate “the otherwise complex language of science”, distilling it into an “affective and potent vocabulary” (Parr, 2009, p. 163). In effect, art can deal with the problems of an invisible environmental science, and this is of obvious import to the project of promoting awareness down to the levels of end-users (precisely those for whom the complexities of scientific language render the discussion invisible). Making “visible a reality that is itself not visible,” the aesthetic encounter of this variety “germinates a sense of responsibility where previously there was apathy and lethargy at best” (Parr, 2009, p. 165). In addition to rendering visible the formerly invisible and conjuring this sense of responsibility, the juxtaposition between the human and the natural we witness in the images of Tunick and Didier introduces a host of vital questions we must ask ourselves as we consider what it means to actualize this responsibility. In other words, what does it mean to pursue a culture of sustainability  ? Whom do our objectives privilege  ? For whom are we working towards a sustainable way of life  ? Are we attempting to preserve the status quo, reducing and reusing and recycling in order to maintain the convenient and comfortable way of life we have enjoyed for the last century  ?

Returning to Euthyphro  : self-deception, fear and apathy These questions point to the problems of sustainable culture of the present day. For the general public, sustainability often means the simple preservation of the status quo rather than a radical departure from the consumption that marks the present way of life in industrialized nations. Further, climate change is a concept that, if not completely misunderstood, is understood superficially. The 2005 multidisciplinary study of climate change, sustainability and society, Sustainable Energy Consumption and Society, found that



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“public’s environmental knowledge and consciousness remain superficial, symptom-oriented, and divorced from a holistic understanding of the real ‘environment’ and its condition, and societal drivers for its decline” (Gold­ blatt, 2005, p. 81). Antiquated categories of understanding weakly grasp preservation and conservation, and do so mostly on the basis of human consumption. These models only vaguely appreciate the breadth of the potential impact of climate change on the natural world. Further, at least in the United States, certain contradictions between political beliefs and practices attest to the general public’s avoidance of direct individual action  ; “Americans,” the comprehensive set of studies found, “despite common rhetoric deprecating ‘big government,’ leave the main work in confronting energy-related environmental problems to their government or governmental guidance, and seem to trust in its ability to solve them” (2005, pp. 98–99). The sort of difference-making change we need is not something that will happen in the abstract superstructure of socio-political culture, for the society begins with the individual and the politic begins with the body. We have spent considerable time above discussing theoretical formulations of habits and encounters that rupture these habits, but let us not forget whence our discussion originated—in the fourth century B.C.E. in the Athenian agora. We must recall that we are all Euthyphro at one time or another, in one manner or another. We must struggle against ourselves above all, and we must recall that, infallible and imperfect humans as we are, we never have the complete picture or absolutely correct answer. Collectively, we have a set of universal fears, and our basic response to these fears is to ignore them and return to a sense of comfort. Apathy is best described as nothing more than a fear to commit to what we have already identified as an arduous change in our patterns of behavior and lifestyle. We must catch up with ourselves, or better, we must catch up with the brilliant men and women of history who were so many leaps and bounds ahead of their respective periods. Indeed, the sort of adaptations we have to make in order to achieve a truly sustainable way of life have already been expounded by brilliant thinkers of the past (and present day). Innovation is unnecessary and even contrary to sustainability  ; what is needed is a bit of ingenuity and the courage to follow through with what we already have identified as viable solutions. Consider Buckminster Fuller (1895–1983), who described in detail what it would take to engineer a sustainable culture before such a notion was even a mainstream topic. Leaps and bounds ahead of his time, he was acutely aware of the planet’s finite resources and foretold that

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Jared Butler

the planet’s equilibrium was under extreme pressure. His ideas never caught on because of what they involved  : a heavily moderated, utilitarian lifestyle diametrically opposed to that which we see today. In sum then, we have seen that philosophical activity is often about taking an honest look at the parts of our experience that we normally sweep under the carpet. Such an approach is absolutely essential to a Twenty-first century approach to the challenges of producing a sustainable culture and to communicating sustainability. In communicating the objectives and goals of an authentic sustainable lifestyle, we must be sensitive  ; we must deploy the most effective modes of thought and media of communication available. This means utilizing philosophy, art and science non-hierarchically, as described above  : as channels by which we can inspire the sort of changes to individual lifestyles that have become necessary to our survival  ; we must augment worldviews and raise consciousnesses. In the last analysis, we must recall that the planet was entirely sustainable prior to our evolutionary arrival. To “become animal” shall mean to fulfill our roles within this extant sustainable network  ; to do otherwise, to acquiesce to fear and self-deception, will be our ruin. We must descend the ivory and gilded towers and act on our collective responsibility to bring the dialogue where it is needed, couched in terms comprehensible for diverse audiences” after the sentence that ends “raise consciousnesses” and before the sentence that begins with “In the last analysis.

References Deleuze, G., & Guattari, F. (1987). A Thousand Plateaus  : Capitalism and S ­ chizophrenia. (B. Massumi, trans.). Minneapolis, MN  : University of Minnesota Press (Original work published 1980). Deleuze, G., and Guattari, F. (1994). What is Philosophy  ?. (H. Tomlinson and G. Burchell, trans.). New York, NY  : Columbia University Press (Original work published 1991). Goldblatt, D. L. (2005). Sustainable Energy Consumption and Society  : Personal, Technological, or Social Change  ? Norwell, MA  : Springer. Nehamas, A. (1998). The Art of Living  : Socratic Reflections from Plato to Foucault. Berkeley and Los Angeles, CA  : University of California Press. O’Sullivan, S. (2005). “Subjectivity & Art” in The Deleuze Dictionary (A. Parr, ed.). New York, NY  : Columbia University Press. O’Sullivan, S. (2006). Art Encounters Deleuze and Guattari  : Thought Beyond Representation. New York, NY  : Palgrave MacMillian.



Let’s Not Be a Euthyphro  : Philosophical Approaches to Sustainable Culture

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Parr, A. (2009). Hijacking Sustainability. Cambridge, MA  : The MIT Press. Smith, D., and Protevi, J. (2008). “Gilles Deleuze”, The Stanford Encyclopedia of Phi­ lo­sophy.(E. Zalta, ed.). Retrieved April, 2011. http  ://plato.stanford.edu/archives/fall2008/entries/deleuze/

Anhang: Veranstaltungen der Sustainable Future Campaign, 2007–2012

Datum

Veranstaltung

Speaker

Ort

22. 3. 2007 Iran’s Nuclear Ambitions: U.S. and Europe confront a Common Challenge

US-Botschafter Gregory L. Schulte

Kruger’s Bar, Wien

26. 3. 2007 Sustainable Economy

Honorarkonsul Rudolf Roth

Café Blounge, Graz

29. 5. 2007 Nachhaltigkeit im Spannungsfeld Politik, Wirtschaft und Umwelt

Umweltminister Josef Pröll

Rechtsanwaltskanzlei Eustacchio & Schaar, Wien

14. 6. 2007 Amerika und seine Krisen – 9/11 und Katrina

Univ.Prof. Manfred Prisching

Café-Bar Orange, Graz

14. 6. 2007 Wirtschaft und Ökologie – Widerspruch oder Chance?

NRABg. Alexander Van der Bellen

Kruger’s Bar, Wien

10. 7. 2007 Nachhaltige Kommunalpolitik in einer Europaregion

Bürgermeister Siegfried Nagl

Aiola City, Graz

11. 9. 2007 Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung Stadtrat Detlev Eiselin Graz Eiselsberg 12. 12. 2007 Sustainable Industry – wie nachhaltig ist die steirische Industrie? 4. 3. 2008 The SME’s Contribution towards a Sustainable Future

Glöckl Bräu, Graz

IV-Präsident Jochen Pildner-Steinburg

Café Promenade, Graz

MdEP Paul Rübig

Europäisches Parlament, Brüssel

2. 4. 2008 What is Massachusetts doing about State Senator Marc Global Warming? Pacheco

Emerson College, Boston

21. 5. 2008 Maximizing Social Changes on a Global Scale

Rick Ulfik

UNO Hauptquartier, New York

27. 5. 2008 Sustainable Science?!

Wissenschaftsminister Johannes Hahn

Rechtsanwaltskanzlei Eustacchio & Schaar, Wien

17. 6. 2008 Sustainable Regional Economy

Bürgermeister Siegfried Nagl

Karl-Franzens-Universität, Graz

24. 6. 2008 Sustainable Environment and Energy

NRAbg. Eva Glawischnig

Nachhaltigkeitsberatung Denkstatt, Wien

21. 8. 2008 Generationengerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung in Deutschland

Bundestagsabgeordneter Café Stein, Wien Johannes Vogel

29. 10. 2008 Sozialökologische Aspekte des Klimaschutzes

Vizebürgermeisterin Lisa Rücker

Karl-Franzens-Universität, Graz

244

Datum

Anhang: Veranstaltungen der Sustainable Future Campaign, 2007–2012

Veranstaltung

3. 11. 2008 Sustainable Industry

Speaker

Ort

Günther Apfalter

Karl-Franzens-Universität, Graz

20. 11. 2008 Sustainable Economy – challenges and possibilities

State Senator Marc Pacheco

Steiermärkische Sparkasse, Graz

21. 11. 2008 Sustainable Future Award

State Senator Marc Pacheco

Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Wien

24. 11. 2008 USA and Europe – a renewed alliance for combating climate change?

State Senator Marc Pacheco

Nachhaltigkeitsberatung Denkstatt, Wien

24. 11. 2008 Zukunftsmarkt Russland

Thomas Veraszto

Karl-Franzens-Universität, Graz

2.12. 2008 Nachhaltige Unternehmenspolitik in Zeiten internationaler Finanzkrisen?

Siemens-Generaldirektorin Brigitte Ederer

Rechtsanwaltskanzlei Eustacchio & Schaar, Wien

2. 12. 2008 Nachhaltiges Handeln der Weltkirche

Weihbischof Franz Lackner

Afro-Asiatisches Institut, Graz

12. 12. 2008 Global warming and climate change State Senator Marc – is there hope for a sustainable Pacheco, Jerome C. future? Glenn und Werner L. Kornexl

Marrakesh Palace, Washington DC

11. 1. 2009 Zukunftsfeld green jobs

Umweltminister Nikolaus Berlakovich

Wirtschaftsuniversität, Wien

14. 1. 2009 Sustainable Media

ORF- Landesdirektor Gerhard Draxler

Karl-Franzens-Universität, Graz

23. 7. 2009 Sustainable Politics

LAbg. Madeleine Petrovic MF Group, Wien

21. 8. 2009 Herausforderungen nachhaltiger Jugendpolitik

Sebastian Kurz und Wolf- MF Group, Wien gang Moitzi

28. 8. 2009 Urban Humanity

State Senator Marc Pacheco

WUK, Wien

18. 9. 2009 Sustainable Development in Education

Senator Marc Pacheco, Prof. James Rowean

Emerson College, Boston

21. 9. 2009 Klima(politik) im Wandel

Alexander Ochs

Österreichische Botschaft, Washington DC

28.10.2009 Bildung als krisensicheres Kapital

NRAbg. Laura Rudas

AFA-Bibliothek, Wien

17.11. 2009 Zusammenarbeit Praxis und Hochschule

Hans-Jürgen Thaus

Uni-Eno, Graz

1.12. 2009 Graz 2015 - Nachhaltigkeit in der Stadtpolitik

Stadträtin Sonja Grabner

Saubermacher Dienstleistungs AG, Graz

24. 3. 2010 Farbrausch

Vernissage Susanne Suppan

WUK, Wien

16. 4. 2010 Sustainable Future - greening Ame- State Senator Marc Pacheco rica and the world?

Prudential Building, Boston



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Anhang: Veranstaltungen der Sustainable Future Campaign, 2007–2012

Datum

Veranstaltung

Speaker

Ort

17. 4. 2010 Arts and Environmental Sustainability

Rachelle Beaudoin, Eric Berry, Jared Butler, Tim Gaudreau

Saint Anselm College, New Hampshire

20. 4. 2010 Roundtable: America and Europe in the Post-Copenhagen World

Alexander Ochs

Restaurant Nora, Washington DC

22. 4. 2010 Green Greed: exploiting markets to save the planet

Gernot Wagner

Österreichisches Generalkonsulat, New York

27. 4. 2010 Nachhaltiger Sozialstaat - Zahlt sich Sozialminister Rudolf Leistung aus? Hundstorfer 8. 6. 2010 Obama Administration

Rechtsanwaltskanzlei Eustacchio & Schaar, Wien

US-Botschafter William C. Eacho

Stallburg/Spanische Hofreitschule, Wien

11. 6. 2010 Nachhaltiges Lobbying in der Europäischen Union

Roland Tassler

Uni-Eno, Graz

14. 6. 2010 Herausforderung: Energieversorgung der Zukunft

Michael Amerer

Uni-Eno, Graz

19. 9. 2010 Die schöpferische Kraft Europas durch eine nachhaltige Bildung

Univ.Prof. Wolfgang Mantl

Stallburg/Spanische Hofreitschule, Wien

29.10.2010 Nachhaltige Chancen für und in Eu- Univ. Prof. Heribert Franz ropa nach dem Lissaboner Vertrag Köck, Richard Kühnel

Haus der Europäischen Union, Wien

11.11.2010 Kultur.Politik.Gesellschaft.

Alfons Haider

Stallburg/Spanische Hofreitschule, Wien

30.11.2010 Bildungsoffensive in Zeiten der Budgetsanierung

Wissenschaftsministerin Beatrix Karl

Rechtsanwaltskanzlei Eustacchio & Schaar, Wien Wein & Co Bar, Graz

22.12.2010

Investieren und Produzieren in Mexiko

Otto Lindner

23. 3. 2011

Unsere Chance heißt Bildung

Wirtschaftskammer Wien Wirtschaftsuniversität, Präsidentin Brigitte Jank Wien

8. 4. 2011

Social Media & Revolutionen im arabischen Raum

Nadja Bernhard, Robert Schischka, Konrad Becker

Stallburg/Spanische Hofreitschule, Wien

15. 4. 2011

Die Bedeutung von seltenen Erden und Metallen als strategische Rohstoffe

Andreas Meier

Uni-Eno, Graz

19. 4. 2011

Big Society-Sustainable Future

Univ. Prof. Karl Rose

Österreichische Botschaft, London

5. 5. 2011

Braucht Europa europäische Parteien?

Stefan Zotti

Stallburg/Spanische Hofreitschule, Wien

5. 5. 2011

Schwerpunkte der österreichischen Außenpolitik 2011

Außenminister Michael Spindelegger

Wirtschaftsuniversität, Wien

3. 6. 2011

Strom aus der Wüste für Europa

Rupert Hierzer, Mario Müller, Nikolaus Rottenberger

Uni-Eno, Graz

6. 6. 2011

Das jüdische Wien, nur im Museum oder eine lebendige Gemeinde?

Dir. Danielle Spera

Rechtsanwaltskanzlei Eustacchio & Schaar, Wien

Datum

Veranstaltung

Speaker

Ort

19. 8. 2011

Europe, Turkey and the Black Sea Region - Competition or Partnership?

Gerald Knaus

Österreichisches Generalkonsulat, Istanbul

1. 9. 2011

Sustainable Future Award

Alexander Ochs

Nachhaltigkeitsberatung Denkstatt, Wien

5.10. 2011

Wer liest 2020 noch Zeitung?

Klaus Schweighofer

Rechtsanwaltskanzlei Eustacchio & Schaar, Wien

25.10. 2011 From New York to L.A

Vernissage Helmut Steiner

Amerikahaus, Wien

7.11. 2011

Global challenges for a sustainable Agriculture

MdEP Elisabeth Köstinger

Concilius AG, Brüssel

7.12. 2011

Transatlantic Relations and the Upcoming Presidential Election

Jonathan Schools, Jan Krc

Amerikahaus,Wien

10. 1. 2012

Medien und Kommunikation in Österreich –Ausblick 2012

Chefredakteur Helmut Brandstätter

Stallburg/Spanische Hofreitschule, Wien

29. 2. 2012

Quo vadis Europa?

Staatssekretär Wolfgang Waldner

Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Wien

AutorInnen

Nikolaus Berlakovich, Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Wien Tamara Buschek, Expertin Think Tank Notre Europe, Paris Jared Butler, College of Art and Design, Savannah/GA Alexander Ceh, ehem. Vorsitzender der Hochschulliga für die Vereinten Natio­nen – Akademisches Forum für Außenpolitik, Graz Alexandra Dancasiu, Absolventin der Politikwissenschaften, Studentin der Rechtswissenschaften und Projektmanagerin der Sustainable Future Campaign, Wien Eva Glawischnig-Piesczek, Bundessprecherin der Grünen, Wien Johannes Hahn, EU-Kommissar für Regionalpolitik, Brüssel Belinda Hödl, Abteilung für Bildungspolitik der Wirtschaftskammer Österreich, Wien Rudolf Hundstorfer, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Wien Martin Kulhanek, Digital Strategist und Online Marketing Spezialist der Kommunikationsagentur JMC, Wien Sebastian Kurz, Staatssekretär für Integration, Wien Michael Landertshammer, Leiter der Abteilung für Bildungspolitik der Wirtschaftskammer Österreich, Wien

248

AutorInnen

Josef Mantl, Kommunikationsunternehmer und Sprecher der Sustainable Future Campaign, Wien Wolfgang Mantl, emeritierter Universitätsprofessor für Politikwissenschaft und Verfassungsrecht, Graz Erwin Mayer, Nachhaltigkeitsberater, Wien Veronika Mickel, Bezirksvorsteherin der Josefstadt, Wien Reinhold Mitterlehner, Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend, Wien Siegfried Nagl, Bürgermeister, Graz Alexander Ochs, Nachhaltigkeitsexperte, Washington D.C. Marc R. Pacheco, State Senator und Vorsitzender des Massachusetts Senate Committee on Global Warming and Climate Change, Boston Christian Plas, Nachhaltigkeitsberater, Wien Laura Rudas, Bundesgeschäftsführerin der SPÖ, Wien Michael Spindelegger, Vizekanzler und Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, Wien Melanie Sully, Vizepräsidentin des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen und Sprecherin der Initiative Go Governance, Wien Stefan Wallner, Bundesgeschäftsführer der Grünen, Wien Stefan Windberger, Student der Wirtschaftswissenschaften und Projektmanager der Sustainable Future Campaign, Graz Franz Benedikt Zöchbauer, Leiter Public Affairs Verbund AG, Wien

PETER BAUMGARTNER

GENIALE GRENZGÄNGE LIMITS IN DER WIRTSCHAFT UND AM ENDE DER WELT

Ethik und Moral sind in der gegenwärtigen Wirtschaft ein knappes Gut. Die Schranken zu Mehr und immer Mehr scheinen weit geöffnet und den „Genug ist genug“-Rufen misst man wenig Bedeutung bei. Verantwortungsbewusste und nachhaltig denkende Menschen stellen sich schon lange die Frage, wann letztendlich Limits akzeptiert werden? Eine ausgewogene Lebens- und Arbeitsbalance beeinflusst die persönliche und die unternehmerische Zukunft positiv. Schon bei der Nimrod-Expedition (1907–1909) von Sir Ernest Shackleton gab es keinen Kompromiss: Nur die Umkehr konnte das Vermächtnis und Überleben der Expeditionsteilnehmer sichern. Auch im heutigen Denken ist, zum Wohle aller, eine tendenzielle Umkehr vorteilhaft. Wissen und Können dafür lassen sich exzellent von Shackletons Handeln ableiten. Er bewegte sich am Limit, ging aber nie wirklich darüber hinaus. Sein Rückzug aus der Antarktis ist zweifellos beachtlicher als alle Erfolge anderer Abenteurer. Shackleton fängt dort an, wo andere auf hören. 2012. 271 S. 40 S/W-ABB. GB.MIT SU. 135 X 210 MM. | ISBN 978-3-205-78798-3

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REINHARD SIEDER UND ERNST L ANGTHALER (HG.)

GLOBALGESCHICHTE 1800–2010

Wie der Globus bevölkert wird und wie wir altern. Was Migrationen antreibt – und was sie antreiben. Wie beginnt und verläuft die Globalisierung der Wirtschaft? Kann internationale Politik Konflikte regulieren? Dieser Band bietet eine Einführung in die Entstehung und Entwicklung moderner Gesellschaften in global vergleichender Perspektive. Dabei sind ökonomische, soziale, kulturelle, politische und ökologische Interaktionen wie z. B. Wirtschaft, Politik, Handel, Verkehr, Migrationen usw. zwischen Weltregionen ebenso Thema wie die Ausbildung jener Infrastrukturen und Medien, die diese Interaktionen möglich machen (Währungs- und Finanzsysteme, Verkehrs-, Transport- und Kommunikationssysteme, etc.). Ein weiterer Schwerpunkt ist dem Vergleich von sozial-kulturellen Systemen und Prozessen in diversen Weltregionen wie z. B. Arbeitsverhältnisse, Familie und Elternschaft, Religionen, Kriege, u. a. gewidmet. 2010. 588 S. BR. 52 S/W-ABB. & 14 TAB. 170 X 240 MM. ISBN 978-3-205-78585-9

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