Bunkerrepublik Deutschland: Geo- und Biopolitik in der Architektur des Atomkriegs 9783839444542

During the Cold War of the 1950s and 1960s, leading West German military organizations, engineers and members of civil d

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German Pages 256 Year 2019

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Bunkerrepublik Deutschland: Geo- und Biopolitik in der Architektur des Atomkriegs
 9783839444542

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Kapitel 1 – Die Erde und das politische Leben
Kapitel 2 – Die Kehrseite des Lebensraums
Kapitel 3 – Zurück zur Erde
Kapitel 4 – Lebensraum im thermonuklearen Zeitalter
Kapitel 5 – Räume der Vernichtung
Kapitel 6 – Kriegsspiel
Kapitel 7 – Jenseits der Bunkerrepublik
Literaturverzeichnis
Index

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Ian Klinke Bunkerrepublik Deutschland

Sozial- und Kulturgeographie  | Band 24

Ian Klinke ist Associate Professor für Human Geography an der University of Oxford und Fellow am St John’s College, Oxford. Seine Forschung befasst sich mit den Relikten des Kalten Krieges und Fragen der Geopolitik.

Ian Klinke

Bunkerrepublik Deutschland Geo- und Biopolitik in der Architektur des Atomkriegs

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Ursprünglich in Englisch als »Cryptic Concrete« bei John Wiley & Sons Ltd. veröffentlicht. © 2018 John Wiley & Sons Ltd All Rights Reserved. Authorised translation rests solely with transcript Verlag and is not the responsibility of John Wiley & Sons Limited. No part of this book may be reproduced in any form without the written permission of the original copyright holder, John Wiley & Sons Limited. Copyright der deutschen Ausgabe: © 2019 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: jala / photocase.de (Detail) Korrektorat: Mirjam Galley, Sheffield Übersetzung aus dem Englischen: Jost Klinke, Bad Breisig sowie Jakob Horstmann, London und Ian Klinke, Oxford Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4454-8 PDF-ISBN 978-3-8394-4454-2 EPUB-ISBN 978-3-7328-4454-8 https://doi.org/10.14361/9783839444542 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Vorwort | 7 Kapitel 1 – Die Erde und das politische Leben  |  17 Der Tod der deutschen Geopolitik | 17 Westdeutschland und die Bombe | 21 Biopolitik und Kalter Krieg | 26 Bunker und Lager | 32 Herangehensweise und Struktur | 34 Endnoten | 44

Kapitel 2 – Die Kehrseite des Lebensraums  |  45 Die Verteidigung des Raums | 45 Geopolitik und Biopolitik | 49 Leben und Tod | 55 Raumgestaltung | 59 Komplementäre Archetypen | 64 Autoimmunität | 70 Endnoten | 73

Kapitel 3 – Zurück zur Erde  |  77 Der Sprung über den großen Teich  | 77 Die Wiedergeburt der deutschen Geopolitik | 81 Umrisse einer neuen deutschen Geopolitik | 86 Unterirdischer Lebensraum | 94 Jenseits des Tabus | 97 Endnoten | 100

Kapitel 4 – Lebensraum im thermonuklearen Zeitalter  |  105 Überlebensraum | 105 Die Rückkehr des Bunkers | 108 Vom Lager zum Bunker | 120 Überschneidungen und Inversionen | 123 Durchgang | 131 Endnoten | 134

Kapitel 5 – Räume der Vernichtung  |  137 Orte des Vergessens | 137 Nukleare Teilhabe | 141 Die Architektur des Sondermunitionslagers | 145 Raum ohne Volk | 153 NATO-Draht und zivile Unruhen | 159 Endnoten | 163

Kapitel 6 – Kriegsspiel  |  165 Atomare Spiele | 165 Fallex 66  | 167 Ein Kriegsspiel und seine Rezeption | 169 Unterirdische Spiele | 173 Selbstvernichtung | 179 Der Todestrieb in der deutschen Geopolitik | 185 Endnoten | 190

Kapitel 7 – Jenseits der Bunkerrepublik  |  193 Atomare Gegenwart | 193 Ruinenwert | 200 Endnoten | 208

Literaturverzeichnis | 209 Index | 243

Vorwort

Es muss im Jahr 1990 gewesen sein, als ich hörte, dass der Berg hinter der Sandkiste meines Freundes hohl war, möglicherweise sogar so hohl, dass er eine ganze Armee verschlucken könnte. Was unter den Weinbergen lag, war ein Geheimnis, allerdings eines, das von Kind zu Kind weitergegeben wurde. Die Geschichte, die wir uns erzählten, handelte von einer unterirdischen Stadt mit Straßen und Laternen, Bussen und Autos, Bäckereien und Kiosken, an denen Bonbons verkauft wurden; dazu gab es dort auch Panzer, Raketen und Soldaten. Mein Freund und ich starrten wie gebannt die Stacheldrahtverhaue an, die Wachsoldaten und Wachtürme, hinter denen wir zu Recht den Eingang zu dieser geheimnisvollen Unterwelt vermuteten. Irgendwie fühlten wir uns unbehaglich, aber zugleich ging von dem Ort eine magische Anziehungskraft aus. Im Sandkasten gruben wir tiefe Löcher für unsere Spielzeugsoldaten, Raketen und Panzer. Wir verloren uns in phantastischen geopolitischen Welten. Wir waren Kinder-Strategen und unterirdische Generäle, siegreich am ‚Ende der Geschichte‘. Natürlich war die Bedeutung der Vorgänge, die zum Ende des Kalten Krieges führten, an uns nicht vorbeigegangen. Die allgemeine Aufregung war spürbar, das Gefühl kultureller Überlegenheit übermächtig – selbst für einen Achtjährigen. Bald danach zeigte unser Fernsehapparat eine Stadt im Licht eines extravaganten grünen Feuerwerks. Die Stadt war Bagdad, und die grünen Lichter stammten von den irakischen Luftabwehrkanonen bei ihrem Versuch, die letzte Supermacht der Welt zurückzuwerfen. Das war eine wahrhaft faszinierende Machtdemonstration  – wenn auch letztlich so wenig begreiflich wie die Explosion der Atombombe, die ich einmal in einem amerikanischen Film gesehen hatte. Persönlich bedeutete mir das aber nichts, ganz anders als dieser westdeutsche Regierungsbunker hinter dem Haus meines Freundes. Der stand da vor uns, in Beton gegossen, den konnte man offensichtlich ‚begreifen‘ (wäre nur

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der Stacheldraht nicht dazwischen gewesen). Der Bunker wirkte sehr real, auch wenn er so gut versteckt in einem engen Seitental lag. Er schien zu meinem Leben zu gehören, obwohl er nicht für einfache Sterbliche wie mich gebaut worden war. Für mich war diese Überlebenskapsel aus Beton ein verbotenes Paradies, ein Ort der Geborgenheit, wo zumindest meine kindliche Phantasie gut aufgehoben war. Dieser geheime und geheimnisvolle Ort war unheimlich – im Sinne Freuds zu verstehen als gleichzeitig fremd und vertraut, abweisend und anziehend. Der Sozialtheoretiker Paul Virilio hat erklärt, Bunker hätten als unterirdische, sichere Orte gedient, versteckt und abgeschottet – „kryptisch“ (Virilio, in Armitage 2009: 23). In Bezug auf deutsche Luftschutzbunker, die man zu Kirchen umfunktioniert hatte, schrieb er, „diese Orte des Schutzes vor äußeren Gefahren und des Gottesdienstes [seien] auch Orte der Errettung“ (ebd.). Wie bei einer Krypta unter einer christlichen Kirche hat der Tod auch im Atombunker seine gespenstische Gegenwart. Der Bunker ist ein ambivalenter Ort, „Schutz“ und „Grab“ (Bennett 2011: 156), schützender „Mutterleib“ und „Grabmal“ zugleich (Beck 2011a: 82). Einen Anteil an dieser Ambivalenz dürfte auch das Material haben, aus dem die meisten Bunker gebaut sind. Adrian Forty (2012: 169) kleidet das in folgende Formulierungen: Beton ist ein Grundwerkstoff. Wegen seiner dichten Masse bietet er sich geradezu an als Widerstandskraft gegen Einwirkungen äußerer Gewalt, mögen sie von der Natur oder den Menschen ausgehen. Geeignet für Grundmauern und gegen den Ansturm der See, für Festungsanlagen und als Schutzmauer gegen Atomangriffe, wird er eingesetzt für alles, was monolithische Beständigkeit verlangt – und damit steht der Beton tief unten in der Hierarchie der Materialien. Von alters her hat der Beton aber auch gerade für den Kirchenbau eine hohe Attraktivität gehabt.

Forty erinnert uns daran, dass Beton trotz seiner Fähigkeit, massiven Kräften zu widerstehen, eine ambivalente Stellung zwischen Moderne und Tradition, Kultur und Natur einnimmt. Bei all seinem Erfolg im 20. Jahrhundert handelt es sich bei Beton weder um eine moderne Erfindung (er wird seit Jahrtausenden vom Menschen eingesetzt), noch um ein rein kulturelles Phänomen (er kommt in natürlicher Form vor, wenn auch nur sehr selten). Beton ist in anderen Worten nur schwer einzuordnen, er fordert geradezu zur Interpretation auf. 28 Jahre später verstehe ich besser, weshalb der Bunker und seine Umgebung eine derartige Attraktion auf mich ausgeübt hatten, denn das

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kindliche Kriegsspiel, das ich damals hinter dem Haus meines Freundes gespielt hatte, war von eigener Bedeutung. Schon früh hatte man mir nahegelegt, nicht mit Spielzeugsoldaten zu spielen oder mit anderen ‚Symbolen des Militarismus‘. Ich musste ohne diese Symbole jungenhafter Maskulinität auskommen. Im Haus meines Freundes, unmittelbar neben dem Regierungsbunker, gab es laxere Regeln und ich konnte Spiele aller Art genießen, angefangen mit der Aufstellung von Plastikpanzern in der Sandkiste bis hin zu komplexeren strategischen Spielen. Zu Hause, das war mir klar, sollte ich über diese Spiele besser schweigen, aber das störte mein mit nur leichten Schuldgefühlen belastetes Vergnügen letztlich eher weniger. Erst Jahrzehnte später, als ich mich der Anlage hinter der Sandkiste mit wissenschaftlichem Interesse erneut näherte, fand ich heraus, dass unter unserem Spielplatz ganz ähnliche verbotene Spiele stattgefunden hatten. Denn alle zwei Jahre schloss der westdeutsche Staat dort im Untergrund seine politische und militärische Führung ein, damit sie die Apokalypse durchspielen konnten. Diese Spiele waren von einer geradezu zwanghaften Politik der Erde und des Lebens bestimmt. Geopolitik wurde als Politik der Erde an der Wende zum 20. Jahrhundert als Theorie staatlichen Handelns entwickelt. Sie ging von der Voraussetzung aus, dass Staaten ein Territorium gewinnen und beherrschen mussten, wenn sie in einer Umwelt, die von internationaler Konkurrenz und Krieg gekennzeichnet war, überleben wollten. In Deutschland diente dieser geographische Diskurs später dazu, den Überfall des Dritten Reichs auf die Sowjetunion und die Eroberung von Lebensraum im Osten zu legitimieren. Geopolitik war dabei immer eng mit Biopolitik verflochten (der Politik des Lebens), der Überzeugung, dass der Staat als ein Organismus verstanden werden muss, der um sein Überleben kämpft. Die Vernichtung unerwünschter Bevölkerungsteile durch das Dritte Reich wurde nur dadurch ermöglicht, dass diese als Krebszellen im Volkskörper verstanden wurden. Die Verflechtung dieser beiden Formen der Macht war vielfältig, wurde primär jedoch sichtbar in der Idee der Eroberung von Lebensraum in Osteuropa. Diese Vorstellung, so die These dieses Buches, verschwand nicht einfach mit dem Untergang des Dritten Reichs, sondern nahm eine neue Form an. Um das zur Gänze zu verstehen, müssen wir uns nicht nur mit dem strategischen Diskurs des Kalten Kriegs, sondern auch mit der Architektur des Atomkriegs befassen. Dieses Buch versucht die Geschichte der Geo- und Biopolitik aufzuarbeiten und dabei aufzudecken, wie der Kalte Krieg die im und durch

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den Zweiten Weltkrieg entstandenen Über-lebensräume und Räume der Vernichtung reproduzierte und umkehrte. Um die Architektur des Atomkriegs verständlich zu machen, die zum Schutz und zur Vernichtung des Lebens entworfen worden war, werden zwei architektonische Strukturen genauer untersucht, die am gemeinsamen Fluchtpunkt von Geo- und Biopolitik stehen – der Atombunker und das taktische Atomwaffenlager. Über die Analyse einer Vielzahl von Quellen aus verschiedenen Archiven, die aus dem Blickwinkel der kritischen Sozialtheorie gesichtet werden, komme ich zu der These, dass diese beiden Strukturen komplementär angelegt sind. Eyal Weizman folgend befasse ich mich mit dieser Architektur als materieller Ausformung politischer Kräfte oder „Materie gewordener Politik“ – Materie, die wir wegen ihrer Form und ihren Details untersuchen können, genau wie die Organisation und Infrastruktur, die sie ermöglicht (Weizman 2007: 5-7). Die Architekten dieser gewaltsamen Geographie sind die Militärs, die Ingenieure, die Beamten des Zivilschutzes und die Staatselite im Kalten Krieg. Aber anders als Weizman (2002: 2), der Geopolitik als „flachen Diskurs“ sieht, welcher der Dreidimensionalität moderner Kriegsführung nicht gerecht wird, zeige ich auf, dass diese männlichen Planer  – und sie waren praktisch ausschließlich Männer  – bereits der Idee folgten, geopolitische Ziele könnten im Kalten Krieg nur im dreidimensionalen Raum erkämpft werden, besonders unter der Erde. Durch die Untersuchung der atomaren Bewaffnung des Territoriums der Bundesrepublik von einem sowohl intellektuellen als auch architektonischen Blickpunkt macht dieses Buch einen Schritt in Richtung einer Biopolitik des Kalten Krieges, einem erst vor kurzem von Collier und Lakoff vorgeschlagenen Thema (2015; vgl. auch Klinke 2015). Das Buch soll auch einen Beitrag zur aktuellen Debatte zur Frage der Materialität in der Geopolitik leisten, indem es die Analyse materieller Formen mit einer Untersuchung geo- und biopolitischer Ideen verbindet. Dadurch wird deutlich, wie Militärarchitektur noch im Dialog mit diesen Ideen stand, lange nachdem sie für tot erklärt worden waren. Die Bundesrepublik bietet für eine derartige Untersuchung wegen der Rolle des Landes als designiertem Schlachtfeld in einem Krieg der NATO mit dem Warschauer Pakt einen exzellenten Ausgangspunkt. Nach dem NATO-Beitritt 1955 partizipierte Bonn an der Politik der nuklearen Abschreckung und versuchte, die Allianz zu einer harten Linie zu treiben. Diese Politik und die umfassende Stationierung von Atomwaffen auf westdeutschem Territorium bedeutete, dass der Staat perma-

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nent mit der Idee des nationalen Selbstmordes spielte, die deutlich an die letzten Tage des Dritten Reichs erinnert. Und tatsächlich kann das westdeutsche Beispiel dazu dienen, einige der historischen Kontinuitäten zwischen dem Staat im Faschismus und im Kalten Krieg zu verdeutlichen, nicht zuletzt weil es vor und nach 1945 auch eine Kontinuität des Personals, der Ideologie und der Militärtechnologie gab. Mit dem Blick auf Deutschland soll das Buch die wissenschaftliche Diskussion über militärische Räume von ihrer einseitigen, anglo-amerikanischen Sicht befreien, um so die gemeinsamen Ursprünge der Geopolitik von Nationalsozialismus und Kaltem Krieg offenzulegen. Durch die erneute Zurückverfolgung der Entstehung des Kalten Krieges müsste deutlich werden, dass „die Detonation der ersten Bombe“ vielleicht doch nicht „das Ende einer Epoche und die Apotheose einer anderen“ markierte (Masco 2006: 1). Statt „die Erfahrungen von Zeit explodieren zu lassen [und] die Logik des Nationalstaats zu unterminieren“ (ebd.: 12), fand der Kalte Krieg in Deutschland einen neuen Weg in eine altbekannte biopolitische Moderne, wobei der Staat einige Lebensformen förderte, andere aber aufgab, manche Todesopfer würdigte, andere wiederum in Vergessenheit geraten ließ. Der technologische Schritt von Dresden nach Hiroshima, der Übergang vom Thermoterrorismus zum Strahlenterrorismus also (Sloterdijk 2009: 57), fand mit Hilfe von ähnlichen Leitmotiven statt und war auch entsprechend durchformt, so wie wir das schon aus der nationalsozialistischen Geo- und Biopolitik kennen. Dazu gehört u.a. auch die Fixierung auf Fragen des Überlebens und der Vernichtung. Trotz seines Ziels, zur theoretischen Aufarbeitung sowohl der Geowie auch der Biopolitik beizutragen, ist dies natürlich auch ein Buch über Deutschland. Es soll Leser ansprechen, welche die Geschichte und Politik der alten Bundesrepublik verstehen wollen, des Staates, der auch heute noch die rechtliche Grundlage für das vereinigte Deutschland darstellt. Dieses Buch ist jedoch nicht als umfassende Studie der Geschichte Deutschlands im Kalten Krieg gedacht. Es versucht stattdessen, das Deutschland des Kalten Krieges mit seinen vom potentiellen Atomkrieg geprägten Landschaften aus der Sicht der kritischen Sozialtheorie neu zu verstehen. Dabei ist es in erster Linie ein geographisches Buch, das zu klären sucht, wie im späten 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Friedrich Ratzel, Karl Haushofer und ihresgleichen entwickelte Ideen zu Raum, Macht und Überleben es schafften, den

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Untergang des Nationalsozialismus zu überstehen. Dabei erzählt es die Geschichte, wie protofaschistische Ideen vom Staat als Organismus ihren Ausdruck in eigenen architektonischen Formen fanden – und dies nicht nur in den 1930ern und frühen 1940ern, sondern eben auch während des Kalten Krieges. Ausgangspunkt für das Buch und seine grundlegende Annahme ist, dass Macht sich des Materiellen genauso wie des Ideellen bedient. Statt das Studium der traditionellen Geopolitik mit ihrem vielleicht übermäßigen Schwerpunkt auf Textexegese einfach aufzugeben, wie es für die politische Geographie der 90er Jahre typisch war, sucht dieses Buch nach neuen Wegen, die geopolitische Tradition weiterzudenken. Dabei geht es von der Voraussetzung aus, dass der herkömmliche Umgang mit geopolitischen Texten die Tendenz aufweist, eher parasitär eine bestimmte Art von Schriften auszubeuten (Ó Tuathail 1996: 53), während die neuere Wissenschaft bei dem Versuch, Geopolitik entlang einer ‚more-than-human geography’ Linie zu entwickeln, häufig den Bezug zu ihrem eigentlichen wissenschaftlichen Objekt verliert. Während die ältere Schule Gefahr läuft, sich bloß noch mit „mumifizierten“ Resten einer ehemals einflussreichen Denkweise zu befassen (Ó Tuathail & Dalby 1998: 2), ist Geopolitik für die andere Richtung nicht mehr als ein Synonym für globale Politik. Hier wird gelegentlich ein Konzept von Geopolitik gebraucht, das seltsam losgelöst wirkt von jedem früheren Verständnis seiner Begrifflichkeit. Dieses Buch dagegen versucht die Analyse traditioneller geopolitischer Texte mit dem Studium von Militärarchitektur zu verbinden, um so zu verstehen, wie sich letztere auf den Menschen auswirkt. Auf diese Art ist es an den Orten interessiert, in denen geopolitische Subjekte geformt werden. Bei diesem Vorgehen sind einige Worte zur Vorsicht unumgänglich. Auch wenn dieses Buch eine detailreiche Auseinandersetzung mit wichtigen Vertretern der Geopolitik bietet, soll hier weder einer Reduzierung der Geschichte der Geopolitik auf die Ideen bedeutender Männer das Wort geredet werden (dazu vgl. Sharp 2000a: 363), noch soll deren unmittelbarer Einf luss auf politische Ereignisse überbewertet werden. Vielmehr soll dargelegt werden, dass wir in den militärischen Landschaften des Kalten Krieges jene Fixierung auf Raum und nationales Überleben und Ausrottung wiederfinden können, die zum ersten Male im späten 19. Jahrhundert und dann mit besonderem Nachdruck von der deutschen Geopolitik im Interbellum artikuliert

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worden ist. Geo- und Biopolitik haben es mit anderen Worten also geschafft zu überleben, obwohl sie für tot erklärt worden waren. Sie haben damit eine Zähigkeit bewiesen, die ich an anderer Stelle mit dem Begriff „untot“ beschrieben habe (Klinke 2011: 719; vgl. auch MacDonald in Jones und Sage 2010). So ist dieses Buch als Anstoß gemeint, die Politik des Atomkrieges im Sinne der Konzepte der Geo- und Biopolitik neu zu überprüfen. Notwendig ist das schon deshalb, weil der Kalte Krieg häufig als historische Absurdität ohne größere Bedeutung für die Gegenwart angesehen wird. Gerade Phänomene wie der sogenannte Bunkertourismus verneinen oft „den in Phasen tiefgreifender, ideologisch begründeter Gewalt, Untergang und Trauma begründeten Ursprung dieser Anlagen“ (Graham 2016: 359). In ihrer Geschichte der US-amerikanischen Interkontinentalrakete „Minuteman“ schreibt Gretchen Heefner über das Ende des Kalten Krieges: Man hat uns erzählt, nukleare Abschreckung sei nicht mehr unser Bollwerk in einem globalen Konflikt. Wir hätten uns von dem Abgrund entfernt. Unsere Kinder wachen nachts nicht mehr aus Angst vor dem Atomkrieg auf. Die Angst, die wir vor einer atomaren Bedrohung haben, ist die vor einer einzelnen schmutzigen Bombe oder dem versehentlichen Abwurf einer Atombombe wegen eines technischen Versagens – und das ist eine Gefahr völlig anderer Art und in der Wirkung weniger verheerend. Die massive Aufrüstung zur Abschreckung macht in Zeiten globalen Terrors keinen Sinn. Noch nicht einmal die Einwohner von South Dakota, die solange mit der Minuteman-Rakete gelebt haben, scheinen über diese Raketen sprechen zu wollen. Aber die Ruhe in diesen jetzt entleerten, sprich leeren Räumen täuscht ebenso wie das Stillschweigen, das im Kalten Krieg über die Raketenanlagen gewahrt wurde. (H eefner 2012: 4)

Heefner führt weiterhin aus, etwa die Hälfte der in den 60er Jahren stationierten Minuteman-Raketen seien auch heute noch einsatzbereit und „immer noch in der Lage, so schnell Ziele auf dem gesamten Globus zu erreichen, wie man brauche, um eine Pizza an die Haustür geliefert zu bekommen“ (ebd.: 5). Aber es reicht nicht, sich der Existenz von Atomwaffen bewusst zu sein. Man muss sie auch als in eine politische Logik eingebettet verstehen, die z.T. älter als diese Waffe selbst ist. Wenn wir das Atomwaffenlager und sein Gegenstück, den Atombunker, wirklich verstehen wollen, müssen wir uns ernsthaft mit der Geschichte der deutschen Geopolitik befassen, die nicht, wie manchmal angenommen, 1945

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einfach endete. Die Vorstellung von der Eroberung von Lebensraum überlebte – und zwar unter der Erde. Grundlage dieses Buches ist eine neunjährige Forschung zur deutschen Geopolitik und zum Kalten Krieg in Westdeutschland. Die empirische Forschung wurde während meines Postdocs an der Universität Oxford (2013-2015) geleistet und ich möchte daher der School of Geography and the Environment dafür danken, mir dieses Projekt ermöglicht zu haben. Abgeschlossen wurde dieses Buch von mir als Associate Professor am St. Johns College der Universität Oxford. Es ist schwer, all denen gerecht zu werden, die zu diesem Buch ihren Beitrag geleistet haben. Wichtige Ansprechpartner waren u. a. meine gleichgesinnten Bunkerenthusiasten Brad Garrett (The University of Sydney), Luke Bennett (Sheffield Hallam University) und Silvia Berger-Ziauddin (Universität Zürich), Forschungskollegen aus dem Fachbereich der Geopolitik wie Mark Bassin (Södertörn Högskola) und Gonzalo Pozo (King’s College London), der Architekturhistoriker David Haney (University of Kent) und meine alten Freunde Ludek Stavinoha (University of East Anglia) und Caspar Richter. Besonders danken möchte ich meinen Kollegen Gruia Badescu, Maan Barua (jetzt an der University of Cambridge), Colin Clarke, Patricia Daley, Joe Gerlach (jetzt an der University of Bristol), Britain Hopkins, Derek McCormack, Fiona McConnell, Tim Hodgetts, Craig Jeffrey (jetzt am Australia-India Institute), Thomas Jellis, Kärg Kama, Judith Pallot, Brice Perombelon und Tim Schwanen für das Feedback und die vielen Gespräche, die wir immer wieder zum Thema dieses Buches geführt haben. Besonders verbunden bin ich meinen Kollegen Linda McDowell und Richard Powell (jetzt an der University of Cambridge) für ihre Ideen und Beiträge. Die Anfänge meines Projektes stammen noch aus meiner Zeit am University College London, an dem ich nach meiner Promotion 2011  – examiniert von Klaus Dodds (Royal Holloway) und Chris Browning (Warwick University)  – unterrichtet habe. Danken möchte ich vor allem meinem damaligen Betreuer Felix Ciută (University College London) für seine Unterstützung und insbesondere unsere Diskussionen über Krieg und Planspiele. Mein Dank geht auch an Jason Dittmer (ebenfalls UCL) für die Gespräche über geopolitische Architektur (und für die Zusammenarbeit bei der Herausgabe der Buchreihe Geopolitical Bodies, Material Worlds bei Rowman and Littlefield International) und an Alan Ingram (ebenfalls UCL) für den

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Anstoß dazu, mich überhaupt erst mit dem Zusammenhang von Geound Biopolitik zu befassen. Besonders dankbar bin ich Christian Abrahamsson (Universitetet i Oslo), Lucian Ashworth (Memorial University of Newfoundland), Andrew Barry (University College London), Audra Mitchell (Wilfrid Laurier University) und David T. Murphy (Anderson University) für die sorgfältige Durcharbeitung des dritten Kapitels während des ISRF Workshops 2016 zum Thema „New earth thinking“, organisiert von Richard Powell vom Girton College, Cambridge. Ich habe auch sehr profitiert von den Diskussionen auf der Konferenz der European International Studies Association (EISA) in Giardini-Naxos von 2015, den jährlichen internationalen Konferenzen von 2014 und 2016 der Royal Geographical Society (RGS-IBG) in London, der regionalen Konferenz der International Geographical Union (IGU) von 2014, den jährlichen Kongressen der International Studies Association (ISA) 2014 und 2015 in Toronto und New Orleans und auch von Seminaren und kleineren Tagungen in Birmingham, Fulda, London, Oxford, Potsdam, Uppsala und Sheffield. Ich habe die Unterstützung einer ganzen Reihe von sehr hilfsbereiten Archivaren des Bundesarchivs Koblenz und des Bundes-Militärarchivs in Freiburg genossen und möchte in diesem Zusammenhang vor allen Dingen auch Doris Hauschke von der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) erwähnen. Profitiert habe ich auch von den Gesprächen mit Jörg Diester von der Dokumentationsstätte Regierungsbunker und ich bin dem Bundesarchiv für die Abbildungen und Bernd Donsbach vom Traditionsverband Aartalkaserne für das Recht, die beiden Fotos vom Sonderwaffenlager Bellersdorf abdrucken zu dürfen, sehr dankbar. Und bevor ich es vergessen sollte, muss ich meine Studenten vom St. Johns und vom Jesus College erwähnen (und unter ihnen ganz besonders Harry Gibbs), mit denen ich verschiedene Aspekte des Stoffs diskutiert habe, die für mein Buch relevant sind und ich stehe auch in der Schuld zweier anonymer Gutachter für ihre Kommentare und Vorschläge und für die Hilfe und Geduld des Herausgebers der RGS-IBG Schriftenreihe Wiley, David Featherstone (Universität Glasgow).i Vor allem möchte ich Jost Klinke dafür danken, dass er sich mit der Übersetzung so ausgiebig und sorgfältig auseinandergesetzt hat. Mein Dank gebührt auch Jakob Horstmann von transcript für das Korrekturlesen und die Unterstützung.

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Zu guter Letzt jedoch bin ich besonders für die Unterstützung von Anna (Toropova) zu Dank verpflichtet. Sie war für mich ein echter Leitstern, privat wie wissenschaftlich, die sich viel zu viele Verdienste um mich erworben hat, als dass sie hier im Einzelnen aufgelistet werden könnten. Und dann möchte ich noch meiner Familie danken, Lizzie, Gerlinde und Klaus. Gewidmet ist dieses Buch meiner Mutter Linda (19532011).

E ndnoten i | In meinem Buch greife ich stellenweise auf einige meiner früheren Veröffentlichungen zurück. Meine ersten Ideen zu diesem Thema stammen aus Environment and Planning D (Klinke 2015). Kapitel 6 ist eine Überarbeitung eines Artikels aus Transactions of the Institute of British Geographers (Klinke 2016). An anderen Stellen steht das Buch im Dialog zu einem als Co-Autor verfassten Text aus Geopolitics (Klinke & Perombelon 2015) und anderen, kurzen, on-line veröffentlichten Artikeln.

Kapitel 1 – Die Erde und das politische Leben D er Tod der deutschen G eopolitik Erstmalig befassten sich deutsche Geographen wie Friedrich Ratzel (1844-1904) und Karl Haushofer (1869-1946) im späten 19.  Jahrhundert mit der Frage, welchen Einfluss die geographische Lage, das Klima oder der Zugang zu Bodenschätzen auf den Aufstieg und Niedergang einer Nation haben. Auf bauend auf populären, naturwissenschaftlichen Ideen und Konzepten wurde die deutsche Geopolitik bekannt für die Entwicklung einer politischen Theorie, die sowohl die territoriale Konfiguration der Weltpolitik als auch das Phänomen zwischenstaatlicher Kriege naturalisierte. Während auch anderswo geopolitische Traditionen wie Pilze aus der Erde schossen, stach die deutsche Geopolitik durch ihr Verständnis vom Staat als organischer, politischer Lebensform heraus; der Staat erschien so als ein Organismus, der sein Überleben durch die Eroberung und Verteidigung von Lebensraum absichern müsse. In dem Sinne, dass sie eine Theorie des Zusammenspiels von Leben und Raum artikulierten, waren diese Ideen sowohl biopolitisch als auch geopolitisch. Tatsächlich verdanken wir die beiden Begriffe ‚Geopolitik‘ und ‚Biopolitik‘ Rudolf Kjellén (1864-1922), einem anderen Anhänger Ratzels (Kjellén 1920: 94). Ähnlich wie Halford Mackinders britische Geopolitik (siehe insbesondere Kearns 2009; Mackinder 1904), starrte die deutsche Geopolitik wie gebannt auf das, was sie als ewigen Kampf zwischen Land- und Seemacht sah. Tatsächlich plädierte Haushofer angesichts der von ihm so verstandenen Vorherrschaft der angloamerikanischen Seemächte für eine Allianz der Kontinentalmächte Deutschland und Russland. Haushofer und seine Zeitgenossen trieb zudem eine malthusianische Sorge vor Übervölkerung um und sie wünschten, dass Deutschland aus einer ungünstigen Zentrallage in Europa ausbrechen und ein alle Deutschen umfassendes Großdeutschland werden solle (Haushofer 1926: 532). Ausgehend von

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dem Wunsch nach Autarkie erhoffte sich die deutsche Geopolitik eine vom Außenhandel unabhängige Wirtschaft. Kjellén vertrat die Meinung, ein Nationalstaat müsse, „wenn nötig“, in der Lage sein, völlig autonom zu agieren, „hinter geschlossenen Türen“ (Kjellén 1917: 162). Die Vertreter der deutschen Geopolitik sollten sich schon bald durch ihre Werbung für ihre Sicht vom Staat als Organismus einen Namen machen, einem Organismus, der wachsen und schrumpfen konnte und der in dem ‚Boden‘ verwurzelt war, auf dem er stand. In der Auseinandersetzung mit den darwinistischen Ideen seiner Zeit beschrieb Ratzel das Verhalten eines Staates als Kampf ums Dasein, den er tatsächlich aber als Kampf um Raum verstand (Ratzel 1901). Um zu überleben, musste Deutschland seiner Meinung nach diesen Lebensraum ausweiten. Dies führte zu einer Betonung des Raumes als Gradmesser des Gesundheitszustandes eines Staates. Rudolf Kjellén erschienen Bevölkerungsverluste für einen Staat sogar weniger problematisch als Gebietsverluste (Kjellén 1917: 57). Schließlich war die Geopolitik besessen von den Fragen nach Tod, Untergang und Zerstörung, Leitmotiven also, die ihren Ursprung in der sozialdarwinistischen Beschäftigung mit Überleben und Aussterben/ Ausrottung und in einem zyklischen Verständnis von Geschichte hatten. Schlüsselmedium für die Verbreitung geopolitischer Ideen in der Zwischenkriegszeit und während des Zweiten Weltkrieges war die von Karl Haushofer und Kurt Vowinckel 1924 gegründete Zeitschrift für Geopolitik. Die deutsche Geopolitik wäre vielleicht nicht viel mehr als eine Fußnote der Weltgeschichte geblieben, wäre Karl Haushofer nicht 1924 einem noch relativ unbekannten, in Österreich geborenen Politiker vorgestellt worden, Adolf Hitler, der damals gerade sein Buch Mein Kampf schrieb. Angesichts der geopolitischen Einfärbung wesentlicher Teile dieses Buches wurde Haushofer in den Vereinigten Staaten als der Vordenker hinter der nationalsozialistischen Außenpolitik angesehen (Ó Tuathail 1996). Diese Vorstellung von Haushofer als Grauer Eminenz, dessen (fiktives) Institut für Geopolitik die nationalsozialistische Außenpolitik entwickelt habe, hat sich als Mythos erwiesen (Murphy 2014; siehe nächstes Kapitel). Tatsächlich war Haushofers Theorie „schon lange in Hitlers sich immer weiter beschleunigenden diplomatischen Krisen und Kriegen untergegangen“ (Herwig 1999: 236; siehe auch Murphy 1997: 244). Auch wenn nationalsozialistische Ideologen bis weit in die Kriegszeit hinein Texte zum Thema Lebensraum veröffentlichten (Daitz 1943), standen Haushofers und Ratzels geopolitische Ansichten

Kapitel 1 – Die Erde und das politische Leben

durchaus im Widerspruch zur nationalsozialistischen Ideologie, weil sie zur biologisch begründeten Rassentheorie des Dritten Reichs ambivalent blieben (Bassin 1987a). Trotz dieser entscheidenden ideologischen Spannung und der Tatsache, dass Haushofer bei den Nationalsozialisten sogar in Ungnade gefallen war, wurde er schon während des und verschärft nach dem Krieg für seine Ideen angegriffen und beging 1946 Selbstmord. In seinem Abschiedsbrief forderte er, „vergessen und vergessen“ zu werden (Haushofer 1946). Die Geschichte dieses „Teufelspaktes“ von deutscher Geopolitik und Nationalsozialismus ist in der Geschichte der Geopolitik bis heute ein bestimmendes Phänomen (Barnes & Abrahamsson 2015: 64).1 Diese Geschichte der Geopolitik wird fast immer gleich erzählt, nämlich als die einer begrenzten Epoche, die mit der Veröffentlichung von Ratzels „Politische Geographie“ 1897 begann und 1946 mit Haushofers Selbstmord endete (Agnew 2003; Dodds 2007; Dittmer & Sharp 2014; Mamadouh 2005; Ó Tuathail 1996). Natürlich bedeutet das nicht, dass auch die Geschichte der Geopolitik 1946 endete, denn diese spielte während des Kalten Krieges eine zentrale Rolle, wie von führenden politischen Geographen bezeugt wird (Dalby 1988; 1990a; 1990b; Dodds 2003; Ó Tuathail 1996). Allerdings tendiert die Literatur dazu, das Überleben der Geopolitik nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Ablehnung ihrer deutschen Variante zurückzuführen. In dieser Lesart scheint Geopolitik im Kalten Krieg, so wie sie sich in den USA und anderen Ländern artikulierte, ohne die düsteren, biopolitischen Komponenten Ratzel’scher oder Haushofer’scher Provenienz auszukommen (Werber 2014: 143). Dies allerdings stimmt keinesfalls, wie wir sehen werden. Selbst in Werken derer, die gezielt nach Überresten der deutschen Geopolitik nach 1945 gesucht haben, wird die Geopolitik überwiegend als mundtot angesehen – sowohl in der Bundesrepublik als auch in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). In diesem Sinne sprechen deutsche Nachkriegsgeographen wie Troll (1949: 135) und Boesler (1983: 44) wie selbstverständlich vom Kollaps der deutschen Geopolitik (vgl. auch Michel 2016: 137). Andere betrachteten die Sub-Disziplin der Politischen Geographie als marginalisiert (Kost 1988: 2), wobei der gesamte Diskurs der Geopolitik stigmatisiert worden sei (Kost 1989: 369). In jüngerer Zeit klagte der Historiker Karl Schlögel (2011: 12) über eine „verschwundene Tradition“ räumlichen Denkens in Deutschland und der Geograph Paul Reuber (2009: 90) sprach von „Jahrzehnten fast völligen Stillschweigens“

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der Geopolitik in der deutschsprachigen Wissenschaft. Wieder andere gingen so weit zu erklären, die Bundesrepublik habe nach 1945 ihre Geopolitik „zivilisiert“ und die Kampfstiefel gegen Birkenstock-Sandalen eingetauscht (Bachmann 2009).2 Ein Echo dieser Denkungsart findet sich in der Idee, im frühen 21. Jahrhundert sei die sogenannte „Deutsche Frage“ lediglich in geo-ökonomischer und nicht in geopolitischer Form wieder aufgeworfen worden (Kundnani 2014) oder in der kruden Behauptung, die Bundesrepublik sei heute eine „quasi-pazifistische“ Macht (Kaplan 2012: 11). Die Formulierung einer Idee des ‚Schweigens‘ zu geopolitischen Konzepten und Ideen wirkt so, als ob die Deutschen sich dem Wunsch Haushofers fügten, ihn intellektuell zu vergessen. So wurde etwa sein politisches Testament als „Begräbnis“ bezeichnet, das den „Abgang der deutschen Geopolitik nach der Niederlage der Nazis im Zweiten Weltkrieg“ beschrieben habe (Giles 1990: 13). Aber wir sollten Haushofer  – oder seinen Gegnern – nicht den Gefallen tun, die Ideen der deutschen Geopolitik generell als mit ihm zusammen verschwunden zu betrachten. Auch wenn politische Geographie in Deutschland nur noch eine Randerscheinung der Geographie als wissenschaftlicher Disziplin war und die Terminologie der Geopolitik in der deutschen Politik tatsächlich mit einem Tabu belegt wurde, so sollte man das doch nicht als Beleg dafür verstehen, dass alles, was zum Thema Geopolitik in Deutschland geschrieben wurde, tatsächlich tabuisiert war. So haben z.B. Bach und Peters (2002: 1) angemerkt, dass Geopolitik „in der bundesdeutschen Politik immer ein Faktor geblieben war“. Sprengel stellte jedoch bereits 1996 fest, solche Thesen müssten noch im Detail überprüft werden (Sprengel 1996: 36). So hat dieses Buch die Aufgabe zu ergründen, was aus dieser Politik der Erde und des Lebens nach 1945 geworden ist. Es verfolgt die These, dass im Deutschland des 20. Jahrhunderts ein zweiter Versuch unternommen wurde, Geo- und Biopolitik in die Praxis umzusetzen. Ausgelöst durch das ebenfalls geopolitische Projekt des Kalten Krieges beschäftigte sich in den 50er und 60er Jahren die Bundesrepublik Deutschland erneut und geradezu zwanghaft enthusiastisch mit Fragen des nationalen Überlebens und des Raumes. Wie das Dritte Reich drückte auch der Kalte Krieg seine Logik von Überleben und Vernichtung in materieller Form aus. Dieses  – paradoxerweise subterrane  – Wiederauftauchen der Geo- und Biopolitik in architektoni-

Kapitel 1 – Die Erde und das politische Leben

scher Form ist besonders rätselhaft, wenn man die Stigmatisierung von Geo- und Biopolitik im Deutschland der Nachkriegszeit bedenkt. Nationalsozialistischer Imperialismus und die medikalisierende Logik der Vernichtung wurde zuerst von den Alliierten und dann auch von der Mehrheit der Deutschen als die Wurzel einer nicht nur nationalen, sondern globalen Katastrophe gesehen. Wenn wir das Paradoxon erklären wollen, wie das spezifische Amalgam von Geo- und Biopolitik sein eigenes Begräbnis überleben konnte, müssen wir nicht nur den intellektuellen Diskurs berücksichtigen, in dem Ratzels und Haushofers Konzepte in den 50er Jahren zögerlich wieder in Erscheinung traten, sondern auch die militärischen Hinterlassenschaften des Kalten Krieges über und unter der Erde. Denn genau hier können wir ein Gespür dafür gewinnen, wie diese Fixierung auf Räume des nationalen Überlebens selbst überleben konnte. Wie ich weiter unten ausführen werde, verwandelte der Kalte Krieg die nationalsozialistische Vorstellung der Eroberung von neuem Lebensraum in die etwas bescheidenere, allerdings ebenfalls bio- und geopolitische Idee, Überlebensräume finden zu müssen.

W estdeutschl and und die B om be Nach dem Untergang des Dritten Reichs verschwand Deutschland als Großmacht von der europäischen Landkarte. Angesichts des Ausmaßes der Niederlage und der deutschen Kriegsverbrechen mussten die beiden Nachfolgestaaten international vorsichtig auftreten. Nach ihrer Gründung 1949, nur drei Jahre nach Haushofers Tod, lehnten die Bundesrepublik und die DDR nicht nur die Vernichtungspolitik des Dritten Reichs ab, sondern auch die geopolitischen Traditionen, die jetzt als die treibende Kraft hinter der nationalsozialistischen Expansion gesehen wurden. Der Terminus Geopolitik wurde in den Jahrzehnten nach dem Krieg im westdeutschen politischen Diskurs kaum jemals benutzt, es sei denn, man wollte einen politischen Gegner diskreditieren. Man sollte sich jedoch von diesem Tabu, mit dem die Geopolitik als Denkmodell in Westdeutschland belegt war, nicht täuschen lassen, denn Geopolitik als Diskurs über globale Machtkämpfe war weiterhin sehr lebendig. In seiner Abhängigkeit von seinen westlichen Alliierten

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nahm der junge westdeutsche Staat sehr schnell eine recht radikale neue Variante der Geopolitik des Kalten Krieges an. Von den frühen 50er Jahren an schoben sich wieder antisowjetische Stimmungen in den Vordergrund, die von früheren Wehrmachtsgenerälen und auch von Teilen der politischen Elite des jungen Staates getragen wurden. Einige dieser neuen Geopolitiker wurden kurz danach zu Beratern der neuen westdeutschen Armee, der Bundeswehr, und ihre Ideen waren durchaus auch kongruent mit den politischen Vorstellungen Konrad Adenauers (Bundeskanzler von 1949-1963). Als überzeugter Antikommunist war Adenauer schon bald für seine ‚Politik der Stärke‘ gegenüber der Sowjetunion und für die klare ‚Westbindung‘ der bundesdeutschen Außenpolitik bekannt. Bis in die 70er Jahre und vielleicht sogar noch länger waren beides wichtige Vektoren des außenpolitischen Narrativs der Bundesrepublik. Adenauer vermied sorgfältig jeden Anklang an die nun diskreditierte Terminologie des Lebensraums, seine Lebensanschauung war jedoch geopolitisch geprägt. 1954, im selben Jahr, in dem ihn das Time Magazin zum „Mann des Jahres“ erklärte, erschien bei Life eine Sonderausgabe über den neuen westdeutschen Alliierten, in der Adenauer seine Sicht der Dinge darlegte. In geopolitischer Manier erklärte er seinen amerikanischen Lesern, ein Atlas der Weltgeschichte zeige „viel unmittelbarer“, als jedes Geschichtsbuch es könne, dass „das noch freiheitliche Gebiet der europäisch-asiatischen Landmasse in Europa erschreckend klein geworden“ sei, „seitdem Russland die Elbe erreicht“ habe (Adenauer 1954: 26). Für Adenauer war die Elbe, damals Teil des Eisernen Vorhangs, nichts weniger als die Grenze zwischen westlicher Zivilisation und östlicher Barbarei. Schon 1946 warnte er, „Asien steht an der Elbe“, eine Formulierung, die mit bekannten, xenophoben Assoziationen der Sowjetunion gegenüber spielte (Adenauer 1946). Adenauer erklärte, „die Bundesrepublik ist von dem aggressiven Imperialismus Sowjetrusslands bedroht“ und vertrat die Meinung, die Sowjetunion werde einfach den Rest Europas überrennen, sollte sie zum Rhein vorstoßen (Adenauer 1949) und damit die Vereinigten Staaten aus Westeuropa hinaustreiben (Adenauer 1951). Angesichts der westdeutschen ideologischen Kompatibilität im Kampf der Westalliierten gegen die UdSSR und der strategischen Position, die die Bundesrepublik in Mitteleuropa einnahm, durfte Adenauers Bundesrepublik 1955 dem Nordatlantikpakt (NATO) beitreten.

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Abb. 1.1 Wahlplakat der CDU (1949). Abb. 1.2 Konrad Adenauer bei einem Besuch in den Vereinigten Staaten (1961).

Abb. 1.3 Parade taktischer Atomwaffen auf dem Nürburgring (1969).

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Während Westdeutschland sich in eine Militärallianz integrierte, die sich auf einen Krieg mit der Sowjetunion vorbereitete, hatte es ein Interesse daran, den Ausbruch eines solchen Krieges zu verhindern. Ein dritter Weltkrieg hätte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Atomkrieg entwickelt und hätte das zweite Mal innerhalb weniger Jahre die völlige Zerstörung des Landes bedeutet. Als halbsouveräner Staat an vorderster Front waren die strategischen Möglichkeiten Westdeutschlands naturgemäß begrenzt. Anstatt sich auf das Experiment einer Neutralitätspolitik einzulassen, waren die frühen, CDU-geführten Bundesregierungen überzeugt, man könne die Unabhängigkeit von der Sowjetunion nur durch die Anbindung an den Nordatlantikpakt und dessen Politik atomarer Abschreckung garantieren. Tatsächlich lehnte Adenauer mehrfach die Idee einer deutschen Neutralität mit dem Argument ab, „[i]n einem großen Atomkrieg würden die radioaktiven Wolken, vom Winde, den wir doch wahrhaftig nicht aufhalten können, getrieben, auch über ein neutralisiertes oder sich für neutral erklärendes Deutschland hinweggehen“ (Adenauer 1957). Die Regierung in Bonn, der neuen westdeutschen Hauptstadt, stand daher hinter der atomaren Aufrüstung der NATO-Staaten, denn die Irrationalität eines Atomkrieges schien die einzige Chance, einen konventionellen Krieg auf ‚deutschem Boden‘ zu verhindern. Deshalb setzte sich Bonn nach dem Beitritt zur NATO 1955 für eine kompromisslose Politik nuklearer Abschreckung ein. Der junge halbsouveräne Staat war sogar bereit, sein eigenes Atomwaffenprogramm zu entwickeln, wurde aber frühzeitig gezwungen, auf alle Ambitionen zu verzichten, atomare, biologische oder chemische Waffen zu erwerben. Zu brisant war die Vorstellung, Bonn könne erreichen, woran das Dritte Reich gescheitert war. Allerdings entwickelte der Nordatlantikpakt schon bald einen Kompromiss in Form des Konzeptes der nuklearen Teilhabe, der es Nicht-Nuklearmächten wie Deutschland ermöglichte, sich im Sinne der nuklearen Planung an der Stationierung und dem Einsatz von Atomwaffen zu beteiligen. In der Konsequenz konnten die Westdeutschen einen nuklearen Status so zumindest simulieren. In gewisser Hinsicht erlaubte diese Politik Bonn die Teilhabe lediglich an dem, was im Grunde bereits begonnen hatte, nämlich der Aufrüstung des westdeutschen Staatsgebietes mit US-amerikanischen taktischen Atomwaffen. Solche Kurzstreckenraketen und -bomben waren vor allen Dingen für den Einsatz in der Schlacht entwickelt worden und erbrachten deshalb eine geringe Zerstörungsleistung als sogenannte strategische

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Atomwaffen, welche von Flugzeugen aus eingesetzt oder später von Atomwaffensilos oder Atom-U-Booten aus abgeschossen wurden und als Ziel die Vernichtung großer militärischer Anlagen oder ganzer Städte hatten. Zwar sollten taktische Nuklearwaffen die militärische Schwäche der westeuropäischen Länder bei den konventionellen Waffen gegenüber der Sowjetarmee ausgleichen, ihr „tatsächlicher militärischer Wert konnte jedoch nie überzeugend dargelegt“ werden (Freedman 2013: 171). Bedenkt man, dass taktische Atomwaffen häufig mobil eingesetzt werden konnten, so waren sie einem feindlichen Angriff viel weniger ausgesetzt als unbewegliche Atomraketensilos. Damit waren sie in ihrer tatsächlichen Wirkung nur schwer einzuschätzen, konnten aber einen konventionellen Krieg eskalieren lassen und ihn in ein nukleares Armageddon verwandeln. Seit ihrem Beginn in den 50er Jahren war die Stationierung von Atomwaffen bei der politischen Führung in Bonn auf wenig Widerstand gestoßen. Um jedoch einen Konsens innerhalb der Bevölkerung zu erreichen, musste die Regierung die Gefährlichkeit dieser neuen Waffensysteme verharmlosen. So erklärte Bundeskanzler Adenauer 1957, „die taktischen Atomwaffen sind im Grunde nichts anderes als eine Weiterentwicklung der Artillerie“ (Der Spiegel 1957a). Von Historikern wurde in den späten 80er Jahren darauf hingewiesen, dass man den an der Grenze zum Warschauer Pakt stationierten deutschen Bundeswehrsoldaten „die Aufgabe, einen sowjetischen Angriff so lange aufzuhalten, bis die NATO ihre Atomsprengköpfe über ihnen zur Explosion bringen konnte“, gegeben und sie so „in einem zukünftigen Krieg zum Kanonenfutter degradiert“ habe (Cioc 1988: 9). Früh in den 80er Jahren argumentierte die wachsende Anti-Atomwaffen-Bewegung, dass die Erstschlagsdoktrin der NATO zerstören würde, was sie schützen solle und so „in Europa zur Zerstörung dessen, was verteidigt werden soll“, führe (Afheldt 1983: 13). Diese selbstmörderische Politik beschränkte sich nicht nur auf die Bundesrepublik, wie Paul Virilio zu dem Verhältnis von modernem Krieg und modernem Staat darlegte: Als die Zerstörung eine Form der Produktion geworden ist, dehnt sich der Krieg jetzt nicht mehr nur auf die Dimension des Raumes, sondern auf die Gesamtheit der Realität aus. Die militärische Auseinandersetzung hat keine Grenzen und folglich kein Ziel. Sie wird nicht mehr enden, und im Jahre 1945 wird die nukleare Situation ihn perpetuieren: Der Staat ist selbstmörderisch geworden. (V irilio (1975[2011]): 101)

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Wenn wir diese paradox suizidale Politik verstehen wollen, die sich im Westdeutschland der 50er Jahre herauskristallisiert hatte  – allerdings auch zu einem gewissen Grade den Kalten Krieg generell charakterisierte –, dann müssen wir Virilios Statement vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Debatte zur Biopolitik sehen. So legt Michel Foucault dar: „Wenn der Völkermord der Traum der modernen Mächte ist, so nicht auf Grund der Wiederkehr des alten Rechts zum Töten, sondern eben weil sich die Macht auf der Ebene des Lebens, der Gattung, der Rasse und der Massenphänomene der Bevölkerung abspielt“ (Foucault (1978[1983]: 164).

B iopolitik und K alter K ri eg Getragen von seiner Rolle als Erklärungsversuch zum globalen Krieg gegen den Terror im frühen 21. Jahrhunderts, konnte sich die Biopolitik als Fokus für Debatten im Bereich der Humangeographie etablieren und hat so Untersuchungen zu so diversen Themen wie Migration, HIV, Flughäfen, Klimawandel und Nahrungsmittelversorgung inspiriert (einen Überblick bieten Rutherford und Rutherford 2013). Das Konzept der Biopolitik zielt darauf ab, die Vereinbarkeit der Förderung des Lebens mit der Proliferation des Todes und des Tötens zu erfassen. Biopolitik ist der Moment, in dem Politik an der Grenze zwischen dem Natürlichen und dem Sozialen interveniert, also am Leben selbst (Lemke 2011). Besonders die Politische Geographie hat mit ihren Untersuchungen zur Renaissance des Internierungslagers im Krieg gegen den Terror (siehe insbesondere das Gefangenenlager Guantanamo) und dem von den USA angeführten Krieg im Irak (2003-) wiederholt auf biopolitische Erklärungsansätze zurückgegriffen (Diken und Laustsen 2006; Gregory 2007; Minca 2005; 2006; 2015); dies geschah auch bezogen auf den arabisch-israelischen Konflikt (Ramadan 2009) und neue Grenzkontrollregimes nach den Anschlägen auf die USA im September 2001 (Amoore 2006; Sparke 2006; Vaughan-Williams 2015). Dadurch hat die Politische Geographie eine kraftvolle Verbindung zwischen der Biopolitik des frühen 20.  Jahrhunderts und dem gegenwärtigen Sicherheitsstaat hergestellt. Geographen haben sich üblicherweise der Biopolitik über die Werke zweier Sozialtheoretiker angenähert, über Michel Foucault und Giorgio Agamben. Foucault begann in den späten 80er Jahren zu verste-

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hen, wie das Leben selbst zum Objekt moderner Regierungsarbeit geworden war. Er erklärte, das alte Recht des Souveräns über Leben und Tod habe zunehmend einer neuen Macht Platz gemacht, der Macht das Leben zu hegen und zu verlängern bis hin zu dem Punkt, es auch aufgeben zu dürfen. In seinen Worten: „Das alte Recht, sterben zu machen und leben zu lassen“ wurde ersetzt durch „das Recht, Leben zu machen oder in den Tod zu stoßen“ (Foucault 1978[1983]: 165). Statt Biopolitik als Antwort auf und Heilmittel gegen Gewalt und Krieg verstand er Biopolitik und militärische Gewalt als kompatibel. Der Untergang niederer Lebensformen mache das Leben der Bevölkerung gesünder, so die Logik der Biopolitik. Foucault verkündete, das Prinzip „Töten um zu leben“ sei „zum Prinzip der Strategie zwischen Staaten“ geworden (ebd.: 164). In einer häufig zitierten Passage schreibt Foucault: Kriege werden nicht mehr im Namen eines Souveräns geführt, der zu verteidigen ist, sondern im Namen der Existenz aller. Man stellt ganze Völker auf, damit sie sich im Namen der Notwendigkeit ihres Lebens und Überlebens gegenseitig umbringen. Die Massaker sind vital geworden. Gerade als Verwalter des Lebens und des Überlebens, der Körper und der Rasse, haben so viele Regierungen in so vielen Kriegen so viele Menschen töten lassen. (1983: 163)

Wird diese Passage aus dem Kontext gerissen, wird jedoch oft übersehen, dass Foucault tatsächlich über den Atomkrieg sprach. Denn er fährt fort: Und in einer Rückwendung schließt sich der Kreis: je mehr Kriegstechnologie die Kriege auf den Weg zur restlosen Vernichtung geführt hat, desto stärker ist die Entscheidung zur Erklärung wie zur Beendigung eines Krieges zur nackten Überlebensfrage geworden. Die atomare Situation ist heute der Endpunkt dieses Prozesses: die Macht, eine Bevölkerung dem allgemeinen Tod auszusetzen, ist die Kehrseite der Macht, einer anderen Bevölkerung ihr Überleben zu sichern. (E bd.)

Selbst der Atomkrieg, so Foucault, werde nicht im Namen eines Souveräns geführt, sondern für das Überleben der Bevölkerung – wobei paradoxerweise dabei auch deren möglicher Untergang in Kauf genommen werde (Foucault 1976[1999]). Auf dieser geistigen Pionierleistung hat etwas später Giorgio Agamben aufgebaut, dabei aber in Abweichung von Foucault die Bio-

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politik neu auf die Fragen der Souveränität und des Rechts fokussiert. Wenn man sich mit der gleichzeitig legalen und extra-legalen Logik des Ausnahmezustands befasse, einem von Carl Schmitt (1922[2005]) übernommenen Konzept, dann, so stellt Agamben dar, konstituiere sich souveräne Macht und ihr Gegenteil, „das nackte Leben“, paradoxerweise in und durch rechtsfreie Räume. Einem bekannten Argumentationsgang folgend führt Agamben (1998) diese Schaffung nackten Lebens auf eine aus dem alten Griechenland bekannte Unterscheidung zwischen politischem (bios) und natürlichem oder nacktem Leben (zoé) zurück. Biopolitik findet sich nach Agamben in der Preisgabe der zoé, allerdings auf eine Art und Weise, durch die diese gerade durch ihre explizite Ausschließung in den souveränen Akt doch eingeschlossen wird. Diese Aufgabe nackten Lebens findet sich wieder in der Gestalt des homo sacer im römischen Recht, einem aus der menschlichen Gemeinschaft Verbannten, der nicht sinnstiftend geopfert werden könne (da er nach römischem Recht z.B. als Eidbrüchiger dem Gott gehörte, in dessen Namen er geschworen hatte) und deshalb (da vogelfrei) ungestraft getötet werden dürfe (Agamben 1998: 102). Homo sacer stellt eine Form menschlicher Existenz dar, der ihre Rechte und ihre politische Stimme genommen worden seien – ein Leben, das dem Tod ausgeliefert ist. Durch einen Prozess progressiver Normalisierung, so Agamben, habe der Ausnahmezustand die Tendenz, Demokratien in Diktaturen zu verwandeln und aus ihren Bürgern potentielle homines sacri zu machen (ebd.: 111). Diese Logik zeigt sich laut Agamben am deutlichsten in der Herrschaft des Dritten Reichs im Ermächtigungsgesetz und in dem hermetisch abgeriegelten Raum des Konzentrationslagers und des Todeslagers. In Fortführung der Ideen Agambens kleidet Minca (2005: 407) diesen Zusammenhang in die Worte, Souveränität verlange das Lager als „materiellen und kartierbaren Raum, innerhalb dessen Gewalt zum konstituierenden Element für Folterer und Opfer wird“. Demzufolge müssen die nationalsozialistischen Konzentrationslager als eng verflochten mit der nationalsozialistischen Vorstellung von einem Imperium im Osten verstanden werden. Die „Begrenzung“ des internen Raums des Lagers war laut Giaccaria and Minca (2011a: 5) die „funktionale und symbolische Gegendimension zum expansiven Wesen des deutschen Lebensraums“. Der gewaltige, offene Lebensraum verlangte in anderen Worten also nach dem engen und konzentrierten Raum des Lagers als Möglichkeit rassischer ‚Säuberung‘. Wie auch andere vor ihm (Bauman 1989) schlägt

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Agamben vor, die tödliche Kehrseite der Biopolitik (Thanatopolitik), so wie sie sich in Auschwitz darstellte, nicht als einen Störfall im Projekt der Moderne zu verstehen, sondern vielmehr als ein konstitutives, unterdrücktes Kernelement. Das Konzentrationslager sei in anderen Worten bis heute das versteckte Paradigma der westlichen Moderne (Agamben 1998: 181). Dieses pessimistische Verständnis westlicher Moderne ist allerdings nicht ohne Kritik geblieben. Ernesto Laclau hat Agamben eines „naiven Teleologismus“ beschuldigt, der das Chaos moderner Biopolitik nicht sehe und damit die Weiterentwicklung des emanzipatorischen Potentials der Moderne verhindere (Laclau 2007: 22). Noch weiter ging Mark Mazower in seiner Kritik, indem er in Frage stellte, ob Auschwitz wirklich als das Symbol des Völkermords im Zweiten Weltkrieg gesehen werden sollte. Er verweist auf den Tod von 2,1 Millionen sowjetischer Soldaten in deutschen Kriegsgefangenenlagern 1941/42, ein Geschehen, das eher als logistischer Fehler denn als Konsequenz bürokratischer und medizinischer Logik der Biopolitik geschehen sei, wie dies von Agamben dargestellt werde (Mazower 2008: 31). Dieser letzte Vorwurf verweist auf eine wesentliche Auslassung in Foucaults und Agambens ursprünglicher Theoretisierung der Biopolitik, insbesondere in der Frage nach der Bedeutung der Geopolitik, militärischer Logistik und der Einbettung des Holocaust in den totalen Krieg.3 Deren Fehlen ist besonders überraschend, wenn man bedenkt, dass der Terminus ‚Biopolitik‘ aus dem Werk des bereits erwähnten Geopolitikers Rudolf Kjellén stammt. Durch ihre Konzentration auf den Krieg gegen den Terror und die Lebensraumziele des Dritten Reiches hat die Literatur zur Biopolitik zudem, von Ausnahmen abgesehen (Collier und Lakoff 2015; Monteyne 2011),4 den Kalten Krieg übersehen. Während Geographen schon lange der Meinung waren, dass die Geopolitik des Kalten Krieges sich allmählich aus der Geopolitik des Nationalsozialismus (Ó Tuathail 1996: 87) und der Geopolitik des imperialistischen Zeitalters entwickelt habe, bedarf die Beziehung der nationalsozialistischen Biopolitik zu der des Kalten Krieges noch der genaueren Untersuchung (MacDonald 2006b). Diese Lücke in der existierenden Literatur ist überraschend, bedenkt man, dass die Epoche des Kalten Krieges die gegenwärtige politische Geographie eigentlich erst geformt hat. Tatsächlich dienten die letzten Jahre des Kalten Krieges als politischer Nährboden für die Entstehung

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der kritischen Geopolitik (critical geopolitics), also der Literatur, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Fortdauer und politische Wirkung des geopolitischen Diskurses zu untersuchen (Dalby 1988; 1990a; 1990b; Ó Tuathail und Agnew 1992; Sharp 1993). Ein besseres Verständnis dieses Schnittpunktes von Geo- und Biopolitik benötigt zwingend eine systematische Auseinandersetzung mit den Werken der Geographen, die zuerst die Theorie des Lebensraums artikulierten. Die Rolle der deutschen geopolitischen Tradition für die Entwicklung der Biopolitik wird zwar gelegentlich angesprochen (Esposito 2008: 16; Lemke 2011: 13), ist aber im Detail noch unerforscht. Als Kjellén 1920 erstmalig ein Konzept der Biopolitik entwarf, äußerte er den Wunsch, damit sowohl die physische (d.h.: natürliche) wie auch die kulturelle (d.h.: soziale) Dimension des Lebens einzufangen (Kjellén 1920: 94). Andererseits war Geopolitik für ihn die „Lehre vom Staat als geographischem Organismus oder als Phänomen im Raum“ (Kjellén 1917: 46). Von den Ursprüngen ihres Konzeptes her kann man Geo- und Biopolitik deshalb nur schwer auseinanderdividieren. Haushofer z.B. sprach in den 30er Jahren von „Blut und Boden“ als „unlösbare[r] Lebensgemeinschaft“ (Karl Haushofer 1935: 11). Diese Formulierung spielte im Nationalsozialismus bei der Definierung des Begriffs der deutschen Nation unter territorialen und rassischen Gesichtspunkten eine zentrale Rolle und ermöglichte die Vernichtung jener Ethnien, denen der Zugriff auf den Boden zu fehlen schien. Wenn wir Roberto Espositos Behauptung ernst nehmen wollen, dass der „Nationalsozialismus biopolitisch viel mit anderen Regimen gemein hat“ (Esposito 2008: 111), dann ist es also notwendig, Biopolitik von seinen intellektuellen Wurzeln her zu packen. Geopolitik und Biopolitik müssen als zwei zusammengehörige ikonische Zeichen von Machtausübung verstanden werden, die im Zentrum modernen Staatsverständnisses angesiedelt sind. Es gebe „keine Geopolitik, die nicht implizit mit Biopolitik korreliert und keine Biopolitik ohne korrespondierende Geopolitik“, lassen Dillon und Lobo-Guerrero (2008: 276) uns wissen. Stuart Elden fügt hinzu, „Geopolitik arbeitet nach ähnlichen operativen Prinzipien“ wie Biopolitik, etwa Berechnungen und Metrik, und „beide Kategorien entstanden an einem vergleichbaren historischen Augenblick, als neue Möglichkeiten, dem Land und seiner Bevölkerung zu geben, was sie brauchen, sie zu verstehen und sie zu regieren“ (Elden 2013: 49). Und tatsächlich hat sowohl die Geoals auch die Biopolitik eine dunkle Vergangenheit: Während wir hinter

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der auf den ersten Blick schützenden Logik der Biopolitik eine erheblich weniger gutartige Form der Politik finden, die darauf abzielt, als gefährlich und wertlos angesehene Formen des Lebens auszuschließen, wurde Geopolitik dazu benutzt, territoriale Expansion und Kolonialismus zu rechtfertigen. Giaccaria und Minca (2016: 3) tragen das Argument vor, es sei „schwierig, wenn nicht gar unmöglich, zwischen Leben und Raum, zwischen Biopolitik und Geopolitik zu unterscheiden, da das Dritte Reich den Begriff des Lebensraums inkorporiert habe, indem es doppelzüngig die Bedeutung der Begriffe lebendiger/vitaler Raum und Lebenswelt miteinander verschmolzen“ habe. Obwohl es Sinn ergibt, Geo- und Biopolitik als zusammengehörig zu verstehen – und es ist naturgemäß Aufgabe dieses Buches, das zu tun  – so muss doch die konzeptuelle Spannung der beiden in der bisherigen Literatur beachtet werden, eine Spannung, die diese Untersuchung überbrücken will. Während Geopolitik oft als eine Form des Wissens betrachtet wird, die in erster Linie Territorien kartographiert, wird Biopolitik oft verstanden als Regierungspolitik, die auf das Leben der Bevölkerung abzielt, es schützt oder aufgibt. Fälschlicherweise wird Geopolitik so überwiegend als außenpolitischer Diskurs verstanden, und Biopolitik verkürzt als innenpolitische Praxis. Stattdessen muss aber gesehen werden, dass Geo- und Biopolitik sich immer sowohl mit Fragen der Innen- als auch Außenpolitik befassen. Zudem begründen beide eine Lehre vom Staat als Organismus (in der Tradition der deutschen Geopolitik) und rechtfertigen zugleich auch eine Form von Herrschaft (wie etwa die deutsche Besetzung Osteuropas im Zweiten Weltkrieg oder die Politik der nuklearen Abschreckung im Kalten Krieg). Wir müssen darüber hinaus noch eine zweite Ergänzung zur gegenwärtigen Debatte um die Biopolitik vornehmen. Und zwar ist es wichtig, das Internierungslager als nur einen von einer ganzen Reihe von Räumen zu sehen, an denen sich die Linien von Geound Biopolitik kreuzen. Im Widerspruch zu Agambens Konzeption vom Lager als Metapher für die Politik der Moderne ist anzumerken, dass der Kalte Krieg nicht durch die Nutzung solcher Lager gekennzeichnet war. Natürlich gab es in den vielen Konflikten des Kalten Krieges von Korea bis Afghanistan Kriegsgefangenenlager. Aber der Kalte Krieg ließ nicht einfach das Todeslager oder die Vorstellung vom Lebensraum wieder in der Form auferstehen, wie sie im Nationalsozialismus bestanden hatten. Ein genauer Blick auf den Ort mit dem wohl ikonischsten Cha-

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rakter des Kalten Krieges zeigt allerdings einen schleichenden Gestaltwandel, denn es rührte sich etwas tief unter der Erde, dort wo die Logik des Lebensraums in Beton gegossen wurde. Um dies besser zu verstehen, muss man sich mit einer besonders eigentümlichen Form passivaggressiver Architektur befassen.

B unker und L ager Während der Ursprung des Bunkers im Kontext der Grabenkämpfe des Ersten Weltkrieges zu finden ist, trat er erst im Zweiten Weltkrieg angesichts der technischen Möglichkeiten und des politischen Willens, ganze Städte zu vernichten, in den Vordergrund. Grundlegend für jegliches Verständnis für die Raumpolitik des Bunkers ist das Werk von Paul Virilio und seiner Konzeption vom Bunker als spektakulärem, kryptischem und unsicherem Monolithen. Fasziniert von der Ästhetik des Atlantikwalls (1942-44 vom Dritten Reich erbaut) nähert sich sein bahnbrechendes Werk Bunker Archaeology (1975) dem Bunker als monolithischem Raum, der Überleben in einer Zeit des totalen Krieges versprach, einer Epoche, in der Waffen so allmächtig wurden, dass eine große Distanz zu ihnen allein keinen Schutz mehr darstellte. Virilio sieht den Bunker als einen paradoxen Raum, sicher und unsicher zugleich. Auch wenn der Atlantikwall der Vorbote des neuen Zeitalters des totalen Krieges war (1975: 45), so war er doch gleichzeitig ein Zeichen von Schwäche und imperialer Überdehnung – eine strategische Totgeburt. Aber während der Bunker für Virilio immer theatralisch ist, gebaut für den Blick von außen, für den er undurchdringlich erscheint (ebd.: 47), ist sein tatsächlicher Wert oft eher psychologisch als strategisch. Er versucht eine Identität zu schmieden, während diese Identität in Wirklichkeit bedroht ist.5 Wir haben bereits von Virilios Insistieren gehört, der Bunker sei kryptisch im Sinne eines Ortes von Schutz, Verehrung und Errettung. Es ist gerade diese subterrane Totenmesse in der Krypta, die den Bunker mit dem biopolitischen Raum des Lagers verbindet. Als unterirdische Überlebenskapsel erscheint der Bunker in dem gleichen politischen Kontext wie das Todeslager, das von Agamben als das Symbol der düsteren Kehrseite der Moderne gesehen wurde – dem totalen Krieg. Esposito erinnert uns daran, nur in einem derartigen Krieg

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könne man „mit einem therapeutischen Ziel“ töten, nämlich der „Rettung der eigenen Bevölkerung“ (Esposito 2008: 136). Eben diese Logik von Überleben und Vernichtung ist es, die den Sozialdarwinismus, die deutsche Geopolitik, den totalen Krieg und die sich ergänzenden architektonischen Räume von Bunker und Todeslager miteinander verbindet. Bei der Entwicklung des Argumentationsgangs ist es sinnvoll, Benjamin Bratton zu folgen, der in einem Vorwort zu Virilios Speed and Politics 2006 in knapper Form zu Virilios Schriften über den Bunker und Agambens Verständnis des Todeslagers darlegt, beide Räume müssten als Doppelgänger verstanden werden. Er stellt fest, beide seien „hygienisch“ und „defensiv“, aber der Bunker funktioniere als „Prophylaxe aus Beton“, während das Lager einkerkere (Bratton 2006: 19). Tatsächlich streben beide eine radikale Trennung von innen und außen an. Während der Bunker eine „architektonische Membrane gegen eine feindliche Welt“ sei, bedeute das Lager eine „Vertreibung durch Einschließung des Anderen von der Rechtsnorm“ (Bratton 2006: 19). So kehrt der Bunker die biopolitische Logik des Lagers von innen nach außen. Während die osteuropäischen Lebensräume des nationalsozialistischen Imperiums von Konzentrations- und Todeslagern durchsetzt waren, verteilten sich die unterirdischen Lebensräume der Bunker des Kalten Krieges über ein Gebiet potentieller Massenvernichtung. Virilio folgend betont Bratton die Rolle der Logistik als grundlegende sozioökonomische Vorbedingung beider Räume, „in denen der alleinige Zwang in der Vollstreckung der Befehle der Regierung gegenüber der Volksmasse besteht, die mobilisiert und statistisch erfasst werden muss“ (ebd.). Jede Untersuchung der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen dem Atombunker und dem Konzentrationslager müssen mit dem Offensichtlichen anfangen, nämlich dass der Kalte Krieg im Gegensatz zum Zweiten Weltkrieg seine Logik der Vernichtung nicht vollständig entfaltete. Bratton hat zweifellos recht, wenn er die Logistik der Machtausübung als den Kern beider Räume identifiziert. Sein Insistieren auf der Behauptung, die beiden seien „oft architektonisch identisch“ bleibt allerdings fragwürdig. So ist nur schwer nachzuvollziehen, inwiefern der Stahlbeton des Atombunkers den berüchtigten Baracken, Stacheldrahtzäunen, Wachtürmen und Krematorien von Auschwitz ähnlich sei. Außerdem scheint es problematisch, den Atombunker als passiven

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und statischen Ort zu behandeln, wie es Virilio tut, da auch der Bunker ein Ort ist, aus dem das Andere (the Other) vertrieben wird. Wie ich weiter unten im Detail darlegen werde, fand die souveräne Entscheidung über Leben und Tod im Atombunker ihren Raum und materialisierte sich in dessen Architektur. Dabei reproduzierte der geschützte Raum des Atombunkers den tödlichen Raum des Konzentrationslagers und kehrte ihn zugleich um. Während die Atomwaffenlager eindeutig Räume mit konzentrationslagerähnlicher Architektur waren, von denen aus die atomare Vernichtung rational geplant und organisiert werden konnte, so waren sie letztlich Todeslager ohne Leichen. Diese Lager waren entworfen worden, um Eindringlinge abzuweisen, nicht aber um Menschen einzusperren und vor Ort zu vernichten. Darüber hinaus kamen nur wenige Zivilisten mit diesen tödlichen Räumen in Kontakt und ihre genaue Lage war naturgemäß versteckt, wobei ihre Existenz als solche nicht geheim gehalten wurde. Das atomare Aufrüsten Westdeutschlands wurde schließlich von der Bundesrepublik gepriesen und fand auch öffentliche Unterstützung. Der Atombunker, hier als biopolitischer Doppelgänger des Atomwaffenlagers, reproduzierte nicht einfach das Konzentrationslager, sondern kehrte dessen Inneres nach außen. Solche Bunkeranlagen wurden als unterirdische Kolonien und Lebensräume gebaut mit dem Ziel, ihre privilegierte Belegschaft vor einem über der Erde tobenden atomaren Holocaust zu schützen.

H er angehensweise und S truk tur Durch die zweiseitige Annäherung an die Problematik von Geo- und Biopolitik auf der Ebene des strategischen Diskurses und des ‚built environment’ versucht dieses Buch, seinen Beitrag zu den vielen bereits existierenden und sich momentan entwickelnden Debatten über die Materialität der Geopolitik zu leisten. Während politische Geographen in den 1990er Jahren die Geopolitik, vor allem des Kalten Krieges, untersuchten, indem sie sich unter dem Banner der „kritischen Geopolitik“ auf Eliten- und populäre Diskurse konzentrierten (Dalby 1990a; Ó Tuathail & Agnew 1992; Ó Tuathail 1996; Sharp 1993; 2000b), brachte das neue Jahrtausend eine Vielzahl von Studien hervor, die über die reine Textualität der Geopolitik hinausgingen (Dittmer 2013; Müller 2008; Thrift 2000). So lenk-

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ten etwa feministische Geographen die Aufmerksamkeit auf die Körperlichkeit und Erscheinungsformen von Geopolitik im alltäglichen Leben (Dowler & Sharp 2001; s.a. Dixon 2014), während sich die Forschung zum Thema urbaner Geopolitik (urban geopolitics) zunehmend auf die Konstruktion und Destruktion der Architektur des bewaffneten Konfliktes konzentrierte (Fregonese 2012; Graham 2004a; 2010; 2016; Weizman 2007). Dadurch dass die Humangeographen sich zunehmend wieder mit Fragen der Materialität befassten, was aufgrund der Ablehnung des Historischen Materialismus und der klassischen Geopolitik lange als verpönt galt, treten nun Untersuchungen zur politischen Macht der Erde, von Wüsten (Squire 2015) und Ozeanen (Steinberg & Peters 2015) bis hin zu geologischen Kräften (Clark 2013a; 2013b) wieder in den Vordergrund. Als Folge dieser Rematerialisierung der Geopolitik rückten in den letzten Jahren Körper und Objekte anstatt von Texten und Ideen in das analytische Rampenlicht (Squire 2015: 148). Zugleich wurde die Menschheit als geologischer Akteur thematisiert (Dalby 2007: 112). Während die politische Geographie sich zunehmend von der Betrachtung politischer Grenzen entfernte und sich stattdessen der Untersuchung von Netzwerken und Entwicklungen widmete (Barry 2013a), wurde die Frage der Geopolitik systematisch auf die politische Einflussnahme nichtmenschlicher Zusammenhänge ausgeweitet (Dittmer 2013: 397). Auch wenn diese Debatten vielfach neue wertvolle Erkenntnisse und Korrekturen erbracht haben, so hat diese Herangehensweise doch die Tendenz, die ursprüngliche Thematik aus den Augen zu verlieren, insbesondere die intellektuelle Tradition der Geopolitik sowie die Frage von Krieg und Frieden. Natürlich gibt es gute Argumente dafür, dass eine zu starke Einengung des Blickwinkels auf geopolitische Traditionen und die Textanalyse problematisch bleibt, aber es sieht doch so aus, als ob viel über eine Auseinandersetzung mit den Ideen der Geopolitik des frühen 20. Jahrhunderts erreicht werden könne – denn ihre konzeptuellen Kategorien erweisen sich bei näherem Hinsehen als deutlich widerstandsfähiger als gedacht. Vielfach beginnt die Debatte über die Materialität der Geopolitik mit der Vorstellung, Geopolitik sei ein zweidimensionaler Diskurs, ohne Blick für die vertikale Dimension von Macht und die Frage, wie staatliche Autorität von oben ausgeübt wird (Elden 2013; Graham 2004a; 2016). Ganz ähnlich wurde argumentiert, die der Geopolitik inhärente geographische Abstraktion habe ein mangelndes Interesse an der baulichen Infrastruk-

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tur bewiesen, die doch erst den Staat und die moderne Kriegsführung ermöglichen. Ausgelöst wurde diese Debatte durch Eyal Weizman, der die Meinung vertrat, Geopolitik ignoriert die vertikale Dimension weitgehend und tendiert dazu, über die Landschaft hinwegzusehen, statt Einschnitte vorzunehmen. Dies ist die kartographische Vorstellung als Folge des militärischen und politisch-räumlichen Denkens des modernen Staates. Da Politik und Gesetz den Raum nur unter den Begriffen der Landkarte und des Stadtplans begreifen, werden auf Karten abgesteckte Besitzansprüche automatisch gleichzeitig als über und unter der Erde gültig begriffen. (W eizman 2002: 2)

Natürlich stimmt es, dass Geopolitik tendenziell die Welt zweidimensional versteht: Entweder werden Dinge kartographisch dargestellt, die in Wirklichkeit unter der Erde liegen bzw. in ihrer Atmosphäre, oder aber sie werden völlig ignoriert. Wir werden jedoch sehen, dass hohe deutsche Bundeswehroffiziere und Beamte aus dem Bereich der Zivilverteidigung dieses Problem in ihren Schriften bereits in den 50er Jahren bei der Gegenüberstellung ihrer geopolitischen Karten und ihrer Baupläne berücksichtigt hatten. Es war gerade die Unmöglichkeit territorialer Eroberungen und die zerstörerische Kraft des Atomkrieges, die diese neue Generation von deutschen Geopolitikern dazu brachte, Lebensraum in der dritten Dimension zu suchen. Interessanterweise erfährt die Forschung zum Kalten Krieg ebenfalls eine „materielle Wende“ (material turn). In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends klagte Rachel Woodward (2004: 5) noch zu Recht, materielle Räume der Geopolitik und des Militärs seien für Geographen nicht fassbar (Woodward 2004: 5). Während Historiker und Politikwissenschaftler die Architektur des Kalten Krieges oft einfach als Metapher für das Gleichgewicht der Kräfte verstanden hatten, kam erschwerend hinzu, dass es einfach keinen Stararchitekten, also „keinen Le Corbusier des Raketensilos“, gab (Vanderbilt 2002: 17). Als der Kalte Krieg allmählich seine Bedeutung als zentraler Bezugspunkt politischer Debatten verlor und vom Militär viele Standorte aufgegeben wurden, begannen sich Geographen und andere Sozialwissenschaftler zunehmend für die Orte zu interessieren, an denen der Konflikt materiell begreifbar war (Bartolini 2015, Bennett 2011; Davis 2008; MacDonald 2006a; 2006b; vgl. auch Woodward 2014: 46). Dies geschah zu der Zeit, in der Journalisten und Wissenschaftler aus allen möglichen

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Bereichen der Gesellschaftswissenschaften begannen, sich aktiv für militärische Räume dieser Epoche zu interessieren, angefangen von Atomwaffentestgeländen, Abhörstationen bis zu Raketensilos und unterirdischen Schutzräumen (Bennett 2017; Cocroft et al. 2005; Masco 2009; Monteyne 2011; Vanderbilt 2002; Wills 2001).6 Während diese Studien uns faszinierende Einblicke in das Alltagsleben und das Kulturerbe von Atombunkern und Raketensilos gestatten, gibt es in diesem Bereich aber durchaus noch Forschungslücken, von denen dieses Buch einige zu füllen sucht. Zum einen zeigt die bisherige angloamerikanische Forschung einen regionalen Schwerpunkt auf Nordamerika, der das militärische Gelände Kontinentaleuropas weitgehend außer Betracht lässt. So wird z.B. die verbunkerte Gesellschaft des Kalten Krieges zu einer Reinkarnation des amerikanischen Wilden Westens (Heefner 2012; Masco 2009) oder des US-amerikanischen Konsumkapitalismus (Wills 2018; vgl auch Marcuse 1964[1999]: 93). In der zeitgenössischen Vorstellung erscheinen Bunker so als „großzügig angelegte und geradezu lächerlich gut ausgestattete Spielzimmer mit künstlichem Sonnenlicht und hochmodernen Unterhaltungssystemen, in denen man jahrelang hätte überleben können“ (Vanderbilt 2002: 110f.)  – nicht aber als geo- und biopolitische Räume. Darüber hinaus hat diese Literatur zwar die Aufmerksamkeit auf das außergewöhnliche und zugleich alltägliche Erscheinungsbild der Architektur des Kalten Krieges gerichtet, die Erkenntnisse über die Biopolitik bleiben allerdings noch systematisch aufzuarbeiten. Da die Architektur des Kalten Krieges aber so oft als „amüsante“ Kuriosität dargestellt wird (Rose 2001: 12), sind die aus dem Nationalsozialismus mit seiner aggressiven Architektur herrührenden historischen Kontinuitäten bis jetzt noch nicht in den Blick genommen worden. Mit einer Geopolitik im Geiste des material turn, die aber ihr Interesse an den intellektuellen Diskursen nicht verliert, hoffe ich zeigen zu können, auf welche Weise und wie eng geopolitische Raumvorstellungen im Kalten Krieg mit architektonischen Raumkonzepten verbunden waren. Das Ziel ist, „die verdrängten Räume der nuklearen Moderne“ zu untersuchen, d.h. „die innere, gesellschaftliche Logik, die wissenschaftstechnischen Vorgehensweisen und die Auswirkungen der institutionellen Strukturen, die durch diese nationale Fixierung auf die Vernichtung unsichtbar geworden waren“ (Masco 2006: 4). Ich bin also an dem Verhältnis zwischen Diskurs und Gebäude interessiert (Hirst 2005: 158). Ähnlich wie bei Foucault bietet dies eine „Verbindung zu einer diskursiven For-

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mation, zu den institutionellen Vorbedingungen, unter denen sie in die Praxis umgesetzt wurden, und zu den Auswirkungen dieser Praktiken“ (ebd.). Dazu muss man in den Blick nehmen, „wie Soldaten und Zivilisten innerhalb von Symbolen stehen, es geht also nicht einfach nur darum, über Gebäude im Krieg zu schreiben oder zu sprechen, sondern darüber, was sie symbolisieren und was durch diese Gebäude ausgedrückt wird“ (ebd.: 192). Dabei ist das Ziel nicht, die Frage der Materialität auf ihre semiotische Dimension zu reduzieren. Dieses Buch ist nicht einfach an der Frage interessiert, wie Material (Stahl, Uran usw.) politisch instrumentalisiert wurde, sondern auch wie z.B. gegossener Beton oder NATODraht ein Eigenleben zu führen begannen und sich dabei manchmal sogar den Zielen widersetzten, für die sie gedacht waren. So werden wir sehen, wie das Problem der Entsorgung menschlicher Fäkalien aus dem westdeutschen Regierungsbunker eine außergewöhnliche rechtlich-geographische Lösung erhielt oder wie die nicht geheim zu haltenden gewaltigen militarisierte Landschaften des Kalten Krieges in den 80er Jahren Atomwaffengegner anzogen. Aber ich möchte gleichzeitig klarstellen, dass dieses Buch nicht primär versucht, eine Geschichte der Wirkung des Materiellen zu schreiben. Es gibt nur wenig, was darauf hindeutet, dass die Wiederbelebung der Geo- und der Biopolitik seine Gründe in rein materiellen Prozessen hatte. Es ist vielmehr die Verflechtung von Politik und Technologie, Materiellem und Ideen, die in dieser Studie untersucht wird. Dem Thema der Beziehung von Diskurs und Materiellem nähert sie sich über drei Argumentationsgänge: Inversion, Zeitlichkeit und Spiel. Zuerst einmal haben geo- und biopolitische Vorstellungen von Vernichtung und nationalem Überleben den Untergang des Faschismus nicht nur dadurch überlebt, dass sie einfach in den Untergrund gingen, wo die Infrastruktur gegen Schockwellen und Strahlung abgesichert war, sondern durch eine architektonische Umkehrung. Während die taktischen Atomraketenlager vor der Aufgabe standen, Massenvernichtung rational zu erklären und zu ermöglichen, diente der Atombunker dazu, fragile menschliche Körper vor eben diesen Vernichtungswaffen zu schützen. Während erstere, wie wir sehen werden, als Raum der Selbstvernichtung geschaffen wurden, diente das zweite als invertiertes Lager, das seinen engen Lebensraum vor dem nuklearen Holocaust draußen zu bewahren suchte. Beide Räume wurden letztlich von innen nach außen gekehrt und verschleierten dadurch ihre architektonische Herkunft. Ähnliche Inversionen geopolitischer Konzepte finden sich auch auf intellektuelleren

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Ebenen, wie wir sehen werden. Die zweite Methode, mit der das Buch den theoretischen Diskurs und das Materielle zu verbinden sucht, ist die Chronopolitik, die Politik der Zeit (Klinke 2013). So ist es von zentraler Wichtigkeit, die zeitlichen Beziehungen zu erfassen, die sich in den Anlagen des Kalten Krieges im Sinne von „Zeitkapseln“ wiederfinden, Logiken von „Post-Apokalypse“ und Antizipation, also wie diese Eisenbetonstrukturen sich ihrer eigenen Zerstörung wider- aber auch mit ihr auseinandersetzen wollten. So fand letztlich ein zyklisches Verständnis von Weltpolitik, das vom Aufstieg und Fall von Völkern ausgeht, seinen Ausdruck in der Vorstellung einer nuklearen ‚Ruinenlandschaft‘, ein Terminus, der sich schon bei Ratzel findet. Mit einem dritten Leitmotiv wird dieses Buch versuchen, über eine Auseinandersetzung mit aktuellen Untersuchungen zur „ludischen Geopolitik“ (ludic geopolitics) (Carter, Kirby & Woodyer 2015; MacDonald 2008) eine Verbindung zwischen den Bauten des Kalten Krieges und den sie stützenden strategischen Narrativen herzustellen; denn Atombunker und Raketenstützpunkte existierten nicht nur in passivem Wartezustand, sondern wurden oft spielerisch zur Vorbereitung eines Kriegs genutzt, der dann nie stattfand. Dadurch will diese Studie der Bedeutung von Untersuchungen Rechnung tragen, die sich mit der „Geopolitik des Alltages“ (everyday geopolitics) befassen, auch wenn es sich bei den Akteuren oft um Eliten handelte (Dittmer und Gray 2010; Pain und Smith 2008; Thrift 2000). Eine wichtige Rolle in der Diskussion spielt eine Reihe von NATO-Manövern, die in den 60er, 70er und 80er Jahren mit dem deutschen Trauma vom Urbizid und dem Überleben im Bunker spielten. Durch die Interpretation dieser letztlich kaum spielbaren Spiele wird eine Antwort auf die Frage möglich, warum sich die Bundesrepublik, die sich selbst immer wieder als ein Staat konstruierte, der mit seiner Vergangenheit gebrochen habe, in anderer Hinsicht mit solchem Nachdruck seine historischen Fehler zu wiederholen suchte – oder, um die Fragestellung im Freud’schen Register umzuformulieren  – warum wiederholten die deutschen Eliten zwanghaft das Trauma geo- und biopolitischer Annihilation? Das methodische Vorgehen dieser Studie baut auf einer Kombination von Archivforschung und Ideengeschichte auf und bezieht zudem die Analyse von Medientexten und Internetquellen mit ein. Der größte Teil des verwerteten Archivmaterials aus den 50er und 60er Jahren stammt aus freigegebenen Akten des Bundesarchivs in Koblenz und des Militär-

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archivs des Bundes in Freiburg. Ich habe weiterhin auf eine Reihe von Onlinearchiven zurückgegriffen, wie z.B. das des Deutschen Bundestages und des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Angesichts der hohen Geheimhaltung während des Kalten Krieges ist die Quellenanalyse notwendigerweise auf das von der Bundesrepublik freigegebene Material angewiesen. Da viele der Akten zu Atomwaffen und Atombunkern zeitnah vernichtet wurden oder bis heute der Geheimhaltung unterliegen, habe ich zudem auf Unterlagen der Stasi in der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Aufzeichnungen in Berlin und des Militärarchivs in Freiburg zurückgegriffen. Die Untersuchung bietet außerdem eine qualitative Untersuchung west- und ostdeutscher Tageszeitungen, Wochenschriften und Magazine und einer Reihe informeller Veröffentlichungen, etwa der Flugschriften der Anti-Atomkraft-Bewegung. Darüber hinaus berücksichtigt die Studie auch eigenes photographisches Material, aufgenommen auf Feldexkursionen zu den entsprechenden Anlagen. Diese Aufnahmen werden durchgehend historischen Aufnahmen aus den Bundesarchiven gegenübergestellt. Ziel ist dabei nicht einfach, diese Landschaften des Kalten Krieges zum Leben zu erwecken, sondern vielmehr zu zeigen, wie die architektonische Form der Anlagen, die für dieses atomare Gelände gebaut worden waren, ältere Versuche herauf beschwören, eine Gesellschaft entlang der Prinzipien von Überleben und Vernichtung zu organisieren. Das Buch ist in sieben Kapitel unterteilt. In diesem einführenden Kapitel wurde die zentrale These vorgestellt; im nächsten werden kontextabhängig die Gründe für die Überschneidung von Geo- und Biopolitik untersucht, beide auf der Ebene sowohl des wissenschaftlichen Diskurses als auch der Architektur von vor 1945. In vier empirischen Kapiteln wird anschließend nacheinander die Renaissance der Geopolitik in der Nachkriegszeit, die Geburt des Atombunkers, das Denken hinter dem Bau der Anlagen zur Stationierung taktischer Atomwaffen und zuletzt die Praxis atomarer Kriegsspiele diskutiert. Das abschließende Kapitel umreißt dann die weiteren theoretischen und politischen Implikationen der Studie und stellt die Frage nach dem Wesen der geopolitischen Ruinen des Kalten Krieges. Das zweite Kapitel legt die historischen und konzeptuellen Grundlagen für die Diskussion in den folgenden Kapiteln. Es beginnt damit, die Faszination der deutschen Geopolitik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts für die Frage des politischen Raumes und des politischen Lebens

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zutage zu fördern. Dafür kehre ich zu den grundlegenden Arbeiten von Friedrich Ratzel, Rudolf Kjellén, Karl Haushofer und anderen zurück, die der deutschen Geopolitik nahestanden, um zu zeigen, dass diese Theoretiker des Lebensraums nicht nur von der Vitalität und dem Wachstum des Volkes gebannt waren, sondern auch von dessen Untergang, von Aussterben und Ausrottung. Dies dient als Nachweis, dass sich in der Vorstellung vom Lebensraum bereits die Saat der Thanatopolitik, also der Politik des Todes, finden lässt, verstanden sowohl als Ästhetisierung des Todes als auch als wissenschaftliche Grundlage für eine Politik des Überlebens und der Ausrottung. Die zweite Hälfte des Kapitels befasst sich näher mit dem ersten Versuch, ein derartiges Programm vom völkischen Überleben und der Vernichtung in die Praxis umzusetzen, der Eroberung von Lebensraum in Osteuropa durch das Dritte Reich. Dabei berücksichtige ich vor allen Dingen Bunker und Lager als die beiden archetypischen Räume, durch die dieses Projekt umgesetzt werden sollte. Diese Erörterung legt Wege und Begrifflichkeiten nahe, mit deren Hilfe wir auch die Logik des Kalten Krieges verstehen könnten. Das dritte Kapitel soll verdeutlichen, was in Deutschland nach 1945 mit der Politik des Raumes geschehen ist. Obwohl die Terminologie der Geopolitik in den 50er und 60er Jahren weitgehend aus der öffentlichen Diskussion verbannt war, führte die Sorge um Grenzen, um nationales Überleben, um Autarkie und Lebensraum in der Vorbereitung auf einen dritten Weltkrieg zu ihrer Wiederbelebung. Diese Wiederkehr der Geopolitik geschah zunächst auf den Seiten der wiedergeborenen Zeitschrift für Geopolitik. Entscheidend war aber, dass geopolitisch eingefärbte Raumkonzepte bei hohen Militärs und bei leitenden Beamten der Zivilverteidigung erneut Fuß fassen konnten, wenn auch nicht in akademischen Kreisen. Durch die Berücksichtigung geopolitischer Schriften aus den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg untersuche ich die Arbeiten einer Reihe von „Intellektuellen der Staatskunst“ (intellectuals of statecraft) (Ó Tuathail und Agnew 1992), wobei der Schwerpunkt auf Schriften liegt, die bisher noch nicht näher untersucht worden sind. Dabei kann festgestellt werden, dass in Westdeutschland geopolitische Ideen nicht nur weiterhin veröffentlicht wurden, sondern dass sie darüber hinaus von Vertretern des Staates gefördert wurden, die 1955 mit dem Auf bau der zukünftigen Bundeswehr und der Vorbereitung auf einen Atomkrieg befasst waren. Männer wie Heinz Guderian, Friedrich Ruge und Erich Hampe hatten bestimmenden Einfluss auf die strategische Ausrichtung der neuen Armee und des

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Zivilschutzes und damit insgesamt auf die noch junge Bundesrepublik. Wie schon die Geopolitiker der Zwischenkriegszeit befassten sich diese politischen Akteure mit der Dynamik von Land- und Seemacht sowie mit Westdeutschlands ungünstiger Mittellage in Europa. Deutschlands Grenzen blieben ein Hauptanliegen, auch wenn man das Ziel territorialer Expansion aufgegeben hatte. Interessanterweise verstanden diese neuen Geopolitiker den Staat weiterhin als einen Organismus im Kampf um Lebensraum. Aber Lebensraum wurde jetzt nicht mehr primär territorial verstanden, sondern als eine Frage der Architektur. Um Deutschlands Überleben im Zeitalter des Atomkrieges zu sichern, musste der Lebensraum im Untergrund gesucht werden. In Weiterführung von Kapitel 3 wird in Kapitel 4 die Erkundung des Atombunkers vertieft, eines Lebensraums, der wie wenige andere die Idee geopolitischer Autarkie verkörpert. Das Kapitel beginnt mit der Untersuchung der Bedeutung des Bunkers im Rahmen des Zivilschutzprogramms der Bundesrepublik. Anschließend konzentriert es sich auf die verblüffende Geschichte eines aufgegebenen Eisenbahntunnels, der zu Beginn der 40er Jahre als Arbeitslager genutzt wurde, um dann ein Jahrzehnt später als westdeutscher Regierungsbunker seine Wiedergeburt zu erleben. Bei dem Versuch, diesen Bunker zu sezieren, wird in diesem Kapitel der politisch-rechtliche Kontext der Entstehung dieses Bunkers erkundet, seine sicherheitstechnischen Besonderheiten und die Organisation des Lebens im Untergrund. Eine Diskussion der legalen (Notstandsgesetze der Bundesrepublik Deutschland) und technischen (Dekontaminierungs- und Verteidigungsanlagen) Rahmenbedingungen untermauert die These, dass es die Aufgabe des Bunkers war, einen konzentrierten Lebensraum vor einem nuklearen Holocaust zu bewahren. Während der Regierungsbunker dazu diente, menschliches Leben in einem Konflikt zu schützen, der drohte, das ganze Leben auf der Erde zu vernichten, bot er der Bevölkerung praktisch keinen Schutz. Stattdessen diente er als eine Art Mausoleum für den Staat im Kalten Krieg. Kapitel 5 geht dann von Schutzräumen über zu Vernichtungsräumen. Die Untersuchung zur aktiven Partizipation der Bundesrepublik Deutschland an einem Atomkrieg beginnt damit, das NATO-Konzept der nuklearen Teilhabe genauer zu sichten. Näher untersucht werden anschließend die damals geführten Diskussionen in Öffentlichkeit und Verwaltung zum Auf bau und zur Instandhaltung taktischer Nuklearwaffen, deren Reichweite so gering war, dass sie nur auf dem Gebiet

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der Bundesrepublik eingesetzt werden konnten. Im Falle eines Atomkrieges mit dem Warschauer Pakt wären bei dem Einsatz dieser Waffen große Teile der westdeutschen Bevölkerung geopfert worden, was als biopolitische „Immunisierungslogik“ par excellence interpretiert werden muss (Esposito 2008). Das Kapitel befasst sich also sowohl damit, wie diese Anlagen intern und öffentlich legitimiert wurden, als auch wie sie materiell funktionierten. Es untersucht weiterhin, wie das Atomraketenlager die Logik des Raumes im Todeslager widerspiegelte – dieser ikonischen Ausprägung des architektonischen Raumes am Schnittpunkt nationalsozialistischer Geo- und Biopolitik. Denn solche Sondermunitionslager, von denen ausgehend Vernichtung nicht nur möglich gemacht wurde, sondern sogar rational erschien, waren Räume des Ausnahmezustands. Ermöglicht und geführt wurden diese Lager von einer hochkarätigen, aber manchmal sehr banalen Form souveräner Macht, die obsessiv der Schaffung und Befestigung hermetisch abgeschirmter Räume verpflichtet war. Das Kapitel schließt mit der Erkenntnis, dass das taktische Atomraketenlager Espositos biopolitisches Paradigma der Immunisierung auf den Fluchtpunkt bringt  – den Punkt nationaler Selbstvernichtung und möglicherweise auch der Vernichtung des Lebens auf der Erde. Bei dem Versuch, das Atomraketenlager und den Atombunker der Regierung in eine Beziehung zueinander zu setzen, legt Kapitel 6 den Schwerpunkt der Untersuchung auf eine Reihe von NATO-Manövern, die zwischen 1966 und 1989 auch als Übungen für den Fall eines Atomkriegs von der Bundesregierung von ihrem Führungsbunker aus durchgespielt wurden. Im Anschluss an eine generelle Erörterung von Zivilschutzübungen und anderen militärischen Kriegsspielen wird Fallex 66, ein NATO-Manöver aus dem Jahre 1966, genauer untersucht. Bei dieser Übung simulierte die Bonner Republik eigene, höchst umstrittene Atomschläge auf westdeutsches Gebiet und spielte auch die anschließend notwendige Wiederherstellung der Gefechtsbereitschaft der eigenen Truppen nach einem Atomkrieg auf deutschem Territorium durch. Während dieses Vorgehen durchaus der Strategie der atomaren Abschreckung der NATO entsprach, wurde dieses selbstzerstörerische Manöver in Ostberlin als Ausdruck exzessiver und obszöner Freude am Untergang gedeutet. Im Sinne einer psychoanalytischen Erklärung werden Fallex 66 und vergleichbare Übungen nicht als einfache Umsetzung der Politik des Kalten Krieges verstanden, sondern als „Fort-Da-Spiel“ im Sinne Sigmund

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Freuds, also als ein traumatisches Wiederdurchspielen, das passenderweise in dem unterirdischen Raum eines deutschen Bunkers stattfand.

E ndnoten 1 | Während frühere Diskussionen sich insbesondere auf das Werk und den Einfluss von Friedrich Ratzel und Karl Haushofer konzentrieren, (Bassin 1987a; 1987b; Heske 1986; 1987; Kost 1989; Smith 1980), beschäftigt sich die neuere Forschung mit der Rolle von Carl Schmitt und seinen geopolitischen Schriften (Barnes und Minca 2013; Elden 2010; Legg 2011; Minca und Rowan 2014; 2015a; 2015b). 2  | Diese Sichtweisen führten dazu, dass in den Jahren nach der Jahrtausendwende von einer „Renaissance“ der deutschen Geopolitik in Deutschland gesprochen wurde (Bassin 2003; Behnke 2006). 3  | Zu einer Diskussion über das Schweigen zum Einsatz von Gewalt im Kolonialismus bei Agamben siehe auch die von Svirsky und Bignall (2012) herausgegebene Textsammlung, insbesondere das Kapitel von Atkinson über die imperialen italienischen Kriege im heutigen Libyen. 4 | Monteyne (2011) hat die wohl umfassendste Studie über Atombunker geschrieben. Ausgehend von der wissenschaftlichen Disziplin der Architekturgeschichte konzentriert sie sich auf die Zivilverteidigung, geht aber nur am Rande auf das Thema Biopolitik ein, ohne dabei die Beziehung zur Überlebens- und Vernichtungspolitik des Dritten Reiches herzustellen. Hornblum et al. (2013) decken die medizinischen Experimente an Kindern im Kalten Krieg auf, die von einer Verbindung von US-Wissenschaftlern, pharmazeutischen Konzernen und dem US-Militär durchgeführt wurden. Dabei kommen sie einer Studie über die Biopolitik des Kalten Krieges wohl am nächsten, in der eine Verbindung zur medizinischen Logik nationalsozialistischer Biopolitik gezogen werden könnte. 5 | Während Virilios fruchtbare Schriften Generationen von Denkern inspiriert haben, müssen sie doch mit der notwendigen kritischen Distanz gesehen werden, sind sie doch selbst geprägt von geopolitischem (Luke und Ó Tuathail 2000: 364) und Bunkerdenken (Gane 1999: 100). Darüber hinaus hat Virilios Überzeugung, Bunker seien monolithisch, seine Grenzen, wenn verschiedene Schichten geopolitischer Sedimente in der Biographie verschiedener Bunker betrachtet werden (Hirst 2005: 213). 6  | Für einen systematischen Ansatz, die urbane Geopolitik des Kalten Krieges zu überdenken, siehe Farish und Monteyne (2015).

Kapitel 2 – Die Kehrseite des Lebensraums Wie wenige, die gedankenlos den gedankenschweren Dreiklang ‚Blut und Boden‘ aussprechen, sind sich darüber klar, daß in diesem Fall die bescheidene Silbe ‚und‘, so oft gleichgültig zum Aneinanderreihen verwendet, eine unlösbare Lebensgemeinschaft bedeutet. K arl H aushofer 1935

D ie V erteidigung des R aums 1951 veröffentlichte der frühere Wehrmachtsgeneral Heinz Guderian eine kurze Broschüre, in der er sich daran machte, Deutschlands Schicksal im frühen Kalten Krieg zu diskutieren. Schon der Titel „So geht es nicht! Ein Beitrag zur Frage der Haltung Westdeutschlands“ (1951) verrät angesichts der deutschen Nachkriegspolitik seine für weite Teile der deutschen militärischen Elite typische Frustration. Immerhin hatte Deutschland innerhalb von kaum dreißig Jahren zwei Weltkriege verloren. Guderians geopolitischer Ansatz springt sofort ins Auge, denn er will „eine Betrachtung der politischen Geographie unseres kleinen Erdteils“ (Guderian 1951a: 34) schreiben. Beginnen wir in Mitteleuropa, so sehen wir unser Vaterland verstümmelt, seiner großen Agrargebiete beraubt, den Rest in zwei Teile zerspalten, die Reichshauptstadt Berlin geteilt, ihr westlicher Sektor mitten in der Sowjetzone, die deutschen Mittelgebirge von Bedeutung, die großen Flüsse mit Ausnahme des Rheins in der Sowjetzone. (E bd.)

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Selbstverständlich war Guderian auf dem Gebiet der Geopolitik kein Anfänger. Er war nicht nur einer der Pioniere der Blitzkrieg-Taktik, sondern er hatte auch eine zentrale Rolle bei den Bemühungen des Dritten Reichs gespielt, Lebensraum im Osten zu erobern. Es waren seine Truppen gewesen, die 1941/42 beim Vorstoß auf Moskau vor der Einnahme der Stadt liegen geblieben waren. Bereits 1937 hatte er geschrieben: Wir leben in einer vom Lärm der Waffen hallenden Welt. Aufrüstung allerwärts, und wehe dem Land, das nicht imstande oder gewillt ist, sich auf eigene Kraft zu verlassen. Wie glücklich sind diejenigen Völker vom Schicksal ausgestattet, deren Grenzen durch eine freundliche Natur stark, die durch hohe unwegsame Gebirgszüge oder durch weite Meere vor feindlichen Einbrüchen ganz oder wenigstens teilweise geschützt sind. Wie unsicher andrerseits ist das Leben von Völkern, deren oft an sich schon kleiner Lebensraum vorwiegend offene Grenzen aufweist, an denen Nachbarn hausen, deren unruhiger Charakter, verbunden mit überragender Bewaffnung eine ständige Bedrohung bedeutet. (G uderian: 1937: 9)

Sowohl vor als auch nach dem Krieg entwickelte Guderian geopolitische Vorstellungen, in denen die Bedeutung des Territoriums und der durch seine Mittellage verursachten Einschränkungen der außenpolitischen Optionen Deutschlands hervorstechen. Anders als viele andere Westdeutsche blieb der frühere Panzergeneral gegenüber den Westmächten kritisch, warf ihnen Feigheit gegenüber der Sowjetunion und den Versuch vor, Deutschland mit einer neuen Version des Versailler Vertrags bestrafen zu wollen. In eindeutig biopolitischer Diktion warnte er, „[w]enn Deutschland je wieder ein lebensfähiges Gebilde werden will, so geht das nur auf dem Weg über die Wiedervereinigung der getrennten und abgetrennten Gebiete“ (Guderian 1951a: 82f.). „Zu viele Wunden klaffen an unserem Volkskörper, als daß er in seinem jetzigen Zustand gesunden könnte.“ (Ebd.) Trotz dieser Vorwürfe war er aber grundsätzlich gegenüber der westlichen Zivilisation und der „weißen Rasse“ loyal (ebd.: 72). Auch wenn Guderian unsicher war, ob letztlich die „eurasische Mächtegruppe“ oder die „westliche“ sich im Kalten Krieg durchsetzen werde (ebd.: 26), so war er doch der Überzeugung, dass Deutschlands zentrale Lage eine sowjetische Invasion sehr wahrscheinlich mache, ganz besonders wenn die neue Regierung in Bonn eine Neutralitätspolitik verfolgen würde. Der nächste Krieg werde ein „totaler Krieg“, „nach Breite, Tiefe und Höhe des Kampfrau-

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mes und nach Ergreifung aller Beziehungen des Lebens der Menschheit“ sein (ebd.: 25). Frappierend an Guderians Pamphlet ist vielleicht weniger die geound biopolitische Natur seiner Argumentation, als vielmehr das Ausmaß, in dem er die Erde als Stätte der Sicherheit, des Überlebens und der Errettung neu verortet. Guderian kommt zu dem Schluss, dass im Atomzeitalter „die Verteidigung auf der Erde“ durch den Bau überlebenswichtiger Industrien in dezentralisierter Form und – noch wichtiger – in unterirdischer Bauweise sichergestellt werden müsse. „Kein Haus unserer Städte, keine Fabrik, kein Bahnhof oder kein sonstiges öffentliches Gebäude darf ohne ausreichenden Schutzraum gebaut werden.“ (Ebd.: 18f.) Während Guderian persönlich bei der Remilitarisierung der Bundesrepublik nur eine untergeordnete Rolle spielen konnte (er starb 1954, ein Jahr vor Gründung der Bundeswehr), so dienten seine Schriften doch dazu, die Konzeptionen der deutschen Geopolitik der 30er Jahre an den Kalten Krieg anzupassen. Wie im nächsten Kapitel aufgezeigt wird, war Guderian keinesfalls allein darin, zu dieser Renaissance geopolitischer Ideen in Westdeutschland beizutragen. Interessanterweise wurde Guderians Büchlein im Rahmen einer neuen Schriftenreihe mit dem Titel ‚Beihefte zur Geopolitik‘ veröffentlicht. Die Serie erschien im Verlag Kurt Vowinckel bei demselben Herausgeber, der auch die nun wiedergeborene Zeitschrift für Geopolitik herausgab. Auf den Seiten dieser Zeitschrift fanden sich frühere Angehörige der nationalsozialistischen militärischen Elite zu einem Versuch zusammen, den Kalten Krieg unter geopolitischen Gesichtspunkten zu verstehen. Auch andere frühere Wehrmachtsoffiziere wie Friedrich Ruge, der bald zum Leiter der neuen Bundesmarine ernannt wurde, oder Erich Hampe, der erste Präsident der Bundesanstalt für zivilen Luftschutz, äußerten sich ähnlich zur Geopolitik wie Guderian. In einem wesentlichen Unterschied zu ihrem Vorgänger war diese neue deutsche Geopolitik transatlantisch orientiert und nicht transkontinental. Sie befasste sich auch nicht mit der Eroberung neuen Lebensraums im Osten, sondern mit dem Bau von unterirdischem Lebensraum. Letztlich legitimierte die Wiedergeburt der deutschen Geopolitik die Aufstellung von Kernwaffen auf westdeutschem Gebiet und ebnete den Weg der Bundesrepublik in die NATO. Um diese bemerkenswerte Transformation einordnen zu können – und damit letztlich das Wiederauftauchen der beiden Räume, die eine Geopolitik des Überlebens und der Vernichtung verwirklichten, nämlich den Bunker und das Konzentrationslager – müssen wir

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eine Zeitreise in das späte 19. Jahrhundert unternehmen, zurück zu den Ursprüngen von Geo- und Biopolitik. Wie bereits im vorangegangenen Kapitel kurz angesprochen, war das Ziel der Geopolitik im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert, den Einfluss von Klima, Lage und Zugang zu natürlichen Ressourcen auf Aufstieg und Niedergang eines Staats zu untersuchen. Wie andere geopolitische Ansätze auch war die deutsche Geopolitik nicht als abstrakte, von der Lebenswirklichkeit abgehobene Elfenbeinturmtheorie gedacht.1 Zudem waren die deutschen Geopolitiker überzeugte Nationalisten, die ihre Theorie sowohl als deskriptiv als auch als präskriptiv verstanden. Ihr Ziel war, „Deutschland für die enormen Hindernisse in dem Kampf um den Kolonialerwerb“ zu sensibilisieren (Bassin 1987b: 480). Auch wenn für die politische Umsetzung gedacht, waren diese Theorien über den geopolitischen Raum letztlich doch zu abstrakt, als dass man sie unmittelbar als politisches Programm hätte gebrauchen können. Die Theoretiker des Lebensraums sind begrifflich in ihrer Definition dieses Terminus immer „vage“ geblieben (Murphy 1997: 245) und entwickelten auch keine konkreten Vorstellungen zur Umsetzung einer Raumpolitik. Als das Dritte Reich damit begann, seine geopolitischen Vorstellungen in praktische Politik umzusetzen, geschah dies in der Entwicklung architektonischer Formen, die diese Ideen auf einer Mikroebene verkörpern sollten. Dieses Kapitel beginnt mit der Rückkehr zu den Schlüsselfiguren der deutschen Geopolitik, um aufzuzeigen, dass bereits in ihrem Werk die Saat der Thanatopolitik, der Politik des Todes, zu finden ist, die in diesem Buch als intellektuelle Basis einer Politik von nationalem Überleben und von Vernichtung verstanden wird. Diese zugleich vitale wie morbide politische Geographie trug von Anfang an den Keim dieser räumlichen Logik in sich, welche dann in der Architektur der 40er Jahre ihren materiellen Ausdruck fand. Denn während das Dritte Reich eine ganze Sammlung geopolitisch motivierter Gebäude plante, um seinen imperialen Anspruch zu unterstreichen, lässt sich insbesondere in den einander ergänzenden architektonischen Archetypen von Bunker und Konzentrationslager der Versuch erkennen, Geo- und Biopolitik gezielt aus Beton und Eisen zu formen. In diesem Kapitel wird dieses Zusammenspiel räumlicher Ideologie und Materie gewordener Politik im Detail untersucht, und es legt damit die Grundlagen für eine angemessene Einordnung der Wiederkehr dieser räumlich-materiellen Politik im Kalten Krieg. Geo- und Biopolitik verschwanden 1945 nicht einfach, sondern nahmen lediglich eine andere Gestalt an. Sie gingen

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in den Untergrund und tauchten als die komplementären Strukturen des Atombunkers und des Atomraketensilos wieder auf.

G eopolitik und B iopolitik Wie wir gesehen haben, wird die Geschichte der deutschen Geopolitik zumeist im Sinne eines faustischen Vertrages zwischen einem deutschen Geographen und dem Dritten Reich beschrieben (Barnes & Abrahamsson 2015: 64), bei dem Ersterer sich zu eng mit der staatlichen Macht einließ. Protagonist dieser Geschichte ist Karl Haushofer, ein früherer deutscher Generalmajor, der nach dem Ersten Weltkrieg zum Wissenschaftler wurde. Ursprünglich ein Japanologe, wandte sich Haushofer nach dem Krieg globalen Themen zu und wurde das Aushängeschild einer neuen deutschen geopolitischen Denkschule. Sein Antrieb, sich zu weltpolitischen Themen zu äußern, wurde dabei vor allem in seiner Unzufriedenheit mit der europäischen Ordnung nach dem Ersten Weltkrieg begründet. Er lehnte den Versailler Vertrag ab und war der Meinung, das übervölkerte Deutschland müsse sich aus seiner beengten Mittellage befreien und zu einem machtvollen Großdeutschland werden. Auf bauend auf einer Reihe bereits vorhandener politischer Konzepte wie Lebensraum, Autarkie und der binären Verbindung von Land- und Seemacht, befasste sich Haushofer vor allem mit „Pan Ideen“ und dem, was er als Deutschlands „ungünstige Siedlungsdichte“ sah (Haushofer 1926 [1979]: 532). Haushofer wäre wahrscheinlich eine Randfigur geblieben, wäre er nicht 1924 einem damals noch recht unbekannten Politiker österreichischer Provenienz vorgestellt worden, Adolf Hitler. Vermittelt wurde die Bekanntschaft, als Hitler mit dem Schreiben seines autobiographischen Manifests Mein Kampf beschäftigt war, durch Rudolf Heß, einen von Haushofers Studenten, der 1934 Stellvertreter des Führers in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) werden sollte. Heß war es auch, der Haushofers Bekanntschaft mit dem deutschen Außenminister Joachim von Ribbentrop, mit Propagandaminister Joseph Goebbels und dem Reichsführer SS Heinrich Himmler vermittelte (Heske 1987: 143). Als Folge dieser Treffen wird Haushofer in den USA nachgesagt, er habe auf Hitlers Buch einen bestimmenden Einfluss gehabt und so der nationalsozialistischen Ideologie geopolitisches Denken eingeimpft.

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Von anderer Seite wird Haushofers Einfluss als eher marginal eingeschätzt, besonders nach Heß‘ Flug nach England, als letzterer vergeblich versuchte, Frieden ‚unter Ariern‘ auszuhandeln und deswegen im Dritten Reich als Verräter gebrandmarkt wurde. Gemeinhin gilt, dass Haushofer 1941 seinen Einfluss auf die nationalsozialistischen Eliten verloren habe (Herwig 1999: 236; vgl. auch Murphy 1997: 23).2 Einer der Gründe dafür war, dass Haushofers Theorien gegenüber der biologischen Rassentheorie des Dritten Reichs ambivalent blieben (Bassin 1987a). Folglich ist die deutsche Geopolitik des Öfteren nur bedingt als verantwortlich für die düstersten Kapitel der Geschichte des Dritten Reichs einschließlich seiner Vernichtungspolitik angesehen worden. Karl Haushofers Leben und auch sein Familienleben wendete sich nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zum Schlechteren, nachdem die Nazis ihn hatten fallen lassen. 1946 beging er Selbstmord. Während er so vielleicht den Preis für Ideen zahlen musste, die heute mit den berüchtigten Traditionen der deutschen Geopolitik verbunden werden, war es in Wirklichkeit ein anderer, der fast dreißig Jahre vor der Machtergreifung Hitlers als erster eine Theorie zur räumlichen Beziehung von Erde und Leben herstellte. Oft als Gründer der modernen politischen Geographie bezeichnet, machte der vom Zoologen zum Geographen gewandelte Friedrich Ratzel sich einen Namen, indem er eine wissenschaftliche, oder besser pseudowissenschaftliche, Theorie staatlicher Expansion entwarf, die auf Analogien zur Tier- und Pflanzenwelt auf baute. Für Ratzel waren Staaten Organismen, die heranreifen und welken konnten und in dem ‚Boden‘ verwurzelt waren, auf dem sie wuchsen. Vor dem Hintergrund sozialdarwinistischer Ideen schreibend verstand Ratzel das Verhalten von Staaten als unablässigen „Kampf ums Dasein“.3 Den andauernden Kampf ums Überleben begriff Ratzel als Kampf um Lebensraum (Murphy 1997: 8). Dieser Terminus gilt bis heute wohl als das beste Fallbeispiel für ein in Ungnade gefallenes Konzept – nicht nur in Deutschland (Abrahamsson 2013: 37). Auch wenn die Entstehungsgeschichte dieses Begriffs noch weiterhin diskutiert wird (Halas 2014; Jureit 2012: 148), so wird das Lebensraumkonzept doch überwiegend Ratzel zugeschrieben. Indem er die Entwicklung der Nationen mit nichtmenschlichem Leben verglich, wurde die Welt zu einem gewaltigen Areal von sich berührenden und überlappenden Lebensräumen. „[J]edes Lebewesen“, schrieb er, sei „an seinen Raum gebunden“ (Ratzel 1901: 146); so wurden seine Ausführungen zum Thema Lebensraum oft zu

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langen Exkursen in Zoologie und Botanik und beinhalteten Diskussionen einer Vielzahl von Lebensformen, bis hin zu Raupen und Primeln. Ratzel folgend entstand dieser Kampf um Lebensraum aus der Spannung zwischen expandierendem Leben und immer gleichbleibendem, begrenztem Raum, auf dem dieses Leben stattfand (Ratzel 1901: 153). Indem er darwinistische Ideen mit malthusianischer Besorgnis wegen drohender Übervölkerung verband, betonte er die Bedeutung großen, ausgedehnten Lebensraums. Da er Europa als übervölkert ansah, kam er zu dem Schluss, Deutschland müsse neuen Lebensraum finden. Obwohl er in der Zeit einer rasanten Industrialisierung schrieb, stellte er sich diesen Lebensraum als agrarisch vor (Smith 1980). Das wahre Potential der deutschen Nation sollte freigesetzt werden „durch eine Politik des Erwerbs und Auf baus von Kolonien, in denen wahre deutsche Kultur in einem agrarischen Umfeld wiederhergestellt und gerettet werden könnte, was im sich rasch industrialisierenden Deutschland nicht mehr möglich war“ (Bach & Peters 2002: 4). Während Ratzels Ideen anfänglich nur relativ wenig Unterstützung fanden, schoben sie sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer stärker in den Vordergrund. Zu seinen Anhängern gehörte nicht nur Karl Haushofer, sondern auch der schwedische Politikwissenschaftler Rudolf Kjellén, dem angesichts seiner großen Anhängerschaft in Deutschland im Rahmen deutscher Geopolitik gewöhnlich eine Schlüsselposition eingeräumt wird (Tunander 2001: 451). Ratzels Lebensraumvorstellung half Kjellén, seine eigene organische Staatstheorie zu entwickeln, deren Essenz die Idee war, das Politische sei eigentlich „nur die Fortführung der Natur auf einer anderen Ebene und deshalb bestimmt, die ursprünglichen Gesetze der Natur aufzunehmen und sie zu reproduzieren“ (Esposito 2008: 17). Wie Abrahamsson erkannte (2013: 40), war es Kjelléns Operationalisierung von Ratzels Ideen, die die Vorbedingungen für deren Popularisierung durch Haushofer schufen. Kjellén und Haushofer betonten beide die Rolle der Landwirtschaft in diesem Kampf der Nation um wirtschaftliche Unabhängigkeit (Herwig 1999: 226). Anstatt sich auf den Handel mit anderen zu verlassen, sollte sie lieber die eigene Wirtschaft so vernetzen, bis sie in der Lage sei, sich selbst zu versorgen. Für Kjellén war der Nationalstaat der Inbegriff von Harmonie von Land und Menschen, ein Raum, der wirtschaftliche Unabhängigkeit ermöglichte. In seinem Buch Der Staat als Lebensform argumentierte Kjellén, eine Nation müsse „wenn nötig“ in der Lage sein,

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autonom „hinter verschlossenen Türen“ zu überleben (Kjellén 1917: 162). Haushofer führte aus, dass „aus fast dreitausendjähriger weltwirtschaftlicher Erfahrung […] sich die Mahnung [herauskristallisiert], dass weltpolitische Selbstbestimmung und Krisensicherheit nur aufrechtzuerhalten ist, […] indem die Grundlagen für Selbstversorgung gewahrt bleiben.“ (Haushofer 1934a: 170) Ihren Höhepunkt erreichte die deutsche Geopolitik bei dem Philosophen und Staatsrechtler Carl Schmitt (1888-1985), der sich in den späten 30er Jahren der Geopolitik zuwandte, ohne allerdings den Terminus Geopolitik zu benutzen. Im Vergleich zu dem oft kruden Umweltdeterminismus Haushofers war Schmitt der komplexere Denker, dessen Verständnis für den politischen Raum, wie manche sagen, bereits auf den spatial turn in der kritischen Sozialwissenschaft des späten 20. Jahrhunderts hindeutete (Minca und Rowan 2015a). Obwohl kein Lebensraumtheoretiker im eigentlichen Sinn, hinterließ Schmitt der Welt geopolitische Konzepte wie z.B. eine Neubestimmung von Großraum und Nomos (Raumordnung) (Minca und Rowan 2015b: 277). In seiner Auseinandersetzung mit der Beziehung zwischen Raum und Ordnung betonte Schmitt, dass Raumrevolutionen, wie z.B. die Kreuzzüge, nicht nur die Größenvorstellungen und Horizonte von Gesellschaften beeinf lussten, sondern ihre grundlegenden Raumkonzeptionen (Schmitt 1942[2001]: 55). Es bestehe, so argumentierte Schmitt, eine Beziehung zwischen den „mannigfachen Lebensformen“ und den Unterschieden im räumlichen Bewusstsein zwischen Nationen und Individuen. Vergleichbar mit Haushofers Ambivalenz gegenüber dem biologischen Rassedenken der Nationalsozialisten war Carl Schmitts Konzept des Großraums nicht von den Vorstellungen des Dritten Reichs von Blut und Boden abgeleitet (Elden 2010: 19; vgl. auch Minca und Rowan 2015b: 277). Es gab also mit anderen Worten im Kern des geopolitischen Projektes eine seinen Einf luss im Dritten Reich behindernde Spannung zwischen Raum und Rasse (Bassin 1987a). 4 Im politischen Klima im Deutschland der Zwischenkriegszeit fand der Begriff Lebensraum seinen Widerhall: Politischer Revisionismus war populär, die imperialen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts waren kaum verschwunden (Heske 1986: 270). Schon bald hatte der Begriff seinen Weg in das nationalsozialistische Denken gefunden. Sowohl Ratzel als auch Haushofer aufnehmend, schrieb Hitler in Mein Kampf, „in der Grö-

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ße des Staates an sich“ liege schon ein „Grund zur leichteren Erhaltung der Freiheit und Unabhängigkeit eines Volkes“ (Hitler 1925[1937]: 150). In seinem posthum veröffentlichten zweiten Buch konstatierte er in unverkennbar von Ratzel geprägter Diktion: Ungezählt sind die Arten aller Lebewesen der Erde, unbegrenzt jeweils im einzelnen ihr Selbsterhaltungstrieb sowie die Sehnsucht der Forterhaltung, begrenzt hingegen der Raum, auf dem dieser gesamte Lebensprozess sich abspielt. Es ist die Oberfläche einer genau bemessenen Kugel, auf der das Ringen von Milliarden und Abermilliarden von Einzelwesen um Leben und Lebensnachfolge stattfindet. In dieser Begrenzung des Lebensraums liegt der Zwang zum Lebenskampf, im Lebenskampf dafür aber die Voraussetzung zur Entwicklung. (H itler 1928[1961]: 475

Bei seiner Einschätzung, dass die Zukunft der deutschen Bevölkerung von der Ausweitung ihres Lebensraums abhänge, schlug Hitler vor, zu einer „klaren weitschauenden Raumpolitik“ überzugehen, die „durch die Zuweisung eines genügenden Lebensraums für die nächsten 100 Jahre auch einen Lebensweg“ garantieren sollte (Hitler 1928[1961]: 163). Da dieser Raum „nur im Osten liegen“ könne, tritt bei dem Versuch, „auf dem Wege der Bildung einer ausschlaggebenden Macht zu Lande seine Interessen zu verfechten“, auch die Verpflichtung zum Auf bau einer Seemacht „in den Hintergrund“ (ebd.). Hitler teilte Haushofers Ansicht von der Vorrangigkeit der Landwirtschaft und vertrat die Meinung, dass es auf der Erde „noch Boden in ganz ungeheuren Flächen“ gebe, der noch nicht kultiviert sei und „nur des Bebauers harrt“ (Hitler (1925[1937]: 147). Weiter schrieb er, „[d]as ist Land und Boden für das Volk, das die Kraft besitzt, ihn zu nehmen, und den Fleiß, ihn zu bebauen“ (ebd.). Trotz ihrer Reputation als intellektuelle Inspiration hinter der nationalsozialistischen Eroberungspolitik wird der Einfluss der deutschen Geopolitik auf die nationalsozialistische Führung oft überwertet. Wie wir schon festgestellt haben, war sie besonders durch ihre Weigerung kompromittiert, den biologisch begründeten Rassismus des Dritten Reichs zu übernehmen. Dennoch ist es wichtig die deutsche Geopolitik richtig zu verorten. So werden die Texte von Ratzel und Haushofer zwar gemeinhin als erste Andeutung einer Politik imperialer Eroberung verstanden, nicht aber im Sinne einer Vorwegnahme des nationalsozialistischen, biopolitischen Projektes. In dieser Lesart wird Haushofer in der Gegenwartsliteratur oft als „von einem tödlichen Regime vereinnahmt“ gesehen (Barnes

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und Abrahamsson 2015: 66), aber nicht, als hätten seine Ideen bereits die tödliche Saat der Biopolitik in sich getragen. Wenn wir dieser Linie etwas vorschnell folgen, ergibt sich der Eindruck, die deutsche Geopolitik habe mit den destruktivsten Facetten des Dritten Reichs eigentlich nichts gemein. Wir dürften uns dann auch berechtigterweise fragen, ob die Platzierung von Raum über Rasse tatsächlich bedeutet, dass die deutsche Geopolitik keinerlei Beziehung zur nationalsozialistischen Biopolitik hatte, diesem Projekt, bei dem einige Formen des Lebens dem Tod ausgesetzt wurden, um das Volk als Ganzes zu schützen (Giaccaria und Minca 2016). Aber es gibt eine ganze Reihe von Gründen, das nicht so zu sehen, nicht zuletzt, weil die beiden Termini Geo- und Biopolitik zuerst in den Schriften eines Ratzelschen Denkers, nämlich Rudolf Kjelléns, nebeneinander gebraucht werden. Darüber hinaus ist es die Idee vom Staat als Organismus, die uns erklärt, wie es möglich war, dass zum Beispiel Juden und andere soziale Gruppen als „Krebsgeschwür“ im „Volkskörper“ verstanden werden konnten. Und tatsächlich schrieb Werner Daitz, ein nationalsozialistischer Wirtschaftswissenschaftler, im Jahre 1943 ein Buch unter dem Titel Lebensraum und gerechte Weltordnung: Grundlagen einer Anti-Atlantikcharta in dem Vorhaben, eine Theorie des Lebensraums zu formulieren, die im Einklang mit der nationalsozialistischen Rassentheorie stand. Die Idee, jedes Volk müsse seinen eigenen Lebensraum haben, wurde selbstverständlich dahingehend interpretiert, dass Juden ausgeschlossen seien (Daitz 1943: 22). Geopolitische Prinzipien konnten also sehr wohl an die rassisch fixierte Biopolitik der Nationalsozialisten angepasst werden. Als letzter und wichtigster Punkt: Die traditionelle deutsche Geopolitik war bei Ratzel und Haushofer nie allein mit Geburt und Wachstum einer Nation befasst, sondern auch mit ihrem Altern und Tod. Tatsächlich waren Tod, Aussterben und Vernichtung zentrale Leitmotive der deutschen Geopolitik. Biopolitik war also von Anfang an Teil des geopolitischen Diskurses. Murphy erinnert uns daran, dass in geopolitischen Schriften der Zwischenkriegszeit oft von einem „zugrunde gehenden germanischen genetischen Pool die Rede ist, der sich in einem tödlichen Kampf mit ganzen Horden fruchtbarer Slaven befinde, die immer wieder den offenen deutschen Lebensraum im Osten bedrohen“ (Murphy 1997: 36). Diesen Leitmotiven von Tod und Vernichtung wenden wir uns jetzt zu, denn sie erscheinen in den Anfangsjahren des Kalten Krieges erneut – allerdings in entstellter und verdrehter Form.

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L eben und Tod Auch wenn wir in der deutschen Geopolitik weder einen Aufruf zu einem völkermörderischen Krieg in Osteuropa finden können, noch ein Programm rassisch begründeter Vernichtung, so muss man doch sehen, dass die deutsche Geopolitik nicht losgelöst von den biopolitischen Kräften auftrat, die für die Geschichte des 20. Jahrhunderts eine so zentrale Rolle spielen würden. Die kolonialpolitischen Vorstellungen eines Friedrich Ratzel wurden zu einer Zeit entwickelt, in der das zweite deutsche Reich aktiv versuchte, in Südwestafrika Kolonien zu erwerben. Ratzel, der diese Versuche, neuen Lebensraum in Afrika zu schaffen, mit Nachdruck begrüßte, veröffentlichte seinen Essay zum Thema Lebensraum nur wenige Jahre vor dem deutschen Genozid an den Herero und Nama (1904-1907) im heutigen Namibia, ein Massaker, das im Namen eines Kampfes um Raum verübt wurde (Danielsson 2009). Auch wenn die Anhänger Ratzels nie den biologischen Rassismus übernahmen, der in der nationalsozialistischen Ideologie vorherrschte (Bassin 1987a), waren sie doch unmittelbar an biopolitischen Fragen interessiert. Als Kjellén 1920 zum ersten Mal sein biopolitisches Konzept entwarf, wollte er damit die physikalischen und kulturellen Dimensionen des Lebens erfassen (Kjellén 1920: 94). Für ihn war Geopolitik die „Lehre vom Staat als geographischem Organismus oder Erscheinung im Raum“ (Kjellén 1917: 46). Haushofer versuchte nur selten, den Terminus Geopolitik zu definieren (Heske 1987: 137), aber wenn er es tat, war seine Definition zutiefst biopolitisch. So schrieb er, Geopolitik sei „die Wissenschaft von der politischen Lebensform im natürlichen Lebensraum“; eine Wissenschaft, die zu verstehen versuchte, wie diese Lebensformen durch die Erde und durch historische Prozesse konditioniert wurden (Haushofer 1925: 87). An anderer Stelle betonte er die organische Natur der Staatsgrenze und warnte vor dem Trugschluss, sie lediglich als rechtliches Phänomen zu begreifen. Das zu tun, hieße die Bedeutung der Grenze als „lebendes Organ“, „Kampfzone“ und „Haut“ zu übersehen (Haushofer 1934a: 160). Nur wenige von denen, die das Schlagwort von Blut und Boden gebrauchten, seien sich bewusst, dass diese beiden Begriffe untrennbar zusammengehörten (Karl Haushofer 1935: 11). Darüber hinaus war der Tod tatsächlich ein Leitmotiv für Ratzel und Haushofer. In der wissenschaftlichen Literatur zur deutschen Geopolitik blieb das bisher weitgehend unbeachtet. Durch ihre Schriften hallte

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eine intellektuelle Faszination mit den Themen der Vernichtung und eine Ästhetisierung  – ja vielleicht sogar ein sublimer Wunsch  – nach dem Tod selbst (Thanatophilie). Als Diskurs des Überlebens war Geopolitik gezwungenermaßen auch ein Diskurs über den Untergang, weil er notwendigerweise die Möglichkeit einschloss, nicht zu überleben. „Neuschöpfung und Fortschritt“ setzten in Ratzels Worten „Rückgang und Untergang“ voraus (Ratzel 1901: 161). Er war sogar der Meinung, Völker „sterben aus, weil sie sich nicht akklimatisieren können“ (Ratzel 1941: 97; vgl. auch Ratzel 1897: 174). Auch Kjelléns Werke befassten sich mit dem Tod. Während er einerseits eingestand, der Gedanke allein fülle ihn mit Entsetzen, sein Vaterland werde eines Tages nicht mehr existieren, argumentierte er andererseits kühl, alle Staaten seien zum Untergang verurteilt. Damit angemessen umzugehen, so deutete er an, bestehe darin, Staaten aus einer distanzierten historischen Perspektive zu sehen, um jede trübe Stimmung zu vertreiben. „Auf dem weiten Friedhof der Weltgeschichte erzählen die Grabsteine, dass auch Staaten jenen Weg haben gehen müssen, der keinem Menschen erspart bleibt.“ (Kjellén 1917: 204) Darin scheint eine Besonderheit der deutschen Variante der Geopolitik zu bestehen, dass sie den Untergang der eigenen Nation anders als andere Nationalismen als gegeben und nicht als „ultimative Tragödie“ ansieht (Billig 1995: 4). Kjelléns Schlüsselbeispiel für die Illustration dieses Prozesses war die Folge der polnischen Teilungen im späten 18. Jahrhundert, die er als „Momente der Hinrichtung“ bezeichnete, über die man nicht traurig sein dürfe (Kjellén 1917: 215). Polens „Nationalgefühl“, so Kjellén, sei sowieso „längst verloren“ gegangen, da ein Empfinden nationaler Zusammengehörigkeit schon lange zerstört gewesen sei (ebd.). „Unser natürliches Mitleid mit dem großen Leiden [dieses Staates] darf uns nicht verführen, das Organische aus diesem Schicksals zu übersehen“ (ebd.: 185), erklärte er und meinte weiter, der Tod einer Nation entspreche einem „leibliche[n] Tod“ und gelte deshalb „ohne Wiederkehr“ (Kjellén 1917: 218). Ganz ähnlich meinte Haushofer, Geopolitik sei nichts für sensible Gemüter – d.h. nichts für die, die dem tödlichen Kampf der Staaten um den Raum nicht ins Auge blicken könnten. „Der Einsatz des Spieles ist das Leben“, erklärte er (Haushofer 1934a: 261). Derjenige sei verloren, der nicht leben könne, „als ob das Leben jeden Tag zu Ende sei“ (ebd.). Wenn die Welt sich nicht den Grundlagen der Geopolitik beuge, so sagte er voraus, dann würden in „lebensvernichtendem Umfang Weltstürme entfessel[t], die „Riesenstädte von der Erde feg[en] und Völker schweigend zu den

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Akten leg[en]“ (Haushofer 1935: 43). Wenn eine Nation einem derartigen Schicksal entgehen wolle, sei Lebensraum von ausschlaggebender Bedeutung. „Bodenschwund und Raumverkürzung führen zu Schrumpfung von Staat und Volk, Boden- und Raumverlust zum Untergang, zur Vernichtung; denn kein Staat ist denkbar ohne ausreichenden Lebensraum“ so Haushofer (Haushofer 1934b: 558). Bezogen auf Deutschland warnte er, das Reich dürfe nicht noch mehr Lebensraum verlieren, sonst werde die Nation „verbluten“ (ebd.: 589). Kjellén hielt Raum sogar für so wichtig, dass er es für einen Staat für günstiger hielt, Bevölkerungsverluste als territoriale Verluste hinzunehmen (Kjellén 1917: 57). Auch Carl Schmitt sprach mit auffallender Distanz über die Vernichtung von Staaten und Bevölkerungen. Am Höhepunkt des Zweiten Weltkrieges schreibend, beklagte er sich darüber, dass seine Zeitgenossen in dem Getümmel „nur Tod und Zerstörung“ sehen könnten; stattdessen, so sein Vorschlag, sollte der Krieg einfach als „das Ende des bisherigen Verhältnisses von Land und Meer“ verstanden werden (Schmitt 1942[2001]: 107). Gewalt in der Geschichte wird so bei Schmitt und anderen Geopolitikern auf den ewigen Kampf binärer Oppositionen reduziert, im konkreten Fall auf Land und Meer. Für Schmitt mit seiner Faszination für Fragen von Souveränität und der Politik der Erde war das Todesmotiv offenbar nicht so wichtig wie für Ratzel (Schmitt 1922[2005]; 1950[1997]). In seinem Buch Der Begriff des Politischen von 1932, in dem er seine berühmte Unterscheidung von Freund und Feind darlegte, erklärte er, „[e]s verschwindet nur ein schwaches Volk“ und ließ dabei die zeitlose Unterscheidung von Freund und Feind bestehen, die der Allgegenwart der Möglichkeit eines Krieges entspringe (Schmitt 1932[2009]: 50). In einem Versuch, eine derartig absolute Gegensätzlichkeit von Freund und Feind zu beschreiben und zu verstehen, argumentierte er für ein Verständnis des gerechten Krieges, welches das Recht des Staates anerkennt, „von Angehörigen des eigenen Volkes Todesbereitschaft und Tötungsbereitschaft zu verlangen und auf der Feindesseite stehende Menschen zu töten“ (ebd.: 43). Ein Leben, so meinte er, das „gegenüber sich selbst nichts mehr hat als den Tod, ist kein Leben mehr, sondern Ohnmacht und Hilflosigkeit“ (ebd.: 87). Kearns (2011: 84f.) schreibt, für Schmitt müsse ein lebensstarker Mensch gegen andere Menschen einen Kampf ums Überleben führen, ein Volk müsse gegen andere kämpfen. Schmitt sei überzeugt gewesen, „dass die moderne Zeit den totalen Staat verlange, womit er eine Gesellschaft meinte, in der die Unterscheidung von Freund und Feind

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alle Bereiche der Gesellschaft durchdrungen“ habe (ebd.: 86). Mit anderen Worten: Schmitt naturalisierte die Idee eines Feindes, der vernichtet werden könne und müsse, eine Idee, die sowohl im Zentrum der nationalsozialistischen Phantasie vom Lebensraum als auch der albtraumhaften Vision eines Atomkrieges steht. Es ist dann vielleicht nicht überraschend, dass die deutsche Geopolitik in der Zwischenkriegszeit eine so umfassende Terminologie entwickelte, um den Prozess von Verfall und Untergang zu beschreiben. Viele dieser Begriffe tauchen dann im politischen Diskurs des frühen Kalten Krieges wieder auf. Haushofer sprach häufig von Auflösung, Verdampfung, Einschmelzung, Verstümmelung und Zerstörung von Staaten und Nationen. Ratzel und Haushofer benutzten beide den Terminus Vernichtung. Die Kolonisierung Amerikas beschrieb Ratzel als Vernichtungskampf. „Der verlierende Teil“, so Ratzel, „waren die Indianer, die nur einen schwachen Halt am Boden hatten“ (Ratzel 1901: 158).6 Indem hier die Vernichtung als normaler Prozess der Weltpolitik gesehen wird, legte die deutsche Geopolitik – zusammen mit einer ganzen Reihe sozialdarwinistischer Theorien  – die Basis für eine Politik, die Vernichtung als eine Strategie verstand, durch die das Überleben der Nation in einer Konkurrenzsituation sichergestellt werden konnte. Haushofers Zeitgenosse Hennig formulierte, „andere sehr alte Staaten müssen zuweilen entmündigt werden“ wenn sie „lebensuntüchtig“ wurden (Hennig 1935: 90). Diese häufig bombastische Sprache von Überleben und Vernichtung tauchte im frühen Kalten Krieg erneut auf, wo sie für den Machtkampf zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten und das atomare Wettrüsten adaptiert wurde. Angesichts dieser Faszination mit der Vernichtungspolitik ist es vielleicht nicht überraschend, dass die Geopolitik sich intensiv mit toten Objekten wie Ruinen befasste (Hell 2009; Hell und Steinmetz 2014). Natürlich war die Ruine im 19. und 20. Jahrhundert ein allgemeines Faszinosum und ist es bis heute geblieben, aber es ist auffallend, wie verbreitet sie als Metapher in deutschen geopolitischen Schriften genutzt wurde (Haushofer 1934a: 96; 1944; Ratzel 1941). Besonders Ratzel hielt Kulturen, die Ruinen hinterlassen hatten, für höherstehend als Zivilisationen, die dies nicht getan hatten. Schon bei seinen Reisen durch Nordamerika in den 1870er Jahren war er fasziniert von den Kriegsruinen des Bürgerkriegs und von den Siedlungen, die entlang der Eisenbahnlinien an der American frontier gebaut und wieder verlassen worden waren. Die-

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se Erfahrung des Verfalls im sonst so lebenskräftigen Wilden Westen ließ ihn schlussfolgern: „Das Leben ist eben nicht stärker als der Tod“ (Ratzel 1876: 265). Später schrieb er von „Ruinenländer[n]“, in denen „eine ganze Kultur vernichtet ist, ohne dass neues Leben aus den Ruinen erblühte“ (Ratzel 1941: 100). Derartige abstiegsbedrohte Länder, so Ratzel, finde man immer auf den Schlachtfeldern zwischen großen natürlichen oder historischen Gegensätzen wie der Steppe und fruchtbarem Boden, nomadischen und zivilisierten Völkern, zwischen Islam und Christentum. Ratzel konnte seine Bewunderung für diese Spuren von Tod und Zerstörung nicht verstecken, wenn er schlussfolgerte: „Wertvoller ist ein Leben, das Ruinen hinterlässt als ein spurlos verflossenes.“ (Ebd.: 99) „Ein Volk, das Zeugen seines Daseins hinterlässt, lebt in seinen Werken fort, alle anderen sind tot, auch wenn etwa eine alte Inschrift ihre Namen überliefert hat.“ (Ebd.) Dieses Interesse an Ruinen spielte später in der politischen Ästhetik des Dritten Reichs eine gewichtige Rolle sowie, wie wir sehen werden, in der Planung des Atomkrieges.

R aumgestaltun g Trotz der fehlenden Bereitschaft der traditionellen deutschen Geopolitik, einen biologischen Rassismus zu übernehmen, fand Ratzels und Haushofers Fixierung auf Fragen des Raumes Eingang in die nationalsozialistische Ideologie. Dafür musste sie jedoch einen Übersetzungsund Anpassungsprozess über sich ergehen lassen, denn der deutschen Geopolitik fehlte eine konkrete Agenda, mit der sich das Konzept vom Lebensraum in Politik umsetzen ließ (Werber 2014: 43). Paradoxerweise zeigte ausgerechnet die Geopolitik  – so offensichtlich an Materie und Raum orientiert – wenig Verständnis für die Materialität, die Menschen dem Raum unterwirft. Vertieft in natürliche Gegebenheiten wie Gebirge, Ozeane etc., hatte sie die Bedeutung der materiellen Kultur übersehen und den Bauplan zu Gunsten der geopolitischen Landkarte vernachlässigt. Ratzel z.B. ging auf Fragen der Architektur nur beiläufig ein, aber wenn er es tat, etwa wenn er Stadtmauern oder Ruinen diskutierte, dann war er eher am Verschwinden bestimmter architektonischer Formen interessiert als daran, wie Architektur seiner politischen Geographie dienen könnte (Ratzel 1906: 441).7 Haushofer stellte Kolonialarchitektur in

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seinem Buch dar, die Bedeutung der Architektur für die Umsetzung in eine praktische Geopolitik diskutierte er allerdings nicht (Haushofer 1934a: 57).8 Schmitt war der Einzige, der die Beziehung zwischen Ordnung und Ortung systematischer durchdachte und die Art, wie sie den architektonisch gestalteten Raum beeinflusste (Schmitt 1941[1991]: 81). Er betonte, dass das deutsche Wort Bauer etymologisch nicht aus der Landwirtschaftspraxis entspringt, sondern mit dem Begriff für Gebäude verwandt ist, dem Bau, in dem der Bauer lebt – aber selbst Schmitt war letztlich an viel größeren Räumen interessiert als an einzelnen Siedlungen oder Gebäuden. Während die Architektur in den geopolitischen Vorstellungen Haushofers und Ratzels nur eine untergeordnete Rolle spielte, erkannten die Nationalsozialisten, dass Lebensraum nicht einfach erobert, sondern gebaut werden müsse  – mit Steinen, Beton, Stahl und Stacheldraht. Geographische Denker wie Haushofer mussten praktischer orientierten Geographen wie Walter Christaller Platz machen, die keine Hemmungen hatten, sich bei der nationalsozialistischen Kolonisierung von Lebensraum die Hände schmutzig zu machen (Barnes und Minca 2013). Das Schmieden einer imperialen Geopolitik mit Hilfe von Gebäuden war selbstverständlich kein exklusives Anliegen der Nationalsozialisten (Atkinson und Cosgrove 1998; Driver und Gilbert 1998; vgl. auch Ó Tuathail 1994). Wenn man sich jedoch den Umbau bestehender Städte und die Planung von Modellsiedlungen bis hin zum Bau einzelner Monumente und Mausoleen ansieht, dann entfaltete die Reorganisation von Raum innerhalb des Nationalsozialismus doch geradezu „seine eigene fetischistische Logik und Kraft“ (Barnes und Minca 2013: 681). Fragen des Lebensraums, von beengtem oder überbevölkertem Raum, angemessenem Raum und seinem ‚Fassungsvermögen‘, der Philosophie des Raumes und seiner Einsetzbarkeit und der Vorstellung vom Raum […] beschäftigten eine ganze Armee nationalsozialistischer Wissenschaftler, Experten, Techniker, Meinungsmacher, Politiker und Militärs. (E bd.)

So ist es keine Überraschung, dass das Dritte Reich ein ganzes Sortiment architektonischer Räume entwickelte, von denen viele mit spezifischen Ideen entwickelt worden sind – als „in Stein gemeißelte Worte“ (Taylor 1974). Dazu gehörte z.B. das gigantische Reichsparteitagsgelände

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in Nürnberg, dazu bestimmt, Veranstaltungen der „wiedergeborenen“ Nation aufzunehmen (Hagen und Ostergren 2006). Neue ‚germanische Siedlungen‘ für bis zu 20 000 Einwohner sollten im neuen Lebensraum entstehen. Andere, wie etwa Berlins monumentaler Flughafen Tempelhof oder das berühmte Raketentestgelände in Peenemünde, wo Wernher von Braun die V2 entwickelte, sollten Deutschlands geopolitische Aspirationen im Luftraum bekräftigen. Wieder andere, wie die monumentale Feriensiedlung Prora auf Rügen, zielten darauf ab, die Energie der deutschen Bevölkerung für die bevorstehenden kriegerischen Aufgaben zu stärken.9 Auch die berühmten Autobahnen des Dritten Reichs stellten eine Form geopolitischer Architektur dar. Geplant zwar bereits vor der Machtergreifung, wurden diese Autobahnen in den 30er Jahren zu einer ideologischen Infrastruktur von zentraler Bedeutung. Gegossener Beton als architektonisches Medium „ermöglichte einen anderen Zugang zur deutschen Landschaft und auch zum deutschen Volk, wobei in diesem Prozess beide neu geschaffen wurden“ (Forty 2012: 68). Das Netz von Autobahnen bot eine Möglichkeit, wieder eine Verbindung zwischen der zu einem großen Teil in Städten lebenden deutschen Bevölkerung und „dem Land und dem Boden“ herzustellen (ebd.: 63).10 So begannen in den 30er Jahren die Nationalsozialisten zum und im Grenzbereich Straßen zu bauen, deren wesentliche Funktion war, dem ‚Volk‘ die Erfahrung dieser Grenzen nahe zu bringen (Haney, in Kürze erscheinend). Die Verbindung zwischen der geopolitischen Karte und dem Bauplan war wohl nirgendwo sichtbarer als in der engen Beziehung zwischen dem Architekten Albert Speer und dem gescheiterten Architekten Adolf Hitler; beide waren fasziniert davon, wie soziale Beziehungen durch die Gestaltung des Raums manipuliert werden konnten. Ähnlich wie die Geopolitiker befasste sich auch Hitler mit den Problemen der Vernichtung und der Ruinen. Er klagte darüber, dass seine Landsleute nicht darüber nachdächten, wie bereits „soundso viele Völker und Staaten untergegangen, ja von der Erde verschwunden sind“ (Hitler 1928[1961]: 71). „Riesenstädte“, so schloss er, seien „in Trümmer gesunken, dass kaum die Schutthalden übrigblieben, um der heutigen Menschheit wenigstens den Ort ihrer Lage zu zeigen“ (ebd.). Die Seiten von Mein Kampf sind voll von Ängsten, es „könnten die Nachkommen als gewaltigste Werke unserer Zeit dereinst die Warenhäuser einiger Juden und die Hotels einiger Gesellschaften als charakteristischen Ausdruck der [deutschen] Kultur unserer Zeit bewundern“ (Hitler 1925 [1937]: 291). Mit anderen Worten fehlten Deutschland

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aus Sicht der Nationalsozialisten die spektakulären Gebäude, die zukünftigen Generationen seine großartige Geschichte erzählen könnten. Entschlossen, Gebäude zu entwerfen, die auch zukünftige Generationen beeindrucken würden, sah Hitler in Speer den Mann, der ihm helfen würde, seine geopolitisch geprägten Vorstellungen von Architektur umzusetzen. In Zusammenarbeit mit Speer, den er 1942 zum Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion ernannte, arbeitete Hitler an Entwürfen, die darauf abzielten, die grundlegenden Ideen des Nationalsozialismus auszudrücken: seinen Nationalismus, seinen Militarismus und natürlich seine geopolitischen Ambitionen. Später sprach Speer in seinen Memoiren darüber, dass Hitler ihm einmal sein Skizzenbuch aus den frühen 20er Jahren gezeigt habe; dabei habe er gesehen, dass architektonische Entwürfe zu öffentlichen Gebäuden „sonderbarerweise […] oft auf einer Seite mit Skizzen zu Waffen und Kriegsschiffen vermischt“ waren (Speer 1969: 54). So wie die nationalsozialistische Idee vom Lebensraum selbst (ein Bauernreich, erobert mit der Hilfe der modernsten militärischen Technologie) waren auch viele von Speers Gebäuden von einer Spannung zwischen Klassizismus und Modernität, Mystizismus und Rationalität gekennzeichnet. Auch sie drückten ein zyklisches Verständnis historischer Abläufe aus, geprägt vom fortwährenden Aufstieg und Niedergang von Imperien. Am stärksten fällt auf, dass seinen Gebäuden ein Gefühl für das Maß fehlt. Auch das entspricht den Vorstellungen von der Eroberung von Lebensraum im Osten. Die Notwendigkeit megalomaner Proportionen wurde von Hitler immer wieder betont, wobei er sich auf entsprechende Gebäude in anderen westeuropäischen Hauptstädten oder den USA bezog (Thies 2012: 78). Sie waren in anderen Worten also auch Ausdruck des gleichen nationalen Minderwertigkeitskomplexes, der einst Haushofer in seinen Schriften zum Versailler Vertrag und seiner Desillusionierung angesichts des Verlustes der Großmachtrolle Deutschlands verfolgt hatte. Diese Angst vor der geopolitischen Schwäche Deutschlands kehrte dann, wie wir sehen werden, im frühen Kalten Krieg in den Diskursen der Bundesrepublik Deutschland wieder. Viel ist über Adolf Hitlers und Albert Speers Pläne für die Weltstadt Germania geschrieben worden, ihrer architektonischen Phantasievorstellung für ein völlig umgestaltetes Berlin, um eine Stadt zu ersetzen, die von den Nationalsozialisten für viel zu bourgeois, viel zu kosmopolitisch und letztlich jüdisch gehalten wurde, als dass sie ih-

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nen als Nervenzentrum einer neuen, geopolitisch gedachten, europäischen Ordnung geeignet erschienen wäre. Allein die Größenordnung vieler Gebäude Speers, wie etwa der gigantischen „Volkshalle“ zeigte deutliche stilistische Referenzen zum alten Rom und zu anderen antiken Zivilisationen. Diese Größenordnung allein machte einen Anspruch auf eine Weltordnung deutlich, in der der Durst des Reiches nach schneller Expansion endlich gestillt war. Léon Krier hat diese Struktur in ihrer Rundlichkeit als „mütterlich“ und „tellurisch“ beschrieben (Krier 1985[2013]: XX). Anders als viele sozialistische Denkmäler oder Wolkenkratzer liberaler, kapitalistischer Regimes wies sie nicht zum Himmel, sondern blieb der Erde verhaftet. Geplant entlang der Nord-Süd-Achse, einer neuen Prachtstraße, wurde Berlin als „kontinentale Metropole“ gedacht, als Hauptstadt einer Landmacht, „deren Machtbereich sich vom atlantischen Ozean bis zum Ural erstreckte“ (ebd. 45). Wie Hitler, Ratzel und Haushofer war Albert Speer von Ruinen fasziniert. Später einmal schrieb Hitlers Architekt, er habe Gebäude entworfen, die in kommenden Jahrhunderten eindrucksvolle Ruinen abgäben und in der Rückschau sprach er von seiner „Theorie vom Ruinenwert“ (Speer 1969: 69). Dieser architektonische Ansatz bedeutete einen Blick aus der Zukunft zurück in die Gegenwart  – zukünftige Generationen sollten Hitlers Tausendjähriges Reich so bewundern wie die Nationalsozialisten das Römische Reich verehrten. [U]ndenkbar, dass rostende Trümmerhaufen jene heroischen Inspirationen vermittelten, die Hitler in den Monumenten der Vergangenheit bewunderte. Diesem Dilemma sollte meine ‚Theorie‘ entgegenwirken: Die Verwendung besonderer Materialien sowie die Berücksichtigung besonderer statischer Überlegungen sollte Bauten ermöglichen, die im Verfallszustand, nach Hunderten oder (so rechneten wir) Tausenden von Jahren den römischen Vorbildern gleichen würden. (E bd.11)

Featherstone (2005: 302) merkt dazu an, Speers Ruinenwerttheorie sei insofern thanatophil, „als sie die Zeitlichkeit des Lebens gegen die Ewigkeit des Todes einzutauschen versuche“. In diesem Punkt traf sie sich mit der Todesobsession Ratzels. So plante auch der nationalsozialistische Architekt Wilhelm Kreis eine Kette von Nekropolen, die an den äußeren Grenzen des neuen Lebensraums geschaffen werden sollten (Michaud 1993: 227). Anstatt einfach an die toten Krieger zu gemahnen, die im Kampf

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um den Lebensraum gefallen waren, sollten diese Stätten Deutschlands geopolitische Bestimmung und die Idee aufzeigen, dass selbst nach dem Untergang Deutschlands seine Steine zu zukünftigen Generationen sprächen. Wir werden in den folgenden Kapiteln noch auf diese Ruinenästhetik zurückkommen, denn sie lebt in anderer Form in der Vorstellung vom Überleben in einem Krieg weiter, der der Welt nur eine atomar verseuchte Ruinenlandschaft hinterlassen hätte. Aber bevor wir das tun, müssen wir akzeptieren, dass die Versuche des Dritten Reichs, repräsentative Architektur mit dem Ziel zu bauen, seine geopolitischen und historischen Ansprüche im Kampf um Lebensraum in Stein abzubilden, von einer völlig andersartigen Architektur viel unmittelbarer überschattet wurden. Denn zwei einander ergänzende architektonische Archetypen waren viel direkter mit dem Kampf um Lebensraum verknüpft: der Bunker und das Lager.

K omplementäre A rche t ypen Der von den Nationalsozialisten in ihrem Kampf um Lebensraum wahrscheinlich wichtigste geschaffene Archetyp stellt praktisch seine eigene Antithese dar  – das Vernichtungslager, ein Raum industrialisierter Tötung. Konzentrationslager wurden von den Nationalsozialisten schon kurz nach der Machtergreifung 1933 eingerichtet. Ursprünglich gedacht für politische Gegner, ging das Dritte Reich erst nach 1942 zu einer systematischen Vernichtung großer Teile der europäischen Bevölkerung in diesen Lagern über. Konzentrationslager waren keine Erfindung der Nationalsozialisten, sondern waren im Burenkrieg bereits von den Engländern genutzt worden und wurden von der Sowjetunion in ihrem Archipel von Sklavenarbeitslagern weiterentwickelt. Diken und Laustsen (2004: 17) legen dar, dass diese Lager „wesentlicher Bestandteil europäischer Kultur und Geschichte“ seien. Trotzdem werden die Todeslager des Dritten Reichs bis heute allgemein als die perfidesten Lager der modernen Geschichte angesehen. In Lagern wie Belżec, Treblinka, Sobibor und Auschwitz wurden Menschen, die große Mehrheit von ihnen Juden, zu „passiven Opfern von Gewalt, im Sinne einer Reduzierung auf ihr Fleisch, letztlich ein biologisches Gefäß für Schmerz und Leiden“ (Netz 2004: 130).

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Vieles wurde möglich durch eine ganz eigene Matrix räumlicher Machtausübung. Vernichtungslager waren biopolitische Ordnungsinstrumente mit dem Ziel der Aussonderung und Abwertung von Formen menschlichen Lebens bis hin zu ihrer für die Ausrotter straflos bleibenden Vernichtung. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass die Entstehung des Lagers in einem Staat, der von der Vorstellung geleitet wurde, Lebensraum erobern zu müssen, kein Zufall war. Der geopolitische Traum eines weiten und offenen Lebensraums verlangte als Gegendimension nach dem umschlossenen und konzentrierten Raum des Lagers, um das Staatswesen ‚sauber‘ zu halten. Die Schlagwörter ‚Lebensraum‘ und ‚Judenrein‘ repräsentieren so mit anderen Worten „zwei Seiten der gleichen räumlichen Praxis, einer zugleich nach außen und innen gerichteten Kraft, entstanden aus demselben Antrieb“ (Netz 2004: 195). Es ist notwendig hervorzuheben, dass Theoretiker wie Friedrich Ratzel und Karl Haushofer nie an etwas dachten, was auch nur entfernt einem Konzentrationslager ähnelte. Aber es war das Konzentrationslager, in dem der von ihnen als geradezu naturgegeben beschriebene Untergang der Völker beschleunigt werden konnte. Vielleicht ist auch kein Zufall, dass die ersten Konzentrationslager im späten 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert auftauchten, nämlich zu der Zeit, als von Geographen wie Ratzel die Frage des Raumes zum Fetisch erhoben wurde. Ausgehend von Carl Schmitts Souveränitätskonzept (1922[2005]) argumentiert Giorgio Agamben, dass das Lager entstehe, wenn der Ausnahmezustand, dieses zugleich legale und extra-legale Moment, das die Souveränität definiere, eine dauerhafte und materielle Form annehme. Es sei nicht die Stadt oder das Gefängnis, so Agamben, sondern das Lager, also dieser „reine, absolute und unübertroffene biopolitische Raum“, der „dieses verborgene […] Paradigma des politischen Raumes der Moderne“ konstituiere (Agamben 1998 [2002]: 131). Es sei hier, wo staatliche Gewalt gegen Menschen ausgeübt werden könne, denen ihr Recht als politische Subjekte genommen worden sei, da sie also auf das ‚nackte Leben‘ reduziert worden seien. Agamben argumentiert, dass die Nationalsozialisten, die ihre Herrschaft durch eine ganze Reihe von Notverordnungen etabliert hatten, auf Grundlage der Erklärung mordeten, einige Lebensformen seien ‚lebensunwert‘, also die Vernichtung von Leben von einem biopolitischen und nicht von einem religiösen oder rechtlichen Register her legitimierten.

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Das Lager ist in dieser Theorie staatlicher Macht der eigentliche Raum, in dem bürgerliche Rechte willkürlich in Frage gestellt werden können, wo Menschen auf ihre bloße biopolitische Körperlichkeit reduziert werden. Das Lager als politische Technologie ist es, in dem die De-Subjektivierung umsetzbar wird und bis zu extremsten Manifestationen vorangetrieben werden kann, bis hin zu dem Punkt, an dem in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern biopolitische Individuen geschaffen werden, die halb lebendig und halb tot sind. (M inca 2015: 79)

Es ist unmittelbar einleuchtend, eine Verbindung zwischen dem Lager und dem Ausnahmezustand herzustellen und daraus Schlussfolgerungen über die weitergehende Bedeutung des Lagers zu ziehen; Agambens Fokus auf die politisch-topologische Logik des Lagers verhindert jedoch ein Verständnis für die Topographie von Konzentrations- und Vernichtungslagern und dessen architektonische und soziale Infrastruktur (Bernstein 2004; vgl. auch Gregory 2007: 210). Umschlossen von Stacheldraht und Wachtürmen hatte das Lager neben dem äußeren Zaun eine verbotene Zone, der nahezukommen die Gefangenen aber kaum vermeiden konnten. Die Gefangenen lebten daher in konstanter Furcht, „diese Grenze zu überschreiten und erschossen zu werden“ (Netz 2004: 214). Bei dieser Darstellung ihrer Machtgeometrie im sehr beengten Raum des Lagers zeigt sich, dass der Stacheldraht nicht nur dazu diente, die äußeren Parameter des Lagers zu sichern, sondern auch Gebiete für Verwaltung, Unterbringung und Vernichtung abzugrenzen (ebd.:  210). Giaccaria und Minca (2011a: 5) haben dargestellt, dass besonders in Auschwitz der rigiden Trennung von draußen und drinnen eine „obsessiv durchkalkulierte Organisation des Inneren entsprach“. Die „internen Räumlichkeiten des Lagers  – von Schlafsälen bis hin zu den Latrinen“, so stellten sie fest, waren „bis ins kleinste Detail durchgeplant, um Verbrauch und benötigten Raum zu minimieren und Kontrolle und Disziplin zu maximieren“ (ebd.). In diesem eng begrenzten Raum, so Netz, wurden Menschen allmählich in menschliches ‚Vieh‘ verwandelt, reduziert auf ihre einfachsten Funktionen als Organismen; sie wurden markiert und entweder zu Tode gearbeitet oder schlicht vernichtet. Wichtig ist auch, dass dieser Prozess der Vernichtung in allen wesentlichen Stufen von Angehörigen medizinischer Berufe begleitet und umgesetzt wurde, von der Selektion an der Rampe bis zum Prozess der Ermordung im Gas (Esposito 2008: 113).

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Die Vernichtung der europäischen Juden und anderer Minderheiten in einem Netzwerk von Lagern ist als Ausweitung einer älteren biopolitischen Strategie zwangsweiser Euthanasie von Menschen zu verstehen, die unter dem sogenannten T4-Programm als geisteskrank oder körperlich behindert eingestuft wurden. Wie Esposito (ebd.: 136) erklärt, wurde das T4-Programm auf den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges datiert und stellt so den „offensichtlichsten Hinweis auf den thanatopolitischen Charakter der nationalsozialistischen Biopolitik dar, aber auch auf den biopolitischen Charakter des modernen Krieges“. Dieses Verschwimmen der Grenze zwischen Krieg und Frieden, Leben und Tod wird auch von Agamben eingefangen, wenn er schreibt: Wenn es in jedem modernen Staat eine Linie gibt, die den Punkt bezeichnet, an dem die Entscheidung über das Leben zur Entscheidung über den Tod und die Biopolitik somit zur Thanatopolitik wird, dann erweist sich diese Linie heute nicht mehr als feste Grenze, die zwei klar unterschiedene Bereiche trennt. (A gamben 1998[2002]: 130)

Selbst wo die rassenpolitische Zielsetzung der Nationalsozialisten hinter Ziele wirtschaftlicher Ausbeutung zurücktreten musste, blieb die thanatopolitische Dynamik erhalten. Tod durch Zwangsarbeit war im Projekt des rassischen Völkermordes im neuen Lebensraum ein wichtiger Aspekt. Zwischen dem Geflecht der im gesamten Reich wuchernden Lager und der auf den erwähnten monumentalen Bauten basierenden Wirtschaft bestand ein enger Zusammenhang. Da die Umsetzung der megalomanischen Bauprojekte Speers und Hitlers von Zwangsarbeit abhängig war, wurden neue Konzentrationslager oft neben Steinbrüchen angelegt (Thies 2012: 101). Die Architektur von Hitlers Tausendjährigem Reich sollte so mit Hilfe der im neuen Lebensraum gewonnenen Ressourcen entstehen. Arbeitssklaven aus Osteuropa sollten sie mit dem Granit aus Skandinavien und Kalkstein aus Frankreich bauen. Der zweite architektonische Raum, der das nationalsozialistische Lebensraumprojekt noch stärker definierte als Hitlers und Speers größenwahnsinnige Fantasien, war der Bunker. Von den 40er Jahren an findet er sich an den Außengrenzen der neuen europäischen Großraumordnung  – und zunehmend in den nationalsozialistischen Städten. Schon im Ersten Weltkrieg hatte der Bunker eine wesentliche Rolle gespielt, aber nur in Hitlers zwölfjährigem Imperium entstanden sie in einer sol-

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Der Bunker und das Lager: Abb. 2.1 Luftschutzbunker, Deutschland (etwa 1943), Abb. 2.2 Auschwitz-Birkenau (1977). chen Bandbreite verschiedenster Formen (Bennett 2011). In ihrer Mehrheit waren es militärische Anlagen, gebaut um Soldaten, U-Boote oder industrielle Produktion zu schützen. Dabei übertraf der Atlantikwall, der die Außengrenze des Reiches im Westen markieren sollte, alles, was die Bunkerbauwirtschaft sonst zu bieten hatte. Gebaut zwischen 1942 und 1944 entlang der Atlantik- und Nordseeküste waren diese Bunker vorwiegend Defensivanlagen.12 Albert Speer erinnerte sich nach dem Krieg, Hitler persönlich habe einige dieser Anlagen „bis in die Einzelheiten“ geplant, sogar die einzelnen Bunkertypen entwarf er selber, meist in den Nachtstunden. Sie waren etwas skizzenhaft, aber präzis ausgeführt. Ohne Scheu vor Selbstlob pflegte er zu bemerken, seine Entwürfe erfüllten alle Bedürfnisse eines Frontsoldaten in idealer Weise. (S peer 1969: 363)

Speer erläuterte dabei, diese Entwürfe seien fast ohne Korrekturen von dem zuständigen General der Pioniere übernommen worden (ebd.). Interessanterweise waren für das Oberkommando der Wehrmacht und Herrmann Görings Reichsmarschallamt in der ‚Weltstadt Germania‘ ebenfalls Bunker vorgesehen, obwohl sie erst nach dem Endsieg und der Schaffung einer neuen, nationalsozialistischen geopolitischen Ordnung fertiggestellt worden wären (Krier 1985[2013]: 95). Als klar wurde, dass die deutschen Städte voraussichtlich von alliierten Flächenbombardements betroffen sein würden, begann das Dritte Reich mit dem systematischen Bau eines zweiten Bunkertyps, des Luftschutzbunkers, einem archetypischen faschistischen Raum. Nur hinter meterdickem Stahlbeton konnte das nationalsozialistische Projekt der Schaffung und Sicherung von Lebensraum tatsächlich umgesetzt wer-

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den: Unabhängig von ihrer sozialen Stellung waren die Deutschen im Bunker gleich sicher vereinigt  – während die Zwangsarbeiter und die anderen Lagerinsassen in den Konzentrationslagern den Bombenangriffen außerhalb der schützenden Betonhülle der Bunker hilflos ausgesetzt waren (Friedrichs 2008: 247). Hitlers eigene Bunker im Untergrund, wie z.B. der Führerbunker in der Nähe des Reichtags, sollten den Diktator und seine Entourage vor den alliierten Bombenangriffen schützen. Wenn man bedenkt, dass Hitler in diesem Bunker, dessen Atmosphäre von Angehörigen seines Stabes später als „Sargkasten“ beschrieben wurde (Fest 2002: 126), Selbstmord beging, wird der Bunker zu einem Symbol der selbstzerstörerischen Kraft des nationalsozialistischen Staates, worauf wir noch näher eingehen werden. Man muss sich vor Augen führen, dass der Bunker nicht einfach das unvermeidliche Ergebnis des Vernichtungskrieges war, mit dem das Dritte Reich die Welt überzog, sondern auch Ausdruck der nationalsozialistischen Bauästhetik selbst. Anders als in anderen Ländern waren viele der frühen Bunker im Stile mittelalterlicher Burgen gebaut, passend zu der nationalsozialistischen Stadt und den dazu gehörenden neo-mittelalterlichen Raumvorstellungen. Diese Bunker waren Teil eines ­­Wagner’schen Gesamtkunstwerks, das der Nationalsozialismus schon lange hatte schaffen wollen. Eigentlich waren sie in vielfacher Hinsicht mehr künstlerisches Statement als funktionale Notwendigkeit. So konnten die Bunker des Atlantikwalls die alliierte Landung nicht auf halten und auch die zivilen Luftschutzbunker waren anfällig. Bei den von den alliierten Bomben verursachten Feuerstürmen wurden viele Bunker zu Hochöfen, in denen die Schutzsuchenden durch Hitze und Sauerstoffmangel umkamen. In diesem Zusammenhang müssen wir nochmals auf Paul Virilios Verständnis des Bunkers (1975) als spektakulärem, aber unsicherem Monolithen zurückkommen, der Sicherheit in einem Zeitalter versprach, in dem Waffen so zerstörerisch waren, dass auch eine große Distanz zum Angreifer keinen Schutz mehr bot. Schon im vorangegangenen Kapitel haben wir gehört, dass der Bunker den technischen Möglichkeiten und dem politischen Willen entsprang, ganze Städte zu zerstören. Wie das Lager kann man ihn als modernen Exzess verstehen, als „Abfall der Moderne, der nicht entsorgt werden kann“ (Beck 2011: 83). Ähnlich wie im „angstbesetzten Urbanismus“ der Stadtplanung im Kalten Krieg (Farish 2004: 94) bewirkten Atombunker zugleich die Furcht vor dem Atomkrieg und eine radikale Desillusionierung

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gegenüber urbanen Lebensformen. Wie die Lager wirkten die Bunker wie „Anti-Städte“, die die städtische Erfahrung des kosmopolitischen Raumes verwehrten (Virilio und Lothringer 1983: 132). Nach 1945 gehörten Bunker in Deutschland oft zu den wenigen noch intakten Gebäuden. Wegen ihrer militärischen Bedeutung hatten die Alliierten die Absicht, noch funktionsfähige Bunker zu sprengen, obwohl letztere oft noch eine wichtige Rolle bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Ausgebombten spielten (Friedrichs 2008: 246). Die Alliierten machten nur Ausnahmen, wenn die Bunker ihrer eigentlichen Funktion beraubt werden konnten, etwa indem man Fenster in die Bunkerwände brach. Schon bald schien die nationalsozialistische Luftschutzbunkerlandschaft demontiert.

A utoimmunität Als die Wehrmacht mit ihrem Expansionskrieg in den europäischen Osten begonnen hatte, war der Lebensraum nicht mehr einfach eine akademische oder ideologische Frage, sondern eine der Herrschaftspraxis. Als die Reorganisation des europäischen Raumes umgesetzt und große Bevölkerungsgruppen umgesiedelt werden sollten, zeigte sich sehr bald, dass die deutsche Geopolitik letztlich eine Metatheorie war. Statt eine Blaupause für die Schaffung eines Imperiums anzubieten, setzte sie nur die intellektuellen Parameter der politischen Debatte fest und lenkte den ideologischen Kampf auf das Ziel hin, die Sicherung des nationalen Überlebens durch eine Politik territorialer Expansion und rassischer Vernichtung zu gewährleisten. Selbst Hitlers Mein Kampf war kaum detailliert und praxisbezogen genug, um eine klare Entscheidungsgrundlage zu bieten; so musste die Schaffung und Sicherung von Lebensraum „als Antwort auf praktische Erfahrungen bei der Besatzung erst entwickelt“ werden (Housden 2003: 106). Und ganz ähnlich musste der europäische Großraum vor den ständig intensiver werdenden Bombenangriffen und gegen die Möglichkeit einer alliierten Invasion an der Atlantikküste geschützt werden. Als die alliierten Bombardierungen und die Vernichtung der europäischen Juden nach 1942 ihre kritische Phase erreichten, begannen die beiden architektonischen Archetypen von Bunker und Lager eine entscheidende Rolle zu spielen. Man muss sich in diesem Zusammenhang nochmals Brattons Insistieren vor Augen führen, dass beide Räume eine

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radikale innen/außen Unterscheidung versuchen, aber während der eine als „architektonische Membrane gegen eine feindliche Welt“ wirke, bedeute das Lager eine „Vertreibung durch Wegschließung des Anderen bei Ausschluss von der Rechtsnorm“ (Bratton 2006: 19). In ihrer Verwicklung in Fragen des Überlebens und der Vernichtung operierten beide Räume auch letztendlich vor dem politischen Horizont der deutschen geopolitischen Tradition. Bunker und Lager waren beide architektonische Räume, geschaffen von einem so destruktiven Staat, dass er sich gegen sich selbst wandte. Von den späten 30er Jahren an zeigte das Dritte Reich einen Willen, Material und Menschenleben in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß zu vernichten. Als allmählich deutlich wurde, dass das nationalsozialistische Deutschland den Krieg wohl verlieren würde, richtete sich der Völkermord zunehmend gegen den eigenen Staat und die eigene Bevölkerung. Die Erkenntnis, dass der Krieg verloren war und der Atlantikwall durchbrochen werden würde, brachte Propagandaminister Joseph Goebbels dazu, den totalen Krieg auszurufen, der den Ruinenwert in einigen wenigen – statt in einigen tausend – Jahren produzieren würde (Virilio 1975: 58). Der sogenannte Nero-Befehl, erteilt im März 1945, forderte, dass in diesem „Kampf um die Existenz“, in den die Nation verstrickt sei, „alle militärischen Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen sowie Sachwerte innerhalb des Reichsgebietes, die sich der Feind zur Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort oder in absehbarer Zeit nutzbar machen kann, […] zu zerstören“ seien (Hitler 1945[1977]). Diese letzten Befehle werden üblicherweise nicht als Defensivmaßnahmen interpretiert, sondern als Offenbarung des Todeswunsches des Dritten Reichs. Diese Politik war im Endeffekt eine Erweiterung der Politik der „Verbrannten Erde“, den die Wehrmacht schon mit dem Rückzug aus der Sowjetunion begonnen hatte. Hitler selbst hatte ausländischen Besuchern erklärt, er sei der Meinung, das deutsche Volk solle „vergehen und […] vernichtet werden“, wenn es nicht mehr „stark und opferbereit genug“ sei, das eigene „Blut für seine Existenz einzusetzen“ (Fest 2002: 154). Hitler wird weiter dahingehend zitiert, er werde ihm „keine Träne nachweinen“ (ebd.). Durch die Zerstörung der deutschen Wirtschaft und der militärischen Infrastruktur versuchte das Dritte Reich, eine nationale Wiedergeburt zu verhindern. Es war, als wolle es durch diese Intervention den von Ratzel nur wenige Jahrzehnte zuvor beschriebenen Kampf um das nationale Überleben behindern und den Untergang forcieren.

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Wie Roberto Esposito in seiner Neuinterpretation der Bio- und Thanatopolitik darlegt, wird das moderne Leben durch die Produktion des Todes immunisiert. Er vergleicht den selbstmörderischen Impuls treffend mit einer Autoimmunkrankheit, bei welcher sich der Schutzschild des Körpers gegen ihn selbst wendet. Der offensichtliche politische Raum, in dem das stattfindet, ist für Esposito der Bunker: Diese finalen Befehle Hitlers, der, verbarrikadiert in seinem Bunker, die Selbstzerstörung anordnete, ist der Beweis: Von dort betrachtet, bietet die Erfahrung des Nationalsozialismus einen überwältigenden Beweis dafür, dass sich die Biopolitik auf ihrem ultimativen Höhepunkt in ihrer Antithese trifft, nämlich der Thanatopolitik. (E sposito 2008: 10)

Esposito schließt seine Ausführungen mit der Erklärung, dass die Nationalsozialisten eine Lösung für die Gegenwart des Todes im Leben vorgeschlagen haben: „Der einzige Weg, auf dem ein Individuum oder ein kollektiver Organismus sich vor dem Tode schützen kann, ist zu sterben“. Und dies sei gewesen, „wozu Hitler die Deutschen aufgefordert hat, bevor er Selbstmord beging“ (Esposito 2008: 138). Dies ist, um Featherstone zu zitieren, „im Wesen des Nationalsozialismus der Wille zur Vernichtung […], gerichtet gegen die Menschheit selbst“ (Featherstone 2005: 305). In anderen Worten war es „nur die Vernichtung, die Zerstörung und der Tod des faschistischen Selbst, wodurch der Eingang in die imperative Sphäre der Ordnung, Ewigkeit und Sicherheit ermöglicht wurde“ (ebd.). Man sollte allerdings anerkennen, dass die Faszination mit Fragen von Überleben und Aussterben nicht notwendigerweise unmittelbar auf den Holocaust vorausdeutet. So stand die Geopolitik in dieser Faszination durchaus nicht allein. Aber trotzdem hat die deutsche Geopolitik ein intellektuelles Milieu geschaffen, in dem es möglich wurde, in einer solchen Weise über das Aussterben von Völkern nachzudenken, dass den Nationalsozialisten die Möglichkeit geboten wurde, von einer bloßen Beobachtung des Kampfes um nationales Überleben und Aussterben zu einer Einflussnahme auf diesen Prozess überzugehen. Dies wird besonders wichtig, da wir uns jetzt einer Epoche zuwenden werden, in der die gezielte Massenvernichtung von Menschenleben geradezu undenkbar schien, eine Epoche, in der die düstersten Seiten der Herrschaft des Dritten Reichs über Europa als unwiederholbar angesehen wurden. Und doch

Kapitel 2 – Die Kehrseite des Lebensraums

ist es ausgerechnet die Zeit nach Ende des Zweiten Weltkrieges mit ihrer Entwicklung neuer und omnipotenter Waffensysteme, in der wir diese Fixierung auf Raum, Überlebensfragen und Vernichtung wiederauftauchen sehen – und zwar erneut sowohl auf der Ebene des politischen Denkens und des Bauplans. Das nationalsozialistische Lebensraumprojekt war in der Mitte des 20. Jahrhunderts nicht der einzige geopolitische Entwurf, der sich derart obsessiv mit Raumfragen auseinandersetzte. Auch der darauffolgende Kalte Krieg arbeitete sich zwanghaft an geopolitischen Karten ab – und auch er fühlte sich der Konstruktion biopolitischer Räume verpflichtet. Nach 1945 waren sowohl die deutsche Geopolitik als auch die politische Geographie im Allgemeinen diskreditiert. Trotzdem rettete sich die Logik hinter den Ideen des nationalen Überlebens und Untergangs, die den Kern der deutschen Geopolitik bildeten, in den Kalten Krieg hinüber. Das tat sie nicht nur, indem sie in der Atomstrategie wieder auftauchte, sondern indem sie sich in den selbstzerstörerischen Räumen des taktischen Atomwaffenlagers und des Atombunkers rematerialisierte. Zur Entwicklung dieses Argumentationsgangs untersuche ich, wie die Fixierung auf die Ideen von Autarkie und Überleben zum Bau von Atombunkern führte, die in vielerlei Beziehung den politischen Raum des Konzentrationslagers umkehrten. In den folgenden Kapiteln wird dann erkennbar, wie der Atombunker (hier in seiner Form als Weiterentwicklung des Luftschutzbunkers) und das Atomraketenlager (in der Weiterentwicklung des Todeslagers) die biopolitische Logik des Lagers von innen nach außen kehrte. Während in der nationalsozialistischen Kartographie der Lebensraum im Osten gefleckt von Konzentrationsund Vernichtungslagern schien, waren die unterirdischen Lebensräume der Atombunker auf die Landschaft potentieller Vernichtung verteilt. Während Gaskammern und Krematorien sich gegen die Lagerinsassen richteten, bedrohten die taktischen Atomwaffen die eigene Bevölkerung im weiteren Umkreis.

E ndnoten 1 | Die deutsche Geopolitik stand in dem Bestreben nie allein, die Weltpolitik zugleich zu erklären und zu formen. So verstand der britische Geograph Halford Mackinder seine politische Geographie als praktisches Wissen, das über den akade-

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mischen Elfenbeinturm hinausreichen und breite Bevölkerungsschichten erziehen sollte (Kearns 2010). 2 | Mark Bassin argumentiert, die Idee, Haushofer sei der Mann hinter Hitler, sei „nicht haltbar“ und die Beziehung zwischen Geopolitik und dem Dritten Reich sei bestenfalls „unbehaglich“ gewesen. „Für die Nationalsozialisten“, so Bassin, „stand das Individuum mit seinen spezifischen rassischen Charakteristika an erster Stelle, während Haushofer und seine Kollegen die Bedeutung der Umwelteinflüsse betonten. Für sie waren Überlegungen zu ererbten, genetischen Eigenschaften vielleicht nicht völlig irrelevant, aber ganz klar nicht von erstrangiger Bedeutung“ (Bassin 1987a: 116). 3 | Weiterer biographischer Hintergrund Ratzels bei Wanklyn (1961) und Müller (1996). 4 | Schmitt wird in der Humangeographie weiterhin unter dem Aspekt kontrovers diskutiert, ob die moderne Geographie aus seinem Werk nicht doch weiterhin lernen könne (Elden 2010; Legg 2011; Minca und Rowan 2015a und 2015b). 5 | Man darf die Kontinuität zwischen den geopolitischen Ideen Haushofers und ihrer Rezeption durch die Nationalsozialisten nicht überziehen. Während Haushofer einen Kontinentalblock mit Russland und Japan zu erzielen suchte, wollte Hitler Lebensraum im Osten erobern, was mit Haushofers Traum von einer deutsch-russischen Allianz unvereinbar war (Heske 1987: 136). Trotzdem sollte dadurch nicht der Blick auf die Kongruenzen der akademischen und der politischen Vorstellungen von Lebensraum verstellt werden. 6 | Beachten muss man dabei, dass anders als ‚Aussterben‘ der Begriff ‚Vernichtung‘ ein aktives Handeln voraussetzt. 7  | Eine Ausnahme stellt sein Buch Die Vereinigten Staaten von Amerika dar (Ratzel [1876]), das auch die Planung in US-amerikanischen Städten diskutiert. Dieses Buch befasst sich jedoch nicht mit geopolitischen Aspekten. 8 | Territoriale Grenzen wurden manchmal bezogen auf bestimmte natürliche Erscheinungen diskutiert (wie z.B. Gebirgsketten oder Flüsse), nicht aber als soziale Systeme, die mit Hilfe von menschlichen Körpern und kulturellen Materialien verwaltet werden müssen. 9 | Andere Facetten nationalsozialistischer Raumvorstellungen, wie z.B. die Restauration des Stadtzentrums von Nürnberg, waren vielleicht nicht so spektakulär. Aber auch hier spielten geo- und chronopolitische Zielsetzungen eine Rolle (Hagen und Ostergen 2006). 10 | In diesem Sinne wurde Beton als deutscher, völkischer und ländlicher Werkstoff verwendet, der als im Kontrast zu anderen Baumaterialien stehend verstanden wurde, wie etwa Stahl, der als urban und letztlich amerikanisch gesehen wurde.

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11 | Wichtig ist natürlich, sich in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass Albert Speers Theorie des Ruinenwerts eine retroaktive Theoretisierung darstellt und weniger Teil einer nationalsozialistischen Doktrin war (Fuhrmeister und Mittig 2008). 12 | Es gibt natürlich Ausnahmen, wie die ballistische Raketenabschussanlage La Coupole in Nordfrankreich.

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Kapitel 3 – Zurück zur Erde Der Russe ist eine Art Nachttier, findig und nervenlos. […] Er verschwindet in der Erde wie ein geschickter Maulwurf. L eo G eyr von S chweppenburg 1952

D er S prung über den grossen Teich Wie wir im Eingangskapitel gesehen haben, wird häufig davon ausgegangen, dass die Geopolitik in Deutschland mit Karl Haushofers Selbstmord verschwand, dann allerdings auf der anderen Seite des Atlantiks wieder auftauchte und so auf den sich entwickelnden Konflikt Washingtons mit der Sowjetunion einwirkte. Und tatsächlich war in der jungen Bundesrepublik die Terminologie der Geopolitik mit einem Bann belegt. Wenn die Westmächte Westdeutschland trauen sollten, musste Bonn alles tun, um nicht mit dem expansionistischen Lebensraumprojekt in Verbindung gebracht zu werden. In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurden westdeutsche Politiker immer wieder angegriffen, weil sie sich zu offensichtlich auf die Diktion Ratzels oder Haushofers eingelassen hatten. So wurde 1955 das ehemalige Parteimitglied der NSDAP und spätere Bundeskanzler Hans-Georg Kiesinger im deutschen Bundestag kritisiert, er vertrete weiterhin die Logik der Geopolitik. Der CDU-Abgeordnete hatte erklärt, die globale Bevölkerungsexplosion könne die Situation „insbesondere in Westeuropa lebensbedrohlich“ werden lassen (Bundestag 1955a). Im selben Jahr benutzte der damalige Bundespräsident Theodor Heuss den Begriff „geopolitisch“ ausdrücklich nur im Sinne eines Zitats, wie seine Kritiker in der wiederauferstandenen Zeitschrift für Geopolitik beklagten (ohne Autorenangabe 1955). Insbesondere die Opposition im Bundestag griff den „geopolitischen Determinismus“ der ersten

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CDU-geführten Bundesregierungen an. Immer wieder höre man von der geographischen Lage Deutschlands, und „natürlich können wir die Geographie nicht ändern, aber die Geographie ist doch nur ein Rohstoff der Politik“, hielt der Sozialdemokrat Carlo Schmitt 1958 dagegen (Bundestag 1958).1 Auf der anderen Seite des Atlantiks war es einfacher, sich der Sprache der Geopolitik zu bedienen. Schon in den frühen 40er Jahren hatten sich die politischen Eliten der USA zunehmend von der Vorstellung vereinnahmen lassen, die deutsche Geopolitik sei der wahre Antrieb hinter der nationalsozialistischen Expansion gewesen und letztlich die Kraft, die die zeitweilige Eroberung des europäischen Kontinents überhaupt ermöglicht hatte. In diesem Zusammenhang war in den USA in der Presse, aber auch auf der Leinwand der zugkräftige Mythos von einem geheimnisvollen geopolitischen Institut in München verbreitet worden (Ó Tuathail 1996; vgl. auch Murphy 2014). Durch diese Übertreibung des Einflusses der deutschen Geopolitik auf die nationalsozialistische Außenpolitik hatten diese Presseberichte und Propagandafilme den Wunsch nach einer amerikanischen Version dieser offenbar richtungweisenden Denkschule geführt. So hatte zum Beispiel der US-amerikanische Geopolitiker Robert Strausz-Hupé, eine Schlüsselfigur im Kampf um den Beitritt der USA in den Krieg gegen Hitler, den Wunsch nach einer amerikanischen Geopolitik schon in den frühen 1940ern artikuliert (Strausz-Hupé 1942). Geopolitik, so seine Überzeugung, war eine Art des Wissens, das die Vereinigten Staaten noch nicht beherrschten, aber unbedingt verstehen mussten, wenn sie eine aktivere Rolle in der internationalen Arena spielen wollten. Die Folge war ein bemerkenswertes Beispiel geistigen Imports. So wie Haushofer von dem „feindlichen“ britischen Geographen Mackinder gelernt hatte, so lernten nun die Amerikaner von ihrem Kriegsgegner (Ó Tuathail 1996: 130). Allerdings verwandelte sich die Geopolitik bei ihrer Verbreitung in den USA erneut. Geographen wie Isaiah Bowman begannen zunehmend eine liberale Version der Geopolitik zu vertreten. Angesichts der in der amerikanischen Presse immer stärker werdenden Darstellung der deutschen Geopolitik als einer Nazi-Wissenschaft, sah sich Bowman, damals ein Ratgeber Präsident Roosevelts, gezwungen, seine eigene Version der Geopolitik deutlich von der deutschen Variante abzusetzen, die er als „Pseudowissenschaft“ ansah (Bowman 1942). Hierbei hielt er allerdings trotzdem an

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der ­L ebensraumidee fest und vertrat ferner die Ansicht, „die Sichtweise von ‚organischen Grenzen‘ und die Philosophie vom Lebensraum biete Vorteile“, selbst wenn sie „missbraucht“ werden könne. Er erklärte es zum Ziel, den Begriff Lebensraum auf seine wirtschaftliche Bedeutung zu reduzieren und ihm die Logik territorialer Eroberungspolitik zu nehmen (ebd.: 656; vgl. auch Smith 2004). Nach 1945 erreichte die Geopolitik dann ihre nächste Stufe in Form anti-sowjetischer Außenpolitik, die ihren Gegner in unverkennbar geopolitischer Diktion beschrieb. Eine Schlüsselfigur bei diesem Übergang vom Zweiten Weltkrieg zum Kalten Krieg war der Diplomat George F. Kennan, dessen anonymer „Mr. X“ Artikel in der Zeitschrift Foreign Affairs die UdSSR als von Natur aus despotische, aggressive und expansive Macht beschrieb (Kennan 1947). 2 Auch Carl Schmitt erlebte in der US-amerikanischen Außenpolitik des Kalten Krieges eine versteckte Wiederauferstehung, insbesondere im Werk seines Anhängers Hans Morgenthau (Coleman 2011). Obwohl Morgenthau als Realist Geopolitik für eine Pseudowissenschaft hielt (Morgenthau 1948[1993]: 174), argumentierte er, ähnlich wie die deutschen Geopolitiker auch, sowohl dass Staaten einen inhärenten Machttrieb hätten und dass das nationale Interesse immer Vorrang vor universellen Überlegungen haben müsse.3 Morgenthau übernahm Schmitts Kritik des Liberalismus, dessen Verständnis von Souveränität, und das Konzept des Politischen, das, wie wir gesehen haben, auf der Idee einer fundamentalen Feindschaft beruhte, in die die Logik eines Kampfes um Leben und Tod eingebettet war (Williams 2005: 86). Interessanterweise befasste sich Morgenthau intensiv mit der Frage des „nationalen Überlebens“, das er bekanntlich zu einem „moralischen Prinzip“ erhob (Morgenthau 1948[1993]: 12). Ähnlich wie die deutschen Geopolitiker war er fasziniert von der Vorstellung der Vernichtung (ebd.: 228), auch wenn er sie nicht so distanziert betrachtete wie die deutschen Geopolitiker es getan hatten. In den 60er Jahren unter Kennan als Berater im US-Außenministerium tätig, wurde Morgenthau in den folgenden Jahren von Generationen von Studenten gelesen, wodurch seine Schriften einen tiefgreifenden Einf luss auf die politische Sozialisierung der US-Eliten hatten (Kuklick 2006: 72). Die vielleicht wichtigste Figur bei der Förderung geopolitischer Ideen im Kontext des Kalten Krieges war der vom Gelehrten zum Außenminister gewandelte Henry Kissinger. Und tatsächlich war es Kissinger,

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der den Begriff „Geopolitik“ so populär machte, dass er im Kalten Krieg zunehmend synonym für „globale Politik“, „Machtpolitik“ oder die territorialen Dimensionen internationaler Politik stand (Ó Tuathail 1996: 17). Kissingers Buch Nuclear Weapons and Foreign Policy (1957) ist für die Entwicklung der US-amerikanischen Atomwaffenstrategie von besonderer Bedeutung. Rezipiert auf beiden Seiten des Atlantiks nahm das Buch zu der Alles-oder-Nichts-Atomstrategie der Regierung Eisenhower eine kritische Haltung ein und trat stattdessen für einen selektiven Einsatz kleinerer Atomwaffen auf dem Schlachtfeld ein, was die beiden Supermächte befähigen würde, einen begrenzten statt eines apokalyptischen Atomkrieges unter Einsatz aller Kräfte zu führen. Die Vereinigten Staaten, so Kissinger, müssten auch die „Chancen“ und nicht nur die Gefahren des Atomkrieges sehen (Kissinger 1957[1969]: 13). Dieses Konzept eines begrenzten Atomkrieges wurde für das als Schlachtfeld vorgesehene Westdeutschland zur alles beherrschenden Überlebensfrage, wie wir im Folgenden sehen werden. Die Reise geopolitischer Ideen von Deutschland in die USA ist inzwischen eine bekannte Geschichte unter politischen Geographen und anderen Sozialwissenschaftlern. Was die Geopolitik bei der Überquerung des Atlantiks verloren habe, so der Kanon, sei die Biopolitik. Der nordamerikanischen Geopolitik des Kalten Krieges wird oft nachgesagt, dass ihr die düstere, biopolitische Seite der Geopolitik Ratzels und Haushofers fehle (Werber 2014: 143). Man sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass Ratzel, der in den USA nach seinem Tod von der ersten weiblichen Präsidentin der Association of American Geographers, Ellen Semple, Unterstützung erhalten hatte (Semple 1911), in den USA auch nach dem Zweiten Weltkrieg nie völlig aus der Mode gekommen war. Ratzels Ausführungen zur Landwirtschaft waren nicht nur bei denen populär, die versuchten die wahre Natur des sowjetischen Staates zu verstehen (Dalby 1990b: 76), sondern auch bei Geopolitikern wie Saul B. Cohen, die Ratzel bis in die 70er Jahre zitierten (Cohen 1975). Aber wenn bei amerikanischen Neorealisten wie Kenneth Waltz (1979) auch während des Kalten Krieges darwinistische Ideen wie etwa die von der natürlichen Selektion weiterlebten, bleibt festzuhalten, dass die amerikanische Geopolitik des Kalten Krieges das Wesen des Staates tatsächlich nicht als Organismus verstand. Im Folgenden werden wir über die bereits bekannte Geschichte, wie die Geopolitik im US-amerikanischen außenpolitischen Diskurs des

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frühen Kalten Krieges eine Renaissance erlebte, hinausgehen und deren Wiederaufleben in der Bundesrepublik der 50er und 60er Jahren untersuchen. Paradoxerweise wurde die Geopolitik trotz ihrer Tabuisierung auf der entscheidenden Ebene des offiziellen politischen Diskurses wiedergeboren. So werden wir sehen, dass westdeutsche Stabsoffiziere und leitende Beamte der Zivilverteidigung die geopolitischen Konzepte der Zwischenkriegszeit an den Kalten Krieg anzupassen versuchten, wobei sie davon ausgingen, dass die Sowjetunion und die Soldaten der Roten Armee den letzten Krieg deswegen gewonnen hatten, weil Letztere bereit gewesen seien, die Angst vor dem Tod zu überwinden und selbst das härteste Klima zu erdulden. In ihrer Zusammensetzung aus ehemaligen Wehrmachtsangehörigen waren diese neuen deutschen Geopolitiker ganz ähnlich wie ihre intellektuellen Vorfahren von Deutschlands ungünstiger Mittellage beunruhigt. Die territorialen Verluste, die Deutschland nach der Konferenz von Potsdam von 1945 hatte hinnehmen müssen, wurden ähnlich wie nach Versailles zunächst als räumliche Verstümmelung wahrgenommen. Und ganz ähnlich wie die Lebensraumplaner des Dritten Reichs befassten sich auch diese Männer zunehmend mit Fragen des politischen Raumes – und zwar nicht nur in kartographischer oder abstrakter Hinsicht, sondern auch ganz konkret als architektonisch gestaltetem Raum. Während sie ausführlich über die Verteilung globalen Raumes schrieben, waren sich diese Militärs und Beamten der Zivilverteidigung der Grenzen deutscher Macht sehr bewusst. In den ersten Jahren nach dem Krieg wurde die Vision von der Eroberung und dem Auf bau von Lebensraum in Osteuropa deshalb durch die bescheidenere Vorstellung ersetzt, diesen Lebensraum unter der Erde zu finden. Dieser geistige Schritt führte zu nicht weniger als einer neuen Konzeption der Erde als Ort der Erlösung.

D ie W iedergeburt der deutschen G eopolitik Nach der Gründung der Bundesrepublik 1949 musste die politische Führung des jungen Staates sorgfältig darauf achten, nicht den Eindruck zu erwecken, sie stünden in der Kontinuität zur nationalsozialistischen Außenpolitik. Auch in der DDR gab es schon bald eine hier marxistisch-leninistisch begründete Kritik der deutschen Geopolitik, in der Geopolitik als spezifisch imperialistische Obsession der politischen

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Eliten im imperialistischen Staat gesehen wurde (Heyden 1958). Auch wenn Bundeskanzler Adenauer und seine Regierung ihren Abstand zu den verrufenen Termini der Geopolitik wahrten, so hieß dies nicht, dass geopolitische Schriften grundsätzlich zensiert wurden. So begann z.B. der Vowinckel-Verlag in den frühen 50er Jahren mit der Veröffentlichung einer Reihe von geopolitischen Büchern neben revisionistischen Werken über den Zweiten Weltkrieg. 1951 nahm der Verlag die Veröffentlichung der Zeitschrift für Geopolitik wieder auf, die Kurt Vowinckel, ein Geopolitiker der Zwischenkriegszeit, zusammen mit dem Soziologen Karl Heinz Pfeffer herausgab; beide hatten eine nationalsozialistische Vergangenheit. Im gleichen Jahr erschien bei Vowinkel auch Albrecht Haushofers Buch Allgemeine politische Geographie und Geopolitik, das er während des Krieges geschrieben hatte (Haushofer 1951), und eine Neuausgabe von Heinrich Schmitthenner’s Lebensräume im Kampf der Kulturen von 1938.4 Schmitthenners Buch ist besonders interessant angesichts seiner mangelnden Bereitschaft, den Terminus Lebensraum aufzugeben. Auf den ersten Seiten dieser zweiten Ausgabe erklärte er, zwar habe sich seit 1938 die Welt zweifellos verändert, nicht aber die grundlegenden Fragen und Koordinaten der Weltpolitik. Mit dem Wort Lebensraum hat der Nationalsozialismus wohl Missbrauch getrieben; aber daran ist das Wort unschuldig. Es wird schon von Goethe gebraucht. Biologie und Geographie haben ihm dann wissenschaftlichen Inhalt gegeben. Und das Wort Kampf als militärisch zu bezeichnen, wäre töricht. Kampf ist ein Zustand, der in allem Leben Tatsache ist und hat keinen ethischen Inhalt. (S chmit thenner 1951: 6)

In seiner Verteidigung des Lebensraumkonzepts erklärte er, dass Europa, ein im Niedergang befindlicher Kontinent, das nächste Opfer im Völkersterben sein werde, sollte der Kontinent nicht versuchen, in Afrika neuen Lebensraum zu finden (ebd.: 210).5 Während Schmitthenner einer der wenigen westdeutschen Kommentatoren blieb, der weiterhin den Begriff Lebensraum benutzte, wurden in der wiederauferstandenen Zeitschrift für Geopolitik andere geopolitische Konzepte und Ideen zunehmend und mit Nachdruck vertreten. Wie die Herausgeber in der ersten Ausgabe der ZfG erklärten, sollte die Zeitschrift sich um das Verständnis der „geographischen, biologischen, psychologischen, wirtschaftlichen, sozialen und ideologischen

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Kräfte“ bemühen, „die sich politisch auswirken“ (Pfeffer & Vowinckel 1951: 80). Im Geist der Untersuchungen der Ära des Kalten Krieges versorgte die Zeitschrift ihre Leserschaft mit Artikeln zum Thema Geopolitik aus den verschiedensten Weltregionen. Für 2,30 DM bot die ZfG einen eklektischen Mix geopolitischer Schriften, darunter viele nordamerikanische Wissenschaftler, ein paar weibliche Autoren und sogar ein paar Marxisten. Unter der Überschrift Freie Aussprache bot die ZfG frei von Zensur sogar eine Plattform für unorthodoxe Meinungen. Während manche Beiträge sich zu Konrad Adenauers Westbindung bekannten, standen andere zu ihren anti-atlantischen Positionen. Aber selbst diejenigen, die auf eine unabhängigere deutsche Geopolitik hofften, sahen Deutschland als Teil der „westlichen Kultur“ und weniger als eine gleichzeitig nach Osten und Westen hin orientierte Macht, wie ein Beobachter anmerkte (Schnitzer 1955: 415). Einer der entscheidenden Brüche gegenüber der Zwischenkriegszeit war tatsächlich das weitgehende Fehlen eines Eintretens für eine deutsch-sowjetische Achse, eine Idee, die Karl Haushofer so wichtig gewesen war. Im Jahre 1955 schätzte Schnitzer die Auflage der Zeitschrift auf rund 3000 Exemplare (Schnitzer 1955: 423), also nur geringfügig weniger als die rund 4000 Kopien, die 1928 verkauft worden waren (Hepple 2009: 388). Entscheidend dafür, dass die ZfG das Wiederaufleben der Geopolitik legitimieren konnte, war die Anerkennung durch Wissenschaftler von der anderen Seite des Atlantiks. Der nordamerikanische Professor Felix Wassermann versprach z.B. in einem Artikel von 1952 über das Werk Haushofers, dass dessen Erbe von einer neuen Generation von Geopolitikern bewahrt werde. So führte er aus: „Der Missbrauch der Geopolitik durch den totalitären Machtstaat nationalsozialistischer oder sowjetischer Prägung gibt den freien Völkern kein Recht, ihre Lehren zu vernachlässigen“ (Wassermann 1952: 726; vgl. auch Greenwood 1952). 1951 dankten die Herausgeber Karl Haushofer für sein Engagement für die ZfG und betonten, das Problem der geographischen Lage Deutschlands werde auch in Zukunft als zentrale Aufgabe der Zeitschrift gesehen. 1954 erklärten die Herausgeber, die Zeitschrift stehe weiterhin in der Tradition Halford Mackinders, Alfred Mahans und Karl Haushofers und sei deshalb an der fortdauernden Dynamik von Land- und Seemacht, dem Erwachen Asiens und dem Kampf um Lebensraum als entscheidendem Antrieb für historischen Wandel interessiert (Pfeffer und Vowinckel 1954: 193).6

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Und doch geriet diese Renaissance geopolitischen Denkens nur fünf Jahre später in schwieriges Fahrwasser. Zugegeben, die ZfG war von Anfang an von Teilen der westdeutschen Presse bespöttelt worden (Der Spiegel 1951) und sie hatte zudem mit der Konkurrenz der von westdeutschen Diplomaten gegründeten Zeitschrift Außenpolitik zu kämpfen, die Beiträge von deutscher Seite wie auch Übersetzungen von Artikeln von Denkern wie Arnold Toynbee, George F. Kennan und Hans Morgenthau veröffentlichte. Auch wenn Außenpolitik sich zu im weiteren Sinne geopolitischen Themen äußerte – von Übervölkerung über die Verteilung natürlicher Ressourcen bis hin zu einer gewissen Raumorientierung – so lag der Schwerpunkt doch eher auf den Theorien und Konzepten der Sozialwissenschaften allgemein als auf der politischen Geographie im engeren Sinne. Von finanziellen Schwierigkeiten seit ihrem zweiten Stapellauf verfolgt (Schöller 1957: 4), kam der eigentliche Rückschlag für die ZfG jedoch, als sie 1956 von einer Zeitschrift für Politik und Soziologie aufgekauft wurde. Ab jetzt unter dem Namen Zeitschrift für Geopolitik in Gemeinschaft und Politik veröffentlicht, bezeichnete der neue Herausgeber diesen Schritt ausdrücklich als „Kurswechsel“, weg von der traditionellen Geopolitik und hin zu einem umfassenderen Verständnis des Politischen (ohne Autorenangabe 1956). 7 Unübersehbar war die Neugründung der ZfG, die in der Zwischenkriegszeit die wichtigste Plattform für geopolitische Ideen gewesen war, ein Fehlschlag. Peter Schöller, dessen kritische Arbeiten zur Renaissance der Geopolitik in Deutschland in den 50er Jahren eine zentrale Rolle spielten (Sandner 2000), bezeichnete 1957 das Wiederauf leben der Geopolitik nach dem Krieg als nicht mehr als eine „bedeutungslose Nachblüte“, die wegen der „dilettantischen“ und „wissenschaftlich unhaltbaren“ Natur ihrer Artikel keine Resonanz gefunden habe (Schöller 1957: 4). 8 Dem könnte man entgegenhalten, das ein vergleichbares Fehlen von Wissenschaftlichkeit der Geopolitik in der Zwischenkriegszeit durchaus nicht geschadet hatte. Darüber hinaus übersah Schöller, der sich ausschließlich mit wissenschaftlichen Schriften befasste (ganz ähnlich vgl. Michel 2016), dass die neue Geopolitik sich nicht an den Universitäten, sondern in militärischen Kreisen formierte. In den ersten Ausgaben fielen unter den Autoren eine Reihe von Namen ehemaliger Wehrmachtsgeneräle auf, darunter auch weiter-

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hin überzeugte Nationalsozialisten. Bernhardt Ramcke z.B. nutzte die ZfG, um sich über die Behandlung der Wehrmachtsgeneräle durch die Alliierten zu beschweren (Ramcke 1952).9 Aber während Ramcke keinen oder nur wenig Einf luss auf die Politik der jungen Bundesrepublik hatte, waren andere Autoren der ZfG erheblich einf lussreicher. Der bereits im vorangegangenen Kapitel erwähnte Heinz Guderian war in den frühen 50er Jahren Berater im „Amt Blank“, also im gerade entstehenden Verteidigungsministerium. 1951 bezeichnete er in einem Artikel in der Zeitschrift für Geopolitik „das Problem von Zeit und Raum in der Strategie“ als „zeitlos“ (Guderian 1951b: 7). Bezogen auf das altbekannte Zusammenspiel der Kontinental- und Seemächte warnte er nachdrücklich vor der westlichen Demilitarisierung nach 1945. „Weitgehend unbeachtet von der westdeutschen Öffentlichkeit“, so Groß (Groß 2016: 260), beschäftigten sich „im Auftrag der amerikanischen Streitkräfte ehemalige hohe Wehrmachtsoffiziere seit Januar 1946 in der von der American Historical Division ins Leben gerufenen Operational History (German) Section mit dem operativen Denken der Wehrmacht“. Tatsächlich „rückte mit der Verschärfung des Kalten Krieges die taktische und operative Osterfahrung der Wehrmacht in den Vordergrund des amerikanischen Interesses“ (ebd.). Zur gleichen Zeit, als ehemalige Wehrmachtsgeneräle in den Macht/Wissen-Komplex der NATO (gegründet 1949) integriert wurden, schrieben diese weiterhin für die Zeitschrift für Geopolitik. Friedrich Ruge, Vizeadmiral im Zweiten Weltkrieg und schon bald Inspekteur der Bundesmarine, nutzte 1955 die Zeitschrift für die Veröffentlichung eines Artikels zum Thema der Seemacht. Unter dem Titel „Die vergessene See“ drängte er seine Leserschaft anzuerkennen, dass die Bundesrepublik nun Teil des Kampfes der Seemächte gegen den Landblock der Sowjetunion geworden sei (Ruge 1955a). Er erklärte, es sei nicht nur die ideologische Gegnerschaft zur Sowjetunion, weswegen Bonn Teil des Westens geworden sei, sondern ein neues und besseres Verständnis der Seemacht. Er hob hervor, es sei nicht das erste Mal in der Geschichte, dass sich Deutschland im Bündnis mit Seemächten befinde, und vertrat die Meinung, die Marine werde im nächsten Krieg angesichts ihrer relativen Immunität gegenüber Atomschlägen eine wichtige Rolle übernehmen. „Die oberste Aufgabe deutscher Politik ist daher“, so Ruge, „das deutsche Volk am Leben zu erhalten“ (Ruge 1955a: 357).10 Leute wie Ruge

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und Guderian mögen die ZfG genutzt haben, ihre Ideen zu verbreiten, abhängig waren sie von der Zeitschrift jedoch nicht. Schon bald schlossen sich ihnen andere an, die Umrisse einer neuen deutschen Geopolitik zu entwerfen.

U mrisse einer neuen deutschen G eopolitik Geopolitische Debatten der 50er und 60er Jahre ähnelten in ihrer Diversität in vieler Hinsicht denen der Zwischenkriegszeit. Von einem einzigen und kohärenten geopolitischen Narrativ zu sprechen, hieße, die Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen in der Bundesrepublik vertretenen geopolitischen Positionen zu stark zu betonen. So standen etwa einige der in der Zeitschrift für Geopolitik vertretenen anti-atlantischen Positionen in direkter Opposition zu der offiziellen bundesdeutschen Politik der Westbindung. Trotzdem ist es aber möglich, die Umrisse eines neuen geopolitischen Diskurses zu entdecken, der in den 50er Jahren entstand und bis in die 60er Jahre weiterlebte. Dieser Diskurs spiegelte die geopolitischen Debatten der Zwischenkriegszeit in entscheidenden Bereichen wider und kehrte sie dabei teilweise um. Zum einen bewertete diese neue deutsche Geopolitik, wie schon erwähnt, in ihrer antisowjetischen Haltung die Seemacht höher als die Landmacht und lehnte Neutralität zugunsten einer Westbindung ab. Trotz der Aufgabe des Ziels territorialer Eroberungen befasste sie sich – zum anderen – weiterhin mit Deutschlands ungünstiger Mittellage und fehlender territorialer Größe. Einige der Autoren vertraten sogar weiterhin die Vorstellung vom Staat als Organismus, der um seinen Lebensraum zu kämpfen habe, selbst wenn letzterer jetzt eher unter der Erde gesucht werden sollte. Völlig ungeschminkt trat dieser neue Diskurs bei dem früheren General Heinz Guderian auf, dessen Buch Kann Westeuropa verteidigt werden? (1950) mit dem Vorschlag beginnt, man müsse für „eine Antwort auf diese Frage erst einmal einen Globus oder eine Weltkarte zur Hand“ nehmen. Diese, so Guderian, werden sofort zeigen, dass Europa, „unser Erdteil, auf den wir so stolz waren, nur einen schmalen Randstreifen am Westrande der gewaltigen Landmasse darstellt, die durch die Sowjetunion, China, Indien und eine Reihe weiterer Staaten gebildet wird“ (Guderian 1950: 11). Im Rahmen einer Diskussion über den Einfluss des

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Klimas auf den Nationalcharakter verortete Guderian den gegenwärtigen Kampf gegen die Sowjetunion im Kontext von 1500 Jahren europäischer Geschichte und stellte die Behauptung auf: Die geographische Lage des deutschen Volkes war durch Jahrtausende die gleiche. Immer wohnten die Deutschen in der Mitte Europas. […] Alle großen Völkerbewegungen, die sich, von Asien kommend, über Europa ergossen, trafen zuerst auf die Deutschen und mussten von ihnen abgewehrt und aufgefangen werden. (E bd: 12)

Unter Einsatz vieler Karten versuchte Guderian aufzudecken, dass der „Osten“ wieder und wieder versucht habe, sich auf das Gebiet eines Volkes auszudehnen, das, obwohl das „Herzstück Europas“, „entzweigerissen worden und damit in seiner Lebenskraft bis ins Mark getroffen“ sei (ebd: 12). In ganz ähnlicher Weise schrieb sein Kollege Günther Blumentritt 1952, „die Folge war, dass im Laufe der Geschichte aus diesem ‚kalten‘ Raum heraus immer wieder neue Volksstürme gegen den Westen und Süden Eurasiens vordrangen. Ihr Streben war und ist die Inbesitznahme des ‚warmen‘ Landes und das Erreichen der eisfreien Ozeane und Häfen.“ (Blumentritt 1952: 13) Guderian verstand die Sowjetunion als einen Staat, der sich wohl dem „Stadium einer vollkommenen Autarkie bereits genähert“ hatte und der in einem Atomkrieg nur schwer verwundbar wäre – nicht zuletzt, indem er seine strategisch wichtigste Waffenproduktion in den Untergrund verlagert habe (Guderian 1950: 37). Obwohl er hinter der NATO stand, war er doch skeptisch, was dessen Fähigkeit betraf, einen sowjetischen Angriff in der damals zu erwartenden Form abzuwehren. Im Kern war Guderian der Meinung, dass die Alliierten einen Fehler begangen hätten, als sie das Gebiet angriffen, das 1944 unter deutscher Kontrolle gestanden hatte, statt Deutschland zu ermöglichen, weiter den, wie er es sah, eigentlichen Feind der westlichen Zivilisation zu bekämpfen, nämlich die Sowjetunion. „Man hatte nicht erkannt, dass man es mit einer Diktatur zu tun hatte, gegen die Hitlers Diktatur nur ein schwacher Abglanz war.“ (Ebd.: 28) Überraschend fand dieses Buch trotz Guderians fehlender Bereitschaft, sich vom Nationalsozialismus zu distanzieren, die Unterstützung des amerikanischen Hochkommissars für das besetzte Deutschland, John J. McCloy (Searle 2003: 85). Andere Befürworter der neuen deutschen Geopolitik

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reagierten nuancierter und äußerten sich zumindest nicht positiv über das Dritte Reich, auch wenn sie ansonsten eine ähnliche politische Haltung vertraten. Zuerst einmal – und am auffälligsten – war diese neue Geopolitik natürlich antisowjetisch und pro-atlantisch. Der bereits erwähnte Friedrich Ruge erklärte 1963, die „imperialistische“ Politik der Sowjetunion habe zur Annexion von 500,000 Quadratkilometern und von 25 Millionen Menschen geführt und darüber hinaus sieben Staaten mit einem Gebiet von fast einer Million Quadratkilometern und 87 Millionen Einwohnern unter die sowjetische Kontrolle gebracht (Ruge 1963: 113). Blumentritt schrieb, [s]ollte es wirklich zu einem bolschewistischen Angriff auf den Westen kommen, dann würden die russisch-asiatischen Massen nebst ihren dazu gezwungenen Satelliten ganz Deutschland und Österreich überfluten. Wir haben den Russen in zwei Weltkriegen genügend kennengelernt und wissen, daß er auf ein neutrales Deutschland keinerlei Rücksicht nehmen würde. Mit brutaler Gewalt würde er Millionen deutscher Menschen nach dem Osten deportieren und die Zurückgebliebenen eisern zum Dienst mit der Waffe oder zur Arbeit zwingen. […] Mit der persönlichen Freiheit wäre es vorbei, die Bauern hätten nichts mehr auf ihrem Hof, die Handwerker nichts mehr in der Werkstatt, die Bürger nichts mehr in ihren Geschäften und die Lehrer nichts mehr in ihren Schulen zu sagen. Ob neutral oder nicht – es gäbe kein ‚sich drücken‘. Hier geht es nämlich nicht um Dogmen und juristische Doktrinen, nicht um Völkerecht und andere schöne Begriffe, sondern eiskalt um das nackte Überleben! Bei solchem Existenzkampf zwischen Ost und West gibt es keinen Kompromiss. (B lumentrit t 1952: 42)

Und tatsächlich war Blumentritt ein weiterer Weltkriegsgeneral, der als Ratgeber im neuen Verteidigungsministerium besonderen Einfluss nehmen konnte (Searle 2003: 111). Es war seine Forderung und die anderer Gleichgesinnter, die Bonner Republik müsse lernen, für ihre eigene Sicherheit zu sorgen, indem sie mit den Vereinigten Staaten eine Allianz bilde, die hervorragend zu Adenauers Politik der Westbindung passe. 1960 schrieb Blumentritt ein Buch mit dem Titel Strategie und Taktik, welches sich an einer Geschichte der Strategie von 5oo n.Chr. bis ins Atomzeitalter versuchte. In diesem Buch wendete er sich gegen die Auffassung, die Führung eines Atomkrieges sei unmöglich und erklärte, nur Abschreckung und ein Gleichgewicht des Schreckens könne den Ausbruch eines Atomkrieges verhindern. Wenn man den Frieden

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sichern wolle, so Blumentritt, müsse man einfach einen Globus nehmen und die dort eingezeichneten Ländergrenzen betrachten. „Die technischen Möglichkeiten haben die Entfernungen zusammenschrumpfen lassen. Interkontinentale Raketen können in kürzester Zeit fast alle Punkte der Erde erreichen.“ (Blumentritt 1960: 153) Neutrale Staaten hätten einfach jeden Einfluss verloren, da diese Raketen sie einfach überfliegen würden. Wir sollten uns daran erinnern, dass es Bundeskanzler Adenauer war, der konsequent eine Neutralität Deutschlands mit dem Argument abgelehnt hatte, radioaktiv verseuchte Wolken würden an Landesgrenzen nicht haltmachen (Adenauer 1957). Blumentritt war außerdem überzeugt, „[j]eder denkende Mensch“, könne zu einer klaren Einschätzung der Weltpolitik kommen, „er braucht dazu nicht einmal viel zu lesen, nüchternes Nachdenken dürfte genügen“, wenn es mit einem genauen Studium des Globus verbunden sei.11 Wie bereits erwähnt beinhaltete die neue deutsche Geopolitik zudem ein anderes Verständnis der Dynamik zwischen Land- und Seemächten. In seinem 1955 erschienen Buch Seemacht und Sicherheit vertrat Friedrich Ruge die Meinung, die Bundesrepublik Deutschland gehöre jetzt zu den Seemächten, selbst wenn die deutsche Öffentlichkeit dies noch nicht so recht begriffen oder auch nur bemerkt habe. Im Zusammenhang mit seinem Ruf nach einer „von der ganzen Nation getragenen Wehrmacht“ erklärte er, „die deutschen Streitkräfte sind der Ausdruck des Lebenswillens unseres Volkes“ und zeigten den Willen zur Wiedervereinigung (Ruge 1955b: 66). Um diese Ziele zu erreichen, müsse Bonn nicht nur einfach offensive Formen der Abschreckung unterstützen, sondern sich zur Idee der Seemacht bekennen. Ganz ähnlich hatte Erhard Jagemann Europa in einen maritimen und einen kontinentalen Kreis aufgeteilt, wobei ersterer England, Deutschland und Skandinavien umfasste, letzterer Russland. Der maritime Zirkel, so Jagemann, stand für europäischen Individualismus, der kontinentale Kreis für asiatischen Kollektivismus (Jagemann 1955: 5f.).12 In den Augen dieser Beobachter war der transatlantische Westen eine „Schicksalsgemeinschaft“ im „Kampf der Kulturen und Rassen um Raum“ (Schmitthenner 1951: 226). Hitler habe die Bedeutung der Seemacht unterschätzt (Ruge 1955b: 20).13 Diese neue Liebe zur Seemacht wurde in einem Sammelband mit dem Titel Seemacht heute aus dem Jahre 1957 deutlich, zu dem Adolf Heusinger das Vorwort schrieb, damals der Generalinspektor der Bundeswehr, später Vorsitzender des NATO-Militärausschusses. Heusinger gehörte zum engeren Stab um Hitler und diente während des Angriffs auf die Sowjetunion

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Schematische Wirkungsmöglichkeit einer modernen Trägerkampfgruppe 3 Flugzeugträger, gesichert von 7 Flakkreuzern und einem Ring von Hubschraubern mit Radar. Die Trägergruppe verteilt sich auf einen Seeraum mit einer Oberfläche gleich der halben Bundesrepublik.

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Abb. 3.1 Darstellung des Einsatzes von Kernwaffen von der See aus (Ruge 1955b: 56). Abb. 3.2 vorderer Buchdeckel des von hohen deutschen Offizieren unterstützten Buches von 1957. als Chef des Generalstabes der Wehrmacht (Bald 2005: 50). Im Klappentext wurde die Notwendigkeit eines solchen Buches mit den Worten unterstrichen: „Oft ist den Deutschen in ihrer Geschichte kontinentales Denken zum Verhängnis geworden.“ Im Text selbst vertrat der frühere Kapitän zur See Alfred Schulze-Hinrichs die Auffassung, beide Weltkriege hätten gezeigt, „dass die starke Kontinentalmacht Deutschland trotz glänzender Siege auf dem Lande durch den nachhaltigen Druck der Seemächte schließlich geschlagen worden ist“ (Schulze-Hinrichs 1957: 33). Er zog daraus den Schluss, „Seemacht – wenn sie zum Tragen kam  – hat sich als ein wesentliches, wenn nicht entscheidendes Moment in einem großen Krieg erwiesen.“ (Ebd.) Im Atomzeitalter spiele die Seemacht zudem eine wichtigere Rolle als die Landmacht, da Ziele auf See schwieriger außer Gefecht zu setzen seien als Landziele (Blumentritt 1956: 7). Drittens wurde Deutschland wie in der Zwischenkriegszeit erneut als fragiler Staat verstanden, dessen geographische Lage es einer ganzen Reihe militärischer Bedrohungen aussetzte. „Nach schwersten Verlusten an Gut und Blut liegt das deutsche Volk geschwächt und geteilt in der Erdbebenzone zwischen den beiden Mächtegruppen“ schrieb Ruge (Ruge 1955b: 7). Ein paar Jahre später fügte er hinzu, „die Lage Deutschlands mitten im Kontinent mit langen, durch die Natur ungeschützten Grenzen, mit mehreren Nachbarn, von denen nicht alle unbedingt immer friedlich gewesen sind“, erfordere von Deutschland die Schaffung von Streitkräften, die „stark und schnell aktionsfähig“ seien (Ruge 1963: 37). Interessanterweise wurde diese Rückkehr zum

Kapitel 3 – Zurück zur Erde

Denken der Mittellage auch anderswo von Militärs unterstützt. Ferdinand Otto Miksche, ein Militärschriftsteller, der im und nach dem Zweiten Weltkrieg unterschiedliche Positionen in verschiedenen alliierten Armeen innehatte, schrieb, die „bekannte deutsche Auffassung, dass Angriff die beste Verteidigung sei, ist keineswegs, wie manche uns noch glauben machen möchten, Ausf luss deutscher Aggressivität. Sie ist vielmehr durch die zentrale Lage des Landes bedingt, das in den letzten 80 Jahren gezwungen war, ständig mit der Möglichkeit eines Zweifrontenkrieges zu rechnen“ (Miksche 1955: 14). Erich Hampe, der im Oberkommando der Wehrmacht gedient hatte und später der erste Präsident der Bundesanstalt für zivilen Luftschutz in Bonn wurde (vgl. auch Stenck 2008: 78), fragte ganz ähnlich: Und heute? Statt eines großen Reiches – ein zweigeteiltes Volk, dessen eine Hälfte noch unter Herrschaft des östlichen Siegers leidet. Die Bundesrepublik hat eine lange blutende Grenze diesem Siegerstaat gegenüber. Ihr Gebiet liegt offen für seinen Zugriff. Nur verhältnismäßig geringe alliierte Truppenverbände schirmen sein Territorium. Eine eigene Bundeswehr ist erst im Aufbau. Das sind keine guten Aspekte für eine Verteidigung des wieder frei gewordenen deutschen Bodens. (H ampe 1956 b: 25)

Trotzdem sei die Lage aber nicht so hoffnungslos, wie sie scheine, denn diese Grenze sei zugleich die Grenze „der freien Welt gegen den Kommunismus“. An der Elbe, so seine Begründung, sei zugleich die Verteidigungslinie für Frankreich, England und für die Vereinigten Staaten.14 Die 1966 veröffentlichte Schrift zur Erläuterung der Zivilschutzgesetze Die Kunst zu Überleben: Zivilverteidigung in der Bundesrepublik erklärte, dass in ihrer Lage unmittelbar am Eisernen Vorhang nur Griechenland und die Türkei ähnlich exponiert seien, allerdings sei die Bevölkerungsdichte der Bundesrepublik erheblich höher (Kremer 1966: 11). Die Autoren dieser Schrift, die vom Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz gefördert wurde (Vulpius 1964: 17), befürchteten, „die Kleinheit Deutschlands, die auf dem Globus schon immer ins Auge stach, würde im Verhältnis zur Geschwindigkeit der heutigen Kriegsmittel vollends zur Winzigkeit zusammenschrumpfen“ (ebd.: 12). Viertens lässt sich insbesondere innerhalb des Zivilverteidigungdiskurses ein Wiederauftauchen des Begriffs „Vernichtung“ feststellen. Bereits im vorangegangenen Kapitel hatten wir gesehen, dass dieser Be-

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griff bereits bei Ratzel und Haushofer wesentlich zur Kennzeichnung der eigentlichen Natur des modernen Krieges diente. „Die Absicht, den Feind in kürzester Zeit zu vernichten, folgt für Ost und West zwingend aus der Wirkungsweise der modernen Waffen“, schrieb Kremer (1966: 16). Die Bundesrepublik habe „gute Chancen“, einen Krieg zumindest teilweise zu überleben, wenn sie sich verstärkt auf einen begrenzten Atomkrieg mit dem Einsatz taktischer Kernwaffen einstelle, vorausgesetzt die gesamte Zivilbevölkerung stehe hinter Westdeutschlands Zivilverteidigungskonzept (ebd.: 18).15 In Ratzel’scher Manier sprach der Zivilverteidiger Hampe 1956 in seinem Buch Im Spannungsfeld der Luftmächte von einem „Kampf um Sein oder Nichtsein“, in den Deutschland durch seine “geographische Lage als Grenzvolk” geraten sei (Hampe 1956a: 10-12). Geradezu die Sprache Schmitts beschwörend  – von See-, Land- und Luftmacht (Schmitt 1942[2001])  – verkündete Hampe dann, Europa sei nicht mehr als ein großer Luftraum, innerhalb dessen Deutschland besonders verwundbar sei. Hampe stellte die Frage, ob Westdeutschland noch ein „einheitlich geführter und reaktionsfähiger Organismus“ sein werde, wenn das „Chaos der Massenvernichtung“ entfesselt worden sei (Hampe 1956b: 14). Als „Volk zwischen den Fronten“ sei Deutschland „in seiner Existenz“ bedroht (Hampe 1956a: 41f.). Er schloss daraus, dass es für die Regierung in Bonn unumgänglich sei, die deutsche Bevölkerung vor der Wirkung der taktischen Atomwaffen zu schützen. Jede Form der Zivilverteidigung müsse der „Förderung des sozialen, hygienischen und humanitären Lebens der Bevölkerung“ dienen (ebd.: 72). Mit unüberhörbarem biopolitischen Unterton erklärte er, „man […] muss sich darüber im Klaren sein, dass man selbst ein lebendiges Glied dieses Staates ist“, das lernen müsse, sich selbst zu schützen (Hampe 1956a: 46). So äußerte er sich in einer anderen Schrift wie folgt: Der totale Angriff hat eine Kehrseite: die totale Verteidigung. Die totale Verteidigung umfasst nicht nur die militärische, sondern im gleichen Maße die zivile Verteidigung. Sie gehören zusammen und bilden ein Ganzes. Das ist der Januskopf des heutigen Krieges. Das eine Gesicht schaut nach außen, dem Feinde entgegen; das andere blickt nach innen auf die Lebensfunktionen des eigenen Volkes. Nur wenn diese aufrecht erhalten werden können, besitzt die kämpfende Front Widerstandsfähigkeit und Schlagkraft. (H ampe 1956 b: 9)

Kapitel 3 – Zurück zur Erde

Das harmoniert mit Scharpff, der 1955 die Leser der Zeitschrift für Geopolitik an das Konzept Haushofers erinnerte, den Staat als Organismus mit administrativen „Zellen“ zu verstehen, die fest in der natürlichen Landschaft verankert sein sollten (Scharpff, 1955). Ganz ähnlich schrieb Kremer, die „unterste Einheit und Zelle des Selbstschutzes ist das Haus“ (Kremer 1966: 46). Interessant ist, dass diese neue deutsche Geopolitik auch in Arbeiten derer auftaucht, denen keine Verbindung zur Geopolitik der Zwischenkriegszeit oder zu militärischen Kreisen der Nachkriegszeit nachzuweisen ist. Der Historiker Ludwig Dehio z.B. erklärte in seinem Buch Deutschland und die Weltpolitik im 20. Jahrhundert (1955), Preußen habe „eine neue Vitalität […] im biologischen Bereiche, im geistigen, im wirtschaftlichen: und vor allem im politischen“, in der „geschichts- und kulturarmen Peripherie des Ostens“ hervorgelockt und geformt (Dehio 1955: 11). In Antwort auf die von ihm selbst gestellte Frage, ob in einem sterbenden System von Staaten „der geographische Begriff Europa ein organisches Lebewesen“ werden könne (ebd.: 110), antwortete er, um als „organische Einheit“ zu entstehen, müssten die ansonsten „verzwergt[en]“ und „lebensunfähig[en]“ Staaten Europas sich „solidarisch gegen den Kommunismus“ zusammenfinden (ebd.: 115). Die Chance für eine neue europäische Einheit habe sich 1945 „nicht vom Osten her“ geboten, „wo europäisches Wesen durch russische Neuorganisation schonungslos zermalmt wird, aber vom Westen her, wo die Angelsachsen, durch den Ausbruch des kalten Krieges gezwungen, die Neuorganisation Resteuropas in die Hand nahmen“ (ebd.: 116). Interessanterweise ging die Zeitschrift für Geopolitik in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens nur selten im Detail auf Fragen der Atomstrategie ein. Andernorts allerdings waren die Befürworter der neuen deutschen Geopolitik sehr wohl bereit, Ideen aus der gerade entstehenden Nuklearstrategie aufzunehmen und zu verarbeiten. So sprach Hans Speidel, ein früherer General der Wehrmacht und 1960 Oberkommandierender der NATO-Landstreitkräfte in Mitteleuropa, auf dem jährlichen Treffen der Association of the United States Army von der zentralen Bedeutung der westdeutschen Landstreitkräfte in einem möglichen Atomkrieg mit der Sowjetunion. Nur durch diese Streitkräfte könne der „Aggressor […] geschlagen und vernichtet […], das eigene Territorium […] vom Feind gesäubert werden“, so Speidel (Speidel 1960: 168). Er endete seine Rede im Stil der Biopolitik mit den Worten, „[i]n der Armee schlägt das Herz des Vaterlandes“. Nur im Rahmen der NATO könne die „Verteidigungsbereitschaft

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[der deutschen] Streitkräfte“ zu einer „besseren Welt“ führen (ebd.: 169). 1969 vertrat Speidel die Meinung, dass ein massiver Vergeltungsschlag für Deutschland den nationalen Selbstmord bedeute, ein selektiver Einsatz von Atomwaffen jedoch das Überleben der Nation sichern könne. Implizit Rudolf Kjelléns Aussage herauf beschwörend, das Territorium eines Staates sei unter Umständen wichtiger als dessen Volk, sprach er sich für den Einsatz von Kernwaffen als „ultima ratio“ aus, „wenn weit überlegene konventionale Kräfte angreifen, wenn die konventionelle Abwehr trotz aller politischen und militärischen Maßnahmen den Verlust wesentlicher Gebietsteile nicht mehr verhindern kann“ (Speidel 1969: 67). Dies war der gleiche Speidel, dem vorgeworfen wurde, 1942 an der Vorbereitung der Deportation französischer Juden nach Auschwitz beteiligt gewesen zu sein (Bald 2005: 50). Bereits in den frühen 50er Jahren herrschte unter den deutschen Generälen der Eindruck, der Kalte Krieg sei eigentlich nur eine Weiterführung der militärischen Auseinandersetzung des Dritten Reiches mit der Sowjetunion. Die Art und Weise, in der sie ihre geopolitischen Konzepte mit denen der anglo-amerikanischen Seemacht verbanden, bot ihnen die Möglichkeit, einen anderen Vernichtungskrieg durchzukalkulieren und zu planen, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, noch in irgendeiner Form in die geistige oder strategische Denkungsart der nationalsozialistischen Geopolitik verstrickt zu sein. Erkennbar ist allerdings auch, wie biopolitische Ideen zum Bevölkerungsmanagement und auch Auffassungen vom Staat als Organismus ihren Weg in die Vorbereitung eines Atomkrieges zurück fanden.

U nterirdischer L ebensr aum Als es zu Beginn der Stationierung amerikanischer Atomwaffen auf dem Gebiet der Bundesrepublik im Jahre 1957 zu öffentlichem Widerstand kam, forderte Bundeskanzler Adenauer deutsche Wissenschaftler auf, sich für Atomwaffen auszusprechen (Cioc 1988: 80). Im gleichen Jahr veröffentlichte der Physiker Pascual Jordan seine Vorstellungen von einem atomaren Deutschland. Er war von Adenauer als einer der wenigen Wissenschaftler ausgesucht worden, die bereit waren, die Haltung der Bundesregierung zu unterstützen. Auch wenn nicht ausdrücklich als geo- oder biopolitischer Artikel geschrieben, so sind auf seinen Sei-

Kapitel 3 – Zurück zur Erde

ten doch Spuren der deutschen geopolitischen Tradition deutlich spürbar. Unter Einsatz von Begriffen wie „Erbgesundheit“ vertrat er die Ansicht, man könne nicht davon ausgehen, eine nukleare Katastrophe werde notwendigerweise zur „Auslöschung“ führen (Jordan 1957: 176). Es gebe einfach keinen Beweis, dass die Auswirkungen eines dritten Weltkrieges gravierender sein werden als die des vorangegangenen Weltkrieges. „Und selbst dann, wenn einmal im Jahr 2050 eine noch viel schlimmere Katastrophe die Menschheit auf wenige Promille ihres Bestandes reduzieren sollte, würde man im Jahr 3500 schon wieder das Problem der Überbevölkerung für das bedrückendste aller Probleme halten. Dieses Problem der Überbevölkerung ist nicht einmal durch die beiden Weltkriege gelöst worden.“ (Ebd.: 177) Im Ratzel’schen Duktus schloss er, die Existenz der Menschheit werde im nächsten Jahrtausend so gefährdet sein, wie es die des Wollhaarmammuts oder des Höhlenbärs in der Vergangenheit gewesen sei. Seine Lösung war der Bau von „unterirdische[n] Städte[n]“, die ja schon wegen der Zunahme des Verkehrs und dem Bau von subterranen Straßensystemen auf mehreren Ebenen notwendig seien und deren Bau viel effizienter unter der Erde bewerkstelligt werden könne. Man sollte hervorheben, dass in der deutschen Geopolitik der Vorkriegszeit diese Idee eines unterirdischen Lebensraums nie auch nur angedacht gewesen war. Der junge Ratzel hatte eine Vorstellung von einer Welt von unglaublichem Reichtum und von unter der Erdkruste lebenden Märchenwesen (Ratzel 1905[1966]: 9)  – aber er starb vor dem Bau der ersten Bunker. Haushofer kannte natürlich Bunker, stand ihnen aber zunächst skeptisch gegenüber. Er betonte deutlich den Unterschied zwischen „tote[m] Raumschutz“ und „lebendige[m] Raumwille[n]“, womit er einen minderwertigen „französischen“ Stil einer aktiveren Verteidigung mit „Flugzeug, Panzer und Feuerwaffe“ gegenüberstellte (Haushofer 1934b: 594). In einer Kritik von Bunkeranlagen erklärte er, die Antwort auf den „lebendige[n] Raumwille[n]“ anderer Nationen könne nicht aus „Stahl und Beton“ bestehen, unabhängig davon, wie brauchbar diese Materialien vielleicht zu sein schienen (ebd.). Nach 1945 befasste man sich im Rahmen der deutschen Geopolitik allerdings intensiver mit unterirdischem Lebensraum. Ernst Samhaber, ein Journalist, der in der Zeitschrift für Geopolitik besorgt über Westdeutschlands exponierte geopolitische Lage schrieb, empfahl den Bau für das Überleben im Atomkrieg geeigneter Anlagen (Samhaber 1952: 654). Ganz ähnlich argumentierte Friedrich Ruge, wenn er erklärte, die neuen west-

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deutschen Streitkräfte müssten durch den Bau wesentlicher Zivilverteidigungsanlagen unterstützt werden (Ruge 1963: 88). Deutschland müsse nach Osten blicken, um die nötige Inspiration für den Weg in den Untergrund zu finden, befand sein Kollege Leo Geyr von Schweppenburg. Dieser, ein ehemaliger Wehrmachtsgeneral und nach dem Krieg Berater der US-Armee, zeigte sich besorgt darüber, dass Deutschland „zu einem Pufferstaat zwischen Ost und West geworden ist, und dass machtlose Pufferstaaten immer in der Geschichte zu Angriffen herausforderten“ (von Schweppenburg 1952a: 81). In seinem Buch von 1952 Die große Frage. Gedanken über die Sowjetmacht vertrat er die Meinung, die historischen Umwandlungsprozesse des 20.  Jahrhunderts hätten die „eurasische Land- und Völkermasse politisch und wirtschaftlich kräftemäßig zu einem überlegen starken […] selbstständigen Block entwickelt“ (von Schweppenburg 1952b: 21). Er versah sein Buch mit rassisch typisierenden Bildern von russischen „Volkstypen“, schrieb mit hoher Bewunderung von der sowjetischen Todesverachtung und behauptete, ein russischer Soldat könne vielmehr aushalten als sein westliches Gegenstück. Die harte Konstitution der Russen und seine Naturverbundenheit machen ihn zu einem Kämpfer, dessen Wesen dann voll in Erscheinung tritt, wenn die Natur anderer, rassisch Schwächerer auszuweichen versucht oder zu versagen droht. […] Der Russe ist eine Art Nachttier, findig und nervenlos. […] Er verschwindet in der Erde wie ein geschickter Maulwurf. (von S chweppenburg 1952b: 59-60 16)

Von Schweppenburg drückt hier seine Bewunderung darüber aus, dass sowjetische Soldaten fähig seien, sich die Erde zum Diener zu machen, indem sie in ihr verschwanden. Von daher ist es vielleicht auch keine Überraschung, dass er mit großer Bewunderung von den „gewaltigen, geschützten, weil unterirdischen, Luftbasen“ sprach, die von der Sowjetunion in Ostasien gebaut worden seien (ebd.: 34). Erich Hampe, der erste Präsident der Bundesanstalt für zivilen Luftschutz in Bonn, erinnerte seine Leser daran, dass es in Hiroshima die „unterirdisch angelegte Deckungsunterstände mit gehörigem Erdaufwurf“ waren, die viele Menschenleben gerettet hätten (Hampe 1956a: 48). In seine Schriften ließ er nicht nur geopolitische Karten einrücken, die aus seiner Sicht die Fragilität des westdeutschen Territoriums in einem kommenden Krieg aufzeigten, sondern auch Zeichnungen von Bunkern

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Zeitberechnung für die Anflugzeit leichter Bomber und Fernwaffen

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Abb. 3.3 Karte mit der Darstellung der Verwundbarkeit Deutschlands bei einem Angriff leichter Bomber und unter Einsatz von Fernwaffen. Abb. 3.4 Zeichnung eines Atomschutzbunkers (beide in Hampe 1956a: 57, 61). für die Zivilbevölkerung, die das Überleben der deutschen Bevölkerung in einem Atomkrieg sicherstellen würden (siehe Abb. 3.3 und 3.4). „Die mittelalterlichen Städte suchten einst ihren Schutz für die Bevölkerung durch den Bau von hohen, unübersteigbaren Mauern zu erreichen. Nun verlagert sich der neuzeitliche Schutz für die Zivilbevölkerung nach der Tiefe.“ (Hampe 1956a: 60) Wir werden hier wieder an Rudolf Kjellén erinnert, der mit Nachdruck darauf bestanden hatte, der Nationalstaat müsse, „wenn notwendig“, in der Lage sein, „hinter verschlossenen Türen zu überleben“ (Kjellén 1917: 162).

J enseits des Tabus Während der Begriff Geopolitik sowohl im politischen Mainstream tabuisiert und in der deutschen Wissenschaft marginalisiert war, waren die vielfältigen Konzepte und Tropen der Geopolitik in der Bonner Republik oft gebräuchlich. Anders als in der Zwischenkriegszeit findet man die deutsche Geopolitik in der Nachkriegszeit nicht so sehr in wissenschaftlichen als vielmehr in militärischen Kreisen. Bei denen, die sich nach 1945 mit der Problematik der Geopolitik befasst haben, blieb die Geburtshelferrolle früherer Wehrmachtsoffiziere bei dieser neuen geopolitischen Tradition bisher unbeachtet. Die neue deutsche Geopolitik war nicht, wie Kost (1988: 2) meint, eine einfache Wiederauflage der

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Geopolitik der Zwischenkriegszeit, sondern sie nahm neue Ideen sehr unterschiedlicher intellektueller Provenienz auf, wobei ihre grundlegenden Prinzipien allerdings intakt blieben. Auch wenn die Geopolitik nur ein Nischendiskurs blieb, so waren doch einige ihrer Vertreter, die entweder in der Zeitschrift für Geopolitik oder auch anderswo ihre Schriften veröffentlichten, an dem Auf bau der neuen Bundeswehr und am Zivilverteidigungsprogramm in führenden Positionen beteiligt. Dieses Programm ist nicht als defensiv anzusehen, denn es war in eine breit angelegte Vorbereitung auf einen totalen Krieg mit einem geopolitischen Gegner eingebunden. Wie Carl von Clausewitz (1832) in seinem Buch Vom Kriege in einer berühmten Formulierung konstatiert hat, widerspricht „aber eine absolute Verteidigung dem Begriff des Krieges völlig […], weil bei ihr nur der eine Krieg führen würde“ (Clausewitz 1832[2004]: 139). Diese neue Geopolitik fand ihre Gestalt in einer Reihe altbekannter Tropen wie der Dynamik von Land- und Seemacht und Deutschlands bedrohter Mittellage in Europa. Wie schon im konzeptuellen Universum der deutschen Vorkriegsgeopolitik waren die politisch verstandene Erde und politisches Leben erneut ineinander verwoben. In dem neuen Diskurs war es insbesondere die Idee, in einem Atomkrieg hänge das Überleben der Nation vom Bunkerbau ab, der ihn von seinem Vorgänger in der Zwischenkriegszeit unterschied. Auf diese Weise verband der Bunker die biopolitisch agierende Regierung erneut mit dem Boden, in dem, nach geopolitischer Auffassung, die Nation verwurzelt ist. In vielfacher Hinsicht schienen die unterirdischen Vorbereitungen auf einen Atomkrieg Ratzels Idee, dass „das Volk wie ein organisches Wesen immer inniger mit dem Boden sich verbindet“, neue Relevanz zu geben (Ratzel 1941: 21). Dabei muss man sehen, dass geopolitische Ideen nicht so sehr von verbleibenden Geographen der Weimarer Zeit verbreitet wurden, sondern dass sie zunehmend von der anderen Seite des Atlantiks nach Deutschland zurückkamen. Bücher wie Miksches Atomwaffen und Streitkräfte z.B. (ursprünglicher englischer Titel: ‚Atomic Weapons and the Armed Forces‘) von 1955, ein Buch, das später in Militärakademien für die Ausbildung von Bundeswehroffizieren eingesetzt wurde, benutzten den Begriff Geopolitik in aller Selbstverständlichkeit. In Ratzels Diktion wurde dem Leser hier vermittelt, „Kriege waren schon immer so sehr ein Teil des Völkerlebens, dass sie eine biologische Notwendigkeit zu sein scheinen“ (Miksche 1955:

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192). Im Atomkrieg, so Miksche, gebe es keine signifikante Unterscheidung zwischen Front und Hinterland mehr. Unter derartigen Bedingungen müsse die ganze Nation wie das Militär organisiert sein (ebd.: 178). Angesichts der zu erwartenden Fluchtbewegung großer Bevölkerungsteile weg von dem zentraleuropäischen Schlachtfeld könne der Staat zu „drakonischen Maßnahmen“ gezwungen sein, um das Gebiet für die Schlacht vorzubereiten (ebd.: 185).17 Keine Überraschung ist vielleicht, dass US Verteidigungsminister Robert McNamara einige Jahre später die Meinung vertrat, als Gegenstück zum amerikanischen, ballistischen Raketenprogramm sei ein umfassendes Programm für den Bunkerbau vonnöten (Monteyne 2011: 47; 75). Derartig kompromisslose Unterstützung von der anderen Seite des Atlantiks machte die Bühne frei für die neue deutsche Geopolitik. Die früheren Wehrmachtsgeneräle, die für die Beförderung der neuen deutschen Geopolitik von so zentraler Bedeutung waren, waren zwar Mitte der 50er Jahre nicht mehr als eine lose Gruppierung, aber sie hatten eine gemeinsame Haltung entwickelt, die ihren Schwerpunkt in der Erkenntnis hatte, dass Deutschland nicht mehr zu den Großmächten gehörte und dass es sich am Westen neu orientieren musste. Anfänglich konnten die früheren Generäle keinen unmittelbaren Einfluss auf den entstehenden jungen Staat nehmen, sondern waren auf Personen wie den britischen Militärschriftsteller Basil Liddell Hart als Vermittler angewiesen. Letzterer hatte bei verschiedensten Gelegenheiten eine ganze Reihe von ihnen persönlich in Gefangenschaft kennengelernt und war zu einer Art Anwalt der Generäle und ihrer Sache geworden. 1952, ein Jahr nachdem die Generäle ihr Buch Armee ohne Pathos veröffentlicht hatten, in dem sie die geopolitischen Grundlagen für eine neue Armee darlegten (Weinstein 1951),18 traf Liddell Hart sogar Adenauer, um die Ideen der Generäle mit ihm zu diskutieren (Searle 1998: 346). Wollte die deutsche Geopolitik gehört werden, so brauchte sie die Unterstützung der anglo-amerikanischen Partner. In den 50er Jahren fungierten die früheren Generäle als inoffizielle Berater und nahmen auch an Konferenzen teil (ebd.: 279). In den frühen 60er Jahren standen 12360 frühere Wehrmachtsoffiziere zusammen mit 300 ehemaligen SS-Offizieren wieder im aktiven Dienst. Zu der Zeit war die Bundesrepublik zu einem wichtigen Mitglied im Rahmen der konventionellen NATO-Strategie und sogar der NATO-Nuklearstrategie geworden (Bald 2005: 51). Bei der Verfolgung der These, dass die deutsche Geopolitik ihr eigenes Begräbnis überlebt habe, sind wir bis jetzt der Frage ausgewichen, wann die Geopolitik als ein mehr oder weniger kohärentes System denn

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nun eigentlich tatsächlich verschwand. Wir haben uns vor allen Dingen mit den frühen und mittleren 50er Jahren befasst, einer Phase, in der die neue Geopolitik sich in unverkennbarer Form herauskristallisierte. Spuren dieser Geopolitik sind aber bis in die späten 60er Jahre zu finden. Erst in den 60er Jahren, so merkt Sprengel an (1996: 36), „versickert“ der Begriff Geopolitik langsam, um erst im Zusammenhang mit dem Historikerstreit der 80er Jahre wieder aufzutauchen. Das Jahr 1968 markiert dann nicht nur den Moment, an dem die Zeitschrift für Geopolitik endgültig ihr Erscheinen einstellte, sondern es ist natürlich auch das Jahr der Studentenrevolte, die trotz ihres Fehlschlagens die westdeutsche Gesellschaft in ihrer Beziehung zur nationalsozialistischen Vergangenheit tiefgreifend umgestalten würde. Im Jahr darauf begann die neue SPD-Regierung unter Willi Brandt die drastischsten Formen nuklearer Abschreckungspolitik aufzugeben und eine Öffnung der bundesdeutschen Außenpolitik nach Osten einzuleiten. Dies bedeutet keinesfalls, dass der Kalte Krieg und seine Logik von Überleben und Vernichtung aus Westdeutschland verschwunden wären. Ganz im Gegenteil: Die Bundesrepublik war zu dem am stärksten mit Atomwaffen bestückten Gebiet der Welt geworden. Die neue Geopolitik hatte mit Sicherheit ihren Beitrag dazu geleistet, die Remilitarisierung einer Gesellschaft zu legitimieren, die dem Krieg aufgrund der eigenen Erfahrungen eher ablehnend gegenüberstand. Vielleicht hatte sich die Geopolitik in den späten 60er Jahren selbst überf lüssig gemacht, da der Bau von Atombunkern und Sondermunitionslagern mit ihrer aggressiven Architektur in der gesamten Bundesrepublik weitgehend abgeschlossen worden war. Der diskursive Überbau der Geopolitik war nicht mehr notwendig, um die Logik von Überleben und Vernichtung abzustützen, die in dem militärischen Gelände des Kalten Krieges entstanden war. Diesen Landschaften, die sich bereits bei der Wiederbelebung der deutschen Geopolitik abgezeichnet hatten, werden wir uns jetzt zuwenden.

E ndnoten 1 | Ironischerweise wertet Carlo Schmid die Geopolitik in demselben Moment, in dem er sie als theoretischen Überbau ablehnt, mit der Forderung auf, Geographie müsse eine Ressource der Politik bleiben.

Kapitel 3 – Zurück zur Erde

2 | Farish (2004: 94) zeigt auf, dass Kennan sich in den 50er Jahren nicht nur im globalen Rahmen mit dem geopolitischen Raum befasste, sondern auch im urbanen Rahmen. 3 | Morgenthau sah Geopolitik als „Ein-Faktor-Theorie“, die Geographie „zu einem Absolutum erhob, das angeblich die Macht und damit das Schicksal von Nationen“ bestimmte (Morgenthau 1948[1993]: 174). 4 | Carl Schmitts Nomos der Erde erschien zuerst 1950 (Schmitt (1950[1997]) und Otto Maulls Politische Geographie aus dem Jahre 1925 wurde 1956 bei einem anderen Verlag nachgedruckt. 5 | Zu einem weiteren Versuch der Rettung des Lebensraumkonzepts siehe Maull (1956: 17). 6  | Nicht ganz überraschend tauchen in der Zeitschrift für Geopolitik Beiträge von bereits bekannten Autoren auf. So schrieb Carl Schmitt einen Nachruf (Schmitt 1952), Walter Christaller veröffentlichte einen Artikel über Subkontinente (1955) und Otto Maull einen Artikel über die Notwendigkeit, den europäischen Subkontinent in ein politisches Projekt zu verwandeln (Maull 1951). Es erschien sogar ein bislang unveröffentlichter Artikel Karl Haushofers über Indonesien und das Südchinesische Meer (Haushofer 1955). 7  | Als die Zeitschrift zunehmend Artikel von Mozart über Flughäfen bis Nietzsche veröffentlichte, zogen sich die verbliebenen Geopolitiker der Zwischenkriegszeit allmählich aus der ZfG zurück. Die Zeitschrift erschien weiter bis 1968, aber geopolitische Themen tauchten nur noch am Rande auf und sahen neben den von den Herausgebern bevorzugten politisch oft esoterisch wirkenden Artikeln eher deplatziert aus. 8 | Schöller (1957: 5) vertritt zwar die Auffassung, die Geopolitik sei in Westdeutschland „nicht tot“, beschränkt sich allerdings in seiner Analyse nur auf ein Buch von Jagemann (1955). 9 | Ramcke nahm die Gelegenheit für einen sehr positiven Nachruf auf Marschall Pétain in der ZfG wahr (Ramcke 1951). 10  | Die ZfG diskutierte sehr ausführlich die Entwicklungsgeschichte des Flugzeugträgers (Pantenius 1952). 11  | Blumentritt verstand den Globus als Mahner, der Deutschland vor Utopien schütze. Viele Fehler hätten seiner Meinung nach in der deutschen Geschichte nach Bismarck vermieden werden können, wenn die verantwortlichen Staatsmänner jeden Abend den Globus betrachtet hätten (Blumentritt 1952: 12f.). 12  | Ein auffallender innerer Widerspruch bei ihm und vielen seiner Zeitgenossen zeigt sich zwischen dem Glauben an die Vorteile der europäischen Integration und der damit verbundenen Deterritorialisierung Europas einerseits („Wenn sich die

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Länder Europas entschließen würden, in friedlichem Einvernehmen alle trennenden Grenzen niederzureißen, könnte unser Erdteil einer glücklichen Zukunft entgegen gehen“), und andererseits darauf zu bestehen, dass die an Polen und die Sowjetunion verlorenen deutschen Ostgebiete zurückgegeben werden müssten, denn „die Ostgebiete waren seit Jahrhunderten mit dem übrigen Deutschland aufs engste verbunden“ und deutsche Bauern hätten dort schon jahrhundertelang gesiedelt. Darüber hinaus wurden große Teile Europas lediglich als „Abwehrstellung des Abendlandes gegen Asien“ gesehen (Jagemann 1955: 75-79). 13  | Ganz ähnlich hatte Schmitthenner fünf Jahre zuvor argumentiert: „So ist unsere Erde in eine kontinentale kommunistische und eine ozeanische nichtkommunistische […] Hälfte zerspalten“. Der Okzident, so Schmitthenner, sei dem Untergang geweiht, wenn er sich nicht hinter den westlichen Seemächten zusammenfinde, um den aggressiven Osten unter Kontrolle zu halten (Schmitthenner 1951: 210f.). 14 | Mehr als ein Jahrzehnt später war die Diskussion um das geographische Zentrum in der Debatte über die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik immer noch bestimmend. 1969 veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, bis heute einer der wichtigsten Think-Tanks in Deutschland, eine Untersuchung über „Mittelmächte“ und ihre Rolle in der Weltpolitik. Als „Mittelmächte“ wurden dabei Staaten definiert, die im Weltsystem zwischen den großen Weltmächten einerseits und Staaten von lokaler Bedeutung andererseits standen. Trotz der Schlussfolgerung, die Bundesrepublik sei nach 1945 zu einer solchen Mittelmacht geworden, die jetzt auf regionaler Ebene Einfluss auf die Außenpolitik nehmen könne, blieb die Studie den Kennzeichen geopolitischer Macht verhaftet: Territorium, Sicherheit und Bevölkerungszahl. Nachdenkend über die Rolle des territorial definierten Raums im Atomzeitalter argumentierte man in schon bekannter geopolitischer Manier: „Jedenfalls gibt die Weite des Raumes […] bedeutende Vorteile: […] sie vermindert, wenn auch nur relativ, die Verwundbarkeit gegen nukleare Angriffe […] und sie vermittelt der Nation ein elementares Gefühl der Größe und Bedeutung, das als psychologische Grundlage einer Weltmacht unerlässlich ist (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik 1969: 147). 15  | Erst ab 1954 begann man beim US-Militär zwischen taktischen und strategischen Kernwaffen zu unterscheiden, und erst ein Jahr darauf sahen die führenden Militärs und Politiker der Bundesrepublik „deutliche Hinweise“ auf die „Nuklearisierung der Kriegsführung der Westalliierten“ (Gross 2012: 279). 16 | Von Schweppenburg schloss, es sei wichtig zu erkennen, dass Russen gegenüber autoritärem Denken grundsätzlich anfällig seien. Ähnlich wie George F. Kennan meinte er, die „indolent passive Art“ der Großrussen könne nur mit „mit brutalen Mitteln“ kontrolliert werden (von Schweppenburg 1952b: 44).

Kapitel 3 – Zurück zur Erde

17 | Miksche vertrat ebenfalls die Meinung „unter dem schweren Druck des gewaltigen, von Elbe und Donau bis zum Pazifischen Ozean reichenden ‚Panslawischen Imperiums‘ hat Resteuropa nur geringe Aussichten, seine Selbstständigkeit wahren zu können“ (Miksche 1955: 190). 18 | Das Buch fasste eine Vielzahl von Ideen der neuen deutschen Geopolitik zusammen, indem es die Haltung von 16 früheren Wehrmachtsoffizieren zur strategischen Lage Westdeutschlands untersuchte. Zur Nachkriegsepoche schloss es, Westdeutschland müsse seine Vorstellung aufgeben, Mitteleuropa als „Ordnungsmacht“ beherrschen zu können (Weinstein 1951: 157).

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Kapitel 4 – Lebensraum im thermonuklearen Zeitalter In der Entwicklung der Kultur sehen wir das Volk wie ein organisches Wesen immer inniger mit dem Boden sich verbinden. F riedrich R atzel 1882

Ü berlebensr aum Ungefähr 25 Kilometer südlich von Bonn, der ehemaligen Hauptstadt der Bundesrepublik, liegt ein bemerkenswertes Relikt des Kalten Krieges. Inmitten von Weinbergen, Wäldern und Dörfern mit winzigen Fachwerkhäusern verbergen sich die Überreste eines Refugiums für den Staat im Atomzeitalter. Fertiggestellt 1972 und aufgegeben 1997 ist der Bunker bis heute das teuerste Bauprojekt der Bundesrepublik. Abgesichert hinter massivem Stahlbeton, tonnenschweren Drucktoren und ausgefuchsten Filtersystemen hätten dort 3000 Politiker, Verwaltungsbeamte und Soldaten bis zu einem Monat überleben können. Wie ein überwinternder Organismus, so hoffte man zumindest, hätte dort der Staat autonom dunkelste Stunden überleben können – vergraben in der deutschen Erde, über die Ratzel und Haushofer einst mit solcher Begeisterung schrieben. Wie die damalige Hauptstadt liegt der westdeutsche Regierungsbunker in Marienthal im Rheinland, jener Gegend, die Halford Mackinder als die „bedeutendste Bruchlinie in Europa“ bezeichnet hat (Mackinder 1908: 2f.). Karl Haushofer hat einmal den Rhein in seiner geopolitischen Bedeutung mit dem Indus und dem Gelben Fluss verglichen und gewarnt, dieser übervölkerte rheinische Lebensraum lade geradezu zu einer Beherrschung Deutschlands durch eine fremde Macht ein, sollte Deutschland nicht zu einer autonomen Geopolitik finden (Haushofer 1928: 8).

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Geologisch und geopolitisch sei die Geschichte des Rheinlands schon immer die „des Kampfes und Ringens“ gewesen. „Hier will die Natur keinen Pazifismus.“ (Ebd.: 6) Diese Aussagen Haushofers haben sich als letztlich falsch erwiesen, denn in den 50er und 60er Jahren verlor das Rheinland allmählich seine geopolitische Bedeutung (Klinke und Perombelon 2015). Trotzdem überlebte in dieser Region das Interesse am geopolitischen Raum, denn im Zeitalter der Wasserstoff bombe waren es nicht länger Friedrich Ratzels offene Räume, die Überleben ermöglichten, sondern der geschlossene Lebensraum des Atombunkers. Im Rahmen der deutschen Geopolitik hatte der Begriff des Raumes immer die Bedeutung einer „übernatürlichen Macht“, die den Staat zugleich „umgrenzt, gliedert und letztlich erschaffen“ hat (Murphy 1997: 26). Bei einer Übersetzung ins Englische mit den Begriffen space oder area verliert man leicht den Blick für den geradezu mystischen Klang, den der Begriff Raum im Deutschen neben seinen allgemeinen, bedeutungsschweren Schichten und Ebenen auch aufgrund seiner geopolitischen Tradition hat. Raum bezeichnet ja schließlich nicht nur den abstrakten Raum auf einer geopolitischen Karte im Sinne der gewalttätig kartographischen Lebensraumphantasie, sondern auch den Begriff Zimmer oder auch Wohnzimmer mit seinen lebensfreundlichen Konnotationen. Als biopolitischer Raum scheint der Schutzraum so der Material gewordene Ausdruck sowohl für Rudolf Kjelléns These, eine Nation solle, „wenn nötig“, in der Lage sein, autonom hinter „geschlossenen Türen“ zu überleben (Kjellén 1917: 162), als auch für Friedrich Ratzels Idee, dass das Volk „wie ein organisches Wesen immer inniger mit dem Boden sich verbindet“ (Ratzel 1941: 21). Wie wir sehen werden, versuchte der Staat im Kalten Krieg durch die unterirdische Überlebenskapsel eine enge Verbindung mit der Erde herzustellen. Mitte der 50er Jahre entwickelte sich unter leitenden Beamten des Zivilschutzes eine hitzige Debatte über die Zukunft der Bundesrepublik angesichts der als bedrohlich empfundenen Mittellage. Der spätere Chef des Technischen Hilfswerks Alexander Löfken rief als Antwort auf die veränderte politische Lage in Deutschland zu einer neuen Ära der Raumplanung auf. Mit unüberhörbar geopolitischen Untertönen merkte er an, „[s]oweit wir in die Vergangenheit zurückblicken können, überall zeigen sich Beweise des ewigen Gesetzes der Selbsterhaltung. In endloser Kette berichtet die Geschichte von Kampf, von Angriff und Verteidigung“ (Löfken 1954: 33). Seit der Römerzeit und Chinas Großer Mauer bis zur Magi-

Kapitel 4 – Lebensraum im thermonuklearen Zeitalter

notlinie und dem Westwall, der sogenannten Siegfriedlinie, seien Bauten immer Teil von Verteidigungsmaßnahmen gewesen. Westdeutschland befinde sich in einer besonders problematischen Lage und müsse deshalb seinen „Raum“ neu evaluieren. Wegen seines zusammengeschmolzenen Territoriums und seiner Lage unmittelbar hinter der Front werde „der uns verbliebene Lebensraum“ im Kriegsfall unvermeidlich militärisches Einsatzgebiet werden. Statt aber einem territorialen Revisionismus das Wort zu reden, setzte sich Löfken für eine Phase neuer Großraumplanung ein, bei der es nicht um Eroberung und Kontrolle neuen Territoriums ging, sondern um die Bebauung des eigenen Geländes. Deutschland könne seinen Lebensraum nur absichern, wenn es sich mit Hilfe von Bauten auf den totalen Krieg vorbereite. Kein einziges Gebäude, so Löfken, dürfe noch ohne Berücksichtigung des „Baulichen Luftschutzes“ entstehen (ebd.). Nur wenn die Zivilverteidigung den militärisch-strategischen Bedürfnissen untergeordnet werde, könne der Deutschland „zur Verfügung stehende Raum, mit dem die Entwicklung unserer Gemeinschaft eng verbunden ist“, als gesichert gelten (Löfken 1953: 34; vgl. auch Löfken 1960). Während Löfken mit seinem andauernden Gebrauch des Begriffes Lebensraum bis in die 60er Jahre aus dem Rahmen fiel, war er keinesfalls der Einzige, der die Zivilverteidigung entlang geo- und biopolitischer Konzepte durchdachte. Schon im vorangegangenen Kapitel haben wir gesehen, wie Erich Hampe, der erste Präsident der Bundesanstalt für zivilen Luftschutz, darauf bestand, den Staat weiterhin als Organismus zu verstehen, der gegen harte Konkurrenz um sein Überleben kämpfen müsse. Aber anders als Haushofer, der Lebensraum noch als zweidimensionalen und territorialen Raum verstanden hatte, befassten sich die leitenden Beamten im Bereich der Zivilverteidigung wie Löfken und Hampe zunehmend mit der vertikalen Dimension des Lebensraumes, denn nicht nur in der Zivilverteidigung wurde die Lösung für die bundesdeutschen geopolitischen Probleme zunehmend unter der Erde gesehen. Wie schon die Nationalsozialisten vor ihnen begriffen sie den Lebensraum geradezu obsessiv und ganz wörtlich als Überlebensraum. Dieses Kapitel befasst sich genauer mit dem Bunker als architektonischem Lösungsansatz Westdeutschlands im Kalten Krieg und entwickelt dafür zwei Argumentationsstränge. Zuerst einmal soll aufgezeigt werden, wie die Vorstellungen früherer Generäle aus dem Zweiten Weltkrieg, so wie sie im vorangegangenen Kapitel dargelegt wurden, von 1950 an Eingang in die Zivilverteidigungsplanung fanden. So bedeutete Zivil-

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verteidigung die Vorbereitung von Wohnhäusern und Bürgern auf den Atomkrieg; Lebensraum wurde also zunehmend in der Vertikalen gesucht. Dies könne, so hofften zumindest die Zivilschutzbeamten, durch ein groß angelegtes Programm für den Bau von Atombunkern erreicht werden. In einem zweiten Schritt wird in diesem Kapitel eine besondere unterirdische Struktur im Detail untersucht, ein Bunker, der gar nicht so sehr dem Schutz der Bevölkerung diente, sondern dem Überleben staatlicher Organe im totalen Krieg – nämlich den westdeutschen Regierungsbunker bei Bonn. Dieser Bau nutzte dafür die Anlagen eines ehemaligen Arbeitslagers, eines Unterlagers des KZ Buchenwald. Durch die Untersuchung der allgemeinen technischen und der sicherheitstechnischen Besonderheiten des Regierungsbunkers wird deutlich, wie er das Wesen seines Vorläufers aufnahm und dabei räumlich umkehrte.

D ie R ückkehr des B unkers Zivilverteidigungsprogramme waren im Kalten Krieg natürlich nicht auf Westdeutschland begrenzt, sondern wurden in hoher Zahl in den 50er und 60er Jahren von Staaten westlich und östlich des Eisernen Vorhangs eingeführt (Davis 2007; Berger Ziauddin 2016; Geist 2012; Monteyne 2011). Wie anderswo auch waren die Kernziele der westdeutschen Zivilverteidigung der Erhalt der Handlungsfähigkeit des Staates im Kriegsfalle, der Schutz des Lebens, die Verteidigung wesentlicher Ressourcen und die Versorgung sowie Unterstützung militärischer Operationen. Zwar war die Zivilverteidigung zunehmend mit Bedrohungen in Friedenszeiten befasst, darunter Unfälle in Atomkraftwerken und Naturkatastrophen, ursprünglich war sie aber für den Kriegsfall gedacht gewesen. Entwickelt unmittelbar aus den Plänen des Dritten Reichs zum Schutz vor Luftangriffen, war die westdeutsche Zivilverteidigung so zuerst einmal auf die konventionelle Luftkriegsführung abgestimmt. Schon bald aber sollte sie sich auch mit den Auswirkungen eines Atomkrieges befassen. Wie in anderen Staaten auch beinhalteten die Zivilverteidigungsprogramme der Bundesrepublik zentrale Maßnahmen staatlicher Institutionen, um die Bevölkerung auf einen bevorstehenden Krieg vorzubereiten, sowie Vorkehrungen für eine Reihe nichtstaatlicher Organisationen (wie z.B. das Rote Kreuz und den Samariterbund) und die Förderung dezentralisierter Formen ziviler Partizipation. Schlüsselorganisation für die

Kapitel 4 – Lebensraum im thermonuklearen Zeitalter

Zivilverteidigung Westdeutschlands war das Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz,1 die Schnittstelle für die Koordination von Staat und Gesellschaft in Fragen der Vorbereitung auf einen Atomkrieg. Das Amt hatte umfassende Kompetenzen, angefangen von der Konstruktion und dem Erhalt der Alarmsirenen und anderer wesentlicher Infrastruktur bis hin zur Erstellung von Anleitungen zum Schutz der Bürger und zum Schutz kultureller Objekte. Hauptaufgabe war jedoch die Koordination und Umsetzung aller Maßnahmen zur Erstellung unterirdischer Schutzbauten für die Bevölkerung. Während der Kalte Krieg meist als eine von Geheimhaltung geprägte Ära gesehen wird, war die Zivilverteidigung notwendigerweise öffentlich und allumfassend. In den späten 50er Jahren waren in der Zivilverteidigung der Bundesrepublik 80.000 ehrenamtliche Helfer eingesetzt (Lennartz 1958: 284). Darüber hinaus organisierten die Beamten der Zivilverteidigung die gesamte Bevölkerung mit Hilfe einer flächendeckenden räumlichen Gliederung der Gesellschaft, von der Familie über Selbstschutzgemeinschaften (125 Einwohner), Selbstschutzblocks (5001000 Einwohner), Selbstschutzbezirke (5000 Einwohner), Selbstschutzteilabschnitte (20.000 Einwohner), Selbstschutzabschnitte (100.000 Einwohner) und Bereiche (500.000 Einwohner). In der obersten Stufe wurde die Bundesrepublik in 10 Frühwarnzonen eingeteilt, die sich grob an den Grenzen der Bundesländer orientierten. Während die Zivilverteidigung in den oberen Einheiten vom Staat organisiert wurde, sollten die Einwohner Maßnahmen der Zivilverteidigung auf der Mikroebene selbst koordinieren. Auf der untersten Stufe stand das einzelne Heim, in dem eine heteronormative Ideal-Familie angenommen wurde. Entsprechend der stay at home policy der US-Regierung erklärte das Bundesinnenministerium, die Sicherheit der Bevölkerung sei besser in bekannter Umgebung gewährleistet (Bundesminister des Innern 1964: 7). Mitte der 50er Jahre begannen dann Stadtplaner und Ingenieure, sich aus verschiedenen Gründen subterranen Räumen zuzuwenden. Zum einen wurde der unter dem zunehmenden Verkehr der Nachkriegszeit ächzende innerstädtische Bereich gemeinhin als bautechnisch saturiert angesehen. Auf Fortschritte im Ostblock, vor allen Dingen in Moskau und Budapest, verweisend, wurde argumentiert, der öffentliche Nahverkehr müsse vollständig „in der Erde verschwinden“. „Es bleibt also nur noch der Weg in die dritte Dimension“ und genau diese müsse „nun erst erobert werden“ (Klingmüller 1955: 199f.). Hochbunker wie im Dritten

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Reich dagegen wurden als im Atomzeitalter viel zu verwundbar angesehen (Soxhlet 1953). Stattdessen solle man schon in Friedenszeiten „natürliche Stollen, unterirdische Gänge, Höhlen“ für industrielle Produktionszwecke, zur Lagerung von Ressourcen und zum Schutz der Bevölkerung im Kriegsfall in Bunker umwandeln (Paetsch 1952: 10). Anders als der Atlantikwall mit seinen ikonischen Strukturen über der Erde müsse der Bunker der Zukunft unsichtbar und in der Erde versteckt sein (Vanderbilt 2002). Der Staat versuchte also, die enge Beziehung zwischen der Nation als Organismus einerseits und dem Boden andererseits herzustellen, von der einst schon Friedrich Ratzel so fasziniert war. Im Grunde unterschieden sich Atombunker nicht zu sehr von den Luftschutzbunkern des Zweiten Weltkriegs. Zu beiden gehörte die Betonhülle, die einen gewissen Schutz gegen Druckwellen und Radioaktivität bot. Ähnlich wie bei den Luftschutzbunkern des Zweiten Weltkriegs musste der Atombunker für den Fall, dass der Haupteingang zerstört oder unter Trümmern begraben wurde, eine Reihe von Notausgängen besitzen (Leutz 1956). Eingerichtet waren diese Atombunker höchst spartanisch; nur ein absolutes Minimum an Überlebensnotwendigem und persönlichen Annehmlichkeiten wurden geboten: Trinkwasser und eine Grundversorgung mit Nahrungsmitteln, Sitzgelegenheiten und Etagenbetten, Gepäcknetze, persönliche Notausrüstung (Kleidung, Besteck, Toilettenartikel und ein Minimum an persönlichem Besitz), Medizin, tragbare Toiletten und die elementarsten Brandschutzeinrichtungen (Zimmermann 1958: 138). Bei Stromausfall sollten Notbeleuchtung und Leuchtschrift im Bunker den Weg weisen. Anfänglich hatte man im zuständigen Ressort des Innenministeriums für die Zivilverteidigung vorgehabt, die vorhandenen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg einfach zu modernisieren und weiter zu nutzen, von 1961 an entwickelten man jedoch zunehmend Mehrzweckanlagen, die den Bunker mit städtischen Strukturen verschmelzen ließen (Bundesinnenministerium 1963: 5). 2 Statt Gebäude zu errichten, die ihren einzigen Zweck im Schutz der Bevölkerung hatten, begann man, Bunker innerhalb von Anlagen zu bauen, die eigentlich für ganz andere Zwecke errichtet worden waren  – U-Bahnstationen, Hotels oder Parkhäuser. Bis 1972 gab es 23 solcher Mehrzweckanlagen, neun befanden sich im Bau und weitere zehn im Planungsstadium (Bundesinnenministerium 1972: 78). Interessanterweise wurden die Anlagen zunehmend unter Berücksichtigung ihrer Erscheinung als Ruine ge-

Kapitel 4 – Lebensraum im thermonuklearen Zeitalter

Gefahren für die Landwirtschaft

bei Einsatz von Atomsprengkörpern mit Bodendetonation

1

Detonationspunkt

2

Ausbreitungsgebiet des radioaktiven (lokalen) Niederschlags, das je nach dem Explosionswert bis zu mehreren hundert Kilometer betragen kann

3

Gefahr für die Trink- und Nutzwasserversorgung

4

Gefahr für Obst-, Gemüse- und Hackfruchtkulturen

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Gefahr für die Getreideernte

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Gefahr für die Milch-, Schlacht- und Nutztiere.

7

Gefahr für die Menschen

1

2 3 4

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7 Abb. 4.1 Auswirkungen des Atomkrieges auf die deutsche Landwirtschaft (Kremer 1963).

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baut (Bundesschatzminister 1968: 2), ein Vorgehen, das sich in den 60er Jahren allmählich durchsetzte (siehe Abb. 4.2). Für effektive Bunkeranlagen benötigte man Notausgänge im Bereich außerhalb des zu erwartenden Schuttkegels der zerstörten Häuser (Abb. 4.3). Ähnlich wie bei Albert Speers Ruinenwerttheorie wurde das Gebäude mit dem Blick zurück aus der Zukunft gesehen, also aus der Zeit, in der die Nation im geopolitischen Sinne von den Gewalten der Geschichte niedergerungen worden war. Viel von der neuen Auseinandersetzung mit dem Bunker wurde durch altbekannte geopolitische Diskurse geprägt. Erich Hampes Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz begründete immer wieder die Notwendigkeit der Zivilverteidigung durch Verweis auf Westdeutschlands „geographische Lage“ (Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz 1965: 4; 1970: 21). Besonders hervorgehoben wurde die Enge des „Bundesgebiets“ und seine „Bevölkerungsdichte“ (Bundesinnenministerium 1972: 13 u. 15). Bis in die 60er Jahre hinein wurde der ursprünglich von Haushofer in der Zwischenkriegszeit eingeführte Begriff „Wehrgeographie“ auf den Seiten der Monatsschrift Ziviler Luftschutz, benutzt, eines Magazins, das in den Diskussionen über Zivilverteidigung eine Schlüsselstellung einnahm.3 Herausgegeben vom Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz

Abb. 4.2 U-Bahnstation als Bunker (Ziviler Luftschutz 6/1960).

Traufhöhe H

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H 4

N.A.

N.A.

Transfuge

Iotrechter Notausgang (N.A.)

1:100 Waagerechter Notausgang (N.A.)

H 2

Schutzbau

H 2

Notausstiege und Trümmerbereich eines Mietshauses Abb. 4.3 Plan eines Hauses mit darunterliegendem Bunker im Zustand vor einem Angriff und danach (mit Schuttkegel) (Quelle: Atomgefahren: Was stimmt? Was kommt? Was tun? Ohne Autorenangabe 1962: 101).

bot die Zeitschrift Beiträge von Ingenieuren, Bürokraten und Wissenschaftlern eine Heimat und veröffentlichte auch Berichte zum Thema Zivilverteidigung in anderen Ländern. Neben Analysen zu technischen Fortschritten auf dem Feld der Waffentechnologie und des Bunkerbaus brachte sie auch grundlegende Untersuchungen zu neuen Entwicklungen in der Politik des Kalten Kriegs. 1960 z.B. erinnerte Eduard Beyer die Leserschaft in einem Aufsatz daran, dass die geographische Lage weiterhin eine Neutralität Westdeutschlands angesichts der Tatsache ausschließe, dass die „freie Welt“ unverändert einem „imperialen Machtblock“ im Osten gegenüberstehe (Beyer 1960: 141). Entgegen der deutschen geopolitischen Vorkriegstradition vertrat Beyer aber den Standpunkt, Deutschland müsse die Vorstellung von Autarkie in den Bereichen von Wirtschaft und Sicherheit aufgeben und sich stattdessen auf das nackte Überleben konzentrieren, von ihm definiert als „Widerstand der gesamten Nation in ihrer gesellschaftspolitischen Ordnung gegen den Angriff auf Leib und Leben“ (ebd.: 144). Im Zusammenhang mit dem Vorschlag, den Staat im Sinne einer „Zellenstruktur“ durchzuorganisieren, vertrat er die Auffas-

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sung, Zivilverteidigung müsse sich immer militärischen Operationen unterordnen.4 Ähnlich wie die Generäle der Bundeswehr blickten die Zivilverteidiger für Inspirationen nicht nur nach Westen. Voller Bewunderung verwies das Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz in einer seiner Broschüren auf die Sowjetunion und ihren Auf bau eines Zivilverteidigungsschutzes, der über 20 Millionen Einwohner einbinde (Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz 1961b: 6). So wie die ehemaligen Weltkriegsgeneräle die Erde als einen Ort der Errettung sahen, verstanden die Zivilverteidiger die Erde im Falle eines Atomangriffs als einzige Überlebenschance. „Wenn keine Schutzräume vorhanden sind, ist jede sich bietende Deckungsmöglichkeit zu nutzen. Der gewachsene Boden, die Erde, bietet in jedem Fall einen gewissen Schutz“, so der Rat eines Schulungshandbuchs des Bundesamtes für Zivilverteidigung. Das Handbuch erklärte weiterhin, zur Verbesserung der Überlebenschancen solle der Körper in die Lage eines Fötus gebracht werden, um so den Angriff im Schutz der Erde zu überstehen – die Arme über Kreuz, die Hände unter den Achseln, das Gesicht geschützt hinter den Ellbogen, die Augen geschlossen (Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz 1965: 12). „Hier, mit dem Gesicht nach unten, zurückgeworfen auf sich selbst und der umgebenden Welt völlig hilflos ausgesetzt“, schreibt Masco, „sehen wir die ultimative Körperhaltung des Kalten Krieges – ein blinder, privater Schutzraum der pathetischsten Art“ (Masco 2009: 25). Wie ein westdeutscher Wissenschaftler erklärte, müsse die Bundesrepublik auf ihrem gesamten Staatsgebiet zunehmend „Ein-Mann-Erdlöcher“ bereitstellen, in denen die einzelnen Bürger, wo sie sich auch gerade in den Sekunden unmittelbar nach einem Atomangriff befinden, die Detonation der Atombombe dadurch überleben, dass sie einfach in der Erde verschwinden (Dählmann 1953: 169; vgl. auch Kremer 1963). In einer Entfernung von mehr als einem Kilometer vom Epizentrum einer Explosion böten derartige Erdlöcher die beste Überlebenschance. Tatsächlich wurde die Erde vom Bundesamt für Zivilverteidigung als viel besserer Schutz gegen Strahlung angepriesen als Beton- und Ziegelmauern (vgl. Abb. 4.4). In der Überlebensmythologie des Kalten Krieges in Deutschland spielte die Erde offensichtlich eine zentrale Rolle. Der in der Erde versteckte Bunker schien in einem Zeitalter unvermeidlich, in dem „nur autarke Mächte […] in der Lage sein [werden], einen langen Krieg

Kapitel 4 – Lebensraum im thermonuklearen Zeitalter

Schon der Aufenthalt im Haus schützt bei radioaktiver Strahlung

Beton

Ziegel

Erde

Verringerung der radioaktiven Strahlung beim Auftreffen auf feste Gegenstände

Abb. 4.4 Die Auswirkungen der Strahlung auf Beton, Ziegelsteine und Erde (Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz, 1961a: 7). zu führen“ (Guderian 1951a 26). In einer Ära, in der die Umsetzung von Ratzels Idee, weite offene Räume zu kontrollieren, unerreichbar schien, bot der Bunker den kleinstmöglichen Lebensraum, in dem ein Staat sich noch wiederfinden konnte. Obwohl die Westdeutschen von der Idee eines unterirdischen Überlebensraums vereinnahmt waren, so waren in einer immer noch mit den Nachwirkungen des letzten Krieges kämpfenden Gesellschaft die für die Zivilverteidigung zur Verfügung stehenden Mittel begrenzt. Zugleich kollidierten die Motivation, in Zivilverteidigungsmaßnahmen zu investieren, mit einer generellen Amnesie, dem gesamtgesellschaftlichen Versuch, die alliierten Luftangriffe zu vergessen. So hielt einer der Zivilverteidigungsspezialisten fest: „Die deutsche Bevölkerung hat im zweiten Weltkrieg durch die Luftangriffe derart viel mitgemacht, dass sie an die fünf jährige Leidenszeit nicht erinnert werden will.“ (Schmidle 1959: 254) In Kapitel 6 wird diese Problematik nochmals aufgegriffen. Angesichts dieser Voraussetzungen waren alle Überlegungen, Bunker für die ganze westdeutsche Gesellschaft zu bauen, notwendigerweise

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unrealistisch. Nur ein Bruchteil der deutschen Bevölkerung hätte jemals Schutz in diesen Bunkern finden können. Zudem gab es massive Zweifel, ob die städtischen Bunker tatsächlich Schutz geboten hätten, wenn man bedachte, dass die Städte in einem kommenden Atomkrieg wohl Primärziele dargestellt hätten. In Anbetracht der ständig stärker werdenden Wirkung der Kernwaffen bei gleichzeitig zunehmendem öffentlichem Desinteresse an Fragen der Zivilverteidigung entschied der Bundestag 1965, öffentliche Luftschutzbunker sollten wegen der höheren Kosten nur noch für einen Mindestschutz geplant werden, der nicht mehr für Explosionen in unmittelbarer Nähe ausgelegt zu sein brauche. Tatsächlich gab die Bundesrepublik bis 1970 für den Bunkerbau nur ungefähr halb so viel aus wie für Warnsysteme und den Bau von Sirenen (Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz 1970: 7). Schon in den Anfangsphasen hatte man zwei Alternativen zum Bau großer Bunker für die Zivilbevölkerung entwickelt. So wurde etwa von Beamten wie Erich Hampe eine neue Raumplanung gefordert, der zufolge urbane Strukturen aufgelöst und die Bevölkerung im gesamten Gebiet der Bundesrepublik gleichmäßiger verteilt werden sollte (vgl. Farish 2004). Dicht besiedeltes urbanes Gebiet biete für feindliche Bomber und Raketen ein zu einfaches Ziel (Hampe 1952: 6).5 Diese Idee fand aber verständlicherweise angesichts der bei ihrer Umsetzung zu erwartenden Probleme wenig Gegenliebe. Ähnlich wie in den Vereinigten Staaten zog man deshalb eine andere Lösung in Betracht, nämlich durch finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand für einzelne Bürger und Familien den privaten Bunkerbau zu fördern. Angesichts des Fehlens eines zivilen Bunkerbauprogramms vergleichbar z.B. mit dem der Schweiz (Berger Ziauddin 2016) ging das Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz in den 60er Jahren dazu über, die westdeutsche Bevölkerung anzuhalten, auf freiwilliger Basis selbst Schutzräume zu bauen (Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz 1961a: 10). Erich Hampe war bereits 1952 für ein derartiges Programm eingetreten, auch wenn er damals zugab, dass die finanziellen Mittel für ein derartiges Vorhaben nicht bereitstünden (Hampe 1952: 5). Auch in diesem Zusammenhang wurden Zivilisten aufgefordert, sich mit den ‚geographischen‘ Gegebenheiten ihrer Umgebung vertraut zu machen. „Liegt ihre Wohnung zwischen Hügeln oder gar in einem Geländeeinschnitt, dann verfügen Sie bereits über eine Art na-

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türlichen Schutzraum“, so die Devise (ohne Autorenangabe 1962: 93). In den frühen 70er Jahren hatte die Bundesrepublik damit begonnen, den Bau privater Bunker zu unterstützen, solange dabei bestimmte Richtlinien beachtet wurden (Bundesinnenministerium 1972: 77). Interessanterweise ging man bei dieser kleinsten Einheit davon aus, dass die Zivilverteidigung weniger vom Familienpatriarchen zusammengehalten würde, als von der Frau des Hauses (vgl. auch Masco 2008: 374). Verbunden mit der Aufforderung, die Rollenverteilung in der Zivilverteidigung der USA zum Vorbild zu nehmen, erklärten die zuständigen deutschen Beamten: „Die Zivilverteidigung der Frau beginnt zu Hause, im eigenen Heim“ und „erst wenn das eigene Heim in eine ordnungsgemäße Zivilverteidigungsbereitschaft versetzt worden ist, wird die Frau zu den übrigen Aufgaben der Zivilverteidigung herangezogen“ (Schützsack 1955: 121). Aufgabe der Frau war es, den heimischen Strahlenschutzbunker, wenn das Haus denn einen hatte, einsatzbereit und frei von Gefahren zu halten. So gehörten das Aufräumen und das Putzen zu den häuslichen Pflichten, aber auch das Sicherstellen, dass die elektrischen Anlagen des Bunkers kurzschlussfrei funktionierten. Darüber hinaus sollte die Frau des Hausbunkers einen Kurs in Erster Hilfe erhalten. Bevor sie sich um den materiellen Besitz der Familie kümmere, müsse sie deren physische Gesundheit sicherstellen. Teil dieser „nuklearen Kernfamilie“ zu sein (Farish 2004: 95), bedeutete, Verpflichtungen zu übernehmen. So wurde die Bevölkerung aufgefordert, sich Wissen über das umliegende Gelände anzueignen wie auch über wichtige öffentliche Gebäude, hilfreiche Infrastruktur, Straßenverläufe, Krankenhäuser und Apotheken sowie zur Lage des nächsten öffentlichen Bunkers. Selbstverständlich musste man die verschiedenen Warnsignale der Alarmsirenen kennen. Es war sowohl wichtig, einen bevorstehenden konventionellen von einem ABC-Angriff (atomar, biologisch oder chemisch) unterscheiden zu können, als auch das Signal für die Entwarnung zu erkennen, nach dem die Familie wieder an die Erdoberfläche klettern konnte. Der Versuch der Kontrolle sozialer Strukturen durch Einbeziehung häuslicher Gegebenheiten passt zu den allgemeinen Versuchen der Einf lussnahme auf das Sozialverhalten in öffentlichen Bunkern. Oft wurde das auf biopolitischer Ebene versucht. In Schulungshandbüchern für die Mitarbeiter des Zivilschutzes wurde regelmäßig die Notwendigkeit der Einhaltung von Hygienestandards und guten Um-

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gangsformen betont: „Kameradschaftliches Verhalten, Selbstzucht, Hilfsbereitschaft, Ordnungssinn, Sauberkeit und Pünktlichkeit erleichtern das Zusammenleben.“ (Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz 1965: 15) Auf Körperpflege ist besonderer Wert zu legen. Zum täglichen Waschen ist kaltes Wasser zu verwenden, da es den Körper abhärtet. Unsauberkeit wirkt abstoßend. […] Körperausscheidungen verursachen üblen Körpergeruch. Deshalb morgens und abends gründlich waschen (einschl. der Füße) und die Zähne putzen. Finger und Zehennägel sind kurz zu schneiden und mit einem Nagelreiniger (nicht Messer) zu reinigen. Das Haar ist zu pflegen und der Bart täglich (morgens) zu rasieren. (E bd.)

Foucaults Ansicht bestätigend, Biopolitik funktioniere sowohl auf der Ebene des Einzelnen als auch der Bevölkerung, spiegelten die Richtlinien für das Leben im unterirdischen Bunker viele der Bestimmungen für Soldaten zur Körperhygiene während eines Feldzuges wider. So musste der Soldat etwa bestimmte sexuelle Vorschriften beachten, etwa sich von Frauen fernzuhalten, „deren Lebenswandel den Verdacht auf Geschlechtskrankheiten nahe legt“ (ZDv 49/20 1961: 190). Dies verweist auf Foucaults Untersuchung zur Rolle der Biopolitik auf (unter anderem) dem Gebiet der Sexualität (Foucault 1978: 145). Anleitungen der Bundeswehr zum Verhalten bei einem Atomangriff beschreiben sehr detailliert die physischen Auswirkungen eines derartigen Angriffs, von Erblindung und Verbrennungen bis zu den kurz- und langfristigen Auswirkungen der Strahlenkrankheit. Dabei war der eigentliche Auftrag eindeutig: „Fühlst Du nach einer Atomdetonation Anzeichen eines Strahlenkaters, überwinde Deine Schwäche, führe Deinen Dienst weiter und leiste Kameradenhilfe.“ (ZDv 49/20 1961: 149) Auch hier war die Erde der Raum, in dem man den nötigen Schutz finden sollte, vielleicht aber auch ein Ort zum Sterben, denn die Soldaten wurden aufgefordert, sich vor den Expansionswellen der Kernexplosion in Erdlöchern in Sicherheit zu bringen und auch verwundete Kameraden in solche Erdlöcher zu schleppen (vgl. Abb. 4.5). Aber nicht nur der Tod auf dem Schlachtfeld war durchrationalisiert. Immerhin bestand ja auch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass auch im Zivilbunker eine biopolitische Entscheidung erforderlich werden könnte. Da der in den Bunkern zur Verfügung stehende Raum

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Kraftstoff-Brand Blendung Hitze Druck

Gas-Brand

Strahlung

Wald-Brand

Gebäude-Brand Bild 217

Abb. 4.5 Regeln für das Verhalten von Soldaten bei Atomschlägen (ZDv 49/20 1961). stark begrenzt war, musste der einzelne Bunkerkommandant im Ernstfall entscheiden, wann der Bunker voll war und die Tore geschlossen werden mussten. Nicht nur, dass dabei Kinder möglicherweise von ihren Eltern hätten getrennt werden können, es hätte auch passieren können, dass Menschen von den sich schließenden Toren zerquetscht worden wären (Westfälische Rundschau 1961). Diese moralischen Probleme wurden oft bautechnisch gelöst, in dem die Drucktore von jemandem betätigt wurden, der nicht einsehen konnte, was vor oder unmittelbar bei den Toren geschah. So wirkten die Tore ähnlich, wie in Agambens Theorie der inklusiven Ausschließung beschrieben: Einige wurden in den Schutzraum des Bunkers hineingelassen, andere der nuklearen Vernichtung ausgesetzt. Während der westdeutsche Staat sich ganz offensichtlich intensiv um die Widerstandsfähigkeit seiner Soldaten und Zivilisten bemühte, kümmerte er sich vielleicht sogar noch mehr um sein eigenes Überleben. Schon ganz zu Beginn des Kalten Krieges belegen interne Akten des Innenministeriums die Befürchtungen, eine einzige auf die neue Hauptstadt abgeworfene Atombombe werde die meisten Ministerien voraussichtlich auf einen Schlag zerstören (Bundesinnenministerium 1950). Schon bald suchte das Ministerium gezielt nach einem eigenen unterirdischen Schutzraum.

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V om L ager zum B unker 1955 ging das Bundesinnenministerium davon aus, dass der nächste Krieg mit massiven Atomschlägen beginnen werde, die über einen Zeitraum von 30 Tagen anhalten dürften. Ob der Gegner geschlagen werden könne, hänge davon ab, ob man diese ersten 30 Tage überleben und die militärische Überlegenheit erringen könne. Als wichtigste Ziele dieser Atomangriffe seien kriegsrelevante Industrieanlagen und Transporteinrichtungen der Alliierten anzunehmen, ihre Atomwaffenlager, Regierungszentralen, Häfen und dicht besiedelte Gebiete. Insgesamt also Ziele, deren Zerstörung schwere Beeinträchtigungen für die Verteidigung nach sich ziehen und insbesondere die Moral der Bevölkerung untergraben solle (Bundesinnenministerium 1955). In Übereinstimmung mit der NATO waren die wichtigsten Ziele der Bundesregierung der Erhalt (in dieser Reihenfolge) 1. der Regierungsgewalt 2. der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte 3. der sozialen Ordnung 4. der zivilen Notfallplanung und 5. der Außenpolitik (Bundesinnenministerium 1960b). Um die erste dieser Prioritäten zu garantieren, war es notwendig, einen Atombunker zu bauen, der die Existenz aller überlebenswichtigen Ministerien sicherstellte. Nach längerer Diskussion traf man die Entscheidung, in gewisser Entfernung vom Regierungssitz einen geeigneten Ort für den Bau eines unterirdischen Schutzbunkers zu suchen. Unterschrieben wurde das entsprechende Dokument von dem Geopolitiker und Chef der Zivilverteidigungsbehörde Erich Hampe. Zuletzt traf man die Entscheidung für eine Anlage, die bereits im Zweiten Weltkrieg genutzt worden war, deren Geschichte allerdings schon 1913 begonnen hatte. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte der letzte deutsche Kaiser den Befehl gegeben, in Vorbereitung eines gegen Frankreich gerichteten Überraschungsangriffs eine nach Westen führende Eisenbahnlinie im Ahrtal zu bauen. Da der Bau bis zum Ausbruch des Krieges nicht abgeschlossen werden konnte, musste der Schlieffenplan ohne diese Versorgungslinie durchgeführt werden. Nach dem Krieg wurden die Baustellen aufgegeben und verloren allmählich wegen der technischen Fortschritte auf den Feldern der mechanisierten Kriegsführung und der Luftwaffe ihre strategische Bedeutung  – die vielen Eisenbahntunnel jedoch, von denen einige tief in die Berge der Eifel gebohrt worden waren, blieben erhalten. 1936, also drei Jahre

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nach der nationalsozialistischen Machtergreifung, wurden diese Tunnel kurzzeitig für die Zucht von Pilzen genutzt, die wie der Wein an den Hängen der Ahr der französischen Produktion Paroli bieten sollte (Janta, Rieck und Riemenschneider 1989: 140). Als im Zweiten Weltkrieg die deutschen Industriegebiete zu Zielen der schweren alliierten Bombenangriffe wurden, wurde die Industrieproduktion häufig unter die Erde verlagert. 1943 wurden so zwei der Eisenbahntunnel an der Ahr zu einem kleinen unterirdischen Arbeitslager für etwa 200 KZ-Häftlinge. Unter dem poetischen Codenamen „Rebstock“ diente dieses Unterlager des KZs Buchenwald dem Bau von Abschusslafetten für die V1 und V2 und entsprach so in Funktion und Auf bau dem erheblich größeren Lager Mittelbau-Dora in Thüringen. Rebstock unterlag einem kontinuierlichen Zustrom und Abgang von Lagerinsassen, da diejenigen nach Buchenwald zurückgeschickt wurden, die man als ungeeignet für die Arbeit befand (Jungbluth 2000: 61). Gegen Ende des Krieges wurde Rebstock das Ziel britischer Bombenangriffe, und besonders im Winter 1944/45 suchte die lokal ansässige Bevölkerung Schutz in den Tunneln, so dass die Produktion in der Anlage gestoppt werden musste. In dieser Phase kam die Zivilbevölkerung, wie von Einwohnern berichtet, in engen Kontakt mit den Lagerinsassen (Gückelhorn 2002: 65), wodurch die ansonsten scharf gezogenen Grenzen des Lagers zwischen innen und außen verschwammen. Fotos der Lager zeigen die typischen Strukturen der Baracken vor dem Eingang der mit Stahlbeton verstärkten Eisenbahntunnel, nach dem Krieg jedoch war die Stelle nicht mehr zu erkennen, an der die Lager gestanden hatten, und nur Überlebende und ältere Einwohner wussten es noch. Erst Mitte der 80er Jahre wurden die Anlagen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, als ein investigativer Journalist seinen Vermutungen nachging, bei den (geheimen) Anlagen in den Tunneln handele es sich um Bunkerbauten der westdeutschen Regierung für den Fall eines Atomkrieges; dabei stieß er auf Berichte über ein Konzentrationslager aus dem Zweiten Weltkrieg (Preute 1984). 1945 sprengten die Alliierten die Tunneleingänge, als ob sie der Geo- und Biopolitik den Rückweg zu diesen speziellen Orten versperren wollten (Bundesinnenministerium 1959a). Und doch standen die Tunnelanlagen in den 50er Jahren im Fokus der Vorbereitungen der Bundesregierung für den Fall eines neuen Krieges, eines Atomkrieges,

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der in aller Wahrscheinlichkeit auf deutschem Boden ausgefochten worden wäre. In dieser Notlage wandte sich die souveräne Macht wieder demselben Tal zu, dessen Einwohner bereits geschult darin waren, Geheimnisse zu wahren – und so begann der westdeutsche Staat, die bestehende, stahlbetonverstärkte Tunnelanlage in eine kleine Stadt im Untergrund zu verwandeln. Ursprünglich mit einem Budget von 43 Millionen DM geplant, verdreifachten sich die Kosten schon bald. Selbst die Bundesregierung gab in einem internen Bericht zu, die Kosten seien dabei, außer Kontrolle zu geraten, insbesondere wenn man berücksichtige, dass die Bunker für die Zivilbevölkerung nur für einen Bruchteil der bundesdeutschen Bevölkerung reichten (Bundesinnenministerium 1960a). Aber auch dies hinderte die Bundesregierung nicht, den Bau ihres autarken Ausweichsitzes mit dem ursprünglichen Codenamen „Rosengarten“ voranzutreiben. Obwohl mehrfach als im Ernstfall nicht sicher genug eingestuft (Bauamt Bonn der Bundesbaudirektion Berlin 1961; Bundesinnenministerium 1969), wurde das Projekt nicht aufgegeben.6 Man sollte sich darüber klar sein, dass es über die Örtlichkeit hinaus eine ganze Reihe von Verbindungen zwischen dem Atombunker und dem Konzentrationslager gibt. Zum Einen wurde der Bunker in Marienthal von einer Reihe von Männern geleitet, die bereits Erfahrungen aus einem früheren totalen Krieg mitbrachten. Theodor Busse, Chef der 9. Armee der Wehrmacht und General Walther Wenck, Chef der 12. Armee, waren beide bis zur letzten Minute in Hitlers selbstmörderischer Schlacht um Berlin verwickelt. Der oberste Sicherheitsbeamte des Bunkers, Theo Savaecke, war im Krieg SS-Hauptsturmführer. 1999 wegen Kriegsverbrechen verurteilt, war er auch als „Schlächter von Mailand“ bekannt (Breitman et al. 2005: 169). Zum Zweiten bestand das mit dem Bunkerbau beauftragte Konsortium u.a. aus einer Reihe von Firmen, die bereits bei der Errichtung des Netzwerks von Konzentrationslagern und Bunkern des Dritten Reichs eingesetzt gewesen waren (Bundesinnenministerium 1965). Die Holzmann AG z.B. war sowohl am Bau des Atlantikwalls als auch dem des Arbeitslagers Monowitz beteiligt, besser bekannt unter dem Namen Auschwitz III (Pohl 1999: 261). Die Hochtief AG, ein anderes Mitglied dieses Konsortiums, griff für eine ganze Reihe größerer Projekte in Hitlers Drittem Reich auf Zwangsarbeiter zurück, darunter nicht nur für die Verteidigungsanlagen des Westwalls und von Panzersperren, sondern auch für die beiden symbolträchtigsten Bunker des Dritten Reichs, Hitlers Wolfsschanze in

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Rastenburg (heute Ketrzyn, Polen) und Hitlers Gruft, dem Führerbunker in Berlin (Hochtief 2014).7 Die Huta AG, zuständig auch für den Bau der Krematorien in Auschwitz-Birkenau, war, Diester (2009: 130) folgend, das wohl umstrittenste Mitglied des Konsortiums. Auch wenn diese Verbindungen nur wenige Erklärungen bieten, verweisen diese Kontinuitäten doch recht deutlich auf die intime Beziehung zwischen KZ und Bunker. Nicht nur tauchten diese beiden außergewöhnlichen Räume am selben Ort auf, sie entstanden auch in demselben Nexus von Bio- und Geopolitik. Um verständlich zu machen, wie der Atombunker das KZ reproduzierte und dabei gleichzeitig von innen nach außen kehrte, werden im Folgenden diese beiden Räume im Detail untersucht.

Ü berschneidungen und I nversionen Wie das Konzentrationslager war auch der Bunker in Marienthal ein versiegelter und hygienisch organisierter Raum, der in einem Netzwerk moderner Logistik und in einer Landschaft des totalen Krieges existierte. Er nahm Agambens Ausnahmezustand vorweg und verwischte die Grenzen zwischen demokratischen und autoritären Regierungssystemen. Aber der Bunker war auch gekennzeichnet durch eine andere Temporalität, ein anderes Telos, eine andere ‚Endlösung‘ – und hier lässt sich begreifen, wie der Atombunker die Biopolitik bis an ihren Fluchtpunkt bringt. Im Ausnahmezustand wäre der Bunker Ausgangspunkt höchster souveräner Staatsmacht geworden; kulminiert hätte diese in der Entscheidung, Leben dem Tode preiszugeben. Letzteres wird besonders deutlich in einer Reihe von NATO-Manövern von 1966 bis 1989, die vom Bunker aus geleitet wurden und auf die in Kapitel 6 näher eingegangen wird. Diese Kriegssimulationen zeigten immer wieder ähnliche Abläufe. Typischer Ausgangspunkt war die Annahme einer instabilen Lage im Ostblock, deren Volatilität zu Spannungen zwischen den Supermächten und der Verlegung sowjetischer Truppen an die innerdeutsche Grenze führte, auf die dann der sowjetische Angriff folgte. Nach einer Phase konventioneller Kriegsführung und dem Einsatz chemischer Waffen durch die Sowjetunion antwortete die NATO mit dem Einsatz von Atomwaffen, um so die Rote Armee zum Rückzug zu zwingen. Diese Manöver simulierten den Übergang zum Ausnahme-

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zustand und der Entscheidung zum Einsatz von Nuklearwaffen und einige Male auch die Entscheidung zum totalen Atomkrieg. Theoretisch stand der Bundesrepublik und den anderen NATO-Staaten das Recht zu, von den Vereinigten Staaten vor deren souveränen Entscheidung zum Einsatz von Atomwaffen konsultiert zu werden. Bedenkt man jedoch, dass Deutschland in diesem Kriege als Schlachtfeld gedient hätte, war dieses Privileg eher Ausdruck mangelnder Souveränität im eigenen Staatsgebiet gegenüber der eigenen Bevölkerung. Aber selbst noch in den 80er Jahren sah sich der bundesdeutsche Halb-Souverän veranlasst, im Zusammenhang mit dem Planspiel Wintex 85 den Einsatz militärischer Gewalt gegen die eigene Bevölkerung zu simulieren, besonders gegen die Friedensbewegung und Streikende (Der Spiegel 1985a: 15). Zwar wird von politischen Geographen immer wieder die Unmöglichkeit betont, den Ausnahmezustand rein topographisch einzugrenzen (Belcher et al. 2008). Aber man kann dennoch aufzeigen, dass sich die Topologie des Ausnahmezustands an Orten wie dem Atombunker materialisierte. In Westdeutschland geschah dies durch die Verabschiedung der umstrittenen Notstandsgesetze 1968, die die Handlungsfähigkeit der Regierung auch im Notfall, etwa in einem Atomkrieg, sicherstellen sollten. Diese Gesetze, bei Agamben am Rande erwähnt (2005: 11), erlaubten der jungen westdeutschen Demokratie, im Falle eines Ausnahmezustands ihre Exekutive zu stärken und sich letztlich in einen halbautoritären Staat zu verwandeln, ähnlich wie bei den Erlassen der US-Regierung unter Präsident George W. Bush nach den Terroranschlägen von 2001. Um genau zu sein: Der Bunker war weniger ein Ort, der durch Erlasse entstand, wie Guantanamo Bay, sondern vielmehr ein Ort, an dem derartige Erlasse durchgespielt werden konnten, bevor sie im Parlament überhaupt verabschiedet worden waren. Ähnlich wie das Konzentrationslager arbeitete der Bunker in einer Art Schwebezustand, irgendwo zwischen Geheimhaltung und Transparenz, zwischen verbrieften Ausnahmeregeln und liberalen Normen. Vor der Öffentlichkeit versteckt und selbst im Bundeshaushalt verschleiert (Bundesinnenministerium 1973), wurden der Presse häufig Informationen über den Bunker zugespielt. Obwohl der Bunker nicht direkt ein außergesetzlicher Raum war, waren die Besitzverhältnisse nicht eindeutig geklärt: Offiziell gehörte der Tunnel noch der Bundesbahn und den Ahrwinzern, die die Hänge über dem Bunker

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bewirtschafteten. Interessanterweise tat das Bundesinnenministerium die Besitzfrage mit einem Hinweis auf das Arbeitslager bei Marienthal ab, das im Zweiten Weltkrieg ja auch unter ähnlichen rechtlichen Voraussetzungen betrieben worden sei. In einem Schreiben an das Verkehrsministerium von 1960 verlangte das Innenministerium, man solle das Bauvorhaben „ohne jede bürokratische[…] Hemmungen“ vorantreiben (Bundesinnenministerium 1960c). Wie die mit dem Lager verbundene unterirdische Arbeitsstätte war auch der Bunker in Marienthal ein Ort hochentwickelter Logistik, sowohl was die Organisation in Friedenszeiten als auch was die Planung für das Überleben in einem Atomkrieg anging. Er sollte seine Bewohner vor einer ganzen Reihe von Bedrohungen schützen, so etwa vor der Druckwelle von Atombombenexplosionen, radioaktiver Verstrahlung und vor biologischen und chemischen Kampfstoffen. Um als völlig versiegelter, autarker Raum funktionieren zu können, musste die Anlage zahlreiche Technologien nutzen, wie z.B. Drucktore, Stahlbeton, Karbonmonoxid-Melder, Radiometer, ABC-Filter und Dekontaminationsschleusen. Gleichzeitig musste im Bunker die Versorgung mit Sauerstoff, Nahrung, Elektrizität, aber auch die Entsorgung der Fäkalien sichergestellt sein, um den Menschen ein Überleben in dieser hermetisch abgeschlossenen Kapsel zu ermöglichen. Um die Belastbarkeit des Bunkers zu erhöhen, war der Bunker in zwei Segmente geteilt, die jedes für sich als „lebensfähig“ galten (Deutsche Societät Beratender Ingenieure 1961). Ein ausgefeiltes Filtersystem neben für eine Quarantäne vorgesehenen Räumen sollte sicherstellen, dass radioaktiver Staub, Pathogene oder chemische Gifte nicht in den Bunker eindringen konnten. Der Filterraum durfte nur mit Schutzanzug und ausdrücklicher Genehmigung des Bunkerkommandanten betreten werden (ebd.). Außerdem gab es im Bunker Büros, Krankenabteilungen, einen Zahnarzt, eine Kirche, ein Kino und selbst einen Friseur, um die physische und seelische Gesundheit seiner Bewohner zu gewährleisten. Das Leben im Bunker war bis ins letzte Detail durchgeplant, von Konferenzen und Mahlzeiten bis zu Friseurterminen. Wasser war rationiert und die Bereitstellung von zur Verfügung gestelltem privatem Platzangebot und Büroraum sorgfältig dem Rang entsprechend festgelegt. Der Zugang zu den verschiedenen Teilen der Bunkeranlage wurde mit Hilfe unterschiedlicher Ausweise genau geregelt (Der Spiegel 1984: 73).

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Dieser logistische Apparat, der einen hermetisch abgeriegelten Raum garantieren sollte, ist nach Giaccara und Minca (2011a: 5) mit dem des Konzentrationslagers vergleichbar. Der rigiden Trennung von Konzentrationslager und seiner unmittelbaren Umgebung entsprach die obsessive Organisation seines Inneren. Alle Räume innerhalb des Lagers – von den Schlafsälen bis zu den Latrinen – waren unter den Aspekten von Minimierung des Verbrauchs und des Raumes und der Maximierung von Kontrolle und Disziplin bis ins Letzte durchgeplant. (E bd.: 5)

So beinhalten die Akten des zuständigen Ministeriums in den 60er und 70er Jahren tabellarische Festlegungen zur Zuteilung von Raum für bestimmte Tätigkeiten, für die zu benutzenden Fachtermini, lange Listen von Materialien und Ersatzteilen, aber auch Klagen über Lieferengpässe und die generell unzureichende Geheimhaltung der Anlage. Auffallend ist in diesem Zusammenhang die Aufmerksamkeit, die der Sauberkeit gewidmet wurde. Selbst das Putzen der Büros war sorgfältig durchkalkuliert (Bundesbaudirektion 1968a). Fragen der Hygiene traten dann aber auch bezogen auf das Toilettensystem und die Kanalisation auf. Schon im Jahre 1959 wird in den Akten des Ministeriums auf Klagen der umliegenden Gemeinden über üble Gerüche hingewiesen, nachdem während des Zweiten Weltkriegs vom Arbeitslager aus ungeklärte Abwässer in die Ahr geleitet worden waren (Bundesinnenministerium 1959b). Dasselbe Thema tauchte beim Bau der Anlage wieder auf und dann im Jahr 1967, ein Jahr, nachdem die Bundesregierung ein nicht näher spezifiziertes „Hygieneinstitut“ mit der Untersuchung der Abwasseranlagen beauftragt hatte (Bundesinnenministerium 1966). Im Jahr 1967 drohte die Abwasserentsorgung der Anlage sich in den Worten der zuständigen Kommunalverwaltung zu einem „Politikum auszuweiten“ (Stadtverwaltung Ahrweiler 1967). Interessanterweise war es nicht die elitäre und exklusive Logik oder die mangelnde politische Sensibilität, den Bunker auf dem Gelände eines ehemaligen Konzentrationslagers zu bauen, die diese öffentliche Empörung hervorrief, sondern die Frage mangelnder Hygiene. Als Reaktion auf diesen Druck entschied das Bundesfinanzministerium, einen, wie sie es nannten, „bundeseigenen Abwasserkanal“ zu bauen, einen gesonderten Kanal, der, neben den Anlagen für die Einwohner der umliegenden Gemeinden geführt, die privilegierte Bedeutung des Regierungsbunkers aufzeigte (Bundesschatzministerium 1967).

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Abb. 4.6 Drucktor in Marienthal (2013, Der Autor). Während der Atombunker in Marienthal in Fragen der Logistik und Sonderstellung dem Archetyp des Lagers glich, kehrte er in anderer Beziehung das Lager von innen nach außen. Wie in Kapitel 2 gezeigt, sind Lager und Bunker logistisch und hygienisch trennende Räume. In anderen Bereichen sind diese beiden Lebensräume jedoch kaum kongruent. So widersprach der Atombunker diametral Friedrich Ratzels prägender Formulierung vom Lebensraum, in der er die Bedeutung des offenen Raumes hervorgehoben hatte. In einem Artikel aus dem Jahre 1901 erklärte er, „[w]eiter Raum wirkt lebenserhaltend“ (Ratzel 1901: 169) und warnte sogar, der „Kampf ums Dasein“ sei „auf engem Raum verzweifelt“ (ebd.: 153). Die Dissonanzen zwischen der Geopolitik von vor 1945 und der des Kalten Krieges können am besten als räumliche Umkehrung von Leben und Tod verstanden werden. Der Atombunker wurde entworfen, um den konzentrierten Lebensraum in ihm gegen den Holocaust außerhalb zu schützen, während der nationalsozialistische Lebensraum draußen in der Logik des Völkermordes innerhalb des Konzentrationslagers rassisch „gesäubert“ wurde. Diese Inversion wird besonders in Marienthals Anlagen zur Dekontamination und den Wachtürmen deutlich.

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Wie die Baubehörden vorschrieben, mussten die Haupteingänge des Bunkers Anlagen zur Dekontamination beinhalten (Abb. 4.7), die in Friedenszeiten umgangen werden konnten, die im Katastrophenfall aber benutzt werden mussten. In den Anleitungen wurde ein detailliertes Vorgehen vorgeschrieben, denen folgend Hände und Füße mit Hilfe eines Radiometers überprüft werden sollten. Danach musste der Betreffende seine Kleidung über eine Wäscheklappe entsorgen und er selbst wurde dann mit Zitronensäure geduscht (Bauamt Bonn der Bundesbaudirektion Berlin 1961). In eindeutig biopolitischer Denkungsart verlangte das Innenministerium, die Betroffenen zu untersuchen, um so festzustellen, ob radioaktives Material nicht nur die Kleidung, sondern auch den Körper selbst verseucht habe. Wie das Ministerium betonte, sei dies sowohl für den Betroffenen als auch für die Umgebung wichtig (Bundesinnenministerium 1961). Dies legt nahe, dass einer stark kontaminierten Person der Zutritt in den Bunker untersagt worden, sie also aufgegeben und auf das nackte Leben zurückgeworfen worden wäre. Diese seitenverkehrte Ähnlichkeit dieser der Dekontamination dienenden Duschen zu den todbringenden Duschattrappen im nationalsozialistischen Vernichtungslager ist schwer zu übersehen. Wie in Auschwitz waren diese Duschen Teil einer biopolitischen Maschinerie, die der Medikalisierung des menschlichen Körpers diente und vorgab, ihn zu dekontaminieren. Hier würde dann also die souveräne Entscheidung getroffen werden, einen Menschen in den rettenden Bunker zu lassen oder ihn draußen sterben zu lassen. 1968 führte man eine Reihe von wissenschaftlichen Tests des Filtersystems der Bunkeranlage durch. Eine der getesteten Substanzen war Cyanwasserstoff oder Blausäure, eingesetzt in den Gaskammern unter dem Namen Zyklon B (Bundesbaudirektion 1968c). Auch wenn der Bunker in Marienthal eigentlich dem Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz unterstellt war, so sollte er tatsächlich nur die Verwaltungseliten der Bundesregierung aufnehmen. Hinter der Fassade des Bevölkerungsschutzes stellte der Bunker einen praktisch bevölkerungsfreien Raum dar. In den dort durchgespielten NATO-Manövern wurde die Bevölkerung eher als Störfaktor für den reibungslosen Ablauf militärischer Operationen gesehen (Thoß 2007: 45). Im Januar 1968 verlangte die Bundesbaudirektion den Bau von Wachtürmen als Schutz vor konventionellen Angriffen, wobei insbe-

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Abb. 4.7 Duschen zur Dekontaminierung in Marienthal (Quelle: Ausweichsitz der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, Dirk Vorderstraße, 2019, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ausweichsitz_ der_Verfassungsorgane_der_Bundesrepublik_Deutschland_(10563686356). jpg. Freigegeben unter CC-BY-2.0. sondere die Bedrohung durch Raketenangriffe und Artilleriebeschuss hervorgehoben wurde (Bundesbaudirektion 1968b). Dies geschah auf dem Höhepunkt der Studentenunruhen in Westdeutschland und nur wenige Monate vor der Verabschiedung der umstrittenen Notstandsgesetze durch den Bundestag. Deshalb lohnt es sich, die Frage zu stellen, gegen wen sich diese Anlagen eigentlich richteten. Denn die Wachtürme hätten kaum die Rote Armee auf halten können und eher noch unnötig Aufmerksamkeit auf den Bunker gezogen. Zu diesem Zeitpunkt kann auch die Baader-Meinhof Gruppe noch ausgeschlossen werden. Auch wenn ihre späteren Mitglieder 1968 politisch aktiv waren, wurde die Terrorzelle erst zwei Jahre später gegründet. Da die NATO-Manöver auch die Einübung verschiedener Formen der Unterdrückung öffentlicher Unruhen vorsahen, war die Funktion dieser Wachtürme höchstwahrscheinlich, bewaffneten Bürgern den Zutritt zum Bunker zu verwehren. Während die Türme des nationalsozialistischen Konzentrationslagers die Insassen also davon abhielten, zu f liehen und den Lebensraum zu ‚verseuchen‘, so sollten die Wachtürme von Ma-

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rienthal die westdeutsche Bevölkerung davon abhalten, Zugang zum schützenden Lebensraum des Bunkers zu erlangen. So muss der Regierungsbunker als Raum reiner souveräner Macht verstanden werden, insofern, als dass er nicht das eigentliche Objekt der Biopolitik, also die Bevölkerung, als Referenzobjekt hatte. Auf dem Papier sah er aus wie eine Maßnahme zur Zivilverteidigung, aber der Schutz der Bevölkerung war tatsächlich nicht mehr als ein Feigenblatt für den Schutz nackter Staatsmacht, deren Beamte, Schreibmaschinen und Aktenschränke. Dieser Bunker war geheim, die Existenz eines Regierungsbunkers war es jedoch nicht. In der Literatur zur Zivilverteidigung wurde nachdrücklich betont, dass, selbst wenn einzelne Bürger oder sogar ein großer Teil der Bevölkerung umkämen, der Staat im Untergrund überleben könne (Ohne Autorenangabe 1962: 92). In diesem Sinne war der Regierungsbunker in Umkehrung der Fixierung auf das Volk ohne Raum der Zwischenkriegszeit ein Raum ohne Volk. Während im Bunker mit dem Notparlament eine quasi parlamentarische Versammlung zusammentreten sollte, war dessen tatsächliche Macht auf die Rolle eines Placebo-Souveräns reduziert. Der westdeutsche Regierungsbunker ist der Ort, an dem also Bios und Polis miteinander verschmolzen. Während das Konzentrationslager der Ort ist, um nochmal zu Agamben zurückzukehren, in dem die Reproduktion souveräner Macht stattfindet, so ist der Atombunker für diese Art der Machtausübung eine Art Gruft. Im Fall eines Atomkrieges wäre es eine Ironie der Geschichte geworden, dass ausgerechnet die Waffe, an der die KZ-Häftlinge des Dritten Reichs in den Tunneln von Marienthal gearbeitet hatten, dieselben unterirdischen Anlagen heimgesucht hätte. Wernher von Brauns technologisch neuartige V2-Rakete war gegen Ende des Zweiten Weltkrieges als Wunderwaffe eine der letzten Hoffnungen des Dritten Reichs gewesen. Die persönliche Geschichte des Ingenieurs und Raketenbauers von Braun ist gut dokumentiert und seine Arbeit für die Raketenprogramme der Nationalsozialisten und der Amerikaner im Kalten Krieg machten ihn zu einem Symbol der Kontinuität nationalsozialistischer wissenschaftlicher Ideen im Kalten Krieg (MacDonald 2008: 617). Weniger bekannt ist vielleicht, dass die V2 auch der Prototyp für die erste sowjetische ballistische Interkontinentalrakete (ICBM) war. Anstatt einen rassisch gesäuberten Lebensraum zu verteidigen, wäre die Waffe also im Kriegsfall zurückgekehrt, um das Ahrtal in eine Winterlandschaft nuklearer Vernichtung zu verwandeln.

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Silvia Berger Ziuaddin (2016: 3) hat dargelegt, der Atombunker sei ein temporärer Raum des Übergangs. Temporär nur, was den Einsatz angeht, ist er tatsächlich entstanden, seine Bewohner in eine post-apokalyptische Welt hinüber zu führen. Als gesellschaftliche Idee aber verkörpert der Atombunker wie wenige andere Räume den permanenten Ausnahmezustand, der den Kern des Staates im Kalten Krieg und der modernen Biopolitik im Allgemeinen darstellt.

D urchgan g Bevor wir uns im nächsten Kapitel mit einer Untersuchung der Räume nuklearer Vernichtung befassen, sollten noch ein paar Besonderheiten der deutschen Zivilverteidigung im Vergleich zu ihrem Gegenpart in den Vereinigten Staaten hervorgehoben werden, die normalerweise im Brennpunkt von Untersuchungen zur Architektur des Kalten Krieges stehen. Anders als in den Vereinigten Staaten konnte in der BRD die Vorstellung vom Bunker an die konkreten Erfahrungen der deutschen Bevölkerung vom Bunkerleben während des Zweiten Weltkriegs anknüpfen. Paradoxerweise versuchte die Regierung die Wirkung der Atomwaffen zu verharmlosen, um so den Bunker erneut als sinnvolle Lösung verkaufen zu können. Um einer defätistischen Haltung entgegentreten zu können, behaupteten das Bundesinnenministerium und das Bundesverteidigungsministerium, es gebe selbst im Zeitalter der H-Bombe einen zureichenden Schutz (Schröder 1954; Bundesministerium der Verteidigung 1956: 1). 1957 schlossen die Westdeutschen mit den Vereinigten Staaten einen Vertrag ab, der es der Bundesrepublik ermöglichte, in der Wüste von Nevada eine Reihe verschiedener deutscher Bunkermodelle bei einem Atomangriff zu testen. Der abschließende Bericht der Bundesregierung kam zu dem Ergebnis, es sei auch im Atomzeitalter möglich, sich gegen die Auswirkungen jeder Art von Waffen zu schützen (Bundesinnenministerium 1958a). Tests mit menschlichen Versuchspersonen würden zudem zeigen, dass es möglich sei, bis zu fünf Tage in den Zivilbunkern der Bundesrepublik zu verbringen, ohne deshalb physische oder psychische Zusammenbrüche erwarten zu müssen, obwohl die Schutzsuchenden bei ihrem Rückzug in die Unterwelt natürlich eine Vielzahl von Unbequemlichkeiten hinnehmen müssten (Ohne Autorenangabe, 1959). Die Haltung der Regierung lässt sich so am besten mit dem Titel der bundes-

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amtlichen Broschüre „Jeder hat eine Chance“ wiedergeben (Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz 1961a). Für die technikverliebten Strategen eines nuklearen Deutschland schien der Schutz der Bevölkerung vor Atomwaffen bereits in gar nicht so ferner Zukunft erreichbar. Der Naturwissenschaftler Pascual Jordan, der Mitte der 50er Jahre in der Regierungszeit Adenauers auch von unterirdischen Städten geträumt hatte, erklärte Sicherlich bedeutet die Explosion einer Atombombe die Freisetzung gewaltiger Energien; und diese wirken sehr unerfreulich, wenn sie gerade eine Großstadt treffen. Aber wenn wir sie mit der Energielieferung eines kräftigen Vulkanausbruchs vergleichen, so bleibt auch die Wasserstoffbombe von spielzeugartiger Unerheblichkeit. (J ordan 1954: 63)

Letztlich wollte die Zivilverteidigung biopolitische „Methoden und Anlagen“ einsetzen, die „ein gewisses Maß von Immunität gegen Atomkatastrophen ergeben“ (Jordan 1957: 174). Natürlich ist es sehr unangenehm, dass eine merkliche radioaktive Verseuchung auch dazu führen müsste, dass geringe, aber verbreitete Spuren radioaktiven Strontiums, mit unserer Nahrung aufgenommen, Knochentumore ergeben würden. Aber welches Maß an Phantasielosigkeit gehört dazu zu glauben, dass Knochentumoren auch in dreißig Jahren noch eine ernste Erkrankung wären. (E bd. 174)

Aber es gab auch immer wieder skeptische Stimmen, insbesondere in den Medien (Molitor 2011: 78; vgl. auch Lemke 2007: 79), unter Wissenschaftlern und natürlich in der Friedensbewegung (Stenck 2008). 1960 warnte sogar das Bundesfinanzministerium, moderne Kriegsführung mache einen vollständigen Schutz durch Bunker unmöglich (Bundesfinanzministerium 1960). Das Innenministerium widersprach diesem Urteil und hob dabei die besonderen Bedingungen hervor, unter denen die westdeutsche Zivilverteidigung agieren müsse. Im Gegensatz zu den USA muß angenommen warden, daß die Bundesrepublik im Kriegsfall Operationsgebiet sein wird. […] Beim Vergleich der Struktur der USA mit der der Bundesrepublik ergibt sich hinsichtlich der Bevölkerungsdichte ein wesentlicher Unterschied: USA etwa 20 Einwohner/km 2 – Bundesrepublik etwa 200 Einwohner/km 2 . (B undesinnenministerium 1960 d: 4)

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Letztlich basierte die Idee der Zivilverteidigung auf der Annahme, dass die moderne Kriegsführung die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten aufgehoben habe. So schrieb einer der Beamten „[d]ie Atmosphäre des Krieges umgibt jeden einzelnen, erschwert jede Tätigkeit und behindert damit die Gesamtheit aller Lebensvorgänge“, also insbesondere auch die Arbeit (Mielenz 1953: 5). Die Zivilverteidigung ging paradoxerweise von der Betonung der Ungeheuerlichkeit der Atomwaffen einerseits und von einer trotzdem realistischen Verteidigungsmöglichkeit andererseits aus. „Ein wesentliches Element der Zivilverteidigung war“, so Masco, „Furcht, aber nicht Terror, Angst, aber keine Panik zu verursachen und gleichzeitig die Öffentlichkeit über die Kernforschung zu informieren, nicht aber, sie über den Atomkrieg vollständig aufzuklären“ (Masco 2014: 52). Nirgendwo zeigt sich diese Logik so klar wie im Bunker: Die Robustheit eines massiven Bunkers aus Stahlbeton beschwört zugleich die Vernichtungskraft der Waffe, die er abwehren soll, und die Vermessenheit der Annahme, man könne sich davor schützen. So ist der Bunker ebenso ein Zeichen für die Kriegsführung im Industriezeitalter wie dafür, dass es kein Entkommen gibt. (B eck 2011: 81f.)

In den westdeutschen Vorbereitungen auf einen Atomkrieg lässt sich der Versuch erkennen, den kommenden Krieg durch die Brille des letzten Krieges zu sehen. In den 50er Jahren wurden Atomwaffen zunächst in der Zivilschutzliteratur oft nur beiläufig erwähnt. Wo Atomwaffen erwähnt wurden, wurde die Thematik vor dem Hintergrund der konventionellen Luftangriffe des Zweiten Weltkrieges verstanden. So erklärt sich auch, weshalb der Atombunker in den 50er Jahren als zugleich architektonischer und geopolitischer Kristallisationspunkt wiederauferstehen konnte als ein Raum, der versprach, Leben in einem Konf likt zu retten, der doch das Leben auf der Erde in ganz grundsätzlicher Form bedrohte. In vielfacher Beziehung wiederholte auch der Atombunker die räumliche Logik des Vernichtungslagers, dieses geradezu ikonischen architektonischen Raumes, der am Fluchtpunkt nationalsozialistischer Geo- und Biopolitik stand. Wie das Lager war der Bunker im Sinne Agambens ein Raum des Ausnahmezustands, innerhalb dessen totaler Krieg und Massenvernichtung rational erscheinen konnten. Tatsächlich wurde der Regierungsbunker der Bundesrepublik durch eine hochkonzentrierte Form souveräner Macht erst ermög-

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licht und durch einen Verwaltungsapparat geleitet, der wie besessen von dem Ziel war, einen hermetisch abgeschlossenen Lebensraum zu schaffen. Trotz solcher Übereinstimmungen kehrte der Kalte Krieg die faschistische Beziehung zwischen dem weiten Lebensraum und dem eng umgrenzten Raum des Lagers um und richtete damit den Bunker auf ein anderes Telos aus als das Lager. Seine ‚Endlösung‘ war ein versiegelter Sarkophag souveräner Macht, ein Raum ohne menschliches Leben, ein Raum ohne Volk. In diesem Sinne muss der Atombunker als geo- und biopolitischer Raum eigenen Rechts verstanden werden, denn er dehnt Espositos Logik der Immunisierung bis zu ihrem Fluchtpunkt. Im thermonuklearen Zeitalter bestand die ganze Bevölkerung, von einigen Ausnahmen abgesehen, aus homines sacri. Während das US-amerikanische Zivilverteidigungsprogramm den Bunker der eigenen Bevölkerung als einen durch und durch amerikanischen Raum zu verkaufen suchte, der im Untergrund den amerikanischen Westen wiederaufleben ließ und dies mit den Wundern des amerikanischen Konsumkapitalismus verband – die Amerikaner konnten so ihr suburbanes Haus um ein Extrazimmer vergrößern – (Masco 2009), griffen die deutschen Zivilschutzplaner auf ihnen bekannte geo- und biopolitische Konzepte zurück. Erst als die SPD in den 70er Jahren mehrere Regierungen stellte, schaffte es die westdeutsche Zivilverteidigung, sich ideologisch von ihrem nationalsozialistischen Vorläufer zu emanzipieren (Molitor 2015: 395).

E ndnoten 1  | Das Amt wurde 1952 als Behörde des Innenministeriums geschaffen und wurde mehrfach umbenannt. 2 | Auch die Bundeswehr plante eine ganze Reihe von Bunkern für ihr militärisches Personal. Ein von dem früheren Wehrmachtsgeneral und Generalinspekteur der Bundeswehr Adolf Heusinger unterschriebener Bericht aus dem Jahre 1959 erwähnte ebenfalls die Notwendigkeit der Separierung in verschiedene Krankenbereiche der durch Atomwaffen, biologische oder chemische Kampfstoffe Geschädigten von den durch konventionelle Waffen Verwundeten (Bundesverteidigungsministerium 1959: 10). 3 | Ziviler Luftschutz war von 1933 –1945 unter dem Titel Luftschutz und Gasschutz veröffentlicht worden.

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4 | Dass die Zivilverteidigung im Kalten Krieg vorwiegend von der Geopolitik beeinflusst wurde, bedeutet natürlich nicht, dass sie nicht auch von anderen Diskursen, etwa der Psychologie, mitgeprägt wurde. 5 | 1960 vertrat Löfken die Auffassung, Bunker allein könnten das Überleben der Nation nicht garantieren. Vielmehr müsse für eine überlebenswichtige Infrastruktur gesorgt werden und für die notwendigen Ressourcen für ein Leben nach dem Atomkrieg (Löfken 1960). 6 | Der Bunker war bis zu seiner Stilllegung 1997 in Betrieb, der Rückbau wurde lediglich nach der Verunsicherung durch die Terroranschläge auf New York und Washington im September 2001 kurz aufgehalten. Seit 2008 dient ein kleiner Teil des Bunkers als Museum und Dokumentationsstätte. 7 | Naturgemäß entspricht der Regierungsbunker in Marienthal in vieler Hinsicht Hitlers Regierungsbunker in Berlin. Aber es war vor allen Dingen die zunehmende Gefahr des Atomkriegs und dessen Logik der Vernichtung, die die Verbindung zum Konzentrationslager als der thanatopolitischen Schattenseite der Biopolitik betont.

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Kapitel 5 – Räume der Vernichtung Im Grunde wird das Leben nur umso schöner, je todbereiter es ist. F riedrich R atzel 1905

O rte des V ergessens Erinnerung ist ein wichtiges Gut in Deutschland. Drei Jahrzehnte nach dem Fall der Berliner Mauer ist diese eine Touristenattraktion wie wenige andere Strukturen des 20. Jahrhunderts, eine Welterinnerungsstätte. Aber auch wenn die Überreste des Eisernen Vorhangs weiterhin als das Symbol des Kalten Krieges in Deutschland gelten, so ist das vielleicht nicht völlig unproblematisch. Statt nämlich die Bedrohung gegenseitiger atomarer Vernichtung zu repräsentieren, steht die Mauer für eine viel simplere Lehre, nämlich für die des moralischen Sieges des Westens über das Gefängnis des realexistierenden Sozialismus. Rund zweihundert Kilometer westlich von Berlin liegt Point Alpha, ein früherer Beobachtungsposten und Stützpunkt des 11. und 14. Gepanzerten Kavallerieregiments der US-Armee. Der jetzt aufgegebene Militärstützpunkt liegt im sogenannten Fulda-Gap, einem leicht hügeligen Gelände im zentralen Segment des (deutsch-deutschen) Eisernen Vorhangs. Während des Kalten Krieges war das NATO-Oberkommando über lange Zeit hinweg überzeugt, dass ein Angriff des Warschauer Paktes bei seinem Vorstoß zum Atlantik hier erfolgen würde. Heute ist Point Alpha ein Museum, das eine Rekonstruktion der ostdeutschen Grenzbefestigungen mit einer Ausstellung gepanzerter Fahrzeuge der US-Armee verbindet. Aber auch hier ist die Botschaft überraschend simpel. Während das Risiko eines Atomkrieges auf deutschem Boden nur nebenbei erwähnt wird, können die Besucher stattdessen lernen, dass eine wechselseitig zugesicherte Zerstörung helfe, einen Atomkrieg zu verhindern.

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Abb. 5.1 und 5.2 Wachturm und Atomwaffenlager im Sondermunitionslager Alten-Buseck 2015.

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Wenig überraschend wird auf der Inschrift auf dem zentralen Denkmal des Museums der US-Armee für ihren Dienst für „Frieden und Freiheit“ gedankt. Um eine aufschlussreichere Anlage zu finden, sollte man von Point Alpha 60 weitere Kilometer nach Westen fahren. Besucher von Alten-Buseck werden von einem doppelten Stacheldrahtzaun und einem Wachturm empfangen. Die aufgegebenen militärischen Anlagen hat sich der Wald zurückerobert. Große Teile der Anlage sind von langem Gras und dichtem Buschwerk bedeckt. Zerbrochenes Glas knirscht unter den Füßen, wenn man das Hauptgebäude von den alten Kasernenanlagen her betritt. Auf dem Boden liegen leere Bierdosen und es gibt Anzeichen für Vandalismus, aber an den Wänden Bilder von Palmen, die ein seltsames Gefühl von befremdlicher Behaglichkeit vermitteln. Eine noch hinter einer Tür hängende abgeschnittene Hundeleine und ein paar Hundezwinger deuten an, dass das Lager einst nicht nur von Menschen bewohnt war. Wenn man durch diese Anlage streift, findet man eine Reihe massiver befestigter Gebäude aus Beton und zu Schanzen aufgeworfene Erdwälle, einen weiteren Wachturm und einen Ring von Flutlichtanlagen unmittelbar hinter dem Stacheldrahtzaun. Ein Frosch quakt in seinem Teich, der ursprünglich mal ein in die Erde vertiefter Laufgang für die Wachhunde war. Am Ende eines freien Feldes stehen zwei große Bunker, gesichert mit doppelten Stahltoren. Hinter diesen Stahltoren lagerten die kostbaren Atomsprengköpfe. Wenn man diese Anlage verlässt, muss man Rachel Woodwards (2004: 152) Beobachtung zustimmen, dass diese Orte „emblematisch für Herrschaft, Macht und Kontrolle“ seien – selbst nachdem sie aufgegeben wurden. SAS Alten-Buseck war eines der NATO–Sondermunitionsdepots, die im Kalten Krieg für Atomwaffen genutzt wurden. Gebaut in den 70ern und aufgegeben in den 90er Jahren, war Alten-Buseck nur eine von vielen derartigen Anlagen, die in Mitteleuropa verteilt waren. Hier in Alten-­ Buseck lagerten Atomsprengköpfe für drei verschiedene Waffensysteme, die atomwaffenfähigen M109- und M110-Haubitzen und Honest John Boden-Boden-Raketen (Atomwaffen a-z 2015). Obwohl technisch ‚nur‘ taktische Atomwaffen für den Einsatz auf dem Schlachtfeld, konnten Letztere über 100 Kilotonnen Sprengkraft auf bringen, fast sieben Mal die Sprengkraft der Hiroshimabombe. Allerdings hatte die Rakete lediglich eine Reichweite von rund 45 km. Die in Westdeutschland stationierten Atomwaffen waren mit Leichtigkeit in der Lage, große Teile der – wenn nicht sogar die ganze – Bevölkerung Deutschlands auszulöschen. Trotz-

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dem stehen Anlagen wie Alten-Buseck im zeitgenössischen Deutschland nicht im Zentrum des öffentlichen Interesses. Eine Nation, die so viel getan hat, um die Geschichte der Massenvernichtung im Zweiten Weltkrieg aufzuarbeiten, scheint die Erinnerung an diese Anlagen zur Massenvernichtung aus dem Kalten Krieg zu verdrängen. Dieses Kapitel geht auf die Reise zu den heute aufgegebenen Sondermunitionsdepots der NATO, die von den 50er Jahren an genutzt wurden, um in Europa auf kurze Entfernung einzusetzende taktische Atomwaffen zu lagern. Es beginnt mit der Untersuchung der Beziehung der Bundesrepublik zur Atombombe, um sich anschließend auf die NATO-Initiative der nuklearen Teilhabe zu konzentrieren. Danach wird in diesem Kapitel der politisch-materielle Raum seziert, der sich als unmittelbare Konsequenz aus der Beteiligung der Bundesrepublik an dieser Initiative entwickelte: das taktische Raketenlager. Mit Hilfe der Untersuchung einer Reihe derartiger Lager kommen wir zu dem Schluss, dass dieser Raum des Ausnahmezustands nicht nur die Geopolitik des Kalten Krieges artikulierte, sondern auch eine Biopolitik des nationalen Überlebens und Auslöschens, ja sogar der Selbstvernichtung ausdrückte. Die kurze Reichweite der in diesen streng bewachten Stützpunkten lagernden Waffensystemen und die Tatsache, dass sie weit abseits des Eisernen Vorhangs stationiert waren, bedeutete, dass diese Raketen vor allem auf dem eigenen Territorium der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt werden sollten  – mit verheerenden Konsequenzen für die eigene Bevölkerung. Als Konsequenz dieses Kapitels ergibt sich, dass das taktische Atomraketenlager als Raum (potentieller) Massenvernichtung im Stande war, eines der fundamentalen logistischen Probleme der nationalsozialistischen Biopolitik auf eigene Art zu lösen, nämlich die Produktion und Entsorgung von Leichen. Die Stacheldrahtzäune und Wachtürme in der Landschaft zu verstecken, war jedoch ein hoffnungsloses Unterfangen, was dazu führte, dass die Anlagen zunehmend von der immer stärker werdenden Friedensbewegung ins Visier genommen wurden. Ganz ähnlich wie heute auch wurde die Stationierung von Nuklearwaffen in Westdeutschland durch eine Abschreckungsdoktrin legitimiert. Dennoch sollte man sich daran erinnern, dass Atomwaffen ursprünglich aus einem ganz anderen Grunde gebaut wurden, nämlich um Macht zu demonstrieren und einen Gegner zur Kapitulation zu bewegen. E. P. Thompson weist in seiner Dekonstruktion der Abschreckungstheorie darauf hin, Abschreckung sei erst zu einem beherrschenden Diskurs

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geworden, nachdem die UdSSR 1953 die H-Bombe entwickelt hatte. Statt als Versuch zu gelten, Sicherheit im Atomzeitalter durch eine Theorie zu untermauern, so Thompson, handele es sich vielmehr um eine Rechtfertigung für eine Vergrößerung des US-amerikanischen Raketenarsenals. Wer von Abschreckung durch Atomwaffen spreche, begehe den Fehler „die Absichten (oder die behaupteten Absichten) des Besitzers der Waffe zu einer inhärenten Qualität der Waffe selbst zu erklären“ (Thompson 1982b: 6). Wenn Abschreckung also vielleicht nicht die einzig sinnvolle Antwort auf die Frage ist, warum auf westdeutschem Staatsgebiet eine derartig massive atomare Aufrüstung stattfand, brauchen wir eine andere Theorie. In diesem Kapitel wird vorgeschlagen, dass die Stationierung taktischer Atomwaffen in Westdeutschland von dem Impuls der Biopolitik mitgetragen wurde. Deren Fixierung auf die Fragen von Leben und Tod, Überleben und Auslöschung, die sich schon in den 40er Jahren in den architektonischen Räumen von Bunker und Konzentrationslager manifestiert hatte, war im Jahrzehnt danach in veränderter Form wiederaufgetaucht.

N ukle are Teilha be In ihrer Geschichte der US-Interkontinentalrakete „Minuteman“ beschreibt Gretchen Heefner (2012), dass die meisten US-Amerikaner, die im Kalten Krieg in der Nähe von Raketensilos lebten, diese Nähe zu den Raketen nicht als problematisch empfanden und deren Akzeptanz oft sogar als patriotischen Akt verstanden. Fährt man heute im Westen der Bundesrepublik an dörflichen Vorgärten nahe aufgegebenen Sondermunitionslagern entlang, wird man häufig von einem Star-Spangled Banner begrüßt. Diese offene Identifikation mit der Macht, die Westdeutschland in großem Stil mit Atomwaffen bestückte, mag überraschen, bedenkt man, dass diese Atomwaffenlager im Kriegsfall zu sowjetischen Primärzielen geworden wären. Diese Beobachtung sagt vielleicht das eine oder andere über die Beziehung der alten Bundesrepublik zu ihrem transatlantischen Alliierten aus. Zwar hätte die Bundesrepublik anfänglich am liebsten ein eigenes Atomwaffenprogramm entwickelt, die NATO zwang Bonn aber, alle Ambitionen auf einen Erwerb atomarer, biologischer oder chemischer Waffen aufzugeben und versagte der BRD auch die Produktion von Trägersystemen. 1954 erklärte Bundeskanzler Adenauer, die Bundesrepublik werde

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freiwillig auf die Herstellung von ABC-Waffen verzichten (Bulletin 1954). Dennoch wollte die westdeutsche Führung irgendeine Art der Teilhabe am möglichen Atomkrieg, einmal, um Einfluss auf Entscheidungsprozesse innerhalb der NATO und der Vereinigten Staaten zu gewinnen, aber auch um ein höheres Ansehen innerhalb des Bündnisses zu erhalten und damit vielleicht das Fehlen des nuklearen Machtpotentials zu überspielen (Hoppe 1992: 371). In den frühen 50er Jahren begannen die Vereinigten Staaten, in Westdeutschland Atomwaffen zu stationieren. Infolge ihrer Politik der Westbindung und ihrer Begeisterung für Atomwaffen hatte die damalige Bundesregierung wenige Einwände. 1953 feierte das westdeutsche Fernsehprogramm Welt im Bild enthusiastisch die Ankunft der ersten sechs M65 Atomkanonen, die kurz zuvor in der Wüste von Nevada getestet worden waren. Atomic Annie konnte Atomgranaten mit einer fast so großen Sprengkraft wie die Hiroshimabombe verschießen und wurde hochgepriesen, weil sie sich „den Gegebenheiten des Landes wundervoll anpassen kann“ (Welt im Bild 1953). Diese „Gegebenheiten“ meinten natürlich die Bundesrepublik. Nur ganz nebenbei wurde in dem Fernsehprogramm die Reichweite der Kanonen erwähnt – nur 32 Kilometer. Um in Westdeutschland in der Frage der Stationierung von Atomwaffen einen Konsens zu erreichen, verharmloste der Staat die von diesen Waffen ausgehende Gefahr.1 So erklärte das Bundesverteidigungsministerium 1956 in einem internen Schreiben, Kriegsführung unter Einsatz taktischer Atomwaffen setze die „herkömmlichen Grundsätze der Taktik nicht außer Kraft; sie verändern vielmehr nur das Verhalten und die Kampfweise im Einzelnen“ (Bundesministerium der Verteidigung 1956: 1). Ein Jahr danach äußerte Adenauer dann, taktische Atomwaffen wie Atomic Annie seien „nichts anderes als eine Weiterentwicklung der Artillerie“ (Der Spiegel 1957a). Nach Einführung der NATO-Strategie der massiven Vergeltung im Jahre 1957 wäre selbst ein konventioneller Angriff mit einem atomaren Gegenschlag beantwortet worden. Im gleichen Jahr startete der Nordatlantikrat seine Initiative zur nuklearen Teilhabe, die bis heute die Kooperation der NATO-Staaten untereinander bestimmt. Sie erlaubte Nichtkernwaffenstaaten wie Deutschland, der Türkei, Belgien, den Niederlanden und Italien, sich an Planung, Stationierung und dem Einsatz von Kernwaffen zu beteiligen. Für die Alliierten war ein atomar bewaffnetes Deutschland schwer vorstellbar, nachdem das Dritte

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Reich an der Entwicklung einer Atombombe gearbeitet hatte, letztlich aber hinter die US-amerikanischen und britischen Atomwaffenprogramme zurückgefallen war. Hier schien das Projekt der atomaren Teilhabe einen Kompromiss zu ermöglichen. Bonns Alliierte brauchten eine deutsche Bombe so nicht zu fürchten und Westdeutschland hatte zumindest den Status einer teilweisen Atommacht. Denn immerhin war SHAPE, das Oberkommando der alliierten Streitkräfte in Europa, eindeutig in seiner Aussage, die Stationierung der Kernwaffen in Europa sei „darauf abgestimmt, die Verteidigungsplanung der NATO insgesamt zu unterstützen und nicht der Einzelstaaten“ (SHAPE 1974: 3). 2 Die Bundeswehr bezeichnete diese Teilhabe mit dem Oxymoron „offensive Verteidigung“. Generalinspekteur Heusinger erklärte 1957, das Faktum der Ausrüstung der Bundeswehr mit kernwaffenfähiger Artillerie habe zu einer Verschleierung der Begriffe von Angriff und Verteidigung geführt (Der Spiegel 1957b). Die Bundeswehr sah ihre Soldaten nicht mehr nur als „Schild“, welches das nukleare „Schwert“ der USA ergänze. Auch wenn die westdeutschen Eliten darauf drängten, bei der neuen westlichen nuklearen Geopolitik dazu zu gehören, war die Bevölkerung der Bundesrepublik doch erheblich weniger enthusiastisch. Nachdem die Regierung Adenauer 1958 ein Gesetz durch den Bundestag brachte, das der Bundeswehr eigene Trägersysteme für Atomwaffen gestattete, ging die Bevölkerung auf die Straße. Die Erinnerung an die Vernichtung deutscher Städte durch die alliierten Bombenangriffe war nach einem guten Jahrzehnt noch zu frisch, und so drängte die parlamentarische Opposition in dieser Frage auf ein Referendum, was jedoch vom Verfassungsgericht abgelehnt wurde. Die Bundesregierung war fest entschlossen, an der neuen atomaren Geopolitik der NATO teilzunehmen. Das Bundesverteidigungsministerium vermerkte, die Übergabe der Nuklearwaffen an die Bundeswehr sei als „rechtlich zulässig“ erklärt worden, sowohl als „vorübergehende wie auch als endgültige Regelung“ (Bundesministerium der Verteidigung 1958: 2). In dieser Zeit wurde die Friedensbewegung geboren, die besonders in den 80er Jahren in den Vordergrund trat. Die Stationierung der Atomwaffen auf dem Gebiet der Bundesrepublik blieb auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs natürlich nicht unbemerkt. Spätestens nach 1950 wusste man in der DDR, dass auf westdeutschem Territorium eine ganze Reihe verschiedener Waffensysteme

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stationiert waren, nicht nur die zuvor erwähnte Boden-Boden Atomrakete (Honest John), sondern die erste ballistische atomare Lenkwaffe der Vereinigten Staaten (Corporal), die erste taktische Rakete (Redstone) und die atomwaffenfähige Cruise Missile (Matador) neben einer ganzen Reihe verschiedener Haubitzen (Ministerium für Nationale Verteidigung 1959: 5f.). Bis 1965 hatte die NATO 500-550 nukleare Sprengladungen auf der westdeutschen Seite der Zonengrenze in Position gebracht und weitere 200-240 Atomwaffen tiefer im Landesinneren. Es hat sich gezeigt, dass die Bundesrepublik, mehr als noch die USA, die treibende Kraft hinter dem Auf bau des sogenannten „Atomminengürtels“ war (Bald 2008, 52). Die westdeutsche Opposition zu dieser Entwicklung zeigte sich zuerst in den 50er Jahren, als sich die Regierung Adenauer wegen der Kritik von Wissenschaftlern wie Max Born und Werner Heisenberg veranlasst sah, mit einer PR-Kampagne der wachsenden Unruhe in der Öffentlichkeit wegen der Atomwaffen entgegenzutreten. Auch anderswo hatten Physiker, die sich seit den ausgehenden 40ern um das Bulletin of the Atomic Scientists mit ihrem machtvollen chronopolitischen Gerät, der Atomkriegsuhr (doomsday clock), zusammengefunden hatten, ähnliche Fragen aufgeworfen. Als sich in Großbritannien der Widerstand gegen Atomwaffen um 1958 in der Kampagne für nukleare Abrüstung (Campaign for Nuclear Disarmament, kurz CND) organisiert hatte (vgl. Featherstone 2012 und Herb 2005), formierte sich auch in Westdeutschland eine breit angelegte Protestbewegung. In den 60er Jahren umfasste diese Friedensbewegung sowohl Kommunisten als auch Christen, Künstler und Wissenschaftler, desillusionierte Generäle sowie unzufriedene Zivilisten. Trotz dieser Proteste, die zur Studentenrevolution von 1968 beitrugen, blieben mehrere westdeutsche Regierungen bei der harten Linie der massiven Vergeltung, gekoppelt mit der sogenannten Hallstein-Doktrin, der umstrittenen Nichtanerkennung der DDR. In den 70er Jahren ergänzten die SPD-Regierungen die traditionelle Politik der Westbindung dann mit einer der Ostpolitik, die darauf hinarbeitete, die Beziehungen zum Ostblock zu entspannen und zu normalisieren. Die Frage nach Westdeutschlands Haltung im Rahmen der Atomstrategie der NATO wurde in dieser Phase heruntergespielt und tauchte erst unter der Kanzlerschaft Helmut Schmidts (1974-1982) wieder auf. Schmidt hatte bei der Aufgabe taktischer Atomwaffen in den späten 60er Jahren

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eine wesentliche Rolle gespielt (Bald 2008). In den frühen 80er Jahren wurde er dagegen zum Verfechter einer neuen atomaren Aufrüstung. Schmidt sah die Bundesrepublik durch die neuen SS20 Raketen der Sowjetunion gefährdet und hoffte, die Stationierung einer neuen Mittelstreckenrakete (Pershing II) in Mitteleuropa werde Moskau dazu zwingen, ihre Raketen zu verlegen. Die Verhandlungen der US-Regierung unter Präsident Reagan mit der UdSSR schlugen allerdings fehl und die neuen Waffen, die Moskau bei einem Angriff aus dem Westen praktisch keine Reaktionszeit gelassen hätten, wurden Mitte der 80er Jahre auf westdeutschem Gebiet stationiert. Nach der Phase der Ostpolitik in den 70ern brachte das nächste Jahrzehnt, ausgelöst durch die neuen Pershing-Mittelstreckenraketen der NATO, eine zweite Welle von Demonstrationen gegen die atomare Aufrüstung. Im Verlauf dieser Proteste veranstaltete die Friedensbewegung medienwirksame „Die-Ins“ auf öffentlichen Plätzen und vor militärischen Anlagen, und verband Städte durch Menschenketten. Man sollte sich in diesem Zusammenhang den Umfang der öffentlichen Unterstützung dieses Widerstandes gegen Atomwaffen vor Augen halten. Zwischen 1980 und 1983 unterzeichneten rund vier Millionen Bürger den sogenannten Krefelder Appell, in dem die Bundesrepublik dazu aufgefordert wurde, ihre Unterstützung für die Stationierung der Mittelstreckenraketen in Westeuropa aufzugeben. Im Oktober 1983 berichtete Der Spiegel, rund zwei Drittel der westdeutschen Bevölkerung seien gegen das atomare Wettrüsten (Der Spiegel 1983). In diesem Kontext geriet dann zunehmend auch ein hoch destruktiver Raum in die öffentliche Kritik, der Jahrzehnte zuvor im ganzen Land errichtet worden war – das taktische Atomraketenlager.

D ie A rchitek tur des S ondermunitionsl agers Im Kalten Krieg gab es wenige Territorien, die so stark atomar bewaffnet waren wie das der Bundesrepublik. Mitte der 80er Jahre schätzten Friedensaktivisten die Zahl der atomaren Gefechtsköpfe in der BRD auf 3400 und die Zahl der Einrichtungen, in denen diese Waffen entweder untergebracht waren oder die ihrer Wartung und Instandhaltung dienten, auf 241 (Arkin & Fieldhouse 1986: 275). Die Liste der in Westdeutschland stationierten Waffensysteme war lang und beinhaltete nicht nur

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US-amerikanische, sondern auch britische Atomwaffen; im Bundesgebiet waren außerdem auch belgische, niederländische und kanadische Einheiten stationiert. Eine Schlüsselrolle spielten im Rahmen des Konzepts der Nuklearen Teilhabe der NATO die Sondermunitionslager; dies waren mittelgroße, feste Einrichtungen der US-Streitkräfte oder der NATO zur Lagerung von atomaren Gefechtsköpfen, Raketen, ballistischer Bomben und anderer taktischer Atomwaffen. In der Übergangsphase vom Frieden zum Kriegszustand wären diese Atomwaffen aus diesen festen Lagern herausgeholt und in ihrem Einsatzgebiet auf verschiedene Standorte zur Versorgung der Truppe mit atomaren Waffen verteilt worden. Während diese Anlagen mit der Landschaft verschmelzen sollten, entsprach ihr Auf bau den Auflagen der NATO und zeigte ein auffallendes räumliches Raster. Angesichts der hohen Sicherheitsanforderungen an die Lager und der auf diesem Militärgelände notwendigen engen Zusammenarbeit von deutschen und US-Einheiten gab es in diesen Lagern komplexe Überschneidungen in Fragen der Staatssouveränität sowie außergewöhnliche, geographisch-räumliche Sonderregelungen. Trotz der Tatsache, dass die Anlagen für die Lagerung der atomaren Gefechtsköpfe eigentlich hochgeheim waren, blieben die militärischen Umstrukturierungen des Geländes unter militärischen Gesichtspunkten nicht unbemerkt. Friedensaktivisten und die Staatssicherheit der DDR wiesen beide darauf hin, wie leicht es sei, Atomwaffenlager von Anlagen zu unterscheiden, in denen lediglich konventionelle Waffen bereitgehalten wurden (Informationsbüro für Friedenspolitik 1982: 10; Ministerium für Nationale Verteidigung 1972: 4; vgl. auch Schregel 2011: 91). In den 80er Jahren, der Phase der beginnenden Pershing-II-Debatte, fing die Anti-Atom-Bewegung an, sich aktiver für diese Standorte zu interessieren und gab Leitfäden heraus, die solche Atomwaffenlager kartographierten und es dem Leser möglich machten, neue Lager an ihrer Architektur zu erkennen (Luber 1982). Der DDR-Geheimdienst hatte sich ebenfalls detaillierte Beschreibungen der Lager mit Plänen, Bildern und Karten verschafft, die den Standort der Lager zeigten. Atomwaffenlager ließen sich in drei Kategorien mit ähnlicher Infra- und Kommandostruktur unterteilen. Bei der ersten handelte es sich um Depots, von denen aus die Einsatzeinheiten versorgt wurden (SAS-Depots vom Typ A, B, C, F und UK SSA). Sie waren für die Vorbereitung der Waffen auf den Einsatz, für die Montage der Gefechtsköpfe (warhead mating) und in begrenztem Umfang auch für die Wartung der Waffensysteme gedacht. Außerdem gab es

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Versorgungsdepots, die umfassendere Wartungsarbeiten übernahmen und in denen Waffenreserven und Ersatzteile gelagert waren. Versorgungsdepots für die eigentlichen Gefechtsköpfe lagen in einem Abstand von 80 bis 220 Kilometern vom Eisernen Vorhang entfernt, um bei einem Angriff noch genügend Zeit für eine Verlegung der Raketen zu haben. Die Anlagen für Lagerung, Wartung und Bewachung der Atomwaffen waren so ähnlich, weil sie bei der ersten Bestandsaufnahme, bei der Planung, Gestaltung und Konstruktion NATO-Richtlinien folgend gebaut wurden. In der ersten Bestandsaufnahme wurde das „für die Anlage vorgeschlagene Terrain, die unmittelbare Umgebung und dann das Hinterland berücksichtigt, worauf das Gelände näher eingegrenzt wurde“, das geeignet wäre, „Einrichtungen aufzunehmen, die den vorgegebenen Kriterien und Bauplänen entsprachen, ohne dabei unerwünschte Sicherheits- und Überwachungs- oder operative Probleme“ zu verursachen (SHAPE 1974: J-2). Während das genaue Layout der einzelnen Anlagen vom „Terrain, der Größe des zur Verfügung stehenden Geländes und der jeweiligen Funktion“ abhingen, mussten alle Anlagen mit einem geeigneten Straßennetz verbunden und zu verteidigen sein und abseits von bebautem Gebiet oder Truppenkonzentrationen liegen (US Army 1984: 33, 39). Viele dieser Anlagen wurden daher in Wäldern versteckt (vgl. Abb. 5.3 und 5.4).3 Dem DDR-Geheimdienst zufolge wurden lokale Gegebenheiten genutzt, um Atomwaffendepots zu tarnen; in die vorhandene Vegetation sollte so wenig wie möglich eingegriffen werden. Depots sollten möglichst in tiefen Taleinschnitten liegen und immer durch halb unter der Erde versenkte Bunker (auch als ‚Iglus‘ bekannt) gesichert werden, die zudem mit Erde abzudecken waren (Ministerium für Nationale Verteidigung 1972: 9). Alles war an einem räumlichen Raster ausgerichtet: Die Bunker waren symmetrisch angeordnet, entweder kreisförmig oder als Quadrate. Während die Gesamtzahl der Iglus variieren konnte, war ihre Form und Größe festgelegt, genauso der Abstand zwischen ihnen. Diese Vorgaben veränderten sich im Verlauf des Kalten Krieges nur wenig. Die Bunker maßen 18,5m x 8,3m x 4,0m und hatten Tore von 3,05m x 3,03m, damit ein LKW einfahren konnte. Auf kleinstmöglichem Raum sollte „starke Interaktion von radioaktivem Material mit in angrenzenden Bereichen gelagerten Waffen“ verhindert werden (US Army 1984: 32). Auch wenn Atomwaffenlager keinen Schutz gegen einen direkten Atomschlag besaßen, so waren sie doch oft vor einigen Auswirkungen eines in der Nähe mit Atom-

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waffen geführten Kampfes geschützt (Ministerium für Nationale Verteidigung 1972: 4). In Friedenszeiten suchte der westdeutsche Gastgeber das Leben der Soldaten so „normal“ wie möglich zu gestalten – angefangen von der Bereitstellung der Unterbringung bis zu Schulen (Bundesministerium der Verteidigung 1961a: 37). Das Leben war genau reglementiert und normiert, bis hin zur Größe von Abfalleimern, Kühlschränken, Bettzeug und Vorhangschienen (Bundesministerium der Verteidigung 1962). Jedenfalls war das kein Ort, an dem „lose Enden“ hingenommen wurden (Massey 2005: 12). Die Sicherheitsmaßnahmen für die Anlagen waren streng und konzentrierten sich auf eine Reihe unterschiedlicher Bedrohungen in Friedens- und Kriegszeiten, darunter Luftangriffe durch Flugzeuge oder Raketen, Angriffe von Bodentruppen oder paramilitärischen Einheiten, Spionage, Sabotage und Aufstände der Bevölkerung (SHAPE 1974: B-1). Um auf diese unterschiedlichen Bedrohungen reagieren zu können, wurden die Lager von Sicherheitskräften und Kampfeinheiten geschützt. Während die Bunker Raketenangriffen widerstehen konnten, wurden Eindringlinge mit Hilfe von Zäunen, Stacheldrahtrollen, Wachanlagen an den Eingängen, Suchscheinwerfern, Lichtanlagen und elektronischen Meldeanlagen, Wachhunden und weiteren Verteidigungsanlagen gegen unerlaubte Versuche der Überwindung der Abwehrzäune abgewehrt. Jedes Lager wurde von mindestens einer Infanteriekompanie bewacht (rund 150 Mann), die von dem jeweiligen Gastgeberstaat gestellt wurde, in diesem Falle also der Bundesrepublik (Bundesministerium der Verteidigung 1961a: 15). In Friedenszeiten wurde diese Einheit von einer Sondereinheit zuständig für Fälle von Sabotage, von zusätzlichen Bereitschaften sowie in ständiger Alarmbereitschaft stehenden Einheiten unterstützt (US Army 1984). Dazu kamen Angehörige des Verfassungsschutzes, die konsequent die Bevölkerung der Umgebung und auch Kneipen und andere Freizeiteinrichtungen beobachteten, die von den Soldaten besucht wurden. Eine wichtige psychologische Dimension bot zudem die „intensive Sicherheitsindoktrinierung“ des Wachpersonals (SHAPE 1974: B-1). Auch der Transport von Atomwaffen war genauestens geregelt. Zu einem Konvoy gehörte immer ein vorausfahrendes Fahrzeug mit Funksprechgerät, einem bewaffneten Fahrer und einem weiteren Wachsoldaten, mindestens zwei weitere bewaffnete Soldaten, von denen einer ein Angehöriger der US-Armee sein musste; für jedes Fahrzeug,

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das einen atomaren Gefechtskopf transportierte, musste ein mindestens fünf Soldaten umfassendes Team zur Abwehr von Sabotageangriffen in einem eigenen mit Funksprechanlage ausgerüsteten Fahrzeug in der Mitte der Kolonne fahren und ein ebenfalls mit einer Funksprechanlage ausgerüstetes Fahrzeug am Ende der Kolonne, letzteres besetzt mit einem bewaffneten Fahrer und einem weiteren Soldaten. (H eadquarters N orthern A rmy G roup 1961: 4)

Während SHAPE (1974: A4-5) die Möglichkeit eines solchen Atomwaffenzwischenfalls im Zusammenhang als „praktisch nicht existent“ erachtete, verlangte es „für den Katastrophenschutz voll ausgebildete und ausgerüstete Teams“ mit hoher Reaktionsfähigkeit bei eventuell eintretenden Vorfällen. Den Kern des Atomwaffenlagers bildete ein komplexes System einander überlappender Souveränitäten, die sich unmittelbar aus der transnationalen Natur des Systems der nuklearen Teilhabe ableiteten. Wie das Oberste Hauptquartier der alliierten Streitkräfte in Europa klarstellte, blieben US-amerikanische Atomwaffen unter US-Hoheit, bis sie vom US-amerikanischen Oberkommandierenden in Europa (USCINEUR) freigegeben wurden (SHAPE 1974: C-1). Während das Programm für die Sondermunitionslager vom US-Oberkommandierenden koordiniert wurde, der für die Planung atomarer Angriffe zuständig war, blieben die beteiligten Staaten verantwortlich für das Training und die Ausrüstung der für die Atomwaffen eingeteilten Einheiten und in manchen Fällen auch für deren eigentlichen Einsatz. Die Befehlshoheit umfasste hier die „grundsätzliche Verantwortung für die Sicherheit der Waffen“ und die „äußere Sicherheit der Räume, in denen die Atomwaffen stationiert“ waren. Dies führte zu einer komplizierten Verteilung von Verantwortlichkeiten. So beschwerten sich westdeutsche Ministerien, die verschiedenen Abkommen zur Regelung des Betriebes und der Versorgung der Sondermunitionslager (SAS) widersprächen einander oft, was zu „Verwirrung, ständigen Nachfragen und signifikanter Mehrbelastung der Verwaltung“ führe (Bundesministerium der Verteidigung 1963). Insbesondere war unklar, ob das Gastgeberland für Mieten, die medizinische und zahnmedizinische Versorgung und Gebrauchsgüter der amerikanischen Soldaten auf kommen musste. Während das Gastgeberland versprach, das Mobiliar in „ansehnlichem und gutem Zustand“ bereitzustellen, blieb es die Verantwortung der US-Nutzer, für die Folgen „grob fahrlässigen Umgangs“ mit dem

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I­ nventar oder bei „übermäßiger Abnutzung“ aufzukommen (Bundesministerium der Verteidigung 1961b: 3). Für gewisse Schäden war die US-Regierung verantwortlich, aber beileibe nicht für alle. So waren z.B. in den gegenseitigen Abmachungen durch „Kernexplosionen oder Strahlung“ verursachte Schadenersatzansprüche Dritter ausdrücklich ausgeschlossen (ebd.: 22). 1961 wurde mit folgender Stellungnahme Klarheit geschaffen: Die Anwesenheit der US Armee in SAS Support Lagern wird die Kommandostruktur und Autorität der nicht-US Kommandeure nicht verändern; der Kommandeur der US Armee wird aber die alleinige Verantwortung haben für alle Kommando-, Kontroll-, Administrations-, Trainings- und taktischen Funktionen, die US- Einheiten, Personal, Ausrüstung und Material betreffen. (E bd.: 3)

Angesichts dieser einander unübersichtlich überlappenden hoheitlichen Räume hielt es die Bundesregierung für notwendig, Richtlinien vorzugeben. Ein Leitfaden fühlte sich sogar bemüßigt, im Annex den Terminus „Deutschland“ als Gebiet zu definieren, auf dem das Recht der Bundesrepublik gelte (Bundesministerium der Verteidigung 1961a: 12). Es war einfach nicht völlig klar, wo die BRD im Atomkrieg begann und wo sie endete. Dieses System einander überlappender Souveränitäten spiegelte sich auch in der Architektur dieser Depots wider. Im Lager gab es einen Sperrbereich (im Englischen wahlweise auch als custodial area, no-lone zone oder x-area bezeichnet), in dem die Atomwaffen gelagert waren und in der eine „Zwei-Mann-Regel“ galt, wie die US-Armee festlegte: Das Sperrgebiet dient der Lagerung der Kernwaffen und wird von Angehörigen der zugeordneten Wacheinheit gesichert. Die Grenzen des Sperrgebietes werden normalerweise vom Kommandanten des Lagers festgelegt. Der Zugangskontrollpunkt (ECP) wird von zwei Mann bewacht, die beide das Programm zur Zuverlässigkeitsüberprüfung für das Personal durchlaufen haben müssen. (US A rmy 1984: 40)

Ziel dieser Maßnahme war es, sicherzustellen, dass jeder dieser Männer „in der Lage war, ungewöhnliche oder nicht genehmigte Vorgänge zu erkennen“, aber sie sollte auch einen Raum abgrenzen, zu dem nur amerikanische Soldaten Zugang hatten. Um dieses Privileg zu betonen,

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wurde innerhalb des bereits abgeschlossenen äußeren Raumes der innere Sperrbezirk zusätzlich durch einen Zaun eingeschlossen, dessen Verlauf vom Kommandanten des Sondermunitionslagers festgelegt wurde. Das Gebiet zwischen den beiden Zäunen wurde unterschiedlich als eingeschränkt oder begrenzt zugänglich bezeichnet; zuständig war hier der Chef der Wacheinheit (Bundesministerium der Verteidigung 1961a: 12). Um dieses Allerheiligste herum lag das „Verwaltungsareal“, das der administrativen Kontrolle und Sicherheit diente und eine Pufferzone mit Sicherheitsbeschränkungen darstellte (US Army 1984: 41). Zu diesem Bereich gehörte normalerweise eine Landemöglichkeit für die unter Begleitschutz stattfindende Zulieferung von Atomwaffen auf dem Luftweg. Diese Landezone lag in der Nähe des Sperrgebiets und wurde entweder für diesen Zweck hergestellt (mit Hilfe von Bulldozern, Kettensägen oder Äxten) oder war einfach ein bereits existierendes, offenes Stück Land. Andere Bereiche waren für die Aufnahme von Fahrzeugen und Konvois bestimmt, boten die technischen Voraussetzungen für Fahrzeugkontrollen oder sie dienten der Zugangsüberwachung, wobei der Verkehrsfluss gewährleistet werden musste. Um diese ganze Anlage herum gab es noch eine Sicherheitszone mit Feldjägern, Horch- und Beobachtungsposten und Frühwarnanlagen. Diese räumliche Anordnung rief Bedenken hervor, besonders nach der Entstehung der Rote Armee Fraktion (RAF) in den 70er Jahren. So befürchtete das Bundesverteidigungsministerium 1975, Terrorkommandos hätten bereits das notwendige technische Wissen, um eine Atomwaffe zur Detonation zu bringen und trug Washington seine Bedenken vor, deutsches Wachpersonal könne innerhalb des Sperrgebiets von Terroristen als Geiseln genommen werden, um so Atomraketen der NATO in ihre Gewalt zu bringen (Bundesministerium der Verteidigung 1975a: 1). Offenbar besorgt um das Leben solcher Geiseln führte das Ministerium anschließend in einem internen Dokument aus, auch wenn sich die deutschen Wachen selbstverständlich an deutschem Recht orientieren müssten, wäre es möglich, deutsches Recht im „übergesetzlichen Notstand“ außer Kraft zu setzen (Bundesministerium der Verteidigung 1975b: 2). Bonn wollte ganz offensichtlich das Recht, in einer Krise im Sperrgebiet den Notstand ausrufen zu dürfen. Mit diesem Vorschlag waren die Amerikaner nicht einverstanden. Zwar zeigten sie ein gewisses Verständnis für die deutschen Bedenken, stellten jedoch klar:

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Abb. 5.3 und 5.4 Sondermunitionslager der NATO (1992, Traditionsverband Aartalkaserne) und Wachen im Camp Bellersdorf (frühe 80er Jahre, Traditionsverband Aartalkaserne).

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Sollten Geiseln genommen werden, um mit ihnen als Druckmittel Zugriff auf Atomwaffen zu erhalten oder diese zu stehlen oder einen Versuch zu verhindern, die Atomwaffen zurückzugewinnen, wird das Wohl und die Sicherheit der Geiseln bei der Wahl der zu treffenden Maßnahmen berücksichtigt werden. Allerdings darf die Rücksicht auf die Geiseln nicht dazu führen, dass notwendige, rasche und effektive Maßnahmen unterbleiben, um einen nicht autorisierten Zugang zu Atomwaffen oder deren Diebstahl zu unterbinden oder die Kontrolle über diese Waffen wieder zurückzugewinnen. (USCINCEUR 1975)

Grundlegende Zielsetzung des taktischen Atomwaffenlagers war also nicht der Schutz der westdeutschen Bevölkerung, sondern die „Kontrolle über die Atomsprengköpfe“, wie ein Handbuch für das Personal dieser Sondermunitionslager ausführte (US Army 1984: 42). Joe Masco hat beschrieben, wie dieser atomare Militarismus über Analogien zum menschlichen Körper Verständnis für die Bombe zu vermitteln suchte. Kernwaffen haben demzufolge in der Sprache der Atomstrategen „Geburtsfehler“, müssen „umsorgt und gefüttert“ werden, „sind krank“ und „müssen ins Krankenhaus“, bekommen regelmäßig ihre „Vorsorgeuntersuchung“ und „Autopsien“ sind auch vorgesehen (­­Masco 2006: 80). Eine derartige medizinische Sprache kann kaum verbergen, dass das Sondermunitionslager, wie der Regierungsbunker auch, ein Raum ohne Volk war und in ihm die Idee vom Volk ohne Raum umgekehrt wurde. Hauptzweck des Sondermunitionslagers war einfach, einen „glatten Übergang vom Frieden zum Krieg“ sicherzustellen (US Army 1984: 4). Geopolitik im Atomzeitalter war immer „mehr am Überleben der Atomwaffen als am Überleben der Menschen interessiert“ (Cohn 1987: 715).

R aum ohne V olk Wenn man das taktische Atomraketenlager als politischen Raum begreifen will, muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Atomkrieg gleichzeitig geo- und biopolitisch verstanden werden muss, da die Eigenheiten sowohl der Erde als auch des menschlichen Körpers in diesem Kriege Teil der Planung sind. Ob eine Rakete 500m über dem Boden oder auf Meereshöhe detoniert, über nassem oder trockenem Terrain, verursacht deutlich unterschiedliche Wirkungen auf das ‚built environment‘ und auch auf den menschlichen Körper. Diese Wirkun-

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gen wurden auf den verschiedenen Ebenen der militärischen Planung berücksichtigt, weshalb die US-Armee ihr in Deutschland in taktischen Atomwaffenlagern arbeitendes Personal warnte, dass die Verluste hoch sein würden und ihre Einheiten „eingekreist, abgeschnitten und manchmal völlig zerstört“ werden könnten. „Um zu überleben“, müsse jeder Soldat seinen Job beherrschen und verstehen (US Army 1984: 17). Soldaten wurden nicht einfach als Glieder in einer Befehlskette verstanden, sondern als biopolitische Organe. Ähnlich wie die Amerikaner befürchtete auch die Bundeswehr, dass die Soldaten auf die Auswirkungen der Strahlung auf dem Schlachtfeld nicht richtig vorbereitet seien. So wurde im Verteidigungsministerium diskutiert, ob man bei militärischen Übungen die Soldaten nicht milden chemischen Kampfstoffen aussetzen solle, die ein ähnliches Krankheitsbild hervorriefen wie die Strahlenkrankheit (Bundesministerium der Verteidigung 1959: 3).4 Das erinnert erneut an Espositos Konzept der Biopolitik, die das Leben durch die Produktion ihres Gegenteils zu immunisieren versucht. Der Raum des Atomraketenlagers verkörperte zudem noch drei weitere biopolitische Prinzipien: Den rechtlichen Ausnahmezustand, die Vernichtung und die Selbstauslöschung. Wie wir bereits gesehen haben, war das Atomwaffenlager zuerst einmal ein Raum, in dem die souveräne Staatsmacht mit ihrer Tendenz, sich selbst durch den Ausnahmezustand zu reproduzieren, in fast reiner Form existierte. Die Architektur des Lagers zeigt zudem die komplexe geopolitische Beziehung zwischen der US-Regierung und dem westdeutschen Gastgeberland, die durch diesen Exzess an souveräner Staatsmacht hervorgerufen wurde. Westdeutsche Souveränität endete schließlich an den Grenzen des Sperrgebiets – auch wenn gerade an dieser Stelle der Status der Bundesrepublik als Atommacht im Sinne der atomaren Teilhabe am greif barsten wurde. Aber es war nicht nur einfach das spezifische räumliche Design des Lagers, das seine Natur als Raum des Ausnahmezustandes aufzeigte. Selbstverständlich überstiegen die Sicherheitsmaßnahmen beim Atomwaffenlager die bei anderen militärischen Anlagen, aber allein die bloße Existenz dieses Raumes selbst hob bereits die autoritäre Natur des Ausnahmezustands hervor. Ein Atomkrieg auf deutschem Boden hätte die Bundesrepublik als Staat praktisch dem militärischen Kommando der NATO unterworfen. Bemerkenswerterweise zeigte die Bundesrepublik keinerlei Bedürfnis, den taktischen Atomkrieg als illegal zu kennzeichnen. Offiziersan-

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wärtern der Bundeswehr wurde im Gegenteil beigebracht, der Einsatz von Kernwaffen sei vereinbar mit dem Kriegsrecht. Angesichts der Tatsache, dass Völkermord als teilweise oder auch vollständige Vernichtung einer Nation oder von Menschen bestimmter Rasse- oder Religionszugehörigkeit verstanden wurde und man selbst stärkere Atomwaffen als dazu normalerweise nicht in der Lage ansah, fiel der Einsatz von Atomwaffen nicht unter die Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (Bundesministerium der Verteidigung 1981: 6). Darüber hinaus lernten Bundeswehrsoldaten, dass die Bundesrepublik zwar keine Atomwaffen auf dem eigenen Staatsgebiet bauen durfte, dies jedoch kein Verbot bedeute, diese Waffen trotzdem einzusetzen (ebd.). Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Bundeswehr unterschied zwischen Atomwaffen strategischer Art, deren Einsatz gegen die Zivilbevölkerung gegen internationales Recht verstieß, und taktischen, für den Kampf in der Schlacht entwickelten Waffen, bei denen sie keinen Rechtsverstoß sah (ebd.: 35). Tatsächlich war die Unterscheidung zwischen taktischen und strategischen Atomwaffen schwierig. Im Prinzip hatten taktische Atomwaffen eine geringere Sprengkraft und eine geringere Reichweite und waren für das Schlachtfeld entwickelt worden, während strategische Atomwaffen zur Vernichtung von Städten und großen militärischen Einrichtungen eingesetzt werden sollten. In Wirklichkeit konnten taktische Atomwaffen aber eine Sprengkraft auf bringen, die mit Leichtigkeit selbst große Städte vernichten konnte. Die in Deutschland stationierten ballistischen Kurz- und Mittelstreckenraketen waren so wichtig, weil sie beweglich und deshalb feindlichen Angriffen weniger ausgeliefert waren als strategische Raketen, die aus fest installierten Silos abgeschossen wurden. Verständlicherweise äußerte das Bundesverteidigungsministerium sich nicht zu der Gefahr, dass die Führung eines taktischen Atomkrieges sich, vermutlich gerade wegen einer fehlenden klaren Unterscheidung zwischen taktischen und strategischen Waffensystemen, leicht in einer Spirale hin zu einem strategischen Atomkrieg entwickeln könne – und es sagte ebenso wenig über die Auswirkungen eines Einsatzes taktischer Atomwaffen auf die Zivilbevölkerung Mitteleuropas. Zweitens  – und vielleicht noch wichtiger  – war das taktische Atomwaffenlager ein wesentlicher Aspekt dessen, was der Historiker und Anti-Atom-Aktivist E. P. Thompson als „Exterminismus“ bezeichnete. Damit wollte Thompson jenes wirtschaftliche, politische und ideologische

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Profil der Gesellschaft im Atomzeitalter abbilden, das es zur Möglichkeit der Vernichtung antrieb. Das Resultat einer derartigen sozialen Ordnung sei nicht zufällig (auch wenn das finale Ereignis leicht Ergebnis eines Unfalls sein könne), „sondern die unmittelbare Folge früherer politischer Entscheidungen, der Anhäufung von Mitteln und ihrer Perfektionierung zur Vernichtung hin und zur Restrukturierung ganzer Gesellschaften, so dass diese sich auf dieses Ziel ausrichteten“ (Thompson 1982a: 20). Alles im Sondermunitionslager war so auf eine effektive Vernichtung hin eingestimmt. Der zweifache Sinn dieser Anlagen war, das Überleben der Kernwaffen in Friedenszeiten und ihren reibungslosen Einsatz in Kriegszeiten zu sichern. In dieser Beziehung wirkte das Atomwaffenlager als biopolitischer Raum, der das Prinzip vom Kampf um das Überleben und die Vernichtung, so wie sie von Ratzel und seinen Nachfolgern im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert entwickelt worden waren, im Atomwaffenzeitalter materialisierte. Deswegen ist es kein Zufall, dass das taktische Atomwaffenlager in seiner Architektur so sehr jenem anderen Ort des 20. Jahrhunderts ähnelte, in dem die Nekropolitik sich in der ersten Hälfte der 1940er Jahre klar manifestiert hatte (vgl. Abb. 5.3). Der jüdisch-amerikanische Sozialkritiker und Friedensaktivist Marcus Raskin vertrat 1982 die Meinung, Atomwaffen seien letztlich „nichts als ein augenblickliches Auschwitz, verpackt in Form von Bomben und zusammengehalten von den Protonen und Elektronen kriegerischen und triumphalen Gedankenguts“ (Raskin 1982: 209).5 Natürlich waren diese Worte provokativ gemeint und als Versuch gedacht, den Widerstand gegen das in den 80er Jahren stattfindende erneute Wettrüsten wachzurütteln. Wenn wir uns aber das Sondermunitionslager genau ansehen, dann ist es schwer, bei der räumlichen Organisation dieser Tötungsmaschine die Verwandtschaft zum Todeslager zu übersehen. Schließlich funktionierte der Atomkrieg durch das, was Markusen und Kopf (1995: 270) als „ideologische Enthumanisierung“ bezeichneten, wobei das Leben der zu Vernichtenden hinter technisch-wissenschaftlichem Jargon verschwand. Innerhalb dieses massenmörderischen Systems herrschte Arbeitsteilung, der folgend Produktion, Stationierung und Einsatz der atomaren Sprengköpfe auf viele Verantwortliche verteilt waren, von denen aber nur wenige einen Gesamtüberblick hatten. Der Atomkrieg beinhaltete zudem noch stärker als der Bombenkrieg des Zweiten Weltkrieges einen Akt der Distanzierung, des Tötens aus großer Entfernung. Die Entscheidung zur Vernichtung wäre von Militärs und Politikern in unter-

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irdischen Schutzräumen getroffen worden, weit weg von den Orten der Vernichtung (ebd: 275). Das Sondermunitionslager war in diesem Sinne ein Raum der Massenvernichtung. Der Drahtverhau, die Wachtürme und Beleuchtungsanlagen verweisen auf die Verwandtschaftsbeziehungen in der Konzeption dieses hermetisch abgeriegelten Raumes. Wie auch im nationalsozialistischen Konzentrationslager gab es ein System von Indexkarten (wenn auch keine Lochkarten wie in Auschwitz), auf denen der Status der Insassen festgehalten war; allerdings waren diese hier keine Menschen oder homines sacri, sondern Atomwaffen (US Army 1984: 71). Dennoch unterschied sich das taktische Atomwaffenlager in vieler Hinsicht vom Konzentrationslager. So funktionierte es eher als Inversion des letzteren, insofern als es dessen Sicherheitsfunktionen umkehrte: Es diente nicht der Einkerkerung, sondern der Befestigung. In gewisser Hinsicht war das Sondermunitionslager ein umgekehrtes Todeslager, aus dem die Produktion der Leiche ausgegliedert worden war. Deren Entfernung war eines der Hauptprobleme des Todeslagers gewesen. Die Logik des Todeslagers verstand, Netz folgend, die Menschen „als zukünftige Leichen; deshalb musste die Planung auf die Entsorgung der Leichen abgestellt sein“ (Netz 2004: 221). Im taktischen Atomraketenlager nahmen die Raketen den Raum ein, der ursprünglich den Insassen des Konzentrationslagers zugewiesen worden war. Überleben durch Vernichtung war das Kernanliegen geworden, nicht die Entfernung der Leichen aus dem Staatswesen. Ziel war aber zugleich Agambens nacktes Leben – dem Tode ausgesetztes Leben. Und in der Hinsicht war es ein deutlich effizienterer Raum der Vernichtung als das Todeslager, weil die Gefahr potentiellen Widerstands fast auf null reduziert worden war. Seine Wächter brauchten Agambens homines sacri noch nicht einmal zu sehen, wenn sie die Macht ihrer Waffen entfesselten. Man muss sich dabei vor Augen halten, dass die Wachen selbst natürlich auch homines sacri waren. Raketensilos, die Lager taktischer Raketen und die sie umgebenden Dörfer waren selbstverständlich für sowjetische Atomraketen Primärziele, wie von der zeitgenössischen Zivilverteidigungsliteratur bestätigt wurde (Ohne Autorenangabe 1962: 23). Die Einbeziehung der eigenen Soldaten als potentielle Opfer – und dies ist das dritte Prinzip – beleuchtet die dem Atomraketenlager inhärente Tendenz zur Selbstzerstörung. Umstrukturierungen in den strategischen Planungen der USA für einen Atomkrieg hatten in den 50er Jahren die Logik

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für die an vorderster Linie stehenden Bundeswehrsoldaten „drastisch verändert“, die jetzt die „Aufgabe hatten, einen sowjetischen Angriff lange genug aufzuhalten, bis die NATO über ihren Köpfen Atombomben abwerfen konnte“ (Cioc 1988: 9). Die westdeutschen Medien hatten schon lange vermutet, dass die Amerikaner ihre strategischen Atomraketen erst einsetzen würden, wenn die Verteidigungslinien zwischen Elbe und Rhein zusammengebrochen waren (Der Spiegel 1967). Nach 1980 stimmten westdeutsche Friedensaktivisten und hohe Offiziere der Bundeswehr in ihren Einschätzungen über das Ausmaß weitgehend überein, in dem die Bundesrepublik in einem Krieg mit dem Warschauer Pakt leiden würde. In seinem 1986 erschienen Buch Schlachtfeld Deutschland? äußerte der ehemalige Generalmajor und Autor Werner Ebeling seine Bedenken darüber, dass die Bundesrepublik die höchste Konzentration an Soldaten, Waffen und militärischen Anlagen innerhalb der westlichen Allianz aufweise und gleichzeitig der Staat mit der höchsten Konzentration an Atomwaffen sei. Er befürchtete, Westdeutschland werde „das erste und ‚totale‘ Ziel konventioneller und nuklearer Waffenwirkung sein, also das Schlachtfeld eines Krieges in Mitteleuropa, mit den unvergleichlich höchsten Risiken, den größten Verlusten an Menschen und Zerstörungen ihrer Güter“ (Ebeling 1986: 31). Diese suizidale Politik entstand auf ganz unterschiedlichen Wegen um die in Westdeutschland gelegenen Atomwaffenlager herum. Wie die strategischen Atomraketensilos in den Vereinigten Staaten waren auch die taktischen Atomraketenlager in Europa selbstverständlich „primäre Angriffsziele für Atomwaffen großer Sprengkraft oder nachhaltiger chemischer Kampfmittel“ der Sowjetunion (US Army 1984: 19). Als düstere Kehrseite würden sie auch das Land zerstören, das sie eigentlich schützen sollten. Offen wurde das nur selten zugegeben. Während das Bundesverteidigungsministerium in seiner Aussage eindeutig war, dass nur militärische Ziele „lohnende Ziele“ seien, gab es von seiner Seite keinen Hinweis darauf, dass diese Ziele westlich des Eisernen Vorhangs lagen (Bundesministerium der Verteidigung 1956: 10). Angesichts der kurzen Reichweite der in Westdeutschland stationierten taktischen Atomwaffen und der Tatsache, dass sie nach einem Einmarsch von Seiten der Sowjetunion zu defensiven Zwecken eingesetzt werden sollten, war es offensichtlich, dass diese in der Bundesrepublik stationierten Atomwaffen auch nur auf bundesdeutschem Territorium eingesetzt werden konnten. 1964 erschienen Medienberichte, nach denen die NATO plane, einen Gürtel

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sogenannter Atomminen entlang der Zonengrenzen zu installieren (Der Spiegel 1964). Letztlich zeigten diese taktischen Atomwaffenlager so als Räume der Selbstvernichtung eine Verwandtschaft zu der selbstmörderischen Politik, die das Dritte Reich in seinen letzten Tagen der eigenen Bevölkerung hatte aufzwingen wollen. Wie in Kapitel 2 dargelegt, war Hitlers Politik der verbrannten Erde darauf angelegt, genau die Gebiete zu zerstören, die eigentlich als neuer Lebensraum vorgesehen waren.6 Als klar wurde, dass der Rückzug der Wehrmacht endgültig war, wurde sie mit dem sogenannten Nero-Befehl auf deutsches Gebiet ausgeweitet. In der Weiterführung dieser selbstmörderischen Politik beweist sich das Sondermunitionslager als Raum am Fluchtpunkt der Biopolitik. Es bedrohte eigenes Staatsgebiet, um alles zu vernichten, was dem Gegner irgendwie helfen könnte. Mit Blick auf Michel Foucault erinnern diese Räume daran, dass der „moderne Mensch ein Tier ist, dessen Politik seine Existenz selbst in Frage stellt“ (Foucault 1978: 143).

NATO-D r aht und zivile U nruhen Angesichts seiner Macht, politische Grenzen auf menschliche Haut zu übertragen, ist es vielleicht nicht so überraschend, dass Stacheldraht in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit von Seiten der Humangeographie erfahren hat, insbesondere von jenen, die sich mit der Umsetzung von Geopolitik auf der Mikroebene befassen (Gregory 2004: 76; Megoran 2006), sowie von denen, die diesen paradigmatischen Raum des 20. Jahrhunderts und der Moderne untersuchen  – das Lager. Während Stacheldraht politische Geographen schon seit Langem interessiert hat und alle möglichen Bücher zur Geopolitik dekoriert (Dodds 2005; Gallaher et al. 2009; Jones et al. 2014), hat er sich erst in letzter Zeit zu einem unter konzeptuellen Gesichtspunkten diskutierten Thema entwickelt. Wir haben ja bereits gesehen, wie Stacheldraht als politische Technologie funktioniert, die das Lager und die damit verbundene Politik der Vertreibung, Konzentration und Vernichtung ermöglicht hat. Dieses Thema steht im Zentrum von Reviel Netz’ (2004) Genealogie des Stacheldrahts, die auch neuere geographische Untersuchungen beeinflusst hat, etwa zu Filmen über den Holocaust (Carter-White 2013: 21) und über israelische Siedlungen im Westjordanland (Handel 2014: 506), über Wanderungen von Tieren in

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Nordamerika (Wilson 2015: 7) und ein theoretisches Werk über die geographischen Strukturen des Lagers (Minca 2015). Indem er dafür eintritt, Stacheldraht als die fundamentale politische Technologie unserer Zeit zu verstehen, verfolgt Netz die Versuche der modernen Gesellschaft, Mobilität zu kontrollieren und totalen Raum zu schaffen, vom Viehtrieb des 19. Jahrhunderts im amerikanischen Westen über die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges bis zu der Konzentration dessen, was er als das menschliche Vieh des nationalsozialistischen Todeslagers bezeichnet, homo sacer also. Der Fall des taktischen Atomwaffenlagers wirft ein neues Licht auf die Verbindung zwischen dem Stacheldraht als einer zentralen Technologie des 20. Jahrhunderts und der Praxis der Vernichtung. Denn besonders während der 70er und 80er Jahre erlebte Westdeutschland einen Anstieg ziviler Unruhen und terroristischer Anschläge gegen das US-Militär, so dass befohlen wurde, bei dem Transport von Atomsprengköpfen „dicht besiedelte Gebiete und solche, in denen man mit zivilen Unruhen rechnen müsse, zu vermeiden“ (US Army 1984: 56). Die Tatsache, dass diese Unsicherheit von einer „ausländischen militärischen Macht“ hervorgerufen worden war, die mit „hoher Autonomie agierte“, verstärkte diese Ängste ausgerechnet in der westdeutschen Zivilbevölkerung, die die Amerikaner eigentlich hatten schützen wollen (Holmes 2013: 61). In dieser Phase begannen viele Menschen zu fragen, ob die amerikanische Militärpräsenz immer noch Deutschlands Schutz diene, da viele Bürger den Eindruck bekamen, eigentlich Geiseln der Amerikaner geworden zu sein, die ihre tödlichsten Waffen für den nuklearen Erstschlag in den dicht besiedelten Gebieten Westdeutschlands stationierten. Sollte die Sowjetunion versuchen, die Atomwaffendepots anzugreifen, wäre ein wesentlicher Teil der westdeutschen Zivilbevölkerung gefährdet gewesen, denn ein derartiger Angriff hätte notwendigerweise Vergeltungsschläge provoziert, die Europa in ein nukleares Schlachtfeld verwandelt hätten. (E bd.: 36)

Stacheldraht scheint ein erheblich ambivalenteres Symbol zu sein, als Netz suggeriert, eines, das die Ausübung souveräner Staatsmacht ermöglichte und auch den Widerstand dagegen hervorrief. Es ist eine besondere Eigenschaft des Stacheldrahts, nämlich seine (mit einer einfachen photographischen Vervielfältigung verbundenen) Sichtbarkeit bei gleichzeitiger Sichtdurchlässigkeit, die dazu führte, dass er von Anfang an die Keime seines Untergangs in sich trug.

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Pazifismus war für die westdeutschen Nachkriegsregierungen schon immer ein Problem gewesen. Franz-Josef Strauß, Adenauers Minister für Atomfragen und späterer Verteidigungsminister, klagte oft darüber, es sei eine Tragödie, dass die Deutschen immer nur die destruktive Seite der Atommacht sähen, nicht aber deren Vorteile für die Gesellschaft. Strauß war in den späten 50er und in den frühen 60er Jahren einer der engagiertesten Vertreter der Entwicklung der Kerntechnologie in Deutschland. 1955 vertrat er die Meinung, die neue atomare Geopolitik verlange entschlossenes Handeln, wolle die Bundesrepublik „das Schicksal der Sklaverei“ durch die Sowjetunion „nicht auf sich herabbeschwören“. „Die Hände in den Schoß zu legen und sich mit passiven Maßnahmen zu begnügen, hieße, aus Angst vor dem Tode nackten Selbstmord zu begehen.“ (Bundestag 1955b: 5610; Hervorhebung durch den Autor) Strauß deutete damit an, nur ein Leben, das auch bereit sei, dem Tod ins Auge zu schauen, indem es sich an dem potentiell selbstmörderischen Spiel mit dem Atomkrieg beteilige, könne letztlich den nationalen Selbstmord verhindern. Tatsächlich unterschied sich die ganze Idee der Abschreckung gar nicht so sehr von dem, was Hitler in seinem zweiten Buch ausgeführt hatte. „Aus friedlicher Gesinnung heraus einen Krieg nicht wollen, heißt noch lange nicht, ihn auch vermeiden zu können. Und einen Krieg um jeden Preis zu vermeiden, bedeutet noch lange nicht die Rettung des Lebens vom Tode.“ (Hitler 1928[1961]: 163) In gewisser Beziehung waren Strauß wie auch Hitler, wie ungleich auch immer die beiden Männer politisch auch waren, von Friedrich Ratzels Idee der Ästhetisierung des Lebens beeinflusst, das auf den Tod vorbereitet sein müsse. Zugleich erinnert das an Raskins These, die Geopolitik des Atomzeitalters habe eine „Tendenz zur Nekrophilie“ (Raskin 1982: 206). In der Logik der Biopolitik “erzeugen moderne Regierungsformen zugleich Frieden und Krieg“ (Reid 2008: 73). Ganz offensichtlich waren die Lager für die taktischen Atomraketen auf westdeutschem Boden für die Machtposition des Nordatlantikpaktes von großer Bedeutung. Zugleich waren sie aber auch nur ein kleiner Teil eines komplexen gesellschaftlichen Systems, das auf „einer differenzierten Organisation von Arbeit, Forschung und Zusammenarbeit beruhte, mit ausgefeilten Kommando- und Geheimhaltungsstrukturen, schnellem Zugriff auf Ressourcen und Fachwissen und intensiver Kontrolle und Disziplin“ (Thompson 1982a: 4). Indem es sich gleichzeitig militärischer und ziviler Kräfte bediente, umfasste dieses ato-

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mare Geflecht im Interesse der Einsatzbereitschaft dieser Waffen die Atomwaffenindustrie mit ihren Forschungszentren, Atomtestgeländen (allerdings nicht in Deutschland), Frühwarnsystemen und einem komplexen, unterstützenden Netzwerk an Logistik und Kommunikation. Darüber hinaus waren die Atomwaffen in ein viel umfassenderes militärisches System eingebettet, zu dem Militärbasen aller Art gehörten, das aber auch eine schleichende Umstrukturierung ganz Westdeutschlands zu einem militärischen Gelände herbeiführte. Dazu gehörten z.B. Hinweisschilder an Brücken, die eine Panzerbesatzung genau darüber informierte, ob diese Brücke das Gewicht ihres Fahrzeugs tragen könne (und auf welcher Straßenseite), aber auch Autobahnabschnitte, die ad hoc zu Militärflugplätzen umfunktioniert werden konnten. Jede Untersuchung zur Landschaft des Kalten Krieges muss sich jedoch auch im Detail mit dem thanatopolitischen Raum des taktischen Sondermunitionslagers befassen. Wie Thompson und Raskin betonten auch deutsche Friedensaktivisten, gerne auch überspitzt, immer wieder die Beziehungen zwischen der nationalsozialistischen Geopolitik und der des Kalten Krieges. Nicht nur waren einige der ersten Lager für Atomraketen auf dem Gelände früherer Wehrmachtsanlagen gebaut worden; auch die Offiziere, die in den 50er Jahren die Führung der jungen Bundeswehr übernahmen, hatten selbstverständlich unter Hitler gedient. Mitte der 60er Jahre aber standen eine Reihe progressiver denkender Offiziere dem Bonner Enthusiasmus für eine harte Linie in der Abschreckungspolitik zunehmend kritisch gegenüber und sahen in ihr eine „Vernichtungsstrategie“, die sich unmittelbar aus dem alten Denken der Wehrmacht ableiten ließe (Bald 2008: 76f.). Nachdem eine Reihe deutscher Atomwissenschaftler 1957 gegen die Versuche der Bundesrepublik protestiert hatten, sich an den atomaren Machtspielen zu beteiligen, lud Adenauer sie in seinen Amtssitz im Palais Schaumburg ein und ließ ihnen von zwei Bundeswehrgenerälen, Hans Speidel und Adolf Heusinger, das Konzept der deutschen atomaren Rüstungspolitik erklären (Cioc 1988: 79). Überraschenderweise schafften es diese beiden Männer, die doch im nationalsozialistischen Kampf um Lebensraum eine so aktive Rolle gespielt hatten, die Atomwissenschaftler zu beruhigen und sie davon zu überzeugen, dass die deutsche Abschreckungspolitik sinnvoll sei. Man habe alles unter Kontrolle.

Kapitel 5 – Räume der Vernichtung

E ndnoten 1  | Bereits kurz nach ihrer Einführung wurde Atomic Annie durch Raketen vom Typ Honest John ersetzt. Erstere hätte man tagsüber nicht bewegen können, da sie allein wegen ihrer Größe ein zu offensichtliches Ziel für feindliche Flugzeuge darstellte (Metz 1955: 63). 2  | Wie der Stabschef Oberstes Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa (SHAPE) erklärte, „[u]nser Operationsziel wird Mord sein, und die Atomexplosion ist unser Hauptmordinstrument“ – als Konsequenz würden nur die östlichen Gebiete der Bundesrepublik zerstört, während der Rest überleben könne (Der Spiegel 1955a). 3 | Zur Rolle des Waldes als Raum in der nationalsozialistischen Biopolitik vgl. Giaccaria und Minca (2011b). 4 | Auf einer eher psychologischen Ebene waren die Deutschen auch wegen der Kampfkraft ihrer Soldaten besorgt. So warnte 1959 das Bundesministerium für Verteidigung, die immer realistischer werdenden Atomkriegsmanöver der USA könnten bei den Soldaten Furcht und Resignation hervorrufen (Bundesministerium der Verteidigung 1959: 4). 5 | Ähnliche Analogien wurden in den 50er Jahren auch von deutschen Liberalen benutzt (Cioc 1988: 44). 6 | Die Soldaten stellten selbstverständlich auch eine Gefahr für sich selbst dar. Unfälle mit Atomwaffen waren im Kalten Krieg ein immer wieder auftretendes Phänomen und die Möglichkeit, dass sich eine Gruppe von Soldaten entschloss, den roten Knopf zu drücken, konnte auch durch die Zwei-Mann-Regel nicht völlig ausgeschlossen werden. Wie das Bulletin of the Atomic Scientists 1980 berichtete, hatten ehemalige US-Soldaten, die in Deutschland in Atomraketenlagern eingesetzt gewesen waren, Drogenmissbrauch bei der Arbeit mit Atomsprengköpfen zugegeben (Dumas 1980: 16).

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Kapitel 6 – Kriegsspiel Der Einsatz des Spieles ist das Leben. K arl H aushofer 1934

A tomare S piele Oktober 1966. Supermärkte und Tankstellen sind leer gekauft. Gastarbeiter flüchten mit ihren Autos über die Autobahnen aus Westdeutschland. Überall in der jungen Republik brechen bewaffnete Aufstände aus. Kommunistische Agitatoren beherrschen das Straßenbild, aus Mitgliedern der Friedensbewegung werden Aufständische, aus Sexarbeiterinnen Spione und aus ausländischen Gemüsehändlern Bioterroristen. In Marienthal, nicht weit von der Hauptstadt Bonn, fahren schwarze Limousinen und Bundeswehrbusse vor einem stillgelegten Eisenbahntunnel vor. Sie chauffieren die politische Elite der Republik zu einem sicheren Zufluchtsort. Hundert Meter tief in der Erde vergraben und hinter 25 Tonnen schweren Drucktoren liegt der westdeutsche Regierungsbunker, eine Rettungskapsel für das Wasserstoff bombenzeitalter. Die wenigen Auserkorenen müssen sich mit Etagenbetten und Kantinenessen abfinden, mit stickiger Luft und Neonbeleuchtung. Über strategische Karten gebeugt ertrinken sie in einer Flut von Informationen über politische Entwicklungen und Feindtruppenbewegungen. Der Krieg beginnt, als Truppen des Warschauer Paktes die innerdeutsche Grenze passieren. Und er endet erst, nachdem der Nordatlantikpakt seine Erstschlagsstrategie umgesetzt und einen breiten Gürtel verstrahlter Trümmerlandschaft auf westdeutschem Territorium geschaffen hat. Zum Glück war Fallex 66 (NATO-Bezeichnung: fall exercise) ‚nur‘ ein Spiel, eine Kreuzung aus Zivilverteidigungsübung und militärischem Manöver, mit dem Ziel zu prüfen, ob die NATO-Mitgliedsstaaten in den ersten Stadien eines dritten Weltkrieges erfolgreich interagieren könnten.

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Diese Stabsrahmenübung hinterließ allerdings einen bitteren Nachgeschmack. Nicht nur, weil die Führung der Bundesrepublik in diesem Spiel die NATO bereits frühzeitig aufgefordert hatte, Atomwaffen einzusetzen, sondern weil sie auch noch deren Einsatz auf westdeutschem Gebiet verlangt hatte. Bizarrerweise spielte die Bundesrepublik in Fallex 66 also ihren eigenen geopolitischen Suizid durch. Dieses Kapitel versucht diese subterrane Selbstaufgabe zu verstehen, wie die Bundesrepublik sie bis zum Jahre 1989 im kontrollierten Umfeld des Atombunkers geradezu rituell immer wieder durchspielte. In der Auseinandersetzung mit Fallex 66, einem, wie wir sehen werden, absolut unspielerischen Spiel, geht dieses Kapitel wie folgt vor: Nach einer Diskussion von Spielanleitung und Spielmodus, wird die Reaktion auf dieses Kriegsspiel in der DDR untersucht. So sah Ostberlin in diesem Kriegsspiel eine verbotene, schlechthin obszöne, Freude an der Selbstvernichtung. Statt diese Lesart einfach als ideologisch bedingt zu ignorieren, wird sie, gewiss etwas kontraintuitiv für den ein oder anderen Leser, als Einladung zu einer psychoanalytischen Interpretation des Kriegsspiels aufgegriffen. Im Dialog mit Debatten zur ludischen Geopolitik wird diese psychoanalytische Interpretation darlegen, dass das fundamentale Trauma, das zur Entstehung der Bundesrepublik führte, die deutsche Niederlage im Zweiten Weltkrieg und die Zerstörung deutscher Städte durch die alliierten Bombenkampagnen, in diesem Atomkriegsspiel immer wieder und geradezu zwanghaft wiederholt wurde. So wird das Atomspiel der Bundesrepublik hier als „Fort-Da-Spiel“ verstanden, ein Begriff, den Siegmund Freud (1920[1947]) benutzte, um die zwanghafte Gewohnheit seines Enkelsohnes zu klassifizieren, Spielzeug verschwinden zu lassen, nur um es kurz darauf wieder hervorzuziehen. Wie im Falle des Kleinkindes, welches das eigene Verschwinden und Wiedererscheinen auch vor einem Spiegel durchspielte, um sich für den Verlust zu kompensieren, simulierte und re-inszenierte die Bundesrepublik die eigene Vernichtung auf dem Papier immer wieder. Durch die zwanghafte Wiederholung dieser traumatischen Erfahrung versuchte die Bundesrepublik, den Urbizid und die nachfolgende Einschränkung der bundesdeutschen Souveränität zu meistern, indem sie diesmal selbst die Rolle des Fortstoßenden einnahm, und so, zumindest im Spiel, über das Fortgestoßene verfügte. Durch die Idee des „Todestriebes“ wird die Diskussion von Fallex 66 mit der Frage der biopolitischen Selbstzerstörung verbunden, die bereits in früheren Kapiteln angerissen wurde.

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F alle x 66 Fallex 66 war eine achtzehntägige, die gesamte NATO umfassende Übung im Oktober 1966, an der NATO-Mitgliedsstaaten, der Nordatlantikrat und zentrale NATO-Befehlshaber beteiligt waren. Fallex war die erste und gleichzeitig für die Öffentlichkeit sichtbarste der zwölf NATO-Übungen der Fallex/Wintex-Cimex Serie,1 von denen die letzte 1989 stattfand.2 In diesen Manövern wurde der Übergang der NATO in den Kriegszustand durchgespielt, die Warnsysteme der Allianz getestet und Entscheidungsabläufe in Echtzeit geübt. In dem Sinne stellte Fallex 66 für die Bundesregierung eine Möglichkeit dar, zu prüfen, inwiefern die Handlungen der NATO-Streitkräfte unter dem Druck schneller Entscheidungsfindung von westdeutscher Seite zu beeinflussen waren, wie der DDR-Geheimdienst schlussfolgerte (Ministerium für Staatssicherheit 1966a). Der Chef des Verteidigungsstabes der militärischen Befehlshaber des Verteidigungsministeriums des Vereinigten Königreichs urteilte, Fallex 66 habe „wertvolle Erkenntnisse insbesondere auf dem Gebiet des Atomspiels [nuclear play]“ geboten (UK Ministry of Defence 1967: A-7). Anstatt tatsächlicher Truppenbewegungen übte Fallex das Zusammenspiel der politischen und militärischen Führungen beim Einsatz von Atomwaffen. Bei der in den Mitgliedsstaaten der Allianz in Abstimmung mit den NATO-Hauptquartieren durchgeführten Übung handelte es sich also um eine Kombination aus Militärmanöver und Zivilverteidigungsübung. Das geopolitische Hintergrundszenario begann mit einer Spannungsphase zwischen den beiden Supermächten, die primär für nachrichtendienstliche Prüfungen und Tests des NATO-Alarmsystems genutzt wurde; danach folgte eine Phase der Aggression als Vorstufe zum Krieg und zuletzt die Eskalation in den Krieg selbst. Während das grundlegende Narrativ dieser Übung von der NATO entworfen worden war, konnten die Mitgliedsstaaten eigene politische Ereignisse einbringen, um den Handlungsablauf für die Teilnehmer lebensechter und anspruchsvoller zu gestalten. Die Bundesregierung entschied, Fallex 66 unter möglichst realistischen Bedingungen zu spielen – in ihrem Atombunker im Ahrtal. Diese unterirdische Zitadelle war im Vorfeld von Fallex 66 akribisch vorbereitet worden, um 1200 ausgesuchte Regierungsbeamte und Militärs aufzunehmen. Diese Gruppe umfasste nicht nur Angehörige der Bundesregierung, der drei Teilstreitkräfte der Bundeswehr, der Schlüsselministerien und der Vertreter der Bundesländer, sondern auch

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den Bundespräsidenten und den Bundeskanzler, die allerdings von hohen Beamten gespielt wurden. Fallex 66 bestand aus drei aufeinander auf bauenden Teilen, ‚Top Gear‘, ‚Jolly Roger‘ und ‚Full Moon‘, wobei die Öffentlichkeit nur über den ersten Teil informiert war. In diesem ersten Teil mussten die Politiker nicht nur auf eine Reihe von innenpolitischen Krisen reagieren, sondern auch entscheiden, ob man Washington zum Einsatz von Nuklearwaffen auffordern solle. In ihrem nuklearen Refugium schaffte es Bundesverteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel, das Notparlament zu überzeugen, dass der Einsatz „defensiver“ Nuklearwaffen, wie der MIM-14 Nike-Hercules, zur Deeskalation beitragen würde, wenn sie denn auf eigenem Gebiet eingesetzt werde (Dorn 2002: 107). Während die den damaligen Teilnehmern ausgehändigten Leitlinien zur psychologischen Kriegsführung deutlich machten, dass man nicht öffentlich den Einsatz derartiger Waffen zugeben werde (III. Korps Chef des Stabes 1966), erkannten westdeutsche Politiker die destruktive Logik dieser Waffen an. In einer für die dunkelste Stunde der Nation vorbereiteten Rede rechtfertigte der Bundespräsident seinen Bürgern gegenüber das Vorgehen mit den Worten, zur Verteidigung der Bundesrepublik seien Waffen vorgesehen, über deren Einsatz die Bundesrepublik nicht allein bestimmen könne (III. Korps Fernschreibestelle 1966). Der erste Teil der Übung endete abrupt mit einem Rückzug sowjetischer Truppen angesichts der atomaren Aggression der NATO. Nachdem die Politiker den Bunker verlassen hatten, blieben die Militärs noch für Teil zwei der Übung, in dem ein unbegrenzter Atomkrieg durchgespielt wurde und bei dem die NATO Atombomben sowohl auf dem Gebiet des Ostblocks als auch auf westdeutschem Gebiet abwarf, in das die Armeen des Warschauer Pakts eingedrungen waren. Die Bundeswehr war bereits zu Beginn des Spiels wesentlich daran beteiligt gewesen, selbstzerstörerische Tendenzen der BRD zu verstärken. So forderte sie zum Beispiel, Flüchtlinge von Hauptverbindungslinien unter Einsatz von Gewalt zu vertreiben (III. Korps Leitung 1966). Und nur wenige Stunden nach Beginn der Invasion rief sie dazu auf, Kernwaffen freizugeben und beklagte sich über die unerklärliche Scheu der NATO, die Atomminen auch tatsächlich einzusetzen (ebd.). Als die Schlacht dann begonnen hatte, forderte die Bundeswehr den Einsatz von Napalm gegen die Truppen des Warschauer Paktes – wiederum auf deutschem Boden –, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die deutschen Städte nur teilweise evakuiert worden

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waren und rund 300.000 Flüchtlinge noch durch die Hauptkampfzone irrten. Der zweite Teil der Übung endete erst, als die NATO einen 50km breiten, undurchdringlichen Cordon radioaktiver Zerstörung von Göttingen im Norden bis nach Eslarn an der tschechischen Grenze geschaffen hatte (Ministerium für Staatssicherheit 1966a). In der Abschlussphase der Übung simulierte das Militär die Umgruppierung und Neuversorgung der verbleibenden NATO-Kampftruppen – 29 Tage nach dem ersten Atomschlag. Für den Verlauf der gesamten Übung wurde von 340 Atomschlägen allein im nördlichen Bereich der Bundesrepublik ausgegangen (Northern Army Group 1966: C/2/4). In offiziellen Quellen wurde Fallex 66 abwechselnd als „Übung“, „Nukleares Spiel“ oder einfach als „Spiel“ bezeichnet (Ministerium für Staatssicherheit 1966b; Northern Army Group 1966: 2-5; UK Ministry of Defence 1967: A-7); der Chef des Notparlaments nannte es sogar ein „Scheißspiel“ (Der Spiegel 1966a: 30). Ludische Elemente gab es in Fallex 66 allerdings kaum, wie etwa begrenzte Dauer, räumliche Settings, Regeln, Ziele und Entscheidungen in Echtzeit. Der Spielverlauf war so linear gehalten, dass er keinerlei spielerische Komplexität oder transformatives Potential zuließ. Wenn z.B. die Spieler sich gegen eine bestimmte Maßnahme entschieden, wie etwa bei der Weigerung, Autobahnen gewaltsam von flüchtenden Zivilisten räumen zu lassen, wurden sie hinterher einfach so lange mit Berichten über die sich zuspitzende Lage bombardiert, bis sie nachgaben. Vor allen Dingen bot das Spiel keine Möglichkeit, mit der Sowjetunion (Codename „Orange“) in Verhandlungen einzutreten. Allen Teilnehmern war daher von Anfang an klar, dass das einzige Ziel des Spiels der reibungslose Übergang zum Einsatz von Atomwaffen war und nicht die Prävention des Krieges.

E in K riegsspiel und seine R ezep tion Die deutsche Öffentlichkeit wusste über Fallex 66 bereits im Jahre 1966 Bescheid, als Details der Übung der Presse zugespielt wurden (Der Spiegel 1966a; 1966b; Die Zeit 1966a; 1966b).3 Interessanterweise haben diese frühen Berichte, aber auch Darstellungen in späteren Untersuchungen, sich weniger auf die selbstzerstörerische Logik des Kriegsspiels als auf die Tatsache konzentriert, dass hier die umstrittenen Notstandsgesetze schon in die Praxis umgesetzt wurden, bevor der Bundestag über sie abgestimmt

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hatte (Diester 2009: 179; Diester & Karle 2013: 160; 226; vgl. auch Mastny & Byrne 2006: 242).4 Gefördert von der NATO selbst und schließlich 1968 vom Bundestag beschlossen (Northern Army Group 1966: A/11), konnten diese Gesetze der Exekutive im Notfall legislative Funktionen in einem zugleich legalen wie extralegalen Ausnahmezustand übertragen. Während dieses Vorgehen zwar zu Unruhen unter den westdeutschen Studierenden führte, entstand keine tiefergehende Debatte darüber, warum die westdeutsche Regierung in ihrem Bunker spielerisch ihr Territorium und ihre Bevölkerung aufgab. Weniger überraschend ist, dass die umfassende Stationierung von Kernwaffen auf westdeutschem Boden auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs nicht unbemerkt blieb. Mitte der 60er Jahre gab es eine ganze Palette von Kernwaffenträgersystemen auf dem Gebiet der Bundesrepublik, was den DDR-Geheimdienst veranlasste zu spekulieren, Westdeutschland sei jetzt innerhalb der NATO, nach den Vereinigten Staaten, das für einen Atomkrieg am modernsten und besten ausgerüstete Gebiet (Ministerium für Nationale Verteidigung 1964: 16). Verständlicherweise hatte die DDR schon frühzeitig umfangreiches Geheimdienstmaterial über Fallex 66 produziert, das der DDR-Führung vorgelegt wurde, darunter Walter Ulbricht und Erich Honecker (Ministerium für Staatssicherheit 1966a). In diesen Berichten oder auch in entsprechenden Zeitungsartikeln wurde die Übung vorhersehbarerweise durch die Brille der marxistisch-leninistischen Lehre und insbesondere als Beweis für die aggressiven Weltherrschaftspläne der westlichen Imperialisten und Monopolkapitalisten gesehen (Ministerium für Staatssicherheit 1966b; 1966c: 17). Zentral war hier die Vorstellung der westdeutschen Bereitschaft zur Selbstzerstörung. Interessanterweise wurde in diesen Berichten der westdeutsche atomare Suizid in eine sexuelle Sprache gehüllt, die sich sonst im Diskurs des Kalten Kriegs vielleicht eher selten findet.5 So beschuldigte die Stasi die westdeutschen politischen Eliten und insbesondere die SPD, Fallex 66 zu nutzen, ihre „Diktaturgelüste“ zu kanalisieren (Ministerium für Staatssicherheit 1966d). Und das offizielle Parteiorgan der SED, Neues Deutschland (1966b), berichtete, die Führung beteilige sich „lustvoll“ an den amerikanischen Atomkriegsspielen und der Befreiung des Ostens. „Unter leidenschaftlicher Teilnahme entarteter SPD-Führer“ brächten sich die „Vorstandsmitglieder[…] der Sozialdemokratischen Partei

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Deutschland mit Wollust“ in das atomare Planspiel zur „Befreiung der Ostzone“ ein, und die westdeutschen Generäle durften endlich „ihren Traum verwirklichen und den Knopf zur Auslösung eines Atomkrieges betätigen“ (ebd.). Das Element der Lust wurde bei Geschichten über exzessiven Alkoholmissbrauch und sexuelle Belästigung im Bunker besonders deutlich. Diese Geschichten hatten ihren Ursprung in Berichten der westdeutschen Presse über Alkoholkonsum, Gelage und nächtliche Partys während der Fallex 66-Übung (Der Spiegel 1966a: 30; 1966b: 27), wurden dann aber in Ostberlin überhöht. Wenige Monate nach dem Kriegsspiel wurde dem Bunker in einem Geheimdienstbericht ein unterirdisches Kasino angedichtet, das, so wurde behauptet, für die Unterhaltung der Bewohner des Bunkers gedacht war, die ansonsten unter Tage auf die Freuden des Kapitalismus hätten verzichten müssen (Ministerium für Staatssicherheit 1967: 50). In einem möglicherweise für Westdeutschland bestimmten Propagandaflugblatt wurde behauptet, nach der Fallex-Übung seien die Korridore des Bunkers und die Toilettenanlagen wegen der Folgen des exzessiven Trinkens massiv verunreinigt gewesen und Frauen seien sexuell belästigt worden (Ohne Autorenangabe 1966). Im Endeffekt wurde der Bunker hier zu einem Raum des unterirdischen Luxus gemacht, in dem sowohl exzessive und nicht einvernehmliche Sexualität als auch verbotene politische Genüsse möglich waren.6 Höhepunkt dieser Geschichten war ein phantasievoller Zeitungsartikel aus dem Jahre 1967, der sich über wilde Orgien während Fallex 66 ausließ. „Der Sekt und sonstiger Alkohol flossen in Strömen“ schrieb die Tribüne; es sei gar zu „unsittlichen Ausschreitungen und moralischen Vergehen“ gekommen (Tribüne 1967). Eine Karikatur (Abb. 6.1) veranschaulichte diese drastischen Szenen sowie die ostdeutsche Faszination mit Fallex 66. Sie zeigt einen grimmig dreinblickenden westdeutschen Politiker,7 der sich auf eine Kombination aus Spieltisch (man beachte die schwarze Fliege und das Sektglas) und Kartentisch mit einer strategischen Karte mit geographischem Koordinatensystem und Pfeilen lehnt. Dabei steckt er stilisierte Atompilze in die Karte, während im Hintergrund eine Orgie in vollem Gange ist. Offenbar völlig unbeeindruckt von den unzähligen Toten genießen die Männer ihren Alkohol, auf einem Teller liegt ein Schweinskopf (ein Symbol kapitalistischer Gier?), während gleichzeitig ein Telefongespräch geführt wird (Telefone waren in der damaligen DDR ein Zeichen von Einfluss); dazu

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Abb. 6.1 Karikatur der DDR Presse (Tribüne 1967). kommt noch die Anwesenheit einer kaum bekleideten Dame in unterwürfiger Pose. Auch ein Ritterkreuzträger in Uniform ist anwesend. Auf eine ähnliche Weise wurde die Übung in offiziellen Dokumenten und in Zeitungen oft mit der Schlacht um Berlin und der Regierungsbunker mit Hitlers Wolfsschanze verglichen (Ministerium für Staatssicherheit 1966c: 30; Berliner Zeitung 1966; Neues Deutschland 1966a). Ostberlin war offensichtlich über die Bereitschaft Westdeutschlands schockiert, diese Selbstschädigung zu simulieren, und verglich diesen „Terror gegen die eigene Bevölkerung“ mit den Tendenzen des Dritten Reichs zur Selbstvernichtung in den letzten Kriegstagen (Ministerium für Staatssicherheit 1966d). Es wird aber auch deutlich, dass Ostberlin in Fallex 66 eine Lust an Geopolitik und Biopolitik entdeckte.8 Die ostdeutsche Interpretation verwies daher unübersehbar auf etwas Traumatisches im Kern von Fallex 66, der über das Kriegsspiel selbst hinausging.9 Vielleicht konnten die Mitarbeiter der Staatssicherheit unabhängig davon, wie ideologisch verblendet sie gewesen sein mögen, etwas erkennen, das die Westdeutschen damals einfach nicht sehen konnten oder wollten. Es ist genau diese Interpretation von Fallex 66 als eines zugleich genussvollen als auch nicht genussvollen Spiels der Selbstvernichtung, das

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zu einer psychoanalytischen Interpretation einlädt, mit der das grundlegende Problem westdeutscher Geo-und Biopolitik zu lösen ist. Diese Form von schmerzvoller Lust, gleichzeitig „verführerisch und bedrohlich“, liegt im Kern dessen, was in der Psychoanalyse im Sinne Lacans als Genießen ( jouissance) zu verstehen ist (Kingsbury 2008: 50). In diesem Sinne umfasst das Konzept des Genießens das Lustvolle (sexuell oder anderweitig) und auch das, was jenseits des Lustprinzips liegt, was das Subjekt aber trotzdem zu erreichen sucht. Genießen umfasst in dem Sinne etwas Exzessives, Grenzüberschreitendes und Traumatisches, das die Kraft besitzt, Dinge in ihr Gegenteil zu verwandeln, die Fähigkeit, „das unerklärlich attraktiv erscheinen zu lassen, was üblicherweise als hassenswert angesehen wird“ (Žižek 1991: 13).10

U nterirdische S piel e Während das Leitmotiv des Spielens schon seit Langem den Diskurs und die Praxis von Diplomatie und Kriegsführung durchzieht (Salter 2011a), fand die durch Spiele vermittelte Interpretation politischer Zusammenhänge erst vor relativ kurzer Zeit das Interesse von Humangeographen (Adey & Anderson 2012; Ciută 2015; Dittmer 2013; MacDonald 2008; Power 2007; Shaw 2010; Shaw & Sharp 2013; Woodyer 2012; Yarwood 2015). Bei dieser Hinwendung zur ludischen Geopolitik wird Spiel zunehmend als konstitutives Element der Geopolitik im Sinne einer machtpolitischen Umgestaltung der Erde anerkannt. Vom Kinderzimmer bis hin zum war room haben jüngste Studien die ludische Geopolitik mit Hilfe von geopolitisch orientierten Zivilverteidigungssimulationen und Risikomanagement sowie Strategiespielen, Computerspielen, und Kriegsspielzeug untersucht. In dieser Literatur wird erforscht, wie Spiele eine komplexe Realität fiktionalisieren und verständlich machen, aber auch, wie in ihnen repräsentative, materielle und affektive Dynamiken zu einer geopolitischen Ordnung verschmelzen. Wichtigster Aspekt dieser Studien ist es, die experimentellen und potentiell disruptiven Kräfte herauszuarbeiten, die bei geopolitischen Spielen freigesetzt werden. Die Spieltheorie (game theory) stellt den ersten, heute manchmal in Vergessenheit geratenen Zugang zur Geopolitik über das Spiel dar. Während Kriegsspiele in der Begeisterung für das Medium des Spiels schon immer Militärstrategie und Mathematik genutzt hatten (von Hilgers

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2012: x), verdichtete das strategische Denken des Kalten Krieges derartige Kriegsspiele kunstvoll in der Form einer mathematischen Matrix. Geübt in einer Kombination von politischem Realismus, geographischem Determinismus und Spieltheorie (Dalby 1990b: 175), sahen diese Strategen des Kalten Krieges die Auseinandersetzungen mit der UdSSR im Sinne von „Spielen“ wie dem „Gefangenendilemma“ oder dem game of chicken, in denen zwei Gegner auf eine Katastrophe zusteuern, aber keiner von beiden bereit ist, als erster den Rückzug anzutreten. Der Logik dieser Spiele folgend, täuschen beide Spieler ein irrationales Verhalten vor, welches den Gegner zur Aufgabe veranlassen soll, ohne dabei unbedingt den tatsächlichen Kriegsplänen zu entsprechen.11 Seit den frühen 2000er Jahren und den Anfängen des sogenannten Krieges gegen den Terror haben sich wissenschaftliche Diskussionen wieder zunehmend mit Spielen befasst, um die Nutzung militärischer Technologie selbst in die letzten Verästelungen sozialer Beziehungen zu verfolgen (Lenoir 2000; Der Derian 2001). So werden Computerspiele untersucht, die den Spielern orientalistische Vorstellungen vermitteln (Graham 2006) und dabei neue Beziehungen zwischen Unterhaltung, Propaganda und Militär herstellen (Stahl 2010).12 Parallel dazu haben sich Geographen mit Strategien theaterartiger Aufführungen und Kreativität im Spiel auseinandergesetzt. Geopolitik, so wird hier impliziert, wird geprobt, auf die Bühne gebracht und aufgeführt, allerdings oft mit unvorhergesehenen Auswirkungen. Dieser Lesart zufolge wird der Militarismus des Kalten Kriegs zwar in Alltagssituationen durchgespielt, wobei solche Kriegsspiele und Zivilschutzübungen „unmittelbar auf Traditionen und Techniken der Bühne“ zurückgreifen (Davis 2007: 2; MacDonald 2008: 612). Auch zeitgenössische Simulationen werden so als „Aufführungen“ verstanden (Adey & Anderson 2012: 114), die aus einem affektiven Zusammenspiel von Spielendem und Publikum entstehen (Dittmer 2013: 7). Dabei wird von Humangeographen zunehmend auf die zwiespältige und experimentelle Natur derartiger spielerischer Inszenierungen verwiesen. Auch wenn sie vor einem zu emanzipatorischen Verständnis von Spiel warnt, weist Hughes (2010: 126) darauf hin, dass Ausgang und Verlauf eines Spiels nicht determiniert seien. Ganz ähnlich betont Power, Spiele würden oft „auf eine Art und Weise genutzt, die von ihren Entwicklern oder militärischen Sponsoren überhaupt nicht intendiert oder vorhergesehen“ seien und dass „Daten, Regeln und andere Vorgaben angepasst werden können, um unterschiedliche Abläufe durchzuspielen.“

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(Power 2007: 282) Adey und Anderson haben besonders darauf hingewiesen, man müsse die „kreativen und überraschenden bzw. unvorhersehbaren, aber zum Spiel gehörenden“ Elemente des „Übungsspiels“ ernst nehmen (Adey & Anderson 2012: 103; vgl. auch Shaw 2010: 793). Manche Autoren haben das Spiel zudem als einen Bereich „grundlegender Kreativität“ mit „politischem Potential“ beschrieben (Shaw & Sharp 2013: 342, 344). Dieses Verständnis von Spiel lenkt die Aufmerksamkeit auf die Unruhe stiftenden Elemente des Spiels, also das ihm innewohnende Potential zur Obstruktion simpler Machtausübung, sowie seiner Fähigkeit, Autorität in Frage zu stellen und politische Veränderungen zu bewirken. Die folgenden Passagen schlagen eine psychoanalytisch geprägte Alternative zur ludischen Geopolitik vor, in der die traumatischen, selbstzerstörerischen, und letztlich nicht spielbaren Dimensionen des Atomkriegsspiels betont werden. Während Fallex 66 eine ganze Reihe typisch spielerischer Elemente aufwies, so wie Ziele, Spieler, Regeln, und Entscheidungsfindung, fehlten der NATO-Übung allerdings sowohl disruptive als auch transformative Elemente. So brachte Fallex 66 weder die kreativen Fähigkeiten der Spieler zum Tragen, noch wurden gesellschaftliche Grundregeln in einem karnevalesken Ausnahmezustand außer Kraft gesetzt. Wenn der politische Kontext einbezogen wird, so wird deutlich, dass die westdeutsche Teilnahme an Fallex 66 mehr war als eine einfache Inszenierung des Kalten Krieges oder der nuklearen Abschreckung. Vielmehr wurde hier geradezu zwanghaft im Bunker die deutsche Erfahrung des Urbizids und des Souveränitätsverlustes erneut durchgespielt. Während den Spielern sehr wohl bewusst gewesen sein mag, dass Fallex 66 nur ein Spiel war, so spielten Politiker und Militärs auf einer psychologisch tieferen Ebene etwas durch, was vielleicht doch etwas zu real war, um es sich wirklich vergegenwärtigen zu wollen. Während psychoanalytische Ansätze der Humangeographie keinesfalls fremd sind (Pile 1996; Social & Cultural Geography 2003), so wurde bislang selten versucht, auch die politische Geographie und Geopolitik unter den Aspekten von Begehren, Mangel, Fantasie oder Libido zu begreifen (Müller 2013; Nast 2003). Wie auch in anderen Fachbereichen üblich, versucht auch die psychoanalytisch inspirierte Geographie, unbewusste Verhaltensweisen durch die Interpretation von Narrativen, Fantasien und Symptomen der ‘Patienten’, seien sie Individuen oder soziale Gruppen, ans Licht zu bringen sowie soziomaterielle Zusammenhänge

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zu erfassen, in denen sich diese Narrative entfalten. Für die Analyse irrationalen Verhaltens ist die psychoanalytische Theorie besonders geeignet und hat schon seit Langem die konzeptuellen Möglichkeiten entwickelt, um die Dynamik von Ablehnung und Wünschen zu analysieren, die sich mit Phänomenen wie Atomwaffen oder den euphemistischen und selbsttäuschenden Diskursen der nuklearen Abschreckungsstrategien verbinden. Deshalb folge ich Kingsbury in seiner These, dass die Psychoanalyse den Geographen „methodologische Fragestellungen zur Untersuchung von Begehren und Trieb in sozioräumlichen Beziehungen“ anbiete (Kingsbury 2010: 530). 1995 schrieb die Psychoanalytikerin Hanna Segal in einem Artikel über den Atomkrieg, wann immer ein Psychoanalytiker versucht habe, seine Einsichten auf Bereiche außerhalb der Klinik zu übertragen, habe es normalerweise den Aufschrei gegeben, dies gehöre nicht in den Forschungsbereich der Psychoanalyse (Segal 1995: 191). Aber sie bestand darauf, dass Freud immer an Fragen der Beziehung zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft interessiert gewesen sei und dass gerade die Psychoanalyse besonders geeignet sei, sich dem Phänomen des Atomkrieges anzunähern. Schließlich zeigten Strategie und Planung eines Atomkrieges das gleiche selbstmörderische und irrationale Verhalten, das Psychoanalytiker so lange zu analysieren versucht hätten (vgl. auch Jacobsen 2013: 17). Besonderen Wert legte sie auf die Feststellung, die Bombe habe „psychotische Vernichtungsängste und primitivste Abwehrreaktionen“ ausgelöst (Segal 1995: 197f.); die Strategien des Atomkrieges seien „wie ein surrealistisches Szenario, ein unerträglicher Albtraum oder eine Psychose“ (Segal 1997: 117). Angesichts der Tatsache, dass es in den Gesellschaftswissenschaften heutzutage gang und gäbe ist, kollektive Fantasien und Albträume aus Filmen und Romanen zu interpretieren, gibt es kaum einen Grund, weshalb die geo- und biopolitische Fantasie eines Atomkriegs auf eigenem Territorium diesem Schicksal entgehen sollte. Es ließe sich noch anfügen, dass Freud selbst sich unmittelbar mit der Frage der Selbstvernichtung befasst hat, und zwar nicht nur der eines Einzelnen, sondern ganzer Gesellschaften, sogar einer Spezies. In Das Unbehagen in der Kultur warnt er, die Menschen hätten „es jetzt in der Beherrschung der Naturkräfte so weit gebracht, dass sie es mit deren Hilfe leicht haben, einander bis auf den letzten Mann auszurotten“ (Freud 1930[2009]: 108). Diese Erklärung wird oft als Vorwegnahme des Holo-

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caust verstanden, aber sie antizipiert unwissentlich auch die technischen Möglichkeiten atomarer Vernichtung. Freud in seinem Konzept vom Todestrieb zu folgen ist weder eine Ontologisierung der Aggression noch die Absicht, Aggression und Zivilisation als Gegensätze zu verstehen, wie er es in Das Unbehagen in der Kultur getan hat, sondern die Erkenntnis, dass menschliche Subjekte paradoxerweise dazu tendieren, unerträgliche Erfahrungen aus der Vergangenheit in der Gegenwart zu wiederholen und dass diese selbstzerstörerischen Rituale oft ihre Wurzeln in traumatischen Erfahrungen physischer oder symbolischer Gewalt haben. Während Freud die längste Zeit seines Schaffens überzeugt war, dass die Psyche des Menschen vom Lustprinzip bestimmt war, begann er in späteren Phasen seines Arbeitslebens an dieser Überzeugung zu zweifeln, als er sich mit Formen der Destruktivität befasste, die der Verfolgung des Lustprinzips und der Vermeidung von Schmerz im Wege standen. Was Freud besonders verunsicherte, war das für das Individuum unangenehme, repetitive Verhalten, das er als „die rätselhaften masochistischen Tendenzen des Ichs“ bezeichnete und nicht nur im Verhalten von Kindern beobachtete, sondern auch bei Soldaten, die von den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges zurückgekehrt waren (Freud 1920[1947]: 10). Er kam zu dem Schluss, diese neurotischen Erscheinungen könnten am besten als Wiederkehr des Verdrängten verstanden werden, die, von früheren Traumata verursacht, in die Gegenwart hineinwirkten und dort einen Wiederholungszwang hervorriefen. Freud nutzte diese Beobachtungen, um seine Theorie des Todestriebs vorzuschlagen, wobei er voraussetzte, dass neben anderen Trieben, etwa dem Sexualtrieb, der Mensch einen Destruktionstrieb besitze, für den das Leben nicht mehr als eine kurze Unbequemlichkeit bedeute. Freud verstand letzteren als einer anderen und komplexeren Ökonomie des Begehrens unterworfen als der Sexualtrieb. Anders als Instinkte (wie Hunger oder Durst), die einfach auf Befriedigung ausgerichtet sind, umkreisen Freuds Triebe ihre Objekte und führen so zu „exzessiven, repetitiven und potentiell destruktiven“ Verhaltensweisen (Kingsbury 2010: 520). Das Paradoxon eines das Subjekt selbst belastenden Verhaltens wird aufgelöst durch ein Verständnis dafür, dass Handlungen, die für das bewusste Subjekt negativ sind, als Gewinn für die im Unbewussten stattfindende Triebbefriedigung aufgefasst werden. Kurz: Das ‚Ich‘ schafft sich selbst immer wieder unangenehme und belastende Situationen, weil der Trieb so sein Objekt umkreisen kann.

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Freud illustrierte sein Konzept vom Todestrieb bekanntermaßen in seinem Aufsatz Jenseits des Lustprinzips (1920) durch das Fort-Da-Spiel, eines zwanghaften Spiels, das er bei seinem Enkel Ernst beobachtet hatte. Der anderthalbjährige Junge, der eine Weile zusammen mit Freud im selben Haus gelebt hatte, zeigte die irritierende Angewohnheit, Spielzeug fortzuschleudern, nur um es anschließend wieder hervorzuziehen. Dieses Spiel wiederholte das Kind immer wieder mit Hilfe einer ganzen Reihe verschiedener Objekte, u.a. mit einer Holzspule an einem Faden, die ihm ermöglichte, die Inszenierung mühelos zu ritualisieren. Wenn er das jeweilige Objekt versteckte, rief er immer „oh“ (was Freud als „fort“ interpretierte) und ein freudiges „da“, wenn er es wieder hervorzog. Freud erklärte dieses kleine Spiel des Verschwindens und Wiedererscheinens, indem er es in den Kontext der Beziehung des Kindes zu seinen Eltern stellte, die den Jungen als besonders brav darstellten. „[V]or allem anderen“, so Freud; „weinte [es] nie, wenn die Mutter es für Stunden verließ“ (Freud 1920[1947]: 10). Freud vertrat die Ansicht, dass die Abwesenheit der Mutter, Freuds Tochter Sophie, dem Kind nicht gleichgültig gewesen sein könne und dass das immer gleiche Spiel daher Ausdruck der Wiederkehr des Verdrängten sei (er durfte nicht weinen). „Es entschädigte sich gleichsam dafür, indem es dasselbe Verschwinden […] mit dem ihm erreichbaren Gegenständen in Szene setzte“, spekulierte Freud. Aber während er das Bedürfnis des Kindes sah, „die Befriedigung eines im Leben unterdrückten Racheimpulses gegen die Mutter“ durchzuspielen, „weil sie vom Kinde fortgegangen ist“ (ebd.: 14), würde eine andere Interpretation hervorheben, dass das Kind sich selbst verlassen hatte. Immerhin hatte Ernst ja eine noch aufschlussreichere Version gespielt, in der er sich vor dem Spiegel selbst verschwinden ließ. Unter diesem Aspekt nutzte Freuds Enkel den Spiegel, um die Rolle seiner Mutter einzunehmen. Er kompensierte seine Leistung, nicht zu weinen, indem er sein eigenes Verschwinden und Wiederauftauchen für diejenigen inszenierte, die ihn allein gelassen hatten. In diesem Sinne stellt das Fort-Da-Spiel einen Versuch dar, eine Verlustsituation zu meistern, über die er selbst keine Kontrolle hatte, hier das Verschwinden der Mutter, anstatt darüber zu klagen (Kingsbury & Pile 2014: 4). Das Spiel zeigt so den Schritt von der Passivität zur Aktivität und zugleich die Konstituierung des Verlangens durch Mimesis; das Kind möchte seine passive Rolle durch die Übernahme der aktiven Rolle der Mutter überwinden. All dies geschieht in spielerischer Form. „Als ein anderer zu erscheinen“ ist

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immer ein spielerischer Akt der Identifikation „im Sinn des Übernehmens einer fremden Rolle“ (Borch-Jacobsen 1982: 35). Indem er immer wieder die Rolle seiner Mutter einnahm, war Freuds Enkel praktisch in dem Versuch gefangen, sich selbst als unabhängiges und aktives Subjekt zu konstituieren.

S elbst vernichtun g In dieser Idee eines seine Autonomie inszenierenden Subjekts  – das diese Souveränität aber effektiv nicht besitzt  – lässt sich eine Verbindung zu unserem bundesdeutschen Fall erkennen. Damit soll die junge, halbsouveräne Republik nicht infantilisiert werden, sondern lediglich vorgeschlagen werden, dass auch Staaten und ihre sozialen Eliten eine zwanghafte Tendenz zur Wiederholung traumatischer Erlebnisse aufweisen können. In diesem Zusammenhang sollte daran erinnert werden, dass die Bundesrepublik kein Veto über einen Einsatz taktischer Atomwaffen auf seinem eigenen Staatsgebiet besaß, sondern lediglich das Recht, die Vereinigten Staaten bei deren Entscheidung über den Einsatz der Waffen zu konsultieren (Buteux 1983: 104). Nach einer sowjetischen Invasion wäre Bonn dem Willen Washingtons ausgeliefert gewesen, ähnlich wie Deutschlands Stadtbevölkerung dem Willen der alliierten Bomberbesatzungen in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs ausgesetzt war. Es gibt darüber hinaus wohl noch vier weitere Hinweise auf eine Beziehung zwischen Fallex 66 und dem Freudschen Fort-Da-Spiel: Die selbstzerstörerische und repetitive Natur des Spiels, das Element der Freude, gesehen von einem außenstehenden Beobachter, und der Ort, an dem das Spiel stattfand. Zuerst einmal war Fallex 66 für Westdeutschland ganz klar ein suizidales Spiel, auch wenn dies von der Mehrheit der damaligen westdeutschen Kommentatoren so nicht anerkannt wurde. Sie hätten besser auf den früheren Wehrmachtsgeneral Günther Blumentritt gehört, dem wir bereits in Kapitel 3 begegnet sind und der 1952 die strategische Lage der Bundesrepublik wie folgt beschrieb: Die nüchterne Betrachtung unserer Lage ergibt, dass wir im Falle eines russischen Angriffs den ersten Anprall und die erste Überflutung auszuhalten hätten.

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Von beiden Seiten aus gesehen wäre unser Vaterland der Bombenabwurf- und der Tummelplatz der beiderseitigen Panzermassen. Der jeweils ausweichende Teil müsste operative Zerstörungen vornehmen und Zentraleuropa würde vielleicht ähnlich aussehen wie jetzt Korea. (B lumentrit t 1952: 40)

Wie wir schon in vorangegangenen Kapiteln gesehen haben, sprachen andere Kritiker der Haltung der Bundesrepublik zum Atomkrieg von letztlich „selbstmörderischer Verteidigung“ (Afheldt 1983: 13) oder von einem Spiel mit dem „nationalen Selbstmord“ (Borinski 1989, 531). Zweitens war Fallex 66 ein repetitives Spiel. Wie schon oben erwähnt, handelt es sich nur um das erste und für die Öffentlichkeit sichtbarste der 12 NATO-Übungen umfassenden Fallex/Cimex-Wintex-Serie, die bis 1989 rituell im Bunker durchgespielt wurden. Die meisten verliefen nach überraschend ähnlichen Handlungsabläufen. Nach einer Phase geopolitischer Spannungen im Ostblock und der Konzentrierung von Truppen entlang der innerdeutschen Grenze brach der Krieg aus. Die NATO antwortete, wie bei Fallex 66, mit dem selektiven Einsatz von Nuklearwaffen, häufig nach einem vorangegangenen Einsatz von chemischen Waffen durch die Sowjetunion. Besonders wichtig ist, dass in den meisten Fällen von einem bundesdeutschen Wunsch nach dem Einsatz von Nuklearwaffen ausgegangen wurde. Selbst bei Wintex 85, einer Übung, die ausdrücklich ohne die Notwendigkeit des Einsatzes von Atomwaffen geplant worden war, forderte die Bundesregierung den Einsatz solcher Waffen, wie damals in der Presse berichtet wurde (Der Spiegel 1985a; Süddeutsche Zeitung 1985). Dies rief einen öffentlichen Aufschrei hervor, auf den die NATO-Hauptquartiere mit der Antwort aufwarteten, das Spiel weise keinen Bezug zur politischen Realität auf (Volksblatt Berlin 1985). Drittens entdeckte Ostberlin in Fallex 66 und den späteren Spielen ein Element des Genießens. Ähnlich wie ein Psychoanalytiker beobachtete es dabei aus einer partiellen Distanz. Dies bedeutet, dass Ostberlin genügend involviert war, die tiefere historische Bedeutung des Spiels zu verstehen, aber distanziert genug, um die wesentliche Beobachtung zu machen, dass der westdeutsche Staat sich mit etwas befasste, das für ihn nur im unterirdischen und luftdicht abgeriegelten Raum des Bunkers möglich war. Während die ostdeutsche Darstellung der Übung eindeutig ideologisch eingerahmt und von Tropen bourgeoiser Dekadenz und westlicher Degeneration geprägt war, ist doch bemerkenswert, in welchen

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Kontext sie gestellt wurde. Indem Vernichtung, Überkonsum und Sexualität einander gegenübergestellt wurden, verwies die ostdeutsche Seite auf eine auffallende Kombination von Lust und Unlust, ähnlich dem, was Freud bei dem Spiel seines Enkels beobachtet hatte. Die ostdeutsche Seite konnte sehen, dass im Zentrum von Fallex 66 eben die Art von Geo- und Biopolitik stand, die sich in Hitlers 12-jährigem Reich gegen sich selbst gewandt hatte, genau diese Form der Macht also, die dem deutschen Nachkriegsstaat verwehrt gewesen war (Bassin 2003: 361). Und zuletzt muss Fallex wie das ursprüngliche Fort-Da-Spiel als grundlegend „räumliche Übung“ verstanden werden; es stellt eine hierarchische Beziehung her, die sich im Raum ( fort, da) manifestiert (Pile 1996: 134). Dabei muss beachtet werden, dass die westdeutsche Regierung sich entschied, Fallex 66 in einem historisch bedeutenden Raum zu spielen, dem Bunker. Auch wenn es strategische Gründe gegeben haben mag, Fallex vom Befehlsbunker aus zu leiten, so sollte man sich doch vor Augen halten, dass anderswo die Übung nicht unter Tage durchgespielt wurde. Wie die NATO beiläufig in einem ihrer Abschlussberichte nach Fallex anmerkte, sei das Spiel anderswo von „Friedensstandorten“ aus geleitet und – ganz zivil – im Rahmen „verlängerter Arbeitszeiten“ durchgeführt worden (Northern Army Group 1966: 5). Es wurde ja schon mehrfach auf die Funktion des Bunkers als gleichzeitig Gebärmutter und Grab hingewiesen. Tatsächlich sind Atombunker nicht nur einfach geopolitische Räume (d.h. Räume, in denen Geopolitik greif bar wird), sondern auch biopolitische und damit nekropolitische Räume. Regierungsbunker für einen Atomkrieg sind nicht einfach Räume, in denen staatliche Macht Schutz vor der nuklearen Vernichtung draußen sucht, sondern zugleich politische Räume, in denen die souveräne Entscheidung über Überleben oder Vernichtung getroffen wird. Dadurch, dass in ihm die Gegenwart als die Vergangenheit einer apokalyptischen Zukunft konstruiert wird, spielt der Atombunker von vornherein mit einer Ästhetik des „Verschwindens“ (Virilio (1975[1992/2011]; Vanderbilt 2002: 128), die dem zwanghaften Verschwinden von Ernst ähnelt. Wir können den Bunker auch verstehen als „männliche Phantasie und Teil einer Todeserotik, die selbst dann keiner Selbstanalyse unterliegt, wenn die Bomben fallen“ (Masco 2009: 26) und die (zu Recht?) von der westdeutschen Antikriegsbewegung als Gräber, Särge oder Krematorien bezeichnet wurden (Schregel 2011: 193). Featherstone meint, der Bunker sei „ein Angst ausstrahlendes Symbol der Unbesiegbarkeit und

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eine neurotische Verteidigungsanlage gegen den Ansturm subversiver Andersartigkeit, die den kürzlich erst eroberten Nazi-Lebensraum einzunehmen drohte“ (Featherstone 2005: 303). Oder wie Speer auf Hitlers Führerbunker bezogen zusammenfasste: „Wenn etwas als Sinnbild einer Situation, ausgedrückt durch einen Bau, angesehen werden kann, dann dieser Bunker“ (Speer 1969: 400). In seiner Untersuchung von Londons hochgesicherten MI6 Hauptquartier spricht sich Pile (2001) für eine Auseinandersetzung mit der düsteren, unterdrückten Seite des architektonischen Raumes aus. Wenn wir diesem Ansatz folgen, wird die vergessene Seite des Regierungsbunkers der Bundesrepublik sichtbar und öffnet den Blick für eine längere Geschichte der Vernichtung. Bereits im vorigen Kapitel konnten wir sehen, dass die Bundesregierung ihren Atombunker am gleichen Ort baute, der zuvor als Lager für Zwangsarbeiter bei der Produktion der V2 gedient hatte. Auch wenn die V2 bezogen auf den Zweiten Weltkrieg militärisch häufig als Fehlschlag angesehen wird, war sie dennoch der Prototyp für die sowjetischen und US-amerikanischen Raketenprogramme und stellt damit eine für den Kalten Krieg grundlegende technologische Innovation dar. In den letzten Kriegsmonaten hatte die Tunnelanlage der Zivilbevölkerung Schutz vor den alliierten Bombenangriffen geboten, die sich nun zunehmend gegen die umliegenden Dörfer gerichtet hatten (Bundesinnenministerium 1959a; 1959b). Diese düstere Geschichte war bekannt, wie Theodor Busses innenministerieller Briefverkehr des Jahres 1960 zeigt (Bundesinnenministerium 1960c). Der ehemalige Wehrmachtsgeneral, der bis zuletzt an Hitlers selbstzerstörerischer Schlacht beteiligt war, dürfte auch das Skript für Fallex 66 entworfen haben (Diester 2009: 181). So bekommen wir ein Gefühl für die vielen Beziehungen und Kontinuitäten zwischen drei Formen geopolitischer Gewalt der 40er und 50er Jahre: Der totalen Kriegsführung des Dritten Reichs, den Luftangriffen gegen deutsche (und andere europäische) Städte und der destruktiven Logik des frühen Atomkrieges. Über die Rolle des Holocaust bei der Wiederherstellung der deutschen nationalen Identität ist viel geschrieben worden, aber während nur wenige Deutsche ein Konzentrationslager von innen gesehen hatten, konnten sich viele sehr wohl an die alliierten Bombenangriffe erinnern. Die Zerstörung der deutschen Groß- und Kleinstädte wirkte wie eine öffentlich sichtbare Implosion des nationalsozialistischen Traums vom Lebensraum. Das war der Augenblick, an dem der völkervernichtende Krieg auf

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das ‚auserwählte‘ Volk selbst zurückfiel und für viele Deutsche war nicht das KZ, sondern der Bunker der Ort, an dem diese Erfahrungen der letzten Episode des Untergangs hafteten. Deshalb war der Bunker nicht bloß wegen des Selbstmords Adolf Hitlers in seinem Bunker in Berlin zum paradigmatischen Ort des Faschismus geworden, sondern auch wegen des großangelegten Bunkerbauprogramms für die Zivilbevölkerung, das in den deutschen Städten in den frühen 40er Jahren als Antwort auf die Bedrohung durch die alliierten Bombenangriffe aufgelegt worden war. Der Rückzug der Bevölkerung in diese Schutz bietenden Grabmonumente, während gleichzeitig ihre Städte in Ruinen verwandelt wurden, war in gewissem Sinne nur die logische Konsequenz einer geopolitischen Fixierung auf Boden, Tod und Untergang. Die Erinnerung an diese traumatischen Ereignisse war in Deutschland jedoch bis in die 90er Jahre hinein weitgehend tabuisiert. Erst dann entwickelte sich ein Auseinandersetzen mit der Zerstörung der deutschen Städte (Zehfuss 2007: 78). Wenn man das Tabu als einen Versuch der Psyche versteht, gleichzeitige und miteinander in Konflikt stehende Impulse unter Kontrolle zu halten, dann, so Freud (1913[2001]), produziert dieses selbstauferlegte Verbot Zwangshandlungen. Der deutsche Emigrant und Schriftsteller W. G. Sebald war fasziniert vom Umgang seiner Landsleute mit der Vernichtung deutscher Städte, einem Ereignis, das sie wie ein „peinliches Familiengeheimnis“ hüteten (Sebald 1999: 10). Er war verwundert über „diese außergewöhnliche Fähigkeit zur Selbstanästhesie einer Gesellschaft, die aus einem Vernichtungskrieg praktisch ohne irgendwelche Anzeichen psychischer Beeinträchtigung“ (ebd.: 11) entkommen war und meinte dazu: Das fast völlige Fehlen einer tiefgreifenden Störung des Innenlebens einer Nation legt nahe, dass die bundesdeutsche Gesellschaft die Erfahrungen seiner eigenen Vorgeschichte verdrängte und dabei einen fast perfekt funktionierenden Mechanismus der Verdrängung entwickelt hat, der es erlaubt, den Wiederaufstieg aus absoluter Entehrung zu registrieren und sich gleichzeitig von allen negativen Emotionen zumindest zu distanzieren, wenn nicht sogar als besondere Leistung zu verstehen, alle Schwierigkeiten ohne Anzeichen von Schwäche überwunden zu haben. (E bd.: 20)

Gerade diese mangelnde Bereitschaft, angesichts traumatischer Erfahrungen Schwäche zu zeigen, trug zu Westdeutschlands williger Par-

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tizipation an Fallex 66 bei. Während Westdeutschlands neue alliierte Aufpasser die Bundesrepublik nachdrücklich ermutigten „so weit wie irgend möglich“ an allen Phasen der Selbstvernichtung teilzunehmen (Northern Army Group 1966, C/2), bemühten sich die Deutschen um den Nachweis, dass man sich auf sie verlassen konnte. Mehrfach betonte die Bundeswehr während des Spiels, weder der „Bruderkrieg“ mit Ostdeutschland noch die vielen eigenen Opfer, die der Atomkrieg fordere, beeinträchtigten die Moral der eigenen Truppen (I. Korps Stab 1966a: 32; 49). Auch eine fiktive internationale Presseschau, die den Spielern während der Manöver zu kam, pries die deutsche Bevölkerung wegen ihrer besonnenen Reaktion auf die drohende atomare Vernichtung (I. Korps Stab 1966b). Im unterirdischen Lebensraum des Bunkers kann man also die westdeutsche Führung dabei beobachten, wie sie ein Szenario durchspielte, bei dem der Staat seine Bürger aufgab und der Vernichtung der eigenen Siedlungen von oben (bzw. von unten) zusah. So wird deutlich, dass der Bunker als spezieller locus in diesem Spiel dazu diente, die eigenen traumatischen Erfahren vor genau den Nationen (den jetzigen NATO-Verbündeten) durchzuspielen, die die Vernichtung von Städten wie Dresden und Köln durchgeführt hatten. In gewissem Sinne genoss die bundesrepublikanische Elite die verbotenen Früchte der Geo- und Biopolitik. Als Mitglied der NATO konnte die westdeutsche Führung zumindest vorgeben, eine gewisse Kontrolle über die Massenvernichtung gewonnen zu haben, auch wenn die Entscheidung über den Einsatz atomarer Massenvernichtungswaffen letztlich beim US-Präsidenten lag. In der Vernichtung eigener Städte hatten sie den Stock mit seinem Bindfaden gefunden, der wenigstens die Illusion von Kontrolle vermittelte. Vom Bunker aus konnten sie so – eine Ironie der Geschichte – ihre eigenen Städte und Dörfer aus Sicht der alliierten Bomber betrachten: ein Spielzeug, das sie zumindest auf der Karte verschwinden lassen konnten. 1985 hielt der Psychoanalytiker Carl Nedelmann fest, anglo-amerikanische Verteidigungsspezialisten hätten Deutschland während des Kalten Krieges oft nur als „nuclear theatre“, also als „nuklearen Kriegsschauplatz“, gesehen (Nedelmann 1985: 17). Nedelmann war der Meinung, der Führung der Bundesrepublik sei dies sehr wohl bewusst gewesen und habe unter einem Gefühl der Minderwertigkeit gegenüber den Alliierten gelitten, das noch einmal durch die fehlgeschlage-

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nen Versuche der Regierung Adenauer verstärkt wurde, eigene Atomwaffen zu erwerben (ebd.: 21). Auf bauend auf der psychoanalytischen Erkenntnis, dass ein Fehlschlag bei einem Versuch, bestimmte Ziele zu erreichen, zu Inferioritäts- und Schuldgefühlen beiträgt, kam Nedelmann zu dem Schluss, das westdeutsche Souveränitätsdefizit wirke wie eine „offen gebliebene Wunde“ in der nationalen Identität Deutschlands (ebd.). Das für das deutsche Nationalgefühl der Nachkriegszeit so typische Inferioritäts- und Schuldgefühl ist so vielleicht nicht nur im Völkermord des Dritten Reiches begründet, sondern auch in dem Fehlschlag, nach dem Krieg den Großmachtstatus wiederhergestellt zu haben. Letztlich fiel Fallex 66 als Spiel insofern aus dem Rahmen, als dass es den Moment beinhaltete, von dem an das Spiel nicht mehr neu gespielt werden konnte. Wie Hanna Segal ausführte, hat der Atomkrieg es ermöglicht, „die Welt zu vernichten, nicht aber, sie wieder herzustellen“ (Segal 1995: 197). Mit anderen Worten machten die ständig wachsenden Arsenale der beiden Blöcke das Erreichen des ‚Fort‘ immer leichter, das ‚Da‘ jedoch wurde durch den nuklearen Overkill in immer größere, unerreichbare Ferne gerückt. Diese „Welt primitiver Allmacht“, so Segal, wurde nicht von Todesfurcht bestimmt, sondern „durch den Wunsch nach Vernichtung des Selbst und der Welt und der mit ihr verbundenen Schrecken“ (ebd.). Um den Euphemismus noch ein letztes Mal einzusetzen: Vielleicht war das Atomkriegsspiel trotzdem gar nicht so anders als Ernsts Fort-Da-Spiel. Denn auch wenn das atomare Wettrüsten eine Wiederholung des Spiels höchst unwahrscheinlich machte, so gab es doch Planungen für die Zeit nach dem Ernstfall für eine Wiederbevölkerung der Welt. Und tatsächlich sprach die NATO im letzten Teil von Fallex 66 ganz unbedarft vom „post-nuclear setting“ (Northern Army Group 1966: C/2). Dieses Beharren auf der Möglichkeit einer postapokalyptischen Welt zeigt die Grenzen des Todestriebes selbst innerhalb der Vorstellung eines nuklearen Armageddon.

D er Todestrieb in der deutschen G eopolitik Wie Friedrich Ratzel befasste sich auch Karl Haushofer mit der Frage, was von der Kultur einer Nation bleibe, wenn diese zu einer „Ruinenlandschaft“ geworden sei (1934a: 96). Wie bereits erwähnt, beschäf-

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tigte er sich schon vor der Erfindung der Atomwaffen mit der Möglichkeit eines „totalen Untergangs“ der deutschen Nation (Haushofer 1944: 634). Als Deutschland zunehmend das Ziel alliierter Bombenangriffe wurde, fürchtete er, die Zerstörung deutscher Städte könne zum Ende Deutschlands als Kulturvolk führen und so seine kulturellen Leistungen für immer verloren gehen. Im Jahre 1944 wurde er offenbar von der Angst umgetrieben, die Vernichtung Deutschlands durch den Luftkrieg könne so umfassend sein, dass keine von Ratzels Ruinen für die Nachwelt bleiben würde, keine Überreste, an denen die Nachwelt die Deutschen messen könnte. Wenn Haushofer 1946 in seinem Abschiedsbrief schrieb, er wolle kein Staats- oder kirchliches Begräbnis und noch nicht einmal einen Nachruf, muss man das als Versuch werten, sich dann doch selbst von der, wie er es sah, höchsten Erscheinungsform des Lebens zu lösen, der Bewahrung von Lebensspuren nach dem Tode. Wenn er aber „vergessen und vergessen“ sei, wäre seinem Leben endgültig jeder Ruinenwert genommen (Haushofer 1946). Unter der Überschrift „Über den Tod“ sann Friedrich Ratzel 1903 nur ein Jahr vor seinem eigenen Tod über die Allgegenwart und die ontologische Leichtigkeit des Todes nach. „Kein Gebirge, keine Mauer erhebt sich zwischen ihm und uns, es geht ganz eben in das große dunkle Tor hinein“ (Ratzel 1941: 302). Ratzel verklärte die Erfahrung, den Tod eines Menschen mitzuerleben, und beschrieb den kurzen Moment des Übergangs des Sterbenden, der „in der Zeit“ steht und „in die Ewigkeit hinüber“ sieht, als Heiligsprechung des Sterbenden (ebd.: 303). Anstatt den Tod zu tabuisieren, sollten die Menschen ihn empfangen. „Je mehr wir uns an den Tod gewöhnen, desto kleiner werden die Schranken der Ewigkeit“. Er schloss daraus, dass „im Grunde […] das Leben nur um so schöner [wird], je todbereiter es ist“ (ebd.: 302). Virilio merkt an, es sei die von den alliierten Luftangriffen verursachte Zerstörung gewesen, die Albert Speer feststellen ließ, dass, „wenn alles zerstört ist, die Institutionen in schlimmster Not weiterhin funktionierten“ und so „ein soziales System überlebte“ (Virilio 1975: 58). Es ist dieser Trieb, etwas dadurch zu bewahren, indem man es auf den Tod hin ausrichtet, der sich in Speers Theorie des Ruinenwerts herauskristallisiert und in dem sowohl das psychoanalytische Konzept des Todestriebs als auch die zur faschistischen Geopolitik gehörende Thanatophilie sich miteinander verbinden. Bei einer derartigen Interpretation ist

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auch der Kalte Krieg nicht mehr als eine zwanghafte Wiederholung dieses fundamentalen Schritts – der Einbindung des Todes in das Leben.13 Der Staat und seine Funktionen konnten im Atomkrieg nur auf Kosten der Sicherheit der Bevölkerung abgesichert werden. Eben nur weil die Bundesregierung die Möglichkeit besaß, sich in die Sicherheit ihres Bunkers zurückzuziehen, konnte ein Atomkrieg, in dem die westdeutsche Bevölkerung voraussichtlich ausgelöscht worden wäre, überhaupt rational erscheinen. Wichtig bleibt zu verstehen, dass die in Kriegsspielen wie Fallex 66 von Bonn bewiesene Entschlossenheit, eigenes Gebiet zu zerstören und radioaktiv zu verseuchen, nicht nur die Unerschrockenheit davor zeigte, einen sowjetischen Angriff abzuwehren, sondern auch die zwangsneurotische Bereitschaft zur Selbstverstümmelung. In gewissem Sinne spielte die Bundesrepublik nur durch, was der Geopolitiker Hennig 1935 als die Notwendigkeit beschrieben hatte, Staaten auszumerzen, die sich als „lebensuntüchtig“ erwiesen hatten (Hennig 1935: 90). Mehr als nur eine Abschreckung im Sinne des Kalten Krieges war das Kriegsspiel Bonns eine zwanghafte Wiederholung des geo- und biopolitischen Traumas, das für den jungen Staat konstituierend gewesen war: Die Vernichtung deutscher Städte durch die alliierten Bombenangriffe und die darauffolgende Einschränkung der Souveränität der beiden deutschen Staaten. So opferte die Bonner Republik ihren Lebensraum im Kampf gegen den ‚totalitären‘ Kommunismus in ähnlicher Weise wie zwei Jahrzehnte zuvor die Alliierten genau diese Städte in ihrem Kampf gegen einen totalitären Faschismus geopfert hatten. Auch wenn Fallex 66 tatsächlich ludische Elemente enthielt, fehlte diesem Kriegsspiel doch das, was ein Spiel erst spielbar macht, nämlich Spontaneität, disruptive Elemente und Kreativität. Im Kern von Fallex 66 findet sich kein spielerisches Experiment, sondern der selbstzerstörerische Zwang, ein durch eine Verlusterfahrung entstandenes Trauma aufzuarbeiten. Wenn es überhaupt ein Spiel war, dann eine Re-Inszenierung der Trennungserfahrung im Sinne des Fort-Da-Spiels, in dem die halbsouveräne Bundesrepublik das ungleichgewichtige Machtverhältnis gegenüber den Alliierten in ihrer elternähnlichen Rolle auf die Beziehung zur eigenen Zivilbevölkerung übertrug, wobei sie aber dieses Mal vorspielte, die Lage unter Kontrolle zu haben. Das wahre Ziel war für Westdeutschland demzufolge, die Erfahrung des Urbizids und des Bunkerlebens zu meistern.

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Ähnliche Ansätze zur Verarbeitung des Vernichtungstraumas finden sich auch in der Literatur der Nachkriegsjahre. So beschreibt der Roman Es geschah im Jahre 1965 den Versuch, den Kalten Krieg durch die politische Brille des vorangegangenen Krieges zu sehen. Er zeigt dabei die grundsätzliche Vereinbarkeit nationalsozialistischer Ideologie mit der Biopolitik des Kalten Krieges. Verfasst von dem früheren nationalsozialistischen Schriftsteller Edwin Erich Dwinger, folgt der Roman einer Reihe von deutschen, amerikanischen und sowjetischen Protagonisten, die meisten von ihnen Soldaten, durch einen dritten Weltkrieg. Der Krieg beginnt mit einem sowjetischen Atomangriff auf die NATO und endet mit der vollständigen Vernichtung der Sowjetunion unter Einsatz von biologischen und Atomwaffen und, wundersamerweise, mit der deutschen Wiedervereinigung und der Gründung der Vereinigten Staaten von Europa. Dwingers Roman ist dabei nicht nur von rassistischer Sprache und einer faschistischen Idealisierung des deutschen Bauern, sondern auch von Mythen der Geopolitik durchsetzt. Im gesamten Werk werden die Ereignisse im Leben der Protagonisten in einen größeren militärischen und weltpolitischen Zusammenhang gestellt. An einer Stelle wird so der positive Einfluss des geographischen Raumes auf die Widerstandsfähigkeit einer Nation angesichts des Atomkrieges beschrieben; an anderer Stelle lernt der Leser, nur eine unter der Erde verankerte Zivilverteidigung könne den sowjetischen Feind davon überzeugen, dass er Deutschland „biologisch nicht vernichten kann“ (Dwinger 1957: 66; vgl. auch Lemke 2007: 79). Viele der Szenen des Romans spielen in Bunkern. Mitte der 60er Jahre sind westdeutsche Städte in riesige unterirdische Landschaften mit Einkaufsstraßen, Konditoreien und Restaurants verwandelt worden. Für Dwinger mit seiner Vorliebe für eine landwirtschaftliche Utopie sind diese Städte im Untergrund Dystopien. In einer Szene trifft sich der Blick eines Protagonisten mit dem eines Mannequins, das er im Schaufenster eines unterirdischen Bekleidungsgeschäfts entdeckt hat – nur um dann über die gedankenlose Leere ihres Gesichtsausdrucks zu sinnieren. Man bekommt hier das Gefühl, dass der amerikanische Konsumkapitalismus, der im Roman auch durch die schrille und synkopierte Jazzmusik symbolisiert wird, nur eine Ablenkung vom eigentlichen Existenzkampf ist, den das Atomzeitalter darstellt. Auch wenn Dwingers Erzählung sowohl der NATO als militärischer Allianz als auch der Idee des „Okzidents“ als zivilisatorischer Kategorie positiv gegenübersteht (der von Dwinger ent-

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wickelte Gegenpol ist der Bolschewismus),14 so ermöglicht die Erzählung doch eine differenziertere Interpretation. Entscheidend ist hier, dass Deutschland der atomaren Apokalypse bemerkenswert unbeschädigt entkommt, die Vereinigten Staaten aber viele ihrer Städte verloren haben und das Vereinigte Königreich zusammen mit dem ‘sowjetischen Feind’ vollständig vernichtet ist. Dwinger hat sichtbar Probleme damit, bei seiner Beschreibung des Untergangs von New York durch einen sowjetischen Atomraketenangriff und damit der liberalen Weltordnung, für die die Stadt in seinem Roman steht, seine Freude zu verbergen: Als erster soll der UN-Palast gefallen sein, dieses märchenhafte Gebäude aus blitzendem Glas. Es ist wie ein Kartenhaus in den East-River gestürzt – fast wie ein Symbol für das, was dort alles vergeblich war – hat dort natürlich eine ungeheure Flutwelle hervorgerufen. Das Wallstreet-Viertel ist ein einziger Schutthaufen, die berühmten Banken liegen als größere Brocken darauf […] Die First National City Bank, die Irving Trust Company, dazwischen die winzige Trinity Church […] [das] Empire State Building zum Beispiel, das dicht daneben liegende Rockefeller Center… Von allen diesen Steinkolossen steht nicht einer mehr. (D winger 1957: 134)

Indem nur Deutschland und nicht seine Alliierten vor dem atomaren Armageddon gerettet wird, dient Dwingers Narrativ als Inversion von Fallex 66 und anderen Atomkriegsspielen, in denen Deutschland das einzige Schlachtfeld eines dritten Weltkriegs war. Deshalb dürfen wir spekulieren, dass hinter diesem Narrativ eine ganz andere Idee stecken könnte. Denn auf einer tieferen Ebene scheint Dwinger sich nicht nur den Urbizid der alliierten Städte zu wünschen, sondern das, woran das Dritte Reich gescheitert war, nämlich das Überstehen des totalen Kriegs. Dies beinhaltet nicht nur die Vorstellung, den sowjetischen Feind im Osten zu vernichten, sondern auch die eigenen Alliierten im Westen in ihrer Elternrolle. Freud erwähnt in Jenseits des Lustprinzips, dass Ernsts Mutter starb, als der kleine Junge 5 ¾ Jahre alt war. Vielleicht überrascht es nicht zu sehr, dass Ernst „kein Zeichen der Trauer um sie“ zeigte (Freud 1920[1947]: 14).

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E ndnoten 1 | Fallex = fall exercise, Wintex = winter exercise, Cimex = civil-military exercise. 2  |  In den Bundesarchiven sind bis heute nicht alle Akten zu diesen Manövern freigegeben worden. Beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in Berlin finden sich zu den späteren Übungen jedoch umfangreiche Geheimdienstinformationen. 3 | Fallex 62, eine Übung aus dem Jahre 1962, löste bekanntlich einen Skandal aus, als das Nachrichtenmagazin Der Spiegel aufzeigte, wie wenig die Bundesrepublik tatsächlich auf einen Krieg vorbereitet war (Der Spiegel 1962). Der Versuch der Bundesregierung, gegen das Magazin vorzugehen und es zu verbieten, wurde angesichts von Massendemonstrationen aber aufgegeben. 4 | Zu einer Diskussion der praktischen Bunkerforschung siehe Bennett (2011). 5 | Während Ó Tuathail und Agnew (1992: 200) auf sexuelle Untertöne im frühen amerikanischen geopolitischen Diskurs verweisen, äußern sie sich nicht zu dem Aspekt der Selbstzerstörung. 6 | Im Zusammenhang mit einer anderen Übung im Jahre 1975 konstruierte die ostdeutsche Presse einen Angriff mit einem Messer auf eine Sekretärin nicht als Mordversuch, sondern als sexuellen Übergriff (Berliner Zeitung 1975). 7 | Es handelt sich wahrscheinlich um den damaligen CDU-Innenminister Paul Lücke. 8 | Gregory (2011: 261) merkt an, dass der Begriff der Vernichtung (annihilation) heute zwar üblicherweise nur für den Holocaust benutzt werde, in britischen und US-amerikanischen Diskussionen in Bezug auf die alliierten Bombenangriffe des Zweiten Weltkrieges damals aber allgemein gebräuchlich gewesen sei und im Diskurs über den totalen Krieg deshalb eine weiter gefasste Funktion habe. 9  | In den Kontroversen um Fallex 66 und ähnliche Übungen zeigt sich, dass auch die Westdeutschen ihre Probleme mit diesen Atomkriegssimulationen hatten. Sie gingen jedoch nicht so weit, eine subterrane Freude am Untergang zu unterstellen. 10 | Interessant ist der Hinweis, dass die DDR 1966 die Planung eines eigenen, neuen Regierungsbunkers begann, der in Design und Funktion in wesentlichen Zügen seinem bundesdeutschen Gegenstück entsprach (Diester & Karle 2013). Zu dem Bau gehörten ähnliche, wenn auch weniger perfektionierte Kriegssimulationen mit denen sich ein Atomkrieg durchspielen ließ (Freitag & Hensel 2010: 153). Trotz der massiven Ablehnung der westdeutschen Kriegsspiele im dortigen Regierungsbunker befasste sich die DDR-Regierung mit sehr ähnlichen Spielen. Auch hier werden wir unmittelbar an Freuds Bemerkungen zur emotionalen Ambivalenz erinnert, die Idee, dass sich im Unbewussten in Liebe Feindschaft (und umgekehrt) wiederfindet (Freud 1913[2001]: 70; vgl. auch Beck 2011: 83).

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11  | Wenn sie dem Gegner bekannt werden, können Manöver wie Fallex 66 selbstverständlich auch ihren Anteil zur Abschreckung beitragen (Geenen 2006: 51). 12 | Aus dieser Perspektive erscheinen Kriegsspiele wie die Vorbilder für kommerzielle Spiele wie Risiko oder Diplomacy (Salter 2011b). 13 | Für eine radikalere Sichtweise vgl. Mbembe (2003). 14 | Nach dem Ende des Krieges erklärt ein NATO-General, dass „unser Abendland verloren gewesen wäre, bis zum letzten Quadratmeter ausgelöscht, wenn es sich nicht zur NATO zusammengeschlossen hätte“ (Dwinger 1957: 294). Auch ein deutscher Offizier äußert, Deutschland wäre ohne taktische Atomwaffen verloren gewesen (ebd.: 308).

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Kapitel 7 – Jenseits der Bunkerrepublik A tomare G egenwart Wenn man die biopolitischen Überreste der alten Bundesrepublik heute noch in Aktion sehen möchte, dann sollte man nach Büchel fahren, einem kleinen Ort mit rund 1000 Einwohnern in der ländlichen Südeifel, nicht weit von Cochem an der Mosel. An einem trüben Oktobernachmittag hängen dicke Wolken über den Häusern und Höfen. Vielleicht ist es gerade diese etwas trostlose Atmosphäre, weswegen die Stars and Stripes so auffallen, mit denen der Dorf besucher begrüßt wird – gleich zwei Flaggen vor der alten Tankstelle, eine dritte vor einem Musikladen und eine vierte dann am Tor zum Fliegerhorst Büchel, Heimatflughafen des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 der Bundesluftwaffe. Hier, acht Meter unter dem Boden, bewahrt die NATO ihre in Deutschland verbliebenen thermonuklearen Waffen auf, B61 Bomben, die derzeit modernisiert werden. Die gesamte Anlage ist durch Stacheldraht und eine Reihe von Bunkeranlagen geschützt. In der Luft steht der Geruch von Kerosin. Die Wachen am Haupttor weisen beiläufig darauf hin, man dürfe die Anlagen aus der Nähe nicht fotografieren und die Bäckerin im Dorf lächelt etwas gezwungen, wenn man sie genauer über den Standort befragt. Schilder weisen Besucher darauf hin, dass bei einem Versuch, in die Anlage einzudringen, mit Schusswaffengebrauch zu rechnen sei. Ein Rudel Rehe lässt sich beim Äsen von einer Rotte zweier Kampff lugzeuge, die mit ohrenbetäubendem Lärm aufsteigen, nicht stören. Bei meinem Erscheinen allerdings verdrücken sich die Rehe rasch in die Büsche. In Deutschland scheint es heute in Sachen Atomkrieg so etwas wie eine kollektive Amnesie zu geben. Viele Sondermunitionslager wurden seit dem Ende des Kalten Krieges einfach aufgegeben und zu einer Art

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„Niemandsland“ (Leshem und Pinkerton 2016: 44). Andere wurden in Kunstgalerien umgewandelt, in regionale Flughäfen oder Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Wieder andere wurden umgenutzt, etwa um Sprengstoff zu lagern oder Flüchtlinge unterzubringen. Auf dem Gelände von Camp Pydna, in der Nähe von Kastellaun, benannt nach der Schlacht von Pydna im zweiten Jahrhundert v.Chr., findet jedes Jahr ein Techno-Festival statt. Wie die Raver versucht auch das Militär, das Sondermunitionslager als einen unbeschwerten Ort neu zu erfinden. Die freundliche Website des Luftwaffenstützpunktes Büchel informiert die Öffentlichkeit darüber, dass sich die dort stationierten Soldaten wegen der unausweichlichen Lärmbelästigung regelmäßig mit den Einwohnern der Gemeinde treffen und bei der Organisation einer ganzen Reihe von Festen zur Pflege der Beziehung zwischen der Einwohnerschaft der umliegenden Städte und Gemeinden und „ihrem“ Stützpunkt mithelfen. Wir lesen auch, dass der Kommandant des Fliegerhorstes Andreas Korb heißt („verheiratet mit zwei Kindern“) und das Taktische Luftwaffengeschwader 33 seit 1958 den „Frieden in Europa“ sichert (Luftwaffe 2011; 2014). Anderswo ist die Diktion aber doch noch etwas geopolitischer. Jamie Shea, stellvertretender Generalsekretär der NATO, in Brüssel bekannt wegen seiner rhetorischen Fähigkeiten, seiner expressiven Gestik und seines Londoner Akzents, sprach 2014 vor Studenten des University College London über die Krise in der Ukraine und Europas neuer Sicherheitsarchitektur. Während er sein Publikum mit Witzen und Anekdoten bespaßte, vermittelte er den Studenten die Geschichte einer unterfinanzierten Allianz, die dringend ihre militärischen Kapazitäten ausbauen müsse, wenn sie Wladimir Putin Paroli bieten wolle. Begeistert erzählte er von der neuen NATO Reaktionsstreitmacht und über neue und umfangreichere Manöver der Allianz in Osteuropa. Ein Thema, über das er bemerkenswert wenig zu sagen hatte, war dagegen die Haltung der NATO zu Kernwaffen. Auf die derzeitige Modernisierung der B61 Bomben in Deutschland und anderswo angesprochen, erklärte Shea, das Programm zur Verlängerung der Einsatzfähigkeit der Bomben sei ursprünglich als Druckmittel der NATO bei zukünftigen Verhandlungen über atomare Abrüstung mit dem Kreml gedacht gewesen, Russlands Vorgehen in der Ostukraine habe jedoch den strategischen Kontext völlig verändert. Die B61 sei „erneut Teil der NATO-Abschreckungspolitik“. Er „habe keinerlei nostalgische Gefühle für den Kalten Krieg“ lachte er, „aber man muss sich

Kapitel 7 – Jenseits der Bunkerrepublik

auf einen zweiten Kalten Krieg vorbereiten, selbst wenn man das nicht möchte“. Flockhardt (2013) stellt fest, die NATO verhalte sich wie ein „Atomwaffensüchtiger“ – sie halte an ihren Kernwaffen fest, obwohl die Allianz immer wieder ihren Wunsch wiederhole, diese Waffen abschaffen zu wollen. Und während die Atomwaffen in Büchel in Teilen der deutschen Presse weiterhin unpopulär sind (Der Spiegel 2013; Die Zeit 2016), werden in Deutschland doch zunehmend Stimmen laut, die zu einer positiveren Einschätzung der Rolle der Kernwaffen kommen. Nachdem der NATO-Skeptiker Donald Trump im Januar 2017 Präsident der Vereinigten Staaten geworden war, wurde im Ersten Deutschen Fernsehen (ARD) angedeutet, Berlin sei jetzt – endlich – in der Lage, eigene Kernwaffen zu erwerben (Panorama 2017a). Nicht nur Panorama ließ damit einen Versuchsballon bezüglich der Atomfrage los. Die Idee wurde auch im Tagesspiegel (2017) und in der Wirtschaftswoche (2017) diskutiert. Sechzig Jahre nachdem Adenauer jenem Ehrgeiz abgeschworen hatte, an dem Hitler gescheitert war, wurde erneut über die deutsche Bombe diskutiert. Interessanterweise reagierten Teile der deutschen Bevölkerung so verärgert auf den Vorstoß, dass die Verantwortlichen sich öffentlich entschuldigen mussten (Panorama 2017b). In den Sozialwissenschaften wurde die Problematik eines Atomkrieges weitgehend als langweilig oder passé angesehen. So erklärte Bruno Latour seinen Lesern 2004 in seiner Kritik der kritischen ­Sozialtheorie: Die Art der Bedrohung hat sich offenbar sehr stark verändert; wir richten unsere ganzen Waffenarsenale weiterhin gegen den Osten oder den Westen, aber der Feind befindet sich jetzt ganz woanders. So werden die Unmengen von Atomraketen zu Abfall, wenn man erst mal vor der Frage steht, wie man sich gegen militante Gruppen wehrt, deren Kämpfer mit Teppichmessern oder schmutzigen Bomben ausgerüstet sind. (L atour 2004: 230)

Unabhängig von Latours Einschätzung 1 bleibt die Beobachtung interessant, dass das Pentagon Raketen und Bunker weiterhin auf dem Radar hat. Es geht nicht nur darum, dass die letzten Jahre unter US-amerikanischen Journalisten, Think Tanks und Politikern eine Rückkehr zum Kalten-Kriegs-Denken mit sich brachten. Vielmehr befasst sich

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das Pentagon weiterhin mit Fragen der Unangreif barkeit feindlicher Bunker, was zu massiven Investitionen der US-Regierung führt, in eine „neue Generation von Sensoren mit dem Ziel, die mangelnde Transparenz des Untergrundes radikal zu reduzieren“ (Graham 2016: 344). Ein Programm mit dem Namen „Transparente Erde“ zielt darauf ab, „ein Google-Earth-ähnliches 3D-Interface zu entwickeln, welches die physischen, chemischen und geologischen Strukturen der Erde bis zu einer Tiefe von fünf Kilometern darstellen“ könne (ebd.). Dieser „Traum von einem Atombunkerbuster“, einer bunkerbrechenden Waffe mit Atomsprengkopf, die alle anderen derartigen Waffen überf lüssig macht, bleibt ein elementarer Wunschtraum zeitgenössischer Militärs, wie Bell (2008: 224) darlegt. In unserer angstbesetzten Zeit bleibt das Subterrane verführerisch. 2015 verkündete Vivos, eine kalifornische Bunkerbaufirma, sie beabsichtige, einen früheren DDR-Bunker in der Nähe von Rothenstein in eine Überlebenskapsel für die Superreichen umzubauen. Reiche Familien, so wurde versprochen, könnten dort einen Atomkrieg oder eine Naturkatastrophe in explosionssicheren Kammern überleben, die durch ein mehr als drei Meilen langes Tunnelsystem verbunden seien. Das Forbes-Magazin beschrieb das Projekt kurz danach als einen „unterirdischen 5-Sterne-Überlebenskomplex nur für geladene Gäste, wie ein unterirdisches Kreuzfahrtschiff für die Elite“ (Forbes 2015). Aber es ging um mehr als nur die Logik des Spätkapitalismus, denn Vivos versprach mit klaren biopolitischen Untertönen auch „eine Sammlung zoologischer Arten“ und einen „DNA-Tresor zum Schutz und zur Rettung der Genome von Millionen von Spendern“ (ebd.) anzulegen. Die deutsche Presse kommentierte dieses Vorhaben interessanterweise mit dem Hinweis, dieses Projekt dürfte allein schon wegen der Baugenehmigung Schwierigkeiten bekommen (Thüringer Allgemeine 2015; Welt 2015). Aber für Vivos war wohl eher nicht der tatsächliche Bau eines solchen Bunkers wichtig, sondern vielmehr die Verbreitung dieser Story in den transatlantischen Medien, um so das Interesse potentieller Kunden zu wecken. Dies zeigt vielleicht, dass Bunker Orte sind, denen man eher in der Fiktion als in der Realität begegnet, sie treten in der Populärkultur als Orte ultimativer Kontrolle und zugleich der Niederlage in Erscheinung. So bleibt ‚der Bunker‘ ein Phänomen, von dem wir eher das Bild als die Realität kennen. (B ennet t 2017: 7)

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Wenn wir uns mit den fiktionalen Aspekten des Bunkers befassen, sollte uns das jedoch keinesfalls davon abhalten, uns auch mit den realen Ruinen der Bunker des Kalten Krieges in ihrem geo- und biopolitischen Kontext auseinanderzusetzen. In den vorangegangenen Kapiteln wurde dargelegt, dass auch die Sondermunitionslager architektonische Räume darstellen, die in ihrem geopolitischen Kontext, dem Kalten Krieg, zu verstehen sind, und zugleich im Kontext ihrer biopolitischen Zielsetzung von Überleben und Vernichtung. Selbstverständlich waren die in der Bundesrepublik stationierten taktischen Atomwaffen nur ein Teil des nuklearen Arsenals des Westens. In den USA veränderten die Abschussanlagen für die „Minuteman“ Interkontinentalraketen in den 60er Jahren den militärischen Raum tiefgreifend. Aber auch diese militärischen Anlagen zeigten in ihrer unterirdischen Bauweise (die Silos waren mehr als 20m tief in die Erde getrieben worden) ein Fetischisieren der Erde. So schreibt Heefner: Zu jedem beliebigen Zeitpunkt befanden sich mindestens 200 Offiziere der US-Air Force im Untergrund der Great Plains. Ihre Aufgabe war, dort zu sitzen, zu warten und zu hoffen, dass die Aufgabe, für die sie ausgebildet worden waren, sich nie stellen würde. Die Offiziere arbeiteten jeweils vier Tage in zwei zwölfstündigen Schichten – 12 Stunden über, 12 Stunden unter der Erde. Gegessen wurde unter der Erde. Sie schliefen dort. Auch eine Toilette stand ihnen zur Verfügung. Alles Notwendige wurde bereitgestellt. Es war wie ein U-Boot unter der Erde. Allerdings eines, das nie auftauchen sollte. (H eefner 2012: 111)

Wir haben in diesem Buch gelernt, dass wir die Unterwelt nicht nur als einen biopolitischen Raum im Sinne von Schutz und Errettung verstehen dürfen, sondern auch als einen Raum, in dem zudem Vernichtung geplant und organisiert wurde. Dieses Verständnis von Gewalt, die von den Räumen des Kalten Krieges ausging, ist von größter Bedeutung für die Art und Weise, wie Geographen über die Beziehung zwischen Krieg und Frieden sprechen. Angesichts der Funktion der Kartographie für den modernen Krieg charakterisierte Edward Said einmal die Geographie als „die Kunst des Krieges“, eine Kunst, die man allerdings auch in einen Akt des Widerstands umwandeln könnte, wenn man die Geographie als Gegenkarte und Gegenstrategie zur Hilfe nahm (Said 1995: 416). Seit Saids Überlegungen ist Krieg tatsächlich zu einem zentralen Forschungsfokus der

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Geographie geworden, wenn man sich die Salven von Büchern ansieht, die in den letzten anderthalb Jahrzehnten erschienen sind (Adey, Whitehead und Williams 2013; Cowen und Gilbert 2007; Elden 2009; Farish 2010; Flint 2005; Gregory 2004; Gregory und Pred 2007; Graham 2004; 2016; Ingram und Dodds 2008; Macdonald, Hughes und Dodds 2010; Smith 2003; Toal 2017). Und während diese geballte Gelehrsamkeit wohl eine der kritischsten Auseinandersetzungen in den Sozialwissenschaften mit der modernen Kriegsführung hervorgebracht hat, wurde auch immer stärker darauf hingewiesen, dass dieser Fokus auf Kriegführung und Töten der notwendigen Erforschung einer Geographie des Friedens hinderlich im Wege stehe (Bregazzi and Jackson 2016; Herb 2005; Megoran 2011; Williams and McConnell 2011). Bei ihrer Diagnose der kritischen politischen Geographie mit ihrer Tendenz zu einem agonistischen Verständnis von Politik fragen z.B. Bregazzi und Jackson (2016: 3): Warum konzentrieren wir uns in unseren kritischen Ansätzen zur Politik immer wieder auf Konfrontationen, während die Kraft und Anregung von Forderungen nach Gerechtigkeit und damit nach den konstituierenden Elementen des Friedens – Liebe, Fürsorge, Mitgefühl, Empathie etc. – entweder als apolitisch oder als unvermeidlich von ihrer Antithese geprägt verstanden werden?

„Gewalt zu untersuchen und das als kritisches Vorgehen zu bezeichnen, wird nicht zeigen, was Frieden ist“, führen sie weiter aus. Diese Sätze klingen bekannt. Schon während des Kalten Krieges gewannen wissenschaftliche Studien zum Frieden an Bedeutung – und zwar gerade als Alternative zu dem vorherrschenden Realismus, der charakteristisch für die Untersuchungen zu Krieg und internationalen Beziehungen war. Die Ablehnung des Ansatzes der kritischen Geographie zur Erklärung von Gewalt entspricht darüber hinaus der neuen Desillusionierung der Humangeographie mit der Zielsetzung der kritischen Geographie wie auch dem Wunsch nach affirmativeren Formen politischer Auseinandersetzung (vgl. McCormack 2012; Woodyer und Geoghegan 2012 und nochmals Latour 2004). Viel spricht dafür, Fürsorge, Mitgefühl und Empathie ernster zu nehmen. Denn zweifellos bringt eine vorrangige Beschäftigung mit Themen wie Atomwaffen und Militärstrategien die kritische Geopolitik dem Fokus der klassischen Geopolitik gefährlich nah.

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Und doch gehen die Rufe nach einer Geographie des Friedens von einem Verständnis von Krieg und Frieden als grundlegend eigenständigen Phänomenen aus, als sei es möglich, entweder Krieg oder Frieden zu studieren. Ein derartig binäres Denken wirft aber nicht nur das analytische Problem einer Unterscheidung von Krieg und Frieden auf. Es kann darüber hinaus den Blick für die inhärente Gewalt in Diskurs und Praxis des Friedens verstellen (Ross 2011; vgl. auch Koopman 2011). Bereits der Blick auf den Kalten Krieg – den Geopolitiker und politische Realisten gerne und liebevoll den ‚langen Frieden‘ genannt haben – unterstreicht diese Problematik. Denn hier stehen wir vor einer geschichtlichen Epoche, die von vielen – besonders in Europa – als die Erfolgsgeschichte der Friedensicherung verstanden wird. Für diese Leistung wurde der Europäischen Union 2012 sogar der Friedensnobelpreis verliehen (Mamadouh 2014). Die Vorstellung von der Europäischen Union als erfolgreicher Alternative zur Politik des Krieges überzeugt allerdings nur, wenn man ihre Entstehung aus ihrer engen Beziehung zur Geopolitik des Kalten Krieges herauslöst (Klinke und Perombelon 2015). Ich habe, so hoffe ich zumindest, in diesem Buch gezeigt, dass es den nach 1945 befriedeten Gesellschaften nie gelang, die Vernichtungsmentalität in Ideologie und Architektur zu überwinden. Darüber hinaus baute die Vorbereitung auf den Atomkrieg auf der gleichen Infrastruktur und den gleichen materiellen Voraussetzungen auf, die auch dem wirtschaftlichen Wiederaufstieg Westeuropas zu Grunde lagen: Atomkraftwerke, Autobahnen etc. Da der Kalte Krieg alles durchdrang, vom Klassenzimmer bis zum Zuhause, berührte er auch Körper und Geist von Zivilisten und Soldaten, Kindern und Regierungsbeamten. Das gewaltbereite Patriarchat der Kernfamilie wurde auf einer anderen Ebene von dem militärisch autoritären und von Atomwaffen starrenden Staat reproduziert. Trotzdem war vielen Bürgern nicht bewusst, in welchem Maße ihre scheinbar friedvollen Gesellschaften in Wirklichkeit wirtschaftlich und politisch auf Krieg eingestellt waren. Hierin war die vom Kalten Krieg ausgehende Gewalt zugleich „intim“ und seltsam distanzierend (Pain 2015). Es bleibt die Frage, ob es nicht möglich sein könne, in der Geographie des Kalten Krieges mit ihrer Bereitschaft zum Einsatz von Machtmitteln gerade das zu finden, was eine affirmative Friedenspolitik ausmacht. Nicht nur, dass Politiker auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs die Tendenz zeigten, von Frieden zu sprechen, wenn sie in Wirklichkeit

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Krieg meinten, sondern dass der Atomkrieg ausgerechnet in seiner Architektur auf Attributen auf baut, die zeitgenössische Geographen in erster Linie mit Frieden assoziieren: Freundschaft, Sorge, Mitgefühl und Liebe. Während über militärische Allianzen wie die NATO häufig mit Begriffen wie Freundschaft gesprochen wurde, sollten Zivilschutzbunker das (vielleicht doch eher vorgespielte) Verantwortungsgefühl des Staates für seine Bürger beweisen. Während Atomwaffen betreut wurden, drückten die Planer eines Atomkrieges ihre Verbundenheit zu ihren Atomwaffen in emotional oder geradezu sexuell aufgeladenen Metaphern aus (Cohn 1987). In diesem Sinne ist der geopolitische Mythos vom „langen Frieden“ eher ein wichtiger Beleg für das, was Derek Gregory (2010b: 155) in einem anderen Zusammenhang als die „tödliche Umarmung von Krieg und Frieden“ bezeichnet hat. So umgab die in diesem Buch untersuchte geopolitische Architektur als Ausdruck umfassender Sorge schützend die ungeheure Zerstörungskraft des Atomkrieges. Und während dieses Modell destruktiver Sorge bis in die Gegenwart hinüberreicht, liegt es gleichzeitig in Ruinen.

R uinenwert Die Untersuchung von Atombunkern und Sondermunitionslagern schließt sich einer langen Liste anderer Räume an, mit denen sich die politische Geographie über die letzten Jahre befasst hat, von Grenzen (Amoore 2006; Sparke 2006) bis zu Flughäfen (Adey 2008), von Flüchtlingslagern (Ramadan 2013) zu Hotels (Fregonese & Ramadan 2015) und von Off-Roadern (Campbell 2005) zu Pipelines (Barry 2013b). Einige der Räume scheinen eher statisch, andere eher mobil oder sogar fließend. Wieder andere sind eher ein Amalgam verschiedener architektonischer Archetypen. So stellt sich das Atom-U-Boot, die am besten getarnte aller Mordmaschinen, gleichzeitig als unterseeischer Wohnraum und als Verbindung von Atombunker und Raketensilo dar. Daraus lässt sich folgern, dass es sich bei Lebensraum eigentlich nicht um eine besondere Form des Raumes handelt, sondern um eine politische Logik, die sich eine ganze Reihe architektonischer und diskursiver Räume nutzbar machen kann. Von der Vorstellung einer von Stacheldraht geschützten Festung Europa bis zur Kolonisierung des Weltraums wirkt die Lebensraumidee auch heute tatsächlich sehr lebendig (Virilio 2012: 45, 67).

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Dieses Buch hat gezeigt, wie die Bundesrepublik Deutschland auf einen Atomkrieg vorbereitet wurde, und zwar ideologisch wie architektonisch. Wir haben die Wiederkehr des geopolitischen Diskurses in den 50er Jahren untersucht und dabei sehen können, wie die Umsetzung der Vorstellung vom nationalen Überleben durch die Teilhabe an der atomaren Geopolitik der NATO gewährleistet werden sollte. Wir haben uns näher mit der Fixierung der Bundesrepublik auf den Boden und hermetisch versiegelte Räumen befasst, die, wenn abgeriegelt, einen Versuch darstellten, die eigene Souveränität zu bewahren, wenn auch nur unter der Erde. Und zuletzt haben wir uns mit der selbstzerstörerischen (thanatophilen) Natur der Atomkriegsspiele befasst, an denen sich die Bundesrepublik aktiv beteiligte. Wir konnten so erschließen, dass die Fixierung auf Überlebens- und Vernichtungsräume nicht auf die frühen 40er Jahre begrenzt geblieben war, sondern bei der Planung des Atomkrieges in den 50er und 60er Jahren erneut auftauchte, wenn auch zum Glück mit deutlich weniger verheerenden Konsequenzen. Wie in den umfassenden Konzeptionen eines Friedrich Ratzel, Rudolf Kjellén und Karl Haushofer wurde der Staat während der Frühphasen des Kalten Krieges in Westdeutschland erneut als Organismus verstanden, einer Lebensform, die sich in einer Konkurrenzsituation, im Kampf ums eigene Überleben befand und deshalb den Kräften natürlicher Selektion unterworfen war. Im Zentrum der Untersuchung fanden sich zwei architektonische Archetypen – das Atomwaffenlager und der Atombunker. Während die Architektur beider Räume nicht exklusiv deutsch ist, denn Bunker und Raketenabschussanlagen gab es auch anderswo in Hülle und Fülle, versuchte dieses Buch eine alternative ‚deutsche‘ Interpretation der Entstehung des Kalten Krieges. Anstatt im Sinne der Metaphorik des amerikanischen Westens oder im Sinne des Konsumkapitalismus gestaltet und legitimiert zu sein, geschah die umfassende Stationierung von Atomwaffen in Deutschland als Wiederholung des Lebensraumprojektes, wie es zuerst von Friedrich Ratzel in der Übergangsphase zum vorigen Jahrhundert formuliert worden war. Bei diesem Prozess wurde Ratzels ursprüngliche geopolitische Logik sowohl verdreht als auch verzerrt, aber sie lebte trotzdem weiter. In diesem Sinne sollte man den autarken Raum des Atombunkers zugleich als Symbol des Kalten Krieges und des letzten Rückzugsgebietes der deutschen Geopolitik verstehen.

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Es muss aber auch klargestellt werden, dass das Ziel des Buches nicht einfach ein Vergleich – oder noch schlimmer – eine Gleichsetzung des nationalsozialistischen Genozids mit dem glücklicherweise nur hypothetischen Genozid des Kalten Krieges ist. Das beinhaltet nicht nur die Gefahr einer Trivialisierung des nationalsozialistischen Völkermordes, sondern würde auch die wesentlichen Diskontinuitäten verschleiern, die ich in diesem Buch aufgezeigt habe. Während in Ratzels Lebensraumkonzept die Bedeutung weiter, offener territorialer Räume betont wurde, gestaltete der Kalte Krieg diese Idee recht konsequent im Sinne einer Konzentration auf kleine, unterirdische Überlebensräume um und gab der Erde damit neue Bedeutung. Während taktische Atomraketenlager tatsächlich Räume darstellten, in denen Vernichtung denkbar wurde, so beruhte diese erneute industrielle Produktion der Annihilation auf einer anderen Beziehung von Bürger, Soldat und Leiche. Und zum Schluss: Während die Ruinenästhetik in der Vorstellung einer Wiederbevölkerung der radioaktiv verseuchten Ruinenlandschaft weiterlebte, war die westdeutsche Beschäftigung mit Ruinen von der sehr realen Erfahrung des Urbizids geprägt und nicht nur von romantischen Vorstellungen. Stattdessen hofft dieses Buch aufgezeigt zu haben, dass der Nationalsozialismus bei seinem Versuch der Eroberung von Lebensraum und die Bundesrepublik bei ihrem Versuch der Schaffung von Überlebensraum eine in Konzept und Politik gemeinsame Entstehungsgeschichte hatten. Damit ist dies ein Plädoyer, die grundlegende Kompatibilität der Logik des Atomkrieges mit den Ideen zu akzeptieren, die zuerst von deutschen Geographen an der Wende zum 20. Jahrhundert entwickelt worden waren und später einen offenkundigen Einfluss auf den Nationalsozialismus haben würden. Ganz ähnlich wie in den frühen 40er Jahren richtete sich dieser geo- und biopolitische Impuls in den 50er und 60er Jahren gegen die eigene Bevölkerung, denn auch die Bundesrepublik spielte zunehmend mit einer Politik der Selbstvernichtung. Die Konzentration auf den deutschen Fall soll jedoch nicht suggerieren, dass dieses Spiel mit dem nationalen Selbstmord in irgendeiner Form ethisch problematischer wäre als die Vernichtung der Städte eines Feindes. Vielmehr soll die atomare Selbstvernichtung hier als biopolitischer Fluchtpunkt und Schlussakt verstanden werden. Der Schlüssel zu der Frage, wieso die selbstzerstörerische Logik der Geo- und Biopolitik ausgerechnet in Deutschland wiederauflebte, könnte in der Überzeugungskraft der Idee eines unterirdischen Lebensraums

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liegen, die auf die Militärs und hohe Zivilschutzbeamte eingewirkt hat, und zwar sowohl als Diskurs über den Staat als auch als Möglichkeit, diesem Diskurs eine ganz konkrete architektonische Ausdrucksform zu geben. Die Geopolitik des Kalten Krieges wird oft ohne den Kontext der Biopolitik gesehen, als eine Geopolitik, die von ihrer Faszination mit militärischer Macht, Landkarten und harten, militärischen Entscheidungen geprägt gewesen sei, sich aber ansonsten von Ratzels Verständnis vom Staat als Organismus befreit habe. Wie wir aber gesehen haben, war der Staat im Kalten Krieg eben doch in das Spiel um Überleben und Vernichtung verstrickt, genau das Spiel, das für jemanden wie Ratzel sehr viel Sinn ergeben hätte. Biopolitik ist also, wie Derek Gregory anmerkt, bemerkenswert widerstandsfähig. Zwar hat sich die Terminologie der Biopolitik seit Kjelléns Tagen zweifellos verändert, sie ist aber ein wichtiger Bezugspunkt geblieben, wegen ihrer Fähigkeit, „den Einsatz militärischer Macht als wesentlich therapeutisch erscheinen zu lassen“ (Gregory 2010a: 277). Was können wir nun mit Westdeutschlands biopolitischen Ruinen des Kalten Krieges anfangen? In gewisser Hinsicht ist die Idee banal, aus der Geschichte lernen zu wollen. Kissinger meinte 1957 in einer Diskussionsrunde über den Atomkrieg, „die Lektionen aus der eigenen Geschichte richtig zu interpretieren“ sei für „jeden Nationalstaat eine seiner schwierigsten Aufgaben“ (Kissinger 1957[1968]: 16). Selbst Hitler schrieb in seinem zweiten Buch, es sei „oft unheimlich zu sehen, wie wenig die Menschen aus der Geschichte lernen wollen“ (Hitler 1928[1961]: 70f.). Aber man darf sich vielleicht trotzdem berechtigterweise fragen, ob es nicht doch eine Lehre gibt, die man aus den hypothetisch gebliebenen Ruinen des Kalten Krieges ziehen könnte. Masco (2008) vertritt die These, kein Land sei so fasziniert von Ruinen wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Bilder von Ruinen spielen in den USA eine wichtige Rolle in Politik und Kultur. In der Frühphase des Kalten Krieges wurden Ruinen zu Zeichen einer neuen sozialen Beziehung, die in Aufführungen von massiver Gewalt in allen Einzelheiten durchgeplant und geprobt wurde, als wären es Theaterstücke. Die Zielsetzung derartiger öffentlicher Übungen – Atomexplosionen, Evakuierung ganzer Städte, Deckung suchen – stellte nicht Verteidigung im klassischen Sinne dar [...], sondern eine psychologische Reprogrammierung der amerikanischen Öffentlichkeit im Atomzeitalter. (M asco 2014: 47)

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Wie schon oben erwähnt waren es aber Deutsche wie Friedrich Ratzel und Albert Speer, die die Ruine als zentralen Chronotopos der geopolitischen Welt verstanden. Selbst nach dem Zweiten Weltkrieg berücksichtigten die mit der Planung befassten Zivilschutzbeamten in Westdeutschland das voraussichtliche Erscheinungsbild von Gebäuden in ihrem Zustand als Ruinen. Kein Zufall ist also, wenn in Ziviler Luftschutz voller Bewunderung eine „Ruinenstadt“ beschrieben wird, die vom dänischen Zivilschutzdienst für Übungen bereitgestellt worden war, um ein realistischeres, greifbareres Erlebnis des Atomkrieges zu ermöglichen (Schützsack 1960). Aber anders als in den Vereinigten Staaten waren Ruinen in Westdeutschland nicht einfach Phantasievorstellungen. Während in den USA die Atmosphäre eines Atomkriegs im eigenen Land mit Hilfe filmreifer Kulissen künstlich geschaffen werden musste, konnte der westdeutsche Zivilschutz dagegen auf die unmittelbare Erfahrung der Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zurückgreifen.2 Diese traumatischen Erfahrungen der Luftangriffe bedeuteten – trotz des Tabus, das dieses Thema umgab  –, dass der westdeutsche Zivilschutz über einen ganzen Satz von machtvollen Affekten verfügte, auch wenn diese nur schwer zu kontrollieren waren. In diesem Zusammenhang muss unbedingt angemerkt werden, dass diese manipulative Mobilisierung historischer Traumata in Westdeutschland zu keiner Zeit unumstritten war (vgl. auch Biess 2009: 222). Einerseits drängte der Zivilschutz die Leser seiner Broschüren, sich nicht nur die traumatischen Ereignisse des Zweiten Weltkrieges zu vergegenwärtigen, sondern auch die positiven, wie etwa die vielen Luftschutzhelfer, die während der alliierten Bombennächte unter Einsatz ihres eigenen Lebens den Verletzten und Verschütteten beigestanden hatten (Bundesinnenministerium 1958b). Andererseits war es genau diese Erinnerung an die Luftangriffe, die wiederholt Teile der Bevölkerung mobilisierte, sich gegen den Atomstaat zu wehren. Auf diesen Widerstand wurde hier nicht sehr intensiv eingegangen – nicht, weil er historisch unbedeutend ist oder weil ich den politisch progressiven Kampf dieser Protestbewegung ignorieren möchte, der von Historikern wie Schregel (2011) und Nehring (2013) gut dokumentiert wurde. Ich hoffe vielmehr aufgezeigt zu haben, dass die Konzentration auf die nackte Thanatopolitik des Atomstaates – statt auf den dadurch hervorgerufenen Widerstand – ein besseres Verständnis der politischen Logik des Atomstaates eröffnet, der bis heute über die jetzt in Deutschland weitgehend aufgegebenen atomaren Räume des Kalten Krieges zu uns spricht.

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So bleibt eine Frage, nämlich ob es einen Weg gibt, sich mit diesen Ruinen auseinanderzusetzen, ohne sie zu ästhetisieren, ohne dabei dem für Ratzel typischen Ruinenblick zu verfallen. In gewissem Sinn ist diese Fragestellung nicht nur für den Kalten Krieg typisch, sondern hat seine Auswirkungen in einer breitangelegten Diskussion in der Humangeographie und anderswo gefunden (DeSilvey und Edensor 2012). Bunker wurden lange in diesen Debatten als uninteressant angesehen. Paul Hirst fasste das 2005 in die Worte, Bunker „werden aufgegeben, werden marode, aber Ruinen werden sie eigentlich nicht“. Stattdessen bleiben sie „massige Betonblöcke, im Erscheinungsbild immer noch so, wie sie früher gewesen sind“ (Hirst 2005: 214). In dieser Sichtweise wird aus Bunkern Schutt, nicht aber eine wahre Ruine. Heutzutage setzt die Tourismusindustrie allerdings zunehmend darauf, Atombunker im Sinne des kulturellen Erbes in Gedächtnisstätten umzuwandeln, in denen man den Kalten Krieg „begreifen“ und „erfahren“ kann, wobei häufig auch recht eigenwillige Wege gewählt werden, dem Besucher das eigene Anliegen näher zu bringen. Während Hitlers Führerbunker in Berlin wegen der Bedenken, er könne die „falsche Art“ von Erinnerung anziehen, nie ein Ort des Gedächtnisses werden durfte (Till 2005), scheinen die entsprechenden Vorbehalte gegenüber der „gefährlichen, nostalgischen Anziehungskraft“ der Bunker des Kalten Krieges nicht zu bestehen (Beck 2011: 87). So wird die Geschichte mancher Bunker, so auch des Regierungsbunkers im Ahrtal, im dortigen Museum weitgehend im Sinne einer technischen, eher apolitischen Sichtweise erklärt, wohingegen die Berliner Unterwelten einen ganz anderen Weg im Sinne einer kritischen Darstellung des Kalten Krieges versuchen. Während Deutschlands Bunker aus der Zeit des Kalten Krieges heute vergleichsweise häufig zu Gedenkstätten gemacht werden, ist das bei Raketenlagern bisher (noch) nicht versucht worden.3 Wie wir gesehen haben, wurden viele dieser Orte einfach vollständig abgerissen (siehe Abb. 7.1), sind in Vergessenheit geraten oder werden für andere Zwecke verwendet. Das kann eine ganze Reihe von Gründen haben. Zum einen liegen diese Anlagen häufig in ländlichen Gebieten und nicht in der Nähe bereits bestehender Touristenzentren. Wie in Kapitel 5 deutlich wurde, hat die NATO mit großem Nachdruck nach derart abgelegenen Orten gesucht. Andererseits gibt es eine hohe Zahl abgelegener Schlachtfelder des 20. Jahrhunderts, die trotzdem zu erstrangigen Touristenattraktionen geworden sind. Eine weitere und vielleicht überzeugendere Erklärung

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ist es, dass diese Ruinen nur schlecht zur deutschen Meistererzählung des Kalten Krieges passen, die auf die (ausdrücklich negativ bewertete) ostdeutsche Diktatur und das Ringen der Supermächte fokussiert bleibt. Meistens wird die Bundesrepublik hier als passive Schachfigur in einem globalen Spiel gesehen. Diese Einschätzung hat natürlich einen wahren Kern, denn die Bundesrepublik war tatsächlich nur ein halbsouveräner Staat. Allerdings wirft das selbstzerstörerische Wesen des taktischen Atomwaffenlagers ein bezeichnendes Licht auf die Beziehung zwischen der Bundesregierung und ihren NATO-Partnern. Mag die letztliche Implosion des Ostblocks den Kalten Kriegern in Bonn auch Recht gegeben haben, so bleibt es jedoch schwierig einem Staat, der bereit war, sich dem Tod durch eigene Hand auszuliefern, zuzugestehen, auf der richtigen Seite der Geschichte gestanden zu haben. Außerdem stellen sich wegen der taktischen Atomwaffenlager schwer zu beantwortende Fragen wegen der weiteren Stationierung von Atomwaffen im heutigen Europa. Ist der Kalte Krieg tatsächlich vorbei und welche Rolle spielt Deutschland in dem fortdauernden Konflikt mit Moskau? Es ist also möglich, dass die Ruinen des Kalten Krieges einen potentiellen Störfaktor darstellen. Ein solches Verständnis verlangt, uns von

Abb. 7.1 Das aufgegebene Raketenlager Camp Bellersdorf (Hessen) 2015.

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einem romantischen Konzept vom Ruinenwert wie dem von Friedrich Ratzel und Albert Speer zu lösen (eine Romantisierung, die wiederauferstehen könnte, wenn man sich der Ruine mit einer affirmativ-bezauberten Sichtweise nähert). Speer hätte in seiner Bewunderung antiker Architektur die Idee zurückgewiesen, es gebe irgendetwas Ästhetisches an dem Beton eines unterirdischen Bunkers oder eines Raketensilos. Trotzdem werden manche Ruinen des Kalten Kriegs heutzutage, selbstverständlich unbewusst, aus einem Ratzel’schen Blickwinkel betrachtet – als Überbleibsel eines destruktiven, aber notwenigen Überlebenskampfes. Tatsächlich werden viele der ehemaligen Anlagen des Kalten Krieges von ehemals dort stationierten Soldaten oder anderen Interessierten besucht, von denen viele für diese Stätten nostalgische Gefühle entwickeln. Grundlegend dafür, sich von dieser Ästhetisierung der Ruine zu befreien, ist Walter Benjamins Ansatz, dass die Ruine als „Allegorie“ und nicht als „Symbol“ verstanden werden muss, wobei letzteres gefangen bleibt in der Schönheit des Untergangs (Benjamin 1977: 178). Damit wird Speers auf einer rein temporalen Ästhetik beruhende Ruinenwerttheorie zu den Akten gelegt – ein letztlich unhistorischer, kitschiger Blick von der Zukunft auf die Gegenwart, bei dem davon ausgegangen wird, dass zukünftige Generationen unsere Gegenwart so sehen werden, wie wir heute auf die Ruinen der römischen Antike blicken (Stead 2003). Für Benjamin dagegen steht die Ruine sowohl für einen Modus der Kritik als auch für die Mahnung an die Hinfälligkeit und Vergänglichkeit des Lebens, das der Natur zurückgeben werden muss. Hier bringt die Ruine interessanterweise eine auffallende Spannung innerhalb der Geopolitik des Kalten Krieges zum Vorschein. Denn die Geopolitik des Kalten Krieges ist als Diskurs über den Raum und als Diskurs im Raum von einem zyklischen und zugleich apokalyptischen Verständnis von Zeit geprägt. Einerseits bestanden die Geopolitiker im Kalten Krieg ebenso wie ihre deutschen geopolitischen Vorgänger darauf, dass Weltgeschichte nie mehr als eine immerwährende Umverteilung von Macht darstelle. Kein Staat, nicht einmal eine Supermacht, könne die eisernen Gesetze der Weltpolitik ändern, wie etwa den Kampf um Raum. Andererseits wurde von allen – bis vielleicht auf die härtesten Kalten Krieger – anerkannt, dass das Wettrüsten zumindest die Gefahr eines zufälligen Weltuntergangs miteinschloss, ausgelöst vielleicht durch eine Fehleinschätzung oder einen technischen Fehler. Obwohl die bipola-

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re Machtverteilung und die Drohung gegenseitiger Vernichtung oft als Grundlagen für eine besonders stabile Weltordnung und 40 Jahre Frieden, zumindest in Europa, angesehen werden, drückte sich diese Epoche atomarer Geopolitik in einer von Ängsten besetzten Landschaft von Raketensilos, Frühwarnsystemen, U-Boot-Bunkern und Atombunkern aus, deren jeden Rahmen sprengendes Ausmaß den Gedanken nahelegt, dass sich hier irgendjemand doch auf die Apokalypse vorbereitete. In dieser zweiten zum Atomkrieg gehörenden Zeitlichkeit wird die geopolitische Logik des Ruinenwerts aufgegeben, wie er von Ratzel, Speer und anderen formuliert worden war. Denn Benjamins Begriff der Ruine impliziert ja die Möglichkeit einer Welt ohne Menschen, auch wenn er es selbst so nicht formuliert hat; das ist eine Vorstellung, die den Kampf gegen die Atombombe im Kalten Krieg mit dem Kampf gegen den anthropogenen Klimawandel unseres Zeitalters verbindet. So haben die Ruinen des Kalten Krieges die Kraft, ein zyklisches Verständnis der Geschichte infrage zu stellen, das im Kern der modernen geopolitischen Vorstellungswelt zu finden ist.

E ndnoten 1 | Man beachte auch, dass Latour selbst bei dem Geopolitiker Carl Schmitt und seiner nicht unproblematischen Freund-Feind-Unterscheidung intellektuelle Anregungen bekommen hat (Latour 2013). Dies betont die Tradition der deutschen Geopolitik als einen bis heute wichtigen Bezugspunkt für Wissenschaftler und Schriftsteller mit verschiedenartigsten Zielsetzungen. Das Hauptinteresse ist bei denen zu finden, die der Renaissance geopolitischer Ideen im wiedervereinigten Deutschland nachgegangen sind (Bach & Peters 2002; Bassin 2003; Behnke 2006; Ciuta˘ & Klinke 2010; Hoffmann 2012; Murphy & Johnson 2004; Reuber & Wolkersdorfer 2002). 2 | Im Vergleich zur US-amerikanischen war die westdeutsche Zivilverteidigung deutlich weniger nationalistisch. Für die deutsche Verwaltung gedachte Übersetzungen US-amerikanischer Dokumente zeigen eine erheblich nationalistischere Diktion mit Referenzen zur Mythologie des amerikanischen Nationalismus (founding fathers etc.). 3  | Man beachte auch die gewaltsame Art und Weise, wie mit den staatlichen Bauten der ehemaligen DDR nach der Wende umgegangen worden ist (Colomb 2007).

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Index

Abhörstationen 37 Abschreckungsdoktrin 140 Adenauer, Konrad  22-25, 82-83, 88-89, 94, 99, 132, 141-144, 161162, 185, 195 Agamben, Giorgio  26, 27, 28, 29, 31, 32, 33, 44, 65, 66, 67, 119, 123, 124, 130, 133, 157 homo sacer  28, 160 Ahr  121, 126 Alten-Buseck 138-140 Arabisch-israelischer Konflikt  26 Association of American Geographers 80 Atlantikwall  32, 68-69, 71, 110, 122 Atombunker  8, 10, 13, 33-34, 38-40, 42-44, 49, 69, 73, 106, 110, 120, 122-124, 127, 130-131, 133-134, 166-167, 181-182, 200201, 205 Ästetik des Verschwindens  181 Beziehung zum Lager  127 geo- und biopolitischer Raum 134 Temporärer Raum des Übergangs 131 Atomic Annie  142, 163

Atomkrieg  9-11, 13, 24, 27, 41-43, 69, 87, 92-93, 95, 97-99, 108109, 116, 124-125, 133, 135, 137, 142, 150, 153-157, 161, 168, 170, 176, 180-181, 184-185, 187, 190, 193, 196, 199-201, 203-204, 208 Begrenzter Atomkrieg  168 Psychoanalyse  173, 176 Atomkriegsuhr 144 Atomminen  159, 168 Atomraketen  151, 157-158, 161-162, 195 Atomraketenlager siehe auch Atomraketen; Atomraketensilos; Raketensilos; Kernwaffenlager Kategorien  30, 35, 146 Leben in  42, 46, 133 militarische Ziele  158 öffentliche Kontrolle Raum ohne Volk  130, 134, 153 Räume der Selbstvernichtung 159 Räume der Vernichtung  10, 137 taktische Atomraketen  43, 140, 145, 153 überlappende Souveräntäten  149-150

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Atomraketensilos  25, 49, 158 Atomwaffen  10, 13, 23-25, 40, 73, 80, 92, 94, 98, 100, 123-124, 131-134, 139-151, 153, 155-158, 162163, 166-167, 169, 176, 179-180, 185-186, 188, 191, 195, 197-201, 206 Lagerung  110, 146-147, 150 Mittelstreckenwaffen (Pershing II) 145 (souveräner) Einsatz  43, 123, 130, 133-134, 154, 160 taktisch  10, 25, 43, 85, 139-140, 142, 144-145, 153, 155-157, 191, 194, 202 Atomwaffenlager siehe auch Atomraketenlager Atomwaffentestgelände 37 Auschwitz  29, 33, 64, 66, 68, 94, 122-123, 128, 156-157 Ausnahmezustand  28, 43, 6566, 123-124, 131, 133, 140, 154, 170, 175 Ausrottung  12, 18, 41 Autarkie  18, 41-42, 49, 73, 87, 113 Autobahnen  61, 165, 169, 199 B61 Bomben  193-194 Ballistische Raketen (V2)  75 Bau von Sirenen  116 Belgien 142 Belzec 64 Benjamin, Walter  207-208 Berlin  40, 45, 61-63, 122-123, 128, 135, 137, 172, 180, 183, 190, 195, 205 Berliner Unterwelten  205 ‚Kontinentale Metropole‘  63

Beton  7-8, 32-33, 38, 48, 60-61, 74, 95, 114-115, 139, 207 Biopolitik  9-11, 13, 15, 17, 20-21, 26-31, 34, 37-38, 40, 43-44, 4849, 54, 67, 72, 80, 93, 118, 121, 123, 130-131, 133, 135, 140-141, 154, 159, 161, 163, 172-173, 181, 184, 188, 202-203 Agamben zum Thema:  26-29, 31-33, 44, 65-67, 119, 123-124, 130, 133, 157 Beziehung zur Geopolitik  199 Foucault zum Thema:  26-27, 29, 37, 118, 159 Kalter Krieg  26 Kjellén  17-18, 29-30, 41, 51-52, 54-57, 94, 97, 106, 201, 203 nationalsozialistisch  18, 21, 5253, 59, 62-63, 67-68, 70-71, 73, 78, 82, 127 Regierungsform 161 Blitzkrieg (Taktik)  46 Blumentritt, Günther  87-90, 101, 179-180 Blut und Boden  30, 45, 52, 55 Born, Max  144 Bowman, Isaiah  78 Brandt, Willi  100 Bratton, Benjamin  33, 70-71 Braun, Wernher von  61, 130 Büchel 193-195 Buchenwald  108, 121 Budapest 109 Bulletin of Atomic Scientists (Zeitschrift) 220 Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz  91, 109, 112, 114, 115-116, 118, 128, 132

Index

Bundesinnenministerium 109110, 112, 117, 119-122, 124-126, 128, 131-132, 182, 204 Bundesministerium der Verteidigung  131, 142-143, 148-151, 154, 155, 158, 163 Bundesrepublik Deutschland  20, 42, 62, 89, 129, 140, 201 Atomwaffen  186, 188, 191, 195, 197-201, 206 Außenpolitik  18, 22, 31, 78-79, 81, 84, 100, 102, 120 Zivilverteidigung  36, 41, 44, 81, 91-92, 107-110, 112-117, 130135, 188, 208 Bundestag  77-78, 116, 129, 143, 161, 169-170 Bundeswehr  22, 41, 47, 89, 91, 98, 114, 118, 134, 143, 154-155, 158, 162, 167-168, 184 Bunker s.a. Luftschutzbunker; Atombunker Anti-Städte 70 Bunker und Lager  32, 41, 70-71 Hochbunker 109 Mehrzweckanlagen 110 militärische Anlagen  68 nach dem 2. Weltkrieg  19, 77, 80, 91, 204 private Bunker  117 Schutzraum  47, 106, 114, 117, 119 Tests  128, 131, 167 Türen  18, 52, 97, 106 unterirdisch 96 Virilio (zum Thema Bunker)  8, 25-26, 32-34, 44, 69-71, 181, 186, 200

Zivile Luftschutzbunker  69 Busse, Theodor  122, 182 Camp Pydna  194 Christaller, Walter  60, 101 Chronopolitik 39 Clausewitz, Carl von  98 Cohen, Saul B.  80 Corporal 144 Daitz, Werner  18, 54 Darwinismus 33 DDR siehe Deutsche Demokratische Republik Dehio, Ludwig  93 Dekontaminierung  42, 129 Deutsche Demokratische Republik (DDR) 19 Geheimdienst  146, 147, 167, 170 Nichtanerkennung 144 Deutsche Geopolitik  17-18, 33, 4748, 50, 52-55, 58, 70, 72-73, 78, 83, 86, 89, 93, 97, 99 Tod, Leitmotive  54ff Wiederaufleben in den 50er und 60er Jahren  20, 39, 41, 81, 106, 108 die-ins 145 Drittes Reich  9, 20, 24, 31, 41, 48, 60, 64, 68-69, 71, 88, 159, 189 Architektonische Räume  71, 197 Rassentheorie  19, 50, 54 Selbstzerstörung  72, 157, 166, 170, 190 territoriale Grenzen  74

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Dwinger, Edwin Erich  188-189, 191 Dynamik von Land- und Seemacht  42, 83, 98 Ebeling, Werner  158 Eisenhower, Dwight D.  80 Eiserner Vorhang  108, 137, 140, 143, 158, 170, 199 Elbe  22, 91, 103, 158 Elden, Stuart  30, 35, 44, 52, 74, 198 Entmilitarisierung Erdlöcher  114, 118 Esposito, Roberto  30, 32-33, 43, 51, 66-67, 72, 134, 154 Euthanasie 67 Fallex 66 (NATO-Manöver)  43, 165-172, 175, 179-180, 181-182, 184-185, 187, 189-191 Flüchtlingslager 200 Foreign Affairs (Zeitschrift)  79 Forty, Adrian  8, 61 Foucault, Michel  26-27, 29, 37, 118, 159 Genozid  55, 202 Freud, Sigmund  8, 39, 44, 166, 176-179, 181, 183, 189-190 ‚Fort-Da‘ Spiel  43, 166, 178-179, 181, 185, 187 Jenseits des Lustprinzips  173, 178, 189 Todestrieb  177-178, 185-186 Friedensbewegung  124, 132, 140, 143-145, 165 Führerbunker  69, 123, 182, 205 Fulda Gap  137

Genozid  55, 202 Geopolitik  9-14, 17-22, 29-31, 33-37, 39-41, 44, 46-56, 58-60, 70, 72-74, 77-89, 93-95, 97-101, 103, 105-106, 123, 127, 135, 140, 143, 153, 159, 161-162, 166, 172175, 181, 185-186, 188, 198-199, 201, 203, 207-208 atomare Geopolitik  161 Aufstieg  17, 39, 48, 62 Britische 17 klassische  35, 198, 203 ludische  169, 173, 187 Materialität  10, 34, 35, 38, 59 Nach dem 2.Weltkrieg  19, 77, 80, 91, 204 United States  93 urbane  44, 116 Wiederaufleben in Deutschland nach 1945  41 zur Biopolitik  26, 29 Goebbels, Joseph  49, 71 Göring, Hermann  68 Gregory, Derek  26, 66, 159, 190, 198, 200, 203 Grenzen  25, 35, 41-42, 44, 46, 61, 63, 74, 79, 81, 90, 102, 109, 121, 123, 150, 154, 159, 185, 200 Eiserner Vorhang  108, 137, 140, 143, 158, 170, 199 Grenzkontrollregimes 26 Grenzvolk 92 organische Natur  55 Griechenland  28, 91 Großraum  52, 70 Großraumplanung 107 Guantanamo Bay  124

Index

Guderian, Heinz  41, 45-47, 85, 86, 87, 115 Hallstein Doktrin  144 Hampe, Erich  41, 47, 91-92, 9697, 107, 112, 116, 120 Raumplanung  106, 116 Haubitzen  139, 144 Haushofer, Albrecht  82 Haushofer, Karl  11, 17-21, 30, 41, 44-45, 49-60, 62-63, 65, 74, 77-78, 80, 82-83, 92-93, 95, 101, 105-107, 112, 165, 185-186, 201 Wehrgeographie 112 H-Bombe  131, 141 Heefner, Gretchen  13, 37, 141, 197 Heisenberg, Werner  144 Herero 55 Heß, Rudolf  49 Heusinger, Adolf  89, 134, 143, 162 Heuss, Theodor  77 Himmler, Heinrich  49 Hiroshima  11, 96 Hirst, Paul  37, 205 Hitler, Adolf  18, 49-50, 52-53, 61-63, 67-72, 74, 78, 87, 89, 122, 123, 135, 159, 161-162, 172, 181-183, 195, 203, 205 Mein Kampf  18, 49, 52, 61, 70 Holocaust  29, 34, 38, 42, 72, 127, 159, 176, 182, 190 Nuclearer Holocaust  38, 42 Honecker, Erich  170 Honest John  139, 144, 163 Huta AG  123 ICBM siehe Interkontinetalraketen Iglus (Bunker)  147

Institut für Geopolitik  18 Interkontinentalraketen (ICBM) 197 Irak 26 Israelische Siedlungen  159 Italien 142 Jagemann, Erhard  89, 101–102 Jordan, Pascual  94-95, 132 Juden  54, 61, 64, 67, 70, 94 konstruiert als Krebsgeschwür  54 Kalter Krieg  26 Architektur  9-10, 14, 32, 34-37, 40, 42, 48, 59-62, 64, 67, 100, 131, 145-146, 150, 154, 156, 199201, 207 Biopolitik  9-11, 13, 15, 17, 20-21, 26-31, 34, 37-38, 40, 43-44, 4849, 54, 67, 72, 80, 93, 118, 121, 123, 130-131, 133, 135, 140-141, 154, 159, 161, 163, 172-173, 181, 184, 188, 202-203 Geopolitik  9-14, 17-22, 29-31, 33-37, 39-41, 44, 46-56, 58-60, 70, 72-74, 77-89, 93-95, 97-101, 103, 105-106, 123, 127, 135, 140, 143, 153, 159, 161-162, 166, 172175, 181, 185-186, 188, 198-199, 201, 203, 207-208 Überlebensraum  105, 107, 115, 202 Zivilverteidigungsprogramm  98, 134 Kampagne für nukleare Abrüstung (CND)  144 Kartographie  73, 197

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Bunkerrepublik Deutschland

Kennan, George F.  79, 84, 101, 102 Kernexplosion 118 Ketrzyn siehe auch Rastenburg Kiesinger, Kurt Georg  77 Kissinger, Henry  79-80, 203 Kjellén, Rudolf  17-18, 29-30, 41, 51-52, 54-57, 94, 97, 106, 201, 203 Kolonialismus  31, 44, 58, 60, 200 Kommunismus  91, 93, 187 Kontinentaler Kreis  89 Konzentrationlager siehe auch Lager; Todeslager; Vernichtungslager als Teil der europäischen Geschichte 87 Topographie 66 Krefelder Appell  145 Kreis, Wilhelm  63 Kreuzzüge 52 Krieg gegen den Terror  26, 29 Kriegsgefangenenlager 31 Kriegsspiel  9, 165, 166, 169, 171172, 187 Laclau, Ernesto  29 Lager siehe auch Konzentrationlager; Todeslager; Vernichtungslager Ausnahmezustand  28, 43, 65-66, 123-124, 131, 133, 140, 154, 170, 175 Lager als politische Technologie 66 Lager und Bunker  127

Landkarten 203 Landschaft, siehe auch Gelände  36, 61, 73, 93, 123, 140, 146, 162, 208 Latour, Bruno  195, 198, 208 Lebensraum  9, 14, 17-18, 21-22, 28, 30-32, 36, 38, 41-42, 45-55, 57-68, 70, 73-74, 79, 81-83, 86, 94-95, 105-108, 115, 127, 129-130, 134, 159, 162, 182, 184, 187, 200, 202 Bowman 78 Haushofer  11, 17-21, 30, 41, 4445, 49-60, 62-63, 65, 74, 77-78, 80, 82-83, 92-93, 95, 101, 105107, 112, 165, 185-186, 201 Nationalsozialismus  11-12, 19, 29-31, 37, 60, 62, 69, 72, 82, 87, 202 Ratzel  11, 17-19, 21, 39, 41, 44, 50-60, 63, 65, 71, 74, 77, 80, 92, 95, 98, 105-106, 110, 115, 127, 137, 156, 161, 185-186, 201-205, 207-208 Schmitthenner  82, 89, 102 vertikale Dimension  35-36 Zivilverteidigung (Planung)  36, 41, 44, 81, 91-92, 107-110, 112-117, 130-135, 188, 208 Liddell Hart, Basil  99 Life (Magazin)  22 Löfken, Alexander  106-107, 135 ludische Geopolitik  173 Luftschutzbunker  8, 68-69, 73, 116 Mackinder, Halford  17, 73, 78, 83, 105

Index

Marienthal  105, 122-123, 125, 127130, 135, 165 maritimer Kreis  89 Marschflugkörper (V1)  121 Masco, Joe  11, 37, 114, 117, 133-134, 153, 181, 203 Matador 144 Materialität  10, 34, 35, 38, 59 geopolitisch  17, 22, 41, 48, 62, 63, 77, 106, 173 kulturell 32 Mazower, Mark  29 McCloy, John J.  87 McNamara, Robert  99 MI6 Hauptquartier  182 Miksche, Ferdinand Otto  91, 98-99, 103 Militärische Anlagen  68 militärisches Gelände  37, 100, 162 Militarismus  9, 62, 153, 174 Minuteman Raketen  13 Mittelbau-Dora 121 Mittellage  42, 46, 49, 81, 86, 91, 98, 106 moderne Kriegsführung  36, 132-133 Monowitz (Arbeitslager)  122 Morgenthau, Hans  79, 84, 101 Moskau  46, 109, 145, 206 Namibia 55 Nation  17, 30, 51, 54-58, 61, 71, 89, 94, 98-99, 102, 106, 110, 112-113, 135, 140, 155, 168, 183, 185-186, 188 nationales Überleben  12, 41, 72

Autarkie  18, 41-42, 49, 73, 87, 113 moralisches Prinzip  79 Nationalsozialismus  11-12, 19, 29-31, 37, 60, 62, 69, 72, 82, 87, 202 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)  49, 77 Nationalstaat  11, 18, 51, 97, 203 Autarkie  18, 41-42, 49, 73, 87, 113 Autonomie  160, 179 NATO siehe auch Nordatlantikpakt NATO-Draht  38, 159 NATO-Oberkommandierende US (US Commander in Chief Europe) (USCINEUR)  149 natürliche Ressourcen  48, 84 natürliche Selektion  80 Nedelmann, Carl  184, 185 Nekropole 63 Netz, Reviel  64-66, 157, 159-160 Neutralität  24, 86, 89, 113 Niederlande 142 Nomos (Ordnung des Raumes)  52, 101 Nordatlantikpakt (NATO)  10, 22, 24-25, 39, 42-43, 47, 85, 87, 89, 93, 99, 120, 123-124, 128-129, 137, 139-147, 151-152, 154, 158-159, 165-170, 175, 180-181, 184-185, 188, 191, 193-195, 200-201, 205-206 Atomwaffenprogramm (Bundesrepublik)  24, 141 Erstschlagsdoktrin 25 nukleare Teilhabe  141

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Sondermunitionslager 43, 138, 145-146, 149, 151-153, 156-157, 159, 162, 193-194, 197 Notstandsgesetzgebung  42, 124, 129, 169 NSDAP siehe auch Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nukleare/atomare Selbstvernichtung 202 Nukleare Teilhabe  141 Oberstes Hauptquartier der alliierten Mächte Europa (Supreme Headquarters Allied Powers Europe) (SHAPE)  143, 147149, 163 Osteuropa  9, 31, 41, 55, 67, 81, 194 Ostpolitik 144-145 Pazifismus  106, 161 Peenemünde 61 Pfeffer, Karl Heinz  82-83 Point Alpha  137, 139 Politik der Stärke  22 Politische Geographie  12, 19-20, 26, 29, 35, 48, 73, 82, 101, 175, 200 Preußen 93 Prora (KdF - Seebad)  61 Psychoanalyse  173, 176 psychologische Kriegsführung  168 radioaktive Verseuchung  132 RAF siehe auch Rote Arme Fraktion

Raketensilos  36-37, 141, 157, 207208 Ramcke, Bernhardt  85, 101 Raskin, Marcus  156, 161, 162 Rasse  26-27, 46, 52, 54, 155 Rastenburg (Ketrzyn, Polen)  123 Ratzel, Friedrich  11, 17-19, 21, 39, 41, 44, 50-60, 63, 65, 71, 74, 77, 80, 92, 95, 98, 105-106, 110, 115, 127, 137, 156, 161, 185-186, 201205, 207-208 Raum  10-12, 17, 18, 28, 30-32, 34, 36, 38, 44-45, 48, 50-57, 59-61, 64,-68, 72-73, 81, 85, 87, 89, 101-102, 106-107, 118, 123-128, 130-131, 133-134, 140, 145, 147, 150, 153-154, 156-157, 159-160, 162-163, 171, 180-181, 197, 201, 207 Raum ohne Volk  130, 134, 153 Realismus  174, 198 Rebstock (Lager)  121 (rechtlicher) Ausnahmezustand  28, 65-66, 123-124, 131, 154, 170, 175 Rhein  22, 45, 105, 158 Rheinland 105-106 Ribbentrop, Joachim von  49 Ross, Amy  199 Rote Armee Fraktion (RAF)  151 Ruge, Friedrich  41, 47, 85, 8890, 95-96 Rügen 61 Said, Edward  197 Samhaber, Ernst  95 Savaecke, Theo  122 Schlögel, Karl  19

Index

Schmid, Carlo  100 Schmidt, Helmut  144-145 Schmitt, Carl  28, 44, 52, 57-58, 60, 65, 74, 78-79, 92, 101, 208 Schmitthenner, Heinrich  82, 89, 102 Schöller, Peter  84, 101 Schutzräume  114, 116 Schweiz 116 Schweppenburg, Leo Freiherr Geyr von  77, 96, 102 Sebald, W. G.  183 Seemacht  17, 42, 49, 53, 83, 8586, 89-90, 94, 98 Segal, Hanna  176, 185 Selbstvernichtung  38, 43, 140, 159, 166, 172, 176, 179, 184, 202 Atomraketenlager  38, 43, 73, 140, 145, 153-154, 157-158, 202 Shea, Jamie  194 Sobibor 64 Soldaten  7, 29, 38, 68, 81, 96, 105, 118, 119, 143, 148, 149, 150, 154, 157, 158, 163, 177, 188, 194, 199, 207 Sondermunitionslager  43, 138, 145-146, 149, 151-153, 156-157, 159, 162, 193-194, 197 Souveränität  28, 57, 65, 79, 124, 154, 166, 179, 187, 201 Sowjetunion  9, 22, 24, 46, 58, 64, 71, 77, 81, 85-89, 93-94, 96, 102, 114, 123, 145, 158, 160-161, 169, 180, 188 Speer, Albert  61, 62, 63, 67, 68, 75, 112, 182, 186, 204, 207, 208 Speidel, Hans  93-94, 162

Sperrgebiet  150-151, 154 Spieltheorie 173-174 SS20 Waffen System  145 Staat  9, 10, 11, 12, 17, 18, 22, 24, 25, 30, 31, 36, 39, 42, 48, 51, 54, 55, 57, 65, 67, 71, 82, 86, 87, 90, 93, 94, 99, 105, 106, 107, 109, 110, 113, 115, 119, 122, 124, 130, 142, 154, 158, 180, 184, 186, 187, 199, 201, 203, 206, 207 als Organismus  12, 18, 31, 54, 80, 86, 93, 94, 107, 110, 201, 203 imperialistischer Staat  82 Moderner Krieg  10 Selbstversorgung 52 Überlebenskampf 207 Verfall 58-59 Stacheldraht  8, 60, 66, 159, 160, 193, 200 Stasi  40, 170, 190 Strauss, Franz-Josef  161 Strausz-Hupe, Robert  78 Strontium 132 T4 Programm  67 Taktisches Luftwaffengeschwader 193-194 Technisches Hilfswerk (THW) 106 Tempelhof (Flughafen)  61 Territorialer Revisionismus  107 Thanatophilie  56, 186 Thanatopolitik  29, 41, 48, 67, 72, 204 thermonukleare Waffen  193 Thompson, E.P.  140-141, 155-156, 161-162

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Bunkerrepublik Deutschland

Thüringen 121 Time (Magazin)  22 Tod  8, 17, 18, 21, 27-29, 34, 54-57, 59, 67, 72, 79-81, 118, 127, 141, 161, 183, 186, 206 Todeslager  28, 31-34, 43, 64, 73, 156, 157, 160 Todestrieb  177-178, 185-186 totale Verteidigung  92 Totaler Krieg  46, 133 Treblinka 64 Trump, Donald  195 Türkei  91, 142 Überleben  9, 11-13, 17-21, 27, 32, 33, 37-42, 44, 47-48, 50, 52, 56-58, 64, 70-73, 79, 88, 91-92, 94-95, 97-98, 100, 105-108, 113-114, 119-120, 125, 130, 135, 140-141, 153-154, 156-157, 163, 181, 196, 197, 201, 203 Überlebenskampf 207 Überlebensräume  21, 202 Überlebensraum  105, 107, 115, 202 Übervölkerung  17, 51, 84 Ukraine 194 Ulbricht, Walter  170 Unterirdische Räume  44 Unterirdische Städte  95, 132 Unterirdischer Lebensraum  94 Urbizid  39, 166, 175, 187, 189, 202 V2 Raketen  130 Vereinigte Staaten  18, 22, 74, 78, 80, 88, 91, 116, 124, 131, 142, 144, 158, 170, 179, 188-189, 195, 203-204

Vereinigtes Königreich  167, 189 Vernichtung  9-11, 20, 21, 25, 27, 30, 33-34, 37-38, 40-41, 43, 47-48, 54-58, 61, 64-67, 70-74, 79, 91, 100, 119, 130-131, 135, 137, 143, 154-157, 159-160, 166, 177, 181-190, 197, 202-203, 208 Vernichtungslager  64-65, 128, 133 Virilio, Paul  8, 25-26, 32-34, 44, 69, 70, 71, 181, 186, 200 Vivos 196 Völkermord  26, 29, 71, 155, 185 Völkersterben 82 Vowinckel, Kurt  18, 47, 82, 83 Wachtürme  7, 129, 140, 157 Waltz, Kenneth  80 Warschauer Pakt  10, 25, 43, 158, 168 Wassermann, Felix  83 Wehrgeographie 112 Wehrmacht  68, 70-71, 85, 89-91, 93, 122, 159, 162 Weizman, Eyal  10, 35, 36 Wenck, Walther  122 West Bank  223 Westbindung  22, 83, 86, 88, 142, 144 Wiederbewaffnung 240 Wintex 85 (NATO-Übung)  124, 180 Wolfsschanze  122, 172 Woodward, Rachel  36, 139 Zeitschrift für Geopolitik  18, 41, 47, 77, 82, 84-86, 93, 95, 98, 100-101

Index

Ziviler Luftschutz (Zeitschrift)  112, 134, 204 Zivilverteidigung  36, 41, 44, 81, 91-92, 107-110, 112-117, 130-135, 188, 208 Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz  91, 109, 112, 114, 115-116, 118, 128, 132 Schulungshandbuch 114

und Biopolitik  9-11, 13, 15, 2021, 30-31, 34, 40, 43, 48-49, 54, 121, 133, 172-173, 181, 184, 202 Zwangsarbeit 67 Zwangsarbeit / Sklavenarbeit  64, 67 Zwangshandlungen / Triebhandlungen 183

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Geographie Iris Dzudzek

Kreativpolitik Über die Machteffekte einer neuen Regierungsform des Städtischen 2016, 388 S., kart. 34,99 € (DE), 978-3-8376-3405-1 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3405-5

Veronika Selbach, Klaus Zehner (Hg.)

London – Geographien einer Global City 2016, 246 S., kart. 29,99 € (DE), 978-3-8376-2920-0 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-2920-4

Antje Schlottmann, Judith Miggelbrink (Hg.)

Visuelle Geographien Zur Produktion, Aneignung und Vermittlung von RaumBildern 2015, 300 S., kart., zahlr. z.T. farb. Abb. 29,99 € (DE), 978-3-8376-2720-6 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-2720-0

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Geographie Christine Scherzinger

Berlin – Visionen einer zukünftigen Urbanität Über Kunst, Kreativität und alternative Stadtgestaltung 2017, 350 S., kart. 34,99 € (DE), 978-3-8376-3717-5 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3717-9

Nicolai Scherle

Kulturelle Geographien der Vielfalt Von der Macht der Differenzen zu einer Logik der Diversität 2016, 296 S., kart. 34,99 € (DE), 978-3-8376-3146-3 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3146-7

Raphael Schwegmann

Nacht-Orte Eine kulturelle Geographie der Ökonomie 2016, 180 S., kart. 24,99 € (DE), 978-3-8376-3256-9 E-Book: 21,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3256-3

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