Brutus und Collatinus: Trauerspiel [Reprint 2018 ed.]
 9783111491684, 9783111125268

Table of contents :
Vorwort
Brutus und Collatinus
Personen
Erster Akt. Das römische Forum
Zweiter Akt. Gemach in Collatia
Dritter Akt. Gemach in Collatia
Vierter Akt. Vorhalle des Tempels, kurze Decoration. Der Hintergruild geschlossen
Fünfter Akt. Auf dem capitolinischen Hügel

Citation preview

Brutus und Collatinus.

Trauerspiel von

Albert Lindner.

Berlin. Druck und Verlag von Georg Reimer.

1866.

Das Recht, über die Aufführung, sowie Uebersetzung des Trauer­ spiels zu verfügen, bleibt dem unterzeichneten Verfasser vor­ behalten. Albert Lindner.

Dieses Buch widmet

Eduard Devrient

hochachturigsvollsl

Vorwort. SDte deutsche Presse hat vorliegender Dichtung bisher nur einmal eine flüchtige Betrachtung geschenkt, und zwar damals, als die im September 1865 in Heidelberg tagende Versammlung von Philologen sie zur Festvorstellung gewählt und auf der Carlsruher Bühne dargestellt gesehn hatte. Die Referate, die aus jenem Kreise in die Blätter gingen, waren kühl und vorsichtig.

„Der Verfasser ist u. s. f., der mit einem

so schwierigen Vorwurfe debütiren zu dürfen glaubt," hieß es in einer süddeutschen Zeitung. glaubt."

„Debütiren zu dürfen

Was für eine verwünscht feine Kathederphrase!

Von der zünftigen Tageskritik ist Brutus und Collatinus im Ganzen noch einsilbiger behandelt worden; verzeihlicher Weise, weil das Buch noch nicht erschienen war.

Man be-

und verurtheilte das Werk nach seinem geschichtlichen Sujet. „Academische Poesie!" das mag der Gesammtsinn aller der Erwähnungen sein, die mir von Seiten der Feuilletonkritik zu Gesicht gekommen sind. Da die Sache eine viel allgemei­ nere Bedeutung für die dramatische Kunst hat, so mag die Veröffentlichung meines Dramas als Gelegenheit dienen, ein Wort darüber zu äußern.

VI

Es giebt eine kritische Partei, die der Kunst, der sie das Banner trägt, das Prädicat „modern" ausdrücklich vorbehal­ ten wissen will. Es ist ihre Forderung, daß der Stoff der dramatischen Kunst einer Sphäre angehöre, die dem Verständ­ niß der Menge ohne sonderliches Studium offen steht, daß der Dichter auf den Culturbedingungen seiner Zeit stehe, d. h. auch wol, wenn es sein muß, aus ihrer Misere her­ ausarbeite. Diese Partei richtet von vornherein den Dichter nach seinem Stoffe. Das thut nun zwar auch schon die Reelame und die handwerksmäßige Recension, da sie wol weiß, daß der große Haufe nur stofflich zu genießen versteht. Da aber hinter diesem Programme einige unserer achtbarsten Namen stehn, die in der Verfechtung ihrer Grundsätze mit Geschick und Methode verfahren', so ist die Sache bedeutend genug, um ihr mit Ernst zu begegnen. Es ist nun schon von vornherein! falsch, das größere Gewicht künstlerischer Schätzung auf die Natur des Stoffes zu legen; denn seit Aristoteles hat das Wie, nicht aber das Was als oberstes Princip für die Kunst gegolten, und wird es in alle Ewigkeit gelten. Sodann aber liegt die Gefahr nahe, daß diese Ansichten, von unberufenen Richtern gehandhabt, direct die Verschlechterung des Geschmacks, die Verwöh­ nung des Publicums auf dem Gewissen haben. Ich verweise auf die Lobpreisungen der Tagesproducte aller Art in den Theaterblättern, die oft kaum anders zu verfahren vermögen, weil mehr dazu gehört, künstlerische Form zu richten, als das rohe Material. Aber auch gehandhabt von systematischen Kritikern und zur wirklichen Theorie erhoben, legen diese Anschauungen der Individualität' und freien Neigung des

VII

Künstlers Fesseln auf, die, wo die Natur des „modernen" Stoffes nicht zufällig der Natur des Dichters homogen ist, alle Bedingungen eines vollblütigen, urwüchsigen Productes in Frage stellen. Im Ganzen läßt sich die Wahl der heutigen Dramen­ stoffe als eine dreifache bezeichnen. Da haben wir die Local­ posse der großen Hauptstädte, woran sich der Cancan der Gallmeyer, die Offenbachsche Oper und andre Geschwister unsauberer Art anreihen. Da haben wir die antikisirende Tragödie, die die Bibel, die Griechen- und Römerwelt mit mehr oder weniger Erfolg bearbeitet. Und endlich das bür­ gerliche moderne Rührspiel, das lohnendste Genre, wie bei der Firma Birch, Arthur Müller u. s. w. zu erfragen. Und welches ist nun die rechte? Dramatischer Dichter, der du mein Leser sein solltest, frage deine Schiller und Lessing ja nicht darnach, wenn du auf das sic volo! der heutigen Kri­ tik und — Publica blind zu schwören gewohnt bist. Laß dich aber von Kritik und Publicum ja nicht irren, wenn du Glauben und Vertrauen auf deine Schiller, Göthe und Les­ sing dir noch bewahrt hast. Denn wenn diese Meister nach dem höchsten Gesetze gesucht haben, das in ewig stäter Art wie der Stern stehn muß über der brodelnden Dunstwelt augenblicklicher Meinungen, wenn Schiller dieses Gesetz in den Worten aussprach, daß der Stoff durch die Form ver­ tilgt werden müsse, wenn Lessing auf jeder Seite seiner kri­ tischen Schriften nichts Gütiges und Maßgebendes anerkennen will als die Wahrheit der Natur — was sagt uns dagegen die moderne Kritik? Ich will mit dem Sonderbarsten anfan­ gen, was ich in dieser Beziehung jemals gelesen habe. Da

vin schreibt man im deutschen Museum unterm 21. Februar 1866 aus Berlin:

„ Nicht oft genug kann man die dramatischen

Dichter auf dieses Stiefkind und Aschenbrödel des Theaters aufmerksam machen, die Posse.

Es komme nur der rechte

Mann (Dohm und Kalisch schienen dem Ref. weiter oben so ziemlich die rechten Männer zu sein!) und dieses Aschenbrö­ del verwandelt sich in die strahlendste Fee. Wie die Gegen­ wart nun einmal ist, wird sie sich auch der erschütterndsten Tragödie gegenüber kalt und sceptisch zeigen; die Posse, die Erhabenheit und Thorheit mischt (!), hinreißen u. s. f.

wird sie fesseln und

Für Berlin seien Ludwigs Maccabäer,

Freitags Fabier, Hebbels Nibelungen von keiner Bedeutung, aber wol sei es Brachvogels Narciß, „diese Tragödiekomödie, die in possenhafter und doch erschütternder Weise die Ge­ schichte auf den Kopf stellt." Man weiß nicht,

ob das kritisches Unvermögen oder

Bosheit ist. Die „erschütterndste Tragödie" muß heute wir­ kungslos bleiben?! Die Posse mischt Erhabenheit und Thor­ heit!!

Warum, in aller Welt, hab ich die Posse, die das

thut, zu sehen versäumen können? Die Posse soll die Men­ schen hinreißen?!

(Ref. meint zu Scham und Unwillen.)

Eine Tragikomödie, possenhaft und erschütternd, die die Ge­ schichte auf den Kopf stellt, da haben wir das unbedingte Muster!!! Aber halten wir das Ganze für Spaßmacherei, eine ernstliche Meinung lauern wir dem Urtheilsprecher doch ab: Das Publicum und der Geschmack der Menge soll unser Maß sein und unser Richter! Warum sagt man nicht lieber gleich, die Tantiemen und die Gier nach rascher Berühmt-

IX

heit? Die Sache wird noch offenherziger, wenn in einer an­ dern Nummer des angeführten Blattes zu lesen ist, „daß die Menge, weil sie zahlt, in ihrer Geschmacks­ richtung befriedigt werden müsse, denn der Le­ bende habe Recht." Im Namen der Würde der deutschen Kunst protestire ich gegen die Frivolität dieser Behauptung! Dem Schreiber dieser Worte ist wol das Schillersche Gedicht „An die Künstler" ein überwundener Standpunkt? — Aber um uns an die eingangs erwähnte starke Betonung der Stoff­ wahl zu hallen, so sind es zumeist die römischen, griechischen und altdeutschen Stoffe, die der Verachtung jener Kritik ver­ fallen sind. Die einzigen für uns geeigneten Stoffe des historischen Dramas sollen hinter der Reformation liegen, (Blätter für lit. Unt.) die Philop'ömene, die Gregore (VII), die Konradine sollen ohne Frage lebensunfähig sein. Ich bitte mir zu sagen: Was bedeutet uns Wilhelm Tell? Was Demetrius? Was die Jungfrau? Was geht uns Iphigenie an? Was machen wir uns aus Julius Cäsar, Coriolan, Macbeth? — „ Eine wahrhaft nationale Poesie dichtet aus dem Geiste ihrer Zeit und wählt nur entsprechende Stoffe; das beweisen Shakespeare und Schiller," heißt es irgendwo in den Blättern für litterarische Unterhaltung. Nun gut, man reime mir das mit den aufgeworfenen Fragen! Nicht doch! Wie sich Coriolan, Iphigenie, Macbeth u. s. f. mit dem letzten angeführten Satze der modernen Kri­ tik reimt, darüber sind wir hinreichend klar. Was ich constatiren will, ist nur das ausfallende Gemisch von Grund­ sätzen, die Unsicherheit der Standpunkte, die diese moderne Kritik kennzeichnet. Uns sind Dramatiker bekannt, die auf

die Shakespeare-, Lesstng- und Schillerrepertoire gewisser Büh­ nen gar nicht gut zu sprechen sind, weil sie zum Nachtheil des modernen Dramas die Classiker bei weitem zu ftcnf ver­ treten finden.

Dabei ist aber zu verwundern, daß, indem

die moderne Kritik den Willen des Publieums als obersten Maßstab nimmt, dieses Publicum die modernen Tragödien doch wenig goutirt und auch die besten dieser Art nur mit einem Erfolge der Achtung begrüßt hat.

Ei nun, nach dem

Gesetz, was man aufstellt, ist man gerichtet! Ist Werth im Werke, so mag uns die Nachwelt trösten. — Von Hebbel heißt es in „Unsre Zeit" (1865):

„Hebbel hätte wol ein

Classiker sein können, nicht an den Stoffen tags, sondern an der unreifen Form."

Aha! Das ist wieder was Neues.

Also die Judith, die Genovefa, die Nibelungen stehn auf den Culturbedingungen unsrer Zeit,

sind verständlich für die

Menge? Man sieh! doch, wie das Richtige bisweilen heraus­ bricht.

An der Form lags? Ja das ist genau meine Mei­

nung, obwol ich gegen die Natur dieser Stoffe auch nicht wenig zu sagen hätte.

Durch die Form sind unsere Classi­

ker das geworden, d. h. durch

den urmenschlichen Odem,

den sie ihren Werken einzuflößen vermochten.

Ferner steht

zu lesen im deutschen Museum: „Wenn unsere Dichter, an­ statt fort und fort ihre Kräfte in Iambentragödien zu ver­ geuden, sich denjenigen Formen der dramatischen Kunst zu­ wenden wollten, die heute noch allein ein dankbares Publicum finden, wie bald würden sich unsre Theater zu neuer Blüthe erheben."

Welch ein Gebot für den Künstler, das bieten zu

sollen, was heule noch allein ein dankbares Publicum findet! Einem Menschen,

dem

es Ernst ist um die Aufgabe der

XI

Kunst, muß das baare Erstaunen wehren, hierauf mit dem geeigneten Worte zu antworten. Unsre großen Dichter ha­ ben die Menschheit nach sich gebildet, heute soll sich der Dichter erziehen lassen von einer Menge, die nichts aufzu­ weisen hat als sinnliche Genußsucht, Mammondienst und Ruhmjägerei. DaS heißt doch kaum mehr, als daß der Leh­ rer (und das ist doch wol der Künstler für die Menschheit) gehalten sei, seiner Schüler Unart und Laune nach besten Kräften zu fördern. Tempori inservire ist wol ein weiser Grundsatz, aber er hat zweierlei Sinn: „Werde den Bedürf­ nissen aller Art, die deine Zeit hegt, gerecht" und „werde nur den edelsten Bedürfnissen deiner Zeit gerecht, die das ganze Culturleben der Nation im wahren Sinne zu fördern vermögen." Sei der Lehrer, aber auch der Zuchtmeister dei­ ner Zeit. Die Zeit verstehn ist schwer, aber der Dichtersoll es. Nimmt er ihre unreinen, selbstsüchtigen Richtungen zum Gesetz, so muß er Tendenzdichter oder — Geschäftsmann werden. Es ist beklagenswerth, daß solche Grundsätze in unsern achtbarsten Blättern gepredigt werden, denn sie allein führen zum Ruin des deutschen Theaters. Die Menge, ist ein zuverlässiger Barometer des Werthes: sie baut nur dem Geiste Altäre, den sie begreift; was über ihrem Fassungs­ vermögen ist, ignorirt sie. Alles Tüchtige ist ein W-chsel auf die Zukunft. *) *) Man glaube nicht, daß ich, weil ich mit meinen Belegen hier abbreche, mit meinem Vorrathe zu Ende sei. Nicht genug, daß die heutige Kritik in ihrer Gesammtheit (mit wenigen Ausnahmen) an diesen Schwankungen zwischen Wahrem und

XII

Es ist unbezweifelt wahr, daß dem dramatischen Dichter eine einsichtige Wahl seiner Stoffe geboten ist. Die Grund­ sätze, die ihn leiten sollen, scheinen mir in den Fragen zu liegen: 1) Hat der Stoff dramatische Lebensfähigkeit? d. h. der historische Stoff, von dem bis zu einem gewissen Grade eine solche Anlage und Bedingung zu verlangen ist. Den freierfundenen Stoff lebensfähig zu machen ist allein Sache des Dichters. 2) Liegt er auf dem Culturwege seines Volkes? Die Culturbahn der Germanen beginnt zwar eigentlich mit der Völkerwanderung, aber sie kann die Griechen und Römer als vorbedingende Basis nicht wegläugnen. Unser geistig Bestes ist an jenen Völkern herangekeimt. Damit soll aber nicht gesagt sein, daß exotische Sujets, soweit sie der Neuzeit angehören, ausgeschlossen seien. Nur muß ihre fremdartige Natur nahe Bezüge zu den Cultur­ ideen der Germanen haben, wenn sie auf Sympathie bei uns rechnen wollen. Türkische Palastgreuel, indianische Ro­ mantik, die Caligula und die Recken der Walhalla werden bei allem Aufgebot der Dichterkraft Sympathien auf die Dauer nicht behaupten können. Aber ein Stoff, wie z. B. der Nabob, ist so ohne Weiteres nicht zu verwerfen. Obwol wir die indische Welt zwar studiren können, aber nicht nach­ empfinden, so ist doch der Grundgedanke des Stückes, der * Falschem leidet — ich mache mich anheischig, der einzelnen Feder derartige Widersprüche wie die oben citirten fast in je­ dem ihrer kritischen Aufsätze nachzuweisen.

XIII

Goldteufel, von so rein menschlicher Art, daß es, soviel am Stoffe liegt, Theilnahme zu wecken vermag im Osten, wie im Westen des schwarzen Meeres. Die griechische und römische Welt aber steht unserm Verständniß so nahe durch die erhabnen Züge der Vaterlands­ liebe, des Freiheitsgefühls und überhaupt durch die Größe ihrer sittlichen Ideen, die, weil sie von Ewigkeit her sind, bis in alle Ewigkeit gelten müssen. Weißt du aus deinem nicht germanischen Stoffe diese Ideen herauszuarbeiten, und packt dann deine Dichtung das moderne Herz, erhebt es und läutert es, so wird der Zuschauer nicht mehr nach dem Heimathschein deiner Personen fragen. Aber geboten werden muß dieser rein menschliche Gehalt! Wenn du das Süjet zur Arena deines antiquarischen Wissens machen willst, in dessen Wust das Herz umsonst nach Befriedigung dürstet, wird die Kritik ein Recht haben, vornehm von akademischer Poesie zu reden. Die Natur des Stoffes betonen — o kehren wir doch, bei Allem, was uns lieb ist, vom Extrem die Anschauung auf das vernünftige Maß zurück! Denn der Künstler, der darnach schaffen will, wird sich nur retten können, wenn er alle Tage was Neues und Unerhörtes bietet. Aber die rohe Fabel ists doch bei Gott nicht, um derentwillen wir immer wieder zu Hamlet, zur Galotti, zum Tell strömen. Man frage die Dichter, die die Abgötter der großen Menge sind, nicht nach jener erhebenden, stärkenden Ruhe der Seele, wo­ mit die keuschere Muse den Ernst ihrer Jünger belohnt. Sie kennen sie nicht. In ewiger Hetze begriffen, dem vor­ auseilenden Rivalen nach oder hinter dem Idole des Tages-

XIV

ruhms drein, errichten 'sie einer Musa vulgivaga ihre flüch­ tigen Altäre, wo die Göttin in Zwergfellkrämpfen und Gänse­ haut ihre liebsten Mysterien feiert. Ich weiß wol, daß in magnis nicht voluisse sät est, am wenigsten in der Kunst, denn so viel sie leistet, das gilt sie, und ihre Schöpfungen haben keinen Börsencours. Ich denke daher nicht daran,' mit diesen Zeilen den Werth einer Dichtung poussiren zu wollen, die noch allzusehr das unsichere Schreiten auf einer kaum erst^ betretenen Bahn verräth. Aber es ist ein andres, klar machen wollen, was man schafft und nach welchen Grund­ sätzen man schafft, und meine Grundsätze sind int Obigen hoffentlich nicht dunkel geblieben. Das Trauerspiel „Brutus und Collatinus" verdient das Leben nicht, wenn es den Na­ men academische Poesie verdienen müßte. November 1866. A. L.

Brutus und Collatinus.

Personen. Tarquinius Superbus, letzter römischer König. Tullia, die Königin. Sextus, j Aruns, !

Beider Söhne.

Titus,*)) Vitellins, Aedil von Rom. Junius Brutus. Collatinus Tarquinius. Patricier. Lucretius, ein Greis. des Brutus Söhne. Lucretia, Gattin Collatins. Die Sibylle von Cumä. Vindicius, ein Sclav.

Lucius, Knabe des Collatin. Clölia, Dienerin. Ein Präco (Herold). Volk, Wachen, Patricier, etrmispe Gesandte, Krieger, Priester, Mägde. *) Frauenrvllen.

Der Text ist nach den Aufführungen von Karlsruhe und Mann­ heim redigirt.

Das Belassen oder Streichen der mit [ ] ein­

geschlossenen Stellen bleibt dem Ermessen der Regien über­ lassen.

Erster Akt. Das römische Forum.

Erste Scene. (Spttrius Lucretius

kommt.

~

CajllSi ein Bürger, begegnet ihm.)

Cu c rettn o.

ve, wenn du Zeit hast — auf ein Wort mit dir! Die Werkler dort, die die Cloaken mauern, Hört ich die Sprache der Quirlten reden In fremder Mundart.

Ist das römisch Volk? Casus.

Etrusker, Herr. Cu cr et ins. Hm.

Wie kommts, daß der König so viel Ausländer

nach Rom zieht? Casus (mißtrauisch).

Kanns nicht sagen.

Ich kenne dich nicht. Cucr etius.

Was? Kennst nicht den Lucretius? Casus.

Wenn du der bist — nun gut — das heißt, um so schlimmer für unsere Bekanntschaft.

Was deine Tochter bei

uns gut macht, verdirbt der Schwiegersohn. Curr et ins. Oho! Was gibts gegen den? Heraus mit der Sprache! C a j u s. Ja sieh, Collatinus ist immerhin Blut vom königlichen Haus, und---------nichts für ungut!

4 £ ncr r1iu 6. Was ist das für ein Mensch? Hiec bleiben, Kerl, Rede stehn! Casus.

Willst du noch was? (Mehrere Bürger sind hinzugetreten.)

£U C r C11U $ (mustert sic).

Sieh da! Die Hände in den Taschen und den Tag mtgähnend. äugig.

Phäaken, so wahr ich lebe, aber verdammt hohl­

Der König läßt Circus und Tempel bau'n, warum

arbeitet ihr nicht? Der König führt Kriege, warum dient ihr nicht?

Ca j u 0 (pi'eisl, dann kurz und unwirsch) Die Etrusker verstehen das besser.

Zweite Scene. (CollaUn

u'mnu mit

ttalmud. Oie Hangen.)

£u cretius. Das ist nicht gut, Tarquinius, so stolz Das Volk beiseite thun und fremdes Blut Einimpfen wollen römischem Geschlecht.

(Erblickt GvKatm)

Sei mir gegrüßt, mein Sohn. Ich höre Schlimmes Und Schlimmeres, so oft ich Rom besuche. Sieh diese Menschen an, die, wie sie sagen, Verhungern schier in der etrurschen Fülle! Worauf denn pocht der König, wenn er so Den Haß der Rönier nähren darf?

C o l l a t i n. Bah, Haß! (.tu csajmO Aus welcheNl Census bist du? Waruni treibst Du faul dich auf den Straßen? Wartet ihr Auf Henkerschauspiel? Oder auf die Rückkehr

5 Der edlen Tullia, um das Römerher; An ihres Lächelns Beifall zu erquicken, Wenn euer Jauchzen sie begrüßt? Wenn ihr Nicht Nahrung habt, habt ihr nicht zorn'ge Fäuste? Was wollt ihr hier? Marsch an das Thor mit euch. Sextus Tarquinius naht, der feige Sieger Von Gabii. Uebt eure Kehlen! Fort! Denn etwas doch muß thätig sein au Römern, So lang die Arme feiern. (Das Wolf entfernt sich betroffen.)

Lu er etius Ei was denn? Was that das Volk, daß du es wegschiltst? C o 11 a 11 n.

Nichts. Drum schelt ichs eben.

Jeder Stein von Rom,

Den sie betreten, trieft von blutgem Frevel Der Tyrannei, und Lämmer möchten fahren Nach Lanz und Schwert; uns — heißt man eben Männer, ti a 1 r r t u $. [Du bist hier auf dem Markt! Co Hai in. Dahin gehörts! Bricht denn der Wittwen Jammer schwächren Lauts Sich an des Himmels Wölbung als der Groll Des einzeln Mannes?

Doch was künimert Groll

Der Römer beu Superbus — meine Zunge Zieht Blasen mir, läuft dieser Name drüber!^ Lu c r c t i u L (zu >1mIcv, der reden will). Nein, laß ihn satt sich toben erst.

Wir warten.

C o 11 a l i n. Gut.

Scheltet mich!

Ich bin die Ursach nicht,

6 Daß der Senat nicht mehr zusammentritt, Um Weisheit an den Mann zu bringen. Zorn Muß durch den Mund, wenn er nicht kann durchs Schwert. Euer etius. Du bist so rasch und jäh, mein edler Sohn. Liegt dir ein Drache schlafend auf dem Weg, Schreist du ihn unklug wach, hau'st mit dem Schwert Blind um dich her, und überlässest es Dem Glück, ob er dich todte, ob du ihn, Du taugst nicht in den Rath, führ du die Schläge. € o 11 a t i n.

Das ist der CoÜatin, ich kenn ihn auch. *© ist leider so. Und lang schau ich mich um Nach einem Mann in Rom, der hier von nöthen. Ich sannt’ einmal ’nen solchen — ha ein Mann! Sein Arm war Mars und Jupiter sein Haupt. Doch der ist todt! So gut wie tobt! Es war, Als hab’ ein Gott uns zeigen wollen, wie Er einen Römer sich gedacht. Da habe Das Werk den Bildner übertroffen: neidisch Verdirbt er das erhabene Gebild Zu einer Fratze! Lucretius. Sohn, wen meinst du? Lebte Je solch ein Mann? Ach ich entsinne mich Wol eines Jünglings aus den Tagen, da Der alte Servius ermordet ward Und alle Schrecken losgelassen tobten In Rom. Der Knabe war der einzige Mann, Der seinen Kopf im allgemeinen Wirbel Sich oben hielt. Der trat — ich seh ihn noch — Hin vor die grauen Bärte des Senats,

7 Schwang seine Lanz' und rief: „Denkt Eurer Pflicht, Schützt uns das Wahlrecht, eh' die Tyrannei Den Thron besteigt!" — Da sprach kein Mund für ihn, Schreck lähmte die besonnensten und Rom — Stöhnt' unter blutgem Drua.

Wo blieb der Knabe,

Der solch ein Mann zu werden uns versprach, Wie wir ihn brauchten? Hört! Was schreit das Volk? Der Narr! Der Narr!)

(Fernes Geschrei:

dalerius. 'S ist ein blödsinniger Mann.

Da kommt er, seht!

Das Volk scheucht ihn hierher!

Dritte Scene. (0rutU6

als Irrer,

ö orige. tiolh

folgt höhnend.)

Cu er et tue. O Iammeranblick! Brutus.

So ists,

Graubart.

Ich sah des Quirinus Priester

sitzend im Sonnenschein sich den Bauch wärmen und schla­ fen wie sein steinerner Gott. Cucret ius. Wer ist der Mensch? Was kneifst du deine Lippe So blutig, Sohn, und kehrst dein Aug' hinweg? Brutus (zu (SoUatin)

Ich will dir eine Nuß geben, sei lustig.

Der König

soll auch eine zu knacken kriegen, er soll die mit dem Wurm haben.

Seine Stirne wird Furchen ziehn, als führ' ein rö­

mischer „Fluch" darüber.

O Gott!

C u e r e t i u s. Wer ists? Wie heißt er? Sprich, Valerius! Sprich, Collatin! was bist du so erschüttert?

8 € o 11 a i i n. Es ist der Knab', nach dem du eben frugst; Des Gottes schaler Sieft, von dem ich sprach. Kennst du ihn wieder? Sein Nam'? Ich weiß ihn nicht — Sonst wohnte wol Einmal ein Geist in diesem Leib, hieß Junius. Doch die erhabene Nhmph' entwich dem Baum, Da zog der Wurm ins Mark, er stirbt und stirbt! O Junius, hätte dich das Meer verschlungen, Der Blitz erschlagen an des Freundes Brust, Du wärst nur einmal uns gestorben! Aber Das ist die Frag' an Göller: Wollt ihr Lieber, Daß eure Tempel man entweih' zum Stall, Als daß die Klamme reinlich sie vernichte?

£ tm: c ti wo. Ach ist das Alles, was von Brutus blieb? Ost, wenn wir saßen in Collatia Am traulich hellen Heerd und schwatzten uns 'Ne Winternacht hinweg — Lucretia, Die liebe Tochter, hört' am Webstuhl zu —* Da troff sein Name warm von deinem Mund, Wie Milch aus einer saftbeschwerten Palme. Solch innige Flamme füllte dann dein Aug', Wenn du erzähltest von des Freundes Werth, Dell dir die Götter an die Brust gelegt, Daß dich Lucretia schmollend um die Theilung Der Liebe schalt, die du ihr ganz geschworen. Dann kam ein Tag, da kehrtest du voll Gram Von Rom nach Haus, du aßest nicht, warst stumm, Sprachst nur zu-deinem Weibe: „Todt ist Brutus!" Sprachst lauge Zeit nichts mehr als: „Todt ist Brutus!" Stands so, mein Collatin?

9 6 vu1u Was sagt mein Augur? Kräht bei Hahn noch nicht? Hacken die Geier noch immer am mütterlichen Aas? Laß sie hacken, sie sind noch nicht bis au's Herz. ((Sv ;icht feine schmutzige •Xi-ga icftev um firt>) Herein in das Hundeloch! Ducke dich unter! Rauh ist die Nacht, aber ich toiltve den Morgen. (gehl ab, das itfolf

£ u c rett u s. Weißt du, Valer, was diesen Mann zerrüttet? I) a l c r t u o. Es war die Zeit, da des Tyrannen Furcht Die tullischen Verwandten Muten ließ, Zu sichern seinen Thron vor ihrem Anspruch. Auch Marcus starb, sein Bruder.

Und dies ward,

So sagt man, solches Grames tiefer Quell, Daß er in Wahnsinn fiel.

Dies rettete

Den letzten Iunier vor Superbus' Haß. £ ucr e ti u s. Wol, wol! Der blut'gen Zeit erinner' ich mich. Jedoch der Tag hats eilig in sein Nest. Soll ich die Hausfrau grüßen, lieber Sohn?

C o 11 a l i n. Thu' das, mein Vater. (Vucvctiiies ab.)

1) st 11 r i u Willst du hier bleiben, Collalin? Es nal;t Mit kriegerischem Pomp die Königin, Die ihre stolzen Sohne eingeholt, Den finstern Aruns und den üppigen Sexms.

(ZT o 11 (i t i n. Was kümmert mich das Weib? Ich hab nicht Grund, Zu zeigen ihrem Stolz, daß ich sie fürchte.

10 Valerius Was will Volesius?

Vierte Scene. (Volesius. Die Vorigen.) V o lesins.

Auf ein Wort, Baler! Warn' deinen Freund, der Königin zu trotzen, Wenn sie vorbei kommt. Sie ist wüthend auf Sein Weib, die schöne Collatinerin. Valerius.

Was ist geschehn?

((Marin tolrb aufmerksam.)

v o lesius. Sie hielt mit dem Gefolg Bei seinem Landsitz, ihre Söhn' erwartend. Ein Haufe Volks stand um sie her in finsterm Gedrückten Schweigen. Finstrer noch bemerkts Die Königin. Da ward Lucretia Zufällig sichtbar auf des Hauses Schwelle, Und plötzlich brachs: „Heil dir, Lucretia!" Aus Aller Muud, und alle Mützen flogen, Als sei des Himmels Herrscherin erschienen. Die Königin warf einen Blick, ich warn' euch Vor diesem Blick! Valerius

($u (Svl(atin).

Du hörtest es, komm weg. Lo l lat in.

Ich nicht. Volesius.

Ihr Aug' ist drohend wie die Wetterwolke, Du rufst das Unheil ohne Noth heraus.

(ab)

11 Fünfte Scene. (borige.

Die Königin und

Fremde

Tuüia

Sertus bolk jauchzt

zwischen

im Gefolg.

und

Äruns. Krieger

in der Ferne.)

D u l l i a. Es ist rebellischer Geist in diesem Jubel. Ein Schwarm von Bettlern kreischt um unsern Weg. Bezahlt vom Hohn des Adels, der uns meidet. Ha!

(Sie bemerkt Collatin.) 0CXtUS (beiseit).

Ich früg nicht viel nach deinen Bürgern, Mutter, Sah' ich 'ne hübsche Bürgerin am Fenster.

Tullia

(gefaßt).

Bringt dieses Volk zum Schweigen, wir begehren Solch übermäßigen Beifalls nicht. (Sie firirt den Collatin und tritt näher.)

Sieh, unser edler Vetter Collatin! Wenn sich das römische Banner zeigt im Feld, Wie kommts, daß solche Schwerter feiern dürfen? Collatin.

Das römsche Banner? O verzeiht! Ich war Es zu verwechseln im Begriff mit einem, Das noch bis gestern auf der Ehre Pfad Dem Römerschwert vorangeweht, doch nun Heißt---------ja was weiß ich!

Sexlns. Collatin vermerkt Den Streich uns übel, Mutter, der die Volsker Uns unterwarf.

Ja, das ist Mars! Der hälts

Nicht mit Minerven.

Seines Helmes Busch

Bespiegelt ungern sich im Schild der Weisheit.

TuUia. Wir wollen dich nicht tadeln, lieber Vetter,

12 Gesteh's, Lucretia, meine holde Base, Entzieht dich unsern Diensten.

Doch, wie hätte

Rom Recht, um deine Muße zu bedauern, Sieht es solch treues Ehepaar, dessen i*iebe Roch ihres Brautstands Frische sich bewahrt Und täglich sich zum ersten Mal erklärt? 5 f * t U $ (beiseit).

Das thu ich auch, nur täglich einer andern. (iMut) Hab' ich 'ne Base, die so schmuck? Cotlatin.

Was solls? Laßt meine Gattin mir aus eurem Mund, Ich bitt euch innigst, Königin.

So lauter,

Bei Besta's Haupt! will ich den Athem wissen, Der ihren Namen nennt, wie jene Luft, Die sel'ge Götter im Olympus nährt. Z u Ü i a.

Du traust uns schlimme Lungen zu. Co ttatin. Ei nun, Lungen und Herzen. Ar uns. Du bist ein Mißvergnügter, Scheel blickst du auf dein Herrscherhaus.

Der König

Kennt dich! C o t l a l i n.

So femit er keinen Schurken, Prinz. Was wollt ihr mir? Zieht ruhig eures Wegs, Ich wahrlich bin zu arnr, o Königin, Um lüstern dich nach meinem Kopf zu machen. Bin kein Etrusker, kein Latiner, um

13 Im Schwarme dieser Fremden dir zu folgen; Ein römscher' Stier nur, der sich für besser Hält, um dem Erbfeind seines Volks zu schmeicheln. (Bewegung im Gefolge. ArunS greift ans Schwert.)

Sertus. Genug!

Aruns. Ja wol, genug.

Tu llia. Was kommt euch bei? Wir müssen uns den Römer wohl verpflichten, Deß Gattin soviel Herzen wirbt im Volk. Doch sprich, giebt sie auch alle redlich ab? Vergiftets dir den Schlummer nicht, zu denken, Sie unterschlug dir manches, was sie braucht Zum eigenen Bedarf?

Cot lat in

(langsam, sie mit furchtbarern Blick ansehend).

O nein, sie ist Ein lieb unschuldig Weib, Frau Tullia, Wird ihren ersten Galten nicht vergiften. (Die Königin tritt zornig zurück.)

9 er ins

(erstaunt).

Was will der Vetter sagen, gute Mutter? (Oie Königin wüthend ab mit dem Gefolge.)

bet lernt 6. Es traf ins Mark, bring dich in Sicherheit. € o 11 a t i n.

So lief das Wort dem Stahle nur voraus; Denn bis ins Mark solls dieser ganzen Brut. Du hast genug, und wirst mich nicht mehr suchen!

14 Verwandlung: Eine Säulenhalle, die den Eingang in die Königsburg bildet. Im Hintergründe ist die Stadt sichtbar. am Thor.

Links der Altar der Penaten

Zwischen den Mittelsaulen zwei Feuerbecken.

Sechste Scene. (Ättus und Titus treten auf. Hernach Tiberius.) Attus.

Ich werde den König fragen. Ich will endlich wissen, was an diesem Geschwätz ist. Titus.

Haha! Du des Narren Sohn — närrischer Junge! Attus.

Laß mein Blut in Frieden, Prinz Titus. Es taetirt so königliche Pulse wie deines. Noch bin ich nicht zu kurz, um nicht deine Hoheit ablangen zu können. Titus.

Nein im Ernst, Attus, du hast es dem Narren ange­ than. Blickte dich der Mensch nicht an wie ein verliebter Cyelop, der eine Nymphe belauscht? Tiberius (kommt)

Worüber war mein Bruder so unwirsch, Prinz? Allus.

Ha gut! Da ist ja der Seher. Ich wette, er kommt von den thesialifchen Hexen, die in den Hallen kauern, und wird Bescheid wissen. Titus.

Er hat soeben einen Burschen auf dem Markt nieder­ geschlagen, weil er euch Söhne des Narren nannte. Tiberius.

Der Bursch wird Recht haben — seit Attus ihn schlug, denn der Sohn eines Weisen hätte anders gehandelt.

15

attu*. Gut, Lut.

Aber ich will doch die Wahrheit erfahren. Titus.

Still, der König!

Siebente Scene. (vorige.

Tarquinius Superbur.) Tarquin.

Welch drohender Gott spricht in so dunkeln Zeichen Zum König Roms? Ich bin erschüttert und Im festen Herzen wankt der alte Trotz. Was mag das Wunder wollen meinem Haus? Allein hier? Wache he!

(Wache zeigt sich) 'S ist gut.

Zurück.

Doch wer ist dort? Titus. Ich bin es, Herr und Vater. Tarq uin. Doch diese, die du bei dir hast? T^tus. Tiber Und Attus, meine Freunde und Gespielen. Tarquin. Hui da! Spiel ist die Larve des Berraths. Jedoch dem Ernste, der mir offen droht, Getrau ich mir noch zu begegnen.

Naht mir!

(Sie treten näher. Der König legt die Hand auf Attus' Schulter uud sieht ihm ins Gesicht.)

Dich hab' ich lieb mit deinen offnen Mienen Und hellem Aug.

Ich weiß nicht, wie das kommt.

Es lebt kein Wesen auf der weiten Welt, Wofür ich das empfand.

'S ist wunderbar,

16 Doch ’$ ist! Ich fcmn$ riicht ändern. Attus. Ja, Herr und König.

Bist du treu?

Tarquin.

Gut, du sollst mir hasten Für diesen da!

(®u zeigt ans Tiber)

Ich kann nicht eben sagen, Daß ich ihn hasse, denn er thut mir Gutes. Wenn alle fort sind und ich einsam bin — Ach und ich bin es oft! — da bleibt er gern Und schwatzt die Trübniß mir vom Haupte weg Mit sinnigem Gespräch von alten Mären, Von Priamus, von Dido und Aeneas. Jedoch er neigt zum Brüten und zum Träumen Und prüft mit stillem Blute, was er sieht. Die Menschen scheu ich, denn die Sonne kann Mir nicht verrathen, was sie heimlich schmieden Tief in der Werkstatt emsiger Gedanken. (Liber will reden.) Schwör nicht! Du weißt, ich glaube keinem Schwur. Doch wie ich sprach: Der soll mir hasten! Geht. Attus.

Mein Herr und König!

Ists Die

Für Wer

Dar quin. Attus wünscht noch was? Geld zu End? Geht in den Staatsschatz, füllt Taschen euch — Attus. Für alle Summen, Herr, alle Güte gieb uns eine Antwort. ist mein Vater? Tarauin (bm-vffcn).

War ich das nicht stets?

17 Attus.

O Herr, das warst du, doch die Römer schelten Des Narren Söhn' uns. Tarquin

lauffahrend).

Thun sie das? Ich will Die Lästrer schweigen lehren! Glaubt es nicht. Attus.

Wer zeugte mich, mein König? Tarquin

(sich bedenkend).

Er ist todt. Ein edler Römer wars, Postumius, Er starb im Latierkrieg. Attus.

Postumius? Nie hört' ich diesen Namen. Tarquin.

Glaubs und geht! Ättus.

Postumius?

(Die drei Jünglinge gehn ab.)

Tarquin

(mißtrauisch nachblickend).

Wenn sie es ahnten, daß der letzte Rest Des junischen Bluts in ihnen blüh! Daß sie Des Brutus Kinder dennoch! Wenn sie ahnten Somit ihr Anrecht auf den römischen Thron, Den ich mit so viel Iunierblut beschwemmt! O richte mild mich, Jupiter! Ich will ja Die Kinder lieben wie das eigne Blut. Das eine Unrecht noch vergieb, daß ich Die edle Abkunft ihnen berg' und so Mir ihre Liebe sichr' und meine Krone!

18 Achte Scene. (Tarquin. tiitdliu#

ist eingetreten. Sväter

und

Brutus,

dilellrus.

Mein Herr und König. Tarquin.

Ha wer spricht? Vitellins? Was sagt die Priesterschaft? ÜileUius.

Ich meldete, Wie du die Schlange aus der Säule gleiten Gesehn und unterm Altar der Penaten Spurlos verschwinden. Doch die Opfer schwiegen. Tarquin.

Ja, liegt ein Halbgott krank und zuckt dazu Die Erd' in Wehn und hoch am nächtigen Himmel Stehn die geschweiften Rufer der Heroen: Die Schrift verstehn sie trefflich wie wir alle. Wie stehts im Volke? (Tullia wird sichtbar,

t) tlclltus.

Keine Muskel zuckt Im Antlitz Roms, jedoch die Ruh ist Schein. Das Volk schläft wie der Hase offnen Augs, Der Adel wacht wie ein Raubthier: Auge zu. Nur Collatin mag seinen Groll nicht bergen. Tarq uin.

Er ist ein unruhvoller Kopf und macht Mir Sorg', Aedil. Was thun wir mit dem Mann? tiitcllins.

Er ist der Kopf der Schlang' und muß herunter.

19 Tarquin.

Der Schlange — ja, da deutest du das Zeichen! Der Schlange Kopf, sagst du? Tüll La (tritt vor).

Der Kopf der Hydra! Tarquin (vor ihr zurückfahrend).

So blüht dein Handwerk, Königin, und stehn Mehr Häupter in der Ernte — Tullia.

Ihr mißversteht mich, Collatin muß leben. Wo hast du Augen, König, daß dir beikommt, In solcher Zeit auf solchen Mord zu sinnen? Des Pöbels Auge hängt am Adel, wie Die Meut' am Jäger, seines Winks gewärtig. Es braucht nur einer unbesonnenen That, Und über uns zusammen schlägt der Aufruhr. Tarquin (sieht sie erstaunt an).

Mich dünkt beinah, daß ich das selbst gefürchtet. Tullia.

Wir haben Krieg mit Ardea. Gieb ihm Eine Cohort' und laß ihn seinen Groll Austoben an den Rutulern. Häng' ihm Den Lappen der Ehre vor des Todes Rachen, So stürmt er selbst hinein ohn' unser Zuthun. Tarquinius (zu Vitellius).

sHörst du Minerven, die des Ajax Wuth Schadlos hinweg auf Rinderheerden lenkt? — Doch spieltest du der Vorsicht Rolle sonst, Wo dir ein römscher Kopf im Wege stand?] Tullia (hat sich gewendet und geht einige Schritte nach hinten, fäbrt aber vor dem im Dunkel sichenden Brutus, der eingetreten ist, zurück).

Wer dort? Wer thut mir dies?

20 Tarquin. Was, Königin? Tul 1 ia.

Ich seh des alten Markus bleichen Geist! Darquin. Es ist der Narr, sein Bruder. Träumst du, Weib? Die Geister laß, wir lachen der Erwürgten. Tritt näher, Narr. Was hast du hier zu schaffen?

Dullia (sich Mich trog die Nacht.

erholend).

Ich lache der Erwürgten.

Brutus. Ich suche, den ihr saht. Tarquin. Er ist nicht hier. Brutus. Du lügst! Dies Weib dort hat ihn auf der Seele. Tullia. Verwegner Narr! Wie kommt er her? Er lauert In allen Winkeln, drückt im Volk sich 'rum. Schleicht horchend durch die Königsburg wie ein Unheimlich Elend — funkelst du mich an, Verdammter Gaukler? Mit den Nägeln reiß' ich Die albern todte Fratze dir herab, Zu sehn, was sie verbirgt. Denn dieser Blick, Der jetzt aus deines Auges Tiefe schoß, Steht mit der Mask' im Widerspruch. Laßt ihn Die Sclaven peitschen, werft ihn aus dem Haus! Brutus.

Mich, einen Augur? Ohm, wir sind Quinten, Denk' ich, und dankens Jupiter, daß er Uns blind geschaffen wie den Maulwurf. Nicht? Wir sind der Nacht Gesellen, Eul' und Wolf.

21 Mich aus dem Haus! Mich peitschen? Geh zu Bett. Tullia.

Schafft diesen Tölpel aus dem Weg, ich sags euch. Ich hab ein dunkles Graun vor ihm, wie es Die Schlange -fühlt, wenn unsichtbar ein Adler Sie im Gewölk belauert. Tarquin.

Nun das Lied Ist alt. Laß du den Narren, so läßt er dich. Schau diese Mienen an, der schädigte Noch nie ein Kind, ist mehr ein Thier als Mensch. Tullia.

Ja und mehr Fuchs als Hase. Räum ihn weg, Sonst greif ich dir ins Amt. Tarquin.

Das wirst du nicht. Kein unnütz Blut mehr, Tullia. Auf des Gewissens Blättern übrig ist Nicht viel mehr Raum für Mord, und dahinein Soll manch ein römscher Kopf noch von Bedeutung. Tullia.

Bist du wirthschaftlich worden mit der Sünde? Tarquin.

Mein Haar beginnt zu bleichen, und es sind Die kleinsten Schuldensummen nicht, die ich Dir danke, Tullia. Gattendoppelmord Und Königsmord stehn obenan. Ich bin Des Blutes satt. Tullia.

Umsonst! Was du mit Blut erwarbst, Wirst du mit Blute nur behaupten können. Und zagst du vor der hundertsten Gewaltthat,

22 Hätt'st du die erste unterlassen müssen. Entmannt die eine dich, versuch die andre, Denn Blut hat seltsam stärkende Gewalt. Die Milch der Wölfin, die mein Ahnherr sog, Ward mir vererbt — das wußtest du, Etrusker, Seit ich dich freite. Wenn ich den Thron mit allen Mitteln mir Errang, zwang ich dem Schicksal das nur ab, Was die Natur mir zusprach in dem Blute.

Tarquin

(ab.)

(nach kleiner Pause).

Ich will die Pythia nach dem Wunder fragen. Aedil, send mir die Prinzen. (Vitellius ab. Der König beobachtet Brutus.)

Armer Bursch. Ich muß der Königin Augen dich entziehn, Du magst mit meinen Söhnen gehn nach Delphi. (will gehen.)

Neunte Scene. (tioriflt. Die Sibjillc von Lumae,

drei Rollen tragend )

Sibylle. Tarquinius!

Tarqnin. Was soll das?

Sibylle. Sende nicht Nach Delphi, König, die Orakel kommen Zu dir.

Tarqnin. Wer bist du, Vor der mein Auge sich entsetzt, als «Srst Du aus des Orkus Klüften aufgestiegen, Wo magrer Gram und eitervolle Seuch'

23 Und finstrer Wahnsinn, händeringende Noth, Der alten Erde wüste Kinder, Hausen? Was trägst du dort für Rollen? Gieb mir Antwort! Wenn deine Näh' noch je ein Mensch ertrug — Ich will und muß sie tragen, denn ich spüre Geheimen Schicksals drängendes Gebot, Dich anzuhören.

Sprich!

0iJbßUe. In Cumäs Schlund, Wo stygsche Götter athmen, sprach Apoll Zu der Sibylle, seiner Priesterin, und hieß Sie Roms Geschick in diese Schriften sammeln.

Tarq uin. Bist du von Cumä die Sibylle? Sibylle (giebt ihm eine Rolle).

Lies!

Tarquin. „Mit einer Wölfin Milch getränkt, erblüht „Ein Baum, gepflanzt von Mars, der seine Zweige „Ausbreiten wird, bis er der Erde Rund „Beschattet." — Gut.

Das weiß ich auch, Prophetin.

Könnt ihr nur Längstgeschehnes prophezeien?

Sibylle. Apoll sah Rom schon werden und vergehn, Eh seine Gründer noch geboren!

Tarquin. Sei's! Und wenn ich glaubt' an diese Gaukelei, Was forderst du für deine Sprüche? Sibylle.

Tausend Talente, Fürst.

24 Tarquin. Schlug dich der stygsche Qualm Mit Wahnsinn, Weib? Nimm deine Schrift zurück. In meinem Staatsschatz wag ich nicht zu fragen Nach Hunderten, wie sollt' ich tausend haben? Einmal, wenn nie mehr, übeten die Götter Barmherzigkeit an Menschen, als sie ihnen Den Blick verschleiert nn das Künftige. Verschleiert bleib es: Nimm, Versucherin! Sibglle.

Wen du vernichten willst, Ferntreffender, Den schlägst du mit Verblendung! Kehrt zurück, Ihr Geister, aus dem Banne dieser Schrift Zum Gotte, der euch sandte! (legt eine Rolle in ein Becken)

Tarquin.

Was beginnst du? Die Rolle lodert auf, Unsinnige. Sibglle.

Staub für die Winde, wie der Thron von Rom. Ich biete dir die beiden andern Rollen, Kauf dein Geschick! Tarquin. Um welchen Preis die beiden? Sibslle. Um tausend Talente. Tarquin. Wären deine Schätze Die Summe werth, warum zerstörst du sie? Was räthst du, Brutus? Brutus. Kaufe dein Geschick.

25 Tarquin. Nun du mirs sagst, istS freilich Geist Apolls! Verbrenn die andern!

SibgUle

(verbrennt noch eine).

Geschrieben steht: Rom wuchs heran am Scepter, Ein Frevel der Tarquinier spricht es mündig! Willst du die letzte? Nimm!

Tarquin

(unsicher).

Um welchen Preis?

Sibglle. Um tausend Talente!

Tarquin. Dieser ist der Narr! Wend' dich an ihn und ich will schlafen gehn.

(geht ab.)

Sibglle. Schlaf, König Roms, zu deinem Sturze wird man Dich allzuzeitig wecken.

(Ihr Auge ruht lange auf Brutus.)

Junius Brutus, Der Rom zum zweiten Male gründen wird: Nimm hin! Dir schenkts Apollo! (sie giebt ihm die übrige Rolle und geht ab.)

(Ende des ersten Aktes.)

26

Zweiter Akt. Gemach in Collatia.

Erste Scene. (Lucretia am Rahmen Dann Clölia.)

Lucretia.

Clölia! Clölia (kommt).

Gebieterin? Lucretia.

Kam aus dem Lager Kein Bote noch? Clölia..

Heut? Wir erhielten ja Erst gestern Nachricht. Lucretia (mißmuthig).

Es dunkelt. Ruf die Mägde mir ins Zimmer, Daß sie mir weben helfen. (Clölia Wie doch wars, Was er mir schrieb? Er sei wohlauf, so gut Sichs eben thun ließ, wär ich fern. Warum Kein Bote heut? Liegt doch von heut bis gestern ’9te lange, lange Zeit. Wär ich Soldat, Ich führte nur den Griffel statt des Schwerts, Thät nichts als Briefe schreiben. Wär ich Feldherr, Mehr Legionen trügen Brief und Gruß Zum Liebsten mir als Waffen auf den Feind. (Lucius- ihr Knabe, eilt herein.)

ab.)

27 Lucius. Mutter, es stehn rutulsche Sclaven jetzt In Rom zu Kauf; möd)V einen haben, will Das Fechten lernen.

Lucretia. Warum 'ttert Rutuler?

Lucius. Ich muß dem Vater helfen, wenn ich groß bin.

Lucretia. Und soll er warten, bis du kommst, du Narr? Willst du mich auch verlassen? Bleibt die Mutter Allein daheim, wer soll ihr Märchen sagen? Wer soll dein Füllen füttern? Wer dem Greis, Der täglich sein Geschenk am Thore heischt, Die liebe Gabe reichen? Was doch Alles Der kleine Lucius bisher gethan.

Lucius. Mutter, ich lern’ nicht fechten.

Lucretia. Ja, das sollst du, Dazu bist du ein Römerknab.

Lucius. Und sterb ich?

Lucretia. So werd' ich weinen, weinend aber sagen, Sofern du tapfer starbst: Nicht wünsch' ichs anders.

Zweite Scene.

(hörige. Lucretius Lucius. Großvater, kommst von Rom?

kommt.)

28 Lucretiu«.

Und geh auch wieder. Lucretia. Was ist dir, lieber Vater, daß du nie Mehr Ruh daheim hast bei der Tochter? Sprich, Was habt ihr Männer denn im Werk? Lucretius. Da trafst du, Woran wir krank — lauf, Bursch, dein.Füllen hungert. (Suciug ab.)

Daß wir im Werk nichts haben, macht uns weh. Wär was zu thun, so rebet' ich mir auch Noch einmal ein, die Grube sei noch fern. Doch überschleicht mich Manches wie ein Dieb, Und ruhlos kriech' ich in dem Land herum, Von Rom nach Haus, nach Rom zurück, als müßt' ich Noch ein Entsetzliches erleben, eh' Der stille Gott mich kommen heißt. Doch gern, O Jupiter, du weißt es! — gerne nährn Ich noch die große Kunde mit hinunter Zu meinen Vätern: euer Rom ist frei! Lucretia. Droht uns Gefahr? Lucr etius. Nicht dir, nicht dir! Das Schicksal Der Völker schreitet riesengroß und sucht Der ehernen Stirn gar andern Widerstand Als eine Blume, die im Haus verduftet. Sei du nur glücklich, wenn du blind. Sei wie Der Halm am Fuß der Eiche, der den Sturm Nicht theilt mit ihr, und doch den Strahl der Sonne.

29 Lucretia. Du gehst nach Rom?

Lucretius. Es regt der Saft sich dort Im Volk.

Der König zahlt nicht mehr und treibt

Die Bürger fast mit Spießen an den Bau, Indeß der Söldner liegt vor Ardea Und Krieg für Rom führt — oder nicht.

Du weißt,

Daß Collatin von jeder Regung Kunde Durch mich verlangt.

Und kann ich nicht mehr fechten,

So hab' ich Augen, die noch nützen.

Drum

Muß ich nach Rom.

Lucretia. Ich wollt', du gingst heut nicht.

Lucretius. Warum?

Lucretia. Ich weiß nicht.

Lucretius. Traun, das ist ein Grund, So triftig ihn ein Weib nur hat.

'S ist gut,

Daß gerade da der Mann euch misten muß, Wo er des Muths am nöthigsten bedarf. Ich komm' zurück.

Muß sehn, wie's steht im Feld.

Die Sclaven dünken leicht sich herrenlos, Wenn der Gebieter fern.

Muß ihnen zeigen,

Daß noch der Alte da ist für den Sohn. (Er stellt die Krücke weg und geht.)

Lucretia

(lächelnd).

Noch immer rast- und ruhlos trotz der Achtzig! (Mägde kommen mit Körben roher Wolle und Rocken)

Beeilt euch, Mädchen, der Gebieter braucht

30 Ein wärmendes Gewand im rauhen Feld. Heut liegt der Schlaf tief unten euch im Korb, Und wer ihn finden will, muß fertig werden. (Die Mägde letzen sich im Hintergründe in eine Gruvve, Clölia gegenüber Lucretien.)

Nun plaudert brav, so gehts uns rasch von Handen. Was denn erzählt' ich euch zuletzt?

Clölia. Vom Weib Des göttlichen Ulyß, Gebieterin.

Cuer ctia. Ja, von der Vielumworbenen.

Was that sie,

Um sich des Drangs der Freier zu erwehren, So lang der Gatte fern? Was that sie, Mädchen?

Clölia. Wenn ein Geweb vollendet sei, versprach sie Zu eines Galten Wahl sich zu entschließen. Doch was sie webt' am Tag, das trennte sie Schlau wieder auf des Nachts.

Nie ward's vollendet.

Lucretia. Dafür erstrahlt der Ruhm der treusten Frau Bis in die fernsten Tage. — Still, was hör ich?

Dritte Scene. (Öoriflf. S erlus

Sertus.

dolellus.

Krieger.)

'iaf* im Hintergrund auftretend',

Bei Juno, seht! Lucretia am Rocken! 'ivmmt vorwärts. Lucretia verläßt den Rocken )

Verzeih uns, edle Bccke — (blickt sie an, sein Äuge wurzelt lange auf ihr, die Hand staunend gegen sie erhoben.

Dann geht er verwirrt in den Vordergrund,

Himmel und Erde! Welch holdes Wunder?

31 Lucretia (bestürzt). Edle Herren, wem gilt es? Wo ist mein Gatte? Denn am Kriegsgewand Erkenn* ich, daß ihr kommt von Ardea. Sprecht, ist er wohl?

tio l esius. Ganz wohl, Lucretia. Nie war dein Gatte fröhlicher denn heut.

Lucretia

(zn Volesius).

Dich fettn* ich wohl, oft warst du bei dem Galten. Doch wer ist dieser Krieger?

t) o lesius. Prinz Tarquig.

Lucretia

(zu den Mägden).

Zieht euch zurück!

(Die Mägde gehn ab.)

Was wünscht der edle Prinz, Das mein bescheidnes Haus ihm bieten könnte?

Se.rtus

(beiseit).

Wünschen? Den Himmel wahrlich nicht, so lang Du weilst auf dieser Erde!

(laut zu Nolesius.) *S ist Betrug!

Er sprach von einem Weibe gut und fromm — Und habt ihr das erwartet? Sein Wort war allzuschlicht, wo er in Tönen Olympischer Festlust jauchzen mußte — war das ehrlich Vom Cottatin? Sagt Römer, war das ehrlich?

Lucretia. Was ist dem hohen Herrn?

o lest wä. Ich weiß es nicht. (beiseit)

Doch fürcht* ich sehr, daß Gottatm im Rausch

Den Wolf zur eigenen Hürde sich gesandt!

32 Serlus (sucht sich zu sammeln).

Verzeih uns, o Gebieterin, daß wir So ungestüm dein Frau'ngemach betraten. (beiseit) Dies Auge macht mich wirr; ich kenne mich

Nicht mehr. — Wer ist dies Weib, Volesius, Daß sie uns schamroth machen darf? Ich bitte, Entschuldigt unser seltsames Erscheinen.

Üolesius. Leih mir gewilliges Ohr für wenig Worte. Wir saßen beim Gelag vor Ardea. Dein Gatte kam vom Streifzug eben heim Mit reicher Bellte.

Fröhlich war sein Herz.

Da kam — wie's geht beim Becher — das Gespräch Auch auf die Frage: Welcher Römerin Der Preis gebühr' in Sitt' und holder Tugend. Als nun ein Jeder pries sein eigen Weib, Da bietet Collatin uns eine Wette. Ritt wer nach Rom, um die gepriesnen Frauen Zu überraschen, und er fand sie all — Sein liebes Weib Lucretia nahm er aus — Nicht bei Gelag und Putz, so setz' er uns Den Raub zur Wette, den er heut gethan, Gegen des Trosses jämmerlichste Mähre. Uns treibt der Uebermuth herein nach Rom. Die Frau'n, die um den Preis sich streiten, werden Besucht.

Die eine salbt sich, andere sitzen

Am Rocken der Berläumdung bei den Nachbarn, Und eine dritte läßt sich nirgends finden. So reiten wir, uns in Gedanken schon Die Beute theilend, nach Collatia. Das Andere weißt du: Collatin ist Sieger.

33 Lucretia. Ich steh beschämt und kenne meinen Gatten Aus diesem Thun nicht mehr.

t) o lesi.ua. Er war berauscht Und seines Sieges zu gewiß. Wir weilten allzulang.

Jedoch

Unhöflich war

Der Eintritt, aber Weilen wäre Frevel Am heiligen Gastrecht, wo der Herr abwesend. Prinz, es ist Zeit! (juSuctetta) Nochmals Verzeihung! — Kommt I (Ab mit den andern.)

Curretia

(würdevoll, aber unruhig).

Prinz Sextus — Se^tUS (fährt zusammen).

Ha! noch einmal die Musik, Die mich mit Taumel füllt!

(wendet sich) Schön! Allzuschön!

Es leben keine Götter mehr, nicht einer. Sonst stiege Jupiter zur Erd', und müßig Und herrenlos auf ewig lag sein Scepter!

Curretia (ruft). Clölia!

Se'rtus. Du bebst vor Sextus fürchte nichts! So hat kein^Nensch vor Sextus noch gebebt Wie Sextus selbst. — Sei ruhig, himmlisch Wesen!

(ab)

Curretia. (bleibt eine Weile im Nachdenken schaudernd versunken, dann schreit sie auf)

Das ists! Es sind die Züge meines Traums! Mir graut vor diesem Römer.

Seine Mienen,

Sein brennend Auge wars, das ich gesehn

34 In vor'ger Nacht. Es war der wilde Priester, Der über mir das Opfermefser schwang. —' Nichts mehr davon! Ich bin ein thöricht Weib. Die Mär von Iphigenien las ich, Eh ich zu Bett ging, und sie wirkte noch Mit ihrem Schauder nach im Traum. Das war's! Nichts Weiler. Vierte Scene. (Cucretia. Lucretius.) Cucretia.

Lieber Vater! Cucretius.

Hattest du Gäste? Ich Habs gehört, weiß Alles. Was das wieder Für Uebermuth — Lu c r e11 a (legt sich bittend an ihn) Schilt mir den Gatten nicht! Lucretius. Ach was! Du bist die himmlische Geduld Und lächelst seinem Fußtritt —- bist du bös? Laß sein, laß sein! Leg dich zur Ruh, mein Kind. Im Haus steht Alles gut. Verschließ die Thore. Wo ließ ich meine Krücke denn? ’