Bodenschutzrecht im Wandel: Ausgewählte Beiträge von 1987–2011. Hrsg. von Lothar Knopp [1 ed.] 9783428536689, 9783428136681

Die vorliegende Publikation entstand anlässlich des 65. Geburtstages von Dr. Dr. h.c. Franz-Joseph Peine, Professor für

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Bodenschutzrecht im Wandel: Ausgewählte Beiträge von 1987–2011. Hrsg. von Lothar Knopp [1 ed.]
 9783428536689, 9783428136681

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Schriften zum Umweltrecht Band 170

Bodenschutzrecht im Wandel Ausgewählte Beiträge von Franz-Joseph Peine von 1987–2011

Herausgegeben von

Lothar Knopp

Duncker & Humblot · Berlin

LOTHAR KNOPP (Hrsg.)

Bodenschutzrecht im Wandel

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Berlin

Band 170

Bodenschutzrecht im Wandel Ausgewählte Beiträge von Franz-Joseph Peine von 1987–2011

Herausgegeben von

Lothar Knopp

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Process Media Consult GmbH, Darmstadt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 978-3-428-13668-1 (Print) ISBN 978-3-428-53668-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-83668-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort des Herausgebers Dieser Band entstand anlässlich des 65. Geburtstags von Franz-Joseph Peine im August 2011. Die Beiträge dokumentieren und reflektieren ein wichtiges Segment seines langjährigen wissenschaftlichen Schaffens, das bis heute ungebrochen ist. Er hat durch sein wissenschaftliches Wirken zweifellos an der Entwicklung und Gestaltung des deutschen Öffentlichen Rechts in zentralen Bereichen, vor allem im Allgemeinen Verwaltungsrecht, Umwelt- und Planungsrecht sowie im Recht der technischen Sicherheit einen maßgeblichen Anteil. Erinnert sei hier nur beispielhaft an seine Mitwirkung in der sog. „Professoren“-Kommission zur Abfassung eines Umweltgesetzbuchs Besonderer Teil im Hinblick auf die – bislang auf politischer Ebene verantworteten erfolglosen – Bemühungen zur Kodifikation des deutschen Umweltrechts. Innerhalb des Umweltrechts war das Bodenschutzrecht, unter Einschluss der Altlastenthematik, sein besonderes wissenschaftliches Anliegen. Die im vorliegenden Werk ausgewählten Beiträge aus einem Zeitraum von über 20 Jahren legen hiervon beredtes Zeugnis ab. Sie zeigen auch, dass sich der Verfasser nie gescheut hat, „Brennpunktthemen“ kritisch anzusprechen und zu analysieren, wie etwa die sog. Rüstungsaltlasten. Das Werk gibt über den angegebenen Zeitraum zugleich einen hervorragenden Überblick über die wechselvolle (Rechts-)Geschichte des Bodenschutzrechts bis heute, einer äußerst praxisrelevanten Thematik, die auch mit dem Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) vom 17. 3. 1998 noch lange nicht abgeschlossen ist. Für die ausgewählten und abgedruckten Beiträge wird auf das Quellenverzeichnis verwiesen. Fast alle Beiträge sind im Original mit Fundstellennachweisen (jeweils unter A. bis N. dort zugeordnet) aufgeführt; abgedruckt ist auch ein bislang nicht veröffentlichtes Rechtsgutachten (L.). Daneben belegen ein allgemeines Publikationsverzeichnis zum Bodenschutzrecht und die Angaben zur Betreuung von Dissertationen durch Franz-Joseph Peine zu dieser Thematik eindrucksvoll sein wissenschaftliches Wirken gerade auf diesem bedeutsamen Referenzgebiet des Umweltrechts. Möge es ihm noch lange Jahre möglich sein, sein wissenschaftliches Werk fortzuführen, zum Wohle der Rechtswissenschaft, insbesondere des Öffentlichen Rechts. Seine Beiträge sind zur notwendigen Diskussion gerade um die fortwährende Gestaltung und Hinterfragung – nicht nur – komplexer bodenschutzrechtlicher Facetten unverzichtbar! .

Cottbus / Heidelberg, im Mai 2011

Lothar Knopp

Redaktionelle Anmerkungen des Herausgebers Die hier wieder gedruckten Texte sind in den Jahren 1987 bis 2011 entstanden. In der Urfassung unterscheiden sie sich beträchtlich in formaler Hinsicht: in der Rechtschreibung, Zeichensetzung, Gliederungsweise usw. Um ein formal einheitliches Werk vorlegen zu können, sind die Texte in dieser Hinsicht überarbeitet. Sie folgen jetzt der gemäßigten neuen Rechtschreibung, also der, in der die ab 2000 verfassten Texte geschrieben sind. Ferner ist die Gliederung, die Zitierweise und die Verwendung von Abkürzungen vereinheitlicht. Die Titel von Aufsätzen sind aus Raumgründen aus den Fußnoten gestrichen. An drei näher gekennzeichneten Stellen sind Tabellen entfallen; in ihnen waren zuvor erwähnte Aussagen zusammengefasst. Diese formalen Veränderungen sind mit dem Autor besprochen worden; er hat sie gebilligt. Es versteht sich von selbst, dass diese Anpassungen an keiner Stelle eine inhaltliche Veränderung des Textes zur Folge haben. Für die Hilfe bei der Vereinheitlichung der Beiträge und der Erstellung der Verzeichnisse dankt der Herausgeber herzlich Britta Burisch, Dr. Andrea Radcke, Christian Roloff und Peter Sobosczyck.

Inhaltsverzeichnis A. Bodenschutzrecht Gesetzliches Instrumentarium und gesetzgeberischer Handlungsbedarf . . . . . . .

17

B. Rüstungsaltlasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

C. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Bodenschutz . . . . . . . . . . . .

65

D. Entwurf eines Bodenschutzgesetzes als Teil eines Umweltgesetzbuchs – Text und Begründung – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

E. Rechtliche Aspekte der Altlastensanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 F. Die Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 G. Grundfragen des Bundes-Bodenschutzgesetzes – Verfassungsmäßigkeit, Abgrenzungsfragen, Regelungslücken – . . . . . . . . . . . 171 H. Die Ausweisung von Bodenschutzgebieten nach § 21 Abs. 3 BBodSchG . . . . . 271 I. Landwirtschaftliche Bodennutzung und Bundes-Bodenschutzgesetz . . . . . . . . . 287 J. Die Kritik am Bundes-Bodenschutzgesetz – nach fünf Jahren revisited . . . . . . . 309 K. Die Bundesrepublik als Sanierungspflichtige einer Rüstungsaltlast . . . . . . . . . . 321 L. Vorschläge zur Aktivierung des flächenhaften Bodenschutzes . . . . . . . . . . . . . . 339 M. Der Beitrag des europäischen Rechts für einen effektiven Bodenschutz . . . . . . . 405 N. Die Kostentragung für die Blindgängerbeseitigung als Problem der verfassungskonformen Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 423 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 Verzeichnis der Publikationen des Autors zum Bodenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . 445 Verzeichnis der vom Autor betreuten Dissertationen zum Bodenschutzrecht . . . . . . 449

Abkürzungsverzeichnis A.A. a.a.O. AAV AAVG AbfAlG-M-V AbfG ABl.EG Abs. a.E. AEG a.F. AG AgrarR AKG AktG Anm. AöR AT Aufl. AUR Az. BauGB BauNVO BauR BauROG BaWüBodSchG BaWüVGH BayAbfALG BayNatSchG BayObLG BayVBl BayVGH BB BBauBl BBergG BbgAbfBodG BbgNatSchG BbgOBG BbgPolG BbgVwVfG BBodSchG

Anderer Ansicht am angegebenen Ort Abfall- und Altlastensanierungsverband Gesetz über den Abfall- und Altlastensanierungsverband Abfall- und Altlastengesetz Mecklenburg-Vorpommern Abfallgesetz Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Absatz am Ende Allgemeines Eisenbahngesetz alte Fassung Aktiengesellschaft Zeitschrift für Agrarrecht Allgemeines Kriegsfolgengesetz Aktiengesetz Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Allgemeiner Teil Auflage Zeitschrift für Agrar- und Umweltrecht Aktenzeichen Baugesetzbuch Baunutzungsverordnung Baurecht Bau- und Raumordnungsgesetz Bodenschutzgesetz Baden-Württemberg Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Bayerisches Abfall- und Altlastengesetz Bayerisches Naturschutzgesetz Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Betriebs-Berater Bundes-Baublatt Bundes-Berggesetz Brandenburgisches Abfall- und Bodenschutzgesetz Brandenburgisches Naturschutzgesetz Brandenburgisches Ordnungsbehördengesetz Brandenburgisches Polizeigesetz Brandenburgisches Verwaltungsverfahrensgesetz Bundes-Bodenschutzgesetz

12 BBodSchV Bd. BerlBodSchG BGB BGBl. BGH BGHZ BImSchG BImSchV Bl BMU BNatSchG BodSchG BRat BRat-Drs. BremGBl. BT BTag BTag-Prot. BUND BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BWaldG BWassStrG BWVPr bzw. ca. CAP ChemG DAG DB DDT ders. DFG d. h. dies. Diss. DJT DMG DMV DÖV Drs. DStR DV DVBl E-BBodSchG

Abkürzungsverzeichnis Bundes-Bodenschutzverordnung Band Berliner Bodenschutzgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundes-Immissionsschutzgesetz Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz Blatt Bundesministerium/Bundesminister für Umwelt Bundes-Naturschutzgesetz Bodenschutzgesetz Bundesrat Drucksachen des Bundesrats Bremisches Gesetzblatt Besonderer Teil Bundestag Protokolle des Bundestags Bund für Umwelt- und Naturschutz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundeswaldgesetz Bundeswasserstraßengesetz Baden-Württembergische Verwaltungspraxis beziehungsweise cirka Allgemeine Agrarpolitik der Europäischen Union Chemikaliengesetz Dynamit-Aktiengesellschaft Der Betrieb Pflanzenschutzmittel derselbe Deutsche Forschungsgemeinschaft das heißt dieselbe Dissertation Deutscher Juristentag Düngemittelgesetz Düngemittelverordnung Die Öffentliche Verwaltung Drucksache Deutsches Steuerrecht Die Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Entwurf eines Bundes-Bodenschutzgesetzes

Abkürzungsverzeichnis ebd. E-BNatSchG E-BodSchG EEB EG EGAB EGV E-ROG ET etc. EurUP ev. EWiR f. ff. FFH-RL FG Fn. FS FStrG GAP GBl. gem. GenTG GewArch GG ggf GS GSG GuL GVBl. GVOBl. HbStR HdUR HessAbfAG HessAltlG HessVGH Hg. HGB h.M. HRHB Hs. HWA i. d. F. i. d. R. i.d.S. i.F. insb.

ebenda Entwurf eines Bundes-Naturschutzgesetzes Entwurf eines Bodenschutzgesetzes European Environmental Bureau Europäische Gemeinschaft Erstes Gesetz über Abfall und Bodenschutz Vertrag über die Europäische Gemeinschaft Entwurf eines Raumordnungsgesetzes Energierechtliche Tagesfragen et cetera Europäisches Umwelt- und Planungsrecht evangelisch Europäisches Wirtschaftsrecht folgende fortfolgende Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie Festgabe Fußnote Festschrift Bundesfernstraßengesetz Gemeinsame Agrarpolitik Gesetzblatt gemäß Gentechnikgesetz Gewerbearchiv Grundgesetz gegebenenfalls Gedächtnisschrift Gerätesicherheitsgesetz Garten und Landschaft Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz- und Verordnungsblatt Handbuch des Staatsrechts Handwörterbuch des Umweltrechts Hessisches Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz Hessisches Altlastengesetz Hessischer Verwaltungsgerichtshof Herausgeber/herausgegeben Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Holzwarth/Radtke/Hilger/Bachmann Halbsatz Heereswaffenamt in der Fassung in der Regel in diesem Sinne Im Folgenden insbesondere

13

14 i.S. i.S.d. i.S.v. IUR IVG i.V.m. i.w.S. IzR JA Jh. JÖR JR JuS JZ Kap. KOM Komm. KrW-/AbfG LAbfG LAbfG NW LAbfWAG-RP LABO LAWA LBodSchAG BW LBodSchG LBodSchV LImSchG NW lit. LKV LSA LTag MBl. m. E. MEPolG MS m.w.Ausf. m.w.Nachw. Nds NdsBodSchG NdsLTag-Drs. NdsOVG NdsSOG NdsVBl NdsWassG NJ NJW NNA Nr.(Nrn.)

Abkürzungsverzeichnis im Sinne im Sinne des/der im Sinne von Informationsdienst Umweltrecht Industrie-Verwaltungsgesellschaft in Verbindung mit im weiteren Sinne Informationen zur Raumordnung Juristische Arbeitsblätter Jahrhundert Jahrbuch des Öffentlichen Rechts Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Dokumente der Kommission der Europäischen Gemeinschaft Kommission Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Landesabfallgesetz Landesabfallgesetz Nordrhein-Westfalen Landesabfallwirtschafts- und Altlastengesetz Rheinland-Pfalz Länderarbeitsgemeinschaft Boden Länderarbeitsgemeinschaft Wasser Ausführungsgesetz zum Bodenschutzgesetz Baden-Württemberg Landesbodenschutzgesetz Landesbodenschutz-Verordnung Landes-Immissionsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen Buchstabe Landes- und Kommunalverwaltung Land Sachsen-Anhalt Landtag Ministerialblatt meines Erachtens Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes maschinenschriftlich mit weiteren Ausführungen mit weiteren Nachweisen Niedersachsen/niedersächsisch Niedersächsisches Bodenschutzgesetz Drucksachen des Niedersächsischen Landtags Oberverwaltungsgericht Niedersachsen Niedersächsisches Sicherheits- und Ordnungsgesetz Niedersächsische Verwaltungsblätter Niedersächsisches Wassergesetz Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Mitteilungen der Niedersächsischen Naturschutzakademie Nummer (Nummern)

Abkürzungsverzeichnis NuR NVwZ NVwZ-RR NW NW-LEP NWVBl OKH OLG ONS o.S. OVG PBefG PflSchG PolG POR PrOVG PrOVGE PrPVG PrWassG RdE RdL RG RGZ RL Rn. ROG RP RRL s. S. SächsEGAB s. o. sog. Sp. StGB StR TA ThürAbfAG u. a. u. ä. UBA UGB-AT UGB-BT UGB-KomE UGB-ProfE UN UTR

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Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungs-Report Nordrhein-Westfalen Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen Verwaltungsblätter Nordrhein-Westfalen Oberkommando des Heeres Oberlandesgericht Order/Numberger/Schönfeld obige Seite Oberverwaltungsgericht Personenbeförderungsgesetz Pflanzenschutzmittelgesetz Polizeigesetz Polizei- und Ordnungsrecht Preußisches Oberverwaltungsgericht Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz Preußisches Wassergesetz Recht der Energiewirtschaft Recht der Landwirtschaft Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts Richtlinie Randnummer Raumordnungsgesetz Rheinland-Pfalz Rahmenrichtlinie siehe Seite Erstes Gesetz des Freistaats Sachsen zum Abfall und Bodenschutz siehe oben so genannt Spalte Strafgesetzbuch Steuerrecht Technische Anleitung Thüringisches Abfall- und Altlastengesetz unter anderem/und andere und ähnliche Umweltbundesamt Umweltgesetzbuch Allgemeiner Teil Umweltgesetzbuch Besonderer Teil Entwurf eines Umweltgesetzbuchs der Unabhängigen Sachverständigenkommission Professorenentwurf eines Umweltgesetzbuchs United Nations Umwelt- und Technikrecht

16 UVPG v. VA VBlBW VDI Verf. VerwArch VG vgl. VO VR VVDStRL VwVfG WHG WIB WRV WUR ZAU z. B. ZfBR ZfU ZfW ZG ZIP ZRP z. T. ZUR z. Z.

Abkürzungsverzeichnis Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung von/vom Verwaltungsakt Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Verein Deutscher Ingenieure Verfasser Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht vergleiche Verordnung Verwaltungsrundschau Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz Wasserhaushaltsgesetz Woche im Bundestag Weimarer Reichsverfassung Wirtschaft und Recht Zeitschrift für angewandte Umweltforschung zum Beispiel Zeitschrift für Baurecht Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht Zeitschrift für Wasserrecht Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Insolvenzpraxis Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil Zeitschrift für Umweltrecht zur Zeit

A. Bodenschutzrecht Gesetzliches Instrumentarium und gesetzgeberischer Handlungsbedarf Auf dem Gebiet des Umweltschutzes ist heute eine enorme Aktivität zu beobachten. Der Umfang der Aktivität darf aber nicht zu der Annahme verleiten, ihm proportional verbessere sich der Zustand der Grundlagen unseres Lebens. Es sind – darauf ist hinzuweisen – in Teilbereichen Verbesserungen unverkennbar; die bisher geleistete Arbeit zum Schutz der Umwelt ist somit nicht vollständig erfolglos gewesen: Kläranlagen reinigen das Abwasser mechanisch und biologisch mit einem Ansteigen des Sauerstoffgehalts der Flüsse als Folge1; Filter halten luftverunreinigende Stoffe zurück und minimieren die Luftverschmutzung. Gleichwohl stirbt der Wald weiter, wird das Wasser weiter mit Schwermetallen und schwer abbaubaren Chemikalien vergiftet2, wird die Luft weiter verschmutzt, werden Kulturdenkmäler zerstört und auch neuere Bauwerke geschädigt, werden Tiere und Pflanzen ausgerottet3. Und dies geschieht, obwohl es an Stimmen nicht gefehlt hat, die schon früh auf die Umweltzerstörung hingewiesen haben4. Die Aktivitäten zum Schutz der Umwelt orientierten sich zunächst auf die Umweltmedien Wasser und Luft5. In jüngerer Zeit ist darüber hinaus der Schutz des Bo-

1 Vgl. Umweltbericht 76, BTag-Drs. 7/5684 und Umweltgutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen 1978, BTag-Drs. 8/1938. 2 Dazu einige Zahlen (zitiert nach „Süddeutsche Zeitung“ Nr. 49 v. 28. 2. 1987, S. 10): Über die holländische Grenze führte der Rhein im Jahre 1985 eine Million biologisch schwer abzubauende organische Chemikalien, 31.000 Tonnen Ammonium, 28.000 Tonnen Phosphor, 3840 Tonnen Schwermetalle, 3000 Tonnen chlorierte Kohlenwasserstoffe, davon mindestens 40 Tonnen Nervengifte. 3 Vgl. Scholz, Bodenschutz zwischen Datenschwemme und Informationsdefizit – politischadministrative Lösungsansätze, Speyerer Forschungsberichte, Bd. 54, 1986, S. 1 ff. 4 „Grüne Charta von Mainau“, 1961: „Die Grundlagen unseres Lebens sind in Gefahr geraten, weil lebenswichtige Elemente der Natur verschmutzt, vergiftet und vernichtet werden […]“, zitiert nach Bernatzky/Böhm, Komm. zum Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege, 1977 ff., S. 5; s. auch den 1972 veröffentlichten Bericht des Club of Rome: Die Grenzen des Wachstums. 5 Das Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971 bezeichnete in seiner umweltpolitischen Zieltrias den Boden neben Wasser und Luft als erstes Umweltmedium, das vor menschlichen Eingriffen zu schützen sei, s. Umweltpolitik, Das Umweltprogramm der Bundesregierung, 5. Aufl. 1976 (= BTag-Drs. 6/2710). Die Aktivitäten haben sich aber dem Schutz der Umweltmedien Luft und Wasser zugewandt.

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A. Bodenschutzrecht

dens zu einem Problem geworden6, dessen Lösung sich Politik7 und Wissenschaft zu widmen haben. Es hat sich die Unrichtigkeit der Vermutung ergeben, derjenige, der den Boden nutzt, werde ihn auch schützen, pflegen und erhalten8. Bei der Verschlechterung der Bodensituation muss seitens der Bodennutzer nicht zwingend oder von vornherein böser Wille im Spiel sein; es dürfte vielmehr die Annahme zutreffen, dass die vermutete Interessenidentität zwischen Bodennutzung und Bodenpflege nicht mehr ausreichend ist, um den Boden als Teil der natürlichen Lebensgrundlagen für gegenwärtige wie künftige Generationen in der erforderlichen Menge und Güte zu erhalten9. Bewusst geworden ist das Nachlassen der Erneuerungsfähigkeit des Bodens. Bodenpflege ist die daraus zu ziehende Konsequenz. Bodenpflege ist ein „neues terrestrisches Urgesetz“10. Politik und Wissenschaft, namentlich auch die Rechtswissenschaft, haben das neue Gesetz erkannt und erarbeiten Beiträge zur Problemlösung. Der Beitrag der Rechtswissenschaft11 besteht u. a. darin, dass er – auf der Basis der erkannten Probleme tatsächlicher Art – das vorhandene rechtliche Instrumentarium auf seine Geeignetheit zur Problemlösung hin untersucht, vorhandene legislatorische Defizite aufzeigt und Vorschläge zur Deckung des Defizits unterbreitet. In dieser Weise werde i.F. vorgegangen. Die Ausführungen verstehen sich somit nicht als Beitrag, der Pro6 s. Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung, BTag-Drs. 10/297, S. 5: Es besteht „Anlass zu der Sorge, dass bisher nicht ausreichende Vorkehrungen getroffen wurden, damit auch langfristig keine schwerwiegenden oder gar irreparablen Schädigungen des Bodens eintreten“. s. ferner die „Europäische Bodencharta“, abgedruckt bei Hübler/Bachmann, Zur Regionalisierung umweltpolitischer Ziele, Beispiel Boden, 1983 (Texte 6/83 des Umweltbundesamtes), Anhang II; s. auch das UN-Umweltrechtsprogramm von Montevideo, UNEP/IG. 28/ L. 5 v. 6. 11. 1981. Dazu Storm, ZfU 1982, 267 ff. 7 Hingewiesen sei auf die Forderung des Bundes für Umwelt und Naturschutz an die Bundesregierung: „Mit dem Schutz unserer ramponierten Umwelt Ernst machen“, Frankfurter Rundschau v. 18. 2. 1987, S. 14. 8 Storm, Bodenschutzrecht, HdUR Bd. 1, 1986, Sp. 266. 9 Ebd., Sp. 267. 10 Ebd., Sp. 266. 11 Aus juristischer Sicht sind, soweit ersichtlich, folgende Abhandlungen zu nennen: Storm (Fn. 8); ders., AgrarR 1983, 233; ders., DVB1 1985, 317; Erbguth, UPR 1984, 241; ders., NuR 1986, 137; v. Lersner, Das dritte Medium, der Schutz des Bodens als umweltpolitische Aufgabe, 1982, S. 201; Ebersbach, Rechtliche Aspekte des Landverbrauchs am ökologisch falschen Platz, 1985 (Berichte 1/85 des Umweltbundesamtes); Milde/Storm/Thormann, Gesetzliche Regelungen zum Schutze des Bodens, in: Ullmanns Enzyklopädie der technischen Chemie, 4. Aufl. 1981, S. 517 ff.; Hübler/Bachmann, Zur Regionalisierung umweltpolitischer Ziele, Beispiel Boden, 1983 (Texte 6/83 des Umweltbundesamtes); Hübler, DÖV 1985, 505; ders. (Hg.), Bodenschutz als Gegenstand der Umweltpolitik, Nr. 27 der Schriftenreihe Landschaftsentwicklung und Umweltforschung, 1985; Informationen zur Raumentwicklung (IzR), Konzeptionen zum Bodenschutz, hier Bachmann, Regionalisierung umweltpolitischer Ziele für den Boden auf der Ebene der Landes- und Regionalplanung, S. 39, und Book, Bodenschutz im geltenden Recht von Bund und Ländern, S. 55; Hoppe/Erbguth, Geltendes Recht der Landschaftsplanung in Bund und Ländern, Deutscher Rat für Landespflege, Heft 45, 1984, 466 ff.; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, Bd. 8 der Schriftenreihe des Lorenz-v.-Stein-Instituts, 1986, S. 536 – 548.

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blemlösungen erarbeiten oder anmahnen möchte für die im Bereich des Umweltschutzes häufig zu beobachtenden Vollzugsdefizite. Er möchte auch deren Ursachen nicht ergründen, weder generell noch speziell mit Blick auf den Bodenschutz. Er behandelt ebenfalls nicht Probleme, die die einzelnen Instrumente der Gesetze aufwerfen12. Die Abhandlung hat nahezu ausschließlich die legislatorische Ebene im Blick. Bevor ihr das Interesse gilt, sei Begriffliches geleistet: Der Begriff „Bodenschutzrecht“ bedarf der Explikation13, um den sachlichen Gegenstand der Ausführungen präziser zu erfassen. Unter dem Begriff werden i.F. diejenigen Rechtsnormen im formellen Sinne verstanden, die dem Schutz des „Bodens“ – damit ist der feste Teil der Erdoberfläche, die Erdschicht gemeint – zu dienen bestimmt sind, unabhängig davon, ob der Bodenschutz unmittelbar oder mittelbar Ziel des Gesetzes ist14. Damit wird der Inhalt der Explikation von den Schutzzielen abhängig, da ein Schutz als solcher nicht oder nur schwer vorstellbar erscheint, sondern immer oder fast immer ist der Schutz orientiert auf etwas zu Erhaltendes, welches durch Fernhalten von anderem erreicht wird. Mit Blick auf den Boden sind – das ist Ausgangspunkt aller in Politik und Wissenschaft anzutreffenden Überlegungen – bestimmte Funktionen zu erhalten. Das Bodenschutzrecht dient somit der Erhaltung von (näher zu präzisierenden) Bodenfunktionen. Bodenschutzrecht ist Bodenfunktionserhaltungsrecht.

I. Die schützenswerten Funktionen des Bodens Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum15 kann in Ansehung der Bodenfunktionen eine gewisse Einheitlichkeit festgestellt werden. Sie beruht auf der einheitlichen Übernahme der von den „Erdwissenschaften“ erarbeiteten Aussagen. Folgende fünf Funktionen des Bodens werden den Ausführungen zugrunde gelegt: 1. Der Boden fungiert als Produktionsgrundlage für die Erzeugung von Biomasse, also für Nahrungs- und Futtermittel, regenerierbare Rohstoffe wie Holz, Baumwolle, Seide etc.; 2. der Boden fungiert zweitens als Filter, z. B. mit Blick auf das Entfernen von Staub und anderen Teilen aus der Luft, die durch den Regen auf und in den Boden gelangen, aber vom Grundwasser ferngehalten werden; 3. der Boden hat drittens eine Reinigungsfunktion, z. B. zur Deposition von Stoffen (Parkraum des Naturkreislaufs); . 12

s. dazu Erbguth, NuR 1986, 140 ff. (Bodenschutz auf der Zulassungsebene); ders., UPR 1984, 247 (Einzelinstrumentarium). 13 Eine allgemein anerkannte Explikation fehlt; s. die Versuche bei v. Lersner, NuR 1982, 202; Storm, AgrarR 1983, 234; Erbguth, UPR 1984, 241. 14 Zu dieser Unterscheidung in diesem Zusammenhang Storm, DVBl 1985, 320. 15 s. die Nachw. in Anm. 11.

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4. der Boden fungiert viertens als Rohstofflager; 5. der Boden fungiert fünftens als Baugrund. Es ist indes bei dieser Aufzählung nicht stehenzubleiben, sondern zu fragen, ob unter dem Aspekt des Bodenschutzrechts als Teil des Umweltschutzrechts jede der genannten fünf Funktionen gleichermaßen Schutz genießen sollte. Dies kann – wie bereits ein erster vergleichender Zugriff auf die Funktionen zeigt – nicht angehen; beispielsweise schließen die erste und die fünfte Funktion einander aus. Kriterium für die Auswahl in diesem Zusammenhang relevanter Funktionen muss sein, solche auszusondern, die im Widerspruch zu den Aufgaben stehen, die der Boden im Naturhaushalt besitzt16. Dieses – vielleicht richtig mit ökologisch bezeichnete – Verständnis führt dazu, die Funktionen des Bodens als Rohstofflager sowie als Baugrund als nicht schützenswert anzuerkennen. Diese Auswahl leuchtet unmittelbar ein: Der Boden als Rohstofflager wird genutzt bzw. erfüllt seine Funktion, indem die Rohstoffe ausgebeutet werden: Kies, Sand, Braunkohle, Torf und Ölschiefer werden gewonnen und mit der Gewinnung wird dem Boden seine Aufgabe z. B. als Produktionsgrundlage für eine gewisse Zeit (bis zur Durchführung von Rekultivierungsmaßnahmen) verunmöglicht; die Nutzung des Bodens als Baugrund für bauliche Anlagen und für andere bodenverbrauchende Maßnahmen, z. B. für Verkehrswege, führt ebenfalls zum Ausfall der ökologisch wertvollen Funktionen, weil diese Maßnahmen den Boden versiegeln oder stofflich verändern17. Als i.S.d. Bodenschutzrechts schützenswerte Funktionen werden demnach die ersten drei herausgestellt: die Funktion Erzeugung von Biomasse, die Filter- und die Reinigungsfunktion. Diese Sichtweite bedingt, dass der Boden nicht lediglich als Erdoberfläche Schutz genießen kann18, sondern in den Schutz einzubeziehen ist auch der Bodenuntergrund, der freilich eine sehr unterschiedliche Mächtigkeit aufweisen kann. Zu schützen ist die gesamte Erdschicht, da diese insgesamt sehr sensibel auf äußere Eingriffe reagiert19. Ohne diesen Gesamtschutz wären die sich synergistisch abspielenden und 16

Wie hier Erbguth, UPR 1984, 242. Ausführliche Begründung dieser Auswahl z. B. bei Erbguth, UPR 1984, 242; v. Lersner, NuR 1982, 202; Bachmann/Hübler (Fn. 11), S. 46; Weiger, NuR 1983, 4, 7; Kolodziejcok/ Recken, Naturschutz, Landschaftspflege und einschlägige Regelungen des Jagd- und Forstrechts, Loseblatt, § 1 BNatSchG Rn. 26. 18 So aber Storm, AgrarR 1983, 233; Kolodziejcok/Recken (Fn. 17), § 2 BNatSchG Rn. 17; es spielt keine Rolle, ob der Mensch oder die Natur auf die Fläche einwirkt, unzutreffend scheint mir zu sein, bebaute Flächen aus dem Naturschutzrecht herauszunehmen, wie dies bei Soell, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, in: Salzwedel (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 1982, S. 487 f. der Fall ist. Angesichts der Notwendigkeit, versiegelte Flächen zu revitalisieren, müssen diese Flächen mitbeachtet werden; wie hier im Ergebnis Erbguth, UPR 1984, 242, Fn. 20. 19 Scholz (Fn. 3), S. 11 mit Fn. 1. 17

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sich auf die Filter- und Reinigungsfunktion auswirkenden physikalischen und chemischen Prozesse nicht erfassbar20. Diese Begrenzung könnte ein Missverständnis nahe legen, welches sofort auszuräumen ist: das Missverständnis nämlich, die hier ausgeschiedenen Funktionen seien – unter welchen Umständen auch immer – nicht schützenswert. Diese Funktionen genießen – wie z. B. andere Funktionen oder menschliche Tätigkeiten – den Schutz der Rechtsordnung, soweit sie Funktionen oder Tätigkeiten Schutz verleiht oder sogar – als Folge der Funktion der Grundrechte als Schutzrechte21 – Schutz verleihen muss. Ihnen kommt aber kein Schutz unter dem Aspekt „Bodenschutzrecht“ zu. Damit sind unter diesem Aspekt zu schützende Funktionen weder von vornherein auf- noch andere von vornherein abgewertet. Es ist Sache der Rechtsordnung, zu bestimmen, welchem Interesse im Konfliktfall ein Vorrang zukommen soll. I.d.R. geschieht dies durch verbindliche Planungsentscheidungen – der Planung ist das Recht auf und die Pflicht zur Abwägung immanent; den Anforderungen des Abwägungsgebots ist indes nur dann genügt, wenn alle relevanten Interessen in den Vorgang der Abwägung eingestellt werden und das Abwägungsergebnis in sich ausgewogen ist22. Es kann deshalb nicht gesagt werden, die Bündelung bestimmter Funktionen unter dem Gesichtspunkt „Bodenschutz“ führe a priori zu einer Benachteiligung anderer Interessen.

II. Das Gefährdungsprofil Die schützenswerten Funktionen des Bodens werden gefährdet bzw. verunmöglicht durch Schadstoffeintrag in den Boden und durch Bodenverbrauch23. Der Problembereich Schadstoffeintrag lässt sich näherhin ausdifferenzieren in die „Teilprobleme“ Altlasten, Abfallbeseitigung, Landnutzung und Immissionen24. Diese Probleme sowie das Problem des Boden- bzw. Landverbrauchs werden bzw. wurden durch diese Handlungen ausgelöst25 : Altlasten: bewusstes oder unbewusstes „Lagern“ etc. von Feststoffen; Abfallbeseitigung: Lagerung und Verwertung der Feststoffe sowie Beseitigung von Abwasser; Landnutzung: Betreiben von Landund Forstwirtschaft sowie kleingärtnerische Nutzung von Grund und Boden; Landverbrauch: Bergbau, insb. Tagebau sowie Ansiedlung und Verkehr; Immissionen: Emittierung von Schadstoffen.

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Erbguth, UPR 1984, 242. BVerfGE 39, 68; 46, 160; 49, 89, 164; 53, 30; 56, 54, 78. 22 BVerwGE 45, 309. 23 Von dieser Zweiteilung wird in der einschlägigen Literatur durchweg ausgegangen, s. die Nachw. in Fn. 11. 24 s. Scholz (Fn. 3), S. 14. 25 Scholz, ebd. 21

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Diese Handlungen haben die in der Tabelle näher dargestellten Folgen oder Ursachen26. Die Gefährlichkeit der einzelnen Problembereiche sei in knapper Form dargestellt: Altlasten: Diesem Begriff seien alle Ablagerungen sowie Störungen des natürlichen Bodengefüges zugeordnet, die die Menschen in der Vergangenheit verursacht haben27. Diese Altablagerungen (nicht mehr in Betrieb befindliche Bauschutt-, Industriemüll- sowie Sonderabfallablagerungsstätten) sind insb. deshalb gefährlich, weil sich noch Jahrzehnte nach den Ablagerungen chemische Reaktionen oder Zersetzungsprozesse abspielen können, wobei auftretende Gase die Umgebung, Sickerwasser das Grundwasser und Ausschwemmungen und Setzungserscheinungen den Boden des Umlands gefährden können. Das Problem der Altlastensanierung ist unmittelbar einsichtig und aktuell: In Hamburg bereiten die Sanierung der Deponie Georgswerder, in Rheinland-Pfalz verursachen die Deponien Sprendlingen und Gerolsheim große Sorgen28 ; in Nordrhein-Westfalen erfasst das von der Landesregierung vorgelegte Altlastsanierungskonzept 9500 vergiftete Flächen29. Dasselbe gilt für die Kontamination des Bodens bei ehemaligen Industrie- und Gewerbestandorten, die bewusst oder unbewusst in Kauf genommen wurde. – Ferner sind in der Vergangenheit vorgenommene Aufschüttungen aufgrund von Setzungserscheinungen für längere Zeit als Baugrund problematisch, weil sie normalerweise bereits nach wenigen Jahren infolge natürlichen Bewuchses nicht mehr erkennbar sind. – Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen können noch Jahre später eine Gefährdung des Grundwassers zur Folge haben. – Kriegsfolgen äußern sich noch heute im Bodenverbrauch durch noch vorhandene Reste ehemaliger Befestigungsanlagen, durch im Boden vorhandene Sprengkörper und alte Munition (Blindgänger). Abfallbeseitigung: Die Verwendung der Feststoffe als Kompost ist in der Landwirtschaft, wo er als Dünger und Erosionshemmer eingesetzt wird, problematisch, wenn er zu stark mit Schadstoffen belastet ist, da diese sich im Boden anreichern oder sogar bis in das Grundwasser ausgewaschen werden – dies gilt insb. für Schwermetalle, die sich darüber hinaus in der Nahrungskette (Pflanzen und Tiere) konzentrieren und deshalb auch dem Menschen gefährlich werden können; erinnert sei an das Nierengift Cadmium, an die leberschädigende Wirkung des Bleis und die krebserzeugende Wirkung des Nickels30. Ebenfalls ist die Deponierung des Abfalls nicht 26 Die Tabelle entspricht der bei Scholz, ebd., S. 15 befindlichen. – Redaktionelle Anmerkung des Herausgebers: Auf den Abdruck der Tabelle wurde verzichtet. 27 Scholz, ebd., S. 16. Hier auch zum Folgenden. 28 Nach Scholz, ebd., wurden in Rheinland-Pfalz bis zum Inkrafttreten des LAbfG etwa 5000 – 6000 weitgehend ungeordnete Deponien betrieben, von ihnen sind 100 – 200 problematisch. 29 Pressemitteilung des Umweltministers Matthiesen v. 11. 2. 1987. 30 Zu den Schadstoffeinträgen s. ausführlich Thormann, Zum Ausmaß der Bodenbeeinträchtigung in der Bundesrepublik und Folgerungen für die Schutzwürdigkeit – Schadstoff-

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problemlos, weil insb. schadenverursachende Sickerwässer, Gase und Staubverwehungen zu befürchten sind; diese Folgen müssen von vornherein bekämpft oder später beseitigt werden, um nicht neue Altlastprobleme entstehen zu lassen. Hochproblematisch ist die Beseitigung von Sondermüll auf Deponien, wie immer wieder aufs neue sich ergebende Probleme mit den vorhandenen Deponien zeigen; erst jüngst musste die Deponie Münchehagen geschlossen werden. Die Abwasserbeseitigung beeinträchtigt Bäche und Flüsse, weil das Abwasser durch die vorhandenen Kläranlagen nicht vollständig von Schadstoffen befreit wird; diese gefährden in den Gewässern vorhandene Lebewesen und lagern sich in den Sedimenten ab; dadurch kommt es langfristig wiederum zu einer Grundwasserschädigung. – Die Aufbringung des Klärschlamms auf die Felder wird wegen seines hohen Düngeeffekts geschätzt, ist aber in gleicher Weise problematisch wie die Nutzung des Kompostes als Dünger. Landnutzung: Die landwirtschaftliche Nutzung des Bodens ist zu einem Problem geworden, weil sie heute äußerst intensiv und unter Einsatz einer Vielzahl von naturschädigenden Chemikalien erfolgt. Es lassen sich insoweit die Problembereiche Düngemittel und Pflanzenbehandlungsmittel unterscheiden. Neben die Wirtschaftsdünger (Jauche, Gülle, Stallmist31) ist seit ca. 100 Jahren der Handelsdünger getreten32; der intensive Einsatz von Düngemitteln fördert freilich nicht nur das Pflanzenwachstum, sondern führt zu einer Überdüngung des Bodens sowie zur Nitratanreicherung in Pflanzen und im Grundwasser33. Die Aufnahme von zuviel Nitrat durch den Menschen – über welches Medium auch immer – ist außerordentlich gesundheitsgefährlich; seine Umwandlungsprodukte (z. B. Nitrosamine) sind krebserregend34, nitrathaltiges Trinkwasser kann bei Kleinkindern zu lebensgefährlicher Blausucht (Methämoglobinämie) führen35. Die Überdüngung des Bodens führt ferner zu einer Verringerung der Artenvielfalt in der Pflanzen- und Tierwelt, weil sie – neben anderen Ursachen – eine Beseitigung von „Sonderstandorten“ für spezielle Arten bedingt36. – Mit Blick auf die Pflanzenbehandlungsmittel ist festzuhalten: Die unterschiedlichen

beeinträchtigungen, in: Hübler (Hg.), (Fn. 11), S. 25 ff. Auf S. 30 eine Zusammenstellung der schädlichen Stoffe sowie der von ihnen verursachten Bodenbelastung. 31 Die Wortwahl entspricht der Begriffsbestimmung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 DMG. Zum Düngemittelrecht s. z. B. Preusker, Düngemittelrecht, HdUR Bd. 1, Sp. 355 ff.; Kluge/Embert, Das Düngemittelgesetz mit fachlichen Erläuterungen, 1985. 32 s. Preusker, ebd., Sp. 355. 33 s. Preusker, ebd.; ders., ZfW 1982, 261 ff.; Salzwedel, NuR 1983, 41 ff.; Rösgen, AgrarR 1983, 141ff; Breuer, Beilage II zu AgrarR Heft 5/1982, S. 2 ff. 34 Preussmann, Nitrosaminbedingte Cancerogenese, in: DFG (Hg.), Nitrat-Nitrit-Nitrosamine in Gewässern, Symposium aus Anlass des Abschlusses des Schwerpunktprogramms Nitrat, Nitrit, Nitrosamine in Gewässern, 1982, S. 143 ff. 35 Toussaint/Würkert, Methämoglobinämie im Säuglingsalter, in: DFG (Hg.), (Fn. 34), S. 99 ff.; kurze, auch für Nichtmediziner verständliche Darstellung bei Rösgen, AgrarR 1983, 142. 36 Scholz ( Fn. 3), S. 29.

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Mittel: Insektizide, Herbizide, Fungizide und Wachstumsregler37 werden sehr häufig kritisiert, weil sie eine Vergiftung der Nahrungsmittel sowie der Grund- und Oberflächengewässer, eine Vernichtung von Bodenlebewesen, eine Anreicherung der Schadstoffe im Boden und eine Verringerung der Artenvielfalt in der Pflanzen- und Tierwelt fördern oder sogar bewirken sollen38. Es ist indes festzuhalten, dass Rückstände in Lebensmitteln lediglich bei einer unsachgemäßen und nicht vorschriftsgerechten Nutzung der Pflanzenbehandlungsmittel eingetreten sind; ferner sind Mittel, die sich in der Nahrung in gesundheitlich bedenklicher Menge konzentrieren, verboten worden. Eine Beeinträchtigung des Grund- und Oberflächenwassers wird vor allem bei einer unsachgemäßen Anwendung, bei Abdriftungen, Abschwemmungen und Unfällen beobachtet39. Unbestritten ist die starke Beeinträchtigung der Bodenlebewesen durch die verschiedenen Pflanzenbehandlungsmittel. Das Zurückgehen der Bodenlebewesen beeinflusst in negativer Weise das sehr wichtige Porenvolumen, den Wasser-, Luft- und Wärmehaushalt sowie die Filter- und Speicherfunktion des Bodens. Unbestritten ist ferner die Verringerung der Artenvielfalt in der Pflanzenund Tierwelt. – Ein weiteres Problem der Landnutzung stellt der Einsatz von immer stärkeren und schwereren Maschinen dar. Er führt – nicht nur während der Bearbeitung des Bodens in feuchten Perioden – zu einer starken Bodenverdichtung, wodurch das Regenwasser nicht mehr wie früher schnell versickern und damit keine Bodenerosion bewirken kann; ferner sind dieselben Folgen zu verzeichnen, wie sie ein Zurückgehen der Bodenlebewesen bedingt. – Ein weiterer zu berücksichtigender Faktor stellt die Ent- und Bewässerung dar. Die mit ihr beabsichtigte weitere „geordnete Bewirtschaftung“ von bislang nicht genutzten Flächen führt zur Verminderung wertvoller Lebensräume für selten gewordene Pflanzen und Tiere; ein Umstand, der nicht nur von Naturschützern, sondern allgemein beklagt wird. Grundwasserabsenkungen können aber auch – wenngleich wohl nur in extremen Fällen – zu Schäden an Gebäuden führen; die Absenkung ist somit – wenn überhaupt – nicht lediglich aus Naturschutzgründen vorsichtig zu betreiben. – Der Grünlandumbruch (Verwandlung von Wiesen in Äcker) führt zu einer (infolge der zu treffenden Düngemaßnahmen) Anreicherung des Nitratgehalts im Wasser und zu einer Vernichtung von Lebensraum für viele wildlebende Tiere und Pflanzen. Die Aufforstung bedingt, insb. wenn Monokulturen gepflanzt werden, eine Veränderung des Landschaftsbilds sowie eine Veränderung des Kleinklimas und wird deshalb nicht generell als positiv betrachtet. Auch die landwirtschaftliche Brache, die z. B. infolge von Betriebsaufgaben entstehen kann, wird zum Teil von Naturschützern abgelehnt, weil sie nicht zu einer Vergrößerung der Artenvielfalt führt.

37 Also Schädlings-, Unkraut- und Pilzbekämpfungsmittel sowie solche Stoffe, die dazu bestimmt sind, die Lebensvorgänge von Pflanzen zu beeinflussen, ohne ihrer Ernährung zu dienen – Legaldefinition gem. § 2 Abs. 1 Nr. 9 a – e des Gesetzes zum Schutze der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz) v. 15. 9. 1986, BGBl. I S. 1505. 38 s. im Einzelnen Scholz (Fn. 3), S. 30 ff. 39 Scholz, ebd. Hier auch zum Folgenden.

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Landverbrauch: Der Landverbrauch40 durch jede Form von Bautätigkeit (Haus-, Gewerbe-, Verkehrswegebau) führt zum einen zu einer Zerschneidung naturnaher Räume und damit zu einer Veränderung des Lebensraums von Tieren. Sie werden – wegen der Verkehrswege – zu einem Inselleben gezwungen, was zu einem Aussterben führen kann. Ferner führt die Bautätigkeit zu einer Versiegelung des Bodens. Negative Konsequenz ist, dass das Wasser auf immer geringer werdenden Flächen abfließen kann; da diese Flächen aber häufig stark verdichtet sind, versickert das Regenwasser nicht, sondern fließt auf der Oberfläche ab, was zum einen zur Erosion, zum anderen zur Verringerung des Grundwassers führt. – Landverbrauch ist ebenfalls durch den Tagebau von Rohstoffen zu verzeichnen. Es ist praktisch nicht durchgängig sichergestellt, dass nach Beendigung der Abbauphase Rekultivierungsmaßnahmen getroffen werden. Selbst wenn Maßnahmen dieser Art durchgeführt werden und der Boden für die ökologisch wichtigen Funktionen zurückgewonnen wird, ist das ehemalige Geschehen noch längere Zeit für das Grundwasser bedeutungsvoll. Immissionen: Die Belastung des Bodens durch Immissionen ist heute unbestritten41. Es wird geschätzt, dass mehr als 30.000 Industriechemikalien über die unterschiedlichsten Transportwege in die Umwelt gelangen42. Zumindest einige von ihnen zerfallen nicht in die unschädlichen Stoffe wie Wasser oder CO2, sondern reichern sich direkt oder als Umwandlungsprodukt im Boden an. Sie haben dort schädlichen Einfluss auf den Bodenorganismus. Daneben können sie das Grundwasser beeinträchtigen. Umfangreiche Hinweise auf die negative Wirkung der Immissionen enthält das Bodenschutzkonzept der Bundesregierung43. Hingewiesen sei auch in diesem Zusammenhang auf das bekannte Phänomen der Waldschäden44. Es wird behauptet, die Immissionsbelastung der Luft und des Bodens mit SO2 und NOx führen neben anderen Faktoren zu dem großflächigen Baumsterben. Eine Kontamination der Böden mit diesen Schadstoffen ist freilich nicht nur in Waldregionen, sondern auch in Gegenden zu verzeichnen, in denen der Boden landwirtschaftlich genutzt wird. . . 40 Zahlen zu diesem Phänomen bei Bachmann, Zum Ausmaß der Bodenbeeinträchtigungen in der Bundesrepublik Deutschland und Folgerungen für die Schutzwürdigkeit – Flächenverbrauch, in: Hübler (Hg.) (Fn. 11), S. 39 ff.; Hübler, DÖV 1985, 506; Teschopf, Landschaftsverbrauch, Diss. TU Berlin, 1984. 41 s. dazu nochmals Thormann (Fn. 30). 42 Mück/Bocerius, Rasche Beantwortung umwelthygienischer Fragen, GuL 1980, 609 ff.; zur Umweltbelastung durch Chemikalien s. Uppenbrink, Chemikaliengesetz, HdUR 1986, Bd. 1, Sp. 290 f. 43 BTag-Drs. 10/2977. 44 Die Literatur ist kaum noch zu übersehen. Hingewiesen sei auf die zu erwartende Veröffentlichung der Vorträge, die auf der Trierer Veranstaltung „Waldsterben als Rechtsproblem“ gehalten wurden, sowie zuletzt Lübbe-Wolff, Die rechtliche Kontrolle incremental summierter Gefahren am Beispiel des Immissionsschutzrechts, in: Dreier/Hofmann (Hg.), Parlamentarische Souveränität und technische Entwicklung, 1986, S. 167 ff.

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Aus alledem ergibt sich folgendes Gefährdungsprofil45 : Die im Gefährdungsprofil aufgezeigten Belastungen des Wassers, der Luft sowie der Natur und der Landschaft werden i.F. nicht weiter behandelt. Das Interesse des Beitrags ist auf die Bodenschutzproblematik orientiert46.

III. Analyse des rechtlichen Instrumentariums: Schutz vor Stoffeintrag 1. Die Sanierung des Bodens bei Altablagerungen und ehemaligen Gewerbestandorten Das Rechtsproblem der Altlastensanierung47, dem sich in jüngerer Zeit, ausgehend von bestimmten Sanierungsfällen, eine relativ umfangreiche Literatur widmet48, ist im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass für die größte Zahl der Sanierungsfälle eine spezielle Regelung fehlt und somit das in vielerlei Hinsicht problembeladene und deshalb spezifischen Interessen offene allgemeine POR zum Einsatz gelangt – womit aber zugleich wegen der diese Materie kennzeichnenden Rechtsunsicherheit die Gewähr für die „Richtigkeit“ der angebotenen Problemlösungen abnimmt. Das Abfallrecht des Bundes sieht im § 10 Abs. 2 AbfG eine Sicherungs- und Rekultivierungspflicht für den Betreiber von Anlagen vor, die dem AbfG unterfallen. 45 Es entspricht dem von Scholz (Fn. 3), S. 50 – 55 Erarbeiteten. – Redaktionelle Anmerkung des Herausgebers: Auf den Abdruck der Tabelle wurde verzichtet. 46 Es soll natürlich nicht verkannt werden, dass diese Themenbereiche eng zusammenhängen. Aber auch aus Gründen des Umfangs sind die wasserrechtlichen und naturschutzrechtlichen Probleme ausgespart. 47 Der Begriff ist vieldeutig, vgl. Kloepfer, NuR 1987, 7; Präzisierungen bei Kloepfer, ebd.; Papier, DVBl 1985, 873; Breuer, JuS 1986, 359. 48 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Koch, Kostentragung bei der Sanierung kontaminierter Standorte – am Beispiel der Hamburger Deponien Georgswerder und „Mügelnburger Str.“, Hamburger Bürgerschaft, Anhang zu Drs. 11/3774, 1984; ders., Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, 1985; Papier, Altlasten und polizeiliche Störerhaftung, 1985; ders., DVBl 1985, 873 ff.; ders., NVwZ 1986, 256; ders., UTR Bd. 1, 59; Kloepfer, Altlasten als Rechtsproblem: Zur rechtlichen Verantwortlichkeit für die Sanierung von Deponien – dargestellt am Beispiel Gerolsheim, MS August 1985; ders., Rechtsprobleme der Altlastensanierung. Zur rechtlichen Verantwortlichkeit für die Sanierung kontaminierter Industriestandorte – dargestellt am Beispiel der in Stollberg/Rheinland befindlichen Halde auf dem ehemaligen Werksgelände der Firma Kali-Chemie AG Hannover, Rechtsgutachten MS 1986; ders., NuR 1987, 7; ders. UTR Bd. 1, 17; Scheier, ZfW 1984, 333; Schink, DVBl 1985, 1149 ff.; ders., DVBl 1986, 161 ff.; Schmidt-Salzer, BB 1986, 605 ff.; Breuer, JuS 1986, 359 ff., Brandt, Der Landkreis 1986, 205 ff.; Striewe, ZfW 1986, 273 ff.; Kötter/Ziegler, Der Landkreis 1985, 399 ff.; Gerstner, Kommunalpolitische Blätter 1985, 497; Kenneweg, Kommunalpolitische Blätter 1985, 420 f.; H. Weber, Der Landkreis 1986, 193 f.; speziell zum Kostenaspekt Brandt/ Lange, UPR 1987, 11 ff. – Aus strafrechtlicher Sicht: Franzheim, ZfW 1987, 9 ff.

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Diese Norm, die die mit den Altlasten zusammenhängenden Probleme löst, ist indes nur in den wenigsten Fällen einschlägig, da sie sich lediglich auf solche Altlasten bezieht, die nach dem 11. 6. 1972, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes, stillgelegt worden sind49. Ergänzendes Landesrecht, soweit vorhanden, ist nicht einschlägig, wenn die Inanspruchnahme des Betreibers einer Anlage beabsichtigt ist, da diese Normen öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften für sanierungspflichtig erklären50. – In Ansehung der Altlastsanierung kann auf das Wasserrecht nicht zurückgegriffen werden; es hält einschlägige Eingriffsgrundlagen nicht bereit. Die §§ 26 Abs. 2, 34 Abs. 2 WHG betreffen zum einen nur solche Ablagerungen, die nach dem 1. 3. 1960, dem Inkrafttreten des WHG, vorgenommen wurden, zum anderen stellen diese Normen Eingriffsbefugnisse nur in Verbindung mit dem allgemeinen landesrechtlichen Gefahrenabwehrrecht dar51. I.F. kann die umfangreiche Diskussion der Altlastproblematik nicht vollständig aufgegriffen werden – das würde den Rahmen des Beitrags sprengen. Es werden deshalb die Aspekte des Polizeirechts aufgezeigt, die in diesem Zusammenhang problematisch und umstritten sind, um eine Basis für eine Aussage zu erarbeiten, die die Geeignetheit dieser „Rechtsmasse“ für eine dauerhafte Problemlösung betrifft. Es dürfte die Annahme – und mit ihr die Grundvoraussetzung für die Anwendung des allgemeinen POR – unproblematisch sein, dass „Altlasten“ eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Dies ergibt sich aus dem zuvor aufgezeigten Gefährdungspotential. Zu den polizeirechtlich geschützten Rechtsgütern zählen die menschliche Gesundheit, das Eigentum Dritter einschließlich der Nutztiere, die Nutzpflanzen, die Böden und Gewässer sowie die Reinheit des Grundwassers52. Eine erste Schwäche des allgemeinen Polizeirechts zeigt sich bereits im Hinblick auf den Umfang einer potentiellen Sanierung. Es erlaubt lediglich Maßnahmen, die erforderlich für die Beseitigung der Gefahrenlage sind. Damit dürften i. d. R. Maßnahmen ausscheiden, die eine Gesamtsanierung – Gefahrenbeseitigung, Rekultivierung – im Blick haben, weil z. B. die Rekultivierung vom allgemeinen Polizeirecht nicht gefordert ist53. Es sind ferner Eingriffe mit dem Ziel der bloßen Gefahrenvorsorge nicht möglich54. Schließlich sind zwar Gefahrerforschungseingriffe möglich, nicht umfasst wird von dieser Rechtsfigur indes die Möglichkeit, dem „Verantwortlichen“ durch Ordnungsverfügung die weitere Sachverhaltsaufklärung aufzugeben. 49

Vgl. statt vieler Papier, DVBl 1985, 873. Vgl. Papier, NVwZ 1986, 256; Hösel/v. Lersner, Recht der Abfallbeseitigung, Stand 1983, § 10 Abs. 2 AbfG Rn. 15; Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, 1985, S. 35 f. 51 Papier, NVwZ 1986, 256; allg. Auffassung. 52 s. z. B. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl. 1985, S. 65 f.; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Steiner (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, S. 165; zum Grundwasser BVerwG, ZfW 1974, 300 f.; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 1976, S. 140. 53 Papier, NVwZ 1986, 257. 54 Ebd. 50

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Dies folgt aus der anerkannten Funktion dieser Handlungsermächtigung: Sie dient der Unterbrechung eines dem objektiven Anschein nach gefahrbringenden Kausalverlaufs, damit eine weitere behördliche Sachverhaltsaufklärung möglich werde55. Außerordentlich problematisch (und demzufolge auch heftig umstritten) ist der Umfang der Legalisierungswirkung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen. Häufig ist die Kontamination des Bodens in Ausübung des Betriebs von Anlagen erfolgt, die gewerbepolizeilich genehmigt worden war. Dabei darf davon ausgegangen werden, dass die Ablagerung von Abfallstoffen – sei es durch Vergrabung, sei es durch Haldenbildung – von der gewerbepolizeilichen Genehmigung erfasst war. In diesen Fällen ist zu fragen, ob die Genehmigung die heutige polizeirechtliche Verantwortung ausschließt. Es lassen sich zwei im Grundsätzlichen unterschiedliche Positionen ausmachen: die Theorie der rechtswidrigen Verursachung56 und die hier (sog.) Theorie der begrenzten Legalitätswirkung57. Nach der Theorie der rechtswidrigen Verursachung58 kann eine verursachte Gefahr oder Störung dem Verursacher ausschließlich bei rechtswidrigem Verhalten des Verursachers zugerechnet werden. Unabhängig davon, ob man dieser Theorie als strikte oder als modifizierte zuneigt, ist auf ihrer Basis die polizeirechtliche Verantwortung für die Altlasten ausgeschlossen. Dies folgt aus der Tatsache, dass die Legalisierungswirkung gewerberechtlicher Genehmigungen nicht auf den schmalen Bereich des Gewerberechts beschränkt ist, sondern das gesamte Polizeirecht umfasst: sich auch auf das allgemeine Gefahrenabwehrrecht erstreckt. „Sie nimmt dem von der Gestattung explizit oder konkludent erfassten Verhalten […] die polizeirechtliche Pflichtwidrigkeit.“59 Dies gilt indes nur bei rechtmäßigem Verhalten: bestimmungsgemäßer Betrieb der genehmigten Anlage und für den Fall des Fehlens eines zusätzlichen Genehmigungs- oder Anzeigevorbehalts. Diese Auffassung hat einen Teil der Judikatur auf ihrer Seite. So hat jüngst das OVG NW entschieden, derjenige sei nicht als Störer anzusehen, „der lediglich eine von der Rechtsordnung vorgesehene Möglichkeit der Rechtsausübung in sozialüblicher Weise vorgenommen hat.“60 Die Theorie der begrenzten Legalitätswirkung einer Genehmigung ist der Auffassung, die Genehmigung zum Betreiben einer Anlage bedinge oder beinhalte nicht generell das Recht, die Abfälle zu lagern, mit anderen Worten: die Genehmigung befreit 55

Ebd. Als ihr Vertreter sei Papier, NVwZ 1986, 257 genannt; vgl. auch die weiteren in Fn. 48 aufgeführten Publikationen dieses Autors. 57 Als ihr Vertreter sei Kloepfer, NuR 1987, 10 genannt; vgl. auch die weiteren in Fn. 48 aufgeführten Publikationen dieses Autors. 58 s. Schnur, DVBl 1962, 1 ff.; Erichsen, VVDStRL 35/1977, 205 f.; Vollmuth, VerwArch 68/1977, 45 ff. 59 So Papier, NVwZ 1986, 258 unter Berufung auf Martens, DVBl 1981, 605 f.; Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: v. Münch (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1985, S. 213; HmbOVG, DÖV 1983, 1016 f. 60 UPR 1985, 250. 56

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nicht generell von der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit61. Die Legalitätswirkung beziehe sich nur auf solche Gefahren, die den Genehmigungsbehörden voraussehoder erkennbar waren. Die Verursachung anderer Gefahren sei rechtswidrig. Diese These beruft sich zum einen auf verschiedene gesetzliche Spezialregelungen, die nachträgliche Anordnungen erlauben, z. B. §§ 17 BImSchG, 8 Abs. 1 Satz 3 AbfG. Sie beruft sich zum anderen auf die Behauptung, ein Genehmigungsbescheid könne nur das zum Gegenstand haben, was die Genehmigungsbehörde wissen und abwägen konnte62. Im Grundsatz kann sich diese Auffassung auf eine Entscheidung des HmbOVG63 stützen, in der zur Störerbestimmung zusätzlich auf die Kriterien Rechtmäßigkeit und Sozialadäquanz des Verhaltens abgestellt wurde. Hier wird somit nicht von dem (relativen) Automatismus der ersten These ausgegangen. Diesen beiden Begründungen wird wiederum entgegengehalten: Die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung mache gerade deutlich, „dass spätere Einschränkungen der Gestattung nur über die spezialgesetzlich eröffneten Zugriffe auf die Gestattung selbst und nicht schon mittels eines Rückgriffs auf das allgemeine Gefahrenabwehrrecht bei formaler Unberührtheit der Genehmigung zulässig sein sollen.“64 Die Begrenzung des Genehmigungsbescheids auf das behördliche Wissen sei verwaltungsrechtlich nicht haltbar, weil sie „dem Verwaltungsakt seine wesentliche, aus Gründen der Rechtssicherheit unverzichtbare Funktion der abschließenden Sicherheit (nehme) und […] ihn einem nach außen nicht erkennbaren Einschränkungsvorbehalt“ unterwürfe65. Es soll an dieser Stelle nicht in eine Diskussion der beiden Auffassungen eingetreten werden. Es zeigt sich jedenfalls – und das festzustellen ist das in diesem Zusammenhang Wesentliche –, dass an einem der entscheidenden Punkte der rechtlichen Diskussion der Altlastproblematik sowohl Judikatur wie Literatur uneins sind. Einigkeit könnte nur durch eine höchstrichterliche Entscheidung erzielt werden, was in concreto freilich ausscheidet, da das BVerwG für die Entscheidung landesrechtlicher Fragen unzuständig ist. Um mit Blick auf dieses Problem nicht in Abhängigkeit vom jeweiligen Bundesland je spezifisch differierende Regelungen zu erhalten, was der Problemlösung abträglich wäre, scheint ein gesetzgeberisches Handeln vonnöten66. Hinzuweisen ist ferner auf die sehr schwierig zu entscheidenden Probleme der Auswirkungen behördlicher Duldung und der Veränderung des Erkenntnisstands67; 61

Kloepfer, Altlasten als Rechtsproblem. Zur rechtlichen Verantwortlichkeit für die Sanierung von Deponien – dargestellt am Beispiel Gerolsheim, 1985, S. 37 ff. 62 Ebd. 63 HmbOVG, DÖV 1983, 1017. 64 Papier, NVwZ 1986, 258. 65 Papier, NVwZ 1986, 259. Gegenargumente wiederum bei Kloepfer, NuR 1987, 10 (mit und bei Fn. 37), 13. 66 Dazu näher bei V. 1. 67 Lösungsvorschläge zu dieser sowie den folgenden Fragen bei Papier, NVwZ 1986, 259 ff.

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der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens, welches heute zum Teil durch Rückgriff auf Verhaltensstandards des Privatrechts bestimmt wird, womit der jedenfalls nach früherer Auffassung als für allein richtig erkannte Maßstab der öffentlich-rechtlichen Lastenund Risikoverteilung verlassen wird; der Bestimmung des Umfangs der Verkehrssicherungspflicht, insb. der Einführung und Inhaltsbestimmung einer „umweltrechtlichen Verkehrssicherungspflicht“; der Gefährdungshaftung nach § 22 Abs. 2 WHG; des Inhalts und der Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit, in diesem Zusammenhang wird die These vertreten, bei „unterbrochener Privatnützigkeit“ erfahre die polizeirechtliche Zustandshaftung aufgrund der Regelungsdirektiven des Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG insoweit eine verfassungsrechtliche Reduktion, als dem Eigentümer nicht die Gefahrenbeseitigung an sich aufgebürdet werden dürfe: „Insoweit muss sich der Träger der Ordnungsbehörde entweder an eventuelle verantwortliche Gefahrenverursacher halten oder die Gefahrenbeseitigung als Gemeinlast vornehmen. Von dem Eigentümer kann aber kraft der Zustandsverantwortlichkeit die (entschädigungslose) Duldung der Gefahrenermittlung und der Gefahrenbeseitigung durch die öffentliche Gewalt verlangt werden“68; es ist an die kontrovers diskutierte Frage der Rechtsnachfolge69 im öffentlichen Recht sowie an das Problem der Auswahl unter mehreren Störern zu erinnern. Alles in allem zeigt sich: Für die polizeirechtliche Bewältigung der Altlastproblematik fehlt ein jedenfalls weitgehend unbestrittenes Handlungsinstrumentarium und deshalb ist auf ihm aufbauend eine Lösung der tatsächlichen Probleme der Altlasten in absehbarer Zeit nicht in Sicht. 2. Sonstige Altlasten Darunter werden hier die Aufschüttungen, solche Unfälle, die als Langzeiteffekt das Grundwasser gefährden, und die Kriegsfolgen verstanden. Für die Aufschüttungen erübrigt sich im Zusammenhang dieser Darstellung eine Diskussion, da Aufschüttungen ein Gefährdungspotential unter dem Aspekt ihrer späteren Bebaubarkeit enthalten. Die Bebaubarkeit des Bodens ist indes hier kein Thema70. Gegen in der Vergangenheit geschehene Unfälle und die Beseitigung ihrer Folgen ist die Notwendigkeit eines spezifischen Rechts nicht zu diskutieren, sondern die Lösung der tatsächlichen Probleme erfolgt mit Hilfe des allgemeinen Polizeirechts (Pflicht des Störers zur Gefahren- oder Schadensbeseitigung). Kriegsfolgen, die den Boden belasten (Kampfmittel) können auf der Grundlage des Kriegsfolgenbeseitigungsgesetzes, des Katastrophenschutzrechts71 oder des allgemeinen Polizeirechts beseitigt werden.

68 69 70 71

Ebd., S. 261. Zusammenfassung der Diskussion bei Peine, DVBl 1980, 941 ff. s. unter I. Zum Katastrophenschutzrecht s. Kolb, HdUR Bd. 1, 1987, Sp. 902 ff.

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3. Die Verwertung und Lagerung von Feststoffen Die Verwertung von aus Abfall gewonnenem Kompost als Düngemittel ist gesetzlich nicht speziell geregelt. Zwar entspricht diese Form der Abfallverwertung der vierten Novelle zum AbfG72; diese Novelle hat mit ihrem § 1a Abs. 2 ein Verwertungsgebot von Abfällen eingeführt. Es fehlt aber eine gesetzliche Aussage über die Eigenschaften, die der gewonnene Kompost aufweisen muss. Das AbfG stellt in § 3 Abs. 2 Satz 3 lediglich einen Vorrang der Verwertung des Abfalls vor seiner Versorgung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auf. Das Düngemittelrecht73 verbietet nicht das Aufbringen solcher Düngemittel, die einem gesetzlichen Typus nicht entsprechen, sondern es enthält, entgegen der amtlichen Begründung, überwiegend Verbraucherschutzrecht, welches dem Abnehmer die Beurteilung der Wirksamkeit und des Nährstoffgehalts erleichtern soll. „Hervorzuheben ist, dass nur das Inverkehrbringen von Düngemitteln vom DMG geregelt wird, nicht die Anwendung.“74 Hinzuweisen ist freilich darauf, dass als Düngemittel nur ein solches Mittel zugelassen werden darf, welches bei sachgerechter Anwendung die Fruchtbarkeit des Bodens und die Gesundheit von Menschen und Tieren nicht schädigt sowie den Naturhaushalt nicht gefährdet75 ; damit ist aber eine Düngung mit einem Mittel, das einem zugelassenen Typ nicht entspricht, nicht ausgeschlossen. Indirekt vermag das Lebensmittelrecht in Ansehung der Düngung eine gewisse Steuerung zu leisten, weil es den Gehalt an bestimmten Stoffen in Lebensmitteln begrenzt oder gewisse Stoffe verbietet76; freilich ist auch insoweit eine empfindliche gesetzliche Lücke zu verzeichnen, als für Rückstände von Schwermetallen in Lebensmitteln eine umfassende Regelung nicht existiert; man behilft sich mit den vom Bundesgesundheitsamt herausgegebenen Richtwerten77. Jedoch ist das Abfallrecht für das Aufbringen von Kompost auf landwirtschaftlich genutzte Flächen nicht vollständig bedeutungslos. Kompost ist ein „ähnlicher Stoff“ i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 AbfG78. Nach dieser Norm gelten die Vorschriften des § 2 Abs. 1 und des § 11 entsprechend, wenn Abwasser, Klärschlamm, Fäkalien und ähnliche Stoffe aus anderen als den in § 1 Abs. 1 genannten Gründen auf landwirtschaftlich genutzte Böden aufgebracht werden. § 11 ist in diesem Zusammenhang wegen der Regelung von Anzeige- und Überwachungspflichten relevant. Einschlägig ist § 2 Abs. 1 Nr. 3 AbfG. Er ordnet an, dass Abfälle in einer Weise zu beseitigen sind, die 72

Das Gesetz heißt jetzt Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (Abfallgesetz) v. 27. 8. 1986, BGBl. I S. 1410. 73 DMG v. 15. 11. 1977, BGBI I S. 2134; DMV v. 19. 12. 1977, BGBI I S. 2845. Weitere in diesem Zusammenhang wichtige Normen bei Kloepfer, Umweltschutz-Textsammlung, Nrn. 483 ff. Zum Düngemittelrecht Preusker, HdUR Bd. 1, 1986, Sp. 355 ff. 74 Preusker, ebd., Sp. 356. Ebenso Rösgen, AgrarR 1983, 143. 75 § 2 Abs. 1 Satz 1 DMG. 76 s. dazu Eckert, HdUR Bd. 1, 1986, Sp. 986 f. 77 s. Eckert, ebd., Sp. 989. 78 s. Rösgen, AgrarR 1983, 144.

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das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt, insb. Gewässer, Boden und Nutzpflanzen nicht schädlich beeinflusst. Das Aufbringen von Kompost durch den Landwirt hat folglich unter Beachtung dieses Maßstabs zu erfolgen. Es ist freilich sofort die Unbestimmtheit dieses Maßstabs hervorzuheben. Er ist kaum in der Lage, dem Landwirt konkrete Anhaltspunkte für eine Steuerung seiner Arbeit zu geben. Die Deponierung des Abfalls regelt das AbfG. Die Errichtung und der Betrieb ortsfester Abfallentsorgungsanlagen sowie die wesentliche Änderung einer solchen Anlage oder ihres Betriebs bedürfen der Planfeststellung, § 7 Abs. 1 AbfG; rechtmäßig ist der Planfeststellungsbeschluss, wenn er – neben anderem – die Abfallbeseitigungsgrundsätze des § 2 Abs. 1 AbfG einhält – u. a. also Gewässer und Böden nicht schädlich beeinflusst werden. Werden Feststoffe auf einer Deponie entsorgt, die entsprechend den Regeln des Abfallrechts betrieben wird, ist eine Verschlechterung der Situation des Bodens nicht zu befürchten. 4. Klärschlammaufbringung Das Abwasser wird durch Einleitung in Gewässer beseitigt. Diesen Fall regelt § 7a WHG. Der Boden wird durch die Beseitigung von Abwässern nicht tangiert. Die Gefährdung des Grundwassers durch Abwässer ist gem. dem Untersuchungsprogramm nicht Gegenstand dieser Abhandlung79. – Mit Blick auf den Bodenschutz stellt sich das Problem die Beseitigung des in den Klärwerken anfallenden Klärschlamms. Seine Nutzung als Pflanzendünger und zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit unterliegt zunächst dem Abfallrecht. § 15 Abs. 1 Satz 1 AbfG zählt ihn ausdrücklich auf; für ihn gilt somit die Regelung des zuvor bereits erwähnten § 2 Abs. 1 Nr. 3 AbfG: sein Aufbringen darf den Boden nicht gefährden. Die Aufbringung unterliegt der Überwachung, es kann von den Besitzern der Nachweis über Art, Menge und Aufbringung sowie die Führung von Nachweisbüchern, das Einbehalten von Belegen und deren Aufbewahrung verlangt werden, §§ 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 und 2 AbfG80. Das Aufbringen von Klärschlamm wird ferner durch die KlärschlammVO81 erfasst. Sie hat die Aufgabe, Gefahren durch Schadstoffe abzuwehren, hygienische Gefahren zu verhindern und ökologische sowie ästhetische Belange zu wahren. Vorrangig dient sie dem Schutz des Bodens vor dem Eintrag von Schwermetallen82. Da insb. Schwermetalle dazu neigen, sich im Boden anzureichern, ist für Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel, Quecksilber und Zink sowohl der Gehalt im Klärschlamm als auch im Boden begrenzt. Ferner besteht für Cadmium und Quecksilber ein absolutes Aufbringungsverbot, wenn im Boden bereits bestimmte Werte erreicht sind. Zwecks Einhaltung der Werte sind sowohl der Schlamm als auch der Boden zu untersuchen. 79 80 81 82

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s. bei II. am Ende. Näheres bei Salzwedel, NuR 1983, 42. V. 25. 6. 1982, BGBl I S. 734. Zu ihr Fuß, HdUR Bd. 1, 1986, Sp. 914. Salzwedel, NuR 1983, 42; s. auch die amtliche Begründung, BRat-Drs. 56/82 v. 5. 2.

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Für die Aufbringung des Schlamms auf Halbtrockenrasen und auf Steppenböden ist zum Schutz gefährdeter Pflanzenarten und Pflanzengesellschaften ebenso eine behördliche Genehmigung erforderlich wie für die Verwendung des Schlamms in Naturschutzgebieten und Nationalparks. Wird entsprechend dem AbfG und der VO gearbeitet, dann dürfte der Klärschlamm für den Boden kein Problem darstellen. Sedimente und Leckagen sind in diesem Zusammenhang bedeutungslos, weil ihnen mit gesetzlichen Maßnahmen sub specie Bodenschutz nicht beizukommen ist. 5. Landwirtschaftliche Nutzung Wie zuvor herausgestellt, bietet das Abfallrecht eine eher schmale Basis, den Einsatz von Düngemitteln zu begrenzen. Für Wirtschaftsdünger (Jauche, Gülle und Stallmist83) gilt § 15 Abs. 1 Satz 2 AbfG, der auf Satz 1 und mit diesem auf § 2 Abs. 1 Nr. 3 AbfG verweist. Freilich ist die Düngung mit Wirtschaftsdünger ohne weiteres erlaubt, soweit das übliche Maß der landwirtschaftlichen Düngung nicht überschritten wird. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff meint eine agrarwissenschaftlich und ökologisch ordnungsgemäße Düngung84. Wann das der Fall ist, lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern ergibt sich als Folge einer Einzelfallanalyse, die eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen hat85. Eine generelle Regelung des Aufbringens von Gülle und Jauche auf Felder enthält die „VO über das Aufbringen von Gülle und Jauche (GülleVO)“ des Landes Nordrhein-Westfalen v. 13. 3. 198486. Sie ist aufgrund von §§ 15 Abs. 2 und 3, 19 AbfG erlassen worden. Soweit ersichtlich, ist Nordrhein-Westfalen das einzige Land, das von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht hat. Die VO regelt insb. die Menge des Wirtschaftsdüngers, die pro Hektar jährlich höchstens aufgebracht werden darf (§ 4), sowie die Jahreszeit, in der gedüngt werden darf (§ 5). Auf diese Weise wird zum einem die Überdüngung begrenzt und zum anderen das Abschwemmen der Gülle während der Frostperiode, verbunden mit einer Verschmutzung des Wassers, verhindert. Die GülleVO zielt weniger auf den Schutz des Bodens als auf den Schutz des Grundwassers ab. Das Abfallrecht ist für Handelsdünger nicht einschlägig. Es darf davon ausgegangen werden, dass Handelsdünger weder dem objektiven noch dem subjektiven Ab-

83

s. die Fn. 32. Salzwedel, NuR 1983, 43; Rösgen, AgrarR 1983, 145. Das übliche Maß der Düngung hat nichts mit dem Begriff „ordnungsgemäße Landwirtschaft“ in § 1 Abs. 3 und 8 Abs. 7 BNatSchG zu tun. s. auch OLG Saarbrücken, ZfW 1978, 311. 85 Rösgen, AgrarR 1983, 145 f. 86 GVBl 1984, S. 210. – Über den Inhalt des Entwurfs der nicht zustande gekommenen ÜberdüngungsVO des Bundes v. 8. 5. 1979 berichtet Salzwedel, NuR 1983, 42. – In Niedersachsen ist ähnliches im Erlasswege geregelt. 84

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fallbegriff zuzuordnen ist87. Auch § 15 Abs. 1 Satz 1 AbfG erfasst ihn nicht. Er ist kein „ähnlicher Stoff“ i.S. dieser Vorschrift. Eine Ähnlichkeit darf entsprechend der ratio der Norm angenommen werden, wenn der Stoff als Abfall anfällt, gleichwohl aber zur Bodenbehandlung geeignet ist88. Denn diese Norm stellt bestimmte Abfälle von der Abfallbeseitigung frei und enthält Regeln für eine andere Nutzung. Von Interesse muss nach alledem sein, das „übliche Maß der landwirtschaftlichen Düngung“ zu bestimmen. Denn es bildet die Grenze für den Einsatz solcher Düngemittel, die dem AbfG unterfallen. Für andere Düngungen ordnet das Recht – mit Blick auf den Bodenschutz – offenbar Einsatzgrenzen nicht an. Das übliche Maß der landwirtschaftlichen Düngung ist das ökologisch sinnvolle Maß an landwirtschaftlicher Düngung89. Eine darüber hinausgehende Düngung gefährdet das Wohl der Allgemeinheit, wie an den Konsequenzen beispielsweise für das Grundwasser gezeigt wurde, in das der überflüssige Stickstoff ausgewaschen werden kann. Ökologisch sinnvoll bedeutet Düngung in dem Maß, wie es für Pflanzenwachstum und Bodenverbesserung notwendig ist. Mit Blick auf die Stickstoffdüngung bedeutet das im Einzelnen90 : 1. Zurücknahme der Stickstoffgaben, da eine zu starke Stickstoffgabe ab einer bestimmten Qualität zur Reduktion der Pflanzenproduktion führt; 2. „Aufteilung der Düngermengen in Festabgaben entsprechend dem zeitlichen Bedarf der Pflanzen, so dass der Stickstoff sogleich von den Pflanzen aufgenommen werden kann; 3. Wahl des Düngezeitpunkts möglichst im Frühjahr und Sommer, da in dieser Zeit der Stickstoffverbrauch der Pflanzen am höchsten und die auswaschungsfördernden Niederschläge am geringsten sind; 4. Anwendung der sog. N-men-Methode bei der Frühjahrsdüngung; die erforderliche Gabe von Stickstoffdünger wird bei diesem Verfahren aufgrund einer Messung des Nährstoffgehalts im Boden ermittelt; 5. Anbau von Zwischenfrüchten zur Vermeidung von Brache, die die größten Auswaschungsgefahren mit sich bringt.“ In diesem Sinne ist es erlaubt, mit Wirtschaftsdünger zu düngen. Entsprechende Grenzen gibt es für Handelsdünger nicht. Für das Verhältnis von Pflanzenbehandlungsmitteln und Bodenschutz fehlen Rechtsnormen, die das Verhältnis ausdrücklich regeln. Zwar sind einige Pflanzenbehandlungsmittel verboten worden91 und es ist für andere eine Höchstmenge festge87 88 89 90 91

Rösgen, AgrarR 1983, 144. Hösel/v. Lersner (Fn. 50), § 15 Anm. 5; Rösgen, AgrarR 1983, 144. s. Fn. 84. Rösgen, AgrarR 1983, 151. Hier auch das wörtliche Zitat. Z. B. DDT; vgl. Gesetz über den Verkehr mit DDT v. 7. 8. 1972, BGB1. I S. 1385.

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setzt, die in oder auf Lebensmitteln beim gewerbsmäßigen Inverkehrbringen nicht überschritten werden darf92 ; Normen, die die Nutzung der Pflanzenbehandlungsmittel unter dem Aspekt ihrer Anreicherung im Boden ausdrücklich regeln, gibt es indes nicht. Freilich dürfte das neue PflSchG93 dieses Problem jetzt ausführlicher als das alte Recht erfassen. Gem. § 1 Nr. 4 ist es Zweck des Gesetzes, Gefahren abzuwehren, die durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln oder durch andere Maßnahmen des Pflanzenschutzes insb. für die Gesundheit von Mensch und Tier und für den Naturhaushalt entstehen können. Das Schutzgut „Naturhaushalt“ dürfte auch den Boden erfassen: er ist ein Teil des Ökosystems Naturhaushalt; er „leidet“ unter den Pflanzenschutzmitteln; es wäre die Neuorientierung des Pflanzenschutzrechts nicht völlig verständlich, wenn der Boden von der Abkehr der nahezu ausschließlichen Orientierung an den Kulturpflanzen, wie sie das alte Pflanzenschutzrecht kennzeichnete, nicht profitierte. Damit dürfte für den Einsatz von Pflanzenbehandlungsmitteln die Gefahr einer Beeinträchtigung des Bodens eine Grenze bilden. Für die These spricht auch § 6 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes. Diese Norm verbietet die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, wenn mit einer schädlichen Auswirkung auf den Naturhaushalt zu rechnen ist, also – nach hier vertretener Auffassung – auch der Boden in diesem Maße beeinträchtigt werden kann94. Es ist somit von der Existenz eines Bodenschutzes vor Pflanzenschutzmitteln auszugehen. Es ist aber darauf aufmerksam zu machen, dass die Grenze des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln unter dem Aspekt des Bodenschutzes lediglich durch einen unbestimmten Rechtsbegriff beschrieben wird: „schädliche Auswirkung auf den Naturhaushalt“. Dieser Begriff bedarf der Konkretisierung und sodann unter dem Aspekt der Anwendung einzelner Mittel der Spezifizierung mit Blick auf die unschädliche Menge. Erst dann existiert für den Landwirt ein handhabbarer Maßstab95. In diesem Zusammenhang ist ferner das ChemG96 zu analysieren. Es erfasst – entgegen in der Literatur vorhandenen Äußerungen97 – den Bodenschutz nicht. Zwar sollen Menschen und Umwelt durch das Gesetz geschützt werden, dies geschieht in der 92

s. die VO über Höchstmengen an Pflanzenschutz- und sonstigen Mitteln sowie anderen Schädlingsbekämpfungsmitteln in oder auf Lebensmitteln und Tabakerzeugnissen v. 24. 6. 1982, BGB1. I S. 745. 93 s. den Nachw. in Fn. 37. 94 § 1 Abs. 1 des alten Gesetzes i. d. F. der Bekanntmachung v. 2. 10. 1975, BGBl. I S. 2591, kannte in Nr. 4 freilich schon den Schutz von Menschen und Tieren, nicht aber den des Naturhaushalts. 95 Dies könnte durch eine RechtsVO geschehen, zu deren Erlass der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gem. § 7 Abs. 1 ermächtigt ist. Es ist insb. gem. § 7 Abs. 2 erlaubt, in der VO Zweck, Art und Zeit, Ort und Verfahren der Anwendung des Pflanzenschutzmittels vorzuschreiben. 96 Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen v. 16. 9. 1980, BGBl. I S. 1718. Literatur: Kloepfer, Chemikaliengesetz, 1982; ders./Bosselmann, Zentralbegriffe des Umweltchemikalienrechts, 1985; Uppenbrink, HdUR Bd. 1, 1986, Sp. 290 ff.; weitere Literaturhinweise ebd., Sp. 302. 97 Z. B. Storm, HdUR Bd. 1, 1980, Sp. 272.

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Regel aber nicht durch ein Verbot oder eine Beschränkung der Nutzung eines Stoffes (dazu §17 Abs. 1 – 2), sondern durch die Mittel Prüfung und Anmeldung von Stoffen (§§ 4 – 12, 16), Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe und Zubereitungen (§§ 13 – 15) sowie gift- (§ 17 Abs. 1 Nrn. 3 – 5) und arbeitsschutzrechtlicher Regelungen (§ 19). Sowohl die Bodenverdichtung, die Erosion, die Ent- und Bewässerung (von den allgemeinen Regeln des WHG abgesehen) als auch die Änderung der Nutzungsart durch Grünlandumbruch, Brache und Aufforstung haben eine gesetzliche Regelung bislang nicht gefunden, von der Erstaufforstung nach § 10 BWaldG abgesehen; diese Norm enthält aber keine die Art der Bestockung betreffende Aussage, so dass die Anlage von Weihnachtsbaumwäldern und mit ihr die Verarmung der Natur rechtlich unproblematisch ist. Indes soll diesen Fragen hier nicht weiter nachgegangen werden, weil allein die Gefährdung des Bodens durch Stoffeintrag und Landverbrauch Gegenstand der Untersuchung ist. Im Zusammenhang von Natur- und damit auch Bodenschutz und landwirtschaftlicher Nutzung werden seit ihrem Vorhandensein die Landwirtschaftsklauseln des § 1 Abs. 3 und § 8 Abs. 7 BNatSchG diskutiert. Es wird insb. häufig vorgeschlagen, die Klauseln abzuschaffen98, da sie die Landwirtschaft unangemessen privilegierten; damit werde die heutige intensiv betriebene und eher naturvernichtende Landwirtschaft von naturschützenden Maßnahmen freigestellt, vielleicht werde mit den Klauseln sogar die Belastung der Natur gefördert99. Bevor dieser Forderung nachgegangen werden kann, sind die Inhalte der beiden Vorschriften abzuklären, da sich an ihnen ein heftiger Streit der Exegeten entzündet hat100. Dieser Streit kann hier aus Raumgrün98 Vgl. statt vieler Ludwig, Weshalb sind staatliche Maßnahmen zum Bodenschutz erforderlich? Möglichkeiten und Grenzen eines staatlichen und kommunalen Bodenschutzes, in: Hübler (Hg.), (Fn. 11), S. 18. s. auch den Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN, BTagDrs. 10/3628. 99 Ludwig, ebd., ist der Auffassung, diese Klauseln zeichneten ein Bild von einer Landwirtschaft, die es seit langem nicht mehr gibt, die es auf der Grundlage derzeitiger agrarpolitischer Vorgaben nicht geben kann und die es ohne grundlegende Änderung dieser Vorgaben auf absehbare Zeit auch kaum geben wird. 100 Aus dem nicht mehr überschaubaren Schrifttum s. die Monographien: Hötzel, Landwirtschaft und Landschaftspflege, Diss. Hohenheim 1976; Heinz, Pflanzenproduktion und Umweltschutzrecht. Rechtsvorschriften für die Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland und den europäischen Gemeinschaften, 1981; Rosenstock, Das Landschaftsschutzgebiet als Steuerungsmittel in der Planung zu Nutzungsbeschränkungen in Landschaftsschutzgebieten, Bonn 1981; aus der Kommentarliteratur: Kolodziejcok/Recken, Bernatzky/Böhm, Engelhardt/Brenner, Naturschutzrecht in Bayern mit Komm. zum bayerischen Naturschutzgesetz, Loseblattsammlung, 8. Ergänzungslieferung, Stand: März 1984; Lorz, Naturschutzrecht, Komm., 1985; Kröschel, Deutsches AgrarR, 1983, S. 391; aus der Aufsatzliteratur: Stenschke, BayVBl 1977, 725 ff.; Delhak/Köpfer, BayVBl 1978, 172 ff.; Sening, BayVB1 1978, 394 ff.; Fischer/Hüftle, BayVB1 1978, 397 ff.; Ebersbach, AgrarR 1981, Beilage II, S. 26 ff.; Fischer/Hüftle, NuR 1981, 21 ff.; Hötzel, AgrarR 1982, 1 ff.; ders., AgrarR 1982, Beilage I, S. 5 ff.; Hartmann, NuR 1983, 53 ff.; Fischer/Hüftle, NuR 1983, 110 ff.; Carlsen, Die Gemeinde 1983, 149 ff.; v. Mutius/Hennecke, BayVB1 1983, 545 ff., 582 ff.; Soell, NuR 1984, 8 ff.; Hennecke, NuR 1984, 263 ff. Aus der Rechtsprechung: BVerwG, NuR 1983,

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den weder dargestellt noch nachgezeichnet werden. Es sei deshalb erlaubt, auf die Ergebnisse der umfassendsten Diskussion dieses Problems zurückzugreifen101. In ihr werden auf mehr als 100 Seiten die verschiedenen Interpretationen einschließlich der für sie vorgetragenen Gründe vorgestellt und sorgfältig analysiert. Es wird schließlich für § 1 Abs. 3 BNatSchG folgendes Ergebnis vorgeschlagen, dem hier gefolgt wird102 : „Die Landwirtschaft ist ordnungsgemäß, wenn sie bei Einhaltung der sonstigen Anforderungen, welche die Rechtsordnung an die Landwirtschaft stellt, entweder nach dem jeweiligen Stand der agrarwissenschaftlichen Erkenntnis betrieben wird, d. h. die Betriebsmittel, insb. Pflanzenschutz- und Düngemittel, sachgerecht angewandt werden, die Bodenfruchtbarkeit nachhaltig gesichert ist, und die Gesundheit von Menschen und Tieren nicht geschädigt wird oder wenn es sich um herkömmliche Maßnahmen im Rahmen bäuerlich geprägter Landwirtschaft handelt.“ Für § 8 Abs. 7 BNatSchG wird vorgetragen103 : Auszugehen sei (1) vom Normcharakter des § 8 Abs. 7 als unwiderleglicher Vermutung, (2) von der Eigenständigkeit der §§ 8 Abs. 7 und 1 Abs. 3 hinsichtlich der Auslegung des Ordnungsgemäßheitsbegriffs, (3) von der Annahme, dass allein die Absicht des § 8 Abs. 7 die Herausnahme der Landwirtschaft aus der Eingriffsregelung rechtfertigt, die Intention sei, die „normale“ einzelbetriebliche Landwirtschaft nicht unnötig zu erschweren, eindeutig naturschutzwidrige Eingriffe abzuwehren und den Zweifel für den Landwirt sprechen zu lassen; (4) von der Orientierung der Wendung „im Sinne des Gesetzes“ an den Zielen und Grundsätzen der §§ 1, 2 BNatSchG. Eine Berücksichtigung dieser Prämissen führe zu folgender Interpretation der Wendung „im Sinne des Gesetzes“ in § 8 Abs. 7: Es sei keine ökologisch völlig unbedenkliche landwirtschaftliche Bodennutzung gefordert, sondern von fehlender Ordnungsgemäßheit könne nur dann ausgegangen werden, wenn eine Maßnahme der landwirtschaftlichen Bodennutzung mit den Zielen und Grundsätzen des BNatSchG unvereinbar ist104. Auszugehen ist somit davon, dass das BNatSchG und die zu seiner Ausfüllung erlassenen Landesgesetze lediglich eine den Zielen und Grundsätzen des Gesetzes widersprechende Landwirtschaft verbieten, nicht aber eine ökologisch unbedenkliche, den Zielen und Grundsätzen des Naturschutzes und der Landschaftspflege dienende landwirtschaftliche Bodennutzung gebieten. Es fragt sich, ob dieser Befund unter dem Gesichtspunkt Bodenschutz ein legislatives Defizit beinhaltet, welches durch die Streichung der Landwirtschaftsklauseln ausgeglichen würde. Offenbar wird – mit Blick auf die Interpretation der Klauseln – von folgenden drei Möglichkeiten des Verhältnisses von Landwirtschaft und Naturschutz ausgegangen: Die Art und Weise der Ausübung der Landwirtschaft widerspricht, widerspricht nicht, entspricht 272; BaWüVGH, NuR 1984, 151; BayVGH, BayVB1 1985, 208; OVG Lüneburg, NuR 1985, 32. Weitere Nachw. der Judikatur bei Hennecke (Fn. 11), S. 225 in Fn. 335. 101 Hennecke (Fn. 11), S. 206 ff. 102 Ebd., S. 269. 103 Ebd., S. 305. 104 Ebenso BaWüVGH, NuR 1981, 100, NuR 1981, 133; BayVGH, BayVB1 1985, 209. s. auch Engelhardt/Brenner (Fn. 100), Art. 6 Rn. 13.

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den Forderungen des Naturschutzes. Die hier vorgeschlagene Interpretation folgt der mittleren Linie. Sie offenbart ein Defizit, wenn nicht diese, sondern die ökologische Linie aus Gründen des Naturschutzes zu fordern ist; dieses Defizit wäre durch eine Streichung der Klauseln auszugleichen, weil unter dieser Voraussetzung die Landwirtschaft den Zielen und Grundsätzen des Gesetzes direkt verpflichtet ist. Es wäre dann jede einzelne Maßnahme, z. B. die Düngung und die Anwendung von Pflanzenbehandlungsmitteln auf ihre Vereinbarkeit mit den §§ 1 – 3 BNatSchG zu überprüfen. Ob diese Forderung aus der Sicht des Bodenschutzes zu Recht erhoben wird, ist, wie unproblematisch vorstellbar ist, außerordentlich umstritten. Dieser Streit kann von einem Juristen nicht entschieden werden; deshalb kann eine Antwort an dieser Stelle nicht gegeben werden105. 6. Schadstoffeintrag als Folge der Belastung der Luft mit Immissionen Diesem Phänomen ist tatsächlich durch eine Entlastung der Luft als Folge der Reduktion von Emissionen beizukommen. Dieses Ziel ist auf der Ebene der Gesetzgebung durch eine Verschärfung des BImSchG zu erreichen. In diesem Zusammenhang ist zu diskutieren, ob das BImSchG als Instrument des Bodenschutzes in Betracht zu ziehen ist106. Über die Einsetzbarkeit des Gesetzes zu diesem Zweck herrscht Unklarheit; faktisch ist die erhebliche Bedeutung des Gesetzes für den Bodenschutz evident. Häufig wird das Gesetz als dem Schutz des Mediums Luft allein dienend betrachtet107, womit implizit gesagt ist, es diene nicht dem Medium Boden und sei deshalb auch einer durch Gesichtspunkte des Bodenschutzes geleiteten Auslegung und Anwendung nicht zugänglich. Teilweise wird das Gesetz als den Boden mittelbar schützend angesehen108; dieses wird begründet mit dem Hinweis, es sei strittig, ob der Boden den „anderen Sachen“ i.S.d. § 1 BImSchG zugerechnet werden könne. Das BImSchG ist nicht lediglich ein Gesetz zum Schutz des Umweltmediums Luft. Diese Behauptung belegt schon seine vollständige amtliche Bezeichnung: „Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge.“ Das Gesetz schützt somit vor bestimmten Einwirkungen; wen es vor Einwirkungen bewahren will, sagt § 1 genauer: „Menschen sowie Tiere, Pflanzen und andere Sachen“. Andere Sachen i.S.d. Norm sind auch Grundstücke und somit der Boden in seiner Gesamtheit, denn diese Norm hat – mit Blick auf den Gegenstandsbereich – eine Einschließungsfunk-

105

s. zur Brisanz der Frage noch die Abhandlung von Storm, NuR 1986, 8 ff. Zu dieser Frage ausführlich Lübbe-Wolff, NVwZ 1986, 178 ff. 107 Bund/Länder Arbeitsgruppe „Bodenschutzprogramm“, Bericht, Manuskript Wiesbaden v. 16. 2. 1985. 108 Storm, AgrarR 1983, 233 ff.; ähnlich Erbguth, UPR 1984, 242 f. 106

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tion109. Es wäre bezogen auf den umfassenden Zweck des Gesetzes: den Lebensraum des Menschen zu schützen, unverständlich, wenn es den Boden als Schutzobjekt nicht erfasste. Der Boden wird auch – wie jüngst nachgewiesen wurde – als unmittelbares Schutzobjekt vom BImSchG erfasst110. Die Verschärfung des BImSchG bzw. der auf seiner Grundlage erlassenen VOen und Verwaltungsvorschriften führt bei ihrer praktischen Umsetzung zu einem Rückgang der Schadstoffbelastung der Luft. Es fragt sich indes, ob bereits bei konkreten, mit Hilfe des BImSchG gesteuerten Maßnahmen wie Genehmigungen, Anordnungen, Untersagungen etc. Gesichtspunkte des Bodenschutzes eine Rolle spielen können111. Im Rahmen des § 5 BImSchG wäre das der Fall, wenn die vom Betrieb der Anlage ausgehenden Einwirkungen auf den Boden „schädliche Umwelteinwirkungen“ i.S.d. § 5 Nr. 1 wären oder gegen sie Vorsorge zu treffen wäre, weil sie sich der Qualität schädlicher Umwelteinwirkungen annäherten. Diese Fälle sind denkbar. Lufttransportierte Schadstoffeinträge in den Boden können schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. Legaldefinition des § 3 Abs. 1 – 2 BImSchG sein. Im Extremfall kann von einem schadstoffbelasteten Boden sogar eine unmittelbare Gefahr für den Menschen ausgehen, etwa für spielende Kinder oder für Bewohner bebauter ehemaliger Deponien. Der Fall Dortmund-Dorstfeld belegt die Gefährdung der menschlichen Gesundheit besonders deutlich. Konkret ist eine Ergänzung der TA-Luft um bodenspezifische Aspekte oder eine TA-Boden notwendig. Solange sie fehlt, ist es Aufgabe der Gerichte, der Berücksichtigung von Bodenbelastungen bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Geltung zu verschaffen. Sie sind dabei vor die schwierige Aufgabe gestellt, die Frage zu beantworten, wann eine Belastung des Bodens mit Schadstoffen einen Schaden darstellt, dessen Wahrscheinlichkeit eine Gefahr i.S.d. BImSchG begründet. Zu bejahen ist die Gefahr jedenfalls dann, wenn der Boden in seiner Funktionsfähigkeit in einer Weise gestört wird, die die bisherige Nutzung des Grundstücks langfristig ausschließt112. Dieses Kriterium entspricht dem des § 330 Abs. 2 Nr. 1 StGB; diese Gefährdung des Bodens ist als schwere Umweltgefährdung strafbar. Nicht nur ihm Rahmen des § 5, sondern auch im Rahmen nachträglicher Anordnungen gem. § 17 können Aspekte des Bodenschutzes Beachtung finden.

109 110 111 112

Lübbe-Wolff, NVwZ 1986, 180. Lübbe-Wolff, ebd. Zum Folgenden Lübbe-Wolff, ebd. Ebd., S. 182.

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IV. Analyse des rechtlichen Instrumentariums: Schutz des Bodens vor Verbrauch 1. Schutz durch Naturschutzrecht Der Landverbrauch könnte gestoppt oder zumindest eingeschränkt werden, indem das „Land“ einem rechtlichen Regime unterworfen wird, das landverbrauchende Maßnahmen verbietet oder begrenzt. Ein solches Recht enthält das BNatSchG und das zu seiner Ausfüllung ergangene Landesrecht. Das BNatSchG ermöglicht in seinen §§ 12 ff. die Ausweisung von Schutzgebieten zugunsten des Bodens. In Naturschutzgebieten, Nationalparks und Landschaftsschutzgebieten dürfen jedenfalls nur unter sehr engen Voraussetzungen ausnahmsweise dem Boden durch Bebauung seine ökologischen Funktionen entzogen werden. Diese Ausweisungen sind außenwirksame, bürgergerichtete raumbedeutsame Maßnahmen. Sie bilden somit – das ist festzuhalten – das vom Gesetzgeber vorgesehene originäre Instrument, großflächigen Landverbrauch zu verhindern113. Der Ausweisung zum Zwecke des Naturschutzes steht auch eine spezielle bauplanungsrechtliche Einordnung – etwa als unbeplanter Innenbereich gem. § 34 Abs. 1 BauGB – nicht entgegen114. Das BNatSchG erlaubt ferner auf örtlicher und überörtlicher Ebene eine Landschaftsplanung. Sie hat die Aufgabe, Erfordernisse und Maßnahmen darzustellen, die der Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege dienen. § 1 Abs. 1 BNatSchG, der diese Ziele aufführt, enthält das Ziel Bodenschutz nicht; dies dürfte seinen Grund in dem Umstand finden, dass bis vor kurzem die Brisanz des Problems Bodenschutz nicht erkannt wurde115. Freilich enthält § 2 Abs. 1 Nr. 2 den Grundsatz – die Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege haben die Aufgabe, § 1 zu konkretisieren116 –, unbebaute Bereiche als Voraussetzung für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die Nutzung der Naturgüter und für die Erholung in Natur und Landschaft insgesamt und auch im Einzelnen in für ihre Funktionsfähigkeit genügender Größe zu erhalten. Darin kommt zum Ausdruck, dass das BNatSchG wenigstens auch die freie Fläche erhalten wissen will; damit ist der Bodenschutz vom Gesetz mit umfasst, wenn auch nicht sein ausdrücklich genanntes Ziel117. In der Literatur finden sich eher allgemeine Aussagen mit Blick auf die Relevanz des Gesetzes für den Boden, die zudem einschränkender Art sind, wie die Äußerung offenlegt, der Umweltpflegebereich Naturschutz und Landschaftspflege erfasse „das Schutzgut Boden in seiner Ausprägung als Natur und Landschaft“118. 113 Grooterhorst, NuR 1985, 224. Im Einzelnen enthalten die Landesgesetze unterschiedliche Regelungen. 114 Vgl. BVerwG, DVB1 1981, 97. 115 Erbguth, UPR 1984, 244. 116 Statt vieler Erbguth, ebd. 117 Erbguth, ebd. 118 Storm, Umweltrecht, Einführung in ein neues Rechtsgebiet, 1980, S. 61.

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Damit ist die Bedeutung des BNatSchG für den Bodenschutz als solchen in Frage gestellt. Indes ist dieser restriktiven Interpretation nicht zu folgen. Auf § 2 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG, der dieser Auffassung entgegensteht, war schon hingewiesen worden. Die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 formulierten Ziele, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts sowie die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter zu erhalten, sind nur bei Bewahrung der zuvor herausgestellten Funktionen des Bodens zu erreichen und zu sichern. Bodenschutz ist deshalb eine Aufgabe des Gesetzes119. Auch die Landwirtschaftsklausel des § 1 Abs. 3 spricht für diese Interpretation; sie zeigt, dass den Boden betreffende Vorgänge vom Gesetz geregelt werden. Ferner spricht die jetzt deutlicher gewordene Notwendigkeit des Bodenschutzes – im Verhältnis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes: 21. 12. 1976, § 40 BNatSchG – für eine, vom Wortlaut des Gesetzes gedeckte, über die visuelle und ästhetische Zielrichtung hinausgehende Interpretation, die den Boden als solchen als Ziel des Naturschutzes und der Landschaftspflege erfasst120. Die Landschaftsplanung gem. §§ 5 – 6 BNatSchG hat somit Schutzaufgaben zugunsten des Bodens. Sie hat einen ökologisch nicht vertretbaren Bodenverbrauch zu verhindern. Dies erfolgt durch flächenbezogene Zielbestimmungen in den Plänen. Es ist die Frage der Verbindlichkeit dieser Planungen als solche zu stellen. Sie fehlt für die überörtliche Ebene generell, in der Regel auch für die örtliche Ebene, weil die Landschaftspläne in das Verfahren der Bauleitplanung eingebunden sind121. Verbindlichkeit könnte ihnen zum einen infolge einer Gesetzesänderung zukommen; es kann aber auch daran gedacht werden, diese Pläne als solche mit ihren unveränderten Inhalten in die Gesamtplanung – Landesplanung und Bauleitplanung – zu integrieren. Auf eine Integration in die landesplanerischen Programme und Pläne zielen sämtliche Vorschriften der Länder ab122. Für den letzteren Weg der Verbindlichmachung spricht, dass mit ihm eine weitere Aufsplitterung der Planungslandschaft verhindert wird123; freilich ist auch hier der Gesetzgeber gefordert: Er müsste – mit Blick auf die lokale Ebene – in der Abwägung bei der Planaufstellung dem Umweltschutz einen gewissen Vorrang einräumen. Dies ist, entgegen literarischer Stellungnahmen124, mit dem Wesen einer rechtsstaatlichen Planung ohne weiteres vereinbar125, weil der Gesetzgeber dem Abwägenden Gewichtungsvorgaben machen kann, die die Freiheit der Abwägung einschränken.

119

Ebenso Erbguth, UPR 1984, 245; ders., NuR 1986, 139. Zum Vorstehenden ebd. 121 Ausnahme: § 16 Abs. 4 Nr. 3 i.V m. §§ 19, 34 Landschaftsgesetz NW. 122 Erbguth, UPR 1984, 246 m.w.Nachw. 123 Ebd. 124 Z. B. Erbguth/Püchel, NuR 1984, 215; Hoppe, Staatsaufgabe Umweltschutz, VVDStRL 38, S. 279 f.; Erbguth, Raumordnungsrecht, 1983, Rn. 362 ff. 125 s. Gaentzsch, NuR 1986, 92. 120

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Für die überörtliche Ebene darf festgehalten werden, dass nunmehr auch unter Verzicht auf die Instrumente des BNatSchG in Landesprogrammen und Landesplänen „Umweltschutz durch Sicherung von natürlichen Lebensgrundlagen“ versucht wird, um Freiraum als ökologischen Ausgleichsraum für Menschen, Fauna und Flora zu erhalten und insb. der Bebauung zu entziehen126. Diese überörtliche Gesamtplanung mit Hilfe der Raumordnung und Landesplanung wird gem. § 1 Abs. 4 BauGB mit Hilfe der Bauleitpläne wirksam, da diese entweder anzupassen oder – falls solche Pläne fehlen – aufzustellen sind, damit die Ziele der Raumordnung und Landesplanung durchgesetzt werden können. Die „Erstplanungspflicht“ ist zwar umstritten, sie dürfte aber zu bejahen sein127. Unabhängig davon, welcher Weg für eine Verbindlichmachung der Landschaftsplanung vorgeschlagen wird, ist gesetzgeberisches Handeln zugunsten des Bodenschutzes gefordert. 2. Schutz durch Bauplanungsrecht Es ist in diesem Zusammenhang auch ein kurzer Blick auf das neue BauGB zu werfen. Absicht des Gesetzgebers war es, die Innenstadtorientierung des Bauens zu fördern und den Landverbrauch im Außenbereich zu stoppen128. Dieses Ziel scheint nicht vollständig erreicht worden zu sein. Zwar verpflichtet § 1 Abs. 5 Nr. 6 BauGB die Planungsträger, bei der vorzunehmenden Abwägung im Rahmen der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange des Bodens zu berücksichtigen. Mit „Belangen des Bodens“ kann nur die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Bodens gemeint sein. Die Pflicht zur Berücksichtigung dieses Belangs führt indes nicht von vornherein zu einem verstärkten Schutz des Bodens. Denn dieser Belang kann im Rahmen des Planungsermessens von anderen Belangen überspielt werden, solange sich das Planungsergebnis – der Plan – als ausgewogen darstellt. Es ist anzuerkennen, dass das BauGB den Bodenschutz als Abwägungsbelang ausdrücklich erwähnt, dem Landverbrauch wird dadurch freilich nicht Einhalt geboten. Ferner fordert § 1 Abs. 6 a.E. BauGB die Planungsträger auf, mit Grund und Boden sparsam umzugehen. Diese Aufforderung hat aber nicht den Charakter einer Nutzungssperre. Dieses Gebot vermag den Landverbrauch ebenfalls nicht zu stoppen. Im Flächennutzungsplan können jetzt gem. § 5 Abs. 2 Nr. 10 BauGB Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft dargestellt werden. Damit wird dem Planungsträger die Möglichkeit eingeräumt, Flächen von einer Bebauung freizuhalten. Der Flächennutzungsplan hat aber lediglich behördeninterne Wirksamkeit, die endgültige und allseits verbindliche Nutzungsre126 127 128

So der kürzlich vorgelegte 2. Entwurf des NW-LEP III. s. zum Problem Steiner (Fn. 52), S. 615. s. Löhr, JURA 1986, 468.

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gelung bewirkt der Bebauungsplan. Auch er erlaubt freilich gem. § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft festzusetzen. Somit gibt es jetzt ein im Gesetz ausdrücklich erwähntes planerisches Instrument auf der lokalen Ebene, um Landverbrauch zu verhindern. Dieses Ergebnis – Freiraumschutz durch Aufstellung von Bebauungsplänen – bedarf indes weiterer Absicherung, weil es, freilich noch unter der Geltung des alten BBauG, welches den neuen § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB nicht kannte, stark umstritten war129. Zu seiner Begründung ist auf Folgendes hinzuweisen130: Erste Voraussetzung für die Anwendung des Planungsinstrumentariums des BauGB ist gem. § 1 Abs. 1, dass die bauliche oder sonstige Nutzung „nach Maßgabe dieses Gesetzes“ vorbereitet wird. Maßgeblich ist das Erfordernis städtebaulicher Erforderlichkeit, § 1 Abs. 3 BauGB. Demnach ist dem Grunde nach eine Abgrenzung zwischen Landschaftsplanung – sie, und nicht eine Bauleitplanung ist gewollt – und Bauleitplanung zu treffen. Freilich darf die Abgrenzung wegen folgender Besonderheiten unterbleiben: Die Ziele der Raumordnung und Landesplanung, die gem. § 1 Abs. 4 BauGB mit Hilfe von Bauleitplänen zu verwirklichen sind, enthalten städtebauliche Gesichtspunkte, die, wie gesagt131, die Aufstellung eines Bebauungsplans veranlassen können. Ist mit Hilfe der „Ziele“ eine Freiraumplanung möglich, so stellt diese selbst einen städtebaulichen Gesichtspunkt dar. Folglich ist im Fall der Erforderlichkeit ein Freiraumschutz mit Hilfe der Bauleitpläne möglich. Man braucht jetzt auch nicht mehr auf die Festsetzungsmöglichkeit „Grünflächen“ oder „Flächen für die Land- und Forstwirtschaft“ zurückzugreifen132, sondern § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB erlaubt Festsetzungen für Maßnahmen zum Schutz der Natur direkt, womit jedenfalls eine Freifläche festgesetzt werden darf. Insoweit enthält das neue BauGB für den Bodenschutz einen Fortschritt. Rückschritte für den Schutz vor Landverbrauch enthalten die neugefassten § 34 und § 35 Abs. 4 BauGB. § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB erlaubt es, Außenbereichsgrundstücke dem Innenbereich durch Satzung zuzuordnen; dadurch wird ihre Bebaubarkeit und somit der Landverbrauch ermöglicht. Ähnlich folgenreich ist die Neufassung des § 35 Abs. 4 BauGB. Soweit er die bisherigen Absätze 4 und 5 zusammenfasst, ist das natürlich nicht zu spüren. Geändert worden sind die jetzigen Nrn. 2, 5 und 6 sowie Satz 3. Mit den Änderungen soll vorwiegend dem Strukturwandel in Landwirtschaft und Gewerbe Rechnung getragen werden. Im Wesentlichen erlaubt Nr. 2 die Neuerrichtung von Gebäuden im Außenbereich und den Abbruch nicht mehr modernisierungsfähiger Gebäude, ohne dass es darauf ankommt, ob das Gebäude einmal als Teil eines landwirtschaftlichen Betriebs zulässig war. Wohngebäude werden folglich mit solchen Gebäuden gleichgestellt, die als Teil eines landwirtschaftlichen Betriebs 129 130 131 132

s. zu diesem Problem m.w.Nachw. Grooterhorst, NuR 1985, 224 ff. s. auch Grooterhorst, ebd., S. 225. s. bei Fn. 127. Auf diese Möglichkeiten hat Grooterhorst, NuR 1985, 226 hingewiesen.

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schon immer im Außenbereich zulässig waren. Auf diese Weise werden bislang im Außenbereich unzulässige Neubauten erlaubt. Nr. 5 ermöglicht die Erweiterung von Bauten, die als Wohngebäude genutzt werden; Nr. 6 enthält Regelungen über Erweiterungsmaßnahmen gewerblicher Betriebe. Voraussetzung für die betriebliche Erweiterung ist nicht mehr, dass sie notwendig für die Erhaltung des Betriebs ist. Es zeigt sich, dass eine Reihe von Hindernissen zum Schutz des Außenbereichs vor Landverbrauch weggefallen ist133. Damit wird das Ziel des Gesetzes, das Bauen stärker in Richtung Innenbereich zu lenken, nicht durchgehalten und die Verhinderung von Landverbrauch anderen Zielen untergeordnet. Das Gebot des § 35 Abs. 5 BauGB, die Vorhaben flächensparend durchzuführen, wirkt nicht einmal als Trostpflaster, da der Landverbrauch im Außenbereich zunehmen wird. Die Änderungen des § 35 Abs. 4 BauGB haben im Wesentlichen erst die Tatbestände geschaffen, die § 35 Abs. 5 BauGB als Voraussetzung seines Sinnvollseins benötigt. Für den Bodenschutz im Außenbereich hat das BauGB bereits neuen Handlungsbedarf geschaffen: die Änderungen sind zurückzunehmen. Den Landverbrauch durch den Bau von Verkehrsanlagen stoppt das geltende auf diese Anlagen bezogene Recht nicht; es ist im Gegenteil ein Recht, das den Bau und die Benutzung von Verkehrsanlagen regelt. Ihr Bau kann großflächig durch Festlegung anderer Nutzungen verhindert werden. Es gilt das gleiche wie für den Landverbrauch durch Hausbau. Das Recht der Abgrabungen und des Bergbaus im Wege des Tagebaus bleibe i.F. ausgespart. Es werde unterstellt, dass es sich in aller Regel bei Maßnahmen aufgrund der einschlägigen Gesetze um einen vorübergehenden Landverbrauch handelt, wie beispielsweise die Rekultivierungsmaßnahmen im rheinischen Braunkohlerevier oder die sehr häufig zu beobachtenden Rekultivierungen von Kiesgruben u. ä. zeigen.

V. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf 1. Schadstoffeintrag Für die Sanierung von Altlasten hat sich herausgestellt, dass das geltende Recht wegen der vielen Probleme, die es in diesem Zusammenhang aufwirft, kaum in der Lage ist, eine zügige Sanierungsarbeit zu fördern. Soll aber diese im Interesse der Erhaltung der Lebensgrundlagen wichtige Arbeit nicht langfristig verzögert werden, bietet sich die Lösung nach dem Gemeinlastprinzip an. Es erscheint angemessen, an den Kosten diejenigen zu beteiligen, die Vorteile durch die Deponierung des Ab133 Gerechterweise ist darauf hinzuweisen, dass die Änderung partiell von der Rechtsprechung ausgelöste Entwicklungen lediglich aufgreift, so die mit dem Stichwort „übergreifender Bestandsschutz“ gekennzeichnete Erlaubnis, Änderungen und Erweiterungsmaßnahmen zu ermöglichen, die eine (weitere) wirtschaftlich rentable Nutzung des Eigentums erlauben, s. BVerwGE 50, 49; Friauf, FG BVerwG, S. 224 f.; Oldiges, in: Steiner (Fn. 127), S. 469. Zuletzt zu diesem Problemkreis BVerwG, NJW 1986, 2126 = BBauBl 1986, 494.

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falls hatten. Es ist Sache des Gesetzgebers, dieses Problem durch eine Einführung einer wie auch immer bezeichneten Abgabe zu lösen134. Es bedarf einer Festlegung der Werte, die landwirtschaftlich genutzter Kompost aus Abfall erfüllen muss. Der jetzige Maßstab in § 2 Abs. 1 Nr. 3 AbfG ist viel zu vage und deshalb nicht in der Lage, das Handeln des Landwirts umweltschutzwirksam zu steuern. Die Düngung mit Wirtschaftsdünger benötigt eine Konkretisierung. Hier könnte die GülleVO des Landes Nordrhein-Westfalen Vorbild für eine bundeseinheitliche Regelung sein. Für den Verbrauch von Handelsdünger fehlt jede Regelung. Sie ist besonders dringend, da sein Einsatz die übermäßige Stickstoffanreicherung im Boden bedingt. Der Einsatz von Pflanzenbehandlungsmitteln bedarf insoweit der Regelung, als Höchstgrenzen im Verordnungswege festzusetzen sind. Eine Revision der Landwirtschaftsklauseln ist gefordert, wenn eine ökologisch unbedenkliche Landwirtschaft in Zukunft betrieben werden soll. Die Ergänzung der TA-Luft um bodenspezifische Aspekte oder eine TA-Boden ist notwendig. . 2. Landverbrauch § 1 BNatSchG sollte in der Weise geändert werden, dass die ausdrückliche Aufnahme des Bodenschutzes als Aufgabe der Landschaftsplanung in das Gesetz Eingang findet. Zur Durchsetzung der Ergebnisse der Landschaftsplanung gegenüber anderen Interessen ist ihre Verbindlichmachung mit Hilfe des vorhandenen Instrumentariums der Gesamtplanung notwendig. Die Änderungen des BauGB, mit denen das Bauen im Außenbereich erleichtert wurde, sind rückgängig zu machen.

VI. Schlussbetrachtung Dieser Beitrag wollte nicht lediglich einen Überblick über das vorhandene Bodenschutzrecht liefern, sondern die konkreten Gefährdungen aufzeigen sowie eine Analyse der Schwachstellen des Rechts liefern. Dieses konnte freilich nur für Teilbereiche und auch nur oberflächlich geschehen. Eine diese Probleme vertiefende Analyse ist für die Gefährdung durch Schadstoffeintrag noch zu leisten. Für den Landver-

134

s. dazu die Diskussion in UTR Bd. 1, 183 – 209.

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brauch darf auf die Studie von Ebersbach, Rechtliche Aspekte des Landverbrauchs am ökologisch falschen Platz, 1985, verwiesen werden135.

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Das Manuskript wurde Anfang März abgeschlossen. Später erschienene Abhandlungen, so insb. der Entwurf der Bund/Länder-Arbeitsgruppe „Maßnahmen des Bundes und der Länder zum Bodenschutz“ v. 31. 3. 1987 konnten nicht mehr berücksichtigt werden. Dasselbe gilt für das Buch von Book, Bodenschutz durch räumliche Planung, 1987, welches ich zu spät in die Hände bekam.

B. Rüstungsaltlasten .

I. Die Problematik In jüngerer Zeit ist das Problem der „Rüstungsaltlasten“1 einer breiteren Öffentlichkeit bewusst geworden2. Den Prozess der Bewusstwerdung begleiten und fördern spektakuläre Pressepublikationen3 sowie parlamentarische Initiativen4. Die zuständigen Behörden hingegen haben schon früher Lösungen in Angriff genommen5. – Soweit ersichtlich, fehlen in der veröffentlichten juristischen Literatur einschlägige Stellungnahmen6. Dieser Beitrag versucht eine erste Annäherung an die Rechtsfragen des Problemfelds „Rüstungsaltlasten“. Der Begriff ist kein Rechtsbegriff; er dient lediglich dazu, eine spezifische Sachproblematik schlagwortartig zusammenzufassen. 1 BTag-Drs. 11/41,04; gleichsinnig spricht man auch von „Kriegsaltlasten“, Donner, Rechtsfragen der Sanierungs- und Finanzierungsverantwortung für niedersächsische „Kriegsaltlasten“, unveröffentlichtes Rechtsgutachten, Hannover 1989; oder von „Kampfstoffaltlasten“: NdsLTag-Drs. 11/3371. 2 s. dazu die Dokumentationen „Initiativen gegen Rüstungsaltlasten – Reader 1987/88“, hg. v. Braedt; „Rüstungsaltlasten – Berichte der Initiativen gegen Rüstungsaltlasten 1988/89“, hg. v. „Kraftzwerg e. V.“; „Wir beenden hier den Weltkrieg“, in: Der Spiegel 1989, Heft 48 v. 27. 11. 1989, S. 79 ff. 3 s. Der Spiegel, ebd. 4 Zuletzt Entschließungsantrag der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Drs. 11/ 4437 v. 11. 10. 1989: „Die Landesregierung wird aufgefordert, durch Verhandlungen mit dem Bund darauf hinzuwirken, dass der Bund als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches und als Eigentümer von Grundstücken, auf denen sich Rüstungsaltlasten befinden, die Finanzierung der Erkundung, Gefährdungsabschätzung, Sicherung und Sanierung von Rüstungsaltlasten übernimmt.“ 5 s. NdsLTag-Drs. 11/1796, 11/3371 und 11/4514; Der Nds. Umweltminister (Hg.), Expertengespräch Rüstungsaltlasten, Hannover 1989; hinzuweisen ist auch auf die Initiative des Regierungspräsidenten Kassel im Zusammenhang mit der ehemaligen Sprengstoffabrik in Hirschhagen (Hessisch-Lichtenau) seit mindestens 1986. s. auch die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion im Bundestag (Drs. 11/2725) durch Drs. 11/ 4104. – Im Erlasswege hat der Bundesminister des Innern am 18. 2. 1986 Detailfragen geregelt, Az. U N 1 – 530 511/3. 6 Als unveröffentlichte Gutachten sind mir bekannt: Donner (Fn. 1); Becker, Rechtsgutachten über Kostenerstattungsfragen und Rechtsbeziehungen im Zusammenhang mit der ehemaligen Sprengstoffabrik in Hirschhagen (Hessisch-Lichtenau), 1986; Redeker, Gutachtliche Äußerung zur Frage der Haftung der IVG aus der Grundwasserverunreinigung im Raume Hessisch-Lichtenau.

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B. Rüstungsaltlasten

1. Das Sachproblem Vor und während des Zweiten Weltkriegs sind für die Bewaffnung der deutschen Kampfverbände Kampfmittel (Munition, Bomben, Giftgasgranaten etc.) hergestellt worden. Herstellung, Erprobung und Lagerung verliefen nicht entsprechend den Anforderungen, die an diese Vorgänge heute qua Gesetz gerichtet werden: Die Einhaltung eines definierten Umweltschutzniveaus war nicht gefordert. Tatsächliche Folge dieser Handlungsweise war deshalb häufig eine Kontaminierung des Bodens: Ausgangsstoffe, Neben- und Zwischenprodukte sowie Abfälle der Produktion wurden unsachgemäß gelagert oder abgelagert; im Rahmen der Erprobung von Munition u. a. gelangten diese oder ihre Zerfallsprodukte in das Erdreich; die Endprodukte des Erzeugungsprozesses wurden unsachgemäß gelagert und bewirkten im Fall ihrer Fehlerhaftigkeit „Kleckerschäden“. Bereits vor Beendigung des Kriegs und besonders intensiv nach Kriegsende gelangte überflüssig gewordenes Material (Munition, Bomben, Giftgas, aber auch deren Ausgangsstoffe und Zwischenprodukte) in das Erdreich: durch Vergraben oder Versenken in Teichen, die anschließend aufgefüllt wurden. Die in den Kampfmitteln vorhandenen Chemikalien verseuchten entweder von Anfang an oder später, nach Verrosten der Ummantelung und der dadurch eröffneten Möglichkeit des Austritts, den Boden und das Grundwasser; das gleiche gilt für Chemikalien, die als solche beseitigt wurden. Ferner ist gefährliches Gasausströmen in Zukunft nicht auszuschließen, Explosionen sind wahrscheinlich7. Es sind im Wesentlichen zwei Vorgänge, die heute mit dem Stichwort „Rüstungsaltlasten“ verbunden werden: (1) die Produktion von Kampfmitteln, (2) ihre spätere „Beseitigung“. Die genaue Zahl der durch diese Vorgänge verseuchten Standorte ist unbekannt. Man geht davon aus, dass sich an mindestens 72 Standorten auf dem Gebiete der heutigen Bundesrepublik ehemalige chemische Rüstungsbetriebe befanden8 (davon ca. 40 in Niedersachsen9), in 25 Betrieben wurde Giftgas produziert10. Es fehlt ein Überblick, wo die mindestens 70.000 t Kampfstoffe verblieben sind, die sich bei Kriegsende in den Arsenalen der Wehrmacht befanden11. Zur Verdeutlichung der tatsachlichen Probleme seien einige Beispiele genannt: Im Werk ,,Tanne“ in Clausthal-Zellerfeld wurde der Sprengstoff TNT (Trinitrotoluol)

7 Remmers, Vorwort, in: Expertengespräch (Fn. 5), S. IX f.; Bundesregierung, BTagDrs. 11/4104; s. die in Fn. 2 angegebenen Dokumentationen und Berichte. 8 Übersicht des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) v. Juli 1987, zit. nach Braedt (Fn. 2), S. 1. 9 NdsLTag-Drs. 11/1796; eine Pressemitteilung des Nds. Umweltministeriums v. 13. 10. 1988 spricht von 67 Standorten. 10 Der Spiegel (Fn. 3). 11 Der Spiegel (Fn. 3).

B. Rüstungsaltlasten

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hergestellt12. In Spitzenzeiten der Produktion fielen täglich ca. 100.000 m3 hochgradig verseuchter Abwässer an. Sie wurden in Klärteichen zwischengelagert, teilweise über die Söse abgeleitet oder in Schluckbrunnen am Harzrand bei Petershütte in den Untergrund verpresst. Nach Kriegsende wurde die Fabrik gesprengt, auf dem Betriebsgelände blieb eine unbekannte Menge TNT zurück. Dieses wurde in den siebziger Jahren vernichtet. Es unterblieben eine Untersuchung des Bodens auf chemische Rückstände sowie eine Sanierung des Geländes. Es ist heute eingezäunt und bietet den Anblick eines Ruinenfelds. Untersuchungen im Umfeld der Fabrik haben erbracht, dass im Sediment eines Teichs toluolhaltige Rückstände vorhanden sind, dass das Grundwasser in Abwasserversenkungsgebieten im Bremketal bei Osterode Toluole, Amine und Benzol enthält, dass die Heilquelle bei Förste mit Produktionsrückständen belastet ist. – Im Raum Munster, insb. im Bereich des Truppenübungsplatzes Munster-Nord13, liegen chemische Kampfmittel aus beiden Weltkriegen im Boden. Das Gelände ist arsenverseucht. Der gesamte Truppenübungsplatz ist seit Ende Januar 1990 für Manöver etc. gesperrt. – Im sog. Dethlinger Teich bei Munster wurden in der Nachkriegszeit (geschätzt) ca. 100.000 Stück Zündladungen, ca. 3000 Stück Kampfstoffgranaten, ca. 150.000 Stück Kampfmunition, ca. 200 bis 300 Stück 100 kg schwere Phosgenbomben versenkt14. Diese Beispiele belegen deutlich die Notwendigkeit von Sanierungsmaßnahmen. Die Sanierungskosten werden auf eine bis zehn Milliarden DM geschätzt15, die des Dethlinger Teichs auf 500 Millionen DM. 2. Explikation des Begriffs Rüstungsaltlast; Ausgrenzung Auf der Basis des beschriebenen Sachproblems lässt sich der Begriff „Rüstungsaltlast“ explizieren: „Unter einer Rüstungsaltlast werde ein Grundstück verstanden, auf dem 1. zur Ausrüstung der Kampfverbände des Deutschen Reichs Kampfmittel jeder Art hergestellt, erprobt sowie gelagert, oder 2. diese Kampfmittel sowie ihre Vor-, Neben-, Zwischen- oder Abfallprodukte beseitigt wurden, wenn von diesen Stoffen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.“

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Zum Folgenden Zanzow, in: „Kraftzwerg e. V.“ (Fn. 2), S. 42 f.; NdsLTag-Drs. 11/1796. Mitteilung der Herren Manger und Langhof von der Wehrbereichsverwaltung II in Hannover. 14 NdsLTag-Drs. 11/3371, Anlage Bl. 8. – Der Spiegel (Fn. 3) spricht von 200.000 Granaten mit den Kampfstoffen „Lost“ und „Phosgen“, die im Teich lagern sollen. 15 Der Spiegel (Fn. 3). 13

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Diese Begriffsexplikation dürfte so weit gefasst sein, dass sie alle relevanten Standorte erfasst. Sie dürfte ferner keine Aussagen enthalten, die in Ansehung des Zwecks der Explikation überflüssig sind16. Entsprechend dieser Explikation lässt sich feststellen, dass die Aufgabe des sog. „Kampfmittelbeseitigungsdienstes“, die Beseitigung von Fundmunition17, nicht dem Sachbereich Sanierung von Rüstungsaltlasten zuzurechnen ist. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst besteht aus Spezialisten, die zufällig, z. B. aus Anlass eines Straßenbaus, gefundene Bomben, die während der beiden Weltkriege auf deutschem Boden niedergingen, aber nicht explodierten (also „Blindgänger“), zu entschärfen haben. Aufgabe des Kampfmittelbeseitigungsdienstes ist es mithin nicht, systematisch das Land nach vorhandenen Blindgängern zu untersuchen, sie zu entschärfen und zu vernichten; erst recht ist es nicht seine Aufgabe, von wem auch immer vergrabene Munition aufzuspüren, sie zu behandeln18 und Boden sowie Wasser zu sanieren. In Niedersachsen ist der Kampfmittelbeseitigungsdienst eine Landeseinrichtung, die der Polizeidirektion Hannover angegliedert ist19. Er ist keine Behörde der Gefahrenabwehr. Er leistet den zuständigen Behörden auf Anforderung Amtshilfe. Die Kosten für seinen Einsatz trägt anstelle des polizeirechtlich Verantwortlichen das Land aus Billigkeitsgründen. Die Vernichtung von Kampfmitteln, die nicht am Fundort gesprengt werden können, geschieht auf zugelassenen Sprengplätzen. Chemische Kampfstoffmunition, die in Zukunft noch gefunden wird, soll in einer Anlage verbrannt werden, die zur Zeit mit Mitteln des Bundesfinanzministers auf dem Truppenübungsplatz Munster erbaut wird. Dort befindet sich bereits eine Verbrennungsanlage; in ihr werden chemische Kampfstoffe vernichtet, die auf dem Truppenübungsplatz gefunden werden; Sprengstoffe werden in einer separaten Delaborierungsanlage zerstört. Die Verbrennungsanlage ist einmalig in Europa20. Der Betreiber ist die wehrwissenschaftliche Dienststelle des Bundes. Es handelt sich um eine Anlage gem. § 4 Abs. 1 AbfG, sie unterliegt der Ausnahmebestimmung des § 29a AbfG. Handelt es sich bei der zur Vernichtung anstehenden Munition um solche, die nicht auf bundeseigenem Gelände gefunden wurde, trägt die Kosten der Vernichtung das Land, in dem der Fundort liegt.

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Die Explikation v. Donner (Fn. 1) zählt auch das Merkmal öffentliche Ordnung auf; dafür dürfte angesichts des Verweises dieses unbestimmten Rechtsbegriffs auf moralische Dimensionen keine Notwendigkeit bestehen. 17 s. den Runderlass v. 4. 12. 1981, NdsMBl. Nr. 1/1982, S. 4. 18 Das schließt natürlich nicht aus, dass der Kampfmittelbeseitigungsdienst im Einzelfall diese Aufgabe wahrnimmt; davon geht offenbar der in Fn. 17 zitierte Erlass aus. – Neuerdings sucht er systematisch mit Hilfe von Luftbildern nach Blindgängern; die Bilder hat die britische Luftwaffe jetzt freigegeben. 19 Hierzu und zum Folgenden Runderlass (Fn. 17). 20 Die Angaben beruhen auf einer Mitteilung der Herren Manger und Langhof von der Wehrbereichsverwaltung II. – § 1 Abs. 3 Nr. 8 AbfG existierte im Zeitpunkt der Errichtung der Anlage noch nicht.

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3. Die Organisation der Kampfmittelproduktion Für die Antwort auf die in diesem Beitrag zu stellenden Rechtsfragen ist es notwendig, die Rechtskonstruktionen darzustellen, die den Rahmen für die Kampfmittelproduktion bildeten. Es lassen sich zwei im Prinzipiellen differierende Varianten unterscheiden: die privatrechtliche und die öffentlich-rechtliche Lösung. Die privatrechtliche Lösung stellt sich folgendermaßen dar21: Die Kampfmittelproduktion für die Ausrüstung der deutschen Wehrmacht erfolgte ab 1934 durch die „Verwertungsgesellschaft für Montanindustrie GmbH“ – seinerzeit sprach und auch heute spricht man von ihr kurz als „Montan“. Der Gesellschaftsvertrag zur Gründung dieses Unternehmens datiert vom 3. 2. 1916. Im Jahre 1934 übernahm das Deutsche Reich sämtliche Anteile an dem Unternehmen; es wurde somit sein Alleingesellschafter. In den Organen der Gesellschaft vertrat das Deutsche Reich der Chef des Heeres-Waffenamts/OKH. Am 23. 3. 1945 erhielt das Unternehmen den Namen „Montan-Industriewerke GmbH“. Ab diesem Datum war das Deutsche Reich durch den Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion in den Gesellschaftsorganen vertreten. – Seit 1934 bestand der Unternehmenszweck der „Montan“ in der Vermögensverwaltung und geschäftlichen Kontrolle der Rüstungsbetriebe. Sie fungierte als unternehmerischer Treuhänder – „Treunehmer“ – des Reichs für die Rüstungs- und Kriegsproduktion. Im Auftrage und auf Kosten des Oberkommandos des Heeres errichteten deutsche Unternehmen (IG-Farben, Dynamit-AG, Degussa, WASAG) Munitions- und Sprengstofffabriken. Die „Montan“ erwarb nach Fertigstellung der Anlagen das Gelände; sie erlangte also das Eigentum an den Werken. Die „Montan“ verpachtete anschließend die Fabriken an Betreiberfirmen. Häufig fungierten als Betreiberfirmen speziell zu diesem Zweck gegründete Tochtergesellschaften der errichtenden Unternehmen; eine dieser Firmen war die „GmbH zur Verwertung chemischer Erzeugnisse“, die sog. „Verwertchemie“, eine Tochtergesellschaft der Dynamit-AG. Der Pachtvertrag enthielt die Klausel, dass „jeder grundlegende kaufmännische oder Verwaltungsvorgang nur nach Mitteilung und Genehmigung durch die ,Montan durchgeführt werden kann“22. Die Betreibergesellschaften wurden nach Kriegsende in der Regel liquidiert; es gibt also wahrscheinlich keine Rechtsnachfolger – jedenfalls haben offizielle Recherchen insoweit keinen Ertrag gehabt. Das Vergleichsverfahren betreffend die „Verwertchemie“ endete beispielsweise am 7. 9. 1952. Die „Montan“ ging gem. Art. 134 GG und dem „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen“ v. 16. 5. 1961 (BGBl. I S. 597) in das Vermögen der Bundesrepublik über. Sie erhielt am 12. 10. 21

Die folgenden Angaben sind dem Gutachten Becker (Fn. 6), S. 4 ff. entnommen. Sie dürften unbestritten sein. Teilweise finden sie sich auch im Gutachten Donner (Fn. 1) wieder. 22 § 7 Abs. 1 des Pachtvertrags zwischen der „Montan“ und der „Verwertchemie“ von 1939, Document No. NI-6780, Office of Chief of counsel for war crimes.

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1951 den neuen Namen „Industrieverwaltungsgesellschaft mbH“23. Sie existiert noch heute in der gesellschaftsrechtlichen Form einer Aktiengesellschaft (i.F. abgekürzt: IVG-AG)24. Öffentlich-rechtlich organisiert waren die Munitionsanstalten, die sog. „Munas“25. Sie waren keine Erfindung der Machthaber des „Dritten Reichs“, sie entstanden während des Ersten Weltkriegs. Der Brockhaus von 1932 kennt bereits das Stichwort Munitionsanstalt26. Für das Gebiet der heutigen Bundesrepublik sind mindestens 78 Standorte nachgewiesen. Den „Munas“ war die Aufgabe übertragen, Kampfmittel zusammenzusetzen und bis zum Abtransport zu lagern. Man kann reine Depots und Weiterverarbeitungsbetriebe unterscheiden. Rechtlich waren sie Staatsbetriebe; Grund- und Anlagevermögen, Trägerschaft und Betriebsführung lagen beim Deutschen Reich, vertreten durch die drei Teilstreitkräfte. Leiter einer „Muna“ war ein Kommandant mit militärischem Dienstgrad. Die Bewachung der Anlagen und wohl auch die Produktion erfolgten durch Soldaten.

4. Das eigentumsrechtliche Schicksal der belasteten Grundflächen Die eigentumsrechtlichen Verhältnisse der betroffenen Standorte gestalteten sich nach dem Krieg wechselhaft. Prinzipiell lassen sich folgende Tatbestände feststellen: 1. Das Eigentum der ehemaligen Montan ist bei ihr verblieben; Eigentümerin des von ihr verseuchten Geländes ist heute also die IVG-AG. Dieses trifft zu für das Werk „Tanne“ in Clausthal-Zellerfeld sowie für die gefahrverdächtigen Standorte Dörferden und Draghan27. 2. Die IVG-AG hat das Gelände veräußert; neue Eigentümer können theoretisch sein: die Bundesrepublik Deutschland; die Bundesländer; die Kommunen; sonstige öffentlich-rechtliche Institutionen, soweit sie selbständig Träger von Rechten und Pflichten sind; jede natürliche und juristische Person des privaten Rechts. Alle Varianten lassen sich feststellen; so befindet sich der ehemalige Standort Bomlitz überwiegend in Kommunaleigentum, der Standort Herzberg in Privatund Kommunaleigentum. 3. Weil das Grund- und Anlagevermögen der „Munas“ Staatseigentum war (Reichsfiskus Heer, Reichsfiskus Luftwaffe), wurde es gem. Kontrollratsgesetz Nr. 52 einer besonderen Vermögenskontrolle unterworfen. In Niedersachsen ging das 23

Donner (Fn. 1) m.w.Nachw. Nach Donner, ebd., soll sich ihr Grundkapital auf 110 Mio. DM belaufen. 25 Zum Folgenden Rohlfing, in: „Kraftzwerg e. V.“ (Fn. 2), S. 20 ff. 26 „Munitionsanstalten, im Deutschen Reich staatliche Anstalten, in denen der Schießbedarf für die Reichswehr […] zusammengesetzt und gelagert wird.“ 27 Die im Folgenden genannten Eigentumsverhältnisse sind zitiert nach NdsLTag-Drs. 11/ 1796. 24

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ehemalige Vermögen des Deutschen Reichs in das Eigentum des Landes über; seine Verwaltung oblag den Oberfinanzpräsidenten. Heute ist generell das ehemalige „Muna“-Vermögen Eigentum der Bundesrepublik, soweit es nicht weiterveräußert wurde; für die Verwaltung zuständig ist die Bundesvermögensverwaltung. Soweit die Bundeswehr ehemalige „Muna“-Flächen nutzt – z. B. in Munster; hier befand sich eine nach Kriegsende gesprengte Giftgasfabrik –, verwaltet diese selbst das Gelände; die Zuständigkeiten liegen beim Bundesminister der Verteidigung, bei der Wehrbereichsverwaltung und bei der Standortverwaltung.

5. Die Rechtsfrage Die Rechtsfrage lautet: Wer ist heute aufgrund welcher Rechtsgrundlagen verpflichtet, die notwendigen Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, und wer hat die Kosten zu tragen? Nach einer Vorstellung der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen (II.) wird gefragt, wer aufgrund des als einschlägig erarbeiteten Rechts zur Sanierung verpflichtet ist und ob es Haftungsbegrenzungen gibt (III.); ferner ist das Problem zu erörtern, wer Träger der Aufgabe Sanierung von Rüstungsaltlasten ist (IV.); abschließend ist die Existenz von Kostenübernahmepflichten zu diskutieren (V.).

II. Rechtsgrundlagen 1. Unanwendbare Gesetze Es ist unproblematisch und deshalb nicht näher ausführungsbedürftig, dass die heute in Geltung befindlichen Bestimmungen des Abfallrechts und des Wasserhaushaltsrechts eine Sanierungspflicht nicht begründen. Das erste AbfG des Bundes trat 197228, das WHG 196029 in Kraft. Rückwirkende Geltung kommt diesen Gesetzen nicht zu. Im Übrigen ist gem. § 1 Abs. 3 Nr. 8 AbfG das Aufsuchen, Bergen, Befördern, Lagern, Behandeln und Vernichten von Kampfmitteln kein Fall für die Anwendung des AbfG. Für die Rüstungsaltlasten gilt nichts anderes als für die „allgemeinen“Altlasten. Es entspricht vollkommen herrschender Auffassung, dass Abfall- und Wasserrecht keine Handhabe bieten, sie betreffende Probleme zu lösen, soweit die Altlasten vor dem Inkrafttreten der genannten Gesetze entstanden und zum genannten Zeitpunkt „abgeschlossen“ waren30. 28

Gesetz v. 7. 6. 1972, BGBl. I S. 873; in Kraft getreten am 11. 6. 1972. WHG v. 27. 7. 1957, BGBl. I S. 1110, Gesetz v. 19. 2. 1959, BGBl. I S. 37. 30 s. dazu m.w.Nachw. Ziehm, Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen, 1989, S. 77 ff., 108 ff. 29

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2. Das Polizeirecht als Rechtsgrundlage Gem. § 11 NdsSOG – und entsprechend den gleichsinnigen Normen der anderen Polizeigesetze – können die zuständigen Behörden die notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr treffen. Eine konkrete Gefahr liegt gem. § 2 Nr. 1a NdsSOG bei einer Sachlage vor, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird. Schaden ist die Verletzung eines polizeirechtlich geschützten Rechtsguts. Rechtsgüter dieser Qualität sind u. a. die menschliche Gesundheit, die Reinheit von Boden und Grundwasser31. Es ist davon auszugehen, dass jedenfalls bei einigen Standorten ehemaliger Rüstungsbetriebe die Rechtsgüter Reinheit des Bodens und des Grundwassers bereits geschädigt sind oder ihre Schädigung bevorsteht (z. B. durch Verrosten von Fässern und anschließendem Eindringen der Chemikalien in Boden und Grundwasser) – ansonsten wäre das Problem der Rüstungsaltlasten eben kein Problem. Das gleiche gilt für eine mögliche Schädigung der menschlichen Gesundheit durch den Austritt von Giftgas oder durch unterirdische Explosionen.

3. Die ex-lege bestehende Schadensbeseitigungspflicht Die Schadensbeseitigungs- bzw. -verhinderungspflicht ist eine kraft Gesetzes bestehende Pflicht; auf ihre Konkretisierung durch eine Polizeiverfügung kommt es nicht an32. Es existiert die sog. „materielle Polizeipflicht“; sie bedingt eine Störungsbeseitigungs- bzw. -verhinderungspflicht: „Die Polizeipflicht ist […] die Verpflichtung natürlicher und auch juristischer Personen, ihr Verhalten und den Zustand ihrer Sachen so einzurichten, dass daraus keine Störungen oder Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entstehen.“33 Ein diese Pflicht ansprechender Verwaltungsakt begründet sie also nicht erstmalig oder lässt sie als Folge seines Erlasses erst entstehen, die Pflicht besteht schon kraft Gesetzes – mit anderen Worten: Die Polizeiverfügung konkretisiert nicht diese Pflicht an sich, sondern bestimmt lediglich die Modalität ihrer Erfüllung durch ein bestimmtes Mittel34. Das bedeutet: Jeder, der zur Beseitigung einer Gefahr, die von einer Rüstungsaltlast ausgeht, verpflichtet ist, hat diese Pflicht unabhängig von ihrer Geltendmachung durch eine Verfügung zu erfüllen. Die hier vertretene These von der materiellen Polizeipflicht war vor längerer Zeit Gegenstand einer wissenschaftlichen Kontroverse; sie kann hier nicht nachgezeichnet werden35. Sie endete in einer Pattsituation. Will man die materielle Polizeipflicht 31

Ziehm, ebd., S. 18 ff. m.w.Nachw. s. Peine, DVBl 1980, 948. 33 Saipa, in: Faber/Schneider (Hg.), Niedersächsisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1985, S. 373 m.w.Nachw. 34 Peine, DVBl 1980, 948. 35 Ausführliche Nachw. bei Czeczatka, Der Einfluss privatrechtlicher Rechtsverhältnisse auf Erlass und Inhalt polizeilicher Hoheitsakte, 1978, S. 34 ff. 32

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nachweisen, so muss die Beweisführung zu ihrem Ausgangspunkt das geltende Polizeirecht wählen. Dieses schließt die Annahme einer ex-lege bestehenden Pflicht nicht aus. Die Richtigkeit der Annahme ergibt sich aus Folgendem: Das PrOVG ging bis zum Jahre 1931 in einer Reihe von Entscheidungen von der materiellen Polizeipflicht aus36. Seine Rechtsprechung fand im PrPVG37 gesetzlichen Niederschlag38. Dessen wesentliche materielle Bestimmungen führen die heutigen Polizeigesetze fort39. Die Existenz der materiellen Polizeipflicht hat sich somit im geltenden Recht erhalten. Es kann deshalb mit Recht festgestellt werden, dass die Annahme einer materiellen Polizeipflicht seit nahezu hundert Jahren den jeweils geltenden Polizeigesetzen zugrunde liegt. Der überwiegende Teil der älteren Literatur erkannte diese ex-lege geltende Pflicht an40. Da sich die Gesetze materiellrechtlich in der hier interessierenden Frage nicht geändert haben, darf sich an der Anerkennung dieser Pflicht nichts ändern. Daneben belegt auch folgende Erwägung die Richtigkeit der aufgestellten These: Immer dort, wo Gesetze ein bestimmtes Verhalten ge- oder verbieten, z. B. im Strafrecht, gibt es die entsprechende Verhaltenspflicht unmittelbar aus der Natur der Sache, weil Funktion dieser Tatbestände die Regelung jenes Minimums an Verhaltensregeln ist, das die unabdingbare Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens bildet. In nichts anderem besteht die Funktion des Polizeirechts: Es dient der Durchsetzung dieses Minimums, wie die Definition der öffentlichen Ordnung zeigt41. Dieses Ergebnis wird von einem Teil der polizeirechtlichen Literatur ausdrücklich akzeptiert42. Soweit die angesprochene Pflicht nicht ausdrücklich hervorgehoben wird, dürfte der Grund darin liegen, dass die Gesetze heute die Verantwortlichkeit ausschließlich als Maßnahmenvoraussetzung normieren, es also unterlassen, die Verantwortlichkeit unabhängig von behördlichen Maßnahmen als Pflicht hervorzuheben. Das aber hat auf die Existenz der Pflicht keinen Einfluss43. Nach alledem ergibt sich: Soweit eine Verpflichtung zur Gefahrenabwehr nach Polizeirecht besteht, ist diese von der verpflichteten Person unabhängig vom Erlass eines entsprechenden Verwaltungsakts zu erfüllen.

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Ausführlicher Nachw. und Analyse bei Czeczatka, ebd., S. 45 ff. V. 1. 6. 1931, GS S. 77. 38 Dazu z. B. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. 1988, Rn. 15. 39 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. VII. 40 Nachw. bei Czeczatka (s. Fn. 35), S. 56 ff. 41 Davon unabhängig ist die Frage, ob dieser Begriff noch notwendig und rechtsstaatlich akzeptabel ist, dazu Peine, DV 1979, 25 ff. 42 Drews/Wacke, Polizeirecht, 7. Aufl. 1962, S. 207; Götz (Fn. 38) Rn. 189; Pietzcker, DVBl 1984, 457, 459. 43 Götz, ebd. 37

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4. Erwägungen zum Haftungsausschluss Die herausgearbeitete Haftung entfällt nicht, weil nach dem Recht des „Dritten Reichs“ die Schadensverursachung erlaubt war. Gesetze, die ein derart folgenreiches Vorgehen ausdrücklich gestatteten, fehlen. Vielmehr dürfte sich die beschriebene Produktion außerhalb der Gesetze, z. B. des PrWassG und des PrPVG von 1931, vollzogen haben. Das PrPVG entsprach weitgehend heutigem Polizeirecht. Was nach heutiger Auffassung als Schaden i.S.d. Polizeirechts zu betrachten ist, war auch ein Schaden nach jenem alten Recht. Deshalb war die Produktion von Kampfmitteln mit den beschriebenen Folgen schon seinerzeit polizeirechtswidrig. Ob Genehmigungen das beschriebene Handeln erlaubten, ist unbekannt. Soweit der Verf. Einblicke in Dokumente nehmen konnte, handelt es sich um Verträge, aus denen hervorgeht, dass einzelne Unternehmen „im Auftrag und fuer Rechnung des Oberkommandos der Wehrmacht Produktionsstaetten mit allen erforderlichen Nebenanlagen, einschließlich Zufahrtswegen, als selbständige Betriebe errichtet bzw. eingerichtet“ haben44. Die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung wird mit dieser Feststellung nicht bestritten. Diese Prüfung entfällt von vornherein für die „Munas“, da sie staatlich betriebene Fabriken waren; dass der Staat sich selbst seinerzeit eine Genehmigung erteilte, ist nicht vorstellbar. – Soweit die privatrechtliche Lösung gewählt wurde, existiert ein Mantelvertrag zwischen dem Oberkommando der Wehrmacht und der Dynamit-AG, der die Dynamit-AG zur Herstellung von Waffenproduktionsstätten verpflichtete. Dasselbe gilt für die Produktion der „Verwertchemie“; diese erhielt den Auftrag zur Produktion ebenfalls durch Vertrag. Klauseln mit Blick auf die Verhütung von – in heutiger Sprache – Umweltschäden enthielten diese Verträge nicht. Wenn sich Vertragsklauseln dieses Inhalts finden sollten, entfalten sie keine Rechtswirkung: Durch privatrechtlichen Vertrag kann das öffentliche Recht nicht außer Geltung gesetzt werden. Das Problem der Schadensbeseitigungspflicht entfällt auch nicht wegen der sog. Legalisierungswirkung von Genehmigungen. Sie gibt es als etwas rechtlich Besonderes zum Ausdruck Bringendes nicht; diese These hat der Verf. jüngst ausführlich begründet, auf diese Ausführungen sei verwiesen45. Wenn man hingegen diese „Rechtsfigur“ akzeptiert, so kann sich auf sie lediglich der Adressat der Genehmigung oder sein Rechtsnachfolger berufen. Wie aber festgestellt, existieren heute weder die Adressaten weiter noch haben sie Rechtsnachfolger gefunden. Deshalb ist die Legalisierungswirkung in diesem Zusammenhang auf jeden Fall bedeutungslos.

44 45

s. § 1 Abs. 1 des in Fn. 22 genannten Vertrags. JZ 1990, 201 ff.

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III. Pflichtige Personen 1. Handlungsstörer Als zur Beseitigung einer Gefahr verpflichtete Person kennt das Polizeirecht den Handlungsstörer. Seine Pflicht normiert in Niedersachsen § 6 Abs. 1 NdsSOG. Handlungsstörer ist derjenige, der die Gefahr durch sein Verhalten unmittelbar verursacht. Mit Blick auf die Bodenkontaminationen durch Rüstungsaltlasten sind Handlungsstörer: die Betreibergesellschaften im Fall der sog. privatrechtlichen Lösung; das Deutsche Reich mit Blick auf die „Munas“ alle diejenigen, die vor Kriegsende oder später Munition etc. vergraben oder in Oberflächengewässer versenkt haben – also: Stellen des Deutschen Reichs, deutsche Soldaten, Soldaten der Alliierten, Mitarbeiter deutscher Nachkriegsbehörden, beliebige Privatleute. a) Der Versuch, über die Haftung des Handlungsstörers eine Problemlösung herbeizuführen, ist nur in einem Fall erfolgreich. Ausschlaggebend für diese Annahme sind folgende Erwägungen: I.d.R. wurden die sog. Betreibergesellschaften in der Nachkriegszeit liquidiert; sie haben keinen Rechtsnachfolger gefunden. Wenn ein solcher ausnahmsweise existiert, dann findet ein Übergang der materiellen Verantwortlichkeit als polizei- und ordnungsrechtliche Pflicht nicht statt46. Die Begründung für dieses Ergebnis ist streitig; der Streit kann hier ungeschlichtet bleiben, denn: In jedem Fall scheidet eine Verantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers als Handlungsstörer aus. Für Schäden, die auf Demontagehandlungen oder Munitionsbeseitigung der alliierten Soldaten zurückzuführen sind, dürften zwar die einzelnen Personen als solche eventuell noch haften, indes scheint es ausgeschlossen, sie ausfindig zu machen und zur Verantwortung zu ziehen, wenn deren Verantwortung nicht von vornherein qua ihrer Siegerstellung entfallen ist: Die Alliierten dürften deutschem Polizeirecht weder unterstanden haben noch heute unterstehen. Auch soweit deutsche Soldaten oder deutsche Dienststellen Kampfmittel beseitigt haben, dürfte es schwierig sein, eine verantwortliche Person zu finden. Auch mit Blick auf sonstige Personen, also beliebige Bürger, die zur Haftung verpflichtet sein könnten, dürften sich unüberwindbare Probleme stellen. Im Ergebnis scheint nach alledem z. B. eine Handlungshaftung für Grundwasserverunreinigungen durch Verpressen von Abwasser mit Hilfe von Schluckbrunnen zu entfallen; denn diese Handlungen nahmen Mitarbeiter einer Gesellschaft vor, die heute nicht mehr existiert. b) Der unter dem Aspekt der Heranziehung des Handlungsstörers einzige Erfolg versprechende Fall ist folgender: Errichter und Betreiber der „Munas“ war das Deutsche Reich. Soweit diese Schäden verursachten, war das Deutsche Reich Störer; es hat für die Handlungen seiner Soldaten oder sonstigen Mitarbeiter einzustehen. Die Haf46

s. dazu Götz (Fn. 38); Rn. 227.

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tung des Deutschen Reichs ergibt sich nach damaligem und nach heute geltendem Polizeirecht. Hoheitsträger waren und sind von den Pflichten des Polizeirechts nicht ausgenommen; sie sind an die allgemeinen Gesetze gebunden. Das Problem der Verantwortlichkeit von Hoheitsträgern betrifft nicht deren prinzipielle polizeiliche Haftung, sondern die Frage, ob Polizei- und Ordnungsbehörden gegen den Hoheitsträger vorgehen können47. – Die Bundesrepublik Deutschland ist teilidentisch mit dem Deutschen Reich48. Die Störerverantwortlichkeit des Deutschen Reichs bedingt die Störerverantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland, da das Deutsche Reich wegen fehlender Organe nicht handlungsfähig ist. Soweit die „Munas“ also Rüstungsaltlasten verursacht haben, ist die Bundesrepublik Deutschland Handlungsstörer. Die sich daraus ergebenden Pflichten verjähren nicht. Zu diskutieren ist in diesem Zusammenhang die Anwendbarkeit des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes v. 5. 11. 195749. Es wird die These vertreten, der Bund scheide als Polizeipflichtiger aus, „da Ansprüche, die sich gegen den Bund als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches (sic!) richten, grundsätzlich gem. § 1 Abs. 1 AKG erloschen sind. Eine Ausnahmeregelung trifft das AKG insoweit nicht.“50 Diese Auffassung ist aus mehreren Gründen unhaltbar; das AKG ist in diesem Fall nicht einschlägig. § 1 Abs. 1 AKG lautet: „Ansprüche gegen 1. das Deutsche Reich […] erlöschen, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.“ Der Begriff des Anspruchs i.S.d. Vorschrift ist weit zu verstehen. Er umfasst Ansprüche jeder Art, also auch Geldwertansprüche, Ansprüche auf Leistung sonstiger vertretbarer Sachen, Ansprüche auf Individualleistungen, Ansprüche aus privatem und öffentlichem Recht. Eine Einschränkung der Erlöschensklausel, die Gläubigerseite betreffend, fehlt. Die Erlöschenswirkung tritt ohne Rücksicht auf die zeitliche Entstehung des Anspruchs ein51. Das Gesetz erfasst indes lediglich „Ansprüche“ auf „etwas“, die das Deutsche Reich einem beliebigen Dritten gegenüber zu erfüllen hat; das Deutsche Reich ist Anspruchsverpflichteter (Schuldner), der Dritte Anspruchsberechtigter (Gläubiger) des Anspruchs. Es muss sich also um ein privatrechtliches oder öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis handeln. Die sich aus dem Polizeirecht ergebende Pflicht zur Gefahrenbeseitigung ist aber, wie dargelegt, keine schuldrechtsartige Pflicht, sondern sie besteht im öffentlichen Interesse von Gesetzes wegen. Das Polizeirecht kennt keinen Berechtigten und Verpflichteten eines Anspruchs, keine Gläubiger und Schuldner; das Polizeirecht kennt pflichtige Personen und zur Durchsetzung der Pflicht befugte Behörden. Damit ist die Pflicht zur Gefahrenbeseitigung kein „Anspruch“ im Sinne des Gesetzes. Ferner regelt § 1 Abs. 1 AKG wohl nur das Erlöschen von Individualansprüchen. „Anspruchsinhaber“ – wenn man so will – ist im Fall der Geltendmachung der Poli47 48 49 50 51

Götz (Fn. 38) Rn. 223. BVerfGE 36, 1 ff. BGBl. I S. 1747. Donner (Fn. 1), S. 6. Feaux de la Croix, Kriegsfolgengesetzgebung, 1959, § 1 Anm. 8a.

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zeipflicht aber eine Ordnungsbehörde; also ein Träger öffentlicher Gewalt in dieser Eigenschaft (und nicht als Inhaber schuldrechtlicher Ansprüche); Träger öffentlicher Gewalt mit spezifisch hoheitlichen Rechten umfasst das Gesetz nicht. Schließlich ist die Gefahrenbeseitigung, die hier in Rede steht, kein Schaden, der, so der genaue Titel des Gesetzes, „durch den Krieg oder den Zusammenbruch des Deutschen Reiches“ entstanden ist. Die durch Rüstungsaltlasten entstandenen Schäden sind vielmehr – wenn überhaupt – „Kriegsermöglichungsschäden“, keine Kriegsfolgeschäden, da die Produktion von Kampfmitteln Prämisse einer Kriegsführung, nicht aber eine Folge des verlorenen Kriegs ist; das gilt auch für die Munitionsbeseitigung vor und nach der Beendigung des Kriegs: Was mit der „überflüssigen“ Munition geschehen ist, ist keine Folge des Kriegs, sondern Folge der Tatsache, dass ein potentieller Gebrauch der Munition infolge Fehlens eines potentiellen Verbrauchers ausschied: Die deutsche Wehrmacht stand vor der Auflösung oder war nicht mehr existent. Endlich dürfte der Bund ein Gesetz, welches seine polizeirechtliche Verantwortung ausschließt, sich somit als materielles Polizeigesetz darstellt, nicht erlassen; dazu fehlt ihm die Gesetzgebungskompetenz. Diese liegt bei den Ländern. Art. 120 GG scheidet als Ermächtigungsgrundlage aus; diese Norm gehört zur Finanzverfassung und regelt die Lastenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden hinsichtlich der Aufwendungen der Kriegsfolgelasten52. Der Bund ist nach alledem für die durch die Produktion in den „Munas“ verursachten Boden- und Wasserverunreinigungen polizeipflichtig und deshalb zur Schadensbeseitigung verpflichtet. Fraglich ist, ob diese Verpflichtung auch besteht, wenn ein Dritter jetzt Inhaber der tatsachlichen Gewalt über das Grundstück ist (und damit Zustandsstörer; dazu i.F.). Aus Gründen der Zweckmäßigkeit ist der Leistungsfähigere von beiden Störern zur Gefahrenbeseitigung heranzuziehen53. Dass der Bund im Verhältnis zu anderen Inhabern der tatsachlichen Gewalt über ehemalige „Muna“Grundstücke: Länder, Gemeinden, Private, leistungsfähiger ist, bedarf keiner Darlegung. Er haftet also auch in diesen Fällen. Indirekt hat der Bund dieses anerkannt, indem er sich bereit erklärt, für die Beseitigung von reichseigener Munition (dazu später) die Kosten auch dann zu tragen, wenn diese auf nicht bundeseigenen Grundstücken gefunden wird54. Die Haftung erfasst sämtliche Gefahren, die von allen „Stoffen“ ausgehen: von Vor-, Zwischen-, Neben- und Abfallstoffen sowie von Endprodukten. Sie erstreckt sich auf Boden- und Gewässerverunreinigungen. Zwar ist das Grundwasser nicht Bestandteil des Grundeigentums55; auf die Haftung des Handlungsstörers für Grundwasserkontaminationen ist diese Judikatur indes ohne Einfluss.

52 53 54 55

Schaefer, in: v. Münch (Hg.), GG, Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 120 Rn. 1. Götz (Fn. 38); Rn. 236. s. Erlass (Fn. 4). BVerfGE 58, 300 ff.

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2. Zustandsstörer Geht von einer Sache eine Gefahr aus, sind die Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten, § 7 Abs. 1 NdsSOG – Haftung des Zustandsstörers. Da die Haftungsfragen im Zusammenhang der ehemaligen „Munas“ beantwortet sind, bilden den Diskussionsgegenstand i.F. die Schäden, die durch die sog. „privatrechtliche Lösung“ verursacht wurden, sowie solche, die als Folge der Munitionsvernichtung entstanden sind. a) Das heute mit IVG-AG bezeichnete Unternehmen war früher und ist teilweise heute noch Eigentümer verseuchter Grundstücke. Als Eigentümerin ist die IVG-AG Inhaberin der tatsächlichen Gewalt. Sie ist damit Zustandsstörer. Auf die Frage, ob sie bis zur Beendigung der Produktion gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Inhaberin der tatsächlichen Gewalt war oder ob diese damals bei den Vertragspartnern lag, die die Werke gepachtet hatten, kommt es nicht an. Entscheidend für eine Haftung zum jetzigen Zeitpunkt ist, dass die IVG-AG heute diese Gewalt innehat. Soweit dies der Fall ist, ist sie zur Gefahrenbeseitigung ex-lege verpflichtet. Diese Aussage ist schlechthin unproblematisch. Der Haftungsumfang hat die gleiche Dimension wie zuvor erarbeitet. Der Nassauskiesungsbeschluss56 lässt die Haftung des Bodeneigentümers für Grundwasserbeeinträchtigungen nicht entfallen, da die hier bedeutsamen Kontaminationen des Grundwassers auch durch Verunreinigungen des Grundstücks verursacht wurden57. Soweit indessen Abwasser in Schluckbrunnen verpresst und auf diese Weise das Grundwasser verseucht wurde, dürfte eine Zustandshaftung entfallen, weil der jetzige Grundeigentümer für den Zustand des Grundwassers nicht haftet, soweit dessen Verschmutzung nicht auf eine Bodenverseuchung zurückzuführen ist. Wenn die IVG-AG kontaminierte Grundstücke veräußert hat, ist ihre Zustandsverantwortlichkeit erloschen. „Die Zustandsverantwortlichkeit entsteht beim Wechsel der Sachherrschaft originär neu, während die Verantwortlichkeit des früheren Sachherrn endet.“58 Zustandsverantwortliche – und damit Störer – sind die jetzigen Grundstückseigentümer, weil sie (jedenfalls i. d. R.) die Inhaber der tatsächlichen Gewalt sind. Diese Aussage ist im Prinzip unproblematisch. Sie hat zur Folge: 1. Soweit der Bund durch Eigentumserwerb Inhaber der tatsächlichen Gewalt über belastete Grundstücke geworden ist, die der IVG-AG gehörten, ist er polizeipflichtig. 2. Das gleiche gilt für andere neue Eigentümer, seien es private Unternehmen oder Träger öffentlicher Gewalt: Länder, Gemeinden. 3. Soweit der Bund oder andere Rechtsträger Inhaber der tatsächlichen Gewalt durch Pacht geworden sind, sind sie ebenfalls polizeipflichtig; daneben besteht aber die 56 57 58

BVerfGE 58, 300 ff. Götz (Fn. 38), Rn. 212b. Götz (Fn. 38), Rn. 227.

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Möglichkeit, die IVG-AG als Eigentümerin heranzuziehen, s. § 7 Abs. 2 Satz 1 NdsSOG; das Problem der doppelten polizeirechtlichen Verantwortung könnte dadurch gelöst werden, dass die Pächter den Vertrag kündigen. Damit wird die IVG-AG wieder allein polizeipflichtig. 4. Es besteht die Möglichkeit, dass die Kosten für Maßnahmen der Gefahrenbeseitigung in einzelnen Kaufverträgen der IVG-AG aufgebürdet wurden; diese ist dann nicht polizeipflichtig, sondern lediglich privatrechtlich kostentragungspflichtig; das ist ein Einzelfallproblem. Es stellt sich – mit Blick auf finanzschwache Privateigentümer oder Gemeinden – die Frage, ob ihre Polizeipflicht endet, weil ihnen die Beseitigungslast finanziell unzumutbar ist. Diese Frage ist, wird der h.M. gefolgt, zu verneinen. Die Zumutbarkeit spielt nur in den Fällen des polizeilichen Notstandes eine Rolle, nicht aber im Fall der Zustandshaftung59. Dieses Ergebnis ist Folge des Umstands, dass die Normen des Polizeirechts derzeit keinen Ansatz für eine Begrenzung der Zustandshaftung bieten. Es ist deshalb nicht möglich, qua Ausschluss der Zustandshaftung wegen Unzumutbarkeit die öffentliche Hand mit Sanierungskosten zu belasten. Eine Inanspruchnahme des Bundes als Zustandsstörer mit Hinweis darauf, er sei Eigentümer der störenden Stoffe, weil das Deutsche Reich früher Eigentümer der störenden Stoffe gewesen sei, dürfte deshalb entfallen, weil die Neben- oder Zwischenprodukte und die Abfallstoffe sich mit dem Boden verbunden haben und somit dessen wesentlicher Bestandteil geworden sind; damit entfällt das (potentielle) Eigentum des Bundes: § 946 BGB. b) Für die Fälle der Munitionsvernichtung durch Vergraben oder Versenken ist festzuhalten: Polizeipflichtig ist der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück. Das kann der Bund sein, aber auch jeder beliebige andere Träger von Rechten. I.d.R. kommt als Polizeipflichtiger der Grundstücks- oder Gewässereigentümer in Betracht. Eine Haftungsgrenze existiert nach dem Zuvorgesagten nicht. Zu untersuchen ist, ob diese Zustandsstörer, vom Bund abgesehen, einen Anspruch auf „Entlastung“ durch den Bund haben, mit anderen Worten: ob auch der Bund in diesem Fall als Zustandsstörer herangezogen werden kann. Die Basis dieser Fragestellung bildet folgende Erwägung: Eigentümer der beseitigten Kampfmittel war i. d. R. das Deutsche Reich. Im Fall ihrer Produktion durch die „Munas“ war das Deutsche Reich Eigentümer von Anfang an. Im Fall der Produktion durch die Betreibergesellschaften erwarb es Eigentum durch Eigentumsübergang: Dieses gilt beispielsweise für die „Gaswaffen“, deren Beseitigung das Oberkommando der Wehrmacht im Rahmen der Operation „Zunft“ anordnete60. Diese Anordnung war nur unter der Voraussetzung möglich, dass das Deutsche Reich Eigentümer der Munition, Bomben etc. war. Ferner durften sich die meisten Waffen in den Arsenalen der Wehrmacht befunden haben; daraus darf auf das Eigentum des Deutschen Reichs geschlossen werden. 59 60

s. dazu statt vieler Götz (Fn. 38), Rn. 242. Der Spiegel (Fn. 3), S. 83.

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Alles in allem lässt sich aufgrund dieser Überlegungen jedenfalls im Normalfall das Eigentum des Deutschen Reichs vermuten. Jetzige Eigentümerin der Kampfmittel ist die Bundesrepublik Deutschland gem. Art. 134 GG. Sie hat ihr Eigentum durch das Vergraben etc. nicht verloren, ein Eigentumsverlust durch Verbindung mit den Grundstücken liegt nicht vor. Sie hat das Eigentum auch nicht durch eine Willenserklärung aufgegeben. Dann aber gilt: Die in die Rechtsstellung des Deutschen Reichs eingetretene Bundesrepublik Deutschland ist für diese Kampfmittel als Eigentümerin polizeirechtlich verantwortlich. Diese Pflicht des Deutschen Reichs und später der Bundesrepublik ist nicht verloren gegangen. Zwar hat das Deutsche Reich oder später die Bundesrepublik seit dem Zeitpunkt der „Vernichtung“ der Kampfmittel die tatsächliche Gewalt über sie nicht mehr inne; ferner lässt sich für diese Stoffe eine heute vorhandene tatsächliche Gewalt nicht feststellen: Es lässt sich nicht sagen, dass eine beliebige Person sie ausüben will, weil das für sie viel zu gefährlich wäre. Eine heute nicht mehr existente tatsächliche Gewalt führt aber nicht zur Haftungsbeendigung der Bundesrepublik: Die Zustandsverantwortlichkeit traf nach früherem Recht, z. B. nach § 20 PrPVG, den Eigentümer. Die Ablösung des alten Rechts durch die Polizeigesetze der Bundesländer, z. B. durch 7 NdsSOG, hat diese Rechtslage lediglich insoweit verändert, als jetzt primär der Inhaber der tatsächlichen Gewalt haftet, der nicht unbedingt der Eigentümer der Sache sein muss; daneben wird aber dem Eigentümer eine Zusatzverantwortlichkeit auferlegt, § 7 Abs. 2 NdsSOG. Daraus ergibt sich beim Fehlen einer tatsächlichen Gewalt die Alleinhaftung des Eigentümers – somit bei dieser speziellen Konstellation die Tradierung der Rechtsposition des PrPVG. Es ist der Sinn des heutigen Rechts der Zustandshaftung, dass ein Polizeipflichtiger sich immer finden lässt: Selbst bei Aufgabe des Eigentums (Dereliktion) setzt sich die Zustandshaftung des früheren Eigentümers fort: § 7 Abs. 3 NdsSOG. Nach alledem ist der Bund Zustandsstörer für vernichtete Kampfmittel, die früher im Eigentum des Deutschen Reichs standen. Diese Haftpflicht erkennt der Bund indirekt an: Er erstattet für Entmunitionierungsmaßnahmen der Länder auf nicht bundeseigenem Gelände die Kosten, soweit es sich um reichseigene Munition handelt61. Soweit sich die Munition auf bundesfremdem Grundstück befindet, haben die Grundstückseigentümer einen Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB, weil die „Lagerung“ eine Eigentumsbeeinträchtigung darstellt. Dieser Anspruch ist durch § 1 Abs. 1 AKG nicht erloschen: Gem. § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG sind Ansprüche, die auf einer Beeinträchtigung des Eigentums beruhen, zu erfüllen, wenn die Erfüllung des Anspruchs zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich ist. Durch Verrosten der Bomben, Munition etc. wird jedenfalls irgendwann in der Zukunft eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit und das Leben von Menschen entstehen: durch Giftgasaustritt, Explosionen, Verseuchung des Trinkwassers. Diese Annahme ist nicht irreal: Anderenfalls wäre das Problem der Rüstungsaltlasten kein Problem. Im Zeitpunkt des Entstehens der Gesundheitsgefahr 61

s. Erlass (Fn. 4).

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kommt die polizeirechtliche Zustandshaftung des Grundstückseigentümers zum Tragen – wenn eine solche neben der des Bundes, die aus der Verantwortung für die Sache selbst entstanden ist, überhaupt noch anzuerkennen ist. Der Zustandsstörer kann spätestens zum Zeitpunkt seiner Haftung vom Bund die Gefahrenbeseitigung gem. § 1004 BGB verlangen; der Zustandsstörer haftet also zwar nach Polizeirecht, kann aber Entlastung vom Bund fordern. In dieser Situation erscheint es unverhältnismäßig, einen beliebigen Dritten, der sogar aus technischen Gründen die Gefahrenbeseitigung nicht vornehmen kann, in Anspruch zu nehmen. Es ist sachangemessen, den Bund auf seine Pflicht als Zustandsstörer und auf seine Verantwortung aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG hinzuweisen, damit er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Gefahr/Eigentumsbeeinträchtigung beseitigt (oder, wenn ihm diese Mittel fehlen, die Kosten trägt – dazu unter V.).

IV. Die Zuständigkeit für Sanierungsmaßnahmen Für den Bundesminister des Innern ist die Nachforschung, Bergung und Beseitigung von Kampfmitteln Aufgabe der Länder, soweit nicht bundeseigenes Gelände, z. B. von der Bundeswehr benutztes, betroffen ist62. Da Private und auch Gemeinden aus technischen Gründen nicht in der Lage sind, die erforderlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen, könnte die Erfüllung der Aufgabe insgesamt eine Länderangelegenheit sein. Das GG erklärt in Art. 83 die gesamte Exekutive zur Länderangelegenheit, soweit das GG mit Blick auf die Ausführung von Bundesgesetzen nichts anderes zulässt oder bestimmt. Die hier diskutierten Maßnahmen erfolgen auf der Grundlage des Landespolizeirechts. Dessen Vollzug ist Länderangelegenheit. Eine Zuständigkeit des Bundes für die Sanierung von Rüstungsaltlasten außerhalb seiner Eigenschaft als Störer lässt sich nicht begründen; die einzige potentiell einschlägige Norm: Art. 120 GG mit seinen Regelungen über die Kriegsfolgelasten, greift im Ergebnis nicht, da sie ausschließlich finanzrechtliche Fragen regelt.

V. Kostenübernahme Der Störer hat die Störung auf seine Kosten zu beseitigen. Eine Kostenübernahme durch einen Nichtstörer gibt es qua Gesetz nicht. Das schließt eine Kostenübernahme durch einen Leistungsstärkeren, z. B. den Bund oder ein Land, aus Billigkeitsgründen nicht aus. Gem. § 44 Abs. 1 NdsSOG kann die Maßnahme der Gefahrenabwehr, wenn es sich um eine vertretbare Handlung handelt, durch die Behörde oder einen Dritten 62

Ebd.

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vorgenommen werden; der Störer hat in diesen Fällen die Kosten zu tragen. Von dieser Situation geht offenbar der schon mehrfach zitierte Erlass des Bonner Innenministers aus, der in einem bestimmten Fall die Kostenträgerschaft des Bundes anerkennt. Wenn das Land oder ein sonstiger Träger von Rechten Zustandsstörer und zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet ist, gibt es keinen Anspruch auf Kostenerstattung gegen den Bund oder die IVG-AG.

C. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Bodenschutz .

Die in diesem Beitrag zu erarbeitende Antwort auf die Frage, ob der Bund für den Erlass eines BodSchG zuständig sei, setzt eine Vergewisserung über dessen Regelungsgegenstände voraus1. Vonnöten ist eine Bestandsaufnahme, da eine verbindliche Klärung des zum Bodenschutz Gehörenden fehlt. Eine Analyse der einschlägigen Literatur2 – die Analyse ist auf die rechtswissenschaftliche Literatur beschränkt; diese Beschränkung ist sachlich zulässig, weil die rechtswissenschaftliche Literatur die Bedrohung des Bodens in tatsächlicher Hinsicht vollständig erkannt und verarbeitet hat – führt zu dem Befund, dass der Bodenschutz sich mit drei Problemfeldern befasst: dem Schutz des Bodens vor Verbrauch (quantitativer Bodenschutz), dem Schutz des Bodens vor Stoffeintrag (qualitativer Bodenschutz) sowie der Sanierung belasteter Böden; bei belasteten Böden ist zwischen (generellen) Bodenverunreinigungen und (speziellen) Altlasten3 zu trennen. Dass diese in kategorialer Hinsicht geleistete Arbeit richtig war, zeigen die Landesgesetzgeber, die entsprechend diesen Kategorien bodenschützende Normen

1 Zur Forderung nach einem Bodenschutzgesetz, das bislang fehlt, Schott, Überlegungen zum Entwurf eines BodSchG des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz, IzR 1985, 27 ff.; Lübbe-Wolff, NVwZ 1987, 178 ff.; ablehnend: Ebersbach, Rechtliche Aspekte des Landschaftsverbrauchs am falschen Platz, 1985, S. 42 f.; Storm, Bodenschutzrecht, DVBl 1985, 321 f.; Book, Bodenschutz durch räumliche Planung, 1987, S. 31 ff., 67 ff. 2 Lehrbücher: Kloepfer, Umweltrecht, 1989, S. 814 ff. m.w.Nachw.; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, 1989, S. 37 (kurzer Hinweis); Bender/Sparwasser, Umweltrecht, 2. Aufl. 1990, S. 3 Fn. 6 (kurzer Hinweis); Prümm, Umweltschutzrecht, 1989, S. 275 (zum Bodenverbrauch). – Aufsätze: Peine, UTR Bd. 3, 201 ff.; Storm, HdUR Bd. 1, 1986, Sp. 266; Erbguth, UPR 1984, 242; Draeger, in: Bückmann u. a. (Hg.), Theoretische Aspekte des Bodenschutzes unter besonderer Berücksichtigung der Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung, 1986, S. 134; Smollich, JA 1988, 593; Ziegler, BWVPr. 1987, 146; zusammenfassend Heiermann, Der Schutz des Bodens vor Stoffeintrag – Die Instrumente der direkten Verhaltenssteuerung des öffentlichen Rechts, Diss. Hannover 1992. 3 Es ist nicht üblich, die Sanierung belasteter Böden, insb. die Sanierung von Altlasten, im Zusammenhang mit dem Bodenschutz zu regeln. Altlastensanierungsrecht, soweit es als solches spezialgesetzlich geregelt existiert, findet sich im landesrechtlichen Abfallrecht. Freilich ist es dort systematisch am falschen Ort plaziert; für diese Plazierung spricht wohl nur das Fehlen einer Alternative. Sachlich gehört das Altlastensanierungsrecht zum Bodenschutz; diesem Bereich ist es in der Literatur immer zugeordnet worden, s. Kloepfer (Fn. 2), S. 816; Peine, UTR Bd. 3, 206.

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in LBodSchGen erlassen; bislang sind die Länder Baden-Württemberg4 und Sachsen5 in dieser Weise vorgegangen. Wenn zum Bodenschutzrecht (auch) das Bodensanierungsrecht zählt, muss ihm ebenfalls zugehören ein Finanzrecht, welches Wege für die Beschaffung der Mittel zur Bodensanierung ebnet. Die Länder haben unterschiedliche Wege zur Erschließung von Finanzmitteln gefunden6. Bekanntlich plant der Bund die Erhebung einer Abfallabgabe. Nach ihrer Zulässigkeit ist zu fragen. Zusammengefasst stellt sich der Untersuchungsgegenstand folgendermaßen dar: Besitzt der Bund das Recht zum Erlass eines Gesetzes, welches den Bodenschutz in quantitativer und qualitativer Hinsicht (i.F. zusammen behandelt unter dem Stichwort: Bodenerhaltungsrecht) regelt sowie Bodensanierungsbestimmungen einschließlich des Finanzrechts enthält?

I. Bodenschutzrecht auf der Basis von Art. 74 Nr. 18 GG: „Bodenrecht“ Ohne weitere Ausführungen darf davon gesprochen werden, dass dem Bund die ausschließliche Kompetenz für den Erlass eines BodSchG fehlt: Der Katalog des Art. 73 GG enthält diese Materie nicht. Es darf ferner ohne weitere Ausführungen festgestellt werden, dass aufgrund einer ungeschriebenen Kompetenz7 diese Materie nicht geregelt werden darf; dieser dem Bund zur Verfügung stehende Titel erlaubt lediglich, Randkorrekturen des schriftlichen Katalogs der Art 73 ff. GG. Ein BodSchG mit den vorgestellten Inhalten könnte sich auf Art. 74 Nr. 18 GG „Bodenrecht“ stützen lassen. 1. Das Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung Dem Titel „Bodenrecht“ sind in der Staatspraxis bislang – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – andere Regelungsgegenstände als bodenschützende Normen 4

Gesetz zum Schutz des Bodens (Bodenschutzgesetz – BodSchG) v. 24. 6. 1991, GBl. S. 434; in Kraft seit dem 1. 9. 1991; zu diesem Gesetz: Ziegler, NVwZ 1991, 1154 ff. 5 Erstes Gesetz zur Abfallwirtschaft und zum Bodenschutz im Freistaat Sachsen v. 12. 8. 1991, GVBl. S. 306, §§ 8 ff. 6 Nordrhein-Westfalen kennt das Lizenzentgelt, §§ 10 – 11 LAbfG-NW i.V.m. der VO über die Festsetzung der Lizenzentgelte nach dem LAbfG v. 8. 6. 1989, GVBl. S. 223; dieses Modell ist verfassungsrechtlich umstritten, s. z. B. Peine, NWVBl 1988, 193 ff.; Kloepfer/Follmann, DÖV 1988, 573 ff. – Hessen kennt die Altlastenfinanzierungsumlage, s. § 22a Abs. 1 Satz 1 HessAbfAG; zu diesem Gesetz Böhm, NVwZ 1990 340 ff. – Baden-Württemberg kennt die Landesabfallabgabe, s. Landesabfallabgabegesetz v. 11. 3. 1991, GBl. S. 133 ff.; zu diesem Gesetz näher Kühner, VBlBW 1991, 201 ff. – Ähnliche Gesetze sind auch in Hessen und Niedersachsen erlassen worden. 7 Zu den ungeschriebenen Gesetzgebungszuständigkeiten s. z. B. zusammenfassend Rengeling, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 1990, § 100 Rn. 55 ff.

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zugeordnet worden8. Der Versuch, auf seiner Basis eine Bundeskompetenz zu begründen, wird sich dem Einwand ausgesetzt sehen, dem Bund zu Lasten der Länder eine weitere Materie zu sichern und die eigenständigen Regelungsmöglichkeiten der Länder weiter zu beschneiden. Das Erheben dieses Einwands ist in jüngerer Zeit häufig zu beobachten9 ; er steht in Zusammenhang mit einer Offensive der Länder, die auf eine „Verteidigung“ ihrer Bedeutung im Bundesstaat zielt. Er wird begründet u. a. mit dem Hinweis, es bestünde für eine Gesetzgebung des Bundes kein Bedarf10. Diesem Einwand ist zunächst nachzugehen, weil der Bund im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit nur dann tätig werden darf, wenn ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht, Art. 72 Abs. 2 GG. Das GG hat die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern in der Weise verteilt, dass – ganz allgemein – der Schwerpunkt der Gesetzgebung beim Bund liegt11. Die Länder sind zurückgedrängt; dieses hat der Verfassunggeber gewollt und die Länder haben dem 1949 – mit Ausnahme Bayerns12 – zugestimmt. Im Bereich der Gesetzgebung kennt das GG deshalb vom Anfang seiner Geltung an eine gewisse Tendenz zum unitarischen Bundesstaat13. Dieser Prozess der Unitarisierung hat sich fortgesetzt: im Wesentlichen durch Änderungen des GG zu Lasten der Länder und durch Interpretation des Art. 72 Abs. 2 GG14; diese Schutznorm zugunsten der Länder läuft in der Rechtsprechung des BVerfG weitestgehend leer15. Die Änderungen des GG sind mit Zustimmung der Länder erfolgt, insoweit besteht für sie kein Anlass zur Klage. Auf die Interpretation des Art. 72 Abs. 2 GG durch das BVerfG haben die Länder keinen Einfluss; insoweit sind sie schutzlos. Die Behauptung, für den Bund bestehe kein Bedarf zur Gesetzgebung16, hält einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand, wenn der Bund vorträgt, der Bodenschutz sei eine überregionale Angelegenheit; denn überregionale Angelegenheiten können nicht wirksam durch Landesgesetze geregelt werden17. Der Bund kann m. E. ohne jede Einschränkung seriös vortragen, Bodenschutz sei eine überregionale Angelegenheit. Er kann dieses mit dem 8

s. die Nachw. bei Rengeling (Fn. 7), Rn. 207 f. s. z. B. Erbguth/Rapsch, NuR 1990, 433 ff. 10 Ziegler, NVwZ 1991, 1155 f. 11 s. statt vieler Schenke, JuS 1989, 699. 12 Vgl. statt vieler Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 28. Aufl. 1991, S. 6. 13 s. dazu Hesse, Der unitarische Bundesstaat, wieder abgedruckt in: ders., Ausgewählte Schriften, 1984; S. 116 ff.; Hendler, ZG 1988, 210 ff. 14 s. dazu ausführlich Hendler (Fn. 13), 213 ff. 15 Das Vorliegen eines Bedürfnisses, wie es Art. 72 versteht, wird vom BVerfG nicht als Gegenstand richterlicher Beurteilung angesehen, sondern als ein Gegenstand gesetzgeberischen Ermessens; innerhalb dieses Ermessens sei eine Nachprüfung nicht möglich; s. dazu BVerfGE 2, 224; 4, 127; 10, 234; 13, 234; 26, 238; 33, 229; 34, 39. Zur mangelnden Justiziabilität der Bedürfnisklausel s. z. B. Achterberg, DVBl 1967, 213 ff.; Gruson, Die Bedürfniskompetenz, 1967; Kisker, Der Staat 1975, 169; Scholz, FG BVerfG, Bd. II, 1976, S. 259. 16 So mit Blick auf den Bodenschutz Ziegler, NVwZ 1991, 1155 f. 17 Maunz, in: Maunz/Dürig; GG, Komm., Loseblatt, Stand Dez. 1989, Art. 72 Rn. 21; v. Münch, in: ders. (Hg.), GG, Komm., Bd. 3, 1983, Art. 72 Rn. 21. 9

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gleichen Recht vorbringen, wie er es für die Begründung des Rechts betreffend das Umweltmedium Luft getan hat: Insoweit besteht keine Differenz zwischen Luft- und Bodenreinhalterecht. 2. Bodenerhaltungsrecht Die Tatsache, dass sich die Kompetenzverteilung im Bereich der Gesetzgebung eindeutig zu Lasten der Länder auswirkt, bedeutet nicht, die Kompetenznormen in der Weise interpretieren zu müssen, dass die Länder stärker als früher Schutz genießen. Die Interpretation der Kompetenznormen hat entsprechend den anerkannten Regeln zu erfolgen18. Die Vermutung einer Kompetenz zugunsten der Länder gibt es nicht19. a) Die „historische“ Interpretation Art. 74 Nr. 18 GG, „Bodenrecht“, besitzt eine Vorgängernorm in Art. 10 Nr. 4 WRV, ferner befasste sich Art. 155 WRV mit dem Bodenrecht. Auf Art. 155 WRV gestützt erließ das Reich Gesetze betreffend das Siedlungswesen, den Wohnungsschutz und den Pachtschutz20. Diese Gesetze verstand die zeitgenössische Literatur als wesentliche Teile des Bodenrechts21 – dieser Titel umfasste folglich öffentlichrechtliches und privatrechtliches Bodennutzungsrecht. Demgegenüber lief Art. 10 Nr. 4 WRV, der dem Reich den Erlass von Grundsätzen22 für das Bodenrecht ermöglichte, wohl leer; was genau „Bodenrecht“ i.S. dieser Norm bedeutet, ließ die Literatur offen bzw. sie befasste sich mit dieser Frage nicht23. – Nach alledem darf als gesichert festgehalten werden, dass nach der WRV jedenfalls die Gesetzgebung über die Verteilung und Nutzung des Bodens in die Kompetenz des Reichs fiel, darüber hinaus lässt sich Genaueres nicht feststellen. Auf die hier erörterte Frage findet sich keine Antwort. – Die Entstehungsgeschichte des in Rede stehenden Artikels erlaubt keine Aussage, ob die hier betrachteten Regelungsgegenstände diesem Titel unterfallen24. Der Verfassunggeber hat sich zu dieser Frage nicht geäußert. – Das Fehlen von Antworten darf nicht überraschen: Die Verfassunggeber konnten zu dieser Frage keine Stellung nehmen: Der Schutz des Bodens war sowohl 1919 als auch 1948/49

18

Ausführlich zur Interpretation von Kompetenznormen Rengeling (Fn. 7) Rn. 27 ff. Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, S. 607 f. 20 Vgl. Lassar, in: Anschütz/Thoma (Hg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. I, 1930, S. 309. 21 Lassar, ebd.; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 12. Aufl. 1930, S. 87. 22 Grundsätze werden verstanden als „Allgemeine Rechtssätze, Richtlinien […], die der näheren Ausführung, der Ausgestaltung im einzelnen, insb. unter dem Gesichtspunkt ihrer Anpassung an die besonderen Verhältnisse der einzelnen Länder, ebenso fähig wie bedürftig sind“, s. Anschütz (Fn. 21), S.87. 23 Lassar, Anschütz (Fn. 21). 24 s. v. Doemming/Füsslein/Matz, Die Entstehungsgeschichte der Artikel des GG, in: JÖR n.F., Bd. 1, 1951, S. 483 – 499, 536 – 539. 19

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weder praktisch noch rechtlich ein Thema, er ist ein rechtlich abgehandeltes Thema erst seit Mitte der 80er Jahre. b) Die „grammatikalische“ Interpretation Dass mit Hilfe der grammatikalischen Interpretation für die Bestimmung des Begriffs „Bodenrecht“ akzeptable Ergebnisse zu erzielen seien, wird bezweifelt25; es wird sogar behauptet, die Interpretation des Art. 74 Nr. 18 GG lege ein beredtes Zeugnis über die Beliebigkeit von Ergebnissen ab, die auf die grammatikalische Interpretation gestützt werden26. Mir erscheint diese These nicht richtig; sie stellt eine Übertreibung dar, die auf einer Grundlage beruht, die anders und insb. ohne jene Folge auslösend verstanden werden kann. Als Ausgangspunkt der grammatikalischen Interpretation ist eine Einigkeit in Rechtsprechung und Literatur über den – abstrakt beschriebenen – Gegenstand des Bodenrechts hervorzuheben. Es ist durchgängige Annahme, dass zum Bodenrecht alle nicht privatrechtlichen Rechtsnormen zählen, die die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln27. Auf dieser Basis werden folgende Gegenstände dem Bodenrecht zugeordnet28 : das die Art und Weise der baulichen Nutzbarkeit bestimmende städtebauliche örtliche Planungsrecht, das Recht der Baulandumlegung, die Zusammenlegung von Grundstücken, das Bodenerschließungsrecht einschließlich des Rechts der Erschließungsbeiträge; überwiegend betrachtet man auch das Kleingartenrecht als dem Bodenrecht zugehörig29 ; das Bauordnungsrecht ist nicht Bestandteil des Bodenrechts, da es sich um Gefahrenabwehr- und deshalb um Polizeirecht handelt, dessen Erlass den Ländern obliegt30. – Bodenrecht ist nach alledem nicht identisch mit Baurecht31. – Nur auf dieser Grundlage ist der Streit um die Zuordnung des Denkmalschutzrechts denkbar32 : Es wird sowohl dem Art. 74 Nr. 18 GG als auch dem Bereich zugerechnet, der den Ländern zur Regelung verbleibt. Weil dieser Regelungsgegenstand streitbefangen ist, ist aber keineswegs die 25

Erbguth/Rapsch, NuR 1990, 434. Ebd. 27 BVerfGE 3, 424; 34,144; Maunz (Fn. 17), Art. 74 Rn. 200; v. Münch (Fn. 17), Art. 74 Rn. 77; Jarass/Pieroth, GG, 1989, Art. 74 Rn. 38; Rengeling (Fn. 7), Rn. 205; Erbguth/Rapsch, NuR 1990, 435. 28 s. die Nachw. in Fn. 27. 29 Maunz und v. Münch (Fn. 17); BVerwG, DVBl 1954, 364. 30 Nachw. in Fn. 27. 31 Absolut h.M., s. die Nachw. in Fn. 27. 32 Einerseits v. Münch (Fn. 17), Art. 74 Rn. 77; andererseits Bartlsperger, DVBl 1981, 284, 295; Erbguth, DVBl 1988, 317 ff. – Im Ergebnis wird man feststellen müssen, dass die Bundeskompetenz den städtebaulichen Denkmalschutz abdeckt, nicht aber den Denkmalschutz im Allgemeinen, der Landessache ist, s. BVerfG, DVBl 1987, 465 f. – Zum Denkmalschutzrecht in diesem Zusammenhang noch Oebbecke, DVBl 1983, 384 f.; Höhnes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987, S. 32, 41 f.; Bülow, NVwZ 1988, 314. 26

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Aussage fundiert, nur äußerst vage ließen sich einzelne Regelungsgefüge der Materie Bodenrecht zuordnen33. Wie eine Durchsicht der Kommentare zeigt, ist allein das Denkmalschutzrecht streitbefangen, die Kompetenzgrundlage aller anderen traditionellen bodenrechtlichen Materien ist geklärt. – Den Begriff „Bodenrecht“ kennzeichnet deshalb nicht eine „nahezu konturenlose Begrifflichkeit“; ein „flüssig-fester Aggregatzustand“ der Materie Bodenrecht hat sich nicht offenbart34. Die grammatikalische Interpretation führt – insoweit lässt sich eine Zwischenbilanz bilden – zu zwei Ergebnissen: Der Begriff „Bodenrecht“ i.S.d. Art. 74 Nr. 18 GG umfasst weniger als „Baurecht“; der Begriff „Bodenrecht“ umfasst aber unproblematisch das „Bodennutzungsrecht“, soweit es öffentlich-rechtlicher Natur ist: also die bauliche Nutzung. Auf dieser Basis stellt sich die Frage, ob der Kompetenztitel „Bodenrecht“ mehr als das Bodennutzungsrecht (also Art und Umfang der baulichen Nutzbarkeit des Bodens) enthält. In der Literatur finden sich unterschiedliche Äußerungen: Maunz35 stellt nach einer Bekräftigung des hier schon dargestellten gemeinsamen Ausgangspunkts von Rechtsprechung und Literatur heraus, zum Bodenrecht zähle „insbesondere“ das städtebauliche örtliche Planungsrecht, das Recht der Baulandumlegung etc., nicht aber das Bauordnungsrecht; Maunz weist ferner darauf hin, dass es Abgrenzungsschwierigkeiten gebe, z. B. zum Naturschutz (darauf wird unter III. eingegangen); Maunz ist mithin der Ansicht, dass noch anderes öffentliches Recht dem Bodenrecht zugeordnet werden könne. – Im Gegensatz zu Maunz verneinen Erbguth/ Rapsch36 diese Möglichkeit; die Kompetenz des Bundes erstrecke sich „nur auf die Normen; die – wie etwa das örtliche Planungsrecht – Art und Umfang der baulichen Nutzbarkeit des Bodens regeln.“ – Der Wortlaut der Norm, also: der Begriff „Bodenrecht“, lässt wohl ohne weiteres zu, dass ihm auch anderes Recht als bauliches Bodennutzungsrecht zugeordnet werden kann. Das verneinende Ergebnis muss sich deshalb anderer Interpretationsmethoden bedienen. – Ergebnis der grammatikalischen Interpretation ist nach alledem, dass der Wortlaut der Norm nicht bereits ein über die bauliche Nutzung hinausgehendes Ergebnis ausschließt. Diese Feststellung ist von besonderer Bedeutung, weil der Wortlaut der Norm die Grenze jeder Interpretation bildet. Diese Grenze hat der Versuch, eine Kompetenz des Bundes für ein BodSchG gem. Art. 74 Nr. 18 GG zu begründen, bislang nicht erreicht.

c) Die „strikte“ Interpretation Die wohl h.M. interpretiert Kompetenznormen entsprechend den überkommenen Auslegungsregeln37. Sie geht ferner davon aus, es sei eine „strikte“ Auslegung gebo33 34 35 36 37

Erbguth/Rapsch, NuR 1990, 435. Zitate bei Erbguth/Rapsch, NuR 1990, 435. Nachw. in Fn. 17, Art. 74 Rn. 200. NuR 1990, 436. s. Rengeling (Fn. 7), Rn. 28 ff.

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ten38, das bedeute freilich nicht restriktiv39. Überzeugend erscheint die Auffassung, dass „nicht eine möglichst enge, sondern eine dem Sinne gerecht werdende Auslegung von Bundeskompetenzen angebracht ist“40. Ferner müssen Begriffe unter Erhaltung des „Begriffskerns“41 dem jeweiligen Stand der Rechtserkenntnis und Rechtsauffassung angepasst werden42. Es ist Sinn der Kompetenzauslegung, „zu ermitteln, inwieweit Bundes- und Landeskompetenzen auf die zu ihrer zweckentsprechenden sachgemäßen Verwirklichung dienlichen Regelungen erstreckt werden können, ohne die zweckentsprechende sachgemäße Verwirklichung einer anderen Bundesoder Landeskompetenz zu verhindern“43. Die kompetenzgerechte Zuordnung muss die Struktur der Aufgaben berücksichtigen, die unter dem Oberbegriff der jeweiligen Gesetzgebungsmaterie in den Katalogen der Art. 73 ff. GG typischerweise wahrgenommen werden44. Sachlich gesehen erfasst „Bodenrecht“ i.S.d. Art. 74 Nr. 18 GG jedenfalls die ,,Bodennutzung“ – und zwar in einem über die bauliche Nutzung hinausgreifenden Sinn. Sachlich kann Bodennutzung jede denkbare Form von Bodennutzung sein, soweit diese Form nicht einem Spezialtitel unterfällt. Um die Nutzung des Bodens i.w.S. geht es in einem BodSchG. Ein Bodenerhaltungsrecht ist Bedingung für eine gesundheitsunschädliche Nutzung. Ferner verhindert die Interpretation nicht die sachgemäße Verwirklichung einer anderen Kompetenz; eine solche Kompetenz ist – vorbehaltlich des „Naturschutzes“ (dazu unter III.) – nicht ersichtlich. Insb. ist die nicht spezifizierte Kompetenz der Länder zur Gesetzgebung keine solche Kompetenz – es handelt sich insoweit entsprechend dem zuvor Gesagten um einen Auffangtatbestand. Bodenerhaltungsrecht dem Bodennutzungsrecht zuzuordnen, ist bei Berücksichtigung der Aufgabe Ordnung der baulichen Nutzung, wozu auch die Freiflächenplanung gehört, kompetenzgerecht. d) Die „Zuordnung“ des Bodenerhaltungsrechts Die Zuordnung eines Gesetzes zu einem Kompetenztitel erfolgt entsprechend der Rechtsprechung des BVerfG45 nach folgendem Grundsatz: „Unter Ermittlung des (alleinigen oder hauptsächlichen) Zwecks des Gesetzes und dessen unmittelbarer und primärer Subsumtion (Subsumierbarkeit) unter ein spezielles Kompetenzthema er-

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BVerfGE 61, 149 (174); ferner z. B. BVerfGE 42, 20 (28). Stern (Fn. 19), S. 607. 40 BVerfGE 15, 126 (139); Scholz, FG BVerfG, Bd. II, S. 255. 41 Maunz (Fn. 17), Art. 73 Rn. 16. 42 Rengeling (Fn. 7), Rn. 36. 43 Bullinger, AöR 96 (1971), 237, 248. 44 Erbguth, DVBl 1988, 321; Erbguth/Rapsch, NuR 1990, 436. 45 BVerfGE 8,104 (116 ff.); 8, 143 (148 ff.); 9, 185 (189); 13, 181(196) 26, 281(298); 28, 119 (149); 29, 402 (409); 36,193 (205). 39

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folgt die kompetenzrechtliche Qualifikation des Gesetzes“46. Teilzweck eines BodSchG ist die Erhaltung des Bodens in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Damit regelt es Recht des Bodens. Das Bodenerhaltungsrecht ist folglich Art. 74 Nr. 18 GG zuzuordnen. – Nach einer Auffassung in der Literatur47 ist ein Gesetz der Materie zuzuordnen, die es „sonderrechtlich“ regelt; eine Materie, die von einem Gesetz nicht in ihrer Besonderheit, sondern gerade ohne Rücksicht darauf getroffen wird, für die sich die Regelung also als allgemeines, insoweit „für alle“ geltendes Recht darstellt, gibt für die kompetenzrechtliche Qualifikation keinen Ausschlag. Ein BodSchG ist m. E. ein klassischer Fall einer sonderrechtlichen Regelung; es ist gerade kein „für alle“ geltendes Recht. – Sachgerecht soll nach einer weiteren Auffassung48 die „funktionelle“ Qualifikation eines Gesetzes sein; diese erfolge über den Gesetzeszweck. Zweck des Gesetzes ist es, den Boden betreffende Aussagen zu machen; „funktionell“ ist ein Bodenerhaltungsgesetz deshalb Bodenrecht i.S.d. Art. 74 Nr. 18 GG. Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses spricht die Rechtsprechung des BVerfG. Im Baurechtsgutachten49 stellt das Gericht fest, dass zur Materie „Bodenrecht“ nur solche Vorschriften gehören, „die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung haben, also die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln“. Das Gericht prüft, ob das „Baurecht“ Bodenrecht i.d.S. sei und bejaht die Frage teilweise; dieses Ergebnis bestätigt es später50. Für das Gericht ist das „Baurecht“ lediglich ein Teil des Bodenrechts; der Obersatz, dem es das „Baurecht“ subsumiert, ist inhaltlich umfassender: er betrifft alle denkbaren Normen, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Regelung haben mit Ausnahme derjenigen Regelungen, die sich den weiteren in Art. 74 Nr. 18 GG enthaltenen Kompetenztiteln zuordnen lassen; die Einschränkung „vielmehr nur“, die das Gericht gebraucht, bezieht sich auf diese weiteren Kompetenztitel. Sie sind hier nicht einschlägig. Entscheidend ist deshalb – unter Zugrundelegung dieser Judikatur –, ob sich das Bodenerhaltungsrecht als Vorschrift verstehen lässt, „die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung hat“. Das ist m. E. unproblematisch der Fall; zwanglos lässt sich der gesamte denkbare Regelungsgehalt eines Bodenerhaltungsgesetzes als eine rechtliche Ordnung des Bodens begreifen. Wenn man mit dem BVerfG den Begriff „Bodenrecht“ „weit“ versteht, und gegen dieses Ergebnis lassen sich Einwände nicht vorbringen und werden auch nicht vorgebracht, dann ist eine nähere Begründung des vorgelegten Ergebnisses nicht mehr möglich: Es

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Scholz, FG BVerfG, Bd. II, S. 267 f. Pestalozza, DÖV 1972, 183. 48 Scholz, FG BVerfG, Bd. II, S. 268 ff.; Papier, Fälle zum Fach Wirtschaftsverwaltungsrecht, 1984, S. 128 f. 49 BVerfGE 3, 407 (424). 50 BVerfGE 34,139 (144). 47

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kommt allein auf das Vorliegen des Bezugspunkts „Boden“ an, und auf diesen Punkt beziehen sich alle Normen eines BodSchG. Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses sprechen darüber hinaus mehrere Indizien: Ein extrem starkes Indiz bildet ein wesentlicher Teil des heutigen BauGB. Das BauGB widmet sich dem allgemeinen wie dem besonderen Recht des Städtebaus; als Folge der Integration des Städtebauförderungsrechts normiert es jetzt auch Stadtentwicklungsrecht; das aber hat mit Bodennutzungsrecht im zuvor dargestellten Sinn nichts mehr zu tun. Dennoch soll es „Bodenrecht“ i.S.d. Kompetenztitels sein. Die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes sehe ich nirgendwo in Zweifel gezogen51; wenn das (möglicherweise als Folge einer Unterlassung nicht reflektierte) Ergebnis rechtlich zulässig sein soll, muss der Begriff „Bodenrecht“ eine rechtlich zulässige inhaltliche Erweiterung erfahren haben. – Das BauGB enthält ferner in § 202 eine Norm zum Schutz des Mutterbodens. Wenn Bodenrecht i.S.d. Art. 74 Nr. 18 GG allein als Bauplanungsrecht etc. zu verstehen wäre, dürfte diese Schutznorm im BauGB nicht enthalten sein, sie wäre verfassungswidrig. Dieses Ergebnis behauptet aber niemand. – Die Landesregierung von Baden-Württemberg52 begründet die Zuständigkeit des Landes zum Erlass eines BodSchG damit, dass der Bund „bisher noch keine Regelung für den Schutz des Bodens in einem eigenständigen Gesetz getroffen“ habe; diese Aussage unterstellt die Zuständigkeit des Bundes, wenn er ein entsprechendes Gesetz erlassen möchte; diese Aussage wird durch die folgende Einschränkung: „selbst wenn man von einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes ausgeht“, nicht aufgehoben; diese vom Land Baden-Württemberg vertretene Rechtsauffassung entspricht meinem Ergebnis. Gegen die Richtigkeit des erarbeiteten Ergebnisses lassen sich zwei Einwände nicht mit Erfolg vortragen, die an dieser Stelle gleichsam vorbeugend abgehandelt werden sollen. Der erste Einwand besteht darin, festzustellen, dass die Kommentarliteratur sich zum Problem nicht äußere; daraus sei auf eine fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes zu schließen. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass diese Literatur sich zu diesem Problem nicht äußern konnte, weil im Zeitpunkt der Bearbeitung das Problem, ob es ein BodSchG geben sollte, noch nicht bewusst war. Ferner ist es unzulässig, aus der Nichtbefassung mit einer Frage durch bestimmte Autoren eine verneinende Antwort auf sie zu folgern. Schließlich spricht Maunz53, der die längste hier einschlägige Kommentierung vorgelegt hat, von „insbesondere“; er 51

Positiv begründet haben dieses Ergebnis Schmidt-Aßmann, DVBl 1972, 627, 629; ders., Gesetzliche Maßnahmen zur Regelung einer praktikablen Stadtentwicklungsplanung – Gesetzgebungskompetenzen und Regelungsintensität –, in: Raumplanung – Entwicklungsplanung, 1972, S. 101 ff.; Ernst/Hoppe, Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, Raumplanungsrecht, 2. Aufl. 1981, Rn. 112 ff.; Roth, DVBl 1974, 737. – s. aber auch den Hinweis bei Rengeling (Fn. 7), Rn. 205, der Kompetenzbegriff dürfe nicht zu einem „integrierten Stadtentwicklungsrecht“ fortentwickelt werden, es müsse sich immer um „örtliche Planung“ handeln; die kompetentielle Grundlage für die überörtliche Planung bilde Art. 75 Nr. 4 GG. 52 LTag-Drs. 10/4437, S. 19. 53 Nachw. Fn. 17, Art. 74 Rn. 200.

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hält es also für möglich, dass weitere Bereiche als die von ihm aufgezählten zum Bodenrecht gehören können; insoweit würde die Kommentarliteratur nicht vollständig richtig verstanden. – Alles in allem lässt sich festhalten, dass die Kommentarliteratur meiner Rechtsauffassung nicht entgegensteht. Der zweite Einwand könnte sich auf die Basis stützen, dass der Bund für das Wasserhaushaltsrecht lediglich das Recht der Rahmengesetzgebung besitze – Art. 75 Nr. 4 GG. Vollständig gefasst müsste das Argument lauten: Wenn der Bund für eine derart wichtige Materie wie das Wasserhaushaltsrecht lediglich das Recht der Rahmengesetzgebung besitzt, dann kann er – bei gleicher Bedeutung des Bodenerhaltungsrechts – für es nicht die weitergehende konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit besitzen, deshalb dürfte der Begriff „Bodenrecht“ in dem hier vorgeschlagenen Sinn nicht verstanden werden. Dieser Argumentation legt unausgesprochen die Annahme zugrunde, die durch das GG konkret vorgenommene Kompetenzverteilung folge einem Bedeutungskriterium: je bedeutsamer die Materie, desto umfassender sei der Bund zuständig. Die durchgängige Beachtung dieses Kriteriums lässt sich indes nicht nachweisen; damit scheidet es als ein bei der Interpretation der Kompetenznormen zu beachtender Gesichtspunkt aus: Unabhängig davon, dass der Gesichtspunkt der Bedeutsamkeit höchst subjektiver Einschätzung offen und damit seine rationale Einsetzbarkeit nur begrenzt möglich ist, lässt sich feststellen, dass das Sprengstoffrecht (Art. 74 Nr. 4a GG) alles in allem doch wohl praktisch bedeutungsloser ist als das Hochschulrecht (Art. 75 Nr. 1a GG); für Letzteres hat der Bund aber eine „geringere“ Kompetenz als für Ersteres. Wenn dem aber so ist, dann besitzt der Bund oder er kann besitzen für unbedeutende Materien eine weitergehende Gesetzgebungsbefugnis als für bedeutende – dann aber ist dieser Ansatz selbst bedeutungslos. Der Blick auf das Wasserhaushaltsrecht ist unter dem Aspekt der Gesetzgebungskompetenz für das Bodenrecht also folgenlos. e) Teilergebnis Nach diesen Ausführungen ist es m. E. dem Bund möglich, ein BodSchG zu erlassen, welches quantitative wie qualitative Elemente berücksichtigt.

3. Bodensanierungsrecht einschließlich Finanzrecht Bodensanierungsrecht ist Gefahrenabwehrrecht. Dieses lässt sich dem Titel „Bodenrecht“ unter Beachtung der dargestellten Regeln nicht zuordnen. Das gleiche gilt für die Erhebung einer Abfallabgabe.

4. Ergebnis Art. 74 Nr. 18 GG „Bodenrecht“ gestattet dem Bund den Erlass von Bodenerhaltungsrecht. Mir ist klar, dass dem Bund damit auf dem Gebiet des Bodenrechts eine

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neue Regelungsmöglichkeit zuwächst. Nutzt er sie, werden viele Gesetze oder Teile von Gesetzen der Länder wegen Art. 30 GG außer Kraft treten und die Länder deshalb viel Mühe vergeblich aufgewandt haben – das schließt natürlich nicht die Würdigung ihrer Arbeit als Pionierleistung aus.

II. Bodenschutzrecht auf der Basis von „Einzeltiteln“ Es dürfte die Vermutung nicht falsch sein, dass von Länderseite das erarbeitete Ergebnis stark angegriffen wird. Es sei deshalb gleichsam hilfsweise der Versuch unternommen, es auf verschiedene Kompetenztitel des Bundes zu stützen. Ein solches Vorgehen ist, darauf sei vorsorglich hingewiesen, verfassungsrechtlich zulässig (Näheres unter IV.); die Literatur54, welche diese Art der kompetentiellen Absicherung eines Gesetzes prüft, führt zu Recht keine Bedenken gegen dieses Vorgehen an. – Art. 74 Nr. 18 GG (Bodenrecht) wird i.F. „eng“ verstanden; die auf diesen Titel bislang gestützten Gesetzesinhalte (die Bodenschutzbestimmungen des BauGB) sind auch weiterhin mit ihm zu fundieren.

1. Der denkbare Inhalt eines Bodenschutzgesetzes Die Diskussion von Einzeltiteln zur Kompetenzbegründung setzt eine grobe Darstellung der möglichen Inhalte eines BodSchG voraus. Insoweit darf ich meine „Idee“ vom Inhalt eines BodSchG näher als zuvor notwendig vorstellen: Das Gesetz müsste vier Kapitel enthalten, nämlich: Allgemeine Vorschriften, Bodenerhaltungsrecht, Umgang mit belasteten Böden (Bodensanierungsrecht), Schlussvorschriften. – Das Kapitel „Allgemeine Vorschriften“ enthält den Zweck des Gesetzes, Begriffsbestimmungen, den Anwendungsbereich des Gesetzes sowie „Grundsätze“. Diese Bestimmungen sind verfassungsrechtlich zulässig, wenn ein BodSchG des Bundes als solches zulässig ist. Das ist eine Frage der Inhalte des zweiten und dritten Kapitels. Deshalb lässt sich an dieser Stelle zur rechtlichen Zulässigkeit eines Eingangskapitels keine Aussage treffen; sie bleibt der Schlussbemerkung vorbehalten. Dasselbe gilt für die Schlussbestimmungen des Gesetzes.

2. Bodenerhaltungsrecht Das Kapitel „Bodenerhaltungsrecht“ umfasst sechs Abschnitte: Quantitativer und qualitativer Bodenschutz, Bodenüberwachung, Bodenbelastungsgebiete, Erfassung und Überwachung der Bodenbeschaffenheit sowie Mitwirkung der für den Bodenschutz zuständigen Behörde in anderen Genehmigungsverfahren. Von diesen Inhalten lassen sich meiner Ansicht nach diejenigen der ersten drei Abschnitte weitgehend auf Normen stützen, die dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz einräumen: Im 54

Maunz (Fn. 17), Art. 70 Rn. 42; Stern (Fn. 19), S. 607; Rengeling (Fn. 7), Rn. 49.

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Abschnitt. „quantitativer Bodenschutz“ müsste das Recht des Bodenverbrauchs geregelt werden; solche Bodenverbrauchsklauseln gibt es bereits in § 2 Abs. 1 Nr. 8 ROG, §§ 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7, 1 Abs. 5 Satz 3, 35 Abs. 5 und 202 BauGB (Schutz des Mutterbodens); gestützt sind diese Pflichten zum Bodenschutz auf Art. 75 Nr. 4 GG (Raumordnung) und Art. 74 Nr. 18 GG (Bodenrecht); damit ist ein großer Teil der Maßnahmen, die bodenverbrauchend sein können, erfasst (alle raumordnerischen und bauplanungsrechtlich relevanten Maßnahmen); nicht berücksichtigt sind lediglich Maßnahmen ohne baulichen Bezug; für diese besitzt der Bund unter Berücksichtigung der hier abgelehnten engen Interpretation des Art. 74 Nr. 18 GG keine einschlägige Gesetzgebungskompetenz. – Der Abschnitt „qualitativer Bodenschutz müsste neben einer die allgemeine Sorgfaltspflicht ansprechenden Klausel besondere Anforderungen an die landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche und gärtnerische Bodennutzung enthalten, und zwar unter besonderer Berücksichtigung des Aufbringens von Wirtschaftsdünger und Handelsdünger sowie Pflanzenschutzmitteln; für eine eine allgemeine Sorgfaltspflicht fordernde Klausel fehlt dem Bund die Gesetzgebungskompetenz, da Art. 74 Nr. 18 GG (Bodenrecht) als Grundlage ausfallen muss; die übrigen Normen wiederholen bzw. verschärfen Inhalte, die bereits jetzt in Bundesgesetzen enthalten sind: § 15 AbfG (Aufbringen von Wirtschaftsdünger auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich und gärtnerisch genutzte Flächen), § 1a DMG (Aufbringen von Handelsdünger), §§ 6, 7 PflSchG (Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sowie Anwendungsverbote für Pflanzenschutzmittel); sie sind gestützt auf Art. 74 Nr. 11 GG (Regelungen über Handelsdünger als Wirtschaftsrecht55), Art. 74 Nr. 20 GG (Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge) sowie Art. 74 Nr. 24 GG (Abfallbeseitigung). – Der dritte Abschnitt „Bodenüberwachung“ enthielte Bürgerpflichten, z. B. Melde-, Mitteilungs- und Untersuchungspflichten sowie das Recht der Mitarbeiter von Behörden zum Betreten und Untersuchen von Grundstücken, zum Erlass von Anordnungen sowie das Recht und die Pflicht der Behörden, die Bürger zu informieren; die Bürgerpflichten lassen sich nur auf Pflichten beziehen, die den quantitativen und qualitativen Bodenschutz zum Gegenstand haben, sie lassen sich deshalb auf die insoweit angeführten Kompetenznormen stützen (es sei darauf hingewiesen, dass solche Normen in der Praxis bereits existieren: gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 AbfG gilt in den Fällen des Aufbringens von Abwasser etc. auf z. B. landwirtschaftlich genutztes Gelände § 11 AbfG; gem. § 11 Abs. 2 AbfG kann die Behörde für das Aufbringen dieser Stoffe das Führen von Nachweisbüchern etc. verlangen); das Recht zum Betreten von Grundstücken ist Polizeirecht, insoweit besitzt der Bund eine Annexkompetenz56; das Recht der Behörden, die Bürger vor Gefahren zu informieren, stellt der Sache nach vorbeugende Gefahrenabwehr dar, insoweit gilt das gerade Festgestellte. 55 Das Düngemittelrecht ist weitestgehend ein Verbraucherschutzgesetz, s. Preusker, HdUR Bd. 1, 1986, Sp. 356; als solches ist es ein Wirtschaftsgesetz. Die Regelungen zum Schutz des Bodens (Aufbringen von Handelsdünger) lassen sich auf das Bodenrecht stützen. Die Gesetzesbegründung äußert sich zur Kompetenzfrage nicht, s. BTag-Drs. 11/4087, S. 15. 56 Dazu Näheres bei Fn. 60.

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Für das Recht der Festsetzung von Bodenbelastungsgebieten sowie der Regelungsgegenstände der weiteren Abschnitte lässt sich eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes jenseits von Art. 74 Nr. 18 GG nicht finden. Dieses leuchtet unmittelbar ein, wenn man sich die potentiellen Regelungsmaterien des fünften Abschnitts vor Augen hält anhand des Beispiels des BaWüBodSchG57: Bodenzustandskataster, Dauerbeobachtungsflächen, Bodenprobenbank, Bodendatenbank – für diese Materien findet sich im Katalog des Art. 74 GG kein Bezugspunkt.

3. Bodensanierungsrecht einschließlich Finanzrecht Das Kapitel „Umgang mit belasteten Böden“ enthält zwei Abschnitte: Umgang mit Bodenverunreinigungen (damit sind großflächige, diffuse Bodenbelastungen gemeint) sowie Umgang mit Altlasten (damit sind kleinflächige spezifische Belastungen entsprechend den vorhandenen Explikationen des Begriffs Altlasten58 erfasst59. Es regelt ferner die Abfallabgabe. Der Abschnitt „Bodenverunreinigungen“ enthielte nach meinen Vorstellungen praktisch nur Gefahrenabwehrrecht bzw. Polizeirecht: behördliche Anordnungen, polizeirechtliche Verantwortlichkeit, Auswahlentscheidung zwischen mehreren Störern, Selbsteintritt der Behörde, Entbehrlichkeit anderer Zulassungen. Gefahrenabwehrrecht ist „klassisches“ Landesrecht. Eine ausdrückliche, hier potentiell einschlägige Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für Teile des Gefahrenabwehrrechts fehlt. Das Recht des Bundes zum Erlass dieses Gefahrenabwehrrechts ergibt sich freilich aus einer ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenz. Ob es sich dabei um eine Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs oder um eine Annexkompetenz handelt, kann offen bleiben; für die Begründung der Gesetzgebungszuständigkeit ist diese Differenzierung nicht weiterführend60; m. E. handelt es sich um eine Annexkompetenz. Vom Vorliegen einer ungeschriebenen Kompetenz ist auszugehen, „wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden könnte, ohne dass zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird“61. Das ist mit Blick auf das Recht der Gefahrenabwehr vorliegend der Fall. „Da die Ordnungsgewalt ein Annex des Sachgebiets ist, auf dem sie tätig wird, umfasst die Zuständigkeit zur Gesetzgebung in einem Sachbereich auch die Regelung der Ordnungsgewalt (Polizeigewalt) in diesem Fachgebiet. Soweit 57

Nachw. Fn. 4. Z. B. dioxinbelastete Böden oder die durch viele Stoffe belasteten Böden in der Region Bitterfeld. 59 Legaldefinitionen jetzt in Art. 26 Abs. 1 BayAbfALG, § 16 Abs. 2 HessAbfAG, § 28 Abs. 1 – 3 LAbfGNW, § 25 Abs. 1 LAbfWAG-RP, § 16 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 ThürAbfAG; das Gesetz zur Abfallwirtschaft und zum Bodenschutz im Freistaat Sachsen fasst die Altlasten begrifflich unter den Terminus ,,Bodenbelastung“, s. § 8 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 8 Abs. 2 EGAB. 60 Ausführlich zu den ungeschriebenen Zuständigkeiten Rengeling (Fn. 7), Rn. 55; Achterberg, AöR 86 (1961), 36 ff.; Wipfelder, DVBl 1982, 477 ff. 61 BVerfGE 3, 421. 58

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der Bund ein Recht zur Gesetzgebung auf bestimmten Lebensgebieten hat, muss er daher auch das Recht haben, die dieses Lebensgebiet betreffenden spezial-polizeilichen Vorschriften zu erlassen“62. Das in Betracht kommende Rechtsgebiet ist das Bodenrecht, und zwar auch dann, wenn man es lediglich eingeschränkt, also als zu bestimmten Inhalten des Baurechts ermächtigend, versteht. Das Sanierungsrecht ist notwendig, damit kontaminiertes Gelände bebaut werden kann; ein Bebauungsplan, der kontaminiertes Gelände zur Bebauung freigibt, ist amtspflichtwidrig erlassen63. Bauplanungsrecht und das Recht zur Beseitigung von Bodenverunreinigungen gehören zusammen, weil dem Plangeber mit Hilfe von spezial-polizeilichen Vorschriften die Möglichkeit eröffnet sein muss, Sanierungen in die Wege zu leiten, soweit diese Voraussetzung für eine rechtmäßige Planung sind64. Da das gesamte Gemeindegebiet zumindest mit Hilfe eines Flächennutzungsplans beplant werden kann, ist ein Bodensanierungsrecht für alle Teile einer Gemeinde immer mit Hilfe einer Annexkompetenz des Bundes zum Bodenrecht zu begründen. Das Altlastensanierungsrecht müsste Regelungen über die Erfassung altlastenverdächtiger Flächen, die Erstuntersuchung, die Feststellung einer Altlast, die Überwachung der Altlast, die Möglichkeit behördlicher Anordnungen, Vorschriften über die Sanierungsverantwortlichkeit sowie das Recht des Bundes zur Erhebung einer Abfallabgabe enthalten. Wie allgemein bekannt ist, möchte der Bund dem Gedanken näher treten, eine Abfallabgabe zu erheben; diese wird sich wohl am Beispiel der baden-württembergischen Abfallabgabe65 und nicht am nordrhein-westfälischen Lizenzentgelt66 orientieren; zu untersuchen ist das Recht des Bundes, eine am Vorbild Baden-Württembergs orientierte Sonderabfallabgabe einzuführen. Das zuvor skizzierte Altlastensanierungsrecht kann sich wohl nicht auf Art. 74 Nr. 24 GG – Abfallbeseitigung – stützen. Dieser Kompetenztitel umfasst zwar auch ein Abfallwirtschaftsrecht67. Altlastensanierung ist aber nicht Abfallwirtschaft, sondern Gefahrenabwehr68. Deshalb besitzt der Bund das Recht zum Erlass der vorgeschlagenen Regelungen aus denselben Erwägungen, wie sie zur Flächensanierung

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Ebd. BGH, NJW 1989, 976; dazu Rehbinder, JuS 1989, 885 ff. 64 Dass das allgemeine Polizeirecht für die Problemlösung nicht ausreicht, beweisen die beiden vorhandenen BodSchGe der Länder. Diese differieren – diese Behauptung kann hier nicht bewiesen werden – stark. Wegen der Wahrung der Rechtseinheit, die auf der Basis des Polizeirechts bestand, ist eine bundeseinheitliche Lösung notwendig. 65 Nachw. Fn. 6. 66 Ebd. 67 s. m.w.Nachw. Peine, Die Finanzierung der Entsorgung häuslicher Abfälle, in: Salzwedel (Hg.), Das neue Abfallwirtschaftsrecht, Umweltrechtstage 1989, S. 77 ff.; s. ferner Kloepfer (Fn. 2), S. 722 ff. 68 Art. 74 Nr. 24 GG entfällt wohl auch deshalb als Kompetenzgrundlage, weil Altlasten nicht Abfall i.S.d. § 1 Abs. 1 AbfG sind, da diese Norm den Abfall als bewegliche Sache definiert, s. zu diesem Problem Kloepfer (Fn. 2), S. 724. 63

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angestellt wurden69. – Von einem Recht zur Regelung der Altlastenprobleme geht der Bund aus. Art. 12 des Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen v. 22. 3. 199170 regelt einen Teil der Altlastenproblematik in den neuen Bundesländern. Alle am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten sind – ohne einen Gedanken darauf zu verwenden – davon ausgegangen, der Bund könne diese Regelung treffen71. Nach dem Zuvorgesagten ist die Bejahung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes ohne nähere Reflektion m. E. zutreffend. Das Recht zur Regelung der Abfallabgabe ergibt sich aus Art. 74 Nr. 24 GG. Es handelt sich bei der Abfallabgabe um eine Lenkungssonderabgabe i.S.d. Rechtsprechung des BVerfG72. Sonderabgaben sind immer unter Inanspruchnahme von Kompetenzen zur Regelung bestimmter Sachmaterien zu erheben, die ihrer Art nach nicht auf Abgabenerhebung bezogen sind73. Die Art. 104aff. GG scheiden deshalb zur Kompetenzbegründung aus. 4. Ergebnis Nach alledem zeichnet sich als Ergebnis ab, dass, ohne Inanspruchnahme einer erweiterten Interpretation von Art. 74 Nr. 18 GG, auf diesen und andere Titel gestützt ein weitgehend perfektes BodSchG erlassen werden könnte.

III. Bodenschutzrecht auf der Basis von Art. 75 Nr. 3 GG: „Naturschutz und Landschaftspflege“ Zu diskutieren ist, ob jene „angedachten“ Inhalte des BodSchG als Rahmengesetz des Bundes erlassen werden könnten. Notwendig ist in diesem Zusammenhang die rahmenrechtliche Fundierung lediglich für die Aussagen, die der Bund nicht nur auf andere Titel gestützt erlassen darf. Als Titel im Katalog des Art. 75 GG, dem sich die (potentiellen und noch nicht abgesicherten) Inhalte zuordnen lassen, kommt allein „Naturschutz und Landschaftspflege“ in Betracht. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass „Bodenverteilung“ und „Raumordnung“ – also diejenigen Titel im Rahmen des Art. 75 GG, an die möglicherweise noch gedacht werden könnte – von vornherein ausscheiden: „Bodenverteilung (ist) eine aktive, aber nicht zum Mittel umfassenden Eigentumsentzugs greifende Bo-

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Wegen der höchst unterschiedlichen Regelungen der Altlastenproblematik in den LAbfGen, soweit sie vorhanden sind, ist hier eindringlich auf den Aspekt der Wahrung der Rechtseinheit hinzuweisen. 70 BGBl. I S. 766. 71 BRat-Drs. 70/91; BTag-Drs. 12/204, 12/216, 12/255 und 12/449. 72 Kühner, VBlBW 1991, 201 205. 73 BVerfGE 55, 297; 75, 147; 81,186 f.

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denpolitik mit dem Ziel einer gleichmäßigen Verteilung auf die Einzelnen“74 ; Raumordnung ist die zusammenfassende, überörtliche und überfachliche Ordnung des Raums aufgrund von vorgegebenen oder erst zu entwickelnden Leitvorstellungen75. 1. Der Regelungsbereich des Titels „Naturschutz und Landschaftspflege“ Naturschutz und Landschaftspflege werden in der Praxis heute unter dem Begriff „Landespflege“ zusammengefasst76. Die Praxis vollzieht durch ihre Begriffsbildung nur dasjenige, was eine Interpretation der beiden Begriffe nahe legt: Der Begriff „Naturschutz“ ist weit zu verstehen; er umfasst (negativ) sowohl die Abwehr entstellender Eingriffe von dritter Hand als auch (positiv) die Einflussnahme auf Natur und Landschaft i.S. ihres Schutzes, ihrer Pflege und Entwicklung. Für die Landschaftspflege bleibt kaum ein Anwendungsbereich77. – Einen wesentlichen Teil von Natur und Landschaft bildet der Boden. Ein ihn betreffendes Erhaltungsrecht kann also auf Art. 75 Nr. 3 GG (Naturschutz) gestützt werden. – Nach der hier vertretenen Auffassung besitzt der Bund also zwei Titel zum Erlass von Bodenerhaltungsrecht. Art. 75 Nr. 3 GG greift freilich nur für die Bereiche, und muss nach der hier vorgetragenen Begründung auch nur für die Bereiche greifen, die Art. 74 Nr. 18 GG nicht abdeckt, wenn man diese Norm eingeschränkt interpretiert. Insoweit besteht ein Verhältnis der Ergänzung, nicht der Konkurrenz. Unabhängig von der Grenzziehung bleibt der Bund aber immer zuständig. Ob (auch) noch die „Landschaftspflege“ von Bedeutung ist, hängt von der Explikation des Begriffs ab. Maunz78 sieht folgenden Bereich für die „Landschaftspflege“: Sie habe eigenständige Bedeutung durch „die Merkmale der Überörtlichkeit, der Verbindung zu bauwerklichen Gestaltungen, die Einbindung in Zwecke der Erholung und in Zwecke der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts“. Wenn man dieser Zuordnung folgt, kann eine gesetzliche Verpflichtung zur Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, von dem der Boden einen wesentlichen Tell bildet, auf diesen Titel gestützt werden79. Dieses könnte z. B. die Rekultivierung sanierter Altlasten betreffen.

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Maunz (Fn. 17), Art. 75 Rn. 132. Peine, Raumplanungsrecht, 1987, S. 2. 76 s. Maunz (Fn. 17), Art. 75 Rn. 124. 77 Maunz, ebd., Rn. 123. 78 Ebd., Rn. 124. 79 Zur Frage, ob der Bund auf beide einschlägigen Artikel (74 Nr. 18, 75 Nr. 3 GG) seine Kompetenz stützen kann, sogleich unter IV. 75

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2. Die Regelung der allgemeinen Verhaltenspflichten Unter Beachtung der engen Interpretation des Art. 74 Nr. 18 GG fehlt es an einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine allgemeine Bodenverbrauchsklausel und für eine Klausel betreffend die allgemeine Sorgfaltspflicht hinsichtlich des qualitativen Bodenschutzes. Art. 75 Nr. 3 GG erlaubt solche Klauseln im Prinzip. Ob der Bund diese Fragen aber abschließend in einem Rahmengesetz beantworten darf, ist abhängig von Folgendem: Es ist problematisch, inwieweit der Bund in einem Rahmengesetz Vollregelungen treffen darf; Rahmengesetze müssen zwar nicht in allen Bestimmungen, so doch als Ganzes auf eine Ausfüllung durch die Länder angelegt sein80; die Rahmengesetzgebung ist, von der Art der Regelungstechnik aus betrachtet, deshalb für solche Sachmaterien gedacht, für die einerseits eine gewisse einheitliche Regelung im Bundesgebiet notwendig erscheint, andererseits aber die länderbedingten Unterschiede es nicht sinnvoll erscheinen lassen, die Materie in jeder Beziehung einheitlich zu regeln; schlagwortartig lässt sich formulieren: Mit Hilfe der Rahmengesetzgebung sollen soviel Rechtseinheit, vom bundesstaatlichen Interesse aus betrachtet, wie nötig, und soviel Rechtsvielfalt, vom länderstaatlichen Interesse aus gesehen, wie möglich erreicht werden81. Regelungen allgemeiner Verhaltenspflichten, die etwa den Inhalt haben könnten: „Bei der Planung und Ausführung von Baumaßnahmen und anderen Veränderungen der Erdoberfläche ist auf einen sparsamen und schonenden Umgang mit dem Boden zu achten“ sowie „Jeder, der Boden nutzt, ist verpflichtet, sich so zu verhalten, dass Beeinträchtigungen der vorgefundenen Bodenqualität auf das nach den Umständen unvermeidbare Maß beschränkt werden“, können in einem Rahmengesetz enthalten sein. Dieses ergibt sich daraus, dass ohne sie ein in sich geschlossener Gesetzestext; der die durch die Länder ausfüllungsfähigen Teile erkennen lässt, nicht zu formulieren ist. Ein weiteres Argument liefert das WHG: In § 1a Abs. 2 WHG formuliert es die Individualverpflichtung, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden […]. Nichts anderes formulieren, freilich für den Boden, jene zuvor dargestellten allgemeinen Verhaltensvorschriften. Ist aber § 1a Abs. 2 WHG in einem Rahmengesetz zulässig – niemand zweifelt an der Zulässigkeit dieser Vorschrift in einem Rahmengesetz –, dann muss das gleiche auch für jene zuvor erwähnten Klauseln gelten. 3. Die Regelung der Bodenbelastungsgebiete, der -beschaffenheit und der Behördenmitwirkung Der Bund besitzt auf der Basis des eng interpretierten Art. 74 Nr. 18 GG keine Zuständigkeit zum Erlass von Regelungen über Bodenbelastungsgebiete, die Feststel-

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BVerfGE 4, 130; Maunz (Fn. 17), Art. 75 Rn. 26. Peine, Systemgerechtigkeit, 1985, S. 142.

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lung der Bodenbeschaffenheit sowie die Mitwirkung der Bodenschutzbehörden in anderen Verfahren. Bodenbelastungsgebiete sind stark belastete Gebiete, die sich unter Verzicht auf Nutzungen natürlich erholen sollen. Für sie bietet sich folgende Regelung an: Der Bund regelt diesen Typ von Gebiet, die Länder normieren das Verfahren zur Ausweisung eines solchen Gebiets. Vorbild wären die Regelungen über das Wasserschutzgebiet, § 19 WHG, oder die Schutzgebiete nach dem BNatSchG, §§ 13 ff. BNatSchG. Das Recht der Feststellung und Überwachung der Bodenbeschaffenheit, wie es vorbildhaft in Baden-Württemberg geregelt ist82, kann nur dann Gegenstand einer bundesgesetzlichen Regelung sein, wenn es sich um eine überregionale Angelegenheit handelt; das Kriterium des Bedürfnisses nach bundesgesetzlicher Regelung gilt auch für die Rahmengesetzgebung, Art. 75 GG. Die zuvor gegebene Begründung löst auch dieses Problem. Ferner muss es möglich sein, die Arbeit der Behörden in den verschiedenen Bundesländern zu vergleichen; das setzt ein denselben naturwissenschaftlichen Parametern folgendes Vorgehen voraus. Es ist nicht ausgeschlossen, und Gespräche mit Fachleuten haben mich in dieser Ansicht bestärkt, dass unterschiedliches Vorgehen von Land zu Land möglich ist. Deshalb können Schwierigkeiten bei der Vergleichbarkeit und Bewertung der Ergebnisse auftreten. Sie müssen verhindert werden. Aus diesem Grund erscheint es mir sinnvoll, die Errichtung von Bodenzustandskatastern und Dauerbeobachtungsflächen sowie einer Bodenprobenbank und einer Bodendatenbank unter Berücksichtigung von Details bundeseinheitlich vorzuschreiben. Es sind m. E. keine spezifischen schützenswerten Länderinteressen erkennbar, die dem entgegenstehen könnten. Die Kompetenz des Bundes, diese Materie vollständig in einem Rahmengesetz zu regeln, ist gegeben. Dasselbe gilt für die Mitwirkung der Bodenschutzbehörden in anderen Verfahren. Auch in diesem Fall besteht ein Interesse an einer bundeseinheitlichen Lösung. 4. Ergebnis Auf der Grundlage der Rahmenkompetenz zur Regelung des Naturschutzes können wesentliche Inhalte des Bodenerhaltungsrechts erlassen werden.

IV. Zum Problem des „Kompetenzmix“ Die unter II. und unter III. erfolgten Ausführungen erlauben dem Bund gestützt auf Art. 75 Nrn. 3 und 4 GG (Raumordnung), Art. 74 Nrn. 11, 18 (partiell), 20 und 24 GG sowie für das Gefahrenabwehrrecht durch eine Annexkompetenz abgesichert, ein nahezu vollständiges BodSchG zu erlassen. Der Gesetzerlass basiert auf einem „Kompetenzmix“; die Zulässigkeit dieses Vorgehens muss abgeklärt werden. 82

§§ 15 – 18 BodSchG.

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Rechtlich gesichert darf auf verschiedene Titel im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung ein Gesetz gestützt werden83; dieses ist beim ChemG und beim BImSchG geschehen. Soweit ersichtlich, ist ein Gesetz bislang noch nicht teilweise auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz, teilweise auf die Rahmengesetzgebungskompetenz und teilweise auf eine Annexkompetenz gestützt worden; das GenTG stützt sich auf die konkurrierende Gesetzgebungs- und die Rahmengesetzgebungskompetenz84. Dieses ist aber gleichwohl zulässig; zwei Größen des Staatsrechts – Maunz85 und Stern86 – erklären übereinstimmend, dem Bund stünden alle Kompetenztitel kumulativ zur Verfügung und er dürfe seine Gesetzgebungszuständigkeit auch aus unterschiedlichen Gesetzgebungsarten ableiten. Diese Auffassung ist unbestritten.

V. Zum Problem der „Regelungslücken“ in einem Rahmengesetz Im Bereich der Rahmengesetzgebung muss den Ländern Substantielles zur Regelung offenbleiben. Folge dieser Beachtungspflicht ist eine Handlungsgrenze für den Bund, die er nicht überschreiten darf, soll das Gesetz nicht verfassungswidrig werden. Das bedingt alles in allem eine lediglich partielle Lösung. Ein BodSchG des Bundes, u. a. gestützt auf die Kompetenz zum Erlass von Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, muss deshalb zwangsläufig unvollständig bleiben.

VI. Gesamtergebnis Nach der hier vertretenen Auffassung erlaubt Art. 74 Nr. 18 (Bodenrecht) GG i.V.m. der Annexkompetenz des Bundes zum Erlass von Gefahrenabwehrrecht und Art. 74 Nr. 24 GG ein vollständiges BodSchG. – Ein nahezu vollständiges BodSchG lässt sich unter Berücksichtigung der überkommenen Interpretation des Titels „Bodenrecht“ auf eine Summe von Einzeltiteln (Art. 74 Nrn. 11, 20 und 24 GG sowie die Annexkompetenz zur Gefahrenabwehr und Art. 75 Nr. 4 GG: Raumordnung) stützen; diesem Gesetz fehlten freilich allgemeine Verhaltenspflichten sowie beispielsweise ein Bodenbeobachtungsrecht. – Das Recht des Bundes zum Erlass von Landschafts- und Naturschutzrecht sowie Raumordnungsrecht erlaubt i.V.m. Einzeltiteln ebenfalls ein nahezu vollständiges BodSchG einschließlich allgemeiner Verhaltenspflichten – auf dieser Basis muss die Antwort auf die noch offene Frage 83

s. statt vieler Rengeling (Fn. 7), Rn. 49 ff. Das GenTG (BGBl. I S. 1080) ist auf einen „Kompetenzmix“ aus Art. 74 Nr. 1, 11, 12, 13, 19, 20, 24 und Art. 75 Nr. 3 GG gestützt, s. Amtliche Begründung BTag-Drs. 11/5622, S. 21. Aus der Literatur zu diesem Gesetz s. Hirsch/Schmidt-Didczuhn, BayVBl 1990, 289 ff.; dies., GenTG, 1991, S. 6. 85 Nachw. Fn. 17, Art. 70 Rn. 42. 86 Nachw. Fn. 19, S. 608. 84

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C. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Bodenschutz

nach der Zulässigkeit eines Eingangs- und Schlusskapitels positiv ausfallen; da dieses Gesetz aber zum Teil ein Rahmengesetz ist, muss der Bund hinsichtlich der Regelungsdichte Zurückhaltung üben, um den Ländern Regelungsmöglichkeiten zu belassen.

D. Entwurf eines Bodenschutzgesetzes als Teil eines Umweltgesetzbuchs – Text und Begründung –

I. Text Erster Abschnitt: Allgemeine Vorschriften § 283 Zweck 1 Der Zweck des Gesetzes wird in diesem Kapitel vorrangig durch die Verpflichtung zur Durchführung von Maßnahmen der Bodenerhaltung und der Bodensanierung sowie durch Vorsorge insbesondere gegen drohende Bodenverunreinigungen angestrebt. 2Die natürlichen Funktionen des Bodens als Lebensraum für Bodenorganismen, Standort für die natürliche Vegetation und Kulturpflanzen, Ausgleichskörper im Wasserkreislauf sowie als Filter und Puffer für Schadstoffe sind zu schützen. . § 284 Begriffsbestimmungen (1) Boden sind die obersten Schichten der festen Erdkruste einschließlich des Grundes fließender und stehender Gewässer sowie grundwasserführender Schichten, soweit sie durch menschliche Aktivitäten beeinflusst werden können. (2) lEine Bodenverunreinigung liegt vor, wenn im Boden bodengefährliche Stoffe vorhanden sind. 2Eine Bodenverunreinigung ist eine Bodenveränderung, wenn sie unterhalb des Umweltrisikos verbleibt, eine Bodenbeeinträchtigung, wenn sie ein Umweltrisiko darstellt, eine Bodenbelastung, wenn sie eine Umweltgefahr hervorruft. (3) Ein bodengefährlicher Stoff ist ein Stoff, der allein oder im Zusammenwirken mit anderen Stoffen oder als Zersetzungsprodukt geeignet ist, die natürliche Beschaffenheit des Bodens derart zu verändern, dass die natürlichen Bodenfunktionen nachteilig beeinflusst werden können. (4) Die Konzentration mindestens eines bodengefährlichen Stoffes im Boden heißt Risikowert, wenn sie ein Umweltrisiko darstellt, Gefahrenwert, wenn sie eine Umweltgefahr hervorruft. (5) lAltlasten sind Altablagerungen oder Altstandorte, soweit auf sie das Abfallrecht des Bundes keine Anwendung fand und sofern von diesen nach den Erkenntnissen einer im einzelnen Fall vorausgegangenen Untersuchung und einer darauf beruhenden Beurteilung durch die zuständige Behörde eine Umweltgefahr ausgeht. 2Altablagerungen sind stillgelegte Anlagen zum Ablagern von Abfällen, Grundstücke, auf denen Abfälle abgelagert worden sind, sonstige stillgelegte Aufhaldungen und Verfüllungen. 3Altstandorte sind Grundstücke stillgelegter Anlagen, in denen mit umweltgefährlichen Stoffen umgegangen worden ist, soweit es sich um Anlagen der gewerblichen Wirtschaft oder im Bereich öffentlicher

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D. Entwurf eines Bodenschutzgesetzes als Teil eines Umweltgesetzbuchs

Einrichtungen gehandelt hat, ausgenommen der Umgang mit Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen im Sinne des Atomgesetzes, Grundstücke, auf denen im Bereich der gewerblichen Wirtschaft und im Bereich öffentlicher Einrichtungen sonst mit umweltgefährlichen Stoffen umgegangen worden ist, ausgenommen der Umgang mit Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen im Sinne des Atomgesetzes, das Aufbringen von Abwasser, Klärschlamm, Fäkalien oder ähnlichen Stoffen und von festen Stoffen, die aus oberirdischen Gewässern entnommen worden sind, sowie das Aufbringen und Anwenden von Pflanzenschutz- und Düngemitteln. (6) Altlastenverdächtige Flächen sind Altablagerungen und Altstandorte i.S.v. Absatz 5, für die ein begründeter Verdacht einer Umweltgefahr besteht. . § 285 Geltungsbereich Die Vorschriften dieses Kapitels finden Anwendung, sofern nicht andere Vorschriften dieses Gesetzes oder sonstiges Bundesrecht inhaltsgleiche oder weitergehende Schutzvorschriften enthalten. . § 286 Grundsätze (1) 1Der Boden als Naturkörper und Lebensgrundlage für Menschen, Tiere und Pflanzen ist vor ungeeigneter Flächennutzung, übermäßigem Verbrauch und gegen Veränderungen und sonstige Beeinträchtigungen zu schützen. 2Seine Fruchtbarkeit und seine Leistungsfähigkeit sind zu bewahren. (2) 1Boden soll für Vorhaben nur in Anspruch genommen werden, wenn sie sich nicht auf bereits versiegelten Flächen verwirklichen lassen. 2Für die Zulassung von Vorhaben gilt § 28 Absatz 21 entsprechend. (3) Eingetretene Bodenbelastungen sollen beseitigt, Altlasten sollen saniert werden; wenn die Beseitigung einer Bodenbelastung oder die Sanierung einer Altlast nicht tunlich erscheint, sind schädliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu verhindern. . Zweiter Abschnitt: Bodenerhaltung Erster Unterabschnitt: Quantitativer Bodenschutz § 287 Bodenerhaltungs- und Wiederherstellungspflicht (1) Mutterboden ist in nutzbarem Zustand zu halten und vor Vernichtung oder Vergeudung zu schützen. (2) 1Auf Grundstücken der Öffentlichen Hand vorhandene Bodenversiegelungen sollen beseitigt werden, wenn sie dauerhaft funktionslos geworden sind. 2Gleiches gilt für andere Grundstücke, soweit die Entsiegelung dem Verfügungsberechtigten zumutbar ist. . 1 Redaktioneller Hinweis: Im folgenden Gesetzestext und in der Begründung erwähnte Vorschriften ohne nähere Kennzeichnung sind bis § 169 Gesetzesvorschläge des Professorenentwurfs eines Umweltgesetzbuchs Allgemeiner Teil; s. Umweltbundesamt, Berichte 7/90, Umweltgesetzbuch – Allgemeiner Teil –, erarbeitet von Kloepfer, Rehbinder, Schmidt-Aßmann und Kunig. Vorschriften ab § 170 sind solche des Umweltgesetzbuchs Besonderer Teil; s. Umweltbundesamt, Berichte 4/94, Umweltgesetzbuch – Besonderer Teil –, erarbeitet von Jarass, Kloepfer, Kunig, Papier, Peine, Rehbinder, Salzwedel und Schmidt-Aßmann.

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Zweiter Unterabschnitt: Qualitativer Bodenschutz § 288 Verbot vermeidbarer Bodenverunreinigungen Boden darf nur so genutzt werden, dass Bodenverunreinigungen auf das nach den Umständen unvermeidbare Maß beschränkt werden. . § 289 Land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung (1) 1Bei land- und forstwirtschaftlicher Bodennutzung sind die natürliche Bodenfruchtbarkeit und die natürliche Leistungsfähigkeit des Bodens durch standortgerechte Bewirtschaftungsmaßnahmen nachhaltig zu sichern. 2Bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung sind Bewirtschaftungsmaßnahmen standortgerecht und unter Berücksichtigung des Bodenzustands so vorzunehmen, dass die Bodenstruktur günstig beeinflusst sowie das Bodenleben geschont und gefördert werden, Anbaumaßnahmen wie Bodenbearbeitung und Fruchtfolgegestaltung entsprechend den natürlichen Standortbedingungen so zu gestalten, dass Bodenerosion und Bodenvernichtung soweit wie möglich vermieden werden. (2) 1Regeln bodenschonender Land- und Forstwirtschaft sind einzuhalten. 2Sie können durch Rechtsverordnung nach § 146 bestimmt werden. (3) In besonders erosions- oder überschwemmungsgefährdeten Lagen sind Wald und Grünland soweit wie möglich zu belassen. . § 290 Aufbringen besonderer Stoffe (1) lAbwasser, Klärschlamm, Fäkalien und ähnliche Stoffe dürfen ebenso wie Jauche, Gülle oder Stallmist nur dann auf landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzten Boden aufgebracht oder zu diesem Zweck abgegeben werden, wenn eine Bodenbeeinträchtigung ausgeschlossen ist. 2Jedes Aufbringen dieser Stoffe ist verboten, soweit es zu einer umweltunverträglichen Düngung führt. (2) 1Durch Rechtsverordnung nach § 146 werden zu dem in § 283 genannten Zweck Vorschriften über die Abgabe und über das Aufbringen der in Absatz 1 genannten Stoffe erlassen. 2 Die Rechtsverordnung kann hierbei das Aufbringen bestimmter Stoffe nach Maßgabe von Merkmalen wie Schadstoffgehalt im Stoff und im Boden, Betriebsgröße, Viehbestand, verfügbaren Flächen und ihrer Nutzung, Aufbringungsart und -zeit und natürlichen Standortverhältnissen beschränken oder verbieten, von einer Untersuchung, Desinfektion oder Entgiftung dieser Stoffe, von der Einhaltung bestimmter Qualitätsanforderungen, von einer Untersuchung des Bodens oder einer anderen geeigneten Maßnahme abhängig machen. (3) Weitergehende Vorschriften des Landesrechts bleiben unberührt. . § 291 Anwendung von Düngemitteln 1

Düngemittel dürfen nur nach Maßgabe der Grundsätze bodenschonender Düngung angewandt werden. 2Diese Grundsätze gewährleisten, dass bei dem Aufbringen von Düngemitteln die natürlichen Funktionen des Bodens nicht nachhaltig beeinträchtigt werden. 3Durch Rechtsverordnung nach § 146 werden die Grundsätze bodenschonender Düngung näher bestimmt. . .

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D. Entwurf eines Bodenschutzgesetzes als Teil eines Umweltgesetzbuchs § 292 Anwendung von Pflanzenschutzmitteln

(1) 1Pflanzenschutzmittel dürfen nur angewandt werden, soweit die §§ 484 bis 490 eingehalten sind. 2Die bei der Zulassung des Pflanzenschutzmittels ausgesprochenen Anwendungsbestimmungen sind zu befolgen. (2) 1Pflanzenschutzmittel dürfen nur nach Maßgabe der Grundsätze bodenschonender Anwendung von Pflanzenschutzmitteln angewandt werden. 2Diese Grundsätze gewährleisten, dass bei dem Aufbringen von Pflanzenschutzmitteln die natürlichen Funktionen des Bodens nicht nachhaltig beeinträchtigt werden. 3Durch Rechtsverordnung nach § 146 werden die Grundsätze bodenschonender Anwendung von Pflanzenschutzmitteln näher bestimmt. (3) 1Pflanzenschutzmittel dürfen nicht angewandt werden 1. in Haus- und Ziergärten, auf Ödland, Friedhöfen, Sportplätzen, Parkanlagen sowie auf und an Verkehrswegen, z. B. Böschungen und Mittelstreifen, 2. in oder unmittelbar an oberirdischen Gewässern und Küstengewässern, 3. auf Gewässerrandstreifen nach Maßgabe des Landesrechts oder wenn 4. damit gerechnet werden muss, dass die Anwendung eine Umweltbeeinträchtigung bewirkt. 2

Ausnahmen können durch Rechtsverordnung nach § 147 oder im Einzelfall vorgesehen werden, wenn überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere des Schutzes von Tier- und Pflanzenarten, nicht entgegenstehen. (4) Über Absatz 2 hinausgehende Vorschriften des Landesrechts bleiben unberührt. . Dritter Unterabschnitt: Bodenüberwachung § 293 Besondere Anzeigepflicht Werden im Zuge von Baumaßnahmen, Baugrundsondierungen, Ausschachtungen oder ähnlichen Eingriffen in den Untergrund Bodenbeeinträchtigungen festgestellt, so gilt § 68 auch für den Bauherrn, den Bauleiter und den Unternehmer. . § 294 Besondere Eigenüberwachung (1) 1Liegen Anhaltspunkte für eine Bodenbeeinträchtigung vor, ist § 70 anwendbar. 2Die zuständige Behörde kann dem nach § 63 Überwachungspflichtigen die Entnahme und Analyse von Stichproben im angemessenen Umfang aufgeben. 3Liegt nach dem Ergebnis der Stichproben oder nach anderen hinreichend gesicherten Erkenntnissen eine Bodenbeeinträchtigung vor, so können dem Überwachungspflichtigen flächendeckende Bodenuntersuchungen aufgegeben werden. 4Die Ergebnisse der Stichproben und der Bodenuntersuchungen sind der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen. (2) Steht aufgrund von Bodenuntersuchungen oder anderen Tatsachen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass Bodenbeeinträchtigungen vorliegen, so kann die zuständige Behörde den Verantwortlichen verpflichten, in näher zu bestimmenden regelmäßigen Abständen Stichproben zu entnehmen und die Ergebnisse unverzüglich mitzuteilen. (3) 1Fehlt es nach dem Ergebnis der Analyse an einer Bodenbeeinträchtigung, trägt die zuständige Behörde die Kosten der Probeentnahme und der Analyse. 2Liegt eine Bodenbeeinträchtigung vor, kann die zuständige Behörde dem Verursacher sowie demjenigen, der aufgrund gesetzlicher Bestimmungen für das Verhalten anderer einzustehen hat, die Kosten der Probeent-

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nahme und der Analyse auferlegen; das gleiche gilt für seine Rechtsnachfolger. 3Im Fall einer Bodenbelastung sind dem Verursacher sowie demjenigen, der aufgrund gesetzlicher Bestimmungen für das Verhalten anderer einzustehen hat, die Kosten aufzuerlegen; das gleiche gilt für seine Rechtsnachfolger. 4Bei einer Bodenbelastung trägt der Zustandsverantwortliche die Kosten für die Probeentnahme und die Analyse, wenn ein Verantwortlicher nach Satz 3 nicht vorhanden oder zahlungsunfähig und dem Zustandsverantwortlichen die Kostentragung zumutbar ist. (4) 1Sind mehrere Personen nebeneinander kostentragungspflichtig, so soll die zuständige Behörde ihnen nach Maßgabe der jeweiligen Verantwortlichkeit Anteile der Gesamtkosten aufgeben. 2Für die Feststellung des Maßes der Verantwortlichkeit gilt § 304 Absatz 1 Satz 3 und 4 entsprechend. 3Erscheint eine Aufteilung der Kosten untunlich, kann die zuständige Behörde einen von mehreren Verantwortlichen allein heranziehen. (5) Für das Verhältnis zwischen den Verantwortlichen gilt § 426 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend. . § 295 Vorläufige eingreifende Maßnahmen 1

Liegen Anhaltspunkte für eine Bodenbelastung vor, kann die zuständige Behörde bereits vor Abschluss der Analyse von Stichproben oder von Bodenuntersuchungen dem nach § 63 Überwachungspflichtigen geeignete Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Bodenverunreinigungen oder anderer Umweltbeeinträchtigungen auferlegen. 2Der Überwachungspflichtige trägt die Kosten zur Durchführung der Maßnahmen. . § 296 Untersagung von Bodennutzungen Die zuständige Behörde kann bereits bei Vorliegen einer Bodenveränderung bestimmte Arten der Bodennutzung und den Einsatz bestimmter Stoffe verbieten oder beschränken. . Vierter Unterabschnitt: Bodenbeeinträchtigungsgebiete § 297 Festsetzung von Bodenbeeinträchtigungsgebieten (1) 1Gebiete, in denen weiträumig Bodenbeeinträchtigungen festgestellt werden, können zur Beseitigung der Bodenbeeinträchtigung, aus Gründen der Vorsorge für die menschliche Gesundheit oder zur Vorsorge gegen erhebliche Beeinträchtigungen der Umwelt als Bodenbeeinträchtigungsgebiete festgesetzt werden. 2Die Landesregierungen bestimmen Bodenbeeinträchtigungsgebiete durch Rechtsverordnungen nach § 146; sie können das Recht zum Erlass der Rechtsverordnung ganz oder teilweise auf andere Behörden übertragen. 3Den betroffenen Grundstückseigentümern und den berührten Gemeinden ist vor Erlass der Rechtsverordnung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. (2) lIn der Rechtsverordnung sind das Gebiet, der wesentliche Zweck und die erforderlichen Verbote, Beschränkungen und Schutzmaßnahmen zu bestimmen. 2Insbesondere kann vorgeschrieben werden, dass in dem Gebiet je nach Art und Maß des Umweltrisikos 1. der Boden auf Dauer oder auf bestimmte Zeit nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden darf, 2. nur bestimmte Nutzungen zugelassen sind, 3. bestimmte Stoffe nicht eingesetzt werden dürfen,

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(3) 1Wird durch eine Maßnahme nach Absatz 2 die im Sinne des § 175 ordnungsgemäße land- oder forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks unzumutbar beschränkt, so ist dafür nach Maßgabe des Landesrechts Entschädigung zu leisten. 2Bei der Bestimmung der Zumutbarkeit sowie der Art und des Umfangs der Entschädigung ist die Umweltpflichtigkeit des Eigentums zu berücksichtigen. 3Wird durch eine Maßnahme nach Absatz 2 die im Sinne des § 175 ordnungsgemäße land- oder forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks beschränkt, so kann für die dadurch verursachten besonderen wirtschaftlichen Nachteile ein angemessener Ausgleich nach Maßgabe des Landesrechts geleistet werden, soweit nicht eine Entschädigungspflicht nach Satz 1 besteht. . Fünfter Unterabschnitt: Erfassung und Überwachung der Bodenbeschaffenheit § 298 Bodenzustandskataster (1) 1Bei der zuständigen Behörde wird ein Bodenzustandskataster geführt. 2Das Bodenzustandskataster beschreibt die physikalische, chemische und biologische Beschaffenheit des Bodens, die Bodennutzung sowie Nutzungsbeschränkungen aufgrund von Rechtsverordnungen gemäß § 297 Absatz 1 und von Anordnungen nach den §§ 302 und 310 in Verbindung mit § 302. 3In Verbindung damit können Angaben zu den Grundstücken über Lage, Größe, kartographische Darstellung und Eigentumsverhältnisse aufgenommen werden. 4Zum Bodenzustandskataster gehören auch Unterlagen, die für die Beurteilung des Bodenzustands und seiner Veränderungen von dauernder Bedeutung sind. (2) Zur Mitteilung an das Bodenzustandskataster verpflichtet sind die für den Schutz des Bodens zuständigen Behörden für die von ihnen getroffenen Anordnungen über Nutzungsbeschränkungen und die Ausweisung von Bodenbeeinträchtigungsgebieten einschließlich der dort getroffenen Festsetzungen. . § 299 Dauerbeobachtungsflächen 1

Um den Zustand und die Veränderung der Beschaffenheit von Böden, die für das Gebiet eines Landes typisch sind, zu erkennen und zu überwachen, wird von der zuständigen Behörde ein Netz von Dauerbeobachtungsflächen eingerichtet und betreut. 2Die Dauerbeobachtungsflächen sind in Abständen von mehreren Jahren auf Veränderungen der physikalischen, chemischen und biologischen Bodenbeschaffenheit zu untersuchen. 3In Bezug auf die Dauerbeobachtungsflächen werden neben Angaben zur Bodenbeschaffenheit Lage, Größe, Nutzung und Eigentumsverhältnisse festgehalten. . § 300 Bodenprobenbank Zur Sicherung von Feststellungen über den Zustand des Bodens und zur Beurteilung von Veränderungen des Bodens kann Material von ausgewählten Bodenproben durch die zuständige Behörde oder Beauftragte unter Bezeichnung von Ort, Zeitpunkt und Verfahren der Bodenprobenentnahme in einer bei der zuständigen Behörde geführten Bodenprobenbank eingelagert werden. . .

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Sechster Unterabschnitt: Mitwirkung der für den Bodenschutz zuständigen Behörde § 301 Beteiligung im Gestattungsverfahren 1

Bedarf ein Vorhaben, das zu Bodenbeeinträchtigungen führen kann, nach anderen gesetzlichen Vorschriften einer behördlichen Gestattung, ergehen die Entscheidungen der für die Gestattung zuständigen Behörde im Benehmen mit der für den Bodenschutz zuständigen Behörde. 2 Die für den Bodenschutz zuständige Behörde ist verpflichtet, ihre Stellungnahme in angemessener Frist, jedenfalls aber innerhalb von sechs Wochen abzugeben. 3Geht innerhalb der Frist keine Stellungnahme ein, so kann die für die Gestattung zuständige Behörde davon ausgehen, dass keine Bedenken erhoben werden. . Dritter Abschnitt: Bodensanierung und Bodensicherung Erster Unterabschnitt: Bodenbelastungen § 302 Behördliche Anordnungen Wenn eine Bodenbelastung festgestellt wird, kann die zuständige Behörde verlangen, 1. die Erstellung eines Sanierungsplans, wenn die Erstellung eines solchen Plans aufgrund der mit der Sanierung verbundenen Schwierigkeiten erforderlich ist; der Sanierungsplan enthält a. Maßnahmen zur Beseitigung von Bodenbelastungen (Dekontaminationsmaßnahmen), b. Maßnahmen zur Wiedereingliederung gereinigter Böden in Natur und Landschaft (Rekultivierungsmaßnahmen), 2. die Verwirklichung des Sanierungsplans oder im Fall seiner Entbehrlichkeit die Beseitigung der Bodenbelastung sowie erforderliche Rekultivierungsmaßnahmen, 3. die Verminderung der Bodenbelastung, wenn die vollständige Beseitigung technisch nicht möglich, unzumutbar oder untunlich ist, sowie erforderliche Überwachungs- und Sicherungsmaßnahmen, 4. Maßnahmen, die zur Überwachung und Sicherung der Bodenbelastung notwendig sind, wenn eine Sanierung oder Minderung der Bodenbelastung technisch nicht möglich, unzumutbar oder untunlich ist. . § 303 Verantwortlichkeit (1) Der Verursacher der Bodenbelastung, derjenige, der aufgrund gesetzlicher Bestimmungen für das Verhalten anderer einzustehen hat, sowie seine Rechtsnachfolger sind verpflichtet, Anordnungen nach § 302 zu erfüllen sowie die Kosten zur Durchführung der angeordneten Maßnahmen zu tragen. (2) Verantwortlicher ist auch derjenige, der im Zeitraum, in dem die Bodenbelastung mutmaßlich entstanden ist, eine Anlage betrieben hat, von der die Bodenbelastung überwiegend wahrscheinlich ausgegangen sein kann, sowie seine Rechtsnachfolger. (3) 1Verantwortlicher ist auch, wer Eigentümer des Grundstücks in dem Zeitraum gewesen ist, in dem die Bodenbelastung mutmaßlich entstanden ist. 2Die Verantwortlichkeit endet 30 Jahre nach Aufgabe des Eigentums. (4) 1Verantwortlicher ist weiterhin der jetzige Eigentümer des Grundstücks sowie der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft. 2Die Verantwortlichkeit des Eigentümers endet nicht durch Aufgabe des Eigentums im Sinne von § 928 des Bürgerlichen Gesetzbuches.

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(5) 1Die Verantwortlichkeit nach Absatz 1 und 2 entfällt, wenn die Inanspruchnahme unzumutbar ist, weil der Verantwortliche im Hinblick auf rechtmäßiges behördliches Verhalten im Zeitpunkt des Entstehens der Bodenbelastung darauf vertraut hat, dass eine Umweltgefahr nicht entstehen könne und wenn dieses Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls in besonderem Maße schutzwürdig ist. 2Die Verantwortlichkeit nach Absatz 4 entfällt, wenn der Verantwortliche beim Grundstückserwerb oder bei der Übernahme der tatsächlichen Sachherrschaft die Bodenbelastung weder kannte noch kennen musste. 3Im übrigen haften der jetzige Eigentümer sowie der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft nur in dem Umfang, der für einen früheren Eigentümer bestand. . § 304 Auswahlentscheidung (1) 1Die Auswahl unter den Verantwortlichen trifft die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen. 2Sind mehrere Personen nebeneinander verantwortlich, so kann die zuständige Behörde ihnen nach Maßgabe der jeweiligen Verantwortlichkeit einzelne Maßnahmen aufgeben, die im Zusammenwirken das Ziel der Maßnahme sicherstellen. 3Die Feststellung des Maßes der Verantwortlichkeit darf die Behörde nach Maßgabe insbesondere der Nutzungszeit, Menge und Stoffe der Abfälle sowie ihrer Gefährlichkeit schätzen. 4Kann das Maß der Verantwortlichkeit auch durch Schätzung nicht bestimmt werden, soll die Behörde von einer Verantwortlichkeit zu gleichen Teilen ausgehen. 5Erscheint es untunlich, mehrere Verantwortliche heranzuziehen, kann die Behörde auch einen von mehreren Verantwortlichen allein heranziehen; der Herangezogene kann von den anderen Verantwortlichen einen Ausgleich in Geld entsprechend dem Maß der Verantwortlichkeit verlangen. 6Die zuständige Behörde kann auf Antrag die jeweiligen Anteile unter Beachtung der Sätze 2 bis 4 verbindlich festsetzen. (2) Ein Verantwortlicher nach § 303 Absatz 3 oder 4 soll nur herangezogen werden, wenn ein Verantwortlicher nach § 303 Absatz 1 oder 2 nicht ermittelt werden kann oder aus anderen Gründen, insbesondere wegen mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, nicht oder nur teilweise herangezogen werden kann. (3) 1Wer in seiner Eigenschaft als Rechtsnachfolger eines Verantwortlichen nach § 303 Absatz 1 und 2 verantwortlich ist, soll nur herangezogen werden, wenn die anderen Verantwortlichen nach § 303 Absatz 1 und 2 nicht zu ermitteln sind oder aus anderen Gründen, insbesondere wegen mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, nicht oder nur teilweise herangezogen werden können. 2Dies gilt nicht, wenn der Rechtsnachfolger im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtsnachfolge die Bodenbelastung kannte oder kennen musste. (4) 1Soweit nach Absatz 2 und 3 die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Verantwortlichen von Bedeutung ist, kann die zuständige Behörde Auskünfte über Einkommen und Vermögen, etwa durch Vorlage von Geschäftsunterlagen und Steuerbescheiden, verlangen. 2Kommt der Verantwortliche einem solchen Verlangen nicht in angemessener Frist nach, so kann er sich auf seine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht berufen. . § 305 Eigenvornahme (1) Können die nach § 303 Verpflichteten nicht oder nicht rechtzeitig herangezogen werden, so kann die zuständige Behörde die Bodenbelastung selbst beseitigen oder vermindern oder durch einen Beauftragten beseitigen oder vermindern lassen. (2) 1Die durch Maßnahmen nach Absatz 1 entstandenen Kosten tragen die nach § 303 Verantwortlichen als Gesamtschuldner. 2§ 304 Absatz 1 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. .

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§ 306 Entbehrlichkeit anderer Zulassungen l

Anordnungen nach § 302 schließen nach anderen Rechtsvorschriften erforderliche Zulassungen ein; sie sollen, außer bei Gefahr im Verzuge, im Einvernehmen mit der jeweils zuständigen Behörde ergehen. 2Verfahren der Umweltbewilligung und der Planfeststellung bleiben unberührt. . Zweiter Unterabschnitt: Altlasten § 307 Erfassung von altlastenverdächtigen Flächen Die zuständige Behörde erfasst altlastenverdächtige Flächen in einer von ihr geführten Verdachtskartei. . § 308 Feststellen einer Altlast 1

Die zuständige Behörde trifft die Entscheidung über das Vorliegen einer Altlast. 2Sie soll ihrer Entscheidung die Empfehlung einer Bewertungskommission zugrunde legen. 3Die Bundesregierung regelt Einrichtung, Aufgaben und Zusammensetzung der Bewertungskommission durch eine Rechtsverordnung. . § 309 Erweiterte Überwachung Überwachungspflichtig im Sinne des § 63 sind auch 1. ehemalige Inhaber oder deren Rechtsnachfolger der auf altlastenverdächtigen Flächen errichteten Anlagen, 2. ehemalige Grundeigentümer und Nutzungsberechtigte altlastenverdächtiger Flächen, 3. Ablagerer und Erzeuger oder deren Rechtsnachfolger von auf altlastenverdächtigen Flächen lagernden Stoffen. . § 310 Geltung weiterer Vorschriften Die §§ 302 bis 306 gelten entsprechend. . § 311 Altlastensanierungsgesellschaft (1) lIn den Fällen, in denen ein Sanierungsverantwortlicher für eine Bodenbelastung oder eine Altlast nicht oder nicht rechtzeitig in Anspruch genommen werden kann, und in den Fällen des § 303 Absatz 5 übernimmt der Träger der Altlastensanierung (Altlastensanierungsgesellschaft) nach Maßgabe der ihm zur Verfügung stehenden Mittel, insbesondere aus dem Aufkommen der Abfallabgabe nach § 595 Absatz 1 Nr. 4, und unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Bewertungskommission die Durchführung der Sanierung. 2Die Übernahme der Durchführung der Sanierung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn wegen der Dringlichkeit einer Sanierungsmaßnahme die Unanfechtbarkeit einer Sanierungsanordnung nicht abgewartet werden kann. 3Die Altlastensanierungsgesellschaft beteiligt sich nach Maßgabe eines Sanierungsprogramms an der Sanierung, wenn bei mehreren Sanierungsverantwortlichen die behördliche Anordnung oder der Ausgleichsanspruch nach § 304 Absatz 1 Satz 5 gegen einen oder mehrere Sanierungsverantwortliche aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht durchgesetzt werden kann.

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(2) Die Länder können zum Träger der Altlastensanierung juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts sowie natürliche Personen bestimmen. . Vierter Abschnitt: Gemeinsame Vorschriften § 312 Festsetzung von Risiko- und Gefahrenwerten 1 Risiko- und Gefahrenwerte im Sinne von § 284 Absatz 4 sind durch Rechtsverordnung nach § 145 festzulegen. 2Im Fall der Ungesichertheit solcher Werte sind diese durch Verwaltungsvorschriften nach § 155 festzulegen. 3Dabei kann nach Böden unterschiedlicher Beschaffenheit und Nutzung unterschieden werden. 4Durch Verwaltungsvorschriften werden ferner die Verfahren der Probeentnahme und -aufbereitung (Analyseverfahren) festgelegt. . § 313 Ordnungswidrigkeiten (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen einer behördlichen Anordnung Boden über das unvermeidbare Maß hinaus verunreinigt, 2. entgegen einer behördlichen Anordnung mit den in § 290 Absatz 1 genannten Stoffen eine Bodenbeeinträchtigung hervorruft oder umweltunverträglich düngt, 3. entgegen § 292 a) zugelassene Pflanzenschutzmittel entgegen den Grundsätzen bodenschonender Anwendung, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist, b) zugelassene Pflanzenschutzmittel an verbotenen Stellen anwendet, 4. entgegen § 297 Absatz 2 den in der Rechtsverordnung genannten Maßnahmen nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist, 5. entgegen § 302 der verlangten Maßnahme nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt. (2) Ordnungswidrig handelt ferner, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen einer behördlichen Anordnung Mutterboden vernichtet, 2. entgegen einer behördlichen Anordnung die Regeln bodenschonender Land- und Forstwirtschaft nicht einhält, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist, 3. Düngemittel entgegen den Grundsätzen bodenschonender Düngung anwendet, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist, 4. entgegen § 293 eine Anzeigepflicht nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erfüllt, 5. entgegen § 294 und § 295 der Pflicht zur Entnahme von Stichproben oder der Vorlage von Analyseergebnissen nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt, 6. entgegen § 296 den auferlegten Beschränkungen und Verboten nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt.

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(3) Eine Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 kann mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Deutsche Mark, eine Ordnungswidrigkeit nach Absatz 2 mit einer Geldbuße bis zu zwanzigtausend Deutsche Mark geahndet werden. (4) 1Gegenstände, auf die sich die Ordnungswidrigkeit bezieht oder die zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, können eingezogen werden. 2 § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist anzuwenden.

II. Begründung 1. Zum Ersten Abschnitt: Allgemeine Vorschriften a) Ausgangslage aa) Gegenstand des Regelungsbereichs Der erste Abschnitt regelt den Zweck des Gesetzes, definiert bereichsspezifische Begriffe, klärt den Anwendungsbereich und normiert die Grundsätze, die für die Nutzung des Bodens und für den Umgang mit ihm leitend sind. Damit werden der Pflichten- und Auftragsgehalt des Bodenschutzrechts herausgestellt, nicht hingegen bereits die einzelnen Ver- und Gebote zur Durchsetzung dieser Grundsätze. bb) Bisherige Rechtslage Das bisherige Recht kennt einen vergleichbaren Einleitungsabschnitt nicht, da es an einer Kodifikation des Bodenschutzrechts fehlt – von Baden-Württemberg abgesehen: Das BaWüBodSchG (v. 24. 6. 1991, GBl. S. 434) entspricht in seinen ersten vier Paragraphen weitgehend dem Gesetzesvorschlag. b) Vorschlag aa) Leitvorstellungen Die dargelegte allgemeine Leitvorstellung, den Boden um seiner selbst willen vor Umweltbeeinträchtigungen zu schützen, d. h. die natürlichen Bodenfunktionen zu erhalten, ist zu verankern. Da § 3 Abs. 1 diese Leitlinie bereits normiert, geschieht die Umsetzung knapp durch Hinweis auf die in Betracht kommenden Mittel, soweit dieses nicht ebenfalls schon durch die Grundsätze des Allgemeinen Teils (§§ 3 bis 6) geschehen ist. Ferner sind die für das Bodenschutzrecht bedeutsamen Begriffe zu definieren. Schließlich ist der Anwendungsbereich des Gesetzes festzulegen. Der Vorschlag erfasst nicht sämtliche denkbaren bodenschutzregelnden Vorschriften; er lässt bestimmte Bereiche unberührt. Insoweit ist eine Aussage zum Verhältnis der unberührt bleibenden Teile der Rechtsordnung zu treffen.

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bb) Zur Regelung im Einzelnen Zu § 283 Zweck Den Zweck des UGB nennt § 1. Dieser Zweck ist auch der des dritten Kapitels: des Bodenschutzrechts. Satz 1 verweist deshalb durch seine Formulierung („der Zweck des Gesetzes“) auf § 1 und nennt lediglich vorrangige Mittel zur Zweckerreichung. Die Norm geht von den bekannten Tatsachen aus, dass eine Verschlechterung der Qualität des Bodens durch Stoffeintrag – sei es direkt, sei es indirekt – nahezu überall zu beobachten ist und dass in vielen Fällen Sanierungen notwendig sind, weil der Boden die ihm im Naturhaushalt zukommenden Funktionen nicht mehr erfüllt oder weil die in ihm oder auf ihm abgelagerten Stoffe das Grundwasser gefährden oder bereits kontaminieren. Deshalb werden drei Mittel zur Zweckerreichung vorrangig betont: die Verpflichtung zur Durchführung von Maßnahmen der Bodenerhaltung, damit eine weitere quantitative und qualitative Verschlechterung gestoppt wird; die Verpflichtung zur Durchführung von Maßnahmen der Bodensanierung, damit die natürlichen Bodenfunktionen wieder hergestellt werden; die Verpflichtung zum Ergreifen von Vorsorgemaßnahmen, damit eine in der Zukunft drohende weitere Bodenverschmutzung unterbleibt. Die schützenswerten Funktionen des Bodens nennt Satz 2. Geschützt werden ausdrücklich die Regelungsfunktion, die Produktionsfunktion und die Lebensraumfunktion. Dieses entspricht dem Umweltbericht 1990 des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und den Vorstellungen des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen. Wenn diese Funktionen erfüllt werden, erfährt auch das Klima Schutz; es ist deshalb nicht eigens als schützenswertes Gut aufzuführen. Andere Funktionen, z. B. die des Bodens als Archiv der Natur und Kulturgeschichte, sind in einem UGB bedeutungslos und werden deshalb nicht aufgeführt. Abgesehen von dem Zweck Schutz des Bodens als „landschaftsgeschichtliche Urkunde“ entspricht die vorgenommene Zweckbestimmung § 1 des BaWüBodSchG. Diese Norm ist freilich anders formuliert. Die hier vorgeschlagene Fassung beruht auf der Möglichkeit, § 1 in Bezug zu nehmen. Sie muss deshalb zwingend formal anders ausfallen. Zu § 284 Begriffsbestimmungen Die Definition des Bodens weicht von der baden-württembergischen Fassung (§ 2 Abs. 1) in zweifacher Hinsicht ab. Diese Fassung spricht zunächst von der obersten überbauten und nicht überbauten Schicht der festen Erdkruste; der Gesetzesvorschlag verzichtet auf die Zusätze „überbaut“ und „nicht überbaut“ – sie erscheinen überflüssig. Aus dem Vorschlag ergibt sich eindeutig, dass auch die überbaute Schicht Boden i.S.d. Vorschlags ist; ferner spricht der Vorschlag von „Schichten“ – dieses entspricht dem naturwissenschaftlichen Tatbestand, weil von einer Schicht im Sinne eines einheitlichen Aufbaus des Bodens nicht gesprochen werden kann. Ferner erfasst der Vorschlag auch den Grund von grundwasserführenden Bodenschichten; er kann durch

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menschliche Aktivitäten, z. B. durch das Abpumpen von Grundwasser, beeinträchtigt werden – insoweit füllt die hier vorgeschlagene Definition eine Lücke des badenwürttembergischen Gesetzes. Einerseits ist durch die Definition der Boden räumlich umfassend erfasst, andererseits ist sein Schutz auf die Bereiche beschränkt, die menschliche Aktivitäten beeinflussen können. Nur insoweit ist sein Schutz denkbar: Dort, wo der Mensch nicht „hinkommt“, kann er weder zerstören noch schützen. Die vorgeschlagene Begriffsbestimmung ist die weiteste, die sich in Gesetzen und Abhandlungen findet. Dem Anliegen des Vorschlags, den Schutz des Bodens möglichst umfassend zu sichern, wird damit Rechnung getragen. Absatz 2 befasst sich mit drei unterschiedlichen „Qualitätsstufen“ der Verunreinigung des Bodens. Verunreinigungen des Bodens sind Veränderungen der natürlichen Beschaffenheit des Bodens durch Deposition bodengefährlicher Stoffe im Boden. Es werden drei Begriffe eingeführt, die die Verunreinigung des Bodens in Abhängigkeit vom Gefährdungspotential erfassen; „Verunreinigung“ fungiert als Oberbegriff, dem die drei eingeführten Begriffe unterfallen, insoweit wird auf die Begriffe „Umweltrisiko“ und „Umweltgefahr“, die § 2 Abs. 2 Nr. 6 definiert, zurückgegriffen. Unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 2 Nr. 3 ist deshalb eine Bodenbeeinträchtigung die Veränderung der natürlichen Beschaffenheit des Bodens durch bodengefährdende Stoffe, die geeignet ist, den Boden nicht nur geringfügig nachteilig zu verändern. Diese Definition entspricht dem Begriff „Bodenbelastung“ des baden-württembergischen Gesetzes. Der hier gewählte Sprachgebrauch ist vorzugswürdig, weil in der deutschen Sprache ein Wort fehlt, welches eine stärkere Verschmutzung des Bodens ausdrückt, als das Wort Bodenbelastung leistet. Der Begriff Bodenbelastung ist deshalb für die stärkste Verschmutzungsstufe zu reservieren. Für die mittlere Stufe ist Beeinträchtigung gewählt worden, um den Einklang mit § 2 Abs. 2 Nr. 3 herzustellen. Notwendig erscheint auch eine Definition des Begriffs „bodengefährlicher Stoff“. Auf den Boden werden direkt und indirekt viele Stoffe aufgebracht, von denen nicht alle die natürlichen Funktionen des Bodens nachteilig beeinflussen; zu den in diesem Sinn „positiven“ Stoffen gehört der Wirtschaftsdünger, weil er die Fruchtbarkeit des Bodens erhält oder steigert, wenn dieses Aufbringen in dem Rahmen geschieht, den die „natürlichen Gesetze“ des Bodens vorgeben. Um die „positiven“ von den „negativen“ Stoffen abzugrenzen, ist die Definition erfolgt. Sie basiert auf dem Umstand, dass schon ein Stoff allein negative Einflüsse entfalten kann, aber auch erst in Zusammenwirken mit anderen Stoffen oder als Zersetzungsprodukt. Alle drei Varianten von negativer Wirkung sind aufgenommen worden. Für den Vollzug des Bodenschutzrechts ist die Existenz von Grenzwerten entscheidend. Dieses ist ein immer wieder hervorgehobenes Faktum. Diese Grenzwerte kann der Vorschlag nicht selbst liefern, sondern er kann lediglich die „Kategorien“ schaffen sowie die Verpflichtung, den Kategorien entsprechende Grenzwerte festzusetzen. Die beiden Kategorien Risikowert und Gefahrenwert folgen den im Allgemei-

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nen Teil definierten Begriffen Umweltrisiko und Umweltgefahr. Eine Bodenbeeinträchtigung i.S.d. Vorschlags ist deshalb gegeben, wenn der Risikowert eines bodenbeeinträchtigenden Stoffs erreicht ist. Damit ist eine unproblematisch handhabbare Grundlage für den Vollzug des Bodenschutzrechts geschaffen. – Der Vorschlag verzichtet auf die Kategorie „Sanierungswert“. Sanierungswert – verstanden in dem Sinn, dass sein „Erreichen“ eine Sanierung des Bodens erfordert – ist identisch mit dem hier verwandten Begriff Gefahrenwert. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die in der Literatur geforderten „Belastungswerte“ solche sind, die unterhalb der Risikowerte verbleiben. „Vorsorgewerte“ kennt der Vorschlag nicht, weil er an diesen Begriff keine Rechtspflicht knüpft und deshalb auf diesen Begriff verzichtet werden kann. Wie noch darzulegen sein wird, gilt eine Bodenbelastung als beseitigt, wenn die einschlägigen Risikowerte unterschritten werden. Die im Rahmen einer Sanierung zu erzielenden Werte sind folglich identisch mit den hier eingeführten Risikowerten. Die vorgeschlagene Definition des Begriffs „Altlasten“ entspricht dem nordrheinwestfälischen Recht. Dieses enthält freilich das Datum 11. 6. 1972, also den Tag des Inkrafttretens des ersten AbfG des Bundes. Dieses Datum nimmt der Vorschlag auf, indem er erklärt, dass Altlasten solche Altablagerungen oder Altstandorte seien, auf die das Abfallrecht des Bundes keine Anwendung findet. Der Vorschlag verzichtet freilich auf die ausdrückliche Nennung dieses Datums; darin liegt folgender Vorteil: Altlasten im Beitrittsgebiet sind diejenigen Altablagerungen und Altstandorte, die vor dem 1. 7. 1990 abgeschlossen bzw. außer Betrieb waren und auf die das AbfG des Bundes deshalb keine Anwendung findet. Die im Vorschlag gewählte „neutrale“ Formulierung nimmt beide Daten in sich auf. – Von Land zu Land bestehen erhebliche Unterschiede in der Reichweite des Altlastenbegriffs. Der nordrhein-westfälische Begriff ist der umfassendste. Er erfasst auch solche Altstandorte, auf denen mit umweltgefährlichen Stoffen umgegangen worden ist, wenn die betreffenden Anlagen noch betrieben werden (s. Lübbe-Wolff, Grundwasserbelastung durch CKW, 1991, S. 26). Die Definition geht in Satz 1 davon aus, dass eine Altlast nur dann vorliegt, wenn die zuständige Behörde eine „Bodenverschmutzung“ nach Untersuchung und Beurteilung zu einer Altlast erklärt. Eine ausdrückliche Bestimmung dieser Art enthält ebenfalls § 16 Abs. 3 HessAbfAG. Um hinter den erreichten Rechtszustand nicht zurückzufallen, orientiert sich die Definition an diesen gesetzlichen Aussagen. Damit ist eine eindeutige Grundlage für den Vollzug des Altlastenrechts geschaffen. Der Begriff Altlast kann in rechtlichen Zusammenhängen nicht mehr beliebig eingesetzt werden. Zu § 285 Geltungsbereich Vorschriften, die den Boden direkt oder indirekt schützen, finden sich in vielen Gesetzen und im UGB an anderen Stellen. § 3 stellt fest, dass diese Vorschriften als speziellere Normen dem Kapitel Bodenschutzrecht vorgehen, soweit sie im Verhältnis zu den Aussagen des Bodenschutzrechts inhaltsgleich oder weitergehend sind. Soweit die Normen inhaltsgleich sind, z. B. § 5 Abs. 1 und § 202 BauGB, könnten die in den anderen Gesetzen enthaltenen gleichlautenden Normen, in unserem Beispiel

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also § 202 BauGB entfallen; das Streichen gleichlautender Normen in anderen Gesetzen wird hier vorgeschlagen, es sei denn, die Fortsetzung einer Tradition gebietet das Verbleiben der Norm. Im UBG-BT selbst sind bodenschützende Normen in den Kapiteln Naturschutz- und Landschaftspflege, Gewässerschutz und Wasserwirtschaft sowie Abfallentsorgung enthalten. Diese Bereiche enthielten schon immer bodenschützende Normen. Sie sollen in Aufrechterhaltung der Tradition dort verbleiben und auch weiterhin zur Anwendung gelangen. Zu § 286 Grundsätze Die Grundsätze sind verbindliche Vorgaben für alle Maßnahmen, die das Kapitel Bodenschutz ermöglicht. Grundsätze sind keine vollzugsfähigen Regelungen (s. des Näheren Begründung zum Allgemeinen Teil, S. 131), sondern die hier genannten Grundsätze erlangen Bedeutung im Zusammenhang mit den speziellen Vorschriften dieses Kapitels. Absatz 1 Satz 1 knüpft an die verschiedenen Gefährdungen an, denen der Boden ausgesetzt ist, und stellt fest, für welche Zwecke er vor Gefährdungen zu bewahren ist. Als Zweck nennt die Norm die Erhaltung des Naturkörpers und der Lebensgrundlage der Menschen, Tiere und Pflanzen. Damit sind die wesentlichen Funktionen des Bodens hervorgehoben. Die Norm hebt ferner vier Handlungen hervor, vor denen der Boden zu schützen ist: die ungeeignete Flächennutzung, den übermäßigen Verbrauch (insoweit wird § 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 wiederholt, auf das zu dieser Norm Gesagte darf verwiesen werden); die beiden weiteren Handlungen, vor denen das Gesetz den Boden schützt, sind Bodenveränderungen – also gem. § 284 Abs. 2 die schwächste Form der Bodenverunreinigung – und sonstige Beeinträchtigungen: Dieses ist ein Auffangtatbestand, der z. B. die Verdichtung des Bodens als Folge seines Befahrens mit schweren Ackergeräten erfasst. Im Gegensatz zu der gerade behandelten Abwehraufgabe formuliert Absatz 1 Satz 2 eine Verpflichtung, zugunsten des Bodens aktiv tätig zu werden: Seine Fruchtbarkeit und seine Leistungsfähigkeit sind zu bewahren. Das Gesetz nennt konkrete Handlungsmittel nicht; damit soll ausgedrückt sein, dass alles, was der Zielerreichung förderlich ist, eingesetzt werden darf. Sachlich muss die Frage nach den Mitteln die Agrarwissenschaft beantworten. Der Bodenverbrauch ist heute ein wesentliches Problem: Vorhaben für die Verbesserung der Infrastruktur und für den Wohnungsbau, die Industrie und den tertiären Sektor beanspruchen immer mehr des nichtvermehrbaren Gutes Boden. Dieses muss gestoppt werden. Ein Mittel, um wenigstens insoweit teilweise Erfolge zu erzielen, ist die Bebauung von Boden, der bereits versiegelt ist. Dieses schreibt Absatz 2 Satz 1 vor, wenn die versiegelte Fläche für das Vorhaben geeignet ist. Das ist jedenfalls anzunehmen bei der Ansiedlung von Gewerbe- und Industriebetrieben auf Flächen, die früher durch ebensolche Betriebe genutzt wurden. Vorstellbar ist auch, „Ruinengrundstücke“ abzuräumen und sie für eine Folgenutzung vorzubereiten, anstatt unbebautes Gelände zu bebauen. – Für die Zulassung von Vorhaben – dieser Begriff ist umfassend zu verstehen; erfasst ist jede raumbeanspruchende „Genehmi-

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gung“ – verweist Absatz 2 Satz 2 auf § 28 Abs. 2. Diese Norm enthält einen anerkannten Grundsatz des Bodenrechts (vgl. die Begründung des Allgemeinen Teils, S. 220). Absatz 3 befasst sich mit Bodenbelastungen und Altlasten. Die Norm fordert nicht in jedem Fall die Beseitigung bzw. Sanierung, sondern nur im Regelfall – deshalb die Verwendung des Wortes „soll“. Die Sanierung bzw. Beseitigung in jedem Fall vorzuschreiben erscheint unangemessen angesichts der nicht einmal im Ansatz überschaubaren Kosten, die eine solche Rechtspflicht auslösen würde. Deshalb soll den zur Sanierung verpflichteten Behörden (auf die die wesentlichen Sanierungsfälle zukommen werden angesichts nicht greifbarer oder zahlungsfähiger Privater) ein gewisses Ermessen bleiben mit Blick auf die Art der zu treffenden Maßnahmen. In jedem Fall sind schädliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu verhindern; dieses kann geschehen durch weniger kostenträchtige Maßnahmen, als eine Sanierung sie darstellt. .

2. Zum Zweiten Abschnitt: Bodenerhaltung a) Ausgangslage aa) Gegenstand des Regelungsbereichs Der zweite Abschnitt befasst sich mit insgesamt sechs verschiedenen Gegenständen: dem quantitativen und dem qualitativen Bodenschutz, der Bodenüberwachung, den Bodenbeeinträchtigungsgebieten, der Erfassung und Überwachung der Bodenbeschaffenheit sowie der Mitwirkung der für den Bodenschutz zuständigen Behörden in anderen gesetzlichen Gestattungsverfahren. Es werden die Instrumente, die für die Erreichung der jeweiligen Ziele notwendig sind, bereitgestellt. bb) Bisherige Rechtslage Normen ähnlichen Inhalts finden sich bereits im geltenden Recht, freilich ist der Anwendungsbereich des geltenden Rechts i. d. R. schmaler oder das geltende Recht ist weniger „hart“. Z.B. findet sich die in § 287 Abs. 1 vorgeschlagene Regelung in § 202 BauGB, ihr Anwendungsbereich ist aber auf das Bauplanungsrecht begrenzt; die Regelung in § 292 Abs. 3 über das Verbot des Einsatzes von erlaubten Pflanzenschutzmitteln geht über das jetzt in §§ 6, 7 PflSchG vorhandene Recht hinaus; die Regelung über Bodenbeeinträchtigungsgebiete findet sich lediglich im baden-württembergischen und sächsischen Landesrecht: im BaWüBodSchG und in § 9 Abs. 2 SächsEGAB.

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b) Vorschlag aa) Leitvorstellungen Das Instrumentarium des vorhandenen Rechts zur Erhaltung des Bodens ist aus seinen Regelungszusammenhängen (freilich begrenzt; s. o.) zu lösen und zu einem allgemein geltenden Recht zu entwickeln. Dieses Recht ist zu verschärfen, wenn das bisherige Recht erkannten Notwendigkeiten nicht genügt. Es sind neue Instrumente zu schaffen, soweit das geltende Recht Regelungsdefizite enthält. bb) Zur Regelung im Einzelnen: Zum Ersten Unterabschnitt: Quantitativer Bodenschutz Zu § 287 Bodenerhaltungs- und Wiederherstellungspflicht Absatz 1 findet sich im geltenden Recht in § 202 BauGB. Auf die Kommentierung zu dieser Norm darf verwiesen werden (z. B. Fislake, in: Berliner Komm. zum BauGB, hg. von Schlichter/Stich, 1988). Der nutzbare Zustand wird erhalten, wenn der Mutterboden im Rahmen von Erdarbeiten lebend bleibt; Vernichtung meint die Beimengung von bodenfremden Stoffen, Vergeudung die Nichtnutzung zur Bedeckung der Erdoberfläche, z. B. die Verfüllung einer Baugrube. Absatz 1 greift bei jeder Form von Einwirkung auf den Boden ein, nicht nur bei Vorhaben gem. dem BauGB. Ein Einwirken auf den Boden liegt z. B. auch dann vor, wenn ein Hausgarten umgegraben oder ein Feld von schweren Militärfahrzeugen im Rahmen eines Manövers befahren wird. Bei diesen Vorgängen ist darauf zu achten, dass der Boden nicht verdichtet oder weggetragen wird, z. B. auf die Straße durch Panzerketten. § 287 Abs. 1 schränkt das in § 72 Abs. 2 eingeräumte Ermessen ein. Absatz 2 enthält eine Pflicht, die das geltende Recht bislang nicht kennt. Wenn Straßen oder Eisenbahntrassen stillgelegt werden oder die Nutzung von Fabrikgebäuden aufgegeben wird, dann darf nach geltendem Recht die einmal vorgenommene Versiegelung des Bodens bestehen bleiben, es sei denn, die Entsiegelung ist die einzige Möglichkeit zur Abwehr einer konkreten Gefahr. In der Praxis führt das z. B. beim Bau von neuen Autobahnabfahrten an den Autobahnen in den neuen Bundesländern dazu, dass die alten, engen Abfahrten bestehen bleiben, aber für die Benutzung gesperrt werden, und neue Abfahrten errichtet werden. Die Norm will diese Zustände, die nicht nur wenig ästhetisch sind, verhindern. Satz 1 macht es der öffentlichen Hand im Regelfall („soll“) zur Pflicht, das den Boden versiegelnde Material (Teer, Steine etc.) zu beseitigen, wenn das Grundstück für den ursprünglichen Zweck nicht mehr gebraucht wird, z. B. im Fall einer endgültigen Stilllegung einer Eisenbahnstrecke. Der Vorschlag sieht eine ausnahmslose Rechtspflicht zum Entsiegeln nicht vor, weil im Einzelfall vorstellbar ist, dass die Entsiegelung durch andere Gründe im Interesse des Umweltschutzes nicht sinnvoll erscheint, beispielsweise kann sich an einer Trasse ein schützenswertes Biotop gebildet haben.

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Für natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts gilt die Pflicht nur dann, wenn ihnen die Entsiegelung zumutbar ist. Das ist der Fall, wenn sie ihnen finanziell zumutbar ist. Bereits jetzt gilt gem. § 5 Abs. 3 BImSchG eine Überwachungspflicht der Anlage für die Zeit nach der Betriebseinstellung. Ist zu erwarten, dass der Betrieb dauerhaft eingestellt bleibt und vorhandene Gebäude nicht mehr genutzt werden, dann kann es für den Verfügungsberechtigten billiger sein, durch Abriss etc. den Boden zu entsiegeln anstatt weiter zu überwachen. In diesem Fall darf von einer Zumutbarkeit der Entsiegelung ausgegangen werden. cc) Zur Regelung im Einzelnen: Zum Zweiten Unterabschnitt: Qualitativer Bodenschutz Zu § 288 Verbot vermeidbarer Bodenverunreinigungen Dass durch menschliche Aktivitäten im Rahmen von Bodennutzungen Bodenverunreinigungen möglich sind, liegt auf der Hand. Jede Bodenverunreinigung zu verbieten hätte aber wahrscheinlich ein Verbot jeder Bodennutzung zur Folge. Soweit darf der Umweltschutz nicht gehen, will er nicht einen Teil der überkommenen Kultur zerstören. Gefordert wird, Bodenverunreinigungen auf das nach den Umständen unvermeidbare Maß zu beschränken. Was unvermeidbar ist, ist eine Frage des Einzelfalls und kann nicht generell entschieden werden. Zu § 289 Land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung § 289 spezifiziert die in § 288 enthaltene allgemeine Klausel für die land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung. Der Begriff der Landwirtschaft ist weit zu verstehen, der Begriff entspricht § 171 Abs. 2 sowie § 201 BauGB. Dieses Verständnis ist in den Definitionen dieses Kapitels nicht ausdrücklich niedergelegt worden; die Definition gehört in den Allgemeinen Teil. Das Gleiche würde für den Begriff „Forstwirtschaft“ gelten, wenn sich verschiedene Bewirtschaftungsarten des Waldes ausdifferenzieren ließen. Diese Differenzierung kann hier nicht versucht werden. „Forstwirtschaft“ werde wie folgt expliziert: „Forstwirtschaft im Sinne dieses Gesetzbuchs ist die durch den Waldbesitzer erfolgende Nutzung des Waldes, die sowohl seinem Interesse an ökonomisch sinnvoller Nutzung des Waldes als auch dem öffentlichen Interesse an einer ökologisch vertretbaren Bodennutzung und an der Erhaltung des Waldbestandes wegen dessen Bedeutung für die Umwelt Rechnung trägt.“ – § 289 Abs. 1 und 3 entspricht weitestgehend § 11 Abs. 1 BaWüBodSchG. Die Aussagen der beiden zuvor genannten Absätze basieren auf der Erkenntnis, dass die Land- und Forstwirtschaft durch ihre Art der Bodenbearbeitung der Bodenqualität schaden kann und deshalb Aussagen zum produktionsbezogenen Bodenschutz notwendig sind. Diese beziehen sich auf Ziel und Mittel: Ziel ist die Sicherung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit und die natürliche Leistungsfähigkeit des Bodens; Mittel ist die standortgerechte Bewirtschaftungsmaßnahme. § 289 Abs. 1 Satz 2 spezifiziert für die landwirtschaftliche Bodennutzung die Bewirtschaftungs-

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maßnahmen und die Ausbaumaßnahmen noch einmal mit Blick auf bestimmte Ziele (wodurch zugleich bestimmte Handlungsweisen verboten werden): a) Bewirtschaftungsmaßnahmen sind zum einen immer standortgerecht, also Klima und Bodenart angepasst, sowie zum anderen unter Berücksichtigung des Bodenzustands vorzunehmen; die Berücksichtigung des Bodenzustands muss im Ergebnis zu einer günstigen Beeinflussung der Bodenstruktur sowie zur Schonung und Förderung des Bodenlebens führen. Alle Maßnahmen der Bodenbearbeitung, die diese Modalitäten nicht beachten und die die angestrebten Erfolge nicht erzielen, sind unzulässig. b) Anbaumaßnahmen, beispielhaft nennt der Vorschlag die Bodenbearbeitung und die Fruchtfolgegestaltung, sind zum einen immer den natürlichen Standortbedingungen (insoweit handelt es sich um eine sprachliche Variierung von standortgerecht) sowie zum anderen mit dem Ziel vorzunehmen, Bodenerosion und Bodenvernichtung soweit wie möglich zu vermeiden; es geht im Wesentlichen darum, Kulturpflanzenstandorte zu erhalten und sie nicht durch Monokulturen zu vernichten. – Absatz 3 enthält ein Verbot des Wechsels von Bodennutzungen in bestimmten Lagen. Es wird davon ausgegangen, dass in diesen Situationen Wald- und Grünland diejenigen Nutzungsarten sind, die den Boden am besten vor Vernichtung schützen. Das Verbot gilt nicht absolut; wenn es in tatsächlicher Hinsicht als möglich erscheint, dass eine andere Nutzungsart den gleichen bodenschützenden Effekt erzeugt, soll ein Nutzungswechsel nicht ausgeschlossen sein. Die Vorschrift des Absatzes 2 gründet auf der Annahme, dass es Regeln bodenschonender Land- und Forstwirtschaft gibt, die den in der Praxis tätigen Land- und Forstwirten auch bekannt sind. Die Norm zieht eine Parallele zu vielen Normen des Technikrechts, die vorschreiben, dass die allgemein anerkannten Regeln der Technik (z. B. § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG) oder deren qualitative Steigerungsstufen einzuhalten sind. Es wird in diesen Fällen immer unterstellt, dass die „Regeln“ bekannt sind, unabhängig davon, ob sie schriftlich fixiert sind, z. B. durch eine Normungsorganisation. Dasjenige, was in der Technik gilt, unterstellt der Vorschlag auch für die Land- und Forstwirtschaft. – Die Norm ermöglicht die Fixierung der Regeln bodenschonender Land- und Forstwirtschaft in einer RechtsVO. Die Formulierung räumt dem Verordnunggeber Ermessen mit Blick auf den Erlass ein; eine Rechtspflicht zum Erlass der VO besteht deshalb nicht. Zu § 290 Aufbringen besonderer Stoffe § 290 spezifiziert die in § 288 enthaltene allgemeine Klausel für das Aufbringen besonderer Stoffe auf landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzten Boden. § 290 Abs. 1 ist § 15 Abs. 1 AbfG nachgebildet, geht aber über dessen Anwendungsbereich hinaus und fasst die Norm klarer, vermeidet also die mit § 15 Abs. 1 AbfG verbundenen Probleme. Zunächst gilt das weitgehende Verbot des Aufbringens und Abgebens für alle im Text genannten Stoffe; für Jauche, Gülle oder Stallmist wird folglich kein Sondertatbestand geschaffen, den die Landwirtschaft für ihre Entsorgungszwecke missbrauchen könnte (bzw. durch vernebelnde Interpre-

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tation betreffend die Tatbestandsvoraussetzungen für ihre Zwecke aufbereiten könnte). Wann eine Bodenbeeinträchtigung vorliegt, ergibt sich aus § 284 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. der zu erlassenden RechtsVO, die Grenzwerte enthält. Insoweit ist allgemein und nach Vornahme von Analysen auch im Einzelfall klar, welche Quantitäten der genannten Stoffe auf den Boden aufgebracht oder zu diesem Zweck abgegeben werden dürfen. § 290 Abs. 1 Satz 2 löst § 15 Abs. 1 Satz 2 AbfG ab. Damit entfällt der Streit um den Begriff „übliches Maß der landwirtschaftlichen Düngung“. Das Aufbringen aller in § 290 Abs. 1 Satz 1 genannten Stoffe zum Zweck der Düngung ist verboten, wenn die Düngung umweltunverträglich erfolgt; das ist der Fall, wenn von der Düngung eine Wirkung ausgeht, die geeignet ist, die Umwelt nicht nur geringfügig nachteilig zu verändern, s. § 2 Abs. 3. Satz 2 wiederholt im Prinzip lediglich in Satz 1 Geregeltes; seine Aufnahme in den Text in dieser Form beruht auf erzieherischen Erwägungen. Absatz 2 ist bereits in § 15 Abs. 2 AbfG enthalten; eine Erweiterung ist insoweit vorgenommen worden, als noch einmal der in § 283 genannte Zweck „angerufen“ wurde: Es geht um Bodenschutz und nicht um die Schaffung von Entsorgungsmöglichkeiten. Bislang hat der Verordnunggeber von § 15 Abs. 2 AbfG lediglich durch den Erlass der KlärschlammVO Gebrauch gemacht, alles Weitere hat er den Ländern überlassen, was wegen § 15 Abs. 3 AbfG möglich war – einige Länder haben sog. GülleVOen geschaffen. Diesen „Ausweg“ verschließt der Entwurf, indem § 15 Abs. 3 AbfG entfällt. Der Bund soll eine vollständige Regelung über das Aufbringen und Abgeben der in Absatz 1 genannten Stoffe verbindlich machen, weil eine bundeseinheitliche Normierung dieser Tatbestände notwendig ist. § 290 Abs. 3 erlaubt weitergehendes Landesrecht. Dieses kann z. B. Regelungen enthalten, die im Einzelfall ein vollständiges Verbot der Stoffabgabe oder des Stoffaufbringens ermöglichen; der jetzige § 15 Abs. 5 AbfG kann in das Landesrecht übernommen werden. Zu § 291 Anwendung von Düngemitteln Der in § 291 verwandte Begriff des Düngemittels entspricht dem des gefahrstoffrechtlichen Kapitels des UGB-ProfE (§ 533 Nr. 1). Dieser Düngemittelbegriff ist identisch mit dem in § 1 DMG Normierten. § 1a DMG regelt die Anwendung von Düngemitteln. § 1a Abs. 1 DMG bestimmt, dass Düngemittel nur nach guter fachlicher Praxis angewandt werden dürfen. Die Funktion der Düngung nach guter fachlicher Praxis legt § 1a Abs. 1 Satz 2 DMG fest; § 1a Abs. 2 DMG bestimmt Näheres. Ersichtlich ist, dass das Gesetz mit Blick auf die Anwendung differenziert zwischen dem Schutz des Bodens einerseits und der Versorgung der Pflanzen mit notwendigen Nährstoffen andererseits. Diese bereits im geltenden Recht vorhandene Trennung nimmt der Vorschlag auf. Das Kapitel Bodenschutz regelt die Anwendung von Düngemitteln unter dem Aspekt des Bo-

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denschutzes, das Kapitel Gefahrstoffrecht befasst sich mit dem Einsatz von Düngemitteln unter dem Gesichtspunkt Pflanzenversorgung. § 291 Satz 1 erfasst die bodenschützende Seite der guten fachlichen Praxis mit dem Begriff „bodenschonende Düngung“. Die Norm unterstellt, dass es in der Praxis Erkenntnisse gibt, die die bodenschonende Düngung betreffen und bezeichnet die Summe dieser Erkenntnisse als „Grundsätze“. Diesen Grundsätzen entsprechend ist zu düngen, wenn sie – wie Satz 2 es fordert – gewährleisten, dass bei dem Aufbringen von Düngemitteln die natürlichen Funktionen nicht nachhaltig beeinträchtigt werden. Es ist folglich zulässig, durch die Düngung eine kurzfristige Beeinträchtigung der natürlichen Bodenfunktionen zu bewirken – soweit dieses die weitere Funktion der Düngung, die Versorgung der Pflanzen mit Nährstoffen, rechtfertigt. Der Norm entsprechendes Handeln verhindert eine Überdüngung des Bodens und damit eine Belastung des Grundwassers. Die Vorschrift soll dazu beitragen, eines der großen Umweltprobleme zu entschärfen. Um für den Anwender von Düngemitteln Rechtssicherheit zu schaffen, werden die Grundsätze bodenschonender Düngung durch RechtsVO näher bestimmt. Insoweit entspricht der Vorschlag § 1a Abs. 3 DMG. Einige Landeswassergesetze, z. B. § 91a NdsWassG, kennen das Institut des Gewässerrandstreifens. Gem. § 91a Abs. 3 NdsWassG kann die Wasserbehörde die Verwendung von Dünger auf Gewässerrandstreifen untersagen. Dieses sowie ein Verbot des Einsatzes von Düngemitteln an Gewässern, unabhängig von der rechtlichen Ausweisung von Gewässerrandstreifen, überlässt der Entwurf dem Landesrecht. Für einen Verzicht auf eine bundeseinheitliche Regelung spricht, dass ein generelles Verbot wohl nicht angemessen ist; der Vorschlag müsste also eine Vielzahl von Details regeln. Diese Regelungen sind in einem Landesgesetz besser aufgehoben. Zu § 292 Anwendung von Pflanzenschutzmitteln Der in § 292 verwandte Begriff des Pflanzenschutzmittels entspricht dem des gefahrstoffrechtlichen Kapitels des UGB-ProfE (§ 481 Nr. 8). Dieses nimmt die Begriffsbestimmung des geltenden Pflanzenschutzrechts auf. Im gefahrstoffrechtlichen Kapitel finden sich ebenfalls anwendungsbezogene Vorschriften. Die Aufteilung auf das Bodenschutzrecht einerseits und das Gefahrstoffrecht andererseits folgt dem Kriterium, im Kapitel Bodenschutz den Schutz des Bodens vor zugelassenen Pflanzenschutzmitteln, im Kapitel Gefahrstoffe die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln als solche sowie weiteres Anwendungsrecht zu regeln. Das bislang einheitlich in §§ 6 bis 8 PflSchG normierte Anwendungsrecht wird deshalb zwar auf zwei Normenkomplexe verteilt, diese Verteilung ist aber nicht nachteilig, sondern enthält den Vorteil, dass sich die einschlägigen Regelungen an der sachlich richtigen Stelle finden. § 292 Abs. 1 Satz 1 normiert durch den Verweis auf die §§ 484 – 490, dass nur zugelassene Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen dürfen. Diese Aussage ent-

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spricht geltendem Recht, vgl. § 11 Abs. 1 PflSchG. Das Prinzip, dass nur zugelassene Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden dürfen, ist jetzt auch durch das EG-Recht vorgeschrieben, s. die RL des Rates v. 15. 7. 1991 (91/414/EWG, ABl. EG Nr. L 230 v. 19. 8. 1991, S. 1). Geltendem Recht entspricht ebenfalls § 292 Abs. 1 Satz 2 (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 4 PflSchG). An der Sinnhaftigkeit dieser Regelung ist nicht zu zweifeln, so dass sie ohne weiteres in das Gesetz übernommen werden kann. Gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 PflSchG dürfen Pflanzenschutzmittel nur nach guter fachlicher Praxis angewandt werden. Gem. Satz 3 dieser Vorschrift entspricht es guter fachlicher Praxis nicht, Pflanzenschutzmittel anzuwenden, wenn mit schädlichen Auswirkungen u. a. auf den Naturhaushalt zu rechnen ist. Zum Naturhaushalt zählt der Boden. Diesen bodenschützenden Teil der guten fachlichen Praxis greift § 292 Abs. 2 auf und regelt ihn parallel zu § 291. Auf das zu dieser Norm insoweit Gesagte darf deshalb verwiesen werden. Die Verpflichtung zum Erlass der RechtsVO ist neu. Diese Pflicht einzuführen erscheint zwingend, um eine sichere Grundlage für die Praxis des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln zu erhalten. Der Vorschlag enthält in Absatz 3 Anwendungsverbote für Pflanzenschutzmittel. Diese kennt partiell bereits das geltende Recht (auch das Landesrecht: Gesetz des Landes Baden-Württemberg über die Einschränkung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln v. 17. 12. 1990 [GBl. S. 426]), indes geht der Vorschlag über dieses hinaus. In Nr. 1 ist geregelt, dass Pflanzenschutzmittel außerhalb der Nutzung eines Grundstücks für land- und forstwirtschaftliche Zwecke nicht angewandt werden dürfen. Eine ähnliche Regelung kennt bereits § 6 Abs. 2 Satz 1 PflSchG; diese Norm erlaubt freilich den Einsatz im Rahmen gärtnerischer Nutzung. Dieses verbietet der Vorschlag, insoweit geht er über das geltende Recht hinaus. Das Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln auf Ödland entspricht geltendem Recht. Über das geltende Recht hinaus geht das Verbot, Pflanzenschutzmittel auf Friedhöfen, Sportplätzen, Parkanlagen sowie auf und an Verkehrswegen zu benutzen. So wird z. B. den deutschen Eisenbahnen durch diese Vorschrift untersagt, ihr Schienennetz mit Wachstumsreglern (§ 2 Abs. 1 Nr. 9d PflSchG) zu besprühen. Dieses weitgehende Verbot ist verfassungsrechtlich zulässig. Die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln sind in ihrem Recht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb, soweit man ihn zum Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zählt; vorsichtig jedenfalls das BVerfG: BVerfGE 51, 193 [221 f.]; 68, 193 [222 f.]; s. zum Problem Bryde, in: v. Münch/Kunig [Hg.], GG Komm. Bd. 1, 4. Aufl. 1992, Art. 14 GG Rn. 18) nicht verletzt: Niemand hat einen Anspruch auf eine unveränderte Rechtslage; schützenswertes Vertrauen auf einen unveränderten Normenbestand, welches enttäuscht wird, ist zu entschädigen; dass aber schützenswertes Vertrauen auf ein Unterlassen von Veränderungen im Bereich des Pflanzenschutzmittel-Rechts entstanden ist oder entstehen könnte, ist nicht ersichtlich (s. nochmals Bryde, a.a.O., Art. 14 GG Rn. 20). Die Einschränkung von Eigentumsrechten (an Haus- und Ziergärten) ist durch den Gedanken des Umweltschutzes gedeckt;

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das Recht am Eigentum ist kein Hindernis für eine wirksame staatliche Umweltpolitik (Sendler, UPR 1983, 33 ff., 33; Bryde, a.a.O., Art. 14 GG Rn. 66; Papier, in: Maunz/ Dürig [Hg.], GG, 7. Aufl. 1991, Stand: Sept. 1991, Art. 14 GG Rn. 109 f.). Der Schutz des Eigentümers ist reduziert auf die Berücksichtigung seiner Interessen bei gebotenen Abwägungen. Eine solche Abwägungsmöglichkeit sieht im Einzelfall Absatz 3 Satz 2 des Entwurfs vor. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht dem Vorschlag nicht entgegen. Absatz 3 Nrn. 2 und 4 entspricht geltendem Recht (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 und § 6 Abs. 1 Satz 3 PflSchG). Die letzte Norm enthält zunächst ein Anwendungsverbot, wenn schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen zu befürchten sind; dieser Passus fehlt im Vorschlag, weil er keinen bodenschützenden Bezug aufweist. Die weiteren in dieser Norm genannten Schutzgüter erfasst der Begriff „Umweltbeeinträchtigung“ (s. § 2 Abs. 1). Für die in Nr. 3 getroffene Regelung ist neben Nr. 2 noch Raum. Gewässerrandstreifen können breiter sein als der Raum, der sich „unmittelbar“ an ein oberirdisches Gewässer anschließt. Das Recht zur Regelung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln soll in dieser speziellen Situation ebenso wie das Recht der Anwendung von Düngemitteln den Ländern überlassen bleiben. Das Recht der Ausnahmeregelung in Absatz 3 Satz 2 entspricht § 6 Abs. 3 PflSchG. Absatz 4 entspricht § 8 PflSchG. Diese Regelungen sind sinnvoll. Verbesserungen scheiden aus. Die Tradierung dieser Vorschriften ist deshalb angezeigt. dd) Zur Regelung im Einzelnen: Zum Dritten Unterabschnitt: Bodenüberwachung Zu § 293 Besondere Anzeigepflicht Der dritte Unterabschnitt: Bodenüberwachung, ist durch Regelungen im Allgemeinen Teil entlastet. §§ 57 bis 71 enthalten ein nahezu vollständiges Recht der Überwachung, §§ 72 bis 76 enthalten ein nahezu vollständiges Recht der eingreifenden Maßnahmen. Die in §§ 293 bis 296 enthaltenen Vorschläge ergänzen die genannten Normen des Allgemeinen Teils; es handelt sich in der Regel um Fälle, die spezifisch für den Bodenschutz sind. § 68 regelt die Anzeigepflicht von Personen, die die Sachherrschaft über Gegenstände oder Stoffe ausüben. Bodenbeeinträchtigungen werden häufig erkannt im Zuge von Baumaßnahmen; der Sachherr, in der Regel der Eigentümer des Grundstücks, ist aber häufig nicht anwesend und kann deshalb die Bodenbeeinträchtigung der zuständigen Behörde nicht anzeigen. § 293 nennt deshalb weitere Personen, die anzeigepflichtig sind. Damit dürfte umfassend gesichert sein, dass die zuständige Behörde von Bodenbeeinträchtigungen erfährt.

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Zu § 294 Besondere Eigenüberwachung § 294 Abs. 1 Satz 1 verweist auf § 70; diese Norm bestimmt, dass der Überwachungspflichtige „nach Maßgabe näherer gesetzlicher Regelungen“ selbst verpflichtet werden kann, Messungen und Untersuchungen durchzuführen. Diese näheren gesetzlichen Regelungen enthalten § 294 Abs. 1 Satz 2 bis 4 und Abs. 2. Geregelt ist mithin über den Allgemeinen Teil hinaus, welcher die behördliche Überwachung normiert, die Eigenüberwachung. § 294 Abs. 1 Satz 2 bis 4 regelt die Gefahrerforschung, die der Überwachungspflichtige selbst vorzunehmen hat. Die Behörde besitzt gem. Satz 2 Ermessen, die Gefahrerforschungsmaßnahme anzuordnen; sie darf das nur, wenn die für das Gefahrenabwehrrecht generell erarbeiteten Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen. Satz 3 erlaubt eine Steigerung mit Blick auf die Intensität der Überwachungstätigkeit. Absatz 2 betrifft die laufende Überwachung bei festgestellten Bodenbeeinträchtigungen. Absatz 3 enthält eine Kostenregelung, die gem. § 71 angezeigt ist. Nach dieser Norm kann derjenige, der eine Überwachungsmaßnahme auf behördliche Anordnung hin durchführt, die Kosten nach Maßgabe eines Gesetzes erstattet bekommen. Sie gilt auch für den Fall, dass die Behörde die Überwachungsmaßnahme selbst vornimmt. Diesen Fall regelt unter Kostenaspekten der Allgemeine Teil nicht; der Allgemeine Teil geht davon aus, dass im Fall der behördlichen Durchführung von Überwachungsmaßnahmen der Überwachungspflichtige die Kosten trägt. Es kann aber kein Unterschied im Hinblick auf die Kostentragungspflicht bestehen in Abhängigkeit davon, ob der Bürger oder die Behörde die Überwachungsmaßnahme durchführt. Absatz 3 regelt deshalb beide Fälle. Die Vorschrift ist aus der Perspektive der Behörde formuliert: Sie kann festsetzen. Die Norm regelt aber, wie gesagt, auch Erstattungsansprüche des Bürgers gegen die Behörde, wenn er die Überwachung durchgeführt hat und ihm Kosten entstanden sind. Die Regelung weicht jedenfalls z. T. von den vorhandenen Urteilen über die Kostentragungspflicht bei Gefahrerforschungseingriffen ab (Zusammenstellung der Entscheidungen bei Kunig/Schwermer/Versteyl, Abfallgesetz, 2. Aufl. 1992, Anh. zu §§ 10/10a AbfG Rn. 17). Gem. Satz 1 entfällt die Kostentragungspflicht des Bürgers bei Fehlen einer Bodenbeeinträchtigung. Diese Aussage entspricht jedenfalls z. T. der Rechtsprechung. Die folgenden Regelungen orientieren sich an der Schwere der Bodenverschmutzung. Nach Satz 2 kann die Behörde dem Verursacher sowie dem Rechtsnachfolger die Kosten im Fall einer Bodenbeeinträchtigung auferlegen; eine Kostentragungspflicht des Zustandsverantwortlichen entfällt in diesem Fall. Nimmt er die Untersuchung vor, so besitzt er einen Erstattungsanspruch gegen die Behörde. Im Fall der Bodenbelastung sind der Verursacher sowie sein Rechtsnachfolger kostentragungspflichtig; ein behördliches Ermessen fehlt. Neben dem Verursacher haftet der Zustandsverantwortliche in Abänderung polizeirechtlicher Grundsätze nicht vollständig, sondern nur in den genannten Fällen. Die in der Literatur oft beklagte unbegrenzte Haftung des Zustandsstörers für die Kosten (Nachw. bei Götz, All-

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gemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl. 1993, Rn. 212 ff.) ist durch diese Regelung eingeschränkt. Die Haftungsbeschränkung folgt Gerechtigkeitserwägungen, die heute durchweg anerkannt werden (vgl. Götz, a.a.O.): Der Zustandsstörer soll jenseits der Zumutbarkeit unbelastet bleiben. Dieses muss auch dann gelten, wenn als Folge des „Ausfalls“ des Verhaltensstörers die Allgemeinheit die Kosten zu tragen hat – dem Gedanken, dass es im Polizeirecht immer jemanden außerhalb der staatlichen Organisation geben muss, der die Kosten trägt, damit die Allgemeinheit entlastet wird, wird demnach nicht gefolgt. Absatz 4 regelt die Verteilung der Kosten auf mehrere Verantwortliche. Ausgangspunkt ist die Verteilung der Kosten nach Maßgabe der Verantwortlichkeit. Es soll ausgeschlossen sein, dass die Behörde einen Verursacher, der lediglich zu einem geringen Teil zu der Gefahr beigetragen hat, mit den Gesamtkosten belastet wird (damit er sich den zuviel geleisteten Betrag privatrechtlich von den anderen Gefahrverursachern zurückholt). Für die Bestimmung des Maßes der Verantwortung verweist das Gesetz auf § 304 Abs. 1 Satz 3 und 4. Nach diesen Aussagen darf das Maß der Verantwortlichkeit geschätzt werden; entfällt diese Möglichkeit, gilt die Kostentragungspflicht zu gleichen Teilen. Erst dann, wenn dieses „untunlich“ erscheint, weil das Resultat z. B. ein offensichtlich mit der realen Lage nicht übereinstimmendes Ergebnis darstellt, kann die Behörde einen von mehreren Verantwortlichen zur Tragung der Gesamtkosten heranziehen. Herangezogen soll derjenige werden, der den größten (aber nicht endgültig bestimmbaren) Anteil an der Gefahrverursachung geleistet hat. Das Beispiel für den Begriff „untunlich“ zeigt, dass es sich um einen „offenen“ Begriff handelt, der der Konkretisierung anhand von Wertungen zugänglich ist. Zu § 295 Vorläufige eingreifende Maßnahmen § 72 Abs. 1 regelt verschiedene Typen von Maßnahmen gegen umweltpflichtige Personen, wenn ein Umweltrisiko oder eine Umweltgefahr vorliegt. §§ 74 bis 76 enthalten Ermächtigungsgrundlagen für Eingriffe. Es fehlt im Allgemeinen Teil eine Norm, die einen behördlichen Eingriff bereits dann erlaubt, wenn lediglich Anhaltspunkte für eine Umweltgefahr bzw. – mit Blick auf das Bodenschutzrecht – für eine Bodenbelastung vorliegen. Liegen solche Anhaltspunkte vor und sind weitere Bodenverunreinigungen oder andere Umweltbeeinträchtigungen zu befürchten, z. B. eine Kontaminierung des Grundwassers, so ist ein Zuwarten der Behörde bis zum Vorliegen eines abgesicherten Befunds nicht zu verantworten. § 295 erlaubt ein Eingreifen; eine weitere Verschlechterung der Umweltsituation ist mit Hilfe geeigneter Maßnahmen zu verhindern. – Die Kostenregelung folgt dem in § 294 Abs. 3 Satz 3 niedergelegten Grundsatz. Es wird davon ausgegangen, dass der Überwachungspflichtige zugleich der Verursacher der potentiellen Bodenbelastung ist, die die Gefahr weiterer Umweltbeeinträchtigungen bedingt. § 295 dürfte seinen regelmäßigen Anwendungsbereich im Rahmen der Gefahrenabwehr bei Unglücksfällen finden, nicht hingegen bei Altfällen von Bodenbelastungen. Für diese ist ein schnelles behördliches Eingreifen zur Verhinderung weiterer Umweltbeeinträchtigungen schwer vorstellbar.

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Zu § 296 Untersagung von Bodennutzungen Eine Möglichkeit für einen behördlichen Eingriff unterhalb der Schwelle des Umweltrisikos kennt der Allgemeine Teil nicht. Es ist aber möglich, dass sich durch menschliches Tun eine Bodenveränderung zu einer Bodenbeeinträchtigung „auswächst“. § 296 erlaubt, dieses Tun zu untersagen, um eine Bodenbeeinträchtigung zu verhindern. § 296 realisiert somit das Vorsorgeprinzip. ee) Zur Regelung im Einzelnen: Zum Vierten Unterabschnitt: Bodenbeeinträchtigungsgebiete Zu § 297 Festsetzung von Bodenbeeinträchtigungsgebieten § 297 regelt einen neuen Typ von Gebietsfestsetzungen. Das Bodenbeeinträchtigungsgebiet ist dem Wasserschutzgebiet oder dem Naturschutzgebiet nicht vergleichbar, weil Zweck der Festsetzung nicht vorbeugender Umweltschutz ist, sondern es um die „Reparatur“ vorhandener Umweltbelastungen geht. § 297 des Vorschlags entspricht den §§ 13 und 14 BaWüBodSchG. Er übernimmt diese Regelungen, freilich mit einer anderen Bezeichnung. Das baden-württembergische Recht spricht von Bodenbelastungsgebieten. Den Begriff der Bodenbelastung reserviert das UGB für die stärkste Form der Bodenverunreinigung. Die Ausweisung des Gebiets soll aber bereits dann erlaubt sein, wenn ein Umweltrisiko vorliegt. Sachlich liegt ein Unterschied nicht vor, s. § 2 Abs. 2 BaWüBodSchG, der den Begriff Bodenbelastung definiert entsprechend dem hier vorgeschlagenen Inhalt von Bodenbeeinträchtigung (von der Ausnahme abgesehen, dass das baden-württembergische Recht den „Besorgnisgrundsatz“ des Wasserrechts auf das Bodenschutzrecht überträgt). § 297 Abs. 1 Satz 1 legt die Voraussetzungen fest, bei deren Vorliegen ein Bodenbeeinträchtigungsgebiet festgesetzt werden kann. Es muss eine Bodenbeeinträchtigung vorhanden sein, diesen Begriff definiert § 284 Abs. 2 Nr. 2. Die Bodenbeeinträchtigung muss weiträumig sein; davon ist auszugehen, um diesen Typ von Festsetzung nicht zu einer kleinen Münze herabsinken zu lassen, ab einer Größe von mindestens 1 km2. Erst ab dieser Größe lohnt wohl auch der Aufwand, der mit der Festsetzung eines Bodenbeeinträchtigungsgebiets verbunden ist. Kleinere Bodenbeeinträchtigungen können durch Individualverfügung beseitigt werden. § 297 Abs. 1 Satz 1 des Vorschlags räumt der zuständigen Behörde (Satz 2) Ermessen ein, ob sie eine RechtsVO (§ 297 Abs. 1 Satz 2) erlässt. Es besteht demnach keine Pflicht zum Erlass einer RechtsVO; dem Ermessen korrespondiert auch kein Anspruch Dritter auf ihren Erlass. Ein Bodenbeeinträchtigungsgebiet kann aus drei Gründen festgesetzt werden: zur Bodensanierung, aus Gründen der Gesundheitsvorsorge sowie aus Vorsorge gegen erhebliche Umweltbeeinträchtigungen. Das Bodenbeeinträchtigungsgebiet dient deshalb zum einen der Gefahrenabwehr, zum anderen der Vorsorge.

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Das Instrument zur Festsetzung des Bodenbeeinträchtigungsgebiets ist die RechtsVO. Zuständig sind die Landesregierungen; sie können die Zuständigkeit übertragen auf ein einzelnes Ministerium oder auf eine nachgeordnete Behörde, z. B. auf die Mittelinstanz der Verwaltung. Im Rahmen eines Rechtsetzungsverfahrens gibt es normalerweise ein Anhörungsrecht von potentiell durch die VO Betroffenen nicht. Bei der Festsetzung von Wasserschutzgebieten, die ebenfalls im Verordnungswege erfolgt, ist freilich die Anhörung der Grundstückseigentümer bzw. -nutzer bekannt, s. z. B. § 48 Abs. 2 Satz 2 NdsWassG. Dieses Anhörungsrecht ist indes nicht zwingend, so dass es möglich erscheint, dass einzelne Länder auf es verzichten. Dem arbeitet der Vorschlag durch die zwingende Verpflichtung zur Anhörung entgegen. – Die Anhörung wird vorgeschrieben, weil sie wegen der mit der Festsetzung eines Bodenbeeinträchtigungsgebiets verbundenen weitgehenden Beschränkung der Eigentumsnutzung durchgeführt werden muss, um die Eigentümer aufzuklären; ferner ist die Durchführung von Anhörungsverfahren eine Form der Beteiligung der Bürger an staatlichen Entscheidungsprozessen, auf die nicht verzichtet werden sollte. § 297 Abs. 2 des Vorschlags entspricht nahezu wortwörtlich § 13 Abs. 2 BaWüBodSchG. Das Gebiet ist parzellenscharf festzusetzen, der wesentliche Zweck – also Sanierung oder Vorsorge – ist zu bestimmen, ebenso sind die Mittel zur Zweckerreichung festzulegen; insoweit enthält Satz 2 einige Beispiele. § 297 Abs. 3 des Vorschlags normiert eine Entschädigungsregelung. Eine solche Regelung fehlt im baden-württembergischen Recht mit der Begründung, sie sei überflüssig, weil die Festsetzung eines Bodenbeeinträchtigungsgebiets sich im Rahmen zulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums halte und deshalb keine Enteignung darstelle (s. LTag-Drs. 10/4437 sowie Spilok, Bodenschutzgesetz Baden-Württemberg, 1992, S. 85). Diese Auffassung entspricht nicht der jüngeren Entwicklung in der Judikatur. Auch dann, wenn eine Regelung sich im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung hält, kann eine Pflicht zur Zahlung einer Entschädigung bestehen und nicht nur im Fall einer Enteignung bzw. eines enteignungsgleichen Eingriffs – s. BVerfGE 58, 137 (Pflichtexemplarentscheidung) sowie zusammenfassend Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 1992, § 26 Rn. 67 ff. Eine Entschädigung ist in den Fällen der Inhaltsbestimmung des Eigentums geboten, wenn die Inhaltsbestimmung eine unzumutbare Eigentumsbeeinträchtigung darstellt. Dieses stellt § 297 Abs. 3 Satz 1 heraus. Er entspricht § 212 Abs. 1 Satz 1. Er überlässt die nähere Festlegung dem Landesrecht und gibt für die Festsetzung Maßstäbe in Satz 2 vor. Satz 2 entspricht § 212 Abs. 1 Satz 2. Satz 3 enthält eine Ausgleichsregelung, die sich in dieser Form sowohl im naturschutzrechtlichen als auch im wasserrechtlichen Kapitel des Gesetzes findet, s. §§ 213 und 264. Für nähere Einzelheiten sei auf die Begründung zu §§ 212 und 213 verwiesen.

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ff) Zur Regelung im Einzelnen: Zum fünften Unterabschnitt: Erfassung und Überwachung der Bodenbeschaffenheit Zu § 298 Bodenzustandskataster Die im fünften Unterabschnitt enthaltenen Regelungen haben zum Ziel, Informationen über den Bodenzustand und die Bodenbeschaffenheit zu gewinnen und zu speichern. Diese Informationen werden benötigt als Grundlage für Planungen, den Umgang mit Bodenbelastungen und für Gefahrenabwehr- sowie Vorsorgemaßnahmen. Instrumente zur Gewinnung der Daten sind das Bodenzustandskataster, die Einrichtung von Dauerbeobachtungsflächen sowie die Bodenprobenbank. Das badenwürttembergische Recht kennt diese Instrumente ebenfalls und fasst sie darüber hinaus zu einer Bodendatenbank zusammen, s. § 18 BaWüBodSchG. Auf diese Regelung kann der Vorschlag verzichten, weil gem. § 136 die gewonnenen Daten umweltbezogene Daten in Umweltakten sind und gem. § 137 Abs. 1 jedermann das Recht auf Einsicht in die bei einer Behörde geführten Umweltakten hat. § 298 Abs. 1 enthält die in das Bodenzustandskataster aufzunehmenden Daten. – Parameter der „Beschaffenheit“ sind z. B. Raumgewicht, pH-Wert, Gehalte an Schwermetallen und organischen Schadstoffen. Die Nutzungsbeschränkungen in Bodenbeeinträchtigungsgebieten sowie die Verfügungen, die Bodenbelastungen und Altlasten betreffen, sind wichtige Details, die in einem Kataster nicht fehlen dürfen. – Unterlagen von dauernder Bedeutung sind z. B. den Boden eines Gebiets betreffende Gutachten. Zur Mitteilung an das Bodenschutzkataster sind alle nach Landesrecht für zuständig erklärten Behörden verpflichtet. Zu § 299 Dauerbeobachtungsflächen Böden verändern sich ständig aufgrund vielfältiger natürlicher und anthropogener Einflüsse. Dauerbeobachtungsflächen ermöglichen Momentaufnahmen des Bodenzustands. Periodische Beobachtungen erlauben es, längerfristige Veränderungen der Bodenbeschaffenheit zu erkennen. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse kann nicht gewollten Veränderungen entgegengewirkt werden. Der Vorschlag überlässt die Festlegung der Zahl der Messstellen und der Häufigkeit der Messungen den zuständigen Behörden. Es wird davon ausgegangen, dass standortspezifische Faktoren unterschiedliche Folgen mit Blick auf die Messstellen und Messungen zur Folge haben können. Es ist deshalb nicht sinnvoll, den behördlichen Entscheidungsspielraum einzuengen. Dem trägt der „weitgefasste“ Rahmen des Vorschlags Rechnung. Zu § 300 Bodenprobenbank Die Bodenprobenbank soll dazu dienen, Feststellungen und somit auch Beweise zu sichern. Sie soll ferner in der Zukunft Untersuchungen ermöglichen, die neuen Me-

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thoden folgen oder sich auf weitere Inhaltsstoffe richten. Dieses ist von Bedeutung, um erst in der Zukunft bekannt werdende Schadstoffe noch untersuchen oder den Nachweis ihrer Existenz belegen zu können. gg) Zur Regelung im Einzelnen: Zum Sechsten Unterabschnitt: Mitwirkung der für den Bodenschutz zuständigen Behörde Zu § 301 Beteiligung im Gestattungsverfahren Der Vorschlag legt eine Mitwirkungsbefugnis der Bodenschutzbehörde in Gestattungsverfahren fest. Erlaubnisse, Bewilligungen etc. ergehen im Benehmen mit ihr, wenn ein „Vorhaben“ zu einer Bodenverunreinigung führen kann. Solche „Vorhaben“ können z. B. Herstellung und Betrieb von Anlagen nach dem vierten Kapitel sein, letztlich wohl alle Vorhaben, die einer Umweltfolgenprüfung gem. § 32 Abs. 2 unterliegen (vgl. auch Spilok, a.a.O., § 6 Rn. 4). Die Mitwirkung der Bodenschutzbehörde dient dem vorbeugenden Umweltschutz: Ihre Fachkenntnis soll dazu beitragen, Vorhaben in der Weise zu errichten und zu betreiben, dass Bodenbelastungen ausgeschlossen sind. Die Aussagen in den Sätzen 2 und 3 dienen der Verfahrensbeschleunigung. Die Anordnung einer 6-Wochen-Frist erscheint akzeptabel, sie entspricht § 6 BaWüBodSchG. Es handelt sich um eine „Verschweigungsfrist“, an deren Ablauf eine bestimmte Rechtsfolge geknüpft ist. 3. Zum Dritten Abschnitt: Bodensanierung und Bodensicherung a) Ausgangslage aa) Gegenstand des Regelungsbereichs Der dritte Abschnitt befasst sich mit dem Umgang mit belasteten Böden. Er differenziert mit Blick auf die belasteten Böden in sog. „Bodenbelastungen“, in der Literatur auch Bodenverunreinigungen genannt (Heiermann, Der Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag, 1992, S. 229), womit großräumige, diffuse Bodenverunreinigungen gemeint sind, die eine Umweltgefahr hervorrufen – s. § 284 Abs. 2 Nr. 3, und „Altlasten“, womit kleine, spezifisch kontaminierte Flächen gemeint sind, s. § 284 Abs. 5. Der Abschnitt enthält, i.V.m. den einschlägigen Aussagen des Allgemeinen Teils, ein vollständiges Sanierungsrecht für Bodenbelastungen und Altlasten. bb) Bisherige Rechtslage Ein Recht zur Sanierung der sog. Bodenbelastungen enthält das Bundesrecht bislang nicht, auf Landesebene finden sich Vorschriften im BaWüBodSchG (§§ 9 und 10) und im SächsEGAB (§§ 8 bis 12). Diese Vorschriften gelangten zuvor zur Darstellung.

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Altlastensanierungsrecht findet sich in vielen LAbfGen. Es wurde zuvor dargestellt. Dieses Recht ist selten vollständig, so dass neben ihm häufig auf das allgemeine POR der Länder zurückgegriffen werden muss, womit die Schwierigkeiten, die dieses Recht in sich birgt, für das Altlastenrecht ebenfalls wirksam werden. b) Vorschlag aa) Leitvorstellungen Es ist ein vollständiges Recht der Sanierung belasteter Böden zu entwerfen. Dieses Recht ist vollständig, wenn es den Umfang der Sanierungspflicht, den Sanierungsverantwortlichen, die Kostentragung; das Recht der Auswahl bei einer Mehrheit von Störern, das Recht der Eigenvornahme der Behörde sowie die Kostentragungspflicht in diesem Fall regelt. Ausgangspunkt der Regelung ist die Annahme, dass alle Versuche, die sich in der Literatur finden und die zum Ziel haben, zu einer Haftungsbeschränkung des Störers zu gelangen, fehlgeschlagen sind; im Grunde genommen ist davon auszugehen, dass – von der Rekultivierung abgesehen – das landesrechtliche Polizeirecht alle Probleme lösen könnte. Aus diesem Grunde werden zum Teil Haftungsbeschränkungen vorgeschlagen, die das geltende Polizeirecht nicht leistet. Der Vorschlag ist inhaltlich am hessischen Altlastensanierungsrecht orientiert. Dieses Recht ist, gemessen am zuvor dargelegten Maßstab, das vollständigste Landesrecht (vgl. Lübbe-Wolff, a.a.O., S. 27). Soweit Regelungen in anderen Landesgesetzen vorhanden sind, haben sie einen ähnlichen Inhalt. Es lässt sich das Fehlen von wirklich tief greifenden Differenzen feststellen. Über die zu treffenden Sachaussagen kann deshalb kaum Streit bestehen. Der Vorschlag verzichtet auf eine Regelung, die den Ausgleich des Wertzuwachses von sanierten Böden zum Gegenstand hat. Eine solche Regelung findet sich z. B. in § 25 HessAbf-AG und in § 32 LAbfWAG-RP. Der hessischen Regelung wird vorgeworfen, sie sei in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig; sie verstoße gegen Art. 14 GG sowie gegen das Rückwirkungsverbot: ihr Regelungsgehalt lasse sich nicht ermitteln (Bickel, Hessisches Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz, Komm., 3. Aufl. 1992, § 25 Rn. 1). Dieser Auffassung ist nicht zu folgen; das Gesetz regelt die Pflicht zur Zahlung eines Ausgleichsbetrags durch den Grundeigentümer, wenn durch Sanierungsmaßnahmen, die ein Dritter auf seine Kosten vornimmt, der Wert des Grundstücks steigt. Dieses Ergebnis bezeichnet Bickel (a.a.O.) als unsinnig. Ob dem so ist und ob daraus die Verfassungswidrigkeit folgt, mag dahinstehen; jedenfalls regelt das Recht häufig, z. B. im Wasserrecht, dass dann, wenn Maßnahmen eines Dritten einem Eigentümer einen besonderen Vorteil verschaffen, der Eigentümer ausgleichspflichtig wird. Deshalb kann sehr wohl, wie einige Landesgesetzgeber es auch getan haben, an die Regelung eines Vorteilsausgleichs gedacht werden.

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Gegen eine solche Regelung spricht letztlich aber wohl Folgendes: An einem Eingriff in das durch Art. 14 GG geschützte Grundeigentum wird es bei Zahlung des Wertausgleichs nur dann fehlen, wenn es dem Eigentümer ohne Veräußerung des Grundstücks möglich ist, ihn auch tatsächlich zu realisieren (s. Ziehm, Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen, 1989, S. 103). Die Differenz zwischen dem Wert des Grundstücks vor Sanierung und Rekultivierung und dem aktuellen Wert muss sich daher an dem orientieren, was der Eigentümer bei üblicher Nutzung des Grundstücks an laufenden Einnahmen mehr erzielen kann als vor der Sanierung. Wird nicht die Ertragswertsteigerung als Obergrenze des möglichen Wertausgleichs festgelegt, so könnte im Einzelfall der Eigentümer gezwungen sein, zur Erfüllung des Anspruchs das Grundstück zu veräußern, um die auszugleichende Wertsteigerung auch zu realisieren. Das dürfte kaum noch verfassungsmäßig sein. Mit Blick auf die Ertragswertsteigerung stellen sich ferner große Ermittlungsprobleme. Es erscheint nicht sinnvoll, insoweit eine weitere Streitquelle zu schaffen. Dieses auch deshalb, weil der praktische Ertrag von Regelungen des Ausgleichs des Wertzuwachses bislang wohl eher gering ist. Das Fehlen eines Vorschlags soll ein entsprechendes Landesgesetz nicht ausschließen. Dieses Landesgesetz könnte folgenden Wortlaut haben: „Der Grundstückseigentümer ist zur Zahlung eines Ausgleichsbetrags verpflichtet, wenn Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes, die der Grundstückseigentümer nicht oder nicht allein zu tragen hat, zu einer Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks führen, die einen unbilligen Vermögensvorteil darstellt.“ Bei Erlass einer solchen Regelung müsste das Landesrecht Normen enthalten, die sich mit der Ermittlung der Höhe des Ausgleichsbetrags, der Festsetzung des Ausgleichsbetrags und die Bestimmung der Begünstigten für die auszuzahlenden Beträge befassen. – Sollte eine entsprechende Regelung bundesrechtlich eingeführt werden, etwa durch einen § 312a, so hätte diese Norm folgenden Wortlaut: „Die Länder können bestimmen, dass der Grundstückseigentümer zur Zahlung eines Ausgleichsbetrags verpflichtet ist, wenn Maßnahmen aufgrund dieses Abschnitts, die der Grundstückseigentümer nicht oder nicht allein zu tragen hat, zu einer Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks führen, die einen unbilligen Vermögensvorteil darstellt. Nach Maßgabe des Landesrechts erfolgen die Ermittlung der Höhe des Ausgleichsbetrags, seine Festsetzung und die Bestimmung der Begünstigten für die zu zahlenden Beträge.“ Inhaltlich sieht sich das hessische Recht dem Vorwurf ausgesetzt, es sei, weil es über das allgemeine Polizeirecht Hinausgehendes regele, wegen Verstoßes gegen das Verbot, rückwirkende Regelungen zu erlassen, verfassungswidrig. Diesem Vorwurf ist nachzugehen, weil seine Richtigkeit erhebliche Auswirkungen auf die Vorbildfunktion des hessischen Rechts hätte. Neben dem Ziel, für die Altlastensanierung Rechtssicherheit mit Blick auf das anzuwendende Recht zu schaffen (weil der Inhalt des allgemeinen Polizeirechts durch eine Vielzahl differenter Interpretationen insoweit nicht mehr klar ist bzw. für unklar gehalten wird), wollten die Länder auch den sachlichen Umfang von Sanierungsverfügungen erweitern: Die Rekultivierung des

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gesäuberten Bodens soll auch von Verhaltensstörern und ihren Rechtsnachfolgern gefordert werden können (§ 27 BaWüLAbfG; § 20 Abs. 1 HessAbfAG; § 21 AbfAlG M-V; § 28 Abs. 2 LAbfWAG-RP; § 19 Abs. 1 ThürAbfAG). Wenn die Landesgesetze genau deshalb verfassungswidrig wären, erschiene eine paradoxe Situation nicht als ausgeschlossen: Einer der Gründe für die Schaffung von Altlastensanierungsgesetzen könnte entfallen, weil seine gesetzliche Umsetzung immer zu verfassungswidrigen Gesetzen führte. Bei Richtigkeit dieser Annahme würde die gesamte Altlastengesetzgebung fragwürdig: Wenn diese Gesetze nicht mehr an Inhalt als das allgemeine Polizeirecht enthalten könnten, hätten sie zunächst klarstellende Bedeutung. Da nach der allgemein und auch hier (§ 284 Abs. 5) verwandten Definition des Begriffs „Altlast“ diese in der Zukunft nicht neu entstehen können, könnte ein Altlastensanierungsrecht in der Zukunft einen über das Polizeirecht hinausgreifenden Anwendungsbereich nicht besitzen. Der Sinn der Gesetze erschöpfte sich damit in ihrer klarstellenden Bedeutung. Solche Gesetze sind wohl nicht überflüssig, verfehlen aber den ursprünglich beabsichtigten Zweck. Sie täuschen ferner – mit Blick auf die Verhaltenshaftung – eine Rechtslage vor, die bei der gebotenen verfassungskonformen Interpretation nicht besteht. Deshalb müssten die Gesetze so formuliert werden, dass diese Haftung nicht gewollt ist, um Missverständnisse auszuschließen. Zu erarbeiten ist, ob ein Bodensanierungsrecht die Rekultivierungspflicht ohne Verstoß gegen das Rückwirkungsgebot anordnen kann: für die Verhaltensstörer und ihre Rechtsnachfolger. Dass für (neue) Zustandsstörer die in Frage stehende Pflicht ausgesprochen werden kann, ist unproblematisch, da die Pflicht des Zustandsstörers bei jedem Wechsel der Verantwortung neu entsteht; der Inhalt der Pflicht kann deshalb, ohne Rückwirkungsprobleme auszulösen, geändert werden. Das Rekultivierungsgebot der Altlastengesetze muss vor dem BVerfG bestehen. Seine Rechtsprechung zum Schutz vor rückwirkenden Gesetzen ist deshalb der entscheidende Maßstab. Er gelangt zur Darstellung. An ihm wird das Gebot überprüft. Die Judikatur des BVerfG hat in der Literatur heftige Kritik erfahren (s. die Zusammenstellung bei Maurer, in: Isensee/Kirchhof [Hg.], Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3, 1988, S. 220). Die Kritik betrifft Einzelentscheidungen, Widersprüche in der Judikatur, schließlich den insgesamt verfolgten Ansatz. Sie gipfelt in der Forderung nach Modifikation der Rechtsprechung (Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1984, S. 836). Wie diese Modifikation aussehen sollte, wird nicht sichtbar – von einem Vorschlag abgesehen, der die Aufgabe der Unterscheidung zwischen „echter“ und „unechter“ Rückwirkung sowie ihre Ersetzung durch eine Einzelfalljudikatur zum Gegenstand hat (Friauf, Gesetzesankündigung und rückwirkende Gesetzgebung im Steuer- und Wirtschaftsrecht, BB 1972, 669 ff., 675). Da diesem Vorschlag nicht gefolgt und eine eigene Problemlösung hier nicht erarbeitet werden kann, bleibt auch deshalb die Judikatur des BVerfG der relevante Maßstab. Die Rechtsprechung des BVerfG zur Rückwirkungsproblematik ist gespalten. Die Spaltung zwischen den beiden Senaten bezieht sich auf den Rückwirkungsbegriff,

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nicht aber auf die materiellen Kriterien zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Rückwirkung (s. dazu Maurer, a.a.O., S. 221). Unstreitig hat ein Gesetz rückwirkenden Charakter, wenn nach seiner eigenen Feststellung seine Rechtsfolgen für einen Zeitpunkt gelten sollen, der vor der Verkündung des Gesetzes liegt; Mittel zur Zielerreichung ist die Vordatierung seines Inkrafttretens (Götz, FG BVerfG, Bd. 2, 1976, S. 425 ff.; Maurer, a.a.O., S. 218; BVerfGE 63, 343 [353]). Dieses ist der enge Rückwirkungsbegriff. Ihn vertritt der Zweite Senat des BVerfG (BVerfGE 72, 200 [242]; 77, 370 [377]). Er ist vorliegend bedeutungslos. Vielfach wird angenommen, eine Rückwirkung liege ferner vor, wenn das Gesetz an Sachverhalte anknüpft, die in der Vergangenheit entstanden sind, sog. tatbestandliche Rückanknüpfung (Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, 1981, S. 161 ff.; Hans Schneider, Gesetzgebung, 1982, S. 265 ff., jeweils m.w.Nachw.). Dieses ist der weite Rückwirkungsbegriff. Ihn vertritt heute noch der Erste Senat des BVerfG (BVerfGE 72, 141 [154]; 72, 175 [196]; 74, 129 [155]; DVBl 1988, 93 ff., 97). Früher ging das ganze Gericht von ihm aus (s. die Nachw. bei Maurer, a.a.O., S. 219 m. Anm. 31). Nur dieser Fall ist hier von Interesse. Die begriffliche Neuorientierung des Zweiten Senats hat keine sachlichen Folgen. Das Problem, wie es zu beurteilen ist, wenn ein Gesetz nur für die Zukunft gilt, aber an einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt anknüpft, bleibt bestehen (Maurer, a.a.O., S. 221). Der Zweite Senat vermeidet für diese Fälle den Begriff „unechte Rückwirkung“ (er spricht von tatbestandlicher Rückanknüpfung) – im Gegensatz zum Ersten Senat, der insoweit zwischen „echter“ und „unechter“ Rückwirkung differenziert. Eine „echte“ Rückwirkung liege vor, „wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift“ (BVerfGE 11, 139 [145 f.]; auf diese Aussage des Gerichts wird immer wieder Bezug genommen), eine „unechte“ Rückwirkung sei gegeben, wenn das Gesetz „auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt“ (ebd.). Die echte Rückwirkung ist prinzipiell verboten, die unechte prinzipiell erlaubt. Entscheidend ist, ob der Vertrauensschutz die Rückwirkung verbietet (BVerfGE 45, 142 [167 f.]). Auch der Zweite Senat beurteilt Gesetze, die betroffene Rechtspositionen nachträglich entwerten, nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes (BVerfGE 72, 200 [242]). Nach der Judikatur des Ersten Senats kommt es zunächst darauf an, ob die Rekultivierungspflicht eine echte oder unechte Rückwirkung darstellt, sodann ist das Vertrauensschutzproblem zu lösen. Die für den Ersten Senat bedeutsame Zuordnungsfrage stellt sich dem Zweiten Senat nicht. Das Kriterium „abgewickelter Sachverhalt“ ist erfüllt, wenn – soweit hier von Interesse – alle mit dem Sachverhalt verbundenen öffentlich-rechtlichen Pflichten erfüllt sind – die Sache sich unter öffentlich-rechtlichen Aspekten „erledigt“ hat. Dieses folgt aus dem vom Gericht verwandten Begriff der unechten Rückwirkung: Sie liegt vor, wenn ein Gesetz auf „gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sach-

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verhalte“ (BVerfGE 11, 139 [145 f.]) einwirkt. Beispielhaft sei erwähnt: Für einen bestimmten Veranlagungszeitraum sind alle Steuern bezahlt; dieser Sachverhalt ist abgewickelt. Der Vorgang des Entstehens einer Altlast ist abgeschlossen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses entstand (spätestens) die Pflicht zu ihrer Beseitigung als Gefahrenbeseitigungspflicht kraft der materiellen Polizeipflicht (Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers und die Kostentragungspflicht nach unmittelbarer Ausführung und Ersatzvornahme – dargestellt am Beispiel der Altlasten-Problematik, 1991, S. 82; Czeczatka, Der Einfluss privatrechtlicher Rechtsverhältnisse auf Erlass und Inhalt polizeilicher Hoheitsakte, 1978, S. 58; Peine, DVBl 1980, 941 ff., 948 ff.). Mit Blick auf die Gefahrenbeseitigung sind zwei Fälle zu unterscheiden: Diese Pflicht kann bis zum Inkrafttreten des jeweils einschlägigen LAbfG erfüllt worden sein – diese Pflicht kann aber auch bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllt worden sein (möglicherweise ist ihre Erfüllung noch nicht einmal in Angriff genommen worden). (1) Für den ersten Fall ist festzuhalten: Der Umfang der Sanierung richtet sich nach dem zum Zeitpunkt ihrer Vornahme geltenden Polizeirecht. Die Sanierung ist abgeschlossen. Die echte Rückwirkung besteht darin, dass das Gesetz eine bis zu seinem Inkrafttreten bestehende Rechtslage mit Wirkung für die Vergangenheit durch neues Recht ordnet. Wenn die Rekultivierungspflicht auch für diese Fälle gilt, wird der Umfang der alten Rechtspflichten erweitert; somit wird die alte Rechtslage neu geordnet. Es handelt sich um eine echte Rückwirkung. Die alte Rechtslage wird für den Sanierungspflichtigen in belastender Weise geordnet. Belastende Gesetze sind alle Gesetze, die Ge- oder Verbote enthalten sowie alle Gesetze, die eine bestehende Rechtsposition verschlechtern (BVerfGE 30, 367 [386]). Von einer Verschlechterung ist hier auszugehen, weil Zusätzliches geleistet werden soll. „Belastende Gesetze, die […] echte Rückwirkung entfalten, sind wegen Verstoßes gegen das im Rechtsstaatsprinzip enthaltene Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes regelmäßig verfassungswidrig“ (BVerfGE 30, 392 [401]). Ein Ausnahmefall liegt nicht vor (s. zu den Ausnahmefällen Maurer, a.a.O., S. 228 ff.). Um die Konsequenz einer verfassungswidrigen Anordnung der Rekultivierungspflicht zu vermeiden, ist diese verfassungskonform dahingehend zu interpretieren, dass der beschriebene Fall aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausfällt. (2) Für den zweiten Fall gilt: Die Gefahrenbeseitigung ist noch nicht beendet. Damit ist dieser Sachverhalt nicht abgeschlossen. Der Umfang der Sanierungspflicht wird erweitert. Es wird die für einen nicht abgeschlossenen Sachverhalt bestehende Rechtslage zu Lasten des Sanierungspflichtigen ausgeweitet. Eine Norm entfaltet unechte Rückwirkung, wenn sie auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt. Es handelt sich demnach um eine unechte Rückwirkung. Diese ist grundsätzlich zulässig. „Es ist seit jeher unbestritten das Recht des Gesetzgebers, bestehende Sachverhalte, Rechte und Rechtsbeziehungen durch eine Gesetzesänderung einer neuen Rechtslage zu unterwerfen. Denn die Möglichkeit,

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durch neue Gesetze auf bestehende Rechtslagen und Rechtsverhältnisse einzuwirken, ist jeder Gesetzgebung immanent“ (BVerfGE 48, 403 [415]). Ohne auf die Frage des abgewickelten oder nicht abgeschlossenen Sachverhalts einzugehen, wird in der Literatur (Bickel, Hessisches Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz, Komm., 3. Aufl. 1992, § 20 Rn. 8) behauptet, das Rekultivierungsgebot sei immer eine verbotene Rückwirkung. Zur Begründung wird vorgetragen: Das Rückwirkungsverbot verbiete eine Verschlechterung der Lage des Pflichtigen. Deshalb sei zu prüfen, welche öffentlich-rechtliche Pflicht zur Zeit des den Schaden verursachenden Verhaltens tatsächlich bestand. War der Pflichtige nur dazu verpflichtet, die Störung der damaligen Sicherheit zu beseitigen, so könne diese Lage im nachhinein nicht dahingehend verändert werden, dass er nunmehr auch unter Beachtung der heute geltenden, den Vorsorgegesichtspunkt einschließenden Maßstäben sanierungspflichtig wäre. Nach dieser Auffassung ist der Sachverhalt mit der Vollendung des Entstehens der Altlast und damit des Entstehens der Sanierungspflicht abgewickelt (ebenso: Knopp, DÖV 1990, 683 ff., 687; vorsichtiger: Schrader, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip, 1988, S. 98). Diese Auffassung betrachtet jede Anordnung der Rekultivierungspflicht als Fall der echten Rückwirkung und somit als verfassungswidrig. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Sie verkennt zunächst den Sachverhalt, auf den sich das veränderte Recht bezieht: Der Sachverhalt, um den es geht, ist die zu sanierende Altlast und nicht der Zeitpunkt des Entstehens der Sanierungspflicht (ebenso: HessVGH, NVwZ 1990, 381 ff.; Paetow, NVwZ 1990, 510 ff., 517). Für diesen Zeitpunkt (sowie für jeden anderen Zeit„punkt“ – im Gegensatz zum Zeit„raum“) ist eine Differenzierung nach den Kategorien des Ersten Senats des BVerfG überhaupt nicht vorstellbar: Er ist immer vergangen; damit gibt es immer nur abgeschlossene Sachverhalte; damit gibt es immer nur eine „echte“ Rückwirkung; damit wäre die von der Rechtsprechung getroffene Differenzierung (auch die des Zweiten Senats) letztlich ausgeschlossen. Das ist, bei aller berechtigten Kritik an der Judikatur im Einzelfall, eine inakzeptable Konsequenz. – Ferner ist nach der dargestellten Auffassung der Zeitpunkt des Entstehens der Gefahrenbeseitigungspflicht identisch mit dem Zeitpunkt, in dem der Sachverhalt abgewickelt ist. Das ist schlechthin unmöglich; denn eine Abwicklung benötigt Zeit: Diese Zeit beginnt zu laufen, nachdem die Rechtspflicht entstanden ist; nach der zuvor genannten Ansicht wäre sie aber genau zu dem Zeitpunkt abgelaufen, in dem die Rechtspflicht entsteht. Dazu ist nichts zu sagen: Diese absurde Konsequenz muss zur Unhaltbarkeit der These führen. Bei einer noch nicht abgeschlossenen Sanierung handelt es sich bei der Anordnung des Rekultivierungsgebots um einen Fall der unechten Rückwirkung. Der Fall der unechten Rückwirkung (i.S.d. Ersten Senats) bzw. der tatbestandlichen Rückanknüpfung (i.S.d. Zweiten Senats) ist prinzipiell verfassungsrechtlich zulässig. Jedoch gelten folgende Maßstäbe, deren Anwendung zu einer Verfassungswidrigkeit des Gesetzes im Einzelfall führen kann (BVerfGE 72, 200 [242 f.]): Es sind die Grundrechte berührt, die mit der Verwirklichung des jeweiligen Tatbestandsmerkmals vor Verkün-

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dung der Norm „ins Werk gesetzt“ worden sind. In die grundrechtliche Bewertung fließen die allgemeinen Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit, aber auch der Verhältnismäßigkeit in der Weise ein, wie dies allgemein bei der Auslegung und Anwendung von Grundrechten im Hinblick auf die Fragen des materiellen Rechts geschieht. Der Bürger müsste durch die Grundrechte davor geschützt sein, dass der Umfang seiner öffentlich-rechtlichen Pflichtenstellung nicht erweitert wird. Das ist generell möglich, da die Erweiterung dieser Pflicht den Freiheitsraum des Bürgers verkürzt. Mit Blick auf die Rekultivierungspflicht sind als einschlägige Grundrechte Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG vorstellbar. Vollkommen unabhängig davon, ob die Schutzbereiche dieser Grundrechte berührt sind, darf jedenfalls festgehalten werden, dass sie nicht verletzt sind: Die überragende Bedeutung des Umweltschutzes rechtfertigt Eingriffe in Freiheitsrechte (BVerfGE 58, 300 [329]; Sendler, UPR 1983, 33; Bryde, in: v. Münch/Kunig [Hg.], a.a.O., Art. 14 GG Rn. 66; Papier, in: Maunz/Dürig, a.a.O., Art. 14 GG Rn. 109 – alle zu Art. 14 GG. Gleiches gilt für Art. 2 Abs. 1 GG). – Dass der Sanierungspflichtige im Zeitpunkt des Entstehens der Sanierungspflicht darauf vertraut hat, nur in bestimmtem Umfang sanieren zu müssen, erscheint fern liegend: Er hat sein Tun, falls es genehmigt wurde und er den Rahmen der Genehmigung einhielt, als rechtmäßig betrachtet und ist davon ausgegangen, niemals haften zu müssen. Deshalb ist die Annahme naheliegend, dass der Genehmigungsinhaber Erwägungen über den Umfang einer potentiellen Sanierungspflicht überhaupt nicht angestellt hat. Dieses Vertrauen, niemals haften zu müssen, schützt die Rechtsordnung nicht. Insb. gibt es nicht die Legalisierungswirkung von Genehmigungen, die eine spätere Inanspruchnahme ausschließen soll (Peine, JZ 1990, 201 ff.; ebenso z. B. Ossenbühl, DVBl 1990, 963 ff., 968). Falls der Sanierungspflichtige rechtswidrig handelte, erscheint es ausgeschlossen anzunehmen, dass er über den Sanierungsumfang Vorstellungen entwickelt hat. Wenn das gleichwohl der Fall sein sollte, erscheinen diese Vorstellungen wohl kaum schützenswert. – Die Erweiterung des Sanierungsumfangs ist auch nicht unverhältnismäßig. Die Rekultivierung ist im Interesse des Bodenschutzes geeignet, erforderlich und zumutbar. Die Rekultivierungspflicht ist verfassungsmäßig, soweit sie sich auf zum Zeitpunkt ihres Entstehens noch nicht abgeschlossene Fälle bezieht. Das AbfG gilt für die neuen Bundesländer seit dem 1. 7. 1990. Unter dem Aspekt der Rekultivierung von Altlasten dürfte es angemessen sein, diejenigen Abfallentsorgungsanlagen, die nach diesem Zeitpunkt noch betrieben wurden, nicht als Altlasten zu bezeichnen. Dieser Verzicht führt zu einer gleichsinnigen Verwendung des Begriffs: Es kommt bei Altlasten im Zusammenhang mit Abfallentsorgungsanlagen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes an. § 10 Abs. 2 AbfG enthält eine Rekultivierungspflicht des Betreibers einer Anlage, die dieser stillgelegt hat. Diese Rekultivierungspflicht gilt für in den neuen Bundesländern gelegene Anlagen nicht, die vor dem 1. 7. 1990 stillgelegt wurden. Dieses Er-

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gebnis folgt aus § 10a Abs. 4 Satz 1 AbfG. Er schreibt vor, dass für vor dem 1. 7. 1990 stillgelegte Anlagen § 9a Abs. 2 AbfG entsprechend gilt, also eine Anzeigepflicht besteht. Auf die Rekultivierungspflicht verweist die Norm nicht. Damit entfällt ein Rückwirkungsproblem. Alle neuen Bundesländer haben in der Zwischenzeit LAbfGe erlassen. Einige enthalten Bestimmungen für die Altlasten. Thüringen (§ 19 Abs. 1 ThürAbfAG) und Mecklenburg-Vorpommern (§ 21 Abs. 1 Satz 1 AbfAlG M-V) fordern ihre Rekultivierung. In beiden Fällen stellt sich das Rückwirkungsproblem. Die Rekultivierungspflicht bestünde ohne weiteres, wenn es nach dem Recht der ehemaligen DDR eine entsprechende Pflicht für stillgelegte Deponien gegeben hätte. § 9 Abs. 4 der 6. DurchführungsVO zum Landeskulturgesetz (GBl. 1983 S. 257) ordnete eine Rekultivierungspflicht an. Mit der Pflicht des § 10 Abs. 2 AbfG war diese Pflicht aber nicht vergleichbar (Ramsauer, IUR 1991, 137 ff.). Gem. § 4 Abs. 1 der RekultivierungsVO (GBl. II 1971 S. 245) bestand sie nicht für den Veranlasser, sondern für den Folgenutzer. Den Veranlasser traf mithin insoweit keine Haftung. Diese wird deshalb durch die angesprochenen Gesetze neu begründet. Die Verfassungsmäßigkeit der genannten Normen könnte sich daraus ergeben, dass die Verursacher der Altlasten zur Sanierung bereits nach dem Polizeirecht der DDR verpflichtet waren. Das zu lösende Problem wäre dann ein dem Problem der alten Bundesrepublik paralleles. Das Polizeirecht der ehemaligen DDR stand in der Tradition des alten preußischen Polizeirechts; es war deshalb dem der Länder der Bundesrepublik im Wesentlichen gleich. Für es gibt es deshalb kein Rückwirkungsproblem. Auf es gestützt hätten (theoretisch) Sanierungsverfügungen gegen die Verursacher von Altlasten ergehen können, freilich keine Rekultivierungsanordnungen: Sie gab es auf der Grundlage der RekultivierungsVO nur an Folgenutzer adressiert. Dieses Recht ist nunmehr zu Lasten der Verursacher geändert. Damit gibt es insoweit keinen Unterschied in der Rechtslage zwischen alten und neuen Bundesländern. Dieser Unterschied existiert jedoch in der entscheidenden Antwort auf die Frage nach der „Legalisierungswirkung“ bzw. Tatbestandswirkung (s. Michael/Thull, BB 1990, Beilage 30, 1 ff., 7; Rehbinder, DVBl 1991, 421 ff.). Standortentscheidungen entfalteten nach DDR-Recht zwar keine Drittbindung, es wäre also (theoretisch) möglich gewesen, durch die zentrale Wirtschaftsplanung Umweltschutzmaßnahmen anzuordnen, die über den Inhalt der Standortgenehmigungen hinausgingen. Die Standortgenehmigungen haben aber Tatbestandswirkung durch den Einigungsvertrag enthalten. Das kann hier nicht näher ausgeführt werden (s. ebd.). Wenn somit Sanierungsverfügungen gegen Verursacher von Altlasten nicht (mehr) möglich sind, weil die Inanspruchnahme der Wirtschaftsunternehmen oder ihrer Rechtsnachfolger der früheren Feststellung der DDR-Behörden widerspräche, dass von einem Investitionsvorhaben keine Umweltbeeinträchtigung ausgehe, dann muss dieses auch gelten für Verfügungen, die Rekultivierungsmaßnahmen zum Inhalt haben: Ist die Inanspruchnahme zur Gefahrenbeseitigung nicht möglich, dann erst recht nicht die Inan-

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spruchnahme für die Erfüllung über sie hinausgehender Pflichten. Insoweit fehlt ein Rückwirkungsproblem. Das gleiche Ergebnis gilt für die Haftungsfreistellung aufgrund der sog. Freistellungsklausel (dazu Kloepfer/Kröger, Das Umweltrecht in der deutschen Einigung, 1991, S. 142). Dass die Rekultivierungspflicht für die Länder oder Kommunen als Rechtsnachfolger ehemaliger staatlich betriebener Deponien gilt, ist unproblematisch. Die Beschränkungen, die zuvor diskutiert wurden, gelten für sie nicht. Diejenigen landesrechtlichen Abfallgesetze, die eine Rekultivierungspflicht für sanierte Altlasten anordnen, gelten aufgrund einer verfassungskonformen Interpretation nur für solche Sachverhalte, die noch nicht abgeschlossen sind. Die Gesetze entfalten lediglich unechte Rückwirkung. Sie sind verfassungsrechtlich zulässig, weil sie Grundrechtspositionen sowie Vertrauen von Sanierungspflichtigen nicht verletzen. – In den neuen Bundesländern entfällt die Rekultivierungspflicht, soweit sie für Unternehmen und ihre Rechtsnachfolger als Verursacher angeordnet ist, weil es bereits an der Sanierungspflicht der Verursacher fehlt. Insoweit stellt sich ein Rückwirkungsproblem nicht. Im erarbeiteten Umfang kann nach alledem auch durch Bundesrecht rückwirkendes Bodensanierungsrecht angeordnet werden. I.d.S. ist der Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Regelungen zu verstehen. Der Vorschlag regelt das Recht der Bodenbelastung detailliert, das Recht der sog. Altlasten enthält im Wesentlichen Verweise auf diese detaillierten Bestimmungen. Der Grund für diese Regelungstechnik ist in Folgendem zu sehen: Ein Sanierungsrecht für Bodenbelastungen wird auch in Zukunft notwendig sein, nicht hingegen ein Altlastensanierungsrecht. Bodenbelastungen werden in der Zukunft noch entstehen können, nicht aber Altlasten – schon kraft der für sie erarbeiteten Definition nicht: Es handelt sich um Fälle der Vergangenheit. Sie werden einmal gelöst sein, so dass – rein zeitlich betrachtet – das Altlastensanierungsrecht ein Übergangsrecht darstellt. Diese Charakterisierung trifft für das Recht der Bodenbelastungen nicht zu. Es ist deshalb sinnvoll, es ausführlich zu regeln. Das Altlastenrecht ist irgendwann einmal wegen Überflüssigkeit zu streichen. bb) Zur Regelung im Einzelnen: Zum Ersten Unterabschnitt: Bodenbelastungen Zu § 302 Behördliche Anordnungen § 302 regelt den Inhalt behördlicher Anordnungen im Fall der Feststellung einer Bodenbelastung. Die Regelung ist notwendig, weil im Allgemeinen Teil ein abgestuftes Eingriffssystem, wie es der Vorschlag enthält, fehlt. Das Gesetz ist partiell an § 20 Abs. 1 HessAbfAG orientiert.

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§ 302 hebt die materielle Polizeipflicht des Störers nicht auf. Die Pflicht zur Sanierung von Bodenbelastungen besteht unabhängig von § 302 für den oder die Störer. § 302 legt lediglich die Modalität der Erfüllung der Polizeipflicht zur Sanierung fest. Mit der zuvor angeführten „materiellen Polizeipflicht“ ist Folgendes gemeint: Die Pflicht zur Beseitigung von Schäden an durch das Polizeirecht geschützten Rechtsgütern entfiele, wenn Voraussetzung für rechtswidriges Handeln eine Ordnungsverfügung der zuständigen Behörde wäre, die die gesetzliche Pflicht konkretisierte – mit anderen Worten: Ein gesetzwidriger Zustand wird nicht schon bei einem Verstoß gegen das abstrakt-generelle Handlungsgebot angenommen, sondern erst bei einem Verstoß gegen einen Verwaltungsakt, der das Gesetz konkretisiert und somit Bestimmtes gebietet. Diesem Ansatz ist nicht zu folgen. Er ist mit der Lehre von der materiellen Polizeipflicht unvereinbar. Unter materieller Polizeipflicht ist die bereits aus den Polizeigesetzen folgende Pflicht zu verstehen, Störungen zu beseitigen, ohne dass es eines diese Pflicht begründenden Verwaltungsakts bedarf (so die Literatur, zusammenfassend Griesbeck, a.a.O., S. 82). Ein Verwaltungsakt legt nach dieser Auffassung bei Vorliegen eines Verstoßes gegen das Polizeirecht nur die Modalität der Störungsbeseitigung fest – nicht hingegen die Pflicht als solche. Die Lehre von der materiellen Polizeipflicht findet in der Literatur Gegner und Anhänger. In jüngster Zeit überwiegen eindeutig die Anhänger. Dieses zu Recht; die Lehre von der materiellen Polizeipflicht findet sich schon lange in der Rechtsprechung des PrOVG (Nachw. bei Czeczatka, a.a.O., S. 55 ff.) und Gründe, sich von ihr abzuwenden, sind nicht ersichtlich. Die Ablehnung einer Pflicht des Einzelnen zu polizeigemäßem Handeln ohne Inanspruchnahme durch die Polizei begründet ein Teil der Literatur mit rechtshistorischen wie dogmatischen Überlegungen (z. B. Wagner, Die Polizeipflicht von Hoheitsträgern, 1971, S. 24 ff.). Diese Überlegungen tragen die These jedoch nicht. Es wird argumentiert, das moderne Polizeirecht sei vom Gedanken der Gefahrenabwehr getragen, was zu seiner Ausdifferenzierung in einer differenzierten Gesellschaft führe; angesichts dieser Ausdifferenzierung könne der Einzelne die zahllosen Gefahrenherde nicht mehr erkennen; es bedürfe deshalb der Spezialisten. Das spreche gegen die Annahme einer materiellen Polizeipflicht. Diese Annahme bestätige, so wird weiter vorgetragen, das das Polizeirecht beherrschende Opportunitätsprinzip; ferner streite aus rechtstheoretischer Sicht das Argument, die Möglichkeit der Kenntnis einer Pflicht sei Voraussetzung ihres Bestehens. Daran mangele es des Öfteren, mithin müsse die materielle Polizeipflicht entfallen. – Gegen das erste Argument spricht die Unhaltbarkeit der ihm zugrunde liegenden Erkenntnis, die auf ein „Weniger an Pflichten bei einem Mehr an Gefahren“ hinausläuft. Der Hinweis auf das Opportunitätsprinzip enthält kein Gegenargument, weil dieses Rechtspflichten voraussetzt, nicht aber schafft oder verhindert, und weil eine bestehende materielle Pflicht des Bürgers die Polizei nicht zum Einschreiten zwingt, sie lässt das Opportunitätsprinzip also nicht leer laufen. Schließlich setzt eine Pflicht nicht ihre positive Kenntnis voraus, weil das Entstehen von Rechtswirkungen in einer Vielzahl von Fällen

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nicht von der Kenntnis des sie bewirkenden Ereignisses abhängt (vgl. zum Vorstehenden ausführlich Peine, DVBl 1980, 941 ff., 948 ff.). Ausgangspunkt für die Begründung der materiellen Polizeipflicht muss das geltende Polizeirecht sein. Dieses legt die Annahme einer ex lege bestehenden Pflicht nahe. Die Annahme ergibt sich aus Folgendem: Das PrOVG ist bis zum Jahre 1931 in einer Reihe von Entscheidungen von der materiellen Polizeipflicht ausgegangen. Seine Rechtsprechung hat im PrPVG gesetzlichen Niederschlag gefunden. Dessen wesentliche materielle Bestimmungen führen wiederum die heutigen Polizeigesetze fort. Die Existenz der materiellen Polizeipflicht hat sich somit bis in das geltende Recht fortgesetzt. Es kann deshalb mit Recht festgestellt werden, dass die Annahme einer materiellen Polizeipflicht seit nahezu 100 Jahren den jeweils geltenden Polizeigesetzen zugrunde liegt. Der überwiegende Teil der älteren Literatur erkennt diese ex lege geltende Pflicht an. Da sich die Gesetze materiell-rechtlich kaum geändert haben, kann sich an der Anerkennung dieser Pflicht nichts ändern. Daneben belegt auch folgende Erwägung die Richtigkeit der aufgestellten These: Immer dort, wo Gesetze ein konkretes Verhalten ge- oder verbieten, z. B. im Strafrecht, gibt es die entsprechende Verhaltenspflicht unmittelbar aus der Natur der Sache heraus, weil Funktion dieser Tatbestände die Regelung jenes Minimums an Verhaltensregeln ist, das unabdingbare Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens ist. Nichts anderes ist aber auch die Funktion des Polizeirechts: Es dient der Durchsetzung dieses Minimums, wie die Definition des Begriffs der öffentlichen Ordnung zeigt. Gegenstand der materiellen Polizeipflicht ist die Störungsbeseitigungspflicht. Diese Pflicht ist konkret. Ein auf eine Störungsbeseitigung gerichteter Verwaltungsakt konkretisiert also nicht diese Pflicht, sondern legt lediglich die Modalität ihrer Erfüllung durch ein bestimmtes Mittel fest. Zusammenfassend sei die Arbeit von Griesbeck (a.a.O., S. 89) zitiert: „Die materielle Polizeipflicht ist […] eine Pflicht zur Mitwirkung bei der Gefahrenabwehr. Sie realisiert sich beim Störer meist als Beseitigungspflicht, die beim Eigentümer in dem Augenblick auftritt, in dem eine Gefahr vom Zustand seiner Sachen ausgeht. Sie besteht schon vor Erlass des Polizeiverwaltungsakts, nicht jedoch vor Eintritt der Gefahr. Die materielle Polizeipflicht muss unter der Geltung des GG als die jeden Rechtsgenossen treffende Verpflichtung, sein Verhalten und den Zustand seiner Sachen nach Auftreten einer Gefahr gefahrenfrei einzurichten, verstanden werden.“ Nach alledem ergibt sich die Verpflichtung der Störer, eine Bodenbelastung zu beseitigen, zumindest in dem Umfang, wie § 302 ihn festlegt, ohne dass es entsprechender Verfügungen bedürfte. Die gem. § 302 denkbaren Maßnahmen stehen in einem Stufenverhältnis. Regelungsgehalt der ersten Stufe ist die vollständige Beseitigung der Bodenbelastung einschließlich der Rekultivierung des betroffenen Geländes, die Vorschriften finden sich unter Nrn. 1 und 2. Insoweit sieht der Vorschlag zwei unterschiedliche Möglichkeiten behördlichen Vorgehens vor: Zum einen kann die Behörde die Erstellung eines Sanierungsplans sowie für den Fall, dass die Behörde mit dem erstellten Plan einverstan-

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den ist, seine Verwirklichung verlangen; zum anderen kann die Behörde, wenn ein solcher Sanierungsplan entbehrlich ist, die Beseitigung der Bodenbelastung sowie die erforderlichen Rekultivierungsmaßnahmen fordern. Ob mit oder ohne Sanierungsplan vorzugehen ist, ist Tatfrage; die Antwort ist abhängig von der Schwere der Bodenbelastung und der Einschätzung der Bodensanierer: Halten sie nach den Regeln der Technik einen Sanierungsplan für erforderlich, so ist er zu fordern. – Gesetzlich nicht gefordert ist die förmliche Genehmigung des Sanierungsplans durch die Behörde. Dieses erscheint nicht notwendig: Zum einen deshalb, weil die Behörde einen unzureichenden Sanierungsplan zurückweisen und die Erstellung eines neuen Plans verlangen kann; über die rechtliche Zulässigkeit eines derartigen behördlichen Vorgehens mag gestritten werden. Zum anderen fehlt die Genehmigung deshalb, weil sich im Laufe der Sanierung Änderungen ergeben können; auf diese Situation flexibel zu reagieren, muss die Behörde durch Forderung von Anpassungen in der Lage sein, ohne dass frühere Entscheidungen sie binden. Die zweite Stufe ist in Nr. 3 geregelt. Sie geht nicht von einer vollständigen Bodensanierung aus, sondern erlaubt eine Verminderung der Bodenbelastung. Dekontaminationsmaßnahmen gem. Nr. la bestehen in einer Reinigung des Bodens unter Zuhilfenahme der existierenden technischen Verfahren; eine Verminderung der Bodenbelastung bleibt hinter diesem Optimum zurück. Dieses Zurückbleiben hinter dem Optimum soll aus drei Gründen möglich sein: Zunächst aus technischen Gründen; es ist vorstellbar, dass eine optimale Dekontamination nicht möglich ist; wenn das der Fall ist, kann sie auch rechtlich nicht gefordert werden; ein Verwaltungsakt, den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann, ist zudem nichtig gem. § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG. Sodann entfällt die vollständige Dekontamination, wenn sie unzumutbar ist; das ist der Fall, wenn die Kosten für die Dekontamination einer Restverschmutzung zu dem zu erreichenden Umweltschutz außer Verhältnis stehen; wann von dieser Situation auszugehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls und kann nicht abstrakt beantwortet werden; die in den Vorschlag aufgenommene Grenze ist verfassungsrechtlich gefordert. In einem dritten Fall darf von der vollständigen Dekontamination abgesehen werden, wenn deren Durchführung untunlich ist. Ein Beispiel für die Untunlichkeit bildet die geringe Dringlichkeit der Sanierung, etwa das Fehlen einer möglichen Vergiftung des Grundwassers. Keinen Beispielsfall für „untunlich“ bilden finanzielle Fragen: „untunlich“ oder „tunlich“ ist beschränkt auf Probleme, die sich aus der Durchführung der Sanierung als solche ergeben; diese Begriffe haben mit den finanziellen Möglichkeiten des zur Sanierung Verpflichteten nichts zu tun (hiervon ist zu trennen das Problem, wann die Sanierungsgesellschaft nach Maßgabe eines Finanzierungsplans Sanierungen vornimmt). Soweit eine vollständige Dekontamination entfällt, kann die Behörde die in Ansehung der Restvergiftung des Bodens erforderlichen Überwachungs- und Sicherungsmaßnahmen anordnen. Auf der dritten Stufe entfallen Sanierungsmaßnahmen oder Maßnahmen zur Minderung der Bodenbelastung vollständig. Die Gründe, die das Entfallen der Maßnah-

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men rechtfertigen können, sind identisch mit den auf der zweiten Stufe relevanten Gründen. Es können auf dieser Stufe die notwendigen Überwachungs- und Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, um z. B. eine Gefährdung des Grundwassers zu verhindern. Die potentiellen Adressaten einer behördlichen Anordnung, also die aufgrund der materiellen Polizeipflicht Verpflichteten, regelt § 303. Es versteht sich von selbst, dass die Behörde in ihrer Verfügung den sachlichen Umfang des zu Erreichenden festlegt. Sie wird insb. festlegen, dass die in der TABoden festzulegenden Risikowerte unterschritten werden. Ist diese Qualität der Kontamination erreicht, dann mag der Boden immer noch verändert und damit verschmutzt i.S.d. Definition des § 284 Abs. 2 Nr. 1 sein, eine wie auch immer geartete weitere Haftung entfällt dann für die Zukunft. Der Boden ist somit – unter dem Aspekt seiner Verschmutzung – unbeschränkt verkehrsfähig. – Nach allgemeiner polizeirechtlicher Lehre muss die Behörde das Mittel zur Zielerreichung nicht bestimmen; die Auswahl der Sanierungsmethode etc. bleibt dem Verantwortlichen vorbehalten. Eine förmliche Erklärung einer Bodenbelastung zu einer solchen kennt das Gesetz nicht. Sie wird nicht für notwendig gehalten. Das Bodenschutzrecht des Landes Baden-Württemberg kennt eine solche Förmlichkeit ebenfalls nicht. Zu § 303 Verantwortlichkeit § 303 regelt, wer als Adressat von Anordnungen gem. § 302 sowie als Kostenträger in Betracht kommt. Ähnliche Regelungen finden sich in einigen LAbfGen. Absatz 1 enthält die Grundaussage, dass der Verursacher einer Bodenbelastung sanierungspflichtig ist; die Norm regelt mithin die Haftung des Handlungsstörers. Dass der Handlungsstörer haften muss, entspricht dem allgemeinen Polizeirecht. Zur Haftung des Handlungsstörers im Allgemeinen wird auf das polizeirechtliche Schrifttum verwiesen; der Vorschlag geht von den im polizeirechtlichen Schrifttum vorhandenen Erkenntnissen aus. Verursacher einer Bodenbelastung ist folglich derjenige, der in polizeirechtlich zurechenbarer Weise einen Beitrag „geleistet“ hat, der (mit)ursächlich für die Bodenbelastung ist. Dass derjenige, der aufgrund gesetzlicher Vorschriften für das Verhalten des Verursachers einzustehen hat, ebenfalls Verursacher ist, entspricht geltendem Polizeirecht. Insb. ist der Geschäftsherr für den Verrichtungsgehilfen verantwortlich, vgl. §§ 19 PrPVG, 4 Abs. 3 MEPolG. Im geltenden Recht findet sich eine ausdrückliche Regelung der Zusatzverantwortlichkeit des Geschäftsherrn in § 10 Abs. 1 Nr. 1 BaWüBodSchG. Verpflichtet sind ebenfalls die Rechtsnachfolger des Verursachers bzw. desjenigen, den eine Zusatzverantwortlichkeit trifft. Soweit im Schrifttum im Fall der Verhaltenshaftung für den Eintritt der Rechtsnachfolge eine gesetzliche Anordnung gefordert wird, liefert der Vorschlag diese Anordnung. Wann eine Rechtsnachfolge materiell-rechtlich vorliegt, ist eine Frage des bürgerlichen Rechts und muss hier

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nicht beantwortet werden. Die Norm umfasst alle denkbaren Rechtsnachfolgetatbestände. Absatz 2 erfasst die Haftung bestimmter Anlagenbetreiber, wenn in starkem Maße zu vermuten ist, dass der Betrieb der Anlage Ausgangspunkt der Bodenbelastung ist. Die Haftung des Anlagenbetreibers entfällt, wenn er den Nachweis führt, dass der Betrieb der Anlage nicht zu der Bodenbelastung geführt hat. Der Vorschlag enthält folglich insoweit eine Beweislastumkehr. Absatz 3 regelt die Zustandshaftung eines früheren Grundstückseigentümers. Die Haftung ist nicht daran geknüpft, dass der definitive Nachweis geführt wird, dass die Bodenbelastung während der Zeit des Bestehens der Eigentumsposition entstanden ist; insoweit reicht, dass sie „mutmaßlich“ entstanden ist (es spricht alles dafür, kann nur nicht hundertprozentig i.S.d. Naturwissenschaften bewiesen werden). Diese dem geltenden Recht fremde Zustandshaftung (der Vorschlag entfaltet keine Rückwirkung und gilt nur für diejenigen Eigentümer, die ihr kontaminiertes Eigentum nach Inkrafttreten des Vorschlags aufgeben) muss zeitlich begrenzt sein. So wie nach bürgerlichem Recht die Haftung nach 30 Jahren verjährt, muss auch die öffentlich-rechtliche Haftung enden. Absatz 4 regelt die Zustandshaftung. Der Vorschlag entspricht geltendem Recht. Absatz 5 regelt Haftungsbeschränkungen. Das geltende Polizeirecht kennt keine Haftungsbeschränkungen. Dieser Zustand wird in der Literatur oft beklagt. Der Vorschlag geht davon aus, dass die unbegrenzte polizeiliche Haftung im Einzelfall ungerecht sein kann. Insoweit findet sich in Absatz 5 eine echte Neuerung, die einem praktischen Bedürfnis Rechnung trägt. In drei Fällen soll es zu einem Haftungsausschluss bzw. zu einer Haftungsreduzierung kommen, weil der Eintritt der Haftung bzw. der vollen Haftung ungerecht wäre. Die Haftung des Verhaltensstörers entfällt, wenn sie unzumutbar ist. Wann sie unzumutbar ist, ist eine Frage des Vertrauensschutzes. Das Kriterium, anhand dessen sich Vertrauen bilden kann, wird im Vorschlag genannt. Das Vertrauen muss in besonderem Maße schutzwürdig sein. Wann das der Fall ist, kann nicht abstrakt vorhergesagt werden, sondern ist eine Frage des Einzelfalls. Die Norm hat eine Parallele in § 49 Abs. 2 VwVfG. Der Begünstigte eines rechtmäßigen Verwaltungsakts darf das in der Vergangenheit Erlangte behalten; ähnlich soll hier der Zustand gleich bleiben: Sowie im Rahmen von § 49 Abs. 2 VwVfG die Rückgabe entfällt, soll hier die Haftung entfallen. Die Haftung des Zustandsverantwortlichen entfällt bei Unkenntnis der Bodenbelastung. Sie entfällt ferner, wenn der Zustandsverantwortliche die Bodenbelastung nicht kennen musste; davon ist z. B. auszugehen, wenn Gutachten von Geologen das Freisein eines Grundstücks von Bodenbelastungen bestätigen. Diese Ausnahme von der Haftung will den „innocent buyer“ schützen. Der dritte Fall ist kein Fall des Haftungsausschlusses, sondern der Haftungsbegrenzung. Der Umfang der Haftung soll gleich bleiben. Damit wird für einen Grundstückskäufer das Haftungsrisiko überschaubar. Er kann es vertraglich auf den Verkäu-

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fer abwälzen, ohne dass für ihn eine zusätzliche Haftung entsteht. Damit wird der Grundstücksverkehr erleichtert. Zu § 304 Auswahlentscheidung Da gem. § 303 des Vorschlags mehrere potentiell Haftende existieren, besteht für die Behörde die Aufgabe, dann, wenn die Verpflichteten nicht freiwillig sanieren, einen der Verpflichteten heranzuziehen. Der Vorschlag liefert Kriterien, die die Behörde bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen hat. Absatz 1 Satz 1 entspricht geltendem Recht. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, welchen Verantwortlichen sie heranzieht. Mit Blick auf die Ausübung des Ermessens haben sich zu beachtende Regeln herausgebildet (s. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl. 1991, S. 141). Soweit das Gesetz für die Ermessensausübung Aussagen enthält, gehen diese jenen allgemeinen Regeln vor. Satz 2 sagt, dass die Behörde mehrere Verantwortliche gleichzeitig für die Beseitigung der Bodensanierung heranziehen kann. Diese Möglichkeit findet sich ebenfalls im hessischen Recht. In welcher Weise die Behörde Einzelne heranziehen kann, regelt der Vorschlag: nach Maßgabe der Verantwortlichkeit sowie mit Blick auf das Ziel der Maßnahme. Für die Feststellung des Maßes der Verantwortlichkeit ist geregelt das Recht der Behörde, anhand bestimmter Kriterien zu schätzen sowie die Folge, die sich ergibt, wenn nicht geschätzt werden kann. Demnach kann das Maß der Verantwortlichkeit entsprechend bestimmt werden. Satz 5 regelt den Fall, dass es untunlich ist, mehrere Verantwortliche heranzuziehen. Das ist insb. dann anzunehmen, wenn technische Gründe gegen ein solches Vorgehen sprechen. Die Vorschrift ermöglicht es, einen von mehreren Verantwortlichen allein heranzuziehen. Dieser hat einen Anspruch auf einen Ausgleich in Geld gegen die anderen Verantwortlichen. Die Höhe des Anspruchs berechnet sich nach dem Maß der Verantwortlichkeit. Satz 6 erlaubt, dass Anteile an Sanierungsmaßnahmen sowie die Höhe des Geldanspruchs entsprechend dem Maß der Verantwortlichkeit auf Antrag von der Behörde verbindlich festgesetzt werden können. Absatz 2 äußert sich zum Verhältnis von Zustandsstörer zum Handlungsstörer. Er legt fest, dass der Zustandsstörer im Verhältnis zum Handlungsstörer nachrangig haftet. Eine Haftung des Zustandsstörers kommt deshalb regelmäßig („soll“) nur dann in Betracht, wenn die im Vorschlag aufgezählten Härten vorliegen. Die in Absatz 2 enthaltene Nachrangigkeitsregelung gilt gem. Absatz 3 Satz 1 auch im Verhältnis von Verursacher und Rechtsnachfolger. Indes entfällt die Nachrangigkeit, wenn der Rechtsnachfolger die Bodenbelastung kannte oder kennen musste; von einem „Kennen müssen“ ist z. B. auszugehen, wenn eine nahe liegende Bodenuntersuchung unterblieben ist und dafür einsichtige Gründe fehlen. Der Rechtsnachfolger hat dann die für die eigenen Dinge notwendige Sorgfalt nicht aufgebracht; deshalb kann das in Satz 1 ausgesprochene Privileg entfallen.

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Absatz 4 enthält Rechte der Behörde, die notwendig zur Verfügung gestellt werden müssen, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Betroffenen einzuschätzen. Bundesrecht, insb. Grundrechte, stehen den im Vorschlag niedergelegten Handlungsmöglichkeiten nicht entgegen. Zu § 305 Eigenvornahme § 305 legt fest, unter welchen Voraussetzungen die Behörde anstelle von Sanierungspflichtigen selbst tätig werden kann. Der Vorschlag nennt zwei Fälle: die Unmöglichkeit, die Verpflichteten heranzuziehen, oder die Unmöglichkeit, sie rechtzeitig heranzuziehen; der letzte Fall ist nur denkbar, wenn von der Bodenbelastung eine Gefahr für das Grundwasser oder andere Schutzgüter konkret ausgeht. Die Ausnahme des § 305 Abs. 1 darf nicht zur Erleichterung der Verwaltungstätigkeit missbraucht werden. Zur Sanierung sind Private verpflichtet; sie sollen entweder selbst oder mit Hilfe von Dritten die Sanierung vornehmen. Erst dann, wenn dieses nicht geschieht oder zu spät zu geschehen droht (z. B., weil ein Verwaltungsprozess läuft), darf die Eigenvornahme der Behörde an die Stelle privaten Handelns treten. Absatz 2 beantwortet die Kostenfrage. Gem. Satz 2 kann die Behörde auf Antrag die Kostenanteile festlegen. Zu § 306 Entbehrlichkeit anderer Zulassungen Anordnungen nach § 302 kommt eine beschränkte Konzentrationswirkung zu. Wegen des Entfallens anderer behördlicher Entscheidungen sieht die Vorschrift eine Mitwirkung anderer Behörden vor, es sei denn, Gefahr ist im Verzug. Verfahren der Umweltbewilligung und der Planfeststellung bleiben nach Satz 2 unberührt; Entscheidungen aufgrund dieser Verfahren werden deshalb von der Konzentrationswirkung, die Anordnungen nach § 302 zukommt, nicht erfasst. cc) Zur Regelung im Einzelnen: Zum Zweiten Unterabschnitt: Altlasten Zu § 307 Erfassung von altlastenverdächtigen Flächen Die Norm versteht sich von selbst. Entsprechende Vorschriften gibt es in allen Altlastengesetzen. Zu § 308 Feststellen einer Altlast Eine Altlast im Rechtssinn gibt es nur als Folge einer entsprechenden behördlichen Entscheidung. Diese Entscheidung ist nur möglich, wenn die in der Definition gem. § 284 Abs. 5 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Feststellung ist notwendige Voraussetzung für eine behördliche Anordnung gem. §§ 310, 302. Der Vorschlag geht davon aus, dass im Wege der RechtsVO Bewertungskommissionen eingerichtet werden. Deren Vorschläge „soll“ die zuständige Behörde ihre

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Entscheidung über das Vorliegen einer Altlast zugrunde legen; gebunden ist die zuständige Behörde jedoch nicht. Ein Abweichen von der Aussage der Bewertungskommission kommt insb. dann in Betracht, wenn diese die gesetzlichen Aussagen unbeachtet gelassen hat. Mit Blick auf die Einrichtung der Bewertungskommission und die Übertragung von Aufgaben an sie ist die Bundesregierung nicht vollkommen frei. Der Gesetzesvorschlag sieht jedenfalls zwei Aufgaben für sie vor: Die Kommission hat die Aufgabe, festzustellen, ob eine Altlast vorliegt; gem. § 311 Abs. 1 muss sie über die Reihenfolge der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen entscheiden. Der Erlass der RechtsVO ist für die Bundesregierung Rechtspflicht. Zu § 309 Erweiterte Überwachung § 60 enthält eine Vielzahl von Überwachungsmaßnahmen. Von diesen sind einige auch für das Feststellen und die Überwachung von Altlasten bedeutungsvoll. § 63 regelt die überwachungspflichtigen Personen. § 309 erweitert den Kreis der überwachungspflichtigen Personen. Gegen diese kann deshalb z. B. die Einsichtnahme in Unterlagen angeordnet werden. Zu § 310 Geltung weiterer Vorschriften § 310 erklärt das gesamte Bodensanierungsrecht für anwendbar. Das ist konsequent, weil sich das Altlastensanierungsrecht als ein zeitlich begrenzter Unterfall des Bodensanierungsrechts darstellt. Auf die Ausführungen zu den §§ 302 – 306 kann verwiesen werden. „Altlastenfrei“ ist ein Grundstück, wenn bodengefährliche Stoffe nur noch in dem Umfang vorhanden sind, dass von ihnen ein Umweltrisiko nicht mehr ausgeht. Hervorzuheben ist, dass mit Blick auf die Altlasten Verantwortlicher i.S.d. § 302 auch der Abfallerzeuger ist, ebenso der Ablagerer sowie sonstige Personen, wenn sie i.S.d. Polizeirechts zurechenbar zur Entstehung der Altlast beigetragen haben. Zu § 311 Altlastensanierungsgesellschaft Der Vorschlag geht in Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis der Altlastensanierung davon aus, dass in bestimmten – aufgezählten – Fällen die private Sanierung entfällt. In diesen Fällen muss die öffentliche Hand die Gefahrenbeseitigung vornehmen. Für diese Aufgabe ist, wie in einigen Bundesländern bereits geschehen, eine Altlastensanierungsgesellschaft zuständig. Soweit eine solche Gesellschaft noch nicht existiert, ist sie zu gründen. Die Altlastensanierungsgesellschaft kann nur entsprechend der ihr zur Verfügung stehenden Mittel Sanierungen vornehmen. Mittel enthält sie aus dem Landeshaushalt und auf der Basis von Landesgesetzen. Kraft Bundesrecht steht ihr ein Anteil aus dem Aufkommen der Abfallabgabe zu (§ 595 Abs. 1 Nr. 4). Da es sich bei ihr um eine Lenkungsabgabe handelt, deren Aufkommen sich im Laufe der Zeit verringert, haben die

D. Entwurf eines Bodenschutzgesetzes als Teil eines Umweltgesetzbuchs

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Länder sicherzustellen, dass den Altlastensanierungsgesellschaften genügend finanzielle Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgabe zur Verfügung stehen. Neben den in Absatz 1 genannten Fällen regeln die Sätze 2 und 3 weitere Fälle von Handlungsmöglichkeiten. Im Vordergrund steht, dass weitere Umweltschäden, welche durch Verzögerungen bei der Durchführung der Sanierung entstehen können, durch schnelles Arbeiten zu verhindern sind. Absatz 2 räumt den Ländern bei der Bestimmung des Trägers der Altlastensanierung große Entscheidungsfreiheit ein. Das Gesetz nimmt auf die insoweit vielfältig differenzierte Praxis Rücksicht. Es versteht sich von selbst, dass zum Träger nur derjenige bestimmt werden kann, der bestimmte qualitative Anforderungen erfüllt; § 159 BauGB nennt Voraussetzungen für einen Sanierungsträger, die auch für den Träger der Altlastensanierung gelten könnten. Es fehlt insoweit jedoch ein Vorschlag, weil die Länder im Rahmen der Einsetzung des Trägers überprüfen können, ob er für die Arbeit geeignet ist. Das Prüfungsprogramm, das sich die Länder vorgeben, versteht sich von selbst. Weil sie es selbst vollziehen, besteht eine Differenz zu §§ 157 f. BauGB. Diese Differenz erforderte die Nennung der Kriterien im BauGB und gestattet es, hier Kriterien in das Gesetz aufzunehmen. Die Altlastensanierungsgesellschaften handeln privatrechtlich. Falls es notwendig sein sollte, Verfügungsberechtigte dazu zu zwingen, die Durchführung der Sanierung zu gestatten, kann eine Duldungsverfügung auf der Grundlage des einschlägigen Landesrechts ergehen. Es ist selbstverständlich, dass sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritte beauftragen können. Sie können ebenso Gesellschaften gründen oder sich an bestehenden Gesellschaften beteiligen. Sie haben ohne weiteres das Recht, die zu sanierenden Grundstücke zu erwerben; eine Aufnahme dieser Aussage in den Gesetzestext erscheint überflüssig. 4. Zum Vierten Abschnitt: Gemeinsame Vorschriften Zu § 312 Festsetzung von Risiko- und Gefahrenwerten Wie bereits dargelegt (Vorbemerkungen I 3 b) aa), besitzt der Bund die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass eines vollständigen BodSchG. Deshalb hat der Bund auch das Recht, Risiko- und Gefahrenwerte festzulegen. In der Begründung zum zehnten Kapitel des Allgemeinen Teils war dieses Recht bezweifelt worden (S. 466). Diese Zweifel dürften ausgeräumt sein. Die Norm enthält die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer TA-Boden. Sie hat nach Risiko- und Gefahrenwerten zu differenzieren. Gesicherte Werte sind in einer RechtsVO, ungesicherte in einer Verwaltungsvorschrift festzulegen. Die festzulegenden Werte können differieren nach Böden unterschiedlicher Art und Nutzung. Die Erkenntnisse von Bodenkundlern haben in diesen Unterscheidungen aufzugehen.

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D. Entwurf eines Bodenschutzgesetzes als Teil eines Umweltgesetzbuchs

Zu § 313 Ordnungswidrigkeiten Es fehlt eine Vorschrift, die die Anwendung nicht zugelassener Pflanzenschutzmittel pönalisiert. Eine solche Vorschrift findet sich im Stoffrecht. Zu Absatz 1 und 2 gibt es im geltenden Recht keine Parallele. Die Absätze fassen die Tatbestände zusammen, die als bußgeldwürdig angesehen werden. Absatz 3 und 4 sind inhaltsgleich den übrigen Ordnungswidrigkeitsvorschriften des Gesetzes (§§ 219, 282, 376, 438, 558 und 597). Der Bußgeldrahmen ist im UGB-ProfE einheitlich geregelt. Hinzuweisen ist auf die nach § 17 Abs. 4 OWiG vorhandene Möglichkeit, den wirtschaftlichen Vorteil mit abzuschöpfen, den ein Täter als Folge des Verstoßes gegen einen Ordnungswidrigkeitentatbestand erlangt hat. Einen Straftatbestand betreffend die Bodenverunreinigung enthält das Gesetz nicht. Ein Straftatbestand soll, wie alle umweltrelevanten Straftatbestände, in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden.

E. Rechtliche Aspekte der Altlastensanierung .

I. Einführung „Altlasten“ sind unter dem Aspekt langfristiger Umweltveränderungen ein nicht zu übersehender Problembereich. I.F. geht es um die Möglichkeiten des rechtlichen Umgangs mit diesem Phänomen. Das Umweltschutzrecht kann man von zwei unterschiedlichen Punkten aus konstruieren: medienbezogen und stoffbezogen. Der „mediale“ Ansatz hat die Umweltmedien Wasser, Luft und Boden im Blick, der „stoffbezogene“ die Verhinderung von Gefahren durch gefährliche Stoffe. Das Bodenschutzrecht ist „medial“; es will einerseits den Landverbrauch einschränken, andererseits den Boden vor Belastungen schützen. Schutz des Bodens vor Belastungen ist reaktiv: Beseitigung von vorhandenen Belastungen – sowie präventiv: Verhinderung zukünftiger Belastungen ist vorstellbar. Altlastenrecht ist Schutz des Mediums Boden durch Bereitstellung von Handlungsmitteln, die vorhandene Belastungen zu beseitigen erlauben. – Damit reagiert Altlastenrecht auf die „Sünden der Vergangenheit“. Es ist „Reparaturrecht“. Sein Beitrag zum Schutz der Umwelt besteht darin, zu ermöglichen, einen Zustand wiederherzustellen, der bestünde, wenn in der Vergangenheit ein sorgloser Umgang mit dem Boden unterblieben wäre. Einen darüber hinausgehenden Beitrag zur Bewahrung der Umwelt leistet es nicht. Diesen präventiven Schutz müssen andere Teile des Bodenschutzrechts bringen. Alle rechtlichen Aspekte der Altlastenproblematik in einem solch knappen Beitrag darzustellen, ist unmöglich. Deshalb werden einige Aspekte aus dem Themenkreis herausgegriffen und anhand von vier Gliederungspunkten behandelt: 1. Problemlösung auf der Grundlage des Landespolizeirechts, 2. Problemlösung auf der Grundlage von speziellem Landesaltlastensanierungsrecht, 3. Problemlösung auf der Grundlage des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten des Bundes (i.F. abgekürzt: EBodSchG) und 4. Problemlösung auf der Grundlage des sog. UGB-ProfE. Der Grund für die Wahl dieses Schemas liegt darin, dass sich durch diese vierstufige Betrachtung zeigen lässt, ob und wie der Gesetzgeber auf tatsächliche Probleme reagiert und ob seine Problemlösung der Analyse unabhängiger Betrachter standhält. Zugleich erlaubt es, die Entwicklung des Altlastensanierungsrechts im Allgemeinen

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E. Rechtliche Aspekte der Altlastensanierung

vorzuführen. Mit diesem Punkt möchte ich beginnen – also die Entstehungsgeschichte meines Behandlungsschemas darstellen.

II. Die Entwicklung des Altlastenrechts Die heute mit dem Schlagwort „Altlast“ bezeichnete Problematik stellte sich erstmals Anfang der 80er Jahre. Man entdeckte, dass von stillgelegten Abfalldeponien und von Berghalden Gefahren für die Menschen und die Umwelt ausgingen. Durch diese Fälle aufgeschreckt, begann eine intensive behördliche Suche nach vergleichbaren Bodenvergiftungen. Die Suche beschränkte sich nicht auf Deponien und ähnliche Phänomene, sondern erweiterte sich auf industrielle Standorte. Sie ist bis heute nicht abgeschlossen. Parallel zur Suche in tatsächlicher Hinsicht entwickelte sich die rechtliche Diskussion. Die sich stellende Frage lautete: Wer ist verpflichtet, die Gefahrenbeseitigung durchzuführen und sie zu bezahlen? Da ein auf dieses Phänomen zugeschnittenes Spezialrecht fehlte, musste sich die Diskussion zwangsläufig auf das allgemeine Gefahrenabwehrrecht konzentrieren. Das allgemeine Gefahrenabwehrrecht ist normiert in den Landespolizeigesetzen. Es hatte Antworten auf die aufgeworfenen Fragen zu liefern. Das Polizeirecht erlebte – wie treffend herausgestellt wurde – eine Renaissance. Die wichtigsten aufgeworfenen Fragen waren und sind: 1. Was ist eine Altlast? Schützt das polizeirechtliche Schutzgut „öffentliche Sicherheit“ den Schutz des Bodens vor einer Verunreinigung? 2. Wenn ein Verdacht auf eine Altlast vorliegt – wer muss erforschen, ob eine konkrete Gefahr gegeben ist, und wer muss die Kosten für die Gefahrerforschung tragen? Muss der Bürger dulden, dass auf seinem Grundstück z. B. Bohrungen vorgenommen und Bodenproben gezogen werden? 3. Wenn eine Altlast festgestellt wird – wer ist zur Sanierung verpflichtet? Was ist, wenn der Verursacher der Altlast nicht mehr existiert – sei es, dass er als natürliche Person gestorben oder als juristische Person als Folge eines Konkurses oder als Folge einer Firmenübernahme nicht mehr vorhanden ist? Gibt es insoweit eine Rechtsnachfolge? 4. Was ist, wenn mehrere Haftende vorhanden sind – darf die Behörde denjenigen als Sanierungspflichtigen wählen, von dem sie vermutet, dass er finanziell am stärksten ist, auch wenn er, etwa als Zustandsstörer, an der Verursachung der Altlast unbeteiligt ist? 5. Wenn ein Verursacher als Haftender greifbar ist – gibt es Haftungsbeschränkungen? Gibt es Haftungsbeschränkungen für den ahnungslosen Grundstückserwerber? 6. Wenn eine Sanierungspflicht eines Privaten besteht – wie weit reicht sie? Ist insb. auch eine Rekultivierungspflicht durch das Polizeirecht abgedeckt?

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7. Was geschieht, wenn Private als Sanierer, aus welchen Gründen auch immer, ausfallen? Ist die öffentliche Hand zur Sanierung verpflichtet und, wenn ja, auf welche Weise finanziert sie ihre Arbeit? Die gerade aufgeführten Fragen sind auf der Grundlage des öffentlichen Rechts zu beantworten. Die Altlastenproblematik hat aber auch eine zivilrechtliche Dimension. Diese zeigt sich bei folgender Situation: Ein Bürger erwirbt ein Grundstück. Mehrere Jahre nach dem Erwerb stellt sich heraus, dass der Boden kontaminiert ist; Verursacher der Kontamination war der Veräußerer. Kann der Erwerber von dem Veräußerer Schadenersatz für die Dekontaminationsmaßnahmen verlangen? – Eine weitere Situation: A betreibt eine Deponie. B und C liefern vertragswidrig kontaminierte Abfälle auf die Deponie. A saniert und fordert von B erfolgreich die gesamten Sanierungskosten. Kann B von C den Anteil des C an den Sanierungskosten verlangen? Wie man sich unschwer vorstellen kann, verlief die Problemdiskussion im öffentlichen Recht außerordentlich kontrovers. Das Polizeirecht liefert an sich klare Antworten auf die meisten Fragen; diese gerieten freilich in den Streit der unterschiedlichen Interessen und wurden zerredet. Dem konnte der Gesetzgeber nicht tatenlos zusehen. Er musste Antworten geben, um unter Beweis zu stellen, dass das Recht die von ihm erwartete Aufgabe erfüllt. Es handelte aber nicht der Bundesgesetzgeber; dieser bezweifelte seine Gesetzgebungskompetenz. Es handelten die Landesgesetzgeber. Diese erfüllten die Aufgabe außerordentlich unterschiedlich. Sie normierten ein Altlastensanierungsrecht in den LAbfGen – hier wohl mangels einer Alternative; denn eine Altlast ist kein Abfall i.S.d. § 1 Abs. 1 AbfG. Einige Landesgesetze enthalten ein vollständiges Sanierungsrecht; es antwortet auf alle eben aufgeworfenen Fragen. Es geht als lex specialis dem allgemeinen Polizeirecht vor; ein Rückgriff auf dieses ist rechtlich weder nötig noch möglich. Dieses Spezialrecht enthält folgende Aussagen: Eine Altlastdefinition, ein Gefahrerforschungsrecht, das Recht der katastermäßigen Erfassung von Altlasten, eine Ermächtigungsgrundlage für das Aussprechen von Sanierungspflichten als solchen und den Umfang der vorzunehmenden Sanierung, eine Regelung des zur Sanierung Verpflichteten, also die sog. Störerauswahl, die Kostentragung und Grenzen der Haftung sowie eine Regelung des zur Sanierung Verpflichteten und seine Finanzierung, wenn Private als Sanierungspflichtige ausfallen, weil sie nicht mehr existieren oder die Sanierungskosten nicht aufbringen können. Einige Bundesländer haben Teile des gerade dargelegten Regelungsprogramms erlassen. Beim Fehlen einer Problemlösung ist auf das Polizeirecht des Bundeslandes zurückzugreifen. Dessen Leistungsschwäche wird also tradiert. Die unterschiedliche Regelungsintensität der Landesgesetze führt zu einem unterschiedlichen Altlastenrecht in den einzelnen Bundesländern. Diese Situation ist unbefriedigend und eine bundeseinheitliche Lösung ist gefragt. Der Bund ist für die Lieferung dieser Antwort kompetent und hat einen Entwurf vorgelegt. Das bundes-

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einheitliche Altlastensanierungsrecht bildet einen Teil des Bodenschutzrechts des Bundes. Unabhängig von politischen Eigengesetzlichkeiten haben im Auftrag des Bundesministers für Umwelt acht Professoren den Entwurf eines UGB-BT erarbeitet. Er enthält im 3. Kapitel Normen zum Thema Bodenschutz und behandelt auch die Altlastensanierung. Der Entwurf wurde Anfang 1994 nach Abschluss der technischen Umsetzung – das Manuskript umfasst weit mehr als 1000 Seiten; einschließlich des UGB-AT (169 Paragraphen) 598 Paragraphen und ihre Begründungen – dem Bundesminister für Umwelt vorgelegt. An diesen Regelungen wird das vorhandene Recht jeweils abschließend bewertet.

III. Lösung ausgewählter Probleme durch unterschiedliche Gesetze bzw. Gesetzentwürfe Nach der Vorstellung der legislatorischen Entwicklung des Altlastensanierungsrechts und zugleich der Vorstellung der eingangs erwähnten vier Stufen folgen die behandelten Probleme: 1. Altlastdefinition, 2. Gefahrerforschungsrecht, 3. Ermächtigungsgrundlage, 4. Umfang der Sanierung, 5. Störerauswahl und Haftungsbeschränkung, 6. Altlastensanierung durch die öffentliche Hand.

1. Altlastdefinition In Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung war früher ein unterschiedlicher Gebrauch des Begriffs „Altlast“ zu beobachten; zitiert wird je ein Beispiel für einen „weiten“ und einen „engen“ Begriffsgebrauch. Altlast i.w.S. meint jede in der Vergangenheit begründete Umweltbelastung; dieses Verständnis verwendete ein nordrheinwestfälischer Ministerialerlass. Natürlich ist dieses Begriffsverständnis als Anknüpfungspunkt für Rechtsfolgen ungeeignet. Die z. Z. stattfindende Diskussion versteht den Begriff deshalb enger; Altlast sei eine Boden- und Gewässerschädigung oder Boden- und Gewässergefährdung aufgrund früherer menschlicher Aktivitäten. Soweit in Landesgesetzen eine Definition des Begriffs „Altlast“ vorhanden ist, wird dieses enge Begriffsverständnis zugrunde gelegt. § 16 HessAbfAG geht davon aus, dass zum Begriff Altlast stillgelegte Deponien (Altablagerungen) und Altstandorte zählen; die Begriffe Altablagerung und Altstandort werden definiert. Altlasten sind Flächen von Altablagerungen und Altstandorten, wenn festgestellt ist, dass von ihnen

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wesentliche Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit ausgehen. Ähnliche, z. T. noch detailliertere Regelungen finden sich z. B. in Nordrhein-Westfalen. Kaum anders definiert § 3 Abs. 3 EBodSchG den Begriff. § 284 Abs. 4 UGBProfE hat die Definition des Landes Nordrhein-Westfalen übernommen. Die jüngere Literatur bedient sich dieses Begriffsverständnisses ebenfalls. Mit Blick auf die Altlastdefinition gibt es keine Probleme. Heute haben alle mit dem Phänomen Altlast Befassten das gleiche Ausgangsverständnis. 2. Gefahrerforschungsrecht a) Polizeirecht Erster Schritt im Rahmen der vielen Schritte, die eine Altlastensanierung auslöst, ist die Gefahrerforschung aufgrund eines Gefahrenverdachts. Es ist zu ermitteln, ob eine konkrete Gefahr vorliegt. Die Maßnahmen Untersuchung und Beobachtung einer potentiellen Altlast werden, soweit Rechte Dritter berührt werden können, dem Begriff Gefahrerforschung subsumiert. Die zur Gefahrerforschung notwendigen drittbelastenden Maßnahmen (Betreten eines Grundstücks, Probeentnahme) erlaubt das Polizeirecht. Es enthält die ungeschriebene Ermächtigungsgrundlage Gefahrerforschungseingriff. Die Aufklärung des Sachverhalts ist Pflicht der Behörde. Soweit es sich um die Ermittlung eines Sachverhalts handelt, etwa um die Prüfung, ob eine zu beseitigende Störung überhaupt gegeben ist, sieht das Gesetz vor: Im Vordergrund steht die Ermittlung von Amts wegen (Amtsermittlung), die nur in bestimmtem Umfang durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten ergänzt wird. Der Bürger hat lediglich die von der Behörde vorzunehmenden Maßnahmen zu dulden. Daraus folgt, dass der Bürger bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer Altlast von sich aus keine Erforschungen veranlassen muss. Nach der Rechtsprechung einiger OVG soll der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück aber verpflichtet sein, z. B. vorläufige Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen. Wenn Gefahrerforschungsmaßnahmen vorgenommen werden, stellt sich die Frage der Kostentragung. Die Antwort ist von großer Tragweite, da die Kosten für eine Untersuchung, Beobachtung und Beurteilung sehr hoch sein können. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist nicht der Bürger, sondern die Behörde kostentragungspflichtig. Begründet wird die These damit, dass sie Folge der Trennung zwischen der Ermittlung einer Gefahrenlage und Maßnahmen zu ihrer Beseitigung sei. Dieses Ergebnis nimmt die Rechtsprechung nicht hin. Wird eine Gefahr erkannt, so hat nach der Judikatur der Störer die Kosten zu tragen. Die Kostentragungspflicht entfällt nur dann, wenn der Nachweis einer Gefahr nicht geführt wird.

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b) Landesrecht Landesrechtliche Regeln normieren die Gefahrerforschung detailliert. So bestimmt z. B. nach § 17 Abs. 2 HessAbfAG die zuständige Behörde im erforderlichen Umfang Maßnahmen zur Untersuchung von Art, Umfang und Ausmaß der Verunreinigungen, die von altlastenverdächtigen Flächen ausgehen (Erstuntersuchung); als Untersuchungsmaßnahmen können insb. die Entnahme und Untersuchung von Luft-, Wasser- und Bodenproben sowie die Errichtung und der Betrieb von Kontrollstellen angeordnet werden. Das Gesetz geht davon aus, dass die Erstuntersuchung der Bürger selbst vornimmt. Eine behördliche Untersuchung kommt erst in zweiter Linie in Betracht. Darin liegt eine wichtige Differenz zur polizeirechtlichen Lösung. Wenn eine behördliche Untersuchung vorgenommen wird, sind nach § 19 Bedienstete und andere von der zuständigen Behörde beauftragte Personen berechtigt, Altlasten und altlastenverdächtige Flächen, Betriebsgrundstücke, Grundstücke in der Umgebung und im Einwirkungsbereich von Altlasten und altlastenverdächtigen Flächen zu betreten und erforderliche Prüfungen und Messungen vorzunehmen. Grundstückseigentümer und Nutzungsberechtigte sind verpflichtet, Überwachungsmaßnahmen zu dulden und den Zugang zu den Grundstücken, Betriebsgebäuden und Anlagen zu ermöglichen. Das hessische Recht regelt auch die Kostenpflicht. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 HessAbfAG trägt der Verantwortliche – das ist der für die Sanierung der Altlast Verantwortliche – die Kosten der Erstuntersuchung. Mit Blick auf die Kostentragung geht dieses Gesetz also weiter als das allgemeine Polizeirecht; die Kosten der Erstuntersuchung muss der Verantwortliche auch dann tragen, wenn sich der Gefahrverdacht als unbegründet erweist. Ein Beispiel für eine unvollständige Regelung des Gefahrerforschungsrechts bildet das Recht von Mecklenburg-Vorpommern. § 23 AbfAlG M-V regelt die Einrichtung eines Altlastenkatasters; die Norm regelt ferner, wer diesem Kataster gegenüber mitteilungspflichtig ist; schließlich regelt § 24 die Überwachung der Altlasten durch die zuständige Behörde. Alles andere fehlt. Deshalb erfolgen konkrete Gefahrerforschungsmaßnahmen auf der Basis des Polizeirechts. Da dieses detaillierte Aussagen nicht enthält, kann Unsicherheit entstehen, die vermieden worden wäre, wenn das Gesetz die Einzelheiten normiert hätte. Warum Einzelheiten fehlen, vermag ich nicht zu sagen. Die Gesetzgebungsmaterialien schweigen.

c) Entwurf eines Bodenschutzgesetzes Der EBodSchG enthält in § 17 i.V.m. § 12 eine sehr detaillierte Regelung des Problems. Danach kann bei einer altlastverdächtigen Brache die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen treffen, um altlastverdächtige Flächen zu erfassen, zu untersuchen und zu bewerten. Im Rahmen der Bewertung sind insb. Art und Konzentration der Schadstoffe, ihre räumliche Verteilung im Boden, die Möglichkeit einer Ausbreitung in die Umwelt und deren Aufnahme durch Menschen, Tiere und Pflanzen

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sowie die frühere und derzeitige Bodennutzung zu berücksichtigen. – Während nach hessischem Recht die Untersuchungen die zuständige Behörde vornehmen kann, muss nach § 12 des EBodSchG entweder der Verursacher sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück die Untersuchungen zur Ermittlung von Art, Umfang und Ausmaß der Veränderungen durchführen; er kann verpflichtet werden, Sachverständige mit dieser Untersuchung zu beauftragen. Die zuständige Behörde untersucht niemals selbst. Ausgeschlossen ist natürlich nicht, dass eine Behörde auf der Grundlage von § 24 VwVfG von Amts wegen ermittelt (sie trägt dann aber die Kosten selbst). – Insoweit liegt gegenüber dem einschlägigen Landesrecht eine signifikante Veränderung vor. Kostentragungspflichtig ist der zur Untersuchung Verpflichtete nach § 25 Abs. 1. Wenn ich den Entwurf richtig verstehe, tritt die Kostentragungspflicht auch dann ein, wenn der Verdacht sich als unbegründet erweist. Insoweit besteht Parallelität zum hessischen Recht. Genauso wie dieses geht der Entwurf über das geltende Polizeirecht hinaus. d) Professorenentwurf eines Bodenschutzgesetzes Nach dem UGB-ProfE ist die zuständige Behörde überwachungspflichtig. Neben ihrer Überwachungspflicht besteht eine besondere Eigenüberwachung, § 294. Nach ihr kann die zuständige Behörde von dem Überwachungspflichtigen die Entnahme und Analyse von Stichproben im angemessenen Umfang verlangen. Ferner können unter bestimmten Voraussetzungen flächendeckende Bodenuntersuchungen gefordert werden. Behörde und Bürger sind nebeneinander zur Durchführung der notwendigen Maßnahmen zuständig. § 294 Abs. 3 enthält eine vom Polizeirecht sowie vom einschlägigen hessischen Recht und dem EBodSchG abweichende Kostenregelung. Die Norm geht davon aus, dass bei einer negativen Analyse die zuständige Behörde die Kosten der Probeentnahme und der Analyse trägt; dieses entspricht Polizeirecht. Sodann kann bei Vorliegen einer Bodenbeeinträchtigung die zuständige Behörde dem Verursacher die Kosten der Probeentnahme und der Analyse auferlegen; sie muss es aber nicht: insoweit besteht Ermessen. Im Fall einer Bodenbelastung sind dem Verursacher die Kosten aufzuerlegen; diese Pflicht ist unbedingt. Bei einer Gefahr trägt der Zustandsverantwortliche die Kosten für die Probeentnahme und die Analyse nur dann, wenn ein Verhaltensverantwortlicher nicht vorhanden oder zahlungsunfähig ist und wenn ferner dem Zustandsverantwortlichen die Kostentragung zumutbar ist. Die Verhaltenshaftung ist gegenüber der Zustandshaftung vorrangig. An der Zumutbarkeit der Kostentragung fehlt es bei einem „unschuldigen Käufer“. Diese Regel erscheint sachgerecht, um ahnungslose Käufer von Grundstücken nicht über die Kosten für Gefahrerforschungsmaßnahmen zu ruinieren. Dieses Argument ist insb. dann schlagkräftig, wenn der Käufer Kosten für Gefahrerforschungsmaßnahmen nicht (mehr) nach Zivilrecht zurückfordern kann, etwa wegen der kurzen Verjährungsfrist von sechs Monaten (§ 477 Abs. 1 BGB).

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e) Bewertung Es ist m. E. akzeptabel, von dem Prinzip des Polizeirechts abzurücken, dass allein die Behörde den Gefahrerforschungseingriff vornimmt. Angesichts der unüberschaubar großen Zahl von Altlastverdachtsflächen müsste ein großer Mitarbeiterstab aufgebaut werden, um die Probleme zu bewältigen. Dieses ist nicht nötig, da mittlerweile für die Aufgabe Altlasterforschung spezialisierte Ingenieurbüros existieren, die diese Arbeit durchführen können. Ob diese Büros die Behörde selbst oder der Bürger beauftragt, hat Folgen für die Bezahlung der Arbeit: Eine Behörde ist immer zahlungsfähig; von ihr beauftragt zu werden, ist deshalb risikolos. Der Entwurf des Bundes überträgt das Risiko der Illiquidität des sanierungspflichtigen Bürgers den untersuchenden Firmen. Dieses entspricht der Risikoverteilung der bürgerlichen Gesellschaft. Diese Risikoverteilung kann m. E. im Interesse des Umweltschutzes aufgelockert werden, damit die notwendigen Untersuchungen überhaupt durchgeführt werden und nicht infolge der Ablehnung eines Auftrags wegen befürchteter Zahlungsunfähigkeit unterbleiben. Der UGB-ProfE ist mit Blick auf die Kostenverteilung gegenüber dem hessischen Recht und dem Entwurf eines Bundesgesetzes zurückhaltender. Diese Zurückhaltung ist angemessen. Der Unschuldige muss davor geschützt werden, mit Kosten belastet zu werden, zu deren Entstehung er keinen Anlass gegeben hat. Die Zurückhaltung entspricht partiell dem Polizeirecht. Es besteht m. E. kein Anlass dazu, über das Polizeirecht, das mit Blick auf den Zustandsstörer m. E. zu weit geht, hinauszuschießen. Dass dem so sein sollte, dafür ein Beispiel: Man stelle sich vor, ein Grundstückseigentümer wird von einem missliebigen Nachbarn denunziert. Wenn die zuständige Behörde daraufhin Untersuchungen anordnet, muss nach hessischem Recht der denunzierte Bürger die Kosten tragen; das gleiche gilt nach dem EBodSchG. Dieses Ergebnis kann nicht vernünftig sein. Das Recht muss den Bürger davor schützen, durch denunzierende Nachbarn ruiniert zu werden. 3. Ermächtigungsgrundlage a) Polizeirecht Die polizeirechtliche Generalklausel bildet die Ermächtigungsgrundlage für die Verfügung der zuständigen Behörde, die Gefahr zu beseitigen. Der Schutz des Bodens bildet heute ein Schutzgut der polizeilichen Generalklausel. Ob eine Sanierungsverfügung ausgesprochen wird, liegt im Ermessen der Behörde. Mit diesem Ermessen ist nicht die Möglichkeit verbunden, dass eine notwendige Sanierung unterbleibt. Der Grund dafür liegt in Folgendem: Die Pflicht zur Beseitigung einer Altlast besteht bereits kraft der sog. materiellen Polizeipflicht. Die materielle Polizeipflicht beinhaltet die Pflicht eines jeden, diejenigen Dinge, die seiner tatsachlichen Gewalt unterliegen, gefahrenfrei zu halten. Deshalb ist zumindest der sog. Zustandsstörer zur Beseitigung der Altlast verpflichtet, ohne dass es darauf ankommt, von der zuständigen Behörde

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zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet zu werden. Die Anordnung zur Beseitigung der Altlast als solche wiederholt deshalb nur, was schon Rechtspflicht ist. Sie hat insoweit deklaratorische Wirkung. Das der zuständigen Behörde eingeräumte Ermessen bezieht sich auf die Anordnung des zu wählenden Mittels zur Zweckerreichung. b) Landesrecht Das hessische Recht enthält eine Ermächtigung für das Aussprechen von Sanierungsverfügungen. Es besteht eine unbedingte Rechtspflicht, eine Sanierungsverfügung zu erlassen. Nach dem gerade zur materiellen Polizeipflicht Festgestellten muss die zuständige Behörde den Pflichtigen unbedingt an seine Sanierungspflicht erinnern. Im Interesse der Rechtsklarheit könnte man in dieser Rechtspflicht einen Fortschritt sehen, muss es aber nicht. Das Recht von Mecklenburg-Vorpommern enthält keine Ermächtigungsgrundlage. In diesem Bundesland sowie in allen weiteren Bundesländern, in denen eine Ermächtigungsgrundlage fehlt, ist auf die polizeiliche Generalklausel zurückzugreifen. Es gilt das zuvor zum Polizeirecht Gesagte. c) Entwurf eines Bodenschutzgesetzes Nach § 18 Abs. 1 besteht eine unbedingte Rechtspflicht der Polizeipflichtigen, Altlasten zu beseitigen. Diese Norm stellt dasjenige ausdrücklich fest, was kraft der materiellen Polizeipflicht ohnehin gilt; sie hat folglich keinen konstitutiven, sondern deklaratorischen Charakter. Eine Ermächtigungsgrundlage zum Aussprechen von Sanierungsverfügungen findet sich in § 24 Satz 1. Diese Norm räumt der zuständigen Behörde Ermessen ein. Dieses Ermessen kann sich nach dem zuvor Gesagten nur auf die Mittel zur Zweckerreichung beziehen. d) Professorenentwurf eines Bodenschutzgesetzes § 302 UGB-ProfE enthält eine Ermächtigungsgrundlage. Sie räumt der zuständigen Behörde Ermessen ein. Aufgrund der Lehre von der materiellen Polizeipflicht bezieht sich dieses Ermessen nur auf die Wahl der Mittel für die Zweckerreichung. § 302 UGB-ProfE enthält eine Aufzählung denkbarer Mittel zur Durchführung einer Altlastensanierung. e) Bewertung Für die materielle Pflicht zur Sanierung besteht kein Unterschied in den verschiedenen Normen. Die unterschiedliche Ausführlichkeit der Normen hat lediglich deklaratorischen Charakter.

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4. Umfang der Sanierung a) Polizeirecht Von den Maßnahmen, die eine Totalsanierung erfasst, können aufgrund des Polizeirechts nur diejenigen Handlungen verlangt werden, die zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderlich sind. Damit entfallen die Rekultivierung des gereinigten Bodens sowie Maßnahmen umweltrechtlicher Vorsorge als durch das Polizeirecht abgedeckt. Das Polizeirecht kann also keinen optimalen Beitrag zur Altlastensanierung leisten. Für eine optimale Altlastensanierung ist der Erlass spezieller Normen notwendig. b) Landesrecht Die Behörde legt den Sanierungsumfang der festgestellten Altlast fest. Sie kann die Aufstellung eines Sanierungsplans verlangen, der enthält: 1. Maßnahmen zur Verhütung, Verminderung oder Beseitigung von Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit durch die Altlast sowie 2. Maßnahmen zur Wiedereingliederung von Altlasten in Natur und Landschaft, also: Sicherungs- und Dekontaminationsmaßnahmen sowie Rekultivierungsmaßnahmen. Die zuständige Behörde muss den Sanierungsplan genehmigen. Das Recht von Mecklenburg-Vorpommern schweigt zu diesem Komplex. Es kann in diesem Bundesland also nur das gefordert werden, was das Polizeirecht erlaubt. Freilich gibt es für Abfalldeponien, die vor dem 1. 7. 1990 stillgelegt worden sind, in § 21 die Verpflichtung zur Rekultivierung. Hier stellt sich angesichts des Umstands, dass das Gesetz am 5. 8. 1992 in Kraft getreten ist, die Frage, ob diese Rekultivierungspflicht rückwirkend angeordnet werden kann. Dieses Problem stellt sich auch für andere landesrechtliche Normen, die die Altlastensanierung betreffen. Das Problem kann hier nicht ausführlich erörtert werden. Es sei hingewiesen auf die Ergebnisse eines vom Autor verfassten Aufsatzes (NVwZ 1993, 958 ff.): Die Inanspruchnahme zur Rekultivierung eines privaten Rechtsnachfolgers eines ehemaligen Betreibers einer Deponie ist nicht möglich, weil das Recht der DDR eine Rekultivierungspflicht nicht für den Betreiber anordnete, sondern nur für den Folgenutzer. Damit ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass Länder oder Kommunen als Rechtsnachfolger ehemaliger staatlich betriebener Deponien zur Rekultivierung verpflichtet sind. c) Entwurf eines Bodenschutzgesetzes § 18 Abs. 1 Satz 2 stellt fest, dass bei stofflichen Belastungen neben Dekontaminations- auch gleichwertige Sicherungsmaßnahmen in Betracht kommen können. Soweit solche Maßnahmen nicht möglich oder unzumutbar sind, sind sonstige Sicherungs- und Beschränkungsmaßnahmen zu ergreifen. Ferner haben die Verpflich-

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teten nach § 18 Abs. 3 Folgenbeseitigungsmaßnahmen durchzuführen. Sie betreffen zum einen Schäden, die durch die Sanierungsmaßnahmen selbst entstehen, zum anderen ist der Zustand wiederherzustellen, wie er vor der Einwirkung auf den Boden bestand. Die am Standort zu diesem Zeitpunkt bestehende Nutzung und die vorhandene Vegetation bestimmen die Reichweite der durchzuführenden Folgenbeseitigungsmaßnahmen. Folgenbeseitigung bedeutet nicht das Herstellen eines möglichst naturnahen Zustands; sie ist kein Mittel der Umweltgestaltung, sondern Bestandteil der Schadensbeseitigung. Nach § 19 kann die Behörde das Aufstellen eines Sanierungsplans fordern. Der Sanierungsplan muss Angaben enthalten über die Zusammenfassung der Gefährdungsabschätzung, die derzeitige und künftige Nutzung des Grundstücks, Anforderungen an Dekontaminations-, Sicherungs- und Beschränkungsmaßnahmen, Folgenbeseitigungsmaßnahmen, Angaben zur zeitlichen Durchführung der Maßnahmen. Die Behörde kann verlangen, dass der Sanierungsplan von einem Sachverständigen erstellt wird. Der EBodSchG sieht eine Rekultivierungspflicht nicht vor. Die Durchführung von Folgenbeseitigungsmaßnahmen kommt einer Rekultivierung nicht gleich. Insoweit bleibt er hinter dem hessischen Landesrecht zurück. d) Professorenentwurf eines Bodenschutzgesetzes Das Recht des Sanierungsumfangs enthält § 302. Diese Regelung ist sehr detailliert und abgestuft. Ausgangslage ist, dass die Behörde die Erstellung eines Sanierungsplans verlangen kann, wenn ein solcher Plan aufgrund der mit der Sanierung verbundenen Schwierigkeiten erforderlich ist; der Sanierungsplan enthält: 1. Maßnahmen zur Beseitigung von Bodenbelastungen, 2. Maßnahmen zur Wiedereingliederung gereinigter Böden in Natur und Landschaft, also: Dekontaminations- und Rekultivierungsmaßnahmen. Ferner kann die Behörde die Verminderung der Bodenbelastung verlangen, wenn die vollständige Beseitigung technisch nicht möglich, unzumutbar oder untunlich ist, sowie die in diesem Fall erforderlichen Überwachungs- und Sicherungsmaßnahmen. Schließlich darf die Behörde Maßnahmen zur Überwachung und Sicherung der Bodenbelastung fordern, wenn eine Sanierung oder Minderung der Bodenbelastung technisch nicht möglich, unzumutbar oder untunlich ist. Der Grund für diese Regelung ist folgender: Es versteht sich von selbst, dass eine vollständige Sanierung nicht gefordert werden kann, wenn sie technisch nicht möglich ist. Von einer unzumutbaren vollständigen Sanierung ist auszugehen, wenn sie in Relation zu Sicherungsmaßnahmen unverhältnismäßig teuer ist; eine Sicherungsmaßnahme ist z. B. die Einkapselung einer Altlast. Untunlich ist eine vollständige Sanierung, wenn zu erwarten ist, dass aufgrund des wissenschaftlichen Fortschritts in absehbarer Zeit die Durchführung der Sanierung mit Hilfe einer neuen Technik billiger sein wird als zum Zeitpunkt

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des ersten Aussprechens einer Sanierungsverfügung. Mit Blick auf die Rekultivierungspflicht entspricht der UBG-ProfE hessischem Recht. e) Bewertung Für das Recht der Gefahrenbeseitigung sehe ich keine Differenzen zwischen dem EBodSchG und dem UGB-ProfE. Es ist besser als das hessische Recht, weil es eine abgestufte Regelung enthält. Das hessische Recht und der UGB-ProfE lösen die Rekultivierungsproblematik optimal. Der Entwurf des Bundesgesetzes hat m. E. durch den Verzicht auf die Anordnung von Rekultivierungsmaßnahmen eine Chance verspielt. Wenn der Entwurf in dieser Form Gesetz werden sollte, haben freilich die Länder noch die Möglichkeit, die Rekultivierungspflicht anzuordnen. Insoweit können sich die Länder am hessischen Recht orientieren.

5. Störerauswahl und Haftungsbeschränkungen a) Polizeirecht Den schwierigsten Problembereich bildet die Frage, wer zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet ist. Das Polizeirecht kennt den Handlungs(Verhaltens)- und den Zustandsstörer. Die Verhaltensverantwortlichkeit einer Person greift ein, wenn die Gefahr durch ihr Tun oder Unterlassen unmittelbar begründet wird; die Zustandsverantwortlichkeit trifft den Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die Sache, von der die Gefahr ausgeht. Bei Altlasten sind sowohl Verhaltensverantwortliche als auch Zustandsverantwortliche vorstellbar; in der Praxis dürfte aber wohl der Fall des Zustandsverantwortlichen die weitaus größte Rolle spielen. Liegt ein Fall der polizeilichen Verantwortung vor, dann ist die Schadensbeseitigungs- bzw. -verhinderungspflicht eine kraft Gesetzes bestehende Pflicht; dieses folgt aus der schon erwähnten materiellen Polizeipflicht. Mit Blick auf die Auswahl eines Störers, wenn mehrere zur Beseitigung Verpflichtete existieren, besteht nach h.M. Ermessen der zuständigen Behörde. Es gibt insb. keine Rangfolge bei der Heranziehung von verpflichteten Personen – von wenigen gesetzlichen Aussagen abgesehen, die Heranziehungsgebote und -verbote betreffen – einschließlich der Aussage, dass der Leistungsfähige vor dem weniger Leistungsfähigen in Anspruch zu nehmen ist. Die Aussage, der Verhaltensstörer hafte vor dem Zustandsstörer, ist dem Recht nicht zu entnehmen. I.F. werden einige in der Fachliteratur genannten Haftungsgrenzen vorgestellt: – Der Handlungs- oder Verhaltensstörer haftet für die von ihm „verursachte“ Gefahr. In den Begriff „Verursachung“ fließen Wertungselemente ein. I.S.d. h.M. verursacht der Handelnde eine Gefahr, wenn er sie „unmittelbar“ auslöst. Diese „Unmittelbarkeit“ soll entfallen, weil für polizeirechtlich relevante Schäden, die aufgrund

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der Inanspruchnahme der Genehmigung erfolgen, die Haftung ausscheide als Konsequenz einer sog. Legalisierungswirkung, die mit der Genehmigung verbunden sei: Die Wahrnehmung eines rechtlich durch die Genehmigung Erlaubten könne nicht später eine polizeirechtliche Haftung auslösen. – Die Legalisierungswirkung ist als etwas rechtlich Selbständiges mit der Genehmigung nicht verbunden. Der Nachweis, dass diese Rechtsfigur neben anderen Wirkungen einer Genehmigung existiere und das Gewollte bewirke, konnte nicht geführt werden. Die Rechtsfigur ist überflüssig; das Gewollte wird bereits durch die schon immer anerkannte „Tatbestandswirkung“ eines Verwaltungsakts erreicht. Die Tatbestandswirkung einer Genehmigung besagt, dass es Drittbehörden verboten ist, ein Verhalten zu untersagen, welches die Genehmigungsbehörde erlaubt hat. Ob ein Haftungsfall vorliegt, ist deshalb ein Problem des Umfangs der Genehmigung. Wurde das in der Genehmigungsurkunde Erlaubte überschritten, liegt ein Haftungsfall vor. Im Übrigen ist die sog. Legalisierungswirkung für Haftungsfragen bedeutungslos. – Die polizeirechtliche Haftung Privater für von Altlasten ausgehende Gefahren ist heute oftmals problematisch, weil die Altlasten erst nach heutiger naturwissenschaftlicher Erkenntnis eine Gefahr darstellen. Nach früherem Wissen verhielt sich der eine heutige Altlast verursachende Genehmigungsempfänger im Rahmen des polizeirechtlich Erlaubten. Ob er heute aufgrund des fortgeschrittenen Erkenntnisstands haften soll, ist eine Frage, deren Antwort heftig umstritten ist. Die h.M. nimmt an, ein Verhalten, welches zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgrund des zur Verfügung stehenden Wissens keine als eine Gefahr auslösende Handlung zu erkennen gewesen sei, bleibe polizeirechtlich neutral; die h.M. begründet dieses Ergebnis mit dem Hinweis, eine nach Beendigung eines ursächlichen Verhaltens eingetretene Änderung des Erkenntnisstands könne wegen des rechtsstaatlich begründeten Verbots der Rückwirkung belastender Gesetze nicht dazu führen, dass das während seiner Vornahme polizeirechtlich neutrale Geschehen nachträglich zu polizeiwidrigem Verhalten werde. Die Begründung für dieses Ergebnis erscheint mir zweifelhaft. Es handelt sich nicht um einen Fall der Rückwirkung eines Gesetzes. Das Gesetz wird lediglich auf der Basis eines anderen und besseren Erkenntnisstandes interpretiert. Freilich erscheint mir das Ergebnis, dass derjenige haften soll, der in der Vergangenheit nichts anderes getan hat, als von der Genehmigung Gebrauch zu machen, ungerecht: Es entspricht nicht meiner Vorstellung einer gerechten Verteilung von Folgen für ein gemeinsam zu verantwortendes Tun, wenn Einzelne die insoweit negativen Konsequenzen des Erkenntnisfortschritts allein zu tragen haben. Das aber wäre bei einer anderen als der zuvor dargestellten Auffassung der Fall. – Die Grenzen der Zustandshaftung sind seit langem Gegenstand eines heftig geführten Streits. Folgt man der Rechtsprechung, dann ist festzustellen, dass den Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück eine unbegrenzte Verantwortung trifft, wenn von dem Grundstück eine Gefahr ausgeht, unabhängig davon, ob die Gefahr von einer Altlast oder einer anderen Gefahrenquelle verursacht wird. Viele Versuche, diese unbegrenzte Haftung in bestimmten Fällen zu reduzieren, sind erfolglos geblieben. Nach der Rechtsprechung muss an der Zustandshaftung im Prinzip fest-

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gehalten werden, weil sie als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Wenn man ausnahmsweise eine Begrenzung in Betracht zieht, dann nur im Rahmen der Ermessensentscheidung, die die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern zu treffen hat. Insb. Erwägungen zur finanziellen Zumutbarkeit sind nach der Rechtsprechung bedeutungslos. Deshalb bieten weder das Verfassungsrecht noch die Normen des Polizeirechts derzeit einen Ansatz für eine Begrenzung der Zustandshaftung. – Auch die Rechtsnachfolge in öffentlich-rechtliche Pflichten führt, folgt man der h.M., nicht zu einer Haftungsbegrenzung. Die Gefahrenbeseitigungspflicht des Handlungsstörers ist eine konkrete Pflicht; sie gilt, wie dargelegt, unabhängig von einer Polizeiverfügung. Mit der h.M. sind konkrete Pflichten rechtsnachfolgefähig. Es haftet deshalb der Rechtsnachfolger der ursprünglich pflichtigen Person, z. B. ein aus Fusion oder Verschmelzung hervorgegangener Konzern. Nach Polizeirecht gibt es deshalb weder Beschränkungen mit Blick auf die Störerauswahl noch sonstige Haftungsgrenzen. b) Landesrecht § 21 des hessischen Gesetzes nennt insgesamt sechs denkbare Personenkreise, die zur Durchführung der Sanierung verpflichtet sind: 1. Inhaber sowie ehemalige Inhaber oder deren Rechtsnachfolger von Anlagen auf Altlasten, soweit die Verunreinigungen durch diese Anlagen verursacht worden sind; 2. Ablagerer von Abfall, Abfallerzeuger oder deren Rechtsnachfolger bei Deponien; 3. sonstige Verursacher der Verunreinigungen, wenn von ihnen wesentliche Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit ausgehen; 4. sonstige Personen, die aufgrund anderer Rechtsvorschriften eine Verantwortung für die Verunreinigungen oder hiervon ausgehende Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit trifft; 5. der Grundeigentümer, es sei denn, dass er eine bestehende Verunreinigung beim Erwerb weder kannte noch kennen musste; 6. der ehemalige Grundeigentümer, es sei denn, dass ihm eine bestehende Verunreinigung während der Zeit des Eigentums oder des Besitzes nicht bekannt wurde. Nach § 21 Abs. 1 Satz 2 des hessischen Gesetzes trifft die zuständige Behörde die Auswahl bei der Heranziehung von Sanierungsverantwortlichen nach pflichtgemäßem Ermessen. Im hessischen Recht fehlen deshalb Kriterien, die eine Rangfolge der Sanierungsverantwortlichen begründen könnten. Insoweit wird das im allgemeinen Polizeirecht Geltende tradiert. Das hessische Recht enthält eine Haftungsbegrenzung für den Grundeigentümer und den ehemaligen Grundeigentümer. Wenn dieser Personenkreis eine bestehende Verunreinigung weder kannte noch kennen musste, entfällt die Haftung. Die Haftung

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der Zustandsstörer ist deshalb begrenzt. Der unschuldige Käufer haftet nicht. Nach § 21 Abs. 2 entfällt die Haftung aller in Absatz 1 genannten Personen, wenn der Verantwortliche im Zeitpunkt des Entstehens der Verunreinigung darauf vertraut hat, dass eine Beeinträchtigung der Umwelt nicht entstehen könne, und wenn dieses Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls schutzwürdig ist. Dieses ist nach meiner Einschätzung der Fall, wenn sich die von einer Altlast ausgehende Gefahr erst nach heutiger naturwissenschaftlicher Erkenntnis als eine Gefahr darstellt. Die angemahnte Haftungsbegrenzung ist also in Hessen Gesetz geworden. Im Übrigen fehlen Haftungsbeschränkungen. Dieser Befund entspricht der Rechtsprechung zum Polizeirecht. Dem Recht von Mecklenburg-Vorpommern fehlen Aussagen zum Problem der Störerauswahl sowie zur Haftungsbegrenzung. Insoweit gilt das allgemeine Polizeirecht. Es gibt deshalb nach mecklenburg-vorpommerschem Recht keine Haftungsbegrenzung. Das ist insofern erstaunlich, als in diesem neuen (verhältnismäßig armen) Bundesland ein härteres Haftungsrecht existiert als in einem alten (verhältnismäßig reichen) Bundesland. c) Entwurf eines Bodenschutzgesetzes Eine Reihenfolge mit Blick auf das Heranziehen von Sanierungsverantwortlichen kennt der EBodSchG nicht. Insoweit entspricht er allgemeinem und besonderem Landesrecht. Nach dem EBodSchG gibt es keine Haftungsbeschränkung für Verhaltensstörer. § 25 Abs. 4 des Entwurfs enthält eine Haftungsbegrenzung für Grundstückseigentümer. Der Grundstückseigentümer, der weder Verursacher ist noch bei Begründung des Eigentums Kenntnis von der Altlast oder den sie begründenden Umständen hatte oder hätte haben können, ist nicht kostenpflichtig, soweit die angeordneten Maßnahmen den privatnützigen Gebrauch des Grundstücks ausschließen. Der privatnützige Gebrauch des Grundstücks ist ausgeschlossen, soweit die zur Durchführung der Maßnahmen erforderlichen Kosten den Wert des Grundstücks nach Durchführung der Maßnahmen übersteigen. Da das hessische Recht auch für den Verhaltensstörer eine Haftungsbegrenzung kannte, bleibt der EBodSchG hinter dem hessischen Recht zurück. Er bleibt hinter diesem auch mit Blick auf den Grundstückseigentümer zurück. Denn nach diesem Recht haftet der Grundstückseigentümer überhaupt nicht, wenn er von der Altlast oder den sie begründenden Umständen keine Kenntnis hatte oder hätte haben können. Der EBodSchG sieht aber für den gutgläubigen Grundstückseigentümer gleichwohl eine Haftung vor, wenn die Kosten den privatnützigen Gebrauch des Grundstücks nicht ausschließen. Der gutgläubige Käufer haftet folglich bis zur Höhe des Verkehrswerts des sanierten Grundstücks. Diese Regelung ist m. E. wenig vorteilhaft, weil sie zu einer Beschränkung des Grundstücksverkehrs führen wird. Niemand wird ein Grundstück kaufen, wenn er anschließend mit Sanierungskosten in Höhe des Verkehrswerts des gesäuberten Grundstücks überzogen werden kann; denn zum Kauf-

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preis kommen diese Kosten hinzu. Der Grundstückskäufer hat deshalb wenigstens mit einer Kostenverdoppelung zu rechnen. Ein solches Risiko wird niemand eingehen wollen. – Gegen diese Annahme kann nicht eingewandt werden, im Kaufvertrag könne eine Haftung des Verkäufers für Sanierungskosten vereinbart oder ein Abschlag beim Kaufpreis vorgenommen werden. Es ist fraglich, ob diese Vereinbarungen sich immer durchsetzen lassen; ferner ist mit der Illiquidität des Verkäufers zu rechnen. Ein wirksamer Schutz des gutgläubigen Käufers ist nur durch einen Haftungsausschluss zu erreichen. d) Professorenentwurf eines Bodenschutzgesetzes Die größte Abweichung vom bislang geltenden Recht enthält § 304 UGB-ProfE für die von der Behörde zu treffende Auswahl des Störers. Es wird eine Rangfolge bei der Heranziehung der verschiedenen Störer aufgestellt. § 304 Abs. 1 Satz 1 stellt zwar in Übereinstimmung mit dem bisherigen Recht fest, dass die Auswahl unter den Verantwortlichen die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen trifft. Die folgenden Absätze enthalten dann freilich eine Beschränkung dieses Ermessens. Nach Absatz 2 soll ein ehemaliger oder ein jetziger Grundstückseigentümer nur herangezogen werden, wenn ein Verhaltensstörer nicht ermittelt werden kann oder aus anderen Gründen, insb. wegen mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, nicht oder nur teilweise herangezogen werden kann. Der Grundstückseigentümer ist also der Letzte in der Haftungskette. Dieses erscheint gerecht, weil er nicht derjenige ist, der die Altlast verursacht hat. Der Verursacher haftet also vor dem Zustandsstörer. Der UGB-ProdE regelt die Verantwortlichkeit in § 303. Er stellt zunächst fest, dass der Verursacher einer Altlast sowie derjenige, der aufgrund gesetzlicher Bestimmungen für das Verhalten anderer einzustehen hat, sowie seine Rechtsnachfolger verpflichtet sind, die Durchführung der Sanierung sowie die entstehenden Kosten zu tragen. In Absatz 2 findet sich eine Vermutung des Inhalts, dass Verantwortlicher auch derjenige ist, der im Zeitraum, in dem die Bodenbelastung mutmaßlich entstanden ist, eine Anlage betrieben hat, von der die Bodenbelastung überwiegend wahrscheinlich ausgegangen sein kann. Absatz 3 enthält eine auf 30 Jahre (das ist die Höchstdauer der Haftung nach BGB) begrenzte Haftung für den Grundstückseigentümer, indem festgestellt wird, dass verantwortlich auch derjenige ist, der Eigentümer des Grundstücks in dem Zeitraum gewesen ist, in dem die Bodenbelastung mutmaßlich entstanden ist. In Absatz 4 wird der jetzige Eigentümer des Grundstücks sowie der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft für die Altlastensanierung für verantwortlich erklärt. Absatz 5 enthält eine Haftungsbeschränkung. Die Verantwortlichkeit nach den Absätzen 1 und 2 entfällt, wenn die Inanspruchnahme unzumutbar ist, weil der Verantwortliche im Hinblick auf rechtmäßiges behördliches Verhalten im Zeitpunkt des Entstehens der Bodenbelastung darauf vertraut hat, dass eine Gefahr nicht entstehen könne, und wenn dieses Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls in besonderem Maße schutzwürdig ist. Damit wird diejenige Haftungsbeschrän-

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kung aufgegriffen, die ich mit Blick auf die Veränderung des naturwissenschaftlichen Erkenntnisstands für gerechtfertigt halte. Ferner entfällt eine Haftung des jetzigen Grundstückseigentümers, wenn der Verantwortliche beim Grundstückserwerb oder bei der Übernahme der tatsächlichen Sachherrschaft die Bodenbelastung weder kannte noch kennen musste. Diese Haftungsbeschränkung entspricht hessischem Recht. Sie geht weiter als der Entwurf des Bundesgesetzes. Eine letzte Haftungsbeschränkung ist für den jetzigen Eigentümer sowie den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft noch zu vermerken: Sie haften nur in dem Umfang, der für einen früheren Eigentümer bestand. Der Verkauf eines Grundstücks soll also nicht die Möglichkeit der Haftungserweiterung bieten. Diese Begrenzung der Haftung ist notwendig, um den Grundstücksverkehr nicht über Gebühr zu beschränken; ferner ist diese Haftung vertraglich auf den Verkäufer abwälzbar, womit der Käufer lediglich das Risiko der Illiquidität des Verkäufers trägt. Eine weitere Haftungsbegrenzung enthält § 304 Abs. 3. Der Rechtsnachfolger haftet nur dann, wenn ein anderer Verantwortlicher nicht zu ermitteln ist oder aus anderen Gründen, insb. wegen mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, nicht oder nur teilweise herangezogen werden kann. Wenn beispielsweise ein Unternehmen noch existiert, sich aber von bestimmten Betriebsteilen getrennt hat und diese Betriebsteile von einem anderen Unternehmen übernommen worden sind, dann haftet das übernehmende Unternehmen nur dann, wenn eine Haftung des die Altlast verursachenden Unternehmens wegen dessen mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit entfällt. e) Bewertung Wie schon deutlich wurde, bedarf das Polizeirecht der Ergänzung: sowohl mit Blick auf die Störerauswahl als auch mit Blick auf Haftungsbegrenzungen. Für das Problem der Störerauswahl enthält ausschließlich der UGB-ProfE eine Aussage. Beim Haftungsproblem bleibt das EBodSchG weit hinter dem zu Fordernden zurück. Auch für dieses Problem enthält der UGB-ProfE eine angemessene Lösung; die hessische Lösung bleibt hinter ihr kaum zurück. 6. Altlastensanierung durch die öffentliche Hand a) Polizeirecht Auf der Grundlage des Polizeirechts gibt es eine Altlastensanierung durch die öffentliche Hand nicht. b) Landesrecht Nach § 22 des hessischen Rechts gibt es eine Altlastensanierungsgesellschaft. Diese Altlastensanierungsgesellschaft führt die Sanierung in den Fällen durch, in denen ein Sanierungsverantwortlicher nicht oder nicht rechtzeitig in Anspruch genommen werden kann. Die Sanierung wird durchgeführt im Rahmen eines aufzustel-

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lenden Finanzierungsplans. Träger der Altlastensanierungsgesellschaft in Hessen ist die Hessische Industriemüll GmbH. Nach nordrhein-westfälischem Recht ist dann, wenn ein Privater als zur Durchführung der Altlastsanierung Verpflichteter entfällt, ein öffentlich-rechtlicher Verband zur Durchführung der Sanierung berechtigt. In einigen Bundesländern, so in Mecklenburg-Vorpommern, fehlen Regelungen über die „Ausfallhaftung“ der öffentlichen Hand. Es gibt demnach unterschiedliche Modelle betreffend die Durchführung der Sanierung durch die öffentliche Hand: privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Sanierungsträger sind in der Praxis vorhanden. c) Entwurf eines Bodenschutzgesetzes Der Entwurf des Bundesgesetzes enthält keine Regelungen darüber, wie die Altlastensanierung durchzuführen ist, wenn ein Privater als Haftender entfällt. d) Professorenentwurf eines Bodenschutzgesetzes § 311 stellt fest, dass in den Fällen, in denen ein Sanierungsverantwortlicher nicht oder nicht rechtzeitig in Anspruch genommen werden kann, der Träger der Altlastensanierung (Altlastensanierungsgesellschaft) nach Maßgabe der ihm zur Verfügung stehenden Mittel und unter Berücksichtigung der Empfehlungen einer Bewertungskommission die Durchführung der Sanierung übernimmt. Die Länder können zum Träger der Altlastensanierung juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts sowie natürliche Personen bestimmen. e) Bewertung Der UGB-ProfE geht über den Entwurf des Bundes hinaus, überlässt es aber den Ländern, wie sie das Problem lösen. Es erschien den Verfassern nicht sinnvoll, eine bereits eingespielte Praxis zu verändern. Dass es aber eine Lösung dieses Problems geben muss, ist unabweisbar angesichts des Umstands, dass viele Private die Kosten für eine Sanierung nicht werden aufbringen können. Das Schweigen des EBodSchG ist deshalb überraschend. IV. Schlussbetrachtung Es konnte gezeigt werden, dass die Regelungen des Polizeirechts nur ansatzweise den vielfältigen Problemen gerecht werden, die sich im Zusammenhang der Altlastensanierung stellen. Deshalb ist ein auf diese Probleme zugeschnittenes Spezialrecht erforderlich. Die Länder haben m. E. mit Blick auf den Erlass dieses Spezialrechts versagt: dadurch, dass in den meisten Ländern kaum materielles Sanierungsrecht existiert, sondern lediglich ein Recht, welches die vorhandenen Altlasten verwaltet,

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sowie dadurch, dass z. B. Hessen materielles Recht erlassen hat, dieses aber partiell zu weit geht, z. B. bei den Kostenregelungen. Die Problemlösung des Bundes ist weitgehend akzeptabel, enthält aber Defizite: fehlende Rekultivierungspflicht, fehlende Rangfolge bei der Heranziehung der Störer, fehlende Aussagen über die Sanierung durch die öffentliche Hand und eine falsche Regelung hinsichtlich der Haftung. Ein vollständiges Sanierungsrecht enthält nur der UGB-ProfE. Dessen Aussagen, z. B. über die Haftungsbeschränkungen, kommen einer ausgewogenen Problemlösung sehr nahe. Literatur Brandt, E.: Altlastenrecht – ein Handbuch, Heidelberg, 1993 Bückmann, W.: Bodenschutzrecht. Rechtliche und verwaltungsmäßige Grundlagen des Bodenschutzes unter besonderer Berücksichtigung der Altlastensanierung, 1992 Dombert, M.: Altlastensanierung in der Rechtspraxis. Rechtliche und technische Aspekte der Sanierung schadstoffbelasteter Betriebsflächen, 1990 Herrmann, N.: Flächensanierung als Rechtsproblem, 1990 Koch, H.-J.: Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, 1985 Mosler, J.: Öffentlich-rechtliche Probleme bei der Sanierung von Altlasten, 1989 Papier, H.-J.: Altlasten und polizeiliche Störerhaftung, 1985 Peine, F.-J.: Zur Problematik rückwirkender Gesetze im Altlastensanierungsrecht, NVwZ 1993, 958 – 961 Schrader, C.: Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip? Rechtsfragen der Kostenübernahme vor dem Hintergrund der Legalisierungswirkung von Genehmigungen, 1988 Schwachheim, J.: Unternehmenshaftung für Altlasten. Die polizeirechtliche Verantwortlichkeit der Industrie unter besonderer Berücksichtigung des Verfassungsrechts, 1991 Ziehm, H.: Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen. Ein Beitrag zur Haftung für sogenannte Altlasten, 1989

F. Die Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung Von den Umweltmedien Luft, Wasser und Boden hat der Boden bislang umfassenden Schutz durch Bundesrecht nicht erfahren – im Gegensatz zur Luft und zum Wasser. Diese Vernachlässigung des Bodenschutzes durch den Bundesgesetzgeber beruht unter anderem darauf, dass der Bodenschutz sehr viel später in den Blick der Umweltschützer gelangt ist als die Luft- und Wasserreinhaltung1. Das Erkennen eines Pro1

Frühere Äußerungen zum Bodenschutz: Das Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971 nahm erstmalig den Boden in die „Zieltrias“ Luft, Wasser und Boden auf. Die Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung v. 9. 2. 1985 bezeichnete den Bodenschutz als Querschnittsaufgabe des Umweltschutzes und stellte zwei zentrale Handlungsansätze für einen verstärkten Bodenschutz heraus: die Minimierung von qualitativ oder quantitativ problematischen Stoffeinträgen und eine „Trendwende im Landverbrauch“. – Der Europarat formulierte 1972 eine „Europäische Bodencharta“, die in zwölf Artikeln eine Europäische Bodenschutzpolitik formulierte (Europäische Bodencharta Resolution [72] v. 30. 5. 1972). – Das Umweltprogramm von Montevideo anerkannte 1981 den Schutz des Bodens als ein weltweites Problem; das zu realisierende Programm beschreibt als Ziel der rechtlichen Maßnahmen im Teilbereich Bodenschutz auf nationaler, regionaler und globaler Ebene die Beeinträchtigungen einer nachhaltigen Leistungsfähigkeit des Bodens zu verhüten, die durch menschliche Eingriffe mit der Folge von Erosion, Wüstenbildung, Versalzung, Entwaldung, Übernutzung, Verunreinigung oder übermäßigen Landverbrauch hervorgerufen werden, und beeinträchtigte Böden ggf. zu sanieren (World soil charta, FAO C81/27 v. 1981; world charta for nature, UN A/37/L. 4 v. 19. 10. 1982). Umweltprogramm der Bundesregierung: BTag-Drs. 6/2710; Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung: BTag-Drs. 10/2977; Bericht der Bundesregierung, Maßnahmen zum Bodenschutz, 1988, BTag-Drs. 11/1625; Gutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen: „Umweltprobleme der Landwirtschaft“, BTag-Drs. 10/3613; „Altlasten“, BTagDrs. 11/6191; „Umweltprobleme der Landwirtschaft“, 1992; „Altlasten II“, BTag-Drs. 13/380; zuletzt: „Zur Umsetzung einer dauerhaften-umweltgerechten Entwicklung“, BTag-Drs. 13/ 4108, zum Bodenschutz s. S. 23 ff. (Kurzfassung). Literatur zum Bodenschutz: Abschlussbericht der Projektgruppe „Aktionsprogramm Ökologie“, Umweltbrief Nr. 29, 1983; Ebersbach, Rechtliche Aspekte des Landverbrauchs am ökologisch falschen Platz, 1985; Erbguth, UPR 1984, 241; Hübler/Bachmann, Zur Regionalisierung umweltpolitischer Ziele, Beispiel Boden, 1983; v. Lersner, NuR 1982, 201; Storm, AgrarR 1983, 233; ders., DVBl 1985, 317; ders., HdUR Bd. 1, 1986, Sp. 266; ders., ebd., 2. Aufl. 1994, Sp. 315; Erbguth, NuR 1986, 137; Hübler, DÖV 1985, 505; ders. (Hg.), Bodenschutz als Gegenstand der Umweltpolitik, Nr. 27 der Schriftenreihe Landschaftsentwicklung und Umweltforschung, Berlin 1985; IzR, Konzeptionen zum Bodenschutz, hier Bachmann, Regionalisierung umweltpolitischer Ziele für den Boden auf der Ebene der Landes- und Regionalplanung, S. 39, und Book, Bodenschutz im geltenden Recht von Bund und Ländern, S. 55; Peine, Bodenschutzrecht – Gesetzliches Instrumentarium und Gesetzgeberischer Handlungsbedarf, UTR Bd. 3, 201 ff.; Storm, Jura 1987, 352; JA 1987, 592; Ziegler, Bodenschutz, 1987, 145; Book, Bodenschutz durch räumliche Planung, 1987; Draeger, Bodenschutz, in: Bückmann/Cebulla/Draeger/Patzack/Voegele, Theoretische Aspekte des Bodenschutzes unter besonderer Berücksichtigung der Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung, 1986,

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blems ist aber Bedingung für das Nachdenken über eine Problemlösung. Dass der Boden des gesetzlichen Schutzes bedarf, ist jetzt anerkannt; dass die Bundesregierung gesetzliche Maßnahmen zu seinem Schutz ergreift, ist deshalb zu begrüßen2. Die Bundesregierung plant indes nicht den Erlass eines einheitlichen Gesetzes zum Schutz des Bodens, wie es etwa zum Schutz der Luft in Gestalt des BImSchG existiert, sondern sie denkt daran, den Bodenschutz über mehrere Gesetze zu verteilen; freilich soll ein (sachlich begrenzt geltendes) Gesetz den Titel BBodSchG tragen3. S. 134; Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft Nordrhein-Westfalen (Hg.) Grundfragen des Bodenschutzrechts, Umweltrechtstage 1992, 1992; Bückmann/Lee/ Leimbacher, NuR 1993, 263 ff.; v. Mutius, VDI Berichte Nr. 837, 1990, 1341; Kunig, ZfW 1992, 469; Bückmann, Bodenschutzrecht: Rechtliche und verwaltungsmäßige Grundlagen des Bodenschutzes unter besonderer Berücksichtigung der Altlastensanierung, 1992; v. Mutius/Pape, Rechtliches Instrumentarium und gesetzgeberischer Handlungsbedarf im Bodenschutzrecht, 1993; Bückmann/Dreißigacker/Eliveld/Gerner/Lee/Mackensen/Maier, Bodenschutz in der Europäischen Union, 1994; Hahn, Bodenschutz. Erforderlichkeit, Möglichkeit und Grenzen rechtsnormativer Regelungen zur Bodensanierung, 1993; Heiermann, Der Schutz des Bodens vor Stoffeintrag, 1992; Kauch, Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, 1993; Lee, NuR 1996, 178; Merkel/Müller/Brandt/Lenius/Sapotnik, ZAU 1995, 441 ff.; Ott, Grenzwerte zum Schutz des Bodens gegen Schadstoffe: Zur Anwendung von Grenzwerten im Umweltrecht insb. zum Schutz des Bodens unter besonderer Berücksichtigung der Sanierung von Bodenverunreinigungen aus Sicht der Eingriffsverwaltung, 1995; Bückmann/Schink, DÖV 1995, 698 ff.; Bückmann/Kauch, DVBl 1994, 487 ff.; Bückmann, UPR 1996, 132 ff.; Bückmann (Hg.), Bodenschutz – Länderübergreifender Vergleich bestehender Gesetze und Gesetzentwürfe anhand des rechts- und naturwissenschaftlichen Forschungsstandes, 1996; Hofmann, Bodenschutz durch Strafrecht, 1996; Kühner, Bodenschutz als Planungsaufgabe – Die Weiterentwicklung der Raumordnung zu einer „Bodenschutzplanung“, 1995; Ried, NVwZ 1994, 844 ff.; NVwZ 1993, 16 ff.; Erbguth/Stollmann, UPR 1996, 281 ff. Zu den vorhandenen landesrechtlichen BodSchGen ist folgende Literatur erschienen: Baden-Württemberg: Spilok, Komm. zum Bodenschutzgesetz Baden-Württemberg, 1992; Schlabach, Das neue Bodenschutzgesetz von Baden-Württemberg, 1992; Ziegler, NVwZ 1991, 1154 ff.; Sachsen: Baiker, Abfallwirtschafts- und Bodenschutzrecht im Freistaat Sachsen, 1994; Berlin: Körner/Vierhaus, LKV 1996, 345 ff. – Lehrbuchliteratur: Bender/Sparwasser/ Engel, Umweltrecht, Grundzüge des öffentlichen Umweltschutzrechts, 3. Aufl. 1995, S. 255 ff. 2 Seit 1992 sind Verfasser folgende Referentenentwürfe eines BBodSchG bekannt geworden: 1. Entwurf v. 23. 7. 1992; 2. Entwurf v. 22. 9. 1993; 3. Entwurf v. 7. 2. 1994; dieser Entwurf war in Teilen Gegenstand der Diskussion des 60. Deutschen Juristentags in Münster 1994, s. DJT, Diskussionsgrundlage zum 60. Deutschen Juristentag Münster 1994, S. B5 ff.; dieser Entwurf war ebenfalls Gegenstand einer Diskussion im Landtag zu Düsseldorf am 26. 8. 1994, Veranstalter war die SPD-Fraktion des nordrhein-westfälischen Landtags; 4. Entwurf v. 18. 8. 1995; 5. Entwurf v. 22. 3. 1996; dieser Entwurf war Gegenstand eines Symposiums des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht der Universität Leipzig am 17./18. 4. 1996, s. dazu Keding, DVBl 1996, 975 sowie der Rostocker Umweltrechtstage zum Altlasten- und Bodenschutzrecht, s. dazu Grammann, NJ 1996, 467; 6. Entwurf v. 27. 9. 1996, BRat-Drs. 702/96. 3 Gesetz zum Schutz des Bodens, BRat-Drs. 702/96 v. 27.9.96; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des BauGB und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung v. 6. 9. 1996, BRatDrs. 635/96; s. dazu Runkel und Wagner, DVBl 1996, 698 ff.; Krautzberger, NVwZ 1996, 1047 ff.; Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege, zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften v. 6. 9. 1996, BRat-Drs. 636/96.

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I. Der denkbare Regelungsgegenstand eines Bodenschutzgesetzes Ein BodSchG, welches den tradierten Vorstellungen vom Inhalt eines BodSchG entsprechen möchte, muss Instrumente für die Erfüllung von drei Aufgaben bereitstellen: den Schutz des Bodens vor Verbrauch (quantitativer Bodenschutz), vor Stoffeintrag (qualitativer Bodenschutz) sowie die Sanierung belasteter Böden; bei belasteten Böden ist zwischen (generellen) Bodenverunreinigungen und (speziellen) Altlasten zu trennen4. Dem Bodenschutzrecht die quantitative und die qualitative Komponente zuzurechnen, ist heute üblich5. Nicht üblich ist es hingegen, die Sanierung belasteter Böden, insb. die Sanierung von Altlasten, im Zusammenhang mit dem Bodenschutz zu regeln. Altlastensanierungsrecht – soweit es als solches spezialgesetzlich geregelt existiert – findet sich im landesrechtlichen Abfallrecht. Freilich ist es dort systematisch am falschen Ort platziert; für die bislang vorgenommene Platzierung spricht wohl nur das Fehlen einer Alternative. Sachlich gehört das Altlastensanierungsrecht zum Bodenschutz, diesem Bereich ist es in der Literatur immer zugerechnet worden6.

II. Die Gesetzentwürfe zum Bodenschutz 1. Der Regelungsgegenstand des Entwurfs eines Bundes-Bodenschutzgesetzes Der Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens ist ein Entwurf eines Artikelgesetzes mit vier Artikeln. Art. 1 enthält den in diesem Zusammenhang bedeutungsvollsten Artikel: den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (E-BBodSchG); Art. 2 betrifft Änderungen des KrW-/AbfG; Art. 3 behandelt Änderungen des BImSchG; Art. 4 regelt das Inkrafttreten. Der E-BBodSchG besteht aus fünf Teilen: den Allgemeinen Vorschriften, den Grundsätzen und Pflichten, Ergänzenden Vorschriften für Altlasten, Regelungen der landwirtschaftlichen Bodennutzung sowie den Schlussvorschriften. Nach den Vorstellungen des Kabinetts7 enthalten die Vorschriften des Art. 1 des Entwurfs kein ausfüllungsbedürftiges Rahmenrecht, sondern unmittelbar geltendes Recht, welches sich auf verschiedene Vorschriften des Art. 74 Abs. 1 GG sowie auf Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Art. 75 Abs. 2 GG stützt; Art. 75 Abs. 2 GG erlaubt ausnahmsweise unmittelbar geltende Regelungen, die auf rahmenrechtlichen Er4 s. statt vieler Storm (Fn. 1); Peine, in: Jarass u. a. Umweltgesetzbuch – Besonderer Teil (UGB-BT), Berichte des Umweltbundesamtes 4/94, S. 557. 5 s. die Nachw. in Fn. 1. 6 Kloepfer, Umweltrecht, 1989, § 14 Rn. 5; Peine, UTR Bd. 3, 201 ff., 206. 7 BRat-Drs. 702/96 s. 32 f.

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mächtigungsgrundlagen basieren. – Die Frage nach der Zuständigkeit des Bundes für den Erlass eines BBodSchG soll hier nicht weiter diskutiert werden, sondern es sei angenommen, sie sei als positiv zu beantworten erledigt; insoweit ist auf die einschlägige Literatur zu verweisen8. Moderne Gesetze öffentlich-rechtlichen Inhalts regeln im ersten Teil das Ziel des Gesetzes, Begriffsbestimmungen und den Anwendungsbereich der Vorschriften. Diesem Muster entspricht der Entwurf. § 1 stellt in Satz 1 als Ziel des Gesetzes heraus, nachhaltig die Funktionen des Bodens zu sichern oder wiederherzustellen; zugleich nennt Satz 2 die zur Zielerreichung bereitgestellten Mittel: Schädliche Bodenveränderungen sind abzuwehren, der Boden und Altlasten sowie hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen sind zu sanieren, Vorsorge gegen nachteilige Einwirkungen auf den Boden ist zu treffen. – § 2 definiert in acht Absätzen Begriffe; Absatz 1 enthält die Definition des Begriffs „Boden“ und damit bereits eine wesentliche Aussage zum Anwendungsbereich des Gesetzes; Boden i.S.d. Gesetzes ist die obere Schicht der Erdkruste, soweit sie Träger der in Absatz 2 genannten Bodenfunktionen ist, einschließlich der flüssigen Bestandteile (Bodenlösung) und der gasförmigen Bestandteile (Bodenluft), ohne Grundwasser und Gewässerböden. – Absatz 2 stellt acht Funktionen des Bodens heraus; es handelt sich einmal um Funktionen, die im weitesten Sinn mit dem Umweltschutz zu tun haben, zum anderen aber auch um sonstige Funktionen, wie z. B. Archiv der Natur- und Kulturgeschichte, Rohstofflagerfläche und Fläche für Siedlung und Erholung. – Absatz 3 legt den Inhalt des Begriffs „schädliche Bodenverunreinigung“ fest mit „Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen“; Absatz 4 definiert Verdachtsfläche als Grundstücke, bei denen der Verdacht schädlicher Bodenveränderungen besteht. – Absatz 5 legt den Inhalt des Begriffs „Altlast“ fest mit „1. stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle zur Beseitigung behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen) und 2. stillgelegte Anlagen, ausgenommen Anlagen, deren Stilllegung einer Genehmigung nach dem Atomgesetz bedarf, und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist, soweit die Anlagen oder Grundstücke gewerblichen Zwecken dienten oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung fanden (Altstandorte), durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden“; Absatz 6 definiert „altlastverdächtige Fläche“ als „Altablagerungen und Altstandorte, bei denen der Verdacht schädlicher Bodenveränderungen oder sonstiger Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit besteht.“ – Absatz 7 befasst sich mit dem Begriff Sanierung, Absatz 8 mit Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen. – Zum Anwendungsbereich des Gesetzes verhält sich § 3. Nach Absatz 1 findet das Gesetz Anwendung bei schädlichen Bodenveränderungen, die auf einer Bodennutzung oder wirtschaftlichen Tätigkeit beruhen, und bei Altlasten; Absatz 1 legt den Anwen8

Erbguth, NuR 1990, 433 ff.; Peine, NuR 1992, 353 ff.; Brandt, DÖV 1996, 675 ff.

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dungsbereich des Gesetzes positiv fest. Nach Absatz 2 findet das Gesetz in zwölf Fällen keine Anwendung; hervorgehoben seien die Nrn. 8 und 9: Soweit Vorschriften über Bau, Änderung, Unterhaltung und Betrieb von Verkehrswegen oder den Verkehr regelnde Vorschriften und soweit Vorschriften des Bauplanungsrechts- und Bauordnungsrechts die Bodennutzung oder wirtschaftliche Tätigkeit regeln, ist das BBodSchG unanwendbar; Absatz 2 bestimmt den Anwendungsbereich des Gesetzes negativ. Absatz 3 regelt die Relation des BBodSchG zum BImSchG und Absatz 4 die Relation zum BBergG. Die Relation des zukünftigen BBodSchG zum BBergG ist einfach zu erfassen. Das Bergrecht und das Bodenschutzrecht stehen im Wesentlichen beziehungslos nebeneinander. Nur im Rahmen der Zulassung eines Betriebsplans nach § 55 i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG findet das Bodenschutzrecht Anwendung; insb. bei Betriebsplänen betreffend die Einstellung eines Betriebs nach § 53 Abs. 1 BBergG wird der großen Bedeutung des Bodenschutzes in diesem Zusammenhang genügt. – Im Gegensatz zur gerade bezeichneten Beziehung ist die des BBodSchG zum BImSchG sehr kompliziert und nur schwer erfassbar. § 3 Abs. 2 Nr. 10 stellt fest, das BBodSchG gelte nicht für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen nach dem BImSchG nach Maßgabe des Absatzes 3 von § 3 – im Verständnis dieser Maßgabe liegt das Problem. Diese Maßgabe soll das BBodSchG mit dem BImSchG „verzahnen“; es geht darum, festzulegen, „dass der rechtliche Gefahrenmaßstab zur Beurteilung von Bodenveränderungen, die maßgeblich die Gefahrengrenze markierenden Bodenwerte und die dazu gehörenden Ermittlungs- und Bewertungsverfahren für Bodenbelastungen sich nach dem Bodenschutzrecht bestimmen.“9 Der Entwurf legt zu diesem Zweck in Absatz 3 fest, dass im Hinblick auf das Schutzgut Boden schädliche Bodenveränderungen i.S.v. § 2 Abs. 3 als schädliche Umwelteinwirkungen nach § 3 Abs. 1 BImSchG, im Übrigen als sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gelten; zur Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen ist bei Anlagen i.S.v. § 3 Abs. 5 BImSchG, die beim Inkrafttreten einer RechtsVO nach § 8 Abs. 2 E-BBodSchG bereits errichtet worden sind, die Einhaltung der in dieser RechtsVO festgelegten Anforderungen anzustreben, soweit in RechtsVOen oder Verwaltungsvorschriften, die aufgrund des BImSchG erlassen werden, auch im Hinblick auf Pflichten nach diesem Gesetz gleichzeitig festgelegt worden ist, welche Zusatzbelastungen einzelner Anlagen nicht als ursächlicher Beitrag zum Entstehen schädlicher Bodenveränderungen anzusehen sind; in den genannten Vorschriften des BImSchG soll festgelegt werden, dass bei Unterschreitung bestimmter Emissionsmassenströme auch ohne Einzelfallprüfung davon auszugehen ist, dass die Pflicht zur Vorsorge erfüllt wird. Nach alledem erfolgt die „Verzahnung“ zweistufig; durch festgelegte Bodenwerte wird bestimmt, ab welcher Belastungsschwelle die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung besteht; wird diese erreicht, so sind im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Vorsorge Anforderungen zur Ein-

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BRat-Drs. 702/96 S. 97.

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haltung der festgelegten Standards vorzusehen10. Damit regeln RechtsVOen auf der Grundlage des BodSchG, bei welcher Belastungssituation im Einwirkungsbereich der Anlage gebietsbezogen ein Bedarf für Vorsorgemaßnahmen besteht und die Immissionsschutzbehörde tätig werden muss. Die nächsten Sätze behandeln den Bestandsschutz für bestehende Anlagen sowie die Voraussetzungen, unter denen die Änderung bestehender oder die Zulassung neuer Anlagen genehmigt werden können; Absatz 3 Satz 3 dient der Erleichterung von Genehmigungsverfahren. Der zweite Teil des Entwurfs normiert Grundsätze und Pflichten. § 4 befasst sich mit den Pflichten zur Gefahrenabwehr. Absatz 1 enthält eine Generalklausel des Inhalts, dass jeder, der den Boden nutzt oder im Rahmen wirtschaftlicher Tätigkeiten in sonstiger Weise auf den Boden einwirkt, sich so zu verhalten hat, dass schädliche Bodenveränderungen nicht hervorgerufen werden; Absatz 2 verpflichtet die Grundstückseigentümer und die Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück dazu, Maßnahmen zur Abwehr der von ihrem Grundstück drohenden schädlichen Bodenveränderungen zu ergreifen; Absatz 3 verpflichtet den Verursacher der schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast, den Grundstückseigentümer und den Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück, den Boden und die Altlast sowie durch schädliche Bodenveränderung oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren11, dass dauerhaft keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen; mit Blick auf den Inhalt der Pflichten nach Absatz 2 und Absatz 3 enthält Absatz 4 Beschränkungen. – § 5 befasst sich mit der Entsiegelungspflicht; die Bundesregierung kann durch RechtsVO Grundstückseigentümer verpflichten, bei dauerhaft nicht mehr genutzten Flächen, deren Versiegelung im Widerspruch zu planungsrechtlichen Festsetzungen steht, den Boden in seiner Leistungsfähigkeit soweit wie möglich und zumutbar zu erhalten oder wiederherzustellen. – § 6 behandelt das Auf- und Einbringen von Materialien auf oder in den Boden; die Norm enthält eine Ermächtigungsgrundlage mit der Bundesregierung als Adressaten für den Erlass von RechtsVOen; die Bundesregierung kann hinsichtlich bestimmter Schadstoffe Verbote oder Beschränkungen nach Maßgabe von Merkmalen wie Art und Beschaffenheit des Bodens, Aufbringungsort und -zeit und natürliche Standortverhältnisse sowie Untersu10

Ebd. Es ist darauf hinzuweisen, dass, wenn überhaupt, eine Schnittmenge zwischen Bodenschutzrecht und Wasserrecht bestehen kann in der Relation Bodenschutzrecht – Grundwasserschutzrecht. Der Reinhaltung des Grundwassers dient ein die Regelungsfunktion erfüllender Boden. Das Wasserrecht hat aber zum Schutz des Grundwassers den Boden betreffende Qualitätsziele nicht festgelegt. – Zur Beseitigung von Bodenverschmutzungen mit dem Ziel Grundwasserschutz wird nicht auf das Wasserrecht zurückgegriffen, weil es eine einschlägige Ermächtigungsgrundlage nicht enthält; die Ermächtigungsgrundlage findet sich im Ordnungsrecht in Form der polizeilichen Generalklausel; diese Ermächtigungsgrundlage für Maßnahmen, die die Reinigung des Grundwassers bezwecken, wird nun abgelöst durch § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 E-BBodSchG. Der Bund reklamiert für diesen Wandel der Ermächtigungsgrundlage seine Gesetzgebungskompetenz und beruft sich auf Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG, s. Entwurf (Fn. 1), S. 38 f. 11

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chungen der Materialien oder des Bodens, Maßnahmen zur Vorbehandlung dieser Materialien oder geeignete andere Maßnahmen bestimmen. – § 7 statuiert den Vorsorgegrundsatz; der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück sind verpflichtet, Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen zu treffen, die durch ihre Nutzung auf dem Grundstück oder in dessen Einwirkungsbereich hervorgerufen werden können; nach dieser Norm sind Vorsorgemaßnahmen geboten, wenn wegen der räumlichen, langfristigen oder komplexen Auswirkungen einer Nutzung auf die Bodenfunktion die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung besteht; zur Erfüllung der Vorsorgepflicht sind Bodeneinwirkungen zu vermeiden oder zu vermindern, soweit dies auch im Hinblick auf den Zweck der Nutzung des Grundstücks verhältnismäßig ist. – § 8 ermächtigt die Bundesregierung zur Bestimmung der außerordentlich wichtigen Prüf- und Maßnahmewerte sowie der Festlegung von Anforderungen an die Abwehr schädlicher Bodenveränderungen sowie die Sanierung des Bodens und von Altlasten; Absatz 2 erlaubt die Festlegung von Vorsorgewerten; Absatz 3 enthält die Verpflichtung, mit den in Absatz 1 und 2 genannten Werten Verfahren zur Ermittlung von umweltgefährdenden Stoffen in Böden, biologischen und anderen Materialien festzulegen; diese Maßnahmen umfassen auch Anforderungen an eine repräsentative Probennahme, Probenbehandlung und Qualitätssicherung einschließlich der Ermittlung der Werte für unterschiedliche Belastungen. – Die §§ 9 und 10 enthalten Ermächtigungsgrundlagen für das Handeln der Behörden. § 9 Abs. 1 verpflichtet die zuständige Behörde dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast oder eine hierdurch verursachte Gewässerverunreinigung vorliegt, Maßnahmen zur Ermittlung des Sachverhalts zu ergreifen. Bei näher festgelegten Voraussetzungen hat die Behörde festzustellen, ob eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt. Nach Absatz 2 kann die zuständige Behörde anordnen, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung, einer Altlast oder einer hierdurch verursachten Gewässerverunreinigung besteht, dass die in § 4 Abs. 3 genannten Personen die notwendige Untersuchung zur Gefährdungsabschätzung durchführen; Näheres bestimmt das Landesrecht. Nach § 10 Abs. 1 kann die Behörde die zur Erfüllung der sich aus den §§ 4 und 7 und den aufgrund von §§ 5, 6 und 8 erlassenen RechtsVOen ergebenden Pflichten die notwendigen Maßnahmen treffen; nach Absatz 2 ist unter bestimmten Voraussetzungen ein angemessener Ausgleich zu gewähren. Die §§ 9 und 10 enthalten Ermächtigungsgrundlagen, auf deren Basis Behörden Sanierungsverfügungen bei Vorliegen einer Bodenveränderung oder einer Altlast erlassen dürfen. Insoweit sind lediglich Vorschriften ergänzenden Inhalts vorstellbar. Diese finden sich im dritten Teil des Entwurfs; er ist deshalb richtig mit „Ergänzende Vorschriften für Altlasten“ überschrieben. Diese ergänzenden Vorschriften sind: Nach § 11 regeln die Länder die Erfassung der Altlasten und altlastverdächtiger Flächen; nach § 12 sind die Betroffenen zu informieren; nach § 13 ist unter bestimmten Voraussetzungen eine Sanierungsplanung zu fordern; nach § 14 kann die zuständige Behörde den Sanierungsplan selbst erstellen oder ergänzen oder durch einen Sachver-

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ständigen erstellen oder ergänzen lassen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind; nach § 15 unterliegen Altlasten und altlastverdächtige Flächen der Überwachung durch die zuständige Behörde sowie der Eigenkontrolle; nach § 16 können ergänzende Anordnungen zur Altlastensanierung getroffen werden. Der vierte Teil des Gesetzes besteht ausschließlich aus § 17 und regelt die gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft. Absatz 1 stellt fest, dass bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung die Vorsorgepflicht nach § 7 durch die gute fachliche Praxis erfüllt wird; die nach Landesrecht zuständigen landwirtschaftlichen Beratungsstellen sollen bei ihrer Beratungstätigkeit die Grundsätze der guten fachlichen Praxis nach Absatz 2 vermitteln. Absatz 2 Satz 1 bestimmt zum Ziel der guten fachlichen Praxis der landwirtschaftlichen Bodennutzung die nachhaltige Sicherung der Bodenfruchtbarkeit und Leistungsfähigkeit des Bodens als natürlicher Ressource; Satz 2 stellt fest, dass (zumindest, die Sammlung ist nicht abschließend) zur guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft die Beachtung von sieben Gesichtspunkten gehört; hervorgehoben seien die Verpflichtungen, den Boden unter Berücksichtigung der Witterung grundsätzlich standortangepasst zu bearbeiten und die Bodenstruktur zu erhalten oder zu verbessern. Die im fünften Teil enthaltenen Schlussvorschriften befassen sich mit Sachverständigen, die Aufgaben nach dem Gesetz wahrnehmen (§ 18), mit der Datenübermittlung (§ 19), mit der Errichtung eines wissenschaftlichen Beirats (§ 20), mit der Anhörung beteiligter Kreise (§ 21), mit dem Recht der Länder zum Erlass ergänzender landesrechtlicher Regelungen (§ 22), mit der Erfüllung von bindenden Beschlüssen der Europäischen Gemeinschaften (§ 23), mit Ausnahmen zugunsten der Landesverteidigung (§ 24), mit der Kostentragung (§ 25) und den Bußgeldvorschriften (§ 26). .

2. Der Regelungsgegenstand des Entwurfs zur Änderung des Baugesetzbuchs und des Raumordnungsgesetzes Die knappe Aufzählung des Inhalts des E-BBodSchG erhellt, dass Regelungen zum Bodenverbrauch vollständig fehlen. Eine Bodenverbrauchsklausel enthält der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des BauGB und zur Neuregelung der Raumordnung (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998-BauROG; i.F.: E-BauROG). Art. 1 Nr. 1b) bb) hebt § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB auf. Es entfällt die als Optimierungsgebot die Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB in gewisser Weise steuernde Verpflichtung, dass landwirtschaftlich, als Wald oder für Wohnzwecke genutzte Flächen nur im notwendigen Umfang für andere Nutzungsarten vorgesehen und in Anspruch genommen werden sollen (baurechtliche Bodenschutzklausel). An die Stelle der aufgehobenen Norm tritt § 1a Abs. 1 BauGB; die Norm stellt fest: „Mit Grund und Boden soll sparsam und schonend umgegangen werden, dabei sind Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen.“ Ferner enthält der E-BauROG in § 2, der die Grundsätze der Raumordnung behandelt, in Absatz 2 Nr. 7 Satz 5 folgende Aussage: „Bei

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dauerhaft nicht mehr genutzten Flächen soll der Boden in seiner Leistungsfähigkeit erhalten oder wieder hergestellt werden.“ 3. Der Regelungsgegenstand des Entwurfs eines Bundes-Naturschutzgesetzes § 21 E-BNatSchG befasst sich mit der stofflichen Belastung des Bodens. Die Vorschrift regelt den Schutz des Bodens vor Stoffeintrag in Relation zu denkbaren Emissionen einer Anlage, die nach BImSchG genehmigungsbedürftig ist – jedoch erfasst die Norm nur bestimmte Böden: ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder ein Europäisches Vogelschutzgebiet. „Ist zu erwarten, dass von einer nach dem BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlagen Emissionen ausgehen, die, auch im Zusammenhang mit anderen Anlagen oder Maßnahmen, im Einwirkungsbereich dieser Anlage ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder ein Europäisches Vogelschutzgebiet in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen, und können die Beeinträchtigungen nicht entsprechend § 18 Abs. 3 ausgeglichen werden, steht dies der Genehmigung der Anlage entgegen, soweit nicht die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 oder 3 erfüllt sind. Ist die Anlage zu genehmigen, sind Ersatzmaßnahmen in entsprechender Anwendung der Vorschriften nach § 20 Abs. 4 festzulegen. § 20 Abs. 5 Satz 1 und 2 gilt entsprechend. Die Entscheidungen ergehen im Benehmen mit den für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden.“ § 22 E-BNatSchG befasst sich mit dem quantitativen Bodenverbrauch als Folge der Realisierung bestimmter Pläne. Erfasst sind in § 22 Abs. 1 Linienbestimmungen nach § 16 FStrG, § 13 BWassStrG und § 2 Abs. 1 Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz; diese Linienbestimmungen müssen die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung oder Europäischer Vogelschutzgebiete berücksichtigen. Es wird angeordnet, dass Abweichungen durch die in § 20 Abs. 2 oder 3 genannten Gründe gerechtfertigt sein müssen, sowie, dass § 20 Abs. 5 Satz 1 und 2 entsprechend gelten.

III. Würdigung Jede Beurteilung eines Gesetzentwurfs bedarf der Festlegung des Maßstabs, dessen Anwendung Lob oder Tadel zu erteilen gestattet. Der Maßstab, den Verfasser i.F. anwendet, ist bekannt. Verfasser geht von den Inhalten aus, die er in den §§ 283 – 313 UGB-ProfE formuliert hat12. Diese Vorschriften haben in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit weitgehend Zustimmung gefunden; die Teile des Kapitels Bodenschutz, die sich mit dem Altlastensanierungsrecht befassen, hat der 60. Deutsche Juristentag 1994 in Münster behandelt und weitgehend befürwortet13. Deshalb erfolgt die Kritik 12 13

s. Nachw. Fn. 4. Verhandlungen des 60. Deutschen Juristentages Münster 1994, Bd. II/1, 1994, S. L 89 ff.

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auf einer weitgehend akzeptierten Basis. Hervorzuheben ist, dass der größte Teil der Kritik an dem vom Verfasser erarbeiteten Kapitel „Bodenschutz“ im sog. UGB-ProfE davon ausgeht, die Vorschläge seien eher zu wenig scharf14 ; wenn man diese Kritik teilte, müsste die hier formulierte Kritik am Entwurf der Bundesregierung viel schärfer ausfallen. 1. Der Anwendungsbereich des Entwurfs eines Bundes-Bodenschutzgesetzes Ein BBodSchG, welches diesen Titel verdient, sollte die Bereiche regeln, die herkömmlicherweise in einem solchen Gesetz als Regelungsgegenstände erwartet werden. Erinnert sei daran, dass ein BodSchG Aussagen enthalten sollte zum quantitativen und qualitativen Bodenschutz sowie zur Sanierung belasteter Böden. Der Anwendungsbereich des geplanten Gesetzes ist nicht einfach zu bestimmen. Relativ einfach lässt sich ein Teil des negativen Anwendungsbereichs festlegen. Insoweit ist § 3 Abs. 2 z. T. einschlägig; m. E. bestehen mit Blick auf die getroffenen Festlegungen keine Schwierigkeiten. Es sei hervorgehoben: Das geplante BodSchG regelt nicht den Eintrag von Stoffen in land- und forstwirtschaftlich genutzte Böden; damit bleibt der wesentliche Bereich des qualitativen Bodenschutzes ungeregelt. Das zu erwartende Gesetz regelt ferner nicht den Bodenverbrauch durch Infrastrukturmaßnahmen i.w.S. (Verkehrsanlagen, Deponien, bauliche Vorhaben, Anlagen i.S.d. BImSchG). Der Entwurf regelt schließlich nicht die Verpflichtung der Eigentümer militärischer Altlasten15, Maßnahmen zur Beseitigung von Gefahren, die von Kampfmitteln ausgehen, zu ergreifen. Gerade zu den Fällen, an denen sich die Notwendigkeit des Bodenschutzes in größter Eindringlichkeit zeigt, schweigt der Entwurf. Er stellt in § 3 Abs. 2 Satz 3 fest, dass das Gesetz nicht für das Aufsuchen, Bergen, Befördern, Lagern, Behandeln und Vernichten von Kampfmitteln gilt. – Die Kampfmittelbeseitigung erscheint als eine freiwillig zu erfüllende Aufgabe16. Ihre Erledigung ist aber Bedingung dafür, damit eine Rechtspflicht greift: die Sanierung von Böden, von denen eine Gefahr ausgeht als Folge anderer Belastungen als durch Kampfmittel. § 3 Abs. 1 legt fest, dass das Gesetz Anwendung findet bei schädlichen Bodenveränderungen, die auf einer Bodennutzung beruhen. Nach der Begründung des Entwurfs17 14

Der Mitwelt Recht geben, Symposion zum Vorschlag für ein UGB, Tagung v. 26./28. 1. 1996 in der Ev. Akademie Bad Boll, Protokolldienst 18/96, S. 69 ff. 15 Begriffliches dazu bei Peine, DVBl 1990, 733 ff.; Schröder, Militärische Altlasten als Rechtsproblem, in: Institut für Umwelt- und Technikrecht der Universität Trier/Landkreis Birkenfeld (Hg.), Rechtsfragen militärischer Altlasten, 1993, S. 43 ff. 16 Die Begründung des Gesetzentwurfs (s. Fn. 2), S. 100, stellt fest, dass für die von Kampfmitteln ausgehenden Gefahren die Vorschriften des allgemeinen Polizeirechts einschlägig seien; es ist aber in hohem Maße fraglich, ob Polizeibehörden gegen die Bundesrepublik Deutschland als Eigentümer der meisten Flächen, die mit militärischen Altlasten belastet sind, einschreiten dürfen. 17 Fn. 3, S. 91.

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kommt als Bodennutzung insb. jeder Gebrauch einer Fläche in Betracht, die nach § 9 BauGB Gegenstand eines Bebauungsplans sein kann; militärisch genutzte Flächen werden festgesetzt auf der Grundlage des Schutzbereichsgesetzes; die Begründung des Gesetzentwurfs schließt jedoch nicht aus („insbesondere“), dass auch diese Fläche i.S.d. § 3 Abs. 1 genutzt wurden. – Die Sanierung von militärisch genutzten Flächen ist deshalb im Entwurf nur zum Teil erfasst; das muss Kritik auslösen. Positiv regelt den Anwendungsbereich des geplanten Rechts § 3 Abs. 1. Die Vorschrift normiert erstens die Pflicht zur Sanierung von Altlasten. Zweitens findet das zukünftige Recht Anwendung bei schädlichen Bodenveränderungen, die auf einer Bodennutzung oder wirtschaftlicher Tätigkeit beruhen; damit ist erfasst zum einen die Pflicht zur Sanierung von schädlichen Bodenveränderungen, die auf die genannten Tätigkeiten zurückzuführen sind, sowie zum anderen die Pflicht, es zu unterlassen, dass als Folge der genannten Tätigkeiten schädliche Bodenveränderungen entstehen. Der E-BBodSchG ist demnach ein reines Bodensanierungsrecht sowie ein Recht zur Verhinderung zukünftiger schädlicher Bodenveränderungen. Von den drei wesentlichen Bereichen eines umfassenden Bodenschutzrechts hat somit nur ein einziger Bereich eine Regelung erfahren. Ob sie akzeptabel ist, muss sich erweisen.

2. Die Definition des Begriffs „Boden“ Die Definition erfasst den Grund der fließenden und stehenden Gewässer sowie grundwasserführender Schichten nicht. Damit wird die bestehende Rechtslage perpetuiert: Das Gewässerbett – der Gewässerboden – bildet mit dem Wasser tatsächlich und rechtlich eine Einheit; das Gewässerbett wird über das Wasser geschützt; im Gegensatz zum Wasser gibt es aber für den Gewässerboden ein Schutzrecht nicht – wenn man davon absieht, dass im Interesse der Wasserreinhaltung und des Wasserabflusses feste Stoffe zum Zwecke der Entledigung nicht in ein Gewässer eingebracht werden dürfen und die Gewässer zu unterhalten sind. Der Gewässerboden wird tatsächlich nur insoweit geschützt, als der Schutz des Wassers positive Folgen für den Boden hat. Dieser Zustand ist unbefriedigend. Er lässt sich verbessern, indem der Begriff Boden derart weit gefasst wird, dass das Gewässerbett sowie der Boden grundwasserführender Schichten ihm unterfallen, soweit menschliche Aktivitäten den Zustand des Bodens beeinflussen können.

3. Die Funktionen des Bodens § 2 Abs. 2 zählt insgesamt acht Bodenfunktionen auf. Dass es sich bei den aufgezählten Funktionen in der Tat um solche handelt, die der Boden erfüllt, ist unbestreitbar. Es handelt sich um Funktionen mit und um solche ohne Umweltschutzbezug. Fraglich ist, welche Funktionen in einem dem Umweltschutz dienenden Gesetz Erwähnung finden sollten. M.E. ist die Frage eindeutig dahingehend zu beantworten,

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dass in einem Umweltschutzgesetz nur die Funktionen genannt werden sollten, die einen Umweltbezug besitzen. Für diese Ansicht spricht, dass alles, was mit dem Ziel eines Gesetzes nicht in Einklang steht oder keinen Bezug zum Gesetzesziel besitzt – also alles, was sich der obersten Aussage eines Gesetzes nicht zuordnen lässt, nicht in das Gesetz gehört, weil ein innerer Zusammenhang zum Regelungsziel fehlt. Von den acht aufgezählten Bodenfunktionen haben lediglich drei einen Bezug zum Umweltschutz. Es muss erstaunen, dass bei der Mehrheit der aufgezählten Funktionen ein Zusammenhang zum Gesetzesziel fehlt. Die Überbetonung anderer als umweltrelevanter Ziele könnte den Eindruck erwecken, der Umweltschutz sei in diesem Gesetz nachrangig. Deshalb sollten die fünf umweltfremden Bodenfunktionen gestrichen werden. 4. Die Definition des Begriffs „Sanierung“ Der Begriff „Sanierung“ umfasst verschiedene Varianten von Maßnahmen zur Gefahrenbeseitigung. Die im Entwurf genannten Maßnahmen können bereits jetzt sämtlich auf der Grundlage der speziellen Vorschriften zur Altlastensanierung, soweit sie landesrechtlich vorhanden sind, oder auf der Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel angeordnet werden. Auf der Basis des Entwurfs kann eine Rekultivierung der Fläche nach der Durchführung von gefahrenbeseitigenden Maßnahmen nicht verlangt werden. Der Ruf nach einem Spezialgesetz des Bundes zur Altlastenbeseitigung hatte gerade einen seiner Gründe darin, sicherzustellen, dass bundeseinheitlich eine Rekultivierung nach einheitlichen Standards angeordnet und durchgeführt wird18. Diesen rechtspolitischen Wunsch lässt der Entwurf unerfüllt. Er bleibt damit zum Teil hinter landesrechtlichen Festlegungen zurück.

5. Die Entsiegelungspflicht Die Entsiegelungspflicht gilt nicht unmittelbar, sondern ihre Einführung benötigt den Erlass einer RechtsVO. Zum Erlass einer einschlägigen RechtsVO besteht eine Rechtspflicht nicht. Sollte eine solche RechtsVO Geltung erlangen, ist ihr Anwendungsbereich sachlich begrenzt; eine allgemeine Entsiegelungspflicht wird es nicht geben: Der Boden ist nur dann zu entsiegeln, wenn er nicht mehr genutzt wird und wenn die Versiegelung im Widerspruch zu planungsrechtlichen Festsetzungen steht. Praktisch dürfte das bedeuten, dass eine Entsiegelung nur dann in Betracht kommt, wenn durch Bebauungsplan eine Bodennutzung festgesetzt ist, deren Realisierung eine Entsiegelung erfordert, z. B. Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nrn. 10, 15, 16, 20 und 24 BauGB. Da für viele Fälle der Versiegelung, z. B. aufgegebene Verkehrstrassen, der Erlass eines Bebauungsplans nur sehr schwer vorstellbar ist, bleiben diese Fälle von der Entsiegelungspflicht ausgenommen. Ein allgemeines „Ruinenbeseitigungsrecht“ fehlt; die Entsiegelungspflicht bleibt weit hinter dem rechtspolitisch Geforderten zurück. 18

Peine, NVwZ 1993, 958 f.

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6. Auf- und Einbringen von Materialien Diese Norm bildet einen Auffangtatbestand; es ist aber nicht ersichtlich, für welche Fälle er gelten soll. Auch die Begründung nennt einen Beispielsfall nicht. Es ist deshalb zu fragen, ob dieser Gesetzesvorschlag überflüssig ist. 7. Das Recht der Sanierung schädlicher Bodenveränderungen Ein vollständiges Recht der Sanierung schädlicher Bodenveränderungen muss folgende Regelungen enthalten: eine Definition des Begriffs „schädliche Bodenveränderung“, ein Gefahrerforschungsrecht, eine Ermächtigungsgrundlage für Anordnungen gegen Verpflichtete, Aussagen über den Umfang der Sanierung, Aussagen zur Störerauswahl und zu denkbaren Haftungsbeschränkungen, ein Sanierungsrecht der öffentlichen Hand bei Wegfall eines privaten Sanierers19. Eine Definition des Begriffs „schädliche Bodenveränderung“ enthält § 2 Abs. 3. Eine schädliche Bodenveränderung liegt vor, wenn die Bodenfunktionen in einer Weise beeinträchtigt sind, dass Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen können; mit Blick auf die Trias Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen orientiert sich der Entwurf am BImSchG; dagegen ist nichts zu erinnern, ebenso ist die vorgelegte Definition akzeptabel. – Ein Gefahrerforschungsrecht enthält § 9. Die Vorschrift differenziert danach, ob die Behörde selbst handeln muss oder eine andere Person verpflichten darf. Bei Vorliegen der in § 9 Abs. 1 aufgestellten Voraussetzungen muss die Behörde selbst handeln; das ist der Fall, wenn Anhaltspunkte eine schädliche Bodenveränderung oder eine hierdurch verursachte Gewässerverunreinigung indizieren; in dieser Situation ergreift die Behörde zur Ermittlung des Sachverhalts die geeigneten Maßnahmen. Wenn bestimmte Prüfwerte überschritten werden, obliegt der Behörde die Feststellung, ob eine schädliche Bodenveränderung vorliegt. Bei einem hinreichenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung aufgrund konkreter Anhaltspunkte kann die zuständige Behörde anordnen, dass die in § 4 Abs. 3 genannten Personen die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchführen. Aufgrund eines Gefahrverdachts darf die Behörde also nur dann Maßnahmen von Personen fordern, wenn der Verdacht hinreichend ist. Das vom Bund für die Regelung des Gefahrverdachts vorgeschlagene Recht ist unvollständig. § 9 Abs. 2 Satz 2 sagt vielmehr, dass Einzelheiten mit Blick auf das in § 9 Abs. 2 Satz 1 Geregelte die Länder festsetzen können. – Die Ermächtigungsgrundlage für das Aussprechen von Sanierungsverfügungen enthält § 10 Abs. 1. Ob eine entsprechende Verfügung erlassen wird, liegt im Ermessen der Behörde. § 10 Abs. 1 Satz 3 enthält für den Erlass von Verfügungen eine Grenze: den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; diese Grenze ist selbstverständlich und könnte, da sie verfassungsrechtlicher Natur ist, aus dem Entwurf gestrichen werden. Für angeordnete Nutzungs19

s. Peine, in: Jänicke/Bolle/Carius, Umwelt global, 1995, S. 100.

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beschränkungen von land- und forstwirtschaftlich genutzten Böden enthält § 10 Abs. 2 eine Ausgleichsregelung wegen eingetretener wirtschaftlicher Nachteile. – Den Umfang der Sanierung legt § 2 Abs. 7 fest; auf die Kritik zu dieser Norm darf verwiesen werden. – Wer als Verpflichteter einer Sanierung in Betracht kommt, regelt § 4 Abs. 3. Die Norm zählt den Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung, den Grundstückseigentümer und den Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück auf. Aussagen betreffend die Verantwortung von Rechtsnachfolgern dieser Personen fehlen. Ebenfalls ist eine Aussage im Gesetz betreffend die Rangfolge der Heranziehung nicht vorhanden. Insoweit bleibt das Gesetz hinter landesrechtlichen Aussagen zu dieser Problematik weit zurück. – Eine Haftungsbeschränkung enthält § 25 Abs. 2. Der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück, der weder Verursacher der schädlichen Bodenveränderung ist noch bei der Begründung des Eigentums Kenntnis von der schädlichen Bodenveränderung oder den sie begründenden Umständen hatte oder hätte haben können, ist nach Absatz 1 insoweit nicht kostenpflichtig, als die Kosten der angeordneten Maßnahmen die Nutzung des Grundstücks mit den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteilen ausschließen. Beim Eigentümer ist dies der Fall, soweit die zur Durchführung der Maßnahmen erforderlichen Kosten den Verkehrswert des Grundstücks unter Berücksichtigung der durchgeführten Maßnahmen übersteigen. Der unschuldige Erwerber eines Grundstücks ist nach dieser Norm nicht vollständig von der Tragung der Sanierungskosten befreit, sondern nur in einem bestimmten Umfang. Über diese Regelung lässt sich streiten. Jedenfalls wird häufig gefordert, dass der unschuldige Käufer vollständig von der Zahlung der Sanierungskosten befreit sein müsse. – Eine Aussage betreffend die Sanierung eines Grundstücks durch die öffentliche Hand selbst oder auch durch eine von ihr beauftragte Sanierungsgesellschaft im Fall des Ausscheidens eines privaten Sanierungsverpflichteten fehlt. Daraus ist zu schließen, dass – wenn ergänzende landesrechtliche Regelungen erlaubt sein sollten –, die Regelung dieser Frage dem Landesrecht vorbehalten bleiben soll. Wie angedeutet, bleibt der Entwurf mit Blick auf die Sanierung von schädlichen Bodenveränderungen hinter einigen bereits existierenden landesrechtlichen Regelungen zurück. Er repräsentiert deshalb nicht den Stand der heutigen Erkenntnis.

8. Das Recht der Sanierung von Altlasten Das gerade dargelegt Recht der Sanierung schädlicher Bodenverunreinigungen findet auf das Recht der Altlastensanierung Anwendung. Insoweit gibt es lediglich einige ergänzende Vorschriften. Gegen § 11 des Entwurfs ist nichts zu erinnern; es gibt unterschiedliche Regelungen auf Landesebene zur Erfassung der Altlasten und von altlastverdächtigen Flächen; die eingespielte Praxis sollte nicht durch eine einheitliche bundesrechtliche Regelung zerstört werden. – Gegen das Informationsrecht der Betroffenen nach § 12 ist Nachteiliges nicht zu sagen. – Nach § 13 Abs. 1 soll die Behörde bei Altlasten, von denen aufgrund von Art, Ausbreitung oder Menge der Schadstoffe in besonderem Maße schädliche Bodenveränderungen oder sonstige

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Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen, von einem nach § 4 Abs. 3 zur Sanierung Verpflichteten die notwendigen Untersuchungen zur Entscheidung über Art und Umfang der nach § 4 Abs. 3 erforderlichen Maßnahmen (Sanierungsuntersuchungen) sowie die Vorlage eines Sanierungsplans verlangen; es ist dann geregelt, was Inhalt des Sanierungsplans insb. zu sein hat. Die Bestimmung des Inhalts eines Sanierungsplans ist nicht abschließend erfolgt. Es wird vielmehr die Bundesregierung durch RechtsVO ermächtigt, Anforderungen an Sanierungsmaßnahmen sowie an den Inhalt von Sanierungsplänen zu erlassen. Dagegen, dass derartige Details nicht durch ein Parlamentsgesetz festgelegt werden, ist nichts zu erinnern. Mit Blick auf die Sanierungsuntersuchungen sowie auf die Aufstellung des Sanierungsplans ist der Behörde Ermessen dahingehend eingeräumt, zu verlangen, dass ein Sachverständiger tätig wird; auch dagegen kann nichts vorgetragen werden, wenn die Einräumung des Ermessens in der Weise genutzt wird, dass mangelnde Kompetenz immer durch Sachverständige kompensiert wird. Der Sanierungsplan kann für verbindlich erklärt werden; ihm kommt dann Konzentrationswirkung zu; dass insoweit Ermessen besteht, ist zu begrüßen, weil dadurch ermöglicht wird, dass dann, wenn der Verlauf der Sanierung nicht von vornherein absehbar ist, auf eine verbindliche Erklärung verzichtet werden kann, um eine flexible Planung und flexibles Handeln sicherzustellen. – Dass der Sanierungsplan nach § 14 durch die Behörde selbst oder durch einen Sachverständigen erstellt werden kann, ist nicht zu kritisieren. – Gegen die Aussagen zur behördlichen Überwachung und zur Eigenkontrolle nach § 15 lässt sich Kritik nicht formulieren. Dass von einem zur Sanierung einer Altlast Verpflichteten die Durchführung von Eigenkontrollmaßnahmen angefordert und er zur Mitteilung der Ergebnisse verpflichtet werden kann, ist auch schon anderenorts geregelt. – § 16 enthält eine Ermächtigungsgrundlage für weitere behördliche Anordnungen; sie ist notwendig, um das Gesetz vollziehen zu können. 9. Das Recht der landwirtschaftlichen Bodennutzung Für die landwirtschaftliche Bodennutzung ist hervorzuheben, dass ein wichtiger Teil der Probleme, die die Landwirtschaft dem Boden bereitet, im E-BBodSchG ungeregelt bleibt. Der Entwurf befasst sich weder mit dem Aufbringen von Pflanzenschutzmitteln noch von Düngemitteln. Der Entwurf bleibt also insoweit hinter den Erwartungen zurück, die an ein BodSchG gerichtet werden dürfen. 10. Das Recht der Kostentragung Das Recht der Kostentragung in § 25 Abs. 1 entspricht dem bisherigen Kostentragungsrecht und enthält insoweit nichts Neues. Eine Ausnahme von dieser Feststellung bildet § 25 Abs. 1 Satz 2; nach dieser Vorschrift muss derjenige, der im Fall eines Gefahrverdachts kostenverursachende Untersuchungen durchführt, die Kosten nicht tragen, wenn der Verdacht unbestätigt bleibt. Diese Aussage steht in Gegensatz

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zu einigen Entscheidungen von OVGen20. Der Gesetzesvorschlag ist zu begrüßen, weil er für den Bürger schützende Wirkung entfaltet. – Das Recht des Ausgleichsanspruchs nach § 25 Abs. 3 entspricht einigen Landesvorschriften zum Altlastensanierungsrecht. 11. Das baurechtliche Bodenschutzrecht § 1a Abs. 1 greift die Bodenschutzklausel des geltenden Rechts im Wortlaut auf; die Klausel wird ergänzt um den Aspekt der Begrenzung der Bodenversiegelung auf das notwendige Maß. Diese Regelung soll sicherstellen, dass dem vorsorgenden Bodenschutz bereits bei der Aufstellung von Bauleitplänen im Rahmen der Abwägung das notwendige Gewicht zukommt. – Der letzte Satz des § 1 Abs. 5 BauGB, der eine Umwidmungssperrklausel von landwirtschaftlich, als Wald oder für Wohnzwecke genutzte Flächen enthielt, ist entfallen. Ob dieses Entfallen kompensiert wird durch die Verpflichtung, Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen, ist zweifelhaft; die Zweifel werden genährt durch die Formulierung „notwendiges Maß“. Welches Maß notwendig ist, weiß niemand; es ist deshalb der planaufstellenden Institution vorbehalten, dieses Maß zu bestimmen; welche Interessen im Ergebnis das Handeln der planaufstellenden Institution leiten werden, ist offen.

IV. Schlussbetrachtung Die vorgelegten Gesetzentwürfe sind mit Blick auf die vorstellbaren und von vielen Experten auch für notwendig gehaltenen Regelungen defizitär. Diese Feststellung gilt zunächst für den Anwendungsbereich: Das geplante Gesetz ist kein BodSchG im umfassenden Sinn, sondern im Wesentlichen ein Altlastensanierungsgesetz. Es stellt sich die Frage, ob ein Gesetz mit diesem beschränkten Inhalt den ihm zugedachten Namen (freilich nur in der Kurzfassung der Bezeichnung) überhaupt verdient. Es ist hervorzuheben: Ein außerordentlich wichtiger Bereich des Bodenschutzes ist der Schutz des Bodens vor Verbrauch. Es ist sehr wahrscheinlich, dass langfristig der Schutz des Bodens vor Verbrauch der wichtigste Teil des Bodenschutzes sein wird: Alle Fachleute erwarten, dass die Bedeutung des Altlastensanierungsrechts sich verringert, weil die tatsächlichen Erfolge auf dem Gebiet der Altlastensanierung steigen. – Altlastensanierungsrecht ist auslaufendes Recht; der Schutz des Bodens vor Stoffeintrag wird als Rechtsgebiet ebenfalls an der ihm heute zukommenden überragenden Bedeutung verlieren, weil die Zahl der industriellen Emittenten abnimmt, die emittierte Schadstoffmenge durch verbesserte Technik zusätzlich kleiner wird und auch die Sonderstellung der Landwirtschaft mit Blick auf die ungehemmte Bodenbelastung wohl verloren geht – das qualitative Bodenschutzrecht erfüllt seine Funktion und wird zu „normalem“ Recht ohne besondere Bedeutung. Das in der Zukunft wichtigste Bodenschutzrecht, das quantitative Bodenschutzrecht, bleibt im E-BBodSchG 20

BayVGH, DÖV 1986, 977; SaarlOVG, NuR 1986, 216; OVG NW, NVwZ 1985, 355.

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ungeregelt. Schon deshalb verdient das Gesetz seinen Namen nicht. Dieses Urteil stützt der Umstand, dass der qualitative Bodenschutz ebenfalls in keiner einzigen Vorschrift erwähnt wird; § 17 regelt den Inhalt der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft unter Aussparung von Aussagen betreffend das Aufbringen von Düngemitteln und Wirtschaftsdünger sowie von Pflanzenschutzmitteln. Ein Gesetz mit diesem beschränkten Inhalt verdient die Bezeichnung BodSchG nicht. Weder der E-BBodSchG noch der E-BNatSchG enthalten Regelungen über den Bodenverbrauch. Die Bodenschutzklausel des E-BauROG hat einen beschränkten Anwendungsbereich und als Optimierungsgebot nur begrenzte Wirkung. Diese begrenzte Regelung bleibt weit hinter dem zurück, was notwendig erscheint. Sollten die geplanten Regelungen Gesetz werden, sind beispielsweise Verkehrstrassen ohne Rücksicht auf den Bodenverbrauch planbar. – Eine Kritik gleicher Art ist für die Regelungen des Stoffeintrags in den Boden zu treffen. Die „Verzahnung“ mit dem BImSchG führt im Ergebnis zu einem Schutz der vorhandenen und zukünftigen industriellen Anlagen und einer Relativierung des Bodenschutzes in dem Bereich, der vom BImSchG erfasst ist; auch diese Regelung bleibt weit hinter einer wünschenswerten zurück21.

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Es stellt sich die Frage, ob auf der Grundlage des § 3 Abs. 3 E-BBodSchG der Anlagebetreiber trotz Einhaltung der den Bodenschutz betreffenden Vorsorgevorschriften sanierungspflichtig werden kann, wenn eine schädliche Bodenveränderung eintritt. Folgende Ausgangserwägungen sind festzuhalten: 1. Der Betrieb der Anlage erfolgt rechtmäßig. 2. Die Betriebsgenehmigung und ein […] ihr entsprechendes Handeln bedinge nicht, dass der Anlagenbetreiber als Handlungsstörer i.S.d. Polizeirechts ausfällt. 3. Für eine Handlungshaftung kommt es (ebenso wie für die Zustandshaftung) auf Rechtswidrigkeit und Verschulden nicht an. Auch derjenige haftet für die Folgen rechtmäßigen Tuns, dessen Handeln sich erst in der Zukunft als schädlich herausstellt. Daraus ergibt sich: Der Anlagenbetreiber müsste für die Bodensanierung haften, und zwar auf der Grundlage des BodSchG. Diese Aussage sollte nicht aufgeweicht werden. Deshalb ist die im Entwurf enthaltene Aussage, die Einhaltung der den Boden betreffenden Grenzwerte sei „anzustreben“ abzulehnen. Sie führt zu einer Aufweichung des Bodenschutzes bei Anlagegrundstücken und dem wichtigen Bereich der Nachbarschaft von Anlagen. Es muss eine unbedingte Rechtspflicht zur Einhaltung dieser Grenzwerte angeordnet werden. Nur dann besteht die Sanierungspflicht definitiv. Besteht lediglich die Pflicht, die Einhaltung der Grenzwerte „anzustreben“, kann der Betreiber der Anlage immer argumentieren, er habe sich bemüht, leider sei sein Streben erfolglos geblieben; die Rechtspflicht mit Blick auf den Bodenschutz habe er jedenfalls erfüllt. Zwingend müsse deshalb § 10 Abs. 1 EBBodSchG so interpretiert werden, dass die Norm diesen Fall nicht erfasse, um einen inhaltlichen Widerspruch im Gesetz zu vermeiden. Scheidet der Betreiber als Sanierungspflichtiger aus, so entfällt die Sanierungspflicht für das Anlagengrundstück. Für ein Nachbargrundstück ist der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück, in der Regel der Eigentümer, sanierungspflichtig in seiner Eigenschaft als Zustandsstörer. Dieses Ergebnis sollte unsere Rechtsordnung jedenfalls dann vermeiden, wenn die Chance besteht, ein anderes Ergebnis zu erzielen. Ferner ist abzulehnen, dass die Grenzwerte lediglich der Vorsorge dienen. Bekanntlich haben Nachbarn auf die Einhaltung von Vorsorgebestimmungen keinen Anspruch. Sie können deshalb die Emissionen nicht an der Quelle bekämpfen und müssen klaglos die Bodenverschlechterung durch die Immissionen hinnehmen, bis eine schädliche Bodenveränderung erreicht ist. Umweltpolitisch erscheint diese Lösung inakzeptabel, weil sie den Fehler des § 5

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Die Definition des Begriffs „Boden“ ist verbesserungswürdig; der Begriff „Sanierung“ erfasst die Rekultivierung nicht; das Entsiegelungsrecht ist unzureichend; das gleiche gilt für das Recht der Sanierung militärischer Altlasten, der Bodenbeeinträchtigungen und der Altlasten. Von Übel ist auch die Verteilung des Rechts des Bodenschutzes auf eine Vielzahl von Gesetzen, wie es der jetzigen Rechtslage entspricht. Natürlich sollte nicht alles, was einen Bezug zum Bodenschutz besitzt, in einem BodSchG geregelt werden; in einem BodSchG sollten aber wenigstens ansatzweise Belange des quantitativen und qualitativen Bodenschutzes Berücksichtigung finden. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass die jetzige Rechtszersplitterung die Durchsetzung des Bodenschutzes mindert; diese Rechtszersplitterung und damit die Minderung des Bodenschutzes bleiben aufrecht erhalten. Die zukünftige Rechtslage enthält schon deshalb keinen Fortschritt. Es stellt sich die Frage, ob die Länder eine auf diesem Entwurf basierende zukünftige Rechtslage durch Lückenschließung nachbessern können. Das ist m. E. nicht der Fall, da das Gesetz wohl abschließenden Charakter hat. Es enthält ein System von Regelungen, die den Ländern Rechte zur Gesetzgebung einräumen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist bei dieser Situation anzunehmen, dass den Ländern außerhalb der Schließung der gewollten „Lücken“ ein Recht zur Gesetzgebung nicht zusteht22. Es handelt sich alles in allem um einen stark verbesserungswürdigen Entwurf. Es ist Sache der Länder, im Bundesrat Verbesserungen durchzusetzen. Vorschläge für ein besseres Bodenschutzrecht existieren23.

Abs. 1 Nr. 2 BImSchG perpetuiert. Dass die Einhaltung von Vorsorgewerten heute vom Bürger nicht erzwingbar ist, wird vielfach für umweltpolitisch verfehlt gehalten. § 3 Abs. 3 E-BBodSchG besitzt eine weitere für die Praxis relevante Aufgabe: Sie bestimmt die zuständige Behörde für den Bodenschutz. Es ist Sache der Länder, entweder neue Behörden einzurichten oder schon vorhandene mit dem Vollzug des Bodenschutzrechts zu betrauen. Was in dieser Hinsicht am praktikabelsten erscheint, müssen Fachleute für den Verwaltungsvollzug beantworten. Hingewiesen sei aber noch auf Folgendes: Dem Entwurf des BBodSchG lässt sich nicht entnehmen, für welchen räumlichen Bereich, der sich um eine Anlage i.S.d. BBodSchG erstreckt, die Immissionsschutzbehörden zuständig sein sollen. Dieser Bereich muss definiert werden, um Zuständigkeitskonflikte zwischen ihnen und den für den Bodenschutz im Übrigen zuständigen Behörden zu vermeiden. 22 BVerfGE 67, 299/324 23 s. z. B. BTag-Drs. 13/5203, Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens v. 2. 7. 1996. – Kritik an den bisherigen Entwürfen des Bodenschutzrechts z. B. Stollmann, ZAU 1994, 391/ 401 f.; Werbeck/Wink, ZAU 1994, 403 ff.; Bender/Sparwasser/Engel (Fn. 1), S. 271, gehen davon aus, dass die Bodenschutzgesetzgebung möglicherweise ein weiterer Akt bloß symbolischer Umweltgesetzgebung darstelle.

G. Grundfragen des Bundes-Bodenschutzgesetzes – Verfassungsmäßigkeit, Abgrenzungsfragen, Regelungslücken –

I. Die Verfassungsmäßigkeit des Bundes-Bodenschutzgesetzes* 1. Vorbemerkung Mit Blick auf die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes ist zwischen formeller und materieller Verfassungsmäßigkeit zu differenzieren. In formeller Hinsicht ist relevant *

Literatur: Kommentare zum BBodSchG: Becker, Stand Jan. 2000, Bickel, 2. Aufl. 2000; Frenz, 2000; Holzwarth/Radke/Hilger/Bachmann, 2. Aufl. 2000 (zitiert HRHB); Oerder/Numberger/Schönfeld, 1999 (zitiert ONS); Queitsch, 2. Aufl. 1999; Sanden/Schoeneck, 2. Aufl. 2000. Darstellung in Lehrbüchern: Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, 2. Aufl. 2000, S. 651 ff.; Kloepfer, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2000, S. 471 ff.; Sanden, Umweltrecht, 1999, S. 188 ff.; Schmidt, Reiner, Einführung in das Umweltrecht, 5. Aufl. 1999, § 6. Monographien: Brandt, Altlastenrecht, 1993; Gelen, Altlastenhaftung in den neuen Bundesländern, 1995; Hahn, Bodenschutz, 1993; Heiermann, Der Schutz des Bodens vor Stoffeintrag, 1991; Kim, Hyun-Joon, Bodenschutz durch Bauplanungsrecht; Knopp/Albrecht, Altlastenrecht in der Praxis, 2. Aufl. 1998; Knopp/Löhr, Bundes-Bodenschutzgesetz in der betrieblichen und steuerlichen Praxis, 2000; Kothe, Altlastenrecht in den neuen Bundesländern, 1996; Feil, Auswirkungen des Bundes-Bodenschutzgetzes auf die Landesbodenschutzgesetze und den Ländern verbleibende Gesetzgebungsspielräume, 2000; Ott, Grenzwerte, 1996; Schrader, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, 1988; Ziehm, Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen, 1990. Einführende Aufsätze: Erbguth/Stollmann, GewArch 1999, 223 ff., 283 ff.; Heiermann, ZG 1999, 215 ff.; Knopp/Albrecht, BB 1998, 1853 ff.; Kobes, NVwZ 1998, 786 ff.; Kutzschbach, Jura 2000, 225 ff.; Neun, NJ 1999, 123 ff.; Peine, NuR 1999, 121 ff.; Peters, VBlBW 1999, 83 ff.; Rengeling, UTR Bd. 53, 43 ff.; Riedel, ZIP 1999, 94 ff.; Schlabach, UPR 1996, 1 ff.; Schrader, Der Landkreis 1998, 737 ff.; Vierhaus, NJW 1998, 1262 ff.; Ziegler, LKV 1998, 249 ff. Literatur zu Einzelfragen des BBodSchG: Becker, DVBl 1999, 134; Bickel, NJW 2000, 2562 ff.; UPR 1998, 255 ff.; Brand/Sanden, UPR 1999, 367 ff.; Bückmann/Lee/Zieschank, UPR 1999, 81 ff.; Diehr, UPR 1998, 128 ff.; Dombert, Erläuterungen zu § 13 BBodSchG, in: Landmann/Romer, Umweltrecht, Bd. 3; Droese, UPR 1999, 86 ff.; Eilers/Geisler, BB 1998, 2411 ff.; Empt, ZIP 2000, 905 ff.; Erbguth/Stollmann, NuR 1999, 127 ff.; Fluck, DVBl 1999, 1551 ff.; Freisburger, UPR 1999, 381 ff.; Frenz, NVwZ 2000, 647 f.; DB 2000, 505 ff.; Graf v. Westerholt, NJW 2000, 931 ff.; Grewing, DVBl 2000, 177; Günther, NuR 2000, 85 ff.; Harms, NJW 1999, 3669; Hasche, DVBl 2000, 91; Hendler, UTR Bd. 53, 87 ff.; Kahl, DV 2000, 42 ff.; Knoche, NVwZ 1999, 1198 ff.; Knopp, NJW 2000, 905 ff.; ders., ZUR 1999, 210 ff.; ders., DVBl 1999, 1010 ff.; ders., BB 2000, 1373 ff.; Knopp/Albrecht, BB 1998, 1853 ff.; Knopp/Ebermann-Finken, BB 1999, 2469 ff.; Kobes, NVwZ 2000, 261 ff.; Kothe, VerwArch 1997, 456 ff., 475 ff.; ders., UPR 1999, 96 ff.; NJW 2000, 107 ff.; Michler, UPR 1999, 100 ff.; Mohr, UPR 2000, 15 ff.; Müggenborg, NVwZ 2000, 50 ff.; v. Mutius/Nolte, 1 ff.;

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G. Grundfragen des Bundes-Bodenschutzgesetzes

zum einen die Einhaltung des Gesetzgebungsverfahrens sowie zum anderen die kompetentielle Absicherung der Regelungen; in materieller Hinsicht sind hier die Grundrechte sowie das Rückwirkungsverbot bedeutsam. 2. Formelle Verfassungsmäßigkeit a) Das Gesetzgebungsverfahren Die Einhaltung der Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren wird i.F. unterstellt. Diese Unterstellung darf deshalb vorgenommen werden, weil sich nicht eine einzige mit der Materie befasste Stimme findet, die insoweit Zweifel äußert. Offensichtlich gehen alle am Verfahren Beteiligten von der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes aus. b) Die Erforderlichkeit nach Art. 72 Abs. 2 GG Es werde ferner unterstellt, dass das BBodSchG i.S.v. Art. 72 Abs. 2 GG erforderlich ist1. Erforderlich2 ist eine einheitliche Regelung des Bodenschutzrechts zur Wahrung der „Rechts- und Wirtschaftseinheit“ der Bundesrepublik. Das Regelungsproblem Bodenschutz tritt sowohl im Hinblick auf die notwendige Sanierung bestehender als auch auf die Verhinderung künftiger Beeinträchtigungen in allen Bundesländern auf. Das Fehlen bundeseinheitlicher Standards birgt in sich die Gefahr des Wettbewerbs der Länder um die niedrigsten Umweltstandards, um auf diese Weise ein attraktiver Standort für Industrieansiedlungen zu sein. Abgesehen davon könnte eine bundeseinheitliche Regelung auch zu einer höheren Akzeptanz von Sanierungsmaßstäben bei den Sanierungspflichtigen führen. Ein BBodSchG kann als im gesamtstaatlichen Interesse liegend angesehen werden3.

Nicklas, LKV 2000, 376 ff.; Niewerth, NuR 1999, 558 ff.; Nolte, UPR 2000. 25 ff.; Nolte, NuR 2000, 258 ff.; Notter, NuR 1999, 541 ff.; Peine, UPR 1999, 361 ff.; ders., NVwZ 1999, 1165 ff.; Pützenbacher, NJW 1999, 1137 ff.; Rech/Henke, LKV 2000, 369 ff.; Rehbinder, altlastenspektrum 1999, 263 ff.; Riedel, UPR 1999, 93 f.; Sahm, UPR 1999, 374 ff.; Sandner, NJW 2000, 2542 ff.; Schink, DÖV 1999, 797 ff.; ders., DVBl 2000, 221 ff.; Schlette, VerwArch 2000, 41 ff.; Schmidt-Räntsch/Sanden, NuR 1999, 555 ff.; Schmitz-Rode, DB 1999, 417; Schönfeld, NVwZ 2000, 648 f.; Schwartmann, DStR 1999, 324 ff.; ders., DStR 2000, 205 ff.; Sondermann/Terfehr, altlasten-spektrum, 1999, 97; Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355; Theuer, DB 1999, 621 ff.; Tomerius, ZUR 1999, 78 ff.; Turiaux/Knigge, BB 1999, 913 ff.; dies., BB 1999, 377 ff.; Zimmer, RdE 2000, 41 ff. Hinweis: Die im Folgenden nicht näher gekennzeichneten Nachweise beziehen sich auf Publikationen, die in Fn.* aufgeführt sind. 1 Ausführliche Begründung dieses Ergebnisses durch Feil, S. 47 – 52. 2 Zu diesem Kriterium ausführlich Stettner, in: Dreier (Hg.), GG, Bd. 2, Art. 72 GG Rn. 15 ff. 3 Brandt, DÖV 1996, 683 m.w.Nachw.; Rybak/Hofmann, NVwZ 1995, 231 ff. m.w.Nachw.

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c) Die Kompetenzgrundlage des Gesetzes Der Bundesgesetzgeber gründet seine Kompetenz für den Erlass des Gesetzes auf die ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes sowie auf sein Recht zum Erlass von Rahmenvorschriften4. Für die Regelung zur Landesverteidigung in § 23 (§§ ohne nähere Kennzeichnung sind i.F. solche des BBodSchG) beruft er sich auf die in Art. 73 Nr. 1 GG vorhandene ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zur Regelung von Verteidigungsangelegenheiten; die übrigen Vorschriften (bis auf zwei) stützt er auf die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11: Recht der Wirtschaft, und Nr. 18: Bodenrecht, sowie an diese knüpfende Annexkompetenzen; zur Sanierung von Gewässerverunreinigungen vorhandene Regelungen in §§ 4 Abs. 4 Satz 3, 7 Satz 6 werden auf Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG gestützt: Recht des Wasserhaushalts. Dass ein solches Vorgehen im Einzelfall zulässig ist und dass auf dieser Grundlage ein BBodSchG erlassen werden kann, hat Verfasser in einem Aufsatz aus dem Jahre 1992 nachgewiesen5. Eine große Zahl von Autoren hat auf diesen Aufsatz Bezug genommen und seine Ergebnisse als richtig akzeptiert6. Demzufolge konnte der Vorschlag für ein sehr weitgehendes UGB-BT, den Verfasser verantwortete, in verfassungsmäßiger Hinsicht ohne weiteres gemacht werden7; das gleiche gilt für den (partiell noch weitergehenden) Vorschlag eines Bodenschutzrechts der Unabhängigen Sachverständigenkommission8. Deshalb scheint es nicht notwendig zu sein, die gesamte Argumentation zu wiederholen9, sondern es wird lediglich auf die Stimmen eingegangen, die in jüngerer Zeit an der Richtigkeit des zuvor behaupteten Ergebnisses zweifeln. Diese Zweifel betreffen zum einen die Zulässigkeit eines sog. „Kompetenzmixes“, zum anderen die Reichweite des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG: „Bodenrecht“10. Mit Blick auf die Zulässigkeit des sog. „Kompetenzmixes“11 wird behauptet, dass eine Kompetenzkombination nur dann verfassungsrechtlich zulässig sei, wenn bestehende Kompetenzbereiche bzw. darauf beruhende Regelungsbefugnisse in einem Gesetzesvorhaben zusammengefasst werden sollen; keinesfalls könne ein derartiger 4

BTag-Drs. 13/6701, S. 16 ff. Peine, NuR 1992, 353 ff. 6 Brandt, Kapitel XI C Rn. 59 ff.; ders., DÖV 1996, 677 ff.; Rid/Froeschle, UPR 1994, 322 ff.; Rid/Petersen, NVwZ 1994, 845. 7 Jarass/Kloepfer/Kunig/Papier/Peine/Rehbinder/Salzwedel/Schmidt-Aßmann, UGB-BT, Berichte des Bundesumweltamtes 4, 1994. 8 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hg.), Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch beim Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 1998. 9 Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum Erlass des BBodSchG behandelt jüngst ausführlich Feil, S. 33 – 52. 10 Erbguth/Rapsch, NuR 1990, 433; Erbguth/Stollmann, NuR 1994, 326 f.; Degenhart, ZRP 1997, 399. 11 Welche Normen des GG als Elemente des Kompetenzmixes in Betracht kommen, legt ausführlich Feil, S. 37 f. dar. 5

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„Mix“ zur Schaffung einer neuen, von der im GG enthaltenen Kompetenzordnung nicht oder nicht vollständig abgedeckten Zuständigkeit führen; wäre Letzteres zulässig, könnte das gesamte System der Gesetzgebungszuständigkeiten nach dem GG unterlaufen werden. Folge dieser Argumentation ist, dass einem entstandenen Bedarf wie beim Bodenschutz nicht mit einer Ausweitung der Art. 73 ff. GG begegnet werden dürfe; deshalb sei das BBodSchG verfassungswidrig. – Dieser Auffassung steht – rein faktisch – entgegen, dass der Bundesgesetzgeber sehr häufig Gesetze auf einen Kompetenzmix stützt12 und dass das BVerfG in seinen vielen, die Gesetzgebungskompetenz betreffenden Entscheidungen dieses Vorgehen bislang immer akzeptiert hat13. Deshalb stehen dem Bund alle Kompetenztitel kumulativ zur Verfügung14; er darf seine Gesetzgebungszuständigkeit aus unterschiedlichen Titeln ableiten15. Eine verfassungsrechtliche Grenze für dieses Vorgehen ist dann erreicht, wenn eine einzelne Aussage in einem Gesetz sich nicht mehr auf einen Kompetenztitel stützen kann. Auch diese Grenze ist allgemein akzeptiert16. Bei Beachtung dieser Grenze ist die Schaffung einer neuen, vom GG nicht oder nicht vollständig abgedeckten Zuständigkeit nicht möglich; deshalb geht der erhobene Vorwurf mit Blick auf die Möglichkeiten, die ein Kompetenzmix dem Gesetzgeber eröffnet, ins Leere; ein Kompetenzmix eröffnet nicht mehr an gesetzgeberischen Möglichkeiten, als ohnehin im GG für den Bund vorhanden sind. Nach der Gegenauffassung soll insb. die historische Auslegung der Subsumtion des Bodenschutzrechts unter die Materie „Bodenrecht“ entgegenstehen: Das GG benenne keinen faktisch-deskriptiven Sachbereich, sondern normativ-rezeptiv das zu regelnde Rechtsgebiet; der Verfassunggeber habe also einen vorgefundenen Normbereich zugrunde gelegt. Zwar sei der Begriff Bodenrecht nicht klar umrissen gewesen, es habe sich aber bei den Vorläuferbestimmungen in der Weimarer Reichsverfassung deutlich um wohnungsbau- und verteilungspolitische Regelungsbereiche gehandelt, wie aus den Bestimmungen der Art. 155 und 10 Nr. 4 WRV hervorgehe. Das GG habe das „Bodenrecht“ im traditionellen Verständnis übernommen, so dass ein umweltbezogenes Bodenschutzrecht nicht darunter verstanden werden könne; vielmehr sei diese Materie bei der Entstehung des GG gar nicht gesehen worden; unzulässig sei der Schluss, dass der Verfassunggeber für das umweltschützende Bodenrecht eine Bundeskompetenz habe schaffen wollen17. – Diese Argumentation überzeugt nicht. Zum einen hindert die historische Interpretation der Materie „Bodenrecht“ in Art. 10 Nr. 4 WRV nicht, das Bodenschutzrecht dieser Materie zu subsumieren, da ihr ein weites Verständnis des Bodenrechts zugrunde lag18. Ferner kann 12

s. Feil, S. 37. s. den Nachw. sog. Leitentscheidungen bei Stettner, in: Dreier (Fn. 2), Bd. 2, Art. 72 GG, S. 1346. 14 Ott, ZUR 1994, 55; Ott, S. 62; Rid/Froeschle, UPR 1994, 321. 15 Rid/Froeschle, UPR 1994, 321. 16 s. Feil, S. 37. 17 Degenhart, ZRP 1997, 398 ff. 18 s. dazu ausführlich Brandt, DÖV 1996, 679. 13

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aus Art. 155 WRV keine Aussage abgeleitet werden, da diese Vorschrift nicht nach den einzelnen Kompetenzmaterien des Art. 10 Nr. 4 WRV differenzierte, sondern nur einen Teilaspekt regelte: die Bodenreform und die Vergesellschaftung des Grundeigentums. Schließlich war Bodenschutz als Umweltschutz weder 1919 noch 1948/ 49 potentieller Regelungsgegenstand von Gesetzen – eine historische Interpretation kann deshalb für die Einordnung des Bodenschutzes nicht hilfreich sein. Eine ausschließlich historische Interpretation der Gesetzesmaterien würde endlich den Gesetzgeber an jeglicher Fortentwicklung hindern19. Nach der Mindermeinung sollen ferner systematische Erwägungen dagegen sprechen, das Bodenschutzrecht der Materie Bodenrecht zu subsumieren. Für die übrigen Regelungsmaterien des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG fehle eine ökologische Orientierung vollständig; die Materien würden sich alle unter den Oberbegriff „Nutzung von Grund und Boden“ fassen lassen; die ökologische Orientierung in anderen Kompetenzmaterien des Art. 74 Abs. 1 GG (z. B. Nr. 17 betreffend den Küstenschutz und Nr. 24 betreffend die Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung) zeige vielmehr, dass der Verfassunggeber diese für das Bodenrecht nicht im Blick gehabt habe. – Dem ist entgegenzuhalten, dass zwar die anderen in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG aufgeführten Rechtsbereiche tatsächlich nicht ökologisch geprägt sind, dass dieses Faktum aber bedeutungslos ist, weil die Materien unabhängig nebeneinander stehen20. Ferner kann aus der ökologischen Prägung einzelner Materien im Katalog von Art. 74 Abs. 1 GG nicht im Wege eines Umkehrschlusses für das Bodenrecht behauptet werden, es sei einer ökologischen Interpretation unzugänglich; denn der Verfassunggeber hatte das Bodenschutzrecht als Problem noch nicht erkannt; deshalb ist diese Materie wenigstens als neutral zu betrachten21. Es ist umgekehrt denkbar, gerade aufgrund der ökologischen Prägung angrenzender Materien auf eine ökologische Prägung auch des Bodenrechts zu schließen: Zum einen lässt der Wortlaut eine ökologische Interpretation grundsätzlich zu, zum anderen entspricht es gerade der Systematik des Art. 74 Abs. 1 GG, innerhalb einer Kompetenzmaterie ökologisch und wirtschaftlich geprägte Teilmaterien nebeneinander darzustellen22, so dass anhand der anderen in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG erwähnten Materien nicht zwangsläufig auf eine nicht-ökologische Prägung der Materie Bodenrecht geschlossen werden muss. Die Einbeziehung des Bodenschutzrechts wird dem Zweck der Materie Bodenrecht gerecht, weil das Bodenerhaltungs- und Sanierungsrecht für eine gesundheitsunschädliche Nutzung des Bodens die Voraussetzung bildet23: Die vielfältigen Nut19

Brandt, Kapitel XI C Rn. 60; Feil, S. 39. Brandt, DÖV 1996, 678; Hahn, S. 54 f. 21 Feil, S. 40. 22 So ausdrücklich Feil, S. 40. 23 Peine, NuR 1992, 356; Hahn, S. 56; Brandt, DÖV 1996, 680. Vgl. auch UGB-KomE, S. 973 f.: „Legt man die heutigen Erkenntnisse über die Bedeutung des Bodens als Lebensgrundlage des Menschen und über seine Gefährdung durch menschliche Nutzungen zugrunde, so wird deutlich, dass unter den Begriff des Rechts der Bodennutzung auch Regeln fallen müssen, die die Nutzbarkeit des Bodens für den Menschen dauerhaft gewährleisten sollen. 20

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zungen des Bodens, die sich vorwiegend aus dem Baurecht ergeben, stellen Anforderungen auch an den Zustand des Bodens; sowohl beim Bodenerhaltungsrecht, welches Bodenbelastungen verhindern soll, die einer späteren Nutzung entgegenstehen könnten, als auch beim Bodensanierungsrecht, das den Boden wieder einer bestimmten Nutzung zugänglich machen soll, handelt es sich um zukunftsorientierte Nutzungsregelungen. Diese Bedeutung steht aber hinter der Regelung der Nutzung selbst nicht zurück. Deshalb ist es erlaubt, das Bodenschutzrecht dem Bodenrecht i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG zu subsumieren. Dem wird entgegengehalten, das Ergebnis bewirke für die Kompetenznorm, dass diese konturenlos werde, sowie ferner, dass die Materie Bodenrecht zum Erlass von Regelungen ermächtige, die sich zukünftig auf den Boden auswirken könnten; auf diese Weise könnte eine generelle Umweltschutzkompetenz begründet werden, die jedoch nicht in den Art. 70 – 75 GG angelegt sei24. Diese Argumente sind leicht zu widerlegen: Zum einen konturiert das BBodSchG den Bodenschutz hinreichend, zum anderen besteht die Gefahr des Entstehens einer generellen Umweltschutzkompetenz nicht, da die Materie Bodenrecht nur zukunftsorientierte Bodennutzungen umfasst25. Vorgetragen wird schließlich, die Materie „Bodenrecht“ erstrecke sich allein auf Normen, die Art und Umfang der baulichen Nutzbarkeit des Bodens regelten; demnach widerspräche eine diesen Aspekt nicht berücksichtigende Kodifikation Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG und beschränkte die vom Verfassunggeber beabsichtigte Zuständigkeit der Länder. Eine ökologisch geprägte Interpretation dieses Kompetenztitels führte deshalb zu einem Einbruch in die tradierten Gesetzgebungskompetenzen der Länder für den Naturschutz und die Landschaftspflege sowie für die Raumordnung und Landesplanung, die einer bloßen Rahmenkompetenz des Bundes unterlägen26. – Dem widerspricht, dass bei der bundesrechtlichen Regelung des Bodenschutzrechts nicht bereits den Ländern eingeräumte Kompetenzen zurückgedrängt werden; es geht um die Verteilung eines Zuwachses an Kompetenz zwischen Bund und Ländern27. Es ist darauf hinzuweisen, dass das BVerfG28 Bund und Länder ausdrücklich gleichstellt und eine restriktive Auslegung der Kompetenzmaterien zugunsten der Länder nicht verlangt, sondern vielmehr eine strikte Interpretation der Art. 73 ff. GG und eine dem Sinn gerecht werdende Auslegung von Bundeskompetenzen vorsieht29 ; deshalb lässt sich von einem „Einbruch“ in Länderkompetenzen Daher kann man Regelungen zur Erhaltung und Wiederherstellung der natürlichen Funktionen des Bodens als Lebensgrundlage des Menschen als vom Bodenrecht des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG mit umfasst ansehen.“ 24 Erbguth/Rapsch, NuR 1990, 436. 25 Feil, S. 41. 26 Erbguth/Stollmann, NuR 1994, 327; Erbguth/Rapsch, NuR 1990, 436; Breuer, Empfiehlt es sich, ein Umweltgesetzbuch zu schaffen, gegebenenfalls mit welchem Inhalt? – Gutachten B für den 59. Deutschen Juristentag, 1992, S. B 20. 27 Czybulka, UPR 1997, 16; Rid/Froeschle, UPR 1994, 324. 28 BVerfGE 37, 363/390. 29 BVerfGE 15, 126/139.

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nicht sprechen30. Hervorzuheben ist an dieser Stelle noch einmal, dass gegen die Beschränkung des Bodenrechts auf die bauliche Nutzung das bereits zur historischen und systematischen Auslegung Gesagte spricht. Deshalb ist auf diesen Aspekt nicht weiter einzugehen. Als problematisch stellt sich endlich die Zuordnung des Bodensanierungsrechts zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG dar; das Bodensanierungsrecht ist seinem Wesen nach Gefahrenabwehrrecht und somit klassisches Landesrecht, für das eine ausdrückliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes fehlt31. Dieses Problem beschränkt sich jedoch auf die konkrete Zuordnung des Sanierungsrechts und nicht auf die Kompetenz des Bundes als solche, da dieser das Bodensanierungsrecht jedenfalls aufgrund einer ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenz regeln darf; es kann offen bleiben, ob es sich insoweit um eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs oder um eine Annexkompetenz handelt. Vorzuziehen ist die Auffassung, die eine Annexkompetenz annimmt32; nach der Rechtsprechung des BVerfG33 ist die Ordnungsgewalt des Staates ein Annex des Sachgebiets, auf dem sie tätig wird; weil das Bodensanierungsrecht Gefahrenabwehr- und damit Ordnungsrecht zur Wiederherstellung bzw. Erhaltung der Nutzbarkeit des Bodens darstellt, liegt eine Annexkompetenz zum Bodenrecht auf der Hand34. Abschließend kann zweierlei festgehalten werden: Nach der Rechtsprechung des BVerfG35 ist das „Recht der Wirtschaft“ i.S.v. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG außerordentlich weit zu verstehen; es kann deshalb durchaus eine umweltrechtliche Komponente im Zusammenhang mit Sachgebieten bestehen, die zum „Recht der Wirtschaft“ gehören; Bodenschutzrecht als Umweltschutzrecht kann deshalb durchaus auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG gestützt werden, selbst dann, wenn die betreffenden Regelungen des BBodSchG das Recht der Wirtschaft nicht in seiner Besonderheit treffen. – Bei den auf die Rahmengesetzgebungskompetenz gestützten Normen betreffend die Sanierung von Gewässerverunreinigungen liegt eine punktuelle Vollregelung nicht vor, so dass ein Verstoß gegen Art. 75 Abs. 2 GG entfällt. Selbst wenn man annähme, dass bereits die Regelung der grundsätzlichen Pflicht zur Gewässersanierung eine punktuelle Vollregelung sei, so ist dem entgegenzuhalten, dass jedenfalls eine solche Regelung nach Art. 75 Abs. 2 GG ausnahmsweise zulässig ist: Zum einen ist der Regelungsbereich des § 4 Abs. 3 Satz 1 eng umgrenzt und betrifft nur die Fälle, bei denen die Gewässerverunreinigung durch eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast verursacht wurde; zum anderen ist eine sinnvolle Trennung von Boden- und Gewässerschutz bzw. -sanierung in diesen Fällen nicht möglich: Weil die Gewässerverunreinigung von einer Bodenkontamination ausgeht, würde es 30 31 32 33 34 35

Feil, S. 43. Peine, NuR 1992, 357 f. Peine, NuR 1992, 358. BVerfGE 3, 407/433. Ebenso Feil, S. 43. BVerfGE 8, 143/148 f.; 26, 246/254; 28, 119/146; 29, 402/409; 55, 274/308.

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einen Verlust an Rechtssicherheit bedeuten, wenn die Sanierung von Boden und Gewässer nicht in einem Gesetz geregelt wäre und verschiedenen Standards unterläge; damit ist ein besonderer rechtfertigender Grund vorhanden, der für den gesamten Bereich der Ausnahme Geltung hat mit der Folge, dass dem Bund die Kompetenz aus Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG i.V.m. Art. 75 Abs. 2 GG zusteht36. Es darf nach alledem davon ausgegangen werden, dass den Argumenten der Kritiker gegen die formelle Verfassungsmäßigkeit des BBodSchG Durchschlagskraft fehlt37. Das BBodSchG ist formell verfassungsmäßig. Dieser Ansicht haben sich sowohl die Rechtsprechung38 als auch die weitaus überwiegende Literatur39 angeschlossen. 3. Materielle Verfassungsmäßigkeit a) Die Grundrechte Im Laufe des gesamten Gesetzgebungsverfahrens hat nicht ein einziger am Gesetzgebungsverfahren Beteiligter die Ansicht vertreten, irgendeine Norm der unterschiedlichen Entwürfe eines BBodSchG verstoße gegen Grundrechte. Eine solche Aussage lässt sich auch nicht mit einigermaßen plausiblen Gründen aufstellen – von einer sofort zu behandelnden Ausnahme abgesehen. Deshalb wird hier ohne nähere Prüfung davon ausgegangen, dass das BBodSchG insoweit materiell verfassungsmäßig ist40. Die Ausnahme betrifft die Haftungserweiterung nach § 4 Abs. 6. Für sie ist festzustellen: Nach dieser Vorschrift haftet der frühere Eigentümer eines Grundstücks, wenn er sein Eigentum nach dem 1. 3. 1999 übertragen hat und die schädliche Bodenveränderung oder Altlast im Zeitpunkt der Eigentumsübertragung kannte oder kennen musste. Diese sog. Nachhaftung41 greift beim Vorliegen von vier Voraussetzungen: Sie betrifft ausschließlich die Zustandsverantwortlichkeit; die Eigentumsübertragung muss nach dem 1. 3. 1999 stattgefunden haben; der Veräußerer kannte die schädliche Bodenveränderung oder Altlast oder musste sie kennen; schutzwürdiges Vertrauen in die bodenschutzrechtliche Unbedenklichkeit des Erwerbs darf nicht verletzt werden. Das Gesetz hält bei Erfüllung dieser Voraussetzungen die Haftung des bösgläubigen Alteigentümers aufrecht; es folgt einigen Normen des Landesrechts42. Den Bruch mit dem anerkannten Grundsatz der Beendigung der Zustandshaftung mit 36

Brandt, DÖV 1996, 682. Ebenso Feil, S. 46. 38 VG Frankfurt/Main, NuR 1999, 711, und das BVerwG, Beschluss v. 16. 5. 2000, DÖV 2000, 1054. 39 Z. B. durchgehend die Komm. zum BBodSchG. 40 Von dieser Annahme geht auch die Arbeit von Feil aus. 41 Frenz, § 4 Abs. 6 Rn. 1. 42 Vorläufernormen sind § 12 Abs. 1 Nr. 6 HessAltlG, § 13 Abs. 4 BerlBodSchG, § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 ThürAbfAG. 37

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der Eigentumsaufgabe, insb. mit der Übertragung des Eigentums auf einen Dritten, bezeichnen einige als spektakulär43. „Wo ausschließlicher Zurechnungsgrund das Eigentum ist, kann nur der jeweilige Eigentümer betroffen sein und kann es keine Nachwirkungen geben, im Gegensatz zu den nachwirkenden Rechtsfolgen menschlicher Handlungen.“44 Eine Vielzahl von Stimmen hält die angeordnete Ewigkeitshaftung wegen eines Verstoßes gegen Art. 14 GG für verfassungswidrig45. – Es ist ohne weiteres davon auszugehen, dass die Ewigkeitshaftung einen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG darstellt46. Entscheidend ist deshalb seine verfassungsrechtliche Rechtfertigung; Voraussetzung dafür ist, dass der Eingriff mit den Aussagen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit als spezifisches Strukturprinzip der Freiheitsrechte zu vereinbaren ist47. Die angeordnete Haftung dient dem Zweck, zu verhindern, dass Lücken in der Zustandshaftung und dadurch bedingt Belastungen öffentlicher Haushalte entstehen, weil ein Eigentümer sein belastetes Grundstück auf einen „Strohmann“ überträgt, der wegen Insolvenz nicht leistungsfähig oder wegen seines Sitzes im Ausland nicht greifbar ist48. Dieser Zweck ist legitim und zur Zielerreichung auch geeignet. Ob das gewählte Mittel erforderlich ist, unterliegt Zweifeln. Die Kritiker tragen vor49, die Haftung des Alteigentümers ließe sich erreichen, indem der Kaufvertrag für sittenwidrig gehalten werde; die Regelung sei nicht erforderlich, weil sie alle Eigentumsübertragungsvorgänge erfasse und deshalb weit über das Ziel hinausschieße; schließlich seien Fälle kollusiven Zusammenwirkens äußerst 43

Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 356; Kobes, NVwZ 1998, 790. BayVGH, NVwZ 1986, 946. Gegen eine „nachwirkende Zustandshaftung“ und für den Grundsatz, dass der Betroffene im Zeitpunkt seiner behördlichen Inanspruchnahme Eigentümer der gefährlichen Sache sein oder die tatsächliche Gewalt über sie ausüben muss, die ganz h.M.: BaWüVGH, NVwZ 1996, 1038; NVwZ-RR 1991, 27; OVG NW, NVwZ 1997, 507; Drews/ Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 328, 330; Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1999, Rn. 88; Gelen, S. 115; Gusy, Polizeirecht, 4. Aufl. 2000, Rn. 284; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Steiner (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 1999, Rn. 179; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl. 1994, Rn. 299; Ziehm, S. 50. 45 Bickel, § 4 Rn. 12, 26 ff.; Gehrhold, altlasten-spektrum 1998, 110; Knopp, DVBl 1999, 1012; Oldiges, in: ders. (Hg.), Das neue BBodSchG, 1998, S. 81; Schwartmann, DStR 1999, 328; Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 356 f.; dies., altlasten-spektum 1998, 79; für § 20 Abs. 1 Nr. 5 ThürAbfAG Enders, DVBl 1993, 88; Kothe, DÖV 1994, 723 ff.; ders., S. 74 f. – Zweifelnd an der Verfassungsmäßigkeit der Norm Kobes, NVwZ 1998, 790; Oerder, in: ONS, § 4 Rn. 22; Riedel, ZIP 1999, 98; für die vergleichbaren Landesbestimmungen Kloepfer, § 12 Rn. 78. – Die Verfassungsmäßigkeit nehmen an Becker, § 4 Rn. 62; Droese, UPR 1999, 90 ff.; Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, § 4 Rn. 49; Thuriaux/Knigge, BB 1999, 379; Tettinger, Besonderes Verwaltungsrecht 1, 5. Aufl. 1998, Rn. 464; für die Vorbildnorm des § 12 Abs. 1 Nr. 6 HessAltlG Rehbinder, Umweltrecht, in: Meier/Stolleis (Hg.), Staats- und Verwaltungsrecht für Hessen, 4. Aufl. 1996, S. 434. 46 Vgl. statt vieler Kahl, DV 2000, 59. 47 Wieland, in: Dreier (Fn. 2), Bd. 1, 1996, Art. 14 Rn. 119. 48 Kahl, DV 2000, 60; einschlägige Gerichtsentscheidung: BaWüVGH, NVwZ 1996, 1036; s. Knopp, BB 1996, 389; Kniesel, BB 1997, 2013 f. 49 Wohl vollständiger Nachw. bei Kahl, DV 2000, 60 ff. 44

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selten; endlich sei der Eingriff in die Eigentumsfreiheit hinsichtlich seiner Schwere und Tragweite völlig unzumutbar in Relation zur Bedeutung und Dringlichkeit des Ziels, welches der Gesetzgeber mit seiner Regelung verfolge, weil weder das Staatsziel Umweltschutz noch die Bösgläubigkeit des Veräußerers einen sachlich legitimierenden, im öffentlichen Interesse liegenden Grund für die Regelung darstellten. Dem ist entgegenzuhalten, dass man den Kaufvertrag zwar für sittenwidrig halten kann, aber nicht zwingend muss; es kann deshalb Fälle geben, deren angemessene Lösung die Norm erfordert. Der Hinweis auf die Weite des Anwendungsbereichs lässt sich entkräften, indem die Anwendbarkeit der Norm verfassungskonform auf die Fälle reduziert wird, deren Erfassung legitim ist. Auch seltene Fälle bedürfen einer gesetzlichen Regelung. Den sachlich legitimierenden Grund für die Regelung liefert der Gedanke, dass objektive Umgehungsgeschäfte zu Lasten der Allgemeinheit mit einer klaren gesetzlichen Regelung verhindert werden müssen. Reduziert man den Anwendungsbereich der Ewigkeitshaftung auf die Fälle, in denen sie einen legitimen Zweck verfolgt, ist die Regelung verfassungskonform. . b) Die Rückwirkung des Gesetzes als solches Dem BBodSchG kommt ferner eine verfassungswidrige Rückwirkung nicht zu. Die Rückwirkung eines Gesetzes besteht darin, dass mit Wirkung von einem vor der Verkündung der Rechtsvorschrift liegenden Zeitpunkt eine Rechtslage fingiert, also ausgesprochen wird, die Vergangenheit solle so angesehen werden, als ob die jetzige Rechtsvorschrift schon damals in Kraft gewesen wäre50. Die Rechtsprechung des BVerfG zur Zulässigkeit der Rückwirkung ist uneinheitlich. Die innergerichtliche Differenz bezieht sich auf den Rückwirkungsbegriff, nicht auf die materiellen Kriterien zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Rückwirkung51. Unstreitig hat ein Gesetz rückwirkenden Charakter, wenn der zuvor beschriebene Fall vorliegt. Mittel zur Erreichung der Rückwirkung ist die Vordatierung seines Inkrafttretens52. Dieses ist der enge Rückwirkungsbegriff; ihn vertritt der Zweite Senat53. Vielfach wird angenommen, eine Rückwirkung liege ferner vor, wenn das Gesetz an Sachverhalte anknüpfe, die in der Vergangenheit entstanden sind, sog. tatbestandliche Rückanknüpfung54. Dieses ist der weite Rückwirkungsbegriff; ihn verwendet der Erste Senat55. Die Neuorientierung des Zweiten Senats ist sachlich folgenlos. Wie es zu beurteilen ist, wenn ein Gesetz nur für die Zukunft gilt, aber an einen in der Vergangenheit

50

Schneider, Gesetzgebung, 2. Aufl. 1992, S. 299. Maurer, Kontinuitätsgewähr und Vertrauensschutz, in: HbStR III, 1988, S. 220; Peine, NVwZ 1993, 959. 52 Peine, NVwZ 1993, 959. 53 BVerfGE 72, 242. 54 Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, 1981, S. 161 ff. 55 BVerfGE 72, 154. 51

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liegenden Sachverhalt anknüpft, bleibt ein zu lösendes Problem56. Der Zweite Senat vermeidet für diese Fälle den Begriff unechte Rückwirkung57 – im Gegensatz zum Ersten Senat, der insoweit zwischen „echter“ und „unechter“ Rückwirkung differenziert. Eine echte Rückwirkung liege vor, „wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift“58, eine unechte Rückwirkung sei gegeben, wenn das Gesetz „auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte […] für die Zukunft einwirkt.“59 Die echte Rückwirkung ist prinzipiell verboten, die unechte prinzipiell erlaubt. Entscheidend ist, ob der Vertrauensschutz die Rückwirkung verbietet. Das Vorgetragene ist durchgängige Auffassung beider Senate60. Ein Anknüpfen an den abgeschlossenen Tatbestand ist verfassungswidrig und verbietet sich deshalb von selbst. Ferner könnte man argumentieren, es könne nicht an die Wirkungen des damaligen Handelns, die Gefahr, angeknüpft werden. Gegen ein Anknüpfen an die existierende Gefahr spreche der mit dem Rückwirkungsverbot bezweckte Vertrauensschutz des Bürgers; er müsse auf das zu einem bestimmten Zeitpunkt geltende Recht vertrauen können61. Zudem wäre ein Anknüpfen an die Gefahr beliebig. Das Altlastenrecht soll freilich auf Gefahrensituationen reagieren62. Argumentiert man wie zuvor dargelegt, wären Altlastenregelungen immer Normen, die sich auf abgeschlossene Tatbestände bezögen und nicht auf eine tatsächlich vorliegende Gefahr63, deren Beseitigung das Altlastenrecht bezweckt64. Eine Gefahr lässt sich indes nur dann beseitigen, wenn die Abwehrmaßnahme an den gefahrverursachenden Zustand anknüpft. Dieser Zustand ist bei einer Altlast nicht abgeschlossen: Die Gefahr besteht noch65. Folglich fehlt es bei einem Anknüpfen an den gefährlichen Zustand an einem Eingriff in einen abgeschlossenen Tatbestand und damit an der Rückwirkung. Das BBodSchG als solches ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

56 57 58 59 60 61 62 63 64 65

Maurer (Fn. 51). Er spricht von tatbestandlicher Rückanknüpfung. BVerfGE 11, 145 f. Ebd. BVerfGE 45, 167 f.; 72, 242. Gelen, UPR 1996, 213. Schink, DÖV 1995, 217. Schink, DÖV 1995, 215. Schink, DÖV 1995, 217. Sanden, in: Sanden/Schoeneck, § 2 Rn. 35; Breuer, DVBl 1994, 898.

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c) Probleme der Rückwirkung im Einzelfall aa) Die Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Verfasser hat mehrfach die Auffassung vertreten, dass es eine Rechtsnachfolge in die Pflichtenstellung eines Verhaltensverantwortlichen nur dann gebe, wenn eine Norm des öffentlichen Rechts diese Nachfolge anordne; die zivilrechtliche Nachfolge reiche zur Begründung nicht aus66. Obwohl eine jüngere Studie die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigt hat67, war diese Auffassung immer eine Mindermeinung und ist es auch heute noch. Dessen ungeachtet scheint der Gesetzgeber dieses Resultat häufig zum Anlass zu nehmen, Rechtsnachfolgetatbestände für öffentlich-rechtliche Pflichten zu normieren, und sei es auch nur aus Gründen der Rechtsklarheit. Mit Blick auf die ordnungsrechtliche Verantwortung für die Altlastensanierung ist dieses durch § 4 Abs. 3 Satz 1 geschehen. Zur Sanierung der Altlast ist der Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers verpflichtet. Ferner müsste die Ordnungspflicht übergangsfähig sein68. Angesprochen ist mit der Prämisse die Behauptung, abstrakte Pflichten seien nicht übergangsfähig; die nicht durch eine Polizeiverfügung konkretisierte Pflicht sei abstrakt; notwendig sei auch in dieser Situation ein gesetzlicher Rechtsnachfolgetatbestand69. Dieser liegt in der Norm des § 4 Abs. 3 Satz 1 vor70. Die Richtigkeit der zu § 4 Abs. 3 Satz 1 geäußerten Auffassung bestätigen folgende Erwägungen71, die wegen ihrer Klarheit wörtlich zitiert seien: „Nach dem Wortlaut der Vorschrift haftet neben dem Verursacher auch dessen Gesamtrechtsnachfolger; der durch § 4 Abs. 3 BBodSchG verpflichtete Personenkreis erfasst damit auch die Gruppe der Gesamtrechtsnachfolger. Ob die Inanspruchnahme des Gesamtrechtsnachfolgers auf der ursprünglichen Verhaltensverantwortlichkeit des Verursachers beruht, beantwortet der Text der Vorschrift nicht. Auch aus der Systematik des Gesetzes lässt sich zur Lösung dieser Auslegungsfrage nichts ableiten. Allerdings spricht der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens dafür, dass die Verantwortlichkeit des Gesamtrechtsnachfolgers derivativ vom Rechtsvorgänger übernommen werden sollte und nicht in seiner Person originär angelegt ist. Herzuleiten ist dieses Argument 66

Z. B. Peine, DVBl 1980, 148. Dietlein, Nachfolge im öffentlichen Recht, 1999, S. 276. 68 In der Literatur existiert eine Kontroverse über die Rechtsnachfolgefähigkeit höchstpersönlicher Pflichten. Auf sie geht Verfasser nicht ein, weil es der absolut h.M. entspricht, dass polizeirechtliche Pflichten nicht höchstpersönlich sind und sich deshalb hier das Problem nicht stellt. s. zur Problematik Flotho, Ordnungsverfügungen zur Dekontamination von Rüstungsaltlasten, 1995, S. 123. 69 Papier, Altlasten, 1985, S. 63 ff.; ders., DVBl 1985, 878 f.; ders., UTR Bd. 1, 78; ders., ET 1987, 439 f.; ders., NVwZ 1986, 262; Erichsen, VVDStRL 35, 207, Fn. 218; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht III, 4. Aufl. 1978, S. 71 Rn. 27. 70 Zu dieser Vorschrift unter speziellen Gesichtspunkten Giesberts, in: Fluck (Hg.), KrW-/ Abf-/BodSchR, Loseblatt-Komm. zum Recht der Abfallwirtschaft und des Bodenschutzes, § 4 Rn. 194 ff. 71 v. Mutius/Nolte, DÖV 2000, 2 f. 67

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aus Folgendem: Anders als im Referentenentwurf v. 22. 3. 199672 war die Verantwortlichkeit des Gesamtrechtsnachfolgers des Verursachers in dem zunächst abschließenden Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht enthalten, da man dies für eine spezifische Frage des allgemeinen POR hielt, deren Klärung durch Vollzug und Rechtsprechung nicht präjudiziert werden sollte73. Polizeirechtsspezifisch war aber seit jeher nicht die Frage der Originärhaftung des zivilrechtlichen Rechtsnachfolgers, sondern stets die Rechtsnachfolge in die Polizeipflicht. So verlangte auch der Bundesrat in seiner ersten Stellungnahme die Aufnahme der jetzt Gesetz gewordenen Nachfolgeklausel mit der Begründung, dass damit einerseits dem Verursacherprinzip stärker Rechnung getragen werde und zum anderen die bislang strittige Rechtslage, ob eine Gesamtrechtsnachfolge in die abstrakte Verhaltensverantwortlichkeit stattfinde, für den Anwendungsbereich des Gesetzes positiv entschieden werde und im Übrigen die Änderung das BBodSchG an die mehrheitlich in den Ländern bestehende Rechtslage angleiche74. Da sich der Bundesrat mit dieser Auffassung offenbar in dem anschließenden Vermittlungsausschuss durchzusetzen vermochte75, entschied man sich für die vor allem auch von der Rechtsprechung vertretene Auffassung, die von der prinzipiellen Übergangsfähigkeit abstrakter (Verhaltens-)Pflichten ausgeht, und nicht für die in der Literatur vertretene Auffassung, eine solche Polizeipflicht sei […] nicht übergangsfähig […]. Im Ergebnis sprechen genetische Erwägungen eindeutig für eine echte Rechtsnachfolge in die Polizeipflicht. Die Annahme […] steht […] im Einklang mit dem gesetzgeberischen Zweck, dem Verursacherprinzip stärker Rechnung tragen zu wollen.“ Die Anordnung der Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers für alle Pflichten des Verursachers durch § 4 Abs. 3 Satz 1 beschränkt sich nicht auf die Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1. 3. 1999, sondern gilt nach dem Wortlaut des Gesetzes für alle Fälle der Vergangenheit76. Wenn jene dargelegte Rechtsauffassung – abstrakte Pflichten seien nicht übergangsfähig – richtig wäre, könnte § 4 Abs. 3 Satz 1 eine unzulässige Rückwirkung entfalten. Es gibt eine Kontroverse um die Übergangsfähigkeit nicht aktualisierter Ordnungspflichten77. Ist eine Ordnungspflicht noch nicht aktualisiert, soll sie nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen können78. Als Argument gegen die Übergangsfähigkeit derartiger Pflichten wird zunächst die These vorgetragen, nach der eine Ordnungspflicht erst durch 72

Referentenentwurf des BMU v. 22. 3. 1996 (Az.: WA III 1 – 73102/1). BTag-Drs. 13/6701, S. 35. 74 BTag-Drs. 13/6701, S. 51. 75 BTag-Drs. 13/9637, S. 2. 76 Becker, § 4 Rn. 40; v. Mutius/Nolte, DÖV 2000, 3. A.A. Spieth/Wolfers, altlasten-spektrum 1998, 75 f. Diese Ansicht haben v. Mutius/Nolte überzeugend zurückgewiesen. 77 Verfasser hat die Auffassung vertreten, die Übergangsfähigkeit der materiellen Polizeipflicht scheitere, weil sie ausschließlich verhaltensbezogen sei. Diese Ansicht hat sich nicht durchgesetzt. 78 Alle hier einschlägigen Schriften von Papier. 73

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den Erlass einer Ordnungsverfügung entstehe. Für die Übergangsfähigkeit nicht aktualisierter Ordnungspflichten spricht nach dieser Auffassung ferner nicht das aus dem Zivilrecht bekannte Phänomen, dass sich eine Gesamtrechtsnachfolge durchaus auch auf ein ,,im Werden“ begriffenes Rechtsverhältnis mit der Folge erstrecken könne, eine im Entstehen begriffene Verbindlichkeit gehe auf den Gesamtrechtsnachfolger über und vollende sich erst nach dem Rechtsübergang. Der ordnungsrechtlichen Eingriffsbefugnis liegt nach dieser Auffassung ein solches werdendes Rechtsverhältnis nicht zugrunde. Ein werdendes Rechtsverhältnis läge vor, wenn die Rechtsbeziehung zwischen dem Störer und dem Träger öffentlicher Gewalt darauf ausgerichtet wäre, dass sich die behördliche Eingriffsbefugnis in der Person des Gesamtrechtsnachfolgers zu einem subjektiven Pflichtenstatus vollende. Einer derartigen Ausrichtung stehe jedoch die in mehrfacher Hinsicht wirkende Ermessensfreiheit der zuständigen Ordnungsbehörde entgegen. Gegen die Anerkennung einer übergangsfähigen materiellen Ordnungspflicht werden schließlich rechtsstaatliche Bedenken vorgebracht. Das Recht der Universalsukzession wäre zugleich öffentliches Eingriffsrecht, wenn eine materielle Ordnungspflicht auf den Gesamtrechtsnachfolger überginge. Als öffentliches Eingriffsrecht müsste das Recht der Universalsukzession jenen Bestimmtheitsanforderungen genügen, die an normative Eingriffsermächtigungen der Exekutive zu stellen seien. Für den Gesamtrechtsnachfolger müssten die Wahrscheinlichkeit sowie der Inhalt und der Umfang der auf ihn zukommenden Belastung erkennbar sein. Diese Voraussetzung sei angesichts des ordnungsbehördlichen Entschließungs- und Auswahlermessens nicht erfüllt, wenn eine materielle Ordnungspflicht anzuerkennen wäre und diese dann auf den Gesamtrechtsnachfolger überginge. Infolge der Überzeugung, Ordnungspflichten bestünden unmittelbar kraft Gesetzes79, vertreten weite Teile des Schrifttums und die Rechtsprechung die Ansicht, noch nicht aktualisierte Ordnungspflichten seien bei mangelnder Höchstpersönlichkeit übergangsfähig80. Sie halten dem Einwand, im Fall des Übergangs einer materiellen Ordnungspflicht werde der Übergangstatbestand zum Eingriffstatbestand, den Hinweis entgegen, dem Bestimmtheitsgebot werde im Fall des Übergangs einer materiellen Ordnungspflicht genügt, wenn die materielle Ordnungspflicht hinreichend bestimmt sei. Das sei stets der Fall, da die unbestimmten Rechtsbegriffe der Tatbestände des Polizeirechts, deren Erfüllung zur Entstehung der materiellen Ordnungspflichten führte, dem Bestimmtheitsgebot entsprächen. Dass die Aktualisierung einer materiellen Ordnungspflicht eine Ermessensentscheidung und sie im Zeitpunkt des Übergangs der materiellen Ordnungspflicht auf den Rechtsnachfolger noch nicht konkretisiert sei, berühre nicht die materielle Ordnungspflicht und deren Übergangsfähigkeit. Ferner wird die Übergangsfähigkeit materieller Ordnungspflichten pragmatisch begründet: Es soll das untragbare Ergebnis verhindert werden, einer Kapitalgesell79

Es handelt sich um die sog. materielle Polizeipflicht. Stadie, DVBl 1990, 505; Kloepfer, NuR 1987, 17; ders., UTR Bd. 1, 45 f.; Schrader, S. 129; Striewe, ZfW 1986, 287 f.; OVG NW, UPR 1984, 280; BayVGH, ZfW 1989, 147, 150 f. Weitere Nachw. dieser Auffassung bei v. Mutius/Nolte, DÖV 2000, 3 mit Fn. 12. 80

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schaft zu ermöglichen, sich durch ,,gelegentliche“ Verschmelzungen oder übertragende Umwandlungen von ihren bisherigen Verantwortlichkeiten zu befreien und auf diese Weise die Kosten für die Beseitigung der von ihr verursachten Gefahren der Allgemeinheit aufzubürden81. Vermittelnd wirkt die Auffassung, in jeder Ordnungspflicht, die auf ein vertretbares Handeln gerichtet sei, sei ,,embryonal“ die vermögenswerte und daher nicht höchstpersönliche Pflicht zur Erstattung der Kosten einer Ersatzvornahme angelegt82. Im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge gehe diese, als ,,Potenz“ der Ordnungspflicht bezeichnete, noch nicht aktualisierte Kostenerstattungspflicht anstelle der untergehenden Ordnungspflicht auf den Gesamtrechtsnachfolger über. Diese Ansicht verkennt, dass Maßnahmen des Verwaltungsvollzugs ihre Legitimation durch die Ordnungspflicht des Adressaten der Vollzugsmaßnahme erfahren. Ist diese Pflicht nicht mehr erfüllbar, haben Maßnahmen des Verwaltungsvollzugs zu unterbleiben. Mit dem Untergang der Ordnungspflicht entfällt die Grundlage für eine spätere Vollzugsmaßnahme. Damit entfällt zugleich die Basis für die infolge einer solchen Vollzugsmaßnahme entstehenden Belastungen. Ebenfalls abzulehnen ist die Auffassung, nach der die materielle Ordnungspflicht des Rechtsvorgängers für den Gesamtrechtsnachfolger ohne jede Relevanz ist. Das zu ihrer Begründung vorgetragene Argument, eine Ordnungspflicht entstehe erst durch den Erlass einer Ordnungsverfügung, ist nach der hier vertretenen Auffassung nicht durchgreifend, weil die materielle Ordnungspflicht kraft Gesetzes existiert83. Auch die im Schrifttum an dieser Auffassung geäußerte Kritik verdeutlicht84, dass sachliche Gründe fehlen, die dafür sprechen, eine Übergangsfähigkeit materieller Ordnungspflichten abzulehnen. Vielmehr würde es der Zielsetzung des Gesetzgebers widersprechen, durch die Gesamtrechtsnachfolgevorschriften dem Rechtsnachfolger vollständig die Rechtsstellung des Vorgängers zu übertragen, wenn eine Gesamtrechtsnachfolge in materielle Ordnungspflichten nicht stattfände. Zu Recht vertreten auf der angenommenen Grundlage das Schrifttum und die Rechtsprechung die Auffassung, die materielle Ordnungspflicht sei übergangsfähig85. Nach alledem darf heute davon ausgegangen werden, dass auch die nicht durch Ordnungsverfügung aktualisierte Polizeipflicht im Fall der Rechtsnachfolge übergeht. Fraglich ist, ob das auch für in der Vergangenheit vorgekommene Fälle gilt. Speziell zu § 4 Abs. 3 Satz 1 gibt es mit Blick auf den Übergang der Sanierungspflicht auf den Rechtsnachfolger unter zeitlichem Aspekt eine Kontroverse. Es lassen sich drei verschiedene Ansichten unterscheiden: Zum einen wird behauptet, gegen die Haftungsnorm könnten verfassungsrechtliche Bedenken nicht erhoben werden, 81

Flotho (Fn. 68), S. 214; Kloepfer, NuR 1987, 17. Ossenbühl, NJW 1968, 1996. 83 s. Text bei Fn. 79. 84 Peine, DVBl 1980, 948. 85 Speziell im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Problematik Becker, DVBl 1999, 136. s. ferner die Nachw. in Fn. *. 82

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da die Norm im Wesentlichen die h.M. in Rechtsprechung und Literatur gesetzlich festschreibe und sie davon ausgehe, eine verfassungswidrige Rückwirkung fehle, wenn die Übergangsfähigkeit der materiellen Ordnungspflicht angenommen werde86. Zum zweiten wird die Ansicht vertreten, nur die tatbestandliche Einbeziehung von sog. Uraltlasten, bei denen die Pflichtennachfolge vor 1960 eingetreten sei, sei verfassungsrechtlich bedenklich87; denn dann, wenn Verursachung, Entstehung der Pflichtenlage und Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge in einen Zeitraum nach Inkrafttreten des modernen Wasserrechts 1960 (1. 1. 1960: WHG) oder nach Inkrafttreten des AbfG 1972 (11. 6. 1972) erfolgt seien, habe sich schützenswertes Vertrauen mit Blick auf eine fehlende Übergangsfähigkeit der Haftung nicht bilden können. Drittens soll eine Rückwirkung, die vor Mitte der achtziger Jahre beginnt, verfassungswidrig sein, weil erst zu diesem Zeitpunkt die Diskussion der Frage nach einer Gesamtrechtsnachfolge in die materielle Ordnungspflicht im Zusammenhang mit Altlasten begonnen habe88. Zunächst kann festgehalten werden, dass die dritte Auffassung ersichtlich falsch ist. Die Richtigkeit des Ergebnisses zeigt sich daran, dass Verfasser bereits 198089 das Problem der Rechtsnachfolge in die Polizeipflicht diskutiert hat unter Bezugnahme auf eine Rechtsprechung und Literatur, die wesentlich älter ist; auf die Konkretisierung der abstrakten Rechtsfrage durch ein spezielles Problem (Altlasten) kann es nicht ankommen: Die Rechtsfrage bleibt, das Problem erledigt sich. Auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung kann es zumindest seit dem Inkrafttreten des WHG am 1. 1. 1960 nicht problematisch sein, dass es eine Rechtsnachfolge in die materielle Ordnungspflicht gibt, weil sich schützenswertes Vertrauen nicht hat bilden können – unabhängig davon, wie die Rechtsfrage beantwortet wurde und unabhängig von der Existenz eines Rechtsnachfolgetatbestands: Es war nicht sicher, dass es eine Rechtsnachfolge nicht geben werde. Für den davor liegenden Zeitraum ist eine Rechtsnachfolge in die materielle Polizeipflicht ebenfalls problemlos möglich; denn diese Pflicht erkannte bereits das PrOVG im 19. Jh. an. Wenn heute, wie von der h.M. behauptet und hier nachgewiesen, dogmatische Gründe nicht in der Lage sind, die abstrakte Rechtsnachfolge in die materielle Polizeipflicht zu verhindern, dann konnten sie es auch nicht während der vergangenen hundert Jahre. Denn strukturell hat sich an dieser Problematik während dieser Zeit nichts verändert. Der Unterschied zur Vergangenheit besteht lediglich darin, dass das Problem heute diskutiert, seinerzeit aber nicht gesehen wurde. Wenn das Problem seinerzeit erkannt worden wäre, hätte es so wie heute gelöst werden müssen – es ist nicht ersichtlich, dass es seinerzeit Argumente für ein gegenteiliges Ergebnis gab, die heute vergessen sind. 86

Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, § 4 Rn. 38; Bickel, § 4 Rn. 19. Becker, DVBl 1999, 134, 136. 88 s. die Nachw. bei v. Mutius/Nolte, DÖV 2000, 4 mit Fn. 24. Nicht weiter verfolgt wird die These von Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355, nach der erst seit 1996 ein Vertrauen darauf, eine Sanierungspflicht entfalle bei einer Rechtsnachfolge, nicht mehr anzunehmen sei; diese Auffassung hat kein ernst zunehmendes Argument für sich. 89 Peine, DVBl 1980, 738. 87

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Mithin gab es die Rechtsnachfolge in die materielle Ordnungspflicht schon immer; deshalb gibt es auch für Uraltlasten den Übergang der sie betreffenden Ordnungspflicht. Das hier vertretene Resultat dürfte als bestritten zu charakterisieren sein. Es sei insoweit eine jüngst erschienene Publikation zitiert90: „Die Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG verschärft das geltende Recht, indem sie den Kreis der Sanierungspflichtigen konstitutiv auf den Gesamtrechtsnachfolger erweitert, so dass eine Belastung gegeben ist. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn sich bereits vor Inkrafttreten des BBodSchG im allgemeinen POR, zumal durch richterliche Rechtsfortbildung, eine gefestigte Ansicht herausgebildet hätte, dass eine abstrakte Polizeipflicht auf den Gesamtrechtsnachfolger übergeht. Die Nachfolgefähigkeit der abstrakten Polizeipflicht war und ist jedoch in der Literatur wie in der Judikatur heillos umstritten […]. § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG verstößt an sich gegen das Rückwirkungsverbot […]. Rechtlich geboten ist eine verfassungskonforme Restriktion des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 4 Abs. Satz 1 BBodSchG dahingehend, dass nur die Altfälle von Universalsukzessionen erfasst werden, die nach dem Jahr 1985 […] eingetreten sind […]“. Diese Auffassung teilt Verfasser nicht. Im Übrigen ist dieser Ansicht entgegenzuhalten, dass gerade die „heillose Umstrittenheit“ das Entstehen von Vertrauen ausschließt. bb) Die Durchgriffshaftung nach § 4 Abs. 3 Satz 4 Hs. 1 Gelegentlich wird die Auffassung vertreten, die Normierung der Durchgriffshaftung sei wegen eines Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot verfassungswidrig. Diese Auffassung verkennt den Anwendungsbereich der Norm. Die Bestimmung gilt erst für Neufälle ab dem 1. 3. 1999. Dieses Resultat folgt aus der gegenwartsbezogenen Formulierung des Gesetzestextes: „einzustehen hat“, „gehört“. Damit scheidet eine Rückwirkung von vornherein aus. cc) Der Wertausgleich nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Einige Landesgesetze erlauben bestimmten Gesellschaften, Altlastsanierungen auf eigene Kosten durchzuführen; in Nordrhein-Westfalen dem Abfallentsorgungsund Altlastensanierungsverband (AAV)91. § 2 Abs. 3 AAVG normiert einen Wertausgleich. Wenn sich durch Sanierungsmaßnahmen der Nutzwert eines betroffenen Grundstücks wesentlich erhöht, kann der Verband vom Eigentümer einen Ausgleich in Geld verlangen; eine Frist für das Fordern des Anspruchs existiert nicht. Das BBodSchG kennt in § 25 Abs. 1 Satz 1 ebenfalls einen Wertausgleich. Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 ist der Betrag fällig, wenn die Sicherung oder Sanierung abge90 91

Kahl, DV 2000, 42 ff. m.w.Nachw. Gesetz v. 21. 6. 1988, GVBl. S. 268.

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schlossen und er von der zuständigen Behörde festgesetzt worden ist; die Pflicht zum Wertausgleich erlischt nach Satz 2 nach vier Jahren. Zwischen dem nordrhein-westfälischen Recht des Wertausgleichs und dem Bundesrecht des Wertausgleichs bestehen folgende Differenzen: Nach Landesrecht kann der Wertausgleich erhoben werden – Ermessen, nach Bundesrecht muss er erhoben werden – Rechtspflicht. Nach Landesrecht gibt es eine unbefristete Möglichkeit der Geltendmachung des Wertausgleichs, nach Bundesrecht erlischt das Recht vier Jahre nach Entstehen des Anspruchs. Ferner ist das Recht des Verzichts auf die Erhebung des Wertausgleichs nach § 2 Abs. 4 AAVG weitaus großzügiger ausgestaltet als nach § 25 Abs. 5. Mit dem Inkrafttreten des BBodSchG stellt sich die Frage, ob die Erhebung von Wertausgleichsansprüchen für die 1995 und später vorgenommenen Sanierungen nach Landesrecht oder nach Bundesrecht erfolgt. Gelangte Bundesrecht zum Einsatz, müssten die 1995 entstandenen Ansprüche bis Ende des Jahres 1999 erhoben worden sein; im Jahre 2000 entfiele der Wertausgleich. Das Gleiche gilt für die später entstandenen Ansprüche. Welches Recht gilt?92 Die Antwort ist abhängig von der Sperrwirkung und vom Umfang der Rückwirkung des § 25. Weil es i.F. entscheidend auf begriffliche Klarheit ankommt, seien die vier hier in Betracht kommenden Anwendungsfälle der Norm hervorgehoben: 1. Eine in der Vergangenheit abgeschlossene Sanierung wird entgegen früherem Landesrecht nachträglich mit einem Wertausgleich belegt; 2. Beendigung der Sanierung vor Inkrafttreten des BBodSchG, der Wertausgleich ist bislang nicht geltend gemacht – diese Situation ist identisch mit dem Ausgangsbeispiel; 3. Beginn einer Sanierung vor und ihre Beendigung nach Inkrafttreten des BBodSchG – diese drei Fälle seien verkürzt Altfälle genannt; 4. Beginn und Ende der Sanierung nach Inkrafttreten des BBodSchG. Die Frage, ob Gesetzen, die der Bund erlässt, indem er erstmalig von der ihm zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch macht und mit denen dann zwingend Sperrwirkung für die Gesetzgebung der Länder verbunden ist, Rückwirkung zukommen kann, wenn diese im Übrigen verfassungsrechtlich zulässig wäre, wird in der Rechtsprechung nicht, in der Literatur höchst selten93 und mit unterschiedlichen Ergebnissen beantwortet – die Antwort wird indes immer ohne nähere Begründung gegeben. Die Möglichkeit der Rückwirkung wird in diesem Fall auf folgende Weise bejaht94: „Der Beginn der Sperrwirkung hängt vom Begriff und der Art des Gebrauchmachens ab. Das Bundesgesetz kann sich z. B. zulässigerweise 92

Ausführliche Beantwortung dieser Frage bei Peine, NuR 2000, 255 ff. In der gesamten Literatur zur Geltung von Normen herrscht zum hier bedeutsamen Problem Schweigen: Schneider, Gesetzgebung; Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994; Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, 1997. 94 Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein (Hg.), Komm. zum GG, 3. Aufl. 1996, Art. 72 Abs. 1 Rn. 297. 93

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Rückwirkung beilegen. Rückwirkung bedeutet, dass die Rechtslage im von ihr erfassten vergangenen Zeitraum so angesehen wird, als hätte das rückwirkende Gesetz bereits gegolten. Was Art. 72 Abs. 1 GG angeht, heißt dies wohl, dass auch fingiert wird, die Befugnis der Länder zur Gesetzgebung habe ab dem Beginn der Rückwirkung nicht mehr bestanden. Die früher an sich kompetenzgemäß erlassenen Landesgesetze erscheinen nachträglich als kompetenzwidrig. Wenn der Satz, dass kompetenzwidrig erlassenes Recht ungültig ist, auch für diese Situation gelten sollte, sind die Landesgesetze im Ausmaß der Rückwirkung ungültig.“ In der Literatur lässt sich das entgegengesetzte Ergebnis nachweisen95. In der konkreten Situation nicht einschlägig, aber bemerkenswert ist die These96, der Bundesgesetzgeber dürfe den Beginn der Sperrwirkung hinausschieben. Speziell zur hier betrachteten Norm findet sich die Ansicht97, ihre Anwendung auf Altfälle widerspreche nicht dem Rückwirkungsverbot. Gesetze gelten im Normalfall ab einem selbst bestimmen Zeitpunkt98. Das BBodSchG ist wesentlich ab dem 1. 3. 1999 in Geltung, vgl. Art. 4 des Gesetzes zum Schutz des Bodens. Dieser Zeitpunkt ist nicht der des Beginns seiner Sperrwirkung für die Landesgesetzgebung. Sie tritt mit der Verkündung des Gesetzes ein99 ; für das BBodSchG ist dieser Tag der 24. 3. 1998. – Die Sperrwirkung schließt ab ihrem Beginn die Länder von der Gesetzgebung aus. Wird gleichwohl später Landesrecht erlassen, so ist es bereits deshalb nichtig, weil dem Land über Art. 72 Abs. 1 GG die Gesetzgebungsbefugnis fehlt. Ist das Landesrecht bereits erlassen worden, so gilt gleiches: Die ursprüngliche Landeskompetenz wird nachträglich entzogen; das Landesgesetz ist mit Beginn der Sperrwirkung nichtig100. Nach diesen Aussagen ist die fragliche Norm des Landesrechts ab dem 24. 3. 1998 nichtig, es sei denn, es liegt ein Fall des „soweit“ i.S.d. Art. 72 Abs. 2 GG vor: Der Umfang der Sperrwirkung ist unvollständig. Eine Analyse ihres Umfangs kann zu einem anderen Datum führen. Über den Umfang entscheiden das Verfassungsrecht und der Wille des Gesetzgebers. Dementsprechend könnte das Bundesrecht die Abwicklung der Altfälle nicht oder nicht vollständig erfassen. In der Folge hängt der Umfang der Nichtigkeit des fraglichen Landesrechts ab dem 24. 3. 1998 davon ab, ob dem einschlägigen Bundesrecht vollständige Sperrwirkung zukommt. Da das Bundesgesetz am 1. 3. 1999 in Kraft getreten ist, ist das nur der Fall, wenn sein hier relevanter Teil verfassungsrechtlich erlaubt und gesetzgeberisch gewollt Rückwirkung entfaltet.

95

Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 8. Aufl. 1995, Art. 72 Rn. 22. Jarass, NVwZ 1996, 1044. 97 Bickel, § 25 Rn. 1. 98 BVerfGE 42, 283; Schneider, S. 291. 99 Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hg.), GG, 3. Aufl. 1996, Art. 72 Rn. 9; Degenhart, Staatsrecht I, 15. Aufl. 1999, S. 262; ders., in: Sachs (Hg.), GG, 2. Aufl. 1999, Art. 72 Rn. 27. 100 Kunig (Fn. 99), Art. 72 Rn. 9. 96

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Das Problem der Rückwirkung eines Gesetzes gelangte schon zur Darstellung101. Danach ist die echte Rückwirkung prinzipiell verboten, die unechte prinzipiell erlaubt. Entscheidend ist, ob der Vertrauensschutz die Rückwirkung verbietet. Vor Inkrafttreten des BBodSchG normierten einige Landesgesetze einen Wertausgleich für den Fall der Altlastsanierung durch einen Dritten. Die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt kannten diesen Anspruch nicht. Wenn § 25 Rückwirkung entfaltete, müssten in diesen Ländern Wertausgleichsansprüche geltend gemacht werden für Sachverhalte, die nach ihrem Recht bis zum Inkrafttreten des BBodSchG nicht mit dieser Rechtsfolge verknüpft waren. Wenn Altlastsanierungen in diesen Ländern vor dem 1. 3. 1999 abgeschlossen waren, handelt es sich aus heutiger Sicht um einen abgewickelten Sachverhalt. Er wird nachträglich mit einer vorher nicht bekannten Rechtsfolge belegt. Damit liegt eine echte Rückwirkung i.S.d. Rechtsprechung des ersten Senats des BVerfG vor. Verfassungsmäßig ist diese Rückwirkung nach der Rechtsprechung beider Senate des Gerichts nur, wenn die betroffenen Grundstückseigentümer mit einem Wertausgleich rechnen mussten. Davon kann nicht die Rede sein. Der Wertausgleich nach § 25 hat im Gesetzentwurf der Bundesregierung noch nicht gestanden; er ist von einigen Ländern über eine Initiative des Bundesrats in das Gesetz gelangt102; im Gesetzgebungsverfahren ist nicht ein einziges Mal die Äußerung gefallen, der Wertausgleich solle rückwirkend auch in den Ländern erhoben werden, die einen solchen Anspruch nicht kennen. Der erste Altfall ist verfassungsrechtlich unzulässig. Rückwirkung darf Gesetzen nur dann zukommen, wenn ihr berechtigtes Vertrauen der Bürger nicht entgegensteht. Dieses Vertrauen ist in den zuvor aufgezählten Ländern genauso schützenswert wie in Nordrhein-Westfalen. In Bayern z. B. haben die Bürger darauf vertraut, dass sie keinem Wertausgleichsanspruch ausgesetzt seien, in Nordrhein-Westfalen darauf, dass er entsprechend den Bedingungen des Landesrechts erhoben werde. Das neue Bundesrecht ist, wie dargelegt, schärfer als das nordrhein-westfälische Landesrecht. Deshalb ist bei betroffenen Bürgern in NordrheinWestfalen ebenso ein Vertrauenstatbestand vorhanden wie bei betroffenen Bürgern in Bayern. Die Anerkennung dieses Tatbestands erfordert in den Ländern, die einen Wertausgleichsanspruch kannten oder deren Recht des Wertausgleichs gegenüber dem Bundesrecht „milder“ war, den zweiten Altfall wie den ersten als verfassungsrechtlich unzulässig zu betrachten. Demnach ist die – unterstellte – Rückwirkung des § 25 wegen Verstoßes gegen das Prinzip des Vertrauensschutzes und damit gegen das Rechtsstaatsprinzip nichtig in den Ländern, die keinen oder einen milderen Wertausgleich kannten. Zumindest in diesen Ländern ist § 25 verfassungskonform so zu interpretieren, dass er erst die Fälle erfasst, die auszeichnet, dass die Beendigung von Maßnahmen der Gefahrenab101

s. Text bei Fn. 50. BTag-Drs. 13/6701, S. 59 f. Im gesamten Vermittlungsverfahren wurde an dem Vorschlag festgehalten, s. BTag-Drs. 13/8182, S. 9 f.; der Vorschlag ging in das Vermittlungsergebnis ein, BTag-Drs. 13/9637, S. 5. 102

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wehr zu einem Zeitpunkt nach Inkrafttreten des Gesetzes liegt – dieser dritte Altfall stellt sich als eine unechte Rückwirkung/tatbestandliche Rückanknüpfung des Gesetzes dar und ist verfassungsrechtlich zulässig. Ob das Gesetz auch diesen Fall nicht und nur die Fälle erfasst, die kennzeichnet, dass die Sanierung der Altlast nach Inkrafttreten des Gesetzes beginnt, bleibt zu klären. Ließe man es zu, dass in den Ländern mit einem Wertausgleich eine Rückwirkung erlaubt wäre, dann hätte das BBodSchG in Ansehung des Wertausgleichs unterschiedliche Zeitpunkte des Wirksamwerdens in Abhängigkeit von der zufälligen Existenz bestimmten Landesrechts. Die Frage, ob dieses Ergebnis verfassungsrechtlich zulässig ist, wird nicht gestellt. Sie ist zu verneinen: Der Gesetzgeber ist dazu verpflichtet, die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtsklarheit und Justitiabilität beim Normerlass zu bedenken; die von einem Gesetz Betroffenen müssen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können103. Diese Aussage gilt auch für den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes; die Normadressaten müssen wissen können, für welche Sachverhalte was ab wann gilt. Im Normalfall bestimmt der Gesetzgeber den Zeitpunkt des Inkrafttretens eines Gesetzes ausdrücklich; diese Aussage gilt für alle Vorschriften eines Gesetzes; ausnahmsweise kann einem Gesetz vollständig oder in Teilen rückwirkende Kraft zukommen, aber nur dann, wenn ein Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand alten Rechts nicht bestand – in diesem Fall ist die Wirksamkeit des Gesetzes von seinem (formellen) Inkrafttreten zu trennen. Der Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer bundesrechtlichen Norm ist kein Problem, dessen Lösung von der Existenz bestimmten Landesrechts abhängig ist, sondern von einer Aussage des Bundesgesetzgebers – die Bestimmung des Inkrafttretens des Gesetzes kann nur durch den Gesetzgeber selbst erfolgen, soweit nicht die Regelung des Art. 82 Abs. 2 Satz 2 GG eingreift104. Die insoweit getroffene Aussage gilt einheitlich und bundesweit; ein anderes Ergebnis hat es praktisch bislang nicht gegeben und ist auch theoretisch nicht behauptet worden. Ist eine einheitlich wirkende Rückwirkung aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen, so wird das Gesetz bundeseinheitlich zu dem Zeitpunkt erstmalig wirksam, der verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Das ist für das BBodSchG der 1. 3. 1999. Für die Richtigkeit des Ergebnisses spricht ferner folgende Erwägung: Die Problematik der Rückwirkung eines Gesetzes hat sich – soweit bekannt – bislang allein in der Relation Bundesrecht/Bundesrecht gestellt. Die Rückwirkung eines Gesetzes ist in dieser Relation davon abhängig, dass das Anknüpfen an noch nicht abgeschlossene Sachverhalte möglich ist; der Eintritt einer Rückwirkung ist unabhängig von sonstigen Gesichtspunkten ähnlich dem zuvor erwähnten Aspekt. Es werde die These aufgestellt, dass der Gesetzgeber nur solche Sachverhalte rückwirkend neu bewerten darf, bei denen er die Voraussetzungen ihres Entstehens selbst geregelt hat – um beim Ausgangsbeispiel zu bleiben: Er ändert ein Detail im Recht des Wertausgleichs. Rechtmäßige Rückwirkungen gibt es deshalb nur in den Relationen Bundesrecht/ 103 104

BVerfGE 21, 79. BVerfGE 42, 283.

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Bundesrecht und Landesrecht/Landesrecht, nicht aber in der Relation Bundesrecht/ Landesrecht. Die Richtigkeit dieser These folgt daraus, dass das GG dem Bund die Vernichtung von Landesrecht allein in den Grenzen des Art. 31 GG, der hier nicht interessiert, und des Art. 72 GG gestattet. Es lässt sich aber verfassungsrechtlich nicht begründen, den Beginn der Sperrwirkung eines Gesetzes beliebig in die Vergangenheit zurückzuverlegen. Der Umstand, dass es eine verfassungsrechtlich erlaubte Sperrwirkung gibt, reicht in diesem Fall als Hinweis nicht aus; da die Sperrwirkung ihre Folgen in der Zukunft entfaltet, bedarf die Annahme einer Rückwirkung, um verfassungsrechtlich zulässig zu sein, der positiven Begründung. Diese zu liefern ist ausgeschlossen, weil das Institut der konkurrierenden Gesetzgebung nicht mit der Funktion verbunden ist, das Ergebnis der von den Ländern in der Vergangenheit rechtmäßig ausgeübten Gesetzgebungskompetenz rückwirkend zu zerstören, sondern seine Funktion besteht darin, für die Zukunft einheitliches Recht für die gesamte Bundesrepublik zu schaffen. Dass genau dieses die Funktion der konkurrierenden Gesetzgebung ist, zeigt ein Blick auf die Zulässigkeitsbedingungen für ein Gebrauchmachen des Bundes von dieser Kompetenz: Nach Art. 72 Abs. 2 GG muss das Bundesgesetz erforderlich für das Erreichen bestimmter Ziele sein. Wenn die Erforderlichkeit bereits in der Vergangenheit bestanden hätte, hätte der Bund durch ein Gebrauchen seiner Kompetenz reagieren können. Er darf aber nicht nachträglich sein Unterlassen dadurch ausgleichen, dass er seinem Gesetz Rückwirkung beimisst; denn ein solches mit der konkurrierenden Gesetzgebung nicht verbundenes und ihrer Funktion widersprechendes Recht bedarf, um es anerkennen zu können, der ausdrücklichen Einräumung – sie fehlt105. Deshalb kann der Bund nur Bundesgesetzen im Verhältnis zu Bundesgesetzen Rückwirkung verleihen. Dem hier fraglichen § 25 kommt in Relation zum Landesrecht Rückwirkung nicht zu. Nach alledem entfällt ein unterschiedliches Wirksamwerden des § 25. Dieser Norm kommt in den beiden ersten Altfällen Rückwirkung nicht zu. Sie betrifft aus verfassungsrechtlichen Erwägungen ausschließlich die Sanierungsfälle, die nach dem 1. 3. 1999 abgeschlossen wurden bzw. werden. Das Bundesgesetz kann eine Lösung der von ihm nicht erfassten Fälle nicht sperren. Logische Konsequenz ist, dass das nordrhein-westfälische Recht des Wertausgleichs für die von der Sperrwirkung nicht erfassten Fälle solange fortgilt, bis diese abgearbeitet sind. Neben der auf verfassungsrechtlichem Weg gefundenen Antwort werde eine weitere durch Interpretation des Gesetzes gesucht. Die methodische Praxis des BVerfG106 zeigt, dass sich der Inhalt eines Gesetzes und damit sein erschöpfender Charakter aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem subjektiven Willen des Gesetzgebers, der rechtsgeschichtlichen Entwicklung der in Frage stehenden Regelung, dem systematischen Zusammenhang der Norm und schließlich aus dem Sinn und Zweck 105 Hinzuweisen ist darauf, dass nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2a GG nunmehr die Frage gerichtlich zu beantworten ist, ob die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG bei Erlass des Gesetzes vorlagen. 106 Das BverfG hat sich nicht eingehend dazu geäußert, welche Gesichtspunkte zur Ermittlung des abschließenden Umfangs seines Gesetzes maßgeblich sein sollen.

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der Vorschrift ergibt107. Besondere Beachtung verdienen in diesem Zusammenhang die vom BVerfG so bezeichneten entstehungsgeschichtlichen Gesichtspunkte, die es zumindest in begrenztem Maße zur Auslegung heranzieht, nämlich einerseits die Gesetzesmaterialien und andererseits die historischen Vorläufer der gesetzlichen Regelung108. Zwar sollen die Äußerungen der an der Entstehung des Gesetzes Beteiligten nur unterstützend verwertet werden und nicht dazu verleiten, die Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Willen des Gesetzes gleichzusetzen, denn der Wille des Gesetzgebers kann bei der Auslegung des Gesetzes nur soweit berücksichtigt werden, als er in dem Gesetz selbst hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat; der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung wird aber in Zweifelsfällen, die anders nicht zu klären sind, eine Bedeutung für die Feststellung des objektiven Willens des Gesetzes zugeschrieben109. Im Gegensatz zu seinen Bekenntnissen hat das BVerfG freilich in zahlreichen Fällen der einfachen Gesetzesund Verfassungsauslegung die angesprochene Auslegungsmethode zu der vorrangig entscheidenden gemacht; dieser ist deshalb ein höherer Stellenwert beizumessen, als es nach der grundsätzlichen Stellungnahme zu erwarten war110. Der Wortlaut des § 25 sagt nicht, dass er nur für eine bestimmte Klasse von Altlastsanierungen gilt; nach seinem Wortlaut ist die Aussage möglich, dass das Gesetz auch für die Fälle gilt, die in der Vergangenheit begonnen wurden und zum jetzigen Zeitpunkt finanziell noch nicht abgewickelt sind. Der Entstehungsgeschichte und dem subjektiven Willen des Gesetzgebers kann eine Absicht des Gesetzgebers, dem Gesetz insoweit Rückwirkung zukommen zu lassen, nicht entnommen werden; an keiner Stelle der für den Zusammenhang relevanten Materialien findet das Wort Rückwirkung Erwähnung. Demzufolge lässt sich ohne weiteres annehmen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers § 25 erst mit Datum des formellen Inkrafttretens des Gesamtgesetzes, also dem 1. 3. 1999, wirken soll – und zwar für die Fälle, § 25 Abs. 3, deren Sicherung oder Sanierung nach dem 1. 3. endet. Dafür spricht ferner, dass eine Übergangsregelung fehlt. Es ist schließlich zu bedenken, dass es dem Gesetzgeber bei entsprechendem Willen möglich gewesen wäre, durch eine andere Fassung der Norm eindeutig ihre Rückwirkung zum Ausdruck zu bringen. Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des § 25 bringt für die Festlegung der Reichweite seiner Geltung keine Aussage; das Gleiche gilt für den systematischen Zusammenhang der Norm sowie für das Kriterium Sinn und Zweck der Vorschrift. Nach alledem bringen die Interpretationen nach dem Wortlaut einerseits und die nach dem Willen des Gesetzgebers andererseits unterschiedliche Ergebnisse. Wie dargelegt, ist die letztere Methode nach der Rechtsprechung des BVerfG vorrangig. Deshalb ist als Ergebnis 107 BVerfGE 2, 232/236; 7, 342/347; 20, 238/248; 32, 319/331; 34, 9/28; 49, 343/348; 67, 299/324. Vgl. zur Auslegung insgesamt Martha Dagmar Müller, Auswirkungen der Grundgesetzrevision von 1994, 1996, S. 30. 108 BVerfGE 1, 299/312; 59, 335/352 f. 109 BVerfGE 11, 126/130. 110 Friedrich Müller, Juristische Methodik, 3. Aufl. 1989, S. 206; Larenz, Methodenlehre, 5. Aufl. 1983, S. 205; insb. Sachs, DVBl 1984, 76 m.w.Nachw.

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der Norminterpretation festzuhalten, dass § 25 von den drei Altlastfällen lediglich den dritten erfasst. Dieses Resultat ist identisch mit der verfassungsrechtlichen Analyse. Hinzuweisen ist noch auf Folgendes: Besäße die Norm echte Rückwirkung und wäre mit diesem Ergebnis zugleich verbunden, dass das Gesetz verfassungsrechtlich nur auf solche Fälle Anwendung finden könnte, bei denen der Abschluss der tatsächlichen Sanierungsarbeiten auf einen Zeitpunkt nach dem Inkrafttreten des Gesetzes fiele, so entstünde eine Regelungslücke für den hier in Frage stehenden Altlastfall, wenn das Landesrecht als Folge der Sperrwirkung des Bundesrechts nicht mehr zur Anwendung gelangte. Folge wäre, dass der Wertausgleich nicht mehr erhoben werden könnte. Dass dieses Resultat dem Willen des Bundesgesetzgebers entspricht, ist schon deshalb ausgeschlossen, weil das Recht des Wertausgleichs auf Landesinitiative111 hin in das BBodSchG gelangt ist – es darf unterstellt werden, dass die Länder sich mit dem Gesetz nicht selber schaden wollten. § 25 entfaltet nach dem Willen des Gesetzgebers keine Sperrwirkung ab dem 24. 3. 1998 und ist erstmalig auf die Fälle anwendbar, deren Sicherung oder Sanierung nach dem 1. 3. 1999 endet. Nähme man die Rückwirkung des § 25 in den Ländern mit einem Wertausgleichsanspruch an, müsste konsequenterweise die Sperrwirkung der Norm ab dem 24. 3. 1998 in Rechnung gestellt werden. Das betroffene Landesrecht wäre nichtig. An diese Folge dürfte freilich keine für die Erhebung des Wertausgleichs zuständige Behörde gedacht haben; diese werden vielmehr den Wertausgleich auf der Grundlage des Landesrechts eingefordert haben und auch noch einfordern, soweit die Länder dieses Recht nicht außer Kraft setzten wie Niedersachsen112. Bei Richtigkeit der Annahme wären alle Forderungen rechtswidrig, weil die Behörden den Anspruch auf eine nicht existente Rechtsgrundlage stützten und diese Praxis beibehalten. In Nordrhein-Westfalen könnten geltend gemachte Ansprüche nicht bestandskräftig werden, weil das Instrument des Verwaltungsakts für ihre Einforderung fehlt. Die Wertausgleichsansprüche entfielen vollständig. Dieses Ergebnis wäre absurd. Eine Interpretation eines Gesetzes mit diesem Ergebnis, die ohne Not vorgenommen wird, ist inakzeptabel und kann auch methodisch nicht richtig sein. § 25 besitzt keine Rückwirkung mit Blick auf die Lösung des zweiten Altfalls. Das landesrechtliche Recht des Wertausgleichs findet für die Abwicklung des zweiten Altlastfalls weiterhin Anwendung, soweit dieses Recht nicht vorschnell außer Kraft gesetzt wurde.

111 112

BTag-Drs. 13/6701, S. 59 f. Gesetz v. 19. 2. 1999, GVBl. S. 4.

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dd) Der Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 Satz 2 Ein Rückwirkungsproblem gibt es ebenfalls bei § 24 Abs. 2 Satz 2. Es geht um die Frage, in welchen Fällen der gesetzliche Ausgleichsanspruch entsteht – die denkbaren Fälle sind zuvor unter cc) – mutatis mutandis – expliziert worden. Dezidiert heißt es zur Problematik113 unter Hinweis auf eine fehlende Übergangsregelung, dass der gesetzliche Ausgleichsanspruch erst für solche Sanierungen entstehe, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes ausgeführt würden. Ausführlicher114 wird argumentiert, mit Blick auf eine fehlende Übergangsvorschrift, aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit sowie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zur Rückwirkung von Gesetzen sei davon auszugehen, nur solche Sanierungen seien erfasst, die nach dem 1. 3. 1999 endeten. Mit der unter cc) erarbeiteten Begründung erfasst der Ausgleichsanspruch solche Sanierungen, die nach dem 1. 3. 1999 abgeschlossen wurden bzw. werden.

II. Abgrenzungen zu anderen Materien (außerhalb von § 3) 1. Abgrenzung zum Wasserrecht (Definition des Begriffs Boden) Die Definition des Begriffs Boden ist problematisch wegen der Verwendung der Worte Bodenlösung und Grundwasser; beide Begriffe sind nicht legaldefiniert115. – Den Oberbegriff für das gesamte im Boden befindliche Wasser – das unterirdische Wasser – bildet der Begriff „Bodenwasser“116. Das Bodenwasser ist in mehrere Typen von Wasser einzuteilen. Je nach Festigkeit der Bindung an die festen Bodenbestandteile ist zu unterscheiden: Grund- und Stauwasser: freies Wasser in größeren Poren, das nicht an Bodenbestandteile gebunden ist; Kapillarwasser: Wasser, das in engen Kapillaren, z. B. Feinporen, durch Kapillarkräfte mit entsprechend gekrümmten Menisken festgehalten wird; Adsorbtionswasser: Wasser, das meist in mehreren Molekülschichten an der Oberfläche der festen Bodensubstanz durch Adsorbtionskräfte gebunden ist; Sickerwasser: Teil des Niederschlagswassers, welches in den Boden nicht nur eindringt, sondern aufgrund der Einflüsse der Schwerkraft durch den Bodenkörper bis ins Grundwasser perkoliert. Das Kapillarwasser nannte man frü113

Vierhaus, NJW 1998, 1267. Pützenbacher, NJW 1999, 1140; Knopp/Albrecht, S. 53; Becker, § 24 Rn. 7 a.E. 115 s. zum Folgenden Peine, UPR 1999, 361 ff. 116 Die im Folgenden zusammengetragenen naturwissenschaftlichen Befunde entstammen durchweg dem Springer Umweltlexikon, hg. v. Bahadir/Parlar/Spiteller, 2. Aufl. 2000, Stichworte: Bodenwasser, Kapillarwasser, Adsorbtionswasser, Grundwasser, Wasser, unterirdisch. Im Ergebnis ebenso Landel/Vogg/Wüterich (Hg.), BBodSchG, 1998, Stichwort: Bodenwasser. – Der in der juristischen Literatur vorzufindende Sprachgebrauch weicht von dem im Folgenden nachgewiesenen naturwissenschaftlichen Sprachgebrauch häufig ab, vgl. z. B. Kloepfer, S. 834. 114

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her auch Haftwasser. Es legt sich über die Schichten des Adsorbtionswassers. Stauwasser ist oberflächennahes Grundwasser; es tritt in nassen Jahreszeiten an die Erdoberfläche. Grundwasser ist das unterirdische Wasser, das zusammenhängend die Hohlräume in der Erde ausfüllt und dessen Bewegung ausschließlich von der Schwerkraft und den Reibungskräften bestimmt wird117. Den Begriff Bodenlösung kennt die dem Verfasser zur Verfügung stehende Literatur selten. Im Wasser sollen als Bodenlösung gelöste Gase und Ionen enthalten sein118 ; die Bodenlösung soll die kleineren Hohlräume des Bodens ausfüllen. Der Begriff Bodenlösung ist aber wohl nicht eindeutig zu bestimmen, um den Anwendungsbereich des BBodSchG festzulegen. § 2 Abs. 1 ist zu entnehmen, dass Bodenlösung das Wasser im Boden sein soll, welches nicht Grundwasser ist. Mit Blick auf die Bestimmung des Begriffs Grundwasser ist zunächst festzustellen, dass die rechtswissenschaftliche Literatur den zuvor wiedergegebenen naturwissenschaftlichen Begriff des Grundwassers nicht teilt, sondern von einem umfassenderen Begriffsverständnis ausgeht119. Nach einer weitgehend anerkannten Aussage negativen Inhalts unterfällt dem Grundwasserbegriff nicht die Bodenfeuchte (Porenwinkelwasser) in der Bodenkrume und dem etwaigen Mutterboden unmittelbar unter der Erdoberfläche120. Dieses Wasser befindet sich ebenso wie das Sickerwasser in der Sickerwasserzone/ungesättigten Zone des Bodens – Deckschicht121. An diese Deckschicht schließt sich der Grundwasserleiter an; er enthält die Grundwasserzone/Sättigungszone. Ihre Spitze bildet der Kapillarsaum, dessen unteren Teil bildet die Grundwasseroberfläche, dann folgt in Richtung Erdinneres das Grundwasser. Unterhalb des Grundwasserleiters liegt die Sohlschicht. Hydrologisch ist nach alledem Grundwasser all das Wasser, welches sich in der Sättigungszone befindet; Bodenwasser – im Boden befindliches Wasser –, welches den Grundwasserleiter noch nicht erreicht hat – vereinfacht gesagt: Sickerwasser –, ist nicht Grundwasser. Dieser hydrologische Befund entspricht dem geltenden Bundesrecht. Rechtsprechung122 und Literatur123 verstehen den Begriff des Grundwassers „weit“. Grundwas-

117 Vgl. zur Definition des Begriffs Grundwasser und den damit zusammenhängenden Problemen Peine, Wasserhaushaltsrecht, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2000, S. 931. 118 Becker, § 2 Rn. 8; Landel/Vogg/Wüterich (Fn. 116), Stichwort: Bodenlösung, wässrige Phase des Bodens, versehen mit löslichen Stoffen; diese Autoren identifizieren den Begriff Bodenlösung mit dem des Bodenwassers; zur Bodenlösung gehöre das Sickerwasser, das Haftwasser, das Grundwasser; in diesem Sinne versteht der Gesetzgeber den Begriff Bodenlösung ersichtlich nicht. 119 Peine (Fn. 117), S. 931. 120 Czychowski, Wasserhaushaltsgesetz, 7. Aufl. 1997, § 1 Rn. 41; Sanden, in: Sanden/ Schoeneck, § 2 Rn. 8. 121 s. zum Folgenden das Stichwort: Wasser, unterirdisch, in: Springer Umweltlexikon (Fn. 116). 122 BVerfGE 58, 303; BVerwG, ZfW 1969, 116.

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ser ist das gesamte nicht künstlich gefasste Wasser, soweit es an den natürlichen Gewässerschutzfunktionen teilnimmt und es wasserwirtschaftlicher Lenkung zugänglich ist. Diese Aussage ist nach h.M. identisch mit Art. 1 Abs. 2a EG-Grundwasserschutz-RL124 ; diese Vorschrift definiert Grundwasser als „alles unterirdische Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht“. Diese Definition entspricht dem zuvor erarbeiteten hydrologischen Befund. Der Bundesgesetzgeber ist in der Begründung des Entwurfs des BBodSchG125 mit Blick auf das Grundwasser von dem Wasser ausgegangen, welches sich in der gesättigten Zone befindet. Damit folgt er einerseits Europarecht, andererseits dem hydrologischen Befund126. Nach alledem unterfällt dem Anwendungsbereich des BBodSchG alles Wasser, welches sich in der ungesättigten Zone/Deckschicht befindet. Die Deckschicht lässt sich eindeutig bestimmen. Damit ist – für den Einzelfall – auch sicher festgelegt, ob Bodenschutz- oder Wasserrecht zur Anwendung gelangt. Die Definition des Begriffs Boden erfasst den Grund der fließenden und stehenden Gewässer sowie der grundwasserführenden Schichten nicht. Damit wird die bestehende Rechtslage perpetuiert: Das Gewässerbett – der Gewässerboden – bildet mit dem Wasser tatsächlich und rechtlich eine Einheit127; das Gewässerbett wird über das Wasser geschützt128 ; im Gegensatz zum Wasser gibt es aber für den Gewässerboden ein Schutzrecht nicht – wenn man davon absieht, dass im Interesse der Wasserreinhaltung und des Wasserabflusses feste Stoffe zum Zwecke der Entledigung nicht in ein Gewässer eingebracht werden dürfen und die Gewässer zu unterhalten sind. Der Gewässerboden wird tatsächlich nur insoweit geschützt, als der Schutz des Wassers positive Folgen für den Boden hat. Dieser Zustand ist unbefriedigend. Er lässt sich verbessern, indem der Begriff Boden derart weit gefasst wird, dass das Gewässerbett sowie der Boden von grundwasserführenden Schichten ihm unterfallen, soweit menschliche Aktivitäten den Zustand des Bodens beeinflussen können129.

123

Vgl. statt vieler Czychowski (Fn. 120), § 1 Rn. 39; Radtke, in: HRHB, § 2 Rn. 6; a.A. offenbar Bickel, § 2 Rn. 4, der davon ausgeht, dass der Begriff des Grundwassers i.S.d. BBodSchG nicht derjenige ist, den das WHG verwendet. 124 RL des Rates v. 17. 12. 1979 über den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe (80/68/EWG), ABl. EG Nr. L 20 v. 26. 1. 1980, S. 43. 125 BRat-Drs. 702/96, S. 81, 28 f.; vgl. ferner Radtke, in: HRHB, § 2 Rn. 6; Sanden, in: Sanden/Schoeneck, § 2 Rn. 8; Becker, § 2 Rn. 10. 126 Ausführlich zur Abgrenzung von Boden und Grundwasser und mit einem leicht abweichenden Ergebnis Rech/Henke, LKV 2000, 369 ff. 127 Czychowski (Fn.120), § 1 Rn. 19. 128 Frenz, § 2 Rn. 14. 129 s. z. B. § 284 Abs. 1 UGB-ProfE.

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2. Abgrenzung zum Wasserrecht (Die Sanierung von Gewässern) a) Fallgestaltungen Nach § 4 Abs. 4 Satz 3 bestimmen sich die bei der Sanierung von Gewässern zu erfüllenden Anforderungen nach dem Wasserrecht; nach § 7 Satz 6 richtet sich die Vorsorge für das Grundwasser nach den wasserrechtlichen Vorschriften. Mit Blick auf die Relation Bodenrecht/Wasserrecht sind vier Fälle zu unterscheiden: 1. Es liegt eine schädliche Bodenveränderung/Altlast und eine dadurch bedingte Gewässerverunreinigung vor; 2. es liegt eine schädliche Bodenveränderung/Altlast vor, eine Gewässerverunreinigung ist zu besorgen; 3. eine schädliche Gewässerverunreinigung liegt nicht vor, aber in der Folge einer Bodenbelastung ist eine Gewässerverunreinigung zu besorgen; 4. es lag eine schädliche Bodenveränderung/Altlast vor, die sich in der Gegenwart erledigt hat, und in der Folge der schädlichen Bodenveränderung/Altlast existiert heute eine Gewässerverunreinigung. Der erste Fall ist der Normalfall: Im Allgemeinen werden Sanierungsaufforderungen das Wasser betreffend auf die Generalklausel des Polizeirechts gestützt; Ermächtigungsgrundlage für Wassersanierungen, die dem BBodSchG unterfallen, ist jetzt aber § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1130. Bodenschützende Maßnahmen und wasserschützende Maßnahmen unterscheiden sich lediglich in einer Hinsicht: nämlich hinsichtlich der Anforderungen an die Sanierung. Während die Anforderungen an die Boden- bzw. Altlastensanierung inhaltlich durch das BBodSchG festgelegt werden, richten sich die Anforderungen an die Sanierung des Wassers nach dem Wasserrecht, § 4 Abs. 4 Satz 3. Diese Vorschrift enthält keine Restriktionen131. Es lässt sich deshalb festhalten, dass über das „Ob“ einer Gewässersanierung nach Bodenschutzrecht, über das „Wie“ nach Wasserrecht entschieden wird132. – Für den zweiten Fall lässt sich festhalten: Insoweit sind zwei Unterfälle zu trennen: Es geht zum einen allein um Bodenschutz. Ermächtigungsgrundlage für eine Sanierungsverfügung ist § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1. Eine Gewässersanierung entfällt, da eine Gewässerverunreinigung fehlt. Zum anderen geht es um Vorsorge für das Gewässer. Die Ermächtigungsgrundlage findet sich im Landesrecht, welches insoweit nicht verdrängt wird. Es ist auf das allgemeine Polizeirecht zurückzugreifen. Den Maßstab für Sanierungen enthält ausschließlich § 7 Satz 6. – Die Ermächtigungsgrundlage im dritten Fall findet sich im Landesrecht, weil es um Vorsorge für Gewässer geht; § 7 130 131 132

Hendler, UTR Bd. 53, 101; Riedel, UPR 1999, 93 f. mit Fn. 13. Hendler, UTR Bd. 53, 101. Hendler, ebd., 102 m.w.Nachw.

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Satz 6 verdrängt das Landesrecht in diesem Fall nicht. Den Maßstab für Sanierungen enthält ausschließlich § 7 Satz 6. – Im vierten Fall ist eine das Wasser betreffende Sanierung ebenfalls nicht auf das BBodSchG zu stützen, sondern auf das Landesrecht. Den Maßstab für Sanierungen enthält das Wasserrecht.

b) Relevante Vorschriften I.F. werden die für die Altlastensanierung besonders relevanten grundwasserschützenden Vorschriften vorgestellt. Qualitative Anforderungen an die Reinheit des Grundwassers legt die VO zur Umsetzung der RL 80/68/EWG des Rates v. 17. 12. 1979 über den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe v. 18. 3. 1997 (GrundwasserVO)133 fest. Die VO enthält zwei Anlagen; in einer Liste 1 sind Stofffamilien und Stoffgruppen aufgezählt, die nach § 2 der VO in das Grundwasser nicht eingeleitet werden dürfen; die Liste 2 enthält Stofffamilien und Stoffgruppen, für deren Einleiten in das Grundwasser eine behördliche Erlaubnis oder eine Planfeststellung oder Genehmigung notwendig ist; freilich darf die Zulassung nur erteilt werden, wenn eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften durch Stoffe der Liste 2 nicht zu besorgen ist, insb. wenn durch den Eintrag der Stoffe nicht die menschliche Gesundheit oder die Wasserversorgung gefährdet, die lebenden Bestände und das Ökosystem der Gewässer geschädigt oder die rechtmäßige Nutzung der Gewässer behindert werden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass dann, wenn ein Stoff der Liste 1 sich im Grundwasser befindet, sofort saniert werden muss; befindet sich ein Stoff der Liste 2 im Grundwasser, ist zu analysieren, ob ein Fall vorliegt, in dem eine Zulassung nicht erteilt werden darf; ist Letzteres der Fall, muss ebenfalls saniert werden. Im Übrigen gilt für die Reinheit des Gewässers § 1a Abs. 2 WHG. Nach dieser Norm ist jedermann verpflichtet, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine Verunreinigung des Wassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften zu verhüten, um eine mit Rücksicht auf den Wasserhaushalt gebotene sparsame Verwendung des Wassers zu erzielen, um die Leistungsfähigkeit des Wasserhaushalts zu erhalten und um eine Vergrößerung und Beschleunigung des Wasserabflusses zu vermeiden. Eine Verunreinigung des Wassers ist eine äußerlich erkennbare Veränderung, z. B. Trübung, Schaumbildung, Ölspuren134. Diese Veränderung muss für das Wasser „nachteilig“ sein135; belanglose, neutrale oder gar günstige Veränderungen reichen nicht aus136. „Nachteilig“ ist eine Veränderung, wenn sich die physikalischen, chemischen oder biologischen Eigenschaften des 133 134 135 136

BGBl. I S. 542. Vgl. Czychowski (Fn. 120), § 26 Rn. 25. s. Heiermann, S. 122. Czychowski (Fn. 120), § 26 Rn. 25.

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Wassers im Vergleich zur vorherigen Beschaffenheit verschlechtert haben137; entscheidend ist allein, dass und wie sich die Gewässereigenschaften auf die Gewässergüte auswirken138. Nach h.M. ist es nicht erforderlich, dass die materielle und immaterielle Nutzbarkeit des Gewässers z. B. für die Wasserversorgung, die Bewässerung, die Fischerei und den Gemeingebrauch beeinträchtigt ist; erst recht müssen konkrete materielle Nachteile oder Schäden nicht eingetreten sein139. Die öffentliche Wasserversorgung ist ein kollektives Rechtsgut i.S.d. POR140; bei einer Beeinträchtigung dieses Rechtsguts ist ein schadenfreier Zustand wieder herzustellen; Grundwasserverunreinigungen sind insoweit nach § 4 Abs. 3 Satz 1 zu sanieren, als die Beseitigung von Schäden notwendig ist, um das kollektive Rechtsgut öffentliche Wasserversorgung zu sichern141. Hingewiesen sei darauf, dass umstritten ist, ob neben dem unmittelbar zum Gebrauch oder Verbrauch bestimmten Wasser jedes Gewässer zu schützen ist – insb. ob das Grundwasser generell, also unabhängig von konkreten Nutzungsabsichten vor Verunreinigungen geschützt werden muss142. Dass insoweit eine Schutzpflicht besteht, ist Auffassung des BVerwG143; diese These findet in der Literatur Zustimmung144. Die Gegenmeinung begründet ihr Ergebnis mit dem Hinweis, das kollektive Rechtsgut Gewässerschutz werde erst durch ein Bewirtschaftungskonzept der zuständigen Wasserbehörde inhaltlich bestimmt, aus dem WHG ergäben sich insoweit keine unmittelbaren Anforderungen145. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 sind alle Gewässer, also nicht nur tatsächlich bewirtschaftete Gewässer, zu sanieren146; die in der Literatur behauptete Differenzierung findet im Gesetz keine Stütze. Diese Aussage bedeutet nicht, dass jedes Grundwasser an jedem Ort nach dem gleichen Maßstab im Fall seiner Verschmutzung zu sanieren ist; selbstverständlich gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch in diesem Fall; es wäre unverhältnismäßig, wenn das Grundwasser auch dann nach einem stren-

137

BayObLG, BayVBl 1976, 601. Czychowski (Fn. 120), § 26 Rn. 26 m.w.Nachw. 139 OLG Zweibrücken, NuR 1991, 42. 140 BVerwG, DÖV 1974, 207; BVerwG, NVwZ 1989, 1061. 141 Hilger, in: HRHB, § 4 Rn. 142. 142 Ablehnend Salzwedel, in: Lühr, Altlastenbehandlung, IWS-Schriftenreihe Bd. 21, 1998, S. 38 ff.; bejahend Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), zitiert nach Hilger, in: HRHB, § 4 Rn. 143. 143 BVerwG, NVwZ 1989, 1061. 144 Bach/Zehrfeld, ZfU 1996, 243; Schulz, ZUR 1995, 196. 145 Salzwedel (Fn. 142). 146 Hilger, in: HRHB, § 4 Rn. 146; Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, § 4 Rn. 55. Die Rechtsauffassung, dass der wasserrechtliche Besorgnisgrundsatz, der hier die maßgebliche Grenze darstellt, ein rein präventiver Maßstab sei, der für den nachsorgenden Gewässerschutz nicht gelte, lässt sich nicht halten, so aber Sondermann/Terfehr, altlasten-spektrum, 1999, 97/ 101 f. 138

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gen Maßstab zu sanieren wäre, wenn es nach den geologischen Bedingungen kurz nach der Sanierung in ein Gewässer gelangte, welches selbst verschmutzt ist. Die inhaltlichen Sanierungsanforderungen bestimmen sich nach den Ausführungen der LAWAwie folgt147: Gesundheitsgefahren sind so weit wie möglich zu vermeiden; stark ökotoxische Wirkungen und sonstige massive Umweltbeeinträchtigungen sind abzuwehren; Nutzungen sind wieder zu ermöglichen und wertvolle Schutzgüter sind in ihrem Bestand zu sichern sowie ihre Funktionen wieder herzustellen. Bei der Bestimmung der notwendigen Maßnahmen kommt es nach Ansicht der LAWA unter anderem auf den Umfang und die Art der Gewässerbelastung, die Gefahr der Ausbreitung von Gewässerverunreinigungen, die derzeitige und künftige Nutzung des Wassers, die generelle Belastung der Umwelt, die Kosten von Gegenmaßnahmen und die hierdurch erreichbare Wirkung sowie ggf. weitere Schadensfälle im Einzugsgebiet des Gewässers an.

c) Spezialfall: Die Sanierung der Bodenlösung Die vorherigen Ausführungen erbrachten unterschiedliche Anforderungen an die Sanierung des Bodens auf der einen und des Grundwassers auf der anderen Seite. Die Anforderungen an die Grundwassersanierung sind schärfer als die an die Bodensanierung. Zum Boden gehört die „Bodenlösung“. Dieses Wasser – grob gesagt: das Sickerwasser – ist nach alledem geringeren Sanierungsanforderungen ausgesetzt als das Grundwasser. Dieses Resultat kann ein endgültiges nicht sein – der Boden muss im Ergebnis soweit gereinigt werden, dass die im Sickerwasser gelösten und dadurch mobilisierten Schadstoffe nur in dem Umfang in das Grundwasser gelangen können, der rechtlich zulässig ist. Diese Aussage gilt nicht nur für die Bodenlösung, sondern muss konsequenterweise für den gesamten Boden gelten, weil Sickerwasser Schadstoffe immer mobilisieren kann. Jedenfalls für das Sickerwasser gilt in Ansehung der Schadstofffracht der Maßstab des Wasserrechts – das Sickerwasser gefährdet das Grundwasser, also muss das Gefährdungspotential des Sickerwassers für das Grundwasser vom Grundwasser und nicht vom Boden aus betrachtet werden – die Maßstäbe des Bodenschutzrechts sind insoweit nicht einschlägig. Die Antwort auf die Frage nach der Existenz einer Gefahr für das Grundwasser richtet sich danach, ob im Grundwasser verbotene oder nur beschränkt erlaubte Schadstoffe im Fall ihrer Mobilisierung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und mit noch relevanten Frachten die Sättigungszone erreichen werden. Gälte anderes, wäre folgendes Ergebnis möglich: Nach Durchführung der Boden- und Grundwassersanierung gelangen über das Sickerwasser Schadstoffe aus dem Boden in das Grundwasser; da die auf das BBodSchG gestützte Sanierung korrekt beendet ist, muss zu Lasten der öffentlichen Hand das Grundwasser ein zweites Mal gereinigt werden. Dieses Ergebnis ist absurd; denn die Grundwassersanierung ist bedingt durch ein und dieselbe Altlast und einen sie 147

Zitiert nach Hilger, in: HRHB, § 4 Rn. 149.

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betreffenden geringen Sanierungsanspruch. (Ob durch die Rücknahme oder den Widerruf der bestandskräftigen Sanierungsverfügung eine neue Sanierungsverfügung erlassen werden könnte, bleibe offen.) Die Bodensanierung muss zur Vermeidung dieser Absurdität grundwasserorientiert sein, solange im Boden vorhandene Schadstoffe das Wasser bedrohen148. Erst dann, wenn diese Bedrohung entfällt, kommt eine ausschließlich bodennutzungsorientierte Sanierung des Bodens einschließlich der „Bodenlösung“ in Betracht.

3. Abgrenzung zum Baurecht (Die Entsiegelungspflicht) § 3 Abs. 1 Nr. 9 enthält eine Subsidiaritätsklausel149. Bodenschutzrechtliche Normen sind nicht anzuwenden, soweit Vorschriften des Bauplanungs- oder des Bauordnungsrechts Einwirkungen auf den Boden regeln. Das BBodSchG darf zusätzliche Anforderungen an die baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben nicht stellen; das formelle und das materielle Baurecht sind insoweit abschließend. Eine Darlegung der bodenschützenden Aussagen des Baurechts entfällt an dieser Stelle150. Eine spezielle Subsidiaritätsklausel für die Regelung des Problems der Entsiegelung enthält § 5151; diese Vorschrift interessiert hier. Nach ihr greift die in ihr geregelte Entsiegelungspflicht nur dann, wenn Vorschriften des Baurechts behördliche Befugnisse nicht regeln. Insoweit einschlägig ist § 179 Abs. 1 Satz 2 BauGB. Nur jenseits des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift kommt § 5 zum Einsatz. § 179 Abs. 1 Satz 2 BauGB gilt entsprechend Satz 1. Nach § 179 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB darf die Gemeinde gegenüber einem Eigentümer anordnen, zu dulden, dass eine bauliche Anlage im Geltungsbereich eines Bebauungsplans ganz oder teilweise beseitigt wird, wenn sie den Festsetzungen nicht entspricht und ihnen nicht angepasst werden kann. Dieses Recht auf Duldung der Beseitigung gilt entsprechend für die sonstige Wiedernutzbarmachung von dauerhaft nicht mehr genutzten Flächen, bei denen der durch Bebauung oder Versiegelung beeinträchtigte Boden in seiner Leistungsfähigkeit erhalten oder wiederhergestellt werden soll. Mit Blick auf die Gegenstände, die das BauGB erfasst, kann es sich bei den von Satz 2 erfassten allein um bauliche Vorhaben handeln – nur diese sind in der Lage, den Boden versiegelnde Wirkung zu entfalten. Der Streit, in welchem Sinne der Begriff der baulichen Anlage zu verstehen sei – im bauplanungsrechtlichen oder im bauordnungsrechtlichen (dieser ist weiter) – ist selbstverständlich in der Weise zu entscheiden, dass der bauplanungsrechtliche Sinn gemeint ist. Das BauGB hat für diesen Begriff eine eigenständige Vor148

Hendler, UTR Bd. 53, 102 ist der Auffassung, dieses Ergebnis ließe sich auch allein auf der Grundlage des § 4 Abs. 3 S. 1 erzielen, weil Gefahren für das Wasser mit dem Instrumentarium des BBodSchG bekämpft würden. 149 s. zu ihr Fluck (Fn. 70), § 3 Rn. 159 ff. 150 s. dazu ausführlich Kim, Hyun-Joon, passim; Hendler, UTR Bd. 53, 103 ff. 151 Zum Problem ausführlich Hendler, UTR Bd. 53, 107 ff.

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stellung entwickelt, die sich von der des Bauordnungsrechts stark unterscheidet. Der bundesrechtliche Begriff der baulichen Anlage ist vom landesrechtlichen Begriff unabhängig152. Der für die Inhaltsbestimmung nahe liegende Rückgriff auf das Landesrecht erweist sich als nicht möglich. Es gibt zahllose Unterschiede; diese beruhen auf dem Umstand, dass die Landesbauordnungen vielfach den baulichen Anlagen solche Einrichtungen gleichstellen, die nur schwer einen Bezug zu einer baulichen Anlage besitzen. Die Gleichstellung dient dazu, aus Gründen des allgemeinen Interesses und der Durchsetzung ordnungsrechtlicher Vorschriften Genehmigungspflichten zu begründen153. Dieser Gedanke spielt im Bauplanungsrecht keine Rolle. Die h.M. sieht den Anwendungsbereich des § 5 auf die Fälle beschränkt, die nicht bauliche Anlagen betreffen, z. B. planierte Flächen154. Diesem Resultat stehen folgende Erwägungen entgegen: Die herrschende Interpretation führt dazu, den Anwendungsbereich des Gesetzes auf ein Minimum zu reduzieren. Dieses Ergebnis ist erst dann erlaubt, wenn es das einzig mögliche Ergebnis ist, weil es methodologisch nicht korrekt ist, den Anwendungsbereich einer Norm in der Weise zu verstehen, dass die Norm überflüssig ist. Von einer Marginalisierung ist hier nicht auszugehen; der Wortlaut des Gesetzes gestattet ein anderes Resultat. Diesem ist deshalb der Vorzug zu geben155. § 5 spricht nicht von einer Versiegelung durch bauliche Anlagen, sondern befasst sich damit, inwieweit Vorschriften des Baurechts behördliche Befugnisse nicht regeln. Dieser Ausgangspunkt lenkt den Blick betreffend den Anwendungsbereich des § 5 in eine vollständig andere Richtung. Der analog anzuwendende § 179 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 179 Abs. 1 Satz 2 BauGB gilt nur im Geltungsbereich eines Bebauungsplans; ferner betrifft die baurechtliche Entsiegelungsregelung im Gegensatz zu § 5 keine Handlungs-, sondern eine Duldungspflicht des Eigentümers; schließlich kommt hinzu, dass die im BauGB normierte Entsiegelung nur dann vorgenommen werden muss, wenn die alsbaldige Durchführung dieser Maßnahme aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist (§ 175 Abs. 2 Satz 1 BauGB); letztlich spricht § 179 Abs. 1 Satz 2 BauGB nicht von baulichen Anlagen, sondern von Flächen, deren durch ,,Bebauung oder Versiegelung“ beeinträchtigter Boden in seiner Leistungsfähigkeit erhalten oder wiederhergestellt werden soll. Die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs des BauROG 1998 handelt von Maßnahmen, die der Entsiegelung bebauter oder sonst wie versiegelter Flächen dienen; demnach bezieht sich die Vorschrift des § 179 Abs. 1 Satz 2 BauGB auf jede Versiegelung. Diese weite Auslegung rechtfertigt auch der Umstand, dass bundesgesetzlich durchweg die Zuständigkeit der Gemeinden bestimmt ist: § 179 Abs. 1 Satz 2 BauGB zielt auf Bebau152

s. zum Folgenden ausführlich Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Komm. zum BauGB, Loseblatt, Stand 1999, § 29 Rn. 2 ff.; Peine, Öffentliches Baurecht, 3. Aufl. 1997, Rn. 113 ff. 153 Peine, ebd., Rn. 113. 154 Hilger, in: HRHB, § 5 Rn. 1; Reiner Schmidt (Hg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht, BT 2, 1996, S. 189; Petersen, Rn. 497. Weitere Nachw. bei Hendler, UTR Bd. 53, 108, Fn. 39. 155 Ebenso Hendler, UTR Bd. 53, 108; hier auch zum Folgenden.

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ungspläne; wegen der verfassungsrechtlich garantierten Planungshoheit der Gemeinden ist es unerheblich, ob den Planwiderspruch eine Versiegelung durch bauliche Anlagen oder eine sonstige Maßnahmen erzeugt. „Im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 179 Abs. 1 Satz 1 BauGB wird der in dieser Vorschrift verwandte Begriff der baulichen Anlagen daher im Sinne der Begrifflichkeit des § 179 Abs. 1 Satz 2 BauGB erweitert.“156 Die in der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf des BBodSchG zu findende Bemerkung, § 5 sei auf bauliche Anlagen unanwendbar157, ist insofern ungenau, als diese Vorschrift auch bei sonstigen Versiegelungen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans nur begrenzt greift. Die häufig vertretene Auffassung, § 5 erfasse Versiegelungen durch bauliche Anlagen nicht oder nur selten, beruht auf der Behauptung, diese Versiegelungsart sei in § 179 Abs. 1 Satz 2 BauGB (zumindest im Wesentlichen) abschließend geregelt, und zwar explizit für den Geltungsbereich von Bebauungsplänen und implizit für die übrigen Gebiete. Der Vorschrift des § 179 Abs. 1 Satz 2 BauGB wird damit eine Sperrwirkung gegenüber der Anwendung des § 5 auch insoweit zuerkannt, als eine explizite Regelung der Entsiegelung außerhalb von Bebauungsplänen fehlt158. Das Muster für diese negative Sperrwirkung bildet die Abgrenzung von Bundes- und Länderzuständigkeiten im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 72 Abs. 1 GG. Gegenüber der dargelegten Auffassung ist hervorzuheben, dass bisher unerklärt bleibt, warum die von § 179 Abs. 1 Satz 2 BauGB ausgehende (positive und negative) Sperrwirkung nur Versiegelungen durch bauliche Anlagen und nicht sonstige umfasst, obwohl die Vorschrift diese ebenfalls erfasst. Diese Erklärung kann nicht geliefert werden159. All das bedingt: 1. § 5 umfasst Entsiegelungen außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans, und zwar unabhängig davon, ob die betreffenden Flächen durch bauliche Anlagen oder in sonstiger Weise versiegelt sind. 2. Innerhalb eines Bebauungsplans kommt eine Entsiegelung nach § 5 in Betracht, sofern sie nicht aus städtebaulichen Gründen i.S.d. § 175 Abs. 2 Satz 1 BauGB erfolgt. Voraussetzung ist aber, dass planungsrechtliche Festsetzungen vorliegen, z. B. in Landschaftsplänen160.

156 157 158 159 160

Ebd., 109. BTag-Drs. 13/6701, S. 23, 36. Hendler, UTR Bd. 53, 110; vgl. auch Fluck (Fn. 70), § 3 Rn. 163. Hendler, ebd.; Notter, NuR 1999, 541; Hasche, DVBl 2000, 97 ff. Hendler, ebd., 110.

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III. Die Möglichkeiten der Länder zum Gesetzeserlass Der Umfang der Möglichkeiten der Länder zum Erlass von Normen, welche das BBodSchG ausfüllen, ist abhängig vom Umfang der Sperrwirkung des Bundesgesetzes. Diese gilt es zu bestimmen161.

161

Sehr ausführlich Feil, S. 53 – 132; Peine, NVwZ 1999, 1165 ff. Die folgenden Ausführungen basieren zum Teil auf einem Rechtsgutachten, welches Verfasser dem Umweltminister des Landes Nordrhein-Westfalen im Herbst 1998 erstattet hat. Es waren folgende Rechtsfragen speziell zu beantworten: – 1. Können weitere Grundsätze in ein Landesgesetz aufgenommen werden (entsprechend den Vorschlägen des Landes Nordrhein-Westfalen im Gesetzgebungsverfahren)? – 2. Können in Konkretisierung der Pflichten nach § 4 über die in einzelnen Fachgesetzen (z. B. im Wasserrecht) enthaltenen Pflichten hinaus in einem LBodSchG weitere Anforderungen zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen aufgenommen werden? – 3. Können die Länder, wenn der Bund von der Möglichkeit, die Entsiegelung nach § 5 vollständig zu regeln, nicht Gebrauch macht, in einem LBodSchG weitergehende Anforderungen schaffen? – 4. Können die Länder mit Blick auf die Verordnungsermächtigungen in § 6 und § 8 weitergehende Regelungen treffen, wenn der Bund von seiner Verordnungsermächtigung nicht vollständig Gebrauch machen sollte? – 5. Können Konkretisierungen der in § 9 Abs. 1 enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe „Anhaltspunkte“ und „geeignete Maßnahmen“ in ein LBodSchG aufgenommen werden? – 6. Können in einem LBodSchG den Behörden, die nach § 9 Abs. 1 tätig werden, Fristen gesetzt werden, um eine verzögernde Behandlung zu vermeiden? – 7. Kann der unbestimmte Rechtsbegriff „notwendige Maßnahmen“ in § 10 Abs. 1 mit Hilfe von Regelbeispielen in einem LBodSchG konkretisiert werden? – 8. Was ist durch die Formulierung „nach Maßgabe des Landesrechts“ i.S.v. § 10 Abs. 2 für die Länder in einem LBodSchG regelbar? – 9. Wie weit reicht die Einräumung von Landesrecht in § 11? – 10. Inwieweit können bei der Beteiligung der von einer Altlastsanierung Betroffenen (§§ 12 und 13 Abs. 3) konkrete Anforderungen an die Art und Weise der Beteiligung in ein LBodSchG aufgenommen werden? Kann eine öffentliche Anhörung für die Vorstellung der Sanierungsmaßnahme im LBodSchG geregelt werden? – 11. Kann in einem LBodSchG durch nähere Konkretisierung des BBodSchG geregelt werden, wann eine Altlast zu sanieren und wann sie lediglich zu sichern ist? – 12. Kann eine Konkretisierung der behördlichen Überwachung und der Eigenkontrolle nach § 15 durch landesgesetzliche Regelung erfolgen (z. B. konkrete Wenn/Dann-Beziehung; konkrete Überwachungsmaßnahme wird einem bestimmten Gefährdungsgrad zugeordnet)? – 13. Ist eine Konkretisierung des § 17 durch Landesrecht möglich? – 14. Können Verfügungen gegen Landwirte auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden oder sollte in einem LBodSchG eine eigene Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden? – 15. Wie weit geht die Kompetenz der Länder nach § 21 Abs. 1? – 16. Können die Länder Archive der Kultur- und Naturgeschichte nach § 21 Abs. 3 einrichten? – 17. Können die Länder Bodenerosionsgebiete nach § 21 Abs. 3 einrichten? – 18. Wie weit kann die Haftungsreglung in § 24 bzw. die Sanierungsverpflichtung für Altlasten in einem LBodSchG noch näher geregelt und ergänzt werden (das Land NordrheinWestfalen hat im Bundesratsverfahren Anträge eingebracht, die einerseits die Haftung für schuldlos an das Eigentum einer Altlast gekommene Grundstückbesitzer unter bestimmten

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1. Sperrwirkung bei ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz Nach Art. 71 Hs. 2 GG haben die Länder im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes die Befugnis zur Gesetzgebung nur dann, wenn und soweit sie ein Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt. Bereits die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes entfaltet somit bei Fehlen einer Ausnahmeregelung eine Sperrwirkung mit der Folge, dass Landesgesetze in dem betreffenden Bereich unzulässig und nichtig sind162. 2. Sperrwirkung bei konkurrierender Gesetzgebungskompetenz a) Voraussetzungen für den Eintritt der Sperrwirkung Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Länder die Gesetzgebungsbefugnis, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Sobald und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit wirksam Gebrauch macht, tritt im Umfang der gesetzlichen Regelung eine Sperrwirkung für die Länder ein mit der Folge, dass ihre Gesetzgebungskompetenz entfällt und neues Landesrecht nicht mehr entstehen kann; gleichwohl erlassenes Landesrecht ist nach Art. 72 Abs. 2 GG unwirksam. Die Sperrwirkung eines Gesetzes ist in zeitlicher und sachlicher Hinsicht relativ; ihr Eintritt erfordert, dass das die Sperrwirkung potentiell auslösende Bundesgesetz unter allen denkbaren Gesichtspunkten rechtswirksam ist163. Das BBodSchG ist verfassungsmäßig und entfaltet deshalb Sperrwirkung. b) Der Umfang der Sperrwirkung – seine Bestimmung Die Sperrwirkung resultiert nicht allein aus dem Umstand der bundesrechtlichen Regelung als solcher. Es ist ferner erforderlich, dass die Norm die betreffende Materie „erschöpfend“ bzw. abschließend regelt164. Landesrechtliche Regelungen sind daher „soweit“ (s. Wortlaut Art. 72 Abs. 1 GG) zulässig, wie das Bundesgesetz ihnen sachlich Raum lässt. Diese Lücke darf der Landesgesetzgeber schließen165. Voraussetzungen begrenzen, andererseits wirtschaftlich potente Eigentümer aber nicht aus der Haftung entlassen sollten)? – 19. Kann der Landesgesetzgeber Fonds oder ähnliche Finanzierungsinstrumente für die Finanzierung der Altlastsanierung schaffen? 162 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 71 Rn. 2; Stettner, in: Dreier (Hg.), Art. 71 Rn. 8; Feil, S. 10. 163 Feil, S. 12. 164 Kunig (Fn. 99), Art. 72 Rn. 11 mit Verweis auf BVerfGE 7, 342/347; Stern, Staatsrecht I, 1977, § 37 II 3e mit Verweis auf BVerfGE 34, 9/28. 165 Peine, Kodifikation des Landesumweltrechts, 1996, S. 57.

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Es sind für die Begrenzung der Reichweite zwei Fälle zu unterscheiden166 : Wenn der Bundesgesetzgeber einen Sachbereich abschließend regelt, entfällt die Gesetzgebungskompetenz der Länder; regelt er ihn nur teilweise (z. B. wenn er entweder innerhalb eines Gesamtbereichs nur einzelne Regelungen getroffen oder nur einzelne Regelungsstufen betreten hat), tritt die Sperrwirkung zulasten der Länder nur insoweit ein – den Ländern verbleibt die darüber hinausgehende Gesetzgebungskompetenz167. Die abschließende Regelung eines Bundesgesetzes gilt häufig nicht für das gesamte Gesetz, sondern betrifft nur einen Teil; anderen Vorschriften fehlt eine erschöpfende Regelung: Dieses teilweise Gebrauchmachen lässt den Ländern die Regelungskompetenz in den nicht normierten Bereichen168. Eine von den Ländern als unzulänglich empfundene Regelung erlaubt es ihnen nicht, die Regelung durch Landesrecht nachzubessern. Die Sperrwirkung einer vollständigen bundesrechtlichen Regelung steht auch einer lediglich ergänzenden landesrechtlichen Normierung entgegen169. Entscheidend ist, wann und inwieweit eine Regelung erschöpfend ist. Gesetzliche Kriterien für die Abgrenzung zwischen einer erschöpfenden und einer teilweisen Regelung fehlen170. Nach der Rechtsprechung des BVerfG171 und des BVerwG172 ergibt sich der abschließende Charakter einer Regelung aus einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes; es besteht keine irgendwie geartete Vermutung, dass ein Normenkomplex abschließend sei173. Die Gesamtwürdigung habe der Rechtsprechung zufolge das Ziel der Bundesgesetzgebung zu beachten (es darf angenommen werden, dass mit dem Wort „Ziel“ „Zweck“ gemeint ist)174. Aus dem Ziel könne der umfassende Charakter hergeleitet werden bei Vorhandensein eines detailreichen Rege166 167 168

Müller (Fn. 107), S. 28. BVerfGE 62, 354/369; 83, 363/379; 85, 226/234. Jarass, NVwZ 1996, 1045 mit Verweis auf BVerfGE 18, 407/415 f.; 78, 249/250; Feil,

S. 14. 169

Peine (Fn. 165), S. 58 m.w.Nachw.; ders., NWVBl 1996, 419. Müller (Fn. 107), S. 29. 171 BVerfGE 7, 342/347; 20, 238/248; 49, 343/358; 67, 299/324. 172 BVerwGE 96, 318/325. 173 BVerfGE 1, 296; 7, 342/347; 49, 343/358; 67, 299/324. Diese Rechtsprechung des BVerfG wird sich trotz der Grundgesetzrevision von 1994 nicht ändern, da die Begründung der Gemeinsamen Verfassungskommission offen lässt, wie etwaige Anhaltspunkte zur Abgrenzung einer erschöpfenden von einer Teilregelung zu definieren sind (s. Abschlussbericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BTag-Drs. 12/6000, S. 33); vgl. ausführlich Müller (Fn. 107), S. 33 ff. Eine Gesamtwürdigung eines Gesetzeskomplexes wird extrem häufig angestellt, obwohl eine entsprechende Bezeichnung fehlt: BVerfGE 2, 232/236 f.; 7, 244/258 ff.; 10, 89/100 f.; 18, 407/417 f.; 20, 162/189; 24, 367/386 ff.; 25, 296/305; 29, 11/16 f.; 31, 141/ 144; 34, 52/58 f.; 36, 193/210; 37, 191/198 f.; 42, 20/36; 45, 297/341; 58, 45/64 f. 174 In BVerfGE 20, 248 spricht das Gericht von Ziel und identifiziert dieses mit der Absicht des Gesetzgebers, eine vorhandene Rechtszersplitterung zu beseitigen. 170

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lungswerks oder eines Systems von ins Einzelne gehenden und differenzierten Vorbehalten zugunsten des Landesgesetzgebers. Der typisierende Charakter einer Gesetzesnorm könne hilfreich bei der Beantwortung der hier bedeutsamen Frage sein175. Die verfassungsrechtliche Literatur behandelt das Problem der Gesamtwürdigung eher oberflächlich176, indem entweder das Vorliegen einer erschöpfenden Regelung lapidar als Auslegungsfrage abgetan177, die Existenz allgemeiner Auslegungsregeln in Abrede gestellt178 oder die nahe Wesensverwandtschaft von Gesamtwürdigung und Auslegung nicht deutlich hervorgehoben wird179. Ferner dürfte die vorgeschlagene Regel, nach der eine erschöpfende Normierung vorliegt, wenn neben ihr Raum für eine landesrechtliche Regelung fehle180, für die Abgrenzung kaum geeignet sein, da sie das Kriterium der erschöpfenden Normierung bzw. Regelung nicht ausreichend spezifiziert181. Jedoch lassen andere Ansätze erkennen, dass überhaupt herkömmliche Auslegungsregeln für die Ermittlung des abschließenden Umfangs einer bundesgesetzlichen Regelung eine Rolle spielen sollen, wenn ihnen zufolge entscheidend für das Vorliegen einer erschöpfenden Regelung die bejahende Antwort auf die Frage sein soll, ob der Bundesgesetzgeber ein Sachgebiet subjektiv so regeln will und objektiv so geregelt hat, dass kein Raum mehr für eine landesrechtliche Regelung verbleibt182. Die methodische Praxis des BVerfG183 gelangte schon zur Darstellung184. Es sei wiederholt, dass im Gegensatz zu seinen Bekenntnissen das BVerfG in zahlreichen Fällen der einfachen Gesetzes- und Verfassungsauslegung die historische Auslegung zu der vorrangig entscheidenden gemacht hat; dieser ist deswegen ein höherer Stellenwert beizumessen als nach der grundsätzliche Stellungnahme des BVerfG zu erwarten war185. Es wird deshalb im Ergebnis die Regel bestätigt, entscheidend für das 175

Peine, NWVBl 1996, 419. So mit Recht Feil, S. 15. 177 Lassar, Die Verteilung der staatlichen Aufgaben zwischen Reich und Ländern, in: Anschütz/Thoma (Hg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 1, 1930, S. 305: „Ob eine erschöpfende Regelung vorliegt, ist Auslegungsfrage.“ 178 Bothe, in: Alternativ-Komm., 1984, Art. 72 Rn. 5: „Allgemeine Regeln hierfür gibt es nicht.“ 179 Schmidt-Bleibtreu/Klein (Fn. 95), Art. 72 Rn. 2; Hamann/Lenz, GG, 3. Aufl. 1970, Art. 72 Anm. 3. 180 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 2000, Art. 72 Rn. 14. 181 Müller (Fn. 107), S. 31 f. 182 Kunig (Fn. 99), Art. 72 Rn. 11; Stern (Fn. 164), § 37 II 3e. 183 Das BVerfG hat sich nicht eingehend dazu geäußert, welche Gesichtspunkte zur Ermittlung des abschließenden Umfangs eines Gesetzes maßgeblich sein sollen; s. dazu Stohlmeier, Die inhaltliche und zeitliche Reichweite der Sperrwirkung nach Art. 72 Abs. 1 GG, 1989, S. 140 m.w.Nachw. 184 s. Rn. 26 ff. 185 Müller (Fn. 110), S. 206; Stohlmeier, Sperrwirkung, S. 156; Larenz, (Fn. 110), S. 205; insb. Sachs, DVBl 1984, 76 m.w.Nachw. 176

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Vorliegen einer erschöpfenden Regelung sei, ob der Bundesgesetzgeber ein Sachgebiet subjektiv so regeln wollte und objektiv so geregelt hat, dass Raum für eine landesrechtliche Regelung fehlt. Entstehungsgeschichtliche Erwägungen werden deshalb eine große Rolle spielen. Eine historische Auslegung des BBodSchG in dem Sinne, dass auch auf Vorgängernormen Bedacht zu nehmen ist, muss entfallen, weil es sich um ein sehr junges Rechtsgebiet handelt und in der Folge vorangehende Regelungen auf Bundesebene fehlen (von Spezialgesetzen, auf die es hier nicht ankommt, abgesehen). Im Einzelfall wird zurückzugreifen sein auf die vorangegangenen Entwürfe für ein BBodSchG, jedoch nur dann, wenn der Einsatz sämtlicher Auslegungsmittel erfolglos bleibt186. Methodisch vorzugehen ist mit Blick auf die Interpretation des BBodSchG auf folgende Weise187: Der Gesamtwürdigung des Normenkomplexes hat voranzugehen die Beantwortung der Frage, ob überhaupt eine Regelungslücke existiert. Existiert eine Lücke, stellt sich die Frage, ob sie durch den Landesgesetzgeber geschlossen werden darf. Die Existenz einer Regelungslücke bedingt noch nicht das Recht des Landesgesetzgebers zu ihrer Schließung. Es ist in folgenden Schritten vorzugehen: Es sind zunächst positive Aussagen innerhalb der Regelungen über die Zulässigkeit von Landesrecht zu ermitteln; fehlen diese, so ist eine materiebezogene Betrachtungsweise zugrunde zu legen: Innerhalb eines Gesetzgebungswerks ist nach einzelnen Sachmaterien zu differenzieren und zu fragen: Wollte für diese Materien der Gesetzgeber in Relation zum Gesetzeszweck nur einen Teilausschnitt aus den hierfür in Betracht kommenden Tatbeständen erfassen und wiederum bezogen auf den Gesetzeszweck relevante Gruppen von Tatbeständen offenlassen mit der Folge, dass eine gesetzgeberische Entscheidung fehlt? Fehlt sie bewusst, darf die Lücke geschlossen werden. Insb. ist hervorzuheben, dass ein Bundesgesetz nur teilweise Sperrwirkung entfaltet, wenn das Bundesgesetz nur bestimmte Regelungsstufen erfasst. Nach alledem sind folgende Schritte zu vollziehen188 : 1. Schritt: Feststellung von Regelungslücken im Gesetz 2. Schritt: Feststellung von positiven Aussagen zu landesrechtlichen Regelungsmöglichkeiten 3. Schritt: a) Differenzierung nach Sachmaterien innerhalb des Gesetzes, b) Feststellung, ob Vollregelung oder Teilregelung, c) wenn Teilregelung: bewusste Entscheidung für Lücke?

186

Entwürfe v. 23. 7. 1992, 22. 9. 1993, 7. 2. 1994, 18. 8. 1995, 22. 3. 1996, 27. 9. 1996 (BTagDrs. 13/6701). Einzelheiten zu diesen Gesetzentwürfen bei Peine, UPR 1997, 53, Fn. 2. 187 Vgl. zum Folgenden Peine, NWVBl 1996, 419. Vgl. ferner Stohlmeier, Sperrwirkung, S. 86; Jarass, NVwZ 1996, 1044. 188 Vgl. Feil, S. 30 f.

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c) Sonderfall: Sperrwirkung bei Vorbehalten, Ermächtigungen und Rechtsverordnungsermächtigungen an die Bundesregierung aa) Vorbehalte In Bundesgesetzen finden sich teilweise Vorbehalte zugunsten der Länder189. Diese Vorbehalte stellen klar, dass insoweit eine abschließende Regelung fehlt (Beispiele für Vorbehalte bilden Regelungen, nach denen landesrechtliche Vorschriften „unberührt“ bleiben190). Die im Bundesrecht existierenden Lücken dürfen die Länder füllen. bb) Ermächtigungen Ähnlich verhält es sich, wenn die Länder durch Bundesrecht zur Rechtsetzung „ermächtigt“ werden: In solchen Ermächtigungen liegt kein Fall einer Übertragung von Regelungskompetenzen des Bundes; vielmehr stellen diese Aussagen klar, dass keine Sperrwirkung auftreten soll mit der Folge, dass auf solche Ermächtigungen gestützte Regelungen der Länder in Ausübung der ursprünglichen Landesgesetzgebungskompetenz ergehen191. Wenn in einem Bundesgesetz bei einzelnen Regelungen ein Vorbehalt zugunsten der Länder zu finden ist, hat dieses Faktum nicht zwingend zur Konsequenz, den anderen Vorschriften des Gesetzes wegen der Zulässigkeit eines Umkehrschlusses abschließenden Charakter zumessen zu müssen: Auch in diesen Fällen ist der Wille des Gesetzgebers definitiv zu ermitteln; denn häufig werden Vorbehalte und Ermächtigungen bei bestimmten Normen angefügt, weil gerade dafür bei der betreffenden Norm besonderer Bedarf gesehen wurde, ohne damit freilich die Frage der abschließenden Regelung für die anderen Gesetzesteile beantworten zu wollen192. cc) Rechtsverordnungsermächtigungen Ermächtigt der Bundesgesetzgeber die Bundesregierung zum Erlass von RechtsVOen, ergeben sich zwei Ansatzpunkte für eine Sperrwirkung: Diese kann entweder von der Ermächtigung selbst ausgehen oder aber von der aufgrund der Ermächtigung erlassenen RechtsVO. Die erste Möglichkeit ist umstritten: Einerseits wird angenommen, dass jede Ermächtigung Sperrwirkung entfalte193; denn die Zuweisung an einen bestimmten Ver189

Zum Folgenden ausführlich Feil, S. 20 ff. BVerfGE 35, 65/73 f.; 78, 132/144 f.; 83, 24/30 f.; BVerwG, NVwZ 1993, 891 f.; Ossenbühl, DVBl 1996, 22; Jarass, NVwZ 1996, 1045. 191 Kunig (Fn. 99), Art. 72 Rn. 13. 192 Jarass, NVwZ 1996, 1045 mit Hinweis auf BVerfGE 20, 238/250. 193 Ossenbühl, DVBl 1996, 20; Kloepfer/Schulte, UPR 1992, 206; Bothe, NVwZ 1987, 945 f. Diese Auffassung hat Verfasser ebenfalls vertreten, s. Peine, Recht der Abfallwirtschaft, in: Reiner Schmidt (Fn. 154), S. 381: „Die Sperrwirkung greift Platz, wenn in der Ermächti190

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ordnunggeber bewirke eine Reservierung der Regelungskompetenz für diesen und damit grundsätzlich eine Sperrung. Andererseits wird eine Sperrung durch bloße Ermächtigung generell abgelehnt194 ; aus Art. 30, 70 GG folge eine Vermutung für die Zuständigkeit der Länder, so dass im Rahmen der Auslegung bei mehreren Möglichkeiten nur diejenige in Betracht komme, bei der die Gesetzgebungskompetenz der Länder bestehen bleibe. Eine vermittelnde Auffassung erkennt in einer bloßen Rechtsverordnungsermächtigung keine Sperrwirkung, lässt sie aber zu, wenn der Gesetzgeber seinen Willen zu einer erschöpfenden Regelung durch eine bloße Verordnungsermächtigung eindeutig und unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht hat195. Nach der Neufassung des Art. 72 Abs. 1 GG im Jahre 1994 stellt sich die Frage neu. Die Entstehungsgeschichte des Art. 72 GG n.F. legt es nahe, bloßen Verordnungsermächtigungen eine Sperrwirkung nicht beizumessen196 : Der Sache nach knüpft die Neuregelung des Art. 72 Abs. 1 GG an die bisherige Rechtsprechung des BVerfG an. Nach dieser Judikatur trat eine inhaltliche Sperrwirkung zum einen dann ein, wenn ein Bundesgesetz eine bestimmte Frage ausdrücklich – und sei es auch nur negativ – regelte197. Zum anderen fand eine inhaltliche Sperrwirkung auch dann Anerkennung, wenn der Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes eine erschöpfende Regelung einer bestimmten Materie zu entnehmen war198. Auch unter Art. 72 Abs. 1 GG a.F. konnte man letztlich nicht vom Vorliegen einer Sperre für die Länder ausgehen, soweit eine bestimmte Materie oder Teilmaterie weder durch die gesetzlichen Regelungen selbst noch vom Regelungsbereich der Verordnungsermächtigung erfasst war. Der Bericht der Verfassungskommission verdeutlicht jedoch, dass in Zukunft die Verfassung strikter zugunsten der Länderkompetengungsnorm eine erschöpfende und abschließende Regelung zu erblicken ist. Die Rechtsverordnung hat in diesen Fällen die Funktion, neben technischen Einzelheiten das materielle Wirksamwerden des Gesetzes zu bestimmen und seine Durchsetzbarkeit mit Hilfe des Verwaltungsrechts zu ermöglichen. Dieses zu regeln kann nur dem insoweit vom Gesetzgeber beauftragten Verordnunggeber vorbehalten bleiben – es würde in der Sache eine Umgehung des Rechts des Gesetzgebers bedeuten, das materielle Inkrafttreten seiner Norm zu bestimmen, wenn die Länder durch eigene Regelungen das an sich dem Bund Vorbehaltende festlegen könnten. Das aber erscheint ausgeschlossen.“ Zu den Ausnahmen von dieser Aussage ebd., S. 382 f. 194 Fonk, DÖV 1958, 23 f.; Zippelius, NJW 1958, 448. 195 OVG RP, AS 7, 257; Pieroth (Fn. 162), Art. 72 Rn. 5; Brust, Sperrung des Landesgesetzgebers durch bundesrechtliche Ermächtigungen im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung?, 1973, S. 17 ff.; Pestalozza (Fn. 94), Art. 72 Rn. 78 ff.: „Dabei begründet eine Ermächtigung von Bundesbehörden keine ,Vermutung dahin, das Landesgesetz solle sofort ,gebrochen werden. […] die Lücke, die durch einen sofortigen ,Bruch des bestehenden Landesrechts bis zum Erlass der Verordnung (entstanden wäre, […]) würde am reibungslosesten durch die vorläufige Fortgeltung des bisherigen Landesrechts vermieden. In diesem Sinne war daher die bundesgesetzliche Verordnungsermächtigung verfassungskonform zu lesen, wenn es an ausdrücklichen Hinweisen des Bundesgesetzgebers fehlte.“ 196 s. ausführlich Böhm, DÖV 1998, 234 ff. 197 Vgl. BVerfGE 2, 32/236; 34, 9/28. 198 BVerfGE 7, 342/347; 67, 299/324.

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zen auszulegen sein wird. Dieser entstehungsgeschichtliche Hintergrund ist auch bei der Frage nach der Sperrwirkung von Verordnungsermächtigungen zu berücksichtigen und spricht dafür, den Ländern eigene Regelungsspielräume zuzugestehen, soweit zwar eine Verordnungsermächtigung, nicht aber eine diese ausfüllende VO ergangen ist199. Die entscheidende Frage ist, welchem Kriterium die ausschlaggebende Bedeutung zukommen soll: dem der materiellen Regelung (liegt – wie bei Verordnungsermächtigungen – keine vor, kommt es zu keiner Sperrwirkung) oder dem der grundsätzlichen Wahrnehmung der Gesetzgebungskompetenz durch den Bund (mit der Folge, dass die Länder ihre Kompetenz verlieren). Diese Frage lässt sich nur anhand einer Untersuchung des Sinns der Sperrwirkung beantworten200. Dieser besteht nach Art. 72 Abs. 1 GG darin, die Effektivität einer Bundesregelung zu sichern. Davon ausgehend kann es nicht Sinn der Sperrwirkung sein, notwendiges Staatshandeln längerfristig zu blockieren, wenn mangels VO die Bundesregelung noch nicht praktisch anwendbar ist und die Länder aufgrund der Sperrwirkung zur Untätigkeit verdammt werden; vielmehr muss der Erlass von Landesvorschriften möglich sein, die den Landesbehörden vorläufig erlauben, die Maßnahmen zu treffen, die nach einer zu erwartenden Bundesregelung zulässig und geboten sind201. Wenn der Bund eine Regelung aus den in Art. 72 Abs. 2 GG genannten Gründen für erforderlich hält, muss diese Regelung aus Bundessicht zu einer Verbesserung gegenüber dem bestehenden Zustand führen. Entschließt sich der Bund, diese Verbesserung durch materielle Regelungen herbeizuführen, wie etwa durch den Erlass einer RechtsVO, so geht daraus jedenfalls hervor, dass er keinen regelungsfreien Zustand möchte bzw. die Notwendigkeit materieller Regelungen bejaht. Wenn aber entgegen dieser durch die Verordnungsermächtigung bestätigten Kundgabe eines Regelungsbedürfnisses noch keine Regelungen getroffen wurden, da noch keine RechtsVO in Kraft trat, kann dem Bund nicht daran gelegen sein, etwaige Regelungen der Länder, die die Notwendigkeit einer Regelung ebenfalls erkennen, zu verhindern. Würde der Bund eine für die Zwischenzeit geltende Sperre der Länder im betreffenden Bereich ebenfalls für erforderlich halten, müsste er dies erkennbar machen; denn ansonsten wäre eine Sperre der Länder bzw. die Verdammung der Länder zur Untätigkeit in solchen regelungsbedürftigen Bereichen reine Schikane202. Das Erlauben von Schikane

199

Vgl. Böhm, DÖV 1998, 235. Bothe, NVwZ 1987, 945. 201 Bothe, ebd. 202 Jarass, NVwZ 1996, 1046 m.w.Nachw. Jarass zufolge hängt die Sperrwirkung vom Willen der Bundesgesetzgebung ab, vorausgesetzt, der Bundesgesetzgeber will nicht nur die Länder blockieren, sondern verfolgt ein inhaltliches Konzept: „Wenn daher der Bundesgesetzgeber mit dem zeitweisen Nichterlass von Bundesrechtsverordnungen ein bestimmtes inhaltliches Konzept verfolgt und dies auch dem Gesetz zu entnehmen ist, dann wird von dem Grundsatz, dass von der bloßen Ermächtigung zum Erlass eine Bundesrechtsverordnung keine Sperrwirkung ausgeht, eine Ausnahme zu machen sein.“ 200

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kann aber nicht Sinn der Sperrwirkung sein; deshalb ist dem Kriterium der materiellen Regelung Vorrang einzuräumen. Im Übrigen lässt sich sagen, dass der Bund eine materielle Regelung dann, wenn er eine solche für erforderlich gehalten hätte, ohne weiteres in gesetzlicher Form hätte erlassen können, ohne sich auf eine bloße Verordnungsermächtigung zu beschränken. Bei Fehlen einer gesetzlichen Regelung lässt sich schließen, dass der Bund eine nähere Regelung offensichtlich nicht für erforderlich genug hielt. Dann aber kann sich auch die Sperrwirkung nur in diesem Sinne entfalten, nämlich in abgeschwächter Form. Daher ist kein Grund ersichtlich, warum es dem Landesgesetzgeber verwehrt sein sollte, bis zum Ergehen einer RechtsVO eigene Regelungen zu treffen, soweit diese noch nicht durch die Verordnungsermächtigung selbst erfolgt sind, solange diese Regelung mit dem gesamten Bundesgesetz und vor allem den zu erwartenden Regelungen der VO in Einklang stehen203. Zwischenergebnis: Bei Nichterlass einer bundesrechtlichen VO sind die Länder nicht gesperrt, eigene Regelungen mit dem zuvor näher spezifizierten Inhalt zu erlassen. Bis zur Verfassungsreform 1994 wurde die Frage nach dem „Ob“ der Sperrwirkung einer RechtsVO bejaht. Fraglich ist, ob die Neufassung des Art. 72 Abs. 1 GG, die ein Gebrauchmachen „durch Gesetz“ vorsieht, die Sperrwirkung künftig auf formelle Gesetze beschränkt. In diesem Zusammenhang stellt jedoch allein der Gesetzesbegriff grundsätzlich noch keinen zwingenden Anhaltspunkt dar; denn auch wenn mit „Gesetz“ im GG zum Teil ein förmliches Gesetz gemeint ist, so gibt es genügend Gegenbeispiele für einen auch ausschließlich materiellen Gebrauch des Begriffs. Ferner spricht die Entstehungsgeschichte der Neuregelung dafür, auch von RechtsVOen weiterhin eine Sperrwirkung ausgehen zu lassen; insb. ergibt sich aus dem Bericht des Berichterstatters über den Inhalt des Verfassungsänderungsvorschlags des Vermittlungsausschusses in der Sitzung v. 6. 9. 1994, dass durch die Worte „durch Gesetz“ die Sperrwirkung nicht auf Gesetze im formellen Sinne beschränkt wird, sondern auch Gesetze im materiellen Sinne und damit RechtsVOen erfasst werden204. Dementsprechend und mit denselben Gründen, die zuvor gegen eine Sperrwirkung aufgrund bloßer Verordnungsermächtigung sprachen, ist davon auszugehen, dass aufgrund des BBodSchG erlassene RechtsVOen Sperrwirkungen besitzen. Schließlich ist auch zu beachten, dass andernfalls ein weitgehender Bruch mit der bisherigen Rechtslage die Folge wäre, der dadurch kompliziert würde, dass bestehende RechtsVOen nicht selten Vorbehalte zugunsten der Länder und damit Aussagen zur Reichweite der Sperrwirkung aufweisen205. 203

Bothe, NVwZ 1987, 945. BTag-Prot. 12/241, S. 2278: „Trotz der Umformulierung in Art. 72 Abs. 1 ist auch in Zukunft davon auszugehen, dass im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die gesetzliche Zuständigkeit der Länder endet, wenn und soweit der Bund ein formelles Gesetz oder eine RechtsVO erlassen hat […]“. s. auch Rybak/Hofmann, NVwZ 1995, 230 f. 205 Jarass, NVwZ 1996, 1046. 204

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Weiteres Zwischenergebnis: Wenn der zuständige Verordnunggeber eine RechtsVO erlässt, die die Maßstäbe des Art. 80 Abs. 1 GG beachtet, dann entfaltet diese RechtsVO Sperrwirkung. Der Umfang der Sperrwirkung betrifft in jedem Fall das ausdrücklich Geregelte; eine im Widerspruch zur ausdrücklichen bundesrechtlichen Regelung befindliche landesrechtliche Norm darf nicht erlassen werden bzw. ist nichtig. Der Umfang der Sperrwirkung ist abhängig von einer Entscheidung des Bundesgesetzgebers bzw. des Bundesverordnunggebers; es liegt in seiner Hand, ob den Ländern der Erlass weiteren Rechts gestattet sein soll. Es sind deshalb die Aussagen in RechtsVOen daraufhin zu überprüfen, ob weitere Rechtsetzungsmöglichkeiten neben ihnen existieren. Solche Rechtsetzungsmöglichkeiten können sich aus Aussagen in der VO selbst oder aus Aussagen in der Begründung zur VO ergeben. Es ist deshalb grundsätzlich festzustellen, dass die Länder dann, wenn der Bund von seinen Verordnunggebungsmöglichkeiten nach §§ 5, 6 und 8 nicht vollständig Gebrauch macht, die Länder ergänzendes Recht erlassen können, es sei denn, der Bund verbietet dieses ergänzende Landesrecht direkt oder indirekt. Dieses ergänzende Landesrecht kann folgende Fälle betreffen: 1. Prüf- und Maßnahmewerte für Stoffe, die in der RechtsVO nicht aufgeführt sind; 2. Maßnahmewerte für Stoffe, für die der Bund lediglich Prüfwerte erlassen hat. Die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung v. 12. 7. 1999206 erfasst das Verordnunggebungsrecht nach § 5 nicht, sondern regelt im Wesentlichen Probleme der §§ 8 und 9, s. § 1 BBodSchV. Anhang 1 der BBodSchV bestimmt die Anforderungen an die Analytik, Probennahme und Qualitätssicherung bei der Untersuchung näher. Anhang 2 enthält Prüf-, Maßnahmen- und Vorsorgewerte. Diese ordnungsrechtlichen Standards in der Form einer RechtsVO stellen Schwellen- und Grenzwerte für das behördliche Einschreiten dar. Die in Anhang 2 der BBodSchV festgelegten Maßnahmen-, Prüf- und Vorsorgewerte für einzelne Stoffe differieren nach den Wirkungspfaden Boden-Mensch, Boden-Nutzpflanze und Boden-Grundwasser. Die Werte für den Wirkungspfad Boden-Mensch (direkter Kontakt) sind nach der Art und Empfindlichkeit der Nutzung abgestuft. Der Verordnunggeber nimmt die größten Schadstoffmengen auf Industrie- und Gewerbegebieten hin, für Park- und Freizeitflächen, Wohngebiete sowie Kinderspielplätze reduziert er die zulässigen Schadstoffmengen. Des Weiteren sind Prüfwerte für Cd und Pb zum Schutz vor mittelbaren Gefahren durch den Verzehr von mit Schadstoffen aus dem Boden angereicherten Nahrungsmitteln festgelegt in Abhängigkeit von den Nutzungsarten Ackerland, Gartenbau, Nutzgärten, Grünland. Beim Wirkungspfad Boden-Grundwasser erfolgt eine Differenzierung nach Nutzungsarten nicht. Der unter anderem auch für die Trinkwassergewinnung wichtige Schutz des Grundwassers ist damit nutzungsunabhängig gewährleistet. Für den Wirkungspfad Boden-Mensch ist bislang nur ein Maßnahmewert festgelegt worden, nämlich für Dioxine/Furane. Für den Wirkungspfad Boden-Nutzpflanze existieren hingegen acht verschiedene Maßnahmewerte für die Schadstoffe Arsen, 206

BGBl. I S. 1554.

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Pb, Cd, Cu, Ni, Hg, Ti und PCB6. Vorsorgewerte existieren für Metalle (Cd, Pb, Cr, Cu, Hg, Ni und Zn) und für bestimmte organische Stoffe (PCB, Benzo(a)pyren, pAK). Daneben sind die zusätzlichen jährlichen Frachten für Schwermetalle nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 festgelegt. Anhang 3 der BBodSchV normiert Einzelheiten der Sanierungsuntersuchung, des Sanierungsplans und der Bestimmung des Sanierungsziels. Es ist ohne weiteres für viele andere Stoffe die Festlegung von Werten vorstellbar. Es ist nicht ersichtlich, dass der Bund ein Handeln der Länder verhindern möchte. Deshalb sind diese nicht gesperrt207 – von einer sofort zu diskutierenden Ausnahme abgesehen. § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3b ermöglicht, in der BBodSchV Anforderungen an die Bestimmung des zu erreichenden Sanierungsziels festzulegen. Diese Zielwerte beschreiben das „Wie“ der Sanierung im Unterschied zu den Maßnahmewerten, die das „Ob“ betreffen208. Diese Ermächtigung hat der Verordnunggeber bisher nicht genutzt. Streitig ist in diesem Zusammenhang, ob feste Sanierungswerte festgesetzt werden können, oder ob nur Anforderungen an Sanierungszielwerte definiert werden dürfen. Nach einer Auffassung dient die Verordnungsermächtigung209 nur dazu, Leitparameter festzulegen, anhand derer die Erforderlichkeit und die Wirksamkeit der in Betracht kommenden Maßnahmen zu beurteilen sind. Eine Festlegung von Sanierungszielwerten wäre wegen der Vielzahl und Komplexität der jeweils zu berücksichtigenden Faktoren und der regionalen Unterschiede einer Sanierung kaum sinnvoll210. Ziele, das Niveau und die konkreten Maßnahmen entzögen sich der strikten Verrechtlichung und Verallgemeinerung. Den Ländern bliebe hier ein Spielraum, der die zuständigen Behörden in die Lage versetze, regionale und einzelfallbezogene Besonderheiten bei der Auswahl der Maßnahmen zu berücksichtigen211. Nur mit derartigen Leitwerten behalte die Altlastensanierung die notwendige planerische Flexibilität212. Nach der Gegenansicht ist es unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und des effektiven Vollzugs erforderlich, Sanierungszielwerte festzuschreiben213. Zudem erlaube die Formulierung in § 8 Abs. 1 Nr. 3 nicht den Schluss, dass die Anforderungen an die Sanierung des Bodens und von Altlasten, insb. an die Bestimmung des zu erreichenden Sanierungsziels, nicht durch die Festlegung von Sanierungszielwerten bestimmt werden dürfe. Solche Sanierungszielwerte könnten ferner nicht i.S. einer absoluten Größe Missverstanden werden, wenn entsprechende Klarstellungen in der BBodSchV erfolgten. Schließlich wäre im Fall einer Sanierungsverfügung immer die Grenze der Möglichkeit einer solchen Sanierung zu beachten, ebenso 207 Es ist deshalb zulässig, wenn die Rechtsprechung bei fehlenden Aussagen in der BBodSchV z. B. die Werte der sog. Holland-Liste anwendet, s. NdsOVG, NVwZ 2000, 1194. 208 Erbguth/Stollmann, NuR 1999, 130. 209 Knopp/Albrecht, BB 1998, 1858. 210 Riedel, UPR 1999, 95. 211 BTag-Drs. 13/6701, 39. 212 Breuer, DVBl 1994, 900. 213 Heiermann, ZG 1999, 229.

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der Grundsatz der nutzungsadäquaten Sanierung nach § 4 Abs. 4; die planerische Flexibilität des Sanierungsplans nach § 13 Abs. 1 bliebe also erhalten214. Soll endlich die beabsichtigte Nutzung erst nach einer Sanierung durchgeführt werden, ließe sich wegen der Existenz von Zielwerten bereits vor der Sanierung zumindest berechnen, welche der unterschiedlichen kostenintensiven Methoden zur Erreichung der gesetzlichen Anforderungen zu wählen wären. Nachteilig aus Sicht der Privatwirtschaft sei es, dass es durch die Einführung verbindlicher Sanierungszielwerte nur noch in Ausnahmefällen der Verwaltung möglich sei, niedrigere Standards heranzuziehen215. Man könnte meinen, dass entsprechend den festgelegten Maßnahmen-, Prüf- und Vorsorgewerten nur bundeseinheitlich geltende Sanierungszielwerte in der Lage seien, die Sanierung kontaminierter Flächen festzulegen. Aus § 8 Abs. 1 Nr. 3b ergibt sich jedenfalls nicht das Verbot, konkrete Sanierungszielwerte festzulegen. Die Gesetzesbegründung216 spricht einerseits von der Festlegung von Leitparametern, anhand derer die Erforderlichkeit und Wirksamkeit der in Betracht kommenden Maßnahmen zu beurteilen ist – das spricht gegen konkrete Sanierungsziele; andererseits ist von der Festlegung von „Anforderungen an den Sanierungserfolg“ die Rede – damit könnten feste Sanierungszielwerte gemeint sein. I.F. stellt die Gesetzesbegründung allerdings klar, dass konkrete Maßnahmen in der aufgrund § 8 Abs. 1 erlassenen RechtsVO nicht vorgeschrieben werden können. Es soll sich nur um „Beurteilungskriterien zu Inhalt und Reichweite von Sanierungsmaßnahmen“ handeln. Das erlaubt den Schluss, dass der Gesetzgeber eine Festlegung konkreter Sanierungszielwerte in der BBodSchV nicht will. Vorzugswürdig ist danach die Ansicht, die die Festlegung konkreter Werte nicht für möglich hält. Zwar eignen sich Prüf- und Maßnahmewerte zur Beurteilung einer Gefahr bzw. eines Gefahrverdachts. Weil aber jede Sanierung einen für sich zu beurteilenden Einzelfall darstellt, sind solche Standards zur Festlegung von Sanierungszielen und des Sanierungsniveaus nicht geeignet. Hierzu ist vielmehr ein Sanierungsplan erforderlich, der entweder von dem Verpflichteten zu erstellen und behördlich zu prüfen oder von der zuständigen Behörde aufzustellen ist217. Um einen effektiven Vollzug des BBodSchG und der BBodSchV zu gewährleisten, sollten die Anforderungen an die Sanierung soweit konkretisiert sein, dass der Spielraum der Länder weitestgehend eingeschränkt wird und der bisherige Zustand der Rechts- und Investitionsunsicherheit nicht dadurch wieder auflebt, dass die Gefahr(-verdachts)beurteilung zwar bundesweit einheitlich erfolgt, die darauf folgende Sanierung jedoch wieder länderspezifisch unterschiedlich geregelt ist.

214 215 216 217

Ebd. Knopp/Albrecht, BB 1998, 1858. BTag-Drs. 13/6701, 38 f. Breuer, JZ 1994, 899.

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3. Sperrwirkung bei Rahmengesetzgebungskompetenz Nach Art. 75 Abs. 1 GG hat der Bund das Recht, unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder zu erlassen. Der Verweis auf Art. 72 GG bedeutet, dass die gleichen Voraussetzungen wie für die Wirksamkeit der konkurrierenden Gesetzgebung Bedeutung besitzen; insb. muss auch bei der Rahmengesetzgebung die Erforderlichkeit nach Art. 72 Abs. 2 GG bestehen. Grundsätzlich dürfen Rahmengesetze bzw. Rahmenvorschriften zu den in Art. 75 Abs. 1 GG aufgezählten Gegenständen nur inhaltlich beschränkte Gesetze bzw. Vorschriften sein, die ausfüllungsfähig und ausfüllungsbedürftig, jedenfalls aber auf eine solche Ausfüllung hin angelegt sein müssen und dem Landesgesetzgeber Raum für Willensentscheidungen in der sachlichen Rechtsgestaltung übriglassen müssen. Aus Art. 75 GG folgt grundsätzlich keine Sperrwirkung für die Gesetzgebung der Länder; das BVerfG218 hat die Auslegungsregel aufgestellt, dass die Gesetzgebungskompetenz der Länder durch die Rahmenvorschrift nicht weiter eingeschränkt werden soll, als dies der Wortlaut der Rahmenvorschrift zwingend erfordert. Deshalb ist der Landesgesetzgeber grundsätzlich allein durch die Vorrangregelung des Art. 31 GG beschränkt219. Nach dem 1994 neu eingefügten Art. 75 Abs. 2 GG dürfen Rahmenvorschriften nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten. Derartige unmittelbar geltende Vorschriften eines Rahmengesetzes verdrängen mit ihrem Wirksamwerden entgegenstehendes Landesrecht entsprechend Art. 31 GG220. Anders als bei der nach Abs. 1 vorzunehmenden Prüfung der Erforderlichkeit nach Art. 72 Abs. 2 GG geht es bei Art. 75 Abs. 2 GG nicht um das „Ob“, sondern um das „Wie“ einer bundesgesetzlichen Regelung: um die Regelungsintensität221. Art. 75 Abs. 2 GG gibt selbst keine Kriterien zur Beurteilung der ausnahmsweisen Zulässigkeit unmittelbar geltender oder in Einzelheiten gehende Regelungen vor. Die Beurteilung richtet sich nach quantitativen und qualitativen Kriterien222. Es bedarf eines besonderen rechtfertigenden Grundes, der für den gesamten Bereich der Ausnahme Geltung haben muss223. Die Darlegungslast des Bundes für die Annahme eines derartigen Ausnahmefalls wird erhöht. Zudem ist nach dem Willen des verfassunggebenden Gesetzgebers die Qualifizierung des Ausnahmefalls justitiabel. Die Justitiabilität ist jedoch ebenso begrenzt wie bei der Überprüfung der Erforderlichkeit nach Art. 72 Abs. 2 GG; der Gesetzgeber verfügt auch hier über eine Einschätzungsprärogative. 218 219 220 221 222 223

BVerfGE 80, 137/158; 67, 1/12. Jarass, NVwZ 1996, 1047. Jarass, ebd. Kunig (Fn. 99), Art. 75 Rn. 41. Rybak/Hofmann, NVwZ 1995, 234. Jarass, NVwZ 1996, 1047.

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G. Grundfragen des Bundes-Bodenschutzgesetzes

Nach den zuvor getroffenen Feststellungen deckt die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes die auf sie gestützten Normen des BBodSchG. Die Länder dürfen deshalb insoweit nur solche Regelungen treffen, die den vom Bund gesetzten Rahmen beachten.

IV. Die Sperrwirkung der einzelnen Vorschriften des Bundes-Bodenschutzgesetzes Entsprechend den zuvor entwickelten Aussagen erfolgt die Bestimmung der Sperrwirkung der einzelnen Vorschriften des BBodSchG in drei Schritten. Bevor diese Schritte gegangen werden, ist auf die Vorschriften einzugehen, die auf der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz oder auf der Rahmengesetzgebungskompetenz basieren. Die Prüfung des Umfangs der Sperrwirkung dieser Normen ist vorzuziehen, weil sie knapp ausfällt. Die Prüfung von Vorschriften des BBodSchG entsprechend den erarbeiteten drei Schritten bleibt denjenigen Normen vorbehalten, deren Erlass der Gesetzgeber auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz gestützt hat. 1. Der Umfang der Sperrwirkung der §§ 23, 4 Abs. 3 Satz 1, 14 Satz 1 Nr. 3 Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz nimmt der Bund allein für die Regelung betreffend die Landesverteidigung in § 23 in Anspruch224; er stützt sich auf Art. 73 Nr. 1 GG (Verteidigung225). Nach § 23 Abs. 1 kann das Bundesministerium der Verteidigung Ausnahmen vom BBodSchG und von den auf dieses Gesetz gestützten RechtsVOen zulassen, soweit zwingende Gründe der Verteidigung oder die Erfüllung zwischenstaatlicher Verpflichtungen Ausnahmen erfordern; der Schutz des Bodens vor schädlichen Bodenveränderungen bleibt zu berücksichtigen. § 23 Abs. 2 eröffnet der Bundesregierung die Möglichkeit, im Bereich der Landesverteidigung von der Bundesregierung benannte Behörden mit dem Vollzug des Gesetzes zu betrauen. Wie dargestellt, entfaltet die Wahrnehmung der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes eine Sperrwirkung mit der Folge, dass LBodSchGe in diesem Bereich unzulässig und nichtig sind. § 23 lässt sich eine Delegation von Gesetzgebungskompetenzen an die Länder nicht entnehmen. Landesrechtliche Regelungen sind insoweit unzulässig. Ferner liegt auf der Hand: § 23 lässt sich nicht in der Weise verstehen, dass diese Vorschrift eine Sperrwirkung der Qualität auslöst, die die Länder vollständig von der Landesbodenschutzgesetzgebung ausschließt. Für eine solche Interpretation fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Das BBodSchG enthält in den §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 14 Satz 1 Nr. 3 unmittelbar geltende Vorschriften zur Sanierung von Gewässerverunreinigungen, die schädliche Bo224 225

Zum Folgenden ausführlich Feil, S. 53 ff. BTag-Drs. 13/6701, S. 16.

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denveränderungen oder Altlasten verursacht haben. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs regeln diese Vorschriften nur die grundsätzliche Pflicht zur Gewässersanierung, also das „Ob“ der Sanierung bzw. das „Ob“ der Aufstellung eines Sanierungsplans durch die zuständige Behörde, nicht aber die im Einzelfall zu erfüllenden Anforderungen betreffend das „Wie“ der Sanierung (die inhaltlich an die Sanierung eines verunreinigten Gewässers zu stellenden Maßstäbe werden weder durch das BBodSchG noch durch aufgrund dieses Gesetzes zu erlassender RechtsVOen vorgegeben226). Dieses bedingt, dass – da hier Art. 31 GG den alleinigen Maßstab bildet – die §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 14 Satz 1 Nr. 3 nur entgegenstehende, ebenfalls das „Ob“ der Sanierungspflicht bzw. der Ermächtigung zum Aufstellen eines Sanierungsplans bei durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachten Gewässerverunreinigungen regelnde Vorschriften der Länder verdrängen227. Genauso wie für § 23 ist für die §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 14 Satz 1 Nr. 3 als Ergebnis festzuhalten, dass diese Vorschriften eine vollständige Sperrwirkung im Bereich des Bodenschutzrechts nicht auslösen. Für eine gegensinnige Deutung der Vorschriften sprechende Ansatzpunkte sind nicht ersichtlich. 2. Die Sperrwirkung der auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz gestützten Normen a) Erster Schritt: Feststellung von Regelungslücken im Gesetz aa) Der UGB-ProfE als Maßstab Wie ausgeführt, erfordert eine Gesamtwürdigung des BBodSchG im Hinblick auf seinen abschließenden Charakter die Festlegung eines Maßstabs, der es – im besten Fall – erlaubt, alle potentiellen Freiräume festzustellen, weil er sämtliche denkbaren Aspekte des Bodenschutzes berücksichtigt228. In einem weiteren Schritt werden – bildlich gesprochen – die Regelungen des BBodSchG auf diesen als Folie fungierenden Maßstab „gelegt“. Dieses Vorgehen lässt Anhaltspunkte für ungeregelte Bereiche bzw. Regelungsfreiräume sichtbar werden. Nach Feststellung dieser Freiräume ist entsprechend den weiteren Schritten zu untersuchen, ob Rückschlüsse darauf gezogen werden können, dass diese Freiräume von anderen Vorschriften mit abgedeckt werden oder bewusst keine Regelung erfahren sollten. Für die Untersuchung dient als Maßstab in erster Linie das im UGB-ProfE229 in den §§ 283 – 313 festgelegte Kapitel Bodenschutz (3. Kapitel). In dieser Weise vorzugehen ist gestattet, nachdem diese Vorschriften in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit

226 227 228 229

BTag-Drs. 13/6701, S. 18. Ebenso Feil, S. 129. Ebenso Feil, S. 59. Jarass u. a. (Fn. 7).

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weitgehend Zustimmung gefunden haben230. Ergänzend wird auf den Entwurf des Kapitels Bodenschutz der Unabhängigen Sachverständigenkommission231 (nachfolgend UGB-KomE) Bezug genommen232. Beide Entwürfe gelangen hier nicht im Ganzen zur Darstellung, sondern es werden, wenn nötig, Einzelheiten dargelegt. bb) „Arbeitsprogramm“ Das BBodSchG hätte abschließenden Charakter bzw. könnte diesen Anspruch erheben, wenn es das Problemfeld Bodenschutz möglichst umfassend regelte. Eine insoweit zielführende Untersuchung hat das Bodenschutzrecht unter weitgehender Vermeidung von Überschneidungen in seine denkbaren Regelungsbereiche zu zerlegen und sodann darauf zu überprüfen, inwieweit es diese Bereiche erfasst und ausfüllt233. Ausgehend von den Vorgaben des UGB-ProfE lässt sich das Bodenschutzrecht zunächst in die Bereiche der Vorsorge, der Bodenerhaltung und der Bodensanierung unterteilen, je nachdem, welcher Grad von Bodenbeeinträchtigung erreicht ist bzw. erreicht werden soll: Vorsorgemaßnahmen sollen zukünftig drohende Bodenbeeinträchtigungen verhindern, Bodenerhaltungsmaßnahmen sollen weitere quantitative und qualitative Beeinträchtigungen stoppen, Sanierungsmaßnahmen sollen von Beeinträchtigungen ausgehende Gefahren bzw. Störungen bekämpfen und die natürlichen Bodenfunktionen weitgehend wieder herstellen234. Beim Recht der Bodenerhaltung ist entsprechend der Vorgabe weiter zu differenzieren in Vorschriften betreffend den quantitativen (Schutz vor Verbrauch und Erosion) und qualitativen Bodenschutz (Schutz vor Schadstoffeintrag), die Bodenüberwachung, die Festsetzung von Bodenbeeinträchtigungsgebieten, die Erfassung und Überwachung der Bodenbeschaffenheit sowie die Mitwirkung der für den Bodenschutz zuständigen Behörden235. Beim Recht der Sanierung belasteter Böden ist zwischen (generellen) Bodenverunreinigungen und (speziellen) Altlasten zu unterscheiden236. Diese Punkte bilden zusammen mit den Allgemeinen Vorschriften (zu denen hier der Anwendungsbereich, die Begriffsbestimmungen und die Festlegung von Zuständigkeiten zählen) die i.F. zu behandelnden Untersuchungskomplexe i.S.d. zuvor angesprochen Sachbereiche. Es werde unterstellt, dass mit diesen Sachbereichen das 230

Peine, UPR 1997, 56, mit Verweis auf den 60. Deutschen Juristentag in Münster 1994, in welchem Teile des Kapitels Bodenschutz, die sich mit dem Altlastensanierungsrecht befassen, behandelt und weitgehend befürwortet wurden (Verhandlungen des 60. Deutschen Juristentages Münster 1994, Bd. 11/1, 1994, S. L 89 ff.). 231 s. Fn. 8. 232 Vgl. zu dieser Art des Vorgehens ausführlich Feil, S. 59 ff. 233 s. Feil, S. 62 ff. 234 Vgl. Peine (Fn. 7), S. 590; vgl. auch Peine, UPR 1997, 56. 235 Die letztgenannten Kategorien betreffen sowohl den quantitativen als auch den qualitativen Bodenschutz und werden daher zur Vermeidung von Überschneidungen separat behandelt. 236 Peine (Fn. 7), S. 557; vgl. auch Peine, NuR 1992, 357 ff.

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Bodenschutzrecht grundsätzlich – insb. bei Zugrundelegung des derzeitigen Erkenntnisstands – erschöpfend erfasst ist, da diese Aufteilung im Wesentlichen den Meinungsstand mit Blick auf die Inhalte eines vollständigen Bodenschutzrechts repräsentiert. cc) Eine erste Lückenfeststellung: Defizitäre Vorsorgeregelungen Bevor das zuvor ausgebreitete „Arbeitsprogramm“ angegangen werden darf, ist logisch vorrangig zu prüfen, ob überhaupt Lücken existieren. Die Feststellung von Lücken muss an dieser Stelle nicht vollständig erfolgen; es ist notwendig, aber auch hinreichend, wenn einige Lücken dargelegt werden. Eine solche Analyse betreffend die Feststellung von Lücken hat Verfasser vorgelegt unter dem Aspekt der Bewältigung des Risikos im Bodenschutzrecht; diese Analyse betraf den Entwurf des jetzt Gesetz gewordenen Bodenschutzrechts237. Zwischen dem seinerzeit analysierten Entwurf und dem jetzt Gesetz gewordenen Recht hat sich für die Antwort auf die Fragestellung nichts geändert. Ohne weiteres kann diese Analyse benutzt werden, um Lücken im geltenden Recht darzulegen. Eine erste Lücke zeigt sich bei der Definition des Begriffs Bodens; die Definition erfasst den Grund der fließenden und stehenden Gewässer sowie der Grundwasser führenden Schichten nicht. Der Gesetzgeber hat bei der Normierung der bodenschützenden Vorschriften einen anthropozentrischen Ansatz gewählt; auf einen weitergehenden ökologischen Ansatz hat er verzichtet; diese Aussage ergibt sich aus § 2 Abs. 3 i.V.m. § 1 Satz 2. Für die landwirtschaftliche Bodennutzung ist festzuhalten: Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 sollen die nach Landesrecht zuständigen landwirtschaftlichen Beratungsstellen bei ihrer Beratungstätigkeit die Grundsätze der guten fachlichen Praxis vermitteln. Das Gesetz spricht von „sollen“; dieser Wortwahl ist zu entnehmen, dass eine unbedingte Rechtspflicht zur Vermittlung der Grundsätze der guten fachlichen Praxis für die nach dem Landesrecht zuständigen landwirtschaftlichen Beratungsstellen nicht besteht. Ferner fehlt eine Ermächtigungsgrundlage für die Durchsetzung der Rechtspflichten mit Hilfe einer Anordnung im Gesetz. Deshalb ist zwangsweise die Korrektur eines Verstoßes gegen die gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft nach dem BBodSchG nicht durchsetzbar. Für die Bodenversiegelung ist festzustellen, dass zwar nach dem BauGB bestimmte Restriktionen bestehen, dass aber auch auf der Grundlage anderer Gesetze Versiegelungen des Bodens möglich sind; erinnert sei in diesem Zusammenhang lediglich an die Straßengesetze. Dieses Recht enthält keine Regelung, die der Bodenversiegelung entgegenwirkt. Für die Bodenentsiegelung stellt der Gesetzgeber ein Instrument zur Verfügung, welches aber nur unter engen Voraussetzungen greift; eine allgemeine Entsiegelungspflicht gibt es nicht. Diese Beispiele mögen genügen, um mit Blick auf Vorsorgeregelungen Defizite im BBodSchG darzulegen. Damit enthält das Gesetz Lücken. Deshalb ist die logische

237

Peine, DVBl 1998, 157 ff.

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Voraussetzung dafür gegeben, das zuvor unter a) dargelegte Arbeitsprogramm abzuarbeiten. dd) Diskussion des Befunds ,Existenz von Regelungslücken Das BBodSchG ist nicht lückenlos. Es lässt sich deshalb nicht das Argument mit Erfolg in die Debatte einführen, deshalb, weil das Gesetz lückenlos sei, entfalle die Möglichkeit für die Länder, Lücken zu schließen. Andererseits lässt sich auch nicht von vornherein an diesen Befund die Folge knüpfen, die Länder dürften die Lücken nicht füllen, weil der Bund genau diese Lückenfüllung verhindern wolle (es sei denn, er habe die Lückenfüllung ausdrücklich per Gesetz vorgesehen). Gelegentlich wird behauptet, aus § 21 Abs. 1 folge eine Beschränkung der Länder auf ergänzende Verfahrensregelungen, diese These wird nicht näher begründet238. Der Bundesgesetzgeber hat sich weder zur Frage nach dem erschöpfenden Charakter einzelner Normen des BBodSchG noch zur Frage geäußert, ob das Schließen von Regelungslücken verboten sei. Das BVerfG geht davon aus, dass eine Regelung i.S.v. Art. 72 Abs. 1 GG vorliegt, wenn der Bund in einem Regelungsbereich nur bestimmte Fragen regelt, er aber erkennbar den gesamten Regelungsbereich abschließend regeln wollte, z. B. indem die bundesrechtliche Regelung erkennbar keinen Raum mehr für landesrechtliche Regelung lassen will: Die Sperrwirkung erfasst dann auch den nicht geregelten Bereich. Der Landesgesetzgeber darf sich dabei nicht in Widerspruch setzen zu einem solchen erkennbar gewordenen Willen des Gesetzgebers239. Zu untersuchen ist, ob die Regelungen betreffend die landesrechtlichen Vorbehalte weiteres landesrechtliches Vorgehen ausschließen. Ausgangspunkt der Betrachtung ist § 21240 diese Vorschrift belässt den Ländern für bestimmte Bereiche die Gesetzgebungskompetenz241. Nach § 21 Abs. 1 können die Länder zur Ausführung des Zweiten und Dritten Teils des Gesetzes (die im Wesentlichen das Bodenschutzrecht umfassen) ergänzende Verfahrensregelungen erlassen. Es soll damit klargestellt werden, dass die Verfahrensvorschriften des BBodSchG die Befugnisse der Länder zur weiteren Konkretisierung des Verwaltungsverfahrens nach Art. 84 Abs. 1 GG nicht verdrängen; insb. können die Länder die Beteiligung von Behörden und Öffentlichkeit oder die Erfassung von schädlichen Bodenveränderungen oder Altlasten nach landesrechtlichen Besonderheiten näher regeln242. § 21 Abs. 2 erlaubt den Ländern ergänzende Regelungen im Bereich des Rechts der Altlastensanierung, Abs. 3 gestattet den 238

Vierhaus, NJW 1998, 1269. BVerfGE 2, 236 für den Willen des Bundesgesetzgebers, eine Frage überhaupt nicht zu regeln, sowie BVerfGE 32, 327 für den Willen des Bundesgesetzgebers, ein Landesgesetz nicht zuzulassen. 240 Zum Folgenden ausführlich Feil, S. 55 ff. 241 Die sonstigen Ermächtigungen der Länder werden aufgrund ihrer Spezialität und ihres geringen Umfangs, wodurch folglich kein Schluss auf eine abschließende Wirkung des gesamten BBodSchG möglich ist, im Rahmen der betreffenden Regelungsbereiche behandelt. 242 BTag-Drs. 13/6701, S. 45. 239

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Erlass von Regelungen bei flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen und zu weiteren Regelungen über gebietsbezogene Maßnahmen des Bodenschutzes, Abs. 4 ermächtigt die Länder zum Inkrafttreten von Bestimmungen betreffend die Einrichtung und Führung von Bodeninformationssystemen. All diesen Regelungen ist gemein, dass sie die Länder zur Festlegung eines bestimmten Aspekts innerhalb des Bodenschutzrechts ermächtigen. Deshalb drängt sich die Frage auf, ob in § 21 (und den sonstigen Ermächtigungen der Länder) eine abschließende Ermächtigung des Landesgesetzgebers durch den Bundesgesetzgeber enthalten ist mit der Folge, dass jede weitergehende Regelung durch die Länder nach dem Willen des Bundesgesetzgebers ausgeschlossen ist. Es ist auf das eingangs Gesagte zu verweisen: Vorbehalte zugunsten der Länder in einem Bundesgesetz haben nicht zwingend zur Konsequenz, dass im Wege des Umkehrschlusses den anderen Vorschriften des Gesetzes abschließender Charakter zukommt. Auch hier muss der genaue Wille des Gesetzgebers ermittelt werden; denn häufig werden Vorbehalte oder Ermächtigungen bestimmten Normen angefügt, weil dafür bei der betreffenden Norm besonderer Bedarf besteht – die Frage der abschließenden Regelung für die anderen Gesetzesteile beantwortet dieses Vorgehen nicht243. Die Antwort ist – wie erwähnt – durch eine Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes zu finden244. Davon ausgehend lassen sich aus § 21 und dessen Begründung keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die übrigen Vorschriften nach dem Willen des Gesetzgebers abschließenden Charakter haben sollen. – Wie erwähnt, hat § 21 Abs. 1 lediglich klarstellende Funktion, ohne sichtbar eine Aussage über weitere Länderkompetenzen treffen zu wollen. Indem Absatz 2 die Länder ermächtigt, bei bestimmten Flächen, bei denen der Verdacht schädlicher Bodenveränderungen besteht, sowie bei schädlichen Bodenveränderungen, die ein besonderes Gefährdungspotential aufweisen, die Durchführung weiterer Maßnahmen vorzuschreiben, wird lediglich der Wille des Gesetzgebers erkennbar, den Ländern entsprechend ihrer spezifischen Betroffenheit zusätzlichen Spielraum zu gewähren245, nicht aber beabsichtigt der Gesetzgeber, sie in anderen Bereichen zu beschränken. Absatz 3 bringt deutlich den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, den Ländern die Möglichkeit zu eröffnen, flächenhaft auftretenden schädlichen Bodenveränderungen mit einem gebietsbezogenen Handlungskonzept zu begegnen246, ohne eine irgendwie geartete Beschränkung auszudrücken: Es wird klargestellt, dass entsprechende landesrechtliche Vorschriften (§ 13 BaWüBodSchG und § 22 BerlBodSchG, die die Festsetzung von Bodenbelastungsgebieten vorsehen) durch das BBodSchG nicht ver243 Jarass, NVwZ 1996, 1045, mit Hinweis auf BVerfGE 20, 238/250 für ins Einzelne gehende und differenzierte Vorbehalte. 244 BVerfGE 1, 283/296; 20, 238/248; 49, 343/358; 67, 299/324. 245 Vgl. BTag-Drs. 13/6701, S. 45: „Ob und inwieweit bei diesen Flächen kraft Landesrecht zusätzliche Anforderungen begründet werden sollen, entscheiden die Länder nach ihren spezifischen Betroffenheiten.“ 246 BTag-Drs. 13/6701, S. 45.

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drängt werden sollen247. Gleiches gilt für Absatz 4, der zum Erlass von Bestimmungen betreffend Bodeninformationssysteme ermächtigt; die Vorschrift äußert sich zu Beschränkungen für andere Bereiche nicht. Es zeigt sich nach alledem, dass der hinter § 21 stehende Wille des Gesetzgebers eher von einem Klarstellungsbedürfnis248 sowie dem Bedürfnis geprägt ist, die Zustimmung der Länder zum Gesetzesvorhaben zu gewinnen. Folglich gehen von § 21 keine Impulse für die Beurteilung des abschließenden Charakters der übrigen Vorschriften des BBodSchG aus. Letztlich entscheidend ist die Antwort auf die Frage, ob der Gesetzgeber die Bereiche des Bodenschutzes subjektiv so regeln will und objektiv so geregelt hat, dass kein Raum mehr für eine landesrechtliche Regelung verbleibt249. Entsprechend der Auffassung des BVerfG schließt eine Kodifizierung des Bodenschutzrechts, wie sie das BBodSchG enthält, landesrechtliche Regelungen nicht notwendig aus, da ungeachtet dieser Kodifizierung noch Gebiete vorhanden sein können, die ungeregelt geblieben sind, und der Bundesgesetzgeber für diese Bereiche – wie gezeigt – keinen erkennbaren grundsätzlichen Ausschluss der Länder zum Ausdruck gebracht hat. Ferner fällt im Vergleich des BBodSchG zum UGB-ProfE auf, dass der quantitative und qualitative Bodenschutz sowie die Sanierung von Bodenbelastungen im Gegensatz zur Sanierung von Altlasten und der landwirtschaftlichen Bodennutzung keine ausdrückliche gesetzliche Regelung gefunden haben; diesbezügliche Vorschriften sind vielmehr allgemein im zweiten Teil „Grundsätze und Pflichten“ zu finden (§ 4). Damit drängt sich aber die Frage auf, ob auf diese Weise eine abschließende Regelung auch dieser Bereiche erfolgen kann, oder ob diese Bereiche, sollen sie abschließend geregelt werden, einer ausdrücklichen Erwähnung wie z. B. im UGBProfE bedürfen. Es könnte insoweit auf den objektiven Willen des Gesetzes zu schließen sein, vornehmlich die Altlastensanierung zu regeln und die übrigen Bereiche zu vernachlässigen. Derartiges kann angesichts der Zweckbestimmung in § 1 jedoch nicht gewollt sein, nach der zwecks nachhaltiger Sicherung oder Wiederherstellung der Funktionen des Bodens insb. schädliche Bodenveränderungen abzuwehren und der Boden, Altlasten sowie hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen zu sanieren sind: Hieraus ergibt sich, dass die Grundsätze und Pflichten ihrer Stellung nach das allgemeine Bodenschutzrecht regeln, während das Gesetz die Altlastenproblematik ebenso wie die landwirtschaftliche Bodennutzung als eigens zu regelnden Spezialfall ansieht. Derartiges impliziert auch der Begriff der schädlichen Bodenveränderung in § 2 Abs. 3, der in seiner umfassenden Formulierung sämtliche Bodenverän-

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BTag-Drs. 13/6701, S. 45. Obwohl die Begründung nur hinsichtlich § 22 Abs. 1 von einer Klarstellung spricht, gilt dies für den gesamten § 22, da der Bundesgesetzgeber die angesprochenen Bereiche – wie zu zeigen sein wird – materiell nicht abschließend regelt und daher ohnehin die Gesetzgebungskompetenz in diesen Bereichen bei den Ländern verbleibt. 249 Vgl. Kunig (Fn. 99), Art. 72 Rn. 11; Stern (Fn. 164), § 37 II 3 lit. 1; Maunz (Fn. 180), Art. 72 Rn. 14. 248

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derungen erfasst250, eine gesonderte Bestimmung des Altlastenbegriffs in § 2 Abs. 5 aber nicht erübrigen soll. Selbst wenn man also davon ausgeht, dass das Anliegen des Gesetzes schwerpunktmäßig die Regelung der Sanierung von Altlasten betrifft, so kann daraus nicht geschlossen werden, dass die übrigen Bereiche des Bodenschutzes ungeregelt bleiben sollten, etwa weil sie keine ausdrückliche Erwähnung im Gesetzestext gefunden haben. Es sind deshalb diesbezüglich Aussagen besonders gründlich zu ermitteln, um den Umfang der Handlungsmöglichkeiten definitiv festzulegen. ee) Ergebnis Nach alledem existieren Lücken im BBodSchG. Es bestehen Räume, die die Länder füllen könnten. Ob sie diese Lücken schließen dürfen, ist abhängig von den Antworten, die bei der Prüfung der folgenden Schritte gefunden werden. b) Zweiter Schritt: Feststellung von positiven Aussagen zu landesrechtlichen Regelungsmöglichkeiten aa) Die Aussagen im Gesetz Die §§ 3 Abs. 1 Nrn. 6, 7 Satz 5, 9 Abs. 2 Satz 3, 10 Abs. 2, 11, 18 Satz 2, 21, 22 Abs. 2 enthalten Aussagen zur Zulässigkeit landesrechtlicher Regelungen. Im Einzelnen ist festzustellen: Nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 können die Länder durch Regelungen in ihren Forst- und Waldgesetzen Einwirkungen auf den Boden regeln und somit die Anwendbarkeit des BBodSchG ausschließen. Nach § 7 Satz 5 richtet sich die Erfüllung der Vorsorgepflicht für die forstwirtschaftliche Bodennutzung auch nach den Forst- und Waldgesetzen der Länder; diese können deshalb in ihren Forst- und Waldgesetzen Verpflichtungen betreffend die Vorsorge für den Bodenschutz festlegen. Nach § 9 Abs. 2 Satz 3 richten sich die Pflichten bestimmter Personen sowie bestimmte Duldungspflichten nach Landesrecht; die Länder besitzen deshalb insoweit ein eigenständiges Festsetzungsrecht. Nach § 10 Abs. 2 ist nach Landesrecht für bestimmte Fälle ein angemessener Ausgleich zu gewähren; die Länder haben deshalb für bestimmte Fälle der Beschränkung der land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung einen Ausgleichsanspruch gesetzlich festzulegen. Nach § 11 können die Länder die Erfassung der Altlasten und altlastverdächtigen Flächen regeln. Nach § 18 Satz 2 können die Länder Einzelheiten der an Sachverständige und Untersuchungsstellen zu stellenden Anforderungen, Art und Umfang der von ihnen wahrzunehmenden Aufgaben, die Vorlage der Ergebnisse ihrer Tätigkeit und die Bekanntgabe von Sachverständigen, welche die Anforderungen erfüllen, normieren. Die Möglichkeiten, die die Länder nach § 21 besitzen, sind zuvor schon dargelegt worden. Nach § 22 Abs. 2 haben die Länder das Recht, nach ihren Rechtsvorschriften bestimmte Maßnahmen festzusetzen.

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Vgl. BTag-Drs. 13/6701, S. 29; dazu beim quantitativen Bodenschutz.

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bb) Erste Antworten An dieser Stelle kann eine erste Antwort geliefert werden auf die Frage, was durch die Formulierung „nach Maßgabe des Landesrechts“ i.S.v. § 10 Abs. 2 für die Länder in einem Bodenschutzgesetz regelbar ist. § 10 Abs. 2 erfasst Fälle, in denen Eigentümer und Besitzer land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke als Zustandsverantwortliche Nutzungsbeschränkungen hinzunehmen, aber die hierfür maßgebende Bodenbelastung nicht verursacht haben. In diesen Fällen sollen die Länder Ausgleichszahlungen an die Land- und Forstwirtschaft gewähren, wenn deren Belastung das im Gesetz genannte Maß überschreitet. – Bevor es zu einer Ausgleichszahlung kommt, haben die Land- und Forstwirte innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen durchzuführen; insoweit kommen insb. betriebswirtschaftlich sinnvolle Produktionsumstellungen in Betracht, etwa der Anbau von Zierpflanzen anstelle von der Nahrungsmittelproduktion dienenden Nutzpflanzen251. Nur die nach der Durchführung solcher Maßnahmen verbleibenden wirtschaftlichen Nachteile sind ausgleichsfähig. Verbleibende wirtschaftliche Nachteile müssen über die allgemeine Belastung erheblich hinaus gehen, die eine Nutzungsbeschränkung stets zur Folge hat – etwa in Form von vorübergehenden Betriebseinbußen bis zur Erschließung neuer Märkte für erst aufgrund der Nutzungsbeschränkung erzeugte Produkte. Ohne Ausgleichszahlungen müssen für die Betroffenen „besondere Härten“ entstehen. Davon dürfte auszugehen sein, wenn die Existenz des Betriebs gefährdet ist. § 10 Abs. 2 sieht mit Blick auf die Höhe des Ausgleichs einen „angemessenen“ Ausgleich vor; was angemessen ist, hat das Landesrecht zu konkretisieren. Die Formulierung in § 10 Abs. 2 legt definitiv nahe, dass eine Verpflichtung zum vollen Ausgleich nicht besteht. § 10 Abs. 2 setzt erst bei Belastungen an, die über die allgemein durch Nutzungsbeschränkungen hervorgerufenen Belastungen hinaus gehen; es dürfte ausreichen, den Umfang von Ausgleichszahlungen so zu gestalten, dass die Belastungen auf das allgemeine Niveau reduziert werden252. Eine weitere Antwort kann auf die Frage geliefert werden, inwieweit bei konkreten Anforderungen an die Art und Weise der Beteiligung der von einer Altlastsanierung Betroffenen (§§ 12 und 13 Abs. 3253) konkrete Anforderungen an die Art und Weise der Beteiligung in ein LBodSchG aufgenommen werden können. Die §§ 12 und 13 Abs. 3 äußern sich zur Frage der Art und Weise der Beteiligung der von einer Altlastsanierung Betroffenen nicht. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist es in das Belieben der verpflichteten Personen gestellt, wie sie ihrer Rechtspflicht zur Information nachkommen. Dem Gesetzeswortlaut ist nicht die Absicht des Bundes zu entnehmen, zu verhindern, dass die Länder mit Blick auf die Informationspflicht einen rechtlichen Rahmen setzen, der auf die real möglichen sehr unterschiedlichen Situationen reagiert. Es könnte daran gedacht werden, zu regeln, dass dann, wenn nur wenige Per251 252 253

BTag-Drs. 13/6701, S. 41. Hilger, in: HRHB, § 10 Rn. 31 – 34. s. zu diesen Normen die Kommentierungen von Fluck (Fn. 70), §§ 12, 13.

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sonen von der Maßnahme berührt werden, diesen Personen die einschlägigen Unterlagen zuzusenden sind; es könnte auch geregelt werden, dass bei Massenverfahren (Verfahren mit mehr als 50 Betroffenen) anstelle der individuellen Zusendung eine öffentliche Auslegung der geplanten Maßnahmen vorzusehen ist. Es ist nicht ersichtlich, dass das Bundesgesetz diese unterschiedlichen Möglichkeiten verbieten möchte; dem Bund kann nur daran gelegen sein, tatsächlich sicherzustellen, dass die Betroffenen von den geplanten Maßnahmen erfahren und so der Rechtsgehalt des § 12 realisiert wird. Hat der Bund kein Interesse daran gezeigt, die Art und Weise der Umsetzung des § 12 zu regeln, sondern ist er lediglich daran interessiert, dass der Inhalt des § 12 realisiert wird, so dürfen die Länder in ihre LBodSchGe konkrete Anforderungen an die Art und Weise der Beteiligung aufnehmen. Unter dieser Bedingung ist es problemlos möglich, dass eine öffentliche Anhörung für die Vorstellung der Sanierungsmaßnahme in das Gesetz aufgenommen wird. An dieser Stelle kann auf die Frage eine Antwort gegeben werden, wie weit die Kompetenz der Länder nach § 21 Abs. 1 reicht. Diese Vorschrift stellt klar, dass das BBodSchG für die Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens i.S.d. Art. 84 Abs. 1 GG keine abschließende Regelung enthält. Die Länder dürfen ergänzende Verfahrensregeln erlassen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG254 sind unter Verfahrensregeln solche Vorschriften zu verstehen, die die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden im Hinblick auf die Art und Weise der Ausführung des Gesetzes einschließlich ihrer Handlungsformen, die Form der behördlichen Willensbildung, die Art der Prüfung und Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen und Durchsetzung sowie verwaltungsinterne Mitwirkungs- und Kontrollvorgänge in ihrem Ablauf regeln. Deshalb verbleibt den Ländern beim Vollzug des Zweiten und Dritten Teils des Gesetzes Spielraum hinsichtlich der Zuständigkeit und der Zusammenarbeit der Behörden sowie hinsichtlich der Beteiligung der Öffentlichkeit255. Die in der Begründung zum Gesetz enthaltene Aussage, dass nach § 21 Abs. 1 die Länder regeln können, ob sie die Öffentlichkeit beteiligen wollen, ermöglicht die Feststellung, dass eine öffentliche Bekanntmachung eines Sanierungsplans in ein Planfeststellungsverfahren eingebettet werden kann. Ferner können die Betroffenen, ein Projektbeirat bzw. eine Bewertungskommission nach dem Vorbild des hessischen Altlastensanierungsrechts oder auch ein Sanierungsbeirat eingeschaltet werden256. Der LABO Arbeitskreis Recht und Grundsatz bejaht ausdrücklich, dass nach § 21 Abs. 3 Archive der Natur- und Kulturgeschichte ausgewiesen werden können. Archive der Natur- und Kulturgeschichte sind erdgeschichtliche Bildungen (Geotope) und Archivböden (Pedotope), die wegen ihrer Seltenheit, Schönheit und ihrer Bedeutung für Wissenschaft, Forschung, Lehre sowie für Natur- und Heimatkunde von besonderem Wert sind. Sanden257 verneint die Zulässigkeit dieser Ausweisung ausdrücklich. 254 255 256 257

BVerfGE 55, 274/320 f. Vgl. BTag-Drs. 13/6701, S. 45; Hilger, in: HRHB, § 21 Rn. 3. Sanden, in: Sanden/Schoeneck, § 21 Rn. 4. Sanden, in: Sanden/Schoeneck, § 21 Rn. 12.

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Er geht davon aus, mit der Regelung von Bodenbelastungsgebieten, deren Einrichtung den Ländern erlaubt ist, sei eine abschließende Regelung verbunden, die es den Ländern verböte, neuartige Bodenschutzgebiete zu errichten, die eine Nutzungsänderung ausschließen und die sich begrifflich von den Bodenbelastungsgebieten dadurch unterscheiden würden, dass sie keine bestehenden oder zu erwartenden Bodenbelastungen und damit keinen Gefahrenbezug voraussetzten. Zwar lasse der Wortlaut weitere gebietsbezogene Maßnahmen zu. Jedoch habe der Gesetzgeber mit seiner expliziten Regelung des Bodenbelastungsgebiets die Möglichkeit der Gebietsausweisung samt dazugehöriger Maßnahmen abschließend geregelt; mit den „weiteren Regelungen“ seien lediglich die in Absatz 4 genannten Instrumente gemeint. Für diesen Bezug spreche die Entstehungsgeschichte der Norm: So bildeten Absatz 3 und Absatz 4 Satz 1 noch im Regierungsentwurf eine Einheit; die Trennung der Sätze im Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags v. 12. 6. 1997 erfolgte lediglich deshalb, weil der Absatz infolge des Anfügens der beiden weiteren Sätze unübersichtlich geworden wäre. Ferner seien die Vorsorgeanforderungen abschließend in §§ 7 und 17 normiert, was für eine restriktive Sicht spreche. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Jedes Gesetz ist so zu interpretieren, dass jedes verwandte Wort einen Sinn hat. Folgte man der geschilderten Interpretation, hätten die Wörter „weitere Regelungen über gebietsbezogene Maßnahmen“ keinen Sinn. Der Hinweis, es seien die in Absatz 4 genannten Instrumente insoweit gemeint, ist sinnlos, da zu einer doppelten Erwähnung des Erlaubten führend, weil die Nutzung der in Absatz 4 genannten Instrumente durch die Länder gerade durch Absatz 4 gestattet wird; ein Hinweis darauf in Absatz 3 ist überflüssig. Es muss deshalb, damit das Gesetz als Ganzes sinnvoll ist, weitere gebietsbezogene Maßnahmen des Bodenschutzes nach Landesrecht geben können, die etwas anderes als ein Bodenbelastungsgebiet oder die in Absatz 4 genannten Möglichkeiten darstellen. Ferner schließt die Entstehungsgeschichte des Gesetzes die hier vorgenommene Interpretation nicht aus; es wäre dem Gesetzgeber problemlos möglich gewesen, die in Absatz 3 vorhandenen Wörter „weitere Regelungen über gebietsbezogene Maßnahmen“ zu streichen; aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in dieser Weise nicht vorgegangen ist, ist zu schließen, dass es über die Bodenbelastungsgebiete hinaus weitere Festsetzungen nach Absatz 3 geben soll. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass der Hinweis, die §§ 7 und 17 regelten die Vorsorgeanforderungen abschließend, nicht ausschließt, neue gebietsbezogene Maßnahmen dann, aber auch nur dann zu erlauben, wenn sie der Gefahrenabwehr dienen. Es ist nach alledem nicht ersichtlich, dass die für eine restriktive Interpretation vorgetragenen Gründe das Ergebnis tragen; es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Wortlaut des Gesetzes sowie fehlende tragfähige Erwägungen dazu führen, dass das Gesetz die Ausweisung von Archiven der Natur- und Kulturgeschichte nach § 21 Abs. 3 erlaubt. Dieses Ergebnis bestätigt Sanden letztlich, indem er darauf hinweist, Archive der Natur- und Kulturgeschichte könnten auf der Grundlage des Landesnaturschutz- bzw. Denkmalschutzrechts ausgewiesen werden. Diese Aussage ist nur möglich, wenn ein Bundesgesetz insoweit keine Sperrwirkung auslöst; die Sperrwirkung, wenn sie aus-

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gelöst wird, betrifft jedes Landesrecht, in concreto auch das Naturschutz- und das Denkmalschutzrecht. Insoweit ist die Argumentation von Sanden inkonsequent. Mit der zuvor erwähnten Begründung können auch Erosionsgebiete ausgewiesen werden, wenn die Ausweisung ausschließlich der Gefahrenabwehr dient. Wie zuvor dargelegt, sind Schutzgebietsausweisungen zum Zwecke der Vorsorge nicht gestattet. Das BBodSchG kennt für Gebiete, die nach § 21 Abs. 3 ausgewiesen werden, keinen speziellen Namen. Vorliegend sind diese Gebiete mit Rücksicht auf § 2 Abs. 3 Bodenbeeinträchtigungsgebiete genannt worden; die Literatur spricht von Bodenbelastungsgebieten. Deshalb ist es ohne weiteres den Landesgesetzgebern möglich, die hier sog. Bodenbeeinträchtigungsgebiete und die Bodenerosionsgebiete zusammenfassend als Bodenschutzgebiete zu bezeichnen; der Landesgesetzgeber sollte aber klarstellend in einer Legaldefinition auf diesen Sprachgebrauch hinweisen. Für Gebiete im zuvor benannten Sinne können neben Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr gegenüber Schadstoffbelastungen und Bodenerosionen auch Schutzmaßnahmen zur Erhaltung besonders wertvoller/schutzwürdiger Böden festgesetzt werden. Wenn in einem Verlust der Qualität von Böden eine schädliche Bodenveränderung i.S.v. § 2 Abs. 3 zu sehen ist, dann ist durch das Bundesrecht nicht ausgeschlossen, dass das Land eine Gefahrenabwehrmaßnahme ergreift. Die Gefahrenabwehrmaßnahme muss nicht eine Gefahr in Bezug nehmen, die konkret einem bestimmten Stück Land droht, sondern der Gesetzgeber kann die Abwehr abstrakter Gefahren durch ein Gesetz regeln. Das macht er dann, wenn er bestimmte Schutzmaßnahmen bereitstellt. c) Dritter Schritt: Die Feststellung von Lücken durch Würdigung der erarbeiteten Sachbereiche des Gesetzes aa) Die allgemeinen Vorschriften (1) Die Festlegung des Anwendungsbereichs Eine Analyse des BBodSchG unter dem Aspekt seines abschließenden Charakters hat mit einer Würdigung seines Anwendungsbereichs zu beginnen; denn nur innerhalb dessen Grenzen kann das BBodSchG Sperrwirkung entfalten (es sei denn, der Gesetzgeber wollte bewusst weitere Bereiche von einer Regelung aussparen, wofür jedoch zunächst keine Anhaltspunkte vorliegen). Das BBodSchG findet nach § 3 Abs. 1 Anwendung auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten, soweit den Boden schützende Gesetze Einwirkungen auf den Boden nicht regeln. Dem Wortlaut nach ergibt sich ein umfassender Anwendungsbereich, der grundsätzlich sämtliche Einwirkungen auf den Boden erfasst und lediglich speziellen Regelungen den Vorrang belässt. Die Richtigkeit dieser Aussage ergibt sich aus der Begründung des Gesetzes, nach der es in § 3 um die Verzahnung des BBodSchG mit den übrigen rechtlichen Rege-

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lungen im Umweltbereich geht: Der Eindruck, dass mit der Definition in § 3 in weiten Teilen der Fläche kein Bodenschutz mehr betrieben werde, sei falsch. Richtig sei vielmehr, dass das materielle Recht, soweit es den Bodenschutz regele, im spezialgesetzlichen Bereich weiter anzuwenden sei. […] Die nun258 gewählte Formulierung sei vollzugsfreundlicher. Sie schütze den Boden umfassend. Überall da, wo es bisher im geltenden Recht Lücken gebe, würden sie vom BBodSchG geschlossen259. Da nach Willen des Gesetzgebers das BBodSchG grundsätzlich in allen Bereichen des Bodenschutzes Anwendung finden soll – vorbehaltlich spezialgesetzlicher Regelungen und des negativen Anwendungsbereichs – lassen sich Anhaltspunkte für Regelungslücken bzw. Freiräume der Länder nicht gewinnen260. Von Bedeutung könnte allenfalls § 3 Abs. 1 Nr. 6 sein, der auf Wunsch des Bundesrats in das Gesetz gelangte261 und demzufolge vorrangig zum BBodSchG insb. die bodenschützenden Vorschriften der Forst- und Waldgesetze der Länder sind. Hieraus lässt sich entsprechend dem Gesagten nicht der Schluss ziehen, dass Vorschriften der LBodSchGe, die auf bodenschützende Vorschriften der Landesforst- oder -waldgesetze Bezug nehmen oder diese ergänzen, nicht von der Sperrwirkung des Art. 72 GG erfasst würden – denn auf Grundlage der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz erlassenes Bundesrecht verdrängt nicht nur entgegenstehendes, sondern auch inhaltsgleiches Landesrecht. Nimmt ein LBodSchG auf die Vorschriften des betreffenden Landeswald- oder -forstgesetzes Bezug (so etwa § 12 BaWüBodSchG), so wird wegen der Sperrwirkung diese Vorschrift unwirksam, da bereits § 3 Abs. 1 Nr. 6 diese Bezugnahme zum Inhalt hat. Ebenso dürfte es sich mit Vorschriften der LBodSchGe verhalten, die Landeswald- oder Forstrecht ergänzen, da für diese Fälle entsprechend dem Willen des Gesetzgebers das BBodSchG Anwendung finden soll („soweit […] Einwirkungen auf den Boden nicht regeln“). Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass das BBodSchG diesbezüglich keine erschöpfende Regelung trifft und die LBodSchGe den verbleibenden Bereich ausfüllen. Eine entsprechende Feststellung lässt sich jedoch erst nach einer Untersuchung des gesamten Gesetzes im Zusammenhang mit den betreffenden LBodSchGen treffen. Nach § 3 Abs. 2 findet das Gesetz keine Anwendung auf Anlagen, Tätigkeiten, Geräte oder Vorrichtungen, Kernbrennstoffe und sonstige radioaktive Stoffe, soweit Rechtsvorschriften den Schutz vor den Gefahren der Kernenergie und der Wirkung 258

Bei § 3 Abs. 1 handelt es sich um eine Umformulierung von § 3 Abs. 2 des vorangegangenen Entwurfs (vgl. BRat-Drs. 702/96; BTag-Drs. 13/6701), der vorsah, dass das Gesetz keine Anwendung findet, soweit die sodann aufgezählten Gesetze die Bodennutzung oder wirtschaftliche Tätigkeit regeln (negativer Anwendungsbereich). Dies bezog sich auf den vorangehenden § 3 Abs. 1, der den positiven Anwendungsbereich festlegte, indem das Gesetz Anwendung fand bei schädlichen Bodenveränderungen, die auf einer Bodennutzung oder wirtschaftlichen Tätigkeit beruhen, und bei Altlasten, s. BTag-Drs. 13/7891, S. 28. 259 BTag-Drs. 13/7891, S. 28. 260 Im Gegensatz zum vorangegangenen Entwurf mit der Negativformulierung in § 3 Abs. 2, vgl. hierzu Peine, UPR 1997, 57. 261 BTag-Drs. 13/7891, S. 28.

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ionisierender Strahlen regeln (Satz 1); ferner gilt es nicht für das Aufsuchen, Bergen, Befördern, Lagern, Behandeln und Vernichten von Kampfmitteln (Satz 2). Satz 1 der Vorschrift spricht von „Rechtsvorschriften“, darunter ist mangels entgegenstehender Aussagen des Gesetzgebers262 sowohl Bundes- als auch Landesrecht zu verstehen. Es könnte daher angenommen werden, dass, sollten die LBodSchGe insoweit Vorschriften treffen, diese vorrangig zum BBodSchG wären, vorausgesetzt – und unterstellt –, sie werden nicht durch sonstiges Bundesrecht verdrängt. Dies ist jedoch bei Berücksichtigung der Begründung des Gesetzes nicht gewollt, nach der die Vorschrift dem Umstand Rechnung tragen soll, dass das Atom- und Strahlenschutzrecht einschließlich der aufgrund von Art. 9 Abs. 2 des Einigungsvertrags i.V.m. Anlage II Kapitel XII Abschnitt III Nrn. 2 und 3 des Einigungsvertrags fortgeltenden Vorschriften der DDR differenzierte Vorschriften enthält, die insoweit Vorsorge gegen Schäden gewährleisten263. Diese Äußerung legt vielmehr nahe, dass das BBodSchG nur solchen Vorschriften Vorrang einräumt, die speziell im und für den Bereich des Atom- und Strahlenschutzes erlassen worden sind, nicht aber einschlägigen Vorschriften in „allgemeinen“ Gesetzen wie etwa den LBodSchGen – bereits aus Gründen der Rechtssicherheit; allgemeine Gesetze weisen kaum die angesprochene Differenziertheit wie Spezialgesetze auf264. § 3 Abs. 2 Satz 2 ergibt, dass das BBodSchG nicht die Verpflichtung der Eigentümer militärischer Altlasten regelt, Maßnahmen zur Beseitigung von Gefahren zu ergreifen, die von Kampfmitteln ausgehen. Die Erledigung der Kampfmittelbeseitigung ist Bedingung für das Greifen der Rechtspflicht zur Sanierung von Böden, von denen eine Gefahr ausgeht als Folge anderer Belastungen als durch Kampfmittel265. Daher kann festgehalten werden, dass das BBodSchG keine Anwendung in den Fällen findet, in denen militärische Altlasten vorliegen, sofern auf dem betreffenden Gelände noch Kampfmittel vorhanden sind266. Dieser Fall war bereits ein Problem des 262 Auch nicht bei Zugrundelegung des gleich lautenden vorangehenden Entwurfs, BTagDrs. 13/6701, S. 22, 33. 263 BTag-Drs. 13/6701, S. 33. 264 Zudem könnten sich ansonsten ggf. bedenkliche Folgen ergeben: Würde der Anwendungsbereich der LBodSchGe den Strahlenschutz umfassen und damit über den des BBodSchG hinausgehen, könnten grundsätzlich insoweit alle Vorschriften der LBodSchGe weiterhin Bestand haben, wenn auch nur für den Strahlenschutz (und vorbehaltlich einer Sperrung durch Spezialgesetze). Tatsächlich würden dann rein äußerlich die LBodSchGe keine Veränderung erfahren, während die einzelnen Regelungen nur für den Strahlenschutz gelten würden und im Übrigen – soweit sich die Anwendungsbereiche der LBodSchGe mit dem des BBodSchG überschneiden – infolge der Sperrwirkung unwirksam würden, soweit diese reicht. Ein solcher Gedanke – auch wenn grundsätzlich mit Art. 72 Abs. 1 GG vereinbar – führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit und kann nicht im Interesse des eine Vereinheitlichung des Bodenschutzrechts beabsichtigenden Bundesgesetzgebers liegen. 265 Peine, UPR 1997, 56; vgl. auch UGB-KomE (Fn. 8), S. 1026. 266 Die Haltung des Bundes hinsichtlich der Kostenübernahme bei Rüstungsaltlasten wird immer restriktiver. So hat sich der Haushaltsausschuss am 12. 11. 1997 dagegen ausgesprochen, dass der Bund die Beseitigung von Umweltschäden, die aufgrund von Aufrüstung, Krieg und Kriegsende zwischen 1933 und 1949 entstanden sind, bezahlen muss (Woche im Bundestag –

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vorangegangenen Entwurfs, der jedoch die Sanierung von militärisch genutzten Flächen wenigstens zum Teil erfasste267: § 3 Abs. 1 a.F. legte fest, dass das Gesetz Anwendung findet bei schädlichen Bodenveränderungen, die auf einer Bodennutzung beruhen; nach der Begründung des Entwurfs kam als Bodennutzung insb. der Gebrauch einer Fläche in Betracht, die nach § 9 BauGB Gegenstand eines Bebauungsplans sein kann. Aufgrund der Formulierung „insbesondere“ schloss daher die Begründung des Entwurfs nicht aus, dass auch militärische bzw. kampfmittelkontaminierte Flächen i.S.d. § 3 Abs. 1 a.F. genutzt wurden. Das BBodSchG enthält keine dem § 3 Abs. 1 a.F. entsprechende Vorschrift; es muss angenommen werden, dass die Sanierung von militärisch genutzten oder nicht genutzten Flächen nicht erfasst ist bzw. nicht erfasst sein soll. Die Regelungslücke belässt den Ländern in diesem Bereich die Gesetzgebungskompetenz. Die Begründung des Entwurfs erzeugt nicht den Eindruck, der Bundesgesetzgeber wolle diesen Bereich überhaupt nicht – und daher auch nicht durch die Länder – geregelt wissen (etwa im Wege einer mittelbaren negativen Regelung). Enthalten die LBodSchGe Vorschriften für militärische Altlasten, so werden diese von der Sperrwirkung des BBodSchG nicht erfasst; sie sind als „spezielle Vorschriften der Gefahrenabwehr“ i.S.d. Begründung des BBodSchG268 anzusehen. Probleme entstehen, wenn die LBodSchGe solche speziellen Vorschriften nicht enthalten und für die Beseitigung militärischer Altlasten die allgemeinen Vorschriften (der LBodSchGe) greifen, weil diese gegenüber dem allgemeinen POR den Vorrang genießen269. Wenn aufgrund der Sperrwirkung des BBodSchG diese allgemeinen Vorschriften unwirksam werden, muss für die Beseitigung militärischer Altlasten auf das allgemeine POR der Länder zurückgegriffen werden. Diese Lösung scheint der Absicht des Bundesgesetzgebers zu entsprechen270, wird aber der Tatsache nicht gerecht, dass militärische Altlasten Bestandteil der Bodenschutzproblematik sind271 und deshalb ihre Lösung in ein Bodenschutzgesetz gehört. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob die jeweiligen Vorschriften trotz Sperrwirkung des BBodSchG wirksam bleiben sollen, wenn auch nur für die Fälle der militärischen Altlasten. Diese Lösung würde aber nur mit einem dahingehenden Zusatz möglich sein, da ohne diesen Rechtsunsicherheit hervorgerufen würde. Ferner ist die Begründung des BBodSchG WIB – Heft 19 v. 18. 11. 1997, Rubrik: Haushalt Bund nicht als Zahler heranziehen; o. S.). Einen entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesrats (BTag-Drs. 13/8295) über die Finanzierung der Sanierung von Rüstungsaltlasten lehnte das Gremium gegen das Votum der Opposition ab. 267 Hierzu Peine, UPR 1997, 57. 268 BTag-Drs. 13/6701, S. 33. 269 Wobei es in hohem Maße fraglich ist, ob Polizeibehörden gegen die Bundesrepublik Deutschland als Eigentümer der meisten Flächen, die mit militärischen Altlasten belastet sind, einschreiten dürfen. Vgl. nur Peine, UPR 1997, 57. 270 Peine, UPR 1997, 57. Ebenso Fluck (Fn. 70), § 3 Rn. 187. 271 Vgl. nur Peine, DVBl 1990, 736, für die Rüstungsaltlasten gilt nichts anderes als für die „allgemeinen“ Altlasten; vgl. ferner § 349 UGB-KomE (Fn. 8).

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dahin auszulegen, dass eine Regelung mit Hilfe allgemeiner Vorschriften mit Vorrang vor dem allgemeinen POR gerade nicht gewollt ist, wenn es dort heißt272: „Im Vordergrund stehen hier […] Gefahren, die durch das allgemeine Polizeirecht und spezielle Vorschriften zur Gefahrenabwehr geregelt werden.“ Die besagte Einschränkung des Anwendungsbereichs des BBodSchG soll nur für die Fälle gelten, in denen „spezielle“ Vorschriften vorliegen i.S.v. „Beseitigung von Gefahren, die von Kampfmitteln ausgehen“. Fehlen in LBodSchGen solche Regelungen, ist auf das allgemeine POR zurückzugreifen. Es verbleibt dem Land die Möglichkeit, eine speziell auf militärische Altlasten zugeschnittene Vorschrift in das LBodSchG einzufügen273, sofern der Landesgesetzgeber sich nicht auf das allgemeine POR beschränken möchte. Das BBodSchG hat einen umfassenden Anwendungsbereich, der bis auf den Bereich der militärischen Altlasten bzw. der mit Kampfmitteln zusammenhängenden Gefahrenbeseitigung grundsätzlich keine Regelungsspielräume für die Länder im Rahmen ihrer Bodenschutzgesetzgebung übrig lässt274. Zwischenergebnis: Der Anwendungsbereich des BBodSchG ist abschließend; den Ländern verbleibt lediglich die Möglichkeit, den Bereich der militärischen Altlasten bzw. der mit Kampfmitteln zusammenhängenden Gefahrenbeseitigung zu regeln. (2) Die Festlegung der Zuständigkeiten Das BBodSchG regelt die Zuständigkeiten der Landesbehörden nicht. Die Begründung des Gesetzes275 ergibt, dass die Bundesländer nach Auffassung der Bundesregierung den Vollzug des BBodSchG so regeln werden, dass die Aufgaben der Behörden, die für den Vollzug der in § 3 genannten Vorschriften zuständig sind, nicht beeinträchtigt werden. Vorschriften der LBodSchGe über die Zuständigkeiten werden von der Sperrwirkung des BBodSchG nicht erfasst276. (3) Begriffsbestimmungen § 2 bestimmt die Begriffe Boden (Abs. 1), Bodenfunktionen (Abs. 2), schädliche Bodenveränderungen (Abs. 3), Verdachtsflächen (Abs. 4), Altlasten (Abs. 5), altlastverdächtige Flächen (Abs. 6), Sanierung (Abs. 7) sowie Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen (Abs. 8). 272

BTag-Drs. 13/6701, S. 33. Als Vorbild könnte § 349 UGB-KomE (Fn. 8) dienen. 274 Ebenso Feil, S. 67. 275 BTag-Drs. 13/6701, S. 22, 33, die zwar den vorhergehenden Entwurf betrifft, der jedoch mit dem Gesetz insoweit übereinstimmt: „Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Bundesländer den Vollzug des BBodSchG so regeln werden, dass die Aufgaben der Behörden, die für den Vollzug der in § 3 genannten Vorschriften zuständig sind, nicht beeinträchtigt werden.“ 276 Ebenso Feil, S. 69. 273

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Ausdrückliche Aussagen des Gesetzgebers in Bezug auf den abschließenden Charakter des § 2 oder hinsichtlich etwaiger Freiräume für den Landesgesetzgeber lassen sich weder dem Gesetzestext selbst noch der Begründung des Gesetzes277 entnehmen. Die Sperrwirkung tritt auch dann ein, wenn der Bund in einem Regelungsbereich nur bestimmte Fragen regelt, er aber erkennbar den gesamten Regelungsbereich abschließend erfassen wollte278 (es ist dann grundsätzlich möglich, dass einzelne, nicht beantwortete Fragen dem Landesgesetzgeber für die Normierung verschlossen bleiben, da sich der Bundesgesetzgeber für einen regelungsfreien Zustand entschieden hat279). Deshalb müssen bei der Beurteilung der Begriffsbestimmungen die eigentlichen Beweggründe für das BBodSchG mitberücksichtigt werden280. Einer der Hauptbeweggründe für den Erlass des Gesetzes war, für die bedeutendsten Belastungsquellen des Bodens sowie für Altlasten bundesweit einheitliche Werte für die Gefahrenermittlung und die Durchführung von Maßnahmen sowie einheitliche Standards für Vorsorgemaßnahmen festzulegen, um auf diese Weise der fortschreitenden Rechtszersplitterung entgegenzuwirken281. Verfolgt der Bundesgesetzgeber aber eine Vereinheitlichung im Bodenschutzrecht, so muss bzw. will er, auch wenn er lediglich von einheitlichen Bodenwerten spricht, bei den grundlegenden Begriffen des Bodenschutzes ansetzen. Deren Definition ist Bedingung für den Erfolg vereinheitlichter Regelungen und Bodenwerte. Daraus folgt, dass der Bundesgesetzgeber gerade den Begriffsbestimmungen des § 2 erschöpfenden Charakter zuordnen muss, um das mit dem Erlass des BBodSchG verfolgte Ziel zu erreichen. Es ergibt sich zwingend, dass § 2 hinsichtlich der definierten Begriffe als abschließende Regelung anzusehen ist und wegen der Sperrwirkung entsprechende Begriffsbestimmungen der LBodSchGe unwirksam werden282. Dem könnte entgegengehalten werden, dass sich die Sperrwirkung nur in den Fällen entfaltet, in denen die die jeweiligen Begriffe enthaltenden Regelungen der LBodSchGe von entsprechenden Regelungen des BBodSchG verdrängt werden: Die im BBodSchG definierten Begriffe können die der LBodSchGe nur „insoweit“ verdrängen, wie die materiellen Regelungen des BBodSchG Sperrwirkung entfalten. Für eine Sperrwirkung allein der Begriffe des BBodSchG müssten sich entweder aus 277

Vgl. BTag-Drs. 13/6701, S. 28 f. Jarass, NVwZ 1996, 1044. 279 BVerfGE 2, 232/236; 3, 319/327. 280 Zum Folgenden ausführlich Feil, S. 69. 281 BTag-Drs. 13/6701. 282 Eine Ausnahme könnte sich hier allenfalls für die Definition des Begriffs Sanierung in § 2 Abs. 7 ergeben, der unterschiedliche Varianten von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr umfasst, indem sich die Frage stellt, ob diese Vorschrift überhaupt erforderlich i.S.v. Art. 72 Abs. 2 GG ist, nachdem die genannten Maßnahmen bereits jetzt sämtlich auf der Grundlage der speziellen Vorschriften zur Altlastensanierung, soweit sie landesrechtlich vorhanden sind, oder auf der Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel angeordnet werden können (vgl. Peine, UPR 1997, 57). Diese Frage kann jedoch insb. unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums des Bundesgesetzgebers bejaht werden, da wie gesagt nicht alle Länder über Sanierungsvorschriften verfügen und somit einheitliche Verhältnisse a priori nicht bestehen, was auch nicht durch die polizeirechtliche Generalklausel genügend ausgeglichen wird, so dass zumindest Klarstellungsbedarf besteht. 278

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dem Gesetz oder dessen Begründung Anhaltspunkte ergeben. Dieser Einwand wird jedoch dadurch entkräftet, dass gerade die Begriffsbestimmungen materielle Regelungen und die eigentliche Grundlage des BBodSchG darstellen; insofern muss nicht auf die auf den Begriffen aufbauenden Regelungen abgestellt werden. Ferner hat der Bundesgesetzgeber die Erforderlichkeit abschließender Begriffsbestimmungen hinreichend dargestellt, indem er mit dem BBodSchG der fortschreitenden Rechtszersplitterung entgegenwirken will. Da der grundlegende Ansatz zur „Bekämpfung“ der Rechtszersplitterung ein einheitliches Verständnis der wesentlichen Begrifflichkeiten ist, folgt zwingend, dass die im BBodSchG definierten Begriffe notwendigerweise die gleichlautenden Begriffe der zukünftigen LBodSchGe verdrängen müssen, wenn diese Definitionen enthielten; anderenfalls könnte das BBodSchG seinen Zweck nicht erreichen283. Die in den vorhandenen und potentiellen LBodSchGen enthaltenen weiteren Begriffsbestimmungen bleiben wirksam, sofern sie den Vorschriften des BBodSchG nicht widersprechen; ferner bleibt der Landesgesetzgeber zum Erlass derartiger Begriffsbestimmungen kompetent. Bereits an dieser Stelle kann deshalb festgehalten werden, dass die Länder zur Regelung einer Rekultivierungspflicht kompetent bleiben; denn auf Grundlage des BBodSchG und insb. aufgrund der Fassung des § 2 Abs. 7 kann eine Rekultivierung von Flächen nach Durchführung von gefahrenbeseitigenden Maßnahmen nicht verlangt werden284. Geht man davon aus, dass der Ruf nach einem Spezialgesetz des Bundes zur Altlastenbeseitigung einen seiner Gründe darin fand, eine Rekultivierung nach einheitlichen Standards zu ermöglichen285, und dass für eine solche Pflicht eine gesetzliche Regelung erforderlich wäre286, so ergibt sich, dass den Ländern in diesem Bereich die Gesetzgebungskompetenz verbleibt. Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu einem eventuell abschließenden Sanierungsbegriff in § 2 Abs. 7, da die Rekultivierung sich nicht allein auf die Gefahrenabwehr beschränkt und nicht als eine „Maßnahme“ i.S.d. Sanierungsbegriffs in § 2 Abs. 7 angesehen werden kann. Dem Schweigen des Bundesgesetzgebers lässt sich nicht im Wege des Umkehrschlusses aus § 2 Abs. 7 entnehmen, weiterreichende Maßnahmen seien ausgeschlossen; vielmehr hat der Bundesgesetzgeber zugunsten der Landesgesetzgeber auf die Regelung einer Rekultivierungspflicht verzichtet. Zwischenergebnis: Die Länder dürfen die Rekultivierungspflicht einführen.

283 Im Ergebnis ebenso mit Blick auf die Definition von „Boden“ Kloepfer, Unveröffentlichtes, dem Land Brandenburg erstattetes Gutachten über die landesrechtlichen Gesetzgebungsmöglichkeiten im Bodenschutz, 1997, S. 11. 284 Peine, UPR 1997, S. 57. 285 Peine, UPR 1997, S. 75 mit Verweis auf Peine, NVwZ 1993, 958 f. 286 So enthalten sowohl der UGB-ProfE in § 302 Nr. 1 lit. b als auch die §§ 347 ff. UGBKomE (Fn. 8) ausdrücklich die Rekultivierungspflicht regelnde Vorschriften.

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(4) Zusätzliche Grundsätze Alle modernen Umweltgesetze enthalten Leitprinzipien oder Grundsätze. Diese haben die Aufgabe, verbindliche Vorgaben für alle Maßnahmen im Bereich des Gesetzesvollzugs zu liefern. Leitprinzipien oder Grundsätze stellen daher keine selbständigen (vollzugsfähigen) Regelungen dar, sondern sind immer nur im Zusammenhang mit anderen Regelungen von Bedeutung. Sie „leiten“ deren Vollzug inhaltlich287. Als Grundsätze enthält § 1 (er selbst spricht von Zweck und Grundsätzen des Gesetzes) die unmittelbare Rechtswirkungen entbehrenden Aussagen über die Abwehr schädlicher Bodenveränderungen, die Sanierung von Böden und Altlasten und die Vorsorge gegen nachteilige Einwirkungen auf den Boden. In Relation zu anderen Vorschlägen zum Bodenschutz, z. B. § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 2 i.V.m. § 286 UGB-ProfE sind die Aussagen wenig in die Tiefe gehend. Dass diese Grundsätze ergänzungs- bzw. erweiterungsfähig sind, liegt auf der Hand. Nicht ein einziges Mal hat der Bundesgesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren seine Absicht geäußert, durch Erlass einer abschließenden Regelung über die Grundsätze die Länder von der Normierung weiterer Grundsätze auszuschließen. Kommentierungen des Gesetzes288 äußern sich zum Problem nicht und schließen deshalb das Inkrafttreten weiterer Grundsätze nicht aus. Zwischenergebnis: Die Länder dürfen Grundsätze in ihrem Landesbodenschutz regeln, sofern diese nicht § 1 und § 4 widersprechen. bb) Das Bodenerhaltungsrecht (1) Quantitatives Bodenschutzrecht Dem BBodSchG fehlt im Gegensatz zum UGB-ProfE ein dem quantitativen Bodenschutz gewidmeter Abschnitt. Erkennbar diesem Bereich zuzuordnen ist lediglich § 5, der die Entsiegelung regelt. Im Übrigen kann quantitativer Bodenschutz über den Begriff der schädlichen Bodenveränderung durch die allgemeinen Vorschriften des Zweiten Teils („Grundsätze und Pflichten“) realisiert werden. § 5 Abs. 1 ermächtigt die Bundesregierung, unter bestimmten Voraussetzungen durch RechtsVO Grundstückseigentümer zu verpflichten, bei dauerhaft nicht mehr genutzten Flächen, deren Versiegelung im Widerspruch zu planungsrechtlichen Festsetzungen steht, den Boden in seiner Leistungsfähigkeit soweit wie möglich und zumutbar zu erhalten oder wiederherzustellen. Eine Entsiegelungspflicht gilt daher nicht unmittelbar, sondern benötigt den Erlass einer RechtsVO, die konstitutiven Charakter hat. Entsprechend den obigen Ausführungen spricht gegen die Annahme einer Sperrwirkung durch die bloße Ermächtigung in § 5 Satz 1, dass der Bund mit 287 288

Vgl. Peine (Fn. 165), S. 78. Z. B. Radtke, in: HRHB, § 1 Rn. 7.

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dieser keine bestimmte inhaltliche Regelung getroffen hat – wie diese genau ausfällt, wird erst mit Erlass der RechtsVO deutlich werden. In solchen Fällen mangelnder inhaltlicher Regelung scheidet eine Sperrwirkung grundsätzlich aus289. Zudem besteht für den Erlass einer einschlägigen RechtsVO ersichtlich keine Rechtspflicht290. Zwischenergebnis: Die Länder dürfen die Entsiegelung eigenständig regeln, solange der Bund die RechtsVO nach § 5 nicht erlassen hat. Sollte eine RechtsVO nach § 5 Geltung erlangen, wäre ihr Anwendungsbereich sachlich begrenzt: An einer allgemeinen Entsiegelungspflicht fehlt es; dazu sind zuvor Ausführungen schon gemacht worden. Indem § 5 Satz 2 vorsieht, dass bis zum Inkrafttreten einer RechtsVO nach Satz 1 die nach Landesrecht zuständigen Behörden im Einzelfall und nach Maßgabe der Voraussetzungen in Satz 1 gegenüber den Verpflichteten Anordnungen zur Entsiegelung treffen können, ergibt sich, dass auch ohne Erlass der in Satz 1 vorgesehenen RechtsVO die durch sie vorgesehene Entsiegelungspflicht (als durch § 5 geregelt) gelten soll, da ansonsten eine Konkretisierung derselben durch behördliche Anordnung nicht möglich wäre. Den Ländern bleibt bis zum Erlass der in § 5 Satz 1 angesprochenen RechtsVO die Möglichkeit, konkretisierende Bestimmungen zu der Ermächtigung in § 5 Satz 2 zu treffen, wie sich aus der Begründung zu § 5 ergibt: Dort wird die Notwendigkeit von § 5 Satz 2 damit begründet, dass die „[…] fachlichen Inhalte einer Verordnung zur Durchführung des BBodSchG […] keine konkretisierenden Bestimmungen zu dieser Verordnungsermächtigung enthalten“291; deshalb ergibt sich, dass weitere konkretisierende Bestimmungen für notwendig erachtet werden, von denen § 5 Satz 2 als Anordnungsermächtigung nur die allgemeinste Regelungsstufe betrifft. Diese weiteren Bestimmungen dürfen nach dem im verfassungsrechtlichen Teil Gesagten aber bis zum Erlass der in § 5 vorgesehenen RechtsVO ergehen, wenn sie im Übrigen mit dem BBodSchG in Einklang stehen. Zwischenergebnisse: Die Entsiegelungspflicht nach § 5 ist abschließend. Bis zum Erlass der in § 5 Satz 1 angesprochenen RechtsVO verbleibt den Ländern die Möglichkeit, konkretisierende Bestimmungen zu der Ermächtigung in § 5 Satz 2 zu treffen292. Nach Erlass der RechtsVO gem. § 5 Satz 1 ist es den Ländern untersagt, weitere Entsiegelungspflichten zu regeln. Quantitativen Bodenschutz soll § 4 bewirken: Dessen Absatz 1 verpflichtet jeden, der auf den Boden einwirkt, sich so zu verhalten, dass schädliche Bodenveränderungen nicht hervorgerufen werden. Maßgeblich für die Beurteilung der Ausrichtung dieser Vorschriften auf den quantitativen Bodenschutz ist allein der Begriff der schädlichen Bodenveränderungen in § 2 Abs. 3: Schädliche Bodenveränderungen sind Be289 Vgl. BVerfGE 18, 407/417, hier wird ebenfalls vom Erfordernis einer vollständigen materiellen Regelung als Voraussetzung für eine Sperrwirkung ausgegangen. 290 Peine, UPR 1997, 57. 291 BTag-Drs. 13/8182, S. 4. 292 Feil, S. 76; Schlabach, Bodenschutz 1998, 53.

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einträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Nach der Begründung umfasst der weite Begriff der Bodenveränderung stoffliche Einträge ebenso wie Veränderungen der Bodenphysik und die Flächenversiegelung293. Grundsätzlich ermöglicht § 4 Abs. 1 deshalb quantitativen Bodenschutz. Fraglich ist allein dessen Reichweite; aufgrund systematischer Erwägungen bzw. eines Umkehrschlusses zu § 5 ist festzuhalten, dass eine Entsiegelungspflicht nicht erfasst ist. Insb. wegen des Generalklauselcharakters von § 4 ist eine möglichst eindeutige Abgrenzung nötig. Der Wortlaut i.V.m. § 2 Abs. 3 ergibt zunächst eine allgemeine Vermeidungspflicht im Vorfeld einer Gefahr; denn § 4 Abs. 1 fordert, dass schädliche Bodenveränderungen nicht hervorgerufen werden – ist diese Pflicht nicht eingehalten, geht es um Abwehr. Entsprechend dem weiten Begriff der schädlichen Bodenveränderung sollen somit Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen und insb. Veränderungen der Bodenphysik und Flächenversiegelungen soweit wie möglich verhindert werden, bevor sie eine schädliche Bodenveränderung bewirken, d. h. geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Dementsprechend umfasst der Regelungsgehalt von § 4 Abs. 1 den von § 287 Abs. 1 UGB-ProfE; denn der Mutterboden wird über die in § 2 Abs. 2 festgeschriebenen Bodenfunktionen und § 2 Abs. 3 durch § 4 Abs. 1 insb. vor Verminderung der Nutzbarkeit, Vernichtung und Vergeudung insoweit geschützt, als die hierin liegenden Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen bereits im Vorfeld einer Gefahr zu verhindern sind. Folglich greift § 4 Abs. 1 ebenso wie § 287 Abs. 1 UGB-ProfE bei jeder Form von Einwirkungen auf den Boden ein und bildet ein umfassendes Gebot zur Bodenerhaltung auch unter quantitativen Aspekten294. Bei § 4 Abs. 1 ist der Adressatenkreis klärungsbedürftig. Dieser hängt von der Auslegung des Begriffs der Einwirkung ab; es geht insb. darum, ob auch behördliche Entscheidungsträger erfasst sind, denn ihre Einwirkung ist zum Großteil eine mittelbare (z. B. bei der Entscheidung über die Erteilung einer Baugenehmigung). Nach der Begründung betrifft § 4 Abs. 1 die vom Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 erfassten Personen295. Die Formulierung des § 3 Abs. 1 verpflichtet jedoch jedermann, sofern nicht für bestimmtes Handeln spezialgesetzliche Vorschriften einschlägig sind. Nach der Begründung schützt § 3 Abs. 1 den Boden umfassend296. Der hierin zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers schlägt sich in der Interpretation von § 4 293

BTag-Drs. 13/6701, S. 29. Dessen konkrete Ausgestaltung hängt freilich vom Erlass und der Ausgestaltung der in § 8 vorgesehenen RechtsVO ab. 295 BTag-Drs. 13/6701, S. 34: Hier wird auf die vorangehende Fassung verwiesen, die unter dieser Vorschrift jedoch ebenso wie die neue den positiven – und nur den positiven, d. h. die Ausnahmeregelungen werden für die Bestimmung des Adressatenkreises in § 4 Abs. 1 nach dem Willen des Bundesgesetzgebers nicht maßgeblich – Anwendungsbereich kennzeichnet und damit zum Vergleich herangezogen werden kann. 296 BTag-Drs. 13/7891, S. 28. 294

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Abs. 1 nieder, nach der unter „Jeder, der auf den Boden einwirkt, […]“ eine umfassende Jedermannspflicht zu verstehen ist297. Da der Wortlaut eine weite Interpretation des Adressatenkreises zulässt und dieses Ergebnis dem in der Begründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers entspricht, sind auch die behördlichen Entscheidungsträger Adressat der Norm298. Zwischenergebnis: § 4 Abs. 1 vermag über die allgemeine und undifferenzierte Jedermannspflicht hinausgehende Konkretisierungen durch die Länder im Bereich des quantitativen Bodenschutzes nicht zu sperren. Die RechtsVO nach § 8 ist jedoch zu beachten299. (2) Qualitatives Bodenschutzrecht Der UGB-ProfE enthält im zweiten Unterabschnitt zum Kapitel Bodenschutz in den §§ 288 bis 292 ausdrücklich dem qualitativen Bodenschutz gewidmete Vorschriften. § 288 UGB-ProfE beinhaltet durch Festlegung des Verbotes vermeidbarer Bodenverunreinigungen quasi die Generalklausel des qualitativen Bodenschutzes („Was unvermeidbar ist, ist eine Frage des Einzelfalls und kann nicht generell entschieden werden“300). Die §§ 289 bis 292 betreffen besondere Bereiche, so § 289 die land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung, § 290 das Aufbringen besonderer Stoffe, § 291 die Anwendung von Düngemitteln und § 292 die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Das BBodSchG enthält keine ausdrücklich dem qualitativen Bodenschutz gewidmeten Vorschriften. Erkennbar diesem Bereich zuzuordnen ist § 6, der das Auf- und Einbringen von Materialien auf oder in den Boden betrifft; ferner kann qualitativer Bodenschutz – wie schon beim quantitativen Bodenschutz ausgeführt – über den Begriff der schädlichen Bodenveränderungen durch § 4 Abs. 1 realisiert werden. § 6 ermächtigt die Bundesregierung, zur Erfüllung der sich aus dem BBodSchG ergebenden Anforderungen an das Auf- und Einbringen von Materialien hinsichtlich des Schadstoffgehalts und sonstiger Eigenschaften durch RechtsVO insb. Verbote oder Beschränkungen nach Maßgabe von Merkmalen wie Art und Beschaffenheit der Materialien und des Bodens, Aufbringungsort und -zeit und natürliche Standortverhältnisse sowie Untersuchungen der Materialien oder des Bodens, Maßnahmen 297

Vgl. auch Brandt, UTR Bd. 36, 224 („Weder der Begriff ,Boden noch der Terminus ,schädliche Bodenveränderungen weisen auf irgendwelche Einschränkungen hinsichtlich des Gegenstandsbereichs hin, im Gegenteil ist ersichtlich ein umfassender Zuschnitt gewollt.“). 298 Feil, S. 78. 299 Zudem müssen derartige Konkretisierungen mit § 4 Abs. 4 übereinstimmen, demzufolge bei der Erfüllung der boden- und altlastenbezogenen Pflichten insgesamt die planungsrechtlich zulässige Nutzung des Grundstücks und das sich daraus ergebende Schutzbedürfnis bzw. die Prägung des Gebiets unter Berücksichtigung der absehbaren Entwicklung des Schutzbedürfnisses zu beachten sind, soweit dies mit dem Schutz der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 genannten Bodenfunktionen zu vereinbaren ist. 300 Peine (Fn. 7), S. 597.

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zur Vorbehandlung dieser Materialien oder geeignete andere Maßnahmen zu bestimmen. Hinsichtlich einer etwaigen Sperrwirkung als Folge dieser Rechtsverordnungsermächtigung kann auf das im verfassungsrechtlichen Teil Gesagte verwiesen werden; die bloße Verordnungsermächtigung vermag mangels entsprechender Aussagen des Gesetzes oder der Begründung Sperrwirkung nicht zu entfalten. Dieses Resultat gilt um so mehr, als laut Begründung des Gesetzes § 6 nur zum Erlass von Auffangvorschriften ermächtigt, die die Steuerung des Auf- und Einbringens von Materialien ermöglichen, soweit (verwiesen wird auf § 3) keine spezielleren Regelungen bestehen301. Dabei kann hier offen bleiben, ob unter spezielleren Vorschriften neben solchen des Bundes- auch solche der LBodSchGe zu verstehen sind, denn es kann keinesfalls von einer erschöpfenden Regelung auszugehen sein, wenn diese nur zum Erlass von Auffangvorschriften ermächtigt. Der aufgrund von § 6 ergangenen RechtsVO dürfte von vornherein der abschließende Charakter fehlen302. Da der weite Begriff „schädliche Bodenveränderung“ jegliche stofflichen Einträge mit einschließt, umfasst § 4 Abs. 1 ebenfalls den Regelungsgehalt von § 288 UGBProfE, wenn er gebietet, dass jeder, der auf den Boden einwirkt, sich so zu verhalten hat, dass schädliche Bodenveränderungen nicht hervorgerufen werden. Dabei bestimmt sich das nach § 288 UGB-ProfE „Unvermeidbare“ bei § 4 Abs. 1 entsprechend den Verboten, Beschränkungen, Werten und Anforderungen der nach §§ 6 und 8 ergehenden RechtsVOen. Für den Umfang der Sperrwirkung gilt das zu § 4 Abs. 1 im Rahmen des quantitativen Bodenschutzes Gesagte entsprechend. Qualitativer Bodenschutz lässt sich ebenfalls durch § 4 Abs. 2 realisieren, der den Grundstückseigentümer und den Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet, Maßnahmen zur Abwehr der von ihrem Grundstück drohenden schädlichen Bodenveränderungen zu ergreifen. Da diese Vorschrift jedoch ebenso wie § 4 Abs. 1 eine sehr allgemeine und undifferenzierte Norm darstellt, gelten hinsichtlich des Umfangs der Sperrwirkung die Ausführungen zu § 4 Abs. 1 entsprechend303. Die (entsprechend den §§ 298 bis 292 UGB-ProfE) nähere Konkretisierung dieser allgemeinen Verhaltenspflicht für den qualitativen Bodenschutz erfolgt (wie schon beim quantitativen Bodenschutz dargestellt) gem. § 8 Abs. 1 und 3 durch RechtsVOen. Diese RechtsVO existiert; Landesrecht bleibt in dem Umfang zulässig, den die RechtsVO gestattet. 301

BTag-Drs. 13/6701, S. 36. Vgl. auch Peine, UPR 1997, 58. Angesichts der Tatsache, dass weder der Norm selbst noch ihrer Begründung zu entnehmen ist, für welche Fälle sie gelten soll, ist zu fragen, ob § 6 gänzlich überflüssig ist. 303 Eine vertiefte Darstellung von § 4 Abs. 2 und deren Verhältnis zu § 4 Abs. 1 erfolgt erst bei der Untersuchung von § 10, der zu Anordnungen ermächtigt, da aus der Begründung des Gesetzes (BTag-Drs. 13/6701, S. 34) nicht eindeutig hervorgeht, ob § 4 Abs. 2 lediglich die Zustandsverantwortlichkeit im Vergleich zu § 4 Abs. 1 konkretisieren soll oder eine eigenständige – und damit eventuell abschließende – Regelung einer Abwehrpflicht darstellt (mit der Frage, wie dann § 4 Abs. 1 zu beurteilen ist). 302

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Zwischenergebnis: Den Ländern verbleiben im Rahmen der RechtsVO nach § 6 Möglichkeiten für den Erlass landesrechtlicher Regelungen304. (3) Bodenüberwachung Der UGB-ProfE enthält im Dritten Unterabschnitt zur Bodenerhaltung in den §§ 293 – 296 Vorschriften betreffend die Bodenüberwachung, die die Normen des Allgemeinen Teils ergänzen (§§ 57 – 71 UGB-ProfE enthalten ein nahezu vollständiges Recht der Überwachung, §§ 72 – 76 UGB-ProfE ein nahezu vollständiges Recht der eingreifenden Maßnahmen305) und spezifisch für den Bodenschutz sind. § 293 UGB-ProfE legt fest, dass die Anzeigepflicht von Personen, die die Sachherrschaft über Gegenstände oder Stoffe ausüben, auch für den Bauherrn, den Bauleiter und den Unternehmer gilt, wenn im Zuge von Baumaßnahmen, Baugrundsondierungen, Ausschachtungen oder ähnlichen Eingriffen in den Untergrund Bodenbeeinträchtigungen festgestellt werden (damit wird umfassend gesichert, dass die zuständige Behörde von Bodenbeeinträchtigungen erfährt306). § 294 UGB-ProfE regelt die besondere Eigenüberwachung: Nach Absatz 1 und 2 kann die zuständige Behörde den Überwachungspflichtigen selbst verpflichten, bei Anhaltspunkten für eine Bodenbeeinträchtigung Messungen und Untersuchungen (Gefahrerforschungsmaßnahmen) durchzuführen; Absatz 3 enthält Regelungen über die Kostentragung; Absatz 4 regelt die Auswahl unter mehreren Kostenpflichtigen; Absatz 5 erklärt für das Verhältnis zwischen den Verantwortlichen § 426 BGB für entsprechend anwendbar. Nach § 295 UGB-ProfE kann die zuständige Behörde bei Vorliegen von Anhaltspunkten für eine Bodenbelastung bereits vor Abschluss der Analyse von Stichproben oder von Bodenuntersuchungen dem Überwachungspflichtigen geeignete Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Bodenverunreinigungen oder anderer Umweltbeeinträchtigungen auferlegen; der Überwachungspflichtige trägt die Kosten zur Durchführung der Maßnahmen. Nach § 296 UGB-ProfE kann die Behörde bereits bei Vorliegen einer Bodenveränderung bestimmte Arten der Bodennutzung und den Einsatz bestimmter Stoffe verbieten oder beschränken. Im Gegensatz hierzu fehlen im BBodSchG Vorschriften, die ausdrücklich der Bodenüberwachung gewidmet sind (§ 15 regelt zwar die Überwachung, bezieht sich jedoch aufgrund seiner systematischen Stellung und ausdrücklichen Kennzeichnung des Dritten Teils des Gesetzes ausschließlich auf Altlasten und altlastverdächtige Flächen und ist daher an dieser Stelle nicht maßgebend). Vielmehr setzt das Gesetz stillschweigend voraus, dass Überwachungsmaßnahmen (Gefährdungsabschätzung und Untersuchungsanordnungen) durchgeführt werden, wenn § 9 Abs. 1 Satz 1 festlegt, dass die zuständige Behörde die zur Ermittlung des Sachverhalts geeigneten Maßnahmen ergreift, wenn ihr Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass insb. eine schädliche Bodenveränderung vorliegt. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer schädlichen Boden304 305 306

Feil, S. 81. Peine (Fn. 7), S. 603. Ebd.

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veränderung setzten jedoch notwendigerweise eine vorangehende Überwachung und gegebenenfalls eine Anzeige voraus. Auch § 8, auf den sich § 9 Abs. 1 Satz 2 bezieht, enthält für die zu erlassenden RechtsVOen keine expliziten Vorgaben betreffend die Regelung der Bodenüberwachung und Anzeigepflicht. Solche Vorgaben können sich damit nur implizit aus § 8 Abs. 1 (Vorschriften über die Erfüllung der sich aus § 4 ergebenden boden- und altlastenbezogenen Pflichten sowie die Untersuchung und Bewertung von Verdachtsflächen und schädlichen Bodenveränderungen), Absatz 2 (Vorschriften zur Erfüllung der sich aus § 7 ergebenden Pflichten sowie zur Festlegung von Anforderungen an die damit verbundene Untersuchung und Bewertung von Flächen mit Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung) und/oder Absatz 3 (Festlegung von Verfahren zur Ermittlung von umweltgefährdenden Stoffen) ergeben. Da aber – wie zuvor dargestellt – die bloße Ermächtigung in § 8 mangels entgegenstehender Aussagen Sperrwirkung gegenüber bestehenden oder zukünftigen landesrechtlichen Regelungen betreffend die Bodenüberwachung nicht zu erzeugen vermag, ist hier eine nähere Analyse entbehrlich. Hingewiesen sei an dieser Stelle auf die sich aus dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG möglicherweise ergebenden Rechtsprobleme angesichts der angesprochenen Unbestimmtheit von § 8 jedenfalls in Bezug auf Vorschriften betreffend die Bodenüberwachung: Entsprechend dem Bestimmtheitsgebot muss der Gesetzgeber selbst die Entscheidung treffen, welche Fragen durch die RechtsVO geregelt werden sollen (Inhalt), er muss die Grenzen einer solchen Regelung festsetzen (Ausmaß) und angeben, welchem Ziel die Regelung dienen soll (Zweck307); an Ermächtigungen zu belastenden Regelungen sind strengere Anforderungen zu stellen als an Ermächtigungen zu begünstigenden Regelungen308. Da aber Überwachungsund Anzeigepflichten regelmäßig für die Betroffenen belastend sind, könnte anzunehmen sein, dass § 8 insofern zu unbestimmt ist. Es könnte jedoch das Bestimmtheitsgebot so auszulegen sein, dass sich aus dem Gesetz ermitteln lassen muss, welches vom Gesetzgeber gesetzte Programm durch RechtsVO erreicht werden soll309 bzw. der Bürger aus dem Gesetz ersehen können muss, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen RechtsVOen haben können310. Mit diesem Inhalt ist § 8 hinreichend bestimmt, da Überwachungs- und Anzeigepflichten einen notwendigen Bestandteil von bzw. eine notwendige Vorstufe für Bodenschutzmaßnahmen darstellen und letztlich eine im Verhältnis zu ihrem Nutzen für die Allgemeinheit auch geringe Belastung darstellen.

307 „Selbstentscheidungsformel“, BVerfGE 2, 307/334; 23, 62/72; s. Pieroth (Fn. 162), Art. 80 Rn. 11. 308 BVerfGE 23, 62/73. 309 „Programmformel“, BVerfGE 5, 71/77; 8, 274/307 ff.; 58, 257/277; s. Pieroth (Fn. 162), Art. 80 Rn. 11. 310 „Vorhersehbarkeitsformel“, BVerfGE 1, 14/60; 41, 251/266; 56, 1/12; s. Pieroth (Fn. 162), Art. 80 Rn. 11.

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Eine Überwachungspflicht für jedermann ergibt sich letztlich aus § 4 Abs. 1311: Wenn jeder sich so zu verhalten hat, dass schädliche Bodenveränderungen nicht hervorgerufen werden, so beinhaltet dies zwangsläufig auch die Verpflichtung eines jeden, sein Handeln und dessen Auswirkungen auf den Boden zu überwachen. Eine Anzeigepflicht entsprechend § 293 UGB-ProfE lässt sich hierin jedoch nicht erkennen und ihre Annahme würde über die Grenzen des Wortlauts hinausgehen, da § 4 Abs. 1 erkennbar nur auf den Einzelnen und nicht auf dessen Verhältnis zur zuständigen Behörde abstellt; Entsprechendes gilt für § 4 Abs. 2. § 9 Abs. 1 legt fest, unter welchen Voraussetzungen die zuständige Behörde von Amts wegen Ermittlungen durchführt: Bei Vorliegen von Anhaltspunkten über das Vorhandensein einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast soll die Behörde zur Ermittlung des Sachverhalts die geeigneten Maßnahmen ergreifen (S. 1); werden die in einer RechtsVO nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 festgesetzten Prüfwerte überschritten, soll die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen treffen (was auch die Anordnungen von Maßnahmen gegenüber Dritten mit einschließt312), um festzustellen, ob eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt (Absatz 1 Satz 2). Satz 3 legt die besonders zu berücksichtigenden Untersuchungskriterien fest, Satz 4 beinhaltet ein antragsgebundenes Recht des Grundstückseigentümers und Inhabers der tatsächlichen Gewalt auf schriftliche Unterrichtung. Zu beantworten ist die Frage, ob die LBodSchGe die unbestimmten Rechtsbegriffe „Anhaltspunkte“ und „geeignete Maßnahmen“ konkretisieren dürfen. Diese Frage ist zu bejahen. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind regelmäßig durch die Rechtsanwender inhaltlich zu bestimmen; ob die inhaltliche Bestimmung korrekt erfolgt ist, entscheiden die Gerichte. Die Kompetenz des Bundes zum Gesetzerlass wird nicht verletzt, wenn die Landesgesetzgeber durch das Formulieren von Regelbeispielen den Behörden eine Hilfestellung bei der Anwendung des Gesetzes geben313. Dieses Recht zur Hilfestellung endet, wenn der Landesgesetzgeber den unbestimmten Rechtsbegriff in einer Weise konkretisiert, die sich mit einer Interpretation des Begriffs entsprechend den Regeln der Auslegung nicht mehr vereinbaren lässt. Gesetzestext und Begründung sehen nicht ausdrücklich vor, dass weitergehende Regelungen betreffend die Amtspflicht der Behörde zur Durchführung von Ermittlungen ausgeschlossen sein sollen. Laut Begründung konkretisieren die Sätze 2 und 3 die von der Behörde durchzuführenden Ermittlungsmaßnahmen und stellen somit ein zielgerichtetes Vorgehen der Behörde sicher314. Deshalb könnte § 9 Abs. 1 eine abschließende Regelung beinhalten. Wenn allerdings die Begründung weiter sagt, dass der Vollzug des Gesetzes durch die Länder mit Hilfe eines Mindeststandards harmonisiert wird315, muss angenommen werden, § 9 Abs. 1 lasse neben 311 312 313 314 315

Feil, S. 85. BTag-Drs. 13/8182, S. 5. A.A. Feil, der eine Konkretisierung durch Gesetz und VO ausschließt, S. 96. BTag-Drs. 13/6701, S. 40. BTag-Drs. 13/6701, S. 40.

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dem von ihm selbst geregelten Minimum weitergehende Regelungen betreffend die Ermittlung auf Landesebene zu, solange die angesprochene Harmonisierung nicht beeinträchtigt wird. Zu den weitergehenden Regeln können ohne weiteres Normen gehören, die es gestatten, den ermittelnden Behörden eine Frist zu setzen oder die bereits eine Fristsetzung enthalten. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 kann die zuständige Behörde (entsprechend § 294 Abs. 1 und 2 UGB-ProfE) anordnen, dass316 1. der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung sowie dessen Rechtsnachfolger, 2. der Grundstückseigentümer (auch der frühere, § 9 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 6), 3. der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück, 4. derjenige, der aus handelsrechtlichem oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person, der ein Grundstück, das mit einer schädlichen Bodenbelastung oder Altlast belastet ist, gehört, einzustehen hat, sowie 5. derjenige, der das Eigentum an einem solchen Grundstück aufgibt, 6. die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen hat (sog. Gefahrerforschungseingriffe), wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht insb. einer schädlichen Bodenveränderung besteht317. Nach Satz 2 kann die zuständige Behörde verlangen, dass Untersuchungen von Sachverständigen oder Untersuchungsstellen nach § 18 durchgeführt werden. Es sprechen sowohl systematische als auch entstehungsgeschichtliche Argumente dafür, § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 als abschließende Regelung des Problems zu betrachten, unter welchen Voraussetzungen die zuständige Behörde gegenüber den Verpflichteten Gefahrerforschungseingriffe anordnen darf. Nach § 9 Abs. 2 Satz 3 bestimmen sich die sonstigen Pflichten zur Mitwirkung der angesprochenen Personen sowie Duldungspflichten des Eigentümers der betroffenen Grundstücke, der sonstigen betroffenen Nutzungsberechtigten und der betroffenen Nachbarschaft nach Landesrecht. Belässt aber der Bundesgesetzgeber den Ländern für „sonstige Pflichten zur 316

Zum Folgenden Feil, S. 89. Dabei muss laut Begründung analog zum Gefahrenbegriff hinsichtlich des Grades der Wahrscheinlichkeit differenziert werden: Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eingetretene Schaden ist, um so geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit einer bestehenden Gefahr zu stellen (BTag-Drs. 13/670 1, S. 40) – denkbar wäre, dass die Anknüpfung der Ermächtigung an den hinreichenden Verdacht landesrechtliche Ermächtigungen unberührt ließe, die bereits bei „früheren“ Verdachtsstadien greifen; dies dürfte jedoch zu verneinen sein, da solche Erweiterungen nicht mit der dem Gesetz zugrunde liegenden und auf Rechtssicherheit und Verbesserung des Investitionsklimas abzielenden Vereinheitlichungstendenz zu vereinbaren wären; dem Ziel effektiven Bodenschutzes wird daher durch die Festsetzungen in den nach § 8 ergehenden RechtsVOen Sorge zu tragen sein müssen, die Anhaltspunkte für die Schwelle des hinreichenden Gefahrenverdachts geben werden. 317

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Mitwirkung“ sowie Duldungspflichten ausdrücklich die Kompetenz zum Gesetzeserlass, so ergibt sich im Umkehrschluss, dass die in § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 genannten Pflichten gerade nicht in die Länderkompetenz fallen sollen; auch eine Konkretisierung dieser Pflichten durch die Länder entfällt. Dieses Resultat bestätigt der Vergleich von § 9 Abs. 2 Satz 3 mit der Fassung im ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung, der in § 9 Abs. 2 Satz 2 a.F. vorsah, dass „Einzelheiten dieser Pflicht [gemeint ist § 9 Abs. 2 Satz 1 nach alter wie neuer Fassung; F.-J. P.] sowie sonstige Pflichten zur Mitwirkung der in § 4 Abs. 3 genannten Personen sowie Duldungspflichten der nach § 12 Betroffenen […]“ sich nach Landesrecht bestimmen318. Mit der Streichung des Anfangs dieser Regelung gibt der Bundesgesetzgeber zu verstehen, dass die Länder Konkretisierungen der in § 9 Abs. 2 Satz 1 geregelten Untersuchungspflicht gerade nicht treffen sollen319, insoweit also eine abschließende Regelung vorliegt320. Eine § 295 UGB-ProfE entsprechende Möglichkeit der zuständigen Behörde, bei Anhaltspunkten für eine Bodenbelastung und bereits vor Abschluss von Untersuchungsmaßnahmen dem Überwachungspflichtigen geeignete Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Bodenverunreinigungen oder anderer Umweltbeeinträchtigungen aufzuerlegen, ergibt sich dem Wortlaut nach aus § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 und 2 (eine entsprechende Pflicht kann aus § 9 Abs. 1 Satz 1 nicht hergeleitet werden, da dieser nur „zur Ermittlung des Sachverhalts“ geeignete Maßnahmen vorsieht, die hier angesprochene Anordnungsbefugnis aber über die Ermittlung hinaus die Bekämpfung betrifft). § 10 Abs. 1 Satz 1 gibt der zuständigen Behörde die Befugnis, zur Erfüllung der sich aus §§ 4 und 7 und den aufgrund von §§ 5 Satz 1, 6 und 8 erlassenen RechtsVOen ergebenden Pflichten die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Unter „notwendige Maßnahmen“ sind dabei insb. Anordnungen bzw. Verfügungen zu verstehen, wie sich aus Satz 4 der Vorschrift ergibt (der ferner vorsieht, dass diese Anordnungen verhältnismäßig sein müssen321)322. § 10 Abs. 1 Satz 1 stellt wegen seiner weiten Fassung die Zentralnorm für Anordnungen der zuständigen Behörde an die jeweiligen Verantwortlichen dar. Die in § 7 geregelte Vorsorgepflicht, die eine große Zahl vielgestaltiger Fälle erfasst und deshalb notwendigerweise abstrakt gehalten ist, bedarf entsprechend § 10 Abs. 1 Satz 3 zu ihrer Konkretisierung einer RechtsVO (insb. ist laut Begründung das 318

BTagDrs. 13/6701, S. 11, 40; BTag-Drs. 13/7891, S. 13. Vgl. BTag-Drs. 13/7891: „Die Neufassung des Satzes 2 ist eine Folgeänderung zum Antrag auf Änderung des Artikels 1 § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzentwurfs. Die Einzelheiten der […] durchzuführenden Untersuchungen sollen nunmehr durch eine Rechtsverordnung des Bundes geregelt werden.“ 320 Feil, S. 90. 321 Vgl. Peine, UPR 1997, 58. Zu kritisieren ist, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Natur und Selbstverständlichkeit keiner Erwähnung bedarf und deshalb hätte gestrichen werden können. 322 Laut Begründung zählen zu diesen Maßnahmen insb. auch Anordnungen betreffend Anforderungen an die Nutzung eines Grundstücks sowie Verbote und Beschränkungen betreffend die Verwendung bestimmter Stoffe, BTag-Drs. 13/6701, S. 40. 319

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Vorliegen einer entsprechenden RechtsVO Voraussetzung für eine Umsetzung durch Einzelverfügung323), deshalb können jedenfalls bis zum Erlass der in § 10 Abs. 1 angesprochenen RechtsVOen Verfügungen nur aufgrund von § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 und 2 ergehen324. Dabei ist § 10 dem Wortlaut nach schon vor Abschluss der Analyse von Stichproben oder von Bodenuntersuchungen anwendbar, so dass angesichts der weiten Fassung des § 4 Abs. 1 sämtliche auch von § 295 UGB-ProfE erfassten Anordnungen grundsätzlich möglich sind. Problematisch ist allein die vom Gesetz getroffene Unterscheidung zwischen § 4 Abs. 1 und Abs. 2: Indem § 4 Abs. 1 eine Verhaltenspflicht, schädliche Bodenveränderungen nicht hervorzurufen, und § 4 Abs. 2 die Verpflichtung, Maßnahmen zur Abwehr von drohenden schädlichen Bodenveränderungen zu ergreifen, enthält, könnte § 4 Abs. 1 für die Anwendung des § 10 Abs. 1 entfallen, wenn auf seiner Grundlage gerade keine Abwehrmaßnahmen gegen weitere bzw. drohende schädliche Bodenveränderungen möglich wären. Diese Unterscheidung ist bedeutungsvoll, weil § 4 Abs. 1 jedermann erfasst, während § 4 Abs. 2 lediglich den Grundstückseigentümer und den Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück im Blick hat und der Adressatenkreis von § 10 deshalb beschränkt sein könnte. Die entscheidende Frage ist, ob § 4 Abs. 1 auch eine Abwehrpflicht enthält, weil nach dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts eine die Abwehrpflicht konkretisierende Anordnung aufgrund von § 10 Abs. 1 Satz 1 durch die zuständige Behörde ergehen darf, wenn das Gesetz diese Pflicht enthält. Der Wortlaut i.V.m. § 2 Abs. 3 ergibt zunächst eine allgemeine Vermeidungspflicht i.S. einer Vorsorge; denn § 4 Abs. 1 fordert, dass schädliche Bodenveränderungen nicht hervorgerufen werden – sind sie hervorgerufen, geht es um ihre Abwehr. Die Vorsorge ist jedoch in § 7 geregelt; deshalb stellt sich die Frage, ob § 4 Abs. 1 weit zu interpretieren ist (vgl. § 7 Satz 7, nach dem sich bei bestehenden Bodenbelastungen die zu erfüllenden Pflichten nach § 4 bestimmen; der Umkehrschluss ergibt, dass § 4 insgesamt und damit auch § 4 Abs. 1 gerade nicht allein den Vorsorgebereich betreffen soll). Eine Auslegung des Begriffs „hervorrufen“ von schädlichen Bodenveränderungen ergibt, dass hierunter jedenfalls nicht das Bestehen, wohl aber das Entstehen von schädlichen Bodenveränderungen fällt und damit ein Zustand zwischen Nichtvorhandensein und Bestehen einer schädlichen Bodenveränderung angesprochen wird, der Abwehrmaßnahmen nötig macht; § 4 Abs. 1 erfasst deshalb auch Abwehrmaßnahmen325. Für eine weite Interpretation i.S. einer Abwehr sprechen ferner die Überschrift von § 4 „Pflichten zur Gefahrenabwehr“ sowie § 8 Abs. 1 Nr. 3, der sich auf § 4 insgesamt bezieht und von Anforderungen an die Abwehr schädlicher Bodenveränderungen und die Sanierung spricht (laut Gesetzesbegründung können aufgrund von § 8 Abs. 1 Nr. 3a Anforderungen an die Abwehr drohender schädlicher Bodenveränderungen

323 324 325

BTag-Drs. 13/6701, S. 40. § 4 Abs. 3 betrifft die Sanierung und wird später behandelt. Feil, S. 94.

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konkretisiert werden326). Sollte nämlich § 4 Abs. 1 lediglich die Vorsorge betreffen, würde § 8 kaum auf den gesamten § 4 Bezug nehmen. Eine weite Interpretation liegt schließlich der Begründung des Gesetzes zugrunde327. Insb. die Jedermannspflicht bezweckt die Abwehr schädlicher Bodenveränderungen und besitzt damit eine vorbeugende Funktion; sie steht als Abwehrpflicht in der Tradition der polizeirechtlichen Gefahrenabwehr; mit der Legaldefinition der schädlichen Bodenveränderung ist klargestellt, dass es darum geht, Gefahren vom Einzelnen und der Allgemeinheit abzuwehren – der Schutz des Bodens als Schutzgut der Allgemeinheit ist in die Gefahrenabwehr integriert. Es könnte angenommen werden, die Gesetzesbegründung ginge über den Wortlaut des § 4 Abs. 1 hinaus; denn zwischen der Abwehr und dem Hervorrufen besteht, wie gezeigt, ein beträchtlicher Unterschied. Missverständlich ist auch der Gebrauch des Begriffs der schädlichen Bodenveränderungen: Nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 3 ist eine schädliche Bodenveränderung eine Beeinträchtigung der Bodenfunktionen, die gerade keine Gefahr darstellt, sondern geeignet ist, eine solche hervorzurufen (hiervon geht auch die Begründung selbst aus328). Sollte eine schädliche Bodenveränderung also ihrerseits bereits eine Gefahr darstellen, würde sich die Definition insoweit erübrigen; das kann aber nach dem Wortlaut nicht gewollt sein. Vielmehr geht der Gesetzgeber offenbar von Folgendem aus: Liegt eine schädliche Bodenveränderung vor, so ist sie als Störung im Wege der Sanierung zu beseitigen, droht eine schädliche Bodenveränderung, so ist sie als Gefahr abzuwehren. So verstanden stellt die Gesetzesbegründung zutreffend die Jedermannspflicht des § 4 Abs. 1 als Abwehrpflicht in der Tradition der polizeirechtlichen Gefahrenabwehr heraus329. Dieses Ergebnis steht auch bei systematischer Betrachtung mit der Überschrift von § 4 in Einklang („Pflichten zur Gefahrenabwehr“). Nach dem objektiven Willen des Gesetzes sind unterschiedliche Stufen des Umgangs mit schädlichen Bodenveränderungen vorhanden: Absatz 2 betrifft ausdrücklich das Ergreifen von Abwehrmaßnahmen, Absatz 3 betrifft die Sanierung. Das Gesetz normiert ein Stufenverhältnis bei der Gefahrenabwehr; Bezugspunkt ist der Grad der jeweils vorliegenden Gefahr: Existiert sie, ist zu sanieren (Absatz 3), droht eine schädliche Bodenverände326

BTag-Drs. 13/6701, S. 38: So insb. durch Regelungen, die Anforderungen an den Umgang mit kontaminiertem Bodenmaterial stellen, das, nachdem es ausgehoben, abgeschoben oder behandelt worden ist, andernorts wieder abgelagert werden soll. 327 BTag-Drs. 13/6701, S. 34. 328 BTag-Drs. 13/6701, S. 29 f. 329 Es stellt sich angesichts der polizeirechtlichen Ausgestaltung von § 4 Abs. 1 die Frage seiner Erforderlichkeit: Indem spätestens mit Erlass des Gesetzes die Funktionen des Bodens und deren Schutz zum Bestandteil der Rechtsordnung und damit zu den Rechtsgütern der öffentlichen Sicherheit zählen, könnte der von § 4 Abs. 1 angestrebte Bodenschutz bereits auf Grundlage der allgemeinen Polizei- und Ordnungsgesetze der Länder bzw. der polizeilichen Generalklausel bewirkt werden, ohne dass es einer allgemeinen Pflicht i.S.v. § 4 Abs. 1 bedürfte. Die Erforderlichkeit dürfte im Ergebnis jedoch zu bejahen sein, da die Vorschrift die grundlegenden Gebote für den quantitativen und qualitativen Bodenschutz enthält (s. o.) und das Gesetz ohne diese Generalklausel weitgehend untauglich wäre.

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rung, sind Abwehrmaßnahmen zu ergreifen (Absatz 2), grundsätzlich sind schädliche Bodenveränderungen nicht hervorzurufen, um es nicht erst zu notwendigen Abwehrmaßnahmen im weitesten Sinne kommen zu lassen. Diese Sicht stimmt auch überein mit der Gesetzesbegründung zu § 4, derzufolge die in § 4 genannten Pflichten den in § 1 Satz 2 festgelegten Handlungszielen zugeordnet sind330. Nach § 1 Satz 2 sind schädliche Bodenveränderungen abzuwehren (vgl. § 4 Abs. 2), der Boden und Altlasten sowie hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen sind zu sanieren (§ 4 Abs. 3) und Vorsorge gegen nachteilige Einwirkungen auf den Boden ist zu treffen (§§ 7 und 17). Entsprechend den obigen Ausführungen kann § 4 Abs. 1 in Abgrenzung zu §§ 7, 17 und 4 Abs. 3 daher notwendigerweise nur der Abwehr von schädlichen Bodenveränderungen zugeordnet werden, zumal mit „Abwehr schädlicher Bodenveränderungen“ nach alledem ganz offenbar die Abwehr des Entstehens schädlicher Bodenveränderungen angesprochen wird331. Dazu steht auch § 4 Abs. 2, der ausdrücklich von Abwehrmaßnahmen (und zwar entsprechend dieser Auslegung von drohenden schädlichen Bodenveränderungen) spricht, nicht im Widerspruch; denn § 4 Abs. 2 schließt die Anwendung von § 4 Abs. 1 nicht aus (was einen Umkehrschluss rechtfertigen würde), sondern konkretisiert die Vorschrift für die Pflichten des Grundstückseigentümers und den Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück. Dieses Ergebnis bestätigt die Gesetzesbegründung: „Während die Pflicht nach Absatz 1 am menschlichen Verhalten anknüpft, konkretisiert Absatz 2 die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers und des Inhabers der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück.“332 § 4 Abs. 1 regelt die Abwehr entstehender schädlicher Bodenveränderungen; deshalb kann die zuständige Behörde nach § 10 Abs. 1 Satz 1 auch diesen Fall betreffende eingreifende Anordnungen an die von §§ 4 Abs. 1 und 2 Betroffenen erlassen. Als Ermächtigungsgrundlage ist § 10 Abs. 1 Satz 1 grundsätzlich abschließend. Sein Anwendungsbereich bestimmt sich nach den zu erlassenden RechtsVOen. Es können ohne weiteres in LBodSchGen Regelbeispiele für die „notwendigen Maßnahmen“ i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 gebildet werden. Es gilt das zu den unbestimmten Rechtsbegriffen in § 9 Abs. 1 Satz 1 Gesagte. Klärungsbedürftig ist, ob § 10 Abs. 1 auch für diejenigen Fälle die ausschließliche Ermächtigungsgrundlage sein soll, für die die betreffenden VOen noch nicht erlassen sind. Für eine „enge“ Auslegung von § 10 Abs. 1 spricht der Wortlaut seines Absat330

BTag-Drs. 13/6701, S. 34. Bemängelnswert ist die Undifferenziertheit der Bezugnahme des Gesetzes auf den Zentralbegriff der schädlichen Bodenveränderung (vgl. dagegen § 284 Abs. 2 UGB-ProfE, der hinsichtlich der Intensität der Bodenbeeinträchtigung wesentlich differenzierter ist und daher Missverständnissen vorbeugt). Vgl. auch Vierhaus, NJW 1998, 1263: „Es ist kaum erkennbar, welchen Sinn es haben soll, die Materie dadurch zu komplizieren, dass neben dem Oberbegriff der ,schädlichen Bodenveränderung ein relativ unscharfer Altlasten-Begriff aufrechterhalten wird, zumal beispielsweise § 9 BBodSchG als Ermächtigungsgrundlage für behördliche Untersuchungsanordnungen ausdrücklich beide Fälle gleichermaßen erfasst.“ 332 BTag-Drs. 13/6701, S. 34. 331

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zes 1 Satz 1, nach dem die Ermächtigung nur zur Erfüllung der dort genannten Vorschriften dient, sowie der Gedanke, dass die Sperrwirkung einer Ermächtigungsgrundlage nicht weiter reichen kann als die Sperrwirkung der mit ihrer Hilfe durchzusetzenden Regelungen. Für eine „weite“ Interpretation lässt sich anführen, dass die Bezugnahme auf die generalklauselartig gefassten Vorschriften in §§ 4 und 7 auch etwaige durch die Länder vorgenommene Konkretisierungen und Ergänzungen miteinbeziehen sollen. Dem steht wiederum entgegen, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 auch Bezug auf die nach §§ 5 Satz 1, 6, 8 zu erlassenden RechtsVOen nimmt, die ihrerseits die Generalklauseln in §§ 4 und 7 ergänzen und konkretisieren sollen. Wenn eine zusätzliche Betonung der die Generalklauseln ausfüllenden RechtsVOen in der Ermächtigungsgrundlage für notwendig erachtet wird, so ist daraus zu schließen, dass diese Ermächtigungsgrundlage für Konkretisierungen durch Landesvorschriften nicht gelten soll; anderes hätte klargestellt werden müssen. Da auch die Begründung hierzu keine gegenteiligen Anhaltspunkte enthält, stellt § 10 Abs. 1 eine abschließende Ermächtigungsgrundlage nur für die von Satz 1 erfassten Fälle dar und vermag darüber hinaus Sperrwirkung nicht zu entfalten: Dieses Ergebnis gilt jedenfalls für solche Pflichten, die vom BBodSchG überhaupt nicht geregelt werden und für deren Regelung die Länder kompetent bleiben (wie z. B. die Rekultivierungspflicht); ansonsten hängt der Umfang der Sperrwirkung des § 10 Abs. 1 Satz 1 von den zu erlassenden RechtsVOen (und deren Sperrwirkung) ab333. § 10 Abs. 2 verpflichtet die Behörde, bei Anordnungen zur Beschränkung der land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung sowie zur Bewirtschaftung von Böden dem Grundstückseigentümer oder dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt einen angemessenen Ausgleich für die nach zumutbaren innerbetrieblichen Anpassungsmaßnahmen verbliebenen wirtschaftlichen Nachteile334 zu gewähren, wenn die Verpflichteten nicht Verursacher der schädlichen Bodenveränderungen sind und die Nutzungsbeschränkung andernfalls zu einer über die damit verbundene allgemeine Belastung erheblich hinausgehenden besonderen Härte führen würde. Die konkrete Ausgestaltung dieses Ausgleichs bestimmt sich ausdrücklich nach Maßgabe des Landesrechts; die Länder bleiben insoweit kompetent. Mit Blick auf die zu treffende landesrechtliche Regelung schlage ich trotz einiger Vorbehalte, weil diese Bestimmung sehr großzügig ist335, die Übernahme von § 71 BbgNatSchG vor; die Norm enthält ähnliche Formulierungen wie die einschlägigen Vorschriften der anderen Landesnaturschutzgesetze; diese Vorschrift entspricht den schon gemachten Ausführungen zur Interpretation von § 10 Abs. 2. § 71 BbgNatSchG lautet: Abs. 1: „Werden Eigentümern oder Nutzungsberechtigten durch dieses Gesetz oder Maßnahmen aufgrund des (BBodSchG) Beschränkungen ihrer Nutzungsrechte oder Pflichten in einem Ausmaß auferlegt, das über die Sozialbindung 333

Feil, S. 95. Und nicht für die aufgrund von Summations- und Distanzschäden eingetretene Wertminderung des Grundstücks, BTag-Drs. 13/6701, S. 40. 335 s. dazu Peine, NNA 1999, 136 ff. 334

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des Eigentums hinausgeht, so haben sie Anspruch auf Entschädigung durch das Land. Die Entschädigung muss die Vermögensnachteile, die durch die Maßnahme verursacht wurden, angemessen ausgleichen.“ Abs. 2: „Eine Entschädigung ist insbesondere zu gewähren, soweit infolge von Verboten oder Geboten 1. bisher rechtmäßige Grundstücksnutzungen aufgegeben oder eingeschränkt werden müssen, 2. Aufwendungen an Wert verlieren, die für die beabsichtigte bisher rechtmäßige Grundstücksnutzung in schutzwürdigem Vertrauen darauf gemacht wurden, dass diese rechtmäßig bleibe, oder 3. die Lasten und Bewirtschaftungskosten von Grundstücken auch in absehbarer Zeit nicht durch ihre Erträge und sonstige Vorteile ausgeglichen werden können und hierdurch die Betriebe oder sonstigen wirtschaftlichen Einheiten, zu denen die Grundstücke gehören, unvermeidlich und nicht nur unwesentlich beeinträchtigt werden.“ Diese Norm ist um Aussagen betreffend die Entschädigungsverpflichteten, die Art der Entschädigung und das Verfahren der Gewährung von Entschädigungen zu ergänzen. Es ist möglich, die getroffene Regelung um einen sog. Erschwernisausgleich und einen Härteausgleich zu komplettieren. § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 gibt entsprechend dem Gesagten aufgrund seiner weiten Fassung und der Verweisung auf §§ 6 und 8 der zuständigen Behörde die Möglichkeit, bestimmte Arten der Bodennutzung und den Einsatz bestimmter Stoffe zu verbieten oder zu beschränken336 und umfasst damit den Regelungsgehalt von § 296 UGB-ProfE (der Umfang der Sperrwirkung bestimmt sich wie soeben erörtert). Für den Bereich der land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung ergibt sich diese Befugnis ausdrücklich aus § 10 Abs. 2 („Trifft die zuständige Behörde gegenüber dem Grundstückseigentümer oder dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt zur Erfüllung der Pflichten nach § 4 Anordnungen zur Beschränkung der land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung sowie zur Bewirtschaftung von Böden […]“). Als Zwischenergebnisse sind festzuhalten, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 eine abschließende Regelung darstellt, sein Anwendungsbereich jedoch von der nach § 10 Abs. 1 Satz 1 zu erlassenden RechtsVO abhängt. Darüber hinaus entfaltet § 10 Abs. 1 eine Sperrwirkung nicht. § 10 Abs. 2 bewirkt keine Sperre, sondern verpflichtet die Länder zur Gesetzgebung. Es besteht die Möglichkeit, dass sich die Länder mit Blick auf den angemessenen Ausgleich an bereits vorhandenen landesrechtlichen Regelungen orientieren; hier wird zur Orientierung die Regelung des BbgNatSchG vorgeschlagen. Die Kosten der Untersuchungs- und Abwehrmaßnahmen tragen nach § 24 Abs. 1 Satz 1 die zur Durchführung Verpflichteten; ihnen sind nach Satz 2 die Kosten zu erstatten, wenn im Fall von § 9 Abs. 2 die Untersuchungen den Verdacht nicht bestätigen oder wenn im Fall von § 10 Abs. 2 die dort aufgezählten Verpflichteten nicht Verursacher der schädlichen Bodenveränderung sind, sofern sie die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu vertreten haben. § 24 Abs. 2 regelt unter Hinweis auf § 426 BGB einen Ausgleichsanspruch mehrerer Verpflichteter untereinander und unabhängig von ihrer Heranziehung. Die Verpflichtung zum Ausgleich sowie der Um336

Vgl. die Gesetzesbegründung, BTag-Drs. 13/6701, S. 40.

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fang des zu leistenden Ausgleichs hängen davon ab, inwieweit die Gefahr oder der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die Regelung geht über § 294 Abs. 5 UGB-ProfE hinaus, der insoweit lediglich auf § 426 BGB verweist. § 24 Abs. 1 entspricht weitgehend § 294 Abs. 3 (sowie § 295 Satz 2) UGB-ProfE, er enthält aber im Gegensatz zu diesem und zu § 294 Abs. 4 keine Differenzierung zwischen Verursachern und Zustandsverantwortlichen betreffend die Kostenverantwortlichkeit insb. für die Fälle, in denen mehrere Personen nebeneinander kostentragungspflichtig sind. Insoweit haben mangels entgegenstehender Anhaltspunkte die Länder die Gesetzgebungszuständigkeit. Zum einen sind in der Praxis die Fälle, in denen die Verursacher fehlen oder nicht zahlungskräftig oder mehrere Personen nebeneinander kostentragungspflichtig sind, durchaus häufig und verlangen nach einer gesetzlichen Regelung, um willkürliche Ergebnisse zu verhindern337; zum anderen beschäftigt sich der Gesetzgeber weder im BBodSchG noch in dessen Begründung mit der Auswahl unter mehreren Verantwortlichen – aus der Regelung des nur „internen“ Ausgleichsanspruchs mehrerer Verpflichteter untereinander lassen sich gerade keine Rückschlüsse auf eine etwaige Vorgabe an die zuständige Behörde ziehen, da der Ausgleichsanspruch sich unabhängig von der – ohne weiteres vorausgesetzten – Heranziehung durch die Behörde bestimmt. Dieses rechtfertigt den Schluss, dass der Gesetzgeber ganz bewusst auf eine diesbezügliche Regelung verzichtet hat. Wird somit die Auswahlentscheidung der zuständigen Behörde überlassen, so bleiben die Länder zur Regelung kompetent338. Eine Haftungsbeschränkung ergibt sich nach § 4 Abs. 5 Satz 2 für denjenigen, der zum Zeitpunkt der Verursachung einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast aufgrund der Erfüllung der für ihn geltenden gesetzlichen Anforderungen darauf vertraut hat, dass solche Beeinträchtigungen nicht entstehen werden, und sein Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls schutzwürdig ist. Weitere Haftungsbeschränkungen fehlen. Deshalb könnte der Eindruck entstehen, die Länder blieben für Weiteres kompetent. Diese Annahme ist jedoch angesichts der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu verneinen: Die im vorangegangenen Entwurf geregelte Haftungsbeschränkung339 hat der Vermittlungsausschuss ersatzlos gestrichen340 : Nach § 25 Abs. 2 a.F. waren der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück, der weder Verursacher der schädlichen Bodenveränderung oder Altlast ist noch bei der Begründung des Eigentums Kenntnis von der schädlichen Bodenveränderung oder Altlast oder den sie begründenden Umständen hatte oder hätte haben können, nach Absatz 1 insoweit nicht kostenpflichtig, als die Kosten der angeordneten Maßnahme die Nutzung des Grundstücks mit den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteilen ausschließen (Satz 1: „Opferposi337 338 339 340

Vgl. neben den genannten Vorschriften des UGB-ProfE auch § 344 UGB-KomE (Fn. 8). Feil, S. 98; Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, § 24 Rn. 5. Vgl. BTag-Drs. 13/6701, S. 13, 46. Vgl. BTag-Drs. 13/9637, S. 5.

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tion“ des Grundstückseigentümers). Beim Eigentümer schlossen nach Satz 2 a.F. die Kosten der angeordneten Maßnahme die Nutzung des Grundstücks mit den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteilen aus, soweit die zur Durchführung der Maßnahmen erforderlichen Kosten den Verkehrswert des Grundstücks unter Berücksichtigung der durchgeführten Maßnahmen (hierunter fielen auch die durchgeführten Altlastensanierungsmaßnahmen) überstiegen341. Beim Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück war laut Begründung der Nutzen des Grundstücks individuell anhand der ihm vom Eigentümer eingeräumten Rechtsposition zu bestimmen342. Die ersatzlose Streichung dieser Vorschrift könnte dazu zwingen, anzunehmen, dass der Bundesgesetzgeber die Kompetenz insoweit an sich gezogen hat und keine diesbezügliche Regelung wünscht (mittelbare negative Regelung343). Eine Begründung des Gesetzgebers für die Streichung der ursprünglichen Haftungsbeschränkung ist nicht vorhanden. Es ist anzunehmen, dass den Ländern für diesen Bereich die Kompetenz fehlt. Die damit verbundene Kompetenzsperre für die Länder aufgrund der hinter dem BBodSchG stehenden Motive ist sinnvoll: Wenn das BBodSchG der Vereinheitlichung des Bodenschutzrechts dienen soll, um Rechtssicherheit zu schaffen und um mittelbar das Investitionsklima zu verbessern, würden unterschiedlich weit reichende Haftungsbeschränkungen in den Ländern zu Rechtsunsicherheit sowie zu einem vergleichsweise höheren Investitionsniveau in den Ländern mit vermehrten Haftungsbeschränkungen führen und die haftungsbegründenden Vorschriften des BBodSchG faktisch überflüssig machen. Konsequenz wäre, dass sich letztlich von einer Vereinheitlichung des Rechts nicht sprechen ließe; dieses Ergebnis will der Gesetzgeber gerade vermeiden. Deshalb ist insoweit von einem abschließenden Gebrauchmachen der Kompetenz durch den Bund auszugehen. Diese Auffassung teilt die Literatur344; es ist den Ländern verwehrt, einschränkende Kostenpflichten zu erlassen. Zwar ist nach Aussagen von Ministerialbeamten, die am Vermittlungsverfahren teilgenommen haben, die ersatzlose Streichung eher das Ergebnis eines Handels: Die Bundesregierung verzichtete auf § 25 Abs. 2 a.F., damit andere Regelungen bestehen blieben; die Länder konnten sich auf eine Formulierung nicht einigen. Es ist hier ohne Einschränkung anzunehmen, dass das gefundene Ergebnis auf dem Geschilderten beruht. Das Ergebnis ist aber nirgendwo dokumentiert, so dass es ausgeschlossen ist, sich auf eine gedruckte Quelle zu berufen. Auf die Möglichkeit, sich auf eine gedruckte Quelle zu beziehen, kommt es aber an, wenn es darum geht, den Willen des Gesetzgebers darzulegen. Deshalb ist es mir nicht mög-

341

Vgl. BTag-Drs. 13/6701, S. 14. Vgl. BTag-Drs. 13/6701, S. 46. 343 Zur mittelbaren Regelung vgl. Stohlmeier, Sperrwirkung, S. 124 ff./127: Eine solche ist nur möglich aufgrund einer Auslegung des Gesetzes: Wenn man nach der Auslegung des Gesetzes ein „nur“ in die positive Regelung hineinlesen könnte, ist der nicht erwähnte und scheinbar nicht geregelte andersartige Sachverhalt als negativ geregelt zu betrachten: für ihn ist der Eintritt einer Rechtsfolge mittelbar ausgeschlossen. 344 Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, § 24 Rn. 5. 342

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lich, die BTag-Drs. 13/9637 (Vermittlungsergebnis) anders als vorgenommen zu interpretieren. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hält eine unbeschränkte Haftung für vereinbar mit Art. 14 GG345. Zwischenergebnis: Die Kostenregelungen in § 24 lassen mit Blick auf die Regelung des Ausgleichsanspruchs sowie die Auswahlentscheidung Raum für weitere landesrechtliche Regelungen. Landesrechtliche Regelungen für Haftungsbeschränkungen entfallen, weil die im BBodSchG enthaltenen Aussagen insoweit abschließend sind. (4) Regelungen für die Festsetzung von Bodenbeeinträchtigungsgebieten, die Erfassung und Überwachung der Bodenbeschaffenheit sowie die Mitwirkung der für den Bodenschutz zuständigen Behörde Der Entwurf eines UGB-ProfE enthält im Vierten bis Sechsten Unterabschnitt in den §§ 297 bis 301 Vorschriften zu den in der Überschrift angesprochenen Regelungsbereichen. Dem BBodSchG fehlen einschlägige Regelungen. Insoweit liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern346. Dieses Ergebnis folgt für die Festsetzung von Bodenbeeinträchtigungsgebieten ausdrücklich aus § 21 Abs. 3, nach dem die Länder insb. Gebiete, in denen flächenhaft schädliche Bodenveränderungen auftreten oder zu erwarten sind, und die dort zu ergreifenden Maßnahmen bestimmen sowie weitere Regelungen über gebietsbezogene Maßnahmen des Bodenschutzes treffen können (so auch die Begründung des Gesetzes, nach der entsprechende landesrechtliche Vorschriften wie § 13 BaWüBodSchG und § 22 BerlBodSchG, die beide die Festsetzung von Bodenbelastungsgebieten regeln, durch das BBodSchG ausdrücklich nicht verdrängt werden347). Daneben sind spezielle „Bodenschutzgebiete“ unzulässig; § 21 Abs. 3 ist abschließend348. Die Erfassung und Überwachung der Bodenbeschaffenheit durch Bodenzustandskataster, Dauerbeobachtungsflächen und Bodenprobenbanken ist im BBodSchG nicht geregelt und nach § 21 Abs. 4 von den Ländern zu normieren; sie können bestimmen, dass für das Gebiet ihres Landes oder für bestimmte Teile ihres Gebiets Bodeninformationssysteme eingerichtet und geführt und insb. Daten von Dauerbeobachtungsflächen, Bodenzustandsuntersuchungen und über die Bodennutzung erhoben werden dürfen349.

345 BVerwG, NVwZ 1991, 475. Das Gericht hat offen gelassen, ob im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen eine Eingrenzung der Verantwortlichkeit in Betracht kommen kann. Bislang fehlt insoweit eine diese Möglichkeit aufgreifende Äußerung der Judikatur. Wenn eine Einschränkung vorzunehmen wäre, handelte es sich um eine Einschränkung des BBodSchG; für entsprechende legislative Maßnahmen ist der Bund zuständig. 346 Feil, S. 100; Erbguth/Stollmann, GewArch 1999, 288. 347 BTag-Drs. 13/6701, S. 45. 348 Vgl. auch Kloepfer (Fn. 283), S. 15 f. zu § 22 Abs. 3 Regierungsentwurf. 349 Feil, S. 100.

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Aussagen über die Mitwirkung der für den Bodenschutz zuständigen Behörde, insb. bei der nach anderen gesetzlichen Vorschriften ergehenden Gestattung von Vorhaben, die zu Bodenbeeinträchtigungen führen können (wie in § 301 UGB-ProfE), haben in Ermangelung von Regelungen im BBodSchG die Länder aufgrund von § 21 Abs. 1 zu treffen350. Zwischenergebnis: Regelungen für die Festsetzung von Bodenbeeinträchtigungsgebieten, die Erfassung und Überwachung der Bodenbeschaffenheit sowie die Mitwirkung der für den Bodenschutz zuständigen Behörden haben die Ländern allein zu erlassen. cc) Vorsorge § 7 bestimmt Tatbestand, Inhalt und Reichweite einer spezifisch bodenschutzrechtlichen Vorsorgepflicht. Weder im Gesetzestext noch in der Begründung finden sich Aussagen betreffend den abschließenden Charakter von § 7. Zur Beantwortung dieser Frage ist auf die möglichen Inhalte einer Vorsorgepflicht bzw. des Vorsorgeprinzips im Allgemeinen einzugehen. Kontrovers diskutiert wird der Inhalt des Vorsorgeprinzips351. Dessen Reichweite wird in der rechtswissenschaftlichen Diskussion entweder in einem sicherheitsrechtlichen und/oder in einem bewirtschaftungsrechtlichen Sinn verstanden: Die sicherheitsrechtliche Interpretation führt zur Gefahren- bzw. Risikovorsorge; die bewirtschaftungsrechtliche Interpretation betrachtet das Prinzip als Ausdruck einer umweltplanerischen Grundentscheidung des Gesetzgebers, Umweltressourcen im Interesse künftiger Nutzungen zu schonen. Beide Interpretationen stehen in aller Regel nicht im Widerspruch zueinander, da Gefahren- bzw. Risikovorsorge und Ressourcenbewirtschaftung in der praktischen Anwendung zu überwiegend ähnlichen Ergebnissen führen, jedenfalls dann, wenn man wie die h.M. die Gefahrenvorsorge i.S. eines emissionsbezogenen Minimierungsgebots versteht352. Da es somit im Umweltrecht keinen einheitlichen und klar umrissenen Rechtsbegriff der Vorsorge gibt, bleibt offen, unter welchen Voraussetzungen welche Maßnahmen mit welcher Zielsetzung zu ergreifen sind353. Abstrakt lässt sich jedoch Folgendes sagen354 : Zum einen geht es darum, den Bodenverbrauch generell oder zumindest den Bodenverbrauch am falschen Platz zu verhindern, zum anderen sollen Bodenkontaminationen ausgeschlossen sein (schon wegen der enormen Kosten bei Altlastensanierungen). Diese Überlegung lässt sich bildlich355 umsetzen mit Hilfe eines Faden350

Feil, S. 101. Vgl. auch Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, UGB-AT, S. 138, die von einem „Minimalkonsens“ sprechen, der die Bedeutung des Prinzips wohl nicht ausschöpfe und in mehrfacher Hinsicht vage bleibe. 352 Ebd., S. 138 f. 353 Rid/Hammann, UPR 1990, 286. 354 Brandt, UTR Bd. 36, 220 f. m.w.Nachw. 355 Das Bild findet sich bei Feil, S. 102. 351

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kreuzes, dessen Querachse die Erhaltung der Bodenfläche, d. h. den Schutz vor Versiegelung und Erosion, darstellt, und dessen Tiefenachse den Schutz des lebendigen Organismus Boden zum Inhalt hat: „Vorsorge im Bodenschutz bedeutet dann ein Tätigwerden sowohl auf der Tiefen- als auch auf der Querachse mit dem Ziel, beide Achsen stabil zu halten und Beeinträchtigungen zu vermeiden, bevor Gefahrensituationen eintreten oder es schon zu Schädigungen gekommen ist.“356 Zur Normierung des Inhalts einer Vorsorgepflicht in einem Bodenschutzgesetz gehört in logischer Folge zunächst die Festlegung von Vorsorgewerten betreffend die Tiefen- und Längsachse, bei deren Überschreitung Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen sind. Mindestens ebenso wichtig wie die Festlegung solcher Werte ist sodann die Auswahl der möglichen Maßnahmen: Von Anbaubeschränkungen für bestimmte Pflanzenarten, anderen Nutzungsbeschränkungen oder der Flächenversiegelung bis zum Bodenaustausch reicht das mögliche Spektrum der Maßnahmen357. Angesichts der Fülle der sich bietenden Ausgestaltungsmöglichkeiten einer Vorsorgepflicht in einem Bodenschutzgesetz muss sich eine Beantwortung der Frage nach dem erschöpfenden Charakter des § 7 bzw. der von diesem ausgehenden Sperrwirkung auf die grundlegenden Aspekte des Vorsorgeprinzips und deren Erfassung durch § 7 konzentrieren358. Geht man von den unterschiedlichen Ansätzen eines sicherheitsrechtlichen und eines bewirtschaftungsrechtlichen Inhalts des Vorsorgeprinzips aus, so folgt der Gesetzgeber mit § 7 dem sicherheitsrechtlichen Ansatz: Dieses Resultat ergibt sich zum einen aus § 7 Satz 2, nach dem Vorsorgemaßnahmen geboten sind, wenn wegen der räumlichen, langfristigen oder komplexen Auswirkungen einer Nutzung auf die Bodenfunktionen die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung besteht; Vorsorgemaßnahmen werden vom Kriterium der schädlichen Bodenveränderung und damit von der Bestimmung einer Gefahrenschwelle abhängig gemacht. Dieses Ergebnis folgt auch aus der Begründung des Gesetzes; die Notwendigkeit der Vorsorge ergebe sich neben der Gefahrenabwehr daraus, dass letztere (lediglich) darauf abziele, hinreichend wahrscheinliche und damit klar erkennbare Schadensverläufe abzuwehren. Legitimation der Vorsorgepflicht seien Ungewissheit und Unsicherheit der Beurteilung im Rahmen der Gefahrenabwehr359. Der Bundesgesetzgeber folgt damit nicht dem (grundsätzlich umfassenderen, aber schwieriger zu operationalisierenden) bewirtschaftungsrechtlichen Ansatz. Deshalb könnte geschlossen werden, ein Bereich der Vorsorge wäre vom Bundesgesetzgeber willentlich ungeregelt geblieben mit der Folge einer nur eingeschränkten Sperrwirkung bzw. eines Freiraums für den Landesgesetzgeber. Jedoch führen wie gesagt 356

Brandt, UTR Bd. 36, 221. Brandt, UTR Bd. 36, 221: Für solche Entscheidungen fehle auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts jeder Maßstab; vgl. auch Rid/Hammann, UPR 1990, 286; diese fordern jedoch lediglich die Festlegung von Sicherheitsstandards als Maß der Bodenbelastung, bei dem Maßnahmen zum Gesundheitsschutz aus Vorsorgegründen zu ergreifen sind. 358 Feil, S. 103. 359 Vgl. BTag-Drs. 13/6701, S. 36. 357

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beide Ansätze in aller Regel in der praktischen Anwendung zu überwiegend ähnlichen Ergebnissen, wenn man die Gefahrenvorsorge i.S. eines emissionsbezogenen Minimierungsgebots versteht, wie dies hier der Fall ist (vgl. §§ 7 Satz 4, 8 Abs. 2: Zur Erfüllung der u. a. sich aus § 7 ergebenden Pflichten kann die Bundesregierung im Wege der RechtsVO Vorschriften erlassen insb. über Bodenwerte, bei deren Überschreiten in der Regel davon auszugehen ist, dass die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung besteht – sog. Vorsorgewerte –, sowie über zulässige Zusatzbelastungen und Anforderungen zur Vermeidung oder Verminderung von Stoffeinträgen). Die weitere Untersuchung des abschließenden Charakters der Vorsorgepflicht hat sich an folgenden Fragen auszurichten360 : 1. Betrifft die Vorsorgepflicht sowohl den Bodenverbrauch als auch die Bodenkontaminationen und wenn ja in welchem Umfang? 2. Wie „früh“ setzt die Vorsorgepflicht ein? 3. Welchen Adressatenkreis betrifft sie? Der Bezug auf den umfassenden Begriff „schädliche Bodenveränderungen“ in § 7 Satz 1 richtet die Vorsorgepflicht grundsätzlich auf alle Arten von Bodengefährdungen aus. Da sich die Vorsorgepflicht des Grundstückseigentümers und des Inhabers der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück jedoch nur auf das Grundstück (des Verursachers) und dessen Einwirkungsbereich bezieht, bleiben Böden außer Betracht, in die die Schadstoffe über Lufttransporte eingetragen werden361; gerade hier müsste das Vorsorgeprinzip aber ebenfalls zum Tragen kommen362. Auch sind weder ein Maßstab noch die Instrumente zur Gewährleistung vorsorgenden Bodenschutzes definiert. § 7 Satz 4 stellt diesbezüglich klar, dass Anordnungen zur Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen nur getroffen werden können, soweit Anforderungen an solche Maßnahmen in einer RechtsVO nach § 8 Abs. 2 festgelegt sind. Es bleibt zu erwägen, ob nach Erlass der RechtsVO nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 für die Länder die Möglichkeit besteht, schärfere Werte zu beschließen. Diese Möglichkeit ist unvereinbar mit dem dem BBodSchG immanenten Streben nach Vereinheitlichung; ferner würden die Rechtssicherheit und das Investitionsklima beeinträchtigt. Sperrwirkung entfaltet die Vorsorgepflicht nicht363 im Bereich der landwirtschaftlichen Bodennutzung (§§ 7 Satz 5, 17): § 17 konkretisiert für die landwirtschaftliche Bodennutzung den Inhalt der sich aus § 7 ergebenden Vorsorgepflicht, indem hierfür maßgebend die gute fachliche Praxis der landwirtschaftlichen Bodennutzung ist, die 360

Feil, S. 104. Vgl. auch BTag-Drs. 13/6701, S. 36, es bestehe keine Pflicht zur Vorsorge, soweit die nachteiligen Einwirkungen von Emittenten in der Nachbarschaft herbeigeführt werden. 362 Brandt, UTR Bd. 36, 232. 363 Widersprüchlich Sanden, in: Sanden/Schoeneck, § 17 Rn. 5 einerseits: es könnten über den Katalog des § 17 Abs. 2 Satz 2 keine anderen oder weitergehenden Anforderungen an die Vorsorge gestellt werden, andererseits Rn. 14, der Katalog sei nicht abgeschlossen. 361

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die nach Landesrecht zuständigen landwirtschaftlichen Beratungsstellen bei ihrer Beratungstätigkeit vermitteln sollen. Deren Grundsätze werden in § 17 Abs. 2 erläutert und betreffen die nachhaltige Sicherung der Bodenfruchtbarkeit und Leistungsfähigkeit des Bodens als natürlicher Ressource. Die gute fachliche Praxis behandelt dementsprechend vor allem die Problemfelder Bodenerosion, Erhaltung der Bodenstruktur, Bodenverdichtungen und Bodenabträge. Bereits aufgrund seines Wortlauts („Zu den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis gehört insbesondere, dass […]“) kann § 17 Abs. 2 Satz 2 eine abschließende Aufzählung nicht darstellen364, deshalb sind weitere Aspekte betreffend die vorsorgeorientierte gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft einer gesetzlichen Konkretisierung durch den Landesgesetzgeber grundsätzlich zugänglich, sofern die getroffenen Aussagen nicht zum BBodSchG im Widerspruch stehen. Dieses Resultat gilt umso mehr für den Bereich des qualitativen Bodenschutzes: Zwar legt die Fassung von § 17 den Schluss nahe, dass dieser auch qualitativen Bodenschutz bewirken solle, insb. bei Betrachtung von § 17 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6, der vorschreibt, dass die biologische Aktivität des Bodens durch entsprechende Fruchtfolgegestaltung erhalten und gefördert werden soll, und in Ansehung von Nr. 7, derzufolge der standorttypische Humusgehalt des Bodens insb. durch eine ausreichende Zufuhr an organischer Substanz oder durch Reduzierung der Bearbeitungsintensität erhalten werden soll. Die Begründung des Gesetzes stellt freilich fest, dass die für den Inhalt von § 17 maßgeblichen Anforderungen der guten fachlichen Praxis im Wesentlichen die Bodenphysik betreffen; der Bundesgesetzgeber hatte also mit § 17 vorwiegend Aspekte des quantitativen Bodenschutzes im Sinn365. Wenn der Begründung weiter zu entnehmen ist, dass die mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder dem Einbringen von Dünger verbundenen Stoffeinträge durch Spezialvorschriften des Düngemittel- und Pflanzenschutzrechts geregelt werden366, so bedeutet diese Feststellung, dass der Bundesgesetzgeber diese Bereiche im BBodSchG selbst nicht weiter regeln wollte. Insoweit ist festzuhalten, dass ein wichtiger Teil der Probleme, die die Landwirtschaft dem Boden bereitet, im BBodSchG ungeregelt bleibt367. Zwischenergebnis: Von einer erschöpfenden Regelung des Rechts der landwirtschaftlichen Bodennutzung kann insgesamt nicht ausgegangen werden. Die Länder bleiben für ergänzende Regelungen kompetent. Als Antwort auf die Frage, ob Verfügungen gegen Landwirte auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden können oder ob in einem LBodSchG eine eigene Er364 So auch die Begründung in BTag-Drs. 13/8182, S. 6 (Anrufung des Vermittlungsausschusses), der zufolge mit dieser Formulierung klargestellt werden soll, dass die Aufzählung nicht abschließend sein und für weitere Hinzufügungen offenbleiben soll – durch wen diese Hinzufügung erfolgen dürfe, bleibt offen, womit die Länder jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. 365 Vgl. auch BTag-Drs. 13/6701, S. 43. 366 BTag-Drs. 13/6701, S. 43; vgl. auch § 3 Abs. 1 Nr. 4. 367 Peine, UPR 1997, 59; vgl. auch Peine, DVBl 1998, 161.

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mächtigungsgrundlage geschaffen werden sollte, ist festzustellen, dass Vorsorgemaßnahmen nach § 17 nicht angeordnet werden können. Die Norm ist insoweit abschließend und schließt Landesrecht aus368.

dd) Die Sanierung belasteter Böden (1) Die Sanierung schädlicher Bodenveränderungen Eine erschöpfende Regelung des Rechts der Sanierung schädlicher Bodenveränderungen muss folgende Regelungen enthalten: Eine Definition des Begriffs der schädlichen Bodenveränderung, ein Gefahrerforschungsrecht, eine Ermächtigungsgrundlage für Anordnungen gegen Verpflichtete, Aussagen über den Umfang der Sanierung, Aussagen zur Störerauswahl, Kostentragung und zu denkbaren Haftungsbeschränkungen, das Recht der Eigenvornahme der Behörde sowie ein Sanierungsrecht der öffentlichen Hand bei Wegfall eines privaten Sanierers369. Diesen Anforderungen wird das BBodSchG weitgehend gerecht. Wie dargestellt, schließt der weite Begriff der schädlichen Bodenveränderungen nach § 2 Abs. 3 stoffliche Einträge ebenso wie Veränderungen der Bodenphysik und die Flächenversiegelung mit ein und erfasst damit in umfassender Weise grundsätzlich alle Bereiche des Bodenschutzes. Das Gefahrerforschungsrecht regelt § 9 und ist nicht abschließend (auf die entsprechend geltenden Ausführungen zum Bodenerhaltungsrecht sei verwiesen)370. Die Ermächtigungsgrundlage für das Aussprechen von Sanierungsverfügungen enthält § 10 Abs. 1 Satz 1. Zur Erfüllung der Pflichten, die sich aus § 4 Abs. 3, 5 und 6 und sich aus der aufgrund § 8 erlassenen RechtsVO ergeben, kann die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen treffen; das „Ob“ der Verfügung liegt im Ermessen der Behörde. Die von § 10 Abs. 1 ausgehende Sperrwirkung ist jedoch auf die im BBodSchG geregelten Pflichten begrenzt (auf die entsprechend geltenden Ausführungen zu § 10 sei verwiesen). § 2 Abs. 7 umfasst die Maßnahmen, die vom Sanierungsbegriff umfasst sind, nämlich Maßnahmen 1. zur Beseitigung oder Verminderung der Schadstoffe (Dekontaminationsmaßnahmen), 2. die eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern oder vermindern, ohne die Schadstoffe zu beseitigen (Sicherungsmaßnahmen), 3. zur Beseitigung oder Verminderung schädlicher Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Bodens. 368 Radtke, in: HRHB, § 17 Rn. 4; zum vorangegangenen Entwurf der Bundesregierung ebenso Peine, DVBl 1998, 160. 369 s. Peine, in: Jänicke/Bolle/Carius (Hg.), Umwelt Global, 1995, S. 100. 370 Ebenso Feil, S. 108.

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Nach der Begründung des Gesetzes definiert Absatz 7, welche Maßnahmen vom Sanierungsbegriff erfasst werden. Nutzungsbeschränkungen stellen keine Sanierungsmaßnahme dar371. Es muss von einer abschließenden Aufzählung betreffend die Sanierung in § 2 Abs. 7 ausgegangen werden; für eine andere Annahme fehlen jegliche Anhaltspunkte372. Das BBodSchG enthält keine Befugnis der Behörde, die Erstellung eines Sanierungsplans für die Sanierung von schädlichen Bodenveränderungen zu fordern; eine solche ist erst für die Sanierung von Altlasten vorgesehen, vgl. § 13. Wegen der abschließenden Aufzählung in § 2 Abs. 7 und wegen § 13 ergibt sich, dass die Erstellung von Sanierungsplänen nach dem Willen des Gesetzes ausschließlich bei der Altlastensanierung erfolgen soll. Insoweit existiert kein Freiraum für den Landesgesetzgeber373. Der Umfang der Sanierung und die Festlegung der Sanierungsziele bestimmt sich nach den in § 4 Abs. 3 geregelten Sanierungspflichten374. Es müssen Sanierungen so durchgeführt werden, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen (Satz 1). Dekontaminationsmaßnahmen, mit denen direkt an der Quelle oder im kontaminierten Umfeld die stoffliche Belastung und damit die Gefahr endgültig beseitigt wird, werden den Anforderungen des § 4 Abs. 3 immer gerecht; bei Sicherungsmaßnahmen muss angesichts des Erfordernisses der Dauerhaftigkeit deren technisches Versagen langfristig mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen und die Wirksamkeit kontrolliert werden können, um den Schutz des Menschen und der Umwelt zuverlässig zu gewährleisten (weshalb wegen möglicher künftiger Einwirkungen und Veränderungen im Umfeld ein Sicherheitsabstand zur Gefahrenquelle notwendig werden kann). Ein Rangverhältnis zwischen beiden Arten von Sanierungsmaßnahmen bzw. einen Vorrang von Dekontaminations- gegenüber Sicherungsmaßnahmen enthält das BBodSchG nicht375 ; entsprechende Landesregelungen können erlassen werden376. Gegen dieses Ergebnis lässt sich nicht der richtige Hinweis vorbringen, 371

BTag-Drs. 13/6701, S. 30. Feil, S. 109. 373 Zwar ergibt sich aus der Begründung zu § 13 Abs. 2, dass über die Fälle der Altlastensanierung mit einem besonderen Gefährdungspotential hinaus Sanierungsuntersuchungen und -pläne auch zur Vorbereitung von besonders komplexen Sanierungsmaßnahmen fachlich geboten sind, die nicht notwendigerweise eine besonders gravierende Gefährdungssituation voraussetzen (BTag-Drs. 13/7891, S. 39). Aufgrund der vorrangig zu beachtenden Systematik des BBodSchG vor derartigen entstehungsgeschichtlichen Argumenten betrifft aber § 13 angesichts seiner systematischen Einordnung allein die Altlastenfälle. 374 BTag-Drs. 13/6701, S. 30. 375 Feil, S. 111. 376 Einer solchen Vorrangregelung bedarf es, wenn – wie hier, vgl. BTag-Drs. 13/6701, S. 29 – die Maßnahmen auch dazu dienen sollen, möglichst die natürlichen Funktionen des Bodens und nicht nur die Nutzungsfunktionen wiederherzustellen: Da bei Sicherungsmaßnahmen im Gegensatz zu Dekontaminationsmaßnahmen Schadstoffe weiterhin im Boden bleiben und das Risiko besteht, dass die Langzeitwirkung der verbliebenen Stoffe häufig nicht 372

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hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an den Bodenschutz und die Altlastsanierung habe der Bundesgesetzgeber vor allem durch die §§ 4 und 7 und durch die Ermächtigung der Bundesregierung zur Konkretisierung dieser Vorschriften nach § 8 von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht377. Abschließend ist der Bund tätig geworden mit Blick auf die Festlegung inhaltlicher Anforderungen, wenn entweder dekontaminiert oder gesichert wird – mit anderen Worten: wie dekontaminiert oder gesichert wird. Das zuvor gefundene Ergebnis betrifft jedoch die Frage, wann dekontaminiert oder gesichert werden soll378. Schutzmaßnahmen und Nutzungsbeschränkungen werden dem Kriterium der Dauerhaftigkeit kaum gerecht und stellen nach § 4 Abs. 3 nur dann geeignete Maßnahmen dar, wenn es nicht möglich oder unzumutbar ist, die Gefahren- oder Störungsquelle selbst zu beseitigen (in diesem Fall dienen Schutzmaßnahmen dazu, den Austrag umweltgefährdender Stoffe aus dem Boden oder einer Altlast zu verhindern oder zu vermindern; Nutzungsbeschränkungen sollen verhindern, dass Menschen durch die Bodenbelastungen gefährdet werden)379. Hinsichtlich der Konkretisierung der Anforderungen an die vorzunehmenden Sanierungsmaßnahmen gilt das zum quantitativen und qualitativen Bodenschutzrecht Gesagte; mangels entgegenstehender Anhaltspunkte sind bis zum Erlass der aufgrund § 8 Abs. 1 Nr. 3 ergehenden RechtsVO zukünftige Landesregelungen möglich, wenn diese den Regelungen des BBodSchG nicht widersprechen. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 kommen als Verpflichtete einer Sanierung der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück in Betracht. Nach § 4 Abs. 3 Satz 4 ist ferner derjenige verpflichtet, der aus handelsrechtlichem oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person einzustehen hat, dem ein belastetes Grundstück gehört, und der das Eigentum an einem solchen Grundstück aufgibt; damit wird zum einen der Fall der gesellschaftlichen Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung oder qualifizierter Konzernabhängigkeit und zum anderen der Fall der Dereliktion erfasst380, um eine Abwälzung des Sanierungsaufwands auf die öffentliche Hand zu verhindern381. § 4 bekannt ist, sollten Sicherungsmaßnahmen daher nur bei technischer Unmöglichkeit oder bei Unverhältnismäßigkeit der vollständigen Beseitigung der Bodenbelastungen in Betracht kommen (UGB-KomE, 1031 [Fn. 8]; vgl. auch § 302 Nr. 1 lit. a und Nr. 3 UGB-ProfE). 377 Hilger, in: HRHB, § 21 Rn. 21; ebenso Sanden/Schoeneck, § 21 Rn. 3ff. 378 Nach Sanden, in: Sanden/Schoeneck, § 2 Rn. 95, besteht auf der Ebene des Bundesrechts kein Rangverhältnis. 379 BTag-Drs. 13/6701, S. 35. 380 Zur Verwaltungsvollstreckung gegen den Zustandsstörer trotz zwischenzeitlicher Dereliktion BaWüVGH NJW 1997, 3259; ähnliche Regelungen in § 303 Abs. 4 Satz 2 UGB-ProfE (Fn. 7) und § 348 Abs. 6 UGB-KomE (Fn. 8). 381 BTag-Drs. 13/8182, S. 3 f.: § 4 Abs. 3 Satz 4 soll das klassische System des Ordnungsrechts, das die Sanierungsverantwortlichkeit an die Verhaltens- und die Zustandsverantwortlichkeit anknüpft, an die durch das bürgerliche und das Handels- und Gesellschaftsrecht eingeräumte Handlungsmöglichkeiten anpassen, um so einen Gleichlauf zwischen dem zur

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Abs. 6 verpflichtet ferner den früheren Eigentümer eines Grundstücks, wenn er sein Eigentum nach dem 1. 3. 1999 übertragen hat und die schädliche Bodenveränderung oder Altlast kannte oder kennen musste, es sei denn, dass er beim Erwerb darauf vertraut hat, dass keine Belastungen vorhanden sind und sein Vertrauen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls schutzwürdig ist382. Eine „frühere“ Rückanknüpfung ist nicht gewollt; die Länder sind für weitergehende Regelungen nicht kompetent. – Zur Haftungsbeschränkung in § 4 Abs. 5 Satz 2 vgl. die obigen Ausführungen zu den Kosten- und Haftungsfragen im Rahmen des Bodenerhaltungsrechts. Die Verantwortlichen normieren diese Vorschriften abschließend. Es ist davon auszugehen, dass weitergehende Regelungen383 der Länder die vom Bundesgesetzgeber durch (abschließende) Vereinheitlichung des Bodenschutzrechts gerade in diesem Bereich angestrebte Rechtssicherheit vernichten würden und deshalb ausgeschlossen sind. Diesen Schluss rechtfertigt auch die Entstehungsgeschichte des § 4: Nach § 4 Abs. 3 des Entwurfs der Bundesregierung waren zunächst nur der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt sanierungspflichtig; weitergehende Fragen (z. B. die Gesamtrechtsnachfolge) regelte der Entwurf nicht, da es sich laut Begründung insoweit „um spezifische Fragen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts [handelt], deren Klärung durch Vollzug und Rechtsprechung nicht präjudiziert werden soll.“384 Ursprünglich verzichtete also der Bundesgesetzgeber ausdrücklich auf eine weitergehende Inanspruchnahme seiner Gesetzgebungskompetenz zugunsten der Länder. Dieses Vorgehen traf auf Kritik385, auf die der Vermittlungsausschuss schließlich mit den nun Gesetz gewordenen Erweiterungen reagierte386. Hat sich Gewährleistung des Bodenschutzes zur Verfügung stehenden ordnungsrechtlichen Instrumentarium und den rechtsgeschäftlichen Befugnissen der Sanierungsverantwortlichkeit sicherzustellen. Ein Durchgriff wegen öffentlich-rechtlicher Ansprüche war auch bisher schon zulässig. Danach und aufgrund der Verweisung auf das Gesellschaftsrecht dürfte § 4 Abs. 3 Satz 4 eher deklaratorischen Charakter haben (Vierhaus, NJW 1998, 1265 m.w.Ausf.), was aber nichts an der von ihm ausgehenden Sperrwirkung ändert. 382 Mit der zeitlichen Einschränkung will der Gesetzgeber offensichtlich dem – insb. gegen § 12 HessAltlG vorgebrachten – Einwand verfassungsrechtlich unzulässiger Rückwirkung begegnen, wonach die Zustandsverantwortlichkeit früherer Eigentümer bei Inkrafttreten des Gesetzes i. d. R. bereits erloschen ist (Vierhaus, NJW 1998, 1266 mit Hinweis auf Papier, DVBl 1996, 125 und Gelen, UPR 1996, 212 zu § 12 HessAltlG; Körner/Vierhaus, LKV 1996, 349 zu § 13 BerlBodSchG). 383 Wie etwa § 348 Abs. 1 UGB-KomE (Fn. 8) der über das Gesagte hinausgehend eine Verantwortlichkeit derjenigen vorsieht, die im Zeitraum des Entstehens der Bodenbelastung Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück gewesen sind (vorbehaltlich eines geführten Gegenbeweises und einer zeitlichen Begrenzung gem. Absatz 4), sowie diejenigen, die Abfälle oder sonstige Stoffe, durch die die Bodenbelastung herbeigeführt worden ist, zur Lagerung oder Ablagerung auf hierfür nicht zugelassene Grundstücke oder Anlagen transportiert haben (Absatz 1 Satz 2). 384 BTag-Drs.13/6701, S. 35. 385 Vgl. nur die Stellungnahme des Bundesrats in BTag-Drs. 13/6701, S. 48/50 f. 386 Vgl. BTag-Drs. 13/9637, S. 2.

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der Gesetzgeber nachträglich doch entschlossen, die spezifischen Fragen der Sanierungsverantwortlichkeit umfangreich zu regeln, so muss schon aus Gründen der Rechtssicherheit und in Anbetracht der Differenziertheit dieser Regelungen angenommen werden, dass er eine abschließende Regelung wollte. Die Länder sind gesperrt. Eine Regelung betreffend die Rangfolge der Heranziehung bzw. die Auswahlentscheidung der zuständigen Behörde bei mehreren Verantwortlichen sieht das BBodSchG nicht vor. Aus der Begründung ergibt sich Folgendes: „Die in Absatz 3 festgelegte Reihenfolge der Verantwortlichen bestimmt im Regelfall auch die Rangfolge der Verpflichtung. Wie im Polizeirecht geht es allerdings auch hier nicht um eine Verpflichtung aus schuldhaftem Handeln. Kann eine schnelle und effektive Beseitigung der eingetretenen Störung nur durch den Zustandsstörer erreicht werden, kann die zuständige Behörde ihn zur Sanierung heranziehen.“387 Eine abschließende bzw. erschöpfende Regelung ist nicht anzunehmen: Der Bundesgesetzgeber spricht vom Regelfall und verweist sodann auf das Polizeirecht und den Einzelfallcharakter der jeweiligen Entscheidung. Wenn je nach Einzelfall die Entscheidung von der zuständigen Behörde zu treffen ist, kann es zum objektiven Willen des BBodSchG und zum erkennbaren Willen des Bundesgesetzgebers nicht im Widerspruch stehen, wenn die LBodSchGe die nähere Ausgestaltung der Rangfolge der Heranziehung regeln, wenn diese Normen mit § 4 Abs. 3 harmonieren. Eine Sperrwirkung für Regelungen über die Rangfolge ist nicht zu erkennen. Es gilt das oben388 Gesagte für die Kosten und die Haftungsbeschränkungen. Eine Ermächtigung der Behörde, in den Fällen, in denen die Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig herangezogen werden können, die schädlichen Bodenveränderungen selbst zu beseitigen oder zu vermindern oder dieses durch Beauftragte vornehmen zu lassen, enthält das BBodSchG nicht und lässt sich auch nicht dessen Begründung entnehmen. Da aber eine solche Ermächtigung angesichts der Häufigkeit derartiger Fallkonstellationen in der Praxis erforderlich ist und keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die auf einen gewollten Ausschluss der Eigenvornahme durch die Behörde bei entsprechenden Situationen hindeuten, ist der Schluss erlaubt, dass die Regelung dieser Frage dem Landesrecht vorbehalten sein soll389. Diese Annahme rechtfertigt vor allem die Begründung des Gesetzes, die vorsieht, dass sich insb. die Durchführung der Sanierung nach § 4 Abs. 3 bestimmt390. Die Begründung zu dieser Vorschrift bringt die grundsätzliche Haltung des Bundesgesetzgebers zum Ausdruck, spezifische Fragen des POR nicht präjudizieren zu wollen. Da es sich jedoch bei der Zulässigkeit der Eigenvornahme durch die zuständige Behörde um eine typische Frage des POR handelt, bleiben nach dem Willen des Gesetzgebers die Länder zuständig. 387 388 389 390

BTag-Drs. 13/6701, S. 35. s. Text bei Fn. 346. Vgl. Peine, UPR 1997, 58. BTag-Drs. 13/6701, S. 30, 35.

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Zwischenergebnis: Das BBodSchG regelt das Recht der Sanierung schädlicher Bodenveränderungen nicht erschöpfend; grundsätzlich bestehen Regelungsspielräume für den Landesgesetzgeber. Dieses ergibt sich bereits daraus, dass dem Recht der Sanierung schädlicher Bodenveränderungen im Gegensatz zum Altlastensanierungsrecht kein eigenständiges „Kapitel“ gewidmet ist, sondern dieses zusammen mit dem Bodenerhaltungsrecht im Zweiten Teil „Grundsätze und Pflichten“ geregelt wird und insoweit zum Großteil eine gleiche Beurteilung erfährt wie das – ebenfalls nicht umfassend geregelte – Bodenerhaltungsrecht. (2) Das Recht der Sanierung von Altlasten Im BBodSchG findet das Recht der Sanierung schädlicher Bodenveränderungen auf das Recht der Altlastensanierung Anwendung; es bestehen lediglich einige ergänzende Vorschriften in den §§ 11 – 16. Hinzuweisen ist zunächst auf das zu § 4 Abs. 3 gefundene Ergebnis, dass ein Rangverhältnis zwischen den Dekontaminationsmaßnahmen gegenüber Sicherungsmaßnahmen im BBodSchG fehlt. Deshalb können landesrechtliche Regelungen erlassen werden, die den Anwendungsbereich dieser beiden denkbaren Maßnahmen feststellen. Nach § 11 können die Länder die Erfassung der Altlasten und altlastverdächtigen Flächen regeln, womit der Gesetzgeber ausdrücklich auf die Wahrnehmung seiner Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich verzichtet – obwohl es unterschiedliche Regelungen auf Landesebene zur Erfassung der Altlasten und von altlastverdächtigen Flächen gibt; es soll die eingespielte Praxis nicht durch eine einheitliche bundesrechtliche Regelung zerstört werden391. Die Länder können alle Maßnahmen regeln, die der Erfassung der Altlast und altlastverdächtigen Flächen dienen. Die Maßnahmen ergeben sich aus den Zielen, die mit der Erfassung verfolgt werden. Ziele der Erfassung sind: (1) die Altlasten und altlastverdächtigen Flächen nach Lage und räumlicher Ausdehnung zu ermitteln und in Karten und Beschreibungen darzustellen (Lokalisierung), (2) für jeden einzelnen Fall die bei Verwaltungsstellen, Betreibern oder anderen Stellen vorhandenen Kenntnisse und Aufzeichnungen zusammenzuführen, aufzubereiten und zu dokumentieren (Materialsammlung), (3) die Materialsammlung im Fortgang einer Gefährdungsabschätzung und ggf. die Überwachung oder Sanierung sowie bei Nacherhebung zu ergänzen (Fortschreibung) und (4) die Erfassungsunterlagen auf Dauer für alle Planungen und Vorhaben, die von Altablagerungen oder Altstandorten berührt sein können, zu sichern und bereitzuhalten (Führung des Katasters)392. § 12 verlangt von den nach § 9 Abs. 2 Satz 1 zur Untersuchung der Altlast und den nach § 4 Abs. 3 zur Sanierung der Altlast Verpflichteten, die Betroffenen über die bevorstehende Durchführung der geplanten Maßnahme zu informieren. Die Vorschrift 391 392

Peine, UPR 1997, 58. s. Radtke, in: HRHB, § 11 Rn. 2.

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beschränkt sich (insoweit ist von einer abschließenden Regelung auszugehen) auf die Informationspflicht der Sanierungspflichtigen – die Regelung der Befugnisse der Behörden zur Information ist laut Begründung Sache der Länder393. Insoweit tritt eine Sperrwirkung nicht ein. § 13 regelt Sanierungsuntersuchungen und die Sanierungsplanung. Nach § 13 Abs. 1 soll die zuständige Behörde bei Altlasten, von denen wegen der Verschiedenartigkeit der nach § 4 erforderlichen Maßnahmen ein abgestimmtes Vorgehen notwendig ist oder aufgrund von Art, Ausbreitung oder Menge der Schadstoffe in besonderem Maße schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen, von einem nach § 4 Abs. 3, 5 oder 6 zur Sanierung Verpflichteten die notwendigen Unterlagen zur Entscheidung über Art und Umfang der nach § 4 Abs. 3 erforderlichen Maßnahmen (sog. Sanierungsuntersuchungen; laut Begründung des Gesetzes stellen diese die Grundlage des Sanierungsplans dar und umfassen insb. Untersuchungen über Art und Umfang geeigneter Maßnahmen sowie Machbarkeitsstudien394) sowie die Vorlage eines Sanierungsplans verlangen. Der Plan muss insb. eine Zusammenfassung der Gefährdungsabschätzung und der Sanierungsuntersuchungen, Angaben über die bisherige und künftige Nutzung der zu sanierenden Grundstücke sowie die Darstellung des Sanierungsziels und die hierzu erforderlichen Dekontaminations-, Sicherungs-, Schutz-, Beschränkungsund Eigenkontrollmaßnahmen sowie die zeitliche Durchführung dieser Maßnahmen enthalten. Laut Begründung liegt das „Ob“ der Erstellung eines Sanierungsplans im eingeschränkten Ermessen der Behörde; sollte trotz des besonderen Gefährdungspotentials einer Altlast aufgrund besonderer Umstände ein Sanierungsplan nicht erforderlich erscheinen, kann auch ohne Sanierungsplan eine Sanierungsanordnung nach § 10 Abs. 1 i.V.m. § 16 Abs. 2 ergehen395. Nach § 13 Abs. 2 steht es im Ermessen der zuständigen Behörde, die Erstellung von Sanierungsuntersuchungen und des Sanierungsplans von einem Sachverständigen zu verlangen. § 13 Abs. 3 regelt, in welcher Weise die Betroffenen über die Sanierungsplanung zu informieren sind – zu diesem Thema wurde schon Stellung genommen. § 13 Abs. 4 stellt dem Sanierungsverpflichteten die Vorlage des Entwurfs für einen Sanierungsvertrag anheim. § 13 Abs. 5 schließt § 27 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG für die Fälle aus, in denen entnommenes Bodenmaterial im Bereich der von der Altlastensanierung betroffenen Fläche wieder eingebracht werden soll, wenn durch einen für verbindlich erklärten Sanierungsplan oder durch eine Anordnung zur Durchsetzung der Pflichten nach § 4 sichergestellt wird, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Nach § 13 Abs. 6 kann der Sanierungsplan auch unter Abänderungen und Nebenbestimmungen für verbindlich erklärt werden; er entfaltet dann Konzentrationswirkung für andere die Sanierung betreffende behördliche Entscheidungen396. 393

BTag-Drs. 13/6701, S. 41. BTag-Drs. 13/6701, S. 41. 395 BTag-Drs. 13/6701, S. 41. 396 Vertiefend zum Sanierungsplan vgl. Diehr, UPR 1998, 128 ff. (insb. S. 129: „Die Regelung soll eine Beschleunigung des Sanierungsverfahrens, finanzielle Entlastung der Behör394

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Wegen der Ausführlichkeit der in § 13 enthaltenen Regelungen ist bis auf die möglichen Inhalte des Sanierungsplans von einer erschöpfenden Normierung auszugehen. Eine abschließende Bestimmung des Inhalts des Sanierungsplans enthält § 13 Abs. 1 angesichts seines Wortlauts („insbesondere“) nicht397; die Bundesregierung wird in Satz 2 ermächtigt, durch RechtsVO Vorschriften über die Anforderungen an Sanierungsuntersuchungen sowie den Inhalt von Sanierungsplänen zu erlassen. Da sich weder dem Gesetzestext noch der Begründung ausdrückliche Aussagen des Bundesgesetzgebers betreffend eine Verdrängung der Landesgesetzgeber durch die Verordnungsermächtigung für die Zeit bis zum Erlass der (konkretisierenden) RechtsVO entnehmen lassen, ist davon auszugehen, dass bis zu deren Erlass ergänzende Vorschriften in LBodSchGen betreffend den Inhalt von Sanierungsplänen nicht von der Sperrwirkung nach Art. 72 GG erfasst werden, wenn sie nicht zu § 13 Abs. 1 im Widerspruch stehen. Die BBodSchV enthält in § 6 Feststellungen für Altlasten, die die Länder sperren. Nach § 14 Abs. 1 kann die zuständige Behörde den Sanierungsplan nach § 13 selbst erstellen oder ergänzen oder durch einen Sachverständigen nach § 18 erstellen oder ergänzen lassen, wenn der Plan nicht, nicht fristgerecht oder fachlich unzureichend vom Verpflichteten erstellt worden ist (Nr. 1), ein Verpflichteter nicht oder nicht rechtzeitig herangezogen werden kann (Nr. 2) oder aufgrund der großflächigen Ausdehnung der Altlast, der auf der Altlast beruhenden weiträumigen Verunreinigung eines Gewässers oder aufgrund der großen Anzahl der Verpflichteten ein koordiniertes Vorgehen erforderlich ist (Nr. 3). Nach § 14 Abs. 2 gilt § 13 Abs. 3 – 6 entsprechend. Da es sich bei § 14 Abs. 1 um eine abschließende Aufzählung von Voraussetzungen handelt398, ist hinsichtlich der Möglichkeiten der zuständigen Behörde, selbst einen Sanierungsplan zu erstellen, von einer erschöpfenden Regelung auszugehen. Für ergänzende Regelungen betreffend das weitere Verfahren bleiben die Länder nach § 21 Abs. 1 kompetent. § 15 regelt die behördliche Überwachung und Eigenkontrolle: Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 unterliegen Altlasten und altlastverdächtige Flächen der Überwachung durch die zuständige Behörde. Nach der Begründung zum BBodSchG erstreckt sich die Überwachung auf alle gesetzlichen und durch RechtsVO konkretisierten Anforderungen399 ; damit ist die Norm abschließend. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 bleibt die Wirksamkeit von behördlichen Zulassungsentscheidungen sowie von nachträglichen Anordnungen durch die Anwendung des Gesetzes unberührt; es handelt sich um eine Klar-

den und nicht zuletzt ,Mediation durch die Einsetzung eines neutralen privaten Sachverständigen bewirken.“), sowie Vierhaus, NJW 1998, 1268 f. 397 Auch die Begründung spricht nur von „Regelbeispielen“, vgl. BTag-Drs. 13/6701, S. 41. 398 Vgl. die Begründung zu § 14 Abs. 1: „Die Vorschrift eröffnet der zuständigen Behörde die Möglichkeit, unter den genannten Voraussetzungen selbst einen Sanierungsplan zu erstellen oder von einem Sachverständigen erstellen zu lassen.“ (BTag-Drs. 13/6701, S. 42 § 14 Rn. 2). 399 BTag-Drs. 13/6701, S. 42.

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stellung400. § 15 Abs. 2 ergänzt die behördliche um die betreibereigene Überwachung: Danach kann die zuständige Behörde bei Vorliegen einer Altlast von den nach § 4 Abs. 3 Verpflichteten die Durchführung von Eigenkontrollmaßnahmen, insb. Boden- und Wasseruntersuchungen sowie die Einrichtung und den Betrieb von Messstellen verlangen (Satz 1); derartige Anordnungen können auch nach Durchführung von Dekontaminations-, Sicherungs- und Beschränkungsmaßnahmen ergehen (Satz 4) und müssen auf Verlangen der Behörde von einem Sachverständigen durchgeführt werden (Satz 5)401. Nach § 15 Abs. 3 sind die Ergebnisse der Eigenkontrollmaßnahmen der zuständigen Behörde auf Verlangen mitzuteilen. – Angesichts der umfassenden Überwachungspflicht und der Ausführlichkeit der Regelung der Eigenkontrolle ist für § 15 von einer erschöpfenden Regelung auszugehen, mit Ausnahme des Spektrums der Eigenkontrollmaßnahmen: Indem der Bundesgesetzgeber hier bewusst keine abschließende Aufzählung vornimmt („insbesondere“), ist davon auszugehen, dass die Länder insoweit konkretisierende Regelungen treffen dürfen; die Begründung ergibt nichts Gegenteiliges. Ferner sind ergänzende Verfahrensregelungen nach § 21 Abs. 1 möglich. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 überwacht die Behörde Altlasten und altlastverdächtige Flächen „soweit erforderlich“. „Soweit erforderlich“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Diesen kann der Landesgesetzgeber, wie schon mehrfach betont, durch Regelbeispiele konkretisieren. Damit sind aber auch in LBodSchGen konkrete „Wenn/ Dann-Beziehungen“ normierbar. Die Formulierung dieser Beziehung ist nichts anderes als eine andere Variante der Formulierung eines Regelbeispiels. Es können ebenfalls konkrete Überwachungsmaßnahmen einem bestimmten Gefährdungsgrad zugeordnet werden; es ist unmittelbar einsichtig, dass es sich bei dieser Regelungstechnik um nicht anderes handelt als um eine Konkretisierung durch eine bestimmte Form eines Regelbeispiels. Dieses Ergebnis gilt ebenso für die Eigenkontrolle; denn diese kann die Behörde anordnen, soweit sie erforderlich ist. Aussagen betreffend (alternative) Sanierungsträger402 oder etwa die Sanierung durch Altlastensanierungsgesellschaften403 im Fall des Ausscheidens eines privaten Sanierungsträgers fehlen im BBodSchG gänzlich. Daraus und mangels entgegenstehender Anhaltspunkte in der Begründung des Gesetzes ist zu folgern, dass die Regelung dieser Frage dem Landesrecht vorbehalten sein soll. Für diese Auffassung streitet auch der Gesichtspunkt, dass es sich bei den genannten Sanierungsträgern um In400 Vgl. BTag-Drs. 13/6701, S. 42, denn der Regelungsgehalt von Zulassungsentscheidungen und nachträglichen behördlichen Anordnungen erfasst teilweise auch den nach der Betriebseinstellung liegenden Zeitraum. 401 Vgl. BTag-Drs. 13/6701, S. 43: „Müsste die Behörde selbst umfassend Überwachungsmaßnahmen durchführen, so könnte dies die sachlichen und personellen Möglichkeiten einzelner Länder überfordern.“ 402 Vgl. § 352 UGB-KomE (Fn. 8). 403 So § 311 UGB-ProfE (Fn. 7).

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stitutionen handelt, deren Handeln der Erreichung des in § 1 normierten Zwecks dient404. Die landesrechtliche Einrichtung von Fonds zur Finanzierung der Altlastsanierung verbietet das Bundesrecht ebenfalls nicht. § 16 enthält eine Ermächtigungsgrundlage für weitere behördliche Anordnungen allein zur Durchsetzung der im Dritten Teil vorgesehenen Pflichten. Rechtsgrundlage für Sanierungsanordnungen ist auch bei Altlasten § 10 Abs. 1; § 16 Abs. 2 erweitert die Wirkungen solcher Anordnungen durch die Konzentration sonstiger behördlicher Anordnungen, sofern nicht bereits ein Sanierungsplan i.S.v. § 13 Abs. 6 Satz 2 vorliegt405 (hinsichtlich des Umfangs der Sperrwirkung sei auf die Ausführungen zu § 10 Abs. 1 verwiesen). Zwischenergebnis: Das Altlastensanierungsrecht ist durch die ergänzenden Regelungen weitgehend erschöpfend geregelt, aber insgesamt teilt es die Lückenhaftigkeit des Zweiten Teils des BBodSchG, auf dessen Grundsätzen und Pflichten es aufbaut. ee) Schlussvorschriften Die Schlussvorschriften enthalten Regelungen betreffend Sachverständige und Untersuchungsstellen (§ 18), Datenübermittlung (§ 19), die Anhörung beteiligter Kreise (§ 20), landesrechtliche Regelungen (§ 21), die Erfüllung von bindenden Beschlüssen der Europäischen Gemeinschaften (§ 22), die Landesverteidigung (§ 23), Kosten (§ 24), Wertausgleich (§ 25) und Bußgeldvorschriften (§ 26). Bis auf die folgende Behandlung des Wertausgleichs und der Bußgeldvorschriften erscheint eine Behandlung der übrigen Schlussvorschriften als nicht notwendig; ferner ist eine Analyse der §§ 21, 23 und 24 schon erfolgt. Eine Besonderheit stellt die in § 25 geregelte Wertausgleichspflicht des Eigentümers dar, die auf Vorschlag des Bundesrats wegen der Wahrung der finanziellen Interessen der öffentlichen Hand in das Gesetz Eingang fand406. § 25 Abs. 1 war schon vorgestellt worden. Die weiteren Absätze betreffen die Berechnung des Wertausgleichs, Absatz 2 und 4, Fälligkeit des Betrags und Erlöschen der Ausgleichspflicht, Absatz 3, eine Härteklausel, Absatz 5, sowie eine Ermächtigung zum Erlass einer RechtsVO betreffend die Art und Weise, wie im Grundbuch auf das Vorhandensein der öffentlichen Last hinzuweisen ist, Absatz 6. Wegen der ausführlichen Normierung ist in ihr ohne weiteres eine erschöpfende Regelung zu sehen; ferner will der Bundesgesetzgeber angesichts der bereits bei den Kosten- und Haftungsfragen ange404 Zu den auf Landesebene bestehenden Ansätzen (auf dem Verursacherprinzip, dem Gruppenlastprinzip, dem Gemeinlastprinzip sowie dem Kooperationsprinzip basierende Modelle) und der damit verbundenen Beschaffung der für die Sanierung erforderlichen finanziellen Mittel vgl. UGB-ProfE (Fn. 7), S. 1050; Essing, in: Franzius/Stegmann/Wolf/Brandt (Hg.), Handbuch der Altlastensanierung, Stand September 1999, Kap. 1.6.3.0., S. 1 ff.; Kretz, UPR 1993, 47; Wagener, WUR 1990, 37 ff.; Brandt, S. 229 ff. 405 BTag-Drs. 13/6701, S. 43. 406 BRat-Drs. 706/96, S. 31 – 33 („Vorteilsausgleich“); BTag-Drs. 13/8182, S. 9 f.

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sprochenen und auch hier anzunehmenden Gefährdung eines ausgewogenen Investitionsklimas abweichende Regelungen bzw. Konkretisierungen auf Landesebene nicht. Die in § 26 geregelten Zuwiderhandlungen gegen die RechtsVOen sind abschließend.

V. Zusammenfassung der Ergebnisse zur Sperrwirkung des Bundes-Bodenschutzgesetzes Das BBodSchG entfaltet als Ganzes keine Sperrwirkung. Neben den ausdrücklich eingeräumten Handlungsmöglichkeiten für die Länder enthält das Gesetz eine Vielzahl von Lücken. Mit Blick auf ihr Füllen darf festgehalten werden407: In ein Landesgesetz können weitere Grundsätze aufgenommen werden. Mangels entgegenstehender Aussagen in § 4 Abs. 1 sind Konkretisierungen durch die Länder im Bereich des quantitativen Bodenschutzes ohne weiteres möglich; die RechtsVO nach § 8 ist zu beachten. Bis zum Erlass der in § 5 Satz 1 angesprochenen RechtsVO verbleibt den Ländern die Möglichkeit, konkretisierende Bestimmungen zu der Ermächtigung in § 5 Satz 2 zu treffen. Nach Erlass der RechtsVO nach § 5 Satz 1 ist es den Ländern untersagt, weitere Entsiegelungspflichten zu regeln. Die Möglichkeit, solche Aussagen in einem LBodSchG zu treffen, die die VOen nach § 6 und § 8 nicht enthalten, ist abhängig davon, ob der Bund in die RechtsVOen abschließende Regelungen aufnimmt; das ist nach der vorhandenen VO nicht der Fall. Die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe ist in einem LBodSchG rechtlich erlaubt; die Konkretisierung muss freilich den Rahmen beachten, den der unbestimmte Rechtsbegriff setzt. In einem LBodSchG können den nach § 9 Abs. 1 tätig werdenden Behörden Fristen gesetzt werden. Der unbestimmte Rechtsbegriff „notwendige Maßnahmen“ in § 10 Abs. 1 kann mit Hilfe von Regelbeispielen in einem Landesgesetz konkretisiert werden. Für den Ausgleichsanspruch nach § 10 Abs. 2 wird vorgeschlagen, die Regelung der Landesnaturschutzgesetze unter Berücksichtigung der notwendigen Modifizierung zu übernehmen. Die Zulässigkeit von Landesrecht nach § 11 ermöglicht es dem Landesgesetzgeber, alle Instrumente zu regeln, die mit Blick auf die Erfassung von Altlasten und altlastverdächtigen Flächen zielführend sind. In ein LBodSchG können Regelungen betreffend die Beteiligung der von einer Altlastensanierung Betroffenen aufgenommen werden. Insb. kann eine öffentliche Anhörung für die Vorstellung der Sanierungsmaßnahmen in einem LBodSchG geregelt werden. Ein LBodSchG kann näherhin konkretisieren, wann eine Altlast zu sanieren und wann sie lediglich zu sichern ist. In einem LBodSchG können Konkretisierungen der behördlichen Überwachung und der Eigenkontrolle durch Normierung konkreter Wenn/Dann-Beziehungen geregelt werden; ferner können konkrete Überwachungsmaßnahmen einem bestimmten Gefährdungsgrad zugeordnet werden. Eine Konkre407 Es handelt sich im Folgenden um die Antworten auf die Fragen, die Verfasser gutachtlich zu erarbeiten hatte, s. Fn. 161.

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tisierung des § 17 ist durch Landesrecht möglich. § 21 Abs. 1 gestattet es den Ländern, all dasjenige zu normieren, was Art. 84 GG erlaubt. Nach § 21 Abs. 3 können Archive der Natur- und Kulturgeschichte ausgewiesen werden. Ferner können nach § 21 Abs. 3 Erosionsschutzgebiete ausgewiesen werden, sofern die Ausweisung der Gefahrenabwehr dient. Der Landesgesetzgeber kann Fonds oder ähnliche Finanzierungsinstrumente für die Finanzierung der Altlastensanierung schaffen.

H. Die Ausweisung von Bodenschutzgebieten nach § 21 Abs. 3 BBodSchG Nach § 21 Abs. 3 BBodSchG1 können die Länder Gebiete bestimmen, in denen flächenhaft schädliche Bodenveränderungen auftreten oder zu erwarten sind. Sie können ferner die zu ergreifenden Maßnahmen festlegen. Schließlich können sie weitere Regelungen über gebietsbezogene Maßnahmen treffen. Die Reichweite dieses Rechts ist umstritten. Zu fragen ist auch nach sonstigen Vorgaben, die bei gebietsbezogenen Maßnahmen zu beachten sind.

I. Der Untersuchungsgegenstand § 21 Abs. 3 gestattet es den Ländern, Bodenschutzpläne aufzustellen sowie sonstige gebietsbezogene Maßnahmen des Bodenschutzes zu ergreifen. Diese Instrumente des Bodenschutzes sind nicht neu; das Bundesgesetz erkennt lediglich Regelungen des Landesrechts als sinnvoll an. Bodenschutzgebiete gab es unter dem Namen Bodenbelastungsgebiete bereits in Baden-Württemberg, Berlin und Sachsen. – Den Vorschlag, Bodenbeeinträchtigungsgebiete zu schaffen, enthielt ferner § 297 UGBProfE2. Hier fanden sich Aussagen zu den Voraussetzungen, über die zu treffenden

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Vorschriften des BBodSchG werden im Folgenden ohne nähere Kennzeichnung zitiert. (1) Gebiete, in denen weiträumig Bodenbeeinträchtigungen festgestellt werden, können zur Beseitigung der Bodenbeeinträchtigung, aus Gründen der Vorsorge für die menschliche Gesundheit oder zur Vorsorge gegen erhebliche Beeinträchtigungen der Umwelt als Bodenbeeinträchtigungsgebiete festgesetzt werden. Die Landesregierungen bestimmen Bodenbeeinträchtigungsgebiete durch Rechtsverordnung […]; sie können das Recht zum Erlass der Rechtsverordnung ganz oder teilweise auf andere Behörden übertragen. Den betroffenen Grundstückseigentümern und den berührten Gemeinden ist vor Erlass der Rechtsverordnung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. (2) In der Rechtsverordnung sind das Gebiet, der wesentliche Zweck und die erforderlichen Verbote, Beschränkungen und Schutzmaßnahmen zu bestimmen. Insbesondere kann vorgeschrieben werden, dass in dem Gebiet je nach Art und Maß des Umweltrisikos 1. der Boden auf Dauer oder auf bestimmte Zeit nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden darf, 2. nur bestimmte Nutzungen zugelassen werden, 3. bestimmte Stoffe nicht eingesetzt werden dürfen, 4. der Grundstückseigentümer oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück näher festzulegende Maßnahmen zur Beseitigung oder Verminderung von Bodenbeeinträchtigungen zu dulden oder durchzuführen hat. 2

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Maßnahmen, die Rechtsform, das zu beachtende Verfahren sowie die Rechtsfolgen entschädigungsrechtlicher Art. – Ein Recht der Bodenschutzgebiete enthielt schließlich § 346 UGB-KomE3. Die Regelung entsprach weitgehend der des § 297 UGB(3) Wird durch eine Maßnahme nach Absatz 2 die im Sinne des […] ordnungsgemäße landoder forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks unzumutbar beschränkt, so ist dafür nach Maßgabe des Landesrechts Entschädigung zu leisten. Bei der Bestimmung der Zumutbarkeit sowie der Art und des Umfangs der Entschädigung ist die Umweltpflichtigkeit des Eigentums zu berücksichtigen. Wird durch eine Maßnahme nach Absatz 2 die im Sinne des […] ordnungsgemäße land- oder forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks beschränkt, so kann für die dadurch verursachten besonderen wirtschaftlichen Nachteile ein angemessener Ausgleich nach Maßgabe des Landesrechts geleistet werden, soweit nicht eine Entschädigungspflicht nach Satz 1 besteht. 3 (1) Für Gebiete, in denen flächenhaft Bodenbeeinträchtigungen oder Bodenbelastungen bestehen oder zu besorgen sind, können von der zuständigen Behörde Bodenschutzpläne zur Vermeidung weiterer Bodenbeeinträchtigungen oder Bodenbelastungen, zur Wiederherstellung der natürlichen Bodenfunktionen, zur Sanierung und Rekultivierung und zur Vorsorge gegen Risiken für die Umwelt oder den Menschen aufgestellt werden. Bei der Aufstellung eines Bodenschutzplans sind die Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung zu berücksichtigen. Der Bodenschutzplan soll mit bestehenden und beabsichtigten anderen planerischen Festlegungen für das Gebiet oder Teile des Gebiets abgestimmt werden. Die Gemeinden, deren Gebiet betroffen ist, sind zu beteiligen. (2) Der Bodenschutzplan enthält mindestens 1. die Bestimmung seines Zwecks nach Abs. 1 Satz 1, 2. Angaben über bestehende oder zu besorgende Bodenbeeinträchtigungen oder Bodenbelastungen und deren Ursachen, 3. die Maßnahmen, die zur Erreichung des nach Nr. 1 bestimmten Zwecks durchgeführt werden sollen. (3) Der Bodenschutzplan kann enthalten 1. Festsetzungen über die Beschränkung oder das Verbot bestimmter Arten der Nutzung des Bodens oder des Einsatzes bestimmter Stoffe auf bestimmte oder unbestimmte Zeit oder während bestimmter Zeitabschnitte, 2. Festsetzungen über die Verpflichtung des Eigentümers oder Besitzers des Grundstücks, bestimmte im Plan vorgesehene Maßnahmen zu dulden oder durchzuführen, 3. weitere Angaben, Maßnahmen, Festsetzungen oder sonstige Regelungen nach Maßgabe des Landesrechts. (4) Der Bodenschutzplan ergeht als RechtsVO, soweit er für Dritte verbindliche Regelungen, insbesondere Festsetzungen nach Absatz 3 trifft. Im übrigen regeln die Länder die Aufstellung des Bodenschutzplans. (5) Wird durch Festsetzungen oder sonstige Regelungen nach Absatz 3 die zulässige Nutzung eines Grundstücks unzumutbar beschränkt oder aufgehoben, so ist dafür nach Maßgabe des Landesrechts ein angemessener Ausgleich zu gewähren. Bei der Bestimmung der Zumutbarkeit sowie der Art und des Umfangs des Ausgleichs ist die Umweltpflichtigkeit des Eigentums zu berücksichtigen. Eine Beschränkung oder Aufhebung der zulässigen Nutzung ist insbesondere zumutbar, soweit der Betroffene durch Verletzung ihm nach § […] obliegender Pflichten Anlass dazu gegeben hat, oder soweit er bei bestehenden Bodenbelastungen nach § […] als Verantwortlicher in Anspruch genommen werden kann. (6) Wird durch Festsetzungen oder sonstige Regelungen nach Absatz 3 die im Sinne des § […] umweltschonende land- oder forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder beschränkt, so kann, soweit der Betroffene dazu nicht durch die Verletzung der ihm

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ProfE. Mit den unterschiedlichen Bezeichnungen war sachlich Differentes nicht verbunden. § 21 Abs. 3 berechtigt die Länder zur Regelung flächenhaften Bodenschutzes, verpflichtet sie dazu aber nicht. Das Bundesrecht enthält für die Länder keine inhaltliche Vorgabe – sieht man davon ab, dass sie die vom Bundesgesetz ausgehende Sperrwirkung zu beachten haben. Die Länder können deshalb weitgehend ungebunden ein Recht des flächenhaften Bodenschutzes entwerfen. Dieses ist teilweise schon vor Erlass des BBodSchG geschehen – in Baden-Württemberg, Berlin und in Sachsen –, teilweise nach Erlass des Bundesgesetzes – in Niedersachsen. Das Landesrecht eines flächenhaften Bodenschutzes werde i.F. entworfen. Vorhandenes Recht werde an diesen Maßstäben auf seine Rechtmäßigkeit überprüft. – Vorbild für ein solches Recht kann das Recht der Wasserschutzgebiete nach § 19 WHG sein4. Nicht ausschließlich, aber auch geht es in diesem Fall um Schutz, und zwar um den Schutz des Grundwassers. Die Parallele zum Bodenschutz liegt auf der Hand. In beiden Fällen geht es um die Art des Schutzgebiets bzw. der Schutzmaßnahmen, die schützenden Instrumente, die Rechtsform bzw. das Rechtsinstrument und das bei der Wahl einer bestimmten Rechtsform zu beachtende Recht sowie um die Rechtsfolgen der Ausweisung. Diese Fragen sind mit Blick auf die Wasserschutzgebiete durchweg beantwortet. Auf die Ergebnisse darf zurückgegriffen werden.

II. Das Recht des flächenhaften Bodenschutzes 1. Arten von Schutzgebieten a) Gebiete mit flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen Nach § 21 Abs. 3 können die Länder Sonderregelungen für Gebiete mit flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen erlassen. Der Begriff „schädliche Bodenveränderung“ ist in § 2 Abs. 3 legaldefiniert; es handelt sich um Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Die in diesem Zusammenhang relevanten Bodenfunktionen zählt § 2 Abs. 2 auf. Der Begriff schädliche Bodenveränderung ist der zentrale Begriff des BBodSchG. Er ist zweigliedrig5. Deshalb ist die Prüfung, ob eine schädliche Bodenveränderung vorliegt, in zwei Stufen vorzunehmen: Auf der ersten Stufe ist zu analysieren, ob eine nach den §§ […] obliegenden Pflichten Anlass gegeben hat, für die dadurch verursachten besonderen wirtschaftlichen Nachteile, für die ein Ausgleich nach Absatz 5 nicht zu leisten ist, ein Härteausgleich nach Maßgabe des Landesrechts gewährt werden. 4 s. dazu ausführlich Czychowski, Wasserhaushaltsgesetz, 7. Aufl. 1998, Rn. 38 – 54, 92 – 102; Peine, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht Bd. 1, 2000, S. 979 ff. 5 Holzwarth/Radtke/Hilger, BBodSchG, 1999, § 2 Rn. 26.

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Beeinträchtigung der Bodenfunktionen vorliegt, weil nicht zwingend jeder Fall der Bodenveränderung negative Folgen auslöst; auf einer zweiten Stufe ist zu untersuchen, ob die Beeinträchtigung geeignet ist, eine Gefahr, einen erheblichen Nachteil oder eine erhebliche Belästigung für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Sind die auf beiden Stufen zu stellenden Fragen zu bejahen, liegt eine schädliche Bodenveränderung vor. Entsprechend allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen ist dann zu prüfen, ob die Beeinträchtigung der Bodenfunktion geeignet ist, die Gefahr herbeizuführen; zu vollziehen ist die allgemeine polizeirechtliche Kausalitätsprüfung6. Der Begriff der Beeinträchtigung der Bodenfunktionen ist weit zu verstehen7: Physikalische, chemische oder biologische Veränderungen der Bodenbeschaffenheit können eine Bodenbeeinträchtigung darstellen8. Funktionsbeeinträchtigungen können hervorgerufen sein durch stoffliche Einträge; die Bodenerosion stellt eine Funktionsbeeinträchtigung ebenso dar wie die Bodenverdichtung und die Bodenversiegelung9. Funktionsbeeinträchtigungen sind aber auch denkbar durch biologische Veränderungen – etwa durch Bakterien oder durch die Freisetzung veränderter Organismen. Die schwerwiegendste Art der Beeinträchtigung der Bodenfunktionen ist eine Funktionsstörung10. Der Auslöser der Bodenbeeinträchtigung ist bedeutungslos11. – Der Begriff Gefahr ist i.S.d. Polizeirechts zu verstehen; Gefahr ist eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird12. Die Begriffe Nachteil und Belästigung sind i.S.d. BImSchG zu interpretieren13. ein Nachteil ist eine Beeinträchtigung, die nicht zu einer unmittelbaren Verletzung der unmittelbar durch das Gesetz geschützten Rechtsgüter führt, es geht z. B. um finanzielle Interessen14. eine Belästigung stellt eine Beeinträchtigung dar, die sich auf das körperliche und seelische Wohlbefinden auswirkt, aber den Grad einer Gefahr nicht erreicht: die Differenz ist quantitativ15. Der Nachteil und die Belästigung sind erheblich, wenn sie eine Intensität erreichen, die dem Einzelnen oder der Allgemeinheit nicht mehr zugemutet werden kann. Maßstab für die Bestimmung der Zumutbarkeitsschwelle ist die Sicht des Betroffenen16. – Schutzgüter der schädlichen Bodenveränderung sind sowohl der Einzelne als auch die Allgemeinheit. Die Einbeziehung der Allgemeinheit 6

s. dazu jetzt ausführlich Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, 2000, Rn. 377 ff. Holzwarth/Radtke/Hilger, § 2 Rn. 27 ff.; s. ferner BRat-Drs. 702/96, S. 85. 8 Frenz, BBodSchG, Komm., 2000, § 2 Rn. 49. 9 Ebd. 10 Ebd. 11 Ebd., Rn. 51. 12 Waechter, S. 237. 13 Frenz, § 2 Rn. 62. 14 Frenz, § 2 Rn. 63. 15 Frenz, § 2 Rn. 64. 16 Frenz, § 2 Rn. 65. 7

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als Schutzgut soll bewirken, dass der Schutz sich auch auf die ökologischen Bodenfunktionen als bedeutungsvoll für den Naturhaushalt erstreckt17. – Die notwendige Kausalität ist eine doppelte: zum einen muss der Verursachungsbeitrag eine Beeinträchtigung der Bodenfunktionen bedingen, zum anderen muss die Beeinträchtigung der Bodenfunktion einen Schaden, einen erheblichen Nachteil oder eine erhebliche Belästigung bedeuten18. § 2 Abs. 2 zählt insgesamt acht Bodenfunktionen auf. Dass es sich bei den aufgezählten Funktionen in der Tat um solche handelt, die der Boden erfüllt, ist unbestreitbar. Es handelt sich um Funktionen mit und um solche ohne Umweltschutzbezug. Von den acht aufgezählten Funktionen haben lediglich drei einen Bezug zum Umweltschutz. Nur diese sind in unserem Zusammenhang von Bedeutung. In der Literatur findet sich die Aussage, das BBodSchG i.V.m. der BBodSchV regelten abschließend, dass in Gebieten nach § 21 Abs. 3 keine anderen Werte als die Vorsorge-, Prüf- und Maßnahmewerte der BBodSchV zur Anwendung gelangen könnten19. Diese Aussage ist offensichtlich falsch. Zwar gilt nach § 1 Nr. 1 BBodSchV die VO auch für schädliche Bodenveränderungen; relevant sind die §§ 8 und 9 ff. BBodSchV. § 8 BBodSchV regelt die Gefahrenabwehr von schädlichen Bodenveränderungen aufgrund von Bodenerosion durch Wasser; im Übrigen finden sich Aussagen zur Gefahrenabwehr nicht; infolgedessen ist das Recht der Gefahrenabwehr bei schädlichen Bodenveränderungen wie dargelegt zu konkretisieren. Die §§ 9 ff. BBodSchV behandeln die Fälle § 7 und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, 3; zu § 21 Abs. 3 treffen sie keine Aussage. Die BBodSchV hilft deshalb mit Blick auf die Festlegung der schädlichen Bodenveränderung nicht weiter. Das BBodSchG bestimmt den Begriff „flächenhaft“ nicht näher. Flächenhaft bedeutet vom Wortlaut aus gesehen den Gegensatz zu punktuell20. Von Flächenhaftigkeit ist dann zu sprechen, wenn es sich um eine größere schädliche Bodenveränderung handelt. In Ansehung der Größe darf davon ausgegangen werden, dass es sich um eine größere Fläche als die Fläche eines Grundstücks handeln muss, auf welchem sich beispielsweise eine stillgelegte Abfallbeseitigungsanlage oder ein industrieller Altstandort befindet. Ein Grundstück durchschnittlicher Größe darf wohl nicht mit flächenhaft i.S.d. § 21 Abs. 3 identifiziert werden. Andererseits ist anzunehmen, dass an die Flächenhaftigkeit all zu hohe Anforderungen nicht gestellt werden dürfen; wenn § 21 Abs. 3 es den Ländern erlaubt, zusätzliche Maßnahmen des gebietsbezogenen Bodenschutzes zu treffen und es dafür inhaltliche Vorgaben nicht gibt, dann muss es den Ländern freistehen, Maßnahmen des flächenhaften Bodenschutzes zu ergreifen, wenn die betroffene Fläche nach dem Sprachgebrauch korrekt als „Gebiet“ be-

17

Frenz, § 2 Rn. 70. Frenz, § 2 Rn. 73. 19 Rickels/Vahldiek, Gebietsbezogene Handlungskonzepte nach § 23 Abs. 3 BBodSchG, Bodenschutz 2000, 48. 20 Ebenso Frenz, § 21 Rn. 8. 18

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zeichnet werden darf, weil sie größer als ein Grundstück ist. Ein in diesem Sinne größerer Altstandort kann ein Gebiet i.S.d. Gesetzes sein. Bodenschutzpläne dürfen für Gebiete aufgestellt werden, die eine flächenhaft schädliche Bodenveränderung bereits aufweisen – Bodenschutzpläne sind ein Sanierungsinstrument. Das Ergreifen bodenschützender Maßnahmen ist aber auch erlaubt, wenn eine flächenhaft schädliche Bodenveränderung erst zu erwarten ist. Es sind vorsorgende Maßnahmen gestattet. Ob eine flächenhaft schädliche Bodenveränderung zu erwarten ist, muss sich als Ergebnis einer Prognose herausstellen. An die Art und Weise der Vornahme und die Qualität der Prognose stellt das Gesetz keine besonderen Anforderungen; für die Rechtmäßigkeit einer Prognose darf auf die Anforderungen verwiesen werden, die das Gefahrenabwehrrecht stellt. Es handelt sich um folgende Gesichtspunkte, die zu beachten sind, damit die Prognose rechtmäßig ist: Feststellung der maßgeblichen Tatsachen, Heraussuchen der Gefahrindizien, Heraussuchen der Gegenindizien, Abwägung der verbleibenden Anhaltspunkte – die verbliebenen Anhaltspunkte können die Gefahrenprognose rechtfertigen, sie sind gegeneinander abzuwägen, die Abwägung hat die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen21. .

b) Archive der Natur- und Kulturgeschichte Nach § 21 Abs. 3 dürfen die Länder Archive der Natur- und Kulturgeschichte ausweisen. Archive der Natur- und Kulturgeschichte sind erdgeschichtliche Bildungen (Geotope) und Archivböden (Pedotope), die wegen ihrer Seltenheit, Schönheit und ihrer Bedeutung für Wissenschaft, Forschung und Lehre sowie für Natur- und Heimatkunde von besonderem Wert sind. Gelegentlich22 wird die Zulässigkeit dieser Ausweisung ausdrücklich verneint. Man geht davon aus, mit der Regelung von Bodenbelastungsgebieten, deren Einrichtung den Ländern erlaubt ist, sei eine abschließende Regelung verbunden, die es den Ländern verböte, neuartige Bodenschutzgebiete zu errichten, die eine Nutzungsänderung ausschließen und die sich begrifflich von den Bodenbelastungsgebieten dadurch unterscheiden würden, dass sie keine bestehenden oder zu erwartenden Bodenbelastungen und damit keinen Gefahrenbezug voraussetzten. Zwar lasse der Wortlaut weitere gebietsbezogene Maßnahmen zu. Jedoch habe der Gesetzgeber mit seiner expliziten Regelung des Bodenbelastungsgebiets die Möglichkeit der Gebietsausweisung samt dazugehöriger Maßnahmen abschließend geregelt; mit den „weiteren Regelungen“ seien lediglich die in Absatz 4 genannten Instrumente gemeint. Für diesen Bezug spreche die Entstehungsgeschichte der Norm: So bildeten Absatz 3 und Absatz 4 Satz 1 noch im Regierungsentwurf eine Einheit; die Trennung der Sätze im Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags v. 12. 6. 1997 erfolgte lediglich deshalb, weil der Absatz infolge des Anfügens der beiden weiteren Sätze unübersichtlich geworden wäre. Ferner seien die Vorsorgean21 22

Gusy, Polizeirecht, 4. Aufl. 2000, Rn. 115. Sanden/Schoeneck, BBodSchG, Komm., 1999, § 21 Rn. 12.

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forderungen abschließend in §§ 7 und 17 normiert, was für eine restriktive Sicht spreche. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Jedes Gesetz ist so zu interpretieren, dass jedes verwandte Wort einen Sinn hat. Folgte man der geschilderten Interpretation, hätten die Wörter „weitere Regelungen über gebietsbezogene Maßnahmen“ keinen Sinn. Der Hinweis, es seien die in Absatz 4 genannten Instrumente insoweit gemeint, ist sinnlos, da zu einer doppelten Erwähnung des Erlaubten führend, weil die Nutzung der in Absatz 4 genannten Instrumente durch die Länder gerade durch Absatz 4 gestattet wird; ein Hinweis darauf in Absatz 3 ist überflüssig. Es muss deshalb, damit das Gesetz als Ganzes sinnvoll ist, weitere gebietsbezogene Maßnahmen des Bodenschutzes nach Landesrecht geben können, die etwas anderes als ein Bodenbelastungsgebiet oder die in Absatz 4 genannten Möglichkeiten darstellen. Ferner schließt die Entstehungsgeschichte des Gesetzes die hier vorgenommene Interpretation nicht aus; es wäre dem Gesetzgeber problemlos möglich gewesen, die in Absatz 3 vorhandenen Wörter „weitere Regelungen über gebietsbezogene Maßnahmen“ zu streichen; aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in dieser Weise nicht vorgegangen ist, ist zu schließen, dass es über die Bodenbelastungsgebiete hinaus weitere Festsetzungen nach Absatz 3 geben soll. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass der Hinweis, in den §§ 7 und 17 seien die Vorsorgeanforderungen abschließend geregelt, nicht ausschließt, dass neue gebietsbezogene Maßnahmen dann, aber auch nur dann erlaubt sind, wenn sie der Gefahrenabwehr dienen. Es ist nach alledem nicht ersichtlich, dass die für eine restriktive Interpretation vorgetragenen Gründe das Ergebnis tragen; es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Wortlaut des Gesetzes sowie fehlende tragfähige Erwägungen dazu führen, dass das Gesetz die Ausweisung von Archiven der Natur- und Kulturgeschichte nach § 21 Abs. 3 erlaubt. Dieses Ergebnis wird letztlich mit dem zutreffenden Hinweis bestätigt, Archive der Natur- und Kulturgeschichte könnten auf der Grundlage des Landesnaturschutzbzw. Denkmalschutzrechts ausgewiesen werden. Diese Aussage ist nur möglich, wenn ein Bundesgesetz insoweit keine Sperrwirkung auslöst; die Sperrwirkung, wenn sie ausgelöst wird, betrifft jedes Landesrecht, in concreto auch das Naturschutzund das Denkmalschutzrecht. Insoweit ist die Argumentation inkonsequent. c) Bodenerosionsgebiete Mit der zuvor erwähnten Begründung können auch Erosionsgebiete ausgewiesen werden, wenn die Ausweisung ausschließlich der Gefahrenabwehr dient. Es ist davon auszugehen, dass Schutzgebietsausweisungen zum Zwecke der Vorsorge nicht gestattet sind.

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2. Das Recht auf freie Wahl der Bezeichnung Das BBodSchG kennt für Gebiete, die nach § 21 Abs. 3 ausgewiesen werden, keinen speziellen Namen. Die Länder sind in der Namenswahl frei23. Diese Gebiete können mit Rücksicht auf § 2 Abs. 3 Bodenbeeinträchtigungsgebiete genannt werden24; die Literatur spricht von Bodenbelastungsgebieten25. Deshalb ist es den Landesgesetzgebern ohne weiteres möglich, die hier sog. Bodenbeeinträchtigungsgebiete und die Bodenerosionsgebiete zusammenfassend als Bodenschutzgebiete zu bezeichnen, wie es § 346 UGB-KomE vorschlägt26 ; der Landesgesetzgeber sollte aber klarstellend in einer Legaldefinition auf diesen Sprachgebrauch hinweisen. Problemlos ist es möglich, dass die Länder Baden-Württemberg und Berlin den Begriff Bodenbelastungsgebiet in den zu erwartenden Neufassungen ihrer Landes-Bodenschutzgesetze beibehalten. Die Länder Niedersachsen (§ 4) und jetzt auch Sachsen (§ 10) sprechen in ihren Bodenschutzgesetzen von Bodenplanungsgebieten; dieser Begriff ist vollkommen fernliegend, weil er einen Bezug zum Problem, nämlich dem Bodenschutz, nicht mehr erkennen lässt27. 3. Das Rechtsinstrument zur Einrichtung der Schutzgebiete Das BBodSchG enthält keine Vorgaben für das Rechtsinstrument, welches die Einrichtung der Schutzgebiete erlaubt. Als Rechtsinstrumente zur Ausweisung der Schutzgebiete kommen solche in Betracht, die wirksam sind – die also die Verwaltung auf der einen Seite und den betroffenen Grundstückseigentümer auf der anderen Seite zur Beachtung der gewählten Schutzmaßnahmen verpflichten. Deshalb liegt es neben der Sache, wenn darauf verwiesen wird, Pläne, wie sie das BImSchG für die Luftreinhaltung oder die Lärmminderung kenne, seien geeignete Instrumente28. Diese Pläne sind deshalb ungeeignet, weil sie unverbindlich sind29. Sie sind eine Handlungsanweisung an die aufstellende Behörde, andere Behörden binden sie nicht30. Sie bedürfen der Umsetzung durch Verwaltungs- oder sonstige Rechtsakte der zuständigen Träger31. Verbindlichkeit entfalten sie erst dann, wenn das Landesrecht ihnen diese ver23

Statt aller Frenz, § 21 Rn. 8. So auch § 297 UGB-ProfE, s. Jarass/Kloepfer/Kunig/Papier/Peine/Rehbinder/Salzwedel/Schmidt-Aßmann, UGB-BT, Berichte des Bundesumweltamtes 4, 1994. 25 Sanden/Schoeneck, § 21 Rn. 11. 26 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hg.), Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch beim Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 1998. 27 Rickels/Vahldiek, Bodenschutz 2000, 52, Fn. 2 rechtfertigen den Sprachgebrauch mit „psychologischen Gründen“; welche psychologischen Gründe das Resultat rechtfertigen sollen, verraten die Autorinnen nicht. 28 Rickels/Vahldiek, Bodenschutz 2000, 47. 29 s. statt vieler Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, 2. Aufl. 2000, § 21 Rn. 276 ff. 30 Ebd., Rn. 279. 31 Schulze-Fielitz, UPR 1992, 247. 24

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leiht – freilich ist der Landesgesetzgeber insoweit frei; die Verleihung geschieht dadurch, dass die Pläne in Form einer RechtsVO erlassen werden32. Als geeignete Rechtsinstrumente kommen die RechtsVO und die Satzung in Betracht. Welches Instrument im konkreten Fall zum Einsatz kommt, ist abhängig davon, wen das Landesrecht als Rechtsetzer vorsieht. Ist geregelt, dass die Landesregierung als solche oder ein einzelner Minister die Ausweisung vornimmt, kommt als Rechtsinstrument die RechtsVO in Frage. Herkömmlicherweise handelt die Regierung als Ganze oder ein Minister nicht mit dem Instrument der Satzung. Sieht das Landesrecht vor, dass eine untere Instanz als Rechtsetzer fungiert, zum Beispiel die Bezirksregierung oder die Kreisordnungsbehörde, dann besteht die Wahl zwischen der RechtsVO auf der einen Seite und der Satzung auf der anderen Seite. a) Das Recht der Verordnunggebung Als spezielles Recht der Verordnunggebung sind folgende Gesichtspunkte zu beachten: das Ermessen/die Gestaltungsfreiheit des Verordnunggebers bei Erlass der VO, die Mitwirkung der Betroffenen, die Beschreibung des Geltungsbereichs und der Inhalt der VO. Für den Erlass der VO ist nach einer neueren Auffassung33 davon auszugehen, dass der Verordnunggeber im Normalfall Gestaltungsfreiheit mit Blick auf ihren Erlass besitzt und es deshalb weder eine Rechtspflicht zum noch einen Rechtsanspruch auf Erlass der VO geben kann – ausnahmsweise kann es eine Rechtspflicht zum Normerlass geben34. Die Gestaltungsfreiheit des Verordnunggebers ist eine eigenständige Kategorie. Dafür sprechen folgende Erwägungen: In funktionaler Betrachtungsweise ergibt sich für die Verordnunggebung ein spezifisches Verhältnis von Rechtssetzungsund Rechtsanwendungsfunktion; das Vorhandensein nicht unbedeutender Rechtsanwendungselemente grenzt die Gestaltungsfreiheit des Verordnunggebers gegenüber der des Gesetzgebers ab. Ferner stellt die Verordnunggebung regelmäßig Gesetzgebung im materiellen Sinne dar; es geht um die Schaffung abstrakt-genereller Rechtssätze. Schließlich ist die Verordnunggebung in kompetentieller Hinsicht als Rechtsetzung durch die Exekutive zu kennzeichnen; dieses Faktum gebietet eine stringente Abstufung in Relation zum Gesetzgeber mit Blick auf den jeweiligen Umfang bestehender Gestaltungsfreiheit. Aus alledem folgt, dass der Verordnunggeber Entschließungsfreiheit besitzt; dem entspricht der Befund, dass in aller Regel das Gesetz dem Verordnunggeber die Entscheidung über das Gebrauchmachen von einer erteilten Ermächtigung anheim stellt. Nur ausnahmsweise kann es, wie gesagt, eine Pflicht des Verordnunggebers zum Erlass von RechtsVOen geben. Demnach ist der Erlass einer BodenschutzgebietsVO eine Sache des pflichtgemäßen Ermessens des Verordnunggebers. 32 33 34

§ 8 Abs. 1 LImSchG NW. v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 177 ff. Eisele, Subjektive öffentliche Rechte auf Normerlaß, 1999.

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Für die Mitwirkung der Betroffenen ist festzustellen: Normalerweise besitzen die von einer abstrakt-generellen Regelung Betroffenen kein Recht auf Mitwirkung beim Normerlass. Betrifft die VO jedoch konkrete Grundstücke, handelt es sich nicht durchweg um abstrakt-generelle Regelungen, sondern um solche, die konkret-individuell sind. Aus der VO ergeben sich unmittelbare Rechtspflichten für konkrete Personen. In diesem Fall kommt die Verordnunggebung dem Erlass eines Verwaltungsakts nahe. Beim Erlass eines Verwaltungsakts haben die Betroffenen nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz konkrete Rechte vor dessen Erlass. Das gleiche muss bei Erlass einer VO gelten, wenn diese sachlich eine Summe von Verwaltungsakten enthält. Es ist deshalb korrekt, wenn festgestellt wird, dass die von der VO Betroffenen zu beteiligen sind35. Das bedeutet im Einzelnen: Die Absicht, eine VO zu erlassen, ist bekannt zu machen, damit alle von ihr potentiell Betroffenen sich am Verfahren beteiligen können; als Beteiligte kommen in Betracht die Grundstückseigentümer bzw. die Verfügungsberechtigten und die betroffenen Gemeinden. Die Absicht, eine VO zu erlassen, ist im amtlichen Verkündigungsblatt zu publizieren. Im Verfahren sind die Träger öffentlicher Belange und die Privatpersonen zu hören. Danach ist der Entwurf der VO für eine bestimmte Dauer öffentlich auszulegen; gegen den Entwurf können Anregungen und Bedenken vorgetragen werden; diese Anregungen und Bedenken sind zu prüfen und das Ergebnis ist den Betroffenen mitzuteilen. Nach Verabschiedung der VO ist sie im Gesetzblatt zu publizieren. Für die Beschreibung des Geltungsbereichs der VO ist hervorzuheben: Im Gesetzestext muss der Geltungsbereich nur ungefähr beschrieben werden; der Verweis auf eine Landkarte ist erlaubt. Es ist in der VO darauf hinzuweisen, dass das Recht besteht, in die Landkarte kostenlos Einsicht zu nehmen36. In dieser Landkarte ist der Geltungsbereich der VO genau zu bezeichnen. Ebenso wie bei der Festlegung von Wasserschutzgebieten ist für die Festsetzung eines Bodenschutzgebiets hinsichtlich der Feinabgrenzung des Gebiets der sog. administrative Vereinfachungsspielraum anzuwenden37. Die Gebietsfestlegung sollte im Interesse der Klarheit an äußerlich erkennbaren Linien wie Straßen, Wegen, Bächen, Grundstücksgrenzen, Rainen und ähnlichem orientiert sein. Sie kann dadurch erfolgen, dass der Verordnungstext sämtliche Nummern der einbezogenen Flurstücke abschließend auflistet. Für die Inhalte der VO darf festgehalten werden, dass als geeignete Instrumente zur Durchsetzung der Ziele des § 21 Abs. 3 Verbote, Beschränkungen und Schutzmaßnahmen in Betracht kommen. Zu denken ist an folgende Instrumente: 1. dauerhafte oder befristete Nutzungsverbote oder Beschränkungen der Nutzung des Bodens, 2. Verbote des Einsatzes bestimmter Stoffe, 3. Abdeckungs- oder Bepflanzungsgebote, 35 36 37

Schlabach, VBlBW 1996, 414. Ebd., S. 413. Ebd.

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4. Regelungen zur Verwendung oder Ablagerung von ausgehobenem oder abgeschobenem Bodenmaterial, 5. Regelungen zum Auf- oder Einbringen von Materialien nach Maßgabe der RechtsVO zu § 6, 6. Handlungs- und Duldungspflichten der Grundstückseigentümer oder Nutzungsberechtigten mit Blick auf genau zu beschreibende Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung sowie zur Verhinderung des Entstehens schädlicher Bodenbeeinträchtigungen. Verbote müssen verhältnismäßig sein; absolute Verbote genügen dieser Rechtmäßigkeitsgrenze nur selten; es ist deshalb gestattet, Verbote mit Befreiungsvorbehalt in die VO aufzunehmen38. Die möglichen Befreiungstatbestände sind zu normieren. Ferner sind möglich Verbote mit Erlaubnisvorbehalt; bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, die in der VO festzulegen sind, hat der Einzelne einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis. – Beschränkungen sind ebenfalls Verbote, jedoch keine Totalverbote; deshalb genügen sie eher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Beschränkungen beziehen sich auf einzelne Grundstücksnutzungen; diese werden untersagt. In Betracht kommen Anbaubeschränkungen; ferner kann das Gebot ausgesprochen werden, bei Baumaßnahmen den Aushub auf dem Grundstück oder im Baugebiet zu belassen, oder es kann verboten werden, einen Kinderspielplatz einzurichten. – Schutzmaßnahmen bezwecken zum einen, Ausbreitungen von Bodenbelastungen in die Luft oder das Grundwasser zu verhindern; dazu zählen die Umlagerung, das Einhausen oder Verkapseln, die Immobilisierung, Stabilisierung und Inertisierung der schädlichen Bodenbelastung; Schutzmaßnahmen zielen zum anderen darauf, den Boden zu sanieren. Darüber hinaus dürfen die Länder Schutzmaßnahmen zur Erhaltung besonders wertvoller/schutzwürdiger Böden festsetzen. Wenn in einem Verlust der Qualität von Böden eine schädliche Bodenveränderung i.S.v. § 2 Abs. 3 zu sehen ist, dann schließt das Bundesrecht nicht aus, dass das Land eine Gefahrenabwehrmaßnahme ergreift. Die Gefahrenabwehrmaßnahme muss nicht eine Gefahr in Bezug nehmen, die konkret einem bestimmten Stück Land droht, sondern der Gesetzgeber kann die Abwehr abstrakter Gefahren durch ein Gesetz regeln. Das macht er dann, wenn er bestimmte Schutzmaßnahmen bereitstellt. Die angeordneten Verbote, Beschränkungen und Schutzmaßnahmen müssen definitiv bestimmt sein; der dem Rechtsstaatsprinzip immanente Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass Maßnahmen gegenüber dem Bürger hinreichend klar und bestimmt sind; ferner muss der Adressat der Maßnahme erkennbar sein; der Adressat muss schließlich wissen, was von ihm verlangt wird. Das bedeutet zum Beispiel, dass festgelegt werden muss, welche Pflanzen nicht mehr angebaut werden dürfen. Für den Bodenaushub bei der Errichtung von Bauwerken muss eindeutig geregelt sein, ob und wohin der Bodenaushub verbracht werden muss. Die Befreiungstatbestände sind präzise zu umschreiben. 38

Ebd.

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b) Das Recht der Satzunggebung Für die Satzunggebung sind die vier Gesichtspunkte bedeutungsvoll, die schon bei dem Recht der Verordnunggebung relevant waren. Dieses Resultat kann nicht anders lauten, weil herausgestellt werden konnte, dass in bestimmten Fällen die beiden hier relevanten Instrumente untereinander austauschbar sind. Hinzuweisen ist darauf, dass beispielsweise die Gemeindeordnungen ein ausformuliertes Recht der Satzunggebung enthalten; der Landesgesetzgeber kann sich aber auch am Recht der Satzunggebung nach dem BauGB orientieren. Für den Erlass einer Satzung darf die Freiheit des Satzunggebers zum Erlass der Satzung festgehalten werden, solange eine Rechtspflicht zum Normerlass nicht besteht. Diese Rechtspflicht besteht freilich höchst selten; im vorliegenden Zusammenhang scheidet eine Rechtspflicht des beschriebenen Inhalts aus: Wenn nach dem Wortlaut des Gesetzes die Länder frei sind, für die angesprochenen Gebiete Regelungen zu erlassen, dann sind es auch die nachgeordneten Gesetzgeber, es sei denn, das Landesrecht normiert eine Rechtspflicht. Diese Pflicht ist nicht ersichtlich. – Für die Mitwirkung der Betroffenen darf darauf hingewiesen werden, dass beispielsweise das Kommunalrecht entsprechende Rechte der Betroffenen ausspricht. – Für die Beschreibung des Geltungsbereichs der Satzung und ihres Inhalts ist auf die Ausführungen zur Verordnunggebung zu verweisen. 4. Rechtsfolgen der Ausweisung als Schutzgebiet Als Folge der Ausweisung eines Schutzgebiets kann es zu Beschränkungen der landwirtschaftlichen oder einer anderen Bodennutzung kommen. Es stellt sich die Frage, ob diese Beschränkung eine entschädigungspflichtige Enteignung oder eine entschädigungspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums darstellt. Die neue Rechtsprechung des BVerfG39 zu Art. 14 GG kann hier nicht nachgezeichnet und analysiert werden. Die Resultate seien referiert40. Jeder durch Verwaltungsakt angeordnete Entzug von Eigentum und jede in dieser Weise angeordnete Eigentumsbeschränkung, wenn sie auf einem verfassungswidrigen Enteignungsgesetz beruhen, müssen nicht geduldet werden. Das Enteignungsgesetz ist beispielsweise dann verfassungswidrig, wenn ihm die Junktim-Klausel fehlt. Die auf der Basis eines solchen Gesetzes ergangenen Maßnahmen sind vor den Verwaltungsgerichten anzugreifen. Jede durch RechtsVO, Satzung oder Verwaltungsakt angeordnete Nutzungsbeschränkung, die das Eigentumsrecht am Grundstück zu einem nackten Recht werden lässt, muss nicht geduldet werden. Von einer Belastung des Eigentums in dieser Qua39 BVerfGE 58, 127 ff.; 58, 300/330 ff.; 83, 201 ff.; s. statt vieler Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2000, Rn. 446; ders., NNA 1999, 136 ff. 40 s. die Zusammenfassung bei Peine, NNA 1999, 142.

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lität ist beispielsweise auszugehen, wenn bisher landwirtschaftlich, gärtnerisch, forstwirtschaftlich oder baulich genutztes Eigentum dauerhaft und umfassend den Zwecken des Natur-, Gewässer oder Hochwasserschutzes gewidmet werden. Jede durch RechtsVO, Satzung oder Verwaltungsakt angeordnete Nutzungsbeschränkung, die zum wirtschaftlichen Ruin eines Betriebs oder einer sonstigen wirtschaftlichen Einheit führt, muss nicht geduldet werden, wenn dieser Ruin selbst bei Anordnung einer „sanften“ Überleitung unvermeidbar ist. Jede Nutzungsbeschränkung geringerer Intensität ist nicht entschädigungspflichtig; alle Gebote, deren Erfüllung die gezeigte Grenze nicht erreichen, sind entschädigungslos. Entschädigungslos hinzunehmen ist jede Nutzungsbeschränkung, die die Privatnützigkeit des Eigentums unberührt lässt; die Reduktion von Nutzungsmöglichkeiten muss aber „rücksichtsvoll“ erfolgen. Mit Blick auf die zu treffende landesrechtliche Regelung könnte an die Übernahme des § 71 BbgNatSchG gedacht werden; der Wortlaut der Norm entspricht weitgehend dem der entsprechenden Normen der anderen Landesnaturschutzgesetze. § 71 BbgNatSchG lautet: Abs. 1: „Werden Eigentümern oder Nutzungsberechtigten durch dieses Gesetz oder Maßnahmen aufgrund des Bundes-Bodenschutzgesetzes Beschränkungen ihrer Nutzungsrechte oder Pflichten in einem Ausmaß auferlegt, das über die Sozialbindung des Eigentums hinausgeht, so haben sie Anspruch auf Entschädigung durch das Land. Die Entschädigung muss die Vermögensnachteile, die durch die Maßnahme verursacht wurden, angemessen ausgleichen.“ Abs. 2: „Eine Entschädigung ist insbesondere zu gewähren, soweit infolge von Verboten oder Geboten 1. bisher rechtmäßige Grundstücksnutzungen aufgegeben oder eingeschränkt werden müssen, 2. Aufwendungen an Wert verlieren, die für die beabsichtigte bisher rechtmäßige Grundstücksnutzung in schutzwürdigem Vertrauen darauf gemacht wurden, dass diese rechtmäßig bleibe, oder 3. die Lasten und Bewirtschaftungskosten von Grundstücken auch in absehbarer Zeit nicht durch Erträge und andere Vorteile ausgeglichen werden können und hierdurch die Betriebe oder sonstigen wirtschaftlichen Einheiten, zu denen die Grundstücke gehören, unvermeidlich und nicht nur unwesentlich beeinträchtigt werden.“ Diese Norm ist um Aussagen betreffend die Entschädigungsverpflichteten, die Art der Entschädigung und das Verfahren der Gewährung von Entschädigungen zu ergänzen. Zu dieser Norm ist festzuhalten41: Absatz 1 enthält eine Generalklausel, gegen die der Einwand besteht, dass sie der Sache nach weder der Verwaltung noch dem Richter einen Maßstab an die Hand gibt; die Norm ist salvatorisch und damit zwar nach der Rechtsprechung des BGH erlaubt, aber wegen ihrer Inhaltsleere ohne jeden steuernden Effekt. Absatz 2 geht viel zu weit. Nach Nr. 1 ist nach Ausspruch von Verboten oder Geboten eine Entschädigung zu gewähren, wenn bisher rechtmäßige Nutzungen aufgegeben oder beschränkt werden müssen; eine Einschränkung der Nutzung ist unter keinen Umständen ein Fall für eine Entschädigungspflicht. Nach Nr. 2 sind 41

Ebd.

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Wertverluste als Folge der Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens ausgleichspflichtig; diese Norm hat keinen Anwendungsbereich, weil infolge des heute bei jedermann zu unterstellenden Wissens um das Recht der inhaltlichen Ausgestaltung des Eigentums ein Vertrauen darauf, dass alles so bleibe, wie es ist, nicht schutzwürdig ist – Naivität löst keinen Ausgleichsanspruch aus. Nach Nr. 3 besteht dieser Anspruch, wenn die Lasten und Bewirtschaftungskosten von Grundstücken auch in absehbarer Zukunft nicht durch deren Erträge und andere Vorteile ausgeglichen werden können und hierdurch Betriebe oder sonstige wirtschaftliche Einheiten, zu denen die Grundstücke gehören, unvermeidlich und nicht nur unwesentlich beeinträchtigt werden; diese Norm ist dahingehend zu interpretieren, dass eine nicht nur unwesentliche Beeinträchtigung nur dann vorliegt, wenn langfristig gesehen infolge Substanzverzehrs der Ruin des Betriebs oder der wirtschaftlichen Einheit zu erwarten ist. § 5 Abs. 4 Satz 1 NdsBodSchG normiert einen Anspruch auf angemessenen Geldausgleich, wenn die BodenschutzVO dem Eigentümer oder Nutzungsberechtigten Beschränkungen der Nutzbarkeit eines Grundstücks auferlegt, die ihn im Vergleich zu anderen Betroffenen unzumutbar schwer treffen. Diese Regelung hat mit der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 14 GG nichts Gemeinsames mehr. Sie ist Ausdruck der Sonderopfertheorie des BGH42, die die Literatur schon in den 50er Jahren als ungeeignet zur Beantwortung der Frage nach der Abgrenzung der Inhaltsbestimmung von der Enteignung abqualifiziert hat43. Es ist möglich, die zu treffende Regelung um einen sog. Erschwernisausgleich und einen Härteausgleich zu komplettieren. 5. Vorhandenes Landesrecht Baden-Württemberg: § 13 BodSchG; Bayern: Fehlanzeige; Berlin: § 22 BodSchG; Brandenburg: Fehlanzeige; Bremen: Fehlanzeige; Hamburg: Fehlanzeige; Hessen: Fehlanzeige; Mecklenburg-Vorpommern: Fehlanzeige; Niedersachsen: § 4 BodSchG; Nordrhein-Westfalen: § 12 BodSchG; Rheinland-Pfalz: Fehlanzeige; Saarland: Fehlanzeige; Sachsen: § 9 ABG; Sachsen-Anhalt: Fehlanzeige; Schleswig-Holstein: Fehlanzeige; Thüringen: Fehlanzeige. 6. Die Überprüfung vorhandenen Landesrechts Das Recht der Bodenschutzgebiete der Länder Baden-Württemberg, Berlin und Sachsen (in der ursprünglichen Fassung) ist jüngst im Rahmen einer größeren Abhandlung auf seine Vereinbarkeit mit dem BBodSchG überprüft worden. Die Abhandlung kommt zu dem Ergebnis, dass das Recht dieser Länder problemlos mit 42

BGHZ 23, 30. s. die Nachw. bei Peine, NNA 1999, S. 137; speziell unter Berücksichtigung des Rechts der Wasserschutzgebiete Czychowski (Fn. 5), § 19 Rn. 71 ff. 43

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dem Bundesrecht übereinstimmt und deshalb ein Anpassungsbedarf an das Bundesrecht nicht besteht44. Diesen Ergebnissen ist zu folgen. Das neue Recht der Länder Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen stimmt mit den erarbeiteten Vorgaben überein. Wegen seiner Ausführlichkeit – es werden alle relevanten Fragen beantwortet; insb. werden die Probleme des Ausgleichs von Nutzungsbeeinträchtigungen adäquat gelöst: § 12 Abs. 9 Satz 2 LBodSchG i.V.m. § 10 Abs. 2 i.V.m. § 19 LBodSchG – darf das Recht des Landes Nordrhein-Westfalen als Vorbild gelten. Das Recht des Landes Sachsen ist extrem knapp formuliert, aber wohl hinreichend; freilich fehlt ein Recht des Ausgleichs bei der Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen. Wie dargelegt, ist das Recht des Landes Niedersachsen partiell rückständig; wenn der praktische Vollzug die kritisierten unrichtigen Annahmen aufnimmt45, dürfte der flächenhafte Bodenschutz in Gestalt der Bodenschutzgebiete wenig bewirken. Die irreführende Bezeichnung Bodenplanungsgebiet könnte damit praktische Folgen haben46.

44

Feil, Auswirkungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes auf die Landesbodenschutzgesetze und den Ländern verbleibende Gesetzgebungsspielräume, 2000, S. 170 ff. 45 Gemeint sind die unrichtigen Annahmen in dem Aufsatz von Rickels/Vahldiek, Bodenschutz 2000, 47 ff. 46 Ausführliche Kritik des NdsBodSchG durch Brandt/Smeddinck, NdsVBl 1999, 149 ff.

I. Landwirtschaftliche Bodennutzung und Bundes-Bodenschutzgesetz* Landwirtschaft und Bodenschutz erscheinen oft als unversöhnliche Gegensätze, weil die industrielle Landwirtschaft auf Kosten einer intakten Umwelt arbeitet1.

I. Das früher einschlägige Recht 1. Darstellung Grundsätze der guten fachlichen Praxis der Landwirtschaft in Gestalt von Handlungsanleitungen fehlten. Mit Blick auf einzelne, potentiell gefährliche Handlungsweisen galt: Bodenverdichtungen waren nur in Baden-Württemberg nach § 11 BaWüBodSchG verboten; in den anderen Bundesländern fehlte eine einschlägige Rechtsnorm. Den Einsatz von Handelsdünger2 regelte § 1a Abs. 1 Satz 1 DMG; dieser Norm fehlte eine umweltschützende Komponente. Den Einsatz von Wirtschaftsdünger3 erlaubte § 15 Abs. 1 AbfG solange, wie er das übliche Maß der landwirtschaftlichen Nutzung nicht überschritt; diese Norm privilegierte die Landwirtschaft. Der Einsatz bestimmter Wirtschaftsdünger war teilweise durch GülleVOen4 geregelt, die wasserschützende Funktionen besaßen; die VOen konkretisierten das übliche Maß der landwirtschaftlichen Düngung durch mengenmäßige und zeitliche Aufbrin-

* Die Ausführungen unter IV. waren in leicht veränderter Fassung Teilgegenstand eines Vortrags, den Verfasser am 11. 12. 2001 an der Viadrina gehalten hat. Der Vortrag war mit „Das Recht des Nationalparks: Errichtung, Bestandsschutz, Nutzung“ betitelt. Eine Kurzfassung des Vortrags erscheint in LKV 2002, Heft 4. 1 s. z. B. Schink, UPR 1999, 8. Die Umweltauswirkungen der landwirtschaftlichen Düngung stellt mit Blick auf den Boden, die Gewässer, die Luft und die Biotope ausführlich dar Härtel, Düngung im Agrar- und Umweltrecht, EG-Recht, deutsches, niederländisches und flämisches Recht, 2002, S. 51 ff. Hier auch weitere Nachw. Das Agrarumweltrecht stellt dar und analysiert in außerordentlicher Ausführlichkeit unter besonderer Berücksichtigung des Rechts der neuen Bundesländer Oehler, Agrarumweltrecht in den neuen Bundesländern, in: Jahrbuch des Agrarrechts, Bd. IV, 2002, S. 1 – 576. 2 Definition bei Härtel, ebd., S. 48. 3 Definition bei Härtel, ebd., S. 49. 4 Nordrhein-Westfalen, GülleVO v. 13. 3. 1984, GVBl. S. 210; Bremen, GülleVO v. 25. 4. 1989, GVBl. S. 199; Schleswig-Holstein, GülleVO v. 27. 6. 1989, GVBl. S. 74; in Niedersachsen, GülleVO v. 9. 1. 1990, GVBl. S. 9; Hamburg, GülleVO v. 12. 11. 1991, GVBl. S. 359.

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gungsbeschränkungen5; bei einer Gefährdung insb. des Grundwassers konnte das Aufbringen von Gülle auf landwirtschaftlich genutzte Flächen verboten werden6. Das Aufbringen von Klärschlamm war nur erlaubt, wenn Stickstoff und Phosphor nicht in das Grundwasser gelangen konnten7. Das Pflanzenschutzrecht schützte in Ansehung des Einsatzes von Pflanzenschutzmittel das Grundwasser absolut. Sowohl das Aufbringen von Handelsdünger als auch von Wirtschaftsdünger erfüllte den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG8 ebenso wie die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf landwirtschaftlich genutzte Flächen und war deshalb erlaubnispflichtig nach § 7 WHG9. 2. Das Schicksal dieses Rechts nach dem Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes a) Mit dem Inkrafttreten des BBodSchG10 ist § 11 BaWüBodSchG unwirksam; das BBodSchG regelt die landwirtschaftliche Bodennutzung abschließend; konkurrierendes Landesrecht verliert deshalb seine Geltung11. § 15 Abs. 1 AbfG ist außer Kraft; an seine Stelle ist § 8 KrW-/AbfG getreten. Mit Blick auf die weitere Geltung der GülleVOen gibt es Streit; die Beantwortung dieser Frage ist für den Umweltschutz von Bedeutung, weil Regelungen einiger GülleVOen strenger als die der DüngeVO12 sind13. Entscheidend ist, ob die GülleVOen auch auf der Grundlage des § 8 Abs. 3 KrW-/AbfG hätten erlassen werden können. Es gilt die Einschränkung des § 8 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG, nach der für Wirtschaftsdünger nur insoweit eine Regelung erlassen werden darf, als das Maß der guten fachlichen Praxis i.S.v. § 1a DMG überschritten wird14. Die für den Umweltschutz bedeutsamen strengeren Vorschriften der GülleVOen: Höchstaufbringungsmenge von 160 kg/N und längere Sperrfristen, betreffen die gute fachliche Praxis. Diese Gegen5 Härtel (Fn. 1), S. 84; Möker, Gewässerbelastungen im durch agrarisch Stoffe: rechtliche Standards beim Einsatz von Düngern und Pflanzenschutzmitteln, 1993, S. 67. 6 Härtel, ebd. 7 Das Aufbringen von Klärschlamm geschah auf der Grundlage der KlärschlammVO v. 25. 6. 1982, die ihrerseits eine Ermächtigungsgrundlage in § 15 Abs. 2 AbfG besaß. Diese KlärschlammVO erhielt eine neue Fassung am 15. 4. 1992; mit ihr wurde die EG-Klärschlammrecht 86/278/EWG v. 12. 6. 1986 umgesetzt; diese Fassung der KlärschlammVO wurde am 6. 3. 1997 geringfügig novelliert. 8 Ausführliche Nachw. für diese Auffassung finden sich bei Härtel (Fn. 1), S. 170 ff. 9 s. zum Vorstehenden Peine, AgrarR 1994, 385 ff. 10 Im Folgenden kurz: BBodSchG. 11 Feil, Auswirkungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes auf die Landesbodenschutzgesetze und den Ländern verbleibende Gesetzgebungsspielräume, 2000, S. 180 ff. 12 VO über die Grundsätze der guten fachlichen Praxis beim Düngen (DüngeVO) v. 26. 1. 1996, BGBl. I S. 118. Überblick über ihren Regelungsgehalt bei Härtel (Fn. 1), S. 94. 13 s. die Nachw. bei Härtel (Fn. 1), S. 125 ff. 14 Härtel (Fn. 1), S. 126.

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stände regelt die DüngeVO abschließend. Deshalb gelten die GülleVOen nicht fort15. Folgerichtig hat das Land Nordrhein-Westfalen auf diesen Tatbestand reagiert und seine GülleVO aufgehoben16. b) Die weitere Anwendbarkeit des Wasserrechts und insb. die Anwendbarkeit von § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG sind fraglich. Es könnte gesagt werden, diese Möglichkeiten entfielen wegen § 17 Abs. 3 BBodSchG17. Nach dieser Vorschrift richtet sich die Abwehr von Gefahren ausschließlich nach den in § 3 Abs. 1 genannten Vorschriften sowie nach weiteren Vorschriften des BBodSchG; das Wasserrecht wird nicht erwähnt. Es ist jedoch zu bedenken, dass das Wasserrecht und das Bodenschutzrecht differente Gegenstände erfassen, die voneinander zu trennen sind. Die Gesetze besitzen deshalb je unterschiedliche Anwendungsbereiche. Ein Einwirken auf den Boden kann zugleich eine Benutzung des Wassers (oberirdisches Wasser, Grundwasser) bedeuten. Das Einwirken auf den Boden ist nach dem BBodSchG im Allgemeinen genehmigungsfrei; eine Ausnahme kann nach § 6 gelten; diese Vorschrift ist im hier diskutierten Zusammenhang freilich bedeutungslos: Wegen ihres infolge von § 3 geringen Anwendungsbereichs betrifft sie vor allem den Wiedereinbau von unbelasteten oder nur sehr gering belasteten Böden. Die Benutzung eines Gewässers benötigt nach § 2 WHG eine Erlaubnis oder eine Bewilligung. Dieses Recht lässt das BBodSchG unberührt. Für das Aufbringen von Handelsdünger und von Wirtschaftsdünger sowie für das Anwenden von Pflanzenschutzmitteln auf landwirtschaftlich genutzte Flächen gilt das Wasserrecht fort; die genannten Tätigkeiten sind erlaubnispflichtig. Dieses Resultat findet in einer neueren Publikation nur beschränkte Zustimmung18. Es wird folgendermaßen argumentiert: Es bestehe ein Widerspruch zwischen der gesetzlichen Vermutung nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG und § 1a DMG i.V.m. der DüngeVO; denn auf der einen Seite sei die Düngung nach den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen geeignet, relevante Schäden i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG zu verursachen, und auf der anderen Seite gehe der Verordnunggeber davon aus, dass die Düngung nach guter fachlicher Praxis regelmäßig eine erhebliche Gefährdung der Gewässer nicht mit sich bringe. Es gelte, den Widerspruch zu lösen, also die beiden Rechtsbereiche zu harmonisieren. Das könne geschehen mit dem Rechtsinstitut der „widerlegbaren Vermutung“. Nach dieser „widerlegbaren Vermutung“ soll die Düngung nach guter fachlicher Praxis allgemein nicht geeignet sein, den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG zu erfüllen; die Erfüllung des Tatbestands könne nur im Einzelfall vorliegen. Im Einzelfall sei deshalb die Düngung nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG erlaubnispflichtig. Einzelfälle seien typische Gefährdungslagen wie z. B. Lagen mit durchlässigen, flachgründigen Böden oder Lagen mit geringem Grundwasserflurabstand. Gegen diese Argumentation ist vorzubringen: Mit Hilfe von gesetzlichen Vermutungen werden Rechtsfolgen angeordnet, die wahrscheinlich eingetreten wären, 15 16 17 18

Härtel, ebd. VO v. 20. 3. 1998, GVBl. NW S. 210. §§ ohne nähere Kennzeichnung sind im Folgenden solche des BBodSchG. Härtel (Fn. 1), S. 178 ff.

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für deren Eintritt aber erleichterte Voraussetzungen gelten oder deren Beweis erleichtert werden soll19 ; Beispiele: §§ 1006 Abs. 1 Satz 1, 1566 Abs. 2 BGB. Wenn etwas gesetzlich vermutet werden soll, verwendet der Gesetzgeber das Wort „Vermutung“. Daran fehlt es bei § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG, deshalb enthält diese Norm keine Vermutung. Die geschilderte Ansicht geht mithin von einer falschen Prämisse aus. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die juristische Methodenlehre das Institut der „widerlegbaren Vermutung“ zur Auflösung von Normwidersprüchen – von einem solchen geht die Verfasserin wohl aus – nicht kennt; die Auflösung erfolgt anhand anderer Regeln. Es bedarf deshalb nicht verwundern, dass die Vertreterin dieser Auffassung zur Begründung ihrer Annahme sich auf einen wissenschaftlichen Beleg für ihr methodisches Vorgehen nicht stützen kann. Deshalb gilt mit Blick auf § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG das alte Ergebnis weiter. Dieses Resultat ist ohne weiteres möglich, weil die DüngeVO und § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG unterschiedliche Anwendungsbereiche besitzen20. Mit Blick auf die weiteren von der Verfasserin21 vorgetragenen Argumente ist festzuhalten, dass sie nicht die hier allein relevante dogmatische Ebene betreffen, sondern pragmatischen Charakter haben. Argumente dieses Charakters vermögen das dogmatisch gefundene Ergebnis nicht zu widerlegen. Wasserrecht und Bodenschutzrecht gelten deshalb nebeneinander. In der Folge dieser Zweispurigkeit ist der Anwendungsbereich beider Gesetze zu bestimmen. Die unterschiedlichen Anwendungsbereiche des Bodenschutzrechts auf der einen Seite sowie des Wasserrechts auf der anderen Seite zu diskutieren ist notwendig, weil die einschlägigen Gesetze ihren Geltungsbereich zwar bestimmen: § 1 WHG, §§ 3, 2 Abs. 1, diese Festlegungen aber wegen Fehlens einer Definition des Begriffs Grundwasser Abgrenzungsprobleme nicht lösen22. Verfasser hat einen Versuch der Definition vorgelegt, auf den verwiesen sei23. Er hat Folgendes erbracht: Hydrologisch ist Grundwasser all das Wasser, welches sich in der Sättigungszone befindet; Bodenwasser – im Boden befindliches Wasser –, welches den Grundwasserleiter noch nicht erreicht hat – vereinfacht gesagt: Sickerwasser –, ist nicht Grundwasser. Dieser Befund entspricht Rechtsprechung24 und Literatur25 : Grundwasser ist das gesamte nicht künstlich gefasste Wasser, soweit es an den natürlichen Gewässerschutz19

Schmalz, Methodenlehre, 3. Aufl. 1992, Rn. 101; Vogel, Juristische Methodik, 1998,

S. 76. 20

Härtel (Fn. 1), S. 178. Härtel (Fn. 1), S. 180. 22 Das BBodSchG erklärt im Zusammenhang mit bodenschützenden Maßnahmen das Wasserrecht für einschlägig: § 4 Abs. 4 Satz 3, § 7 Satz 6 BBodSchG; das die Gewässer betreffende Gefahrenabwehrrecht regelt das Wasserrecht ausschließlich. 23 Bodenschutzrecht und Wasserrecht – Anwendungsbereich, Voraussetzungen sowie Inhalte gefahrenabwehrender Maßnahmen –, UPR 1999, 361 – 367. 24 BVerfGE 58, 303; BVerwG, ZfW 1969, 116. 25 Vgl. statt vieler Czychowski, Wasserhaushaltsgesetz, 7. Aufl. 1997, § 1 Rn. 39; Holzwarth/Radtke/Hilger, BBodSchG, Handkommentar, 1998, § 2 Rn. 5; a.A. offenbar Bickel, BBodSchG, 1999, § 2 Rn. 4, der davon ausgeht, dass der Begriff des Grundwassers i.S.d. BBodSchG nicht derjenige ist, den das WHG verwendet. 21

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funktionen teilnimmt und es wasserwirtschaftlicher Lenkung zugänglich ist. Diese Aussage ist identisch mit § 1 Abs. 2a EG-Grundwasserschutz-RL26 ; diese Vorschrift definiert Grundwasser als „alles unterirdische Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht“. Dem Anwendungsbereich des BBodSchG unterfällt alles Wasser, welches sich in der ungesättigten Zone / Deckschicht befindet. Die Deckschicht lässt sich eindeutig bestimmen. Damit ist – für den Einzelfall – sicher festgelegt, ob Bodenschutzrecht oder Wasserrecht zur Anwendung gelangt. Die KlärschlammVO, das Pflanzenschutzrecht sowie das DMG sind weiterhin in Kraft. 3. Ergebnis Ein Teil des früher für die landwirtschaftliche Bodennutzung bedeutsamen Rechts gilt weiter.

II. Für die landwirtschaftliche Bodennutzung relevantes Gefahrenabwehrrecht nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz Nach § 17 Abs. 3 werden die Pflichten nach § 4 – es handelt sich um die Pflichten zur Gefahrenabwehr – durch die Einhaltung der in § 3 Abs. 1 genannten Pflichten erfüllt; enthalten diese keine Anforderungen an die Gefahrenabwehr und ergeben sich solche auch nicht aus den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis nach Absatz 2, so gelten die übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes. § 17 Abs. 3 erster Halbsatz hat lediglich deklaratorische Bedeutung27; die Pflicht zur Gefahrenabwehr regeln deshalb diejenigen Vorschriften, die § 3 Abs. 1 nennt28. Enthalten die Vorschriften des § 3 keine Regelungen der Gefahrenabwehr, ist § 17 Abs. 3 Hs. 2 einschlägig. Diese Norm legt eine Prüfungshierarchie fest29. Es ist zunächst abzustellen auf die Grundsätze der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft, die § 17 Abs. 2 aufführt. Wenn diese Grundsätze keine Rückschlüsse auf bestehende Gefahrenabwehrpflichten zulassen, sind die übrigen Vorschriften des BBodSchG einschlägig.

26 RL des Rates v. 17. 12. 1979 über den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe (80/68/EWG), ABl. EG Nr. L 20 v. 26. 1. 1980, S. 43. 27 Frenz, BBodSchG, Komm., 2000, § 17 Rn. 34; übereinstimmende Auffassung in der Kommentarliteratur, s.: Becker, Stand Jan. 2001, Bickel, 2. Aufl. 2000; Fluck, Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, Bd. 3, Stand September 2001; Oerder/Numberger/ Schönfeld, 1999; Queitsch, 2. Aufl. 1999; Schwarz-Schier, 2000. 28 Frenz, ebd. 29 Frenz, ebd., § 17 Rn. 35.

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1. Die erste Prüfungsstufe Mit Blick auf die landwirtschaftliche Bodennutzung sind auf einer ersten Stufe nach § 3 Abs. 1 zwei Normenkomplexe einschlägig: Nach Nr. 1 gehen die Vorschriften des KrW-/AbfG, soweit sie das Aufbringen von Abfällen zur Verwertung als Sekundärrohstoffdünger i.S.d. § 1 DMG regeln, und die einschlägigen RechtsVOen auf der Grundlage des KrW-/AbfG sowie die KlärschlammVO dem BBodSchG vor; nach Nr. 4 gilt das Gleiche für die Vorschriften des Düngemittel- und Pflanzenschutzrechts. Betroffen von der Vorrangregelung ist zunächst § 8 KrW-/AbfG, der die Anforderungen an die Kreislaufwirtschaft im Bereich der landwirtschaftlichen Düngung regelt und der Verordnungsermächtigungen für den Bund in Absatz 1 und für die Länder in Absatz 3 enthält; deren Umfang bestimmt sich jeweils nach § 8 Abs. 2. Es geht um das Aufbringen von Abfällen zur Verwertung als Sekundärrohstoffdünger oder Wirtschaftsdünger i.S.d. § 1 DMG auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Böden. Sekundärrohstoffdünger sind im Wesentlichen Abwasser, Fäkalien, Klärschlamm und ähnliche Stoffe aus Siedlungsabfällen und vergleichbare Stoffe aus anderen Quellen30; Wirtschaftsdünger sind im Wesentlichen tierische Ausscheidungen, Gülle, Jauche, Stallmist, Stroh sowie ähnliche Nebenerzeugnisse aus der landwirtschaftlichen Produktion31. Diese Vorschrift benötigt RechtsVOen zu ihrer Umsetzung. Der Umsetzung dient die KlärschlammVO. Auf sie ist nicht einzugehen; es handelt sich um altes Recht, das weiter gilt. Eine weitere und neue bundesrechtliche RechtsVO zur Umsetzung von § 8 KrW-/ AbfG liegt in Gestalt der VO über die Verwertung von Bioabfällen auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich und gärtnerisch genutzte Böden32 vor. Sie gilt33 nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 für Bioabfälle und Gemische, die zur Verwertung auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich und gärtnerisch genutzte Böden aufgebracht oder zum Zwecke der Aufbringung abgegeben werden; nach der Begriffsbestimmung in § 2 Nr. 1 sind Bioabfälle Abfälle tierischer oder pflanzlicher Herkunft zur Verwertung, die durch Mikroorganismen, bodenbürtige Lebewesen oder Enzyme abgebaut werden können; es handelt sich insb. um die im Anhang 1 Nr. 1 aufgeführten Abfälle. Von der Vorrangregelung ist ferner betroffen das Düngemittel- und Pflanzenschutzrecht. Das DMG ist seit dem Erlass des BBodSchG in hier relevanter Weise nicht geändert worden. Für die Zusammensetzung der Düngemittel ist auf § 1 Abs. 3 der DüngemittelVO hinzuweisen; diese Vorschrift verweist für Klärschlämme auf die KlärschlammVO und für Bioabfälle auf die BioabfallVO. Relativ neu ist die 30 31 32 33

§ 1 Nr. 2a DMG. § 1 Nr. 2 DMG. BioabfallVO v. 21. 9. 1998, BGBl. I S. 2955. Den Anwendungsbereich der VO schildert Härtel (Fn. 1), S. 136 ff.

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VO über die Grundsätze der guten fachlichen Praxis beim Düngen34. Mit Blick auf sie und das Düngemittelrecht als Ganzes darf seine Wirkungslosigkeit konstatiert werden35. Für das Pflanzenschutzrecht ist auf das PflSchG hinzuweisen; es ist seit dem Erlass des BBodSchG ebenfalls in hier relevanter Weise nicht verändert worden. Das Gesetz wird, soweit hier bedeutsam, ergänzt durch die VO über Anwendungsverbote für Pflanzenschutzmittel. Mit Blick auf das Pflanzenschutzmittelrecht darf von einer großen Lücke betreffend seine Überwachung ausgegangen werden36. Alles in allem darf festgehalten werden, dass das in § 3 Abs. 1 geregelte Gefahrenabwehrrecht dem alten Recht der landwirtschaftlichen Bodennutzung weitgehend entspricht. Insoweit hat der Erlass des BBodSchG eine neue Regelung nicht gebracht. Seine praktische Bedeutung zugunsten von Umweltschutz in der Landwirtschaft ist gering. 2. Die zweite Prüfungsstufe Jenseits des behandelten Abfallwirtschafts-, Düngemittel- und Pflanzenschutzmittelrechts enthält auf einer zweiten Stufe nach § 17 Abs. 3 Hs. 2 das Recht der guten fachlichen Praxis nach § 17 Abs. 2 Aussagen über Gefahren für den Boden als Folge der landwirtschaftlichen Bodennutzung. Durch sie kann der Boden verdichtet werden; er kann verloren gehen durch eine Bearbeitungsweise, die die Erosion fördert; der Boden kann seine Fruchtbarkeit verlieren. Die Gefahrenabwehr zielt auf die Vermeidung einer schädlichen Bodenveränderung ab, § 4 Abs. 1. Der Begriff der schädlichen Bodenveränderung ist zweigliedrig37. Deshalb ist die Prüfung, ob eine schädliche Bodenveränderung vorliegt, in zwei Stufen vorzunehmen: Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob eine Bodenveränderung vorliegt; weil nicht zwingend jeder Fall der Bodenveränderung negative Folgen auslöst, ist auf einer zweiten Stufe zu prüfen, ob der Eingriff geeignet ist, eine Gefahr, einen 34

DüngeVO v. 26. 1. 1996, BGBl. I S. 118. Der Präsident des Umweltbundesamts spricht in diesem Zusammenhang von einem chemischen Großversuch, s. Die Zeit Nr. 4 v. 17. 1. 2002, S. 26: Baustelle Bauernhof. 36 s. Der Spiegel Nr. 3 v. 14. 1. 2002, S. 17: Ungemach droht der Verbraucherschutzministerin auch durch ein noch unveröffentlichtes Papier der EU-Kommission, nach dem es in Deutschland gravierende Gesetzesverstöße beim Umgang mit Pflanzenschutzmitteln gibt. Der Berichtsentwurf (GD/3227/2001) konstatiert, in Bayern und Sachsen würden „nicht zugelassene/verbotene Produkte auf dem Markt“ angeboten, in Bayern würden gar bis zu „30 %“ der Pflanzenschutzmitteln „direkt von den Landwirten“ eingeführt und „überhaupt nicht kontrolliert“. Bundesweit sei die Kontrolle von Handel und Bauern „nicht gewährleistet“, Verstöße würden „nicht streng genug geahndet“ und Rückstände der Agrargifte auf Lebensmittel in Deutschland von den Aufsichtsbehörden „nicht als ernsthafte Gefahr angesehen“. Bis die Behörden den Händlern die Überprüfungsergebnisse giftbelasteter Importprodukte mitteilten, rügen die EU-Kontrolleure, dauere der Behördenweg bis zu 172 Tage – bis dahin ist längst alles gegessen. Angesichts der Vorwürfe räumt Künasts Ministerium ein, dass in Deutschland für Pflanzenschutzmittel „der Kontrollumfang äußerst gering“ sei, die Zahl der verhängten Bußgelder „verschwindend gering“. 37 Holzwarth/Radtke/Hilger (Fn. 25), § 2 Rn. 26. 35

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erheblichen Nachteil oder eine erhebliche Belästigung für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Sind die auf beiden Stufen zu stellenden Fragen zu bejahen, liegt eine schädliche Bodenveränderung vor. Entsprechend allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen ist dann zu prüfen, ob die Beeinträchtigung der Bodenfunktion geeignet ist, die Gefahr herbeizuführen; zu vollziehen ist die allgemeine polizeirechtliche Kausalitätsprüfung. Der Begriff der Beeinträchtigung der Bodenfunktionen ist weit zu verstehen38: Physikalische, chemische oder biologische Veränderungen der Bodenbeschaffenheit können eine Bodenbeeinträchtigung darstellen. Die Bodenverdichtung stellt eine Funktionsbeeinträchtigung ebenso dar wie die Bodenerosion; das Gleiche gilt für die Reduzierung der Bodenfruchtbarkeit und die Bodenversiegelung39. Funktionsbeeinträchtigungen sind aber auch denkbar durch biologische Veränderungen – etwa durch Bakterien oder durch die Freisetzung veränderter Organismen. Die Bodenverdichtung spricht § 17 Abs. 2 Nr. 3 an; die Bodenerosion findet Berücksichtigung in Nr. 4; die Bodenfruchtbarkeit behandelt § 17 Abs. 2 Satz 1. Damit ist eine Bearbeitung des Bodens durch den Landwirt verboten, die die zuvor benannten Folgen zeitigt40. Dieses Recht ist gegenüber dem alten Recht ein Fortschritt. Ob es praktisch bedeutungsvoll wird, bleibt abzuwarten. 3. Die dritte Prüfungsstufe Nach § 17 Abs. 3 Hs. 2 sind auf der dritten Stufe die übrigen Vorschriften des Gesetzes zu beachten, also insb. die Regelungen der §§ 4 und 941. Regelungen betreffend die Gefahrerforschung sowie Untersuchungsanordnungen im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Bodennutzung kannte das frühere Recht nicht; insoweit handelt es sich um einen Fortschritt. Ob es wirklich einmal zur Anwendung gelangt, muss abgewartet werden.

38

Ebd., § 2 Rn. 27 ff.; s. ferner BRat-Drs. 702/96, S. 85. Frenz (Fn. 27), § 2 Rn. 49. 40 Bodenverdichtung ist die Verringerung des Porenvolumens eines Bodens durch mechanische Belastung; Bodenversiegelung ist die Isolierung des Bodens von der Atmosphäre vorwiegend durch Baumaßnahmen; der Fall der Bodenversiegelung betrifft die landwirtschaftliche Bodennutzung nicht. 41 Frenz (Fn. 27), § 17 Rn. 36. 39

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III. Für die landwirtschaftliche Bodennutzung relevantes Vorsorgerecht nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz 1. Allgemeines § 7 befasst sich mit der Vorsorge für den Boden. Diese Vorschrift wird für die landwirtschaftliche Bodennutzung ersetzt durch § 17 Abs. 1 und 242. Das Vorrangverhältnis ergibt sich aus § 17 Abs. 1 Satz 1; dass § 7 auch nicht subsidiär zur Anwendung gelangt, folgt aus § 7 Satz 5; die Vorsorgepflicht wird nach alledem ausschließlich durch die gute fachliche Praxis erfüllt. Die Gegenstände bzw. Grundsätze der guten fachlichen Praxis der landwirtschaftlichen Bodennutzung regelt § 17 Abs. 2. Es geht um die nachhaltige Sicherung der Bodenfruchtbarkeit und Leistungsfähigkeit des Bodens als natürlicher Ressource. Zu den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis zählen die in § 17 Abs. 2 Satz 2 aufgezählten sieben Handlungsanweisungen; sie sind nicht vollständig43. 2. Die Handlungsanleitungen Mit Blick auf die sieben Handlungsanleitungen ist im Einzelnen festzuhalten44: Nr. 1: Bodenbearbeitung: Bodenbearbeitung umfasst diejenigen Maßnahmen, die eine Veränderung der Bodenstruktur durch Pflügen, Eggen, Walzen, Fräsen oder Grubbern zur Folge haben. Ziel der Bodenbearbeitung ist ein gutes Wachstum für die Kulturpflanze; ein physikalisch günstiges Bodengefüge im Saatbett, in der Ackerkrume und im Übergang zum Unterboden ist zu gewährleisten; mechanisch ist Unkraut und Ausfallgetreide zu bekämpfen. Man unterscheidet mit Blick auf die Bodenbearbeitung zwischen der konservierenden Variante und der Direktsaat; welche der beiden Varianten ökologisch sinnvoll ist, muss noch untersucht werden. Nr. 2: Bodenstruktur: Bodenstruktur ist die räumliche Anordnung der festen Bodenbestandteile und deren Zusammenhalt. Ziel der Erhaltung und Verbesserung der Bodenstruktur ist die Schaffung eines physikalisch günstigen Bodengefüges, welches optimale Voraussetzungen für Keimung, Wachstum und Ertragsbildung der angebauten Kulturart bietet. Die Erhaltung der Bodenstruktur ist Bedingung dafür, dass der Boden Wasser aufnehmen und speichern, Luft austauschen, Nährstoffe halten und Wurzelraum für Pflanzen darstellen kann; die Bodenstruktur wird beeinträchtigt durch die Bodenbearbeitung mit schwerem Gerät auf feuchtem Untergrund; ihre Erhaltung ist abhängig von der Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung und Bodenbearbeitung. Mittel zur Zielerreichung kann eine konservierende Bodenbearbeitung oder die Erstellung einer porösen, wenig verschlämmbaren Bodenoberfläche sein; als Mittel zur Verbesserung der Bodenstruktur können Zwischenfrüchte oder Pflanzen eingebaut werden, 42

Frenz (Fn. 27), § 17 Rn. 4. Ebd., § 17 Rn. 14. 44 Die folgenden Bemerkungen sind aus Raumgründen natürlich unvollständig und haben lediglich beispielhaften Charakter, deshalb fehlen Einzelnachweise. Ausführliche Analyse in den Komm., z. B. bei Frenz (Fn. 27), § 17 Rn. 14 ff. 43

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deren Wurzeln den Boden durchlockern. Nr. 3: Bodenverdichtungen: Bodenverdichtung ist ein Unterfall der Veränderung der Bodenstruktur, und zwar in negativer Hinsicht; es verändert sich das physikalisch günstige Bodengefüge zum Nachteil von Keimung, Wachstum und Ertragsbildung der eingebauten Kulturart. Ziel ist es, Bodenverdichtungen zu verhindern. Mittel zur Zielerreichung ist eine Reduzierung des Kontaktflächendrucks und der Radlast; es können Breitreifen, Zwillingsräder und Allradantrieb eingesetzt werden. Nr. 4: Bodenabträge: Bodenabtrag meint einen Verlust an Boden, also die Bodenerosion. Ziel ist es, die Bodenerosion zu verhindern. Die Verhinderung der Bodenerosion ist Bedingung dafür, dass die Fruchtbarkeit des Bodens erhalten bleibt. Mittel zur Zielerreichung ist die standortangepasste Nutzung, insb. die Berücksichtigung der Hangneigung, der Wasser- und Windverhältnisse sowie der Bodenbedeckung. Nr. 5: Naturbetonte bodenschützende Strukturelemente: Es handelt sich im Wesentlichen um Hecken, Feldraine und Ackertrassen. Ziel ist es, diese zum Schutz des Bodens notwendigen Strukturelemente zu erhalten, weil die Gestaltung der Kulturlandschaft ein wichtiges Element des Bodenschutzes darstellt. Mittel zur Zielerreichung mit Blick auf die Verhinderung der Bodenerosion ist das Pflanzen durchlässiger Hecken, die Anlage von Windschutzpflanzungen, das Pflanzen von Baumreihen; mit Blick auf die Verringerung der Wassererosion sind Verkehrswege mit Säumen, Gehölze, absolutes Grünland, Gräben quer zur Gefällerichtung, Hecken mit Unterwuchs und Dauergrünland an Böschungen oder Mulden zu schaffen. Nr. 6: Biologische Aktivitäten des Bodens: Es handelt sich vornehmlich um die Fruchtbarkeit des Bodens. Ziel ist es, die biologische Aktivität des Bodens zu erhalten und zu fördern. Mittel zur Zielerreichung ist eine entsprechende Fruchtfolgegestaltung. Gedacht ist auch an den Anbau von Zwischenfrüchten; auf diese Weise wird negativ wirkende Brachezeit vermieden, die Bodenabdeckung im Winter verbessert und einer Nährstoffauswaschung entgegengewirkt. Ferner sollte die Ackerbegleitflora vergrößert, die Ackerrandstreifen, die Feldraine und die Hecken sollten erhalten bzw. vergrößert werden, um den Bestand von Nützlingen zu verbessern. Nr. 7: Standorttypischer Humusgehalt: Humus ist die tote organische Substanz eines Bodens. Bedeutungsvoll ist die Existenz von Humus deshalb, weil er befähigt ist, in großem Maße Wasser und Nährstoffe zu binden; sein Gehalt an Stickstoff, Phosphor, Schwefel und anderen Nährstoffen macht ihn zu einer unverzichtbaren Nährstoffreserve. Ziel ist es, den standorttypischen Humusgehalt des Bodens zu erhalten. Mittel zur Zielerreichung ist eine ausreichende Zufuhr an organischer Substanz. 3. Die Rechtsnatur des Vorsorgerechts Das Vorsorgerecht soll durch die nach Landesrecht zuständigen Beratungsstellen vermittelt werden. Aus der Formulierung „sollen“ folgt, dass eine unbedingte Rechtspflicht zur Vermittlung der Grundsätze der guten fachlichen Praxis der Landwirtschaft für die nach dem Landesrecht zuständigen Beratungsstellen nicht besteht; der Bundesgesetzgeber hat auf Kooperation gesetzt. Vorsorgemaßnahmen können weder angeordnet werden noch erfüllt ihre Nichtbeachtung einen Bußgeldtatbestand.

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Das Vorsorgerecht hat lediglich Appellcharakter45. Es ist dem Gesetzgeber zu bescheinigen, dass er die Probleme, die die landwirtschaftliche Bodennutzung verursacht, sieht, aber nicht in der Lage war, die notwendigen Instrumente zur Durchsetzung der Vorsorgeanforderungen bereit zu stellen46.

IV. Zur Verfassungsmäßigkeit des Rechts der Beschränkung der landwirtschaftlichen Bodennutzung Das Recht der Beschränkung der landwirtschaftlichen Bodennutzung – Düngeverbote; Verbote der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln; sonstige Landbearbeitungsverbote – wird mit dem Hinweis auf seinen Verstoß gegen Art. 14 GG bekämpft. Trifft dieser Hinweis zu? Um das Thema47 sinnvoll behandeln zu können, sind die von ihm erfassten Probleme aus der Sicht der heutigen Eigentumsdogmatik zu formulieren. Es stellen sich drei Fragen: 1. Welche in Vollzug öffentlichen Rechts ergehenden Maßnahmen mit dem Ziel, die Nutzung des Grundeigentums zu beschränken, muss der Grundeigentümer entschädigungslos dulden? 2. Wie ist die entschädigungslose von der entschädigungspflichtigen Nutzungsbeschränkung abzugrenzen? 3. Ist es notwendig, eine Rechtsnorm zu erlassen, die den Tatbestand der entschädigungspflichtigen Inhaltsbestimmung des Eigentums positiviert?

1. Die Dogmatik des Art. 14 GG Es ist vorab die Eigentumsdogmatik zu skizzieren, auf deren Grundlage diese Fragen gestellt werden können. Kein Grundrecht hat eine derartige Entwicklung durchgemacht wie die Eigentumsgarantie48. Es lassen sich – idealtypisch – vier Phasen ausmachen. Sie seien mit Vorzeit, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bezeichnet. a) Die mit Vorzeit bezeichnete Zeitspanne erfasst die Frühzeit und die Mitte der Bundesrepublik; sie endete Mitte 1981 mit dem sog. Nassauskiesungsbeschluss 45

Agena, RdL 2000, 312; Erbguth/Stollmann, GewArch 1999, 287. Peine, DVBl 1998, 160. 47 Breuer, NuR 1996, 537 ff.; Borgmann, AgrarR 1989, 285; Burgi, NVwZ 1994, 527 ff.; HeyericklBauwens/Bogaert, Beilage II in: AgrarR 1995, 1; Hoppenworth, Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen für naturschutzbedingte Beschränkungen der Landwirtschaft, Diss. Jur. Göttingen 1991; Kolodziejcok, Beilage 1 in: AgrarR 1995, 6 ff.; ders., Beilage III in: AgrarR 1990, 7 ff.; Nierer, Grundeigentum und Nutzungsbeschränkungen, dargestellt an der Problematik des Eigentums innerhalb der Grenzen von Nationalparks, 1994; Pietzcker, JuS 1991, 369; Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen des Grundeigentums, 1996; Schwabe, Jura 1994, 529. 48 Zur Geschichte der Eigentumsgarantie bis Anfang der 80er Jahre s. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, 1984; aktuelle Kommentierung bei Wieland, in: Dreier (Fn. 2), Bd. 1, 1996. Aktuelle Monographien: Hösch, Eigentum und Freiheit, 2000; Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, 1998; Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, 1998; Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, 1995. 46

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des BVerfG, BVerfGE 58, 300. Mit Blick auf die Dogmatik des Art. 14 GG stellten sich – soweit hier von Interesse – folgende Fragen: 1. Wie wird die Sozialbindung des Eigentums von der Enteignung abgegrenzt? 2. Was geschieht bei Fehlerhaftigkeit des Enteignungsgesetzes? aa) Dargestellt werde die Rechtsprechung des BGH und des BVerwG. Hingewiesen sei zuvor darauf, dass schon das RG49 sich mit dem Problem der öffentlich-rechtlichen Beschränkung von Eigentumspositionen befassen musste – und zwar mit einer Nutzungsuntersagung zugunsten des Denkmalschutzes, einer Konstellation heute vergleichbar der Nutzungsuntersagung zugunsten des Naturschutzes. Das RG hatte den sog. Galgenberg-Fall zu entscheiden: Es ging um das Verbot einer Gewinnung von Sand und Kies in dessen Umgebung. Das Hamburger Landesrecht kannte eine Entschädigung als Ausgleich für das Verbot nicht. Das RG gewährte eine Entschädigung, weil es das Nutzungsverbot als Enteignung sah: ,,Ausnahmsweise (würden) einzelne Eigentümer an der Ausübung der an sich nach dem Hamburger Recht in ihrem Eigentum liegenden Befugnisse gehindert“50. Das RG bediente sich der Einzelaktstheorie zur Abgrenzung zwischen Enteignung und Eigentumsbeschränkung. Die von der Judikative zu entscheidenden Fälle waren ähnlich, die benutzten Kriterien zur Abgrenzung der beiden Gruppen völlig anders. Der BGH51 praktizierte die sog. Sonderopfertheorie; auf ihrer Grundlage musste er die Frage beantworten, ob eine Eigentumsbelastung eine gleiche oder ungleiche Belastung gegenüber anderen Eigentümern darstellt. Kennzeichnend für das Vorliegen einer Enteignung war das Sonderopfer. Im Zusammenhang mit einem Bauverbot entwickelte der BGH zur Beantwortung der Gleichheitsfrage bzw. zur Bejahung des Sonderopfers die ,,Figur“ „Situationsgebundenheit“52. Ihretwegen sah das Gericht das Grundeigentum in einer besonderen Situation. War ein Grundstück z. B. Teil einer größeren landwirtschaftlich genutzten Fläche und lag es stadtnah innerhalb eines dichtbesiedelten und hoch industrialisierten Gebiets, dann sah das Gericht es bereits ,,seiner Natur nach“, nicht erst kraft einer positiv-rechtlichen Regelung, mit einer begrenzten Pflichtigkeit belastet. Nach Maßgabe des Gesetzes, so das Gericht, könne sich die 49 RGZ 116, 268 (271). Weitere Entscheidungen des Reichsgerichts, die einschlägig sind: RGZ 128, 165 (171); RGZ 129, 146 (149); RGZ 150, 9 (13); ebenso der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, in: RGZ 124, Anhang S. 33. Das Reichsgericht folgte einer im Schrifttum weit verbreiteten Ansicht, vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches v. 11. 8. 1919, 14. Aufl. 1933, Art. 153 Anmerkung 9; Bertram, VerwArch 35, 411 ff; Scheuner, in: Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. III, 1930, S. 216 ff. – Hinzuweisen ist darauf, dass sich bereits in der Literatur Widerstände gegen die Theorie des Reichsgerichts zeigten: vgl. Soelling, JR 1928, 42; Kutscher, Die Enteignung, 1938, S. 70. 50 RGZ 116, 271. 51 BGHZ 23, 30. Früher bereits BGHZ 6, 270 (279 f.). Aus der Literatur: Kröner, Die Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, 2. Aufl. 1969, S. 12, 57 ff.; Kreft, Aufopferung und Enteignung, 1968, S. 21, 25. 52 BGHZ 23, 33.

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Pflichtigkeit zu einer Pflicht verdichten. Die Pflichtigkeit bestehe darin, unter Umständen eine mögliche Nutzung des Eigentums zu unterlassen. Das Eigentum an einem solchen Grundstück werde nicht verkürzt, wenn dem Eigentümer für die Zukunft eine bisher noch nicht verwirklichte, mit jener Situationsgebundenheit unvereinbare Verwendungsart untersagt werde, während alle anderen Eigentumsfunktionen erhalten blieben. In einer solchen Situation liege eine bloße Eigentumsbeschränkung und nicht eine Enteignung vor. Die Bemühungen des Gerichts um die Abgrenzungsfrage orientierten sich später an den einmal gewählten Kriterien53 (manchmal griff es auch auf die sofort darzustellende Theorie des BVerwG, die Schweretheorie, zurück54); das Gericht wandte sie auch auf anders geartete Fälle an55. Dieses war möglich, weil der Begriff ,,Situationsgebundenheit“ die Idee ausdrückt, dass das Grundeigentum bzw. die sonstige Eigentumsposition in eine bestimmte Umgebung (Situation) eingebettet ist und sich aus dieser Umgebung bestimmte natürliche Eigentumsbeschränkungen ergeben können56. Wurden diese latenten Beschränkungen durch den Staat im Einzelfall durch ein entsprechendes Verbot konkretisiert, war dieses Verbot lediglich Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums. Problematisch war die Ermittlung der Pflichten, die sich aus einer bestimmten Situation ergeben. Letztlich nahm das Gericht eine Abwägung zwischen Einzelinteresse und Allgemeininteresse vor. Zu beachten ist mit Blick auf die gefundenen Ergebnisse, dass die Situationsgebundenheit zur Qualifizierung von Einschränkungen der zukünftigen Eigentumsnutzung als entschädigungslose Inhalts- und Schrankenbestimmung herangezogen wurde – die staatliche Unterbindung konkret ausgeübter Nutzungen wurde dagegen regelmäßig als entschädigungspflichtig beurteilt. Die Begründung des Gerichts sah und sieht sich in der Literatur dem Einwand ausgesetzt, formaljuristisch und konstruiert zu sein57; sie war in der Tat zwiespältig. Sie war angreifbar und konnte den Streit über den Konflikt zwischen Naturschutz und Eigentum nicht erledigen. Das BVerwG58 ließ die Schweretheorie zum Einsatz gelangen. Diese Theorie nutzt andere Kriterien. Das Gericht entwickelte sie bei der Lösung eines nahezu alltäglichen Falls: Ein mit einem Haus bebautes und im Übrigen gärtnerisch genutztes Grundstück war von Bauland umgeben; das Grundstück wurde durch eine LandschaftsschutzVO unter Naturschutz gestellt; das Gericht bewertete diese Unterschutzstellung als Enteignung, weil das Grundstück ebenso wie die Nachbargrund53

BGHZ 30, 338 (341); 60, 145 (147). BGHZ 57, 359, 365; 60, 126, 132. 55 Einführung der gemeindlichen Müllabfuhr: BGHZ 40, 360; Errichtung eines Dammes: BGHZ 45, 160. 56 Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2000, Rn. 446. 57 Breuer, NuR 1996, 538. 58 BVerwGE 5, 143 (145); 7, 297 (299); 11, 68 (75); 15, 1(2); 19, 94 (98 f.); 32, 173 (179); 41, 58 (66). 54

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stücke Baulandqualität besessen hätte. Das Gericht begründete sein Ergebnis materiell: Der Eingriff in die Eigentumsnutzung sei schwer und von großer Tragweite. Für diese Behauptung ließ es eine weitere Begründung vermissen. Diese Lehre ist genauso angreifbar wie die des BGH: Wann ist ein Eingriff ,,schwer“? Wann besitzt er große Tragweite? Letztlich läuft dieser Ansatz auf eine Einzelfalljudikatur hinaus, deren Ergebnisse nicht vorhersehbar sind. Die vom BGH und vom BVerwG gefundenen Ergebnisse stimmen überein: Der nutzungsrechtliche Status quo kann entschädigungslos ,,eingefroren“ werden, seine Beschränkung und sein Entzug sind nur gegen Entschädigung zulässig. Zusammenfassend ist festzustellen, dass diese Judikatur die Entschädigungspflicht nach Maßgabe der Junktim-Klausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG als Charakteristikum der Enteignung verstand. Die Inhaltsbestimmung des Eigentums galt als entschädigungsfrei. Jede Sozialbindung des Eigentums konnte ab einem zu definierenden Punkt in eine Enteignung umschlagen; um die Bestimmung dieses Punkts bemühten sich viele Theorien. Letztlich bestimmte die Rechtsprechung diesen Punkt. Insb. der BGH interpretierte gegen den Willen des Gesetzgebers die Nutzungsbeschränkung zugunsten des Naturschutzes als Enteignung und machte sie damit entschädigungspflichtig. bb) Bei einem fehlerhaften Enteignungsgesetz ist der auf diesem Gesetz basierende Staatsakt rechtswidrig. Prozessual konnte der Adressat diesen Akt (VA, VO, Satzung) angreifen und so die Belastung des Eigentums beseitigen. Parallel dazu oder ausschließlich gestattete es die Rechtsprechung aber auch, die zu zahlende Entschädigung zu kassieren, sich über ihre Höhe zu streiten, oder für den Fall, dass die Verwaltung die Eigentumsbelastung als Inhaltsbestimmung betrachtete, auf Zuerkennung einer Entschädigung zu klagen. Alles in allem besaß der Adressat des Staatsaktes doppelten Rechtsschutz: gegen die Belastung als solche wie auch mit Blick auf die Zahlung einer Entschädigung. b) Die Vergangenheit der Eigentumsdogmatik ist bestimmt durch die Rechtsprechung des BVerfG59. Gegenüber dem zuvor Dargestellten kennzeichnet diese eine totale Kurskorrektur. Das Gericht geht davon aus, dass die Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auf der einen Seite und die Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG auf der anderen Seite vollkommen gesonderte Rechtsinstitute seien. Dieser Ansatz hat mehrere Konsequenzen: – Ein Umschlagen der Sozialbindung, z. B. der Inhaltsbestimmung des Eigentums unter dem Aspekt der Umweltverträglichkeit, in die Enteignung gibt es nicht. Wenn eine gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung den verfassungsrechtlich vorhandenen Gestaltungsrahmen überschreitet, ist das Gesetz nichtig. Der nichtige Ge59 BVerfGE 58, 300 (330 ff). Auch in der früheren Rechtsprechung des BVerfG finden sich mehrere Entscheidungen, die bereits deutlich eine formale Abgrenzung befürworten, z. B. BVerfGE 24, 367; 37, 132; 45, 297; 52, 1; 56, 249 – Lehre und Fachgerichte haben diese Entscheidungen jedoch kaum zur Kenntnis genommen.

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staltungsakt führt nicht zu einer Enteignung. Er ist zu bekämpfen; die Zahlung einer Entschädigung ist ausgeschlossen. – Es kann im Einzelfall sein, dass eine Inhaltsbeschränkung unverhältnismäßig ist. In diesem Fall kann das Urteil der Unverhältnismäßigkeit durch die Zahlung eines Ausgleichs für die mit der Inhaltsbeschränkung verbundenen Folgen abgewendet werden. Man spricht von der sog. ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung60. Wann ein solcher Fall vorliegt, ist ungeklärt. Für beide Rechtsinstitute ist ihr Anwendungsbereich festzulegen. Dieses kann nicht mit Hilfe der genannten Abgrenzungskriterien geschehen: 1. sind diese schon immer konfliktbehaftet gewesen, 2. verwendet das BVerfG einen formalen Enteignungsbegriff. Dieser führt zu folgenden Ansätzen: Ein gezielter, konkret-individueller Zugriff auf bestimmte Eigentumspositionen bedingt eine Enteignung, die abstrakt-generelle Festsetzung der Nutzungsmöglichkeiten des Eigentums führt zur Inhaltsbestimmung. Die neue Konzeption des BVerfG und mit ihr die ,,Verabschiedung“ der alten Theorien im Bereich der Enteignung hat das Abgrenzungsproblem nicht gelöst oder vereinfacht. So einfach die Unterscheidung von Enteignung und Inhalts- und Schrankenbestimmung anhand der begrifflichen Festlegungen theoretisch erscheint, so schwierig ist sie real. Der enge Enteignungsbegriff des BVerfG ist dem klassischen Enteignungsbegriff angenähert, verzichtet aber auf das Merkmal der Übertragung auf einen anderen Rechtsträger – entscheidend ist der völlige oder teilweise Rechtsentzug. Hier liegt das Problem. Ob die Ausweisung z. B. eines Naturschutzgebiets durch VO mit Nutzungsbeschränkungen für den Grundeigentümer einen partiellen Rechtsentzug darstellt, kann, je nach Sichtweise, unterschiedlich beurteilt werden61. Das BVerwG62 betrachtet sie als Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums; die gleiche Feststellung ist für den BGH63 zu treffen. Streitig war auch die Einordnung von Gesetzen, die für die Zukunft den Eigentumsinhalt bestimmter Rechtspositionen neu festlegten und dadurch Rechte nach altem Recht ganz oder teilweise entzogen (Rechtsentzug durch neues Recht). Diese Fallgestaltung hat das BVerfG nun dahingehend entschieden, dass es sich hier stets um Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums handelt64. Danach lässt sich festhalten: Eine Enteignung liegt in allen Fällen der klassischen Enteignung vor. Rechtsentzug durch das Inkrafttreten neuer eigentumsgestaltender Gesetze ist dagegen nie eine Enteignung, sondern Folge einer Inhalts- und Schrankenbestimmung. Damit verbleibt als eigentliche Problemgruppe die Eigentumsbe60 BVerfGE 58, 137 (149 ff.); 83, 201(213); Peine (Fn. 56), Rn. 446; Maurer, DVBl 1991, 781, Wahl, NVwZ, 1990, 426, 440. 61 Peine (Fn. 56), Rn. 444. 62 BVerwGE 94, 1. 63 NJW 1993, 2096. 64 BVerfGE 79, 174 (192).

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schränkung durch förmliches Verwaltungshandeln, also durch VO, Satzung und VA. Die Rechtsprechung des BVerfG zum Rechtsentzug durch neues Recht65 legt es nahe, auch in diesen Fällen durchweg von Inhalts- und Schrankenbestimmungen auszugehen. c) Nach längerem Zögern akzeptieren heute der BGH66 und das BVerwG67 die durch das BVerfG ausgelöste neue Dogmatik des Art. 14 GG formal – das ist die Gegenwart. Gleichzeitig verstärken die Fachgerichte die Tendenz, den Bereich der Enteignung zu verengen: In Fällen zweifelhafter Zuordnung entscheiden sie sich stets für eine Inhaltsbestimmung. Alle Fälle der Nutzungsbeschränkungen und -verbote, z. B. durch NaturschutzVOen werden als Inhaltsbeschränkung betrachtet68. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist für das Zahlen von Geld an die Beschränkung Duldende festzuhalten: Grundsätzlich muss eine Entschädigung für die mit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung verbundenen Beeinträchtigungen nicht gezahlt werden, weil es sich um Konkretisierungen der Sozialbindung des Eigentums handelt. Nur bei unzumutbaren Beeinträchtigungen muss das einschränkende Gesetz ausdrücklich einen Entschädigungsanspruch vorsehen, ansonsten ist es wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip teilweise verfassungswidrig. Dieser Entschädigungsanspruch findet in jüngerer Zeit ungeahnte Beachtung69 – verständlich: Es geht um Geld. Die Anerkennung der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung wirft einige Fragen auf:

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BVerfGE 83, 201 ( 213). Seit BGHZ 123, 242 ff. 67 BVerwG, NJW 1993, 2951. 68 Von der im Text getroffenen Aussage enthält BGHZ 121, 328 eine Ausnahme. Der BGH weicht von seiner früheren Judikatur überraschenderweise ab und führt aus: Eine Inhaltsbestimmung, und selbst eine ausgleichspflichtige, liege dann nicht mehr vor, wenn den Eigentümerinteressen Vorrang vor den Naturschutzbelangen gebühre. Ist eine Belastung selbst unter Berücksichtigung der Entschädigung, überhaupt nicht mehr hinnehmbar“, dann handelt es sich um keine zulässige Inhaltsbestimmung mehr, weshalb man nur noch ,,im Enteignungswege“ vorgehen könne. Die Grenze zu den ,,besonders schwerwiegenden, in die Substanz des Eigentums eingreifenden Belastungen“ sei dann überschritten, ,,wenn eine auf Dauer angelegte Beschränkung die Privatnützigkeit des betroffenen Grundeigentums aufhebt, indem sie dem Eigentümer keine rechtlich zulässige private Verwendungsart mehr belässt“. Gleiches gelte ,,bei besonders einschneidenden, etwa existenzbedrohenden oder gar existenzvernichtenden Eingriffen in einen bestandsgeschützten Gewerbebetrieb“. Der aus diesem Judikat zu ziehende dogmatische Befund erscheint banal, ist aber bemerkenswert: Naturschutzmaßnahmen sind nur bis zu einer gewissen Schweregrenze als ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen zulässig; besonders schwerwiegende Belastungen sind hingegen Enteignungen. Vgl. zur Kritik an dieser Entscheidung Schwabe, Jura 1994, 533. BGHZ 126, 379 ff. entspricht der im Text geäußerten Tendenz. Bei dem zuvor zitierten Judikat dürfte es sich deshalb um einen ,,Zwischenschritt“ in der Entwicklung der Rechtsprechung des BGH handeln. Deshalb wird auf diese Entscheidung nicht näher eingegangen. 69 Ausführlich Wieland, in: Dreier (Hg.) GG, Komm. Bd. 1, 1996 Rn. 123 ff. 66

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– Muss die den Ausgleichsanspruch gewährende Norm Voraussetzungen und Umfang des Anspruchs im Einzelnen regeln oder genügen salvatorische Klauseln entsprechend denen, die in der Vergangenheit im Bereich der Enteignung anzutreffen waren? – Können solche, heute gegenstandslose Enteignungsentschädigungsklauseln umgedeutet werden in einen Ausgleichsanspruch wegen unverhältnismäßiger Inhaltsbestimmung? Für das Problem der salvatorischen Klauseln stellt der BGH als Lösung heraus, dass sie im Bereich der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung ohne Einschränkung zulässig sind70. Deshalb kann der Gesetzgeber in diesem Bereich auf jegliche materielle Fixierung des Entschädigungsanspruchs verzichten; er hat lediglich zu regeln, dass Entschädigung gewährt werden kann, nicht aber deren Voraussetzung und Umfang. Diese Judikatur des BGH folgt der des BVerwG71, welches bereits 1993 zu Art. 36 BayNatSchG mit diesem Inhalt judiziert hatte. (Zu bemerken ist, dass sich diese Rechtslage deutlich von der im Bereich der Enteignung unterscheidet; nach neuerer Rechtsprechung sind in diesem Bereich salvatorische Entschädigungsregeln nicht mehr zulässig72.) Die Problemlösungen des BGH sind zu kritisieren: Für die Antwort auf die Frage, wie intensiv die Nutzungsbeschränkung sein müsse, damit eine Ausgleichspflicht entstehe, ist auf die Untauglichkeit der Verwendung des Kriteriums ,,Situationsgebundenheit“ zu verweisen. Dieses Kriterium war schon untauglich, die Abgrenzung zwischen Enteignung und Inhaltsbestimmung zu leisten – warum sich daran heute etwas geändert haben sollte, ist nicht ersichtlich. Ferner ist fraglich, ob sich die unter der Geltung des weiten Eigentumsbegriffs ergangene Rechtsprechung ohne weiteres auf die neue Dogmatik übertragen lässt – die Übertragungsmöglichkeit müsste begründet werden: Daran fehlt es. Da es rechtmäßig ist, wenn die Zahlung eines Ausgleichs salvatorisch vorgesehen wird, müssen die Gerichte im Einzelfall die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen des Ausgleichsanspruchs bestimmen. Der BGH scheint sich darauf festzulegen, dass die richterlich entwickelten Grundsätze zur Enteignungsentschädigung greifen. Dieser Ansatz passt bereits dem Grunde nach nicht: Bei einer Enteignung müsste zwar nicht (s. den Wortlaut des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG), wird aber infolge der Rechtsprechung des Gerichts (Verkehrswertentschädigung) ein Ausgleich für den gesamten Rechtsverlust geleistet; bei Ausgleichsansprüchen im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG muss lediglich die Nutzungsbeschränkung ausgeglichen werden, die unzumutbar ist und deshalb die Sozialbindung des Eigentums übersteigt. Mit anderen Worten: ,,Finanzieller Ausgleich kann damit sinnvollerweise erst für die jenseits der Unzumutbarkeitsschwelle liegenden Vermögenswerte gewährt werden, 70 71 72

Ebd. BVerwG, NJW 1993, 2951. BGHZ 121, 85.

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die darunter angesiedelten Einbußen bleiben entschädigungslos.“73 Deshalb findet in Ansehung der Bestimmung der Höhe des Ausgleichsanspruchs immer ein Sozialbindungsabzug statt. Dieses Faktum übersieht das Gericht vollständig. Seinem Ansatz ist deshalb nicht zu folgen. Die Kritik an dieser Rechtsprechung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Für die Antwort auf die Frage nach den Voraussetzungen und dem Umfang des Ausgleichsanspruchs nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gilt, dass trotz der dogmatischen Umgestaltung des Art. 14 GG alles beim alten bleibt; der BGH füllt alten Wein in neue Schläuche. Nicht juristisch-dogmatisch, aber im Ergebnis entspricht die Gegenwart der Vorzeit. Die in der Vergangenheit erfolgte Überwindung der Vorzeit hat sich erledigt. Wenn man das Ergebnis als Relation zwischen den beteiligten Gerichten ausdrücken möchte, darf man sagen: Der BGH lässt das BVerfG ins Leere laufen. d) Die Vorzeit muss nicht die Zukunft sein. Es lassen sich – grob betrachtet – zwei Tendenzen ausmachen, die hier kritisierte Judikatur des BGH zu überwinden. Ansatzpunkt muss die Einhaltung der Rechtsprechung des BVerfG sein. Hingewiesen sei auf zwei Entscheidungen, die die Abgrenzungsfrage behandeln: den Pflichtexemplarbeschluss74 und den Bergrechtsbeschluss75. Diese Judikatur ergibt die legislatorische Pflicht, bei einer unzumutbaren Inhaltsbestimmung Vorkehrungen vorzunehmen. Vorkehrung kann die Zahlung eines Ausgleichs sein; ferner können die Reaktionsvarianten des Gesetzgebers bei einer Umgestaltung oder Beseitigung eines Rechts dargelegt werden. Wann ein Ausgleich zu leisten ist, entscheidet sich nach dem Kriterium der ,,Unzumutbarkeit“. aa) Vertreter der ersten Richtung zur Überwindung der Rechtsprechung des BGH ist Breuer76. Er plädiert für einen prinzipiellen Abschied von der Rechtsfigur der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung des Eigentums und verurteilt die landesgesetzlichen Regelungen in den Naturschutzgesetzen, die als Reaktion auf die Rechtsprechung ergangen sind – in Brandenburg § 71 BbgNatSchG. Nach dieser Ansicht brauche eine gesetzliche Inhaltsbestimmung, die die Sozialpflichtigkeit des Eigentums in eine vollziehbare Rechtsgestalt gießt und dadurch aktualisiert, dem Eigentümer nicht ,,abgekauft“ zu werden, sie sei ihm unentgeltlich aufzuerlegen; es werde nur die verfassungsrechtlich vorgezeichnete Mäßigung der individuellen Nutzung, nämlich deren Sozial- und Umweltverträglichkeit, sichergestellt. Die ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung erwecke die Fehlvorstellung, dass die gesetzliche Inhaltsbestimmung des Eigentums jenseits einer gewissen Opferschwelle im Ergebnis ebenso oder ähnlich wie eine Enteignung entschädigungspflichtig sei; das aber treffe verfassungsrechtlich nicht zu. Die Verfassung differenziere zwischen der eigentumsgestaltenden und entschädigungsfreien Sozialbindung und der eigentumsvernichtenden entschädigungspflichtigen Enteignung. Dieser Gegensatz sei nicht einzuebnen. Fer73 74 75 76

de Witt, DVBl 1995, 108 f.; Melchinger, NJW 1991, 2528. BVerfGE 58, 150. BVerfGE 83, 201 (213). NuR 1996, 545 f.

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ner sei darauf hinzuweisen, dass die gesetzliche Inhaltsbestimmung aufgrund des verfassungsrechtlichen Vorbehalts in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG eine permanente gesetzgeberische Aufgabe sei. Deshalb habe kein Eigentümer ein Recht auf den Bestand einer gesetzlichen Inhaltsbestimmung. Jeder Wandel des Eigentumsinhalts sei verfassungsrechtlich zulässig, soweit die Umgestaltung sich in dem weiten Spielraum der Privat- und Sozialnützigkeit des Eigentums halte. Im Naturschutz- und Landschaftspflegerecht könne durch Gesetz und aufgrund Gesetzes, etwa durch eine RechtsVO, die zulässige Bodennutzung auf eine umweltverträgliche Wirtschaftsweise zurückgeführt werden, ohne eine Entschädigungs- oder Ausgleichspflicht auszulösen. M.E. ist Breuer in vielem Recht zu geben. In der Tat besitzt der Gesetzgeber das Recht und die Pflicht zur inhaltlichen Ausgestaltung des Eigentums; in der Tat ist der Inhalt des Eigentums wandelbar. Es existiert aber – und darauf hinzuweisen besteht wegen der Ausführungen Breuers Anlass – nach der Rechtsprechung des BVerfG in einigen Fällen die Pflicht zur Ausgleichszahlung im Bereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. An den Feststellungen des BVerfG kommt niemand vorbei – und zum BVerfG kommt man nur sehr schwer, weshalb wenig Chancen bestehen, dass das BVerfG seine eigene Judikatur zu ändern in die Lage versetzt wird. Deshalb stellt sich nicht nur die Frage, ob der Gesetzgeber den Ausgleichsanspruch normiert oder nicht; unterlässt er die Normierung, muss er damit rechnen, dass die Zivilgerichtsbarkeit so weitermacht wie bislang und die zuständigen Stellen zu Ausgleichszahlungen verurteilt, ohne dass die Möglichkeit der Steuerung dieser Rechtsprechung besteht. bb) Wegen dieser Bedenken – im Ergebnis gibt der Gesetzgeber die Lösung des Problems aus der Hand – ist in der Literatur eine zweite Tendenz festzustellen: Die Literatur hat sich in großer Zahl gegen salvatorische Klauseln im Bereich der Inhaltsbestimmung ausgesprochen77. Sie hat ferner Beispiele dafür gebracht, wie die salvatorische Klausel überwunden werden kann. Auch konkrete Gesetzesvorschläge mit diesem Ziel lassen sich anführen: Für die Beschränkung oder Aufhebung der landwirtschaftlichen Bodennutzung stellt der Entwurf eines UGB, den die sog. Sendler-Kommission vorgelegt hat, in § 346 Abs. 5 fest: ,,Wird durch Festsetzungen oder sonstige Regelungen […] die zulässige Nutzung eines Grundstücks unzumutbar beschränkt oder aufgehoben, so ist dafür nach Maßgabe des Landesrechts ein angemessener Ausgleich zu gewähren. Bei der Bestimmung der Zumutbarkeit sowie der Art und des Umfangs des Ausgleiches ist die Umweltpflichtigkeit des Eigentums zu berücksichtigen. Eine Beschränkung oder Aufhebung der zulässigen Nutzung ist insb. zumutbar, soweit der Betroffene durch Verletzung der ihm nach […] obliegenden Pflichten Anlass dazu gegeben hat, oder soweit er bei bestehender Bodenbelastung nach […] als Verantwortlicher in Anspruch genommen werden kann.“ Abs. 6 lautet: ,,Wird durch Festsetzungen 77 Burmeister/Röger, JuS 1994, 845; Detterbeck, DÖV 1994, 277; Labbe/Kaltenegger, BayVBl 1994, 9; Osterloh, DVBl 1991, 914; Pietzcker, JuS 1991, 372 f.; ders., NVwZ 1991, 427; Schink, DVBl 1990, 1383 f.; Schwabe, DVBl 1993, 842; Wagner, BayVBl 1994, 708. – Ähnlich wie der BGH Maurer, DVBl 1991, 783; ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 26 Rn. 82 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. 1991, S. 155; Rinne, DVBl 1994, 23.

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oder sonstige Regelungen […] die im Sinne des […] umweltschonende land- oder forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder beschränkt, so kann, soweit der Betroffene dazu nicht durch die Verletzung der ihm nach den §§ […] obliegenden Pflichten Anlass gegeben hat, für die dadurch verursachten besonderen wirtschaftlichen Nachteile, für die ein Ausgleich nach Abs. 5 nicht zu leisten ist, ein Härteausgleich nach Maßgabe des Landesrechts gewährt werden.“

Diese Vorschläge werfen die Frage auf, ob sie verfassungsrechtlich gefordert sind. Generell lässt sich sagen, dass ein Ausgleich nur dann gefordert werden kann, wenn die Eigentumsbeschränkung dazu führt, dass von der Privatnützigkeit des Eigentums nichts mehr übrig bleibt – das Eigentum auf ein ,,nacktes Recht“ reduziert wird78. Ferner darf der Gesetzgeber ebenso wie der Verordnung- und Satzunggeber nur dann eine rechtlich zulässige Bodennutzung reduzieren, wenn der Rückführung ein ausgewogenes Konzept in ökologischer und ökonomischer Hinsicht zugrunde liegt; im Einzelfall können Anpassungsfristen und Überleitungsregeln notwendig sein, um den Ruin eines Betriebs oder einer sonstigen wirtschaftlichen Einheit zu verhindern. Schließlich muss sich ein Grundstück durch umweltrelevante Besonderheit auszeichnen, wenn es in ein Schutzgebiet einbezogen werden soll; das gleiche gilt, wenn ein Grundstück in einen Biotopverbund eingegliedert werden soll. 2. Die Antworten a) Die Antwort auf die Frage: „Was ist nicht entschädigungslos zu dulden?“, lautet: – Jeder durch VA angeordnete Entzug von Eigentum und jede in dieser Weise angeordnete Eigentumsbeschränkung, wenn sie auf einem verfassungswidrigen Enteignungsgesetz beruhen, ist nicht zu dulden. Das Enteignungsgesetz ist beispielsweise dann verfassungswidrig, wenn ihm die Junktim-Klausel fehlt. Die auf der Basis dieses Gesetzes ergangenen Maßnahmen sind vor den Verwaltungsgerichten anzugreifen. – Jede durch Verwaltungsentscheidung angeordnete Nutzungsbeschränkung, die das Eigentumsrecht am Grundstück zu einem ,,nackten Recht“ werden lässt, muss ebenfalls nicht geduldet werden. Von dieser Situation ist z. B. auszugehen, wenn bisher landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich, gärtnerisch oder baulich genutzte Grundstücke an einem Flusslauf dauerhaft und umfassend den Zwecken des Natur-, Gewässer- und Hochwasserschutzes gewidmet werden – am Oberrhein ist geplant, Rückhalteflächen für abfließendes Hochwasser zurückzugewinnen und Auwälder wiederherzustellen. Diese Fallkonstellation ist aber auch dann zu bejahen, wenn z. B. die Festsetzung eines Naturschutzgebiets mit umfassenden Nutzungsverboten verbunden ist, die selbst eine forstwirtschaftliche Nutzung ausschließen. – Jede durch Verwaltungsentscheidung angeordnete Nutzungsbeschränkung, die zum wirtschaftlichen Ruin eines Betriebs oder einer sonstigen wirtschaftlichen Ein78

Breuer, NuR 1996, 546, hier auch zum Folgenden.

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heit führt, ist nicht zu dulden, wenn der Ruin selbst bei Anordnung einer ,,sanften“ Überleitung unvermeidbar ist. Jede andere Nutzungsbeschränkung ist nicht entschädigungspflichtig. Alle Gebote, deren Erfüllung diese Grenze nicht erreicht, sind entschädigungslos. Deshalb verstößt das Umweltrecht nicht gegen die Eigentumsgarantie – es handelt sich bei ihm um eine Inhaltsbestimmung. b) Diese Abgrenzung zwischen entschädigungsloser und entschädigungspflichtiger Sozialbindung sei jetzt positiv formuliert: Entschädigungslos hinzunehmen ist jede Nutzungsbeschränkung, die die Privatnützigkeit des Eigentums unberührt lässt; die Reduktion von Nutzungsmöglichkeiten muss jedoch ,,rücksichtsvoll“ erfolgen. c) Regelmäßig wird in der Literatur behauptet, die Positivierung der eigentumsbeschränkenden Inhaltsbestimmung sei verfassungsrechtlich notwendig. Ob das der Fall ist, mag offen bleiben; m. E. könnte man auch die Ansicht vertreten, es reiche, wenn im Einzelfall ein Ausgleich geleistet wird. M.E. sollte die eigentumsbeschränkende Inhaltsbestimmung aus einem anderen Grunde als einem verfassungsrechtlichen positiviert werden. Die Positivierung sollte erfolgen, damit der Gesetzgeber Einfluss auf die Judikatur und auch auf den praktischen Vollzug hat. Ferner lassen sich auf dieser Basis mit der Verfassung behauptete, von ihr aber nicht gewährte Ansprüche einfacher abwehren. Eine Nichtregelung dieses Anspruchs könnte dazu missbraucht werden, zu Lasten der Staatskasse ungerechtfertigte Ansprüche zu erfüllen. Nach alledem ist in den wenigsten Fällen der Nutzungsbeschränkung des Eigentums ein Ausgleich zu zahlen. Das Eigentumsgrundrecht behindert den Naturschutz selten. Es ist eine politische Frage, ob der Naturschutz im Einzelfall siegt – die rechtlichen Hürden sind niedrig. Die dargelegten Beschränkungen der landwirtschaftlichen Bodennutzung sind verfassungsmäßig.

J. Die Kritik am Bundes-Bodenschutzgesetz – nach fünf Jahren revisited* Den Erlass des BBodSchG vor fünf Jahren begleitete eine kritische Literatur. Gegenstand der Kritik war im Wesentlichen die „Einheitlichkeit“ des Gesetzes. Das Thema „einheitliches Bodenschutzrecht des Bundes“ hatte (und hat) zwei Aspekte: zum einen stellte sich die Frage, welche Gegenstände ein Bodenschutzrecht des Bundes erfassen sollte (einheitlich = vollständige Regelung), zum anderen war zu überlegen, ob diese Materie in einem Bundesgesetz enthalten sein sollte (einheitlich = eine gesetzliche Regelung). Fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes stellt sich die Frage, ob die seinerzeit geübte Kritik berechtigt war und ob sie etwas bewirkt hat. Diesen beiden Fragen geht der Beitrag nach.

I. Die geübte Kritik 1. Der Maßstab Jede Beurteilung eines Bodenschutzrechts (wie eines anderen Gegenstands auch) bedarf der Festlegung des Maßstabs, dessen Anwendung Lob oder Tadel zu erteilen gestattet1. Der Maßstab, den Verfasser seinerzeit an das BBodSchG2 anlegte, war bekannt. Verfasser ging von den Inhalten aus, die er in den §§ 283 – 313 UGB-ProfE formuliert hatte3. Diese Vorschriften fanden in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit weitgehend Zustimmung; die Teile des Kapitels Bodenschutz, die sich mit dem Altlastensanierungsrecht befassten, behandelte der 60. Deutsche Juristentag 1994 in Münster und befürwortete sie weitgehend4. Deshalb erfolgte die Kritik auf einer Basis, die viel Zustimmung fand. Hervorzuheben ist ferner, dass der größte Teil * Leicht veränderte Fassung eines am 24. 6. 2003 im Rahmen der 5. Bodenschutztagung – Fünf Jahre BBodSchG – Anspruch und Wirklichkeit – unter dem Titel „Einheitliches Bodenschutzrecht des Bundes – Anspruch und Wirklichkeit“ gehaltenen Vortrags. 1 Da es sich der Sache nach um ein Referat handelt, wäre sprachlich korrekt eine Darstellung im Imperfekt und in indirekter Rede. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit verzichte ich darauf und berichte im Folgenden im Präsenz und im Indikativ. 2 Im Folgenden abgekürzt: BBodSchG. 3 Bodenschutz, Entwurf der §§ 283 – 313 eines Umweltgesetzbuchs – Besonderer Teil nebst Begründung, in: Jarass/Kloepfer/Kunig/Papier/Peine/Rehbinder/Salzwedel/Schmidt-Aßmann (Hg.), Umweltgesetzbuch – Besonderer Teil, Berichte des Umweltbundesamtes, 4/1994, S. 121 – 135, 557 – 630. 4 Verhandlungen des 60. Deutschen Juristentags, 1995, Bd. 1 Teil B, S. B87 – B140.

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der Kritik an dem vom Verfasser erarbeiteten Kapitel „Bodenschutz“ im sog. UGBProfE davon ausging, die Vorschläge seien eher zu wenig scharf5; wenn man diese Kritik teilte, hätte die formulierte Kritik viel schärfer ausfallen müssen. 2. Die Kritik im Einzelnen – vollständige Regelung a) Anforderungen an die Vollständigkeit Ein Bodenschutzrecht6, welches tradierten Vorstellungen von den Inhalten eines vollständigen Bodenschutzes entsprechen will, muss Instrumente für die Erfüllung von drei Aufgaben bereitstellen: den Schutz des Bodens vor Verbrauch (quantitativer Bodenschutz), vor Stoffeintrag (qualitativer Bodenschutz) sowie die Sanierung belasteter Böden; bei belasteten Böden war (und ist) zwischen (generellen) Bodenverunreinigungen und (speziellen) Altlasten zu trennen7. Dem Bodenschutzrecht die quantitative und die qualitative Komponente zuzurechnen, war (und ist heute) üblich8. Nicht üblich war es hingegen, die Sanierung belasteter Böden, insb. die Sanierung von Altlasten, im Zusammenhang mit dem Bodenschutz zu regeln. Altlastensanierungsrecht – soweit es als solches spezialgesetzlich geregelt existierte – fand sich im landesrechtlichen Abfallrecht. Freilich war es dort systematisch am falschen Ort platziert; für die bislang vorgenommene Platzierung sprach wohl nur das Fehlen einer Alternative. Sachlich gehört das Altlastensanierungsrecht zum Bodenschutz, diesem Bereich war es in der Literatur immer zugerechnet worden9. Dem folgt das BBodSchG.

5 Der Mitwelt Recht geben, Symposion zum Vorschlag für ein UGB, Tagung v. 26./28. 1. 1996 in der Ev. Akademie Bad Boll, Protokolldienst 18/96, S. 69 ff. 6 Der Vortrag enthält im Wesentlichen Aussagen, die ich an anderer Stelle gemacht und begründet habe; ich verweise pauschal auf folgende Stellen: UTR Bd. 43, 111 – 137; UTR Bd. 45, 253 – 279; Bodenschutz, in: Rengeling (Hg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. 2, 1998, S. 1078 – 1108, 2. Aufl. 2003, im Erscheinen; Umfassender Bodenschutz in einem Landesbodenschutzgesetz und die Kompetenz des Landesgesetzgebers, in: Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft von Nordrhein-Westfalen (Hg.), Konkretisierungen von Umweltanforderungen, Umweltrechtstage 1998, 2000, S. 163 – 191; Einleitung zum BBodSchG Teil 2, in: Fluck (Hg.), KrW-/Abf-/BodSchR, LoseblattKomm. zum Recht der Abfallwirtschaft und des Bodenschutzes in fünf Bänden, Bd. 3, vor § 1 BBodSchG, Juni 2001; Quantitativer Bodenschutz – innerhalb und außerhalb des BundesBodenschutzgesetzes, in: Dolde (Hg.), Umweltrecht im Wandel, FS 25 Jahre Gesellschaft für Umweltrecht, 2001, S. 537 – 558; NuR 1999, 121 – 127; NVwZ 1999, 1165 – 1171; NuR 2002, 522 – 530. 7 Peine, in: Jarass u. a., Umweltgesetzbuch – Besonderer Teil (UGB-BT), Berichte des Umweltbundesamtes 4/94, S. 557. 8 s. die Nachw. in Fn. 2. 9 Kloepfer, Umweltrecht, 1989, § 14 Rn. 5; Peine, UTR Bd. 3, 201 ff., 206.

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b) Die fehlende quantitative Komponente Dem BBodSchG fehlt vollständig die quantitative Komponente. Quantitativer Bodenschutz erfasst den Tatbestand, dass dem Boden seine natürlichen Funktionen entzogen werden. Diese zählt § 2 Abs. 1 Nr. 110 auf: Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen; Bestandteile des Naturhaushalts, insb. mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen; Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen aufgrund der Filter-, Puffer- und Stoffumwandlungseigenschaften, insb. auch zum Schutz des Grundwassers. Diese Funktionen kann der Boden nicht mehr erfüllen, wenn er versiegelt wird. Versiegelung ist die Isolierung des Bodens von der Atmosphäre; das Ausmaß der Isolierung wird bestimmt durch die Art der Versiegelung: Porosität, Fugenanteil, Fugenform, Unterbau, Deckschicht mit und ohne Bindemittel11. Versiegelung entsteht, wenn der Boden seine direkte Verbindung zum Medium Luft durch Verbauung verliert oder wenn er derart verdichtet (zusammengepresst) wird, dass die zwischen der Biosphäre und der Atmosphäre bestehenden Stoffflüsse mehr oder minder stark unterbunden werden; das ist der Fall der Verdichtung des Bodens als Folge landwirtschaftlicher Maßnahmen. Der Schutz des Bodens vor Verbrauch ist ein außerordentlich wichtiger Bereich. Es ist sehr wahrscheinlich, dass langfristig der Schutz des Bodens vor Verbrauch der wichtigste Teil des Bodenschutzes sein wird: Alle Fachleute erwarten, dass die Bedeutung des Altlastensanierungsrechts sich verringert, weil die tatsächlichen Erfolge auf dem Gebiet der Altlastensanierung steigen – Altlastensanierungsrecht ist auslaufendes Recht; der Schutz des Bodens vor Stoffeintrag wird als Rechtsgebiet ebenfalls an der ihm heute zukommenden überragenden Bedeutung verlieren, weil die Zahl der industriellen Emittenten abnimmt, die emittierte Schadstoffmenge durch verbesserte Technik zusätzlich kleiner wird und auch die Sonderstellung der Landwirtschaft mit Blick auf die ungehemmte Bodenbelastung wohl verloren geht – das qualitative Bodenschutzrecht erfüllt seine Funktion und wird zu „normalem“ Recht ohne besondere Bedeutung. Der Schutz des Bodens vor Versiegelung müsste wegen seiner Bedeutung in einem bundeseinheitlichen Bodenschutzrecht erfasst sein. Das BBodSchG enthält keine Regelungen zur Bodenversiegelung, obwohl der Entwurf des Gesetzes starke Kritik insb. an diesem Punkt hervorgerufen hatte12. Von den zuvor erwähnten Materien des Bodenschutzes findet im Gesetz lediglich die Altlastensanierung Erwähnung: „Dritter Teil. Ergänzende Vorschriften für Altlasten“. Dieser Überschrift ist zu entnehmen, dass differente Ermächtigungsgrundlagen für eingreifende Maßnahmen zur Verwirklichung der unterschiedlichen Arten von Bodenschutz nicht existieren. 10 Vorschriften ohne nähere gesetzliche Kennzeichnung sind im Folgenden solche des BBodSchG. 11 s. Landel/Vogg/Wüterich, Einführung zum BBodSchG, 1998, S. 87. 12 Z. B. durch Peine, UPR 1997, 53 ff.

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Mithin kann quantitativer Bodenschutz ausschließlich auf der Grundlage des § 4 gefordert werden – Pflicht zur Gefahrenabwehr. § 4 regelt die Gefahrenabwehr in einem dreistufigen System. Der Vermeidungspflicht nach Absatz 1, die für jedermann gilt, folgt die Abwehrpflicht für Zustandsstörer nach Absatz 2, an die sich die Sanierungspflicht nach Absatz 3 anschließt. Die Pflichten nach Absatz 2 und 3 kommen hier nicht zum Tragen. Relevant für den quantitativen Bodenschutz ist ausschließlich die Jedermannspflicht nach Absatz 1. Bodenverbrauch, Bodenverdichtung und Bodenerosion sind Einwirkungen auf den Boden; qualitativ handelt es sich um schädliche Bodenveränderungen. An sich müsste die angesprochene Vorschrift deshalb für den quantitativen Bodenschutz Bedeutung entfalten; freilich lässt sich dieses Faktum nicht beobachten13: Der Grund für dieses Resultat ist in dem Umstand zu finden, dass der quantitative Bodenschutz wohl vollständig von Spezialnormen erfasst wird, die § 4 Abs. 1 vorgehen. Von der Bodenverdichtung und der Erosion, soweit sie auf die landwirtschaftliche Bodennutzung zurückzuführen sind, abgesehen, kommt das BBodSchG für den quantitativen Bodenschutz nicht zum Einsatz. Das in der Zukunft wichtigste Bodenschutzrecht, das quantitative Bodenschutzrecht, ist im BBodSchG ungeregelt. Damit ist ein erster wichtiger Kritikpunkt identifiziert. Er ist um die Anmerkung zu ergänzen, dass das BBodSchG ein hinreichendes Entsiegelungsrecht nicht enthält. Es ist mangelhaft, weil § 5 subsidiär gegenüber dem Baurecht ist, hohe tatbestandliche Anforderungen enthält und den Adressatenkreis einer Entsiegelungsanordnung einschränkt14. c) Unzulängliche Definitionen Ein zweiter bedeutungsvoller Punkt der Kritik ist, dass das BBodSchG seinen potentiellen Gegenstand nicht vollständig regelt. Das sei demonstriert am Begriff „Boden“. Das Gesetz erstreckt seine Regeln nicht auf all das, was „Boden“ ist: Die Legaldefinition des § 2 Abs. 1 könnte umfassender sein. Die Definition erfasst den Grund der fließenden und stehenden Gewässer sowie grundwasserführender Schichten nicht. Damit wird die bestehende Rechtslage perpetuiert: Das Gewässerbett – der Gewässerboden – bildet mit dem Wasser tatsächlich und rechtlich eine Einheit; das Gewässerbett wird über das Wasser geschützt; im Gegensatz zum Wasser gibt es aber für den Gewässerboden ein Schutzrecht nicht – wenn man davon absieht, dass im Interesse der Wasserreinhaltung und des Wasserabflusses feste Stoffe zum Zwecke der Entledigung nicht in ein Gewässer eingebracht werden dürfen und die Gewässer zu unterhalten sind. Der Gewässerboden wird tatsächlich nur insoweit geschützt, als der Schutz des Wassers positive Folgen für den Boden hat. Dieser Zustand ist unbefriedigend. Er lässt sich verbessern, indem der Begriff Boden derart weit gefasst wird, dass das Gewässerbett sowie der Boden von grundwasserführenden 13 Die Richtigkeit dieses Ergebnisses bestätigt die Beobachtung, dass nicht ein Komm. den quantitativen Bodenschutz bei § 4 Abs. 1 BBodSchG anspricht. 14 Notter, NuR 1999, 541 ff.; Hendler, UTR Bd. 53, 87 ff.

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Schichten ihm unterfallen, soweit menschliche Aktivitäten den Zustand des Bodens beeinflussen können. d) Der stark eingeschränkte Anwendungsbereich Drittens ist zu kritisieren, dass § 3 den Anwendungsbereich des Gesetzes stark einschränkt. Ausdrücklich befasst sich mit dem Anwendungsbereich § 3 Abs. 1. Die Vorschrift legt ihn in einer Kombination aus einer positiven und einer negativen Aussage fest; die negative Aussage besteht aus elf Einzelaussagen. Positiv sagt das Gesetz, dass es Anwendung finde auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten; es nimmt Bezug auf die Legaldefinitionen in § 2. Das Gesetz findet auf diese Fälle freilich keine Anwendung, wenn für bestimmte Sachfragen Spezialgesetze Einwirkungen auf den Boden regeln. Diese sind leges speciales gegenüber dem BBodSchG und besitzen ihm gegenüber vorrangige Geltung15. Das BBodSchG ist als lückenfüllendes Gesetz konzipiert; es soll ergänzend wirken, wenn das bisherige Recht den Bodenschutz nicht oder nicht vollständig regelt; nicht ein umfassender Bodenschutz, sondern Lückenschließung ist das Ziel des Gesetzes. Ein BBodSchG, welches diesen Titel verdient, sollte die Bereiche regeln, die herkömmlicherweise in einem solchen Gesetz als Regelungsgegenstände erwartet werden16. Durch die elf Ausnahmen fallen weite Bereiche des quantitativen und qualitativen Bodenschutzes aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes heraus. Die Problematik des quantitativen Bodenschutzes gelangte schon zur Darstellung. Das Gesetz normiert nicht den Eintrag von Stoffen in landwirtschaftlich genutzte Böden; damit bleibt der wesentliche Bereich des qualitativen Bodenschutzes ungeregelt. Negativ bestimmt den Anwendungsbereich des Gesetzes § 3 Abs. 2. Nach Satz 1 fällt alles mit dem Atomrecht Zusammenhängende aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes heraus; dagegen ist nichts zu erinnern. Ferner gilt das Gesetz nach Satz 2 nicht für das Aufsuchen, Bergen, Befördern, Lagern, Behandeln und Vernichten von Kampfmitteln; eine Legaldefinition dieses Begriffs fehlt; die Literatur versteht unter Kampfmitteln „die fachtechnische Bezeichnung für Gegenstände militärischer Herkunft […], die herrenlos geworden sind und Explosionsstoffe oder Kampfstoffe wie etwa Giftgas enthalten, so z. B. Patronen, Granaten, Bomben, Zünder, Minen, Sprengmittel, Treib- und Zündmittel usw.“17. Das Gesetz regelt demnach nicht die Verpflichtung der Eigentümer militärischer Altlasten, Maßnahmen zur Beseitigung von Gefahren zu ergreifen, die von Kampfmitteln ausgehen. Gerade für die Fälle, bei denen sich die Notwendigkeit des Bodenschutzes in größter Eindringlichkeit zeigt, schließt das Gesetz seine Anwendbarkeit aus. Die Kampfmittelbeseitigung erscheint als eine von Behörden freiwillig zu erfüllende Aufgabe. Ihre Erledigung ist 15

Hendler, UTR Bd. 53, 91. Kritik am Entwurf dieses Gesetzes bei Peine, UPR 1997, 53 ff.; ders., DVBl 1998, 157; ders., UTR Bd. 43, 111 ff. 17 Frenz, Komm. zum BBodSchG, 3. Aufl. 2002, § 3 Rn. 62. 16

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aber Bedingung dafür, damit eine andere Rechtspflicht praktisch erfüllt werden kann, die denselben Boden betrifft: seine Sanierung, wenn von ihm eine Gefahr ausgeht als Folge anderer Belastungen als durch Kampfmittel. Neben den erwähnten Geltungsausschlüssen – davon ist zu sprechen, wenn bodenschutzrechtliche Regelungen auf ein Sachgebiet von vornherein unanwendbar sind unabhängig davon, ob dieses Sachgebiet Aussagen zum Bodenschutz enthält oder nicht18 –, ist noch auf Folgendes hinzuweisen: Nach § 4 Abs. 4 Satz 3 gilt Wasserrecht für die Sanierungsanforderungen an das Grundwasser; für das Gebiet der Vorsorge bei der forstwirtschaftlichen Bodennutzung gilt das BBodSchG nach § 7 Satz 5 nicht; ähnliches gilt nach § 7 Satz 6 für das Wasserrecht. e) Verweis auf ungenügenden Bodenschutz Ein vierter Kritikpunkt ist, dass § 3 Abs. 1 auf Normen bzw. Normenkomplexe verweist, die ihrerseits den Boden nur unzulänglich schützen. Die Richtigkeit dieser Behauptung sei belegt anhand der bodenschützenden Möglichkeiten nach dem BauGB. Die Steuerungskraft der Planungsziele nach § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB ist gering. Gewichtungsvorgaben enthalten sie nicht19. – Der Katalog des § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB enthält mehrere Planungsleitlinien, die das Planungsziel „nachhaltige Entwicklung“ konkretisieren20 und die für den Bodenschutz bedeutungsvoll sind. Zu erwähnen ist die in § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB näher benannte Altlastenproblematik; § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 BauGB erwähnt die Bodenschutzbelange, dazu zählt auch der quantitative Bodenschutz21. Freilich enthalten die Planungsleitlinien ebenfalls keine Gewichtungsvorgabe für einzelne Belange22. – Nach § 1a Abs. 1 Hs. 1 BauGB – der Bodenschutzklausel – soll mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden23. Dieses Gebot ist zu unterteilen in den sparsamen und den schonenden Umgang mit Grund und Boden. Sparsamer Umgang mit Grund und Boden bedeutet, dass je nach der örtlichen städtebaulichen Situation anstelle der Neuausweisung von Bauflächen die Möglichkeit der innerörtlichen Entwicklung genutzt und unter Inanspruchnahme unbebauter Flächen flächensparende Bauweisen zu bevorzugen sind24. Ziel des Gesetzes ist es, unnötigen Landverbrauch und nicht notwendige Oberflächenversiegelungen zu vermeiden25. Es geht vor allem um die Nachver18

Hendler, UTR Bd. 53, 92. Peine, Öffentliches Baurecht, 4. Aufl. 2003, Rn. 351 ff. 20 Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Komm., 8. Aufl. 2002, § 1 Rn. 47. 21 Kim, Bodenschutz durch Bauplanungsrecht, 1999, S. 41. 22 Kauch, Bodenschutz aus bundesrechtlicher Sicht, 1993, S. 63. 23 Zur Bedeutung des § 1a BauGB für die Flächennutzungsplanung s. Schink, ZfBR 2000, 154 ff.; ders., BauR 1998, 1163; Peine (Fn. 19), Rn. 559 ff. 24 Söfker, UPR 1987, 201. 25 s. BTag- Drs. 10/4630, S. 61. 19

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dichtung im Bestand (Dachgeschossausbau, Erschließung von Baupotentialen auf bereits bebauten Grundstücken)26, Nutzung von Baulücken, Verkleinerungen von Grundstücksgrößen und der dazugehörigen Erschließungsstraßen sowie die Wiederverwendung brachgefallener Industrie-, Gewerbe-, Verkehrs- und Militärflächen27. Letztlich soll sich das Bauen verstärkt auf die Innenstädte orientieren28. Instrument zur Realisierung dieses Ziels sind entsprechende Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleitplänen. – Schonender Umgang mit Grund und Boden bedeutet vor allem die Nutzung von Ausgleichsmaßnahmen im Fall der Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Zwecke29. Schonender Umgang zielt auf die Berücksichtigung übergreifender ökologischer Zusammenhänge und den Schutz von Vernetzungsfunktionen innerhalb des Naturhaushalts bei der Bodennutzung ab30 ; er zeigt sich vor allem, wenn bei einer Inanspruchnahme des Bodens seine natürlichen Eigenschaften so wenig wie möglich zerstört werden und wenn die städtebauliche Planung zur Entwicklung des Bodens als der natürlichen Lebensgrundlage beiträgt31. Letzteres bedeutet, dass die für den Wasserhaushalt, den Stoffkreislauf und das biotische Potential besonders leistungsfähigen und empfindlichen Böden vor weiteren Inanspruchnahmen und Beeinträchtigungen zu schützen sind; ferner sind Siedlungs- und Verkehrsflächen, soweit möglich, auf Standorte und Flächen zu lenken, auf denen Beeinträchtigungen weniger schwer wiegen; und schließlich sind Nutzungen mit hohem bodenökologischen Risikopotentialen, z. B. Umgang mit wassergefährdenden Stoffen in Industrie- und Gewerbebetrieben, optimal zu verorten32. Das Schonungsgebot ist auf mehreren Stufen relevant: Zunächst betrifft es die Entscheidung, ob eine Fläche überhaupt einer baulichen Nutzung zugeführt werden soll; falls dieses bejaht wird, ist festzustellen, welche Nutzungen ökologisch vertretbar sind; ferner kann das Schonungsgebot die Ausweisung von Schutzvorkehrungen oder von Ausgleichsmaßnahmen fordern, etwa die Ausweisung von Grünflächen und von Bebauung freizuhaltender Flächen33. Das Gebot des schonenden Umgangs kann durch entsprechende Darstellungen und Festsetzungen in den Bebauungsplänen realisiert werden, muss aber nicht. Das Gebot, Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen, ist als sog. „Ist-Vorschrift“ formuliert. Gleichwohl enthält es nur ein Optimierungsgebot und keine unmittelbar geltende Rechtspflicht34. – Mit Blick auf andere, im Ergebnis 26

Schink, UPR 2001, 161. s. BTag-Drs. 10/5999, S. 18. 28 Löhr, JURA 1986, 468. 29 Battis/Krautzberger/Löhr (Fn. 20) § 1a Rn. 10. 30 Kloepfer (Fn. 9), § 12 Rn. 48. 31 Mitschang, Die Belange von Natur und Landschaft in der kommunalen Bauleitplanung, 2. Aufl. 1996, S. 39 f. 32 Happe/Mohs/Oligschläger/Grabe/Kaschlun, Bodenschutz und Landschaftsverbrauch, UBA Texte 15/99, S. 41. 33 Kim (Fn. 21), S. 52. 34 Ebd. 27

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geringe Möglichkeiten für bodenschützende Maßnahmen sei auf anderenorts erschienene Nachweise hingewiesen35. f) Nicht sachgerechte Regelungen Als fünfter Kritikpunkt darf herausgestellt werden, dass das BBodSchG selbst ausdrücklich geregelte Bereiche nicht sachgerecht normiert. Diese Behauptung sei anhand von § 17 untersucht. § 7 befasst sich mit der Vorsorge für den Boden. Diese Vorschrift wird für die landwirtschaftliche Bodennutzung ersetzt durch § 17 Abs. 1 und 236. Das Vorrangverhältnis ergibt sich aus § 17 Abs. 1 Satz 1; dass § 7 auch nicht subsidiär zur Anwendung gelangt, folgt aus § 7 Satz 5; die Vorsorgepflicht wird nach alledem ausschließlich durch die gute fachliche Praxis erfüllt. Die Gegenstände bzw. Grundsätze der guten fachlichen Praxis der landwirtschaftlichen Bodennutzung regelt § 17 Abs. 2. Es geht um die nachhaltige Sicherung der Bodenfruchtbarkeit und Leistungsfähigkeit des Bodens als natürlicher Ressource. Zu den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis zählen die in § 17 Abs. 2 Satz 2 aufgezählten sieben Handlungsanweisungen; sie sind nicht vollständig37. Das Vorsorgerecht soll durch die nach Landesrecht zuständigen Beratungsstellen vermittelt werden. Aus der Formulierung „sollen“ folgt, dass eine unbedingte Rechtspflicht zur Vermittlung der Grundsätze der guten fachlichen Praxis der Landwirtschaft für die nach dem Landesrecht zuständigen Beratungsstellen nicht besteht; der Bundesgesetzgeber hat auf Kooperation gesetzt. Vorsorgemaßnahmen können weder angeordnet werden noch erfüllt ihre Nichtbeachtung einen Bußgeldtatbestand. Das Vorsorgerecht hat lediglich Appellcharakter38. Es ist dem Gesetzgeber zu bescheinigen, dass er die Probleme, die die landwirtschaftliche Bodennutzung verursacht, sieht, aber nicht in der Lage war, die notwendigen Instrumente zur Durchsetzung der Vorsorgeanforderungen bereitet zu stellen39. g) Regelungslücken Sechstens ist zu kritisieren, dass das BBodSchG eine Vielzahl von Regelungslücken enthält, die teilweise durch die Länder geschlossen werden können. Wenigstens folgende Lücken existieren, die Aufzählung ist unvollständig: In ein Landesgesetz40 35

Ebd., passim. Frenz (Fn. 17), § 17 Rn. 4. 37 Ebd., § 17 Rn. 14. 38 Agena, RdL 2000, 312; Erbguth/Stollmann, GewArch 1999, 287. 39 Peine, DVBl 1998, 160. 40 Die folgenden Thesen habe ich vorgetragen auf den Umweltrechtstagen 1998 am 25. und 26. 8. 1998 in Düsseldorf; der Vortrag trug den Titel: Umfassender Bodenschutz in einem Landesbodenschutzgesetz und die Kompetenz des Landesgesetzgebers, s. NVwZ 1999, 1165 ff. 36

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können weitere Grundsätze aufgenommen werden. Mangels entgegenstehender Aussagen in § 4 Abs. 1 sind Konkretisierungen durch die Länder im Bereich des quantitativen Bodenschutzes ohne weiteres möglich; diese Möglichkeit besteht zumindest solange, bis die RechtsVO nach § 8 erlassen ist41. Bis zum Erlass der in § 5 Satz 1 angesprochenen RechtsVO verbleibt den Ländern die Möglichkeit, konkretisierende Bestimmungen zu der Ermächtigung in § 5 Satz 2 zu treffen. Nach Erlass der RechtsVO gem. § 5 Satz 1 ist es den Ländern untersagt, weitere Entsiegelungspflichten zu regeln42. Die Möglichkeit, solche Aussagen in einem LBodSchG zu treffen, die die VOen nach § 6 und § 8 nicht enthalten, ist abhängig davon, ob der Bund in die RechtsVOen abschließende Regelungen aufnimmt. Ob die Regelungen abschließend sind, ist durch Interpretation der RechtsVO sowie der Gesetzgebungsmaterialien zu gewinnen43. Die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe ist in einem LBodSchG rechtlich erlaubt; die Konkretisierung muss freilich den Rahmen beachten, den der unbestimmte Rechtsbegriff des BBodSchG setzt. In einem LBodSchG können den nach § 9 Abs. 1 tätig werdenden Behörden Fristen gesetzt werden. Der unbestimmte Rechtsbegriff „notwendige Maßnahmen“ in § 10 Abs. 1 kann mit Hilfe von Regelbeispielen in einem Landesgesetz konkretisiert werden. Die Zulässigkeit von Landesrecht nach § 11 ermöglicht es dem Landesgesetzgeber, alle Instrumente zu regeln, die mit Blick auf die Erfassung von Altlasten und altlastverdächtigen Flächen zielführend sind. In ein LBodSchG können Regelungen betreffend die Beteiligung der von einer Altlastensanierung Betroffenen aufgenommen werden. Insb. kann eine öffentliche Anhörung für die Vorstellung der Sanierungsmaßnahmen in einem LBodSchG geregelt werden. Ein LBodSchG kann näherhin konkretisieren, wann eine Altlast zu sanieren und wann sie lediglich zu sichern ist. In einem LBodSchG können Konkretisierungen der behördlichen Überwachung und der Eigenkontrolle durch Normierung konkreter Wenn/Dann-Beziehungen geregelt werden; ferner können konkrete Überwachungsmaßnahmen einem bestimmten Gefährdungsgrad zugeordnet werden. Eine Konkretisierung des § 17 ist durch Landesrecht möglich. § 21 Abs. 1 gestattet es den Ländern, all dasjenige zu regeln, was Art. 84 GG erlaubt. Nach § 21 Abs. 3 können Archive der Natur- und Kulturgeschichte ausgewiesen werden. Ferner können nach § 21 Abs. 3 Erosionsschutzgebiete ausgewiesen werden, sofern die Ausweisung der Gefahrenabwehr dient. Der Landesgesetzgeber kann Fonds oder ähnliche Finanzierungsinstrumente für die Finanzierung der Altlastensanierung schaffen.

41 Die Bundes-Bodenschutz- und AltlastenVO v. 12. 7. 1999 enthält jetzt Aussagen zu § 8, s. § 1 BBodSchV. 42 s. die in der Anmerkung zuvor erwähnte VO. 43 Die VO ist nicht abschließend. Freilich hat nicht ein Landesgesetzgeber von der erwähnten Möglichkeit Gebrauch gemacht. LBodSchGe gibt es in Bayern (G v. 23. 2. 1999); Bremen (G v. 27. 8. 2002); Hamburg (G v. 20. 2. 2001); Niedersachsen (G v. 1. 9. 1999); Nordrhein-Westfalen (G v. 9. 5. 2000); Saarland (G v. 20. 3. 2002); Sachsen (G v. 31. 5. 1999); Sachsen-Anhalt (G v. 2. 4. 2002).

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h) Zusammenfassung Als Ergebnis darf zusammengefasst werden: Versteht man „einheitlich“ in dem Sinne, dass das Bundesrecht die mit dem Regelungsgegenstand verbundenen Probleme möglichst vollständig erfassen sollte – das wäre der „Anspruch44“ –, dann ist die Wirklichkeit wenig sonnig: Nicht einmal ansatzweise genügt das Bundesrecht diesem „Anspruch“, weil es voller Lücken ist. Den wichtigsten Bereich des Bodenschutzes, den quantitativen, regelt es überhaupt nicht, in anderen Gesetzen, die Bodenverbrauch ermöglichen, nur ansatzweise. Der qualitative Bodenschutz – Schutz des Bodens vor Stoffeintrag – findet sich weitgehend in Spezialgesetzen normiert45 ; im Übrigen kommt die Generalklausel nach § 4 Abs. 1 zum Einsatz. Nur das Altlastensanierungsrecht ist weitgehend vollständig. Der Sache nach ist das BBodSchG ein Altlastensanierungsgesetz. Wahrscheinlich sollte es nach dem Willen der Bundesregierung, die das Gesetz vorbereitete, auch nicht mehr sein. 3. Die Kritik im Einzelnen – eine gesetzliche Regelung Wie herausgestellt, ist das BBodSchG ein Lückenfüller; es enthält Regeln für die Fälle, die Spezialgesetze nicht regeln46. Ein Bodenschutzgesetz, welches seinen Namen verdient, sollte mehr als ein Lückenfüller sein. Es sollte die wichtigsten Bereiche, die ihm sachlich zugerechnet werden, selbst erfassen. Das ist nicht der Fall; das Gesetz enthält keine Aussagen zum quantitativen – nicht einmal eine Generalklausel – und nur wenige zum qualitativen Bodenschutz. Natürlich gibt es Grenzen mit Blick auf das, was in einem Gesetz geregelt sein sollte – gewachsene Zusammenhänge regelungstechnischer Art sollten nicht zerstört werden. Dass aber wichtige Bereiche des Bodenschutzes von einem Gesetz, welches Bodenschutzgesetz heißt, vollständig oder weitestgehend unerfasst bleiben, ist nicht hinzunehmen. Der Anspruch, der an einheitliche Regelung zu stellen ist, bleibt unerfüllt.

44 Der Inhalt von „Anspruch“ bedarf der Festlegung. Es scheint mir einleuchtend, dass mit „Anspruch“ nicht der des Gesetzgebers gemeint ist oder sein kann; denn er hat sicherlich das, was er regeln wollte, in das Gesetz hineingeschrieben. Wenn nicht: dann hat er das Publikum getäuscht; das soll vorkommen; davon werde für das BBodSchG nicht ausgegangen. 45 Diese Gesetze und VOen sind freilich kaum hilfreich, s. die Ausführungen bei Peine, NuR 2002, 522 ff. 46 Das Gesetz ist aber mehr als ein „Auffanggesetz“, es enthält für den Bereich der Sanierung und der Vorsorge eigenständige Regelungen. Es ist auch mehr als ein „Ergänzungsgesetz“, weil ihm, soweit es den Bodenschutz regelt, eigenständige Bedeutung zukommt.

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II. Die Kritik – revisited Die vorgestellte Kritik hat durchweg auch fünf Jahre nach Inkrafttreten des BBodSchG noch Bestand. Dass sie seinerzeit berechtigt war, haben lediglich die an der Gesetzgebung direkt beteiligten Juristen bestritten. Dass sie heute noch berechtigt ist, ergibt sich aus Folgendem: Durchgehend wird angenommen, dass das BBodSchG ein reines Altlastensanierungsgesetz sei; wenigstens in Teilen hätte quantitativer und qualitativer Bodenschutz im BBodSchG geregelt werden können, ohne überkommene Regelungszusammenhänge zu zerstören.

III. Reaktionen des Gesetzgebers Wie man hört, ist im Bauministerium geplant, den Schutz des Bodens vor Verbrauch im BauGB zu verbessern. Weitere Reaktionen sind nicht bekannt. Die Landesgesetzgeber haben teilweise ein LBodSchG nicht erlassen; in den vorhandenen LBodSchGen finden sich selten Aussagen, die davon zeugen, dass die Landesgesetzgeber von den eingeräumten Handlungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht haben. Für das BBodSchG ist auch nach fünfjähriger Geltung zu konstatieren, dass unter dem Aspekt „Einheitlichkeit“ eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft.

K. Die Bundesrepublik als Sanierungspflichtige einer Rüstungsaltlast In jüngerer Zeit sind Entscheidungen ergangen, die sich mit der Haftung für sog. militärische Altlasten oder Rüstungsaltlasten befassen1. Zu dieser Frage hat sich Verfasser anlässlich der Sanierung einer solchen Altlast im Jahre 2000 gutachtlich geäußert2. An ihn ist jüngst der Wunsch herangetragen worden, die relevanten Teile des Gutachtens zu publizieren. Da diese Teile unverändert aktuell sind, kommt Verfasser dem Wunsch nach. Er schildert stark verkürzt zuerst den Sachverhalt, der zu der Rüstungsaltlast führte, weil es sich um eine immer wieder auftauchende Konstellation handelt. Dann werden die entscheidenden Rechtsfragen beantwortet.

I. Der Sachverhalt: Das Entstehen einer Rüstungsaltlast Vor und während des Zweiten Weltkriegs sind für die Bewaffnung der deutschen Kampfverbände Kampfmittel (Munition, Bomben, Giftgasgranaten) hergestellt worden. Herstellung, Erprobung und Lagerung verliefen nicht entsprechend den Anforderungen, die an diese Vorgänge heute durch Gesetz gerichtet werden: Die Einhaltung eines definierten Umweltschutzniveaus war nicht gefordert3. Tatsächliche Folge jener Handlungsweise war häufig die Kontaminierung des Bodens: Ausgangsstoffe, Neben- und Zwischenprodukte sowie Abfälle der Produktion wurden unsachgemäß gelagert oder abgelagert; im Rahmen der Erprobung der Munition u.ä gelangten diese oder Zerfallsprodukte in das Erdreich; die Endprodukte des Erzeugungsprozesses wurden unsachgemäß gelagert und bewirkten im Fall ihrer Fehlerhaftigkeit „Kleckerschäden“. In dieser Weise gekennzeichnete Standorte werden heute durchgängig als „Rüstungsaltlast“4 bezeichnet. Nach einem Vorschlag des Verfassers5, dem

1 Z. B. BVerwG, NVwZ 2004, 1125 = DVBl 2004, 1032 ff.; NdsOVG, Urt. v. 21.4.2004 – 7 LC 97/02 98/02, NuR 2004, 684 und 687. 2 Auftraggeber war das Land Hessen. Verfasser ist Herrn Wolf vom staatlichen Umweltamt Marburg zu großem Dank für die Überlassung von Material und vielen Hinweisen verpflichtet. – Auf der Grundlage dieses Gutachtens hat der Bund dem Land Hessen einen großen Teil der Sanierungskosten bezahlt. – Die Sanierung der Altlast ist mittlerweile erfolgreich abgeschlossen. 3 Peine, DVBl 1990, 733. 4 s. Flotho, Ordnungsverfügungen zur Dekontamination von Rüstungsaltlasten aus der Sprengstoffproduktion nach dem Montan-Schema, 1995, S. 361 m.w.Nachw. 5 Peine, DVBl 1990, 733.

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die Literatur folgte6, sei Rüstungsaltlast ein Grundstück, „auf dem zur Ausrüstung der Kampfverbände des Deutschen Reichs Kampfmittel jeder Art hergestellt, erprobt sowie gelagert oder diese Kampfmittel sowie ihre Vor-, Neben-, Zwischen- oder Abfallprodukte beseitigt wurden, soweit von diesen Stoffen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.“ 1. Das Schicksal der Sprengstoffproduktion nach 1918 Die Produktion von Sprengstoff für die Verwendung in kriegstauglichen Explosivwaffen kam nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in Deutschland zum Erliegen, weil der Vertrag von Versailles Deutschland verbot, jede Form von Kriegswaffen und in der Folge auch Vorprodukte herzustellen. Im Sommer 1927 stellte das Heereswaffenamt (i.F. kurz: HWA) Überlegungen an, mit welchen Mitteln die begrenzten Munitionsvorräte der Reichswehr vergrößert und auf welche Weise vor allem im Mobilmachungsfall die Produktionskapazitäten erweitert werden könnten. Ausgehend von den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs schlug der zuständige Referent vor, in Zukunft die Munitionsfertigung7 bei einer Reihe von Firmen technisch so vorzubereiten, dass sie bei Aufhören der Kontrolle der Siegermächte mit der Munitionsfertigung beginnen könnten. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten begannen Überlegungen virulent zu werden, die Streitkräfte zu stärken und sie mit Waffen zu versehen, die Deutschland einen Krieg ermöglichten. Dazu benötigte die Wehrmacht große Mengen an Sprengstoff für Munition und Bomben. Die in Deutschland existierenden Unternehmen der Sprengstoffindustrie konnten den Bedarf nicht befriedigen. Bis 1937 kam es zum Neubau von fünf Sprengstoffwerken8. Im Auftrag der Industrie wurden zwei Anlagen neu errichtet: das Werk Krümmel der DAG = Dynamit-Aktiengesellschaft und das Werk Elsnig der WASAG = Westfälisch-Anhaltinische-Aktiengesellschaft. Mit dem Aufbau der Produktionsstätten Werk Dömitz, Clausthal-Zellerfeld und Hessisch-Lichtenau gelangte erstmals die bereits 1927 vom HWAvertretene Vorstellung zum Einsatz, die Munitionsfertigung nicht auf einige wenige Firmen mit wenigen Produktionsstätten zu konzentrieren, sondern diese auf viele Standorte zu verteilen. Deshalb trat für die letztgenannten Werke das HWA als Bauherr auf. Da es nicht über den notwendigen technischen Sachverstand für den Bau und Betrieb einer Sprengstofffabrik verfügte, beauftragte es die Industrie, nämlich die DAG oder die WASAG, mit der Durchführung.

6

Flotho (Fn. 4), m.w.Nachw. Fischer, WASAG – Die Geschichte eines Unternehmens 1891 – 1966, 1966, S. 146. 8 Die folgenden Angaben beruhen auf Angaben in Akten, die sich im Militärarchiv Freiburg unter der Registernummer RH 8 V 991a befinden. 7

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2. Das „Montan-Schema“ Das HWA entwickelte das und bediente sich des „Montan-Schema(s)“. Es besteht aus drei Verträgen: 1. aus einem Rahmen- oder Mantelvertrag, den der Wehrmachtsfiskus mit einer Firma schließt, die hinsichtlich ihrer Kapitalkraft, ihrer Erfahrungen auf konstruktivem, technischem und betriebsorganisatorischem Gebiet eine einwandfreie Führung und Fertigung gewährleisten musste; 2. in einer Vorschrift für die Gründung einer GmbH oder AG, die treuhänderisch vom Eigentümer die Anlage zu übernehmen hat; dieser Gesellschaftsvertrag, der vom Reichskriegsminister und seinem Beauftragten, nämlich dem Eigentümer der Anlagen, vorgeschrieben wird, basiert auf einer 100 %igen Beteiligung der Firma an einer Tochtergesellschaft, mit der der unter 1. genannte Vertrag abgeschlossen wird (Betreibervertrag); 3. der Gesellschaftsvertrag der Tochterfirma. Als Eigentümer der gesamten Betriebe, als Erwerber des Grund und Bodens, als Treuhänder, Besitzer der Gebäude und Einrichtungen tritt eine Dachgesellschaft auf, deren Anteile restlos in Händen des Reichskriegsministers sind, der auch die Gewinne und Abschreibungen zufließen, aus denen sie die Betriebe erhalten muss. Sie ist eingetragen unter der Firma: „Verwertungsgesellschaft für Montanindustrie GmbH“, nachfolgend kurz „Montan“ genannt. a) Die Kampfmittelproduktion für die Ausrüstung der deutschen Wehrmacht9 erfolgte ab 1934 durch die „Montan“. Der Gesellschaftsvertrag zur Gründung dieses Unternehmens datiert von 1916. Im Jahre 1934 übernahm das Deutsche Reich sämtliche Anteile an dem Unternehmen. In den Organen der Gesellschaft vertrat das Deutsche Reich der Chef des HeeresWaffenamts/OKH. Am 23. 3. 1945 erhielt das Unternehmen den Namen „Montan-Industriewerke GmbH“. Ab diesem Datum war das Deutsche Reich durch den Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion in den Gesellschaftsorganen vertreten. – Seit 1934 bestand der Unternehmenszweck der „Montan“ in der Vermögensverwaltung und geschäftlichen Kontrolle der Rüstungsbetriebe10. Sie fungierte als unternehmerischer Treuhänder – „Treunehmer“ – des Reichs für die Rüstungs- und Kriegsproduktion. – Im Auftrage und auf Kosten des Oberkommandos des Heeres errichteten deutsche Unternehmen (IG-Farben, Dynamit-AG, Degussa, WASAG) Munitions- und Sprengstofffabriken. Die „Montan“ erwarb nach Fertigstellung der Anlagen das Gelände; sie erlangte das Eigentum an den Werken. Die „Montan“ verpachtete anschließend die Fabriken an Betreiberfirmen. Häufig fungierten als Betreiberfirmen speziell zu diesem Zweck gegründete Tochtergesellschaften der errichtenden Unternehmen; eine dieser Firmen war die „GmbH zur Verwertung chemischer Erzeugnisse“, die sog. „Verwertchemie“, eine Tochtergesellschaft der Dynamit-AG. – Die Betreibergesellschaften wurden nach Kriegsende i. d. R. liquidiert; es gibt also wahrscheinlich keine Rechtsnachfolger. – 9

Die folgende knappe Beschreibung befindet sich schon bei Peine, DVBl 1990, 734 f. Die Darstellung der Geschichte der Montan folgt dem Übernahmebericht des Treuhänders der Montan-Industriewerke GmbH für das Land Hessen. s. Flotho (Fn. 4), S. 32 f. 10

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Die „Montan“ erhielt am 12. 10. 1951 den neuen Namen „Industrieverwaltungsgesellschaft mbH“ (kurz: IVG) und existiert noch heute in der gesellschaftsrechtlichen Form einer AG; die formwechselnde Umwandlung nach §§ 376 ff. AktG erfolgte 198611. Nach § 381 AktG lässt die formwechselnde Umwandlung die Identität der von ihr betroffenen Personen unberührt. b) Das Deutsche Reich, vertreten durch das Reichswehrministerium, dieses vertreten durch das HWA, ließ von dazu befähigten Unternehmen der chemischen Industrie Anlagen für die Sprengstoffherstellung errichten. Es verwaltete diese Betriebe nicht selbst, sondern übertrug diese Aufgabe der Montan. Das zwischen dem Deutschen Reich und der Montan bestehende Verhältnis war ein Treuhandverhältnis12. Das Deutsche Reich fungierte als Treugeber. c) Alfred Nobel gründete am 9. 11. 1877 die „Dynamit-Actien-Gesellschaft“ (kurz: DAG); sie ging aus dessen 1865 errichteten Unternehmen „Alfred Nobel und Co“ hervor13. Die DAG mit Sitz in Troisdorf fungierte als Werkunternehmer der Montan. Sie baute schlüsselfertig Sprengstofffabriken. Zwischen dem Deutschen Reich (Reichsfiskus-Heer), vertreten durch das Oberkommando des Heeres, und der Firma DAG bestand seit dem 4. 3. 1940 ein sog. Mantelvertrag. Der Vertrag diente der Zusammenarbeit der vertragsschließenden Parteien zum Zwecke der Erstellung, Einrichtung bis zur Betriebsfähigkeit, Instandhaltung in betriebsfähigem Zustand, Inbetriebnahme und Unterhaltung bestimmter Werke der Sprengstoffproduktion. Die DAG gründete 1934 die „Gesellschaft mit beschränkter Haftung zur Verwertung chemischer Erzeugnisse“14 ; dieses Unternehmen wird durchweg „Verwertchemie“ genannt. Die Gründung erfolgte zu dem Zweck, die von der DAG errichteten und der Montan übergebenen Sprengstofffabriken von der Montan zu pachten und zu betreiben. Seit dem 28. 4. 199815 firmiert die DAG, die zwischenzeitlich mehrfach den Namen wechselte, unter KMV Vermögensverwaltungs-GmbH. Die Gesellschaft ist entstanden durch formwechselnde Umwandlung der KM Kunststoffe Marl Aktiengesellschaft16. d) Wie zuvor schon erwähnt, ist die „Verwertchemie“ eine 1934 in Berlin gegründete 100 %ige Tochtergesellschaft der DAG. Sie nimmt den vierten Eckpunkt im

11 12 13 14 15

s. Flotho (Fn. 4), S. 170 ff. s. zum Folgenden ausführlich Flotho (Fn. 4), S. 170 ff. Vgl. Flotho (Fn. 4), S. 33. s. Peine, DVBl 1990, 735; Flotho (Fn. 4), S. 34 m.w.Nachw. Die folgenden Angaben zu dem Unternehmen befinden sich auf dem Stand von Anfang

2000. 16

Auszug aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Marl, HRB Nr. 3301, v. 28. 4. 1998.

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Montan-Schema ein17. Die Tochter pachtete von der Montan und betrieb die von der DAG gebauten Sprengstofffabriken18. Das Unternehmen Verwertchemie wurde 1952 Gegenstand eines Vergleichsverfahrens; dieses wurde am 19. 7. 1954 aufgehoben. Die Firma erlosch am 26. 11. 196219.

3. Errichtung und Betrieb einer Sprengstofffabrik Entsprechend diesem Schema wurden Sprengstofffabriken errichtet und betrieben. Bei der Produktion entstanden riesige Mengen an Abfällen, u. a. Neutralisationsschlamm. Sie mussten entsorgt werden. Die Entsorgung geschah teilweise durch Aufhaldung des Schlamms. Das Haldenmaterial ist breiig bis weich bei Wassergehalten von 45 – 60 %. Es besteht überwiegend aus Calciumcarbonat, -sulfat und -nitrat. Diese Salze sind mit sprengstofftypischen Schadstoffen verunreinigt. Die in der Halde lagernden Schadstoffe sind naturfremde, organische Stoffe von begrenzter Bioabbaubarkeit und entsprechend hoher Persistenz. Ein Jahrhunderte währendes Verbleiben der Stoffe und ihrer Metaboliten im Boden und Untergrund ist anzunehmen. Die Schadstoffe sind unterschiedlich toxisch, mutagen und kanzerogen. Die Abbauprodukte sind von gleicher Toxizität, Mutagenität und Kanzerogenität wie die Ausgangsprodukte oder übertreffen diese an Gefährlichkeit.

II. Die rechtliche Analyse: Die Verantwortung für die Sanierung I.F. geht es beispielhaft um eine Verfügung betreffend die Sanierung einer Halde, wie sie zuvor beschrieben wurde.

1. Das Bundesbodenschutzgesetz als Ermächtigungsgrundlage der Sanierungsverfügung a) § 2 Abs. 5 BBodSchG unterscheidet mit Blick auf die Altlasten zwei Fälle: die Altablagerung und den Altstandort. Altablagerungen sind stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind; Altstandorte sind Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen 17 An die Stelle der Verwertchemie trat gelegentlich die Deutsche Sprengstoffchemie GmbH, eine Tochtergesellschaft der WASAG; vgl. zu dieser Konstellation, die in diesem Zusammenhang bedeutungslos ist, Flotho (Fn. 4), S. 34. 18 Der Geschäftsbericht der Verwertchemie für das Geschäftsjahr 1944/1945 führt folgende 26 Produktionsstandorte auf: Allendorf, Aschau, Bobingen, Bromberg, Christianstadt, Clausthal, Döberitz, Dömitz, Ebenhausen, Grünberg, Güsen, Hertine, Herzberg, Hessisch-Lichtenau, Hohensaaten, Kaufbeuren, Kaufering, Kuchelna, Ludwigsdorf, Malchow, Mallmitz, München, Petersdorf, Premnitz, Ückermunde, Wolfratshausen, vgl. Flotho (Fn. 4), S. 35. 19 Auszug aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Köln, HRB Nr. 8243.

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worden ist, ausgenommen Anlagen, deren Stilllegung einer Genehmigung nach dem Atomgesetz bedarf. Die Halde könnte eine Altablagerung i.S.d, zweiten Variante der Legaldefinition sein: ein „sonstiges Grundstück“. Der Begriff „Grundstück“ ist dem Begriff „Betriebsgelände“ gleichsinnig; er kann mehrere Grundstücke umfassen20. Der Begriff „Abfall“ ist i.S.d. KrW-/AbfG zu verstehen21. Nach § 3 Abs. 1 KrW-/ AbfG sind Abfälle, soweit hier von Interesse, alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigen muss. Im Zeitpunkt ihres Anfallens waren die Schlämme bewegliche Sachen; sie waren Rückstände aus industriellen Verfahren und zählen deshalb zur Abfallgruppe Q 8 – wenn seinerzeit dieses Recht schon gegolten hätte; die Verwertchemie als Besitzer der Schlämme musste sich ihrer entledigen, weil sie die Umwelt gefährdeten und sie heute nach den Vorschriften des Abfallbeseitigungsrechts beseitigt werden müssten – die Schlämme sind in vielfacher Hinsicht gesundheitsgefährdend. Demnach besteht die Halde aus Abfall. Auf dem Grundstück der Halde ist Abfall abgelagert worden. Eine Altablagerung i.S.d. zweiten Variante ist gegeben22. Diese Altablagerung ist freilich nur dann eine Altlast i.S.d. Gesetzes, wenn durch sie schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden. Nach § 2 Abs. 3 BBodSchG ist eine schädliche Bodenveränderung eine Beeinträchtigung der Bodenfunktion, die geeignet ist, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Eine schädliche Bodenveränderung bilden insb. stoffliche Einträge23, die vom Boden nicht oder nur sehr langsam abgebaut werden können24. Der unter der Halde sich befindende Boden wurde und wird durch das Versickern der in der Halde befindlichen Stoffe kontaminiert. Diese sind nur begrenzt abbaubar und verbleiben jahrzehntelang im Boden; sie gelangen ferner in das Grundwasser; dieser Umstand bedingt die Sanierungsbedürftigkeit25. Eine Bodenbeeinträchtigung als Folge der Kontamination und der nur sehr langsamen Abbaubarkeit der Giftstoffe liegt vor. Die Beeinträchtigung der Bodenfunktionen muss geeignet sein, Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Der Begriff der Gefahr i.S.d. BBodSchG entspricht dem Gefahrenbegriff des Polizeirechts26. Eine Gefahr i.S. dieses Rechts ist gegeben, wenn eine Sachlage bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein geschütztes 20

Bickel, Bundes-Bodenschutzgesetz, Komm., 4. Aufl. 2004, § 2 Rn. 26. Ebd. 22 A.A. nach ist eine Rüstungsaltlast ein Altstandort i.S.d. Legaldefinition, s. Sanden/ Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, 1998, § 2 Rn. 81; Becker, DVBl 1999, 141. Die Differenz ist bedeutungslos. 23 Sanden/Schoeneck (Fn. 22), § 2 Rn. 36. 24 Ebd., § 2 Rn. 38. 25 s. Sondergutachten II BTag-Drs. 13/380, S. 305. 26 Sanden/Schoeneck (Fn. 22), § 2 Rn. 43 m.w.Nachw. 21

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Rechtsgut schädigen wird27. Zu den geschützten Rechtsgütern gehört das Grundwasser; ihm kommt ein besonders hoher Rang zu28. Die in der Halde und im Boden vorhandenen Schadstoffe werden durch Regenwasser ausgespült und gelangen in das Grundwasser. Bei diesen Substanzen handelt es sich um krebserregende Stoffe. b) Die zuvor getroffene Aussage zur Rechtsnatur der Halde ist nur dann bedeutungsvoll, wenn das BBodSchG als solches anwendbar ist. In Betracht kommt ein Anwendungsausschluss nach § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG, wenn Vorschriften des BImSchG und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen RechtsVOen über die Errichtung und den Betrieb von Anlagen unter Berücksichtigung von Absatz 3 Einwirkungen auf den Boden regeln. Möglicherweise ist § 5 Abs. 3 Nr. 1 BImSchG anzuwenden. Die in dieser Norm geregelten Pflichten sind nach § 17 Abs. 4a BImSchG nur während eines Zeitraums von einem Jahr nach der Betriebsstilllegung durchzusetzen. Nach dem Verstreichen dieser Frist treten die Pflichten aus anderen Gesetzen, insb. Pflichten aus dem BBodSchG29, hinzu30. Ferner entfaltet § 5 Abs. 3 BImSchG keine Rückwirkung; die Vorschrift gilt nicht für Anlagen, deren Betrieb vor dem 1. 9. 1990 eingestellt wurde31. Folglich regelt das BImSchG für den hier in Frage stehenden Zeitraum, nämlich 1941 – 1945, Einwirkung auf den Boden nicht. Die Tatbestandsmerkmale des § 3 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG sind erfüllt, wenn es sich bei dem Neutralisationsschlamm um ein Kampfmittel handelt. Kampfmittel sind gewahrsamslos gewordene Gegenstände militärischer Herkunft, die Explosivstoffe oder Kampfstoffe enthalten32. Nach den in der Literatur33 aufgezählten Beispielen für Kampfmittel sind nur bewegliche Sachen dem Begriff subsumierbar. Bei den im Schlamm enthaltenen Nitroaromaten handelt es sich aber nicht um bewegliche Sachen. Sie sind keine Kampfmittel. Folglich entfällt ein Ausschluss der Anwendung des BBodSchG. c) Ermächtigungsgrundlage für eine Sanierungsverfügung könnte § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG sein. Diese Ermächtigungsgrundlage unterscheidet sich von allen in der Literatur diskutierten34 und von der Rechtsprechung angewandten, wenn es um Altlastsanierungen ging. Dieses Faktum findet seine Erklärung darin, dass das BBodSchG im Wesentlichen ab dem 1. 3. 199935 in Kraft und die zuvor angesprochene Literatur und Rechtsprechung älter ist; seit die27 28 29 30 31 32 33 34 35

Ebd., § 2 Rn. 43. Ebd., § 2 Rn. 43. Ebd., § 2 Rn. 14. Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, 5. Aufl. 2003, § 17 Rn. 65. Ebd., § 17 Rn. 64. Bickel (Fn 20), § 3 Rn. 16. Ebd., § 3 Rn. 15; Thilo, DÖV 1997, 725. Vgl. statt vieler Flotho (Fn. 4), S. 67 ff. Art. 4 des Gesetzes zum Schutz des Bodens v. 24. 3. 1998, BGBl. I S. 502.

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sem Zeitpunkt verdrängt das BBodSchG die früher diskutierten Ermächtigungsgrundlagen als lex specialis. Nach den erwähnten Vorschriften kann die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen treffen, wenn eine Altlast vorliegt. Dass die Halde eine Altlast i.S.d. Gesetzes ist, konnte erarbeitet werden. Die Tatbestandsvoraussetzungen sind erfüllt. Eine Anwendung der Normen entfällt nicht deshalb, weil der Ausspruch einer Sanierungsverfügung betreffend die Halde einer echten und damit verfassungswidrigen Rückwirkung gleichkommt. Die angesprochenen Vorschriften sind verfassungsmäßig; offen bleibe an dieser Stelle das Problem des Rechtsnachfolgers. Hält man dieses Ergebnis für falsch, so fehlt es gleichwohl an einer Rückwirkung, weil das Verhalten der Mitarbeiter der Verwertchemie rechtswidrig war. Es entspricht einer durchgängig vertretenen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur36, dass für die Bewertung eines Verhaltens als rechtmäßig oder rechtswidrig das zur Zeit des Verhaltens geltende Recht maßgeblich ist. Wenn eine Ordnungsverfügung an ein rechtswidriges Verhalten von Mitarbeitern der Verwertchemie anknüpft, wird dieses nicht nachträglich anders bzw. neu rechtlich bewertet, wenn die Rechtmäßigkeitsmaßstäbe des alten Rechts auch im gegenwärtig geltenden Recht vorhanden sind. Das ist mit Blick auf das hier relevante PrWassG der Fall. Verstöße gegen dieses Recht sind heute Verstöße gegen das WHG. Die Richtigkeit dieser Behauptung bedarf keines näheren Nachweises angesichts der Tatsache, dass das heute geltende Wasserrecht in der Tradition des preußischen Wasserrechts steht. Es gibt im Wasserrecht keine Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung wasserrechtswidrigen Verhaltens; dieses Verhalten war bzw. ist eine Gefahr für die Rechtsordnung und somit für die öffentliche Sicherheit37. Die polizeiliche Generalklausel könnte demnach die Ermächtigungsgrundlage für eine Sanierungsverfügung bilden. Sie scheidet indes in unserem Zusammenhang aus, weil die angeführten Normen des BBodSchG sie verdrängen. Die Mitarbeiter der Verwertchemie haben gegen die das Grundwasser schützende Vorschrift § 202 PrWassG38 verstoßen. Die Halde ist eine Altlast i.S.d. BBodSchG. Das Tatbestandsmerkmal „Altlast“ des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG ist erfüllt. Die Ermächtigungsgrundlage ist auf die Halde anwendbar. Ihre Anwendung ist nicht als eine verfassungswidrige Rückwirkung der Norm zu werten.

2. Die Adressaten der Sanierungsverfügung a) Es ist die Frage zu beantworten, wer für die Sanierung der Halde ordnungsrechtlich verantwortlich ist. Ordnungsrechtlich verantwortlich ist eine Person, der eine ordnungsrechtliche Gefahr oder Störung mit der Folge zugerechnet wird, für die Ab36 37 38

Becker, DVB1 1991, 353 ff.; Bielfeldt, IUR 1991, 881; Flotho (Fn. 4), S. 96 f. Flotho (Fn. 4), S. 109. PrWassG v. 7. 4. 1913 i. d. F. der Änderung v. 25. 7. 1933.

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wehr der Gefahr oder die darüber hinausgehende Störungsbeseitigung entschädigungslos einstehen zu müssen39. Umstritten ist, ob die Folge dieser Zurechnung unmittelbar kraft Gesetzes oder erst aufgrund einer Ordnungsverfügung eintritt40. Wäre der zweiten Auffassung41 zuzustimmen, begründete die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit keinen subjektiven Pflichtenstatus. Der ordnungsrechtlich Verantwortliche wäre vor einer Inanspruchnahme durch eine Verfügung der Behörde nicht mit einer subjektiven Rechtspflicht belastet. Die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit hätte allein die Funktion, jene Person zu kennzeichnen, die als potentieller Adressat einer Ordnungsverfügung in Betracht kommt. Träten hingegen die Folgen der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit unmittelbar kraft Gesetzes ein, so wäre der ordnungsrechtlich Verantwortliche schon vor Erlass einer Ordnungsverfügung mit der Rechtspflicht belastet, die ihm zugerechnete Gefahr abzuwehren bzw. die ihm zugerechnete Störung zu beseitigen. Einer Ordnungsverfügung käme dann nur noch die Funktion zu, den Pflichtigen auf seine Pflicht hinzuweisen und ihm die Modalitäten der Pflichterfüllung vorzugeben42. Zuzustimmen ist dem ersten Standpunkt43: Die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit ist eine subjektive Rechtspflicht. Es handelt sich um die materielle Polizeipflicht. Darunter ist die bereits aus den Polizeigesetzen folgende Pflicht zu verstehen, Störungen zu beseitigen, ohne dass es eines diese Pflicht begründenden Verwaltungsakts bedarf44. b) § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG verpflichtet zur Sanierung den Verursacher der Altlast sowie seinen Rechtsnachfolger. aa) Verursacher der Altlast waren die Mitarbeiter der Verwertchemie. Sie sind unbekannt. Zwingend sind deshalb ihre Rechtsnachfolger unbekannt. bb) Die Verwertchemie muss sich das Handeln ihrer Mitarbeiter zurechnen lassen. Die Mitarbeiter waren ihre Verrichtungsgehilfen; die Haftung des Geschäftsherrn für Schäden der Verrichtungsgehilfen entspricht polizeirechtlicher Tradition45. Damit ist die Verwertchemie Verursacher i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG. Das Unternehmen endete am 26. 11. 196246. Es gibt keinen Rechtsnachfolger. cc) Verursacher könnte die Montan sein. Ihre Haftung erscheint aus zwei Gründen möglich: zum einen als originärer Verursacher, zum anderen als Geschäftsherr der Verrichtungsgehilfin Verwertchemie47. Entsprechende Aussagen sind wegen des 39 Das ist die durchgängige Auffassung in der polizeirechtlichen Literatur, s. z. B. Gusy, Polizeirecht, 5. Aufl. 2003, Rn. 332; Vollmuth, VerwArch 1977, 45; Flotho (Fn. 4), S. 132. 40 s. dazu näher Peine, DVBl 1980, 948. 41 Wagner, Die Polizeipflicht von Hoheitsträgern, 1971, S. 75 f. 42 Czeczatka, Der Einfluß privatrechtlicher Rechtsverhältnisse auf Erlaß und Inhalt polizeilicher Hoheitsakte, 1978, S. 58. 43 s. den ausführlichen Nachw. bei Peine, DVBl 1980, 948, und Flotho (Fn. 4), S. 133. 44 Czeczatka (Fn. 42), durchgehend. 45 Gusy (Fn. 39), Rn. 347 ff. 46 s. die Ausführungen im Tatbestand dieses Gutachtens. 47 s. Flotho (Fn. 4), S. 134 ff.

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„Untergangs“ der Firma Montan solange bedeutungslos, bis ein Rechtssubjekt identifiziert ist, das mit der Montan identisch ist oder ihre Rechtsnachfolge angetreten hat. Die IVG-AG ist mit der Montan identisch. Die Richtigkeit dieser Behauptung belegen folgende Vorgänge: Die Industrieverwaltungsgesellschaft-AG existiert in ihrer gegenwärtigen Rechtsform seit 1986. Sie ist in diesem Jahr über den Weg der formwechselnden Umwandlung nach den §§ 376 ff. AktG aus der Industrieverwaltungsgesellschaft-mbH hervorgegangen. Die formwechselnde Umwandlung nach § 381 AktG lässt die Identität der von ihr betroffenen Rechtsperson unangetastet. Deshalb ist die Industrieverwaltungsgesellschaft-AG dieselbe Rechtsperson wie die Industrieverwaltungsgesellschaft-mbH – indes in einem anderen gesellschaftsrechtlichen Gewand. Die Industrieverwaltungsgesellschaft-AG ist mithin ein Rechtssubjekt, das schon vor 1986 bestand. Die mit der Rechtsperson Industrieverwaltungsgesellschaft-AG identische Rechtsperson Industrieverwaltungsgesellschaft-mbH erhielt ihren Firmennamen zwar erst 1951, die damals erfolgende Eintragung der Firma brachte jedoch allein einen Firmenwechsel i.S.d. §§ 31 Abs. 1, 29 HGB, nicht aber das Entstehen einer neuen Gesellschaft. Diese bestand vielmehr schon im Jahre 1951 und hatte seit 1944 unter dem Namen Montan-Industriewerke-GmbH firmiert. Auch 1944 ist nicht das Gründungsjahr einer neuen Gesellschaft, sondern ebenfalls nur Datum eines Firmenwechsels. Bis 1944 handelte die Gesellschaft unter dem Namen Verwertungsgesellschaft für Montanindustrie GmbH. Diesen Namen trug das Unternehmen seit seiner Gründung im Jahre 1916. Der Firmenname IVG-AG steht nach alledem für eine juristische Person, die mehreren Firmenänderungen sowie einer formwechselnden Umwandlung unterworfen war, deren Identität als Rechtspersönlichkeit jedoch seit ihrer Gründung im Jahre 1916 unverändert ist. Folglich ist die IVG-AG für Handlungen ordnungsrechtlich verantwortlich, die sie unter den von ihr seit 1916 getragenen Namen Montan vornahm oder die ihre Verrichtungsgehilfin tätigte. dd) Die Bundesrepublik Deutschland könnte als Adressat der Sanierungsverfügung in Betracht kommen. Eine zur polizeirechtlichen Haftung der Bundesrepublik führende Argumentationskette müsste aus folgenden Gliedern bestehen: 1. Die Verwertchemie haftet; 2. die Montan haftet im Wege der Zusatzhaftung für ihre Verrichtungsgehilfin Verwertchemie oder selbständig; 3. das Deutsche Reich haftet für seine Verrichtungsgehilfin Montan; 4. die Bundesrepublik haftet für das Deutsche Reich. ee) Die KMV Vermögensverwaltungs-GmbH könnte als Haftende in Betracht zu ziehen sein. Eine insoweit zielführende Argumentationslinie müsste aus folgenden Argumentationsschritten bestehen: 1. Die Verwertchemie haftet; 2. die DAG haftet im Wege der Zusatzhaftung für ihre Verrichtungsgehilfin Verwertchemie oder selbständig; 3. die Hüls-Troisdorf-AG haftet als Rechtsnachfolger der DAG; 4. die KM Kunststoffe Marl AG haftet für die Hüls-Troisdorf-AG; 5. die KMV Vermögensverwaltungs-GmbH haftet für die KM Kunststoffe Marl AG.

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3. Die Haftung der Bundesrepublik Für eine Begründung der Haftung der Bundesrepublik ist auf die erarbeitete Argumentationskette zu verweisen. Die Begründung erfolgt nunmehr ausführlicher. a) Die Verwertchemie als Verursacher Die Verwertchemie müsste Verursacher i.S.d. Polizeirechts sein. Mit der umweltverseuchenden Sprengstoffproduktion hat die Verwertchemie eine äquivalent-kausale Bedingung für die Gefahren für das Grundwasser gesetzt. Polizeirechtlicher Verursacher ist die Verwertchemie, wenn sie diese Bedingung unter Überschreitung ihres Rechtskreises48 gesetzt hat. Die Verwertchemie hat gegen öffentlich-rechtliche Verbotsvorschriften verstoßen, indem sie Abwässer sowie sonstige Stoffe ohne die gesetzlich vorgesehenen wasserrechtlichen Zulassungen abgelagert und in das Grund- und Oberflächenwasser eingetragen hat. Damit hat sie die frühere Gefahr für das Grundwasser und seine gegenwärtigen Schaden äquivalent-kausal unter Überschreitung ihres Rechtskreises verursacht49. Die Verwertchemie ist Verursacher dieser Gefahren bzw. Schaden. b) Die Haftung der „Montan“ aa) Für diese Gefahr- bzw. Schadenverursachung hätte die Montan im Rahmen der Zusatzhaftung des Geschäftsherrn einzustehen, wenn das gefahrverursachende Verhalten der Verwertchemie in Ausführung einer ihr von der Montan als Geschäftsherr übertragenen Verrichtung erfolgte. 48

Vgl. Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, 1998, § 15 Rn. 52; Erichsen, VVDStRL 35, 201 ff.; Schink, VerwArch 1991, 372 ff.; Schnur, DVBl 1962, 3 ff.; Breuer, JuS 1986, 362; Herrmann, DÖV 1987, 670; Ziehm, Die Störerverantwortlichkeit für Wasser- und Bodenverunreinigungen, 1990, S. 42; Kloepfer, NuR 1987, 9; ders., UTR Bd. 1, 25. 49 s. die zusätzliche Argumentation bei Flotho (Fn. 4), S.167: Im Übrigen kann der Verwertchemie eine Rechtskreisüberschreitung, die zugleich äquivalent-kausal die gegenwärtigen rüstungsaltlastspezifischen Gefahren herbeigeführt hat, auch nachgewiesen werden, wenn sie gegen zivilrechtliche Verkehrssicherungspflichten verstoßen hat. Als eine solche Verkehrssicherungspflicht ist das Handlungsverbot anerkannt, eine unkontrollierbare Gefahr für die Allgemeinheit zu schaffen. In Anbetracht der damals völlig ungelösten Entsorgungsproblematik hat die Verwertchemie mit der Durchführung der Sprengstoffproduktion von jenem Zeitpunkt an, in dem die ersten Abfallstoffe und Abwässer anfielen, Bedingungen geschaffen, die unumkehrbar zu jenen Umweltverseuchungen führen mussten, die noch heute die öffentliche Sicherheit gefährden oder schon stören. Die seinerzeitige Sprengstoffproduktion stellte folglich eine unkontrollierbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit, somit also für die Allgemeinheit dar, die sich mit Eintritt der Verseuchungen des Oberflächen- und Grundwassers sowie des Bodens realisierte und dadurch zu weiteren Gefahren – etwa für die Gesundheit und das Leben der Menschen – führte. Die Verwertchemie hat sonach mit der Durchführung der Sprengstofffertigung eine unkontrollierbare Gefahr für die Allgemeinheit geschaffen. Ergo hat sie sich verkehrspflichtwidrig verhalten und damit auch aus diesem Grunde zugleich in rechtskreisüberschreitender Weise die rüstungsaltlastspezifischen Gefahren hervorgerufen.

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Die Montan war Geschäftsherr und die Verwertchemie war ihr Verrichtungsgehilfe, wenn diese jener im Interesse der Montan eine Tätigkeit übertragen hatte und jene zugleich von der Montan weisungsabhängig war. Davon ist auszugehen. Die Weisungsabhängigkeit der Verwertchemie setzt nicht ein ins Detail gehendes Weisungsrecht der Montan voraus. Ausreichend für die Bejahung dieses Merkmals ist es, dass die Montan die der Verwertchemie übertragene Tätigkeit der Sprengstoffproduktion jederzeit hätte beschränken, untersagen oder nach Zeit und Umfang hätte bestimmen können. Eine solche Weisungsabhängigkeit wird von Bielfeldt50, Becker51, Flotho52 zu Recht behauptet. Gegenstand der im Rahmen der Zusatzhaftung erfolgenden Zurechnung ist das gefahrverursachende Verhalten eines anderen. Für das Verhalten der Verwertchemie hat die Montan einzustehen, wenn es in Ausführung der übertragenen Verrichtung erfolgte. Das gefahrverursachende Verhalten eines Verrichtungsgehilfen erfolgt in Ausführung der übertragenen Verrichtung, wenn ein unmittelbarer innerer Zusammenhang zwischen der aufgetragenen Verrichtung nach ihrer Art und ihrem Zweck einerseits und dem gefahrverursachenden Verhalten andererseits vorliegt53. Davon ist auszugehen. bb) Die Montan könnte ferner unabhängig von der Verwertchemie als Verursacher haften. Literatur und Judikatur nehmen durchweg eine Verursacherhaftung der Montan an54. Die Begründungen für das einheitliche Resultat sind different; das ist unschädlich. Es zeigt sich lediglich, dass die Möglichkeit besteht, auf verschiedenen Wegen zum selben Ergebnis zu gelangen. c) Die Haftung des Deutschen Reichs Die Haftung des Deutschen Reichs als Verhaltensverantwortlicher für die dem Wasser drohenden Gefahren bzw. eingetretenen Schäden setzt voraus, dass das Deutsche Reich Geschäftsherr der Montan und diese sein Verrichtungsgehilfe war. Ferner darf einer Verhaltensverantwortlichkeit des Deutschen Reichs nicht dessen Eigenschaft als juristische Person des öffentlichen Rechts entgegenstehen. Das Deutsche Reich war Geschäftsherr und die Montan war sein Verrichtungsgehilfe, wenn dieses jener im Interesse des Deutschen Reichs eine Tätigkeit übertragen hatte und jene zugleich vom Deutschen Reich weisungsabhängig war. Das zwischen dem Deutschen Reich und der Montan bestehende Verhältnis war ein Treuhandverhältnis. Der Nachweis kann hier aus Raumgründen nicht im Einzelnen geführt werden. 50 51 52 53 54

IUR 1991, 90. DVBl 1991, 348. S. 165 ff. Vgl. Flotho (Fn. 4), S. 168 m.w.Nachw. s. statt vieler Flotho (Fn. 4), S. 163 und öfter.

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Der Montan waren bis zum Kriegsende jedenfalls folgende Aufgaben zur treuhänderischen Wahrnehmung übertragen: der Erwerb, die Verwaltung und die Verpachtung von Produktionsanlagen. Darüber hinaus war sie treuhänderisch bis zum 1. 4. 1941 verpflichtet, den Betrieb der Anlagen zu führen. Ab dem 1. 4. 1941 hatte sie unter anderem die Aufgabe zu erfüllen, die von der Verwertchemie durchzuführende Sprengstoffproduktion mit dem Mittel der Weisung zu steuern. Sämtliche aufgeführten Aufgaben waren der Montan im Interesse des Deutschen Reichs übertragen. Die Montan war mit Blick auf die ihr übertragenen Aufgaben vom Deutschen Reich weisungsabhängig55; zum Beleg dieser These sind noch einmal die beiden schon angesprochenen Treuhandverträge heranzuziehen. Das Deutsche Reich war im Rahmen der Zusatzhaftung für das gefahrverursachende Verhalten der Montan polizeirechtlich verantwortlich. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass sich in der Literatur ein weiterer Versuch findet, die Haftung des Deutschen Reichs zu begründen. Es wird die These aufgestellt, das Deutsche Reich sei Zweckveranlasser56. Darauf ist nicht näher einzugehen. Die Eigenschaft des Deutschen Reichs als juristischer Person des öffentlichen Rechts könnte einer solchen Verantwortlichkeit entgegenstehen. Dieser Einwand könnte auf der Annahme basieren, juristische Personen des öffentlichen Rechts seien nicht an die Normen des Gefahrenabwehrrechts gebunden. Der Staat und seine Einrichtungen könnten als Schutzobjekte des Rechts der Gefahrenabwehr nicht zugleich Verpflichtete dieses Rechts sein, da anderenfalls das Funktionieren der staatlichen Einrichtungen, welches zu gewährleisten eine Aufgabe des Ordnungsrechts ist, durch das Ordnungsrecht selbst in Frage gestellt sei57. Diese Überlegung griffe in ihrer Allgemeinheit selbst dann zu kurz, wenn ihre Aussage auf juristische Personen in deren Eigenschaft als hoheitlich handelnde Rechtsträger beschränkt bliebe. Auch Rechtsträger, die hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, können in einem Rechtsstaat nicht in einem gesetzesfreien Raum agieren. Auch sie sind daher prinzipiell an die Gesamtheit der Rechtsnormen und somit an die gesetzliche Pflicht, die öffentliche Sicherheit nicht zu gefährden, gebunden. Lediglich dann, wenn eine im Einzelfall durchzuführende Abwägung ergibt, dass der hoheitlichen Aufgabe, deren Wahrnehmung unvermeidlich zu Gefahren für die öffentliche Sicherheit ein stärkeres Gewicht als dem betroffenen Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zukommt, muss diese Bindung im Interesse einer funktionstüchtigen Verwaltung entfallen. Davon ist hier nicht auszugehen. Das Deutsche Reich war als Geschäftsherr der Montan an die Normen des Ordnungsrechts gebunden58. Gegen die Verhaltensver-

55 56 57 58

Ausführlich Flotho (Fn. 4), S. 173. Jorczyk, Rüstungs- und Kriegsaltlasten, 1996, S. 90 f. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 234. s. m.w.Nachw. Flotho (Fn. 4), S. 178.

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antwortlichkeit des Deutschen Reichs kann seine Struktur „juristische Person des öffentlichen Rechts“ nicht eingewandt werden. d) Die Bundesrepublik als „Fortsetzer“ des Deutschen Reichs Mit dem BVerfG59 ist die Fortexistenz des Deutschen Reichs nach der Kapitulation 1945 anzunehmen. Auf dieser Grundlage ist die Identität der Bundesrepublik Deutschland mit dem Deutschen Reich festzustellen. Als Folge dieser Identität ist die Bundesrepublik Deutschland mit der fortbestehenden materiellen Ordnungspflicht des Deutschen Reichs nach ihrer Gründung belastet60. e) Kein Haftungsausschluss durch das AKG Diese Belastung existiert trotz des „Gesetzes zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden“, kurz: Allgemeines Kriegsfolgengesetz oder AKG, v. 5. 11. 195761 weiter. Die entgegengesetzte Auffassung ist unrichtig. Dieses Gesetz erfasst auch Schäden der Art, wie sie der Vorgang Halde verursacht hat und noch verursacht. Der Möglichkeit einer bis in die Gegenwart reichenden Fortwirkung materieller Ordnungspflichten, mit denen das Deutsche Reich belastet war, widerspricht in der Literatur Donner mit einem Hinweis auf das AKG62. Er vertritt die Auffassung, den rüstungsproduktionsbedingten Ordnungspflichten des Reichs hätten gegen das Reich gerichtete Ansprüche i.S.d. § 1 Abs. 1 AKG gegenüber gestanden. Auf der Grundlage dieser Prämisse und der Überzeugung, nach der das AKG keine Ausnahmeregelungen für solche Ansprüche bereit halte, die den materiellen Ordnungspflichten des Deutschen Reichs entgegenstehen, kommt er zu dem Schluss, für die rüstungsproduktionsbedingten Ordnungspflichten des Deutschen Reichs gelte die Regelanordnung des § 1 Abs. 1 AKG, nach der Ansprüche gegen das Deutsche Reich, mithin also auch dessen Pflichten, mit Wirkung v. 1. 1. 1958 – § 112 AKG – erloschen seien. Die Meinung Donners ist abzulehnen63. Sie basiert auf einem falschen Verständnis des im AKG verwendeten Anspruchsbegriffs. Zwar wird in der Regierungsvorlage zum AKG ausgeführt und sodann in den einschlägigen Kommentierungen bekräftigt, dass als Ansprüche i.S.d § 1 AKG Ansprüche jeder Art, also auch öffentlich-rechtliche Ansprüche, anzusehen seien. Die Weite dieses Begriffsverständnisses erfährt jedoch eine entscheidende Einschränkung, wenn sie vor dem Hintergrund der auch den Anspruchsbegriff bestimmenden Zielsetzung des AKG betrachtet wird. Unter Rückgriff auf die Diktion des schon angesprochenen Regierungsentwurfs ist diese Zielset59 60 61 62 63

BVerfGE 36, 1 (16). Ferner Donner/Fischer, NuR 1990, 387. Ebenso Flotho (Fn. 4), S. 182. BGBl. I S. 1747. Vorstudie, 1990, S. 6. Vgl. zum Folgenden schon Peine, DVBl 1990, 738; jetzt Flotho (Fn. 4), S. 183 ff.

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zung als finanzielle Liquidation des Krieges und des Zusammenbruchs oder – kürzer – als „finanzielle Liquidation der Vergangenheit“ zu verstehen. Eine Auslegung des Begriffs „Ansprüche“ i.S.d. § 1 Abs. 1 AKG, die der Ermittlung des objektivierten Willens des Gesetzgebers zu dienen hat, ergibt, dass § 1 Abs. 1 AKG sich nur auf Ansprüche bezieht, die wegen ihres finanzbezogenen Inhalts einer klärenden Regelung bedürfen. Die Ordnungspflicht löst i. d. R. finanzielle Folgen aus. Gegenstand dieser Pflicht ist jedoch einzig und allein der Schutz der öffentlichen Sicherheit, nicht jedoch die Erfüllung originär finanzbezogener Aufgaben. Würde man Donner folgen und eine materielle Ordnungspflicht in der Weise begreifen, als entspräche sie einem gegen den Ordnungspflichtigen gerichteten Anspruch, so müsste jedenfalls konstatiert werden, dass dieser Anspruch nicht originär finanzbezogen und daher nicht als Anspruch i.S.d. § 1 Abs. 1 AKG zu verstehen ist. Schon aus diesem Grunde ist der Ansicht Donners zu widersprechen, die rüstungsproduktionsbedingten Ordnungspflichten des Deutschen Reichs seien nach § 1 Abs. 1 AKG erloschen. Dass mit der materiellen Ordnungspflicht des Deutschen Reichs nicht ein gegen das Deutsche Reich gerichteter Anspruch i.S.d. § 1 Abs. 1 AKG korreliert, zeigt auch Art. 134 Abs. 4 GG, der zusammen mit Art. 74 Nr. 9 (a.F.) und Art. 135 Abs. 5 GG zum Erlass des AKG ermächtigt. Art. 134 Abs. 4 GG statuiert einen Regelungsvorbehalt, der sich ausschließlich auf die Behandlung des aktiven und – wie die Einfügung des Art. 135a GG zeigt – passiven Reichsvermögens beschränkt. Der Bundesgesetzgeber konnte mit dem Erlass des AKG somit nur vermögensbezogene Angelegenheiten regeln. Gegen das Deutsche Reich gerichtete Ansprüche i.S.d. § 1 Abs. 1 AKG können daher nur Ansprüche sein, die sich gegen das Vermögen des Deutschen Reichs richten. Eine ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit richtet sich nicht originär auf die Belastung eines Vermögens. Sie stellt sich als eine Verpflichtung zum Schutz der öffentlichen Sicherheit dar. Dass das AKG ein kompetenzwidrig erlassenes Gesetz wäre, wenn § 1 Abs. 1 AKG in dem von Donner befürworteten Sinne verstanden würde, legt auch ein weiterer Gesichtspunkt offen. Dem Bund fehlt die Befugnis zum Erlass eines Gesetzes, welches die materielle Ordnungspflicht des Bundes ausschließt und sich daher als materielles Polizeigesetz erweist. Die Kompetenz zum Erlass derartiger Gesetze liegt bei den Ländern. Der Annahme, § 1 Abs. 1 AKG habe die sprengstoffproduktionsbedingte Ordnungspflicht des Deutschen Reichs zum Erlöschen gebracht, steht ferner das in der Begründung zur vorerwähnten Regierungsvorlage eindeutig zum Ausdruck gebrachte Motiv für die mit dem AKG angestrebte „finanzielle Liquidation der Vergangenheit“ entgegen. Als Motiv ist insoweit das Bedürfnis nach Klärung der Frage anzusehen, inwieweit „dem Einzelnen“ eine Belastung mit den Folgen des Kriegs zugunsten einer Verbesserung der allgemeinwirtschaftlichen Lage zumutbar war bzw. ist. Wenn § 1 Abs. 1 AKG gegen das Deutsche Reich gerichtete Ansprüche zum Erlöschen bringt, so soll mithin deutlich gemacht werden, dass insoweit dem Einzelnen die Last des Kriegs zuzumuten ist. § 1 Abs. 1 AKG regelt nur das Erlöschen von Individualansprüchen. Betrachtete man mit Donner die materielle Ordnungspflicht des Deutschen Reichs als nach § 1 Abs. 1 AKG erloschen, so würde nicht ein Einzelner durch die Anordnung des Untergangs seines Anspruchs mit den Folgen des Kriegs belastet. Es wäre vielmehr die Allgemeinheit, die ihres „An-

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spruchs“ auf den durch den Verantwortlichen zu gewährleistenden Schutz der öffentlichen Sicherheit verlustig ginge. Die Allgemeinheit würde infolge des Kriegs belastet. Mit dem Motiv des § 1 Abs. 1 AKG wäre dieses Ergebnis offensichtlich nicht vereinbar. Auch deshalb kann die materielle Ordnungspflicht des Deutschen Reichs nicht nach § 1 Abs. 1 AKG erloschen sein. f) Die Bundesrepublik als Träger der Ordnungspflicht Die materielle Ordnungspflicht des Deutschen Reichs ist nicht untergegangen. Deshalb ist die Frage zu beantworten, welche staatliche Organisationseinheit heute die Last dieser Pflicht trägt. Es wird hier davon ausgegangen, dass mit Hilfe des Verfassungsrechts und der Verfassungstheorie eine Antwort auf die Frage nicht geliefert werden kann. Für die Richtigkeit dieser These sei auf Flotho verwiesen64. Ein Zuordnungskriterium kann nur aus dem Ordnungsrecht selbst und hier insb. aus der Zielsetzung abgeleitet werden, die dem Institut der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit zugrunde liegt. Die Auslegung des Verursacherbegriffs zeigte, dass die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit der Systemstabilisierung dient. Eine Zuordnung der Verantwortlichkeit auf den Bund oder die Länder muss diesem Zweck folgen. Die materielle Ordnungspflicht des Deutschen Reichs ist derjenigen Körperschaft zuzuordnen, deren Inpflichtnahme zur Systemstabilisierung führt. Systemstabilisierend wirkt ausschließlich die Belastung einer solchen Rechtspersönlichkeit, die ihre spezifischen Interessen in rechtswidriger Weise verwirklicht und hierdurch die Destabilisierung des Systems hervorgerufen hat. Gehen aus dieser Rechtsperson mehrere eigenständige Rechtspersonen hervor, so ist eine zur Systemstabilisierung und damit zum Ausgleich widerstreitender Interessen führende Belastung derjenigen Rechtsperson geboten, deren Interessenssphäre begünstigt worden wäre, wenn die rechtswidrige Interessenverwirklichung erst nach Aufspaltung der ursprünglich einheitlichen Rechtspersönlichkeit erfolgt wäre. Für den aus einem Einheitsstaat hervorgegangenen Bundesstaat bedeutet das, dass ein Gliedstaat in die Pflichtenstellung des Einheitsstaats einrückt, soweit er durch die rechtswidrige Interessenverwirklichung begünstigt worden wäre, wenn diese nicht unter einheitsstaatlichen, sondern unter bundesstaatlichen Verhältnissen erfolgt wäre. Wurden ausschließlich solche Interessen verwirklicht, die – bei Annahme bundesstaatlicher Verhältnisse – die Interessensphären der Gliedstaaten nicht hätten begünstigen können, so verfolgte der Einheitsstaat nur Interessen, die den Staat in seiner Gesamtheit begünstigten. Wurde der Staat in seiner Gesamtheit begünstigt, so fordert die systemstabilisierende Funktion der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit, dass auch der Staat in seiner Gesamtheit belastet wird. Da diese staatliche Gesamtheit durch den Gesamtstaat verkörpert wird, trifft die Last der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit folglich den Gesamtstaat.

64

S. 186 ff.

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Das Interesse, welches das Deutsche Reich durch die Steuerung der Sprengstoffproduktion verfolgte, diente der Aufrüstung der deutschen Wehrmacht. Die Aufrüstung militärischer Streitkräfte wäre – unter bundesstaatlichen Verhältnissen – kein spezifisch gliedstaatliches Interesse gewesen. Das Deutsche Reich beförderte mit der Aufrüstung der Wehrmacht folglich nur ein Interesse, das dem Gesamtstaat diente. Die infolge der rechtswidrigen Interessenverwirklichung entstandene materielle Ordnungspflicht des Deutschen Reichs fiel nach der Entstehung des Bundesstaats somit ausschließlich dem Gesamtstaat zu. Da nach dem Bundesstaatsverständnis, welches dem GG zugrunde liegt, der Bund den Gesamtstaat verkörpert, ist es der Bund, der mit der sprengstoffproduktionsbedingt entstandenen materiellen Ordnungspflicht des Deutschen Reichs belastet ist. g) Zwischenergebnis Die Bundesrepublik kann nach diesen Überlegungen Adressat einer Sanierungsverfügung betreffend die Halde werden65.

III. Zusammenfassung der Ergebnisse Die Halde ist eine Altlast i.S.d. BBodSchG. Das Tatbestandsmerkmal „Altlast“ des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG ist erfüllt. Die Ermächtigungsgrundlage ist auf den Fall der Halde anwendbar. Ihre Anwendung auf den Fall der Halde ist nicht als eine verfassungswidrige Rückwirkung der Norm zu werten. – Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 10 Abs. 1 BBodSchG sind erfüllt. Der Erlass einer Sanierungsverfügung ist möglich. – Verursacher der Altlast waren die Mitarbeiter der Verwertchemie. Sie sind unbekannt. Zwingend sind deshalb ihre Rechtsnachfolger unbekannt. Die Verwertchemie muss sich das Handeln ihrer Mitarbeiter zurechnen lassen. Die Mitarbeiter waren ihre Verrichtungsgehilfen; die Haftung des Geschäftsherrn für Schäden der Verrichtungsgehilfen entspricht polizeirechtlicher Tradition. Die Montan haftet im Rahmen der Zusatzhaftung für das gefahrverursachende Verhalten der Verwertchemie. In Deutschland galt das Handlungsverbot, eine Sprengstofffabrik mit der beschriebenen Beschaffenheit zu verpachten; gegen diese Verkehrspflicht hat die Montan verstoßen; sie ist wegen eigenen Fehlverhaltens ordnungsrechtlich verantwortlich. Das Deutsche Reich war im Rahmen der Zusatzhaftung für das gefahrverursachende Verhalten der Montan – Verpachtung der Sprengstoffproduktionsanlagen sowie pflichtwidriges Unterlassen von Anordnungen zur Produktionseinstellung – verantwortlich. Mit dem BVerfG ist die Fortexistenz des Deutschen Reichs nach der Kapitulation 1945 anzunehmen. Auf dieser Grundlage ist die Identität der Bundesrepublik mit dem Deutschen Reich festzustellen. Als Folge dieser Identität ist die Bundesrepublik mit der fortbestehenden mate65

Im Ergebnis ebenso Flotho (Fn. 4), S. 197.

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riellen Ordnungspflicht des Deutschen Reichs nach ihrer Gründung belastet. Diese Belastung existiert trotz des „Gesetzes zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden“ v. 5. 11. 1957 weiter66.

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Weitere, hier nicht im Einzelnen begründete Ergebnisse: Die Haftung der Bundesrepublik entfällt nicht deshalb, weil die Ursache für die Gefahr und die Schäden vor ca. 60 Jahren gelegt worden ist. Das BBodSchG kennt insoweit keine Verjährung. Durch das langjährige Unterlassen des Erlasses einer Sanierungsverfügung hat die zuständige Behörde nicht auf ihr Recht zum Erlass einer Ordnungsverfügung verzichtet. Dieser Verzicht ist rechtlich nicht möglich. Eine Verwirkung kommt nicht in Betracht. Die AG für Kunststoffwerte ist Gesamtrechtsnachfolger der DAG. Die AG für Kunststoffwerte ist das Unternehmen, das anschließend Dynamit Nobel AG hieß und die Firma Hüls-Troisdorf-AG trug; später erhielt es den Namen KM Kunststoffe Marl AG. Nach einer formwechselnden Umwandlung heißt dieses Unternehmen heute KMV Vermögensvenvaltungs-GmbH. Mit der Feststellung der Gesamtrechtsnachfolge der AG für Kunststoffwerte ist zugleich festgestellt, dass die Hüls-Troisdorf-AG Gesamtrechtsnachfolger der DAG war. Die DAG war – neben der Montan – im Rahmen der ordnungsrechtlichen Zusatzhaftung für das gefahrverursachende Verhalten der Verwertchemie verantwortlich. Die infolge der Sprengstoffproduktion entstandene materielle Ordnungspflicht der DAG war nach der hier vertretenen Auffassung, die freilich stark umstritten ist, übergangsfähig. Die Hüls-Troisdorf-AG haftete für die seinerzeit entstandenen Gefahren und die späteren Schäden ordnungsrechtlich. Mit ihr ist rechtsidentisch die nach einer Firmenänderung und einer formwechselnden Umwandlung heute existierende KMV VermögensverwaltungsGmbH. Sie haftet und kann deshalb rechtmäßig Adressat einer Ordnungsverfügung werden. Es darf im Wege der Sanierungsverfügung gegen den Bund vorgegangen werden. Es ist ermessensfehlerfrei, wenn die zuständige Behörde die Bundesrepublik für die Sanierung in Anspruch nimmt. Wenn die am besten zielführende Sanierungsmaßnahme dem Bund auferlegt wird, darf angenommen werden, dass dieses Vorgehen ebenfalls ermessensfehlerfrei ist.

L. Vorschläge zur Aktivierung des flächenhaften Bodenschutzes I. Vorstellung des Forschungsprojekts 1. Der Forschungsauftrag Im Mittelpunkt der Diskussion des ökologischen Bodenschutzes steht das Bemühen, die natürlichen Bodenfunktionen i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 BBodSchG1 zu erhalten. Es stellt sich die Frage, ob gebietsbezogene Maßnahmen des Bodenschutzes eine Verbesserung des Schutzes der natürlichen Bodenfunktionen i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 BBodSchG leisten. Es geht darum, „aufzuzeigen, wie Böden auch raum- bzw. gebietsbezogen geschützt werden können.“2 In diesem Zusammenhang spielt die Funktion des Bodens als Archiv der Naturund Kulturgeschichte eine große Rolle. Die Archivfunktion des Bodens ist naturhistorisch relevant neben anderem für das Aufzeigen der Seltenheit der Böden sowie kulturhistorisch bedeutungsvoll wegen der Möglichkeit, die Gestalt alter Nutzungsformen der Böden zu dokumentieren. Einführender Hinweis: Die i.F. gewonnenen Ergebnisse für den Schutz der natürlichen Bodenfunktionen gelten in gleicher Weise für den Schutz des Bodens als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte. Wenn vom „Schutz der natürlichen Bodenfunktionen“ die Rede ist, handelt es sich um eine sprachliche Verkürzung für „Schutz der natürlichen Bodenfunktion/Schutz der Archivfunktion“. Mit Blick auf die Belastung des Bodens ist zu trennen zwischen einer den Boden verbrauchenden Maßnahme = Versiegelung (einschließlich Bodenverdichtung und Bodenerosion) sowie einer die Qualität des Bodens verschlechternden Maßnahme = Stoffeintrag. Hinsichtlich der Reaktion auf die reale Situation des Bodens ist zu trennen zwischen einer Maßnahme, die auf einen bereits eingetretenen Verlust oder eine Minderung der natürlichen Bodenfunktionen reagiert und die im Ergebnis eine Verbesserung der Bodensituation erzielen will = Bodenverbesserungsmaßnahme, und einer solchen Maßnahme, die einem möglichen Verlust vorbeugen/vorsorgen soll = Bodenerhaltungsmaßnahme. Unter diesen Aspekten lautet der Forschungsauftrag allgemein, das vorhandene Bodenschutzrecht, sei es das des Schutzes vor Verbrauch, sei es das des Schutzes vor Stoffeintrag, soweit es gebietsbezogen ist, insb. das Raumordnungs-, Bauplanungs-, Naturschutz-, Wasser-, Straßenbau- und Boden1 2

Im Folgenden sind §§ ohne nähere Kennzeichnung solche des BBodSchG. So der Forschungsauftrag.

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schutzrecht im BBodSchG sowie in agrarrechtlichen Bestimmungen auszuwerten sowie Möglichkeiten und Kriterien für die Durchführung gebietsbezogener Maßnahmen des Bodenschutzes im Vorsorgebereich zusammenzustellen3. In der Folge stellen sich speziell – den allgemeinen Forschungsauftrag differenzierend formuliert – diese Aufgaben: 1. Bilanzierung der Regeln in einschlägigen Rechtsbereichen des Bundes, die es gestatten, gebietsbezogene Maßnahmen des Bodenschutzes mit dem Ziel, flächenhaften/flächenspezifischen Bodenschutz zu betreiben; 2. Aufzeigen von Möglichkeiten gebietsbezogener Maßnahmen des Bodenschutzes unter Berücksichtigung bereits vorliegender Erkenntnisse im bestehenden bundesrechtlichen Rahmen; es soll insb. die Reichweite des § 21 BBodSchG für den Bereich des vorsorgenden Bodenschutzes überprüft werden; 3. Möglichkeiten der Erweiterung des bestehenden bundesrechtlichen Rahmens zur besseren Berücksichtigung gebietsbezogener Maßnahmen des Bodenschutzes4. 2. Ausgangspunkt: Der Schutz der natürlichen Bodenfunktionen durch das Bundes-Bodenschutzgesetz – seine Herkunft und sein Anwendungsbereich Umweltschützende Aktivitäten orientierten sich früher primär auf die Umweltmedien Wasser und Luft. In jüngerer Zeit ist darüber hinaus der Schutz des Bodens und damit der Schutz seiner natürlichen Funktionen – aufgezählt in § 2 Abs. 2 Nr. 1 BBodSchG – bewusst geworden. Weil die Erneuerungsfähigkeit des Bodens nachlässt, ist Bodenpflege die zu ziehende Konsequenz. Die gesetzgebenden Organe der Bundesrepublik haben das Gesetz zum Schutz des Bodens erlassen, Gesetz v. 17. 3. 1998, BGBl. I S. 502. Dessen Artikel 1 bildet das „Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten“; weitere Artikel betreffen die Änderung anderer Gesetze; nach Art. 4 ist das Gesetz von wenigen Ausnahmen abgesehen am 1. 3. 1999 in Kraft getreten. Das Wirksamwerden des BBodSchG wirft die Frage auf: Welchen Schutz bietet es? Bodenschutzrecht befasst sich mit drei unterschiedlichen Aufgaben: dem Schutz des Bodens vor Verbrauch (= vollständige oder teilweise Beseitigung seiner natürlichen Funktionen i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 = quantitativer Bodenschutz), vor Stoffeintrag (= relative Beseitigung seiner natürlichen Funktionen i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 durch deren Verschlechterung = qualitativer Bodenschutz) sowie der Sanierung belasteter Böden; bei ihnen ist zwischen (generellen) Bodenverunreinigungen und (speziellen) Altlasten zu trennen. Die erste Aufgabe des Bodenschutzrechts erfasst den Tatbestand, dass dem Boden seine natürlichen Funktionen vollständig oder teilweise entzogen werden. Die natür3 4

So der Forschungsauftrag. So der Forschungsauftrag.

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lichen Funktionen zählt § 2 Abs. 2 Nr. 1 auf: Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen; Bestandteile des Naturhaushalts, insb. mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen; Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen aufgrund der Filter-, Puffer- und Stoffumwandlungseigenschaften, insb. auch zum Schutze des Grundwassers. Diese Funktionen kann der Boden nicht mehr erfüllen, wenn er versiegelt wird; Schutz des Bodens vor Verbrauch ist Schutz des Bodens vor Versiegelung. Für den Begriff „Versiegelung“ ist der bodenwissenschaftliche Begriff bedeutungsvoll. Die Bodenwissenschaft versteht unter Versiegelung im Ergebnis jede irgendwie geartete Abdichtung der Erdoberfläche/Isolierung des Bodens und damit eine Unterbrechung seiner Verbindung mit der Atmosphäre; das Ausmaß der Isolierung wird bestimmt durch die Art der Versiegelung: Porosität, Fugenanteil, Fugenform, Unterbau, Deckschicht mit und ohne Bindemittel; mit der Bodenversiegelung ist in erster Linie der Wasser- und Lufttransport des Bodens gehemmt oder schlimmstenfalls endgültig verhindert. Die Bodenversieglung kann im Ergebnis Folge sowohl des Aufbringens von Materialien als auch einer starken Verdichtung, z. B. durch Planieren oder Befahren mit schwerem Gerät, sein. Die „härteste“ Form der Bodenversiegelung geschieht durch das Bebauen des Bodens mit baulichen Anlagen sowie durch das Aufbringen von Bodenbelag, z. B. in Form von Teer. Hierhin gehört auch die Bodenerosion (= Abtrag von Bodenmaterial durch Wind oder Wasser). Die zweite Aufgabe des Bodenschutzrechts erfasst den Tatbestand, dass der Boden seine natürlichen Funktionen nicht mehr oder nur in einem reduzierten Umfang erfüllen kann, weil bodenfremde Stoffe die Funktionserfüllung vollständig oder teilweise hemmen. Von Interesse sind hier die ersten beiden Aufgaben. Die obige Frage lautet deshalb insoweit spezifiziert: Leistet das BBodSchG überhaupt einen Beitrag für den Schutz natürlicher Bodenfunktionen durch ihre Beeinträchtigung durch Bodenverbrauch und Stoffeintrag. Nach Bejahung dieser Frage kann die nach der Qualität des Schutzes, den das BBodSchG leistet, gestellt werden. Die Antwort auf die Frage erbringt eine Analyse des Anwendungsbereichs des BBodSchG. Es ist festzustellen: Nach § 3 Abs. 1 findet das BBodSchG Anwendung, soweit keines der in der genannten Norm aufgezählten Fachgesetze in bodenschutzrechtlicher Hinsicht zum Einsatz kommt. Diese sind leges speciales gegenüber dem BBodSchG; das BBodSchG ist subsidiär. Das BBodSchG enthält fast ausschließlich ein Recht zur Verhinderung zukünftiger schädlicher Bodenveränderungen, §§ 4 Abs. 1 und 2, 7, 17, sowie Bodensanierungsrecht, §§ 4 Abs. 3, 11 ff. Es greift nur dann, wenn Spezialgesetze eine bodenschützende Regelung nicht enthalten.

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3. Ausgangspunkt: Gefährdungen des Bodens durch Verbrauch und Stoffeintrag – Situationsanalyse Böden mit ihren für das menschliche Leben und die Funktionsfähigkeit von natürlichen Ökosystemen grundlegenden Funktionen, wie sie in § 2 definiert werden, stehen unter einem hohen Nutzungsdruck. Dieser kann auf großen Flächen zu einer Einschränkung von natürlichen Bodenfunktionen oder dem vollständigen, teils irreversiblen Verlust von Bodenfunktionen führen. Dabei besteht Einigkeit, dass Böden mit ihren 1. natürlichen Funktionen (Lebensgrundlage, Bestandteil des Naturhaushalts mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen, Filter- und Pufferfunktionen), 2. Nutzungsfunktionen (Rohstofflagerstätte, Siedlungs- und Erholungsflächen, Produktionsfunktion in Land- und Forstwirtschaft), und 3. Funktionen als Archive der Natur- und Kulturgeschichte zu schützen sind. Obwohl über die grundlegenden Schutzziele, die Reduzierung des Verbrauchs von Boden und die Verminderung der Beeinträchtigungen des Schutzgutes Boden durch Stoffein- und -austräge, weitgehender Konsens besteht, bleibt der Druck auf das Schutzgut Boden hoch. Die vierjährliche Erhebung des Statistischen Bundesamtes zu Bodenflächen nach Art der tatsächlichen Nutzung aus dem Jahr 2001 (Stichtag 31. 12. 2000; neuere Daten stehen nicht zur Verfügung) weist aus, dass in der Bundesrepublik 12,3 % der Gesamtfläche als Siedlungs- und Verkehrsflächen genutzt wurden. Dabei ist eine Differenzierung zwischen den alten Bundesländern (durchschnittlich 13,3 % Siedlungs- und Verkehrsfläche) und den neuen Bundesländern (durchschnittlich 8,4 % Siedlungs- und Verkehrsfläche) festzustellen. Insgesamt hat der Anteil der Siedlungsflächen zwischen 1997 und 2001 von 11,8 % um 0,5 % auf insgesamt 12,3 % der Gesamtfläche zugenommen. Bezogen auf die Siedlungs- und Verkehrsfläche allein entspricht dies einem Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsflächen von 4,5 % oder 188.679 Hektar binnen vier Jahren. Dies entspricht einem durchschnittlichen Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrsfläche von ca. 130 Hektar pro Tag. Diese Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsflächen geht offenbar zu Lasten der landwirtschaftlichen Nutzflächen, deren Anteil im gleichen Zeitraum von 54,1 % auf 53,5 % zurückging. Die Zunahme der Waldflächen von 29,0 % auf 29,5 % zwischen 1997 und 2001 ist offensichtlich auf Aufforstungsmaßnahmen von landwirtschaftlichen Flächen und sonstigen Flächen zurück zu führen. Die Anteile von Wasserflächen (2,3 % der Gesamtfläche) und der sonstigen Flächen (2,4 % der Gesamtfläche, Flächen die nicht land- und forstwirtschaftlich nutzbar sind wie Abbauland, Unland, etc.) unterliegen nur geringen Veränderungen. Tabelle 15 fasst die Flächennutzung für die Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1997 und 2001 und deren Veränderung für die Gesamtfläche als auch für die alten 5

Redaktionelle Anmerkung: Auf den Abdruck der Tabelle wurde verzichtet.

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und neuen Bundesländer zusammen, da vereinigungsbedingt Sondereffekte in der Flächennutzung zu erwarten sind. – Zuletzt hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung in seinem Gutachten 2004 auf das dauerhaft ungelöste, zentrale Problem des Bodenschutzes hingewiesen: auf den Flächenverbrauch. Die natürlichen Bodenfunktionen (Lebensraumfunktion, Filter- und Pufferfunktion, Produktionsfunktion)/Archivfunktion gehen so dauerhaft verloren oder werden zumindest erheblich gemindert. 4. Der Gang der Untersuchung Als Voraussetzung einer Antwort auf die Frage, ob sich durch Änderungen des Rechts der Bodenschutzgebiete im BBodSchG die Situation des Bodens verbessern lässt, ist zu analysieren, in welchem Umfang andere Gesetze, insb. die in § 3 BBodSchG angesprochenen, einen Schutz der natürlichen Bodenfunktionen bereits leisten. Insoweit ist zu trennen zwischen dem Schutz der natürlichen Bodenfunktionen durch Normen außerhalb des BBodSchG einerseits und dem Schutz durch Normen des BBodSchG andererseits. Dieser Schutz bildet den zentralen Punkt der Analyse; an ihm orientiert sich der Aufbau der Darstellung. Das bedeutet: Die in vielen Darstellungen anzutreffende Differenzierung nach dem Schutz des Bodens vor Verbrauch und dem Schutz des Bodens vor Stoffeintrag wird (natürlich nicht vollständig, aber als die Analyse leitender „Hauptgesichtspunkt“) aufgegeben zugunsten folgender Differenzierung: Es wird unterschieden zwischen dem Schutz der Böden allgemein – allgemeiner Bodenschutz – und dem Schutz von „Böden besonders hoher Funktionserfüllung“ – spezieller Bodenschutz. Diese Differenzierung folgt der Erwägung, dass dann, wenn Bodenschutz im Allgemeinen nicht durchzusetzen ist, wenigstens der „Boden mit besonders hoher Funktionserfüllung“ geschützt werden kann. Diese Differenzierung erfolgt trotz der Erkenntnis, dass „Bodenbewertung“ relativ ist; ein „schlechter“ Boden kann im Einzelfall „wertvoll“ sein, wenn die Umgebung noch schlechter zu bewerten ist. Diese Erkenntnis schließt nicht aus, dem „Boden mit besonders hoher Funktionserfüllung“ besonderes Interesse zu schenken. Die Analyse des Schutzes der natürlichen Bodenfunktionen durch andere Gesetze als das BBodSchG erfolgt im ersten Hauptteil der Untersuchung. Der zweite Hauptteil behandelt im Wesentlichen das Recht der landwirtschaftlichen Bodennutzung sowie § 21 Abs. 3 BBodSchG. Der dritte Hauptteil fasst die gefundenen Ergebnisse zusammen und diskutiert die rechtlichen Bedingungen des Umstandes, warum die Ergebnisse so sind, wie sie sind, und fragt nach den Grenzen der Veränderbarkeit der Resultate. Ferner werden hier die Grenzen der Veränderbarkeit der Resultate aufgenommen und rechtspolitische Vorschläge zur Verbesserung des gebietsbezogenen Bodenschutzes unterbreitet.

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II. Bestandsaufnahme des Schutzes der natürlichen Bodenfunktionen durch andere Gesetze als das Bundes-Bodenschutzgesetz 1. Schutz der natürlichen Bodenfunktionen im Recht der Raumordnung a) Das Recht der Raumordnung – Allgemeines; die Realisierung der Raumordnung aa) § 1 Abs. 1, 2 ROG legt die Aufgabe und die Leitvorstellungen der Raumordnung fest. § 1 Abs. 1 ROG ist so zu verstehen, dass die Aufgabe unter Beachtung der im Gesetz genannten Leitvorstellungen zu erfüllen ist. Als Leitvorstellung kennt § 1 Abs. 2 Satz 1 ROG eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung führt. Dabei sind nach Satz 2 acht Gesichtspunkte relevant; erwähnt seien hier – es handelt sich bei dieser Abhandlung um eine den Umweltschutz betreffende – die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen und der Schutz und die Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen. Im Mittelpunkt der Leitvorstellung steht eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung führt. Die Aufgabe Raumordnung ist unter Beachtung bestimmter Grundsätze zu erfüllen. Nach § 2 Abs. 1 ROG sind die Grundsätze der Raumordnung i.S.d. Leitvorstellung „nachhaltige Raumentwicklung“ nach § 1 Abs. 2 ROG anzuwenden. Der Begriff „Grundsätze der Raumordnung“ ist in § 3 Nr. 3 ROG legaldefiniert; das Gesetz ordnet dem Begriff allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums in oder aufgrund von § 2 ROG als Vorgabe für nachfolgende Abwägungsoder Ermessensentscheidungen zu. Diese Grundsätze finden sich in § 2 Abs. 2 ROG. Sie bilden den eigentlichen Kern des Raumordnungsrechts, indem sie die inhaltlichen Vorgaben für die Arbeit der Planung auf Bundes- wie auf Landesebene liefern. bb) Das ROG überträgt die Erfüllung der Aufgabe Raumordnung primär den Ländern. Sie müssen nach § 6 ROG Rechtsgrundlagen für eine Raumordnung in ihrem Gebiet schaffen. § 6 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 ROG verlangt von den Ländern, einen Raumordnungsplan aufzustellen. Er soll nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG diejenigen Festlegungen enthalten, die räumlich und sachlich zur Verwirklichung der Grundsätze nach § 2 Abs. 2 ROG erforderlich sind. § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG dient dem Umweltschutz. Natur und Landschaft einschließlich der Gewässer, des Waldes und der Meeresgebiete sind zu schützen, zu pflegen

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und zu entwickeln. Ausdrücklich im Katalog aufgeführt sind der Naturhaushalt, das Klima, die Tier- und Pflanzenwelt, der Boden und das Wasser. – Die Erwähnung des Bodens in § 2 Abs. 2 Nr. 8 Satz 3 ROG bedeutet nicht, dass dem Bodenschutz eine hervorgehobene Stellung in dem Sinne zukommt, dass er eine die planerische Gestaltungsfreiheit einschränkende Gewichtungsvorgabe sein könnte. Die Raumordnungsgrundsätze sind gleichwertig. Die Raumordnungspläne enthalten (1) die Ziele der Raumordnung; diese sind zu kennzeichnen, § 7 Abs. 1 Satz 3 ROG. Nach § 3 Nr. 2 ROG sind „Ziele der Raumordnung“ verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder der Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. § 3 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 ROG legen fest, dass die Grundsätze der Raumordnung in Raumordnungsplänen zu konkretisieren sind. Bei Berücksichtigung des § 7 Abs. 7 Satz 1 ROG ergibt sich, dass die Zielfestlegung eine Konkretisierung allgemeiner Aussagen der Grundsätze der Raumordnung auf der Basis einer planerischen Abwägung darstellt. – Die Ziele der Raumordnung sind unmittelbar verbindlich. Die Raumordnungspläne sollen nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG (2) Festlegungen zur Raumstruktur enthalten, insb. zur anzustrebenden Freiraumstruktur; dazu können gehören großräumig übergreifende Freiräume und Freiraumschutz, Nutzungen im Freiraum wie Standorte für die vorsorgende Sicherung sowie die geordnete Aufsuchung und Gewinnung standortgebundener Rohstoffe, Sanierung und Entwicklung von Freiraumfunktionen. Die Raumordnungspläne sollen nach § 7 Abs. 3 ROG Festlegungen zu raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen enthalten, die zur Aufnahme in Raumordnungspläne geeignet sind. Neben den Darstellungen in Fachplänen des Verkehrsrechts sowie des Wasser- und Immissionsschutzrechts gehören zu den Festlegungen insb. die raumbedeutsamen Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege in Landschaftsprogrammen und Landschaftsrahmenplänen nach dem BNatSchG. Es liegt auf der Hand, dass auch die „Bodenschutzgebiete“ – das sind diejenigen, deren Aufstellung die Länder nach § 21 Abs. 3 in Landesgesetzen vorschreiben bzw. ermöglichen dürfen – in diesem Zusammenhang hätten Erwähnung finden müssen. Nach § 7 Abs. 4 ROG können die Festsetzungen nach Absatz 2 und 3 Gebiete bezeichnen, die für bestimmte raumbedeutsame Funktionen und Nutzungen vorgesehen sind und andere raumbedeutsame Nutzungen in diesem Gebiet ausschließen, soweit diese mit den vorrangigen Funktionen, Nutzungen und Zielen der Raumordnung nicht vereinbar sind – Vorranggebiete. Da Vorranggebiete Ziele der Raumordnung sind, führt ihre Ausweisung dazu, dass andere Nutzungen nicht möglich sind. Ihre Funktion besteht darin, bestimmte Gebiete für bestimmte Nutzungen zu reservieren und andere potentielle Nutzungen auszu-

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schließen. Sie lösen die Pflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB aus: Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

b) Flächenausweisung zugunsten des Bodenschutzes aa) § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG behandelt die Entwicklung der Freiraumstruktur. Danach sind die Freiräume in ihrer Bedeutung für funktionsfähige Böden, für den Wasserhaushalt, die Tier- und Pflanzenwelt sowie das Klima zu sichern oder wiederherzustellen. Bei wirtschaftlicher und sozialer Nutzung der Freifläche sind die Funktionen der Ökosysteme zu gewährleisten. Das bedeutet, dass Schutz und Entwicklung einer großräumigen, übergreifenden Freiraumstruktur in ihrer Bedeutung für funktionsfähige Böden relevant ist. Als landesplanerische Maßnahme zur Umsetzung einer übergreifenden Freiraumstruktur kommt insb. eine Flächenausweisung in Betracht. Die Flächenausweisung nach dem Raumordnungsrecht ist damit ein Instrument des allgemeinen Bodenschutzes. bb) Fraglich ist, ob ein Gebiet mit schützenswerten Böden der Kategorien Vorranggebiete zugerechnet werden kann. Vorranggebiete dienen in der raumplanerischen Praxis der Sicherung standortgebundener Nutzungen oder Funktionen oder ihrer Entwicklung. Wesensmerkmal standortgebundener Nutzungen ist es gerade, dass sie auf den jeweiligen Standort angewiesen sind. „So können […] wertvolle landwirtschaftliche Böden […] nur dort raumplanerisch gesichert werden, wo sie vorkommen.“ Es können also wertvolle landwirtschaftliche Böden als Vorranggebiet ausgewiesen werden. Dabei muss es nicht bleiben: Es ist möglich, landschaftliche Vorranggebiete zur Sicherung und Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, zur Bewahrung der Eigenart des Landschaftsbildes und zur Erhaltung oder Verbesserung der Erholungseignung der Landschaft festzulegen. Dieses Resultat ist nicht unpraktisch: In dieser Weise gehen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen vor. Nordrhein-Westfalen nutzt das Vorranggebiet zur Schaffung eines regionalen Freiraumsystems. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG ist es ein Grundsatz der Raumordnung, funktionsfähige Böden zu sichern oder Böden in ihrer Funktion wiederherzustellen. Es erscheint deshalb nicht ausgeschlossen, ein Vorranggebiet auszuweisen, in dem der Boden vor Stoffeintrag geschützt ist. Freilich ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, ob diese Ausweisung Sinn macht: Das Aufbringen von Düngemittel und Pflanzenschutzmittel auf Böden ist bereits gesetzlich geregelt. Das insoweit Erlaubte müsste durch das ROG für die Vorranggebiete verboten oder eingeschränkt werden dürfen. Das ist möglich, weil Vorranggebiete bestimmte Nutzungen ausschließen; ausgeschlossen sein kann auch die landwirtschaftliche Bodennutzung, die sich bestimmter Techniken bedient. Damit würde ein bestimmter Bodenschutz erreicht. cc) Nach alledem ist ein Vorranggebiet doppelt funktionell: Mit ihm kann sowohl dem allgemeinen wie dem besonderen Bodenschutz gedient werden.

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2. Schutz der natürlichen Bodenfunktionen im Baurecht – Umweltprüfung und Umweltbericht Einführender Hinweis: In der Einleitung ist hervorgehoben worden, dass die Funktion des Bodens als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte für den flächenhaften Bodenschutz von großer Bedeutung ist. Die i.F. gewonnenen Ergebnisse für den Schutz der natürlichen Bodenfunktionen im Baurecht gelten in gleicher Weise für den Schutz des Bodens als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte. Die Umweltprüfung und der Umweltbericht sind mit dem Inkrafttreten des sog. Europarechtsanpassungsgesetzes Inhalt des BauGB geworden. Es stellt sich die Frage, ob diese formale Neuerung eine sachliche Neuerung gegenüber der bisherigen Rechtslage bedingt. Voraussetzung jeder rechtmäßigen Abwägung ist die Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials. Dieses schreibt nunmehr § 2 Abs. 3 BauGB ausdrücklich vor; die Norm hat ausschließlich klarstellende Bedeutung: sie wiederholt geltendes Recht. Zu diesen Belangen zählen auch die Umweltbelange nach §§ 1 Abs. 6 Nr. 7 und nach 1a BauGB. Für diese Belange verlangt § 2 Abs. 4 BauGB die Durchführung einer Umweltprüfung. Diese Prüfung ist kein selbständiges Verfahren, sondern Teil des Planaufstellungsverfahrens. In dieser Prüfung werden die Belange des Umweltschutzes ermittelt, beschrieben und bewertet. Die Prüfung und ihr Ergebnis werden in einem Umweltbericht dokumentiert; dessen Aufbau und Inhalt legt ein Anhang, der nach § 247 BauGB folgt, fest. Dieses regelte bislang § 2a BauGB a.F. Die Umweltprüfung muss nach § 2 Abs. 4 Satz 3 BauGB angemessen sein. Sie berücksichtigt Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans, den gegenwärtigen Wissensstand und die allgemein anerkannten Prüfungsmethoden. Umweltprüfung und Umweltbericht haben das materielle Recht der Aufstellung eines Bauleitplans nicht verändert, sondern lediglich formalisiert. Damit dieses Ergebnis nicht falsch verstanden wird, insb. angenommen wird, Umweltprüfung und Umweltbericht seien sachlich bedeutungslos, sei auf Folgendes hingewiesen: Wie darzulegen sein wird, ist in die planerische Abwägung alles als Belang einzustellen, was für die Abwägung bedeutungsvoll ist. Dazu zählt auch der hier besondere Aufmerksamkeit genießende Bodenschutz. Die Pflicht, eine Umweltprüfung vorzunehmen und einen Umweltbericht zu verfassen, führen in der täglichen Praxis dazu, dass die Ermittlung der Belange des Bodenschutzes quantitativ umfassender und qualitativ anspruchsvoller erfolgt; dass im Fall ihrer Relevanz Belange des Bodenschutzes auch tatsächlich in die Abwägung eingestellt werden; dass eine sachgerechte Gewichtung und argumentative Auseinandersetzung im Rahmen der Abwägung erfolgt. Alles in allem werden die Belange des Bodenschutzes in Relation zum früheren Vorgehen bewusster wahrgenommen werden und der Bodenschutz kann in der Folge dieser qualitativen Veränderung eine Verstärkung erfahren. Insb. darf in der Umweltprüfung im Zusammenhang mit dem flächenhaften Bodenschutz eine Betrachtung des Inhalts angestellt werden, ob das geplante Vorhaben

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sich in einer Weise verwirklichen lässt, die zu einem geringeren Bodenverbrauch führt, oder die zwar Boden in demselben Umfang verbraucht, aber an einer Stelle, wo der Boden qualitativ geringer zu bewerten ist als am Ausgangsort. Es ist mithin eine doppelte Alternativenprüfung erforderlich: mit Blick auf den Umfang des Bodenverbrauchs, mit Blick auf den Bodenverbrauch am „falschen“ Ort, weil der Verbrauch an einem anderen Ort weniger belastend wäre. Die Umweltprüfung entfaltet, weil diese Alternativen bedeutungsvoll sind, eine erhebliche Wirkung. Es ist in diesem Zusammenhang der Hinweis angebracht, dass eine falsche Bewertung der Interessen des Bodenschutzes einen Abwägungsfehler darstellt. Es liegt auf der Hand, dass Boden mit besonders hoher Funktionserfüllung „höher“ zu bewerten ist als qualitativ schlechterer Boden. Insoweit kann man sagen, dass das Ergebnis der Bewertung bereits unter dem Aspekt des Bodenschutzes „programmiert“ ist. Das zukünftige Baugebiet muss in der Folge dort ausgewiesen werden, wo die Beeinträchtigung den „schlechtern“ Boden trifft – es sei denn, in der Abwägung wird einem anderen Interesse der Vorrang vor dem Bodenschutz eingeräumt. – Die Pflicht zur Alternativenprüfung hat im Baurecht ihren rechtlichen Ort im Abwägungsgebot. Mit Blick auf den Naturschutz ist noch darauf hinzuweisen, dass die europarechtlichen Vorgaben die Pflicht zur Alternativenprüfung kennen. In Planfeststellungsverfahren folgt die Pflicht zur Alternativenprüfung aus dem Grundsatz der Problembewältigung. Die hier hervorgehobene Pflicht zur Alternativenprüfung ist nicht nur von theoretischem Interesse, sondern besitzt in der Bauleitplanung auch eine große praktische Bedeutung: Nach § 10 Abs. 4 BauGB ist dem Bebauungsplan eine zusammenfassende Erklärung beizufügen, die Aufschluss darüber gibt, „aus welchen Gründen der Plan nach Abwägung mit den geprüften, in Betracht kommenden anderweitigen Planungsmöglichkeiten (Hervorhebung von: F.-J. P.) gewählt wurde“. Die Norm geht deshalb von der Durchführung einer Alternativenprüfung und einer Begründung für die vorgenommene Wahl aus. Die zusammenfassende Erklärung basiert auf der Begründung des Bebauungsplans nach § 9 Abs. 8 BauGB, die demnach Aussagen zur Alternativenprüfung enthalten muss. Nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB ist ein Fehler in der Begründung des Bebauungsplans beachtlich; eine Verletzung von Vorschriften in Bezug auf den Umweltbericht ist indes unbeachtlich, wenn die Begründung nur in unwesentlichen Punkten unvollständig ist. Davon kann freilich mit Blick auf die Alternativenprüfung keine Rede sein. Bei Rüge dieses Fehlers entsprechend § 215 Abs. 1 BauGB erklärt das Oberverwaltungsgericht den Plan für vorläufig unwirksam; der Fehler kann nach § 214 Abs. 4 BauGB geheilt werden. Losgelöst von der formalisierenden Wirkung der Umweltprüfung und des Umweltberichts ist dem materiellen Recht (dieses ist für die Umweltprüfung und den Umweltbericht partiell von Bedeutung, s. § 2 Abs. 4 Satz 1 BauGB), soweit es den flächenhaften Bodenschutz betreffen kann, die Aufmerksamkeit zu widmen. Dieses Recht betrifft: .

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1. umweltbezogene Ziele der Raumordnung, § 1 Abs. 4 BauGB; 2. die Ziele des § 1 Abs. 5 BauGB, soweit sie unter dem Aspekt des Bodenschutzes relevant sind; 3. die Erhaltungsziele und der Schutzzweck von Gebietsausweisungen nach § 1 Abs. 6 Nr. 7b BauGB, § 1a Abs. 4 BauGB; 4. die in Fachgesetzen und Fachplänen des Naturschutz-, Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts festgelegten Ziele des Umweltschutzes, soweit sie für den Bodenschutz und den Bauleitplan von Bedeutung sind, § 1 Abs. 6 Nr. 7e BauGB; 5. die Bodenschutzklausel nach § 1a Abs. 2 BauGB; 6. die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nach § 1a Abs. 3 BauGB. Das Ergebnis des Umweltberichts geht als Teil des Abwägungsmaterials in die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB ein, § 2 Abs. 4 Satz 4 BauGB. Die Ergebnisse des Umweltberichts genießen in der Abwägung keinen Vorrang vor anderen in der Abwägung zu berücksichtigen Interessen. 3. Schutz der natürlichen Bodenfunktionen im Baurecht – Die Vorgaben nach § 1 Abs. 5 und 6 BauGB Nach § 1 Abs. 7 BauGB muss die Gemeinde bei der Aufstellung von Bauleitplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abwägen. Im Rahmen des § 1 Abs. 5 und 6 BauGB ist zwischen Planungszielen und Planungsleitlinien zu unterscheiden. Es ist zu fragen, ob sich aus ihnen Vorgaben für die Abwägung ergeben. Mit Blick auf den Schutz des Bodens vor Verbrauch ist für die Planungsziele festzuhalten: Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB sollen die Bauleitpläne eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die das Gesetz näher spezifiziert, und eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozial gerechte Bodennutzung gewährleisten. Nach Satz 2 sollen sie dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln. Die Verankerung des Nachhaltigkeitsprinzips in den Planungszielen verdeutlicht den Trägern der Bauleitplanung, dass auch das Städtebaurecht Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung der Städte und Gemeinden schafft, soweit eine Entwicklung städtebaulich veranlasst wird. Das Nachhaltigkeitsprinzip besagt hier, dass natürliche Ressourcen nur in dem Umfang in Anspruch genommen und nur in einer Weise bewirtschaftet werden dürfen, die ihre langfristige Erhaltung und Nutzung durch künftige Generationen gewährleistet. In diesem Zusammenhang müssen die Belange des Bodens Berücksichtigung finden. – Der Stellenwert der Planungsziele in der planerischen Abwägung liegt in der rechtsstaatlich geforderten gesetzlichen Abgrenzung des Planungsauftrags. Dieser gibt der Abwägung ein bestimmtes Oberziel vor, dessen

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Realisierung im Rahmen der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten anzustreben ist. Die Steuerungskraft der Planungsziele ist gering. Gewichtungsvorgaben enthalten sie nicht. Für die Planungsleitlinien ist insoweit bedeutungsvoll: Der Katalog des § 1 Abs. 6 BauGB enthält mehrere Planungsleitlinien, die das Planungsziel „nachhaltige Entwicklung“ konkretisieren und die für den Bodenschutz relevant sind. Zu erwähnen ist § 1 Abs. 6 Nr. 7 lit. a – c. Freilich enthalten die Planungsleitlinien ebenfalls keine Gewichtungsvorgabe für einzelne Belange. Für den Schutz des Bodens vor Stoffeintrag ist festzuhalten: Das Interesse an Verhinderung eines Stoffeintrags ist bei der planerischen Abwägung relevant. Es ist nicht auszuschließen, dass ein Bauleitplan die Möglichkeit eröffnet, dass die Realisierung baulicher Vorhaben oder ihre Nutzung Schadstoffeintragungen hervorruft. Diese Möglichkeit ist bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials und im Abwägungsvorgang zu berücksichtigen. Dadurch kann ein Schutz des Bodens vor Verbrauch planungsrechtlich vorsorgend gesichert werden. Der Belang dieser Form des Bodenschutzes ist bei der Abwägung ein Aspekt unter vielen; ferner fehlt eine Gewichtungsvorgabe. Deshalb kommt dem bauplanungsrechtlichen qualitativen Bodenschutz (lediglich) in der Praxis bislang nur geringe Bedeutung zu. Aus § 1 Abs. 5 und 6 BauGB ergeben sich keine Gewichtungsvorgaben betreffend den Schutz des Bodens vor Verbrauch und vor Stoffeintrag im Rahmen der planerischen Abwägung. 4. Schutz der natürlichen Bodenfunktionen im Baurecht – Die Bodenschutzklausel Die Bodenschutzklausel regelt den Bodenschutz in der Bauleitplanung. Ihr zentrales Anliegen ist der Schutz vorhandener Freiflächen. Daneben spielen die Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung eine Rolle. Es ist nach dem Wortlaut des Gesetzes nur schwer vorstellbar, dass sie den Schutz des Bodens vor Stoffeintrag erfasst. a) Der Stellenwert des Bodenschutzes nach der Bodenschutzklausel in der Abwägung aa) Die Qualifizierung der Bodenschutzklausel ist streitig. Der Streit betrifft die Antwort auf die Frage, welcher Determinierungsgrad der Bodenschutzklausel in der planerischen Abwägung zukommt. Davon wiederum ist abhängig die Bedeutung des Bodenschutzes in der Abwägung. (1) Den Kern des Planungsakts bildet die durch § 1 Abs. 7 BauGB gebotene Abwägung.

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Eine korrekte Abwägung hat das abwägungserhebliche Material festzustellen, es zu bewerten und sich unter Hintanstellung des einen Belangs für einen anderen zu entscheiden. Zusammenstellung, Bewertung und Abwägung haben anhand bestimmter Kriterien zu erfolgen. Im Ergebnis ist alles Erforderliche im Plan zu regeln. In die planerische Regelung sind alle Maßnahmen einzubeziehen, die eine möglichst optimale Realisierung des normativ vorgegebenen Planauftrags gestatten, „aber auch zur Bewältigung der von dem Planvorhaben in seiner räumlichen Umgebung erst aufgeworfenen Probleme“ notwendig sind. (2) Mit Blick auf die Gewichtungsvorgaben sind drei Fälle zu unterscheiden: Interessen, die aufgrund ihrer gesetzlichen Verfasstheit strikte Beachtung bei der Planung verlangen; Beispiel: § 1 Abs. 4 BauGB: die Anpassung der Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung. Interessen, die in sog. „Optimierungsgeboten“ ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden haben; die Bedeutung der Optimierungsgebote für den Planungsprozess besteht darin, den in ihnen enthaltenen Zielvorgaben ein besonderes Gewicht zuzumessen und insoweit die planerische Gestaltungsfreiheit einzuschränken; Beispiel: die Klausel nach § 1a Abs. 2 Satz 2 BauGB. Interessen, die in der Abwägung „einfach“ überwunden werden können – insoweit besteht Gestaltungsfreiheit; Beispiel: der Denkmalschutz nach § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB. (3) Die Bodenschutzklausel verlangt weder eine strikte Beachtung noch eine einfache Berücksichtigung in der Abwägung, sondern eine qualifizierte, möglichst weitgehende Berücksichtigung; die Bodenschutzklausel ist ein planungsrechtliches Optimierungsgebot. (4) Das planungsrechtliche Optimierungsgebot kennzeichnet, dass es einerseits eine möglichst weitgehende Beachtung fordert, andererseits im konkreten Fall im Konflikt mit anderen Zielen jedoch zumindest teilweise zurücktreten kann. Sein Stellenwert besteht darin, dass dem in ihm enthaltenen Ziel besondere Bedeutung beizumessen ist, dass das mit dem planungsrechtlichen Optimierungsgebot versehene Prinzip im Allgemeinen den Vorrang vor den lediglich als Berücksichtigungsgebote ausgestalteten Prinzipien verdient, und dass seine Überwindung durch ein gegenläufiges Prinzip nur im Einzelfall möglich ist und einer besonderen Begründung bedarf. Das planungsrechtliche Optimierungsgebot ist somit identisch mit einem relativen Abwägungsvorrang. bb) Nach § 1a Abs. 2 Hs. 1 BauGB soll mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden. Dieses Gebot ist zu unterteilen in den sparsamen und den schonenden Umgang mit Grund und Boden. Es hat eine weitere Konkretisierung in § 1a Abs. 2 Hs. 2 BauGB erfahren. (1) Sparsamer Umgang mit Grund und Boden bedeutet, dass je nach der örtlichen städtebaulichen Situation anstelle der Neuausweisung von Bauflächen die Möglichkeit der innerörtlichen Entwicklung genutzt und unter Inanspruchnahme unbebauter

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Flächen flächensparende Bauweisen zu bevorzugen sind. Es geht vor allem, wie der zweite Halbsatz des § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB hervorhebt, um dreierlei: 1. Wiedernutzbarmachung von Flächen (Wiederverwendung brachgefallener Industrie-, Gewerbe-, Verkehrs- und Militärflächen), 2. um die Nachverdichtung im Bestand (Dachgeschossausbau, Erschließung von Baupotentialen auf bereits bebauten Grundstücken), Nutzung von Baulücken, Verkleinerungen von Grundstücksgrößen und der dazugehörigen Erschließungsstraßen, 3. um sonstige Maßnahmen (hier könnte die Entsiegelung eine Rolle spielen). Letztlich soll sich das Bauen verstärkt auf die Innenstädte orientieren. Dieses bedingt folgendes Resultat: Die Bodenschutzklausel differenziert in Ansehung des sparsamen Verbrauchs nicht zwischen „allgemeinem“ Bodenschutz und „Böden besonders hoher Funktionserfüllung“. (2) Schonender Umgang zielt auf die Berücksichtigung übergreifender ökologischer Zusammenhänge und den Schutz von Vernetzungsfunktionen innerhalb des Naturhaushalts bei der Bodennutzung ab; schonender Umgang bedeutet deshalb umfassenden Bodenschutz. Er zeigt sich vor allem, wenn bei einer Inanspruchnahme des Bodens seine natürlichen Eigenschaften so wenig wie möglich zerstört werden und wenn die städtebauliche Planung zur Entwicklung des Bodens als der natürlichen Lebensgrundlage beiträgt. Letzteres bedeutet, dass die für den Wasserhaushalt, den Stoffkreislauf und das biotische Potential besonders leistungsfähigen und empfindlichen Böden vor weiterer Inanspruchnahme und Beeinträchtigung zu schützen sind; ferner sind Siedlungs- und Verkehrsflächen, soweit möglich, auf Standorte und Flächen zu lenken, auf denen Beeinträchtigungen weniger schwer wiegen; und schließlich sind Nutzungen mit hohem bodenökologischen Risikopotentialen, z. B. Umgang mit wassergefährdenden Stoffen in Industrie- und Gewerbebetrieben, optimal zu verorten. Alles in allem ist festzuhalten: Ein Eingriff in den Boden durch Verbrauch und durch Stoffeintrag ist die Vernichtung von Bodenqualität; die Qualität des Bodens ist ein Fall der Alternativenplanung und ist deshalb für die Abwägung bedeutsam; da die weniger belastende Möglichkeit der stärker belastenden Möglichkeit vorzuziehen ist, muss primär Boden mit geringer Funktionserfüllung in Anspruch genommen werden. Das Schonungsgebot ist auf mehreren Stufen relevant: Zunächst betrifft es die Entscheidung, ob eine Fläche überhaupt einer baulichen Nutzung zugeführt werden soll; falls dieses bejaht wird, ist festzustellen, welche Nutzungen ökologisch vertretbar sind; ferner kann das Schonungsgebot die Ausweisung von Schutzvorkehrungen oder von Ausgleichsmaßnahmen fordern, etwa die Ausweisung einer Grünfläche und einer von Bebauung freizuhaltenden Fläche. Das Gebot des schonenden Umgangs kann durch entsprechende Darstellungen und Festsetzungen in den Bebauungsplänen realisiert werden. Dieses bedingt folgendes Resultat: Die Bodenschutzklausel differenziert in Ansehung des schonenden Verbrauchs zwischen „allgemeinem“ Bodenschutz und „Böden

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besonders hoher Funktionserfüllung“; primär muss Boden mit geringer Funktionserfüllung in Anspruch genommen werden. (3) Das Gebot, Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen, ist als sog. „Ist-Vorschrift“ formuliert. Gleichwohl enthält es nur ein Optimierungsgebot. (4) Im dargelegten Umfang ist der Schutz des Bodens vor Verbrauch durch Planung zu realisieren. Er ist in der planerischen Abwägung zu verwirklichen, § 1a Abs. 2 Satz 3 BauGB. Auf der ersten Stufe des Abwägungsvorgangs hat die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials zu erfolgen. Das notwendige Abwägungsmaterial erfasst alle Belange, die „nach Lage der Dinge“ in die Abwägung eingestellt werden müssen. Diese Belange sind zu ermitteln. – Eine verstärkte Ermittlungspflicht beinhaltet die Bodenschutzklausel. Wenn die planende Gemeinde einen durch ein Optimierungsgebot erfassten Belang nicht berücksichtigt, kann die Gewichtungspräponderanz nicht greifen. Deshalb muss in der Vorgabe für die Gewichtung gleichzeitig eine Direktive für die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials liegen, da anderenfalls das Optimierungsgebot leer läuft. § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB als Optimierungsgebot zielt demnach auf eine sorgfältige Ermittlung der Bodenschutzbelange ab. Dieses Gebot gestattet jedoch keine Schlüsse darauf, wie genau die Belange jeweils ermittelt werden müssen, um eine gerechte Abwägung vornehmen zu können. Die Qualität der Ermittlung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je größeres Gewicht der Belang im Verhältnis zu anderen Belangen für die jeweilige Entscheidung hat, umso stärker muss er durch möglichst genaues Erfassen des Abwägungsmaterials ermittelt werden. – Diese Aussage ist relevant für die Intensität der Umweltprüfung. Auf der zweiten Stufe hat die planende Gemeinde den objektiven Inhalt der Belange zu bestimmen und die einzelnen Belange zu gewichten. Bei dem Bewertungsvorgang entfaltet die Bodenschutzklausel eine deutliche Wirkung, da den durch ein Optimierungsgebot geschützten Bodenschutzbelangen in der Abwägung ein verstärktes Gewicht zukommt. Optimierungsgebote wirken sich dahin aus, dass sie die planerische Aufmerksamkeit und das Abwägungsbewusstsein auf bestimmte Belange lenken und die Intensität aller abwägenden Überlegungen und Untersuchungen fördern und somit zwangsläufig den zu optimierenden Belangen eine besondere Bedeutung zuwächst, indem sie als zentrale, abwägungsbeachtliche Belange erscheinen und in der Fülle der abwägungsrelevanten Belange eine besondere Hervorhebung finden, in den Vordergrund gerückt und zum Gegenstand eingehender Erörterung werden. Zu optimierende Bodenschutzbelange sind jedoch nicht als absolute Größen zu werten, sie haben vielmehr in der konkreten Situation ein bestimmtes Gewicht. Der schonende Umgang mit dem Boden hat folgerichtig in verschiedenen Situationen ein unterschiedliches objektives Gewicht, z. B. in einer Großstadt ein höheres als in einer Mittelstadt oder Landgemeinde, da der Boden in der Großstadt ein knapperes Gut als in einer Mittelstadt oder Landgemeinde darstellt. Das Gewicht der Bodenschutzbelange ist nicht mathematisch exakt bestimmt. Das relative Gewicht der Bodenschutzbelange hängt auch von den jeweiligen gesellschaftlichen Wertvorstellungen, den Zeitströ-

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mungen, der Wirtschaftslage sowie ähnlichen sich ändernden Faktoren ab und unterliegt deshalb einer Entwicklung. Auf der dritten Stufe wird entschieden, welchem Belang der Vorrang eingeräumt und welcher zurückgestellt wird. Die Bodenschutzklausel hat auf dieser Stufe einen besonders bemerkenswerten Stellenwert. Das BVerwG fordert ihre möglichst weitgehende Beachtung. Die Bodenschutzklausel lenkt somit den Ausgleich der Belange derart, dass Bodenschutzbelangen eine größere Durchsetzungsfähigkeit gegenüber konkurrierenden und konfligierenden Belangen zukommt, d. h., dass diese die Bodenschutzbelange nur dann überwinden können, wenn ihnen ein besonderes Gewicht zukommt; die Überwindungsschwelle der Bodenschutzbelange ist höher gesetzt. Eine weitere Bedeutung der Bodenschutzklausel entfällt. Die möglichst weitgehende Beachtung des Bodenschutzes ist in zweierlei Hinsicht ausgeprägt: 1. Durch die Bodenschutzklausel verkleinert sich der Gestaltungsspielraum für die Planungsentscheidung; 2. die Argumentationslast wird zugunsten der Bodenschutzbelange verschoben. (5) Zum einen verkleinert sich die planerische Gestaltungsfreiheit durch die Bodenschutzklausel, weil den gegenläufigen Interessen die Kraft fehlt, sich gegenüber einer solchen Vorgabe abwägungsfehlerfrei durchzusetzen. Die besondere Bedeutung und Funktion der Bodenschutzklausel i.d.S. besteht darin, dass ihrem Ziel besondere Bedeutung beizumessen ist, und dass sie insoweit die planerische Gestaltungsfreiheit einschränkt. Die in der Bodenschutzklausel enthaltenen Bodenschutzbelange stehen bei der Abwägung in der ersten Reihe. Sie haben einen relativen Vorrang in dem Sinne, dass diese Belange nach der gesetzgeberischen Wertentscheidung eine nach der Lage des jeweiligen Einzelfalls vorrangige Berücksichtigung verlangen. Die so eingeschränkte Gestaltungsfreiheit ist erst dann wieder uneingeschränkt, wenn sich zwei hervorgehobene Belange gegenüberstehen. – Zum anderen verschiebt sich die Argumentationslast zugunsten der Bodenschutzbelange. Wenn die Gemeinde diese überwinden will, muss sie stärker argumentieren. Das Überwinden hängt vom Vorliegen besonderer städtebaulicher Gründe ab, die anderen Belangen ein besonderes (Gegen-)Gewicht verleihen. Die Gemeinde muss sich mit den geschützten Bodenschutzbelangen qualifiziert auseinandersetzen. Gegebenenfalls muss sie darlegen, auf welche Weise die zusätzliche Bodenversiegelung auf das notwendige Maß zu begrenzen ist. Dieses geschieht auf folgendem Wege: Das Gebot, die Entscheidungen zu begründen, zwingt die planende Gemeinde allgemein zum Nachdenken. Der Bodenschutz kann dadurch verstärkt ins Blickfeld der Gemeinde rücken und faktisch an Gewicht gewinnen. (6) Die Nichtbeachtung des Bodenschutzes als Optimierungsgebot stellt einen Abwägungsfehler im Sinne einer Fehleinschätzung dar. cc) Ist auch der Schutz des Bodens vor Stoffeintrag ein Fall der Bodenschutzklausel? Dieses wird in der Literatur gelegentlich vertreten. Die Auffassung hat sich nicht durchsetzen können. Folgerichtig erstreckt sich die Reichweite der Bodenschutzklau-

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sel nicht auf den Bodenschutz jeder Art, sondern nur auf den quantitativen Bodenschutz. – Hinweis: Die Tatsache, dass im Bebauungsplan zugunsten des Schutzes des Bodens vor Stoffeintrag Festsetzungen getroffen werden können, steht zu diesem Resultat nicht in Widerspruch.

5. Schutz der natürlichen Bodenfunktionen im Baurecht – Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung Die naturschutzrechtliche Eingriffsregel nach § 1a Abs. 3 BauGB betrifft einen wichtigen Teilbereich des Bodenschutzes und ist als wichtige den Bodenschutz steuernde Norm zu verstehen. a) Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht – Allgemeines Das Verhältnis zwischen Naturschutzrecht und Bauplanungsrecht regelt das BauGB in § 1a Abs. 3 BauGB. Nach dieser Vorschrift sind in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB die Vermeidung und der Ausgleich der zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft zu berücksichtigen. Die Vorschrift verweist auf die Grundbegriffe der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. Das BNatSchG enthält in § 21 lediglich den Verweis, dass bei Eingriffen in Natur und Landschaft durch Verfahren nach dem BauGB über Vermeidung, Ausgleich und Ersatz nach den Vorschriften des BauGB zu entscheiden sei. Ferner stellt § 1a Abs. 3 Satz 1 BauGB klar, dass die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege keinen Vorrang vor den in der Bauleitplanung zu berücksichtigenden anderen Belangen haben. § 1a Abs. 3 Satz 2 BauGB verweist auf die unterschiedlichen Möglichkeiten, den Ausgleich der zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft zu verwirklichen. § 1a Abs. 3 Satz 3 BauGB ermöglicht einen Ausgleich an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs. In diesem Zusammenhang kann man von der „Aufhebung der räumlichen und zeitlichen Verknüpfung von Eingriff und Ausgleich“ sprechen. Die Gemeinde muss nach dem naturschutzrechtlichen Vermeidungsgebot prüfen, in welchem Umfang die beabsichtigten Darstellungen und Festsetzungen, die Eingriffe zur Folge haben können, zur Verwirklichung der gemeindlichen Planungsabsichten tatsächlich erforderlich sind. Nach § 19 Abs. 1 BNatSchG sind vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. Der Begriff Vermeidbarkeit ist in seinen Einzelheiten umstritten. Nach h.M. ist das Vermeidungsgebot entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu interpretieren. Bei dem Vermeidungsgebot geht es nicht um die Unterlassung des Vorhabens, sondern z. B. um schonendere Standorte oder um schonendere Varianten des Projekts. § 1a Abs. 3 Satz 2 BauGB ermöglicht differente Arten des Ausgleichs der infolge der Bauleitplanung zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft. Vor ihrer Be-

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handlung ist darauf hinzuweisen, dass nach § 1a Abs. 3 Satz 5 BauGB ein Ausgleich nicht erforderlich ist, soweit die Eingriffe bereits vor der planerischen Entscheidung erfolgt sind oder zulässig waren. Nach § 1a Abs. 3 Satz 2 BauGB soll der Ausgleich der zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft durch geeignete Darstellungen nach § 5 BauGB als Flächen zum Ausgleich und Festsetzungen nach § 9 BauGB als Flächen und Maßnahmen zum Ausgleich erfolgen. Der Ausgleich erfolgt entsprechend der ursprünglichen Konzeption der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung am Ort des Eingriffs. Nach § 1a Abs. 3 Satz 3 BauGB können die Darstellungen und Festsetzungen nach § 1a Abs. 3 Satz 1 BauGB auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs erfolgen, soweit dieses Vorgehen mit einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist. Im Hinblick auf diese „planexterne Kompensation“ wird den Gemeinden die Möglichkeit gegeben, einen „Ausgleichs-“ oder „Kompensations-Bebauungsplans“ aufzustellen. Die Vorschrift findet eine Ergänzung in § 200a BauGB; der Ausgleich umfasst die bislang landesrechtlich geregelten Ersatzmaßnahmen, ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang zwischen Eingriff und Ausgleich ist nicht erforderlich. Als Alternative zu Darstellungen und Festsetzungen i.S.d. § 1a Abs. 3 Satz 2, 3 BauGB können vertragliche Vereinbarungen nach § 11 BauGB getroffen werden. § 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB bestimmt, dass die Durchführung des Ausgleichs i.S.d. § 1a Abs. 3 BauGB Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags sein kann. Er setzt keine bauplanungsrechtlichen Festsetzungen voraus. Die Gemeinde hat durch die vertragliche Regelung sicherzustellen, dass der tatsächliche Erfolg der Kompensation ebenso sichergestellt wird wie durch eine mögliche bauplanerische Festsetzung. Anstelle von Darstellungen und Festsetzungen zum Ausgleich der zu erwartenden Eingriffe können ferner geeignete Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen getroffen werden, § 1a Abs. 3 Satz 3 2. Alt. BauGB. b) Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht – Spezielles aa) Das Verhältnis zwischen der Bodenschutzklausel nach § 1a Abs. 2 BauGB und der naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung nach § 1a Abs. 3 BauGB ist von Interesse. Beeinträchtigungen der nach § 1a Abs. 2 BauGB verfolgbaren Ziele, namentlich die Inanspruchnahme des Bodens für Bauzwecke und die damit verbundene Versiegelung, sind regelmäßig Eingriffe in Natur und Landschaft i.S.d. § 18 BNatSchG. Das naturschutzrechtliche Vermeidungsgebot des § 1a Abs. 3 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG steht in einem sachlichen Zusammenhang mit der Bodenschutzklausel des § 1a Abs. 2 BauGB.

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Angesichts dieser Beziehung wird gelegentlich angenommen, die Bodenschutzklausel des § 1a Abs. 2 BauGB habe keine rechtlich eigenständige Bedeutung; freilich vernetze das BauGB beide Anliegen. Es ist nicht zu leugnen, dass sich beide Regeln in der Praxis häufig überschneiden. Es ist indes festzuhalten: Die Bodenschutzklausel als planungsrechtliches Optimierungsgebot verlangt eine möglichst weitgehende Beachtung des Bodenschutzbelangs und ihr ist bei der planerischen Gestaltung besonderes Gewicht beizumessen. In diesem Punkt unterscheidet sie sich grundlegend von der Eingriffsregelung, die zum einfachen Berücksichtigungsgebot gehört. Wie aber dargelegt, kann das naturschutzrechtliche Anliegen nicht einfach „weggewogen“ werden. bb) Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung erfasst die stoffliche Veränderung der Naturgüter wohl nicht, wenn damit eine Veränderung der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen (§ 18 Abs. 1 BNatSchG) nicht verbunden ist – davon ist regelmäßig auszugehen. In der Folge liegt ein Eingriff in Natur und Landschaft bei einem Stoffauftrag oder Stoffeintrag nicht vor. Dieses Ergebnis betrachtet die Literatur als außerordentlich problematisch. Hinzu kommt, dass nach § 18 Abs. 2 BNatSchG die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung nicht als Eingriff anzusehen ist, soweit entsprechende Verrichtungen die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigen. 6. Schutz der natürlichen Bodenfunktionen im Baurecht – Bodenschützende Inhalte der Bauleitpläne a) Die Pflicht zur Aufstellung eines Bauleitplans Zur städtebaulichen Entwicklung und Ordnung hat die Gemeinde erforderlichenfalls Bauleitpläne aufzustellen, § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Den Schutz des Bodens vor Verbrauch mit Hilfe der Bauleitpläne zu betreiben ist deshalb erst dann möglich, wenn überhaupt ein Bauleitplan erforderlich ist. Ferner muss sich mit Hilfe des Bauleitplans eine Freiraumplanung verwirklichen lassen (gemeint ist: es sollen nicht bauliche Vorhaben ermöglicht werden); denn nur dann hat der Flächennutzungsplan bodenschützende Wirkung; es stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit der sog. Negativplanung. aa) § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verpflichtet die Gemeinden, Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Die Planungspflicht ist in zeitlicher und in inhaltlich-quantitativer Hinsicht bestimmt. Sie gilt sowohl für die erstmalige Aufstellung eines Bauleitplans als auch für seine Änderung, Ergänzung und Aufhebung, § 1 Abs. 3, 8 BauGB. Die Planungspflicht besteht im Fall der „Erforderlichkeit“ einer Planung. Von der „Erforderlichkeit“ einer Planung ist auszugehen, wenn die geordnete Entwicklung des Gemeindegebiets ohne Planung nicht gewährleistet erscheint. Dieser Tatbestand

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ist von der planerischen Konzeption der Gemeinde aus zu interpretieren. Das bedeutet: Es ist 1. ein akutes Bedürfnis für die Planung nicht notwendig, eine Baulandausweisung ist nicht deshalb rechtswidrig, weil noch genügend unbebautes Land als Bauland ausgewiesen ist; 2. kann das Vorhandensein von „Erforderlichkeit“ nicht vollinhaltlich gerichtlicher Kontrolle und Letztentscheidung unterliegen. „Erforderlich“ ist kein unbestimmter Rechtsbegriff i.S.d. Allgemeinen Verwaltungsrechts. Die Prüfung – sei es die durch die Aufsichtsbehörde im Rahmen des § 10 BauGB, sei es die durch die Gerichte – sollte zweiphasig ablaufen: Auf der ersten Stufe wird das Gesamtkonzept der Gemeinde unter Anerkennung der gemeindlichen Gestaltungsfreiheit geprüft. Auf der zweiten Stufe wird untersucht, ob die Maßnahme der Bauleitplanung nach dem von der Gemeinde selbst aufgestellten Konzept notwendig ist. bb) In der Fachliteratur finden sich Hinweise, die Bewahrung der gegenwärtigen Flächennutzungssituation, also das Verbot weiterer Versiegelungen und damit Bodenschutz in Vollendung, lasse sich nicht ohne weiteres dem Kriterium gemeindliche Bauleitplanung subsumieren. Ein Bebauungsplan mit ausschließlich negativ ausgestalteten Festsetzungen, folglich ohne positive städtebauliche Zielsetzung (= positive Planungsgesamtkonzeption), sei unzulässig und nichtig. Eine Festsetzung in einem Bebauungsplan, die vorrangig der Verhinderung eines Bauvorhabens dient, kann als sog. Negativplanung nach § 1 Abs. 3 BauGB unzulässig sein. Sie erfüllt diesen Tatbestand aber nicht, wenn sie nicht im Sinne einer Verhinderungsstrategie der Gemeinde vorgenommen wurde – wenn sie also nicht als ein Vorschieben von Gründen mit dem Ziel zu verstehen ist, eine alternative Planungsvorstellung der Gemeinde zu realisieren. Auch für eine an städtebaulichen Nachhaltigkeitskriterien sich orientierende Entwicklung der Gemeinde ist zur Beantwortung der Frage, ob eine Negativplanung vorliegt, die planerische Konzeption der Gemeinde insoweit maßgebend, als sie in ihrer eigentlichen Zielsetzung gewollt und erforderlich ist. Ein Bedürfnis für die Erhaltung des status quo durch Negativplanung besteht erst dann, wenn die Veränderung der Nutzung der freizuhaltenden Fläche(n) einzutreten droht. Dieses ist regelmäßig der Fall, wenn Bauanträge für Grünflächen gestellt werden, die die Gemeinde als Grünfläche erhalten möchte. Eine Negativfestsetzung könnte der Verpflichtung zur positiven Planungsgesamtkonzeption zuwiderlaufen. Im Einzelfall soll ein ausschließlicher Negativplan zulässig sein, etwa im Fall heranrückender Bebauung bzw. der Verhinderung eines Industriegebiets. Gemeindliche Negativplanung umschreibt danach den Erlass eines „Verhinderungsplans“ in dem Sinne, dass die Gemeinde in einem Bebauungsplan bestimmte Vorhaben für unzulässig erklärt und auf diese Weise zur Bewahrung der aktuellen Grundstückssituation beiträgt. Eine zulässige „Verhinderungsplanung“ i.w.S. liegt vor, wenn die Gemeinde einen „Begrünungsplan“ aufstellt; freilich muss auch dieser Plan städtebaulich motiviert sein und darf nicht ausschließlich dem Naturschutz dienen. Was für den Naturschutz gilt, greift in gleicher Weise für den Bodenschutz.

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Ein generelles Verbot negativer Festsetzungen im Bebauungsplanverfahren gibt es nicht. Indes ist die mit der Bauleitplanung verbundene Verhinderungsplanung rechtsfehlerhaft, wenn von vornherein ein nachvollziehbarer Anlass für die Bauleitplanung nicht nur nicht erkennbar ist, sondern sie auch mit einer Planverwirklichungsstrategie des BauGB nicht in Verbindung gebracht zu werden vermag. Ferner liegt ein Fall der Verhinderungsplanung vor, wenn der Plan beispielsweise Flächen für Land- und Forstwirtschaft nicht um sie zu fördern, sondern deshalb festsetzt, um durch das damit bewirkte weitgehende Bauverbot andere Ziele zu erreichen. Ein i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB nicht erforderlicher Plan ist nichtig. cc) Aus alledem ist abzuleiten, dass Bodenschutz durch Bauleitplanung nur i.V.m. anderen städtebaulichen Zielsetzungen zu verwirklichen ist. b) Anknüpfungspunkte für einen bodenschützenden Bauleitplan – Schutz des Bodens vor Verbrauch Der dargelegte Auftrag zum Schutz des Bodens vor Verbrauch kann durch Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleitplänen verwirklicht werden. Die wertenden Bodenschutzaspekte, die vor allem durch die Bodenschutzklausel des § 1a Abs. 2 BauGB Berücksichtigung finden, korrespondieren mit den instrumentellen Aspekten, d. h. Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten in den Bauleitplänen. Allerdings zwingt der Auftrag zum quantitativen Bodenschutz nicht zu einer vollständigen Ausschöpfung der Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten. Die planerische Gestaltungsfreiheit der Gemeinde bleibt in den zuvor dargelegten Grenzen unberührt. Das wichtigste Mittel zum quantitativen Bodenschutz besteht in der Nutzung der Innenentwicklungspotentiale der Gemeinden, wie z. B. Wohnungsbau durch Nachverdichtung bzw. Nutzung von Industriebrachen (Flächenrecycling). Dieses bedeutet allerdings keinen Verzicht auf Neubau, sondern eine Trendwende hin zu einer nachhaltig zukunftsverträglichen Siedlungs- und Wohnungspolitik, bei der der Schwerpunkt auf der klugen Umnutzung des Bestands an Gebäuden, der Wiedernutzung von Industriebrachen und der Bebauung von Restflächen in den Siedlungen liegt. Aus § 1a Abs. 2 BauGB lässt sich der Grundsatz des Vorrangs der Innenentwicklung ableiten. Die planende Gemeinde kann auf die Bodenschutzklausel des § 1a Abs. 1 BauGB verweisen, wenn sie anstelle der Neuausweisung von Bauflächen die innerörtliche Entwicklung nutzt. – Der Grundsatz des Vorrangs der Innenentwicklung in den Gemeinden darf nicht überdehnt werden. In konkreten Fällen können die Möglichkeiten der Innenentwicklung begrenzt sein. Gewerbebrachen größeren Umfangs gibt es nicht überall. Schwierigkeiten bereitet weiterhin die Problematik, dass brachgefallene Gewerbe-, Industrie- und Verkehrsflächen häufig einen Altlastenbefund aufweisen. Die Innenentwicklung muss im Einzelfall auf ihre ökologische und städtebauliche Verträglichkeit hin geprüft werden. – Hinzuweisen ist darauf, dass ein ökologischer Vorteil in der Innenentwicklung nur dann vorliegt, wenn bereits versiegelte Flächen einer neuen Nutzung zugeführt werden sollen, also Neuversiegelungen ent-

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fallen. Der Vorteil fällt weg, wenn anstelle einer Neuversiegelung durch Neuausweisung im Außenbereich eine Neuausweisung im Innenbereich erfolgt. Den Auftrag der §§ 1 Abs. 5 und la Abs. 2 BauGB, bei der Bauleitplanung Aspekte des quantitativen Bodenschutzes zu berücksichtigen, kann die Gemeinde mit Hilfe folgender Darstellungsmöglichkeiten in den Flächennutzungsplänen erfüllen: aa) Nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 BauGB können Grünflächen wie Parkanlagen, Dauerkleingärten, Friedhöfe, Zelt-, Sport-, Spiel- und Badeplätze dargestellt werden. Solche Grünflächen sind in bebaute Gebiete eingegliedert oder ihnen zugeordnet. Es liegt auf der Hand, dass sie wesentlich zum quantitativen Bodenschutz beitragen. bb) Ähnliches gilt für die Darstellung von Flächen für die Landwirtschaft und den Wald nach § 5 Abs. 2 Nrn. 9a, 9b BauGB. Diese Darstellung konkretisiert in erster Linie die Verpflichtung des § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 BauGB, bei der Aufstellung von Bauleitplänen die Belange von Land- und Forstwirtschaft zu beachten. Derartige Flächen sind gegen die genannten Grünflächen nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 BauGB abzugrenzen. Während die Grünflächen nach Nr. 5 vornehmlich dem Schutz von Freiflächen in bebauten Gebieten dienen, kommt den Flächen nach Nr. 9 umfassende Bedeutung für die Erhaltung und Sicherung des Bodens als natürlicher Lebensgrundlage im Außenbereich zu. Die Darstellung von Flächen für die Landwirtschaft und den Wald sichert zwar den Freiraum vor Inanspruchnahme für Verkehrs- und Siedlungsflächen durch den Bebauungsplan. Es ist aber zu beachten, dass die Darstellung von Flächen für die Land- und Forstwirtschaft unmittelbar auf die Förderung dieses Ziels gerichtet sein muss, da es der Darstellung sonst an der städtebaulichen Erforderlichkeit fehlt. Folgerichtig kann die Gemeinde nur dann entsprechende Flächen zum Schutz des Bodens ausweisen, wenn es zumindest auch um die Förderung der Produktionsfunktion des Bodens geht; Ausweisungen ausschließlich für den Schutz der übrigen natürlichen Bodenfunktionen sind unzulässig. cc) Nach § 5 Abs. 2 Nr. 10 BauGB können im Flächennutzungsplan Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft dargestellt werden. Die Gemeinde kann nach vorangegangener Ermittlung und Bewertung des Zustands des Bodens, der Natur und der Landschaft die Fläche, die für boden- und landschaftsschützende Maßnahmen erforderlich ist, ausweisen. Die Vorschrift ermöglicht es den Gemeinden, durch Ausweisung von Freiflächen den Freiflächenverbrauch zu verhindern und frühzeitig Flächen für bodenschützende und landschaftspflegerische Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 Nr. 20, 25 BauGB zu sichern. Dieser Regelung kann der Auftrag entnommen werden, im Rahmen der gemeindeweiten Flächennutzungsplanung verstärkt darauf zu achten, dass sich zusätzliche bauliche Tätigkeit auf eine Nachverdichtung bebauter Bereiche konzentriert, wenn Außenbereichsflächen neuer Bebauung zugeführt werden. Im Hinblick auf den quantitativen Bodenschutz muss die Gemeinde prüfen, inwieweit es unausweichlich ist, neue Flächen für die Siedlungsentwicklung zu beanspruchen, und wie im Bedarfsfall eine möglichst sinnvolle und sparsame Ausweisung der Siedlungsflächen erfolgen kann.

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dd) § 5 Abs. 2a BauGB ermöglicht es, Flächen zum Ausgleich solchen Flächen ganz oder teilweise zuzuordnen, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind. Es findet eine räumliche und zeitliche Entkoppelung des Ausgleichs vom Eingriff statt. Die vorgesehene Zuordnung der Ausgleichs- zu den Eingriffsflächen ist aber nicht als zwingende Regelung ausgestaltet, sondern als Ermächtigung an die Gemeinde; es liegt in ihrem planerischen Ermessen, ob sie eine solche Zuordnung vornimmt oder nicht. Die Vorschrift gestattet es, frühzeitig Flächen für den Ausgleich nach § 9 Abs. 1a BauGB zu sichern. Es kann ein Flächenvorrat geschaffen werden, auf den bei der Aufstellung eines Eingriffsbebauungsplans zurückgegriffen werden kann; zugleich führt die Entkoppelung zur Beschleunigung der Aufstellungsverfahren und zur Preisdämpfung. Die Erleichterung des Ausgleichs kann zum quantitativen Bodenschutz beitragen. ee) Bei der Reduzierung des Flächenverbrauchs mit Hilfe der Bebauungsplanung kommt der Begrenzung des Versiegelungsgrads von Grundstücken die Hauptbedeutung zu. Ihr Versiegelungsgrad lässt sich vor allem mit Festsetzungen des Maßes der baulichen Nutzung, § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, der Bauweise, der überbaubaren und der nicht überbaubaren Grundstücksflächen, § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB, und durch Festsetzungen von Mindest- und Höchstmaßen für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke, § 9 Abs. 1 Nr. 3 BauGB steuern. Das Maß der baulichen Nutzung wird durch die Grundflächenzahl (GRZ) oder Baumassenzahl (BMZ) sowie durch die Größe der Grundfläche der baulichen Anlagen bestimmt, § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO; § 17 BauNVO enthält insoweit Obergrenzen, die grundsätzlich nicht überschritten werden dürfen. Die Vorschrift statuiert für die jeweiligen Baugebiete Maximalwerte der Verdichtung. Wie der Begriff ,,Obergrenze“ in § 17 Abs. 1 BauNVO erkennen lässt, können die Gemeinden bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Bebauungspläne für die einzelnen Baugebiete oder für Teile der Baugebiete auch geringere Grundflächenzahlen festsetzen. Sie haben jedoch das Gebot des sparsamen und schonenden Umgangs mit dem Boden zu beachten. Dadurch kann flächensparendes Bauen ermöglicht werden. § 19 Abs. 4 BauNVO, der die Anrechnung der Nebenanlagen, Gebäudeteile und sonstigen baulichen Anlagen regelt, besitzt einen Bezug zum Bodenschutz. Die Vorschrift dient der Vermeidung einer unvertretbaren Bodenversiegelung. – § 16 BauNVO enthält keine Regel über die genaue Lage der baulichen Anlagen. Die Gemeinde kann die Lage mit Hilfe von Planaussagen bestimmen; es können nach § 23 BauNVO die überbaubaren Grundstücksflächen durch die Festsetzung der Baulinien, Baugrenzen oder der Bebauungstiefe festgelegt werden. Auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen können nach § 23 Abs. 5 BauNVO ,,Nebenanlagen i.S.d. § 14 BauNVO“ oder auch ,,weitere Anlagen nach Landesrecht“ zugelassen werden. Diese Zulässigkeit mit Blick auf die überbaubare Grundfläche kann nach § 14 Abs. 1 Satz 3 BauNVO im Bebauungsplan einschränkt oder ausgeschlossen werden. Auch damit lässt sich indes nicht verhindern, dass die nicht überbaubaren Flächen z. B. gepflastert werden. Um sie von Versiegelung freizuhalten, sind zusätzliche Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB erforderlich. Meist wird es sich dabei um Festsetzungen

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handeln, mit denen das Anpflanzen von Bäumen oder Sträuchern angeordnet wird; bei vorhandenem Bewuchs an Bäumen und Sträuchern können auch Erhaltungsfestsetzungen geboten sein. Im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB ist auf § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB hinzuweisen. Auch nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB können im Bebauungsplan die Flächen bestimmt werden, die von der Bebauung freizuhalten sind. Jedoch sind die Flächen i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB zu unterscheiden von den nicht überbaubaren Grundstücksflächen i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB; diese werden nach § 23 BauNVO durch Baulinien, Baugrenzen und Bebauungstiefen festgesetzt. § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB erfasst daher nur solche Flächen, die innerhalb der festgesetzten Baugebiete liegen und normalerweise bebaut werden könnten, aber für die aus bestimmten städtebaulichen Gründen die Bebauung verhindert werden soll. Eine derartige Festsetzung bedarf eines städtebaulichen Grundes; eine Grünflächenausweisung zum Erhalt des Kleinklimas ist möglich. Die bodenschützende Wirkung des § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB ist somit auf die Funktion des Bodens als Klimastabilisator beschränkt. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 BauGB können für die Größe, Breite und Tiefe des Wohnbaugrundstücks Höchstmaße festgesetzt werden. Damit muss diese Festsetzung aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden gerechtfertigt werden. Eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 BauGB bedarf hierbei einer sorgfältigen Abwägung der im konkreten Fall gegebenen Vor- und Nachteile flächensparenden Bauens; ein sehr sparsamer Flächenverbrauch kann wegen des hohen Versiegelungsgrads nicht bodenschonend sein. In diesem Zusammenhang bleiben unberührt die sich aus § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB ergebenden Verpflichtungen, z. B. die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Regelungen dieser Art lassen sich nicht nur in reinen und allgemeinen Wohngebieten treffen, sondern auch in allen anderen Baugebieten, in denen Wohngebäude generell zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 BauGB können auch Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke festgesetzt werden. Es kann einer zu großen Verdichtung entgegengesteuert werden. Ferner hat die Gemeinde bei einer solchen Festsetzung zu berücksichtigen, welche Größe eines Grundstücks in der Praxis allgemein als angemessen angesehen wird: Je weiter die beabsichtigte Mindestgröße von der Größenvorstellung abweicht, desto detaillierter und gewichtiger müssen die Gründe sein, die für die Festsetzung sprechen. Sie muss insb. aus Gründen des schonenden Umgangs mit Grund und Boden gerechtfertigt sein. c) Anknüpfungspunkte für einen bodenschützenden Bauleitplan – Schutz des Bodens vor Stoffeintrag Die bauplanerischen Instrumente zur Verwirklichung des Schutzes des Bodens vor Stoffeintrag sind begrenzt. Die Steuerungsfunktion der Flächennutzungsplanung kann zum qualitativen Bodenschutz beitragen. Weil Luftverunreinigungen häufig

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Kontaminationen des Bodens hervorrufen, sind auch bauplanerische immissionsschutzbezogene Regelungen als einschlägige Instrumente zu nennen. aa) Der Flächennutzungsplan hat eine doppelte Aufgabe: Er soll im gesamten Gemeindegebiet die städtebauliche Entwicklung und Ordnung lenken und sicherstellen; er bildet deshalb die Basis, aus der die Bebauungspläne abzuleiten sind, § 8 Abs. 2 BauGB. Er hat zweitens die Aufgabe, die Vorgaben der Ziele der Raumordnung aufzunehmen. Seine Aufgabe besteht deshalb in der Umsetzung übergeordneter und der Steuerung nachfolgender Planungen. Im Einzelnen lässt sich feststellen: Mit Blick auf die Steuerung der städtebaulichen Entwicklung hat der Flächennutzungsplan eine Programmierungsfunktion. Diese zeigt sich darin, dass dem Planaufsteller – wie das Gesetz früher sogar ausdrücklich in § 5 Abs. 3 BBauG vorsah – erlaubt ist, im Plan die beabsichtigte zeitliche Reihenfolge für die Verwirklichung der Planung darzustellen. Dadurch wird der statische Charakter des Plans durchbrochen; ihm wird ein stärker entwicklungsplanerischer Charakter verliehen. Mit Blick auf die Umsetzung vorhandener Planungen hat der Flächennutzungsplan eine Programmausfüllungsfunktion. Diese Aufgabe ist indes keine reine Vollzugsaufgabe, sondern der Flächennutzungsplan erfüllt insoweit eine Koordinierungsfunktion; denn die vielfältigen, die Gemeinde betreffenden Planungen werden im Flächennutzungsplan zusammengeführt und, wenn notwendig, miteinander in Einklang gebracht. Darüber hinaus hat er – in Ansehung der Bestimmung von Standorten für Industrieanlagen usw. – eine Allokationsfunktion. Schließlich hat er eine Interpretationsfunktion für den Bürger. Diese Aufgaben des Flächennutzungsplans sind sachlichgegenständlich begrenzt: Die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung ist nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen, § 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Die Planung entsprechend den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde verlangt nicht nur eine optimale Lösung, sondern eine Einbettung des Flächennutzungsplans in die absehbare und gewünschte gemeindliche Entwicklung. Damit ist ein Prozess der Planaufstellung gefordert, „in den sowohl die planerischen Vorstellungen der gemeindlichen Fachbehörden wie auch die politischen Entwicklungsvorstellungen des Rates Eingang finden müssen. Analyse der Lage, Prognose der Entwicklung und Programmierung der anzustrebenden Ziele sind daher zentrale Elemente bei der Aufstellung eines Flächennutzungsplans“. Die Begrenzung der Planung auf die Grundzüge bedeutet eine Bereichs- und Entwicklungscharakterisierung, nicht aber eine exakte Grenzziehung im Hinblick auf die beabsichtigte Art der Bodennutzung. Detailprobleme sind im Flächennutzungsplan nicht zu lösen. Der Flächennutzungsplan enthält nach alledem die wesentlichen Strukturentscheidungen für die Nutzung des Gemeindegebiets. Auf seiner Ebene fällt eine Vorentscheidung darüber, ob wertvolle Bodenfunktionen durch die Planung beeinträchtigt werden. Insb. weil der Flächennutzungsplan die grundsätzliche Konzeption für die weitere Stadtentwicklung enthält, kann er unter bodenschutzrelevanten Gesichtspunkten ein Mittel sein, den Boden vor Schadstoffeintrag zu schützen. Die planende Gemeinde kann Gebiete, die für immissionsträchtige Nutzungen vorgesehen sind, so

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planen, dass nach Möglichkeit Gebiete mit wertvollen Böden geschont werden. Insoweit kommt es insb. auf die räumliche Zuordnung von Verkehrstrassen und Industrie- sowie Gewerbegebieten zu Gebieten mit wertvollen Böden im Gemeindegebiet an. Vor allem in der Flächennutzungsplanung kann die Gemeinde das Ziel verfolgen, immissionsträchtige Nutzungen so zu platzieren, dass, etwa als Folge der vorherrschenden Windrichtung, von den Immissionen Bereiche mit wertvollen Böden verschont bleiben. Die Literatur sieht nach alledem die Möglichkeit, wertvolle Böden zu schützen. I.S.d. Sprachgebrauchs dieser Untersuchung sind wertvolle Böden solche mit besonders hoher Funktionserfüllung. Die Darstellung des Gebiets mit einem Boden besonders hoher Funktionserfüllung in einem Flächennutzungsplan steht dem Verbrauch des Bodens wegen § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB entgegen; dadurch ist zumindest ein relativer Schutz dieses Bodens erreicht. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 6 BauGB können im Flächennutzungsplan Flächen für Nutzungsbeschränkungen oder für Vorkehrungen zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. BImSchG dargestellt werden. Diese Vorschrift stellt der Gemeinde zur Vermeidung – bei Neuplanungen – oder zur Minderung – bei Umplanung – einander beeinträchtigender Nutzungen (Gemengelagen) folgende Darstellungen zur Verfügung: 1. Flächen für Nutzungsbeschränkungen, 2. Flächen für Vorkehrungen zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen und 3. Flächen für Nutzungsbeschränkungen und/oder Vorkehrungen zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen. Ferner ist hier der nicht abschließende Katalog des § 5 Abs. 2 Nrn. 1 – 10 BauGB zu erwähnen. In Verbindung mit der immer weiter gewachsenen Bedeutung des Bauplanungsrechts für den Umweltschutz sind Darstellungen entsprechend § 5 Abs. 2 Nr. 6 BauGB dahingehend ergänzend zu interpretieren, dass sie auch über die gesetzlich vorgesehene Beschränkung auf die Voraussetzungen des BImSchG hinausgehen können. Denkbar ist beispielsweise die Darstellungsmöglichkeit „Flächen mit landwirtschaftlicher Nutzung und besonderer Bodengüte, die von anderen Nutzungen freigehalten werden sollen“. Mit dieser Ausweisung kann die Gemeinde bauplanungsrechtlich das Problem des qualitativen Bodenschutzes angehen; sie kann Böden besonders hoher Funktionserfüllung schützen. bb) Die Gemeinde kann im Bebauungsplan durch Festsetzungen von Verbrennungsverboten, Verwendungsbeschränkungen für luftverunreinigende Stoffe i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 23 BauGB oder/und immissionsschutzbezogene Festsetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB einem Schadstoffeintrag begegnen und damit mittelbar den qualitativen Bodenschutz sichern.

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Nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 BauGB kann die Gemeinde Gebiete festsetzen, in denen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.d. BImSchG bestimmte luftverunreinigende Stoffe nicht verwendet werden dürfen (Verwendungsverbot) oder nur eingeschränkt verwendet werden können (Verwendungsbeschränkung). Verwendungsverbote oder Beschränkungen dienen dem örtlichen Immissionsschutz, indem sie den Einsatz emissionsintensiver Brenn- oder Produktionsstoffe regulieren. Freilich darf das Instrument nicht zum Umweltschutz allgemein, nicht etwa dazu eingesetzt werden, um die mit den Emissionen von Großkraftwerken verbundenen Umweltbelastungen zu reduzieren. Die Vorschrift zielt vornehmlich darauf ab, im Bebauungsplan die Verwendung bestimmter Heizstoffe wie z. B. Kohle, Heizöl zu verbieten und die Anwendung des Stands der Technik zur Wärmeversorgung zu fördern. Sie darf nicht missbräuchlich zugunsten bestimmter Energieträger bei der Gebäudeheizung zum Einsatz gelangen. Sie kann ferner zum Schutz außerhalb des Verbotsgebiets befindlicher Liegenschaften eingesetzt werden, soweit dort Emissionseinwirkungen in messbaren Größen zu konstatieren sind. Die Festsetzungen müssen hinreichend bestimmt sein; Bürger und Behörden müssen dem Plan entnehmen können, welche Stoffe in Betracht kommen und welche Vorkehrungen zu treffen sind. Die in der alten Fassung des BauGB anerkannte Festsetzungsmöglichkeit „aus besonderen städtebaulichen Gründen“ fehlt in der neuen Fassung. Dieses Entfallen steht im Zusammenhang damit, dass die Wörter „aus städtebaulichen Gründen“ in die Eingangsformulierung des § 9 Abs. 1 BauGB eingefügt wurden. Bei dieser Ergänzung handelt es sich um eine Klarstellung, die als notwendig angesehen wurde, um ungewollte und weder mit § 1 BauGB noch mit dem enumerativen Festsetzungskatalog des § 9 Abs. 1 BauGB vereinbare Festsetzungspraktiken zu vermeiden. Nunmehr setzen Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 BauGB auf den Immissionsschutz bezogene spezielle städtebauliche Gründe voraus. Anwendungsbeispiel ist der Schutz von besonders benachteiligten Gebieten, wie Hanglagen und Tallagen, die etwa eine Freihaltung der Frischluftschneisen von zusätzlichen Emissionsquellen benötigen. Auch Bodenschutzaspekte können besondere städtebauliche Gründe sein, wenn die Festsetzung etwa dazu dient, besonders empfindliche Bodenfunktionen vor Schadstoffeintrag zu schützen. Die Festsetzungsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 BauGB soll vorbeugenden Umweltschutz ermöglichen. Es ist nicht notwendig, dass unzumutbare Verhältnisse bereits vorliegen. Die Gemeinde darf ihre Bauleitplanung darauf ausrichten, derartige Verhältnisse nicht entstehen zu lassen. Die Festsetzungen sind somit auch dann zulässig, wenn im Gemeindegebiet die Schädlichkeitsgrenze des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG noch nicht überschritten wird. Voraussetzung ist allerdings ein örtlicher Bezug einer solchen den vorbeugenden Umweltschutz mit einbeziehenden planerischen Zielsetzung. Diese Festsetzungsmöglichkeiten können nach alledem dazu dienen, den Schadstoffeintrag in den Boden zu verhindern.

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§ 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB ermöglicht es, spezielle Festsetzungen zum Schutz vor Immissionen zu treffen. Die Vorschrift enthält folgende Festsetzungsmöglichkeiten: 1. Festsetzung von der Bebauung freizuhaltender Schutzflächen und ihrer Nutzung (erste Möglichkeit), 2. Festsetzung von Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.d. BImSchG (zweite Möglichkeit) und 3. Festsetzung baulicher oder sonstiger technischer Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen (dritte Möglichkeit). Als erste Möglichkeit – von der Bebauung freizuhaltende Schutzflächen – kommen Flächen in der unmittelbaren – gefährdeten – Umgebung von stark emittierenden oder explosionsgefährdeten Anlagen in Betracht. Der Bebauungsplan kann für diese Flächen eine zulässige nicht-bauliche Nutzung festsetzen. Dazu gehören Wald, Landwirtschaft, Wasserfläche, Aufschüttung, Abgrabung und auch das Anpflanzen von Bäumen und Sträuchern nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB. Zweitens können Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.d. BImSchG festgesetzt werden; diese Möglichkeit unterscheidet zwischen Flächen für besondere Anlagen und solchen für Schutzvorkehrungen. Bei den „besonderen Anlagen“ handelt es sich um bauliche Anlagen. Der Begriff „Vorkehrungen zum Schutz vor Emissionen“ ist weiter. Ihm sind alle sonstigen Einrichtungen und Maßnahmen zuzuordnen, die dem Immissionsschutz dienen. Die Schutzvorkehrungen hier sind allerdings flächenbezogen festzusetzen. Da diese Schutzvorkehrungen einen selbständigen Charakter haben müssen, werden hiervon nicht-bauliche Anlagen erfasst. Schließlich können drittens Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen festgesetzt werden, die von den Vorkehrungen der zweiten Möglichkeit zu unterscheiden sind. Erfasst sind bauliche Vorkehrungen an den emittierenden Anlagen selbst oder Vorkehrungen an den von den Immissionen betroffenen Anlagen wie z. B. Wohngebäuden. Nicht mehr zulässig ist die Festsetzung von Emissions- oder Immissionsgrenzwerten, obwohl sie gerade für die räumliche Planung in Betracht kommen, weil sie dem Investor Spielraum in der baulichen und technischen Auslegung lassen und für Änderungen und Anpassungen an den Stand der Technik offener sind. Diese drei Festsetzungsmöglichkeiten gestatten es, den Schutz des Bodens vor Schadstoffeintrag als Ziel zu verfolgen. Erforderlich ist, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 BauGB erfüllt sind. Es ist nicht zu leugnen, dass die Möglichkeiten der Gemeinden, vorsorgeorientierte Bodenschutzpolitik durch immissionsschutzrelevante Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB zu treffen, in der Praxis begrenzt sind. Qualitativer Bodenschutz durch derartige Regelungen wirkt mittelbar.

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7. Schutz der natürlichen Bodenfunktionen im Außenbereich Den Freiflächenschutz im Außenbereich hat das BauGB mit der Einführung einer eigenständigen Bodenschutzklausel in § 35 Abs. 5 Satz 1 aufgewertet. Diese Klausel korrespondiert mit der Bodenschutzklausel des § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB. § 35 Abs. 5 Satz 1 BauGB legt fest, dass zulässige Vorhaben „in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung in einer auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise“ auszuführen sind. Ergänzt wird die Bodenschutzklausel durch die Verpflichtung der Gemeinde nach § 35 Abs. 4 Nr. 1 lit. g BauGB, keine Neubebauung als Ersatz für aufgegebene Nutzung vorzunehmen. Der Bauherr ist nach der Bodenschutzklausel zu einer flächensparenden Bauweise verpflichtet. Das Gebot, den Außenbereich zu schonen, darf durch die Verwirklichung eines Vorhabens nicht in unangemessener Weise berührt werden. Ferner muss er nach § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB eine Erklärung abgeben, in der er sich verpflichtet, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und die Bodenversiegelung zu beseitigen. Die Bedeutung der Bodenschutzklausel im Außenbereich wird erstens relativiert durch die Erkenntnis, dass sie ein Bauverbot im Außenbereich nicht enthält. Es gilt zweitens: Je mehr Möglichkeiten, im Außenbereich zu bauen, der Gesetzgeber einräumt, z. B. durch ständige Erweiterung des in § 35 Abs. 1 BauGB enthaltenen Katalogs, desto größer wird die Bedeutung der Klausel, weil die Zahl der Vorhaben, auf deren Ausführung sie Einfluss nimmt, steigt. Dieser „Sieg“ ist indes nur ein scheinbarer: Denn gleichzeitig nimmt der Freiflächenverbrauch zu. Die Bodenschutzklausel bewirkt im Außenbereich deshalb quantitativen Bodenschutz nicht – im Gegenteil: Ihre Anwendbarkeit setzt den Freiflächenverbrauch voraus. Ferner sind, worauf Kloepfer in diesem Zusammenhang mit Recht hinweist, einige das Bauen im Außenbereich materiell erleichternde Vorschriften außerhalb des eben erwähnten Katalogs in § 35 enthalten. Diese Regeln können den Freiflächenschutz im Einzelfall unterlaufen: Beispielsweise sei darauf hingewiesen, dass § 35 Abs. 5 Satz 1 BauGB lediglich eine Grundlage für Modifikationen oder Nebenbestimmungen enthält. Deswegen ist Absatz 5 Satz 1 nicht als abschließende Normierung eines Gebots der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs anzusehen. Ferner können nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB bebaute Bereiche im Außenbereich durch Satzung als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festgelegt werden, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Bauflächen ausgewiesen sind (sog. Entwicklungssatzungen); es genügt eine Splittersiedlung. Die Möglichkeit, diese zu einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil zu erklären, erleichtert die Bebaubarkeit und es wächst die Gefahr des Freiraumverbrauchs. Ebenfalls lässt die Möglichkeit, Ergänzungssatzungen nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB zu erlassen, die Zunahme des Bodenverbrauchs befürchten.

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Das Gleiche gilt für § 35 Abs. 6 BauGB. Zu einem vermehrten Flächenverbrauch dürften auch die Regeln des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 2, 5 und 6 BauGB über begünstigte Vorhaben im Außenbereich führen. Alles in allem lässt sich festhalten, dass das BauGB Rechtsansprüche für die Genehmigung von Einzelvorhaben im Außenbereich (privilegierte Vorhaben) geschaffen hat, die unabhängig vom politischen Willen des jeweiligen Trägers der Bauleitplanung langfristig den Landverbrauch steigern dürften. Das bodenschützende Gebot des § 35 Abs. 5 BauGB wirkt dem nicht wirklich entgegen. Es wirkt nicht einmal als Trostpflaster. 8. Schutz der natürlichen Bodenfunktionen im Naturschutzrecht a) Europäisches Naturschutzrecht aa) Soweit europarechtliche Vorgaben für das nationale Recht existieren, sollen sie i.F. vorgestellt werden. Der Umfang der Vorstellung ist abhängig von der Rechtsnatur des einschlägigen Europarechts. (1) Das europäische Naturschutzrecht findet sich in der VogelschutzRL sowie in der FFH-RL. Es ist durch § 1a Abs. 4 BauGB erfasst. Mit Blick auf die Erhaltungsziele bzw. den Schutzzweck sind im Fall ihrer erheblichen Beeinträchtigung bestimmte Vorschriften des BNatSchG anzuwenden. Es interessieren i.F. ausschließlich die in den RLn entwickelten Schutzgebietskonzepte. Die RLn sind in Deutschland durch Bundes- und Landesrecht umgesetzt. Relevant sind die §§ 32 – 38 BNatSchG, insb. § 33 Abs. 2, 3 BNatSchG i.V.m. Schutzgebietsausweisungen nach dem Naturschutzrecht der Länder. (2) Für die VogelschutzRL lässt sich festhalten: Sie zielt nach Art. 1 darauf ab, sämtliche wild lebenden Vogelarten, die im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten heimisch sind, einschließlich ihrer Eier, Nester und Lebensräume, zu schützen, zu bewirtschaften und zu regulieren sowie die Nutzung dieser Arten zu regeln. Zu diesem Zweck haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zur Ausweisung von Schutzgebieten zu treffen sowie Maßnahmen zum Erhalt, zur Pflege, zur Wiederherstellung und zur Schaffung von Lebensräumen, Art. 3 i.V.m. Art. 2. (3) Für die FFH-RL lässt sich festhalten: Sie regelt nach Art. 3 – 11 den Schutz des Lebensraums. Ihr Hauptkonzept ist die Flächenbewirtschaftung. Es geht um die Schaffung eines kohärenten europäischen Netzes von Schutzgebieten mit der Bezeichnung „Natura 2000“ zur Erhaltung der biologischen Vielfalt. Das Netz Natura 2000 soll aus natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs 1 sowie Habitaten der Arten des Anhangs II bestehen, Art. 3 Abs. 1. bb) Vogelschutz- und FFH-Gebiete bedeuten Flächenschutz. Es gibt aber keine Differenzierung nach „einfachem“ Bodenschutz und „Böden mit besonders hoher

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Funktionserfüllung“. Diese ist für Böden mit natürlicher Vegetation zu verzeichnen; die RLn enthalten spezielle Kriterien für Ausweisungen. b) Nationales Naturschutzrecht – Der Schutz des Bodens vor Verbrauch aa) Der Landschaftsplan, obwohl keine Schutzgebietskategorie, ist in diesem Zusammenhang bedeutungsvoll, wenn in ihm – letztlich verbindlich – Flächenschutz angeordnet werden kann. Nach § 14 BNatSchG können in Landschaftsplänen Angaben enthalten sein über 1. den vorhandenen und den zu erwartenden Zustand von Natur und Landschaft, 2. die konkretisierten Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege, 3. die Beurteilung des vorhandenen und zu erwartenden Zustands von Natur und Landschaft nach Maßgabe dieser Ziele und Grundsätze, einschließlich der sich daraus ergebenden Konflikte, 4. die Erfordernisse und Maßnahmen a) zur Vermeidung, Minderung oder Beseitigung von Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft, b) zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung bestimmter Teile von Natur und Landschaft i.S.d. Abschnitts vier sowie der Biotope und Lebensgemeinschaften der Tiere und Pflanzen wild lebender Arten, c) auf Flächen, die wegen ihres Zustands, ihrer Lage oder ihrer natürlichen Entwicklungsmöglichkeiten für künftige Maßnahmen des Naturschutzes oder der Landschaftspflege oder zum Aufbau eines Biotopverbunds besonders geeignet sind, d) zum Aufbau und Schutz des Europäischen ökologischen Netzes „Natura 2000“, e) zum Schutz, zur Verbesserung der Qualität und zur Regeneration von Böden, Gewässern, Luft und Klima, f) zur Erhaltung und Entwicklung von Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft, auch als Erlebnis- und Erholungsraum des Menschen. Zumindest nach Ziff. 4 lit. e ist flächenhafter Bodenschutz – nur darum geht es in diesem Abschnitt – möglich. Die Landschaftsplanung ist für die Bauleitplanung verbindlich, wenn sie Bestandteil des Bauleitplans wird – ihre Aussagen also nicht im Rahmen der Abwägung „weggewogen“ werden.

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Nach dem BauGB ist eine flächenhafte Integration des Landschaftsplans in den Flächennutzungsplan möglich nach § 5 Abs. 2 Nrn. 5, 6, 9 und 10 BauGB, in den Bebauungsplan nach § 9 Abs. 1 Nrn. 15, 16, 18b, 20, 22 und 25 BauGB. Beispiele für flächenbezogenen Schutz sind: Renaturierung eines Bachlaufs, Pflanzen eines natürlichen Waldsaums, Gewässerrandstreifen mit Bewirtschaftungsverbot, Anlegen einer Streuobstwiese mit Pflegemaßnahmen, Pflege- und Ersatzmaßnahmen zur Entwicklung eines Landschaftsschutzgebiets. bb) Sich den Schutzgebietskategorien in diesem Zusammenhang zuzuwenden, ist deshalb bedeutungsvoll, weil mit ihnen ein Schutz des Bodens vor Verbrauch verbunden sein kann. Die sieben in § 22 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG genannten Schutzgebietsarten differieren indes nach Zielsetzung und Schutzintensität. Von ihnen sind die Naturdenkmale und die geschützten Landschaftsbestandteile nur von geringem Interesse, weil es sich im Wesentlichen um vor Beseitigung geschützte Einzelelemente in der Natur handelt, die einen flächenhaften Schutz des Bodens vor Verbrauch nicht zu bieten vermögen. (1) Für das Naturschutzgebiet ist festzuhalten: Ein Naturschutzgebiet nach § 23 Abs. 1 BNatSchG ist ein rechtsverbindlich festgesetztes Gebiet, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit (Vollnaturschutz) oder in einzelnen Teilen (Teilnaturschutz) 1. zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung von Biotopen oder Lebensgemeinschaften bestimmter wild lebender Tierund Pflanzenarten, 2. aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder 3. wegen ihrer Seltenheit, besonderen Eigenart oder hervorragenden Schönheit erforderlich ist. Ein Naturschutzgebiet kennzeichnet grundsätzlich ein absolutes Veränderungsverbot, § 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG. Nach Wortlaut und Sinn der Vorschrift gilt das Verbot nicht nur innerhalb des Schutzgebiets, sondern auch für Handlungen, die von außerhalb in das Schutzgebiet hineinwirken und es nachhaltig stören, verändern, beschädigen oder zerstören. Für die Schutzwirkung ist zwischen Vollnaturschutzgebieten, die gänzlich frei von menschlichen Einwirkungen bleiben sollen, und Teilnaturschutzgebieten, in denen eine Betätigung des Menschen im Rahmen des Schutzzweckes möglich oder sogar (als Pflege) geboten sein kann, zu unterscheiden. Es liegt auf der Hand, dass das Naturschutzgebiet für den flächenhaften Bodenschutz in besonders gut geeigneter Weise geeignet ist. In der Literatur wird mit Recht festgestellt, es sei angesichts des Gesetzeswortlauts überraschend, dass selbst in den am strengsten geschützten Gebieten der Bundesrepublik vielfach Nutzungen anzutreffen sind, die den Schutzzweck erheblich gefährden oder sogar zunichte machen: Erholungsverkehr, Jagd, Fischerei, aber auch Straßenbauten. Die wohl wesentliche Ursache für den schleichenden Verlust / die zuvor beschriebene Differenz bilden Regeln der Landesgesetze, die für Naturschutzgebiete selbst schutzgebietswidrige Handlungen als genehmigungsfähig erklären, wenn die Schutz-

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gebietsVO einen entsprechenden Genehmigungsvorbehalt vorsieht. Ferner wird die in § 23 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG wohl als Regelfall betrachtete Möglichkeit nicht genügend genutzt, der Allgemeinheit den Zugang zu Naturschutzgebieten zu verweigern. Besonders bedeutungsvoll sind schließlich Einwirkungen von außerhalb des Schutzgebiets; es erscheint wenig sinnvoll, ein Naturschutzgebiet inmitten landwirtschaftlich intensiv genutzter Flächen (Dünger und Pestizide) auszuweisen. Mit Blick auf den Schutz des Bodens vor Versiegelung ist die Errichtung eines Naturschutzgebiets nur dann sinnvoll, wenn die VO zur Ausweisung des Schutzgebiets Vorbehalte zugunsten schutzgebietswidriger Handlungen, speziell Baumöglichkeiten, nicht enthält. (2) Für den Nationalpark ist festzuhalten: Der Nationalpark nach 24 BNatSchG entspricht hinsichtlich Gegenstand, Zweck und Mitteln grundsätzlich einem Naturschutzgebiet. Sein überwiegender Teil muss Naturschutzgebietscharakter haben und dementsprechend schutzwürdig sein. Da die Kernzonen des Nationalparks wie ein Naturschutzgebiet zu schützen sind, gilt die zuvor gemachte Aussage: Mit Blick auf den Schutz des Bodens vor Versiegelung ist die Errichtung eines Naturschutzgebiets nur dann sinnvoll, wenn die VO zur Ausweisung des Schutzgebiets Vorbehalte zugunsten schutzgebietswidriger Handlungen, speziell Baumöglichkeiten, nicht enthält. (3) Für das Biosphärenreservat ist festzuhalten: Ein Biosphärenreservat ist nach § 25 BNatSchG eine großräumige Landschaft, die durch reiche Naturausstattung und wichtige Beispiele einer landschaftsverträglichen Nutzung eine überregionale Bedeutung besitzt und die in wesentlichen Teilen die Voraussetzungen eines Naturschutzgebiets, im Übrigen überwiegend die eines Landschaftsschutzgebiets erfüllt. Biosphärenreservate sind mit ihren Zonen unterschiedlicher Schutzintensität als repräsentative Modelllandschaften zu verstehen; in ihnen sollen durch bewusst gesetzte und experimentell verbesserte Rahmenbedingungen sozial und wirtschaftlich tragfähige Modelle eines schonenden Umgangs mit der Natur entwickelt werden. Hierzu können auch und gerade Kulturlandschaften zählen. Biosphärenreservate erfahren Schutz in Abhängigkeit vom Landesrecht entweder wie Naturschutzgebiete oder wie Landschaftsschutzgebiete, § 25 Abs. 2 BNatSchG. Nach § 22 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG können die Länder für die Biosphärenreservate abweichende Vorschriften treffen. Wenn das Biosphärenreservat als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist, gilt das gerade zuvor Erarbeitete für den Schutz des Bodens vor Versiegelung. Zu den Landschaftsschutzgebieten wird i.F. eine Aussage erarbeitet. Wenn die Länder wie z. B. Brandenburg den Schutz abweichend normiert haben, ist eine Aussage zum Schutz des Bodens nicht möglich. (4) Für das Landschaftsschutzgebiet ist festzuhalten: Ein gegenüber Naturschutzgebieten und Nationalparken wesentlich abgeschwächter Flächenschutz besteht in den Landschaftsschutzgebieten nach § 26 BNatSchG. Landschaftsschutzgebiete

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werden festgesetzt 1. zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, 2. wegen der Vielfalt, Eigenart oder Schönheit oder der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der Landschaft oder 3. wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Erholung. Landschaftsschutzgebiete werden regelmäßig ausgewiesen, um ein schützenswertes Gebiet vor unerwünschten Veränderungen zu bewahren. In ihnen sind grundsätzlich alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen, § 26 Abs. 2 BNatSchG. Das Gesetz formuliert ein relatives Veränderungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt. Deshalb eignen sich Landschaftsschutzgebiete besonders zur Steuerung der baulichen Entwicklung, weil sie auch privilegierte Außenbereichsvorhaben i.S.v. § 35 BauGB ausschließen können. Die Verbote bzw. Erlaubnisvorbehalte ergeben sich aus den jeweiligen Gebietserklärungen. Generell zulässig ist in Landschaftsschutzgebieten die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzung nach § 5 Abs. 1 BNatSchG, § 26 Abs. 2 BNatSchG. Für den Schutz des Bodens vor Verbrauch ist die Ausweisung eines Gebiets als Landschaftsschutzgebiet geeignet. Für den konkreten Schutzumfang ist die Aussage der SchutzgebietsVO relevant. (5) Für den Naturpark ist festzuhalten: Ein Naturparke ist nach § 27 BNatSchG ein 1. großräumiges Gebiet, welches 2. überwiegend als Landschaftsschutzgebiet oder Naturschutzgebiet ausgewiesen ist, und das sich 3. wegen seiner landschaftlichen Voraussetzungen für die Erholung besonders eignet und landschaftsplanerisch für Erholung und nachhaltigen Tourismus vorgesehen ist; ferner formuliert das Gesetz weitere hier nicht interessierende Voraussetzungen. Da Naturparks entweder Landschaftsschutzgebiete oder Naturschutzgebiete sind, richtet sich der Schutz des Bodens vor Versiegelung nach den zu diesen Gebietskategorien getroffenen Feststellungen. c) Der Schutz des Bodens vor Stoffeintrag durch Naturschutzrecht Schutz des Bodens vor Stoffeintrag ist im Rahmen der Landschaftsplanung möglich nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4e BNatSchG; Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität von Böden sind in Landschaftsplänen zulässig. Solche Maßnahmen können Aufbringungsverbote von Dünge- und Pflanzenschutzmittel sein. In den nach deutschem Recht ausgewiesenen Schutzgebieten (dazu zählen auch die „europäischen“ Schutzgebiete; denn sie werden erst durch deutsches Recht zu einem Schutzgebiet) wird der Schutz des Bodens vor Stoffeintrag durch das spezialgesetzlich Geforderte geleistet. Wenn ferner das Betreiben von Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft in den Schutzgebieten nicht oder nur beschränkt zulässig ist, sind die in den Schutzgebietsausweisungen getroffenen Auflagen zu beachten. Da diese

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sich unter anderem auch auf den Einsatz von Düngemittel und Pflanzenschutzmittel beziehen, ist ein zweiter Ansatzpunkt zum Schutz des Bodens vor Stoffeintrag in Schutzgebieten vorhanden. Weiteren Schutzmöglichkeiten steht § 18 BNatSchG entgegen: Die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung ist nicht als Eingriff in Natur und Landschaft anzusehen, soweit dabei die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werden. Die den in § 5 Abs. 4 – 6 BNatSchG genannten Anforderungen sowie den Regeln der guten fachlichen Praxis, die sich aus dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft und § 17 Abs. 2 BBodSchG ergeben, entsprechende land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung widerspricht in der Regel nicht den in Satz 1 genannten Zielen und Grundsätzen. In der Folge erscheint es praktisch nicht möglich, im Normalfall mit Hilfe des Naturschutzrechts einen über das zuvor erwähnte hinausgehenden Schutz des Bodens vor Stoffeintrag zu betreiben. 9. Schutz der natürlichen Bodenfunktionen im Wasserhaushaltsrecht Der Schutz des Bodens vor Verbrauch und vor Stoffeintrag nach den Normen des WHG ist denkbar durch Ausweisung von Wasserschutzgebieten und Hochwasserschutzgebieten. a) Das Recht des Wasserschutzgebiets – Der Schutz des Bodens vor Verbrauch aa) Nach § 19 WHG können Wasserschutzgebiete aus drei Gründen festgesetzt werden: um 1. Gewässer im Interesse der derzeit bestehenden oder künftigen öffentlichen Wasserversorgung vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen (Nr. 1), 2. das Grundwasser anzureichern (Nr. 2) oder 3. das schädliche Abfließen von Niederschlagswasser sowie das Abschwemmen und den Eintrag von Bodenbestandteilen, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln in Gewässer zu verhüten (Nr. 3). Nur die Festsetzung im Interesse der öffentlichen Wasserversorgung nach Nr. 1 hat bisher praktische Bedeutung erlangt. Diese Vorschrift gestattet es, sämtliche Gewässer i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 WHG unter Schutz zu stellen, die für die Trinkwassergewinnung genutzt werden oder hierfür in Frage kommen. Das für das Gewässerschutzgebiet auszuweisende Gebiet soll neben der unmittelbaren Umgebung der Wassergewinnungsanlage möglichst deren gesamtes Einzugsgebiet umfassen. Die Einbeziehung jedes einzelnen Grundstücks muss ausschließlich dem Schutz der öffentlichen Wasserversorgung dienen. Unzulässig sind nicht durch hydro-, hydrogeo- und morphologische Befunde gerechtfertigte Schutzgebietsfestsetzungen.

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bb) Das WHG klärt die Rechtsform der Schutzgebietsfestsetzung nicht ausdrücklich. Wegen der einer Schutzgebietsfestsetzung beigemessenen komplexen Rechtswirkungen kann diese wirksam nur durch einen abstrakt-generelle Außenverbindlichkeit entfaltenden Rechtssatz erfolgen. Alle Landeswassergesetze folgen der materiellen Vorgabe des Bundesrechts und regeln die Festsetzung der Wasserschutzgebiete durch RechtsVO. cc) Geschützt werden kann das Gewässer nach Nr. 1 vor sämtlichen nachteiligen Einwirkungen. Hierzu gehört prinzipiell jede Maßnahme mit negativen Auswirkungen auf die Beschaffenheit und Menge des Wassers. Dazu zählt auch die Versiegelung des Bodens, weil sie den Bodenwasserhaushalt verändert und damit die Menge des förderfähigen Trinkwassers reduziert. Der Schutz vor diesen nachteiligen Auswirkungen muss vernünftigerweise geboten sein, um Beeinträchtigungen der Eignung des in Anspruch genommenen (Grund-)Wassers für Trinkwasserzwecke zu vermeiden und entsprechende Restrisiken weiter zu vermindern. Dies kann auch der Fall sein, wenn dieses Ziel mit der Festsetzung nicht voll erreichbar ist, mit ihr aber immerhin ein spürbarer Beitrag dazu geleistet zu werden vermag. Ferner kommt der Ausweisungsgrund „Anreicherung des Grundwassers“ nach Nr. 2 in Betracht. Es soll ermöglicht werden, dem Grundwasser über natürlich filternde Bodenschichten (oder künstliche Vorrichtungen, z. B. Versickerungsgräben, Versickerungsbecken oder Schluckbrunnen) geleitetes Oberflächenwasser zuzuführen, um einen befürchteten Grundwasserschwund zu verhindern oder um einen bereits eingetretenen zu beseitigen. Hiermit wird quantitativen Grundwasserproblemen entgegengewirkt, die zur Verbesserung der wasserwirtschaftlichen Verhältnisse etwa im Interesse der öffentlichen Wasserversorgung erforderlich sind. Bodenversiegelungen sind insoweit kontraproduktiv. Andere Ziele, wie etwa die Steigerung der Bodenfruchtbarkeit, die Bewahrung bestimmter Flächen vor der Versteppung oder die Vermeidung von Bodenerosion können zwar durchaus willkommene Nebenwirkungen sein, dürfen aber nicht zur eigentlichen Begründung für die Ausweisung herangezogen werden. § 19 Abs. 1 Nr. 3 WHG lässt schließlich die Festsetzung von Wasserschutzgebieten zu, um das schädliche Abfließen von Niederschlagswasser sowie das Abschwemmen und den Eintrag von Bodenbestandteilen, Dünge- oder Pflanzenbehandlungsmitteln in Gewässer zu verhüten. Für das schädliche Abfließen von Niederschlagswasser lässt sich feststellen: Der Begriff Niederschlagswasser erfasst Regen und Tau sowie geschmolzenen Schnee und aufgetautes Eis, solange dieses Wasser nicht in den Boden eingedrungen und zu Grundwasser oder in einem Bett gefasst Teil eines oberirdischen Gewässers geworden ist. Schädlich fließt das Niederschlagswasser ab, wenn es den Wasserhaushalt beeinträchtigt. Das ist, soweit hier von Interesse, mit Blick auf das Grundwasser der Fall, wenn das Abfließen des Wassers zu Bodenerosionen führt und das Grundwasser freilegt (Abtragen der Grundwasserdeckschicht). Die Verhinderung der Bodenerosion kann nach alledem durch die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets erreicht werden.

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Für das Abschwemmen von Bodenbestandteilen lässt sich festhalten: Es ist gestattet, ein Wasserschutzgebiet festzusetzen, um zu verhüten, dass Bodenbestandteile in Oberflächengewässer abgeschwemmt werden. Auch in diesem Fall kann die Verhinderung der Bodenerosion durch die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets erreicht werden. dd) Mit Ausnahme des Landeswassergesetzes Baden-Württembergs bestimmen alle Landeswassergesetze, dass Wasserschutzgebiete in Zonen eingeteilt werden können, in denen unterschiedliche Schutzanordnungen gelten. Die Zonen sind in der RechtsVO festzulegen. Bei Schutzgebieten für das Grundwasser ist eine Einteilung in drei Schutzzonen – die weitere und engere Schutzzone sowie die Fassungszone – üblich. Grundsätzlich werden die einzelnen Schutzzonen eines Trinkwasserschutzgebiets entsprechend der bei ihnen von außen (Zone III) nach innen (Zonen II, I) zunehmenden Schutzintensität eingeteilt. Die weitere Schutzzone (Zone III) bezweckt den Schutz vor weitreichenden Beeinträchtigungen, insb. vor nicht oder nur schwer abbaubaren chemischen oder radioaktiven Verunreinigungen, die geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu schädigen. Zum Schutz des Grundwassers soll die Zone III grundsätzlich bis zur Grenze des unterirdischen Einzugsgebiets reichen. Um Schutzlücken für das Grundwasservorkommen auszuschließen, können zusätzlich die oberirdisch von außerhalb in dieses Gebiet hinein entwässernden Flächen einbezogen werden. In begründeten Fällen ist eine Unterteilung der Zone III in die Zonen III A und III B unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Wasserdurchlässigkeit bei Poren-, Kluft- und Karstgrundwasserleitungen möglich. Diese differenzierte Betrachtungsweise erlaubt es, den spezifischen Verhältnissen des Grundwassers und seinen dadurch determinierten besonderen Schutzbedürfnissen Rechnung zu tragen. In jedem Fall muss die Zone III jedoch außerhalb einer Linie liegen, von der aus das genutzte Grundwasser eine Verweildauer von mindestens fünfzig Tagen bis zum Eintreffen in der Wasserfassungszone hat. Die engere Schutzzone (Zone II) zielt namentlich auf den Schutz vor Verunreinigungen sowie vor sonstigen Beeinträchtigungen, die wegen ihrer geringen Entfernung zur Gewinnungsanlage gefährlich sind. Auf das Grundwasser bezogen wird die Zone II im Innern begrenzt von der Außenlinie der Zone I und nach außen durch die Linie, von der aus das Grundwasser etwa 50 Tage bis zum Eintreffen in der Fassungsanlage benötigt. Diese Mindestverweildauer gewährleistet in der Regel, dass pathogene Mikroorganismen zurückgehalten werden. Chemische Belastungen lassen sich hier kaum mehr abbauen. Die Fassungszone (Zone I) soll die Fassungsanlage und ihre unmittelbare Umgebung vor jeglichen Verunreinigungen und Beeinträchtigungen schützen. Die Ausdehnung der Zone I beträgt vom Brunnen allseitig, von einer Quellfassung in Richtung des ankommenden Grundwassers ausgehend in der Regel 20 m, bei Karstgrundwasserleitern mindestens 30 m. Diese Untergliederung beruht auf den vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) in Zusammenarbeit mit der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) erarbeiteten „RLn für Trinkwasserschutzgebiete“.

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ee) § 19 Abs. 2 WHG erklärt in einem Wasserschutzgebiet grundsätzlich zwei Arten von Schutzanordnungen als zulässig: Zum einen können bestimmte Handlungen verboten oder nur für beschränkt zulässig erklärt (Nr. 1), zum anderen die Eigentümer und Nutzungsberechtigten von Grundstücken zur Duldung bestimmter Maßnahmen verpflichtet werden; dazu gehören auch Maßnahmen zur Beobachtung des Gewässers und des Bodens (Nr. 2). Nr. 1 erlaubt Handlungsverbote oder Handlungsbeschränkungen. Als Instrument kommt die Verhängung vollständiger oder teilweiser Verbote für bestimmte Aktivitäten in Betracht. Während ein absolutes Verbot auf das völlige Unterlassen genau bezeichneter Maßnahmen zielt, legen Beschränkungen in erster Linie qualitative, quantitative und temporäre Grenzen für im Übrigen statthafte Verhaltensweisen fest. Ebenfalls zu den handlungsbeschränkenden Mitteln im Rahmen der Nr. 1 zählt die Einführung von Gestattungsvorbehalten und Anzeigepflichten, da sie das jeweils mildere Mittel gegenüber der Verhängung absoluter Verbote darstellen. Im Wasserschutzgebiet kann die Errichtung baulicher Anlagen vollständig verboten werden. ff) Nach alledem kann ein Versiegelungsverbot durch eine RechtsVO betreffend die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets ausgesprochen werden. Ferner kann durch Festsetzung eines Wasserschutzgebiets die Bodenerosion verhindert werden. b) Das Recht des Wasserschutzgebiets – Schutz des Bodens vor Stoffeintrag § 19 Abs. 1 Nr. 3 WHG lässt die Festsetzung von Wasserschutzgebieten zu, um das Abschwemmen und den Eintrag von Dünge- oder Pflanzenbehandlungsmitteln in Gewässer zu verhüten. Die Verhütung von Abschwemmungen von Dünge- und Pflanzenbehandlungsmittel soll die aus dem Düngemitteleinsatz resultierende Nitratzufuhr bzw. die von der Pflanzenbehandlungsmittelanwendung herrührenden toxischen Wirkungen verhindern. Diese Schutzanordnungen regelt überwiegend die landwirtschaftliche Grundstücksnutzung, die weder Gewässerbenutzung i.S.d. §§ 2 ff. WHG ist noch eine Pflicht darstellt, die sich bereits aus sonstigen dem Gewässerschutz dienenden Vorschriften, z. B. §§ 1a Abs. 2, 26 Abs. 2 WHG, herleiten. Es ist somit möglich, den Schutz des Bodens vor Stoffeintrag mit Hilfe der Ausweisung eines Wasserschutzgebiets zu erreichen. c) Das Recht des Hochwasserschutzgebiets aa) Das Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes ist die wichtigste Reaktion des Bundes auf die Hochwasserkatastrophen der letzten Jahre. Es ist am 10. 5. 2005 in Kraft getreten.

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bb) Der zweite Teil, vierter Abschnitt des WHG hat eine völlig neue Fassung erhalten. (1) § 31a WHG normiert einheitliche Grundsätze des Hochwasserschutzes. § 31a Abs. 1 WHG gibt Leitlinien für die staatliche Gewässerbewirtschaftung, Abs. 2 die allgemeine Vorsorge- und Schadensminderungspflicht sowie Abs. 3 die Verbreitung der für eine effektive Hochwasservorsorge notwendigen Informationen vor. Jede Person hat nunmehr im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren künftig die Pflicht, Vorsorge gegen Hochwasserschäden zu treffen. (2) § 31b WHG konkretisiert die Anforderungen an die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten und die daraus zu ziehenden Konsequenzen. Die Legaldefinition des Überschwemmungsgebietes in § 31b Abs. 1 WHG entspricht dem bisherigen § 32 Abs. 1 Satz 1 WHG. § 32b Abs. 2 WHG verschärft die Vorgaben für die Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets. Die Länder werden zu ihrer Ausweisung verpflichtet. Sie müssen durch Landesrecht alle Gewässer oder Gewässerabschnitte bestimmen, an denen durch Hochwasser Schäden entstanden oder zu erwarten sind, § 31b Abs. 2 Satz 1 WHG. Die Länder dürfen das ihnen geeignet erscheinende rechtliche Instrument wählen, z. B. eine Liste der betroffenen Gewässerstrecken als Anlage zum jeweiligen Landeswassergesetz oder der Erlass einer entsprechenden VO. An den bestimmten Gewässern und Gewässerabschnitten sind innerhalb bestimmter Fristen Überschwemmungsgebiete festzusetzen, § 31b Abs. 2 Satz 3 und 4 WHG: Bis zum 10. 5. 2010 für Bereiche mit hohem Schadenspotential, vor allem in Siedlungsgebieten, bis zum 10. 5. 2012 in den übrigen Bereichen. Der Festsetzung ist ein 100-jährliches Hochwasserereignis zu Grunde zu legen, d. h. ein Hochwasser, das statistisch gesehen einmal in 100 Jahren zu erwarten ist. Damit ist ein bundesweit einheitliches Schutzniveau definiert. Das 100-jährliche Hochwasser hat sich in der bisherigen Praxis weitgehend als maßgebendes Bemessungshochwasser bewährt. Es wird nach anerkannten fachtechnischen Methoden ermittelt und ist teilweise im Landesrecht verankert. Mit der Vorgabe, Überschwemmungsgebiete insb. in Siedlungsgebieten festzusetzen, verdeutlicht der Gesetzgeber, dass bebaute Bereiche einzubeziehen sind. In diesem Sinn hat das BVerwG in einem für den Hochwasserschutz wichtigen Urteil entschieden, dass ein Überschwemmungsgebiet für Flächen festgesetzt werden kann, die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils oder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen. In § 31b Abs. 2 Satz 6 WHG wird geregelt, dass die Länder in den Überschwemmungsgebieten Vorschriften zur Erreichung bestimmter Ziele, z. B. zur Verhinderung erosionsfördernder Maßnahmen, erlassen. § 31b Abs. 3 WHG verpflichtet die Länder, insb. für landwirtschaftlich genutzte Flächen Regeln zur Vermeidung und Verringerung von Bodenerosion und von Schadstoffeinträgen in die Gewässer zu erlassen. § 31b Abs. 4 Satz 1 WHG regelt bundesrechtlich ein grundsätzliches Verbot der Planung neuer Baugebiete in Überschwemmungsgebieten, ausgenommen sind

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Häfen und Werftgebiete, die auf die Nähe zum Gewässer angewiesen sind. Von dem Verbot der Planung neuer Baugebiete sind nach § 31b Abs. 4 Satz 2 WHG Ausnahmen nur unter Einhaltung von neun strengen Vorgaben möglich: Beispielsweise darf es für Gemeinden keine andere Möglichkeit der Siedlungsentwicklung geben, das neu auszuweisende Gebiet muss an ein bestehendes Baugebiet angrenzen, es darf keine Gefahr für Leib und Leben oder erhebliche Sachschäden entstehen und die neuen Gebäude müssen hochwasserangepasst errichtet werden. In bereits beplanten Gebieten, im unbeplanten Innenbereich und im Außenbereich sind nach § 31b Abs. 4 Satz 3 WHG neue Gebäude in Überschwemmungsgebieten zwar zulässig, sie bedürfen aber einer Genehmigung der zuständigen Behörde. Eine Genehmigung soll im Einvernehmen mit der Wasserbehörde erfolgen. Die Genehmigung darf nach § 31b Abs. 4 Satz 4 WHG nur erteilt werden, wenn durch das Vorhaben keine nachteiligen Auswirkungen auf den Hochwasserschutz entstehen und das Gebäude hochwasserangepasst errichtet wird oder die nachteiligen Auswirkungen anderweitig ausgeglichen werden können. § 31b Abs. 5 WHG sieht vor, dass die Länder noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete vorläufig sichern und in Karten darstellen müssen. Damit soll verhindert werden, dass in diesen Gebieten neues Schadenspotential entstehen kann. Die Ge- und Verbote nach § 31b Abs. 2 – 4 WHG gelten in diesen vorläufig gesicherten Gebieten entsprechend. Die Anforderungen an die Erhaltung und Rückgewinnung von Rückhalteflächen in § 31b Abs. 6 WHG entsprechen dem bisherigen § 32 Abs. 2 WHG. § 31b Abs. 6 WHG gilt für alle Vorhaben, auch Bauvorhaben und Bauleitplanungen, in faktischen Überschwemmungsgebieten nach Absatz 1. Er umfasst zudem Vorhaben in festgesetzten und vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten, da er ausdrücklich auf Absätze 2 und 5 Bezug nimmt. Ausgenommen sind Bauvorhaben und Bauleitplanungen in diesen Gebieten, für die § 31b Abs. 4 WHG speziellere Vorschriften enthält. (3) Durch die Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets ist flächenhafter Bodenschutz möglich, weil die Bodenerosion verhindernde Maßnahmen erlassen werden müssen und ferner Neubauten regelmäßig unzulässig sind. Auch kann der Stoffeintrag in Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Bodennutzung beschränkt oder sogar untersagt werden.

10. Schutz der natürlichen Bodenfunktionen in der Verkehrswegeplanung a) Einführende Feststellungen Die Verkehrswegeplanung umfasst die Straßenplanung nach dem Bundesfernstraßengesetz und den Landesstraßengesetzen; nicht mehr zu behandeln sind die Straßen, soweit sie Erschließungsanlagen sind, da diese im Bebauungsplan festgesetzt werden,

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§§ 9 Abs. 1 Nr. 11, 125 BauGB; die Bauplanung ist zuvor behandelt worden. Ferner zählt zur Verkehrswegeplanung die Streckenplanung für die Eisenbahn nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz, die Streckenplanung für Magnetschwebebahnen nach dem Magnetschwebebahnplanungsgesetz, die Streckenführung von Straßenbahnnetzen nach dem Personenbeförderungsgesetz sowie die Planung und der Ausbau von Wasserstraßen nach dem Bundeswasserstraßengesetz. Hier wird behandelt die Straßenplanung; darin liegt keine sachliche Beschränkung, weil die zu diesem Thema gefundenen Ergebnisse auf die anderen Bereiche übertragbar sind. b) Zur Relevanz des Bodenschutzes in der Planung aa) Die Straßenplanung und der Bau der Straße selbst haben wegen der raumbeanspruchenden und nicht selten landschaftszerstörenden Trassenführung große Relevanz für den Bodenschutz; die Straße hat eine vollständige Versiegelung bzw. einen vollständigen Verbrauch des beanspruchten Stück Lands zur Folge. In der umweltrechtlichen Literatur steht dieser Aspekt nicht im Vordergrund; nahezu ausschließliches Interesse finden der Immissionsschutz und hier insb. der Lärmschutz. Ziel der Verkehrswegeplanungen ist die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Straßenverkehrs, §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 FStrG, oder die Verbesserung der Verkehrsbedingungen und die Angleichung der Wettbewerbsbedingungen, § 1 Abs. 2 AEG. Umweltschutz als solcher ist nicht Ziel der Verkehrswegeplanung. Umweltschutz ist aber bei der Verkehrswegeplanung zu berücksichtigen. Alle die Verkehrswegeplanung betreffenden Gesetze gestatten den Bau der Verkehrswege; es handelt sich um „Bauerlaubnisgesetze“; in der Folge handelt es sich um Gesetze, die auf die Versiegelung des Bodens abzielen; die Frage kann deshalb nur diejenige sein, ob es rechtlich gestattet ist, an jedem Ort beliebig große Straßen zu bauen. Dieses Problem ist das der Linienbestimmung einer Straße. Kriterien, anhand derer zu beurteilen ist, ob eine Straße an einem bestimmten Ort notwendig ist, enthalten die Straßengesetze nicht. Sie äußern sich lediglich zur Einziehung: Die Straße ist einzuziehen, wenn sie jede Verkehrsbedeutung verloren hat. Daraus folgt indes noch nicht, dass die Straße als solche bzw. die Straße im technischen Sinne (also Ober- und Unterbau) zu beseitigen ist. Eine Rechtspflicht zur Beseitigung der rechtlich aufgegebenen Straße existiert nicht. Ein Verkehrswegeverhinderungsrecht und damit indirekt ein Bodenschutzrecht kann sich nur aus dem Recht der Umweltverträglichkeit ergeben. Bereits bei der vorbereitenden Planung, der Linienbestimmung, ist die Umweltverträglichkeit zu berücksichtigen, § 16 Abs. 2 Satz 1 FStrG, § 13 Abs. 1 Satz 2 WasserStrG. Nach den Ziffern 8, 9, 11 und 17 der Anlage zu § 3 UVPG muss bei dem Bau oder der Änderung einer Bundesstraße, § 17 FStrG oder § 9 BauGB, dem Bau oder der Änderung von Anlagen der Eisenbahn, § 18 AEG, sowie dem Bau oder der Änderung einer Straßenbahn, § 28 PBefG, eine UVP durchgeführt werden.

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Der Schutz des Bodens spielt in der Prüfung der Umweltverträglichkeit natürlich eine Rolle. Insb. darf in der UVP im Zusammenhang mit dem flächenhaften Bodenschutz eine Betrachtung des Inhalts angestellt werden, ob der Verkehrsweg sich in einer Weise verwirklichen lässt, die zu einem geringeren Bodenverbrauch führt, oder die zwar Boden in demselben Umfang verbraucht, aber an einer Stelle, wo der Boden qualitativ geringer zu bewerten ist als am Ausgangsort. Es ist mithin eine doppelte Alternativenprüfung vorstellbar: mit Blick auf den Umfang des Bodenverbrauchs, mit Blick auf den Bodenverbrauch am „falschen“ Ort, weil der Verbrauch an einem anderen Ort weniger belastend wäre. Die UVP entfaltet wegen dieser bedeutungsvollen Alternativen eine erhebliche Wirkung. Im Übrigen ist das Ergebnis der UVP aber bei der Abwägung nur ein Belang von vielen Interessen. Ein erhöhtes Gewicht kommt ihm nicht zu. Eine Gerichtsentscheidung, die eine Planung aus Gründen des Bodenschutzes für rechtswidrig erachtete, ist nicht bekannt. Der flächenhafte Bodenschutz kann im Recht der Verkehrswegeplanung bedeutungsvoll sein. bb) Bei der Planung einer Straße ist der für alle raumbedeutsamen Planungen geltende immissionsschutzrechtliche Grundsatz des § 50 BImSchG zu berücksichtigen; nach ihm sind Nutzungen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umweltauswirkungen (auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete sowie) auf sonstige schutzbedürftige Gebiete soweit wie möglich vermieden werden. Neben den durch die Fachgesetze selbst vorgesehenen Berücksichtigungsgeboten in Bezug auf die Umwelt bestimmen die Landesnaturschutzgesetze zum Teil ausdrücklich, dass bei Verkehrswegen die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu berücksichtigen sind, § 2 Nr. 15 BaWüNatSchG, § 2 Nr. 14 BremNatSchG; dieses dient (jedenfalls) mittelbar dem Bodenschutz. Diese Pflicht gilt auch in den Bundesländern, die keine entsprechende Bestimmung in den Grundsatzkatalog ihrer Naturschutzgesetze aufgenommen haben, da Natur- und Landschaftsschutz grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Der Schutz der Allgemeinheit und der Umwelt vor den schädlichen Umweltauswirkungen, die von den Verkehrswegen ausgehen, muss schon nach allgemeinen planungsrechtlichen Vorschriften berücksichtigt werden. Können auf der planungsrechtlichen Ebene Belastungen für Umwelt und Nachbarschaft nicht bereits durch die Trassenführung vermieden werden, sehen das BImSchG und das VwVfG des Bundes und die entsprechenden Gesetze der Länder Schutzvorkehrungen vor. Besondere umwelt- und nachbarschützende Bedeutung haben die Auflagen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, die dem Träger des Vorhabens im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses aufzuerlegen sind, soweit dies für das öffentliche Wohl oder zur Sicherung der Benutzung der benachbarten Grundstücke gegen Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen notwendig ist. Dieses kann geschehen zugunsten eines an die Straße anschließenden Naturschutzgebiets. Auf diese Weise wird

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der Boden neben der Straße vor Stoffen, die ihre Entstehung dem Straßenverkehr verdanken, geschützt. 11. Schutz der natürlichen Bodenfunktionen im Rahmen der neuen Agrarpolitik der Europäischen Gemeinschaft Die EG hat das Recht der Subventionierung der Landwirtschaft vollkommen neu gestaltet in der Absicht, die konstatierten Probleme in der Relation Umwelt/Landwirtschaft zu reduzieren. Die Neugestaltung ist Teil der sog. Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die Bundesrepublik hat sie in nationales Recht umgesetzt. Die zentralen Elemente der Reform sind Folgende: 1. die Entkoppelung der Direktzahlungen von der Produktion, 2. die Bindung der Direktzahlungen an die Einhaltung von Vorgaben des Umweltund Tierschutzes sowie der Lebens- und Futtermittelsicherheit (Cross Compliance), 3. die Verwendung eines einbehaltenen Teils der Direktzahlungen für die Entwicklung des ländlichen Raums (Modulation). Cross Compliance wird hier behandelt, soweit es bodenschützende Wirkung entfaltet. a) Allgemeines Die Cross Compliance-Regeln umfassen: – 19 (ursprünglich 18) Einzelvorschriften einschlägiger, schon bestehender EGRegeln: soweit hier von Interesse: – Umwelt: 1. RL 79/409/EWG des Rates v. 2. 4. 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten, ABl. L 103 v. 25. 4. 1979, S. 1; Art. 3, Art. 4 Abs. 1, 2 und 4, Art. 5, 7 und 8. 2. RL 80/68/EWG des Rates v. 17. 12. 1979 über den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe, AB1. L 20 v. 26. 1. 1980, S. 43; Art. 4 und 5. 3. RL 86/278/EWG des Rates v. 12. 5. 1986 über den Schutz der Umwelt und insb. der Böden bei der Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft, ABl. L 181 v. 4. 7. 1986, S. 6; Art. 3. 4. RL 91/676/EWG des Rates v. 12. 12. 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen, ABl. L 375 v. 31. 12. 1991, S. 1; Art. 4, 5.

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5. RL 92/43/EWG des Rates v. 21. 5. 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen, ABl. L 206 v. 22. 7. 1992, S. 7; Art. 6, 13, 15 und Art. 22 lit. b). – Regeln zur Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand, – Regeln zur Erhaltung von Dauergrünland. Die Einführung von Cross Compliance in Ansehung der ursprünglich 18 Einzelvorschriften ist, soweit hier von Interesse, wie folgt erfolgt: Seit dem 1. 1. 2005 ist mit Umweltregeln zu FFH und Vogelschutz, Regeln betreffend die Bereiche Nitrat, Klärschlamm und Grundwasserschutz sowie den Regeln und Vorschriften zur Tierkennzeichnung begonnen worden. Das Gleiche gilt für die Regeln zur Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand sowie die Regeln zur Erhaltung von Dauergrünland. b) Das Recht der Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand Nach Art. 5 VO (EG) Nr. 1782 des Rates v. 29. 9. 2003 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass alle landwirtschaftlichen Flächen, insb. diejenigen, die nicht mehr für die Erzeugung genutzt werden, in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand erhalten bleiben. Die Direktzahlungen-VerpflichtungenVO regelt die entsprechenden Grundsätze. Deutschland hat die Verpflichtung erfüllt, konkrete Anforderungen für den „Bodenschutz“, die „Instandhaltung von Flächen“ und für die Erhaltung der „Landschaftselemente“ vorzuschreiben. Als erstes geht es um die Erosionsvermeidung. Als Schutzmaßnahme ist beispielsweise vorgeschrieben: Mindestens 40 % der Ackerflächen eines Betriebes müssen in der Zeit vom 1. Dezember bis 15. Februar entweder mit Pflanzen bewachsen sein oder die auf der Oberfläche verbleibenden Pflanzenreste dürfen nicht untergepflügt werden. Ferner sind die organische Substanz im Boden und die Bodenstruktur zu erhalten. Schließlich sind aus der landwirtschaftlichen Erzeugung genommene Flächen zu erhalten. Die Vorgaben sind abhängig davon, ob es sich um aus der Erzeugung genommene Acker- oder Dauergrünlandflächen handelt. Endlich sind Landschaftselemente zu erhalten. c) Die Dauergrünlanderhaltung Nach Art. 3 VO (EG) Nr. 796 der Kommission v. 21. 4. 2004 stellen die Mitgliedstaaten unbeschadet der Regeln der VO (EG) Nr. 1782/2003 sicher, dass Dauergrünland in einem bestimmten Umfang erhalten bleibt. Die Verpflichtung wird mit Hilfe eines mehrstufigen Verfahrens umgesetzt.

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III. Bestandsaufnahme des Schutzes der natürlichen Bodenfunktionen im Bundes-Bodenschutzgesetz 1. Der Schutz der natürlichen Bodenfunktionen nach § 17 BBodSchG – Das Recht der Landwirtschaft Landwirtschaft und Bodenschutz erscheinen oft als unversöhnliche Gegensätze, weil die industrielle Landwirtschaft auf Kosten einer intakten Umwelt arbeitet. a) Für die landwirtschaftliche Bodennutzung relevantes Gefahrenabwehrrecht nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz Nach § 17 Abs. 3 werden die Pflichten nach § 4 – es handelt sich um die Pflichten zur Gefahrenabwehr – durch die Einhaltung der in § 3 Abs. 1 genannten Pflichten erfüllt. Enthalten die Vorschriften des § 3 keine Regelungen der Gefahrenabwehr, ist § 17 Abs. 3 Hs. 2 einschlägig. Diese Norm legt eine Prüfungshierarchie fest. Es ist zunächst abzustellen auf die Grundsätze der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft, die § 17 Abs. 2 aufführt. Wenn diese Grundsätze keine Rückschlüsse auf bestehende Gefahrenabwehrpflichten zulassen, sind die übrigen Vorschriften des BBodSchG einschlägig. aa) Mit Blick auf die landwirtschaftliche Bodennutzung sind auf einer ersten Stufe nach § 3 Abs. 1 zwei Normenkomplexe einschlägig: Nach Nr. 1 gehen die Vorschriften des KrW-/AbfG, soweit sie das Aufbringen von Abfällen zur Verwertung als Sekundärrohstoffdünger i.S.d. § 1 DMG regeln, und die einschlägigen RechtsVOen auf der Grundlage des KrW-/AbfG sowie die KlärschlammVO dem BBodSchG vor; nach Nr. 4 gilt das Gleiche für die Vorschriften des Düngemittel- und Pflanzenschutzrechts. bb) Jenseits des Abfallwirtschafts-, Düngemittel- und Pflanzenschutzmittelrechts enthält auf einer zweiten Stufe nach § 17 Abs. 3 Hs. 2 das Recht der guten fachlichen Praxis nach § 17 Abs. 2 Aussagen über Gefahren für den Boden als Folge der landwirtschaftlichen Bodennutzung. Durch sie kann der Boden verdichtet werden; er kann verloren gehen durch eine Bearbeitungsweise, die die Erosion fördert; der Boden kann seine Fruchtbarkeit verlieren. Die Gefahrenabwehr zielt auf die Vermeidung einer schädlichen Bodenveränderung ab, § 4 Abs. 1. Der Begriff der schädlichen Bodenveränderung ist zweigliedrig. Deshalb ist die Prüfung, ob eine schädliche Bodenveränderung vorliegt, in zwei Stufen vorzunehmen: Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob eine Bodenveränderung vorliegt; weil nicht zwingend jeder Fall der Bodenveränderung negative Folgen auslöst, ist auf einer zweiten Stufe zu prüfen, ob der Eingriff geeignet ist, eine Gefahr, einen erheblichen Nachteil oder eine erhebliche Belästigung für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Sind die auf beiden Stufen zu stellenden Fragen zu bejahen, liegt eine schädliche Bodenveränderung vor.

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Die Bodenverdichtung spricht § 17 Abs. 2 Nr. 3 an; die Bodenerosion findet Berücksichtigung in Nr. 4; die Bodenfruchtbarkeit behandelt § 17 Abs. 2 Satz 1. Damit ist eine Bearbeitung des Bodens durch den Landwirt verboten, die die zuvor benannten Folgen zeitigt. cc) Nach § 17 Abs. 3 Hs. 2 sind auf der dritten Stufe die übrigen Vorschriften des Gesetzes zu beachten, also insb. die Regeln der §§ 4 und 9. Regeln betreffend die Gefahrerforschung sowie Untersuchungsanordnungen im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Bodennutzung kannte das frühere Recht nicht. b) Für die landwirtschaftliche Bodennutzung relevantes Vorsorgerecht nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz aa) § 7 befasst sich mit der Vorsorge für den Boden. Diese Vorschrift wird für die landwirtschaftliche Bodennutzung ersetzt durch § 17 Abs. 1 und 2. Das Vorrangverhältnis ergibt sich aus § 17 Abs. 1 Satz 1; dass § 7 nicht subsidiär Anwendung findet, folgt aus § 7 Satz 5; die Vorsorgepflicht wird nach alledem ausschließlich durch die gute fachliche Praxis erfüllt. Die Gegenstände bzw. Grundsätze der guten fachlichen Praxis der landwirtschaftlichen Bodennutzung regelt § 17 Abs. 2. Es geht um die nachhaltige Sicherung der Bodenfruchtbarkeit und Leistungsfähigkeit des Bodens als natürlicher Ressource. Zu den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis zählen die in § 17 Abs. 2 Satz 2 aufgezählten sieben Handlungsanweisungen; sie sind unvollständig. bb) Mit Blick auf die sieben Handlungsanleitungen ist im Einzelnen festzuhalten: Nr. 1: Bodenbearbeitung: Bodenbearbeitung umfasst diejenigen Maßnahmen, die eine Veränderung der Bodenstruktur durch Pflügen, Eggen, Walzen, Fräsen oder Grubbern zur Folge haben. Ziel der Bodenbearbeitung ist ein gutes Wachstum für die Kulturpflanze; ein physikalisch günstiges Bodengefüge im Saatbett, in der Ackerkrume und im Übergang zum Unterboden ist zu gewährleisten; mechanisch ist Unkraut und Ausfallgetreide zu bekämpfen. Man unterscheidet mit Blick auf die Bodenbearbeitung zwischen der konservierenden Variante und der Direktsaat; welche der beiden Varianten ökologisch sinnvoll ist, muss noch untersucht werden. Nr. 2: Bodenstruktur: Bodenstruktur ist die räumliche Anordnung der festen Bodenbestandteile und deren Zusammenhalt. Ziel der Erhaltung und Verbesserung der Bodenstruktur ist die Schaffung eines physikalisch günstigen Bodengefüges, welches optimale Voraussetzungen für Keimung, Wachstum und Ertragsbildung der angebauten Kulturart bietet. Die Erhaltung der Bodenstruktur ist Bedingung dafür, dass der Boden Wasser aufnehmen und speichern, Luft austauschen, Nährstoffe halten und Wurzelraum für Pflanzen darstellen kann; die Bodenstruktur wird beeinträchtigt durch die Bodenbearbeitung mit schwerem Gerät auf feuchtem Untergrund; ihre Erhaltung ist abhängig von der Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung und Bodenbearbeitung. Mittel zur Zielerreichung kann eine konservierende Bodenbearbeitung oder die Erstellung einer porösen, wenig verschlämmbaren Bodenoberfläche sein; als Mittel zur Verbesserung der Bodenstruktur können Zwischenfrüchte oder Pflanzen eingebaut werden,

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deren Wurzeln den Boden durchlockern. Nr. 3: Bodenverdichtungen: Bodenverdichtung ist ein Unterfall der Veränderung der Bodenstruktur, und zwar in negativer Hinsicht; es verändert sich das physikalisch günstige Bodengefüge zum Nachteil von Keimung, Wachstum und Ertragsbildung der eingebauten Kulturart. Ziel ist es, Bodenverdichtungen zu verhindern. Mittel zur Zielerreichung ist eine Reduzierung des Kontaktflächendrucks und der Radlast; es können Breitreifen, Zwillingsräder und Allradantrieb eingesetzt werden. Nr. 4: Bodenabträge: Bodenabträge meint einen Verlust an Boden, also die Bodenerosion. Ziel ist es, die Bodenerosion zu verhindern. Die Verhinderung der Bodenerosion ist Bedingung dafür, dass die Fruchtbarkeit des Bodens erhalten bleibt. Mittel zur Zielerreichung ist die standortangepasste Nutzung, insb. die Berücksichtigung der Hangneigung, der Wasser- und Windverhältnisse sowie der Bodenbedeckung. Nr. 5: Naturbetonte bodenschützende Strukturelemente: Es handelt sich im Wesentlichen um Hecken, Feldraine und Ackertrassen. Ziel ist es, diese zum Schutz des Bodens notwendigen Strukturelemente zu erhalten, weil die Gestaltung der Kulturlandschaft ein wichtiges Element des Bodenschutzes darstellt. Mittel zur Zielerreichung mit Blick auf die Verhinderung der Bodenerosion ist das Pflanzen durchlässiger Hecken, die Anlage von Windschutzpflanzungen, das Pflanzen von Baumreihen; mit Blick auf die Verringerung der Wassererosion sind Verkehrswege mit Säumen, Gehölze, absolutes Grünland, Gräben quer zur Gefällerichtung, Hecken mit Unterwuchs und Dauergrünland an Böschungen oder Mulden zu schaffen. Nr. 6: Biologische Aktivitäten des Bodens: Es handelt sich vornehmlich um die Fruchtbarkeit des Bodens. Ziel ist es, die biologische Aktivität des Bodens zu erhalten und zu fördern. Mittel zur Zielerreichung ist eine entsprechende Fruchtfolgegestaltung. Gedacht ist auch an den Anbau von Zwischenfrüchten; auf diese Weise wird negativ wirkende Brachezeit vermieden, die Bodenabdeckung im Winter verbessert und einer Nährstoffauswaschung entgegengewirkt. Ferner sollte die Ackerbegleitflora vergrößert, die Ackerrandstreifen, die Feldraine und die Hecken sollten erhalten bzw. vergrößert werden, um den Bestand von Nützlingen zu verbessern. Nr. 7: Standorttypischer Humusgehalt: Humus ist die tote organische Substanz eines Bodens. Bedeutungsvoll ist die Existenz von Humus deshalb, weil er befähigt ist, in großem Maße Wasser und Nährstoffe zu binden; sein Gehalt an Stickstoff, Phosphor, Schwefel und anderen Nährstoffen macht ihn zu einer unverzichtbaren Nährstoffreserve. Ziel ist es, den standorttypischen Humusgehalt des Bodens zu erhalten. Mittel zur Zielerreichung ist eine ausreichende Zufuhr an organischer Substanz. cc) Das Vorsorgerecht soll durch die nach Landesrecht zuständigen Beratungsstellen vermittelt werden. Aus der Formulierung „sollen“ folgt, dass eine unbedingte Rechtspflicht zur Vermittlung der Grundsätze der guten fachlichen Praxis der Landwirtschaft für die nach dem Landesrecht zuständigen Beratungsstellen nicht besteht; der Bundesgesetzgeber setzt auf Kooperation. dd) Die auf der Grundlage des BBodSchG erlassene BBodSchV regelt von dem Problembereich der Bodenverdichtung und -erosion nur den Teilbereich der Wassererosion, § 8 BBodSchV. Auf die durch Winderosion mögliche Gefährdung von

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Mensch und Gewässer geht sie nicht ein. Daneben enthält die BBodSchV keine Regeln zur Abwehr schädlicher Bodenverdichtungen infolge anthropogener Einwirkungen. 2. Schutz der natürlichen Bodenfunktionen nach § 4 BBodSchG § 4 BBodSchG regelt die Gefahrenabwehr in einem dreistufigen System. Der Vermeidungspflicht nach Absatz 1, die für jedermann gilt, folgt die Abwehrpflicht für Zustandsstörer nach Absatz 2, an die sich die Sanierungspflicht nach Absatz 3 anschließt. Die Pflichten nach Absatz 2 und 3 kommen hier nicht zum Tragen. Relevant für den quantitativen Bodenschutz ist ausschließlich die Jedermannspflicht nach Absatz 1. Bodenverbrauch, Bodenverdichtung und Bodenerosion sind Einwirkungen auf den Boden; es handelt sich um schädliche Bodenveränderungen nach § 2 Abs. 3 BBodSchG, wenn die Beeinträchtigung der Bodenfunktion geeignet ist, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. An sich müsste die angesprochene Vorschrift deshalb für den Schutz des Bodens vor Verbrauch Bedeutung entfalten; freilich lässt sich dieses Faktum nicht beobachten: Der Grund für dieses Resultat ist in dem Umstand zu finden, dass der Schutz des Bodens vor Verbrauch wohl vollständig von Spezialnormen erfasst wird, die § 4 Abs. 1 BBodSchG vorgehen. Von der Bodenverdichtung und der Bodenerosion, soweit sie auf die landwirtschaftliche Bodennutzung zurückzuführen sind, abgesehen, kommt das BBodSchG für den Schutz der natürlichen Bodenfunktionen durch Verbrauch des Bodens nicht zum Einsatz. 3. Bodenschutzgebiete nach § 21 Abs. 3 BBodSchG § 21 Abs. 3 gestattet es den Ländern, Bodenschutzpläne aufzustellen sowie sonstige gebietsbezogene Maßnahmen des Bodenschutzes zu ergreifen. Diese Instrumente des Bodenschutzes sind nicht neu; das BBodSchG erkennt lediglich schon früher existente Regelungen des Landesrechts als sinnvoll an. Bodenschutzgebiete gab es unter dem Namen Bodenbelastungsgebiete bereits in Baden-Württemberg, Berlin und Sachsen. § 21 Abs. 3 berechtigt die Länder zur Regelung flächenhaften Bodenschutzes, verpflichtet sie dazu aber nicht. Dieses Resultat folgt aus dem Umstand, dass es im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, zu dem das Bodenschutzgesetz gehört, eine dem Art. 75 Abs. 3 GG parallele Norm nicht gibt. Das Bundesrecht enthält ferner für die Länder keine inhaltliche Vorgabe – sieht man davon ab, dass sie die vom BBodSchG ausgehende Sperrwirkung zu beachten haben. Die Länder können deshalb weitgehend ungebunden ein Recht des flächenhaften Bodenschutzes entwerfen. Dieses ist wie dargelegt, teilweise schon vor Erlass des BBodSchG geschehen – in Baden-Württemberg, Berlin und in Sachsen.

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a) Arten von Schutzgebieten aa) Nach § 21 Abs. 3 können die Länder Sonderregelungen für Gebiete mit flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen erlassen. Dieser Begriff ist in § 2 Abs. 3 legaldefiniert; es handelt sich um Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Die in diesem Zusammenhang relevanten Bodenfunktionen zählt § 2 Abs. 2 auf. (1) Der Begriff „schädliche Bodenveränderung“ ist der zentrale Begriff des BBodSchG. Er ist weit zu verstehen: Physikalische, chemische oder biologische Veränderungen der Bodenbeschaffenheit können eine Bodenbeeinträchtigung darstellen. Funktionsbeeinträchtigungen können hervorgerufen sein durch Bodenversiegelung, Bodenverdichtung und Bodenerosion – der Schutz der natürlichen Bodenfunktionen vor Bodenverbrauch wird nach alledem voll erfasst; das Gleiche gilt für stoffliche Einträge – der Schutz der natürlichen Bodenfunktionen vor Stoffeintrag wird folglich ebenfalls erfasst. Funktionsbeeinträchtigungen sind aber auch denkbar durch biologische Veränderungen – etwa durch Bakterien oder durch die Freisetzung veränderter Organismen. Die schwerwiegendste Art der Beeinträchtigung der Bodenfunktionen ist eine Funktionsstörung. Der Auslöser der Bodenbeeinträchtigung ist bedeutungslos. In der Literatur findet sich die Aussage, das BBodSchG i.V.m. der BBodSchV regele abschließend, dass in Gebieten nach § 21 Abs. 3 BBodSchG keine anderen Werte als die Vorsorge-, Prüf- und Maßnahmewerte der BBodSchV zur Anwendung gelangen könnten; mit Hilfe dieser Werte sei eine schädliche Bodenveränderung zu bestimmen. Diese Aussage ist ersichtlich nicht richtig. Zwar gilt nach § 1 Nr. 1 BBodSchV die VO auch für schädliche Bodenveränderungen; relevant sind die §§ 8 und 9 ff. BBodSchV. § 8 BBodSchV regelt die Abwehr der Gefahr schädlicher Bodenveränderungen aufgrund einer Bodenerosion durch Wasser; im Übrigen finden sich Aussagen zur Gefahrenabwehr nicht; infolgedessen ist das Recht der Gefahrenabwehr bei schädlichen Bodenveränderungen wie dargelegt zu konkretisieren. Die §§ 9 ff. BBodSchV behandeln die Fälle § 7 und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, 3 BodSchG; zu (§ 4 Abs. 1 BBodSchG und zu) § 21 Abs. 3 BBodSchG treffen diese Vorschriften keine Aussage. Sie sind deshalb nicht als abschließend i.S.d. Ausgangsmeinung zu betrachten. Die BBodSchV hilft deshalb nicht bei der Festlegung einer schädlichen Bodenveränderung in Gebieten nach § 21 Abs. 3 BBodSchG. (2) § 2 Abs. 2 zählt insgesamt acht Bodenfunktionen auf. Dass es sich bei den aufgezählten Funktionen in der Tat um solche handelt, die der Boden erfüllt, ist unbestreitbar. Es handelt sich um Funktionen mit und um solche ohne Umweltschutzbezug. Von den acht aufgezählten Funktionen haben lediglich drei einen Bezug zum Umweltschutz: die nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 a – c: die natürlichen Bodenfunktionen. Nur diese sowie – wie eingangs hervorgehoben – die Archivfunktion sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung.

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(3) Das BBodSchG bestimmt den Begriff „flächenhaft“ nicht näher. Flächenhaft bedeutet vom Wortlaut aus gesehen den Gegensatz zu punktuell. Von Flächenhaftigkeit ist dann zu sprechen, wenn es sich um eine größere schädliche Bodenveränderung handelt. In Ansehung der Größe darf davon ausgegangen werden, dass es sich um eine größere Fläche als die Fläche eines Grundstücks handeln muss, auf welchem sich beispielsweise eine stillgelegte Abfallbeseitigungsanlage oder ein industrieller Altstandort befindet. Ein Grundstück durchschnittlicher Größe darf wohl nicht mit flächenhaft i.S.d. § 21 Abs. 3 identifiziert werden. Andererseits ist anzunehmen, dass an die Flächenhaftigkeit all zu hohe Anforderungen nicht gestellt werden dürfen; wenn § 21 Abs. 3 es den Ländern erlaubt, zusätzliche Maßnahmen des gebietsbezogenen Bodenschutzes zu treffen und es dafür inhaltliche Vorgaben nicht gibt, dann muss es den Ländern freistehen, Maßnahmen des flächenhaften Bodenschutzes zu ergreifen, wenn die betroffene Fläche nach dem Sprachgebrauch korrekt als „Gebiet“ bezeichnet werden darf, weil sie größer als ein Grundstück ist. Ein in diesem Sinne größerer Altstandort kann ein Gebiet i.S.d. Gesetzes sein. (4) Bodenschutzpläne dürfen für Gebiete aufgestellt werden, die eine flächenhaft schädliche Bodenveränderung bereits aufweisen – Bodenschutzpläne sind ein Sanierungsinstrument. Das Ergreifen bodenschützender Maßnahmen ist aber auch erlaubt, wenn eine flächenhaft schädliche Bodenveränderung erst zu erwarten ist – Bodenschutzpläne sind nach hier vertretener Ansicht auch ein Vorsorgeinstrument. Ob eine flächenhaft schädliche Bodenveränderung zu erwarten ist, muss sich als Ergebnis einer Prognose herausstellen. bb) § 21 Abs. 3 enthält keine weiteren ausdrücklichen Hinweise auf weitere Schutzgebietstypen. Ob andere Schutzgebiete als solche, in denen flächenhaft schädliche Bodenveränderungen auftreten oder zu erwarten sind, ausgewiesen werden dürfen, war in der Literatur umstritten; der Streit wurde geführt um Archive der Naturund Kulturgeschichte. Archive der Natur- und Kulturgeschichte sind erdgeschichtliche Bildungen (Geotope) und Archivböden (Pedotope), die wegen ihrer Seltenheit, Schönheit und ihrer Bedeutung für Wissenschaft, Forschung und Lehre sowie für Natur- und Heimatkunde von besonderem Wert sind. Gelegentlich wurde die Zulässigkeit dieser Ausweisung ausdrücklich verneint. Diese Auffassung hat sich nicht durchgesetzt. cc) Mit der zuvor erwähnten Begründung kann auch ein Plan betreffend ein Bodenerosionsgebiet aufgestellt werden, wenn der Plan ausschließlich der Gefahrenabwehr/der Schadensbeseitigung dient und die Gefahr/der Schaden durch die landwirtschaftliche Bodennutzung hervorgerufen worden ist. Es ist davon auszugehen, dass in diesem Zusammenhang eine Schutzgebietsausweisung zum Zwecke der Vorsorge wegen §§ 7 und 17 nicht gestattet ist. Für andere Fälle der Bodenerosion: wenn sie beispielsweise durch Wasser hervorgerufen wird, greift diese Einschränkung nicht. Das Bodenschutzgebiet ist in diesem Zusammenhang ein Sanierungsinstrument sowie ein Vorsorgeinstrument. dd) Das zur Bodenerosion Gesagte gilt sinngemäß auch für die Bodenverdichtung.

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ee) Für Böden mit besonders hoher Funktionserfüllung kommt als Schutzmaßnahme nur eine vorsorgende Gebietsausweisung in Betracht. Dieses ist entsprechend möglich, soweit nicht die landwirtschaftliche Bodennutzung betroffen ist – es sei denn, die vorsorgende Gebietsausweisung steht mit den §§ 7, 17 in Einklang. In diesem Zusammenhang fungiert der Bodenschutzplan als Vorsorgeinstrument. b) Das Recht auf freie Wahl der Bezeichnung Das BBodSchG kennt für Gebiete, die nach § 21 Abs. 3 ausgewiesen werden, keinen speziellen Namen. Die Länder können die hier sog. Bodenbeeinträchtigungsgebiete, Bodenerosionsgebiete, Bodenverdichtungsgebiete und Gebiete zum Schutz von Böden mit besonders hoher Funktionsbeeinträchtigung zusammenfassend als Bodenschutzgebiete bezeichnen. c) Der Schutzumfang der landesrechtlichen „Bodenschutzgebiete“ In welchem Umfang haben die Länder die Möglichkeiten nach § 21 Abs. 3 genutzt? Von den in § 21 Abs. 3 BBodSchG eröffneten ausdrücklichen Möglichkeiten haben neun Bundesländer Gebrauch gemacht. Für Baden-Württemberg gilt: Von den nach § 21 Abs. 3 eingeräumten Möglichkeiten hat das Land in dreifacher Weise Gebrauch gemacht: die Ausweisung von „Bodenschutzgebieten“ als 1. Sanierungsinstrument bei flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen, 2. als Vorsorgeinstrument bei zu befürchtenden flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen, 3. als Schutzinstrument für kleinräumig besonders schutzwürdige Böden = kleinräumige Böden mit besonders hoher Funktionserfüllung. Für Bremen gilt: Von den nach § 21 Abs. 3 eingeräumten Möglichkeiten hat das Land in zweifacher Weise Gebrauch gemacht: die Ausweisung von „Bodenschutzgebieten“ als 1. Sanierungsinstrument bei flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen, 2. als Vorsorgeinstrument bei zu befürchtenden flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen. Für Hamburg gilt: Von den nach § 21 Abs. 3 eingeräumten Möglichkeiten hat das Land in zweifacher Weise Gebrauch gemacht: die Ausweisung von „Bodenschutzgebieten“ als 1. Sanierungsinstrument bei flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen, 2. als Vorsorgeinstrument bei zu befürchtenden flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen. Für Niedersachsen gilt: Von den nach § 21 Abs. 3 eingeräumten Möglichkeiten hat das Land in zweifacher Weise Gebrauch gemacht: die Ausweisung von „Bodenschutzgebieten“ als 1. Sanierungsinstrument bei flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen, 2. als Vorsorgeinstrument bei zu befürchtenden flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen.

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Für Nordrhein-Westfalen gilt: Von den nach § 21 Abs. 3 eingeräumten Möglichkeiten hat das Land in vierfacher Weise Gebrauch gemacht: die Ausweisung von „Bodenschutzgebieten“ als 1. Sanierungsinstrument bei flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen, 2. als Vorsorgeinstrument bei zu befürchtenden flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen, 3. als Schutzinstrument für kleinräumig besonders schutzwürdige Böden = kleinräumige Böden mit besonders hoher Funktionserfüllung und 4. als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte. Für Rheinland-Pfalz gilt: § 8 Bodenbelastungs- und Bodenschutzgebiete. Die obere Bodenschutzbehörde kann 1. Bodenbelastungsgebiete festsetzen, soweit darin flächenhaft schädliche Bodenveränderungen stofflicher Natur auftreten oder zu erwarten sind, 2. Bodenschutzgebiete festsetzen, wenn besonders schutzwürdige Böden nach § 12 Abs. 8 Satz 1 BBodSchV zu schützen sind. – Von den nach § 21 Abs. 3 BBodSchG eingeräumten Möglichkeiten hat das Land in zweifacher Weise Gebrauch gemacht: die Ausweisung von „Bodenbelastungsgebieten“ als Sanierungsinstrument bei flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen, die Ausweisung von „Bodenschutzgebieten“ als Vorsorgeinstrument bei zu befürchtenden flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen. Für Sachsen gilt: Von den nach § 21 Abs. 3 eingeräumten Möglichkeiten hat das Land in zweifacher Weise Gebrauch gemacht: die Ausweisung von „Bodenschutzgebieten“ als 1. Sanierungsinstrument bei flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen, 2. als Vorsorgeinstrument bei zu befürchtenden flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen. Für Sachsen-Anhalt gilt: Von den nach § 21 Abs. 3 eingeräumten Möglichkeiten hat das Land in dreifacher Weise Gebrauch gemacht: die Ausweisung von „Bodenschutzgebieten“ als 1. Sanierungsinstrument bei flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen, 2. als Vorsorgeinstrument bei zu befürchtenden flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen, 3. als Schutzinstrument für besonders schutzwürdige Böden = Böden mit besonders hoher Funktionserfüllung. Für Schleswig-Holstein gilt: Von den nach § 21 Abs. 3 eingeräumten Möglichkeiten hat das Land in zweifacher Weise Gebrauch gemacht: die Ausweisung von „Bodenschutzgebieten“ als 1. Sanierungsinstrument bei flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen, 2. als Vorsorgeinstrument bei zu befürchtenden flächenhaft schädlichen Bodenveränderungen.

IV. Neue Instrumente zur Reduzierung des Bodenverbrauchs, insbesondere ökonomisch wirkende Instrumente 1. Das handelbare Ausweisungsrecht Das handelbare Ausweisungsrecht stammt aus der Finanzwissenschaft; der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen machte es bekannt. Es basiert auf dem Ge-

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danken, die Ausweisung von Bauflächen durch gemeindliche Bebauungspläne zu begrenzen. Das Ausweisungsrecht ermöglicht es der Kommune, auf unversiegelten Flächen Versiegelungen zuzulassen. Es gibt ihr das Recht, planerisch tätig zu werden und sich selbst oder Dritten die bauliche Nutzung von Grundstücken zu eröffnen. Ohne dieses Recht kann eine Gemeinde keine Erweiterung ihrer beplanten Fläche vornehmen; erlaubt ist lediglich eine Entwicklung im planerischen Bestand, z. B. die Umplanung bereits beplanter Flächen. Anknüpfungspunkt des Ausweisungsrechts ist die verbindliche Bauleitplanung. Folge dieses Anknüpfungspunkts ist es, dass eine verbindliche Bauleitplanung nur dann zulässig ist, wenn die Gemeinde über ein Ausweisungsrecht verfügt. Das Modell „handelbares Ausweisungsrecht“ ergänzt das überkommene Bauplanungsrecht. Das Recht zu bauen bestünde bei seiner Einführung in der Zukunft nicht nur nach Maßgabe des Bebauungsplans, sondern zusätzlich nach Maßgabe des Innehabens eines Ausweisungsrechts. Diese weitere Restriktion im Bereich des Baurechts ist rechtlich zulässig. Das Modell handelbares Ausweisungsrecht kann nur einen ersten Schritt in Richtung einer stärker ökologisch orientierten Bodenbewirtschaftung darstellen. 2. Das handelbare Versiegelungsrecht Ein weiteres Konzept zur ökonomischen Steuerung des Flächenverbrauchs betrifft das sog. handelbare Versiegelungsrecht. Dieses folgt den Grundlinien, die dem handelbaren Ausweisungsrechts zugrunde liegen, wählt aber einen anderen Ansatzpunkt. Gegenstand der Allokation ist nicht ein Recht zur Ausweisung von Bauland, sondern ein Recht zur unmittelbaren Versiegelung des Bodens. Hintergrund des Konzepts Versiegelungsrecht ist die Begrenzung des Zuwachses der Flächenversiegelung durch Einführung einer Mengengrenze. Die Verteilung versiegelbaren Fläche geschieht durch handelbarer Zertifikate. Inhalt eines Versiegelungsrechts ist das verbriefte Recht zur Versiegelung eines Quadratmeters Bodens. Das Innehaben dieses Rechts ist zwingende Voraussetzung jeglicher Bodenversiegelung. Weder die Errichtung eines Gebäudes noch der Bau einer Straße ist nach diesem Modell ohne ein entsprechendes Versiegelungsrecht möglich. Die Einführung der Zertifikate soll sicherstellen, dass die Versiegelung nur auf Grundstücken erfolgt, deren angestrebte Nutzung wahrscheinlich wirtschaftlich ist. Somit verfolgt das Instrument neben der ökologischen Zielsetzung die Intention, die Flächenversiegelung möglichst effizient zu gestalten. Die flächendeckende Wirksamkeit des Versiegelungsrechts ist hoch. Das Modell erfasst jegliche Versiegelung unabhängig vom Ort. Auch unbeplante Flächen im Innenbereich und der Außenbereich werden in den Anwendungsbereich eingeschlossen. Das Instrument schließt somit jene Lücken, die das geltende Recht in räumlicher Hinsicht aufweist.

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In rechtlicher Hinsicht ist das Versiegelungsrecht bedenkenfrei. Allein die zeitnahe Einführung der Zertifikate ist aufgrund der zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit notwendigen Übergangsfristen nicht möglich. Das Versiegelungsrecht erhöht die Bedeutung des Bodens in Abwägungen und Entscheidungen beträchtlich. Durch die Einführung der Zertifikate erhält die Nutzung des Bodens einen Preis. Es ist anzunehmen, dass stärker als bisher nach Möglichkeiten der Versiegelungsvermeidung und der Entsiegelung gesucht wird. Ebenfalls als positiv zu erachten ist die Herstellung einer direkten Kausalität zwischen der Höhe der Belastung und der Größe der Versiegelung. Die einfache Struktur der gewünschten Verhaltensbeeinflussung lässt es wahrscheinlich werden, dass der Bürger entsprechend dem gewünschten Impuls handelt. Das hier vorgeschlagene Modell Versiegelungsrecht weist keinerlei Ausnahmeregelungen auf; sein räumlicher und sein sachlicher Anwendungsbereich ist umfassend. Die Versiegelung des Bodens wird unabhängig von Ort und Urheber finanziell belastet. Ferner ist das Modell universell. Es führt schließlich zu einem nicht unerheblichen Finanzaufkommen. Für den betroffenen Bürger erhöht sich lediglich die Menge der zu bewältigenden Genehmigungserfordernisse.

V. Zusammenfassung der Ergebnisse, ihre Diskussion und die rechtlichen Grenzen ihrer Veränderung 1. Die Ergebnisse (Zusammenfassung) a) Raumordnungsrecht Die Erwähnung des Bodens in § 2 Abs. 2 Nr. 8 Satz 3 ROG bedeutet nicht, dass dem Bodenschutz eine hervorgehobene Stellung in dem Sinne zukommt, dass er eine die planerische Gestaltungsfreiheit einschränkende Gewichtungsvorgabe sein könnte. Die Raumordnungsgrundsätze sind gleichwertig. § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG behandelt die Entwicklung der Freiraumstruktur. Als landesplanerische Umsetzungsmaßnahme kommt insb. eine bodenschützende Flächenausweisung in Betracht. Solche Gebiete können als Vorranggebiete i.S.v. § 7 Abs. 4 Nr. 1 ROG in Raumordnungspläne aufgenommen werden. Vorranggebiete sind doppelt funktionell: Mit ihnen kann sowohl dem allgemeinen wie dem besonderen Bodenschutz gedient werden – freilich nur zum Schutz des Bodens vor Verbrauch. Böden besonders hoher Funktionserfüllung können geschützt werden. Da Vorranggebiete Ziele der Raumordnung sind, führt ihre Ausweisung dazu, dass andere Nutzungen als rechtlich unzulässig entfallen. Nach § 1 Abs. 4 BauGB sind die Bauleitpläne ihnen anzupassen.

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b) Baurecht: Umweltprüfung und Umweltbericht Wegen der formalisierenden Wirkung der Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung und der Abfassung des Umweltberichts kommt diesen Instrumenten eine besondere Bedeutung zu. Daneben ist dem materiellen Recht, soweit es den flächenhaften Bodenschutz betreffen kann, die Aufmerksamkeit zu widmen. Dieses Recht betrifft: 1. umweltbezogene Ziele der Raumordnung, § 1 Abs. 4 BauGB; 2. die Ziele des § 1 Abs. 5 BauGB, soweit sie unter dem Aspekt des Bodenschutzes relevant sind; 3. die Erhaltungsziele und der Schutzzweck von Gebietsausweisungen nach § 1 Abs. 6 Nr. 7b BauGB, § 1a Abs. 4 BauGB; 4. die in Fachgesetzen und Fachplänen des Naturschutz-, Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts festgelegten Ziele des Umweltschutzes, soweit sie für den Bodenschutz und den Bauleitplan von Bedeutung sind, § 1 Abs. 6 Nr. 7e BauGB; 5. die Bodenschutzklausel nach § 1a Abs. 2 BauGB; 6. die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nach § 1a Abs. 3 BauGB. Das Ergebnis des Umweltberichts geht als Teil des Abwägungsmaterials in die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB ein, § 2 Abs. 4 Satz 4 BauGB. .

c) Baurecht: Die Ziele des § 1 Abs. 5 und Abs. 6 BauGB Aus § 1 Abs. 5 und 6 BauGB ergeben sich keine Gewichtungsvorgaben betreffend den Schutz des Bodens vor Verbrauch und vor Stoffeintrag im Rahmen der planerischen Abwägung. d) Baurecht: Die Bodenschutzklausel des § 1a Abs. 2 BauGB Sparsamer Umgang mit Grund und Boden bedeutet, dass je nach der örtlichen städtebaulichen Situation anstelle der Neuausweisung von Bauflächen die Möglichkeit der innerörtlichen Entwicklung genutzt und unter Inanspruchnahme unbebauter Flächen flächensparende Bauweisen zu bevorzugen sind. Ziel des Gesetzes ist es, unnötigen Landverbrauch und nicht notwendige Oberflächenversiegelungen zu vermeiden. Es geht vor allem, wie der zweite Halbsatz des § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB hervorhebt, um dreierlei: 1. Wiedernutzbarmachung von Flächen (Wiederverwendung brachgefallener Industrie-, Gewerbe-, Verkehrs- und Militärflächen), 2. um die Nachverdichtung im Bestand (Dachgeschossausbau, Erschließung von Baupotentialen auf bereits bebauten Grundstücken), Nutzung von Baulücken,

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Verkleinerungen der Grundstücksgrößen und der dazugehörigen Erschließungsstraßen, 3. um sonstige Maßnahmen (hier könnte die Entsiegelung eine Rolle spielen). Schonender Umgang zielt auf die Berücksichtigung übergreifender ökologischer Zusammenhänge und den Schutz von Vernetzungsfunktionen innerhalb des Naturhaushalts bei der Bodennutzung ab; er zeigt sich vor allem, wenn bei einer Inanspruchnahme des Bodens seine natürlichen Eigenschaften so wenig wie möglich zerstört werden und wenn die städtebauliche Planung zur Entwicklung des Bodens als der natürlichen Lebensgrundlage beiträgt. Das Schonungsgebot ist auf mehreren Stufen relevant: Zunächst betrifft es die Entscheidung, ob eine Fläche überhaupt einer baulichen Nutzung zugeführt werden soll; falls dieses bejaht wird, ist festzustellen, welche Nutzungen ökologisch vertretbar sind; ferner kann das Schonungsgebot die Ausweisung von Schutzvorkehrungen oder von Ausgleichsmaßnahmen fordern, etwa die Ausweisung einer Grünfläche und einer von Bebauung freizuhaltenden Fläche. Das Gebot, Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen, ist als sog. „Ist-Vorschrift“ formuliert. Gleichwohl enthält es keine unmittelbar geltende Rechtspflicht. Der Bodenschutzklausel kommt weder eine strikte Beachtung noch eine einfache Berücksichtigung in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu, sondern sie verlangt eine qualifizierte, möglichst weitgehende Berücksichtigung; die Bodenschutzklausel ist als ein planungsrechtliches Optimierungsgebot zu verstehen. – Die Bodenschutzklausel entfaltet auf allen Stufen der planerischen Abwägung Bedeutung. Die Bodenschutzklausel hat auf der dritten Stufe einen besonders bemerkenswerten Stellenwert. Das BVerwG fordert ihre möglichst weitgehende Beachtung. Die Bodenschutzklausel lenkt somit den Ausgleich der Belange derart, dass Bodenschutzbelangen eine größere Durchsetzungsfähigkeit gegenüber konkurrierenden und konfligierenden Belangen zukommt, d. h., dass diese die Bodenschutzbelange nur dann überwinden können, wenn ihnen ein besonderes Gewicht zukommt; die Überwindungsschwelle der Bodenschutzbelange ist höher gesetzt. Der Bodenschutzklausel kommt jedoch eine darüber hinausgehende Bedeutung nicht zu. Die möglichst weitgehende Beachtung des Bodenschutzes ist in zweierlei Hinsicht ausgeprägt: 1. Durch die Bodenschutzklausel verkleinert sich der Gestaltungsspielraum für die Planungsentscheidung; 2. die Argumentationslast wird zugunsten der Bodenschutzbelange verschoben. Die Bodenschutzklausel differenziert in Ansehung des sparsamen Verbrauchs nicht zwischen „allgemeinem“ Bodenschutz und „Böden besonders hoher Funktionserfüllung“. Die Bodenschutzklausel differenziert in Ansehung des schonenden Verbrauchs zwischen „allgemeinem“ Bodenschutz und „Böden besonders hoher Funktionserfüllung“; primär muss Boden mit geringer Funktionserfüllung in Anspruch genommen werden. Es liegt auf der Hand, dass in Abhängigkeit von der Qua-

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lität des Bodens die Schwierigkeit zunimmt, den Bodenschutz in der Abwägung durch gegenläufige Interessen zu überwinden. Die Reichweite der Bodenschutzklausel erstreckt sich nicht auf Bodenschutz jeder Art, sondern erfasst im Wesentlichen den quantitativen Bodenschutz. e) Baurecht – Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nach § 1a Abs. 3 BauGB kann zum Schutz des Bodens vor Verbrauch beitragen. Der Belang des § 1a Abs. 3 BauGB ist in der planerischen Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigen, § 2 Abs. 4 Satz 4 BauGB. Diese Pflicht führt zur Orientierung der planenden Gemeinde am Schutz des Bodens vor Verbrauch. Die Steuerungskraft der Norm ist freilich gering. Die Regelung ist nicht konkret genug, um eine Determinierung der Abwägung zu leisten oder als Kontrollmaßstab zu dienen. Gewichtungsvorgaben können nur in einem relativen Umfang anerkannt werden. (Natürlich schließt diese Erkenntnis nicht aus, dass mittelbar mit Hilfe der Eingriffsregelung Erfolge zugunsten des flächenhaften Bodenschutzes erzielt werden können, indem der Hinweis auf ihre Folgen zu einer neuen Nutzung bereits versiegelter Böden führt.) Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und die Bodenschutzklausel können sich im Bereich des Schutzes des Bodens vor Verbrauch überschneiden. Dadurch sind faktisch höhere Auswirkungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen auf diese Form des Bodenschutzes denkbar. – Eine Differenzierung zwischen „allgemeinem“ Bodenschutz und dem Schutz der Böden mit besonders hoher Funktionserfüllung existiert nicht. Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung erfasst den Schutz der Böden vor Stoffeintrag nicht. .

f) Baurecht – Bauleitpläne Ein generelles Verbot negativer Festsetzungen (= Bauverbote) im Bebauungsplanverfahren gibt es nicht. Indes ist die mit der Bauleitplanung verbundene Verhinderungsplanung rechtsfehlerhaft, wenn von vornherein ein nachvollziehbarer Anlass für die Bauleitplanung nicht nur nicht erkennbar ist, sondern sie auch mit einer Planverwirklichungsstrategie des BauGB nicht in Verbindung gebracht zu werden vermag. Bodenschutz durch Bauleitplanung ist nur in Verbindung mit anderen städtebaulichen Zielsetzungen zu verwirklichen. – Es gibt viele Möglichkeiten, den Schutz des Bodens vor Verbrauch und vor Stoffeintrag mit Hilfe der Bauleitpläne zu betreiben. Eine Differenzierung zwischen „allgemeinem“ Bodenschutz und dem Schutz von Böden mit besonders hoher Funktionserfüllung existiert nicht. – Die Literatur sieht die Möglichkeit, „wertvolle“ Böden im Flächennutzungsplan zu schützen. I.S.d. Sprachgebrauchs dieser Untersuchung sind wertvolle Böden solche mit besonders hoher Funktionserfüllung. Die Darstellung des Gebiets, welches einen Boden mit besonders hoher Funktionserfüllung enthält, in einem Flächennutzungsplan steht dem Verbrauch dieses Bodens wegen § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB entgegen; dadurch ist zu-

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mindest ein relativer Schutz dieses Bodens erreicht. – Verbindlichkeit im Einzelfall können indes lediglich Festsetzungen in Bebauungsplänen beanspruchen. g) Baurecht – Außenbereich Das BauGB hat Rechtsansprüche für die Genehmigung von Einzelvorhaben im Außenbereich geschaffen, die unabhängig vom politischen Willen des jeweiligen Trägers der Bauleitplanung langfristig den Landverbrauch steigern dürften. Das bodenschützende Gebot des § 35 Abs. 5 BauGB wirkt dem nicht wirklich entgegen. h) Naturschutzrecht Vogelschutz- und FFH-Gebiete bedeuten Flächenschutz. Es gibt keine Differenzierung nach „einfachem“ Bodenschutz und Böden mit besonders hoher Funktionserfüllung; die RLn enthalten spezielle Kriterien für Ausweisungen. – In einem Landschaftsplan ist flächenbezogener Schutz möglich. Beispiele sind: Renaturierung eines Bachlaufs, Pflanzen eines natürlichen Waldsaums, Gewässerrandstreifen mit Bewirtschaftungsverbot, Anlegen einer Streuobstwiese mit Pflegemaßnahmen, Pflege- und Ersatzmaßnahmen zur Entwicklung eines Landschaftsschutzgebiets. – Mit Blick auf den Schutz des Bodens vor Verbrauch ist die Errichtung eines Naturschutzgebiets ein sehr gut geeignetes Instrument; optimal ist es, wenn die VO zur Ausweisung des Schutzgebiets Vorbehalte zugunsten schutzgebietswidriger Handlungen, speziell Baumöglichkeiten, nicht enthält. Da davon wohl bei den meisten Naturschutzgebieten nicht ausgegangen werden kann, ist der Schutz des Bodens durch Naturschutzgebiete praktisch relativ. Da die Kernzonen des Nationalparks wie ein Naturschutzgebiet zu schützen sind, gilt die zuvor gemachte Aussage auch für die Nationalparks. Wenn das Biosphärenreservat als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist, gilt das gerade zuvor Erarbeitete für den Schutz des Bodens vor Verbrauch in ihnen. Für den Schutz des Bodens vor Verbrauch ist die Ausweisung eines Gebiets als Landschaftsschutzgebiet geeignet. Für den konkreten Schutzumfang ist die Aussage der SchutzgebietsVO relevant. Da Naturparks entweder Landschaftsschutzgebiete oder Naturschutzgebiete sind, richtet sich der Schutz des Bodens vor Verbrauch nach den zu diesen Gebietskategorien getroffenen Feststellungen. – Eine Differenzierung zwischen „normalem“ Bodenschutz und Schutz der Böden mit besonders hoher Funktionserfüllung kennt das Naturschutzrecht nicht. Es erscheint praktisch nur in geringem Umfang möglich, im Normalfall mit Hilfe des Naturschutzrechts (VOen/ Satzungen, die die landwirtschaftliche Bodennutzung in Schutzgebieten regeln) Schutz des Bodens vor Stoffeintrag zu betreiben. i) Wasserrecht Ein Versiegelungsverbot kann durch eine RechtsVO betreffend die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets ausgesprochen werden. Ferner kann durch Festsetzung

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eines Wasserschutzgebiets die Bodenerosion verhindert werden. Es ist schließlich möglich, den Schutz des Bodens vor Stoffeintrag mit Hilfe der Ausweisung eines Wasserschutzgebiets zu erreichen. j) Verkehrswegerecht Der flächenhafte Bodenschutz kann im Recht der Verkehrswegeplanung bedeutungsvoll sein. Der Schutz des Bodens vor Stoffeintrag besitzt im Recht der Verkehrswegeplanung eine gewisse Bedeutung (Schutz der dem Verkehrsweg benachbarten Grundstücke). k) Neue Agrarpolitik der EU Diejenigen Landwirte, die Direktzahlungen für ihren Betrieb im Rahmen der Subventionierung der Landwirtschaft erhalten wollen, müssen die mit dem Recht des cross compliance und seinem nationalen Umsetzungsrecht verbundenen Regeln einhalten. Damit könnte dieses Recht in der Zukunft einen wichtigen Beitrag zum Bodenschutz leisten6. Da die praktische Umsetzung des Ansatzes cross compliance zum Zeitpunkt der Abfassung des Gutachtens erst beginnt, sollte künftig die Relation zwischen cross compliance und dem Bodenschutz genau analysiert werden. l) Landwirtschaftliche Bodennutzung – Gefahrenabwehrrecht Nach § 17 Abs. 3 werden die Pflichten nach § 4 – es handelt sich um die Pflichten zur Gefahrenabwehr – durch die Einhaltung der in § 3 Abs. 1 genannten Pflichten erfüllt. Die Pflicht zur Gefahrenabwehr regeln deshalb diejenigen Vorschriften, die § 3 Abs. 1 nennt. – Die Gefahrenabwehr zielt auf die Vermeidung einer schädlichen Bodenveränderung ab, § 4 Abs. 1. Der Begriff der schädlichen Bodenveränderung ist zweigliedrig. Deshalb ist die Prüfung, ob eine schädliche Bodenveränderung vorliegt, in zwei Stufen vorzunehmen: Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob eine Bodenveränderung vorliegt; weil nicht zwingend jeder Fall der Bodenveränderung negative Folgen auslöst, ist auf einer zweiten Stufe zu prüfen, ob der Eingriff geeignet ist, eine Gefahr, einen erheblichen Nachteil oder eine erhebliche Belästigung für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Sind die auf beiden Stufen zu stellenden Fragen zu bejahen, liegt eine schädliche Bodenveränderung vor. Entsprechend allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen ist dann zu prüfen, ob die Beeinträchtigung der Bodenfunktion geeignet ist, die Gefahr herbeizuführen; zu vollziehen ist die allgemeine polizeirechtliche Kausalitätsprüfung. Der Begriff der Beeinträchtigung der Bodenfunktionen ist weit zu verstehen: Physikalische, chemische oder biologische Veränderungen der Bodenbeschaffenheit können eine Bodenbeeinträchtigung darstellen. Die Bodenverdichtung, die Bodenerosion, die Bodenversiegelung und 6 Diese Aussage könnte zu relativieren sein, wenn man darauf abstellt, dass die Nährstoffbilanz zur maximalen Produktion landwirtschaftlicher Güter die Eigenschaften des Bodens erheblich belastet bzw. verändert.

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die Reduzierung der Bodenfruchtbarkeit sind Bodenbeeinträchtigungen. – Die Bodenverdichtung spricht § 17 Abs. 2 Nr. 3 an; die Bodenerosion findet Berücksichtigung in Nr. 4; die Bodenfruchtbarkeit behandelt § 17 Abs. 2 Satz 1. Damit ist eine Bearbeitung des Bodens durch den Landwirt verboten, die die zuvor benannten Folgen zeitigt. m) Bodenschutz nach § 4 BBodSchG Von der Bodenverdichtung und der Bodenerosion, soweit sie auf die landwirtschaftliche Bodennutzung zurückzuführen sind, abgesehen, kommt das BBodSchG für den Schutz der natürlichen Bodenfunktionen vor Bodenverbrauch nicht zum Einsatz. n) „Bodenschutzpläne“ nach § 21 Abs. 3 BBodSchG Sie können als Sanierungsinstrument und als Vorsorgeinstrument eingesetzt werden. Mit Blick auf eine Bodenerosion und eine Bodenverdichtung kommen sie nur als Sanierungsinstrument in Betracht, wenn den Schaden die landwirtschaftliche Bodennutzung hervorgerufen hat; bei anderen Schadensverursachern kommen sie im Fall der Bodenerosion und der Bodenverdichtung auch als Vorsorgeinstrument in Frage. Mit Blick auf Böden mit besonders hoher Funktionserfüllung kommt eine Schutzgebietsausweisung in Betracht, soweit nicht die landwirtschaftliche Bodennutzung betroffen ist – es sei denn, die Ausweisung ist mit den §§ 7, 17 vereinbar. – § 21 Abs. 3 gestattet fünf unterschiedliche Schutzmöglichkeiten für Böden. Es ist deshalb festzuhalten, dass auf der Basis des Bundesgesetzes ein flächenhafter Bodenschutz ohne weiteres möglich ist. Die Länder müssen die Schutzmöglichkeiten nur ergreifen wollen. Sieben von 16 Bundesländer wollen diesen Schutz offenbar nicht; Brandenburg, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern besitzen überhaupt kein Bodenschutzgesetz. Nur vier Länder ermöglichen es, Böden mit besonders hoher Funktionserfüllung zu schützen; davon nur zwei großflächig: Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. o) Ökonomisch wirkende Instrumente Handelbare Versiegelungsrechte vermitteln zielgerichtet den vom Gesetzgeber gewollten Lenkungsimpuls. Ferner mindern sie alle gefundenen Defizite und lassen nicht wesentliche defizitäre Bereiche wie den quantitativen Bodenschutz im unbeplanten Innenbereich unbehandelt. Ein wesentlicher Vorteil des Modells handelbarer Versiegelungsrechte liegt endlich darin, dass es auch in nachsorgender Hinsicht Wirkung zeigt. 2. Die Diskussion der Bedingungen für die Ergebnisse Es gibt eine Reihe von Faktoren, die wesentlichen Einfluss auf die gefundenen Ergebnisse haben. Diese sind zu benennen.

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a) Europarecht Die nach europäischem Naturschutzrecht ausgewiesenen Flächen genießen keinen absoluten Schutz. Es ist deshalb möglich, selbst den nach dem „höchsten“ Recht ausgewiesenen Flächenschutz zu unterlaufen. b) Verfassungsrecht Nach Art. 20a GG sind die natürlichen Lebensgrundlagen geschützt. Art. 20a GG normiert eine Staatszielbestimmung. Die Staatszielbestimmung ist in die verfassungsmäßige Ordnung eingeordnet. Dieses Faktum bedingt, dass der Umweltschutz keinen absoluten Vorrang genießt, sondern in Ausgleich mit anderen Verfassungsprinzipien und Verfassungsgütern zu bringen ist. In der Folge kann auch von Verfassungs wegen der Schutz des Bodens vor Verbrauch und vor Stoffeintrag keinen absoluten Vorrang genießen, sondern, wenn überhaupt, kann ihm Vorrang im Einzelfall zukommen. c) Bundesrecht – allgemein Das Bundesrecht stattet den Bodenschutz nicht in einem einzigen Fall mit Vorrang vor anderen geschützten Interessen aus. Die vorgelegte Analyse hat erbracht, dass der Bodenschutz sich immer im Einzelfall durchsetzen muss. Damit er das kann, finden sich nunmehr Erleichterungen. Der Bodenschutz ist, weil die Bodenschutzklausel des BauGB ein Optimierungsgebot enthält, gegenüber anderen Interessen in gewisser Weise bevorzugt. .

d) Bundesrecht – § 21 Abs. 3 BBodSchG Die Möglichkeit, flächenhaften Bodenschutz nach § 21 Abs. 3 zu erzielen, sind schon deshalb begrenzt, weil das Bundesrecht die Länder nicht verpflichtet, eine entsprechende landesrechtliche Regelung zu erlassen. e) Vollzug des Bodenschutzrechts Die Belange des Bodenschutzes können sich in den bodenrelevanten Planungsund Genehmigungsverfahren nicht immer erfolgreich durchsetzen. Unabhängig von übergeordneten Abwägungsgesichtspunkten könnte dieses darin begründet sein, dass das Bewusstsein für den Bodenschutz nicht in einer Weise ausgeprägt ist, wie es der Bodenschutz verdient. Für diese Annahme spricht, dass der Bodenschutz ein „Nachzügler“ ist; ihm ist als letztem Umweltmedium Aufmerksamkeit zuteil geworden. Das wirkt sich erfahrungsgemäß auf die Praxis aus.

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3. Änderung der Bedingungen und rechtspolitische Folgen a) Europa- und Verfassungsrecht Es erscheint mir von vornherein illusorisch, die europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben ändern zu wollen. Dieses Ergebnis liegt auf der Hand: Das europäische Naturschutzrecht ist in Deutschland bislang nicht vollständig umgesetzt worden – es ändern zu wollen, ist ausgeschlossen; ein europäisches Bodenschutzrecht existiert (noch) nicht (insoweit gibt es folglich keine Vorgabe) – der Entwurf einer BodenschutzRL enthält Aussagen, die, wie man hört, hinter dem deutschen Recht zurückbleiben. Das geltende Verfassungsrecht ist für den Bodenschutz nicht nachteilig. b) Bundesrecht – allgemein Im Rahmen aller Abwägungsprozesse kann nicht gefordert werden, dem Bodenschutz einen besonderen Rang einzuräumen, wie es mit dem Bodenschutz als Optimierungsgebot im Bauplanungsrecht geschehen ist. Diese Forderung würde sofort die Forderung nach Rangerhöhung anderer für die Abwägung relevanter Interessen nach sich ziehen. Dann wäre alles wieder beim Alten. c) Bundesrecht – Gesetzgebung Der erste Vorschlag ist unspektakulär, weil er das geltende Recht lediglich anpasst. Es wird 1. vorgeschlagen, § 7 Abs. 3 Satz 2 ROG wie folgt zu ändern: „Neben den Darstellungen in Fachplänen des Verkehrsrechts sowie des Wasser-, Boden- und Immissionsschutzrechts gehören dazu.“ Weil das Verkehrswegerecht genauso wie das Baurecht nach dem BauGB den Bodenverbrauch gestattet, und weil im BauGB die Bodenschutzklausel Sinnvolles leistet, kann sie das auch im Verkehrswegerecht tun. Deshalb wird 2. vorgeschlagen, die Bodenschutzklausel des BauGB auf das Verkehrswegerecht für anwendbar zu erklären. Es wird 3. vorgeschlagen, die handelbaren Versiegelungsrechte gesetzlich einzuführen. Die finanzrechtlichen Rahmenbedingungen bedürfen weiterer Analyse; es wird empfohlen, diese Analyse von Fachleuten durchführen zu lassen. Mit Blick auf die Einführung handelbarer Versiegelungsrechte lassen sich einige Problemfelder benennen: Wer legt die Menge der Fläche nach welchem Maßstab fest? Wer legt den Preis fest? Wo soll der Handel stattfinden? Es wird empfohlen, einen Formulierungsvorschlag zu erarbeiten, damit die interessierte Öffentlichkeit eine konkrete Diskussionsgrundlage erhält. Geändert werden kann auch § 17 Abs. 3 BBodSchG. In der Praxis zeigt sich, dass dem Gedanken des Bodenschutzes nicht immer genügt wird, wenn der Staat und die Landwirtschaft ausschließlich kooperieren. Es wird hier 4. vorgeschlagen: Soll das landwirtschaftsbezogene Vorsorgerecht für den Landwirt verbindlich, es ferner mit

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Hilfe von Verfügungen gegen ihn durchsetzbar und sollen Verstöße gegen es als Bußgeldtatbestand ausgestaltet werden, müssen entsprechende Regelungen im BBodSchG geschaffen werden. Für die unterschiedlichen Regelungsgehalte im Landesrecht zur Ausgestaltung des § 21 Abs. 3 BBodSchG ist zu prüfen, ob die Regelung durch Bundesrecht, eventuell in einem zu schaffenden UGB, erfolgen soll, damit der flächenhafte Bodenschutz für alle Länder einheitlich ermöglicht wird. Insoweit wird hier 5. vorgeschlagen, § 7 Abs. 1 BaWüLBodSchAG zu übernehmen, freilich modifiziert insoweit, als der Passus, der auf die Vorsorgewerte Bezug nimmt, gestrichen wird, und ferner geändert entsprechend der Möglichkeit, die bei der Ausweisung von Wasserschutzgebieten eine Rolle spielt: nämlich unterschiedliche Schutzzonen anzuerkennen. Der Vorschlag lautet7: (1) Die Bodenschutz- und Altlastenbehörde kann zum Schutz oder zur Sanierung des Bodens, aus Gründen der Abwehr von Gefahren für die menschliche Gesundheit sowie von Gefahren für die natürlichen Bodenfunktionen oder für die Funktionen des Bodens als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte durch Rechtsverordnung Bodenschutzflächen festlegen für Gebiete, in denen 1. flächenhaft schädliche Bodenveränderungen bestehen, 2. flächenhaft das Entstehen von schädlichen Bodenveränderungen zu besorgen ist, oder 3. kleinräumig besonders schutzwürdige Böden im Sinne des § 12 Abs. 8 Satz 1 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung v. 12. Juli 1999 in der jeweils geltenden Fassung vor schädlichen Einwirkungen zu schützen sind. (2) In der Rechtsverordnung sind das Gebiet, der wesentliche Zweck und die erforderlichen Verbote, Beschränkungen und Schutzmaßnahmen zu bestimmen. Insb. kann vorgeschrieben werden, dass in dem Gebiet je nach Art und Maß des Umweltrisikos 1. der Boden auf Dauer oder auf bestimmte Zeit nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden darf, 2. nur bestimmte Nutzungen zugelassen werden, 3. bestimmte Stoffe nicht eingesetzt werden dürfen, 4. der Grundstückseigentümer oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück näher festzulegende Maßnahmen zur Beseitigung oder Verminderung von Bodenbeeinträchtigungen zu dulden oder durchzuführen hat. (3) Die Rechtsverordnung kann Zonen mit unterschiedlicher Schutzintensität vorsehen.

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Die Schreibweise ist der nunmehr gebräuchlichen angepasst.

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(4) Wird durch eine Maßnahme nach Absatz 2 die ordnungsgemäße land- oder forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks unzumutbar beschränkt, so ist dafür nach Maßgabe des Landesrechts Entschädigung zu leisten. Bei der Bestimmung der Zumutbarkeit sowie der Art und des Umfangs der Entschädigung ist die Umweltpflichtigkeit des Eigentums zu berücksichtigen. Wird durch eine Maßnahme nach Absatz 2 die ordnungsgemäße land- oder forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks beschränkt, so kann für die dadurch verursachten besonderen wirtschaftlichen Nachteile ein angemessener Ausgleich nach Maßgabe des Landesrechts geleistet werden, soweit nicht eine Entschädigungspflicht nach Satz 1 besteht. Die Definition des Begriffs „Schutzwürdiger Boden“ in § 12 Abs. 8 BBodSchV ist in ihrer Anwendung auf das Auf- und Einbringen von Materialien begrenzt. Um diese Beschränkung zu beseitigen, weil der Definition größere Bedeutung zukommt, wird 6. vorgeschlagen, sie in die Begriffsbestimmungen des § 2 BBodSchVaufzunehmen.

d) Bundesrecht – Vollzug In der Analyse ist mehrfach ein rechtspolitischer Vorschlag unterbreitet worden. Diese Vorschläge werden hier zusammengefasst: 1. Es besteht die Möglichkeit, Flächen nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG unter dem Aspekt des Bodenschutzes auszuweisen. – 2. Es besteht die Möglichkeit, Böden mit besonders hoher Funktionserfüllung als Vorranggebiete nach dem Raumordnungsgesetz auszuweisen. – 3. Dem Boden ist in den umweltbezogenen Zielen der Raumordnung, § 1 Abs. 4 BauGB, den Zielen des § 1 Abs. 5 BauGB, soweit sie unter dem Aspekt des Bodenschutzes relevant sind, den Erhaltungsziele und dem Schutzzweck von Gebietsausweisungen nach § 1 Abs. 6 Nr. 7b BauGB, § 1a Abs. 4 BauGB, den in Fachgesetzen und Fachplänen des Naturschutz-, Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts festgelegten Ziele des Umweltschutzes, soweit sie für den Bodenschutz und den Bauleitplan von Bedeutung sind, § 1 Abs. 6 Nr. 7e BauGB, der Bodenschutzklausel nach § 1a Abs. 2 BauGB, der naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nach § 1a Abs. 3 BauGB, und der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB die Aufmerksamkeit zu schenken, die er verdient. Bei einer stärkeren Berücksichtigung des Bodens in diesen Bereichen kann zugunsten des flächenhaften Bodenschutzes bei Weitem mehr als bislang geschehen geleistet werden. – 4. Es besteht die Möglichkeit, mit Hilfe des Flächenutzungsplans und des Bebauungsplans Bodenschutz zu betreiben. – 5. Es besteht die Möglichkeit, das Recht der Landschaftsplanung für den flächenhaften Bodenschutz zu nutzen. – 6. Die Möglichkeiten, naturschutzwidrige Nutzungen in Naturschutzgebieten zu gestatten, sind zu reduzieren bzw. im Einzelfall vollständig zu verbieten. – 7. Es besteht die Möglichkeit, die Ausweisung eines Gebiets als Landschaftsschutzgebiet für den Zweck flächenhafter Bodenschutz zu nutzen. – 8. Es besteht die rechtliche Möglichkeit, ein Wasserschutzgebiet festzusetzen, um zu verhüten, dass Bodenbestandteile in Oberflächengewässer abgeschwemmt werden. – 9. Es besteht die rechtliche Möglichkeit, den Schutz des Bodens vor Stoffeintrag mit Hilfe der Ausweisung eines Wasserschutzgebiets zu erreichen. – 10. Die Entwicklung eines Entsiegelungsrechts ist zu

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prüfen. – 11. Um eine stärkere Beachtung des geltenden Stoffrechts sicherzustellen, ist die Kooperation mit den Landwirten zu intensivieren und ggf. durch verstärkte behördliche Kontrolle zu ergänzen. – 12. Die Länder sollten prüfen, die Schutzmöglichkeiten nach § 21 Abs. 3 BBodSchG zu ergreifen, solange das Bundesrecht unverändert ist. Die Verbesserung des flächenhaften Bodenschutzes mit Hilfe des Gesetz- bzw. Verordnunggebers erfordert einen langen Atem; ein Erfolg ist nicht vorhersehbar. Die verwaltungspraktischen Möglichkeiten sind hingegen schnell zu realisieren.

M. Der Beitrag des europäischen Rechts für einen effektiven Bodenschutz Das europäische Bodenschutzrecht de lege lata hat Irene Heuser in ihrer umfassenden Monographie aus dem Jahre 2004 beschrieben1. Sie kommt zu dem ernüchternden Ergebnis, dass die einschlägigen Rechtsakte nur sehr unzureichend und mosaikartig die einzelnen Gefährdungen des Bodens durch Stoffeintrag, Bodenverbrauch, Flächeneinwirkungen und Veränderungen der Bodenstruktur erfassen. Sie sieht sich deshalb gezwungen, die Redeweise von einem europäischen Bodenschutzrecht zu rechtfertigen. Ich möchte (in einer leichten Abwandlung des mir zugedachten Themas, welches die Behandlung des Rechtszustands de lege lata nahe legt) diesen Befund nicht im Einzelnen ausbreiten, sondern die Aufmerksamkeit auf den Entwurf eines europäischen Bodenschutzrechts richten, welches vielleicht in Zukunft wirksam ist – also den möglichen Zustand de lege ferenda betrachten. Im Laufe des Jahres 2007 könnte die endgültige Fassung der europäischen BodenRRL in Kraft treten. Die Europäische Kommission hat im Mai 2006 einen sie betreffenden überarbeiteten zweiten Entwurf vorgelegt. Diese Abhandlung berichtet über den Zusammenhang, in dem der Entwurf sich befindet (I. – IV.; VI.), stellt ihn vor (V.), vergleicht seine Vorschläge gelegentlich mit den in Deutschland geltenden Bestimmungen (V.), berichtet über die Kritik am Entwurf (VII.) und trifft eine vorläufige Bewertung unter dem Aspekt der Notwendigkeit eines nachhaltigen Bodenschutzes (VIII.).

I. Das sechste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Kommission als Ausgangspunkt Der Entwurf hat den Vertrag über die Europäische Gemeinschaft (EGV) und das Sechste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Kommission zum Ausgangspunkt2. Wesentlich ist hier das sechste Programm. Die Europäische Gemeinschaft hat nach Art. 2 und 3 EGV unter anderem ein hohes Maß an Umweltschutz und eine Verbesserung der Umweltqualität zu beför1

Heuser, Europäisches Bodenschutzrecht, UTR Bd. 80, 2005. s. ferner dies., ZUR 2007, 63 ff., 113 ff. 2 Europäische Kommission: Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zum sechsten Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft für die Umwelt. „Umwelt 2010: Unsere Zukunft liegt in unserer Hand“ (KOM [2001] 31 endg.).

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dern. Diese Aufgabe verpflichtet zu einem qualifizierten Umweltschutz und zu einer intensiven Umweltpolitik. Nach der Querschnittsklausel Art. 6 EGV müssen die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung der in Art. 3 EGV genannten Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen insb. zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden. Nach Art. 174 Abs. 2 EGV zielt die Umweltpolitik der Gemeinschaft unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen auf ein hohes Schutzniveau ab. Das Schutzniveau beruht auf 1. Vorsorge; 2. Vorbeugung; 3. der Bekämpfung der Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung; 4. dem Verursacherprinzip. Aus alledem folgt die Notwendigkeit eines gefährdungsadäquaten Bodenschutzes. Diese Vorgaben des primären Europarechts schließen beliebiges Handeln der Organe beim Auf- und Ausbau eines „Systems“ des Umweltschutzrechts aus. Die in Art. 2 EGV beschriebenen Aufgaben sind gleichwertig. Deshalb verbietet es sich, die Gewährleistung eines effektiven Bodenschutzes zugunsten einer ausschließlich am Wachstum orientierten Wirtschaftspolitik zurückzustellen. Die gegenteilige Forderung, von Mitgliedern der Kommission und Interessenverbänden der Landwirtschaft und der gewerblichen Wirtschaft gelegentlich erhoben, besitzt im geltenden Recht keine Stütze. Das Sechste Aktionsprogramm konzipiert den europäischen Umweltschutz. Es räumt den Belangen Gewässerschutz, Luftreinhaltung, Abfallwirtschaft und Bodenschutz hohe Priorität ein. Als einen vorrangigen Aktionsbereich hebt es in Art. 6 die Förderung einer nachhaltigen Bodennutzung hervor. Es gibt die Erarbeitung einer thematischen Strategie für den Bodenschutz vor. Die Strategie dient der Vorbeugung gegen Kontamination, Erosion, Wüstenbildung, Verarmung des Bodens, Flächenverbrauch und hydrogeologische Risiken.

II. Die Bodenschutzstrategie 2002 Trotz dieser verpflichtenden Vorgaben war die Bodenschutzpolitik suboptimal. Unzulänglich war(en) insb. 1. die mangelhafte Abstimmung verschiedener Politikbereiche mit Blick auf die Anforderungen des Bodenschutzes, so etwa einer Verschärfung der Höchstwerte in Lebens- und Futtermitteln bei gleichzeitigen schwachen Vorschriften für zulässige Schadstoffgehalte und -frachten bei Klärschlamm bzw. fehlenden Festlegungen für Kompost (als Produkt frei zu vermarkten) und Düngemittel;

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2. die sektorale Behandlung von Schadstoffeinträgen z. B. über die Luft, über Gebrauchsgegenstände und andere Produkte, Düngemittel und Abfälle; 3. die nicht hinreichenden Vorkehrungen gegen den ungebremsten Flächenverbrauch für Siedlungs- und Straßenbau und das Fehlen entsprechender Rahmensetzungen im Planungsbereich; 4. die unzureichenden Maßnahmen gegen die fortschreitende Verwüstung von Böden durch Erosion und Humusverlust insb. durch eine „falsche“ Landwirtschaft, gefördert durch eine verfehlte „Landwirtschaftspolitik“. Die Kommission beschloss nach einer Tagung des EU-Rats am 25. 6. 2002 in Luxemburg die Mitteilung: „Hin zu einer spezifischen Bodenschutzstrategie“3. Sie wollte das politische Engagement für den Bodenschutz weiterentwickeln und in den nächsten Jahren einen umfassenderen und systematischeren Bodenschutz ermöglichen. Das Europäische Parlament4 befürwortete die Mitteilung und forderte, bis 2004 eine endgültige Bodenschutzstrategie vorzulegen. Diese sollte die derzeitigen Politiken stärken und die Gefahren für den Boden berücksichtigen. In diesem Sinne äußerte sich auch der Europäische Rat5. Er stellte fest, dass, wie im Sechsten Umweltaktionsprogramm festgelegt, angemessene Gemeinschaftsmaßnahmen erforderlich seien, um den Boden zu schützen und seine nachhaltige Nutzung zu gewährleisten.

III. Die Vorbereitung der Bodenschutzstrategie Um eine Basis für die Bodenschutzstrategie und die RRL zu schaffen, gründete die Kommission ein „Advisory Forum“. Dieses verabschiedete die Mandate für fünf Technical Working-Groups zu den Themenbereichen: Erosion, organische Bodenmasse und Biodiversität, Bodenkontamination und Flächenmanagement, Monitoring sowie Bodenforschung. Diese groups legten 2004 Abschlussberichte vor6. Die Berichte enthalten eine fundierte Aufarbeitung der tatsächlichen Probleme des europäischen Bodenschutzes in den genannten Bereichen sowie eine Fülle von Anregungen und Empfehlungen. Nach ihnen soll die Bodenschutzstrategie einen nachhaltigen Bodenschutz umfassen. Das ist die anthropogene Nutzung der Ressource Boden und der mit ihr verbundenen Umweltkompartimente auf eine Weise und in 3 Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie an den Ausschuss der Regionen: Hin zu einer spezifischen Bodenschutzstrategie (KOM [200]179 endg.). 4 Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Mitteilung der Kommission „Hin zu einer spezifischen Bodenschutzstrategie“ (KOM [2002] 179 – C5 – 0328/2002 – 2002/2172 [COS]). 5 Beschluss des Rates der Europäischen Gemeinschaften 10013/02 (Presse 180) 10. 6 Soil internet site http:/europa.eu.int/comm/environment/soil/index.htm; the five reports on organic matter, contamination, monitoring and research can be consulted at: http://forum. europa.eu.int/publid/ic/env/soil/home.

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einem Umfang, der in einer langen Zeitdauer die Bodenfunktionen erhält oder verbessert. Es geht darum, dass die wahrscheinlichen Bedürfnisse der gegenwärtigen und zukünftigen Generationen befriedigt werden können. Den rechtlichen Regelungsrahmen behandeln die Berichte der Arbeitsgruppen nur am Rande. Dieses Faktum ist zu kritisieren. Es hätte untersucht werden müssen: 1. welches der Status der Politik und des zu entwickelnden gesetzlichen Rahmens ist; 2. welche Faktoren das rechtliche Konzept beeinflussen; 3. in welcher Weise mit den Gegebenheiten umzugehen ist.

IV. Die den Entstehungsprozess der Bodenrahmenrichtlinie begleitende Diskussion In Deutschland sind rechtliche Aspekte der europäischen Bodenschutzregelung Gegenstand einer sorgfältigen Behandlung. Die Länderarbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO) beschäftigt sich eingehend mit der europäischen Bodenschutzstrategie. Sie beschließt „Eckpunkte zur Entwicklung der zukünftigen Bodenschutzstrategie“ sowie Anforderungen zur Vor- und Nachsorge bei Bodenbelastungen sowie zur Altlastensanierung, Anforderungen an die Bodenschutzplanung und das Bodenmonitoring. Die Bundesregierung formuliert vor dem Hintergrund, dass in den meisten Mitgliedstaaten spezifische Bodenschutzgesetze fehlen, ihre vorläufige Position: Deutschland sei mit seiner Bodenschutzgesetzgebung, insb. dem BBodSchG, für die weitere Diskussion auf EG-Ebene zur spezifischen EG-Bodenschutzstrategie und deren spätere Umsetzung gut positioniert. Das Umweltbundesamt erklärt im Jahre 2004, den Bodenschutz auf europäischer und deutscher Ebene voranbringen zu wollen. Die Entwicklung des Bodenschutzes und des Bodenschutzrechts in den vergangenen 25 Jahren in Deutschland habe gezeigt, dass zur Gewährleistung eines einheitlichen Schutzniveaus, insb. im Bereich der Gefahrenbeurteilung und -abwehr, einheitliche Regelungen erforderlich seien. Vor den Hintergrund der bisherigen Erfahrungen erscheine ein EG-einheitlicher Rechtsrahmen für den Bodenschutz erstrebenswert Die Bestrebungen der Wissenschaft, einen nachhaltigen Bodenschutz zu installieren, beruhen auf eingehenden Analysen und dementsprechenden Empfehlungen 1. der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Schutz des Menschen und der Umwelt“; 2. der Umweltgutachten des Rats von Sachverständigen für Umweltfragen von 2002 und 2004;

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3. des Wissenschaftlichen Beirats Bodenschutz beim Bundesministerium für Umwelt aus dem Jahre 2002 sowie des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltgefährdungen. Dieser mahnt die Problematik der Bodendegradation an.

V. Der zweite Entwurf der Bodenrahmenrichtlinie 1. Einführung a) Entstehung Die Generaldirektion Umwelt hat einen unveröffentlichten zweiten Entwurf erarbeitet und in der Kommission im Mai 2006 zur Abstimmung gestellt7. Diesen hat die Kommission am 7. 6. 2006 unerwartet von der Tagesordnung abgesetzt. Die Beschlussfassung und Veröffentlichung der endgültigen Fassung sollte im Herbst 2006 geschehen. Im Herbst 2006 fällt eine Befassung mit dem Entwurf aus. Den Hintergrund dieses Unterlassens bilden unveränderte Widerstände innerhalb der Kommission, aus den Reihen der Mitgliedstaaten sowie starker Interessenvertretungen. Die Kommission veröffentlicht ihren RL-Vorschlag am 22. 9. 20068. b) Knappe Charakterisierung des Entwurfs Er9 definiert das Schutzgut Boden umfassender als das nutzungsbezogene deutsche Bodenschutzrecht. Er erfasst alle Bodengefährdungen. Er besitzt in Relation zum deutschen Recht eine neue Begrifflichkeit. Er führt mit dem Risikogebietsansatz (der aber den Bodenschutz in Nichtrisikogebieten vernachlässigt) zwar zu einer partiellen Anhebung der Regelungsdichte, jedoch gleichzeitig zu einer Zentralisierung und Bürokratisierung des Bodenschutzes: Ausweisung von Risikogebieten, nationales Kontaminationskataster, nationale Sanierungsstrategien und Maßnahmenprogramme verursachen einen hohen Verwaltungsaufwand. Zu erkennbaren positiven Konsequenzen (insb. durch Einführung und Durchsetzung einheitlicher Standards etwa zur Bewertung von Kontaminationen zumindest auf dem gleichen Niveau wie in der Bundes-Bodenschutz- und AltlastenVO festgeschrieben) für einen nachhaltigen Bodenschutz führt das nicht: Ein hinreichendes Maß an europäischer Harmonisierung wird nicht erreicht; wirksame Instrumente zur Behebung der Bodengefährdungen werden nicht bereitgestellt. Im Gegenteil: Es kann sich die Überlastung der personell knapp besetzten Bodenschutzbehörden mit aufwendigen buchhalterischen Aufgaben für den vorsorgenden Bodenschutz kontraproduktiv auswirken. 7

Zu diesem Entwurf s. Bückmann, UPR 2006, 365ff; zuvor ders., UPR 2006, 210 ff. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 22. 09. 2006 KOM(2006)232 endgültig – 2006/0086(COD) – Vorschlag für eine RL des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Bodenschutz und zur Änderung der RL 2004/35/EG. Zu diesem Vorschlag s. Scheil, NuR 2007, 176; Klein, EurUP 2007, 2 ff. 9 Artikel ohne nähere gesetzliche Kennzeichnung sind im Folgenden solche des Entwurfs. 8

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2. Der Zweck der Richtlinie Nach Art. 1 Abs. 1 soll die RL einen Rahmen für den Schutz des Bodens und den Erhalt der Fähigkeit des Bodens zur Erfüllung der ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Funktionen schaffen. Der Entwurf enthält einen Hinweis auf das Nachhaltigkeitsziel nur in Art. 15 Abs. 2 EGV; nach ihm sollen die Mitgliedstaaten den Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch im Bereich der nachhaltigen Bodennutzung fördern. Der Bodenschutz nach Maßgabe des Entwurfs erhebt demzufolge nicht den Anspruch, das Nachhaltigkeitsziel umzusetzen. Das European Environmental Bureau (EEB) führt die Nichtrealisierbarkeit einer nachhaltigen Umweltpolitik darauf zurück, dass sich die zu bekämpfenden Bodengefährdungen 1. weitgehend aus den ökonomischen Aktivitäten auf europäischer Ebene selbst ergeben; 2. aus solchen, die unmittelbar durch die EU selbst gesteuert werden, und zwar vor allem die Allgemeine Agrarpolitik (CAP), die Kohäsionspolitik und die Strukturpolitik. 3. Das Schutzgut der Richtlinie Schutzgut ist nach Art. 1 Abs. 2 der Boden als „oberste Schicht der Erdrinde zwischen dem Grundgestein und der Oberfläche unter Ausschluss von Grundwasser“. Geschützt sind der Boden als solcher und seine Funktionen. Bei den Bodenfunktionen nach Art. 1 geht es um die ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Funktionen. Ausschließlich aufgezählt werden die Funktionen: 1. Erzeugung von Biomasse, auch in der Land- und Forstwirtschaft ( § 2 Abs. 2 Ziffer 3 BBodSchG „Standort für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung“); 2. Speicherung, Filterung und Umwandlung von Nährstoffen, anderen Stoffen und Wasser; 3. Pool für die biologische Vielfalt auf der Ebene der Lebensräume, der Arten und der Gene (§ 2 Abs. 2 BBodSchG „Funktionen als Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen aufgrund der Filter-, Puffer- und Stoffumwandlungseigenschaften, insb. auch zum Schutz des Grundwassers“); 4. Physisches und kulturelles Umfeld für den Menschen und seine Tätigkeiten (§ 2 Ziffer 3b BBodSchG „Fläche für Siedlung und Erholung“); 5. Rohstoffquelle (§ 2 Ziffer 3a „Rohstofflagerstätte“); 6. Kohlenstoffspeicher; 7. Archiv des geologischen und archäologischen Erbes (§ 2 Ziffer 2 „als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte“).

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Die Umschreibungen der Bodenfunktionen sind dem deutschen Recht ähnlich, aber nicht deckungsgleich. In dem Entwurf fehlt die häufig kritisierte ökonomische Funktion des Bodens als „Standort für sonstige wirtschaftliche und öffentliche Nutzungen, Verkehr, Ver- und Entsorgung“. 4. Der Anwendungsbereich der Richtlinie Der Entwurf schafft einen Rahmen für den Schutz des Bodens. Sein Anwendungsbereich ist mit Ausnahme des Grundwassers uneingeschränkt. Er bezieht sich auf alle Bodengefährdungen und gewährleistet einen breiter angelegten Schutz, als das deutsche Bodenschutzrecht und die Bodenschutzgesetze Hollands, Österreichs, Spaniens, Dänemarks, Polens, Finnlands und anderer europäischer Länder. Beim Vergleich der Regelungskonzepte zeigt sich eine Schwachstelle des BBodSchG. Es legt in § 3 Abs. 1 BBodSchG fest, dass das Gesetz lediglich Anwendung bei schädlichen Bodenveränderungen und Altlasten findet und in allen Fällen nicht gilt, in denen Vorschriften anderer medialer Gesetze „Einwirkungen auf den Boden“ regeln – und zwar unabhängig von der Frage, wieweit diese Regelungen den Boden und seine ökologischen Bodenfunktionen hinreichend schützen. 5. Die Vorsorge für den Boden Der Entwurf enthält einige Vorsorgebestimmungen. Das gilt insb. für die Bestimmung über die Festlegung von Risikogebieten in Art. 6. In ihnen sind nach Art. 8 Maßnahmeprogramme aufzustellen, die unter anderem Risikominderungsziele und geeignete Maßnahmen enthalten sollen. Eine individualisierte Vorsorgepflicht statuiert Art. 4. Landnutzer, deren Tätigkeit die in Art. 1 Abs. 1 genannten Bodenfunktionen deutlich beeinträchtigt, sind zu verpflichten, Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, um diese nachteiligen Auswirkungen zu vermeiden bzw. zu minimieren. 6. Die Legaldefinition Legaldefiniert ist lediglich die Versiegelung als „dauerhafte Abdeckung der Bodendecke mit einer wasserundurchlässigen Schicht“. (Der erste Entwurf hatte noch 17 Definitionen enthalten.) 7. Die Bezüge zu anderen Politikbereichen Nach Art. 3 Abs. 1 bestimmen, beschreiben und bewerten die Mitgliedstaaten bei der Ausarbeitung von Maßnahmen anderer Politikbereiche. Es handelt sich um solche Bereiche,

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- die der Verschlechterung der Qualität des Bodens Vorschub leisten beziehungsweise ihr entgegenwirken könnten; - die entsprechenden Auswirkungen haben, insb. die Bereiche Raum- und Städteplanung, Verkehr, Energie, Landwirtschaft, Entwicklung des ländlichen Raums, Forstwirtschaft, Rohstoffgewinnung, Industrie und Handel, Produktpolitik, Tourismus, Klimawandel, Umwelt, Natur und Landschaft. Dieser Regelungsvorschlag hat zur Folge, dass bei Maßnahmen im Rahmen der alternativen Energiepolitik die Auswirkungen des forcierten Anbaues von nachwachsenden Rohstoffen auf die Bodenfunktionen geprüft werden müssten. 8. Die Bodenversiegelungen Nach Art. 5 ergreifen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen, 1. um die Versiegelung zu begrenzen; 2. um in den Fällen, in denen eine Versiegelung vorgenommen werden muss, deren Auswirkungen insb. dadurch abzuschwächen, dass sie Baumethoden und Bauprodukte einsetzen, mit denen möglichst viele Bodenfunktionen aufrechterhalten werden können. 9. Die Risikogebiete Eine Neuerung des Bodenschutzrechts ist die Einführung des auf Risikogebiete zentrierten Bodenschutzes. Art. 6 „normiert“, die einschlägigen Gefährdungen des Bodens innerhalb von fünf Jahren nach den im Anhang bezeichneten Kriterien als Risikogebiete zu kennzeichnen. Voraussetzung dafür ist, dass „stichhaltige Beweise vorliegen beziehungsweise der begründete Verdacht besteht, dass eine Verschlechterung der Bodenqualität eingetreten ist beziehungsweise in naher Zukunft eintreten könnte“. Diese einschränkende Klausel ist ersichtlich beliebig dehnbar. Mitgliedstaaten können die Ausweisung kontaminierter Flächen als Risikogebiet verweigern, weil die Verschlechterung der Bodenqualität unbewiesen sei. Risikogebiete sollen eingerichtet werden für Bodengefährdungen durch: 1. Erosion durch Wasser oder Windeinwirkung; 2. Verluste organischer Substanzen durch anhaltenden Rückgang der organischen Anteile im Boden, nicht abgebaute pflanzliche und tierische Rückstände ausgenommen; 3. Verdichtung durch erhöhte Bodendichte und verminderte Bodenporosität; 4. Versalzung durch Anreicherung von löslichen Salzen im Boden; 5. Erdrutsche durch eine mäßigschnelle bis schnelle Abwärtsbewegung von Erdund Gesteinsmassen.

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Zum Erkennen der Risikogebiete sollen die Mitgliedstaaten für jede Ursache zumindest die in Anhang I aufgelisteten (nicht quantifizierten) Kriterien verwenden und berücksichtigen, inwieweit die Verschlechterung der Bodenqualität die Probleme der Treibhausgasemission und der Wüstenbildung verschärft. Für die Risikogebiete sollen die Mitgliedstaaten zur Erhaltung der Bodenfunktionen nach Art. 8 Abs. 1 Maßnahmeprogramme aufstellen, die Risikominderungsziele, geeignete Maßnahmen zur Erreichung der Ziele, einen Zeitplan für die Durchführung der Maßnahmen und eine Schätzung der für die Finanzierung der Maßnahmen aufzuwendenden Mittel umfasst. Nach Absatz 3 können die Mitgliedstaaten ein einziges (übergreifendes) Programm aufstellen, sofern ein Gebiet verschiedenen, eine Verschlechterung der Bodenqualität bewirkenden Ursachen ausgesetzt ist. Die Mitgliedstaaten tragen nach Absatz 2 den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der geplanten Maßnahmen angemessen Rechnung. Sie stellen sicher, dass die Maßnahmen kostenwirksam und technisch durchführbar sind. Sie führen vor Einführung neuer Maßnahmeprogramme Folgenabschätzungen einschließlich Kosten-Nutzen-Analysen durch. Sie geben in ihren Maßnahmenprogrammen an, in welcher Form die Maßnahmen durchgeführt werden sollen, und inwiefern sie zur Erreichung der festgelegten Umweltziele beitragen. Offen ist, 1. in welcher Weise die „gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen“ zu ermitteln sind; 2. in welcher Weise sicherzustellen ist, dass die „Maßnahmen kostenwirksam und technisch durchführbar“ sind; 3. in welcher Weise die „Folgenabschätzung einschließlich Kosten-Nutzen-Analyse“ erfolgt. Die Fragen haben praktische Bedeutung. Die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts müssen von den Mitgliedstaaten nicht nur formal in nationales Recht transformiert, sondern auch tatsächlich im Wege der Vollzugsverwaltung realisiert werden. Das Problem löst sich nicht durch Liegenlassen. Häufig strengt die Kommission Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Umsetzung einschlägiger RL an – dabei geht es nicht nur um die normative Umsetzung, sondern auch um die tatsächliche. Die Streitigkeiten zwischen der EG und den Mitgliedstaaten über die richtlinienkonforme Umsetzung gipfeln in anderen Materien in der Verurteilung zu Zwangsgeldern nach Art. 228 Abs. 2 EGV. Auf derartige Misshelligkeiten werden sich die Beteiligten für den Fall einstellen müssen, dass es in der endgültigen RL bei den vagen Formulierungen der Entwurfsfassung bleibt.

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10. Die Bekämpfung von Bodenkontamination a) Die Vorsorge gegenüber der Aufbringung gefährlicher Stoffe Nach Art. 9 ergreifen die Mitgliedstaaten geeignete und angemessene Maßnahmen zur Begrenzung absichtlicher oder unbeabsichtigter Aufbringung gefährlicher Stoffe. Es gelten folgende Ausnahmen: 1. Ablagerung aus der Luft; 2. Stoffeinträge infolge eines außergewöhnlichen, unabwendbaren und nicht beeinflussbaren Naturereignisses auf oder in den Boden, um eine Anreicherung zu vermeiden, die die Bodenfunktionen beeinträchtigen oder eine erhebliche Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellen könnte.

b) Das Verzeichnis verunreinigter Standorte Nach Art. 10 bestimmen die Mitgliedstaaten die verunreinigten Standorte auf ihrem Hoheitsgebiet, an denen aufgrund menschlicher Tätigkeiten gefährliche Stoffe nachweislich in einer solchen Konzentration vorkommen, dass von ihnen eine erhebliche Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ausgeht. Diese Gefahr wird unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und der künftigen genehmigten Nutzung des Geländes bewertet. Nach Absatz 2 erstellen die Mitgliedstaaten ein nationales Verzeichnis verunreinigter Standorte. Das Verzeichnis wird veröffentlicht und mindestens alle fünf Jahre überprüft. c) Die Verfahren zur Bestimmung der Standorte Die Mitgliedstaaten benennen nach Art. 11 eine für die Bestimmung verunreinigter Standorte zuständige Behörde. Binnen fünf Jahren bestimmt diese nach Absatz 2 mindestens die Standorte, an denen die in Anhang II genannten potenziell bodenverschmutzenden Tätigkeiten stattfinden oder in der Vergangenheit stattgefunden haben. Dazu sind die in Anhang II Ziffer 2 des Entwurfs genannten Tätigkeiten unabhängig von den in Anhang 1 der RL 96/61/EG des Rates genannten Schwellenwerten zu beachten. Die Bestimmung der Standorte ist in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Nach Absatz 3 messen die zuständigen Behörden die Konzentration gefährlicher Stoffe an den nach Absatz 2 ermittelten Standorten. Bei Standorten, an denen die Konzentrationen so hoch sind, dass hinreichende Gründe für die Annahme bestehen, dass von ihnen eine erhebliche Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ausgeht, ist eine Risikobewertung innerhalb bestimmter Fristen vor Ort durchzuführen.

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d) Die Bodenzustandsberichte Art. 12 verpflichtet die Mitgliedstaaten, bei Eigentümerwechsel an Grundstücken Bodenzustandsberichte einzuführen. Soll ein Standort verkauft werden, an dem eine der in Anhang II genannten potenziell verschmutzenden Tätigkeiten stattfindet oder laut amtlichen Aufzeichnungen stattgefunden hat, sind die Mitgliedstaaten nach Art. 12 Abs. 1 zu Folgendem verpflichtet: Sie stellen sicher, dass der Besitzer des Standorts dem potenziellen Käufer und der in Art. 11 genannten zuständigen Behörde einen Bericht über den Zustand des Bodens vorlegt. Der Bodenzustandsbericht wird nach Absatz 2 von einer von dem Mitgliedstaat benannten und ermächtigten Stelle oder Person herausgegeben und hat im Einzelnen benannte Angaben zu enthalten.

e) Die Sanierung Nach Art. 13 sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die in ihren Verzeichnissen aufgelisteten verunreinigten Standorte saniert werden. Die Sanierung umfasst Maßnahmen am Boden zur Beseitigung, Überwachung, Eindämmung oder Verminderung der Schadstoffe. Im Ergebnis darf von dem verunreinigten Standort unter Berücksichtigung seiner gegenwärtigen und künftigen genehmigten Nutzung keine erhebliche Gefahr mehr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ausgehen. Der Entwurf legt fest, dass das Verursacherprinzip gilt, enthält jedoch keine Vorgaben für die Einzelheiten der Haftung. Demgegenüber enthält das deutsche Bodenschutzrecht detaillierte Regelungen. Die zentrale Haftungsregelung enthält § 4 Abs. 3 BBodSchG. Danach sind der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen. Hierfür kommen bei Belastungen durch Schadstoffe neben Dekontaminations- auch Sicherungsmaßnahmen in Betracht, die eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern. Soweit dies nicht möglich oder unzumutbar ist, sind sonstige Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen durchzuführen. Voraussetzung der Verursacherhaftung ist das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast. Insoweit greift der Amtsermittlungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 BBodSchG ein, wonach die Behörde bei Vorliegen von Anhaltspunkten für eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast zur Ermittlung des Sachverhalts die geeigneten Maßnahmen ergreifen soll. Wann solche Anhaltspunkte vorliegen, wird in § 3 Abs. 1 und 2 BBodSchV konkretisiert. Problematisch ist die Bestimmung des Entwurfs, demzufolge die Mitgliedstaaten nach Absatz 3 geeignete Mechanismen zur Finanzierung der Sanierung der verunreinigten Standorte schaffen, wenn, vorbehaltlich der Anwendung des Verursacherprinzips, die für die Verschmutzung verantwortliche Person

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1. nicht ermittelt werden kann; 2. nach gemeinschaftlichen oder einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nicht haftbar gemacht werden kann; 3. zur Übernahme der Sanierungskosten verpflichtet werden kann.

11. Die nationalen Sanierungsstrategien Nach Art. 14 Abs. 1 stellen die Mitgliedstaaten binnen sieben Jahren eine nationale Sanierungsstrategie auf, die umfasst 1. Sanierungsziele; 2. eine Auflistung der zu sanierenden verunreinigten Standorte nach ihrer Priorität; 3. einen Zeitplan für die Umsetzung; 4. eine Schätzung der für die Sanierung der im Verzeichnis aufgelisteten verunreinigten Standorte aufzuwendenden privaten oder öffentlichen Mittel. Im Fall von Sanierungsmaßnahmen, die in der Eindämmung der Verunreinigung oder der natürlichen Wiederherstellung bestehen, ist in der nationalen Sanierungsstrategie ein langfristiger Überwachungsmechanismus vorzusehen, um festzustellen, wie sich die Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt entwickelt. Das BBodSchG enthält keine Regelung über Sanierungspläne oder -programme auf Bundesebene. Das Aufstellung der Sanierungspläne ist in den LBodSchGen geregelt. In Nordrhein-Westfalen findet sich die entsprechende Regelung in § 5 LBodSchG. Danach erfassen die zuständigen Behörden schädliche Bodenveränderungen und Verdachtsflächen. Dabei sind die für die Erforschung und Abwehr von Gefahren und die für die Feststellung der Ordnungspflichtigen benötigten Daten, Tatsachen und Erkenntnisse zu sammeln und aufzubereiten, für die nach dem Gesetz oder nach anderen Gesetzen eine Auskunftsverpflichtung besteht. Die zuständigen Behörden führen nach § 8 ein Kataster über die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden altlastverdächtigen Flächen und Altlasten. l2. Die Beeinflussung der Öffentlichkeit Nach Art. 15 Abs. 1 ergreifen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die wichtige Rolle des Bodens für das Überleben der Menschen und der Ökosysteme und fördern den Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch im Bereich der nachhaltigen Bodennutzung. Diese Sensibilisierung dürfte wenig fruchten, wenn sie sich nur auf einen Bereich der Umwelt erstreckt. Hinzu kommt, dass die Erfahrungen mit den umfänglichen Bemühungen des deutschen Rats für nachhaltige Entwicklung, den Gedanken der Nachhaltigkeit zu popularisieren, nicht optimistisch stimmen. Im landwirtschaftlichen Bodenschutzrecht könnte

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die Sensibilisierung durch das „Cross Compliance Regime“ erreicht werden – allerdings nur mit Hilfe der Drohung, Subventionen zu streichen. Nach Absatz 2 findet auf die Erstellung, Änderung und Überprüfung der in Art. 8 genannten Maßnahmeprogramme für die Risikogebiete und der in Art. 14 genannten nationalen Sanierungsstrategien Art. 2 Absätze 1, 2, 3 und 5 der RL 2003/35/EG Anwendung. Der Verweis auf die RL 2003/35/EG über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme in diesem Entwurf ist sinnvoller, als der frühere Versuch, eine detaillierte spezielle Beteiligungsregelung zu etablieren. 13. Die Unterrichtung der Kommission Nach Art. 16 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission binnen acht Jahren und in der Folge alle fünf Jahre: 1. eine Zusammenfassung der nach Art. 5 ergriffenen Initiativen (Versiegelung); 2. eine Auflistung der nach Art. 6 Abs. 1 bestimmten Risikogebiete; 3. die zur Bestimmung der Risikogebiete nach Art. 7 verwendete Methode (empirische Daten oder Modelle); 4. die nach Art. 8 beschlossenen Maßnahmeprogramme sowie eine Bewertung der Wirksamkeit der Maßnahmen (Bodenschutzpläne). Eine Einbeziehung der Berichterstattung über den Erfolg der Sensibilisierungsbemühungen fehlt mit Recht. Weitere Bestimmungen des Entwurfs beziehen sich 1. auf den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über die Bestimmung von Risikogebieten; 2. die Anpassung von Anhang I an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt und die Harmonisierung von Methoden der Risikobewertung; 3. auf Sanktionen bei Verstößen gegen die innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der RL, den Erlass von Vorschriften zur Umsetzung der RL und die übliche Entsprechungstabelle.

VI. Der Bodenschutz in benachbarten Regelungen Bei der Interpretation der vorgesehenen Regelung ist zu beachten, dass für den Umgang mit dem Boden auf landwirtschaftlichen Flächen das Agrarrecht gilt. Im Rahmen der reformierten Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) spielen Bodenschutzbelange eine wesentliche Rolle. Die Integration der Umweltbelange in die GAP umfasst vor allem die besonders interessierenden Beachtenspflichten umweltschutzspezifi-

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scher Regelungen („Cross Compliance“)10 und Anreize (Flächenstilllegung) sowie gezielte Umweltmaßnahmen im Rahmen der Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums. Im Rahmen von Cross Compliance sind für landwirtschaftliche Bodennutzer, anders als nach dem BBodSchG, das sich in § 17 mit dem Verweis auf gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft begnügt, alle bodenschutzrelevanten Bestimmungen des europäischen Rechts zu beachten, an der Spitze die VO der Kommission zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen (Cross Compliance) und die DirektzahlungsVO. Relevant sind insb. die VogelschutzRL, die FFH-RL, die GrundwasserRL, die Klärschlamm-RL, die Nitrat-RL, die Pflanzenschutzmittel-RL sowie zahlreiche weitere Bestimmungen des europäischen Agrarrechts. Für die Diskussion der Weiterentwicklung des europäischen Bodenschutzes ist die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäisches Parlament hinsichtlich der „Entwicklung einer thematischen Strategie für die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen“ vom Dezember 2005 bedeutsam. Diese Strategie will einen Beitrag zur Entkopplung von ressourcenbezogenen Umweltbelastungen und Wirtschaftswachstum leisten. Die Strategie enthält allerdings keine konkreten Regelungen, sondern hat apellativen Charakter. Die Strategie für die städtische Umwelt vom Januar 2006 wäre gleichfalls für den Bodenschutz relevant, enthielte sie mehr als undifferenzierte Empfehlungen und allgemein gehaltene Äußerungen zu ihrer Begründung. Die Strategie schlägt ein integriertes Konzept für die Bewirtschaftung der städtischen Umwelt vor, das dazu beitragen soll, Konflikte zwischen verschiedenen politischen Maßnahmen und Initiativen für städtische Gebiete zu vermeiden und zu einer langfristigen Vision für die Städteentwicklung zu führen. Nachhaltige Städteplanung und angemessene Flächenplanung sollen ermöglichen, die Zersiedelung der Landschaft und Verluste natürlicher Lebensräume und der biologischen Vielfalt zu verringern. Eine weitere europäische Strategie mit flankierenden Wirkungen ist die Strategie für die Luftqualität. Von flankierender Bedeutung ist weiterhin die Strategie für Abfallvermeidung und -recycling, ferner der Entwurf einer Novelle zur KlärschlammRL sowie einer Bioabfall-RL. Die Verwendung von Klärschlamm als Düngemittel auf landwirtschaftlich genutzten Böden wird allerdings nach wie vor als umweltfreundliche Option betrachtet, dies jedoch bei verschärften Grenzwerten.

VII. Die Äußerungen von Interessenverbänden Wie bei allen umweltrechtlichen Initiativen der öffentlichen Hand, insb. bei legislativen Maßnahmen der EG, sind massive, häufig erfolgreiche, Interventionen durch Interessenverbände und -gruppen erfolgt.

10

s. dazu Peine, AUR 2005, Beilage I/2005, S. 11 – 17.

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Im Vordergrund stehen Einwirkungen der Agrarlobby. So hat der Allgemeine Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften der EU geltend gemacht, die Maßnahmen der EG im Zuge der GAP-Reform bildeten ein hinreichendes Mittel, die Ziele der thematischen Strategie für den Bodenschutz zu erreichen. Eine BodenRRL sei nicht akzeptabel. Auch der Deutsche Bauernverband hält in seiner Stellungnahme vom Juni 2006 eine EG-BodenRRL für nicht erforderlich und begründet dies mit unterschiedlichen Bodenverhältnissen, Bewirtschaftungsformen und Klimaverhältnissen in der EU. Der Verband wehrt sich gegen Eingriffe „in eine nachhaltig wirtschaftende Landwirtschaft“ und fordert, das eigenverantwortliche Engagement der Landwirte zur Steigerung der Bodenqualität zu stärken. Den starken Einfluss der Agrarlobby demonstriert beispielhaft der in den Bundestag eingebrachte Antrag der FDP „Europäische Bodenschutzstrategie durch eine sachgerechte Klärschlammverwertung unterstützen“ v. 30. 5. 2006. Darin setzt sich die FDP dafür ein, dass beim Umgang mit Klärschlamm die landwirtschaftliche und energetische Verwertung gleichwertige Alternativen darstellen. Sie wendet sich gegen das von ihr befürchtete Verbot der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung in Deutschland. Die FDP fordert die Bundesregierung unter anderem dazu auf, das gegenwärtig praktizierte Verfahren der landwirtschaftlichen Verwertung von Klärschlamm als (wie im Antrag unterstellt) „grundsätzlich nachhaltige Option“ der Verwertung beizubehalten und dies als Basis der Novellierung der Klärschlamm-VO in Deutschland zu berücksichtigen. Der Bundesrat lehnt den Entwurf vollständig ab. Verbände und Vereinigungen der Industrie lehnen den Entwurf ab. So wendet sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag gegen eine RRL und weist darauf hin, die Ausrichtung allein auf ökologische Aspekte werde mittel- bis langfristig zu einem Standortnachteil für europäische Unternehmen führen. Das Ziel der EG, bis zum Jahr 2010 zur wettbewerbsfähigsten Region in der Welt zu werden, werde dadurch verfehlt. Auf europäischer Ebene hat sich ein „Europäisches Umweltbüro“ etabliert, eine Vereinigung von mehr als 140 Umweltverbänden und -gruppen in Europa. Dieses schlägt konkrete Ziele und Maßnahmen für die Bodenschutzstrategie vor: 1. Stopp der Anreicherung von Gesundheit und Umwelt gefährdenden Substanzen im Boden und Verringerung der Konzentrationen solcher gefährlicher Substanzen bis 2020; 2. Umkehr der Trends der Erosion, Verdichtung, Versiegelung, Entnahme und Kontamination des Bodens durch landwirtschaftliche Aktivitäten und Landnutzungsplanung; 3. Schutz der Böden für ihre entscheidende Funktion als Kohlenstoffspeicher und Hilfe gegen die globale Erwärmung, zur Sicherung der Wasserressourcen (quantitativ und qualitativ) und zum Biodiversitätsschutz; 4. Schutz der Böden für nachhaltige Nahrungs- und Faserproduktion.

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M. Beitrag des europäischen Rechts für einen effektiven Bodenschutz

VIII. Die Bewertung des Entwurfs Die endgültige Bodenschutzstrategie nebst BodenRRL ist mit Rücksicht auf die Festlegungen des Sechsten Umweltaktionsprogramms der EG möglicherweise in diesem Jahr zu erwarten. Hinzuweisen ist freilich darauf, dass die Dominanz ökonomischer Belange in der europäischen Politik, die Widerstände einiger Mitgliedstaaten der Union, anderer Ressorts der Kommission, umweltpolitische Neuorientierungsund Liberalisierungstendenzen, neue Konzepte des „Regierens in Europa“ und starke Widerstände der Lobby gegen eine BodenRRL das Risiko weiterer Verzögerungen und Verwässerungen in sich bergen. Der in Deutschland verbesserungsfähige und auf der Gemeinschaftsebene und der Ebene der meisten Mitgliedstaaten nicht hinreichend ausgestaltete Bodenschutz könnte durch eine durchgreifende gesetzgeberische Maßnahme der europäischen Kommission entscheidend vorangebracht werden. Voraussetzung dafür ist, dass sie sachgerecht angegangen wird. Insoweit ist der Entwurf der RL als richtiger Schritt in die Richtung eines gemeinschaftsweiten effektiven Schutzes der Böden positiv zu bewerten – nicht zuletzt deswegen, weil er eine wesentliche Lücke im Umweltrecht der Gemeinschaft ausfüllt und in einigen Mitgliedstaaten die Verpflichtung zum Erlass eines Bodenschutzrechts erstmalig schafft. Im Interesse der Umsetzung des Nachhaltigkeitsgebots erscheint ein wirksamer vorsorgender Bodenschutz, der einen nachhaltigen Umgang mit der Ressource Boden impliziert, mit Rücksicht auf die permanente Verschlechterung der Böden als unumgänglich. Infolgedessen ist die Ausdehnung des Vorsorgegebots auf alle Gefährdungen der europäischen Böden unter prinzipieller Gleichstellung des Bodenschutzes mit dem Schutz anderer Umweltmedien positiv zu sehen. Die im Entwurf der europäischen Bodenschutzstrategie hervorgehobenen Kernziele 1. Vermeidung einer weiteren Verschlechterung der Bodenqualität und Erhaltung der Bodenfunktionen, 2. Maßnahmen an der Quelle, wenn der Boden die Auswirkungen von menschlichen Tätigkeiten oder Umweltphänomenen aufnimmt/absorbiert, 3. Wiederherstellung von Böden, deren Qualität sich verschlechtert hat, auf einen Funktionalitätsgrad, der der derzeitigen und geplanten zukünftigen Nutzung zumindest gerecht wird, wobei auch die Kosten einer Sanierung des Bodens zu berücksichtigen sind, 4. bedingen wirksame Instrumente zu ihrer Durchsetzung. Das Gegenargument, wegen der großen regionalen Unterschiede in Europa sei die nationale Gesetzgebung für den Boden ausreichend, ist nicht stichhaltig, 5. weil mit Ausnahme einiger weniger Staaten in Europa das nationale Bodenschutzrecht nicht ausreicht; 6. weil Europa nur ein Klima und nur ein vernetztes Ökosystem hat.

M. Beitrag des europäischen Rechts für einen effektiven Bodenschutz

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Bei der Erarbeitung der Strategie sollten die Empfehlung des Rats von Sachverständigen für Umweltfragen im Umweltgutachten 2004: „Umweltpolitische Handlungsfähigkeit sichern“, berücksichtigt werden, in die Bodenschutzstrategie und die RRL auch die Festlegung gemeinschaftsweiter Bodenstandards für Schadstoffe einzubeziehen, um eine einheitliche Basis für alle schadstoffbezogenen Maßnahmen in den verschiedensten Verursacherbereichen und transparente Grundlagen für die Bewertung von Schadstoffen im Boden und zwar sowohl in ihrer Wirkung auf die Umwelt als auch auf den Menschen zu schaffen. Zur Begrenzung schädlicher Stoffeinträge in den Boden ist eine einheitliche Rahmenvorgabe über alle Eintragspfade in den Boden, insb. für EU-Regelungen in den folgenden Bereichen erforderlich: 1. Emissions-/Immissionsschutz; 2. Abfallentsorgung (z. B. Klärschlamm); 3. bewirtschaftungsbezogene Einträge (Düngemittel, Pflanzenschutzmittel). Um einen guten Bodenzustand zu bewahren, ist eine generelle Eintragsminderung anzustreben und in einer mittleren Frist eine Trendaufhebung der Schadstoffanreicherung im Boden hin zu einem Eintrags-/Austragsgleichgewicht zu verankern. Unbefriedigend ist der Umgang des Entwurfs mit dem Nachhaltigkeitsprinzips. Seine Umsetzung impliziert die Erhaltung der Böden für die künftigen Generationen. Nachhaltiger Bodenschutz erfordert die Verankerung wirksamer Instrumente und einheitlicher Kriterien. Schwachpunkte sind die Berichtspflichten für die Mitgliedstaaten zur Festlegung von Risikogebieten und die für Risikogebiete vorgesehenen Maßnahmen bei unpräzisen Vorgaben für die Bodenschutzmaßnahmen in den Risikozonen. Wünschenswert ist ein effektiverer Bodenschutz und längerfristig ein nachhaltigerer Bodenschutz. Nicht wünschenswert ist eine uneffektive Bürokratisierung. Für einen nachhaltigen flächenhaften Bodenschutz müssen innovative inhaltliche Konzepte, wirksame rechtliche Instrumente und Verfahren entwickelt werden. Diese müssen ermöglichen, den Verlust an Böden und der Bodenqualität durch bereits eingetretene und künftig zu erwartende Inanspruchnahme von Böden durch Siedlungs-, Gewerbe- und Infrastrukturflächen aufzufangen. Für die weitere Entwicklung ist zu hoffen, dass sich der europäische Bodenschutz entsprechend den Forderungen und Empfehlungen aus Wissenschaft und Politik zu einem wirklich nachhaltigen Bodenschutz entwickelt.

N. Die Kostentragung für die Blindgängerbeseitigung als Problem der verfassungskonformen Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit I. Das Problem Nicht nur, aber insb. in Berlin und Brandenburg werden wohl wöchentlich bei Bauarbeiten sog. Blindgänger (= nicht explodierte Bomben) aus dem zweiten Weltkrieg gefunden1. Besonders hart von Blindgängern betroffen ist die Stadt Oranienburg. Nach einem Gutachten sollen in ihrem Boden noch mindestens 320 Blindgänger vorhanden sein2. Blindgänger können jederzeit explodieren. Die von ihnen ausgehenden Gefahren sind nicht abschätzbar. Die Gefahren betreffen Leib und Leben, Sachgüter und die Umwelt. Die Explosion eines Blindgängers, der sich im Boden unter einer Fabrik befindet, in der für die Umwelt gefährliche Chemikalien verarbeitet werden, kann einen Schaden an den genannten Schutzgütern verursachen, dessen Höhe im vorhinein nicht seriös geschätzt werden kann. Soweit ersichtlich, blieb Deutschland bislang von einer solchen Katastrophe verschont. Selten führte die Entschärfung von Blindgängern zu einem Personen- oder Sachschaden3. Dieses ist darauf zurückzuführen, dass in hohem Grade spezialisierte Personen die Entschärfung vornehmen und dass die Ordnungsbehörde die Bewohner der Umgebung eines Bombenfundplatzes zwingt, den Ort bis zum Zeitpunkt der Entwarnung zu verlassen. Im Falle eines Falles müsste z. B. eine Fabrik geräumt (einschließlich der Entfernung der erwähnten Chemikalien) und die Produktion eingestellt werden, um bei einem Unglück den Schaden so gering wie möglich zu halten. Es ist unmittelbar einsichtig, dass eine Aktion dieser Dimension mit einem enormen Kosten-

1 Nach dem Bericht der „FAZ“ v. 4. 6. 2010, S. 7: „Tödliche Routine“ werden jährlich bis zu 5500 Bomben gefunden. Jede siebte bis zehnte Bombe, die die Westmächte während des Zweiten Weltkriegs auf Deutschland abwarfen, explodierte nicht. Der Betriebsleiter der Kampfmittelräumfirma Tauber, Andreas Heil, berichtet in: „Der Spiegel“ v. 7. 6. 2010, S. 99: „Die Dinger funktionieren noch“, dass es in Deutschland noch mehr als 100.000 Blindgänger gibt. 2 Bericht „Der Tagesspiegel“ v. 3. 6. 2010, S. 7: „Zeitbomben“. 3 Eine traurige Ausnahme von dieser Regel bildet der Tod dreier Mitarbeiter des Kampfmittelräumdienstes in Göttingen am 1. 6. 2010 bei der Arbeit an der Entschärfung einer Bombe, s. Spiegel-online v. 1. 6. 2010. Zuvor starben bei einer Blindgängerexplosion in Wetzlar 1990 zwei Personen, s. Bericht Heil (Fn. 1).

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N. Die Kostentragung für die Blindgängerbeseitigung

aufwand verbunden ist. Zu den Kosten zählt auch der entgangene Gewinn durch Produktionseinstellung während der Räumung. Wer trägt die Kosten? Die in den Ländern für die Bombenbeseitigung zuständigen Behörden verbreiten auf Merkblättern und im Internet, dass die Entschärfung der Bombe als solche der Staat bezahle, weil er dazu nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG4 verpflichtet sei5. Die übrigen Kosten trage der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück oder dessen Eigentümer6: Soweit ersichtlich, trägt die öffentliche Hand bislang die Kosten vollständig (das Land die der Entschärfung, der Träger der Ordnungsbehörde die übrigen [Sperrung der Umgebung des Fundorts sowie die Räumung]; es ist nicht bekannt, ob es jemals einen Fall gegeben hat, bei dem es zu einer Produktionseinstellung gekommen ist – insoweit ist eine Aussage über die tatsächliche Kostentragung nicht möglich). Entspricht dieses Vorgehen der objektiven Rechtslage? Mit Blick auf die Verantwortlichkeit für den Zustand eines Grundstücks haben Rechtsprechung und Literatur die sog. Opferfälle als eine besondere Gruppe der Zustandsverantwortlichkeit separiert7. Dieser Gruppe ordnet man Ereignisse zu, die zu einer Zustandshaftung führen, für die der nach dem Gesetz (Polizei- oder Ordnungsbehördengesetz) Haftende (also primär der Inhaber der tatsächlichen Gewalt: das ist derjenige, der die Sachherrschaft über das Grundstück innehat: der Besitzer8 ; nachrangig ist der Eigentümer verantwortlich) aber unter keinen denkbaren Umständen verantwortlich ist: die Tankwagenunfälle (ein Tankwagen stürzt auf ein Grundstück und das auslaufende Öl verseucht Boden und Grundwasser); die Flugzeugabsturzfälle; die sog. Altlastenfälle; bislang literarisch nicht aufgearbeitet, aber hier relevant: die Blindgängerfälle (gelegentlich als Weltkriegsfälle bezeichnet). Die unbeschränkte Haftung der Zustandsverantwortlichen betrachten heute alle mit der Problematik Befassten als unbillig9. Da eine gesetzliche Lösung fehlt, haben Literatur und Rechtsprechung unterschiedliche Lösungsmodelle entwickelt. Sie werden i.F. dargestellt, 4 Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines Kriegsfolgengesetz), BGBl. III, Gliederungsnummer 653-1. Die Norm lautet: „Ansprüche (§ 1), die auf einer sonstigen Beeinträchtigung oder Verletzung des Eigentums oder anderer Rechte an einer Sache oder an einem Recht beruhen, sind nur dann zu erfüllen, 1. wenn die Erfüllung des Anspruchs zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich ist […]“. 5 Diese Rechtsauffassung wird als richtig anerkannt, vgl. zu ihr Peine, DVBl 1990, 733 – 740. 6 s. z. B. den Runderlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen v. 9. 11. 2007 – 75-54.01. Der Erlass beruft sich für die Kostentragungspflicht des Inhabers der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück auf dessen Eigenschaft als Zustandstörer, was das OVG NW bestätigt habe: Entscheidung v. 3. 6. 1997 – 5 A 4/96, unveröff. 7 s. dazu unter II. Vorab sei hingewiesen auf die ausführliche Darstellung dieses Problems durch Tollmann, Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit: Rechtsgrund und Reichweite – Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Berücksichtigung der Zustandsverantwortlichkeit gesicherter Kreditgeber –, 2007, S. 161 ff. 8 s. statt vieler Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 14. Aufl. 2009, S. 77. 9 s. statt vieler Götz, ebd.

N. Die Kostentragung für die Blindgängerbeseitigung

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analysiert und kritisiert. Auf ihrer Grundlage wird die Frage der Kostentragung in den Blindgängerfällen beantwortet. Es folgt ein eigener Vorschlag.

II. Vorgefundene Lösungen 1. Die Literatur a) Überblick über die Lösungen Zur Lösung der Opferfälle finden sich drei Vorschläge: die Ermessens-, die Tatbestands- und die Rechtsfolgenlösung. Nach der Ermessenslösung bleibt der Eigentümer Störer10. Die Behörde könne von ihm unbeschränkt die Gefahrenabwehr verlangen. Die Opferposition sei bei der Störerauswahl relevant: Die Behörde müsse grundsätzlich den Verhaltens- vor dem Zustandsverantwortlichen verpflichten. Sei der Verhaltensstörer nicht auffindbar oder zur Abwehr der Gefahr nicht in der Lage, könne die Behörde den Eigentümer heranziehen. Im Einzelfall dürfe sie von seiner Inanspruchnahme absehen, wenn diese unverhältnismäßig sei. – Die Opferfälle sind nach der Tatbestandslösung Folge einer zu weit gefassten Zustandsverantwortlichkeit11. Sie müsse verfassungskonform reduziert werden. Der Eigentümer sei als Nichtstörer zu behandeln. Danach sei der Eigentümer weder zur Gefahrenabwehr noch zur Kostentragung verpflichtet. Die Gefahrenabwehr müsse er nur nach den Regeln des polizeilichen Notstands dulden. – Nach der Rechtsfolgenlösung ist der Eigentümer in den Opferfällen Zustandsstörer12. Er müsse nur eingeschränkt die Gefahr abwehren. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass er die Gefahrenabwehrmaßnahmen nur dulden müsse. Nach überwiegender Ansicht soll er auch sanieren müssen. Insoweit existierten finanzielle Obergrenzen.

10 BaWüVGH, DÖV 1986, 249; BayVGH, BayVBl 1986, 590; OVG NW, NVwZ 1989, 987; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 320 f.; Schrader, Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip?, 1988, S. 123; Müllensiefen, Gefahrenabwehr und Gefahrerforschung, 1997, S. 174 f. 11 Friauf, in: Vogel/Tipke (Hg.), Verfassung, Verwaltung, Finanzen, FS Wacke, 1972, S. 293 ff.; ders., POR, in: Schmidt-Aßmann (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, S. 143 ff.; Ossenbühl, DÖV 1976, 470; Pietzcker, DVBl 1984, 457 ff.; Bielfeldt, DÖV 1989, 447; Herrmann, Flächensanierung als Rechtsproblem, 1989, S. 93; Spießhofer, Der Störer im allgemeinen und im Sonderpolizeirecht, 1989, S. 190. 12 Papier, Altlasten und polizeiliche Störerhaftung, 1985, S. 48 ff.; ders., DVBl 1985, 873 ff.; ders., NVwZ 1986, 256 ff.; ders., NWVBl 1989, 322 ff.; ders., JZ 1994, 810 ff.; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Komm. Bd. 2, 1994, Art. 14, Rn. 511 ff.; BGHZ 126, 282; Schink, VerwArch 1991, 380; Knopp, Altlastenrecht in der Praxis, 1992, Rn. 46; Kothe, Altlastenrecht in den neuen Bundesländern, 1996, S. 123 f.; Schwemer, VR 1996, 153.

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b) Die Lösungen im Einzelnen aa) Die Ermessenslösung13 verneint eine generelle Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen. Eine Inanspruchnahme des Eigentümers verbleibe grundsätzlich innerhalb der Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG. Lediglich im Einzelfall könne es zu unbilligen Ergebnissen kommen, wenn die Verpflichtung des Eigentümers das Maß des Zumutbaren überschreite. Dieses sei insb. der Fall, wenn seine Verpflichtung zur Gefahrenabwehr seinen wirtschaftlichen Ruin bedeute14. Diese Lehre wählt zur Begründung ihres Ergebnisses die behördliche Verpflichtung, die Ermessensentscheidung am Verhältnismäßigkeitsprinzip zu orientieren. Die Behörde habe bereits bei der Störerauswahl das Übermaßverbot zu beachten.15 Diesem entsprechend müsse sie die jeweiligen Verursachungsbeiträge, etwaige zivilrechtliche Ausgleichspflichten16 sowie das Maß der individuellen Belastung berücksichtigen. Die Inanspruchnahme stelle für den Störer den geringsten Eingriff dar, der im Innenverhältnis für die Beseitigung der Gefahr verantwortlich sei; dieses sei in den Opferfällen der Verhaltensstörer. Die effektive Gefahrenabwehr dürfe aber nicht beeinträchtigt werden. Könne der Verhaltensstörer nicht ermittelt werden oder sei er nicht zur Gefahrenabwehr oder zur Kostentragung in der Lage, hafte der Zustandsstörer grundsätzlich unbegrenzt17, es sei denn, der Eigentümer werde durch die Gefahrenabwehr wirtschaftlich ruiniert. Diese Lehre ist nicht geeignet, die Opferproblematik zu lösen. Sie stellt nicht auf die Opferposition als solche, sondern auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit im Einzelfall ab18. Wenn sie bei der Störerauswahl ansetzt, muss sie versagen, wenn eine Inanspruchnahme des Verhaltensstörers aus tatsächlichen Gründen ausscheidet19. Die Entscheidung über die Verpflichtung eines Eigentümers in einer Opferposition ist allein eine Frage der gerechten Lastenverteilung zwischen der Allgemeinheit und dem Eigentümer20. Eine solche nimmt die Ermessenslösung nicht vor, weil die 13

s. die Nachw. in Fn. 10. Erichsen, VVDStRL 35, 207; Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, 1977, S. 162. 15 Vgl. BVerwGE 38, 68 ff.; 50, 274 f.; Lücke, Die (Un-)Zumutbarkeit als allgemeine Grenze öffentlich-rechtlicher Pflichten, 1973, S. 22 f. 16 Ausgleichspflichten ergeben sich aus § 24 Abs. 2 BBodSchG. Bereits vor Inkrafttreten des BBodSchG gab es einen finanziellen Ausgleich zwischen den Störern, s. Kormann, UPR 1983, 283; Seibert, DÖV 1983, 973 ff.; Spannowsky, UPR 1988, 380. 17 Tollmann (Fn. 7), S. 164. 18 Papier, JURA 1989, 509. 19 Ebd. 20 Spannowsky, UPR 1988, 376; ders., DVBl 1994, 561 ff.; Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung unter mehreren Störern: Auswahl und Ausgleich insb. in Umweltschadensfällen, 1990, S. 52 f.; Kloepfer/Thull, DVBl 1989, 1121; Griesbeck, Die materielle Polizeipflicht des Zustandsstörers und die Kostentragung nach unmittelbarer Ausführung und Ersatzvornahme – dargestellt am Beispiel der Altlasten – Problematik, 1991, S. 105; Schulz, Die Lastentragung bei der Sanierung von Bodenkontaminationen, 1995, S. 184, 289; Lindner, Die verfassungsrecht14

N. Die Kostentragung für die Blindgängerbeseitigung

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ungerechte Lastenverteilung nicht aus der wirtschaftlichen Überforderung des Eigentümers im Einzelfall folgt, sondern daraus, dass dem Eigentümer eine Gefahr zugerechnet wird, die ihm gerechterweise nicht zugerechnet werden kann21. Es darf bei einem Tankwagenunfall nicht danach differenziert werden, ob das Opfer finanzstark oder finanzschwach ist. Unbillig ist es, dass der Eigentümer als zufälliges Opfer des Verhaltens eines Dritten die Gefahren abwehren muss. Die finanzielle Leistungsfähigkeit sagt nichts darüber aus, ob eine Gefahrenabwehrpflicht besteht22. Die Ermessenslösung ist abzulehnen. – Wendet man sie auf die Blindgängerfälle an, dann muss der Eigentümer die Kosten der Gefahrenbeseitigung tragen, wenn er leistungsfähig ist, mit Ausnahme der Kosten für die „eigentliche“ Kampfmittelbeseitigung. Anderenfalls muss er die Kosten nicht tragen. Da er aber auch nicht Nichtstörer ist, entfällt eine Entschädigung z. B. für den Schaden, den ein Unternehmen in den Blindgängerfällen durch eine Produktionsunterbrechung erleidet. Es entfällt also eine Entschädigung für den entgangenen Gewinn23. bb) Nach der Tatbestandslösung24 ist der Eigentümer Nichtstörer. Dieses Ergebnis folgt aus einer Zurechnung von Gefahren nach Risikosphären. Bei der Zustandsverantwortlichkeit entstamme die Gefahr der Risikosphäre des Eigentümers. Daran fehle es in den Opferfällen. Bei der Zustandsverantwortlichkeit gehe es um eine Risikoverteilung zwischen dem einzelnen Eigentümer und der Gesamtheit der Steuerzahler25. Die Opferfälle kennzeichne, dass der betroffene Grundeigentümer von der Gefahr zufällig betroffen werde. Die Gefahr hätte jeden beliebigen anderen Steuerzahler treffen können26. Derartige Zufallsschäden seien der Risikosphäre der Allgemeinheit zuzurechnen. Friauf, der als erster die Tatbestandslösung vertreten hat, verortet die Zustandsverantwortlichkeit rechtlich in der Sozialbindung des Eigentums27. Art. 14 Abs. 2 GG verbiete einerseits einen schrankenlosen Individualgebrauch, begrenze das Eigentum andererseits nicht durch beliebige Kollektivinteressen. Eine Verantwortlichkeit des Eigentümers zur Gefahrenabwehr komme nur dann in Betracht, wenn die Gefahr Bezug zu seiner Sachherrschaft besitze und daher seiner Risikosphäre entstamme. Das entfalle in den Opferfällen.

liche Dimension der allgemeinen polizeirechtlichen Adressatenpflicht, 1997, S. 8, 124; Kohls, Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit: insb. zur verfassungsrechtlichen Dimension der Sanierungsverantwortlichkeit ehemaliger Grundstückseigentümer nach dem BBodSchG, 2002, S. 168 f. 21 Tollmann, S. 165. 22 Ebd. 23 Dazu ausführlicher am Ende der Untersuchung. 24 s. die Nachw. in Fn. 11. 25 BremOVG, NVwZ-RR 1989, 16. 26 Friauf, FS Wacke (Fn. 7), S. 296; Lindner (Fn. 20), S. 118; Kohls (Fn. 20), S. 170. 27 Friauf, FS Wacke (Fn. 7), S. 299 f.

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Die weite Fassung des Tatbestands „Zustandsverantwortlichkeit“ erlaube es, finanzielle Lasten der Allgemeinheit auf betroffene Eigentümer abzuwälzen. Das überspanne die Sozialbindung verfassungswidrig. Der Verfassungswidrigkeit entgehe man, wenn der Tatbestand „Zustandsverantwortlichkeit“ verfassungskonform reduziert werde. Die Zustandsverantwortlichkeit dürfe nicht Gefahren aus der Risikosphäre der Allgemeinheit erfassen28. Bei diesen Gefahren sei der Eigentümer Nichtstörer. Er könne nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands zur Duldung der Gefahrenabwehrmaßnahme verpflichten werden. Zutreffend geht Friauf davon aus, dass dem Eigentümer die Gefahr nicht zugerechnet werden könne, wenn er ihr nicht näher stehe als jeder andere Steuerzahler. Unter dieser Voraussetzung ist die Zurechnung willkürlich und verfassungswidrig29. Abzulehnen ist indes die Einteilung der Risikosphären in solche des Eigentümers und solche der Allgemeinheit30. Die Opferfälle zeichnet aus, dass die Gefahr ausschließlich der Risikosphäre des Verhaltensstörers entstammt31. Der Allgemeinheit können Gefahren zugerechnet werden, wenn Organe des Staats die Gefahr durch ihr Verhalten verursachen oder die öffentliche Hand Zustandsstörer ist. Diese Bedingungen sind in den Opferfällen regelmäßig nicht erfüllt. Die relevante Frage in den Opferfällen lautet, ob der Eigentümer oder die Allgemeinheit das Risiko trägt, wenn der Verhaltensstörer als Träger der Kosten eines Schadens entfällt, weil er nicht auffindbar oder nicht leistungsfähig ist oder, wie in den Blindgängerfällen, aus völkerrechtlichen Gründen die Kosten nicht tragen muss32. Der Eigentümer muss nur dann die Gefahr abwehren/die Kosten der Gefahrenabwehr tragen, wenn ihm die Gefahr zuzurechnen ist. Die Zurechnung erfordert eine positive Begründung. Ferner ist der Eigentümer in den Opferfällen nicht Nichtstörer33. Zwar darf von einem Eigentümer in den Opferfällen nicht die Abwehr der Gefahr auf eigene Kosten gefordert werden, er darf aber verpflichtet werden, die Gefahrenabwehrmaßnahme Dritter zu dulden; das aber setzt voraus, dass er (begrenzt) Zustandsstörer ist. Die Pflicht zur Duldung muss aus praktischen Erwägungen möglich sein – auch jenseits der Voraussetzungen des polizeilichen Notstands. Die Gefahrenabwehr ist ohne aktive Mitwirkung des Eigentümers, nicht aber ohne seine Duldung möglich. Deshalb unterliegt die Duldungspflicht stärker als die Gefahrenabwehrpflicht der Sozialbindung des Eigentums. Der Eigentümer muss die Gefahrenbeseitigung in den Opferfällen als Störer entschädigungslos dulden. Ferner kann er entschädigungslos verpflichtet werden, alles zu unterlassen, was die Gefahrenbeseitigung erschwert.

28 29 30 31 32 33

Czychowski, DVBl 1970, 384. Tollmann (Fn. 7), S. 166. Pietzcker, DVBl 1984, 463. Tollmann (Fn. 7), S. 167. Ebd. Ebd.

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Auf der Grundlage dieser Aussagen ist der Eigentümer in den Opferfällen niemals kostentragungspflichtig. Da er aber auch nicht Nichtstörer ist, entfällt eine Entschädigung z. B. für den Schaden, den ein Unternehmen in den Blindgängerfällen durch eine Produktionsunterbrechung erleidet. Es entfällt also eine Entschädigung für den entgangenen Gewinn. cc) Nach der Rechtsfolgenlösung34 in dieser wie in jeder anderen Spielart ist der Eigentümer in den Opferfällen Störer. Wegen der Opferposition kann er lediglich eingeschränkt verpflichtet werden. Die Rechtsfolgenlösung findet sich in unterschiedlichen Varianten. Unterschiede gibt es in der dogmatischen Herleitung und in der Beschränkung der Verantwortlichkeit. Den größten Einfluss besitzt die Theorie der unterbrochenen/gestörten Privatnützigkeit. Diese Lösung hat maßgeblich Papier35 entwickelt. Er leitet die Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit aus Art. 14 GG ab. Sie sei eine Schrankenbestimmung i.S.d Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Zustandsverantwortlichkeit verhindere, dass der privatnützige Gebrauch des Eigentums gemeinwohlunverträglich werde: Der Eigentümer einer Sache in einem ordnungswidrigen Zustand könne in die Schranken seines Eigentums verwiesen werden. Der Gesetzgeber habe bei der Festlegung des Inhalts und der Schranken des Eigentums entsprechend Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG zu beachten, dass der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Wohl der Allgemeinheit diene. Sozialbindung und Privatnützigkeit seien danach in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Dem Eigentümer dürfe nicht jede substantielle privatnützige Verwendung genommen werden. Dieses Resultat wendet Papier primär auf die Altlastenfälle an. Bei ihnen sei die Privatnützigkeit unterbrochen/gestört, wenn das Grundstück wegen der Kontamination wertlos sei. Wenn der Eigentümer die Gefahr nicht (mit-)verursacht habe, sei er Opfer, wenn die privatnützige Verwendung entfalle: z. B., wenn der Eigentümer das erworbene Bauland wegen der von der Altlast ausgehenden Gesundheitsgefahr nicht bebauen oder ein bebautes Grundstück nicht vermieten könne. Eine unbeschränkte Inanspruchnahme des Eigentümers reduziere in diesen Fällen nicht eine ausufernde Privatnützigkeit, sondern halte einen bereits eingetretenen Verlust der privatnützigen Verwendung aufrecht. Sei die Privatnützigkeit infolge Fremdeinwirkung unterbrochen/gestört, müsse die Zustandsverantwortlichkeit verfassungskonform auf eine Pflicht zur Duldung der Gefahrenbeseitigung reduziert werden. Die dogmatische Herleitung dieses Ergebnisses ist im Ansatz verfehlt, weil sie die Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit nicht mit der fehlenden Zurechnung der Gefahr begründet36. Sie bringt das Maß der kontaminationsbedingten Wertminderung 34

s. die Nachw. in Fn. 12. Papier (Fn. 12), S. 48 ff.; ders., DVBl 1985, 873 ff.; ders., NVwZ 1986, 256 ff.; ders., JURA 1989, 505 ff.; ders., NWVBl 1989, 322 ff.; ders., JZ 1994, 810 ff.; ders., in: Maunz/ Dürig, Komm. zum GG, Bd. 2, 1994, Art. 14, Rn. 511 ff.; BGHZ 126, 282; Schink, VerwArch 1991, 380; Knopp (Fn. 12), Rn. 46; Kothe (Fn. 12), S. 123 f.; Schwemer, VR 1996, 153. 36 Tollmann (Fn. 7), S. 169. 35

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ins Spiel; denn ein Eigentümer als Opfer eines Tankwagenunfalls ist unbeschränkt zur Gefahrenabwehr verpflichtet, wenn das Grundstück nicht wertlos geworden sei. Versickert das bei einem Tankwagenunfall ausgelaufene Öl in das Erdreich, so habe dies keinen Einfluss auf die Möglichkeit des Eigentümers, sein Grundstück zu nutzen. Die Privatnützigkeit sei daher weder unterbrochen noch gestört. Die Theorie der unterbrochenen/gestörten Privatnützigkeit ist ferner vom praktischen Ergebnis ausgehend unbefriedigend. Die Verpflichtung des Eigentümers zur Gefahrenabwehr ist umgekehrt proportional zur Größe des Schadens. Für den Eigentümer wird es sinnlos, frühzeitig die Kontamination und so die Wertminderung zu begrenzen. Schließlich setzt sich der Verlust der Privatnützigkeit durch die behördliche Inanspruchnahme nicht fort. Die Bodenkontamination, nicht aber die Sanierungsanordnung, stört die Privatnützigkeit. Saniert der Eigentümer das Grundstück, erhöht er dessen Wert. Der Verlust der Privatnützigkeit entfällt. Es geht bei dieser Theorie endlich wohl auch nicht um den Verlust der privatnützigen Verwendung des Grundstücks als eines konkreten Eigentumsgegenstands. Die Ordnungsverfügung reduziert nicht das Recht des Eigentümers aus § 903 BGB. Die Verpflichtung des Eigentümers, das Grundstück auf eigene Kosten zu sanieren, greift in dessen Vermögen ein. Das Vermögen als solches unterfällt jedoch nicht dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG37. Die Theorie von der unterbrochenen/gestörten Privatnützigkeit ist nach alledem nicht zur Lösung der Opferproblematik geeignet. – Wendet man sie auf die Blindgängerfälle an, dann muss der Eigentümer die gesamten Kosten der Gefahrenbeseitigung tragen mit Ausnahme der Kosten der „eigentlichen“ Kampfmittelbeseitigung, weil nach der Entschärfung des Blindgängers der Eigentümer sein Grundstück weiter nutzen kann. Dessen Privatnützigkeit ist nicht gestört. Die zweite Variante der Rechtsfolgenlösung besteht in einer Begrenzung der Zustandshaftung auf den Verkehrswert des Grundstücks im sanierten Zustand38. Dieses Resultat leiten die Vertreter dieser Lösung aus Art. 14 GG und dem Übermaßverbot ab. Die behördliche Inanspruchnahme dürfe die Privatnützigkeit nicht ausschließen. Die finanzielle Beanspruchung des Eigentümers über den Wert des Grundstücks hinaus bewirke nicht rechtlich, aber faktisch seine Enteignung. Dieses Ergebnis sei unbillig. Die Zustandsverantwortlichkeit sei auf eine Inanspruchnahme bis zum Verkehrswert des sanierten Grundstücks zu beschränken. Ferner habe der Grundeigentümer die Gefahrenabwehrmaßnahmen lediglich zu dulden. Diese beiden Aussagen werden außerhalb der Opferfälle für alle Fälle der Zustandsverantwortlichkeit für richtig gehalten39. 37

s. BVerfGE 4, 17; 74, 148; 91, 220; 95, 300. Oerder, DVBl 1992, 695; ders., NVwZ 1992, 1037; ders., in: Oerder/Numberger/ Schönfeld, BBodSchG, 1999, § 4 Rn. 56; Pape, NJW 1992, 2666; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 1995, S. 292 ff.; Sparwasser/Geißler, DVBl 1995, 1319; Kniesel, BB 1997, 2012 f. 39 Oerder, DVBl 1992, 695; ders., NVwZ 1992, 1037; ders. in: Oerder/Numberger/ Schönfeld, BBodSchG, 1999, § 4, Rn. 56; Pape, NJW 1992, 2666; Bender/Sparwasser/Engel (Fn. 38), S. 292 ff.; Sparwasser/Geißler, DVBl 1995, 1319 f.; Kniesel, BB 1997, 2012 f. 38

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Die Begrenzung der Zustandshaftung auf den Verkehrswert des Grundstücks ist abzulehnen. Sie ist für die Lösung der Opferfälle ungeeignet, weil sie zum einen die Zustandsverantwortlichkeit nicht von einer Zurechnung der Gefahr abhängig macht und weil sie zum anderen nicht danach unterscheidet, ob der Eigentümer (wie durch die Verpachtung des Grundstücks an den Betreiber einer Deponie) an der Gefahrentstehung mitgewirkt hat oder ob er (wie etwa in den Tankwagen- und Blindgängerfällen) Opfer einer Fremdeinwirkung ist40. Muss sich der Eigentümer die Gefahr wegen Mitwirkung an ihrer Entstehung zurechnen lassen, wäre es unbillig, wenn er die den Verkehrswert des Grundstücks übersteigenden Kosten auf die Allgemeinheit abwälzen dürfte. Kann dem Eigentümer die Gefahr wegen Fehlens einer Mitwirkung nicht zugerechnet werden, wäre es unbillig, wenn er bis zum Verkehrswert des Grundstücks die Sanierungskosten tragen müsste. Schließlich würde eine Begrenzung der Zustandshaftung auf den Verkehrswert die Heranziehung des Eigentümers zur Gefahrenabwehr praktisch undurchführbar machen. Der Eigentümer könnte in den Fällen, in denen die zu erwartenden Sanierungskosten den Verkehrswert übersteigen, nicht mehr zur Sanierung verpflichtet werden. Stattdessen müsste die Behörde die Gefahr selbst abwehren und könnte den Eigentümer anschließend bis zur Höhe des geschätzten Verkehrswerts zu den Kosten heranziehen. Auch diese Variante der Rechtsfolgenlösung ist abzulehnen41. – Wendet man sie auf die Blindgängerfälle an, dann muss der Eigentümer die Kosten der Gefahrenbeseitigung bis zur Höhe des Verkehrswerts des sanierten Grundstücks tragen, von den Kosten der „eigentlichen“ Kampfmittelbeseitigung abgesehen. Darüber hinausgehende Kosten muss er nicht tragen. Da er aber auch nicht Nichtstörer ist, entfällt eine Entschädigung z. B. für den Schaden, den ein Unternehmen in den Blindgängerfällen durch eine Produktionsunterbrechung erleidet. Es entfällt also eine Entschädigung für den entgangenen Gewinn. dd) Keine der in der Literatur vorgelegten Lösungen der Opferfälle vermag zu überzeugen. Für die Kostentragung in den Blindgängerfällen kommen die Lösungen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ob z. B. der Verdienstausfall bei einer Produktionsunterbrechung zur Entschädigung verpflichtet, ist offen. Das Problem wird nicht diskutiert. .

2. Die Rechtsprechung a) Überblick über die Lösungen Das BVerwG42 hielt bis 1990 an der vom PrOVG43 entwickelten unbeschränkten Zustandsverantwortlichkeit fest. In den Opferfällen schloss es sich der Ermessenslö40

Tollmann (Fn. 7), S. 172. Zur in diesem Zusammenhang weiter diskutierten Theorie der Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärebene s. Tollmann (Fn. 7), S. 173 ff. 42 BVerwG, UPR 1983, 158; NJW 1986, 1626. 41

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sung an44. In den 90er Jahren deutete das BVerwG allerdings an, dass es einer Einschränkung der Zustandsverantwortlichkeit zuneige, wenn das Grundstück allein durch Fremdeinwirkung kontaminiert worden sei45. In diesem Fall könnte die Heranziehung zur Gefahrenbeseitigung und insb. die Belastung mit den Kosten verfassungswidrig sein, wenn der privatnützige Gebrauch der Sache ausgeschlossen sei. Eine Opferposition bestehe jedoch nicht, wenn der Eigentümer bei Erwerb des Grundstücks von dem ordnungswidrigen Zustand des Grundstücks gewusst oder zumindest Tatsachen gekannt habe, die auf das Vorhandensein einer Kontamination schließen lassen. Da der Erwerber sich bewusst einem Risiko ausgesetzt habe, sei er nicht schutzwürdig. Das BVerfG46 beanstandet eine allein an die Rechtsstellung als Eigentümer anknüpfende Zustandsverantwortlichkeit verfassungsrechtlich nicht. Allerdings unterliege das Ausmaß dessen, was dem Eigentümer abverlangt werden dürfe, verfassungsrechtlichen Restriktionen. Eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit könne sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergeben. Bei der Abwägung zwischen dem Gemeinwohl und den Eigentümerinteressen sei zu berücksichtigen, dass die Sanierung regelmäßig mit hohen Kosten verbunden sei. Die Grenze des zulässigerweise Hinnehmbaren sei im Regelfall überschritten, wenn die Sanierungskosten den Verkehrswert des sanierten Grundstücks übersteigen, weil hierdurch das Interesse des Eigentümers an einer künftigen privatnützigen Verwendung entfalle47. b) Die Lösungen im Einzelnen aa) Soweit das BVerwG die Ermessenslösung vertrat, sind die gegen diese Lösung vorgebrachten Einwände durchschlagend48. Soweit das Gericht später der Lehre von der Unterbrechung des privatnützigen Gebrauchs des Eigentums bei kontaminierten Grundstücken folgt, ist auf die in diesem Zusammenhang vorgetragenen Erwägungen zu verweisen49. In der Folge ist die Aussage gestattet, dass das BVerwG es nicht vermocht hat, im Fall des gutgläubigen Erwerbs eines kontaminierten Grundstücks ein tragfähiges dogmatisches Konzept zu entwickeln. Es musste erkennen, dass subjektive Kriterien sich nicht mit der als Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit angesehenen tatsächlichen und rechtlichen Sachherrschaft vereinbaren lassen. Weder für die Einwirkungsmöglichkeit noch für die Nutzenziehung ist es relevant, ob der 43 PrOVGE 7, 351 ff.; 8, 327 ff.; 10, 178 ff.; 12, 306 ff.; 13, 323 ff.; 18, 411 ff.; 36, 400 f.; 40, 391 ff.; 43, 383 ff.; 59, 269 ff.; 60, 309 ff.; 61, 280 ff.; 65, 369 ff.; 86, 258 ff. 44 BVerwGE 10, 283. 45 BVerwG, NVwZ 1991, 475 f.; 1997, 577 f.; NJW 1999, 231 f.; 1998, 1004 ff. 46 BVerfGE 102, 1 ff. 47 Diese Auffassung hat das BVerfG in zwei weiteren Beschlüssen bestätigt: Nichtannahmebeschluss v. 17.7.2000 – 1BvR 248/91 – (unveröffentlicht) sowie BVerfG, NVwZ 2001, 65. 48 s. dazu bei Fn. 18. 49 s. dazu bei Fn. 29.

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Erwerber des kontaminierten Grundstücks gut- oder bösgläubig war. Damit ist der Rechtsprechung des BVerwG für die Opferfälle nicht zu folgen50. bb) Das BVerfG befasste sich in seinem Beschluss v. 16. 2. 200051 erstmals mit den verfassungsrechtlichen Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers eines Altlastengrundstücks. Es hat seine Entscheidung durch zwei weitere Beschlüsse bestätigt. Der Beschluss v. 16. 2. 2000 ist nach Inkrafttreten des BBodSchG ergangen. Er hatte aber Sanierungsanordnungen zum Gegenstand, die nach den betreffenden Landespolizeigesetzen erlassen worden waren. Auf dieser Rechtsgrundlage sind die hier interessierenden Blindgängerfälle zu entscheiden52. Die Judikatur des BVerfG ist also für das hier behandelte Problem unmittelbar einschlägig. Nach Ansicht des BVerfG ist eine allein an die Rechtsstellung als Eigentümer anknüpfende Zustandsverantwortlichkeit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden53. Art. 14 GG gebiete nicht, den Eigentümer als Nichtstörer zu qualifizieren, der die Gefahr weder verursacht noch verschuldet habe. Die Zustandsverantwortlichkeit basiere auf der durch die Sachherrschaft vermittelten Einwirkungsmöglichkeit auf die gefahrverursachende Sache. Sie sei gerechtfertigt, weil der Eigentümer die Sache wirtschaftlich nutzen könne. Dem Eigentümer flössen die Vorteile der Sache auch ohne sein Zutun zu. Deshalb müsse er die Lasten auch dann tragen, wenn er die Gefahr nicht verursacht habe. Ferner liege die Altlastensanierung auch im Interesse des Eigentümers. Schließlich führe die Sanierung regelmäßig zu einer erheblichen Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks. Das Ausmaß dessen aber, was vom Eigentümer verlangt werden dürfe, unterliege verfassungsrechtlichen Restriktionen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenze die Zustandsverantwortlichkeit. Bei der Abwägung zwischen dem Gemeinwohl und den Eigentümerinteressen seien die hohen Kosten der Sanierung zu berücksichtigen.

50

Tollmann (Fn. 7), S. 178. BVerfGE 102, 1 ff. 52 Das Recht der Kampfmittelbeseitigung kennzeichnet, dass es ein diese Materie speziell regelndes Parlamentsgesetz nicht gibt. Zunächst ist festzuhalten, dass das „Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten – BBodSchG“ diese Materie nicht erfasst. Dieses Resultat ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG. Nach dieser Vorschrift gilt das BBodSchG nicht für das Aufsuchen, Bergen, Befördern, Lagern, Behandeln und Vernichten von Kampfmitteln. Eine Legaldefinition dieses Begriffs fehlt. Die Literatur versteht unter Kampfmitteln die „fachtechnische Bezeichnung für Gegenstände militärischer Herkunft … die herrenlos geworden sind und Explosionsstoffe oder Kampfstoffe wie etwa Giftgase enthalten, so z. B. Patronen, Granaten, Bomben, Zünder, Minen, Sprengmittel, Treibund Zündmittel usw.“, s. Frenz, Komm. zum BBodSchG, 2000, § 3, Rn. 62. Diese Definition ist heute allgemein akzeptiert; sie findet sich beispielsweise in einem Vorschlag für eine Neufassung der KampfmittelVO des Landes Brandenburg wieder, s. Peine, Der Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes Brandenburg als „technischer Helfer“ der Ordnungsbehörden auf dem Gebiete der Kampfmittelbeseitigung, unveröffentlichtes Gutachten erstattet dem Innenminister des Landes Brandenburg, 2009. 53 BVerfGE 102, 19. 51

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Die Kostengrenze sei im Regelfall überschritten, wenn die Sanierungskosten den Verkehrswert des sanierten Grundstücks überstiegen. Dadurch entfalle das Interesse des Eigentümers an einer künftigen privatnützigen Verwendung. Der Verkehrswert des sanierten Grundstücks stelle jedoch keine feste Zumutbarkeitsgrenze dar. Die Zumutbarkeitsschwelle könne unter Umständen bereits bei einer geringeren Belastung überschritten sein. In anderen Sachverhaltskonstellationen komme hingegen auch eine Inanspruchnahme des Eigentümers über den Verkehrswert hinaus in Betracht. Die weitergehende Begrenzung der Zustandshaftung sei erforderlich, wenn das zu sanierende Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigen bilde und die Grundlage seiner privaten Lebensführung darstelle. Werde ein Eigentümer unter diesen Umstanden mit Sanierungskosten bis zum Verkehrswert des sanierten Grundstücks belastet, so könne das Eigentum seine Aufgabe nicht erfüllen, dem Eigentümer einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu gewährleisten. Der Eigentümer dürfe nur mit Kosten belastet werden, welche die Vorteile aus der weiteren Nutzung des Grundstücks nicht übersteigen. Bei dem Eigentümer eines Eigenheims sei die Zumutbarkeitsgrenze überschritten, wenn er durch die Sanierung zur Veräußerung des Grundstücks gezwungen sei. – Das BVerfG ließ offen, ob eine weitergehende Begrenzung der Zustandshaftung geboten sei, wenn die Gefahr aus Naturereignissen, Risiken der Allgemeinheit oder von nicht nutzungsberechtigten Dritten herrühre, weil es im Rahmen der Verfassungsbeschwerden insoweit keiner Entscheidung bedurfte. Das Gericht führte aber aus, eine unbegrenzte Inanspruchnahme bürde dem Eigentümer unter solchen Umstanden im Übermaß Risiken auf, die losgelöst von der Sachherrschaft seien und jenseits seiner Verantwortlichkeitssphäre lägen. – Eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks scheide aus, wenn der Eigentümer die Gefahr bewusst in Kauf genommen habe. Gehe jemand freiwillig ein Risiko ein, so mindere dieses seine Schutzwürdigkeit. Das sei der Fall, wenn der Eigentümer das Grundstück in Kenntnis der Altlast erworben habe oder wenn er es zulasse, dass das Grundstück in risikoreicher Weise (z. B. zum Betrieb einer Deponie oder zur Auskiesung mit anschließender Verfüllung) genutzt werde. Ähnliches gelte, wenn der Erwerber in fahrlässiger Weise die Augen vor erkennbaren Risiken verschließe. Die fahrlässige Unkenntnis könne aber der positiven Kenntnis nicht gleichgestellt werden. Ob der Eigentümer trotz fahrlässiger Unkenntnis der Risiken schutzwürdig sei, hänge vom Grad der Fahrlässigkeit sowie davon ab, ob der Eigentümer Vorteile aus der Risikoübernahme, etwa durch einen reduzierten Kaufpreis oder erhöhte Pachtzinszahlungen, gezogen habe. Nach Ansicht des BVerfG muss der Eigentümer auch in den Fällen der erweiterten Haftung nicht mit seinem gesamten Vermögen einstehen. Dem Eigentümer sei nicht zuzumuten, solche Teile seines Vermögens zur Sanierung einzusetzen, die keinen rechtlichen oder wirtschaftlichen Bezug zu dem kontaminierten Grundstück aufwiesen. Die Eigentumsgarantie diene dem Schutz des konkreten Eigentums in der Hand

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des Eigentümers. Eine unverhältnismäßige Beschränkung der Privatnützigkeit an einem konkreten Eigentumsgegenstand werde nicht dadurch verhältnismäßig, dass der Eigentümer sie mit sonstigem Vermögen ausgleichen könne. Neben dem Grundstück müsse der Eigentümer daher nur solches Vermögen für die Sanierung aufwenden, das mit dem Grundstück eine funktionale Einheit bilde, weil es z. B. Bestandteil eines Unternehmens oder eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs sei, zu dem das kontaminierte Grundstück gehöre. Die Auferlegung der Sanierungskosten dürfe die Fortführung des Unternehmens oder des Betriebs aber nicht gefährden; die Gefährdung gleiche faktisch einer Enteignung54. Das BVerfG gestaltet mithilfe seiner aufgestellten Grundsätze zur verfassungskonformen Auslegung und Anwendung der Zustandsverantwortlichkeit die Zustandsverantwortlichkeit grundlegend um55. Sie finden Anwendung in allen gesetzlich geregelten Fällen einer Zustandsverantwortlichkeit. Es ist zu begrüßen, dass das BVerfG56 den Umfang der Zustandsverantwortlichkeit verfassungskonform beschränkt57. – Wie die Zustandsverantwortlichkeit nach Ansicht des BVerfG reduziert werden soll, überzeugt nicht58. Das BVerfG reduziert verfassungskonform die Zustandsverantwortlichkeit auf der Rechtsfolgenseite entsprechend seiner Entscheidung zum Denkmalschutzrecht vom 14. 12. 199959. Eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf der Tatbestandsseite sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Die Zustandsverantwortlichkeit folge der Sachherrschaft sowie der Möglichkeit, die Sache zu nutzen. Ohne Bedeutung sei die Art der Gefahrentstehung, weil die Behörde den Grundeigentümer aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr auch dann zur Gefahrenabwehr verpflichten können müsse, wenn er sie weder verursacht noch verschuldet habe. Nach meinem Dafürhalten geht das Gericht den falschen Weg. Die Auferlegung der Sanierungsverantwortlichkeit ist in den Opferfällen willkürlich und damit verfas54 Das BVerfG forderte den Gesetzgeber zur Neuregelung der bodenschutzrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit auf. Dem ist der Bundesgesetzgeber auch zehn Jahre nach Verkündung des Beschlusses und trotz einer hierauf gerichteten Entschließung des Bundesrats bisher nicht nachgekommen. Diese Frage spielt im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle, weil die Blindgängerfälle nach Landespolizeirecht zu lösen sind. 55 Tollmann (Fn. 7), S. 185. 56 Literatur zu dieser Entscheidung: Bickel, NJW 2000, 2562 f.; Ginsky, DVBl 2003, 169 ff.; Huber/Unger, VerwArch 2005, 139 ff.; Knopp, BB 2000, 1373 ff.; Klüppel, JURA 2001, 26 ff.; Knoche, GewArch 2000, 448 ff.; Lepsius, JZ 2001, 22 ff.; Müggenborg, NVwZ 2001, 39 ff.; Papier, in: FS Maurer, 2001, S. 255 ff.; Radke/Herrmann, JA 2000, 925; Sachs, JuS 2000, 1219ff; Scherer-Leydecker, EWiR 2000, 655 f.; Schwartmann, DStR 2000, 1364; Spieth/v. Oppen, ZUR 2002, 257 ff.; Tollmann, DVBl 2008, 616 ff. 57 Klüppel, JURA 2001, 26 ff.; Knopp, DÖV 2001, 450; Reiner Schmidt, JZ 2001, 1166; Spieth/v. Oppen, ZUR 2002, 258 ff.; Giensky, DVBl 2003, 170 ff. 58 Zur Kritik s. Bickel, NJW 2002, 2562 ff.; Numberger, NVwZ 2005, 530; Lepsius, JZ 2001, 24 ff.; Tollmann (Fn. 7), S. 185 ff. 59 BVerfGE 100, 226 ff.

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sungswidrig, weil sie dem Eigentümer nicht zugerechnet werden kann60. In den Opferfällen fehlt ein sachlicher Grund für eine Gleichbehandlung des Eigentümers mit dem Verhaltensstörer bzw. für eine Ungleichbehandlung gegenüber der Allgemeinheit. Richtig ist es, die Zustandsverantwortlichkeit als solche von einer Zurechnung der Gefahr abhängig zu machen. Unrichtig ist es, nicht die Zustandsverantwortlichkeit als solche, sondern nur den Umfang der Handlungs- und Kostentragungspflicht mit Zurechnungskriterien wie der Nähe zur Gefahr und der Schutzwürdigkeit zu verbinden. Die Opferfälle werden demnach auf der Tatbestandsseite entschieden. Das Argument des BVerfG, der Eigentümer müsse aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr stets herangezogen werden können, unterscheidet nicht zwischen der Gefahrenabwehr, der Duldung der Gefahrenabwehr und der Kostentragung61. Eine effektive Gefahrenabwehr ist auch dann möglich, wenn in den Opferfällen der Grundeigentümer die Sanierung ausschließlich dulden muss. Die Bodenkontamination kann regelmäßig nicht der Eigentümer persönlich sanieren, sondern Spezialunternehmen müssen tätig werden. Bei Blindgängern ist landesrechtlich bereits jedes Suchen nach ihnen Privatpersonen bei Androhung von Strafe verboten62; der Zustandsverantwortliche darf deshalb nicht zur Gefahrenabwehr herangezogen werden; ein dahingehender Bescheid ist nach § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nichtig. Einen nicht zu übersehenden Bruch mit dem überkommenen Verständnis der Zustandsverantwortlichkeit vollzieht das BVerfG auf der Rechtsfolgenseite. Es reduziert den Umfang sowohl der Sanierungsverantwortlichkeit als auch der Kostentragungspflicht. (Es verkürzt die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen wohl auf eine Duldungspflicht63.) Die unbeschränkte Einstandspflicht des Grundeigentümers mit seinem gesamten Vermögen entsprechend dem Polizeirecht hält das Gericht bei Bodenkontaminationen für verfassungswidrig und ersetzt sie durch ein (hier nicht näher interessierendes) Stufenmodell. Dieses findet seinen Grund in der Theorie der unterbrochenen oder gestörten Privatnützigkeit, welche mit den dargelegten Folgen verbunden ist, z. B. der Beschränkung der Zustandshaftung auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks. Insoweit vollzieht das Gericht eine dogmatische Wende. Bislang sah das Gericht durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG einen konkreten Eigentumsgegenstand in seinem Bestand geschützt, nicht aber den in der Sache verkörperten Geldwert. Die Wertgarantie löst die Bestandsgarantie ab64.

60

Tollmann (Fn. 7), S. 186. Tollmann (Fn. 7), S. 187. 62 Beispielsweise gilt im Lande Nordrhein-Westfalen die ordnungsbehördliche VO zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel (KampfmittelVO), GVBl. NW 2003, S. 685. § 5 Abs. 1 Nr. 2 dieser VO lautet: „Ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 3 Kampfmittel sucht, sammelt, bearbeitet oder sonst behandelt, ohne durch die Bezirksregierung mit deren Beseitigung beauftragt zu sein.“ 63 Im Ergebnis wie hier Tollmann (Fn. 7), S. 187. Näheres bei III. 64 Ebenso Tollmann (Fn. 7), S. 188. 61

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Der Ansatz des BVerfG sowie seine Folgen sind verfehlt. Die Zustandsverantwortlichkeit verlangt vom Eigentümer den Einsatz seiner Arbeitskraft zur Beseitigung der Gefahr. Will er diesen Einsatz aus welchem Grund auch immer nicht, kann er einen Dritten mit der Ausführung der erforderlichen Maßnahme beauftragen. Immer wendet der Eigentümer Teile seines Vermögens für die Gefahrenabwehr auf. Die Auferlegung jeder beliebigen Handlungspflicht zwingt den Verpflichteten, weil sich praktisch jede gefahrenabwehrrechtliche Maßnahme kommerzialisieren lässt, zum Einsatz seines Vermögens65. Weder seine Arbeitskraft noch das der ausführenden Firma gezahlte Geld stehen in irgendeinem Bezug zu dem konkreten Eigentumsgegenstand. Es ist Sache des Eigentümers, die Sanierung aus seinem Vermögen zu finanzieren. Welche Bestandteile seines Vermögens er hierzu verwendet, bleibt ihm überlassen. In der Folge ist der Ansatz des BVerfG, bei Bodenkontaminationen die Bestands- durch eine Wertgarantie zu ersetzen, vom Ansatz aus gesehen, falsch, weil er nichts Besonderes mit Blick auf das Gefahrenabwehrrecht erfasst. Er ist ferner inkonsequent. Die Ersetzung müsste für das gesamte Gefahrenabwehrrecht erfolgen. Dann aber zerbricht die Dogmatik des Art. 14 GG und ist different je nach Sektor (Gefahrenabwehr, Denkmalschutz, Umweltschutz). Der Sache nach würde das Grundrecht von den Interessen des jeweiligen Sektors ausgehend verstanden. Damit hätte man die Interpretation des Grundrechts mit dem Ziel einer in sich geschlossenen Dogmatik aufgegeben. Das ist nicht akzeptabel. Losgelöst von den dogmatischen Erwägungen sprechen auch praktische Überlegungen gegen den Ansatz des BVerfG. Es lässt sich das vom Gericht verfolgte Ziel nicht erreichen, dem Grundeigentümer auch künftig den privatnützigen Gebrauch des Grundstücks zu ermöglichen66. Der Eigentümer kann die Sanierung vielfach nur finanzieren, indem er das Grundstück veräußert. Veräußert er sein Grundstück nicht, muss er die Sanierungskosten aus seinem sonstigen Vermögen bestreiten. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Eigentümer z. B. durch Miet- oder Pachteinnahmen künftige Erträge aus dem Grundstück ziehen kann. Derartige Erträge kann der Eigentümer jedoch erst im Laufe der Jahre erwirtschaften, während er die Sanierungskosten sofort begleichen muss. Der Eigentümer muss daher für die Sanierung Vermögen aufwenden, das mit den Grundstückserträgen in keinem Zusammenhang steht. Das vom BVerfG verfolgte Ziel, dem Eigentümer einen künftigen privatnützigen Gebrauch zu ermöglichen, lässt sich nur durch eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf eine Duldungspflicht erreichen. Die vom BVerfG vertretene Bindung der Zustandsverantwortlichkeit an den Verkehrswert des sanierten Grundstücks lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass die Sanierung häufig im Interesse des Eigentümers liege und den Verkehrswert des Grundstücks erhöhe. Das dem Gebührenrecht entlehnte Interessenprinzip taugt nicht für die Begründung einer Handlungspflicht67. Daraus, dass eine Maßnahme dem Bürger 65 66 67

Lepsius, JZ 2001, 23. s. Tollmann (Fn. 7), S. 189 f. s. Tollmann (Fn. 7), S. 190.

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nützlich ist, kann nicht gefolgert werden, dass er gegen seinen Willen zu ihr gezwungen werden kann. Überdies decken sich das öffentliche und das private Interesse nur in seltenen Fällen. Die Verkehrswerterhöhung vermag allenfalls eine Abschöpfung des sanierungsbedingten Wertzuwachses zu rechtfertigen. Das BVerfG hat im Übrigen offen gelassen, wie der Verkehrswert des Grundstücks zu bestimmen ist. Eine Begrenzung der Gefahrenabwehrpflicht auf den Verkehrswert des Grundstücks, wie sie das BVerfG der Verwaltung im Regelfall vorgeschrieben hat, wird der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bereiten68. Eine Inanspruchnahme des Grundeigentümers zur Sanierung dürfte nur noch in Betracht kommen, wenn bereits bei Erlass der Sanierungsanordnung feststeht, dass die zu erwartenden Sanierungskosten unterhalb der zumutbaren Kostenbelastung liegen werden. Nur dann wird die bisher übliche Vorgehensweise gangbar sein, den Zustandsstörer zur Vornahme bestimmter Gefahrenabwehrmaßnahmen unter Beauftragung eines Spezialunternehmens zu verpflichten. Aber auch dann steht der Grundeigentümer vor der Schwierigkeit, dass ihm das Spezialunternehmen seine Zahlungsansprüche nicht bis zur endgültigen behördlichen Kostenentscheidung stunden wird. Übersteigen die veranschlagten Sanierungskosten aber das vielfach erst nach der Sanierung ermittelbare Maß der zumutbaren Belastung, so scheidet eine Verpflichtung des Zustandsverantwortlichen zur Durchführung der Sanierungsarbeiten aus. Der geschuldete Erfolg – d. h. die Dekontamination oder die Sicherung – lässt sich dann nicht mit dem zumutbaren Vermögenseinsatz erzielen. Der Zustandsstörer kann dann insb. nicht verpflichtet werden, ein Spezialunternehmen zu beauftragen, weil dessen Vergütungsanspruch das Maß der zumutbaren Belastung übersteigt. Der Verwaltung stehen daher praktisch nur zwei gangbare Wege zur Verfügung. Sie kann zum einen die Sanierung selbst oder durch einen Beauftragten durchführen und anschließend den Zustandsstörer in Höhe der zumutbaren Belastung zu den Kosten heranziehen. Zum anderen kann sie gemeinsam mit dem Zustandsstörer ein Spezialunternehmen mit der Sanierung beauftragen. Die Behörde muss sich dann allerdings insoweit zur Übernahme des Vergütungsanspruchs verpflichten, als dieser das Maß der zumutbaren Belastung des Zustandsstörers übersteigt. In der Praxis dürfte die Behörde regelmäßig den ersten Weg einschlagen und den Grundeigentümer erst im Wege der Ersatzvornahme zu den Kosten heranziehen. Im Ergebnis laufen beide Wege darauf hinaus, dass die Sanierungsverantwortlichkeit im Wesentlichen auf eine anteilige Kostentragung begrenzt wird, weil von dem Zustandsstörer nicht mehr die vollständige Sanierung des Grundstücks verlangt werden kann. Da sich keiner der Beschwerdeführer in einer Opferposition befunden hat, musste das BVerfG keine Entscheidung über die Lösung der Opferfälle treffen. Den Ausführungen des Beschlusses lässt sich aber entnehmen, dass das BVerfG einer tatbestand68

Tollmann (Fn. 7), S. 191 f.

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lichen Reduktion der Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen ablehnend gegenübersteht. So heißt es auf S. 17 des Beschlusses: „Es ist verfassungsrechtlich insbesondere nicht geboten, den Eigentümer in den Fällen, in denen er die Gefahr weder verursacht noch verschuldet hat, als Nichtstörer i.S.d. sicherheitsrechtlichen Vorschriften zu qualifizieren, dem in jedem Fall eine Entschädigung wegen eingriffsbedingter Nachteile zu gewähren wäre.“ Im Schrifttum herrscht wegen dieser Ausführungen Uneinigkeit darüber, welche Folgerungen für die Opferfälle der Beschluss gestattet. Einige Autoren69 vertreten die Ansicht, der Eigentümer könne in den Opferfällen stets bis zum Verkehrswert des sanierten Grundstücks zur Sanierung verpflichtet werden. Andere sprechen sich für eine weitergehende Begrenzung aus. So sei Spieth/von Oppen70 zufolge in den Opferfällen eine Reduzierung der Zumutbarkeitsgrenze „auf Null“ geboten. Zuzustimmen ist der zweiten Ansicht. Das BVerfG hat in seinem Beschluss v. 16. 2. 2000 zwar für die Opferfälle nicht ausdrücklich klargestellt, wie eine weitergehende Beschränkung über den Verkehrswert hinaus auszusehen hat. Es hat jedoch anklingen lassen, dass es eine weitergehende Beschränkung für erforderlich hält. Hierfür spricht nicht nur der Gebrauch des Wortes „ferner“ unter B. II. 2. c) dd) der Entscheidung (E 102, 21), sondern auch der Umstand, dass eine Auseinandersetzung mit den Opferfällen und insb. die Klarstellung, dass dem Eigentümer anderenfalls „im Übermaß Risiken aufgebürdet [würden], die auf Umständen beruhen, die losgelöst von der Sachherrschaft über das Grundstück sind und jenseits seiner Verantwortungssphäre liegen“, überflüssig gewesen wäre. Hätte sich das BVerfG auch in den Opferfällen lediglich für eine Beschränkung auf den Verkehrswert des Grundstücks aussprechen wollen, so hätte es das Gericht bei seinen Ausführungen unter B. II. 2. c) bb) bewenden lassen können, in denen es die Begrenzung auf den Verkehrswert darlegt. Die Gegenansicht verkennt im Übrigen, dass das BVerfG mit dem Verkehrswert lediglich einen Anhaltspunkt, nicht aber ein von den Besonderheiten der Sachverhaltskonstellation losgelöstes, feststehendes Kriterium herausgearbeitet hat. So wie nach B. II. 2. c) dd) der bösgläubige Erwerber und der Eigentümer, welcher sein Grundstück besonderen Risiken aussetzt, wegen ihrer Nähe zur Gefahr einer weitergehenden Zustandshaftung unterliegen, ist in den Opferfällen Raum für eine weitergehende Beschränkung. Vieles spricht dafür, dass das BVerfG in den Opferfällen zu einer Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf eine Duldungspflicht tendiert. Es führt zutreffend aus, dass es sich in den Opferfällen um Gefahren handelt, die in keinem Zusammenhang mit der Sachherrschaft des Eigentümers stehen und außerhalb seines Verantwortungsbereichs liegen. Greift damit der vom BVerfG herangezogene Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit nicht, so machte eine Inanspruchnahme des Eigentümers 69

Hager, in: Dolde (Hg.), Bilanz und Perspektiven aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der Gesellschaft für Umweltrecht, 2001, S. 793; Rehbinder, in: Lühr/Savidis/Franzius/Bachmann (Hg.), Boden- und Altlastensymposion 2001, 2001, S. 20. 70 Spieth/v. Oppen, ZUR 2002, 260; Huber/Unger, VerwArch 2005, 142 f.

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auch dann keinen Sinn, wenn die Kostenlast unterhalb des Verkehrswerts herabgesetzt würde. Bedenklich ist in den Opferfällen nämlich nicht, dass dem Eigentümer im Übermaß Risiken aufgebürdet werden, sondern dass er überhaupt zur Gefahrenabwehr herangezogen wird, obwohl ihm die Gefahr nicht zugerechnet werden kann. Nur durch eine Begrenzung auf eine Duldungspflicht kann die Opferposition angemessen berücksichtigt werden. Der Ansatz des BVerfG, den Umfang der Zustandsverantwortlichkeit an den Verkehrswert des sanierten Grundstücks zu binden, ist dogmatisch verfehlt. Der Bestandsschutz der Eigentumsgarantie wird ohne sachlichen Grund um einen Wertschutz erweitert. Die Einschränkung der Zustandsverantwortlichkeit wird mit Verhältnismäßigkeitserwägungen begründet, die in den Opferfällen die Ursache der unbilligen Ergebnisse und damit die fehlende Zurechenbarkeit der Gefahr nicht beseitigen. Das BVerfG begrenzt die Zustandsverantwortlichkeit in den Opferfällen nicht auf eine Duldungspflicht. Hierzu hätte es mit dem hergebrachten Verständnis brechen müssen, die Zustandsverantwortlichkeit beruhe darauf, dass der Eigentümer aufgrund seiner Sachherrschaft auf die Sache einwirken und sie nutzen könne. Diesen Schritt hat das Gericht bei der Frage nach dem Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit nicht getan. Erst im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung stellt das BVerfG auf Zurechnungskriterien wie die Nähe zur Gefahr und die Inkaufnahme von Risiken ab. Eine Lösung der Opferfälle kann mit diesem Ansatz nicht gelingen. Das vom BVerfG aufgestellte Stufensystem nimmt zutreffend – wenn auch an falscher Stelle – eine Differenzierung nach der Nähe zur Gefahr, der Inkaufnahme von Risiken und der Schutzwürdigkeit vor. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung – ohne Berücksichtigung der Opferfälle – haftet der Grundeigentümer für die Kosten der Entschärfung einer Bombe, soweit sie der Staat nicht trägt, höchstens in Höhe des Werts des vom Blindgänger befreiten Grundstücks. Das dürfte der Wert sein, der ermittelt wurde beim Kauf des Grundstücks, weil die Vertragsparteien von der „Bombenfreiheit“ des Grundstücks ausgingen und die Kontamination deshalb für die Wertermittlung bedeutungslos war. – Nach der hier vorgenommenen Interpretation des Beschlusses betreffend die Opferfälle entfällt eine Haftung für sämtliche Kosten der Entschärfung vollständig. Damit ist der Ansicht der Verwaltungen (aber wohl nicht ihrer Praxis), der Staat trage lediglich die Kosten der unmittelbaren Entschärfung (= Einsatz des Spezialpersonals71), nicht zu folgen.

III. Eigener Lösungsvorschlag Eine sachgerechte Lösung der Opferfälle erfordert, dass zwei auf den ersten Blick unversöhnliche Interessen: das Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Gefahrenabwehr und das Interesse des Eigentümers an einer gerechten Lastenverteilung, miteinander in Einklang gebracht werden. Wie zuvor dargelegt, ist in den Um71

s. in Fn. 6.

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weltschadensfällen zur effektiven Gefahrenabwehr eine Verpflichtung des Eigentümers zur Durchführung von Gefahrenabwehrmaßnahmen nicht nötig. Diese Maßnahmen können ausschließlich Spezialunternehmen durchführen. Zur effektiven Gefahrenabwehr ist es deshalb notwendig und hinreichend, wenn der Eigentümer die Gefahrenabwehrmaßnahmen eines Spezialunternehmens dulden muss. Die Zustandsverantwortlichkeit sollte in den Opferfällen nach meiner Ansicht auf eine Duldungspflicht begrenzt werden. Dieses Resultat entspricht der überwiegenden Interpretation der hier relevanten Entscheidung des BVerfG. Das Gericht versteht die Zustandshaftung des Polizeirechts in den Opferfällen im hier angenommenen Sinne. Dieser Vorschlag entspricht der Lösung einiger Altlasten- bzw. Bodenschutzgesetze der Länder. Ihre Gesetzgeber haben die Ansicht aufgegeben, dass das Tun, das Dulden oder das Unterlassen gleichwertige Pflichten sind, die dem Zustandsverantwortlichen unter denselben Voraussetzungen auferlegt werden können. Diese Gesetze verpflichten den Grundeigentümer sowie sonstige Berechtigte (wie z. B. den Gewaltinhaber, den Nießbraucher oder den Erbbauberechtigten), das Betreten des Grundstücks durch die Behörde und die Durchführung von Gefahrerforschungs- oder Sanierungsmaßnahmen zu dulden. Nach § 31 Abs. 4 BbgAbfBodG z. B. müssen der Grundeigentümer und der sonstige Berechtigte ferner Sanierungsmaßnahmen des Verhaltensstörers oder anderer Sanierungsverantwortlicher dulden; diese Pflicht ist von einer Verpflichtung der Grundeigentümer und sonstiger Berechtigter zur Sanierung unabhängig. Für die Kostentragung hat dieser Vorschlag die Folge, dass der Zustandsverantwortliche von der Tragung sämtlicher Kosten befreit ist. Die Begründung ist indes von der des BVerfG vollkommen unabhängig. Mit Blick auf den entgangenen Gewinn ist auf die Aussage der Polizeigesetze zu verweisen, dass eine Entschädigung nur in zwei Fällen zu leisten ist: Der Schaden muss entweder durch eine Inanspruchnahme des Geschädigten als Nichtstörer entstanden sein, oder aber die Ordnungsbehörde/Polizei muss rechtswidrig gehandelt haben.72 Keiner der beiden Fälle ist vorliegend gegeben: Der Inhaber der tatsächlichen Gewalt (Besitzer [z.B. der Erbpachtberechtigte]) und nachrangig der Eigentümer sind Zustandsstörer, die zur Duldung von Sanierungsmaßnahmen verpflichtet sind. Ferner handeln die Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes nicht rechtswidrig. Aus dem letzten Grund entfällt auch ein Anspruch aus Amtshaftung nach § 839 BGB/Art. 34 GG.

IV. Ergebnis Die Inhaber der tatsächlichen Gewalt oder die Eigentümer müssen die Kosten der Bombenentschärfung nicht tragen. Sie haben keinen Anspruch auf Erstattung des Ausfalls des gewöhnlichen Verdienstes. 72

Vgl. statt vieler § 38 Abs. 1 BbgOBG.

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Rechtliche Aspekte der Altlastenproblematik, in: Jänicke u. a. (Hg.), Umwelt Global, 1995, S. 97 – 117; ebenfalls abgedruckt in: Publicationes universitatis miskolciencis sectio juridica et politica, Miskolc 1995, S. 33 – 56.

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Verzeichnis der Publikationen des Autors

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38. Bodenschutz außerhalb der Bodenschutzgesetze – der Beitrag des Naturschutzrechts, NuR 2007, S. 138 – 143. 39. Auf dem Wege zu einem europäischen Bodenschutzrecht – Stand Ende 2006 (in ungarischer und deutscher Sprache), Journal of Agricultural and Environmental Law – Journal of the Hungarian Association of Agricultural Law, 2007, No. 3, page 48 – 66. 40. Der Beitrag des europäischen Rechts für einen effektiven Bodenschutz, in: Köck (Hg.), Bodenschutz und Altlastenrecht unter europäischem Einfluss, 2008, S. 97 – 112. 41. Einige Aspekte des Bodenschutzes außerhalb des Bundes-Bodenschutzgesetzes – Tams Prugberger zur Vollendung seines 70. Lebensjahres, in: Publicationes Universitatis Miskolcinensis – Sectio Juridica et Politica, TOMUS XXVI/2, 2008, S. 651 – 664. 42. Die Kostentragung für die Blingängerbeseitigung, in: Peine/Wolff (Hg.), Nachdenken über Eigentum, FS für Alexander v. Brünneck zur Vollendung seines 70. Lebensjahres, 2011, S. 211 – 230. 43. Kampfmittelbeseitigungsrecht, in: FS für Wolf-Rüdiger Schenke (im Erscheinen 2011). 44. Kommentierung des § 3 BBodSchG, in: Fluck (a.a.O.) (im Erscheinen2011).

Verzeichnis der vom Autor betreuten Dissertationen zum Bodenschutzrecht 1. Hanno Ziehm, Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen – ein Beitrag zur Haftung für sogenannte Altlasten, 1989. 2. Ralph Heiermann, Der Schutz des Bodens vor Stoffeintrag – die Instrumente der direkten Verhaltssteuerung des öffentlichen Rechts, 1992. 3. Timur Gelen, Altlastenhaftung in den neuen Bundesländern, 1995. 4. Hyun-Joon Kim, Bodenschutz durch Bauplanungsrecht, 1999. 5. Marcus Feil, Auswirkungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes auf die Landesbodenschutzgesetze und den Ländern verbleibende Gesetzgebungsspielräume, 2000. 6. Carsten Loll, Vorsorgender Bodenschutz im Bundes-Bodenschutzgesetz, 2003. 7. Hauke Herm, Möglichkeiten des quantitativen Bodenschutzes durch die Instrumente des Baurechts und des Bodenschutz- und Altlastenrechts, 2004. 8. Jens Steier, Bodenschutzrelevante Risiken im System der Umweltversicherungen, 2005. 9. Grit Brinkmann, § 3 BBodSchG – Geltung, Subsidiarität und Ausschluss, 2007.