Bilanz und Perspektiven gegenwärtiger Auslegung des Neuen Testaments: Symposion zum 65. Geburtstag von Georg Strecker [Reprint 2018 ed.] 3110145057, 9783110145052

Die Reihe Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft (BZNW) ist eine der renommiertesten internatio

197 34 21MB

German Pages 302 [300] Year 2018

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Bilanz und Perspektiven gegenwärtiger Auslegung des Neuen Testaments: Symposion zum 65. Geburtstag von Georg Strecker [Reprint 2018 ed.]
 3110145057, 9783110145052

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Georg Strecker (1929-1994)
Neutestamentliche Textforschung, eine philologische, historische und theologische Aufgabe
Paulusforschung
Neuere Wege in der Synoptiker-Exegese am Beispiel des Markusevangeliums
Psychologische Exegese oder: Die Bekehrung des Paulus und die Wende des Petrus in tiefenpsychologischer Perspektive
Theologie des Neuen Testaments und Biblische Theologie
Apokalyptik im Neuen Testament
Aufgaben und Probleme einer Geschichte der frühchristlichen Literatur
Bibelarbeit in der Gemeinde
Die johanneische Schule
Die Passionsgeschichte im Markusevangelium
Das Kreuz Jesu Christi im Neuen Testament - ein Kriterium für die Authentizität der Verkündigung und die Praxis der Kirche?
Bibliographie Georg Strecker 1954-1995
Verzeichnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Citation preview

Bilanz und Perspektiven gegenwärtiger Auslegung des Neuen Testaments

W DE G

Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche

Herausgegeben von Erich Gräßer

Band 75

Walter de Gruyter • Berlin • New York 1995

Bilanz und Perspektiven gegenwärtiger Auslegung des Neuen Testaments Symposion zum 65. Geburtstag von Georg Strecker Herausgegeben von Friedrich Wilhelm Horn

Walter de Gruyter • Berlin • New York 1995

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Bilanz und Perspektiven gegenwärtiger Auslegung des Neuen Testaments / Symposion zum 65. Geburtstag von Georg Strecker. Hrsg. von Friedrich Wilhelm Horn. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1995 (Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche ; Bd. 75) ISBN 3-11-014505-7 NE: Horn, Friedrich Wilhelm [Hrsg.]; Symposion zum 65. Geburtstag von Georg Strecker ; Strecker, Georg: Festschrift

ISSN 0171-6441 © Copyright 1995 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechdich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Printed in Germany Druck: Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin

Vorwort

Die Evangelische Akademie Hofgeismar hatte vom 21.-23. März 1994 zu einem Symposion anläßlich des 65. Geburtstags Georg Streckers über Bilanz und Perspektiven gegenwärtiger Auslegung des Neuen Testaments eingeladen. Der Einladung sind neben den Referentinnen und Referenten eine Vielzahl von internationalen Fachkollegen, Pfarrerinnen und Pfarrern, Studentinnen und Studenten sowie interessierten Laien gefolgt. Die Leitung des Symposions lag in den Händen von Akademiedirektor Dr. Helmut Gehrke und des Unterzeichneten. Es war nicht die Absicht des Symposions, die gegenwärtige Forschungslage insgesamt und erschöpfend zu behandeln. Wesentliche weitere Schriften, die Logienquelle und die Apostelgeschichte, oder Themen, die Jesusfrage und die Sozialgeschichte des Urchristentums, konnten in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht auch noch behandelt werden. Mit den Referentinnen und Referenten war eine grobe Themenvorgabe abgesprochen, die spezifische Ausgestaltung lag ausschließlich in der Hand der Autoren. Alle Beiträge geben im wesentlichen den Wortlaut der Vorträge wieder, die lediglich mit erklärenden Zusätzen, Literaturhinweisen und Anmerkungen von den Autoren versehen wurden. Im Anschluß an jedes Referat fand im Plenum eine ausführliche Diskussion statt. Nicht aufgenommen in diesen Sammelband wurde eine Podiumsdiskussion über Feministische Theologie und Exegese, an der sich alle Referentinnen und Referenten, insbesondere aber Frau Dr. Ute Eisen, Hamburg, in Vertretung für den erkrankten, jetzt bereits verstorbenen Prof. Dr. Henning Paulsen beteiligten. Das Symposion endete, einem ausdrücklichen Wunsch und Interesse des Geehrten folgend, mit einem Referat über das Neue Testament in der Gemeindearbeit. Zusätzlich zu den Referaten des Symposions werden in diesem Band zwei Vorträge Georg Streckers abgedruckt, die in den letzten Jahren bei unterschiedlichen Anlässen gehalten wurden. Eine schwere Erkrankung führte Georg Strecker am Vorabend des Symposions erneut ins Krankenhaus, so daß die von ihm erhoffte zumindest sporadische Teilnahme nicht möglich war. Georg Strecker wurde sodann am 11. Juni 1994 aus dieser Zeit in die Ewigkeit abberufen.

VI

Vorwort

Ein Durchgang durch das wissenschaftliche Werk des Geehrten zeigt, daß er zu allen auf dem Symposion verhandelten Themen maßgebliche Forschungsbeiträge beigesteuert hat. Daher hatte dieses Symposion auch den Charakter einer dankbaren Antwort von Schülern und Kollegen auf diese Anregungen, die Gerd Lüdemann als ehemaliger Assistent und erster Göttinger Habilitand Georg Streckers in einem persönlichen Rückblick festhält. Ich danke an dieser Stelle der Evangelischen Akademie Hofgeismar und Herrn Direktor Dr. Helmut Gehrke sehr herzlich für die Durchfuhrung des Symposions. Ich danke Herrn stud. theol. Jörg Sievert, Göttingen, der kurzfristig die Zusammenstellung einer Bibliographie Georg Strecker übernommen hat. Ich danke Herrn stud. theol. et phil. Manfred Sablewski, Duisburg, ohne dessen selbstlosen Einsatz bei der Drucklegung dieser Band nicht zustande gekommen wäre. Herrn Prof. Dr. Erich Gräßer, Bonn, danke ich für die Aufnahme dieses Bandes in die Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche.

Duisburg, im Juni 1994

Friedrich Wilhelm Horn

ÍH

N / ^

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

V

GERD LÜDEMANN (Göttingen) Georg Strecker (1929-1994)

1

BARBARA ALAND (Münster) Neutestamentliche Textforschung, eine philologische, historische und theologische Aufgabe

7

FRIEDRICH WILHELM HORN (Duisburg) Paulusforschung

30

HEINZ-WOLFGANG KUHN (München) Neuere Wege in der Synoptiker-Exegese am Beispiel des Markusevangeliums

60

GERD LÜDEMANN (Göttingen) Psychologische Exegese oder: Die Bekehrung des Paulus und die Wende des Petrus in tiefenpsychologischer Perspektive

91

OTTO MERK (Erlangen) Theologie des Neuen Testaments und Biblische Theologie

112

ULRICH B. MÜLLER (Saarbrücken) Apokalyptik im Neuen Testament

144

HENNING PAULSEN (Hamburg) Aufgaben und Probleme einer Geschichte der frühchristlichen Literatur

170

SUSANNE SCHMAUKS (Celle) Bibelarbeit in der Gemeinde

186

UDO SCHNELLE (Halle) Die johanneische Schule

198

X

Inhaltsverzeichnis

GEORG STRECKER (Göttingen) Die Passionsgeschichte im Markusevangelium

218

GEORG STRECKER (Göttingen) Das Kreuz Christi im Neuen Testament - ein Kriterium fur die Authentizität der Verkündigung und die Praxis der Kirche

248

Bibliographie Georg Strecker 1954-1995

279

Verzeichnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

289

Georg Strecker (1929-1994)

Georg Strecker wurde am 15. März 1929 in Oldendorf (Kreis Melle) geboren. 1948-1953 studierte er in Göttingen und Marburg evangelische Theologie. In der Marburger Studienzeit wurde er bleibend geprägt durch Rudolf Bultmann, dem er auch seine spätere Göttinger Antrittsvorlesung aus dem Jahre 1969 über "Die historische und theologische Problematik der Jesusfrage" widmete. Nach einem einjährigen Studienjahr in Rom, das durch ein Stipendium der Waldenserkirche Italiens ermöglicht wurde, promovierte Strecker im Wintersemester 1954/55 in Bonn bei dem Patristiker Wilhelm Schneemelcher, den er während der Göttinger Studienzeit kennengelernt hatte. Zweitgutachter war der Neutestamentier Philipp Vielhauer, der ebenso wie Schneemelcher von Göttingen nach Bonn berufen worden war. Beide haben, wie Strecker im Vorwort seiner gedruckten Dissertation aus dem Jahre 1958 anmerkt, seinen "theologischen Entwicklungsgang von Anfang an mit ihrer Fürsorge" begleitet. Die Promotion "Das Judenchristentum in den Pseudoklementinen" ist ein großangelegter Versuch, die quellenkritische Analyse dieses ersten christlichen Romans voranzutreiben und so eine verläßliche Grundlage für historische Urteile zum antiken Judenchristentum zu gewinnen. Ein wichtiges Arbeitsinstrument war für Strecker hierbei ein von ihm selbst angelegter Index zu den Pseudoklementinen, der erst kürzlich in zwei Bänden (1986/89) im Akademie-Verlag Berlin publiziert wurde und damit Grundlage aller weiteren Beschäftigung mit diesem Schriftencorpus ist. Ähnliches muß auch von Streckers Erstlingswerk gesagt werden. Es unterzieht die Pseudoklementinen, die sich als eine Art zwiebelartige Literatur immer weiter schälen lassen, einer minutiösen Analyse, hebt eine Quellenschicht von der anderen ab, thematisiert lehrreich z.B. die Ordination in den Pseudoklementinen oder ordnet Einzelteile dem Gnostizismus zu und rekonstruiert eine Entstehungsgeschichte des pseudoklementinischen Romans. Nach dem Urteil des Altmeisters der neueren Pseudoklementinenforschung, Hans Joachim Schoeps, ist die Arbeit "ein wirklicher Markstein der Klementinenforschung", "eine große Leistung, die eine bedeutende Forschertradition fortsetzt und der ich wegen ihrer auf diesem Gebiet in der heutigen Generation selten gewordenen Gelehrsamkeit Bewunderung zolle" (Studien zur unbekannten Religionsund Geistesgeschichte, 1963, S. 97.92). Sie ist in der Tat Ausgangspunkt der weiteren Erforschung dieser fast exotischen Literatur in den letzten 30 Jahren

2

Gerd Lüdemann

geworden und wird das so lange bleiben, bis eine Einzelkommentierung an ihre Stelle tritt. Der Aufforderung des Akademie-Verlags, dem Strecker auch in den schwierigen Jahren die Treue hielt, einen Kommentar zu den Pseudoklementinen zu erstellen, konnte er nicht nachkommen, hat sich in der Folgezeit aber immer wieder zum Thema des Judenchristentums und seiner Quellen geäußert und die internationale Diskussion weitgehend mitbestimmt. Eine besondere Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang die Neuherausgabe und Ergänzung von Walter Bauer: Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, BHTh 10, 1934, in zweiter, durchgesehener Auflage mit einem Nachtrag im Jahre 1964. Die historische These dieses Buches, die Ketzerei sei in zahlreichen Gebieten die ursprüngliche Repräsentanz des Christentums und nicht die Rechtgläubigkeit, weitete Strecker auf die judenchristlichen Gruppen hinter der syrischen Didaskalia und der pseudoklementinischen Quellenschrift der Kerygmen des Petrus aus und erwies damit die Fruchtbarkeit und Aktualität des Bauerschen Ansatzes, der eine bis heute nicht abgeschlossene Diskussion um die Anfänge des Christentums ausgelöst hat. Die englische Übersetzung des Buches aus dem Jahre 1971 führte zu einer lebhaften, bis heute anhaltenden Debatte in Nordamerika, wobei anders als im Original die Frage nach den Gegnern im Neuen Testament in die Diskussion einbezogen wird. Für Strecker hatte diese Ausweitung allenfalls im Zusammenhang einer Vorgeschichte ein gewisses Recht. Doch mag man hier ebensogut eine konsequente Weiterfuhrung eines fruchtbaren Ansatzes sehen, und es stimmt nachdenklich, daß in Nordamerika Walter Bauers Erbe, um das sich Strecker durch die Herausgabe seiner "Aufsätze und Kleine(n) Schriften", 1967, weiter verdient gemacht hat, zur Zeit mehr gepflegt wird als in Deutschland. Jedenfalls ist dort die Lektüre von Bauers Ketzerbuch (und seiner Ergänzung von Georg Strecker) Pflichtlektüre für alle neutestamentlichen Doktoranden. Blieb die Erforschung des Judenchristentums ein Teilgebiet der Forschungsarbeit Georg Streckers, so bezeichnet die Redaktionsgeschichte der neutestamentlichen Evangelien, speziell des Mt, ein anderes, das er bis zum Schluß intensiv betrieb und den bei ihm Studierenden von der Pike auf vermittelt hat. Seine Bonner Habilitationsschrift aus dem Jahre 1959 "Der Weg der Gerechtigkeit" 1971), die in der späteren Monographie über die Bergpredigt (1985) und in zahlreichen Aufsätzen weitergeführt wurde, weist eine Historisierung und Ethisierung des Traditionsstoffes durch den ersten Evangelisten auf, die in der Gerechtigkeit als Gabe und Forderung zugleich kulminieren. Das Buch ist ein Musterbeispiel exakten exegetischen Handwerks, auch wenn die These, der Redaktor sei Heidenchrist, dann doch überrascht.

Georg Strecker (1929-1994)

3

Der Plan, seine letztlich an der Redaktionsgeschichte des lukanischen Doppelwerkes anknüpfende Redaktionskritik des ersten Evangelisten durch eine Monographie zu Mk fortzusetzen, blieb freilich unausgeführt. Doch belegen einige in der Aufsatzsammlung "Eschaton und Historie" (1979) wiederabgedruckte Arbeiten zu Mk Streckers verstärktes Bemühen um die redaktionsgeschichtliche Analyse auch des Mk, die die Historisierung des Traditionsstoffes durch den zweiten Evangelisten hervorhebt und sich gegenüber seiner kerygmatischen Interpretation skeptisch zeigt. Ein dritter bleibender Schwerpunkt der Arbeit Georg Streckers war der Theologie des Neuen Testaments gewidmet. Hier wird der Einfluß Rudolf Bultmanns (aber wohl auch der dialektischen Wort-Gottes-Theologie) besonders deutlich. Seinem Marburger Lehrer verdankt Strecker die theologischen Maßstäbe, die bei der Exegese anzuwenden seien, und sieht ihre Aufgabe ebenso wie Bultmann in engem Zusammenhang mit der hermeneutischen Frage. In gleicher Weise wie bei Bultmann gehört der historische Jesus nicht in die Theologie des Neuen Testaments, sondern zu ihren Voraussetzungen bzw. Implikationen. Die fast schroffe Abweisung von Neuorientierungen innerhalb der Bultmannschule (Ernst Käsemann, Ernst Fuchs, Gerhard Ebeling) in dieser Frage, die mit der freilich später aufgegebenen These korrelierte, historisch sei weitgehend Skepsis gegenüber dem historischen Phänomen Jesus angebracht, orientiert sich am urchristlichen Bekenntnis der Gemeinde zum Erhöhten bzw. Auferstandenen. Daher sei es - selbst in der Neuzeit - theologisch illegitim, hinter das Kerygma von Kreuz und Auferstehung zurückzutragen und etwa aus dem historischen Ergebnis theologische Schlüsse zu ziehen. Die Publikation seiner neutestamentlichen Theologie, die mit der Theologie des Paulus einsetzen wird, hat Georg Strecker nicht mehr erlebt, doch besteht die begründete Hoffnung auf eine posthume Herausgabe des fast abgeschlossenen Werkes. Unter einem vierten und letzten Gesichtspunkt seien Hinweise auf verschiedene Projekte und der Versuch einer allgemeinen Charakteristik der Forscherpersönlichkeit gegeben. Georg Strecker kam im Wintersemester 1968/69 als Nachfolger von Joachim Jeremias nach Göttingen. Die Universitäten in Deutschland einschließlich der Georgia Augusta hatten in den 60er Jahren eine finanzielle Förderung ohnegleichen erhalten, aber gleichzeitig eine Krise und einen Wertezerfall erlitten, von denen sie sich bis heute nicht erholt haben. Es war für einen damals nach Göttingen berufenen jungen Ordinarius mit hochfliegenden Plänen nicht leicht, sich zu orientieren und seinen Platz in einer

4

Gerd Lüdemann

sich im Übergang befindenden Fakultät zu finden. Viele Stunden wurden von den nun aufflackernden Auseinandersetzungen zwischen Professoren-, Assistenten- und Studentenschaft aufgezehrt. Als die Verhandlungen zwischen der Fakultät und dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht scheiterten, eine Fakultätsreihe zu gründen, ergriff Strecker die Initiative, verhandelte mit dem Haus Vandenhoeck & Ruprecht neu und gab ab 1975 die "Göttinger theologische(n) Arbeiten" heraus (bis zu seinem Tode mehr als 50 Bände), die über die nationalen Grenzen hinaus das Ansehen der Göttinger theologischen Fakultät gefördert haben. Danach engagierte er sich unermüdlich als Organisator (der internationale Neutestamentlerkongreß aus dem Jahre 1987 ist noch in lebhafter Erinnerung), Herausgeber (Festschrift für Hans Conzelmann [1975], Festschrift für Günther Bornkamm [1980] - zusammen mit Dieter Lührmann, Grundkurs Theologie [ab 1989]), aber auch als Vertreter der Göttinger theologischen Fakultät in der Hannoverschen Landessynode sowie schließlich als Vorsitzender des Vereins "Lebendige Volkskirche". Obgleich er wenig predigte, war ihm die Verbundenheit von Theologie und Kirche wichtig, so daß er im Vorwort zu seinem großen Kommentar über die Johannesbriefe (1988), der in der Chronologie des johanneischen Schrifttums neue Wege beschreitet, betonte, das eigentliche Ziel der Auslegung sei nicht die wissenschaftliche Diskussion, sondern die Verbindung von Theorie und Praxis, um der Verkündigung der Kirche zu dienen. Diese Überzeugung veranlaßte ihn, in der Hannoverschen Landessynode 1992 das Zeugnis des christlichen Glaubens gegenüber der jüdischen Religion anzumahnen. Diese entschiedene Stellungnahme zu einer eigentlich schon vor 15 Jahren stattgefundenen Kontroverse hat ihm Zustimmung, aber auch scharfe Kritik eingebracht. Jedoch blieb in dieser wie in anderen Auseinandersetzungen eine geschlossene Position wohl nicht sein letztes Wort. Was nun von diesem rastlosen und so reichen Gelehrtenleben bleibt, das sich in weiteren hier nicht genannten Werken und Aufsätzen niedergeschlagen hat (s. das Schriftenverzeichnis), mag eine zu früh gestellte Frage sein, da sich gerade heute alles im Fluß befindet. Doch sei trotzdem eine vorläufige Antwort versucht: Erstens: Die internationale neutestamentliche Wissenschaft steckt in einer tiefen Krise. Die Väter leben nicht mehr, ja, ihre Interpretationsmethoden haben an Suggestionskraft verloren. Ein ungezügelter Subjektivismus ist im Vormarsch, mit dem auch die historisch-kritische Methode ihre Gültigkeit zu verlieren droht. Dieser Subjektivismus hat seine guten Seiten, weil er neue

Georg Strecker (1929-1994)

5

Wege gebahnt und die Schulexegese an ihre Grenzen erinnert hat. Doch trotz aller Anerkenntnis, daß im Chaos auch Kreativität gedeiht - die historischkritische Betrachtungsweise muß grundlegend bleibend. Ihr verdanken wir erst einen Text, der dem Original nahekommt, und durch sie besteht überhaupt die Möglichkeit, den historischen Kontext des Neuen Testaments wahrzunehmen. Das demonstriert zu haben, darin bleibt Georg Streckers Werk über die Zeiten hinweg allgemein wichtig. Zweitens. Ausgehend von dem hermeneutischen Grundsatz, daß vom Gesicherten her das Unbekannte zu erschließen sei, hat Streckers Redaktionskritik eine bleibende Schneise nicht nur in das Gestrüpp des Neuen Testaments, sondern auch in den Wald der frühchristlichen Literatur geschlagen. Wie die Handhabung dieser Methoden für die Pseudoklementinen erfolgreich durchgeführt wurde, hat er in seinem Erstlingswerk gründlich unter Beweis gestellt. M E. bleibt der Ausgang vom redaktionellen Sinn eines Textes eine vernünftige Grundlage aller weiter anzustellenden Analysen. Drittens: Die Vertrautheit mit der Umwelt des Neuen Testaments war Georg Strecker ein wichtiges Anliegen, dem er mit dem Forschungsprojekt "Neuer Wettstein" Ausdruck verlieh. Mag dabei auch die Gefahr bestanden haben, in den alten Stil einer Parallelomanie zu verfallen und die antiken Texte nicht aus sich selbst heraus zu verstehen, so bleibt eine Kenntnis der dem Neuen Testament gleichzeitigen Literatur zu seinem Verständnis unabdingbar. Darum ist zu wünschen, daß der Plan des "Neuen Wettstein" fortgeführt wird. Viertens: Strecker hat sich eindeutig zur Theologie als einer kirchlichen Wissenschaft bekannt. An dieser Stelle sind Schwierigkeiten fast vorprogrammiert, wenn kirchliches Bedürfnis und wissenschaftliches Ergebnis zu weit auseinanderklaffen und die Theologie sich von der Erfahrungswirklichkeit der Kirche oder der Religion allzuweit gelöst hat. William Wrede, zu dem Georg Strecker eine geradezu klassische Arbeit geschrieben hat, hielt gerade im Interesse (!) der Kirche die Forderung für inhaltsleer, daß Theologie der Kirche zu dienen habe. M E. ist im kritischen Dialog mit Georg Strecker der dienende Charakter der Theologie gegenüber der Kirche kritisch zu reflektieren und beispielsweise im Konflikt zwischen Kirche und Wahrhaftigkeit letzterer der Vorzug zu geben. Wieweit Strecker hier historisch mitgezogen hätte, weiß ich nicht. Doch hat er wie alle Kerygma-Theologen zwischen dem eschatologischen Anspruch der urchristlichen Botschaft und der Geschichte keinen eigentlichen Gegensatz, sondern eine historisch-eschatologische Dialektik gesehen. Das Problem bleibt jedoch die Einordnung der Gestalt Jesu

6

Gerd Lüdemann

als eines geschichtlichen Brockens, der sich dieser Dialektik dann nicht recht fügt, wenn er in die neutestamentliche Theologie hineingehört und nicht zu ihren Voraussetzungen degradiert wird. Dann aber stellt sich unerbittlich wieder die geschichtlich zu beantwortende Frage nach dem Verhältnis des Juden Jesus zu der Kirche, die nach ihm kam, und die Geschichtswissenschaft bekommt eine viel größere Rolle, als in der neutestamentlichen Disziplin für sie bisher vorgesehen war. Die bohrende Frage meines ehemaligen Lehrers, ob damit die Theologie sich nicht an die Geschichte verkaufe, würde ich so beantworten, daß jede ehrliche Beschäftigung mit Jesus und seinen Interpreten uns immer klarer Gott in Jesus sehen läßt. Vielleicht hätten wir uns dann sogar im Einverständnis miteinander gefunden, und der Dialog, den wir im Zeitalter des mangelnden Aufeinander-Hörens und Miteinander-Suchens alle so bitter nötig haben, wäre nicht nur fortgesetzt, sondern eigentlich erst begonnen worden.

Barbara Aland Neutestamentliche Textforschung, eine philologische, historische und theologische Aufgabe

"Was nützt es uns eigentlich, wenn wir noch eine alexandrinische Handschrift zusätzlich entdecken?", so fragte mich vor einiger Zeit ein Kollege, der von unseren Gesamtkollationen zur Charakterisierung aller erhaltenen neutestamentlichen Handschriften1 wußte. Die Frage verblüffte mich. Denn tatsächlich: Wenn es sich um eine alexandrinische Gruppe von Handschriften handelt, dann müßte es uns nicht interessieren, noch einige späte Mitglieder aus der Minuskelzeit von ihr zu entdecken. Denn nach altem Grundsatz zählt eine Gruppe von Handschriften nur als ein Zeuge. Aber so einfach ist die Sache nicht. Der sog. alexandrinische Text ist eben keine Gruppe. Seine Mitglieder differieren, wenn wir Vollkollationen des gesamten Textes zugrundelegen, wie das für die Katholischen Briefe jetzt geschieht, mindestens in jedem dritten Vers voneinander, und das gilt nicht nur für die späteren Minuskelexemplare dieses Texttyps, sondern auch für die berühmten alten Majuskeln. Schon deshalb ist es also geraten, möglichst alle Handschriften des alexandrinischen Typs, die in der Gesamtmasse der Zeugen vorhanden sind, zu suchen. Aber dann stellt sich auch die Frage: Was ist der alexandrinische Typ, wenn seine Mitglieder (trotz Übereinstimmung in zahlreichen Lesarten) doch so stark differieren? Wie ist er historisch entstanden und welchen Wert hat er dementsprechend für die Textkonstitution? Nun: Der sog. alexandrinische Texttyp ist sicher keine Rezension2, aber auch die Herkunftsangabe "aus Alexandrien" kann keineswegs schlüssig bewiesen werden3. Die Kennzeichnung "Texttyp" schließlich ist, wenn der Begriff" der Rezension und die Herkunftsangabe für ihn wegfallen, nur eine sehr weite und ungefähre Charakterisierung. Wo stehen wir dann aber eigentlich in der 1

2

3

Veröffentlicht in der Reihe "Text und Textwert der griechischen Handschriften des Neuen Testaments", hrsg. v. K. Aland. Bisher erschienen: Bd. I: Die Katholischen Briefe, (ANTT 9-11) Berlin 1987; Bd. II: Die Paulinischen Briefe, (ANTT 16-19) Berlin 1991; Bd. III: Die Apostelgeschichte, (ANTT 20-21) Berlin 1993. Dazu gut mit erhellender Übersicht über die Sekundärliteratur G. D. Fee, P 7 5 , P 6 6 and Origen: The Myth of Early Textual Recension in Alexandria, in: New Dimensions in New Testament Study, ed. R. N. Longenecker and M. C. Tenney, Grand Rapids 1974 , 19-45. S. dazu unten Anm. 9.

8

Barbara Aland

Textforschung? Denn das Gesagte gilt nicht nur für den alexandrinischen Text, ist höchstens für ihn von besonderem Interesse. Wir brechen daher hier ab, um die angedeuteten Fragen systematisch anzugehen. Ich behandle das Thema in drei Abschnitten und gebe zuerst eine beschreibende Darstellung der neutestamentlichen Überlieferung, versuche dann (zweitens) die sich abzeichende Entwicklung anhand einiger Hinweise der Kirchenväter zu verstehen und ziehe (drittens) die Schlußfolgerungen für die Arbeit am Text und seiner Überlieferung4.

I. Beschreibende Darstellung der neutestamentlichen Überlieferung Sie kennen alle die Besonderheit der neutestamentlichen Überlieferung. Sie ist nicht nur mit der ungewöhnlichen Menge der neutestamentlichen Handschriften (heute ca. 5.600) gegeben, sondern vor allem damit, daß diese Handschriften vom 2. Jahrhundert ab kontinuierlich aus allen Jahrhunderten erhalten sind. Es handelt sich von etwa 200 ab nicht nur um Fragmente, sondern um vollständig oder nahezu vollständig erhaltene neutestamentliche Schriften. Dazu kommt die große Anzahl der Zitate bei den Kirchenvätern und schließlich die alten Übersetzungen in alle Kultursprachen der Antike5. Sie gehen auf frühe griechische Handschriften zurück und bewahren daher deren Lesarten, die es als hinter einer Übertragung liegendes griechisches Gut herauszuarbeiten gilt6. 4

5

6

Ein Überblick über die gesamte Textforschung kann hier nicht gegeben werden. Vgl. dazu zuletzt J. N. Birdsall, The Recent History of New Testament Textual Criticism (from Westcott and Hort, 1881, to the present), ANRW 26/1, 1992, 99-197; kürzer, mit Referat über einzelne Werke B. M. Metzger, The Text of the New Testament. Its Transmission, Corruption, and Restoration, 3rd enlarged edition (zitiert: Metzger, Handbuch), mit ausführlicher Appendix S. 260-297, New York/Oxford 1992 [deutsch: Stuttgart 1966], Demnächst erscheint das Ergebnis eines Versuches, die verschiedenen textkritischen Methoden der Gegenwart miteinander zu diskuüeren: New Testament Textual Criticism, Exegese and Early Church History. A Discussion of Methods, hrsg. von B. Aland und J. Delobel, Kampen 1994, mit Beiträgen von T. Baarda, J. Delobel, B. Ehrman, W. Petersen, J. Petzer. Unverzichtbar sind die Übersetzungen ins Lateinische sowie deren frühe Revisionen (vom 2. Jh. an), ins Syrische (vom 3./4. Jh. an) und ins Koptische (vom 3. Jh. an). Bedeutung haben insgesamt aber auch das Armenische, Georgische, Altkirchenslawische, Äthiopische. Die neue kritische Edition von S. Uhlig und J. Hofmann, Novum Testamentum Aethiopice, Die Katholischen Briefe (Äthiopische Forschungen 29), Stuttgart 1993, erweist die ältere äthiopische Rezension als auf das Griechische direkt zurückgehend. Durch die Struktur der jeweiligen Sprache, in die übersetzt wurde, und innerversionelle

Neutestamenlliche Textforschung

9

Von den 5.600 Handschriften sind ca. 2.300 Lektionarhandschriften mit der Leseordnung der byzantinischen Kirche. Sie dürfen zwar keineswegs vernachlässigt werden, müssen aber von den Texthandschriften gesondert betrachtet werden. Denn sie sind (wenn auch zu unterschiedlichem Zeitpunkt, was die Nutzung der einzelnen neutestamentlichen Corpora angeht) doch im ganzen relativ spät entstanden. Wahrscheinlich sind sie auch von wenigen Musterexemplaren und ihren Deszendenten abgeschrieben worden. Das war viel praktischer als eine Lektionarsordnung immer wieder neu aus Texthandschriften zusammenzustellen. Ohnehin benötigte man für die liturgischen Lesungen einen festen Text, der nicht von Kirchenprovinz zu Kirchenprovinz differieren durfte. Auf diese Weise erklärt sich auch der nahezu einförmige Textcharakter der Lektionar. Sie wurden, soweit sie die Katholischen Briefe enthalten, im Institut für neutestamentliche Textforschung vollständig untersucht. Dabei ergab sich, daß sie, mit einer einzigen Ausnahme, stets die gleiche byzantinische Textform (Koine) aufweisen. Allerdings sind die Katholischen Briefe erst sehr spät in die Alltagslesungen der Synaxare, d.h. der Lektionare mit Abschnitten für jeden Tag, übernommen worden, vielleicht erst im 9. Jahrhundert. Zu dieser Zeit empfahl sich der byzantinische Text vor allen anderen. Die Texthandschriften differieren dagegen um so mehr, weil sie uns ein Abbild der Überlieferung vom frühen 3. bis ins 15./16. Jahrhundert bieten. Vor allem die frühesten Handschriften, d. h. die bis zum 3./4. Jahrhundert geschriebenen, sind so verschieden, daß sie mit den bisherigen klassifizierenden Begriffen (alexandrinisch, westlich, byzantinisch, cäsareensisch . . .) nicht mehr hinreichend beschrieben werden können. Sie sind so verschieden voneinander, daß sie wie Solitäre in der übrigen Überlieferung stehen. Sie können weder untereinander noch zu den großen Majuskeln des 4. und 5. Jahrhunderts in eine genealogische Beziehung gebracht werden (mit der einzigen Ausnahme von und B, die die Regel bestätigt). Die Gründe dafür sind leicht zu erklären. Zum einen waren die Kopiergewohnheiten in der Frühzeit prinzipiell freier als später, wenn auch keineswegs beliebig frei 7 . Jede Handschrift unterschied Entwicklungen ergeben sich dabei gewisse Schwierigkeiten, die meistens eine vollständige Rekonstruktion der griechischen Vorlage nicht möglich machen. S. dazu Bruce M. Metzger, The Early Versions of the New Testament. Their Origin, Transmission and Limitations, Oxford 1977; vgl. besonders die von verschiedenen Spezialisten verfaßten Beiträge zu den "Limitations" einer bestimmten Sprache hinsichtlich der Rekonstruktion einer griechischen Übersetzungsvorlage. Schreiber sind und bleiben immer Kopisten, die das ihnen Vorliegende abschreiben, keinesfalls gänzlich verändern wollten. Von ihnen zu unterscheiden sind theologische Literaten, die ihnen vorliegende Berichte in eine neue Form brachten (vgl. dazu Lk 1,1-

10

Barbara Aland

sich also von ihrer Vorlage mehr als in späterer Zeit. Zum andern ist aus den ersten christlichen Jahrhunderten nur ein ganz geringer Bruchteil der einst vorhandenen Handschriften erhalten. Es wäre deshalb merkwürdig, wenn sich darunter Verwandte oder gar unmittelbar Verwandte fänden. Angesichts dieser Situation die frühen Papyri Klassifizierungen in Form der Texttypen zuzuordnen, wie es einer schon lange und weithin geübten Forschungstendenz entspricht, kann nicht befriedigen 8 , wie sich an allen großen Papyri zeigt. Sie werden in der Literatur teils diesen, teils jenen Texttypen zugeordnet, sind also Mischtypen 9 - in einem nicht genau zu definierenden, 4 mit den zahlreichen engeren und weiteren Parallelen in der griechischen Literatur, s. die Zusammenstellung bei Klostermann, Das Lukasevangelium, HNT 5, ^1929, lf.) oder gänzlich neue Pseudepigrapha bzw. Apocrypha verfaßten. Schreiber sind niemals Autoren oder Redaktoren dieser Art. Das gilt selbst dann, wenn man den Begriff Texttyp sehr weit formuliert, wie es B. M. Metzger in der Appendix zur 3. erweiterten Auflage seines Handbuchs (s. oben Anm. 4) tut. Er definiert dort (S. 287): "Whereas a family of manuscripts is a relatively tightly knit group, a text-type is a more broadly based form of text that evolved as it was copied and quoted in a particular geographical area of the early Christian world." Metzger verbindet also den Begriff des Texttyps mit der Theorie des Lokaltextes, die auf Streeter zurückgeht (gut beschrieben in Metzgers Handbuch S. 169-73, deutsche Fassung S. 171-175). Aber selbst dann bleibt die Definition viel zu weit, um als eindeutiges Klassifizierungsinstrument dienen zu können. Was das lokale geographische Element angeht, so ist es natürlich nicht außer acht zu lassen. Denn an einem Ort und in einer Provinz werden höchstwahrscheinlich dort schon vorhandene Handschriften abgeschrieben und damit deren Textform vermehrt, manchmal sogar in größerer Zahl. Aber angesichts der hervorragenden Verkehrsverhältnisse im römischen Reich und dazu der Tatsache, daß wir z.B. überhaupt nicht wissen, wo und von welchen Vorlagen die berühmtesten und frühen Majuskeln K und B abgeschrieben sind, können wir noch nicht einmal den alexandrinischen Text eindeutig nach Ägypten lokalisieren, ganz zu schweigen vom "westlichen" Text. Von den amerikanischen Forschern ist sich G. D. Fee der Tatsache methodisch bewußt, daß der Begriff "mixture" kein historisch angemessener Begriff ist, er hält ihn aber für brauchbar, um "textual relationships among contemporary evidence like P ^ and P ^ " anzugeben (Origen's Text of the New Testament and the Text of Egypt, NTS 28, 1982, 348-364, s. S. 364 Anm. 3; dazu auch S. 349f). Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn wirkliche Präzision erreicht werden könnte. Das ist aber nicht der Fall, weil der Begriff des "alexandrinischen" oder "westlichen" Textes in sich nicht klar definierbar ist, folglich auch nicht eine Mischung aus beidem. Ein reiner alexandrinischer oder westlicher Text ist nicht rekonstruierbar (anders Metzger, Handbuch, 181, Anm. 1 [deutsch: 183, Anm. 3]), weil die Zeugen dieser Textformen zu sehr voneinander abweichen. Die Folge ist eine notwendige, immer genauer werdende Differenzierung der Texttypen bei amerikanischen Forschern, die verständlich ist, aber auch ein Moment des Subjektiven hat. Vgl. B. D. Ehrman, Didymus the Blind an the Text of the Gospels, The New Testament in the Greek Fathers I, Atlanta 1986; G. D. Fee, The Text of John in Origen and Cyril of Alexandria: A Contribution to Methodology in the Recovery and

Neutestamentliche Textforschung immer verschiedenen Mischungsverhältnis. Das gilt von P^ö und

11 von

p66 U nd sogar von der Majuskel D. Denn die Handschrift weist ja durchaus nicht nur "westliche" Lesarten auf. Das fuhrt dazu, daß man - um die Texttypen aufrechtzuerhalten und sie möglichst genauer zu bestimmen - auch Kleinstvarianten bei ihrer Definition heranzieht, also etwa Partikel- und Pronominalveränderungen, Kasusverschiebungen in Richtung der attischen Norm oder umgekehrt der Sprachgewohnheit der Entstehungszeit der Handschrift, Tempus- und Modusverschiebungen etc.). Diese Kleinstvarianten können aber, zumal in der Frühzeit, unabhängig voneinander entstehen, sind also nicht genealogisch signifikant. Texttypen damit zu begründen, ist fatal 10 . Und doch sind die Texttypen nicht gänzlich unbrauchbar. Denn häufig lesen ja alle zu einer variierten Stelle erhaltenen Papyri und großen Majuskeln gemeinsam. Wir nennen das den sog. "alexandrinischen" Text. Wir stellen also fest, daß fast alle frühen Papyri und die großen Majuskeln einen gemeinsamen Kernbestand an sog. alexandrinischen Lesarten haben. Es liegt mir hier daran, ihn ins Gedächtnis zu rufen. Gleichzeitig muß betont werden, daß die Abweichungen vom gemeinsam bezeugten Bestand überaus zahlreich und vielfältig sind. Das ist im Grunde auch nicht verwunderlich. Die Texttypen sind einst, noch bevor man die Papyri kannte, nach den großen Majuskeln K, A, B, C, D und zusätzlich der Koine festgelegt worden. Diese Handschriften haben ebenso "solitären" Charakter wie die Papyri. Wenn heute

10

Analysis of Patristic Citations, Bib. 52, 1971, 357-394, s. 367f; jetzt wieder abgedruckt in: E. J. Epp/G. D. Fee, Studies in the Theory and Method of New Testament Textual Criticism, Studies and Documents 45, Grand Rapids 1993, 301-334, s. S. 310. Am weitesten geht Ch.-B. Amphoux in seinen Hypothesen über den "westlichen" Text, den er für die ursprungsnächste Textform hält. Er setzt seine Entstehimg schon an den Anfang des 2. Jahrhunderts, muß dazu aber zugeben: "the Western text is very diverse, there are in fact several text-types within it", s. Leon Vaganay, An Introduction to the New Testament Textual Criticism, 2nd edition revised and updated by Ch.-B. Amphoux, Cambridge 1991 [französische Ausgabe Paris 1986], 94-97, s. 96. Vgl. auch Ch.-B. Amphoux, Un indice de variation pour le classement des états d'un texte, RHT 18, 1988, 279-299; ders., Les premières éditions de Luc, EThL 67, 1991, 312-327, und 68, 1992, 38-48. Zwar ist es nicht zu leugnen, daß es auch in den Paulinischen Briefen, nicht nur im lukanischen Doppelwerk, einige ernst zu nehmende Übereinstimmungen zwischen den sog. "westlichen" Zeugen, d. h. den Handschriften D F G , den Zitaten des Marcion und Irenäus und den lateinischen Versionen gibt, die möglicherweise nicht zufällig sind. Ähnliches gilt für die Katholischen Briefe. Aber die dort zu findenden Übereinstimmungen sind an Zahl und Umfang nicht mit den Interpolationen in Lk/Apg zu vergleichen. Es ist auch nicht zu beweisen, zumal nicht mit "textual trivia", daß hier ein separater Texttyp vorliegt.

12

Barbara Aland

darüber hinaus noch rund 40 Papyri aus der Frühzeit bis zum 4. Jahrhundert bekannt sind, dann ist nur zu erwarten, daß die Masse der gemeinsam gelesenen (sog. alexandrinischen) Lesarten kleiner und die Differenzen größer werden. Es gilt also angemessenere klassifizierende Kriterien zu finden11. Wir sind heute in der Übergangslage,

daß wir einige der früheren Klassifizierun-

gen als griffige Grobcharakterisierung in leicht zu handhabender Attributform - alexandrinisch, westlich, byzantinisch - noch benutzen, ohne daß die allermeisten der damit verbundenen Theorien noch Bestand hätten. Das gilt für die Entstehung dieser Gruppierungen, die weder als Rezensionen noch Lokaltexte zu verstehen sind, es gilt für ihr Verhältnis untereinander und zum Urtext. U m dieser Lage jetzt schon Rechnung zu tragen, haben mein Mann und ich versuchsweise und vorläufig die Kategorien eingeführt. Sie sind eine Zusammenfassung der Testkollationen aller Handschriften und dienen der ersten Orientierung über jedes Manuskript 12 . Wir sind bei ihrer Definition vielleicht noch nicht konsequent genug verfahren, aber der gegenwärtige forschung

Stand der Er-

aller Handschriften wird m.E. doch grundsätzlich richtig angege-

ben: Dabei bezeichnen die Kategorien I und II zusammen das, was sonst immer noch alexandrinisch bzw. sog. alexandrinisch im oben beschriebenen 11

12

Einen ganz neuen Durchbrach hat dabei G. Mink gemacht (Eine umfassende Genealogie der neutestamenüichen Überlieferung, NTS 39, 1993, 481-499). Er betrachtet jede Handschrift als einen "Textzustand", der zu dem jeder anderen Methode in die einfachst mögliche Beziehung gebracht werden muß. Dazu hilft ihm der Einsatz der EDV (Graphentheorie), den er für seine textkritischen Untersuchungen erstmals sachgemäß einsetzen kann. Seine Ergebnisse überzeugen deshalb und lassen noch viel erhoffen, weil sie durchaus zu denen, die mit herkömmlichen Methoden erreicht wurden, passen, aber eben viel genauer und besser begründet sind (so ein noch unveröffentlichtes Stemma von über 100 Handschriften des Jakobus-Briefes). Die Kritik von B. M. Metzger, die Kategorien seien nicht "homogeneous", da sie teilweise mit bekannten Texttypen identisch, teilweise nach ihrer Bedeutung für die Textkonstitution festgelegt seien (vgl. Metzger, Handbuch, 289f.), ist nicht berechtigt. Vielmehr nehmen die Kategorien das, was an den Texttypen klar definierbare Gruppierungen sind, vollständig auf, wie die folgende Darlegung zeigt und wie auch schon aus der 2. Auflage des Handbuchs von K. u. B. Aland, Der Text des Neuen Testaments, Stuttgart 1989, 346f, hervorgeht. Es ist aber umgekehrt gerade so, daß die Texttypen viel zu unscharf sind, um die erhaltenen Handschriften befriedigend zu klassifizieren. Daher ist mit den Kategorien ein Raster gegeben, das sich auf die Teststellenkollationen bezieht und in das sämtliche Handschriften aufgrund der Ergebnisse dieser Kollationen eingeordnet werden können. So ist eine erste Ordnung und Charakterisierung aller Handschriften möglich. Textgeschichtliche Aussagen sind damit nicht angestrebt. Von "textual circularity" ist gar nicht zu reden, da Kollationsergebnisse zusammengefaßt werden, die anders als wir interpretieren kann, wer mag. Im übrigen verweisen die Kategorien auf die Dokumentationsbände "Text und Textwert" (s. oben Anm. 1) und ersetzen diese nicht.

Neutestamentliche Textforschung

13

Sinne von Handschriften genannt wird, die nur in der Kernmasse ihrer Lesarten übereinstimmen. Kategorie I sollte dabei beschränkt sein auf die Handschriften einer weitgehend reinen Überlieferungstradition von einem sehr alten Text her, wie z.B. und B. Kategorie II umfaßt alle jene Handschriften mit den zahlreichen "Verunreinigungen, d.h. Differenzen trotz desselben Kerns der Textmasse. Schon diese Unterteilung der sog. alexandrinischen Handschriften ist ein Fortschritt13. Sachlich wird sie im übrigen auch von amerikanischen Forschern gesehen. Kategorie IV umfaßt die ganz wenigen Exemplare des sog. westlichen Textes, dessen Textform sich in ihrer ausgeprägten Gestalt (und nur diese ist unter Kategorie IV begriffen) scharf von allen übrigen Textgestalten abhebt. Kategorie V enthält die sich ebenfalls klar abzeichnende späte byzantinische Textform. Ihre Varianten sind präzise dadurch definiert, daß sie die Lesart der Mehrheit an allen den Stellen bilden, an denen diese von Lesarten anderer Textformen, eben denen der Kategorie I und II oder IV abweichen14. Es bleibt schließlich die Kategorie III, das große Sammelbecken von ganz verschiedenen Mischungen von Varianten, teils neuen Lesarten, zum größeren Teil schon aus den anderen Kategorien bekannten Lesarten, die in immer neuen Mischungen auftreten. Diese entziehen sich der genealogischen Zuordnung zueinander15. Die zahlreichen Handschriften, insbesondere bis 13

14

15

S. dazu G. D. Fee, Origen's Text of the New Testament and the Text of Egypt, NTS 28, 1982, 348-364, s. 349f. Die Kategorien sind als endgültige Klassifizierung nicht geeignet, aber auch nicht gedacht, weil in ihnen die vielen ganz verschiedenen Mischungsverhältnisse nicht genügend zum Ausdruck kommen. Die Handschriften P ^ , x a und C haben z. B. schon glättende Lesarten, die auch die Kategorie V (byz.) bezeugt. Immerhin kann der Benutzer aus den Referenzzahlen der Teststellenergebnisse (bei den Kurzbeschreibungen aller in "Der Text des Neuen Testaments" aufgenommenen Handschriften angegeben, S. 117fi), insbesondere den Angaben für die sog. Sonderlesarten, wichtige Hinweise bekommen. Das Studium von "Text und Textwert" (s. oben Anm. 1) soll und kann aber nicht ersetzt werden. - Für Fragmente eignen sich die Kategorien weniger. Daher wird bei ihnen zusätzlich angegeben, ob sie eher aus einer festen, normalen, freien oder paraphrasierenden Überlieferungs/ra

V £ u

CO co

CD

es

i o > o Q. P"

^ a>

n u Ol "O o

£ e CD e

. es - ö

«"

ö k-3 Q. P" P -vu

OD es u b

UI =L —

Sif p

CD

*ö b VÖ CO CO

4> 00 es k

ta ä

l-N

CS ,

o w 5 v 3 3 b

'P3

o P

- i .

o

CS *

CO i — w

o tcs

to

VW U)

\r UI

«J« -VU c g Ui -CS

co -o CO

s CS w w

r
t Ul

5 1

'C-

t ET 3.

P't?

o

t Cn > -O -w v vi o i ® CS l/i o ^ H-Ö t-

b :p 3

-ö a> i-> Q- ;

ui

|

-
? ö po P

s «o

cs

V

z

k-

'C-

S n

O k-P ö

(yi 'S k-P AD " co

CO c o vi*

P

3 b

!• « •o o

3 b po P

3 b

CA S CO 4»

v

v

v

Ä -P'55 Ä -u> In ui P= zLco b o >< Ö £

vif ,< O Y b

p , o l/l s-> W CS kco Ä * 3 Vtf O y CO-vu m -ö CO i—i N ,
o w ¡2

li

•Jl

Ii -vu ? O b t/i ^ ^Ö

- tp ö e

a ¡,j a. 1-3 g. vu t2 Q-Ö

VU co * Olli • § b p=

«Ml co

^

«P

in •o e ä CO * -Ul

tco

Alf CO

'S -p ö >

-o

w t= w

00

CO

54

P 'O o O ^ ti - w -p-

Ol

-VI,I

S ¡3-Q ra l - <

w

_ o\ ® r-

-J

ö

ö n i , < b p /< ^ ^ -ö « J -

tH O O bp

-VU v o 3 , «O

Ä

uo

u o.

vu

* Ö

t

Ä vu bp -

b so

t= vö

>•

« Vii

Ii



IM

* fp » . o «3e b - tpö

-vu M ' i p ^O CS vi» k- Ä

'3-

-au S f f ' Ö " ! co ö ^ö

- o ,< ,0 CO. t i-P* CM •W B

VI» {s -. III

VK O. t *p

^ u 9 o JL M ^ S-o 1« 'O «O , «p (/I vu CO «J> 'S O b "Ö ^ P ^

8 Ä

Ö

» VII X H Ä P-vu

o

'3 i o

ö O w tco ä e b0 s' Sw-

o (= VII AU co

1

a. ja. W o. fr hü t -Ul

w

'P-

" p o b ö ° ö t- o b /< o o e e "Ö " ö

? p ^ ^ co ~o 10

%b-

-P

Ö » Ul t= VII

'VII «O

i

ÌT £f -

ö

'2 ^ o E vu t» -«S b - s g (O Ä Ö » 'P Ä lt t - vu < Cn vu

It

to Ö - o o •.v=> 3 2 • « P fc P >vu H ü -vu

8 g i CO

V» 3.

S o o . e r fc"=> b g ö ^ Ol vÖ "T* Vu o g"

I

§ §

'C

_

Ö

t

0) ^ e f c 'S 'O o O ' O c - S - to t - t - a . fe »Vu

Neuere W e g e in der

89

Synoptiker-Exegese

vu X

>

\j V O

-X p o

'3 t-p ö

2 ^ *

ä.

.

CD
a

«00

S e 2-8 .5 'S w

» u u CS u o

=8 O

o x In ¡3 IO o £ Äö - , ipr o *o

O o 1* - O ,< Q. x ¡3 ® Ö ° ä ^ «J. w co "Ö co



(/i o p-

> W u •o

O I—-n in b H 1 1- 8 — 'S w P

fe- (/> to S Q. p W Q " < sS ^ Nk2 « wi 3 , CO >< , b W O • -=> B S U r 2 •O l i «o CA •S "u •= ® » E u u


•o c 3 >