Berliner Demokratie. Band II Hauptstadt im Nachkriegsdeutschland und Land Berlin <1945–1985>: Mit einem statistischen Anhang zur Wahl- und Sozialstatistik des demokratischen Berlin <1945–1985> [Reprint 2018 ed.] 9783110854077, 9783110115901

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German Pages 455 [460] Year 1987

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Berliner Demokratie. Band II Hauptstadt im Nachkriegsdeutschland und Land Berlin <1945–1985>: Mit einem statistischen Anhang zur Wahl- und Sozialstatistik des demokratischen Berlin <1945–1985> [Reprint 2018 ed.]
 9783110854077, 9783110115901

Table of contents :
EINLEITUNG
INHALT
ERSTER TEIL. Wiederaufbau und Festigung demokratischer Strukturen im geteilten Berlin 1945—1963
ZWEITER TEIL. Vom Vorposten der westlichen Demokratie zur Stadt des Viermächte-Abkommens 1963—1985
LITERATURVERZEICHNIS
STATISTISCHER ANHANG
TABELLARISCHER ANHANG. Die Magistrate von Groß-Berlin nach 1945 und die Senate des Landes Berlin 1950—1987
NAMEN- UND SACHREGISTER
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VERÖFFENTLICHUNGEN

DER

H I S T O R I S C H E N K O M M I S S I O N ZU B E R L I N B A N D 70/2

O T T O BÜSCH • WOLFGANG HAUS GI-.ORG KOTOWSKI • HANS J . RKICHHARDT

BERLINER

DEMOKRATIE BAND

1919—1985

2

w DE

Walter de Gruyter & Co. • Berlin • New York 1987

BERLINER

DEMOKRATIE

1919—1985

II Glorg Kotowski • HansJ.

Rl:ichhardt

Berlin als Hauptstadt im Nachkriegsdeutschland und Land Berlin 1945—1985 Mit einem statistischen Anhang zur WAHL- UND

SOZIALSTATISTIK

DES D E M O K R A T I S C H E N

BERLIN

1945—1985

herausgegeben von der 'Arbeitsgruppe Berliner Demokratie' am Fachbereich Geschichtswissenschaften der Freien Universität Berlin

w DE

G _

Walter de Gruyter & Co. • Berlin • New York 1987

F e s t g a b e aus A n l a ß der 7 5 0 - J a h r - F e i e r der S t a d t Berlin 1 9 8 7 Herstellung und D r u c k mit U n t e r s t ü t z u n g der

Sparkasse

der Stadt Berlin

West

H e r s t e l l u n g der S t a t i s t i k m i t U n t e r s t ü t z u n g d e r

Freien Universität

Berlin

D i e S c h r i f t e n r e i h e d e r H i s t o r i s c h e n K o m m i s s i o n zu Berlin e r s c h e i n t m i t U n t e r s t ü t z u n g des

Senators für Wissenschaft

Lektorat

der

und Forschung,

Berlin

Schriftenreihe

C h r i s t i a n Schädlich CIP- Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Berliner D e m o k r a t i e : 1919—1985 ; [Festgabe aus Anlass d. 750-Jahr-Feier d. Stadt Berlin 1987] / O t t o Büsch ... — Berlin ; N e w Y o r k : de G r u y t e r . (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin ; Bd. 70) N E : Büsch, O t t o [Mitverf.]; Historische Kommission < B e r l i n , W e s t > : Veröffentlichungen der Historischen ... Bd. 2. K o t o w s k i , Georg: Hauptstadt im Nachkriegsdeutschland und Land Berlin. — 1987

Kotowski, G e o r g : Hauptstadt im Nachkriegsdeutschland und Land Berlin : 1945—1985 / G e o r g K o t o w s k i ; Hans J o a c h i m Reichhardt. Mit e. statist. A n h . zur Wahl- und Sozialstatistik des demokratischen Berlin : 1945—1985 / hrsg. von d. „Arbeitsgruppe Berliner D e m o k r a t i e " am Fachbereich Geschichtswiss. d. Freien Univ. Berlin. — Berlin ; N e w Y o r k : de G r u y t e r , 1987 (Berliner D e m o k r a t i e ; Bd. 2) (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin ; Bd. 70) I S B N 3-11-011590-5 N E : Reichhardt, Hans J . : ; Wahl- und Sozialstatistik des demokratischen Berlin

© 1 9 8 7 b y W a l t e r de G r u y t e r & C o . , B e r l i n 3 0 P r i n t e d in G e r m a n y A l l e R e c h t e des N a c h d r u c k s , d e r p h o t o m e c h a n i s c h e n W i e d e r g a b e , der Herstellung von M i k r o f i l m e n — auch auszugsweise — vorbehalten. S a t z u n d U m b r u c h : H i s t o r i s c h e K o m m i s s i o n zu B e r l i n , Berlin 3 8 D r u c k : W e r n e r H i l d e b r a n d t , Berlin 6 5 E i n b a n d : L ü d e r i t z & B a u e r , B e r l i n 61

EINLEITUNG Der erste Band dieser zweibändigen Geschichte des demokratischen Berlin in der ersten und zweiten deutschen Republik, der die Entstehung, Ausbildung und Leistung wie die Chance, die Krise und den Sturz der Berliner Demokratie in der Weimarer Republik beschreibt,"" enthält einleitend bereits den Hinweis auf den wesentlichen Unterschied, der die beiden Phasen der demokratischen Entwicklung Berlins voneinander abhebt: Die zentralen Funktionen der demokratischen Metropole Berlin, die in der Hauptstadt des Freistaates Preußen und der Reichshauptstadt der Weimarer Republik eine mehr national und staatlich beeinflußte Entwicklung entstehen ließen, führten in Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg und dann in der geteilten Stadt zwischen O s t und West eine überwiegend von der Weltpolitik bestimmte Entwicklung der Berliner Demokratie herbei. Im einen wie im anderen Fall blieb die Berliner kommunale Demokratie gleichwohl eine auf die gemeinnötigen täglichen Bedürfnisse ihrer Bürger, besonders auf der Bezirksebene, hin ausgerichtete gemeindliche Selbstverwaltung. „Berliner Demokratie" stellt sich also auch in den Nachkriegs- und Wiederaufbaujahrzehnten von Stadt und Land Berlin zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Gegenwart dar als eine ständige Mischung von parlamentarisch-demokratischer Praxis im Dienst nationaler und weltpolitischer Funktionen und einem politischen Entscheidungsprozeß für den Bürger in seinem täglichen gemeindlichen Leben im städtischen und bezirklichen Raum. In der unmittelbaren Nachkriegszeit bot sich der Stadt die Chance zum demokratischen Neuanfang, die die Berliner in imponierender Weise nutzten. Dennoch konnte in den folgenden Jahren nicht verhindert werden, daß der an Intensität und Schärfe zunehmende Ost-West-

* Siehe O t t o Büsch/Wolfgang Haus, Berlin als Hauptstadt der Weimarer Republik 1919—193J, in: O t t o Büsch/Wolfgang Haus/Georg Kotowski/Hans J . Reichhardt, Berliner Demokratie 1919—1985, Band 1 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 70/1), Berlin 1987.

VI

Einleitung

Gegensatz hier zur Spaltung der Stadt führte und ihrem östlichen Teil seither die Gestaltung seiner Angelegenheiten nach demokratischen Grundsätzen wie im Westteil verwehrt blieb. Insoweit ist in diesem zweiten Band, wenn von Demokratie in Berlin die Rede ist, seit 1948/49 stets nur jene in dessen westlicher Hälfte gemeint. Ganz im Gegensatz zur Weimarer Republik, als nach gut einem J a h r z e h n t mit einer kurzen Blütezeit unter den verheerenden Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise radikale politische Kräfte die Oberhand gewannen und die parlamentarische Demokratie ihrem Ende entgegentaumelte, als man selbst in Berlin 1931 die Selbstverwaltung wieder mehr auf autoritäre Strukturen hin ausrichten zu müssen glaubte, nahm die Entwicklung seit 1945 einen völlig anderen Verlauf. Nach der selbst verschuldeten Katastrophe lag allem politischen Handeln in der Stadt ausgesprochen oder unausgesprochen die Maxime zu Grunde, jeden Irrweg zu vermeiden, der vielleicht noch einmal ein solches Resultat zur Folge haben könnte. Es war gleichsam ein elementares Verlangen nach Demokratie, das die Menschen dieser Stadt beherrschte, dem sie bei dem runden Dutzend von Wahlen während der letzten vier Jahrzehnte nahezu bekenntnishaft Ausdruck verliehen und das sie bei den schweren Krisen um die Stadt jeweils am Ende der 40er wie der 50er Jahre so völlig anders als in der Schlußphase der Weimarer Republik reagieren ließ. Selten und wohl nirgends so stark wie in Berlin bestand und besteht noch immer eine so direkte Wechselwirkung zwischen internationaler Politik und internen Entscheidungen wie Reaktionen. Mag der Westen bei der ersten schweren Krise im Sommer 1948 in der Behauptung seiner Position in der Stadt sich auch von der Wahrung seiner Interessen haben leiten lassen, so bleibt völlig unzweifelhaft, daß das überwältigende Bekenntnis der Berliner Bevölkerung zur demokratischen Lebensform t r o t z äußerster Gefährdung und existentieller N ö t e dabei den Ausschlag gab. Sollte die moralische Grundlage ihrer Politik wie ihre Glaubwürdigkeit keinen irreparablen Schaden nehmen, waren die Westmächte geradezu zum Verbleiben in der exponierten Stadt gezwungen. Im vorliegenden zweiten Band zur Berliner Demokratie von der Besetzung durch die Alliierten bis in die Gegenwart schildert im Ersten Teil Hans J . Reichhardt die Entwicklung vom mühsamen und von erbitterten Auseinandersetzungen nicht freigebliebenen Neuaufbau demokratischer Strukturen inmitten der vom Krieg verwüsteten Stadt über ihre administrative Spaltung, die in der einen Hälfte auf der

Einleitung

VII

G r u n d l a g e einer V e r f a s s u n g z u r Bildung des L a n d e s Berlin m i t e n g e m A n s c h l u ß an die B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d u n d in der anderen H ä l f t e z u ihrer U m w a n d l u n g als „ H a u p t s t a d t " der D D R f ü h r t e , bis hin z u m Bau der M a u e r u n d d e m S u c h e n nach einer P o l i t i k , die sie ein wenig durchlässiger machen k o n n t e . Die W a h l v o m F r ü h j a h r 1963 m a r k i e r t nach U b e r z e u g u n g beider A u t o r e n dieses Bandes eine gewisse Z ä s u r in d e r inneren d e m o k r a t i schen E n t w i c k l u n g Berlins. N a c h ihrer S e l b s t b e h a u p t u n g im Kampf gegen die Z w a n g s v e r e i n i g u n g in den W i n t e r m o n a t e n 1945/46 h a t t e die S P D sich stets als b e s t i m m e n d e p o l i t i s c h e Kraft in der S t a d t e r w i e s e n u n d nach 1948 nun ein z w e i t e s M a l ü b e r 60 % der S t i m m e n e r h a l t e n . Dieser W a h l s i e g b e d e u t e t e z u g l e i c h aber auch das Ende eines b e s t i m m ten V e r h a l t e n s m u s t e r s der d e m o k r a t i s c h e n Parteien. T r o t z aller U n terschiedlichkeit in der politischen Z i e l s e t z u n g galt es, in die S t a d t b e t r e f f e n d e n essentiellen Fragen eng z u s a m m e n z u s t e h e n . N u n aber b e d i n g t e die die ganze S t a d t zerreißende M a u e r eben auch ein spürbares Nachlassen des ä u ß e r e n D r u c k s . Folglich g l a u b t e n die V e r a n t w o r t l i chen auf die i m d e m o k r a t i s c h e n Selbstverständnis ohnehin nur f ü r N o t z e i t e n „reservierte" G r o ß e K o a l i t i o n e n d g ü l t i g verzichten u n d f o r t a n das in allen w i r k l i c h e n P a r l a m e n t e n n o r m a l e G e g e n e i n a n d e r von R e g i e r u n g und O p p o s i t i o n p r a k t i z i e r e n zu k ö n n e n . Im Zweiten Teil dieses Bandes u n t e r n i m m t es Georg Kotowski, die V e r f l e c h t u n g der Berlin-Politik der G r o ß e n M ä c h t e m i t der inneren E n t w i c k l u n g der Berliner D e m o k r a t i e a u f z u z e i g e n u n d die W e c h s e l w i r k u n g e n des einen Bereiches auf den andern d a r z u s t e l l e n . Dabei h a t in d e m J a h r z e h n t zwischen d e m M a u e r b a u und der U n t e r z e i c h n u n g des 1972 in Kraft t r e t e n d e n A b k o m m e n s ü b e r Berlin noch die A b w e h r des äußeren D r u c k s V o r r a n g g e h a b t , während seitdem innere Probleme z u n e h m e n d die W ä h l e r e n t s c h e i d u n g b e e i n f l u ß t e n . N u r in diesem Zus a m m e n h a n g ist die A b l ö s u n g der Berliner S o z i a l d e m o k r a t i e als der bisher f ü h r e n d e n politischen Kraft durch die C h r i s t l i c h - D e m o k r a t i s c h e U n i o n zu verstehen, w o b e i d e u t l i c h w i r d , d a ß der A b s t i e g der S P D v o r n e h m l i c h d u r c h l ä h m e n d e innere F l ü g e l k ä m p f e b e w i r k t w u r d e , so d a ß die Partei z u n e h m e n d W ä h l e r an die C D U , alsbald aber auch an die , A l t e r n a t i v e L i s t e ' abgab, die z w a r T e i l einer „ g r ü n e n " Bewegung in der B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d ist, aber auffällige Berliner Besonderheiten a u f w e i s t . Eine s t r u k t u r e l l e W i r t s c h a f t s k r i s e , eine b e d e n k l i c h e B e v ö l k e r u n g s e n t w i c k l u n g u n d eine erst j e t z t d e u t l i c h e r w e r d e n d e A u s l ä n d e r p r o b l e m a t i k b i l d e t e n R a h m e n b e d i n g u n g e n , u n t e r denen sich die Berliner D e m o k r a t i e erneut b e w ä h r e n m u ß t e .

VIII

Einleitung

Wie schon im ersten, so haben sich auch in diesem zweiten Band gewisse thematische Überschneidungen in den jeweils bearbeiteten Zeitabschnitten nicht vermeiden lassen, ebenso wie auch auf differenzierende Interpretationen nicht verzichtet wurde. Dies mag der Leser gleichwohl als einen gewissen Vorteil empfinden, kann er doch nun aus mehreren Blickwinkeln heraus die letzten vierzig Jahre Demokratie in Berlin betrachten.

So wie im ersten Band zur Berliner Demokratie in der Weimarer Republik ist auch in diesem Band eine Wahl- und Sozialstatistik, nun für die Jahrzehnte zwischen 1945 und 1985, beigegeben, die unter Leitung von O t t o Büsch und unter der Mitarbeit von Sabine Jung, Yorck Kaempfer, Dirk Rotenberg, Arthur Schlegelmilch, Robert Scholz und Andreas Splanemann von Felix Escher verantwortlich bearbeitet und kommentiert worden ist. Sie ist entstanden im Rahmen der Tätigkeit der Arbeitsgruppe Berliner Demokratie' des Forschungsprojektschwerpunkts „Geschichte Berlins" des Fachbereichs Geschichtswissenschaften der Freien Universität Berlin. Die Gegenüberstellung der Wahlergebnisse von Bezirks- und Stadtverordneten- bzw. Abgeordnetenhauswahlen zwischen 1946 und 1985 und der Bevölkerungs-, Konfessions- und Erwerbsstatistik nach Berufsgruppen und Wirtschaftszweigen auf städtischer, bezirklicher und Landesebene nach den Stichjahren der Volks- bzw. Fortschreibungszählungen von 1946,1950, 1961, 1970 und 1980 mag es erlauben, durch eine solche erstmals in dieser Kombination zusammengestellte und kommentierte Statistik eine weitere Grundlage zum Begreifen der Bestimmungsgründe für das Wahlverhalten der Berliner in den einzelnen Phasen der Berliner Nachkriegsdemokratie und für die räumliche Zuordnung der Ergebnisse zu bieten. Die Analyse der Wahlen im Nachkriegsberlin in ihrem Zusammenhang mit den sozialen und politischen Daten der Stadtentwicklung bildet einen weiteren Zugang zur Geschichte dieses Zeitraums.

Als einer der Beiträge der Historischen Kommission zu Berlin und der Autoren dieses Werkes zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987 sollte die „Berliner Demokratie 1919—1985" — wie im ersten, so auch im vorliegenden zweiten Band — von vornherein ein äußeres Erscheinungsbild erhalten, das möglichst vielen Interessenten einen anschaulichen Zu-

Einleitung

IX

gang erlaubt. Dieses Buch enthält deshalb keinen Anmerkungsapparat und verzichtet auf methodologische oder theoretische Ausführungen über die geschichtswissenschaftliche Vorgehensweise. Das Literaturverzeichnis im Anhang — zusammengestellt von zwei Mitarbeitern der A r b e i t s g r u p p e Berliner Demokratie', Yorck Kaempfer und Dirk Rotenberg — bietet eine Auswahl von mehreren hundert Titeln an, die es dem kritischen Leser und Benutzer dieses Werkes ermöglicht, die einzelnen Teile der Ausführungen der Autoren dieses Bandes durch ergänzende Lektüre zu hinterfragen. Dieselben Mitarbeiter haben eine Zusammenstellung der Magistrate und Senate Groß-Berlins bzw. Berlins (West) von 1945 bis zur Gegenwart beigegeben. Der Bildteil ist auch in diesem Band wieder in die Mitte zwischen die beiden Textbeiträge gestellt und erlaubt es dem Leser so, sich rückblickend auf den Ersten Teil und in der Vorschau auf den Zweiten Teil die geschilderten Phasen der kommunal, national und international bestimmten Geschichte Berlins in der zweiten Berliner Demokratie zwischen dem Ausgang des Zweiten Weltkriegs und der Gegenwart auch visuell anschaulich vor Augen zu führen.

Der Sparkasse der Stadt Berlin West' sind die Historische Kommission zu Berlin und das unterzeichnete Autorenteam f ü r die finanzielle U n t e r s t ü t z u n g der Herausgabe auch dieses zweiten Bandes sehr dankbar. Dank sprechen die Autoren den oben bereits genannten Mitarbeitern f ü r ihre Hilfe bei der Beschaffung von Material, bei der Bebilderung und der Bereitstellung statistischer Unterlagen aus. Eine besondere Würdigung verdienen wiederum der Lektor der Historischen Kommission, Christian Schädlich, f ü r die Betreuung der Drucklegung und Karsten Bremer für die Mitwirkung bei der graphischen Gestaltung des Bandes. — Die Wahl- und Sozialstatistik zum Nachkriegsberlin ist wieder mit der finanziellen Hilfe entstanden, die die Freie Universität Berlin auf Empfehlung der zentralen ,Ständigen Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs' und auf Anordnung ihres Präsidenten, Prof. Dr. Dieter Heckelmann, zur Verfügung gestellt hat. — Der hier ausgesprochene Dank gilt ebenso erneut den Archiven, Bibliotheken und Bildstellen innerhalb und außerhalb Berlins und ihren vielen ungenannten Mitarbeitern, die den Autoren das Grundlagenmaterial f ü r die Niederschrift und Zusammenstellung dieses Werkes vermittelt haben.

X

Einleitung

Die 750-Jahr-Feier Berlins, die so viele wissenschaftliche, kulturelle und politische Ergebnisse gezeitigt hat, ist auch der Anlaß für die unterzeichneten Autoren geworden, über die erste und zweite Demokratie in Berlin nachzudenken und ihre Überlegungen hierzu in diesem Werk niederzulegen. Das demokratische Berlin ist Anschauung und Lehre zugleich für die Möglichkeiten des modernen homo politicus, die verschiedenen Ebenen seiner gesellschaftlichen Zugehörigkeit zu seiner Gemeinde, zur Nation und zur Welt in einer Einheit zu sehen, zu begreifen und zu realisieren.

Berlin-Nikolassee, ¡m August 1987

Otto Büsch Wolfgang Haus

Georg Hans J.

Kotowski Reichhardt

INHALT EINI.I'.ITUNÜ

V

ERSTER

TEIL

W i e d e r a u f b a u u n d Festigung d e m o k r a t i s c h e r S t r u k t u r e n im geteilten Berlin 1945—1963 H a n s J. R e i c h h a r d t

I

V o m K r i e g s e n d e b i s 7.u d e n O k t o b e r - W a h l e n 1 9 4 6 Grundlagen des Vier-Mächte-Status

6

Einrichtung einer städtischen Verwaltung

8

Zulassung von Parteien und Gewerkschaften

II

10

„ Antifa"-Block der Parteien

12

E r z w u n g e n e F ü h r u n g s w e c h s e l bei C D U u n d E D P

15

Selbstbehauptung der S P D

17

E r l a ß d e r V o r l ä u f i g e n V e r f a s s u n g v o m A u g u s t 1946

20

W a h l e n v o m 20. O k t o b e r 1946

21

K o m m u n a l e Selbstverwaltung im Spannungsfeld der Weltpolitik 1947—1948 Schwierigkeiten der Magistratsbildung

III

5

24 25

Oberbürgermeister-Krise

26

Alliierte E i n g r i f f e in die S e l b s t v e r w a l t u n g

29

E D G B und U G O

31

Selbständige Landesverbände von C D U und L D P

35

S c h e i t e r n d e r S i e g e r m ä c h t e in d e r D e u t s c h l a n d - F r a g e

35

R ü c k w i r k u n g e n d e r i n t e r n a t i o n a l e n P o l i t i k auf Berlin

37

Auf d e m W e g zur Spaltung der Stadt 1948—1949

38

Zwei W ä h r u n g e n

39

Beginn v o n B l o c k a d e u n d L u f t b r ü c k e

43

Inhalt

XII

IV

Vollzug der Spaltung der Stadt

45

Wahlen vom 5. Dezember 1948

48

D e m o k r a t i s c h e r N e u a n f a n g in W e s t - B e r l i n 1 9 4 9 bis 1 9 5 0 Große Koalition im Magistrat

V

50 51

Währungsreform im März 1949

52

Berlin im Parlamentarischen R a t

54

Ende der Blockade

56

Eisenbahnerstreik

61

„Kleines Besatzungsstatut"

63

Beziehungen Berlins zum Bund

66

Entwicklung in Ost-Berlin

67

Verwaltung und Verfassung

71

Wahlen vom 3. Dezember 1950

75

K o n s o l i d i e r u n g der politischen V e r h ä l t n i s s e

77

1. 1 9 5 1 bis 1 9 5 4

77

Bildung des ersten Senats

79

Angleichung an die Verhältnisse im Bund

81

Berlin und das Mühen um Wiedervereinigung

84

Streben nach Festigung demokratischer Strukturen

89

17. Juni 1953

92

Neubildung des Senats durch C D U / F D P - K o a l i t i o n

94

Berlins Unterstützung der Bonner Außenpolitik

96

Wahlen vom 5. Dezember 1954

98

2 . 1 9 5 5 bis 1 9 5 8 Bildung eines S P D / C D U - S e n a t s

101 101

„Erklärung über Berlin"

105

Hauptstadtansprüche

106

Kontakte mit der „anderen Seite"

113

Wechsel im Amt des Regierenden Bürgermeisters

118

Wahlen vom 7. Dezember 1958

120

V I Z w e i t e g r o ß e Berlin-Krise — 1 9 5 8 — 1 9 6 3

121

Fortsetzung der Großen Koalition

122

Innere Lage der Stadt

124

Warten auf eine Entscheidung

127

Reaktionen auf die Mauer

130

Wahlen vom 17. Februar 1963

136

Inhalt BILDTEIL I

139

P e r s ö n l i c h k e i t e n und G r e m i e n d e r d e m o k r a t i s c h e n K ö r p e r s c h a f t e n in S t a d t und Land Berlin

II

XIII

148

Berlin, D e u t s c h l a n d u n d das A u s l a n d : F r e u n d e - V e r b ü n d e t e — Besucher

159

III

W e r b u n g um den Berliner W ä h l e r

170

IV

B e r l i n e r D e m o k r a t i e in der B e w ä h r u n g : Z ä s u r e n — Ereignisse —

V

K u l t u r s t a d t Berlin

188

VI

V o n der z e r s t ö r t e n S t a d t z u r neuen Berliner S t a d t l a n d s c h a f t

194

Zustände

177

ZWEITER TEIL

V o m Vorposten der westlichen Demokratie zur Stadt des Viermächte-Abkommens 1963—1985 Georg Kotowski Einleitung Vorbemerkung Folgen des M a u e r b a u s Der Zerfall des Konsenses zwischen den demokratischen Parteien I

II

Landesregierung u n d Parteien

207 207 208 210 214

Probleme Berlins seit den 60er J a h r e n Die S P D und ihre inneren Konflikte in ihrer Bedeutung f ü r die Berliner Politik Die Parteiorganisation der Berliner S P D Die C D U Die Parteiorganisation der Berliner C D U

214

Die FDP Die Parteiorganisation der Berliner F D P KPD/SEW Die Außerparlamentarische O p p o s i t i o n und ihre W i r k u n g e n Die Alternative Bewegung A L — Wahlerfolge und Organisationsprobleme

230 232 234 236 237 239

V e r w a l t u n g s b e z i r k e und W ä h l e r v e r h a l t e n Die V e r w a l t u n g s b e z i r k e Berlins Z u m Wählerverhalten in den Bezirken Parteien und Wähler. Eine zusammenfassende W ü r d i g u n g

217 223 224 229

241 241 244 253

XIV

III

IV

Inhalt

Verfassungs- und Statusfragen

256

Z u r Berliner Verfassung und einigen ihrer besonderen Probleme

256

Das Berlin-Abkommen von 1971 und die Besatzungsmächte

261

Berlin seit 1971: A l t e u n d n e u e A u f g a b e n

265

N e u e Grundlagen f ü r die Politik Berlins

265

Bemerkungen zur Entwicklung der Berliner W i r t s c h a f t

266

Bevölkerungsentwicklung, Ausländerfragen und soziale Veränderungen Probleme der inneren Sicherheit

270 275

Ausblick

281

LITERATURVERZEICHNIS

285

STATISTISCHER A N H A N G

315

TABELLARISCHER A N H A N G

403

N A M E N - U N D SACHREGISTER

429

ERSTER TEIL

Wiederaufbau und Festigung demokratischer Strukturen im geteilten Berlin 1945—1963 Hans J . Reichhardt

INHALT I

II

V o m K r i e g s e n d e bis z u den O k t o b e r - W a h l e n 1 9 4 6 Grundlagen des Vier-Mächte-Status

6

Einrichtung einer städtischen Verwaltung

8

Zulassung von Parteien und Gewerkschaften

10

„Antifa"-Block der Parteien

12

Erzwungene Führungswechsel bei C D U und L D P

15

Selbstbehauptung der S P D

17

Erlaß der Vorläufigen Verfassung vom August 1946

20

Wahlen vom 20. O k t o b e r 1946

21

K o m m u n a l e Selbstverwaltung im Spannungsfeld der Weltpolitik 1 9 4 7 — 1 9 4 8

III

IV

5

24

Schwierigkeiten der Magistratsbildung

25

Oberbürgermeister-Krise

26

Alliierte Eingriffe in die Selbstverwaltung

29

F D G B und U G O

31

Selbständige Landesverbände von C D U und L D P

35

Scheitern der Siegermächte in der Deutschland-Frage

35

Rückwirkungen der internationalen Politik auf Berlin

37

A u f d e m W e g z u r Spaltung d e r S t a d t 1 9 4 8 — 1 9 4 9

38

Zwei Währungen

39

Beginn von Blockade und Luftbrücke

43

Vollzug der Spaltung der Stadt

45

Wahlen vom 5. Dezember 1948

48

D e m o k r a t i s c h e r N e u a n f a n g in W e s t - B e r l i n 1 9 4 9 bis 1 9 5 0 Große Koalition im Magistrat

50 51

Währungsreform im März 1949

52

Berlin im Parlamentarischen R a t

54

Ende der Blockade

56

Eisenbahnerstreik

61

„Kleines Besatzungsstatut"

63

Inhalt

4

V

Beziehungen Berlins zum Bund

66

Entwicklung in Ost-Berlin

67

Verwaltung und Verfassung

71

Wahlen vom 3. Dezember 1950

75

K o n s o l i d i e r u n g d e r politischen V e r h ä l t n i s s e

77

1. 1 9 5 1 bis 1 9 5 4

77

Bildung des ersten Senats

79

Angleichung an die Verhältnisse im Bund

81

Berlin und das Mühen um Wiedervereinigung

84

Streben nach Festigung demokratischer Strukturen

89

17. Juni 1953

92

Neubildung des Senats durch C D U / F D P - K o a l i t i o n

94

Berlins Unterstützung der Bonner Außenpolitik

96

Wahlen vom 5. Dezember 1954

98

2. 1 9 5 5 bis 1 9 5 8 Bildung eines S P D / C D U - S e n a t s

101 101

„Erklärung über Berlin"

105

Hauptstadtansprüche

106

Kontakte mit der „anderen Seite"

113

Wechsel im A m t des Regierenden Bürgermeisters

118

Wahlen vom 7. Dezember 1958

120

V I Z w e i t e g r o ß e Berlin-Krise — 1 9 5 8 — 1 9 6 3

121

Fortsetzung der Großen Koalition

122

Innere Lage der Stadt

124

Warten auf eine Entscheidung

127

Reaktionen auf die Mauer

130

Wahlen vom 17. Februar 1963

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ERSTER

TEIL

Wiederaufbau und Festigung demokratischer Strukturen im geteilten Berlin 1945—1963

Hans J . Reichhardt

I

Vom Kriegsende bis zu den Oktober-Wahlen

1946

Wenngleich eine Mehrheit seiner Bevölkerung noch bis zuletzt den Nationalsozialisten das J a zur endgültigen Festigung ihrer Macht im M ä r z 1933 verweigert hatte, wurde Berlin als Machtzentrum ihres Regimes dennoch geradezu zwangsläufig zum Brennpunkt der Flut von H a ß und Verachtung, die in der ganzen Welt während jener zwölf dunklen Jahre herangewachsen war. T r o t z aller Differenzen zwischen den Alliierten über die Gestaltung der Nachkriegsverhältnisse in Europa vollzog sich das Ende des K a m p f e s auf deutschem Boden im April und Mai 1945 noch immer unter dem Vorzeichen des Waffenbündnisses zwischen O s t und West, das beiden Seiten zur Weiterführung des Krieges gegen J a p a n unentbehrlich, zur Fortdauer ihrer Zusammenarbeit durch die G r ü n d u n g der Vereinten Nationen als erster Voraussetzung des Friedens sowie zur gemeinsamen Niederhaltung des mühsam genug geschlagenen Gegners unerläßlich notwendig zu sein schien. Wenn selbst ein Mann wie Churchill noch im J a n u a r 1945 die Möglichkeit eines bis zu zwei J a h r e dauernden deutschen Widerstandes nach der Niederlage befürchtete, verwundert es nicht, daß ein fast ängstliches Bestreben eigentlich alle anderen führenden alliierten Politiker beherrschte, dem besiegten Deutschland nicht noch einmal, wie nach dem Ersten Weltkrieg, einen moralischen Anspruch aus den von ihnen

6

Hans}. Reichhardt

• Wiederaufbau

Berlins 1945—1963

selbst proklamierten demokratisch-humanitären Grundsätzen der künftigen Friedensordnung zuzugestehen. Im Grunde war es wohl nur die Sorge, mit eigenen Mitteln die Kosten für einen Wiederaufbau Deutschlands tragen zu müssen, die das Verlangen auch der Westmächte nach radikaler Unschädlichmachung des Feindes bremste und Zweifel am Umfang der ihm zugedachten territorialen und wirtschaftlichen Schwächung aufkeimen ließ. Derlei Überlegungen schließlich bewogen die Potsdamer Konferenz im Sommer 1945, an Deutschlands wirtschaftlicher Einheit festzuhalten, während die auf seiner politischen Dezentralisierung — als einer Art Abklang auf die diversen Teilungs- und Zerstückelungspläne der Kriegsjahre — beruhende Demokratisierung noch ebenso auf dem Prinzip einer von den Siegern kontrollierten „Erziehung" der Deutschen beruhte. Nicht nur als Berlin in den verheerenden Luftangriffen der Wintermonate 1944/1945 und noch einmal in den Straßen- und Häuserkämpfen während der Eroberung durch sowjetische Truppen Ende April sein Gesicht nahezu bis zur Unkenntlichkeit verlor, sondern auch noch als am 5. Juni die vier Oberbefehlshaber der Besatzungstruppen hier gemeinsam die oberste Gewalt übernahmen und die Potsdamer Konferenz am 2. August vage Umrisse eines Regierungsprogramms für das zerschmettert am Boden liegende Deutschland festlegte, schien auf den ersten Blick für die Zukunft kein Raum mehr gegeben, in dem es seinen Rang als wichtigste Metropole Mitteleuropas hätte behaupten können. Und doch sollte diese Stadt, die im Frühsommer 1945 mit ihrer hungernden und verzweifelten Bevölkerung von noch rund drei Millionen Menschen sich dem Beschauer als „größter Trümmerhaufen der Welt" darbot, trotz des Verlustes von Hauptstadtfunktionen eine Sonderstellung behalten und zu einem der wichtigsten Erfahrungsfelder jener Enttäuschungen werden, die das Anti-Hitler-Bündnis zerbrechen ließen und in den nun schon mehr als vier Jahrzehnte die Weltpolitik beherrschenden Ost-West-Gegensatz mündeten.

Grundlagen

des

Vier-Mächte-Status

Schon während des Krieges hatten sich die Großmächte über den Verwaltungsmechanismus für Deutschland nach dessen bedingungsloser Kapitulation in großen Zügen verständigen können. Doch die von der in London tagenden Europäischen Beratenden Kommission im September und im November 1944 getroffenen Abmachungen („Londoner Protokolle"), später von den Staats- und Regierungschefs auf

I. Vom Kriegsende bis zu den Oktoberwahlen 1946

7

ihren Konferenzen in J a l t a und Potsdam bestätigt, ließen genügend Möglichkeiten für verschiedenartige Auslegungen offen. Daher konnte es kaum ausbleiben, daß sich in der Praxis der Besatzungspolitik sehr bald fundamentale Unterschiede auftaten, die auf einer völlig konträren, ideologisch fundierten Interpretation der im staatlichen und politischen Leben gebräuchlichen Begriffe und Wertvorstellungen beruhten. Dieses F a k t u m jedoch empfanden die W e s t m ä c h t e unter dem Eindruck des soeben errungenen gemeinsamen Sieges 1945 als nicht so schwerwiegend, um daraus bereits entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Besonders deutlich trat dies in Berlin hervor, das ins Z e n t r u m der K o n f l i k t e der Siegermächte rückte und eine A r t Spiegelbild der Entwicklung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg darstellte. Im Unterschied zu allen anderen deutschen Städten nämlich zeigte sich hier, daß der k o m m u n a l e Wiederaufbau nahezu völlig vom Stand der Beziehungen der Besatzungsmächte untereinander abhing. Die L o n d o n e r P r o t o k o l l e hatten die Aufteilung des Reiches in drei beziehungsweise später in vier von den T r u p p e n der Siegermächte zu besetzende Z o n e n festgelegt. Deren Oberbefehlshaber bildeten zur einheitlichen Behandlung des Landes gemeinsam den Alliierten K o n t r o l l r a t mit Sitz in Berlin, das deshalb ausdrücklich von der allgemeinen Z o n e n einteilung ausgenommen blieb und den Status eines besonderen G e b i e tes erhielt. Innerhalb der vom preußischen G e s e t z über die Bildung der Einheitsgemeinde Berlin v o m 27. April 1920 gezogenen Grenzen sicherten bei der Sektoreneinteilung die Sowjets sich den Löwenanteil, nämlich mit acht Bezirken 4 5 , 6 % der Fläche und 36,8 % der Einwohner, während die Amerikaner mit sechs Bezirken und 23,9 % der Fläche sowie 30,7 % der Einwohner, die Briten gar mit nur vier Bezirken und 18,7 % der Fläche sowie 18,9 % der Einwohner sich begnügen mußten, nachdem sie an die später einrückenden Franzosen zwei Bezirke mit 11,8 % der Fläche und 13,6 % der E i n w o h n e r abgetreten h a t t e n . Die Sektoren in ihrer G e s a m t h e i t regierte die Alliierte K o m m a n d a n t u r , bestehend aus den vier S e k t o r e n k o m m a n d a n t e n , deren Befehle und Anordnungen bis in Einzelheiten der Kommunalpolitik hinein bindende Kraft besaßen, was allein erst das Wirken einer einheitlichen Stadtverwaltung ermöglichte. Die G e f a h r einer Spaltung Deutschlands wie seiner H a u p t s t a d t Berlin war durch ihre Einteilung in Z o n e n beziehungsweise

Sektoren

gleichsam vorgegeben, sollten die Verbündeten zu keiner gemeinsamen Politik finden. D e n n K o n t r o l l r a t und K o m m a n d a n t u r mußten einmü-

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Hans J. Reichhardt

• Wiederaußau

Berlins 1945—1963

tig handeln, was jeder Besatzungsmacht erlaubte, ihr unerwünschte Beschlüsse durch ein Veto zu verhindern. Während der Kontrollrat im Grunde nur in Fragen der Zerschlagung des deutschen militärischen Potentials und der Verhinderung seines Wiederauflebens, der Uberwindung des Nazi-Regimes und der Bestrafung von Kriegsverbrechern Einigkeit erzielen konnte, gestaltete sich die Zusammenarbeit in der Berliner Kommandantur zunächst recht verheißungsvoll. Offenbar schien es eben wesentlich einfacher, in praktischen Fragen zu einer Ubereinstimmung zu gelangen; zudem galt die willkürliche Zerreißung einer organisch gewachsenen Millionenstadt wohl auch noch als eine solche Absurdität, an die allen Meinungsverschiedenheiten zum T r o t z kaum schon jemand zu denken wagte. Nach dem Ende der Kampfhandlungen vermochte die Sowjetunion den Einmarsch westlicher Truppen in Berlin hinauszuzögern und damit die Wochen ihrer Alleinherrschaft ausgezeichnet zu nutzen. Sie zog die Umrisse der ersten Nachkriegsverwaltung immerhin so dauerhaft, daß die erst am 11. Juli 1945 gebildete Alliierte Kommandantur an diesem Ergebnis nur wenig änderte und in ihrem Befehl Nr. 1 alles bestätigte, was die sowjetische Militärverwaltung bis dahin geschaffen hatte. Viel bedeutsamer als die mit aller Energie unternommenen Schritte zur Ingangsetzung eines halbwegs normalen Lebens in der Stadt war jedoch, daß sie durch Marschall Shukows berühmten Befehl Nr. 2 vom 10. Juni politische Parteien und Organisationen in ihrem Bereich zuließ und damit scheinbar ihren Willen demonstrierte, eine demokratische Entwicklung in Deutschland zu fördern. Aber hinter dieser vorerst so hoffnungsvoll stimmenden Fassade bezogen die Sowjets und ihre deutschen politischen Freunde zugleich bereits die Ausgangspositionen, die nach wenigen Jahren dann doch zur Spaltung führen sollten.

Einrichtung

einer städtischen

Verwaltung

Noch während der Schlacht um Berlin begann die sowjetische Armee in den von ihr schon eroberten Stadtteilen mit dem Aufbau einer örtlichen deutschen Verwaltung. Geschah die Auswahl entsprechender Persönlichkeiten durch mit deutschen Verhältnissen meist nur wenig vertraute Frontoffiziere anfangs gewiß mehr oder minder zufällig, so änderte sich das allmählich nach Ankunft einer zehnköpfigen Gruppe kommunistischer Emigranten aus Moskau mit dem früheren KPDBezirkssekretär von Berlin-Brandenburg, Walter Ulbricht, an der Spitze am 30. April 1945. Ihre Aufgabe bestand darin, in engem Einver-

I. Vom Kriegsende

bis zu den Oktoberwahlen

1946

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nehmen mit den sowjetischen Militärbehörden neue deutsche Verwaltungsorgane in Berlin einzurichten und die Wiedergründung der K P D und der Gewerkschaften vorzubereiten. Zunächst von dem 30 Kilometer östlich von Berlin gelegenen Bruchmühle, nach einigen Tagen von der Prinzenallee 80 im Bezirk Lichtenberg aus schwärmten die Mitglieder der „Gruppe Ulbricht" in die einzelnen Stadtteile: zur Klärung der allgemeinen Situation, zur Zerschlagung der bald nach der Waffenruhe spontan entstandenen KPD-Büros sowie Volks-, Hilfs- oder Ortskomitees der Bewegung „Freies Deutschland" und zum Aufspüren von Frauen und Männern, die f ü r eine Mitarbeit in der neuen Verwaltung geeignet erschienen. Gemäß der von Ulbricht ausgegebenen Parole: „Es m u ß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der H a n d haben", suchten sie im allgemeinen nur die entscheidenden Positionen mit Kommunisten zu besetzen. Dieses Schema lag selbstverständlich auch der Bildung des dann am 19. Mai vom sowjetischen Stadtkommandanten General Bersarin der Öffentlichkeit präsentierten Magistrats zu Grunde. Dabei war es sogar gelungen, weithin so bekannte Persönlichkeiten zu gewinnen wie den früheren Reichsminister Andreas Hermes als Leiter der Abteilung für Ernährung, den Chirurgen Ferdinand Sauerbruch für das Gesundheitswesen und den Architekten H a n s Scharoun f ü r das Bau- und Wohnungswesen. Doch eben die f ü r die weitere politische Entwicklung wesentlichen Schlüsselstellungen waren von vornherein absolut zuverlässigen Kommunisten zugeschanzt worden: so dem späteren D D R Innenminister Karl Maron als Bürgermeister, der, dem parteilosen Oberbürgermeister A r t h u r Werner im Grunde nicht mehr als repräsentative Aufgaben überlassend, als stärkste Figur den Magistrat beherrschte, oder A r t h u r Pieck — Sohn des KPD-Vorsitzenden Wilhelm Pieck —, welcher die Geschicke der immens wichtigen Abteilung Personal und Verwaltung bestimmte, oder der spätere DDR-Außenminister O t t o Winzer, der als Leiter der Abteilung Volksbildung das Schulwesen und das kulturelle Leben im Sinne der Partei zu lenken suchte. Von den 18 Mitgliedern des Magistrats gehörte genau die Hälfte zur Kommunistischen Partei, doch, wie sich bald zeigen sollte, überwog ihr tatsächlicher Einfluß bei weitem dieses ohnehin schon zu ihren Gunsten ausschlagende Zahlenverhältnis.

10

Hans J. Reickhardt

• Wiederaufbau

Zulassung von Parteien und

Berlins 1945—1963

Gewerkschaften

Während die Westmächte über die Formen politischer Willensbildung in Deutschland nach der Kapitulation offensichtlich nur wenig konkrete Vorstellungen hatten und daher der Bildung von Parteien in den eigenen Zonen erst allmählich und nur zögernd zustimmten, ergriff die Sowjetunion in ihrem Bereich sehr bald die Initiative. Mitbestimmend für diese Eile mag die Tatsache gewesen sein, daß bereits einige Zeit vor dem Einrücken westlicher Truppen in Berlin die sowjetischen Militärbehörden zumindest die Grundlagen für eine Entwicklung des Parteiwesens nach ihren Wünschen schaffen wollten. So konnten innerhalb nur eines Monats vier Parteien und die Gewerkschaften mit Gründungsaufrufen hervortreten, wobei von vornherein klargestellt blieb, daß diese für das gesamte sowjetische Besatzungsgebiet zugelassenen Organisationen ihre Zentralen in Berlin einrichteten. Ein Befehl der Alliierten Kommandantur über eine Anerkennung der bereits vor ihrer Etablierung gegründeten Parteien existiert nicht. Ihr erster diesbezüglicher Befehl, der das Genehmigungsverfahren zur Abhaltung von Versammlungen der Parteien zum Inhalt hatte, datiert erst vom 10. August 1946. Er beruhte, ebenso wie der Befehl über die Zulassung politischer Parteien in Berlin, ganz selbstverständlich auf der Annahme, daß in der Stadt längst vier Parteien bestanden, die sich nicht erst um ihre Anerkennung durch die Kommandantur bemühen mußten. Da die sowjetische Besatzungsmacht jeder ihr nicht genehmen Partei mit Hilfe des Vetorechts die Lizenzierung versagen konnte, war an dem von ihr eingeführten Vier-Parteien-System nicht mehr zu rütteln. Die anfänglich stillschweigende Duldung dieses Faktums fiel den Westmächten wohl deshalb leichter, weil es der Sowjetunion mit dem Schachzug der Zulassung auch „bürgerlicher" Parteien gelungen war, eben dieses Feld des in westlichen Augen „normalen" demokratischen Spektrums abzudecken. Zudem verschleierten die zentralen Aussagen des Gründungsaufrufes der KPD vom 11. Juni über die Notwendigkeit der Vollendung der 1848 gescheiterten bürgerlichen Revolution in einer parlamentarisch-demokratischen Republik wie die über den Irrweg, Deutschland jetzt das Sowjetsystem aufzuzwingen, weitgehend die Gefahr einer von der Sowjetischen Militäradministration (SMA) gedeckten kommunistischen Durchdringung aller Bereiche des öffentlichen Lebens.

I. Vom Kriegsende bis zu den Oktoberwahlen 1946

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Die Erinnerung an das Scheitern der gespaltenen Arbeiterbewegung im K a m p f gegen den Nationalsozialismus wie die oft gemeinsamen Erlebnisse in der Illegalität, in Zuchthäusern und in Konzentrationslagern bestärkten viele Sozialdemokraten und K o m m u n i s t e n in ihrem Willen, bei einem Neubeginn aus den b i t t e r e n Lehren der Vergangenheit die richtigen Schlüsse zu ziehen. Dies k o n n t e nur bedeuten: U b e r windung des unseligen Bruderkampfes durch Gründung einer einheitlichen Partei. Aus dieser E r k e n n t n i s heraus suchten Sozialdemokraten noch vor der offiziellen Erlaubnis zu politischer Betätigung den A b schluß entsprechender Vereinbarungen mit K o m m u n i s t e n . D o c h die den aus Moskau heimgekehrten Emigranten mitgegebenen Direktiven sahen die Wiedergründung beider Arbeiterparteien vor, in deren R e i hen sich erst noch ein ideologischer Klärungsprozeß vollziehen müsse, ehe man an die Verwirklichung neuer politischer Lösungen denken k ö n n e . H i n t e r dieser teilweise schroff geäußerten Ablehnung des Einheitsgedankens verbarg sich die Erwartung, daß unter den gegebenen Verhältnissen die K P D auf demokratische Weise zum bedeutendsten politischen F a k t o r heranwachsen und dann vielleicht sogar die absolute Mehrheit erringen k ö n n t e . Offensichtlich ging die Spekulation der K o m m u n i s t e n dahin, dank starker sowjetischer U n t e r s t ü t z u n g eine besondere W e r t s c h ä t z u n g in der Bevölkerung zu gewinnen und damit in Deutschland ihre Ziele ohne oder gar gegen die Sozialdemokraten zu erreichen. Z u n ä c h s t schienen derlei H o f f n u n g e n durchaus berechtigt zu sein; denn der bereits vor der offiziellen Zulassung vollzogene organisatorische Aufbau verschaffte der K P D einen ziemlichen Vorsprung, während die S P D erst W o c h e n später wirklich mit der zudem noch oft durch Eingriffe sowjetischer Offiziere gehemmten oder verzögerten Errichtung ihres Parteiapparates beginnen konnte. Seit dem September jedoch k o n n t e sie in schnellem T e m p o aufholen, während bei der K P D der Mitgliederzulauf stagnierte. Inzwischen hatte auch die Enttäuschung vornehmlich unter jenen Sozialdemokraten immer mehr Platz gegriffen, die besonders leidenschaftlich für eine einheitliche Arbeiterpartei eingetreten waren. Sie mußten nämlich erkennen, daß die K P D t r o t z ihres so demokratisch wirkenden Programms, t r o t z der Erfahrungen in der Weimarer Republik und in der N S - Z e i t letztlich nichts dazugelernt hatte. Als die K o m m u n i s t e n diese Bewußtseinswandlung zu spüren begannen, die C D U in der sowjetischen Z o n e eine Mitverantwortung für die bei der B o d e n r e f o r m praktizierten M e t h o d e n ablehnte und dann im N o v e m b e r 1945 die österreichischen Wahlen mit

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Hans J. Reichhardt

• Wiederaufbau

Berlins 1945—1963

einer katastrophalen Niederlage der KPÖ endeten, erfolgte eine radikale Ä n d e r u n g der ursprünglichen Konzeption, um nach dem altbewährten R e z e p t von Zuckerbrot und Peitsche mit allen M i t t e l n die Vereinigung beider Parteien im gesamten sowjetischen Besatzungsbereich zu forcieren und schließlich durchzusetzen. „Antifa"-Block

der

Parteien

Das im KPD-Gründungsaufruf vorgeschlagene Zehn-Punkte-Akt i o n s p r o g r a m m zur Liquidierung von N a z i s m u s und R e a k t i o n sowie z u m A u f b a u eines neuen Deutschlands sollte auch „als Grundlage zur Schaffung eines Blocks der antifaschistischen demokratischen Parteien" dienen. Nach kommunistischem Verständnis der gesellschaftlichpolitischen Situation m u ß t e eine solche Block-Politik darauf gerichtet sein, nicht allein die „Uberreste des Nazismus" zu beseitigen, sondern zugleich den sogenannten reaktionären Elementen die wirtschaftlichsoziale Basis f ü r eine erneute M a c h t e n t f a l t u n g zu entziehen. Der antifaschistisch-demokratische Impuls sollte die fortschrittlichen Kräfte im Bürgertum freisetzen und in eine Art Volksfront hineinführen mit beiden Arbeiterparteien als stärkstem Faktor. Verbunden damit war das Ziel einer Isolierung der „rechten" SPD-Führer, die nach kommunistischer Lesart „gefährlichen Bündnissen" mit der Großbourgeoisie zuneigten, sowie die Sicherung der führenden Rolle der KPD als M o t o r k ü n f t i g e r gesellschaftspolitischer U m w ä l z u n g e n . Nicht-parteilichen Organisationen — insbesondere natürlich dem am 15. J u n i gegründeten Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB), der die wesentlichen Gewerkschaftsrichtungen aus der Zeit vor 1933 in sich vereinigte, und dem am 4. J u l i ins Leben gerufenen Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, welcher der Intelligenz eine Plattform z u m Engagement beim geistig-kulturellen Neubeginn bieten sollte — blieb danach die Aufgabe, als Transmissionsriemen zwischen der parteimäßig organisierten „Vorhut der Arbeiterklasse" und der Masse des werktätigen Volkes zu fungieren. Die beiden in Berlin entstandenen bürgerlichen Parteien schienen gleichsam in den „Block" hineingegründet worden zu sein. Die Anerkennung seiner politischen Grundlagen und Absichten erwies sich im gesamten sowjetischen Besatzungsbereich als conditio sine qua non neuen politischen W i r k e n s . Die treibenden Kräfte in den Gründungszirkeln sowohl der Christlich-Demokratischen Union ( C D U ) um Andreas H e r m e s und J a k o b Kaiser als auch der Liberal-Demokratischen

I, Vom Kriegsende bis zu den Oktoberwahlen

1946

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P a r t e i ( L D P ) um W a l d e m a r K o c h und W i l h e l m K ü l z u n t e r s t r i c h e n in ihren G e s p r ä c h e n m i t Marschall S h u k o w , die übrigens stets im Beisein des m a ß g e b e n d e n K P D - F u n k t i o n ä r s U l b r i c h t s t a t t f a n d e n , ihre B e r e i t schaft zur M i t a r b e i t im „ B l o c k " . Skepsis und Z u r ü c k h a l t u n g o b solch von vornherein f e s t g e l e g t e r „ E i n b i n d u n g " mag es hier und da in der jeweiligen M i t g l i e d s c h a f t gegeben h a b e n , d o c h ü b e r w o g fraglos bei weitem die E i n s i c h t in die N o t w e n d i g k e i t eines Z u s a m m e n s t e h e n s aller D e m o k r a t e n bei der L ö s u n g d e r z u m A u f b a u eines neuen S t a a t e s grundlegenden politischen F r a g e n . W e l c h e s M a ß an Z i e l s t r e b i g k e i t die K P D b e i m H i n e i n d r ä n g e n der anderen, n o c h m ü h s a m nach eigenen O r g a n i s a t i o n s f o r m e n

suchen-

den P a r t e i e n in den „ B l o c k " o f f e n b a r t e , mag man u n t e r a n d e r e m auch daran ablesen, daß im S t a d t t e i l Marienfelde s c h o n am 1. J u l i — also zwei W o c h e n vor der offiziellen K o n s t i t u i e r u n g des „ B l o c k s " auf Z o nenbasis — die gerade e n t s t e h e n d e n O r t s g r u p p e n von C D U und L D P einen s o l c h e n m i t denen von K P D und S P D b i l d e t e n und nur vier T a g e später der „ B l o c k " des B e z i r k s T i e r g a r t e n v o r dem R a t h a u s in der T u r m s t r a ß e m i t 20 0 0 0 T e i l n e h m e r n die e r s t e g r o ß e K u n d g e b u n g nach K r i e g s e n d e in Berlin organisierte m i t O t t o S u h r ( S P D ) , M a x R e i m a n n ( K P D ) , P e t e r Even ( C D U ) und W o l f g a n g D e r z ( L D P ) als R e d n e r n . A m 14. J u l i schließlich beschlossen bei einer ersten Z u s a m m e n k u n f t S p i t z e n v e r t r e t e r aller vier Parteien u n t e r gegenseitiger R e s p e k t i e r u n g ihrer S e l b s t ä n d i g k e i t die Bildung einer E i n h e i t s f r o n t , des s o g e n a n n t e n A n t i f a s c h i s t i s c h e n B l o c k s in Berlin. M i t t e A u g u s t n a h m e n die Parteiv o r s i t z e n d e n G r o t e w o h l , P i e c k , H e r m e s und K o c h auf der ersten ö f f e n t l i c h e n K u n d g e b u n g des B l o c k s im H a u s des R u n d f u n k s in der Masurenallee S t e l l u n g zu den E r g e b n i s s e n der P o t s d a m e r K o n f e r e n z . Sie b e t o n t e n ü b e r e i n s t i m m e n d , daß angesichts der U n g e h e u e r l i c h k e i ten des N a z i - R e g i m e s das d e u t s c h e V o l k sich n i c h t ü b e r die H ä r t e der Sieger beklagen dürfe, die A n e r k e n n u n g z u m i n d e s t der wirtschaftlichen E i n h e i t des L a n d e s gleichwohl aber M ö g l i c h k e i t e n z u m A u f b a u einer F r i e d e n s i n d u s t r i e

und zur Steigerung

der

Agrarproduktion

e r ö f f n e . D a s gemeinsame B e k e n n t n i s z u m S t r e b e n nach R e c h t s s i c h e r h e i t , nach d e r F r e i h e i t von G e w i s s e n und G l a u b e n sowie der A c h t u n g v o r religiösen und sittlichen Ü b e r z e u g u n g e n v e r m o c h t e allerdings n u r für k u r z e Z e i t die T a t s a c h e zu ü b e r s c h a t t e n , daß beide bürgerliche Parteien in dieser P a r t n e r s c h a f t lediglich b e g r e n z t e n E i n f l u ß b e s a ß e n , wenngleich auch sie im U n t e r s c h i e d zu den westlichen Z o n e n ihre O r g a n i s a t i o n e n im s o w j e t i s c h e n B e r e i c h in e r s t a u n l i c h e m T e m p o aufbauen und sich dem G l a u b e n hingeben k o n n t e n , ganz wesentlich bei

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Hans J. Reichhardt

• Wiederaußau

Berlins 1945—1963

der Parteien-Entwicklung im westlichen Deutschland mitwirken zu können. Zunächst blieb für die politische Szenerie Berlins jedoch bestimmend, daß das enge Zusammenwirken von Sozialdemokraten und Kommunisten bei der Uberwindung des Nationalsozialismus keineswegs aussichtslos erschien. Auch als in der sowjetischen Zone, zugleich mit Demontagen und Enteignungen, durch die Diskussion über eine Bodenreform die erste schwerwiegende politische Streitfrage sich am Horizont abzeichnete, billigte der Berliner Block am 13. September dieses Vorhaben noch prinzipiell aus der Aufbruchsstimmung der ersten Wochen heraus, durch eine gerechtere Bodenverteilung eine wirksame Steigerung der Nahrungsmittelproduktion herbeiführen zu helfen. Unmittelbar danach aber mehrten sich die Stimmen der Ernüchterung und Skepsis. Nachdem die KPD-Führung hatte erkennen müssen, die Anziehungskraft ihrer Partei auf breite Volksmassen völlig falsch eingeschätzt zu haben, unterzog sie ihren politischen Kurs einer scharfen Korrektur. Bereits Mitte September suchte die KPD sozialdemokratische Funktionäre von der unumgänglichen Notwendigkeit einer Fusion beider Arbeiterparteien zu überzeugen. Während der Vorsitzende des SPD-Zentralausschusses, Otto Grotewohl, zu diesem Zeitpunkt auf einer außerordentlichen Funktionärkonferenz in der „Neuen Welt" in Gegenwart Wilhelm Piecks die Voraussetzungen für eine organisatorische Verschmelzung keineswegs schon für gegeben hielt, da man zuvor viele Sozialdemokraten noch von ihren Zweifeln in bezug auf „die ehrliche Uberzeugung der kommunistischen Schwenkung" befreien müsse, war er innerlich wohl doch schon auf die Linie der Schaffung einer Einheitspartei eingeschworen. Und dies verstärkte sich bei ihm zweifellos noch durch das Erlebnis der ersten gesamtdeutschen Konferenz der SPD in Hannover-Wennigsen Anfang Oktober. Denn über den gemeinsam proklamierten Willen hinaus, die Partei auf der Grundlage echter Demokratie unabhängig von den Besatzungsmächten zu halten, ließ sich keinerlei Verständigung über die konträren Standpunkte mehr erzielen, da Kurt Schumacher und die anderen Vertreter aus den westlichen Zonen vor allem Grotewohls Anspruch energisch abblockten, den Zentralausschuß der SPD im sowjetisch besetzten Gebiet vorerst als eine Art Reichsparteivorstand einzusetzen. Noch etwa bis zum Jahresende 1945 galt den meisten Sozialdemokraten in Berlin und in der sowjetischen Zone der Zentralausschuß jedoch als Hort des Widerstandes gegen die von der KPD vorangetriebene Vereinigungskampagne. Nicht zuletzt war auch Grote wohl einige

7. Vom Kriegsende bis zu den Oktoberwahlen 1946

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Male recht kritisch mit Methoden und Verhalten von K P D - F u n k t i o nären gegenüber Sozialdemokraten ins Gericht gegangen. Wie wenig jedoch eine T a k t i k des Ausweichens und des Hinauszögerns von E n t scheidungen die Entschlossenheit der Kommunisten sowjetischer und deutscher Provenienz zum Erreichen des Zieles einer einheitlichen Arbeiterpartei zu beeinflussen vermochte, sollte dann im Dezember offen zutagetreten. D e r Zentralausschuß billigte letztlich doch die seit O k t o b e r ventilierte kommunistische Idee einer Konferenz von je 30 Vertretern beider Parteien zur „Verstärkung der Aktionseinheit". Und nicht nur das. Auf dieser sogenannten 60er-Konferenz in Berlin kurz vor Weihnachten billigten die Mitglieder des Zentralausschusses statt des eigenen den Resolutions-Entwurf der K P D als Diskussionsgrundlage, akzeptierten t r o t z aller auch bei dieser Gelegenheit noch einmal vorgetragenen Bedenken die Grundzüge für Programm und innere Verfassung einer künftigen Einheitspartei und erreichten weder die ausdrückliche Verurteilung von Verletzungen der Gleichberechtigung in der Zusammenarbeit beider Parteien während der letzten W o c h e n noch die Aufnahme des Vorbehalts, daß nur Reichsparteitage Beschlüsse über so existenzielle Fragen wie die genannten treffen dürfen. Als darauf das E c h o von der Basis an das O h r des Zentralausschusses drang, suchte dieser die Erregung vornehmlich mit der Versicherung zu dämpfen, eine Fusion mit der K P D lasse sich nur im Reichsmaßstab ermöglichen. Allein, es war bereits zu spät, die durch diese 60er-Konferenz in Gang gesetzte Entwicklung aufzuhalten. Grotewohl und seine Anhänger glaubten aus welchen Gründen auch immer, der geballten kommunistischen Agitationswelle nicht mehr länger mit Aussicht auf Erfolg widerstehen zu können.

Erzwungene Führungswechsel bei CDU und LDP N o c h während die sowjetischen Militärbehörden sich anschickten, der Entwicklung des politischen Lebens in ihrem Bereich durch die Zwangsvereinigung von K P D und S P D ihren Stempel aufzudrücken, ließen sie auch die bürgerlichen Parteien fühlen, daß ihrer Selbständigkeit im Vertreten bestimmter Positionen gewisse Grenzen gesetzt waren. C D U wie L D P hatten allen Grund zur Sorge, daß man ihr Mitwirken im „Block" durch die Praxis der kommunistischen Politik in einen Verzicht auf Gleichberechtigungsansprüche und auf Kritik umwertete und nur als Mittel zur vollen Einschwörung auf die Linie der sowjetischen Besatzungspolitik benutzte. Ihr intensives Streben nach

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Hans J. Reichhardt

• Wiederaußau

Berlins

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Aufbau gesamtdeutscher Parteiorganisationen über die Zonengrenzen hinweg und ihre Versuche zur Durchsetzung eines Führungsanspruchs von der Vier-Mächte-Stadt Berlin aus resultierten auch aus dem Druck, dem sie sich hier ausgesetzt sahen. Das öffentliche Erscheinungsbild ihrer Parteien hatte den beiden Vorsitzenden des Zonen-Verbandes der C D U , Hermes und Schreiber, sowie dem LDP-Hauptausschußvorsitzenden Koch schon am 5. September 1945 heftige Vorhaltungen Marschall Shukows eingetragen, der durchblicken ließ, daß die SMA ihr mißliebige Organisationen auch wieder liquidieren könne. Derlei Interventionen jedoch konnten die führenden CDU-Politiker nicht daran hindern, ihren Widerstand gegen die überhastete und rücksichtslose A r t der Bodenreform wie gegen die schikanöse Behinderung des Religionsunterrichts in den Schulen zu formulieren und dafür die etwas freieren publizistischen Möglichkeiten in Berlins Westsektoren zu nutzen. Als die C D U - Z o n e n l e i t u n g in Berlin am 22. November dem Aufruf „ H e l f t den Neugeborenen" des Hauptausschusses der Block-Parteien ihre U n t e r s t ü t z u n g versagt und Hermes genau eine Woche später auf einer Parteiversammlung im West-Berliner Bezirk Charlottenburg erklärt hatte, man habe nicht „gegen eine D i k t a t u r g e k ä m p f t . . . , um eine andere dafür einzutauschen", hinderte die SMA die C D U - F ü h r e r aus Berlin und aus der Zone an der Reise zum „Reichstreffen" der vielerorts unabhängig voneinander entstandenen christlich-demokratischen Gruppierungen Mitte Dezember 1945 in Bad Godesberg, für das Hermes selbst noch Wochen zuvor in Westdeutschland erste organisatorische Vorbereitungen getroffen hatte. Da die christlich-demokratischen Parteiorganisationen in den westlichen Zonen ohnehin schon stark föderalistisch geprägt waren und viele einem Berliner „Zentralismus" mit deutlichem Mißbehagen gegenüberstanden, machten es ihnen die sowjetischen Einmischungen um so leichter, der in Berlin residierenden C D U - S p i t z e jedweden Führungsanspruch abzusprechen und ihren Zielsetzungen die Gefolgschaft zu verweigern. Die H o f f n u n g auf eine von Berlin aus geführte Reichspartei blieb so eine Illusion. Das ohne seine Berliner Initiatoren stattfindende Godesberger Treffen verständigte sich vorerst nur auf Einrichtung eines Verbindungsausschusses f ü r alle CDU-Organisationen in den vier Besatzungszonen mit Sitz in Frankfurt am Main. Unterdes strebte die aus der Ablehnung von C D U und L D P gegen die radikale D u r c h f ü h r u n g der Bodenreform in der sowjetischen Zone herrührende Krise ihrem H ö h e p u n k t zu. Bereits am 29. November war

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der L D P - V o r s i t z e n d e K o c h z u r ü c k g e t r e t e n und, n i c h t o h n e E i n f l u ß n a h m e der S M A , v o n W i l h e l m K ü l z abgelöst worden. D a die führenden L D P - V e r t r e t e r m i t A u s n a h m e K o c h s in der F r a g e der B o d e n r e f o r m längst n i c h t so d e z i d i e r t Flagge zeigten wie C D U - P o l i t i k e r , v o l l z o g sich der W e c h s e l in der P a r t e i s p i t z e o h n e interne

Schwierigkeiten.

H i n g e g e n s e t z t e die S M A die f ü n f L a n d e s l e i t u n g e n der C D U so u n t e r D r u c k , daß diese M i ß t r a u e n s e r k l ä r u n g e n gegen die „ n a z i s t i s c h e n , militaristischen und r e a k t i o n ä r - k a p i t a l i s t i s c h e n " K r ä f t e in der Berliner Parteizentrale f o r m u l i e r t e n . G e s t ü t z t auf solche A r t v o n Papieren zwangen die S o w j e t s am 19. D e z e m b e r Andreas H e r m e s und

Walther

S c h r e i b e r dann zur A u f g a b e ihrer Ä m t e r . M i t der W a h l v o n J a k o b K a i s e r und E r n s t L e m m e r , zweier b e k a n n t e r G e w e r k s c h a f t e r aus der W e i m a r e r R e p u b l i k , durch den Z o n e n V o r s t a n d sowie leitende P e r s ö n l i c h k e i t e n aus den Landesverbänden in der sowjetischen Z o n e b l i e b freilich in Berlin eine F ü h r u n g e r h a l t e n , die der P a r t e i auch in der F o l g e z e i t C h a n c e n b e l i e ß , s o w j e t i s c h e n Pressionen zu b e g e g n e n , wie dies s c h o n auf dem e r s t e n P a r t e i t a g des B e r l i n e r L a n d e s v e r b a n d e s am 1 6 . / 1 7 . M ä r z 1 9 4 6 in der A b l e h n u n g d e r b e v o r s t e henden G r ü n d u n g der S o z i a l i s t i s c h e n E i n h e i t s p a r t e i , in klaren S t e l l u n g n a h m e n zur S c h u l - und R e l i g i o n s u n t e r r i c h t s f r a g e und im Mißfallen ü b e r den u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g starken E i n f l u ß v o n K o m m u n i s t e n auf allen E b e n e n des ö f f e n t l i c h e n L e b e n s in Berlin z u m A u s d r u c k k a m .

Selbstbehauptung der SPD D a s politische L e b e n in Berlin A n f a n g 1 9 4 6 stand j e d o c h ganz im Z e i c h e n des K a m p f e s um das U b e r l e b e n der S P D , die sich seit der 6 0 e r - K o n f e r e n z der vollen W u c h t einer von der gesamten sowjetisch lizenzierten Presse und v o m k o m m u n i s t i s c h b e h e r r s c h t e n

Berliner

R u n d f u n k als „zweite Phase der E i n h e i t " e n t f a c h t e n Propagandalawine erwehren m u ß t e . G e g e n den o h n e jegliche R ü c k s i c h t auf die Parteigliederungen in W e s t d e u t s c h l a n d so schnell wie m ö g l i c h die E n t s c h e i d u n g ü b e r eine V e r e i n i g u n g der A r b e i t e r p a r t e i e n allein in der s o w j e t i s c h e n Z o n e h e r b e i f ü h r e n wollenden Z e n t r a l a u s s c h u ß begann in den R e i h e n der B e r l i n e r S o z i a l d e m o k r a t i e die offene R e b e l l i o n , die dann wie ein F l ä c h e n b r a n d rasch die gesamte M i t g l i e d s c h a f t e r f a ß t e . D e r 1. M ä r z wurde dabei z u m e n t s c h e i d e n d e n D a t u m , als G r o t e w o h l auf einer F u n k t i o n ä r k o n f e r e n z im Admiralspalast n o c h einmal vers u c h t e , u n t e r H i n w e i s auf b e r e i t s m i t der K P D g e t r o f f e n e A b s p r a c h e n und die dadurch geschaffene „politische W i r k l i c h k e i t " die Partei end-

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lieh auf d e n W e g zur A u f g a b e ihrer eigenen E x i s t e n z zu zwingen. D o c h die ü b e r w ä l t i g e n d e M e h r h e i t der V e r s a m m l u n g ließ sich n u n nicht m e h r , wie bei ähnlichen G e l e g e n h e i t e n vorher, ü b e r r u m p e l n . S t a t t dessen billigte sie die v o m R e i n i c k e n d o r f e r Kreisvorsitzenden F r a n z N e u m a n n vorgelegte R e s o l u t i o n mit der F o r d e r u n g nach einer U r a b s t i m m u n g d e r M i t g l i e d e r z u r Frage der V e r s c h m e l z u n g m i t der K P D . N u n erst b e g a n n faktisch die F o r m i e r u n g einer O p p o s i t i o n gegen den Z e n t r a l a u s s c h u ß , geboren einerseits aus der täglich größer w e r d e n d e n A n g s t u m das weitere Schicksal der Partei u n d aus d e m in gleichem M a ß e wachsenden Willen, f ü r die nach der Beseitigung der N a z i H e r r s c h a f t n e u g e s c h e n k t e n d e m o k r a t i s c h e n Freiheit n u n auch zu kämpfen. In d e n wenigen W o c h e n bis z u r U r a b s t i m m u n g am 31. M ä r z s t a n d e n d e m Z e n t r a l a u s s c h u ß , der sie u n t e r allen U m s t ä n d e n zu verhindern t r a c h t e t e , was aber n u r im sowjetischen S e k t o r gelang — wo die Milit ä r b e h ö r d e n die A b s t i m m u n g s l o k a l e eine halbe S t u n d e nach ihrer Ö f f n u n g schlössen, weil angeblich nicht alle technischen V o r a u s s e t z u n g e n so erfüllt waren wie in d e n anderen S e k t o r e n — , jegliche M i t t e l öffentlicher P r o p a g a n d a z u r Seite. D e m g e g e n ü b e r blieb die innerparteiliche O p p o s i t i o n auf I m p r o v i s a t i o n e n angewiesen. Sie v e r f ü g t e weder ü b e r eine feste organisatorische S t r u k t u r n o c h ü b e r eine auch n u r a n n ä h e r n d ausreichende finanzielle Basis. A b e r sie f o c h t m i t der sicheren Gewißheit, d e n Willen des G r o ß t e i l s d e r M i t g l i e d s c h a f t zu repräsentieren. Ihre wenigen Flugblätter u n d ihre Artikel, die im unabhängigen Tagesspiegel erschienen, welcher damals der u m ihre Selbständigkeit ring e n d e n Partei bereitwillig seine Spalten ö f f n e t e u n d d a m i t gleichsam ein F a k t o r v o n eigenem politischem G e w i c h t war, v e r m o c h t e n d e n n o c h die M e n s c h e n w a c h z u r ü t t e l n u n d ihnen b e w u ß t zu m a c h e n , d a ß in diesem K o n f l i k t m e h r als n u r die E x i s t e n z der Berliner S P D auf d e m Spiele stand. N a t ü r l i c h war dieser Kampf n u r möglich d u r c h die Anwesenheit der westlichen Besatzungsmächte, doch deren „ U n t e r s t ü t z u n g " beschränkte sich v o r n e h m l i c h auf d e n S c h u t z der persönlichen Freiheit der in ihren S e k t o r e n w o h n e n d e n Parteimitglieder sowie auf die G a r a n t i e der D u r c h s e t z u n g der innerparteilichen Willensentscheidung. K u r z d a v o r aber m e l d e t e n sich d a n n d o c h n o c h einige S p i t z e n r e p r ä s e n t a n t e n zu W o r t ; so wollte der s t e l l v e r t r e t e n d e U S - M i l i t ä r g o u v e r n e u r General Clay am 23. M ä r z vor der Presse die V e r e i n i g u n g v o n S P D u n d K P D in der sowjetischen Z o n e u n d in Berlin n u r d a n n a n e r k e n n e n , wenn die P a r t e i m i t g l i e d e r u n d n i c h t n u r eine kleine F ü h r u n g s g r u p p e sie be-

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schlössen. S t a d t k o m m a n d a n t General Barker fügte am 29. M ä r z hinzu, daß nur eine nach allgemein anerkannten demokratischen Regeln gefällte Entscheidung gültig sein könne, weshalb die Besatzungsbehörden im amerikanischen S e k t o r die Freiheit der Abstimmung sicherstellen würden. U n d hierbei votierte eine überzeugende Mehrheit der West-Berliner Sozialdemokraten gegen einen sofortigen Zusammenschluß beider Arbeiterparteien. D e n Eindruck von satten 82,5 % k o n n t e auch die T a t sache nicht abschwächen, daß sich zugleich eine allerdings beträchtlich geringere M e h r h e i t für ein Bündnis mit der K P D aussprach, das einen „Bruderkampf" künftig ausschließen sollte. Darin manifestierte sich wohl das Bedauern und das Widerstreben, durch eine nach Lage der Dinge unvermeidlich erscheinende Abspaltung eines T e i l s der Partei Abschied nehmen zu müssen von der in den J a h r e n der D i k t a t u r genährten H o f f n u n g auf eine einheitliche Arbeiterpartei. Die S P D , als erste der Berliner Parteien gezwungen, in der Verteidigung ihrer Selbständigkeit das O p f e r einer Spaltung auf sich zu nehmen, entwickelte sich fortan „zur Zitadelle des Widerstandes gegen die sowjetische Aufsaugungspolitik" und zur stärksten politischen Kraft, deren W i r k samkeit nicht allein für die Entwicklung der S t a d t , sondern zugleich für die Geschicke Europas in jenen J a h r e n eine kaum zu überschätzende Bedeutung zukam. N a c h dem 31. M ä r z blieb keine andere Möglichkeit, als in dem von den W e s t m ä c h t e n geschützten T e i l Berlins eine neue unabhängige sozialdemokratische Parteiorganisation aufzubauen, was durch den schnell improvisierten Parteitag am 7. April in der Zehlendorfer Z i n nowaldschule geschah — von den K o m m u n i s t e n in den folgenden M o n a t e n deshalb höhnisch als „Zehlendorfer W a l d k l u b " belächelt und verspottet. So erfolgreich die S P D in den W e s t s e k t o r e n sich behauptete, so wenig war sie angesichts der realen Machtverhältnisse im O s t s e k t o r Berlins und in der sowjetischen Z o n e imstande, das planmäßige Vollstrecken der von ihr bekämpften Verschmelzung zu verhindern, deren Schlußpunkt der sogenannte Vereinigungsparteitag am 22. April im Admiralspalast setzte. Die brennendste politische Frage dieser W o c h e n war dann, o b auch nur die formale Einheit der Besatzungsmächte aufrechterhalten bleiben würde, wenn die neuen Parteiorganisationen von S P D und S E D ihrer Zulassung wegen an sie herantreten mußten. Das erbitterte Ringen zwischen den sowjetischen und den westlichen V e r t r e t e r n , die kurz nacheinander jede T ä t i g k e i t der S E D in ihren Bereichen untersagt

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h a t t e n , b l i e b in d e r K o m m a n d a n t u r o h n e E r g e b n i s , so d a ß die fällige E n t s c h e i d u n g schließlich der K o n t r o l l r a t treffen m u ß t e , der nach der E i n i g u n g auf einen K o m p r o m i ß am 2 8 . M a i die K o m m a n d a n t u r anwies, beide P a r t e i e n in allen vier S e k t o r e n a n z u e r k e n n e n . W e s e n t l i c h wichtiger aber war, daß die durch diese E r e i g n i s k e t t e b e w i r k t e f o r t s c h r e i t e n d e E r n ü c h t e r u n g hinsichtlich einer Z u s a m m e n a r b e i t m i t der S o w j e t u n i o n die W e s t m ä c h t e in ihrer B e r e i t s c h a f t s t ä r k t e , dem j e t z t von der S o z i a l d e m o k r a t i e m i t vollem N a c h d r u c k f o r m u l i e r t e n Verlangen der B e r l i n e r zu e n t s p r e c h e n , die Selbstverwaltung der S t a d t m i t H i l f e v o n W a h l e n endlich auf ein d e m o k r a t i s c h legitimiertes F u n d a m e n t zu stellen.

Erlaß der Vorläufigen

Verfassung

D i e Z e i t bis zu den W a h l e n im H e r b s t 1 9 4 6 blieb g e k e n n z e i c h n e t durch einen l a t e n t e n S p a n n u n g s z u s t a n d zwischen den B e s a t z u n g s m ä c h t e n , der gleichwohl weiterhin K o m p r o m i s s e in Berlin m ö g l i c h m a c h t e , so auch in der Verfassungsfrage. D e r p r a k t i s c h verfassungslose Z u s t a n d seit d e m M a i 1 9 4 5 h a t t e den M a g i s t r a t s c h o n im H e r b s t u n t e r H i n z u z i e h u n g der P a r t e i e n und d e r B e z i r k s b ü r g e r m e i s t e r zur Ausarb e i t u n g eines e r s t e n E n t w u r f s veranlaßt, den die K o m m a n d a n t u r j e d o c h am 19. F e b r u a r 1 9 4 6 a b l e h n t e . Sie b e a u f t r a g t e den M a g i s t r a t aber m i t der V o r l a g e eines neuen E n t w u r f s bis z u m 1. Mai, der auf den d e m o k r a t i s c h e n G r u n d s ä t z e n der B e r l i n - G e s e t z e von 1920 und 1931 b e r u h e n sollte. D i e K o m m a n d a n t u r allerdings billigte weder diesen E n t w u r f , n o c h verwarf sie ihn; i m m e r h i n a b e r d i e n t e er als A r b e i t s grundlage des alliierten R e c h t s k o m i t e e s , das einen eigenen E n t w u r f b e r i e t , den die K o m m a n d a n t e n am 9 . J u n i prinzipiell sowie am 19. J u l i endgültig b e s c h l o s s e n und den dann das K o o r d i n i e r u n g s k o m i t e e des K o n t r o l l r a t s z u s a m m e n m i t einer W a h l o r d n u n g g e n e h m i g t e . Bei der Ü b e r m i t t l u n g dieser D o k u m e n t e am 13. A u g u s t gab die K o m m a n d a n t u r „ n o c h m a l s ihrem B e s t r e b e n A u s d r u c k " , die „ p o l i t i s c h e U n a b h ä n gigkeit in Berlin herzustellen und der B e v ö l k e r u n g in A n g e l e g e n h e i t e n der S t a d t v e r w a l t u n g das S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t w i e d e r z u g e b e n " . Z u g l e i c h b e z e i c h n e t e die K o m m a n d a n t u r die Verfassung als „vorläufig" . Sie verlangte v o n den am 2 0 . O k t o b e r zu wählenden 130 S t a d t v e r o r d n e t e n zugleich, unverzüglich m i t der A u s a r b e i t u n g einer V e r f a s sung „auf b r e i t e r e r B a s i s " zu b e g i n n e n , einen M a g i s t r a t ( O b e r b ü r g e r m e i s t e r , drei B ü r g e r m e i s t e r und h ö c h s t e n s 16 h a u p t a m t l i c h e S t a d t r ä t e ) zu wählen und eine R e i h e weiterer „klassischer"

parlamentarischer

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A u f g a b e n w a h r z u n e h m e n wie die V e r a b s c h i e d u n g von G e s e t z e n und V e r o r d n u n g e n , der H a u s h a l t s p l ä n e usw. D a s V e r h ä l t n i s

zwischen

H a u p t v e r w a l t u n g und B e z i r k e n sollte eine n o c h von der K o m m a n d a n t u r zu genehmigende H a u p t s a t z u n g regeln, die j e d o c h nie zustandek a m . S c h o n j e t z t aber wurde d e m M a g i s t r a t das R e c h t zugebilligt, Beschlüsse der B e z i r k e zu v e r h i n d e r n , wenn sie deren Befugnisse übers c h r i t t e n o d e r G e s e t z e v e r l e t z t e n o d e r gar das „ G e m e i n s c h a f t s i n t e r esse" des G a n z e n dies e r f o r d e r t e . V o r allem h a t t e die K o m m a n d a n t u r S i c h e r u n g e n in die V e r f a s s u n g e i n g e b a u t , die m i t w e i t t r a g e n d e r Bedeutung f ü r die folgenden J a h r e eine K o n t r o l l e der vier M ä c h t e gewährleisten sollten, welche die s o w j e t i s c h e n V e r t r e t e r dann m i t H i l f e des V e t o r e c h t s weidlich a u s n u t z t e n , u m nach M ö g l i c h k e i t j e d e grundlegende Ä n d e r u n g der v o n ihnen in den W o c h e n ihrer A l l e i n h e r r s c h a f t geschaffenen Z u s t ä n d e zu verhindern o d e r z u m i n d e s t zu erschweren. D i e e n t s p r e c h e n d e n B e s t i m m u n g e n b i l d e t e n f ü r die S o w j e t u n i o n die V o r a u s s e t z u n g , u n t e r der sie sich nach zuweilen heftigen D e b a t t e n in K o m m a n d a n t u r und K o n t r o l l r a t d o c h n o c h dazu b e r e i t g e f u n d e n h a t t e , dem westlichen D r ä n g e n auf freie W a h l e n n a c h z u g e b e n . D a b e i ist b e m e r k e n s w e r t , daß d e r d e r S E D r e c h t n a h e s t e h e n d e

sowjetische

S t a d t k o m m a n d a n t G e n e r a l K o t i k o w sich diesem E n t s c h l u ß w i d e r s e t z t und so das U b e r t r a g e n der E n t s c h e i d u n g an den K o n t r o l l r a t erzwungen h a t t e . W e l c h e M o t i v e schließlich den sowjetischen M i l i t ä r g o u v e r n e u r S o k o l o w s k i j b e w o g e n , sich auf das R i s i k o eines freien und k o n t r o l l i e r ten W a h l g a n g s in allen vier S e k t o r e n einzulassen, läßt sich q u e l l e n m ä ßig n o c h n i c h t belegen. V i e l l e i c h t hat m a n sich t r o t z der warnenden E r f a h r u n g e n in O s t e r r e i c h und in U n g a r n v o n d e r H o f f n u n g tragen lassen, d e r S E D dadurch z u m Sieg zu verhelfen, daß die S o w j e t u n i o n j e t z t in steigendem M a ß e als V e r f e c h t e r der gerade für Berlin so b e d e u t samen Idee der E i n h e i t D e u t s c h l a n d s gegen die „ S p a l t e r p o l i t i k " der W e s t m ä c h t e a u f t r a t , wobei eine A n t w o r t auf die Frage o f f e n b l e i b e n m u ß , o b und wie weit die S E D selbst diesen s o w j e t i s c h e n O p t i m i s m u s nährte o d e r m i t Skepsis b e t r a c h t e t e .

Wahlen vom 20. Oktober 1946 Aus dem durchaus f a c e t t e n r e i c h e n Bild e r l i t t e n e r Bedrängnis und zähen L e b e n s w i l l e n s , welches die ersten a n d e r t h a l b Berliner N a c h kriegsjahre a u f r o l l t , ragt auf d e m politischen Feld die T a t s a c h e heraus, daß aller D r u c k d e r S M A und d e r ihr blind folgenden d e u t s c h e n K o m m u n i s t e n den W i l l e n der B e v ö l k e r u n g zu f r e i h e i t l i c h e r E n t f a l t u n g auf

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demokratischer Grundlage letztlich eben doch nicht zu ersticken vermochte. So entwickelte sich seit Mitte August ein leidenschaftlicher, teils mit aller Erbitterung geführter Wahlkampf, der die ganze Tragweite der hier von den Berlinern zu treffenden Entscheidung deutlich machte. Die auf dem Boden einer rechtsstaatlichen Demokratie stehenden Parteien SPD, C D U und LDP stemmten sich mehr oder minder gemeinsam gegen den übermächtigen Einfluß der SED. Diese hingegen, unterstützt durch die von ihr beherrschten Massenorganisationen wie FDGB, FDJ und Kulturbund, propagierte ihre „Verdienste" beim Ingangsetzen des Wiederaufbaues und verwies stolz auf ihre „Erfolge" beim Schaffen einer „neuen demokratischen Ordnung" in der sowjetischen Zone. Zudem scheute sie weder davor zurück, führende Persönlichkeiten anderer Parteien zu verunglimpfen, noch durch Gerüchte vom bevorstehenden Abzug der westlichen Besatzungstruppen die Stimmung der Menschen zu beeinflussen. Verfügte die SED über fast unbegrenzte Papiermengen, so konnte sie der SPD im sowjetischen Sektor darüber hinaus durch plötzliche Versammlungs- und durch Auftrittsverbote ihrer vorgesehenen Redner arge Schwierigkeiten bereiten. Schließlich durfte die SED sogar bekanntgeben, daß ihr die SMA die Versorgung der ganzen Stadt mit Obst und Frischgemüse freigegeben hatte. Angesichts eines solch massiven Rückhalts bleibt es gleichwohl bezeichnend, daß die SED wenige Wochen vor der Wahl die SPD doch noch einmal für eine Listenverbindung unter dem Vorzeichen einer gemeinsamen Front der „Arbeiter"parteien zu gewinnen suchte. Die SPD wies dieses Anerbieten ebenso brüsk zurück wie Ende Juli 1946 die Offerte, völlig unbedeutende Stellen im Magistrat zu übernehmen. Desgleichen hatten zu dieser Zeit C D U und LDP sich einer stärkeren Einbindung in dessen Arbeit verweigert, da ihnen nicht zugleich ihrer tatsächlichen Stärke und ihrer Verankerung in der Bevölkerung entsprechende Einflußmöglichkeiten zugesichert worden waren. Fragen wie die der künftigen Gestaltung der Eigentumsverhältnisse in der Wirtschaft und einer neuen deutschen Staatsform standen im Hintergrund des Parteienstreits. Allerdings fand der 1946 immer schärfer sich herauskristallisierende weltpolitische Ost-West-Gegensatz in den letzten Wochen des Berliner Wahlkampfes doch noch seinen Niederschlag. So erhielt die Rede von US-Außenminister Byrnes am 6. September in Stuttgart über eine neue Konzeption der Besatzungspolitik und über die Einheit Deutschlands weitgehende Zustimmung, da sie Berlin in seiner früheren Rolle als Reichshauptstadt berührte und ein

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weiteres Mal den amerikanischen Willen zum Widerstand gegen sowjetische Machtansprüche erkennen ließ. Denn schon im August hatte General Clay vor einer Fortsetzung der Aggressivität der sowjetischen Propaganda und Pressepolitik gewarnt, die zu einer Aushöhlung der Regeln des Vier-Mächte-Systems führen müßte. War aus dem gleichen Grund bereits im Februar der nur über das Telefonnetz zu hörende „Drahtfunk im amerikanischen Sektor" (DIAS) ins Leben gerufen worden, der Anfang September mit einem 800 Watt starken ehemaligen Militärsender ausgestattet und in den „Rundfunk im amerikanischen Sektor (RIAS)" umgewandelt wurde, folgte am 4. Oktober die Lockerung der Kontrolle über die Presse, die zwar weiterhin Angriffe auf die Siegermächte verbot, ihr aber Nachrichten über die Weltereignisse „ohne Einschränkungen" freigab. Interviews von Außenminister Molotow und von Stalin am 16. beziehungsweise am 24. September erregten allgemein Widerspruch und Ablehnung, als sie unter anderem die von der Potsdamer Konferenz nur als provisorisch deklarierte OderNeiße-Linie nun als endgültige deutsche Grenze im Osten bezeichneten, die in einem Friedensvertrag lediglich noch ihre formale Bestätigung finden müsse. Das schockierende Debakel vom 20. Oktober 1946 läßt vermuten, daß die SED sich der fortschreitenden Aussichtslosigkeit all ihrer Mühen bewußt geworden war. Denn mehr noch als die Selbstbehauptung der SPD am 31. März bewies das Ergebnis der bislang einzigen freien Wahlen in der ganzen Stadt nach Kriegsende, daß die auf den Erfahrungen seither beruhende Option ihrer Bevölkerung gegen den Osten im Verlauf des Jahres 1946 eine gravierende Vertiefung erfahren hatte. Nur 19,8 % der Stimmen in allen Sektoren, und selbst im sowjetischen lediglich 29,9 %, erhielt die SED. Die ganze Verfälschung der bisherigen politischen Situation durch den hinter dieser Partei stehenden Druck der SMA war nun erbarmungslos klargestellt. Denn selbst der C D U gelang mit 22,1 % ein Ubertrumpfender SED, mit den9,4 % der LPD besaßen beide bürgerlichen Parteien ihr gegenüber ein durchaus beachtliches Plus von mehr als 10%. Das Ereignis schlechthin jedoch bedeutete das Abschneiden der SPD, die mit nicht weniger als 48,7 % der Stimmen — in den Westsektoren besaß sie mit 51,7 % sogar die absolute Mehrheit — ihren Rivalen geradezu deklassieren konnte. Mit der erstmals zu verzeichnenden Wahlbeteiligung von 92,3 % demonstrierten die Berliner überzeugend, wie hoch sie die Chance einer freien Selbstbestimmung in Gegenwart und Zukunft einzuschätzen wußten.

24

Hans].

Reichhardt

• Wiederaußau

Berlins

1945—1963

Die Berliner Wahlen bedeuteten wahrlich kein nur lokales Ereignis. Mag dabei, wie ein amerikanischer H i s t o r i k e r meinte, auch ein gut T e i l „Lokalchauvinismus" mitgespielt haben, dem noch für keine der Siegermächte eine b e s t i m m t e Sympathie zugrunde lag, wenn der Bevölkerung auch nichts anderes übriggeblieben sei, als das Bündnis mit dem W e s t e n vorzubereiten, so hatten die Wahlen in den Augen des S P D V o r s i t z e n d e n Schumacher der W e l t ein neues Angesicht Deutschlands erkennen lassen, weil selbst einfache Menschen mit ihrer Ablehnung jeglicher D i k t a t u r zu zeigen vermochten, daß Dinge existierten, auf die man im Geistigen, im Moralischen und eben auch im Politischen einfach nicht verzichten könne. Hielt der Vorsitzende der Z o n e n - C D U , J a k o b Kaiser, das R e s u l t a t für einen Sieg des gesunden Menschenverstandes, auf jeden Fall für einen Ausdruck des Willens der Berliner zu Freiheit und D e m o k r a t i e , so meinte die erst zwei T a g e später ihre Sprache nur mühsam wiederfindende S E D , daß dieses nur auf Grund der von der „reaktionären Presse" wochenlang gegen sie betriebenen „unsachlichen

Kampfesweise"

zustandegekommen

sei. N o c h

aber

k o n n t e das V o t u m vom 20. O k t o b e r 1946 keine Klärung der Lage in Berlin herbeiführen. D e n n t r o t z der beginnenden Fühlungnahme zwischen dem Freiheitswunsch der Bevölkerung und dem demokratischen Verantwortungsbewußtsein der W e s t m ä c h t e steckte der Prozeß ihrer E n t f r e m d u n g von der Sowjetunion noch viel zu sehr in den Anfängen, als daß diese aus der Entscheidung der Berliner schon Folgerungen hätten ziehen können.

II Kommunale Selbstverwaltung im Spannungsfeld der Weltpolitik 1947—1948 Das Geschehen in Berlin während des Jahres 1946 hatte die Bereiche künftiger K o n f l i k t e erkennbar abgesteckt, wenn hier auch noch keineswegs die Würfel über die Unvermeidlichkeit wirklich gefährlichkritischer Auseinandersetzungen gefallen zu sein schienen. Das Gefühl jedoch, überall an den Nahtstellen der W e l t p o l i t i k — von Korea, China, Hinterindien über den Iran, die T ü r k e i und Griechenland bis hin zum immer schroffer in seine T e i l e zerrissenen Deutschland — in die Defensive gedrängt zu werden, zwang die Vereinigten Staaten als westliche Führungsmacht, um die Jahreswende 1946/1947 allmählich jene feste Position zu beziehen, deren Umrisse im folgenden

Sommer

II. Selbstverwaltung und Weltpolitik

G e o r g e F . K e n n a n in seinem b e r ü h m t e n A r t i k e l The Sources

Conduct

in der Zeitschrift Foreign Affairs

25

1947—1948 of

Soviel

als Politik der Eindäm-

m u n g gleichsam klassisch b e g r ü n d e t e . G e o r g e C . M a r s h a l l , der A n f a n g J a n u a r 1 9 4 7 Byrnes im S t a t e D e p a r t m e n t a b l ö s t e , ü b e r n a h m sein A m t in der U b e r z e u g u n g , daß sein L a n d m i t der A l t e r n a t i v e k o n f r o n t i e r t war, k r a f t v o l l zu h a n d e l n o d e r die P a r t i e d u r c h V e r s a g e n zu verlieren. Präsident T r u m a n und er ließen sich zugleich von der H o f f n u n g tragen, daß auch die G e g e n s e i t e nicht u n b e d i n g t einen Z u s a m m e n s t o ß wünsche und l e t z t l i c h ein Z u s t a n d des „ L e b e n und L e b e n l a s s e n " e r r e i c h b a r sein würde. S o l c h e E r w a r t u n g erfüllte sich vor der K r a f t p r o b e der Berliner B l o c k a d e allerdings nur sehr b e s c h r ä n k t , und das J a h r 1 9 4 7 wurde z u m V o r s p i e l des m i t ihr dann ganz unverhüllt e i n s e t z e n d e n K a l t e n Krieges.

Schwierigkeiten

der

Magistratsbildung

Die S t e l l u n g n a h m e n , E r k l ä r u n g e n und P o l e m i k e n der Parteien nach der W a h l bis zur e r s t e n S i t z u n g e i n e r frei gewählten S t a d t v e r o r d n e t e n versammlung nach 14jähriger U n t e r b r e c h u n g am 2 6 . N o v e m b e r ließen bereits ahnen, daß es ihrer k ü n f t i g e n A r b e i t b e s t i m m t n i c h t an S p a n nung fehlen würde. D i e F o r d e r u n g der V o r l ä u f i g e n Verfassung nach M i t a r b e i t aller P a r t e i e n im M a g i s t r a t , sofern sie diese w ü n s c h e n , zwang von v o r n h e r e i n z u m V e r z i c h t auf die p o l i t i s c h e U m s e t z u n g des eigentlichen S i n n e s der E n t s c h e i d u n g v o m 2 0 . O k t o b e r 1 9 4 6 , nämlich der S E D den Part d e r O p p o s i t i o n zuzuweisen. D a die B e s e t z u n g der R e s sorts nach der S t ä r k e der P a r t e i e n k a u m s t r i t t i g war, k a m m i t sieben S t a d t r ä t e n der S P D , drei der C D U , je zwei der S E D und der L D P sowie mit O t t o O s t r o w s k i ( S P D ) als O b e r b ü r g e r m e i s t e r und den drei B ü r germeistern F e r d i n a n d F r i e d e n s b u r g ( C D U ) , H e i n r i c h A c k e r ( S E D ) und L o u i s e S c h r o e d e r ( S P D ) ein ziemlich k o r r e k t e r K o m p r o m i ß in der S p a n n u n g von W a h l e r g e b n i s und V e r f a s s u n g s t e x t zustande. Auseina n d e r s e t z u n g e n e n t z ü n d e t e n sich allerdings an den jeweils b e a n s p r u c h ten Ä m t e r n oder an den dafür b e n a n n t e n K a n d i d a t e n . S c h o n einen T a g nach seiner W a h l im S t a d t p a r l a m e n t am 5. D e z e m b e r b e g a n n e n für den neuen M a g i s t r a t die S c h w i e r i g k e i t e n . D e n n der n o c h a m t i e r e n d e M a g i s t r a t verweigerte u n t e r B e r u f u n g auf die A r t . 3 4 und 3 6 der V o r l ä u f i g e n V e r f a s s u n g die Ü b e r g a b e der A m t s g e s c h ä f t e o h n e e n t s p r e c h e n d e G e n e h m i g u n g der K o m m a n d a n t u r . D i e S t a d t v e r o r d n e t e n v e r s a m m l u n g stellte j e d o c h gegen heftigen W i d e r s p r u c h der S E D am 9 . D e z e m b e r fest, daß der gewählte und vereidigte M a g i s t r a t

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Hans J. Reichhardt • Wiederaufbau Berlins 1945—1963

sich seit seiner W a h l „im A m t b e f i n d e t " , die Befugnisse seines Vorgängers somit erloschen seien und dieser s o f o r t die Amtsgeschäfte zu übergeben habe. A m 10. D e z e m b e r genehmigte die K o m m a n d a n t u r den R ü c k t r i t t des alten Magistrats. Ihre gleichzeitig geäußerten Vorbehalte beziehungsweise die Ablehnung von gewählten S t a d t r ä t e n zeigten aber auch, daß, entgegen der A n k ü n d i g u n g der S t a d t k o m m a n d a n t e n vom 13. A u g u s t 1946, mit einer baldigen Ü b e r t r a g u n g voller Selbstverwaltung auf die gewählten Körperschaften noch nicht zu rechnen war. D e n n die K o m m a n d a n t u r beeinflußte weiterhin in starkem Maße die personelle Z u s a m m e n s e t zung des Magistrats. Ihr Befehl vom 9. D e z e m b e r o f f e n b a r t e z u d e m , in welchem Maße die S E D es verstand, ihren Willen, den sie bei der Wahl im S t a d t p a r l a m e n t in einzelnen Fällen nicht durchsetzen k o n n t e , auf dem U m w e g über den sowjetischen V e r t r e t e r in der K o m m a n d a n t u r zu b e h a u p t e n . V o r allem der V o r b e h a l t gegen den gerade aus dem Exil in der T ü r k e i heimgekehrten E r n s t R e u t e r als Stadtrat f ü r Verkehr und Versorgungsbetriebe — etwa das A m t , das er von 1926 bis 1931 schon einmal i n n e h a t t e —, bildete ein erstes Warnzeichen, daß man am Vorabend e r b i t t e r t e r Auseinandersetzungen stand. D e n n nur allzu bald wurde deutlich, daß die K o m m u n i s t e n alles n u r Erdenkliche a u f b o t e n , u m nach dem Schock der Wahlniederlage ihre seit Mai 1945 gewonnenen Positionen nach Möglichkeit zu behalten und so eine durchgreifende E r n e u e r u n g der städtischen Verwaltung an H a u p t und Gliedern zu hintertreiben.

Oberbü

rgermeister-Krise

N a c h seiner A m t s ü b e r n a h m e m u ß t e der n u n m e h r gewählte Magistrat nicht n u r zahllose praktische Aufgaben zur Befriedigung der elementarsten Lebensbedürfnisse im e x t r e m h a r t e n W i n t e r 1946/1947 lösen, sondern war mit einigen Problemen k o n f r o n t i e r t , die sich aus unklaren Bestimmungen der Vorläufigen Verfassung ergaben. Die S E D , die im von den sowjetischen Militärbehörden allein etablierten Magistrat d o m i n i e r t h a t t e , hinterließ dem neuen Magistrat neben einer stark mit ihren A n h ä n g e r n d u r c h s e t z t e n Verwaltung auch einige stellvertretende S t a d t r ä t e . Obgleich diese in der Verfassung gar nicht vorgesehen waren, blieben sie nach dem Magistratswechsel stillschweigend auf ihren Amtssesseln, weil man nicht sofort ihre E n t f e r n u n g anordnete. Ein Versäumnis, das t e u e r bezahlt werden m u ß t e . Als der Magistrat endlich auf Eliminierung dieser P e r s o n e n g r u p p e drang, weil es ihr

II. Selbstverwaltung und Weltpolitik

1947—1948

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e n t w e d e r an ausreichender sachlicher Q u a l i f i k a t i o n mangelte oder sie es an v e r t r a u e n s v o l l e m Z u s a m m e n w i r k e n m i t den gewählten S t a d t r ä t e n fehlen ließ o d e r gar O b s t r u k t i o n ü b t e , leistete die S E D e r b i t t e r t e n W i d e r s t a n d . Sie verteidigte ihre m i t E n t l a s s u n g , V e r s e t z u n g oder H e r a b gruppierung b e d r o h t e n Mitglieder als „aufrechte Antifaschisten", die sich in schwerster Z e i t um Berlins Wiederaufbau verdient gemacht h ä t t e n und j e t z t n u r aus p a r t e i e g o i s t i s c h e n G r ü n d e n ihre P o s t e n verlieren sollten. N a c h e i n e m K o m m a n d a n t u r - B e f e h l v o m 2 7 . M ä r z 1 9 4 6 wäre der M a g i s t r a t eigentlich b e r e c h t i g t gewesen, A n g e s t e l l t e aus eigenem E r messen und nach sachlichen N o t w e n d i g k e i t e n zu b e r u f e n , zu versetzen oder zu entlassen. D a dazu nun a b e r A r t . 3 6 im W i d e r s p r u c h stand, b a t der M a g i s t r a t die Alliierten um eine K l ä r u n g , was wiederum V e r ä r g e rung bei dem darüber n i c h t i n f o r m i e r t e n S t a d t p a r l a m e n t verursachte, das sich nach A r t . 5 ( 2 ) in Fragen der Auslegung der Verfassung f ü r allein zuständig hielt. N e b e n der offiziellen Anfrage zur I n t e r p r e t a t i o n des u m s t r i t t e n e n A r t . 3 6 im H i n b l i c k auf die A u s s c h a l t u n g der n o c h a m t i e r e n d e n stellv e r t r e t e n d e n S t a d t r ä t e v e r s u c h t e O b e r b ü r g e r m e i s t e r O s t r o w s k i in vertraulichen G e s p r ä c h e n m i t der s o w j e t i s c h e n B e s a t z u n g s m a c h t , eine R e g e l u n g für dieses die ganze A r b e i t der S t a d t v e r w a l t u n g b e l a s t e n d e P r o b l e m zu f i n d e n . S t a d t k o m m a n d a n t G e n e r a l K o t i k o w hielt sich j e d o c h für unzuständig und riet ihm zur K o n t a k t a u f n a h m e m i t der S E D . O h n e ausreichende I n f o r m a t i o n seiner Partei- und F r a k t i o n s f ü h rung suchte daraufhin der O b e r b ü r g e r m e i s t e r in G e g e n w a r t des späteren B e r l i n e r Polizeipräsidenten S t u m m E n d e F e b r u a r nach W e g e n zu einer loyalen Z u s a m m e n a r b e i t in k o m m u n a l - wie personalpolitischen F r a g e n . G e g e n den A b s c h l u ß eines „ B u r g f r i e d e n s " und eines z u n ä c h s t auf drei M o n a t e b e f r i s t e t e n gemeinsamen A r b e i t s p r o g r a m m s erklärte sich die S E D in der T a t b e r e i t , einen T e i l ihrer F u n k t i o n ä r e aus der V e r w a l t u n g z u r ü c k z u z i e h e n . Als j e d o c h diese in e i n e m P r o t o k o l l v e r m e r k festgehaltene V e r e i n b a r u n g allmählich r u c h b a r wurde, e r k a n n t e n führende S o z i a l d e m o k r a t e n s o f o r t , wie hier in unzulässiger W e i s e D r u c k auf sie a u s g e ü b t und die Bewegungsfreiheit ihrer P o l i t i k eine n i c h t a k z e p t a b l e E i n e n g u n g erfahren sollte. D e n n diese A b s p r a c h e b e d e u t e t e im G r u n d e n i c h t s anderes als den V e r s u c h der K o m m u n i s t e n , die S o z i a l d e m o k r a t e n als G e g n e r a u s z u s c h a l t e n und so faktisch die W a h l n i e d e r l a g e v o m O k t o b e r wieder w e t t z u m a c h e n . U n m i ß v e r ständlich erfolgte deshalb einige T a g e später eine Klarstellung der S P D , daß die Z u s t ä n d i g k e i t f ü r verbindliche p o l i t i s c h e V e r h a n d l u n g e n allein in den H ä n d e n ihres L a n d e s v o r s t a n d e s liege.

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Hans J. Reichhardt

• Wiederaußau

Berlins 1945—1963

O s t r o w s k i war aber von der R i c h t i g k e i t seines Vorgehens so überzeugt, daß er den ihm von vielen seiner Parteifreunde nahegelegten R ü c k t r i t t ablehnte. Der S P D blieb so nur der Ausweg, den Konflikt mit dem O b e r b ü r g e r m e i s t e r in der Stadtverordnetenversammlung selbst auszutragen, die ihm am 11. April das M i ß t r a u e n aussprach; f ü r ihn votierte lediglich die SED. O s t r o w s k i s W e i g e r u n g , daraus sofort die Konsequenzen zu ziehen, veranlaßten SPD-Fraktion wie M a g i s t r a t n u n m e h r zur Forderung nach dessen förmlichem R ü c k t r i t t , die auch die Ö f f e n t l i c h k e i t i m m e r stärker aufnahm, so daß er noch vor einer A b s t i m m u n g die K o m m a n d a n t u r schließlich um seine Entlassung bat. Hielten die westlichen S t a d t k o m m a n d a n t e n es f ü r selbstverständlich, den mit eindeutiger M e h r h e i t gefaßten Beschluß eines Parlaments zu respektieren, meinte General Kotikow, daß der „Fall" einer sorgfältigen Prüfung bedürfe und der Oberbürgermeister die Pflicht habe, den Alliierten eine wirkliche Begründung f ü r seinen Schritt zu liefern. Nachdem die K o m m a n d a n t u r t r o t z mehrfacher Beratungen keine Einigung erzielte, verwies sie diese Frage an den Kontrollrat, der dann am 31. Mai dem R ü c k t r i t t Ostrowskis endgültig z u s t i m m t e . Erst am 11. J u n i konnte die K o m m a n d a n t u r in einem Befehl diese Entscheidung mitteilen und zugleich das Stadtparlament zur Wahl eines neuen Oberbürgermeisters auffordern, der von ihr jedoch bestätigt werden müsse. So sicher es war, daß Berlins Sozialdemokraten Ernst R e u t e r , der in den wenigen Monaten seit seiner H e i m k e h r in ihren Reihen, im Magistrat und in der Öffentlichkeit sich überraschend schnell wieder einen großen Vertrauenskredit hatte erwerben können, als Kandidaten für die Nachfolge Ostrowskis nominierten, so wenig zweifelhaft konnte bleiben, daß die sowjetischen Vertreter in der Kommandantur sich der Bestätigung seiner W a h l versagen würden. Sie wußten wohl recht genau, daß ihnen hier ein Mann gegenübertrat, der — selbst einmal radikaler Kommunist, f ü r einige Monate sogar einmal KPDGeneralsekretär, durch Erfahrungen aber längst zu einem ihrer entschiedensten Gegner geworden — kraft seiner Persönlichkeit ganz erhebliche Schwierigkeiten bereiten könnte. Als sich die SPD t r o t z des propagandistischen T r o m m e l f e u e r s der im Ostsektor erscheinenden Presse nicht von der N o m i n i e r u n g R e u t e r s abbringen ließ, versuchten sowjetische Offiziere eine Einschüchterung der bürgerlichen Parteien, um sie von ihrer a n g e k ü n d i g t e n Z u s t i m m u n g zur W a h l R e u t e r s abzuhalten. Nachdem auch dies mißlungen war, schien die sowjetische Seite sogar bereit gewesen zu sein, R e u t e r als Oberbürgermeister unter bestimmten Auflagen doch noch zu akzeptieren. Denn bis zur buchstäblich

II. Selbstverwaltung

und Weltpolitik

1947—1948

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letzten M i n u t e vor der Entscheidung im Stadtparlament gestattete sie der S E D die Suche nach einem Arrangement für eine feste Zusammenarbeit mit der S P D . D o c h die Sozialdemokraten waren nicht bereit, politisch zu kapitulieren. N a c h seiner mit großer Mehrheit erfolgten W a h l am 24. J u n i sprach Ernst R e u t e r mit b e t o n t e r Zurückhaltung, um für das angekündigte V e t o nicht zusätzlich noch ein billiges Argument zu liefern. D o c h weder in der K o m m a n d a n t u r noch im Koordinierungsausschuß des Kontrollrats und dann im K o n t r o l l r a t selbst ließ sich eine Auflockerung der starren sowjetischen Position erreichen. Nach wochenlangem T a u z i e h e n in den verschiedenen alliierten Organen gelang der K o m mandantur nicht einmal mehr eine Verständigung über die Bekanntgabe der N i c h t b e s t ä t i g u n g , da die sowjetischen V e r t r e t e r keinesfalls erwähnt wissen wollten, daß R e u t e r infolge ihres Einspruchs an der Ausübung seines A m t e s gehindert blieb. E r s t am 12. August k o n n t e sich die K o m m a n d a n t u r zu der lakonischen Mitteilung aufraffen, daß sie es nicht für möglich befunden habe, R e u t e r zu bestätigen. Die sowjetischen Militärbehörden hatten damit zwar ein Nahziel erreicht, k o n n t e n dennoch aber nicht verhindern, daß R e u t e r auch als nur „gewählter, aber nicht bestätigter" Oberbürgermeister zu einer der entscheidenden Figuren der Auseinandersetzungen während der folgenden J a h r e in Berlin werden sollte. Die Berliner erlebten ihn zunächst vor allem als den M a n n , der Louise Schroeder ( S P D ) u n t e r s t ü t z t e , die mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Oberbürgermeisters beauftragt worden war und nun für Berlin zu sprechen hatte.

Alliierte Eingriffe in die

Selbstverwaltung

N e b e n der Nichtbestätigung der Wahl Ernst R e u t e r s als O b e r b ü r germeister und der ebenfalls im S o m m e r 1947 durch die K o m m a n d a n tur erfolgten A m t s e n t h e b u n g von Volksbildungsstadtrat Nestriepke ( S P D ) , der bei der Neuorganisation seines Dezernats nach allen Seiten hin, insbesondere zur kommunistischen, eine unerwünschte Selbständigkeit an den T a g gelegt hatte, waren es weitere V o r k o m m n i s s e — wie unter anderem die Eigenmächtigkeiten des im sowjetischen S e k t o r residierenden Polizeipräsidenten Markgraf ( S E D ) oder das Vorgehen der französischen Behörden bei der D e m o n t a g e der Borsig-Werke in T e g e l — , die in den Berliner Selbstverwaltungskörperschaften das G e fühl der O h n m a c h t gegenüber den Besatzungsmächten verstärkten. V e r b i t t e r t meinte die S P D , daß sie eine solche „Scheindemokratie"

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Hans J. Reichhardt

• Wiederaufbau

Berlins 1945—1963

nicht länger mehr unterstützen und sich auf die Bewältigung von Notaufgaben beschränken wolle. Nicht weniger sorgenvoll äußerten sich C D U und LDP über die steigende Zahl alliierter Eingriffe in die verfassungsmäßigen Rechte der Berliner Organe. Nach Uberzeugung aller Parteien, außer der SED, mußte die Bevölkerung an der Idee der Demokratie zweifeln, würde ihr jedes Vertrauen in das wirklich selbständige Handeln der von ihr gewählten Vertreter genommen. Die C D U suchte die immer mehr um sich greifende Resignation mit dem Vorschlag zu überwinden, durch eine gemeinsame Delegation aus Magistratsmitgliedern und Stadtverordneten bei der Kommandantur eine Klärung der strittigen Verfassungsfragen herbeiführen zu lassen. Nach der Konstituierung eines Sonderausschusses unter Vorsitz von Stadtverordnetenvorsteher Suhr am 29. Juli 1947 erzielten alle Beteiligten weitgehende Einigkeit über einen Entwurf der vor den Kommandanten abzugebenden Erklärung. Als die SED dann aber plötzlich gravierende Änderungen verlangte, sah sich Otto Suhr gezwungen, sowohl die von der Ausschußmehrheit unterzeichnete als auch die eigene Erklärung der SED der Kommandantur einzureichen. Auf ihrer 73. Sitzung verhinderte der sowjetische Vertreter mit seinem Veto den im Prinzip genehmigten Empfang des Sonderausschusses, der daraufhin ohne Angabe von Gründen abgesagt werden mußte. Als einen Tag später aber General Kotikow in einem Interview diese Ablehnung begründete, veröffentlichten auch seine westlichen Kollegen ihre für den Empfang des Sonderausschusses vorbereiteten Erklärungen zur Verfassungssituation. Der Stadtverordnetenvorsteher mußte daher am 19. September dem Parlament die Vergeblichkeit allen Bemühens um eine Beilegung der verfassungsrechtlichen Differenzen eingestehen, wobei er nach Wertung der einzelnen Stellungnahmen es zugleich als eine vielleicht überhaupt unlösbare Aufgabe bezeichnete, eine demokratische Selbstverwaltung unter der Befehlsgewalt einer Alliierten Kommandantur zu gewährleisten. Die Tatsache, daß die östliche Seite im Konfliktfalle ihren festen Willen stets durchsetzen konnte, galt also weiterhin. Noch im Dezember sollte diese betrübliche Erfahrung sich wiederum bestätigen, als nach einer gezielten kommunistischen Propaganda die sowjetischen Militärbehörden die Bürgermeisterin des Bezirks Prenzlauer Berg, Ella Kay, wegen angeblicher Sabotage der Holzbeschaffungsmaßnahmen und provokatorischen Verhaltens absetzten, was leidenschaftliche Auseinandersetzungen zwischen SPD und SED auslöste. Die Sozialdemokratie mußte durch das systematische Vorgehen der SED im

II. Selbstverwaltung und Weltpolitik

31

1947—1948

s o w j e t i s c h e n S e k t o r klar e r k e n n e n , daß diese die E i n h a l t u n g d e m o k r a t i s c h e r Spielregeln nun o f f e n b a r f ü r o b s o l e t hielt und nichts unversucht lassen würde, ihr im V o l l z u g der W a h l e n t s c h e i d u n g v o m O k t o b e r 1946 verlorengegangenes T e r r a i n gewaltsam z u r ü c k z u e r o b e r n . D e r zu Beginn des J a h r e s 1 9 4 7 gemeinhin n i c h t als aussichtslos geltende V e r s u c h , alle vier P a r t e i e n auf d e m B o d e n der V o r l ä u f i g e n Verfassung zu einer loyalen Z u s a m m e n a r b e i t zu b e w e g e n , war a m E n d e für die d e m o k r a t i schen K r ä f t e in einen K a m p f um ihre n a c k t e E x i s t e n z e i n g e m ü n d e t , der gut ein halbes J a h r später zur B l o c k a d e und schließlich n o c h zur T e i lung der S t a d t v e r w a l t u n g führen sollte.

FDGB und UGO D e r A u f b a u der G e w e r k s c h a f t s b e w e g u n g in Berlin und in d e r sowjet i s c h e n Z o n e gelang in n i c h t weniger schnellem T e m p o als j e n e r der K P D , was allein s c h o n den b e s t i m m e n d e n E i n f l u ß der h i n t e r dieser E n t w i c k l u n g s t e h e n d e n K r ä f t e s i c h t b a r m a c h t . Bereits fünf T a g e nach M a r s c h a l l S h u k o w s Befehl N r . 2 zur W i e d e r z u l a s s u n g von P a r t e i e n und G e w e r k s c h a f t e n h a t t e ein „ V o r b e r e i t e n d e r

Gewerkschaftsaus-

s c h u ß " zur G r ü n d u n g e i n e r E i n h e i t s g e w e r k s c h a f t aufgerufen. M i t H e r m a n n S c h l i m m e , B e r n h a r d G ö r i n g und O t t o Brass f ü r den Allgemeinen D e u t s c h e n G e w e r k s c h a f t s b u n d , m i t R o m a n C h w a l e k , H a n s J e n d r e t z k y und Paul W a l t e r f ü r die k o m m u n i s t i s c h e A b s p l i t t e r u n g „ R e v o l u t i o n ä r e G e w e r k s c h a f t s - O p p o s i t i o n " , m i t J a k o b Kaiser für die C h r i s t l i c h e n und E r n s t L e m m e r f ü r die H i r s c h - D u n c k e r s c h e n werkschaften

hatten

ehemals f ü h r e n d e

Funktionäre

der

Ge-

früheren

R i c h t u n g s - G e w e r k s c h a f t e n diesen Appell u n t e r z e i c h n e t . Kein Zweifel, daß ihn die politisch b e w u ß t e A r b e i t e r s c h a f t nach zwölf J a h r e n N S H e r r s c h a f t m i t G e n u g t u u n g und H o f f n u n g b e g r ü ß t e , schien sie damit d o c h dem T r a u m von d e r U b e r w i n d u n g ihrer unseligen und so folgenschweren Spaltung endlich der V e r w i r k l i c h u n g n ä h e r z u k o m m e n . Z u m J a h r e s w e c h s e l 1 9 4 5 / 1 9 4 6 zählte der Freie D e u t s c h e

Gewerkschafts-

b u n d ( F D G B ) in Berlin b e r e i t s eine halbe M i l l i o n M i t g l i e d e r ; ein Z e i chen f ü r den wiedererwachten

Willen

zum

solidarischen

Zusam-

m e n s c h l u ß und z u m W i e d e r a u f b a u einer d e m o k r a t i s c h e n O r d n u n g . I m G e g e n s a t z z u m s p o n t a n e n W a c h s t u m an d e r Basis v o l l z o g sich in der S p i t z e j e d o c h eine eiskalt b e r e c h n e t e S t e u e r u n g von Seiten der K o m m u n i s t e n , die in den G e w e r k s c h a f t e n k a u m eine V e r t r e t u n g der A r b e i t n e h m e r s c h a f t zur D u r c h s e t z u n g b e s s e r e r A r b e i t s - und Sozialb e d i n g u n g e n , s o n d e r n in e r s t e r L i n i e ein w e i t e r e s , ihnen j e d e r z e i t ein-

32

Hans J. Reichhardt

• Wiederaufbau

Berlins 1945—1963

setzbares Machtinstrument zur Erreichung politischer Ziele sahen. Die kurze Zeit sowjetischer Alleinherrschaft in Berlin hatte bereits genügt, in der sich bildenden Organisation des FDGB ein ganzes Netz kommunistischer Spitzenfunktionäre einzubauen. So diente der FDGB nach den ersten, wegen einiger Ungereimtheiten schon heftig umstrittenen Gewerkschafts wählen im Januar 1946 der KPD als wirksame Staffage bei der Kampagne für die Verschmelzung beider Arbeiterparteien. Als schließlich noch einige der SPD angehörenden führenden Gewerkschaftsfunktionäre den trügerischen Einheitsparolen folgen zu müssen glaubten, stand der FDGB seit April 1946 fest unter kommunistischem Kommando. In der Folgezeit spürten viele verantwortungsbewußte Gewerkschafter den inneren Konflikt zwischen der Einheitssehnsucht und der täglich schwerer zu verdrängenden Erkenntnis, daß die Kommunisten sie immer offenkundiger und skrupelloser mißbrauchten. Wurden die ersten kommunistischen Übergriffe von den demokratischen Gewerkschaftern noch toleriert und darüber aus „Einheitsdisziplin" geschwiegen, so sehr drängte die Entwicklung dann zu einer Entscheidung, nachdem die kommunistisch gelenkte FDGB-Bürokratie rücksichtsloser zu schalten und walten begann, Funktionäre ein- und absetzte und jede Rechenschaftslegung ablehnte. Zwar saßen Männer wie Otto Suhr (SPD) und Ernst Lemmer ( C D U ) im Vorstand des FDGB, doch ohne jemals die beherrschende Position der Kommunisten bei Wahlen verhindern zu können, die durch ein raffiniert undemokratisches System indirekter Wahlen und die sowjetische Unterstützung in der Alliierten Kommandantur abgedeckt waren. Da bei den „Wahlen" im Februar und März 1947 von 45 Vorstandssitzen die Kommunisten 34 einnahmen und von den 16 leitenden Funktionären gar 13 prominente SED-Mitglieder waren, sahen sich die demokratischen Kräfte gezwungen, eine zunächst in der Organisation verbleibende Opposition aufzubauen, in mühseliger Kleinarbeit das latent vorhandene Unbehagen vieler Gewerkschafter zu bündeln und den Kommunisten Paroli zu bieten. Versuche zur Änderung des Wahlsystems und der Satzung des FDGB scheiterten allerdings stets am sowjetischen Veto, so daß die Unabhängige Gewerkschafts-Opposition (UGO) es auf sich nahm, auch unter diesen Bedingungen an den Wahlen zur Stadtdelegiertenkonferenz 1948 teilzunehmen. Da es der U G O trotz aller Anstrengungen mißlungen war, direkte Wahlen und die Parteikennzeichnung der Kandidaten durchzusetzen, um die verschleierte Front der SED-Mitglieder zu entlarven, bedeutete

II. Selbstverwaltung und Weltpolitik

1947—1948

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es l e t z t l i c h einen glänzenden E r f o l g ausdauernder Ü b e r z e u g u n g s a r b e i t , daß bei den — von der S E D m a n i p u l i e r t e n — W a h l e n M i t t e April die unabhängigen E l e m e n t e selbst im sowjetischen S e k t o r rund 4 0 % und in den W e s t s e k t o r e n 7 0 % e r o b e r t e n . Als sich die K o m m u n i s t e n auf der S t a d t d e l e g i e r t e n k o n f e r e n z v o m 2 1 . / 2 3 . Mai 1 9 4 8 weigerten, v o n ihnen a b g e l e h n t e , r e c h t m ä ß i g gewählte D e l e g i e r t e der U G O d o c h n o c h a n z u e r k e n n e n , ließ sich der offene B r u c h nicht länger vermeiden. E n d e Mai f a ß t e die U G O den schweren E n t s c h l u ß , f o r t a n als selbständige G e w e r k s c h a f t w e i t e r z u e x i s t i e r e n . D a m i t war am V o r a b e n d der B l o k kade gerade n o c h r e c h t z e i t i g eine organisatorische Basis zur U n t e r b i n dung von V e r s u c h e n des F D G B geschaffen, durch S t ö r a k t i o n e n den W i d e r s t a n d in den W e s t s e k t o r e n zu u n t e r m i n i e r e n .

Selbständige Berliner Landesverbände von CDU und LDP D a s V e r s c h w i n d e n ihrer O r g a n i s a t i o n in der sowjetischen

Zone

durch die G r ü n d u n g der S E D im April 1 9 4 6 h a t t e es der S P D in Berlin e r l e i c h t e r t , gegenüber der sowjetischen B e s a t z u n g s m a c h t und ihren d e u t s c h e n H e l f e r s h e l f e r n eine klare A b w e h r p o s i t i o n aufzubauen. D i e tragische E i n s i c h t , daß n i c h t n u r eine allmählich sich f o r m i e r e n d e E i n heit der Parteien in allen vier Z o n e n und in Berlin, sondern auch die E i n h e i t D e u t s c h l a n d s g e g e n ü b e r d e m D r u c k aus d e m O s t e n n i c h t zu b e h a u p t e n war, ist den b ü r g e r l i c h e n P a r t e i e n dadurch ungemein erschwert w o r d e n , daß sie 1 9 4 6 und 1 9 4 7 im R a h m e n des „ B l o c k s " in der s o w j e t i s c h e n Z o n e ein relativ größeres M a ß an T o l e r a n z genossen, teilweise von f ü h r e n d e n R e p r ä s e n t a n t e n der S M A n o c h bis E n d e 1 9 4 7 u m w o r b e n b l i e b e n . D a s verzweifelte S t r e b e n d e r Berliner F ü h r e r v o n C D U und L D P , wenigstens b e s c h e i d e n e B r ü c k e n des d e u t s c h e n Z u s a m m e n h a l t s bis z u l e t z t zu verteidigen, zählt gewiß zu den b i t t e r s t e n K a p i t e l n der G e s c h i c h t e der Berliner und der deutschen D e m o k r a t i e j e n e r J a h r e , bis sie schließlich alle gezwungen waren, vor der H ä r t e der T a t s a c h e n zu kapitulieren und sich ins U n v e r m e i d l i c h e zu fügen. N a c h d e r Ü b e r n a h m e der P a r t e i f ü h r u n g im D e z e m b e r 1 9 4 5 wurden J a k o b K a i s e r und E r n s t L e m m e r lange Z e i t v o n der S M A wohl n i c h t z u l e t z t in d e r H o f f n u n g r e s p e k t i e r t , die C D U werde ü b e r den von ihr v e r t r e t e n e n „christlichen S o z i a l i s m u s " hinaus eines T a g e s bereit sein, auch den Sozialismus k o m m u n i s t i s c h e r O b s e r v a n z m i t aufbauen zu helfen. S o b a l d aber beide b e g a n n e n , im S o m m e r 1 9 4 7 u n m i ß v e r s t ä n d lich die G r e n z e n c h r i s t l i c h - d e m o k r a t i s c h e r

Kompromißbereitschaft

a u f z u z e i g e n , indem sie beispielsweise n i c h t in die in der Z o n e allgemein

34

Hans J. Reichhardt

• Wiederaufbau

Berlins 1945—1963

übliche Ablehnung des Marshall-Plans mit einstimmten, verschlechterten sich die Beziehungen zur sowjetischen Besatzungsmacht rapide. Die gemeinsam beschlossene Linie der Partei, sich jener von der SMA inspirierten und von der SED organisierten Bewegung zum „Volkskongreß für Einheit und gerechten Frieden" zu verweigern, weil sie völlig ungeeignet schien, in sinnvoller Weise der Zusammenfassung der politischen Kräfte Deutschlands zu dienen, war jedoch nicht lange durchzuhalten. Bei einer Tagung der CDU-Führung in Berlin im Dezember berichteten einige Landesvorsitzende, daß viele Parteimitglieder dem in den letzten Wochen wachsenden Druck von „dritter Seite" nicht länger standhalten könnten. Zwar versicherten alle Vorstandsmitglieder Jakob Kaiser ausdrücklich ihres vollen politischen und menschlichen Vertrauens, gleichwohl legte ihm der spätere stellvertretende DDR-Ministerpräsident Nuschke „mit Rücksicht auf die gegebenen Realitäten in der Ostzone" den freiwilligen Verzicht auf den Parteivorsitz nahe. Als Kaiser sich diesem Wunsch widersetzte, war sein politisches Schicksal in den Augen der SMA rasch besiegelt. Mit der Erklärung, ihn und Ernst Lemmer nicht mehr als Parteivorsitzende anerkennen zu können, zwang sie die C D U praktisch zur Spaltung ihrer Organisation. Während die SMA in ihrem Bereich eine Reihe von Funktionären fand, die auch diese Partei in ihr Fahrwasser steuerten, konnte sich die CDU-Organisation in Berlin behaupten, was schließlich im Februar 1948 zu ihrem Ausschluß aus dem Zonenverband führte. Fast zu gleicher Zeit und in mehr oder weniger gleicher Form vollzog sich die Trennung zwischen der LDP Berlins und der Gesamtpartei in der sowjetischen Zone. Denn die SMA mochte nicht auf Dauer einen offen und furchtlos vertretenen Standpunkt tolerieren, auf dessen Grundlage zwar ein gutes Verhältnis zu allen vier Besatzungsmächten als Voraussetzung jeder deutschen Politik anzustreben, in prinzipiellen Fragen jedoch jeder Kompromiß mit dem kommunistischen Gegner abzulehnen war. Als trotz aller Pressionen auf Mitglieder und Funktionäre im sowjetischen Sektor die Berliner LDP-Führung unter CarlHubert Schwennicke ihre Linie behauptete, es ihr auf der Hauptausschuß-Sitzung in Weimar im Januar 1948 sogar gelang, die meisten Delegierten zur ausdrücklichen Anerkennung der Berliner Haltung zu bewegen und darüber hinaus durchzusetzen, daß die Zonen-Parteileitung vor wesentlichen politischen Entscheidungen die Vorsitzenden der Landesverbände konsultieren mußte, schien das höchstzulässige Maß an politischer Widerborstigkeit für die SMA wohl längst

II. Selbstverwaltung

und Weltpolitik

1947—1948

35

überschritten zu sein. Nach dem Fehlschlag eines ersten Versuchs der Spaltung der Berliner Parteiorganisation, als am 25. Januar 1948 eine Funktionärkonferenz mit 400 gegen sechs Stimmen Schwennicke das Vertrauen aussprach, durfte dann die Zonen-Parteileitung knapp drei Wochen späterauf ihrer Sitzung in Halle/Saale am 10. Februar feststellen, daß der Berliner Landesverband durch sein Verhalten sich selbst aus der Partei ausgeschlossen habe. Dieser war dort schon nicht mehr vertreten, nachdem der Parteivorsitzende Wilhelm Külz den Delegierten telefonisch mitgeteilt hatte, die LDP vermöge in der sowjetischen Zone ihre Sicherheit nicht mehr zu garantieren.

Scheitern

der Siegermächte

in der

Deutschland-Frage

Das J a h r 1947 ließ die schon bald nach Kriegsende aufgebrochenen Differenzen der Siegermächte besonders in der Deutschland-Frage mit aller Schärfe hervortreten. Die Sowjetunion spielte zwar einerseits propagandistisch weiterhin die Rolle einer engagierten Verfechterin der deutschen Einheit, verhinderte andererseits mit ihrem Beharren auf für den Westen schlechthin inakzeptablen Positionen, so unter anderem in der Reparations-Frage, zugleich jeden zu diesem Ziel führenden Schritt. An der offensichtlich auf einen Konflikt zusteuernden Entwicklung vermochte auch die Londoner Außenministerkonferenz im November und Dezember 1947 nichts mehr zu ändern. Die Verhandlungen und Diskussionen dort erschöpften sich in hoffnungslos festgefahrener Polemik, da keine Seite auch nur einen Millimeter ihres Standpunktes mehr aufzugeben und zum geringsten Kompromiß bereit war. Die Ergebnislosigkeit dieser Konferenz markierte den Schlußpunkt der ersten Phase von Bemühungen zur Lösung des deutschen Problems und bedeutete zugleich das endgültige Auseinanderbrechen des Bündnisses der Kriegszeit. Der Westen sah sich nun zur Beschleunigung seiner Anstrengungen zum Aufbau einer Gegenposition um so mehr veranlaßt, als die Sowjetunion in den Staaten ihres Herrschaftsbereichs auch die letzten demokratischen Rudimente zu beseitigen sich anschickte und mit Hilfe der kommunistischen Parteien, vornehmlich in Frankreich und in Italien, ein Wiedererstarken Westeuropas zu unterbinden suchte. Die aus dem Zwang zur Uberwindung der Not erforderlichen vorbereitenden Schritte zur Organisation eines provisorischen Staatswesens im westlichen Besatzungsgebiet — engere Verschmelzung der seit Anfang 1947 existierenden „Bizone", Schaffung eines Länderrats, Gründung der Bank Deutscher Länder — begleiteten die Sowjets mit

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Hans ]. Reichhardt

• Wiederaufbau

Berlins

1945—1963

einer Kette von Protesten, in denen sie dem Westen die alleinige Verantwortung für den Bruch des Potsdamer Abkommens und damit einer Teilung Deutschlands zuschoben. Während sie die ja schon 1945 begonnene Eigenentwicklung ihrer Zone als Kern eines ebenfalls „selbständigen" Staates immer stärker förderten, unternahmen sie es zugleich, die Pläne und Absichten des Westens zu durchkreuzen durch Druck auf dessen exponierteste Stelle: Berlin. Nach der Jahreswende 1947/1948 wuchs die Spannung in der Stadt, als sich klarer abzuzeichnen begann, welchen Kurs die Sowjetunion in den nächsten Monaten einzuschlagen beabsichtigte. Im Kontrollrat bemerkte Marschall Sokolowskij, daß ganz Berlin nur einen Teil der sowjetischen Zone darstelle und der Westen das Recht auf Präsenz in der Stadt durch seine bisherige Deutschland-Politik längst verwirkt hätte. Sowjetisch lizenzierte Blätter erinnerten sich der schon 1947 gelegentlich aufgetauchten Gerüchte über einen baldigen Abzug der Westmächte, die sie nun genüßlich in verstärktem Maße verbreiteten. Auf den Verbindungswegen Berlins wurde eine kontinuierlich sich verschärfende Politik der Nadelstiche und Schikanen eingeleitet, um dem Westen die Verwundbarkeit seiner Position in der Stadt drastisch fühlen zu lassen. Nichts unterließ die sowjetische Seite, um die allein durch gemeinsames Handeln der Besatzungsmächte zu gewährleistende einheitliche Verwaltung der Stadt systematisch zu unterhöhlen, um den Berlinern nachdrücklich die Sinnlosigkeit ihres Vertrauens auf westlichen Schutz vor Augen zu führen. Die Atmosphäre in den ersten Wochen des Jahres 1948 war bereits so unheilvoll aufgeladen, daß der amerikanische Militärgouverneur Clay nach Washington kabelte, er müsse auf Grund der veränderten sowjetischen H a l t u n g seine frühere Einstellung über die Unmöglichkeit eines Krieges korrigieren. Seine Warnungen vor einer bald zu erwartenden Entscheidung auf deutschem Boden wie die Versicherung Außenminister Marshalls, daß die Vereinigten Staaten sich nicht aus Berlin „herausdrücken" lassen würden, machten den Ernst der Lage mehr als deutlich. Nachdem der Kontrollrat schon seit längerem zum Schauplatz teilweise maßloser Propagandatiraden geworden war, nutzte Marschall Sokolowskij die Anfang März 1948 abgeschlossene Londoner Konferenz der Westmächte und der Benelux-Staaten über eine Einbeziehung der westlichen Zonen in das europäische Wiederaufbauprogramm, um in einer vorbereiteten Erklärung von äußerster Schärfe dem Westen den Zusammenbruch der o f t genug durch sowjetische Vetos lahmgelegten zentralen Institution der Vier-Mächte-Verwaltung

II. Selbstverwaltung und Weltpolitik

1947—1948

37

D e u t s c h l a n d s anzulasten und ihn wegen aller in seinen Z o n e n geplanten S c h r i t t e des B r u c h s feierlicher V e r p f l i c h t u n g anzuklagen. D e m d e m o n strativen Auszug S o k o l o w s k i j s und seiner Begleitoffiziere aus dem Sitzungssaal des K o n t r o l l r a t s am 2 0 . M ä r z f o l g t e drei M o n a t e später, am 16. J u n i beziehungsweise 1. J u l i , die A u f k ü n d i g u n g der sowjetischen M i t a r b e i t in der K o m m a n d a n t u r , die ohnehin seit W o c h e n nur n o c h ein s c h a t t e n h a f t gewordenes D a s e i n f ü h r t e .

Rückwirkungen

der internationalen

Politik auf Berlin

D a die d e m o k r a t i s c h e n P o l i t i k e r in Berlin

unvermeidlicherweise

k a u m etwas von den Ü b e r l e g u n g e n erfuhren, die den E n t s c h e i d u n g e n der westlichen R e g i e r u n g e n zu G r u n d e lagen, stand das ganze J a h r 1 9 4 7 u n t e r d e m Z e i c h e n eines von U n k l a r h e i t e n und U n g e w i ß h e i t e n verd u n k e l t e n U b e r g a n g s s t a d i u m s . W ä h r e n d das westliche D e u t s c h l a n d durch die w i r t s c h a f t l i c h e N o t l a g e zur A n l e h n u n g an die angelsächsischen G r o ß m ä c h t e gedrängt wurde, hingegen in der s o w j e t i s c h e n Z o n e nach der B o d e n r e f o r m , der E i n f ü h r u n g volkseigener B e t r i e b e und der G r ü n d u n g s o w j e t i s c h e r A k t i e n g e s e l l s c h a f t e n dann m i t der D e u t s c h e n W i r t s c h a f t s k o m m i s s i o n im S o m m e r 1947 auch n o c h eine ü b e r g e o r d n e t e Zentralapparatur geschaffen worden war, hielt die Sorge um die besondere Gefährdung Berlins hier bei allen d e m o k r a t i s c h e n Kräften die verzweifelte H o f f n u n g auf eine t r o t z allem noch mögliche Verständigung zwischen O s t und W e s t lebendig, durch die die d e u t s c h e E i n h e i t erhalten und der W e g zu einem Friedensvertrag in absehbarer Z e i t gebahnt werden k ö n n t e . U n d solch eine Auffassung leitete auch einen M a n n wie E r n s t R e u t e r , der n o c h E n d e J u n i 1 9 4 7 auf dem N ü r n b e r g e r S P D - P a r t e i t a g es s t r i k t a b l e h n t e , im R i n g e n um die E i n h e i t des Landes einseitige B i n d u n g e n an eine d e r beiden M ä c h t e g r u p p e n einzugehen. D a ohne Bewahren der d e u t s c h e n E i n h e i t Berlin „auf die D a u e r keine E x i s t e n z b e r e c h t i g u n g " habe, man hier d a h e r im eigenen Interesse m i t allen vier Siegern B e z i e hungen pflegen müsse, sollten die S o z i a l d e m o k r a t e n klar b e k e n n e n , daß sie sich n i c h t als G e g n e r d e r f ü r alle Z e i t e n ein l e b e n s w i c h t i g e r N a c h b a r b l e i b e n d e n ö s t l i c h e n G r o ß m a c h t b e t r a c h t e t e n , sondern als „aufrichtige und ehrliche F r e u n d e des g r o ß e n russischen V o l k e s " . Berlin m a ß e r die R o l l e e i n e r „ T r e u h ä n d e r i n der d e u t s c h e n E i n h e i t " zu. U n d solange es diese F u n k t i o n e n ausfülle, k ö n n t e n weder die E n g s t i r nigen im W e s t e n n o c h die M a ß l o s e n im O s t e n ihre Pläne verwirklichen, würde es schwer sein, eine dauerhafte T r e n n u n g m i t t e n durch D e u t s c h land und E u r o p a a u f r e c h t z u e r h a l t e n .

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Hans J. Reichhardt • Wieder aufiau Berlins 1945—1963

Das Debakel der L o n d o n e r A u ß e n m i n i s t e r k o n f e r e n z im D e z e m b e r 1947 ü b e r z e u g t e R e u t e r d a n n aber d o c h e n d g ü l t i g von der U n m ö g l i c h keit, mit der S o w j e t u n i o n zu einem U b e r e i n k o m m e n ü b e r die E n t w i c k lung D e u t s c h l a n d s u n t e r d e m o k r a t i s c h e n Bedingungen zu gelangen. E r n a n n t e es tragisch u n d n i c h t „unser V e r s c h u l d e n " , wenn die Berliner n o t g e d r u n g e n gegen die Seite o p t i e r e n m u ß t e n , die ihr die gerade erst v o n n e u e m g e b o t e n e n M ö g l i c h k e i t e n zu einem d e m o k r a t i s c h e n Leben wieder n e h m e n wollte. Als im F r ü h j a h r 1948 die Liquidierung der V i e r - M ä c h t e - V e r w a l t u n g auf der T a g e s o r d n u n g stand, zögerte R e u t e r n i c h t , d a r a u s Schlüsse f ü r die Berliner Politik zu ziehen. E r riet d e r eigenen Partei, das F a k t u m der von O s t e n her b e t r i e b e n e n S p a l t u n g Deutschlands zur Kenntnis zu nehmen. D e r sowjetische R ü c k z u g aus dem N o r d e n des Iran im M ä r z 1946 u n d die bereits e r k e n n b a r e k o m m u n i s t i sche Niederlage im griechischen Bürgerkrieg n u t z t e er als A r g u m e n t e gegen die F u r c h t , d a ß die Sowjets einmal e r o b e r t e Positionen nie wieder a u f g ä b e n . U n d d e r v o n den K o m m u n i s t e n inszenierte Staatsstreich in Prag im F e b r u a r 1948 war i h m kein A n l a ß z u r R e s i g n a t i o n , vielmehr l e t z t e r W e c k r u f zu einer w i r k s a m e n A b w e h r des W e s t e n s gegen die sowjetische E x p a n s i o n . In sicherer E r w a r t u n g der b e v o r s t e h e n d e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n e r b l i c k t e er es als seine A u f g a b e , den W i d e r standswillen der Berliner w a c h z u h a l t e n u n d den W e s t e n daran zu hind e r n , die S t a d t a u f z u g e b e n . „Prag war d r a n , Finnland soll d r a n k o m m e n . . . Berlin wird n i c h t d r a n k o m m e n ! A n u n s e r e m eisernen Willen wird sich die k o m m u n i s t i s c h e F l u t brechen!" Dieses Bekenntnis, ausgerufen auf der K u n d g e b u n g d e r d e m o k r a t i s c h e n Parteien z u r H u n d e r t j a h r feier der 48er R e v o l u t i o n am 18. M ä r z v o r der R u i n e des Reichstages, b e s t i m m t e f o r t a n das H a n d e l n R e u t e r s u n d anderer Berliner Politiker, als die Ereignisse ihrem d r a m a t i s c h e n H ö h e p u n k t z u s t r e b t e n .

III Auf dem Weg zur Spaltung der Stadt

1948—1949

Die Berliner Blockade v o m J u n i 1948 bis z u m Mai 1949 mit d e m H ö h e p u n k t der S p a l t u n g am 30. N o v e m b e r zählt zu jenen Geschehnissen, die d u r c h ihren relativ ü b e r s i c h t l i c h e n Verlauf von A k t i o n e n u n d R e a k t i o n e n leicht d e n Anschein h e r v o r r u f e n , als o b ihr E n d e bereits zwangsläufig im A n f a n g , z u m i n d e s t in den Entschlüssen dieses A n fangs, e n t h a l t e n gewesen sei. Eine solche V e r e i n f a c h u n g wäre jedoch

III. Spaltung der Stadt

1948—1949

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nicht nur ein Fehlschluß, sondern beraubte diese dramatische Entwicklung ihres eigentlichen historischen Inhalts. Denn er besteht gerade darin, daß die Abwehr des Westens vorerst einfach dem Gebot einer Zwangslage entsprang und er dabei keineswegs Dimensionen und Schwierigkeiten des bevorstehenden Kampfes klar einzuschätzen wußte. Das sichere Gefühl, der im wesentlichen als aufgezwungen empfundenen Aufgabe einer Verteidigung seiner Berliner Sektoren wirklich gerecht zu werden, gewann man selbst in Washington mit einiger Gewißheit erst Ende 1948. In den entsprechenden Äußerungen der maßgebenden amerikanischen Persönlichkeiten wie der Berliner Politiker finden sich dann auch sehr viel mehr Hinweise darauf, in einer unausweichlichen Situation moralische Ansprüche erfüllen zu müssen, als man zunächst anzunehmen bereit sein mag. Wohl vor allem aus dieser Tatsache speiste sich die innere Energie zum Durchstehen eines Konflikts mit völlig ungewissem Ausgang.

Zwei

Währungen

Den äußeren Anlaß für die unmittelbare Konfrontation der Besatzungsmächte in Berlin mit der Verhängung der sowjetischen Blockade bildete die westdeutsche Währungsreform. U b e r die Notwendigkeit einer umfassenden Sanierung der bereits in der Nazi-Zeit als direkte Folge der riesigen Staatsverschuldung zur Finanzierung der Kriegsausgaben bei gleichzeitiger rigoroser Drosselung der KonsumgüterProduktion ruinierten und seither in einem noch desolateren Zustand befindlichen Reichsmark herrschte von Beginn an Einigkeit, hatte doch schon das Schlußprotokoll der Potsdamer Konferenz dem Kontrollrat die Befugnis übertragen, für alle Zonen verbindliche Richtlinien zur Währungspolitik auszuarbeiten. W i e überall in Deutschland war auch in Berlin eine lebhafte, von den Besatzungsmächten wenig beachtete Diskussion über das Schicksal der Reichsmark in Gang gekommen, entwarfen Finanzexperten Gutachten und Pläne für eine Währungsreform. Das Bekanntwerden grundsätzlicher Differenzen zwischen den Alliierten und die damit am H o r i z o n t auftauchende Gefahr separater Reformen in O s t und W e s t ließ hier sofort den Argwohn wachsen, daß Berlin als Folge eines Währungswirrwarrs völlig in die wirtschaftliche und politische Abhängigkeit zur sowjetischen Besatzungsmacht geraten könnte. So verlangte die S P D - F r a k t i o n im Stadtparlament bereits Mitte Januar 1948 vom Magistrat rechtzeitige Vorkehrungen, um die Bevölkerung vor Schäden zu bewahren, falls die Stadt, wenn auch nur vor-

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Hans J. Reichhardt

• Wtederaußau

Berlins 1945—1963

übergehend, von Reformen ausgenommen bliebe. Da aber auch das Nebeneinander zweier Währungen auf die Dauer unvorstellbar schien, gewann der Gedanke einer eigenen Berliner Währung — der sogenannten Bären-Mark — in den nichtkommunistischen Parteien an Boden, dem freilich Reuter zusammen mit einer kleinen Gruppe militanter Demokraten um den Wirtschaftsstadtrat Klingelhöfer scharf entgegentrat. Sie hielten eine Ubereinkunft mit der Sowjetunion, wenn überhaupt, nur dann für erreichbar, falls kein Zweifel mehr an der Bereitschaft der Westmächte zur Einführung des neuen westdeutschen Geldes auch in ihren Berliner Sektoren bestand; jede Hinnahme einer von ihr allein kontrollierten Währung mußte jedoch zwangsläufig zur faktischen Eingliederung der Stadt in die sowjetische Zone und damit zum Verlust demokratischer Freiheiten führen. Der wichtigste Gegenspieler dieser Gruppe auf deutscher Seite war — abgesehen von der SED, die selbstverständlich nur die kommende Ostwährung für ganz Berlin akzeptieren wollte — Bürgermeister Friedensburg. Weil er von einem westlichen Währungsanschluß unheilvolle Auswirkungen auf die weitere Spaltung der Stadt befürchtete, suchte er noch in letzter Stunde über die französischen Vertreter in Kontrollrat und Kommandantur einen Aufschub der westdeutschen Währungsreform zu erreichen, damit noch einmal Zeit gewonnen werden konnte zur Ausarbeitung einer auch Berlin einschließenden gesamtdeutschen Reform. Der Westen allerdings war im Frühsommer 1948 unter keinen Umständen mehr bereit, eine weitere Verzögerung der Reform hinzunehmen. Doch den Männern um Reuter und Klingelhöfer blieben bis zum Vollzug der westlichen Reform leidvolle Erfahrungen über die Grenzen des Berliner Einflusses nicht erspart. Als sie am 20. Mai bei der Konstituierung des Berlin-Ausschusses des Bizonen-Wirtschaftsrates in Frankfurt von der Absicht der Alliierten erfuhren, Berlin vorläufig nicht einzubeziehen, plädierten sie in einer innerhalb weniger Tage ausgearbeiteten Denkschrift über die verschiedenen Lösungen einer Währungsreform in Berlin noch einmal eindringlich für den Anschluß an den Westen. Mit „unbarmherzigem Realismus" wiesen sie nach, daß die Stadt durch ihr vermindertes Leistungspotential und ihre gegenwärtige Wirtschaftsstruktur weniger denn je eine eigene Währung zu tragen imstande sei. Noch entschiedener verwarf man eine Einbeziehung in die sowjetzonale Reform, da die Bevölkerung dies wirtschaftlich als eine bittere Enttäuschung, politisch als einen schweren Schock und allgemein als ein sichtbares Zeichen der Preisgabe Berlins durch den

III. Spaltung

der Stadt

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W e s t e n e m p f i n d e n w ü r d e . A n der hieraus e n t s t e h e n d e n V e r t r a u e n s krise, die den Kampf f ü r die D e m o k r a t i e seiner H o f f n u n g b e r a u b t e , k ö n n t e auch die weitere A n w e s e n h e i t w e s t l i c h e r T r u p p e n wenig ändern, da sie nur „politisch d e k o r a t i v e n W e r t " besäße. Die westlichen A l l i i e r t e n z e i g t e n sich d a v o n b e e i n d r u c k t , v e r m o c h ten aber nicht, sich zu einer g r u n d s ä t z l i c h e n R e v i s i o n ihrer H a l t u n g d u r c h z u r i n g e n — vor allem Berater General C l a y s neigten z u m Erschrecken Berliner B a n k f a c h l e u t e noch i m m e r z u r A n n a h m e der O s t w ä h r u n g f ü r die S t a d t als der b e q u e m s t e n L ö s u n g —, sondern sagten lediglich zu, im Falle einer A u s d e h n u n g der östlichen R e f o r m auf g a n z Berlin die Einbeziehung ihrer S e k t o r e n in die W e s t w ä h r u n g zu e r w ä g e n . S o w a r in d e r T a t noch keine E n t s c h e i d u n g gefallen, als die westlichen M i l i t ä r g o u v e r n e u r e ihren sowjetischen Kollegen zwei T a g e vor der f ü r den 20. J u n i f e s t g e s e t z t e n R e f o r m in ihren Z o n e n d a r ü b e r i n f o r m i e r ten, d a ß die W e s t s e k t o r e n Berlins d a v o n ausgeschlossen blieben, da in der S t a d t „die besonderen V e r e i n b a r u n g e n f ü r die V i e r - M ä c h t e - R e g i e rung" noch i m m e r g ü l t i g seien. A m d a r a u f f o l g e n d e n M o r g e n erfuhren die Berliner von einer „vorü b e r g e h e n d e n " U n t e r b r e c h u n g des Personenverkehrs aus d e m W e s t e n und der P r o k l a m a t i o n Marschall S o k o l o w s k i j s an die „Bürger und B ü r g e r i n n e n D e u t s c h l a n d s ! " , die u n t e r S t r a f a n d r o h u n g die E i n f u h r des neuen W e s t g e l d e s in die sowjetische Z o n e u n d nach Berlin u n t e r s a g t e , w o m i t die sowjetischen Behörden erstmalig eine A u s d e h n u n g ihrer Befugnisse auf die g a n z e S t a d t versuchten. N o c h am gleichen T a g ging auch die S E D z u r Offensive ü b e r . N a c h h e f t i g e m Streit i m M a g i s t r a t m e i n t e n ihre drei S t a d t r ä t e i m P a r l a m e n t s e l b s t b e w u ß t , d a ß — da die Bindung Berlins an die W e s t w ä h r u n g nur M a s s e n a r b e i t s l o s i g k e i t zur Folge haben k ö n n e und die Schaffung einer B ä r e n - M a r k eine U t o p i e bleibe, weil die S t a d t k e i n e Insel sei — n u n k e i n a n d e r e r A u s w e g m e h r offenstehe, als durch intensive H a n d e l s b e z i e h u n g e n zur sowjetischen Zone eine „ N e u o r i e n t i e r u n g unserer W i r t s c h a f t " h e r b e i z u f ü h r e n . D e m g e g e n ü b e r verlas L o u i s e S c h r o e d e r f ü r die M e h r h e i t des M a g i strats eine E r k l ä r u n g , die neben der B e k a n n t g a b e von N o t m a ß n a h m e n eine Klarstellung ü b e r das W e i t e r b e s t e h e n des V i e r - M ä c h t e - S t a t u s e n t h i e l t . A n s c h l i e ß e n d appellierten die F r a k t i o n e n der d e m o k r a t i s c h e n Parteien an die B e v ö l k e r u n g , sich durch keine einseitigen A n o r d n u n g e n verwirren zu lassen. W i e b e r e c h t i g t eine solche A u f f o r d e r u n g w a r , zeigten die sowjetischen M a ß n a h m e n der folgenden T a g e , als Marschall S o k o l o w s k i j in seiner A n t w o r t v o m 20. J u n i den westlichen M i l i t ä r g o u v e r n e u r e n

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• Wiederaufbau

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mit „schnellen Maßnahmen" zur Sicherung der Interessen von Bevölkerung und Wirtschaft in der sowjetischen Zone drohte. Zwar registrierte er „befriedigt" den „selbstverständlichen" Ausschluß Berlins von der westlichen Aktion, sah darin aber wohl noch keinen Grund, sich bei der Einleitung von Gegenmaßnahmen Zurückhaltung aufzuerlegen. Die sowjetische Kommandantur befahl so am 21. Juni die Einstellung des Zahlungsverkehrs in der ganzen Stadt und verbot die Annahme von Geldüberweisungen aus Westdeutschland. Und der Vorsitzende der Deutschen Wirtschaftskommission, Rau, gab zugleich die Vorbereitung währungspolitischer Maßnahmen bekannt, die berücksichtigten, daß eine von der sowjetischen Zone gesonderte Währungsregelung für Berlin verhängnisvoll und untragbar wäre. Bei der Diskussion des sowjetischen Befehls zur Zahlungseinstellung am Mittag des 22. Juni im Magistrat hielt SED-Stadtrat Schmidt juristische Argumente zur Geltung oder Nichtgeltung alliierter Anordnungen für völlig belanglos gegenüber der Geographie; Rau habe für Berlin sprechen können, weil es nun einmal in der Ostzone liege — Widerstand könne angesichts der Machtverhältnisse nur zu einem sinnlosen Katz- und Mausspiel führen. Eine halbe Stunde nach dieser Sitzung des Magistrats, der im übrigen noch einmal feststellte, daß Befehle einzelner Kommandanten nach Art. 36 der Vorläufigen Verfassung lediglich für den betreffenden Sektor gelten können, begann auf Initiative General Clays im Finanzdirektorium des Kontrollrats ein sich bis in die späten Abendstunden hinziehender letzter Versuch der Besatzungsbehörden, für Berlin eine gemeinsame Lösung zu erreichen. Er mißlang, weil die sowjetische Seite konzessionslos die Einführung der Ostwährung für die ganze Stadt erzwingen wollte. Die westlichen Kommandanten verboten am 23. Juni daher dem Magistrat die Ausführung sowjetischer Befehle in ihren Sektoren und gaben einen Tag später die teilweise Einführung der Westwährung in West-Berlin für den 25. Juni bekannt. Zwar stemmte die SED sich dieser Entwicklung entgegen, doch ließen sich weder der Magistrat durch die Drohung mit der Proklamation des Generalstreiks oder einer Durchsetzung des sowjetischen Befehls ohne den Magistrat noch die Stadtverordnetenversammlung durch „Arbeiterdelegationen" , die in den Sitzungssaal eindrangen und so den Sitzungsbeginn um zwei Stunden verzögerten, zur Ablehnung der Westwährung und zur Anerkennung der Alleinherrschaft der Ostwährung bewegen. Als die Debatte in der Erörterung währungstechnischer Details zu versanden drohte, griff Ernst Reuter ein und legte ohne Umschweife dar, daß man

III. Spaltung der Stadt

1948—1949

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j e t z t allein eine politische Entscheidung fällen müsse, selbst wenn die daraus folgenden Konsequenzen noch so schwierig und kompliziert sein mochten. Dabei war er sich dessen wohl bewußt, daß die „ Doppelwährung" wirtschaftlich einen Sprung ins Dunkle bedeutete. Auch wußte in diesem Augenblick noch niemand, welche konkreten Formen die erwarteten „Schwierigkeiten" annehmen würden. Erst im Verlauf des 24. J u n i wurde deutlich, daß die Sowjetunion die Einführung der Westmark in Berlin mit der Verhängung der Blockade beantwortet hatte.

Beginn von Blockade und

Luftbrücke

Die Reaktion des demokratischen Berlin auf diese Maßnahmen erfolgte prompt. Am Nachmittag des 24. Juni machte Ernst R e u t e r auf dem Hertha-Sportplatz am Gesundbrunnen 8 0 0 0 0 seiner Mitbürger klar, daß der Währungskonflikt weniger ein Finanzproblem als vielmehr ein Symbol für die Auseinandersetzung zweier politischer und wirtschaftlicher Systeme darstelle, die nun einmal in und um Berlin stattfinde. Es war die erste jener großen aufrüttelnden Reden, mit denen er in den folgenden Monaten die Berliner zu mobilisieren vermochte. Zu diesem Zeitpunkt besaß er weder eine Vorstellung, welche Opfer die Blockade verlangte, noch wußte er, ob und wie eine Versorgung der Stadt durch die Luft funktionieren konnte und ob der Westen willens und imstande sein würde, den Konflikt in der isolierten Stadt unter allen Umständen zu bestehen. Doch war er durchdrungen von der Überzeugung, daß nur die unbedingte Entschlossenheit zur eigenen Entscheidung, wenn nötig, auch allein dem Machtwillen einer Besatzungsmacht und ihrer deutschen Helfershelfer zu trotzen, die Chance b o t , den Beistand mächtiger Verbündeter zu erzwingen. „Und wenn wir nur vierzehn T a g e . . . aushalten können, die Tatsache, daß wir Widerstand leisten, wird die geschichtliche Entwicklung beeinflussen." Das angesichts einer äußeren Bedrohung unternommene Wagnis, jenseits aller Berechnung nur aus der moralischen Entscheidung geboren, sollte sich, wie so manches Mal zuvor, als die einzig mögliche Realpolitik erweisen. Fand R e u t e r in General Clay auch sofort einen Partner, der seine Einschätzung der Situation teilte, daß ein Zurückweichen des Westens in Berlin verhängnisvolle Folgen für die Zukunft Westeuropas haben mußte, so konnte er doch kaum ahnen, wie sehr die Grundsatzentscheidungen der westlichen Politik in den hektischen Tagen Ende Juni

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• Wiederaufiau

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noch auf des M e s s e r s S c h n e i d e s t a n d e n . A u s der S o r g e , in Berlin e n t w e der d a u e r n d e n Krisen u n d D e m ü t i g u n g e n a u s g e s e t z t zu bleiben o d e r d u r c h den V e r s u c h seiner g e w a l t s a m e n V e r s o r g u n g in einen Krieg v e r w i c k e l t zu w e r d e n , n e i g t e n m a n c h e Berater Präsident T r u m a n s sogar z u r E m p f e h l u n g eines b a l d i g e n R ü c k z u g s . Erst seine F e s t s t e l l u n g v o m 28. J u n i , d a ß es keine D i s k u s s i o n d a r ü b e r geben k ö n n e , ob die U S A in Berlin blieben o d e r n i c h t , b e s t ä t i g t e die F o r d e r u n g General C l a y s , d a ß die S t a d t n i c h t g e o p f e r t w e r d e n d ü r f e . Zwei T a g e später entschlossen sich auch in L o n d o n R e g i e r u n g u n d P a r l a m e n t , keinesfalls zu k a p i t u l i e r e n . Doch all dies b e d e u t e t e w e d e r ein d e f i n i t i v e s Fallenlassen der H o f f n u n g , d u r c h zähes F o r t s e t z e n von V e r h a n d l u n g e n auf allen Ebenen d e r Krise schließlich H e r r zu w e r d e n , noch die Bereitschaft z u m E i n s c h w e n k e n auf eine ü b e r das u n b e d i n g t n o t w e n d i g e M a ß der A b w e h r h i n a u s g e h e n d e Linie, die das R i s i k o eines militärischen Z u s a m m e n s t o ß e s u n k a l k u l i e r b a r m a c h t e . Diese i m wesentlichen defensive H a l t u n g blieb dann auch in der F o l g e z e i t i m G r u n d e die Basis der Politik in den westlichen H a u p t s t ä d t e n . Die A n t w o r t der angelsächsischen M ä c h t e auf die Blockade b i l d e t e die L u f t b r ü c k e , die sie i n n e r h a l b w e n i g e r M o n a t e z u r bislang imponierendsten L e i s t u n g der L u f t f a h r t in Friedenszeiten a u s b a u t e n und deren Erfolge die F ü h r u n g in M o s k a u schließlich z u m E i n l e n k e n veranlaßte. D e r in d i e s e m U n t e r n e h m e n z u m A u s d r u c k k o m m e n d e W i l l e des W e s t e n s , seine S t e l l u n g in d e r S t a d t zu h a l t e n , ließ die Berliner die n u n einmal in dieser Lage u n v e r m e i d l i c h e n O p f e r und E n t b e h r u n g e n leichter e r t r a g e n . N a t ü r l i c h p r ä g t e n radikale Sperren von S t r o m u n d Gas, eine g e w i ß h i n r e i c h e n d e , j e d o c h h ö c h s t einseitige E r n ä h r u n g und der fast völlige M a n g e l an H e i z m a t e r i a l das L e b e n in der S t a d t . Z u g l e i c h aber w u c h s das Gefühl, als säßen alle in einem Boot u n d als k ä m e es auf das V e r h a l t e n jedes Einzelnen an. S o blieb denn auch das den W e s t Berlinern am 20. J u l i von der ö s t l i c h e n Seite m i t g r o ß e r H o f f n u n g u n t e r b r e i t e t e A n g e b o t z u m Bezug von L e b e n s m i t t e l n und B r i k e t t s aus d e m sowjetischen S e k t o r , so v e r l o c k e n d es in den schwachen A n f ä n g e n der L u f t b r ü c k e sein m o c h t e , ohne n e n n e n s w e r t e n Erfolg. Das besondere Klima in der e r z w u n g e n e n N o t g e m e i n s c h a f t der b l o c k i e r t e n S t a d t f ü h r t e nicht n u r zu einer v e r n ü n f t i g e n S e l b s t b e s c h r ä n k u n g parteipolitischer K o n t r o v e r s e n u n d zu e i n e m g e d u l d i g e n S t i l l h a l t e n von A r b e i tern u n d U n t e r n e h m e r n , sondern auch zu e i n e m besseren V e r s t ä n d n i s und zu einer w a c h s e n d e n Z u s a m m e n a r b e i t m i t den westlichen Alliierten, die sich aus B e s a t z u n g s m ä c h t e n allmählich zu „ S c h u t z m ä c h t e n " zu wandeln b e g a n n e n .

III. Spaltung der Stadt

Vollzug

der Spaltung

der

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Stadt

T r o t z der offenen K o n f r o n t a t i o n in Berlin ließen es die Westmächte monatelang an Bekundungen des guten Willens und der Verständigungsbereitschaft nicht fehlen. Zunächst suchten die westlichen Militärgouverneure in einem Gespräch mit Marschall Sokolowskij Anfang Juli, dann im August die westlichen Botschafter in Moskau in abwechselnden Gesprächen mit Stalin und Molotow nach einer Einigung. Sie sah für den Wegfall der „Verkehrsbeschränkungen" die Einführung der Ostmark als einziges Zahlungmittel für ganz Berlin und das Verschwinden der Westmark vor. Auf dieser Grundlage erhielten die vier Militärgouverneure in Berlin eine gemeinsame Direktive zur Ausarbeitung entsprechender Einzelheiten der technischen Durchführung. Zeigten die Botschafter sich noch zur Hinnahme der Mängel in der Direktive bereit, so bemerkte General Clay sofort, daß die geplante gemeinsame Kontrolle der Währung in Berlin im Bereich recht verschwommener Formulierungen geblieben war, was ihn neuen Streit befürchten ließ, der dann in der T a t auch nicht ausbleiben sollte. Denn als die Militärgouverneure am 31. August ihren Auftrag nachzukommen sich anschickten, präsentierte Marschall Sokolowskij in entscheidenden Punkten Forderungen, die mit der westlichen Interpretation der Verhandlungsergebnisse von Moskau und den durch Stalin erweckten H o f f n u n g e n vollkommen unvereinbar schienen. Nach einer Woche fruchtloser Gespräche mußten die westlichen Militärgouverneure am 7. September ihren Regierungen mitteilen, daß es nicht einmal gelungen war, mit ihrem sowjetischen Kollegen einen gemeinsamen Bericht darüber anzufertigen. Nach einem intensiven Notenwechsel im September, in dessen Verlauf beide Seiten ihre gegensätzlichen Standpunkte noch einmal mit aller Schärfe darlegten, und nach der dabei gewonnenen Erkenntnis von der Aussichtslosigkeit weiterer Verhandlungen mit der Sowjetunion, entschlossen sich die Westmächte, die diplomatische Aktivität auf das Feld der Vereinten Nationen zu verlegen. Diese bis in den Frühherbst sich hinziehenden Gespräche und Verhandlungen durchlebten die Berliner in bedrückender Ungewißheit. Sie wußten sich kaum ein rechtes Bild von dem zu machen, was eigentlich vor sich ging und ob am Ende vielleicht doch noch über ihre Köpfe hinweg und zu ihren Lasten eine Einigung zustandekäme. So standen ihre führenden Politiker vor der psychologisch ungemein schwierigen Aufgabe, ein Erlahmen des Selbstbehauptungswillens zu verhindern, während sie selbst über den Gang der internationalen Entwicklung nur

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• Wiederaufiau

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unvollständig und widersprüchlich unterrichtet blieben. Zugleich spürten sie und die Bevölkerung den anhaltenden Druck und die unverminderten Drohungen der Kommunisten. U n d neben der Bewältigung der durch Blockade und Währungsreform bedingten vielfältigen Schwierigkeiten mühte sich die Berliner Verwaltung unter Berufung auf den V i e r - M ä c h t e - S t a t u s der Stadt um eine konsequente Abwehr der immer häufigeren Versuche sowjetischer Militärbehörden, mit einseitigen Befehlen in ihre Arbeit einzugreifen. Im Grunde war sich wohl auch die östliche Seite von Beginn an darüber im klaren, daß der Widerstand einer auf die große Mehrheit ihrer Bürger sich stützenden Verwaltung und das Beharren auf den Rechtspositionen nur mit Gewalt gebrochen werden konnten. Sie ist dann in handgreiflicher Form angewandt worden, um m i t der Anklage, der W e s t e n spalte Berlin, die U n t e r w e r f u n g der ganzen S t a d t zu e r z w i n g e n — bis sie im N o v e m b e r keine andere Möglichkeit mehr sah, als die Spaltung selbst herbeizuführen. Im S p ä t s o m m e r näherte die Spannung sich einem neuen H ö h e p u n k t . Als das Stadtparlament daranging, die nach der Vorläufigen Verfassung fälligen N e u w a h l e n vorzubereiten, sah es sich, wie schon am 23. J u n i beim Beginn der östlichen Währungsreform, erneut dem von der SED organisierten Druck der Straße ausgesetzt. Nach den Krawallen am 26. und 27. A u g u s t , die eine Vertagung der Sitzungen notwendig machten, verwandelten kommunistische Demonstranten den Sitzungssaal im Neuen S t a d t h a u s in der Parochialstraße am 6. September wiederum in einen T u m m e l p l a t z ihrer A g i t a t i o n mit der Forderung nach Absetzung des Magistrats, ohne von der Polizei im sowjetischen Sektor daran gehindert zu werden. Stadtverordnetenvorsteher Suhr war gezwungen, das Parlament noch am gleichen T a g in das im britischen Sektor gelegene Studentenhaus der Technischen Universität einzuberufen, w o es ungestört tagen konnte. Doch verweigerte jetzt die SED-Fraktion ihre Teilnahme an Sitzungen außerhalb des sowjetischen Sektors, w o m i t sie sich selbst von der Mitarbeit in der legalen Volksvertretung ausschloß. Die Berliner spürten sehr genau, was nunmehr auf dem Spiele stand. Fanden sich zur ersten, kurzfristig einberufenen Kundgebung am 26. A u g u s t 50 000 Menschen auf dem Platz der R e p u b l i k ein, so strömten am 9. September an gleicher Stelle 350 000 zur größten Protestdemonstration der Blockadezeit zusammen. Nachdem Ernst R e u t e r schon z u m 1. Mai bemerkt hatte, daß bei den Auseinandersetzungen der letzten k n a p p drei J a h r e die Demokratie im politischen Willensbildungsprozeß sich durchgesetzt hatte, man Berlin jedenfalls nicht eine Stadt ohne Demokraten nennen könne, wie nach 1918 der Staat von

III. Spaltung

der Stadt

1948—1949

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W e i m a r m i t gewissem R e c h t als eine R e p u b l i k ohne R e p u b l i k a n e r galt, u n d er am 24. J u n i auf d e m H e r t h a - S p o r t p l a t z auf G r u n d der H a l t u n g seiner Bevölkerung Berlin gerade j e t z t als die wirkliche H a u p t stadt D e u t s c h l a n d s b e z e i c h n e t h a t t e , in der das H e r z einer neuen D e m o k r a t i e schlage, appellierte er nun vor der R u i n e des R e i c h s t a g e s an die „ V ö l k e r der W e l t " , die Berliner in ihrem Einstehen f ü r d e m o k r a t i sche R e c h t e zu u n t e r s t ü t z e n und die S t a d t nicht im Stich zu lassen. Drei T a g e später n u t z t e er die T r i b ü n e des S P D - P a r t e i t a g e s in Düsseld o r f , u m diesen G e d a n k e n noch einmal in das B e w u ß t s e i n der Ö f f e n t lichkeit zu h ä m m e r n , d a ß die Berliner m i t ihrer h a r t n ä c k i g e n Entschlossenheit zur S e l b s t b e h a u p t u n g dem W e s t e n die M ö g l i c h k e i t nehmen w o l l t e n , die S t a d t doch noch preiszugeben. Z u Beginn der Blockade waren die den d e m o k r a t i s c h e n Parteien a n g e h ö r e n d e n M a g i s t r a t s m i t g l i e d e r noch einhellig der M e i n u n g , die P o s i t i o n e n im sowjetischen S e k t o r , w o bis auf eine A u s n a h m e alle ihren D i e n s t s i t z h a t t e n , nicht voreilig zu r ä u m e n . Doch die v o n der S E D u n d der sowjetischen K o m m a n d a n t u r weiter verfolgte O b s t r u k t i o n s p o l i t i k n a h m in den f o l g e n d e n W o c h e n an A u s d e h n u n g u n d G e w i c h t zu. Ende J u l i sah sich B ü r g e r m e i s t e r Friedensburg zur S u s p e n d i e r u n g des rebellischen P o l i z e i p r ä s i d e n t e n M a r k g r a f ( S E D ) g e z w u n g e n , der dank sowjetischer U n t e r s t ü t z u n g aber einfach im A m t blieb, so daß der m i t seiner N a c h f o l g e b e t r a u t e J o h a n n e s S t u m m seinen A m t s s i t z im a m e r i k a n i schen S e k t o r e i n r i c h t e n m u ß t e , w o sich dann innerhalb w e n i g e r W o chen e t w a 70 % der A n g e h ö r i g e n des P o l i z e i p r ä s i d i u m s e i n f a n d e n . M i t der z w a n g s l ä u f i g e n V e r l e g u n g e n t s c h e i d e n d e r Stellen der A b t e i l u n g f ü r E r n ä h r u n g nach W e s t - B e r l i n war dann ein w e i t e r e r w i c h t i g e r V e r w a l t u n g s z w e i g geteilt. R e u t e r und die M e h r h e i t seiner P a r t e i f r e u n d e hielten angesichts dieser E n t w i c k l u n g nun den Z e i t p u n k t f ü r g e k o m m e n , m i t aller Energie die z u m A u f b a u einer f u n k t i o n s f ä h i g e n V e r w a l t u n g f ü r die W e s t s e k t o r e n n o t w e n d i g e n V o r a r b e i t e n in Angriff z u nehmen. D e m g e g e n ü b e r z ö g e r t e B ü r g e r m e i s t e r Friedensburg, welcher anstelle der seit M i t t e A u g u s t schwer e r k r a n k t e n L o u i s e S c h r o e d e r die Geschicke des M a g i s t r a t s leitete, dieser Linie zu folgen. Einerseits h o f f t e er w o h l , durch die ständige P r ä s e n z i m N e u e n S t a d t h a u s den Gang der Dinge noch beeinflussen und das S c h l i m m s t e vielleicht doch v e r h ü t e n zu k ö n n e n , andererseits lag ihm d a r a n , den K o m m u n i s t e n die alleinige und volle V e r a n t w o r t u n g f ü r die S p a l t u n g zu überlassen. Dieser aus einer unterschiedlichen B e u r t e i l u n g der Lage resultierende K o n f l i k t zwischen d e m a m t i e r e n d e n u n d d e m z w a r g e w ä h l t e n , aber nicht bestät i g t e n S t a d t o b e r h a u p t belastete ihr V e r h ä l t n i s u n d f ü h r t e zu S p a n n u n gen, die nie wieder g a n z abklingen sollten.

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• Wiederaußau

Berlins 1945—1963

Die seit dem Spätsommer im Ostsektor systematisch betriebene Entfernung von Wahlbeamten, Arbeitern und Angestellten, deren Haltung SED und sowjetischen Militärbehörden verdächtig erschien, hatte Anfang September bereits einen solchen Umfang erreicht, daß Magistrat und Stadtparlament keine andere Wahl blieb, als den Entlassenen im Westen der Stadt neue Stellungen zuzusichern. Ende Oktober waren dann nicht weniger als 1000 Menschen von diesem Schicksal betroffen. Schließlich erklärte die sowjetische Kommandantur am 15. November auch Reuter für abgesetzt — ausgerechnet wegen „vollkommener Unfähigkeit in der Leitung der ihm unterstellten Verwaltung" und seiner „direkten Sabotage der Magistratsarbeit auf dem Gebiet des Verkehrswesens und der Versorgungsbetriebe". Während die städtischen Körperschaften gegen diesen Befehl sowie gegen die einen T a g später erfolgte Amtsenthebung Stadtrat Klingelhöfers protestierten und die westlichen Stadtkommandanten bekanntgaben, daß derlei sowjetische Anordnungen für ihre Sektoren keine Gültigkeit besäßen, fielen im Ostsektor die letzten Hemmungen, um dem seit Monaten vorangetriebenen Spaltungsprozeß auch einen formellen Abschluß zu geben. So bedeutete es letztlich keine Überraschung mehr, als die SED nunmehr ganz offen zur gewaltsamen Beseitigung der demokratischen Verwaltung aufrief als wirklicher Voraussetzung zur Durchführung von Neuwahlen und schließlich am 30. November im Admiralspalast die Einsetzung eines separaten Magistrats im sowjetischen Sektor durch die von der SED und ihren Hilfsorganen einberufene sogenannte Außerordentliche Stadtverordnetenversammlung erfolgte. Die Proteste der Westmächte und von Magistrat wie Stadtverordnetenversammlung gegen diesen „Staatsstreich" blieben selbstverständlich ohne Erfolg. Berlin besaß fortan zwei Stadtverwaltungen.

Wahlen vom 5. Dezember 1948 Dem am 17. Juni 1948 einmütig gefaßten Beschluß der Stadtverordnetenversammlung zum termingemäßen Beginn von Vorbereitungen für Neuwahlen, da nach den Art. 4 und 15 der Vorläufigen Verfassung ihr zweijähriges Mandat erlöschen sollte, kam in der durch Währungsreform, Luftbrücke und Blockade gekennzeichneten Krisensituation natürlich eine eminente politische Bedeutung zu. Gespannt wartete die Öffentlichkeit darauf, ob die SED das Risiko eingehen würde, sich ein zweites Mal dem V o t u m der Berliner Wähler zu stellen. Die Anfang August vorgetragenen Beschwerden über die angebliche Behinderung

III. Spaltung

der Stadt

1948—1949

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ihrer A r b e i t im W e s t e n der S t a d t wie ihre f ü r die anderen Parteien u n a n n e h m b a r e n F o r d e r u n g e n nach T e i l n a h m e ihrer Massenorganisationen an den W a h l e n ließen schon erkennen, wie sie ihre A b s t i n e n z e t w a b e g r ü n d e n w o l l t e . Davon u n b e i r r t verabschiedete das S t a d t p a r lament a m 6. S e p t e m b e r die neue W a h l o r d n u n g und leitete sie den vier S t a d t k o m m a n d a n t e n zur G e n e h m i g u n g zu. Die von vornherein nur geringe H o f f n u n g , d a ß auch General K o t i k o w sie billigte, e r f ü l l t e sich nicht. V i e l m e h r m a c h t e er sich in seiner A n t w o r t lediglich die P r o p a g a n d a - A r g u m e n t e der S E D zu eigen und lehnte W a h l e n bis zur Erfüllung der von ihm geforderten Bedingungen ab. U b e r d e m W a r t e n auf einen offiziellen Bescheid der sowjetischen K o m m a n d a n t u r w a r aber soviel Zeit verlorengegangen, d a ß der als W a h l t a g vorgesehene T e r m i n des 14. N o v e m b e r sich nicht einhalten ließ und auf den 5. D e z e m b e r verlegt werden m u ß t e . Die Folgen von B l o c k a d e , S t r o m s p e r r e n , a n g e s p a n n t e r F i n a n z l a g e und anderes m e h r b e h i n d e r t e n die technischen W a h l v o r b e r e i t u n g e n des M a g i s t r a t s wie auch den W a h l k a m p f der Parteien, d e r in noch viel s t ä r k e r e m M a ß e als 1946 von d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g der d e m o k r a t i schen K r ä f t e m i t den K o m m u n i s t e n beherrscht war. L e t z t e r e beteiligten sich z w a r nicht an der W a h l , versuchten jedoch m i t Parolen wie „Die W e s t m ä c h t e verlassen Berlin — im J a n u a r , im F e b r u a r " oder „General C l a y e r k e n n t den O s t - M a g i s t r a t an" u n d A u f r u f e n u n t e r d e m M o t t o „Keine Beteiligung an den u n d e m o k r a t i s c h e n und friedensfeindlichen W e s t - B e r l i n e r S p a l t e r w a h l e n " die S t i m m u n g der Bevölkerung zu beeinflussen oder sie z u r W a h l e n t h a l t u n g zu b e w e g e n . Doch sie ließ sich d a d u r c h e b e n s o w e n i g wie von den w i d r i g e n U m s t ä n d e n des B l o c k a d e w i n t e r s a b h a l t e n , m i t ü b e r w ä l t i g e n d e r M e h r h e i t ihrer W a h l pflicht zu g e n ü g e n , die m i t 86,3 % Beteiligung n u r e t w a 5 % u n t e r jener von 1946 lag — ein P r o z e n t s a t z also, den die S E D an diesem T a g e im W e s t e n der S t a d t selbst bei k u l a n t e s t e r R e c h n u n g wohl k a u m f ü r sich h ä t t e verbuchen k ö n n e n . Die W a h l bescherte den S o z i a l d e m o k r a t e n m i t 64,5 % n a h e z u eine Z w e i - D r i t t e l - M e h r h e i t u n d d a m i t ihren h ö c h s t e n j e m a l s erzielten S t i m m e n a n t e i l , der L D P m i t 16,2 % ebenfalls einen beträchtlichen Z u w a c h s , w ä h r e n d die C D U m i t n u r 19,7 % einen V e r l u s t von m e h r als 3 % h i n n e h m e n m u ß t e . D a r a n ließ sich ablesen, daß beide b ü r g e r l i c h e Parteien in ihrer E n t f a l t u n g noch i m m e r an der L a s t t r u g e n , zwei J a h r e l ä n g e r als die S P D den schließlich g e s c h e i t e r t e n V e r s u c h des Festhaltens an d e r V e r b i n d u n g m i t ihren P a r t e i o r g a n i s a t i o n e n in der sowjetischen Z o n e f o r t g e s e t z t zu haben, ehe ihre Berliner L a n d e s v e r b ä n d e

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Hans J. Reicbhardt

• Wiederaufiau

Berlins

1945—1963

u n t e r d e m D r u c k d e r S M A zur T r e n n u n g gezwungen wurden. F ü r die S P D b e d e u t e t e das E r g e b n i s des 5. D e z e m b e r in e r s t e r Linie zweifellos die A n e r k e n n u n g dafür, d a ß sie sich seit ihrer S e l b s t b e h a u p t u n g im F r ü h j a h r 1 9 4 6 am e n t s c h i e d e n s t e n zur W e h r g e s e t z t h a t t e ; d o c h n i c h t z u l e t z t verdankte sie diesen E r f o l g der T a t s c h e , daß sie m i t E r n s t R e u t e r die überragende P e r s ö n l i c h k e i t in ihren R e i h e n h a t t e . N a n n t e tags darauf der „in S t u n d e n h ö c h s t e r N o t aus d e m V o l k heraus e n t s t a n d e n e " O s t - M a g i s t r a t diese W a h l e n „ein V e r b r e c h e n " und „eine V e r h ö h n u n g d e r D e m o k r a t i e " , wobei e r versicherte, „sobald als m ö g l i c h r e c h t s g ü l t i g e freie d e m o k r a t i s c h e W a h l e n in ganz Berlin d u r c h z u f ü h r e n , um sein v o m V o l k e m p f a n g e n e s M a n d a t wieder in die H ä n d e einer d e m o k r a t i s c h gewählten S t a d t v e r o r d n e t e n v e r s a m m l u n g z u r ü c k l e g e n zu k ö n n e n " — ein V e r s p r e c h e n , auf dessen E i n l ö s u n g alle B e r l i n e r seit J a h r z e h n t e n vergeblich warten — , wählte n o c h das alte S t a d t p a r l a m e n t am 7. D e z e m b e r E r n s t R e u t e r e r n e u t z u m O b e r b ü r g e r m e i s t e r , d a m i t — so der S P D - D r i n g l i c h k e i t s a n t r a g — „die v o r a n d e r t h a l b J a h r e n v o r g e n o m m e n e W a h l . . . endlich wirksam wird und d e r gewählte O b e r b ü r g e r m e i s t e r . . . sein M a n d a t im Interesse der gesamten Berliner B e v ö l k e r u n g ausüben k a n n " .

IV Demokratischer

Neuanfang

in West-Berlin 1949 bis 1950

D i e s e b e i d e n J a h r e e n t b e h r e n weitgehend j e n e s d r a m a t i s c h e n C h a r a k t e r s , den d e r Z e i t r a u m v o m F r ü h s o m m e r 1 9 4 5 bis z u m S p ä t h e r b s t 1 9 4 8 m i t der H e r a u s b i l d u n g einer k ä m p f e r i s c h e n Berliner D e m o k r a t i e in sich t r u g . S t e t s e i n g e b u n d e n in das A u f und A b der E n t w i c k l u n g des w e l t p o l i t i s c h e n G e g e n s a t z e s zwischen O s t und W e s t und v o r d e m H i n t e r g r u n d des sich i m m e r m e h r beschleunigenden Prozesses der F o r m i e r u n g zweier d e u t s c h e r S t a a t e n b l i e b alles B e m ü h e n zur W i e d e r herstellung einer e i n h e i t l i c h e n S t a d t z u m S c h e i t e r n v e r u r t e i l t . Z w a r e x i s t i e r t e nun keine V i e r - M ä c h t e - V e r w a l t u n g m e h r , d o c h b l i e b der V i e r - M ä c h t e - S t a t u s f ü r die ganze S t a d t erhalten, auch wenn in ihren beiden T e i l e n der G a n g der D i n g e einen stetig weiter voneinander sich e n t f e r n e n d e n W e g einschlug. J e n e einmalig günstige K o n s t e l l a t i o n zu B e g i n n von B l o c k a d e und Luftbrücke,

als d e r Selbstbehauptungswille

einer

Zwei-Millionen-

B e v ö l k e r u n g ein eigenes, ganz e r h e b l i c h e s , wenn l e t z t l i c h n i c h t sogar

IV. Demokratischer Neuanfang

1948—1950

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ausschlaggebendes G e w i c h t in die W a a g s c h a l e der E n t s c h e i d u n g werfen k o n n t e , sollte sich nicht wiederholen. S c h o n die Frage, o b die m i t ä u ß e r s t e r Energie v o r a n g e t r i e b e n e E i n f ü g u n g des sowjetischen S e k t o r s in die D D R eine E n t s p r e c h u n g auf westlicher Seite erfahren sollte, b l i e b von A n f a n g an k o n t r o v e r s . D i e D i s k u s s i o n ü b e r die M ö g l i c h k e i t e n des nach d e m B l o c k a d e s i e g E r r e i c h b a r e n o d e r n i c h t E r r e i c h b a r e n hinsichtlich der I n t e g r a t i o n des westlichen Berlin in die Bundesrepublik D e u t s c h l a n d hat im G r u n d e bis heute keinen A b s c h l u ß gefunden. S e l b s t die in Berlin d o m i n i e r e n d e und nun auch im ganzen westlichen L a g e r in ihrer vollen B e d e u t u n g a n e r k a n n t e P e r s ö n l i c h k e i t E r n s t R e u ters m u ß t e die G r e n z e n des M ö g l i c h e n e r k e n n e n . G l e i c h w o h l war er es in e r s t e r L i n i e , d e r m i t K o n s e q u e n z und W i l l e n s s t ä r k e , m i t zäher und realistischer B e w e g l i c h k e i t für das durch Spaltung und B l o c k a d e schwer g e t r o f f e n e W e s t - B e r l i n die F u n d a m e n t e zur n o t w e n d i g e n K o n s o l i d i e rung seiner L e b e n s f ä h i g k e i t schuf.

Große Koalition im Magistrat Als nach dem für die C D U e n t t ä u s c h e n d e n W a h l a u s g a n g einige ihrer P r o t a g o n i s t e n f ü r eine A u f k ü n d i g u n g der M i t a r b e i t im M a g i s t r a t und die Ü b e r n a h m e der R o l l e einer O p p o s i t i o n plädierten, warnte E r n s t R e u t e r einen der Beteiligten v o r „ p o l i t i s c h e m S e l b s t m o r d " , da die B e v ö l k e r u n g nichts von L e u t e n wissen wollte, die glaubten, sie k ö n n t e n sich j e t z t „seitwärts in die B ü s c h e s c h l a g e n " . Andererseits m a h n t e er die eigenen Parteifreunde z u m M a ß h a l t e n , jedenfalls in solch überwältig e n d e m W a h l s i e g kein M a n d a t zu d o k t r i n ä r e r P o l i t i k o d e r h e m m u n g s loser P o s t e n b e s e t z u n g zu sehen, denn „wer stark ist, b r a u c h t nicht kleinlich zu sein". In der b e d r ä n g t e n Lage der S t a d t galt ihm der weitere Z u s a m m e n h a l t der d e m o k r a t i s c h e n Parteien als o b e r s t e s G e b o t seiner P o l i t i k , d e m er in den folgenden G e s p r ä c h e n und V e r h a n d l u n g e n ü b e r die Bildung einer G r o ß e n K o a l i t i o n G e l t u n g zu verschaffen wußte. V o r d e m neuen S t a d t p a r l a m e n t und dem von ihm gewählten Magistrat stand z u n ä c h s t als dringlichste A u f g a b e die E i n r i c h t u n g einer wirksamen und sauberen V e r w a l t u n g . W i e im Mai 1 9 4 5 war ein völliger N e u b e g i n n e r f o r d e r l i c h , und das u n t e r den e r s c h w e r t e n Bedingungen der B l o c k a d e und der n o c h i m m e r nicht definitiv gelösten W ä h r u n g s frage. Bis auf die G e s u n d h e i t s v e r w a l t u n g m u ß t e n alle D e z e r n a t e sich eine neue U n t e r k u n f t in den westlichen S e k t o r e n suchen; d e r O b e r b ü r g e r m e i s t e r und die S t a d t v e r o r d n e t e n v e r s a m m l u n g hielten als U n t e r m i e t e r E i n z u g in das R a t h a u s des B e z i r k s S c h ö n e b e r g , das seitdem

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Hans].

Reichhardt

• Wiederaußau

Berlins

1945—1963

gleichsam das politische Zentrum West-Berlins darstellt. Ein besonders schwieriges Problem bildete die Weiterverwendung jenes Personenkreises, der sich geweigert hatte, der neuen Administration im sowjetischen Sektor zu dienen. Gewiß hätten strenge Maßstäbe es erfordert, den Personalbestand mit rücksichtsloser Härte den vorhandenen beschränkten Mitteln anzupassen. Schließlich sollte sich aber dann doch die Ansicht durchsetzen, daß man in einer solchen Situation nicht Forderungen einer reinen Betriebsrationalisierung nachgeben und Menschen die T ü r weisen dürfe, die um ihrer demokratischen Uberzeugung willen eine schwerwiegende persönliche Entscheidung getroffen hatten. Die Regierungserklärung des neuen Magistrats ließ keinen Zweifel daran, daß „West-Berlin" nur ein Provisorium darstellen könne. Die Tatsache, daß in einem Teil der Stadt freie Wahlen untersagt waren, bedeutete keine Änderung der demokratischen Legitimation von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung, allein für die ganze Stadt zu sprechen und zu handeln. Das Ziel blieb die Wiederherstellung der Einheit Berlins, dem jeder gesetzgeberische Akt und jede Verwaltungsmaßnahme untergeordnet sein sollte. Reuter umriß dann zwar knapp die in den einzelnen Verwaltungsbereichen anzupackenden Aufgaben, verzichtete jedoch im Wissen um die Situation auf die Vorlage eines „Blumenstraußes von Versprechungen". Mit aller Dringlichkeit freilich forderte der Magistrat die zur Gewährleistung der unmittelbaren Lebensfähigkeit der Stadt notwendige Lösung zweier Probleme: eine erhebliche Steigerung der Leistungen der Luftbrücke und die Herstellung klarer Währungsverhältnisse. Knüpfte sich die Erwartung zur Bewältigung des ersten, mehr technischen Problems an die feste Zuversicht, daß die Westmächte selbst alles nur Erdenkliche zur Befriedigung der Berliner Wünsche tun würden, so war beim zweiten Problem Anfang 1949 der Termin für eine endgültige Entscheidung noch immer nicht absehbar. Währungsreform

im März

1949

Nach dem fruchtlosen Noten- und Memorandenwechsel im September 1948 hatten die Westmächte das Berlin-Problem den Vereinten Nationen überwiesen. Doch auch hier mißlangen im Oktober Vermittlungsversuche der neutralen Mitglieder des Sicherheitsrates zur Herbeiführung eines tragfähigen Kompromisses zwischen den Großmächten an der Haltung des sowjetischen Chefdelegierten Wyschinskij, der

IV. Demokratischer

Neuanfang

1948—1950

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sie von vornherein mit unverhohlener Skepsis betrachtete und nur eine den Wünschen seines Landes entsprechende Lösung zu akzeptieren gewillt war. Sein endgültiges Veto am 23. O k t o b e r veranlaßte die Westmächte zu der Erklärung, unter dem Druck der Blockade nicht mehr weiter verhandeln zu wollen. Wenige Tage später beauftragte der Magistrat die f ü r Währungsfragen zuständigen Stadträte, in ihren Verhandlungen mit alliierten Stellen auf die Einführung der Westmark als allein gültigem Zahlungsmittel in den Wetsektoren zu drängen, da offensichtlich keine andere Lösungsmöglichkeit sich am H o r i z o n t abzeichne. Während die Westmächte dem Berliner Begehren schon nachzugeben schienen, hatte man in den Vereinten Nationen die H o f f n u n g auf einen Kompromiß noch immer nicht aufgegeben und damit eine längst fällige Entscheidung um Monate hinausgezögert. Nachdem die Großmächte auf die Aufforderung der Vollversammlung von Anfang N o vember, im Interesse des Weltfriedens erneut einen Versuch zur Beilegung ihrer Differenzen zu unternehmen, mit der Betonung ihrer grundsätzlichen Verhandlungsbereitschaft reagiert und fünf Fragen des Sicherheitsrats-Vorsitzenden, des argentinischen Außenministers Bramuglia, beantwortet hatten, wurde von ihm eine Finanzkommission zur Ausarbeitung neuer Lösungsvorschläge eingesetzt. Kurz vor Weihnachten leitete sie die vorläufigen Ergebnisse ihrer Arbeit — Aufbau zweier getrennter Banksysteme unter Verwaltung eines Koordinierungsausschusses der Besatzungsmächte und einer neuen Notenbank — vertraulich den Großmächten zu. In Berlin begriff niemand mehr, welchen Sinn dieser Aufwand an diplomatischer Geduld und banktechnischer Finesse noch haben sollte — nach der Installierung eines separaten Magistrats im sowjetischen Sektor und nach den Wahlen vom 5. Dezember. General Clay sprach von einer Verkennung der Lage, und Ernst Reuter äußerte, bei den Vereinten Nationen scheine unglücklicherweise der Eindruck vorzuherrschen, die Schwierigkeiten beruhten auf dem Währungsstreit. Da die Vereinigten Staaten an ihrer Forderung festhielten, die Ostmark als einziges Zahlungsmittel nur dann zuzulassen, wenn sie in den Westsektoren der ausschließlichen Kontrolle der Westmächte unterliege, die Sowjetunion diesen Vorschlag jedoch radikal verwarf und keinesfalls auf die Möglichkeit einer Einmischung in Geldumlauf und Wirtschaft verzichten wollte, mußte die UN-Kommission eingestehen, keine f ü r alle Seiten annehmbare Lösung gefunden zu haben. Am 16. März gaben die Westmächte endlich grünes Licht für die Währungsumstellung in

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Hans J. Reicbhardt • Wiederaufbau Berlins 1945—1963

Berlin. Sie war, wie die erste im Sommer 1948, von den Westalliierten in einem „Konklave" mit deutschen Fachleuten, aber ohne eingehende Konsultation der zuständigen West-Berliner Stellen, vorbereitet worden. Das Inkrafttreten der „Dritten Währungsverordnung" am 20. März 1949 galt Oberbürgermeister Reuter, unabhängig von ihren technischen Einzelheiten und ihren wirtschaftlichen Auswirkungen, als eine der ganz wesentlichen Entscheidungen im Ringen um die Stadt, denn: „Jetzt kann man uns nicht mehr abhängen. Die bloße Tatsache der Einführung der Westmark ist mehr wert als hundert politische Erklärungen ,Wir bleiben hier!' Das ist ein Faktum — der Berliner will Fakten haben, und damit hat er vollkommen recht." Berlin im Parlamentarischen

Rat

Fast zur gleichen Zeit, als im Sommer 1948 die politische Krise in Berlin mit dem Beginn von Blockade und Luftbrücke ihrem Höhepunkt zustrebte, erfolgte in Westdeutschland die endgültige Weichenstellung in Richtung einer staatlichen Neuorganisation. Doch die Anfang Juni bekanntgewordenen Empfehlungen der Londoner SechsMächte-Konferenz fanden in Deutschland zunächst weit mehr Kritik als Zustimmung; in Berlin klagte man sogar bitter darüber, daß die Stadt darin nicht einmal erwähnt worden war. Doch so einfach ließ man sich hier nicht mehr in die Ecke stellen. Im Auftrage des Stadtparlaments drängten Louise Schroeder und Ernst Reuter in den internen Beratungen der westdeutschen Ministerpräsidenten wie in deren Unterredungen mit den Militärgouverneuren auf schnelle Entscheidungen, da sie in der politischen und ökonomischen Festigung des westlichen Deutschland eine elementare Voraussetzung für das Gesunden „auch unserer Verhältnisse" erblickten. Ihrer Uberzeugungsarbeit nicht zuletzt war es zu danken, daß nahezu alle ihre Gesprächspartner begriffen, wie sehr die Staatswerdung im Westen eine wesentliche Hilfe auch für die Deutschen im Osten sein könne — vorausgesetzt, daß die enge Verbindung mit Berlin gewahrt blieb und das „Provisorium" die T ü r zur Wiedervereinigung in Freiheit offenließ. Fünf von der Stadtverordnetenversammlung gewählte Vertreter — Ernst Reuter, O t t o Suhr, Paul Löbe, Jakob Kaiser und Hans Reif — durften sich an den Arbeiten des Parlamentarischen Rates in Bonn beteiligen, allerdings nur mit beratender Stimme, da ein formeller Antrag auf volles Wahlrecht am französischen Widerstand gescheitert wäre.

IV. Demokratischer

Neuanfang

1948—1950

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In den ersten Monaten des Jahres 1949 war während der Arbeiten des Parlamentarischen Rates auch die Frage der künftigen Stellung Berlins entscheidungsreif geworden. Nach der vollzogenen Spaltung und dem mittlerweile erbrachten Beweis der Uberlebensfähigkeit des westlichen Teils der Stadt im Blockadewinter, sah man hier keinen Grund mehr zum weiteren Hinausschieben einer grundsätzlichen Klärung. Nachdem der Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates am 6. Januar Berlin das Recht der Entsendung von Abgeordneten in den künftigen Bundestag zugebilligt hatte, beschloß er am 8. Februar — entsprechend einer vom Stadtparlament nach der Regierungserklärung des Magistrats erhobenen Forderung — die vollberechtigte Aufnahme Berlins als „zwölftes Land" in die zu schaffende Bundesrepublik. Diese Beschlüsse stießen sofort auf den Widerspruch der Sowjetunion, die sich dabei vor allem wieder auf die ungerechtfertigte These von der Zugehörigkeit Berlins zu ihrer Zone stützte und erklärte, daß Berlin „auf keinen Fall in einen separaten deutschen Staat eingeschlossen werden kann". Die Westmächte aber glaubten — weniger aus Rücksicht darauf, als vielmehr aus dem Beharren auf der nicht einseitig aufkündbaren Rechtsposition der Vier-Mächte-Abkommen über die Besatzung und die Verwaltung der Stadt —, der vollen Eingliederung Berlins in den Bund nicht zustimmen zu können. So stand die Nennung Berlins als zwölftes Land im Grundgesetz-Entwurf auf der Liste der Einsprüche der Militärgouverneure, die sie den Vertretern des Parlamentarischen Rates am 2. März übergaben. Diese Haltung hinterließ bei den demokratischen Parteien naturgemäß Verbitterung, wenngleich sie einräumen mußten, daß damit ja doch der erste Schritt zur Beteiligung Berlins in irgendeiner Form getan war, nachdem Frankreich noch kurz zuvor mit aller Entschiedenheit jegliche Einbeziehung Berlins abgelehnt hatte. Oberbürgermeister Reuter machte den Einspruch der Westalliierten nicht zum Gegenstand eines Konflikts, sondern suchte in Verhandlungen das sicherzustellen, worauf es im Augenblick zunächst einmal wirklich ankam: zum einen auf die Möglichkeit praktischer Mitarbeit Berlins im Bund, zum anderen auf die Proklamierung des prinzipiellen Anspruchs auf uneingeschränkte Zugehörigkeit der Stadt zum Bund. Durch den Verzicht des Berliner Stadtparlaments in seiner Entschließung vom 17. März auf eine für die Westmächte untragbar erscheinende Formel gelang dann in der T a t die Durchsetzung des grundsätzlich-politischen wie auch des praktischen Inhalts der Berliner Forderungen. Bei der abschließenden Aussprache mit den Vertretern des

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Hans J. Reichhardt • Wiederaußau

Berlins 1945—1963

Parlamentarischen Rates am 25. April bestanden die Militärgouverneure nicht mehr auf der Streichung einer Erwähnung Berlins als eines der Gründerländer des Bundes, sondern begnügten sich mit der Erklärung, daß diese Klausel kraft alliierter Oberhoheit suspendiert sei; weiter billigten sie Bestimmungen, die die Mitarbeit Berlins ohne Stimmrecht in den gesetzgebenden Organen des Bundes vorsahen. Berlins Politiker sahen ein, daß unter den gegebenen Umständen für die Verbindung und die Bindung Berlins zum Bund vorerst nicht mehr zu erreichen war. Doch das Erreichte blieb selbstverständlich nur eine Etappe auf dem Weg zum eigentlichen Ziel. Ihnen allen erschien es damals schlechthin unvorstellbar, daß mit der Ablehnung der vollen und gleichberechtigten Eingliederung Berlins in den Bund de facto schon eine grundsätzliche Entscheidung gefallen sein sollte, an der die Westmächte seither unbeirrt festhalten.

Ende der

Blockade

Um die Jahreswende 1948/1949 schien die sowjetische Führung zu der Erkenntnis gekommen zu sein, daß ihr Versuch, mit der Berliner Blockade die Bildung eines Staates in den Westzonen zu verhindern und die Westmächte aus Berlin zu vertreiben, mißlungen war. Der Angriff auf die vermeintlich schwächste Position des Westens war nicht nur vergeblich gewesen, sondern hatte zugleich den letzten Anstoß dazu geliefert, daß dieser sich über seine unmittelbaren Reaktionen in Berlin hinaus dann in der N A T O zu einem engen politischen und militärischen Bündnis zusammenschloß. Erste Anzeichen einer Änderung der sowjetischen Haltung waren schon auf der 1. Parteikonferenz der S E D Ende Januar 1949 spürbar, als ihr stellvertretender Vorsitzender Ulbricht erklärte, daß seine Partei Berlin nicht etwa als eine Stadt oder ein Land der sowjetischen Zone betrachte, sondern als Hauptstadt Deutschlands. Diese offensichtliche Kursänderung fand im Westen zunächst kaum Beachtung. Wenig später zeigte sich jedoch, daß Ulbricht bereits im Sinne einer neuen politischen Linie Moskaus gesprochen hatte. Denn einem von T A S S veröffentlichten Interview Stalins zum deutschen Problem und zu den Beziehungen der Großmächte untereinander fehlte jeder Hinweis auf den Status Berlins und die Währungsfrage, dem angeblichen Konfliktstoff. Washington wertete dies als ein ermutigendes Zeichen für ein mögliches Einlenken, weshalb es seinem UN-Chefdelegierten Jessup an seinen sowjetischen Kollegen Malik die inoffizielle Frage richten ließ, ob

IV. Demokratischer

Neuanfang

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die Nichterwähnung der Währungsfrage im Interview Stalins einer bewußten Absicht entsprach. Maliks einen Monat später gegebene Mitteilung, daß es sich dabei um keinen „Zufall" gehandelt habe, leitete dann in New Y o r k jene vertraulichen Gespräche zwischen Jessup und Malik ein, die schließlich zur Aufhebung der Blockade führten. Am 18. März 1949 wurde der T e x t des Nordatlantik-Paktes veröffentlicht, dessen Art. 6 als „bewaffneten Angriff" auf einen der Vertragspartner unter anderem jeden Angriff auf Besatzungsstreitkräfte in Europa definierte. US-Außenminister Acheson meinte dazu am gleichen Tage vor der Presse, daß ein solcher Fall bereits vorläge, wenn ein Luftbrücken-Flugzeug von sowjetischer Seite angegriffen würde. Grundsätzlich bedeutete dieser Artikel, daß Berlin auf Grund der Anwesenheit westlicher Truppen zum Schutzbereich des neuen Vertrages gehörte. Dies und zwei T a g e später die Einführung der W e s t mark wertete Reuter als das langersehnte Ende der Ungewißheit und als die „ . . . nach langen Auseinandersetzungen zustandegekommene definitive Anerkennung der T a t a c h e . . . , daß wir hier in Berlin ein Teil des Westens sind, als solcher angesehen und als solcher geschätzt werden". Mit dieser festen Überzeugung im Gepäck folgte er unmittelbar anschließend einer Einladung der amerikanischen Bürgermeisterkonferenz. Diese Reise trug einen völlig anderen Charakter als die Besuche in London und Paris sechs W o c h e n zuvor. W a r es dort darum gegangen, von den Außenministern Bevin und Schuman die Bewilligung konkreter Berliner Forderungen zu erlangen, so bestand der Hauptzweck diesmal darin, die öffentliche Meinung Amerikas von der Notwendigkeit einer Eindämmung aggressiver kommunistischer Politik zu überzeugen. Wieder und wieder bekräftigte er seine Auffassung, daß ein erfolgreicher Widerstand zwar nicht ohne militärische Stärke, wohl aber ohne Krieg möglich sei, was seine Zuhörer offenbar am meisten beeindruckte. Die Priorität politischer vor militärischen Aufgaben besaß für Reuter noch einen spezifisch deutschen Aspekt. Zwar war er nicht auf eine mögliche Teilnahme an der N A T O angesprochen worden — diese Idee griff die amtliche Politik erst nach Ausbruch des Korea-Krieges im Sommer 1950 auf — , doch galt die „Remilitarisierung" der Deutschen in gewissen amerikanischen Kreisen durchaus schon als Diskussionsthema. Bereits im Januar aber hatte er jeden Gedanken daran mit größter Entschiedenheit zurückgewiesen, weil er fürchtete, daß dies einmal die Chancen der Deutschen zur Akzeptanz demokratischer Lebensformen vermindern und sich Osteuropa zudem

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aus Angst vor einem wiederbewaffneten Deutschland zu einem festen Abwehrblock unter sowjetischer Führung zusammenschließen würde. Diese b e t o n t e Zurückhaltung gegenüber einer rein militärischen Betrachtungsweise des Kalten Krieges und die Bereitschaft zum Verzicht auf ein bestimmtes Element militärischer Stärke, statt ihretwegen eine Schwächung der demokratischen Front in Kauf zu nehmen, bedeuteten, f ü r Reuter keineswegs eine Selbstbeschränkung der politischen Ziele. Stets betrachte er in der Politik des „Containment" nur als Ausgangsbasis für eine politische Offensive mit dem Ziel, den unter kommunistische Herrschaft geratenen Völkern Osteuropas ihr Recht auf Selbstbestimmung wiederzugeben. Noch in Washington hatte Reuter von den geheimen Jessup/MalikGesprächen erfahren, ohne daß er nach der Rückkehr konkret etwas verlauten lassen durfte. Als Ende April die Tatsache der Verhandlungen offiziell bestätigt wurde, warnte er vor Nervosität auf westlicher Seite. T r o t z plötzlicher sowjetischer Eile sollten die Amerikaner ihre Gegenspieler kaltblütig und realistisch „an sich herankommen lassen", u m bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Doch die Entwicklung verlief nun viel schneller als von Reuter erwartet. Schon am 4. Mai erfolgte in New York die Bekanntgabe eines Kommuniques über die Einigung der Großmächte auf Beseitigung aller seit dem 1. März 1948 von beiden Seiten eingeführten Verkehrsbeschränkungen und auf die Einberufung einer Außenministerkonferenz für den 23. Mai nach Paris zur Erörterung aller Deutschland und Berlin betreffenden Probleme. Die letzte Woche vor dem Blockade-Ende war von fieberhafter Aktivität erfüllt. Neben den dringendsten, sofort einzuleitenden praktischen Maßnahmen, die den Menschen das Gefühl spürbarer Erleichterung verschaffen sollten — Heranbringen von frischen Kartoffeln, O b s t und Gemüse, Wegfall der Strom- und Gaszuteilungen und anderes mehr —, sah Reuter seine Aufgabe darin, seinen Mitbürgern die Bedeutung des Geschehens zu erläutern. Bei aller nur zu verständlichen Freude über das Scheitern des Unternehmens, „uns in die Knie zu zwingen", mahnte er unablässig, nie zu vergessen, daß damit nur ein erster Schritt auf dem Weg zurückgelegt war, an dessen Ende die Uberwindung der Spaltung Deutschlands und Berlins stehen mußte. Als am 12. Mai die ersten Lastwagen und die ersten Züge aus dem Westen wieder in Berlin eintrafen, würdigte Reuter in einer außerordentlichen Sitzung des Stadtparlaments, an der die drei Militärgouverneure und eine Delegation des Parlamentarischen Rates teilnahmen, wie auf der anschließenden Kundgebung jubelnder Berliner vor dem

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S c h ö n e b e r g e r R a t h a u s v o r allem die L u f t b r ü c k e , durch „die wir im wahrsten Sinne des W o r t e s g e r e t t e t worden sind . . . " . D i e A n e r k e n n u n g dieser e n o r m e n t e c h n i s c h e n L e i s t u n g darf aber n i c h t d a r ü b e r hinwegt ä u s c h e n , d a ß ihr G e l i n g e n von zwei wesentlichen V o r a u s s e t z u n g e n abhing: D i e eine lag in d e r S c h e u S t a l i n s v o r d e m R i s i k o eines neuen W e l t k r i e g s wegen Berlin. D e n v o n M o n a t zu M o n a t d i c h t e r werdenden S t r o m der T r a n s p o r t m a s c h i n e n in den L u f t k o r r i d o r e n h ä t t e n sowjetische J ä g e r jeden T a g u n t e r b r e c h e n k ö n n e n . D i e E x i s t e n z der L u f t b r ü c k e b e r u h t e nur darauf, daß h i n t e r ihr die gesamte militärische M a c h t des W e s t e n s , v o r allem aber das a m e r i k a n i s c h e A t o m w a f f e n m o n o p o l , stand. D i e andere V o r a u s s e t z u n g b i l d e t e die E n t s c h l o s s e n h e i t der Berliner z u m W i d e r s t a n d , lange b e v o r der t e c h n i s c h e E r f o l g der L u f t b r ü c k e gesichert o d e r auch n u r v o r s t e l l b a r schien. D i e s aber war n u r m ö g l i c h , weil die d e m o k r a t i s c h e n P a r t e i e n , dann schließlich v o r allem ein M a n n , dieser E n t s c h l o s s e n h e i t A u s d r u c k zu g e b e n verm o c h t e n , der bei aller F ä h i g k e i t z u m kühlen R e c h n e n n i c h t nach den C h a n c e n des E r f o l g s f r a g t e , s o n d e r n allein seiner inneren U b e r z e u g u n g folgte und den Selbstbehauptungswillen einer waffenlosen B e v ö l k e r u n g in die W a a g s c h a l e der zu t r e f f e n d e n E n t s c h e i d u n g warf. Bei der auf G r u n d der J e s s u p / M a l i k - G e s p r ä c h e für E n d e Mai 1 9 4 9 in Paris vereinb a r t e n K o n f e r e n z resignierten die A u ß e n m i n i s t e r der S i e g e r m ä c h t e b e r e i t s nach wenigen T a g e n in ihren wohl o h e n h i n nur m i t wenig E n g a g e m e n t b e t r i e b e n e n V e r s u c h e n zur L ö s u n g des deutschen P r o b l e m s . W e n n W e s t und O s t auch nach wie vor ihren W i l l e n zur W i e dervereinigung der von ihnen b e s e t z t e n G e b i e t e b e t e u e r t e n und die S c h u l d an deren N i c h t Z u s t a n d e k o m m e n d e r jeweils anderen S e i t e aufz u b ü r d e n s u c h t e n , schien es d o c h , als o b sie sich e r l e i c h t e r t p r a k t i s c h e n Fragen des N e b e n e i n a n d e r l e b e n s zweier T e i l e D e u t s c h l a n d s zuwandt e n . S o e n d e t e diese K o n f e r e n z m i t e i n e m Modus vivendi

in b e z u g auf

innerdeutsche H a n d e l s - und V e r k e h r s f r a g e n . F ü r Berlins P o l i t i k e r b e d e u t e t e dies einen Fehlschlag in der H a u p t s a che. G l e i c h w o h l h o f f t e n sie auf weitere V e r h a n d l u n g e n und darauf, daß der W e s t e n in künftigen A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n ein stärkeres D u r c h s e t z u n g s v e r m ö g e n an den T a g legen würde, um schließlich d o c h eine L ö s u n g der d e u t s c h e n Frage z u e r z w i n g e n . A b e r was f o l g t e , war nicht die e r h o f f t e Serie von K o n f e r e n z e n , sondern eine weitere V e r s t e i f u n g der F r o n t e n . D i e s e W e n d u n g k a m zu schnell, zu ü b e r g a n g s l o s auf der H ö h e des T r i u m p h e s , als daß die d a m i t v e r b u n d e n e n G e f a h r e n eines Einfrierens der d e u t s c h e n T e i l u n g in ihrer vollen T r a g w e i t e hierzulande s o f o r t s i c h t b a r geworden wären. D i e weitere E n t w i c k l u n g sollte

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zeigen, daß sich der W e s t e n in der schweren Berlin-Krise zwar behauptet, letztlich aber darauf verzichtet hatte, vom Gegner das Eingeständnis einer Niederlage seiner Politik zu verlangen. Anzeichen der neuen, ungünstigen Veränderungen in der internationalen Politik traten schon während und unmittelbar nach der Pariser Konferenz zutage. T r o t z allgemeiner Zusagen über eine Entspannung der Lage in und um Berlin war doch deutlich geworden, daß der W e s t e n zwar eine R ü c k k e h r zu den ursprünglichen Besatzungsregelungen mit dem Vetorecht grundsätzlich ablehnte, keineswegs aber zur endgültigen Aufgabe des V i e r - M ä c h t e - S t a t u s entschlossen war. Vielmehr schien er darauf zu hoffen, daß die Sowjetunion sich eines T a g e s bei einer Eingliederung West-Berlins in die künftige Bundesrepublik und vielleicht sogar bei der Wiedervereinigung zu annehmbaren Kompromissen bereitfinden könnte. Die W e s t m ä c h t e widersetzten sich daher W ü n s c h e n des M a g i s t r a t s , ü b e r das New Y o r k e r A b k o m m e n von Anfang Mai hinaus — immerhin der einzigen, allerdings sehr unpräzisen Regelung des Berlin-Verkehrs bis z u m V i e r - M ä c h t e - A b k o m m e n von 1971 —, die Sicherung des Zugangs nach Berlin nicht allein f ü r die Alliierten, sondern auch f ü r die Deutschen zu verlangen, da bindende Vereinbarungen in jedem Fall ihren W e r t hätten. Denn bei ihrer Verletzung wäre zumindest die Rechtslage klar, während ohne derartige Abmachungen die sowjetische Seite ständig eine Politik der Nadelstiche zur Verunsicherung der Berliner Wirtschaft verfolgen könnte, ohne einen eindeutigen Rechtsbruch zu begehen. In ähnlicher Form zeigte sich das alliierte Bemühen, den ehemaligen Verbündeten nicht zu provozieren, in der Frage der Wahl von Berliner Bundestagsabgeordneten. Die westlichen Militärgouverneure hatten in ihrem Genehmigungsschreiben zum Bonner Grundgesetz vom 12. Mai 1949 jene Artikel, die Berlins volle Mitgliedschaft im Bund vorsahen, suspendiert und bei der Auseinandersetzung über das W a h l g e s e t z z u m Bundestag die Teilnahme Berlins auf die Entsendung von acht Delegierten mit beratender S t i m m e beschränkt. Als man in der Stadt dagegen aufbegehrte und zur Unterstreichung des Zugehörigkeitsgefühls z u m deutschen W e s t e n schon technische Vorbereitungen für die Bundestagswahlen treffen wollte, reagierte die Kommandantur auf französische Initiative mit einem Verbot. Wenn auch die Alliierten — t r o t z allen Drängens der Berliner in den folgenden Jahren — bis in unsere Gegenwart hinein auf ihren Vorbehalten gegenüber einer vollen Eingliederung der Stadt in die Bundesrepublik beharrten, so ließen sie seitdem zugleich keinen Zweifel an ihrer Bereitschaft, die faktische

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B i n d u n g Berlins an den B u n d zu t o l e r i e r e n und im R a h m e n des eigenen S t a n d p u n k t e s sogar zu f ö r d e r n . G l e i c h w o h l war die erste und folgenreiche Niederlage, die Berlins M a g i s t r a t und S t a d t p a r l a m e n t im R i n g e n um die volle I n t e g r a t i o n der S t a d t in den B u n d erlitten h a t t e n , in m e h r als in e i n e r H i n s i c h t s y m p t o m a t i s c h f ü r das p o l i t i s c h e K l i m a der U b e r gangszeit nach der B l o c k a d e .

Eisenbahnerstreik D a s gleiche S t r e b e n der westlichen V e r b ü n d e t e n , das E n d e des offenen K o n f l i k t s um Berlin m i t d e m V e r s u c h e i n e r Besserung der O s t W e s t - B e z i e h u n g e n zu v e r b i n d e n , b e s t i m m t e auch den V e r l a u f des die S t a d t schwer b e l a s t e n d e n p o l i t i s c h e n und w i r t s c h a f t l i c h e n K a m p f e s , den die in der U G O organisierten 13 0 0 0 E i s e n b a h n e r gegen ihre den d e u t s c h e n B e h ö r d e n in der s o w j e t i s c h e n Z o n e u n t e r s t e h e n d e R e i c h s b a h n d i r e k t i o n ( R B D ) zu führen h a t t e n . D i e s war n i c h t lediglich eine A u s e i n a n d e r s e t z u n g zwischen A r b e i t n e h m e r n und A r b e i t g e b e r n , sondern ein besonders typisches Beispiel für die enge V e r k n ü p f u n g lokaler V o r g ä n g e m i t den u n m i t t e l b a r e n Interessen der G r o ß m ä c h t e in der S t a d t . U r s a c h e des S t r e i k s war die W e i g e r u n g der Berliner R B D , ihren in den W e s t s e k t o r e n w o h n e n d e n B e d i e n s t e t e n nach E i n f ü h r u n g der D M ( W e s t ) als alleingültigem Z a h l u n g s m i t t e l L ö h n e und G e h ä l t e r in dieser W ä h r u n g zu zahlen. D a die R B D es zugleich a b l e h n t e , ü b e r dieses P r o b l e m m i t der U G O zu verhandeln, k o n n t e diese ihre F o r d e rungen nur an den M a g i s t r a t r i c h t e n . I m B e w u ß t s e i n dessen, daß eine neue S t ö r u n g des e b e n erst wieder e i n s e t z e n d e n V e r k e h r s eine wirtschaftliche K a t a s t r o p h e b e d e u t e n k ö n n t e , gelang es ihm z u n ä c h s t , den a n g e d r o h t e n S t r e i k durch eine b e s o n d e r e U m t a u s c h a k t i o n bis z u m E n d e der B l o c k a d e a b z u w e n d e n . D o c h k o n n t e das keine D a u e r l ö s u n g sein, denn die für Berlin zuständige R B D h a t t e ihren S i t z im amerikanischen S e k t o r und ihre B e d i e n s t e t e n k o n n t e man n i c h t wie andere bei A r b e i t g e b e r n im s o w j e t i s c h e n S e k t o r b e s c h ä f t i g t e „ G r e n z g ä n g e r " in den allgemeinen L o h n u m t a u s c h einbeziehen. S o b e g a n n der S t r e i k u n m i t t e l b a r vor der A u ß e n m i n i s t e r k o n f e r e n z in Paris am 2 1 . M a i , wobei sich s o f o r t z e i g t e , d a ß die ö s t l i c h e S e i t e daraus ein P o l i t i k u m zu m a c h e n gewillt war. Ihre B a h n p o l i z e i b e a n s p r u c h t e , auch f ü r den S c h u t z der Bahnanlagen als eines quasi e x t e r r i t o rialen G e b i e t s in W e s t - B e r l i n v e r a n t w o r t l i c h zu sein; teilweise bewaffnete k o m m u n i s t i s c h e

Rollkommandos

wurden zur B e s e t z u n g

der

B a h n h ö f e und zur E i n r i c h t u n g eines N o t d i e n s t e s h e r ü b e r g e s c h i c k t ,

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was die von der Bevölkerung unterstützten Streikenden zu erbitterter Gegenwehr reizte, die einen Toten und mehrere Verletzte forderte. Erst nachdem der Magistrat von den westlichen Alliierten die Erlaubnis zum Einsatz der rechtmäßigen Polizei erlangt hatte, fand der Spuk am Abend des 24. Mai ein Ende. Die sowjetischen Militärbehörden protestierten zwar, ließen es jedoch nicht mehr auf direkte Konfrontationen ankommen. Dafür aber legten sie den Güterverkehr zwischen Westdeutschland und Berlin still, was faktisch einem Weiterbestehen der Blockade auf dem Schienenwege gleichkam. Einen Ende Mai unternommenen Vermittlungsversuch Oberbürgermeister Reuters zur Beendigung des Streiks vereitelte die RBD mit dem Bemerken, mit dem FDGB existiere bereits eine Vereinbarung, derzufolge sie mit der am 1. Juni in Kraft tretenden Gebührenerhebung in DM (West) auch ihren Bediensteten in West-Berlin 60 % der Löhne und Gehälter auszahlen werde. Die Weigerung zu Gesprächen mit der U G O und das Fehlen von Garantien gegen Maßregelungen veranlaß ten jedoch die Streikenden zur Ablehnung dieses Angebots. Inzwischen beauftragten sogar die Außenminister in Paris die Militärbehörden in Berlin in einer wenig präzis formulierten Direktive, eine Beilegung des Konflikts herbeizuführen. Nach einer ergebnislosen Aussprache der vier Stadtkommandanten ersuchte US-General Howley den Chef der SMA-Transportabteilung, General Kwaschnin, um eine Garantie für die Vereinbarung zwischen RBD und FDGB. Als er sie erhielt, bat Howley die UGO, den Streik auf dieser Basis zu beenden. Doch am Morgen der nächsten Urabstimmung, am 14. Juni, dementierte das SMA-Organ „Tägliche Rundschau" jede Zusicherung an Howley. Die „östlichen" Zusicherungen gegenüber ohnehin skeptischen Eisenbahner fühlten sich betrogen und streikten weiter. Nach Abschluß der Pariser Konferenz aber forderten die westlichen Regierungen ein Ende des Streiks bis zum 28. Juni, um die vereinbarten Vier-Mächte-Gespräche in Berlin nicht zu stören. Die westlichen Stadtkommandanten baten deshalb General Kwaschnin noch einmal um eine schriftliche Formulierung eines Angebots, das er bereitwillig wiederholte, allerdings mit der Einschränkung, der Verzicht auf Repressalien dürfte die R B D künftig nicht an der Entlassung von „Bummelanten und Saboteuren" hindern. Kwaschnins Schreiben veranlaßte die Kommandanten, den Abbruch des Streiks zu verlangen, der so mit einer kaum verhüllten Niederlage endete. Zwar waren die Lohnforderungen erfüllt, doch fehlte es an genügender Sicherung für die Arbeitsplätze und an der Anerkennung der U G O als Verhandlungspartner für

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die R B D . Die Folgen dieser Versäumnisse ließen nicht lange auf sich warten. Unmittelbar nach Wiederaufnahme der Arbeit und dem Wiederbeginn des S-Bahnverkehrs setzte eine Welle von Entlassungen oder Versetzungen von Streikenden ein. Als die wiederholten Proteste der westlichen Stadtkommandanten dagegen von den sowjetischen Behörden nur mit höhnischen und unwahren Erklärungen und Behauptungen beantwortet wurden, sahen sie sich gezwungen, die Gespräche über eine Normalisierung des Lebens in der Stadt abzubrechen.

M

Kleines

Besatzungsstatut"

Nach dem Ende der Blockade blieb Berlin über Monate hinweg in einer Art Schwebezustand, der seine gesamte Verwaltung mit einer Fülle schwerwiegender und diffiziler Probleme konfrontierte. Die auf Weisung der Pariser Außenministerkonferenz begonnenen Verhandlungen der Militärregierungen verliefen im Sande, da die sowjetische Seite offensichtlich kaum an für alle erträglichen Verhältnissen in der Stadt interessiert zu sein schien. Bedingt durch den wochenlangen Streik der Eisenbahner blieben Verkehrsbeschränkungen und -behinderungen verschiedener Art bestehen. In Westdeutschland erlahmte in Erwartung der bevorstehenden Gründung eines neuen Staates das Interesse an Berlin. Der Frankfurter Bizonen-Wirtschaftsrat vermochte vor der Konstituierung der Bundesorgane sich zu keiner Entscheidung zugunsten der Stadt mehr aufzuraffen. Die Parteien konzentrierten ihre Aufmerksamkeit auf die bald stattfindenden Bundestagswahlen. Die Alliierten verlegten ihre wichtigsten Dienststellen an den Rhein, ihren dezimierten Berliner Vertretungen aber mangelte es am notwendigen Verständnis für die veränderte Situation. In der Abwesenheit politisch Verantwortlicher besonders auf amerikanischer Seite — General Clays Nachfolger J o h n J . M c C l o y kam erst Mitte Juli nach Deutschland — „regierten" nun unpolitische Finanzbeamte. Die westdeutsche Wirtschaft überschwemmte den Berliner Markt mit alten Ladenhütern und beeinträchtigte die Erholung mancher Zweige der örtlichen Industrie. N i c h t wenige Betriebe fühlten sich in Berlin nicht mehr sicher genug und wanderten ab, bis auf eine Ausnahme verlegten alle Großfirmen ihre Unternehmungsleitungen in westdeutsche Städte, vor allem nach Frankfurt und nach München — ein äußerst bezeichnendes Symptom für die Beurteilung des politischen Risikos durch führende Kreise der Wirtschaft.

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Die Summe der negativen Wirkungen all dieser Umstände ließ sich nicht zuletzt ablesen am Emporschnellen der Arbeitslosenzahl auf über eine Viertelmillion, am völlig unzureichenden Produktionsstand der Wirtschaft und ihrem fast totalen Kapitalmangel, am Angewiesensein von nahezu der Hälfte der Bevölkerung auf irgendeine Form öffentlicher U n t e r s t ü t z u n g . Kurz: Die Not in der Stadt wuchs, statt, wie erhofft und erwartet, als direkte Folge der überstandenen Blockade spürbar abzunehmen. Berlin sah sich in die Rolle eines Almosenempfängers gedrängt, statt nun endlich mit allen Kräften an seinen Wiederaufbau herangehen zu können. Es bedurfte schon des M u t e s und der Standhaftigkeit eines Ernst Reuter, vor einem Berg solcher Schwierigkeiten nicht zu kapitulieren. Dabei mußte er sich nicht allein mit Fehldispositionen alliierter Stellen herumplagen, sondern noch gegen von ihnen in westdeutsche Blätter lancierte Vorwürfe der Korruption und Mißwirtschaft wehren, die er nicht anders als eine ungeheuerliche und schamlose Verleumdung empfand. Offiziell erhielt er zwar die Zusicherung, daß man sich künftig jeglicher Unterstützung solcher Presseattacken enthalten werde, doch blieben die Beziehungen weiterhin gespannt. Dem Chefredakteur einer Berliner Zeitung erläuterte er, daß die Hilfe der Alliierten nicht so „grundlegend" sei, wie dieser i m m e r n o c h annehme. Außerdem stellte er unmißverständlich klar, daß „wir nicht nur nicht die Quislinge der Sowjets, sondern auch nicht die Quislinge anderer Besatzungsmächte sind". Der Forderung der Alliierten Kommandantur von Anfang Juli nach einer starken Reduzierung des Berliner Haushalts attestierte der Oberbürgermeister vor den Stadtverordneten unverblümt einen beachtlichen Mangel an Logik. Wenn man von der Stadt schon den Anschluß an westdeutsche Wirtschaftsgewohnheiten verlange, nachdem sie durch die Blockade zu einem „Mittelding zwischen Bankier und Händler" geworden sei, dann setze dies eben die volle Einbeziehung in das westdeutsche Wirtschaftsgebiet voraus. Erbittert fragte er noch am gleichen Abend auf einer SPD-Funktionärkonferenz: „Was sind wir in Berlin eigentlich, ein Haufen Dreck, den man abschreiben kann, oder sind wir ein Teil des Westens, für den der Westen zu sorgen hat?" Am 26. August billigte die Kommandantur nach erheblichen Abstrichen den revidierten Haushalt, der gleichwohl noch immer ein beträchtliches Defizit aufwies. Vergeblich warnte Reuter, gestützt auf seine Erfahrungen mit der Deflationspolitik Brünings in der Endphase der Weimarer Republik, in einem von beiden Bürgermeistern Louise

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S c h r o e d e r und F e r d i n a n d F r i e d e n s b u r g m i t u n t e r z e i c h n e t e n Schreiben die Alliierten vor den F o l g e n einer Ü b e r t r e i b u n g rein fiskalischer G e s i c h t s p u n k t e , weil Berlins a u s g e b l u t e t e W i r t s c h a f t u n m ö g l i c h j e n e durch die erzwungene E i n s c h r ä n k u n g städtischer Aufgaben freigewordenen A r b e i t s k r ä f t e aufsaugen k ö n n e . I m S o m m e r 1948 h a t t e n die R e g i e r u n g e n der W e s t m ä c h t e beschlossen, ihr V e r h ä l t n i s zur k ü n f t i g e n B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d durch ein b e s o n d e r e s B e s a t z u n g s s t a t u t zu regeln. D a d u r c h sollten ihre aus der B e s e t z u n g sich ergebenden allumfassenden R e c h t e in wichtigen Bereichen eine E i n s c h r ä n k u n g z u g u n s t e n neuer d e u t s c h e r staatlicher O r gane e r f a h r e n , zugleich ihnen aber R e c h t e bei der S i c h e r h e i t ihrer S t r e i t k r ä f t e , der G e w ä h r l e i s t u n g einer d e m o k r a t i s c h e n O r d n u n g , der K o n t r o l l e b e s t i m m t e r Zweige der W i r t s c h a f t und der V e r t r e t u n g D e u t s c h l a n d s nach außen v o r b e h a l t e n bleiben. D e r V i e r - M ä c h t e - S t a t u s Berlins ließ eine s c h e m a t i s c h e Ü b e r n a h m e des B e s a t z u n g s s t a t u t s n i c h t zu. G l e i c h w o h l wollten die W e s t m ä c h t e in m ö g l i c h s t weitem U m f a n g e die im B e s a t z u n g s s t a t u t für ihre Z o n e n vorgesehene L o c k e r u n g ihrer V o r r e c h t e auf Berlin ü b e r t r a g e n . Zwei T a g e nach der A u f h e b u n g der B l o c k a d e , am 14. Mai 1 9 4 9 , v e r k ü n d e t e n sie die gemeinhin als „ K l e i n e s B e s a t z u n g s s t a t u t " b e z e i c h n e t e „ E r k l ä rung ü b e r die G r u n d s ä t z e der B e z i e h u n g e n der S t a d t G r o ß - B e r l i n zur Alliierten K o m m a n d a n t u r " . Sie endlich setzte A r t . 36 der Vorläufigen V e r f a s s u n g v o m A u g u s t 1 9 4 6 a u ß e r K r a f t , der das V e r h ä l t n i s zwischen den s t ä d t i s c h e n K ö r p e r s c h a f t e n und der K o m m a n d a n t u r so b e l a s t e t h a t t e . D e r K a t a l o g der den westlichen Militärregierungen v o r b e h a l t e nen R e c h t e war u m f a n g r e i c h e r als im B e s a t z u n g s s t a t u t f ü r die W e s t z o nen; d e n n o c h k o n n t e der M a g i s t r a t e r w a r t e n , daß das V e r h ä l t n i s der S t a d t v e r w a l t u n g zur K o m m a n d a n t u r n i c h t länger durch Eingriffe ihrer K o m i t e e s und einzelner S t a d t k o m m a n d a n t e n k o m p l i z i e r t würde. A n a l o g zur R e g e l u n g in den drei W e s t z o n e n gab sich die Alliierte K o m m a n d a n t u r am 7. J u n i 1 9 4 9 eine revidierte G e s c h ä f t s o r d n u n g , in der auch ihr V e r h ä l t n i s zur sich auf d e m P e t e r s b e r g bei B o n n ansiedelnden A l l i i e r t e n H o h e n K o m m i s s i o n u m s c h r i e b e n war. N a c h E r l a ß der „ E r k l ä r u n g ü b e r die G r u n d s ä t z e " s e t z t e die K o m m a n d a n t u r in rascher F o l g e zahlreiche f r ü h e r erlassene A n o r d n u n g e n , auch ihrer K o m i t e e s , a u ß e r K r a f t . M i t der V e r s c h ä r f u n g des O s t - W e s t - K o n f l i k t s und der dabei z u t a g e t r e t e n d e n Ü b e r e i n s t i m m u n g der politischen Z i e l s e t z u n g der westlichen R e g i e r u n g e n m i t j e n e r der Bundesregierung wuchs die B e r e i t s c h a f t zur R e v i s i o n des B e s a t z u n g s s t a t u t s wie der E i n r ä u m u n g n e u e r Befugnisse an d e u t s c h e B e h ö r d e n . D e r L o c k e r u n g des Besät-

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Hans J. Reichhardt

• Wiederaufiau.

Berlins 1945—1963

zungsstatuts für die Bundesrepublik am 6. M ä r z 1951 folgte die Kommandantur einen Tag später mit entsprechenden Maßnahmen. Beziehungen Berlins zum Bund Nach den Bundestagswahlen vom 14. August 1949, bei denen die C D U / C S U einen knappen Vorsprung erlangen konnte, konzentrierte der Magistrat sein Bemühen darauf, der Bundesregierung die Bedeutung der Probleme Berlins nahezubringen. Dabei ging es nicht einfach um die Sicherung der Existenz der Stadt, so wichtig dafür naturgemäß eine Regelung ihres Verhältnisses zum Bund auch sein mochte, sondern vornehmlich um eine Festlegung des neuen Staates auf seine nationalpolitische Verpflichtung. Berlins Oberbürgermeister konnte den Sinn der Gründung der Bundesrepublik nicht darin sehen, daß an den Ufern des Rheins Selbstzufriedenheit und Bequemlichkeit Platz griffen, sondern allein im Einsatz aller politischen und wirtschaftlichen Energien für eine Uberwindung der Teilung des Landes. Wenngleich Bundestag und Bundesregierung im Herbst sich prinzipiell zu ihren Verpflichtungen gegenüber der Stadt bekannten, so sollten doch schon bald Meinungsverschiedenheiten über Form, Höhe und Verwendung der Bundesmittel die Beziehungen zwischen Bonn und Berlin überschatten. Während der zähen, mühseligen und zeitweilig unerquicklichen Gespräche und Verhandlungen zeigte Oberbürgermeister Reuter keine Scheu in der Inanspruchnahme alliierter Hilfe bei der Durchsetzung berechtigter Berliner Forderungen, um die Zurückhaltung einiger Bonner Persönlichkeiten und Instanzen zu überwinden. Die Hohen Kommissare sahen sich sogar zu der Klarstellung in der Öffentlichkeit gezwungen, daß es weder an ihrer Befürwortung einer umfassenden Hilfe des Bundes für Berlin fehle, noch auch nur die geringsten Zweifel an der Entschlossenheit zur Behauptung der westlichen Position in der Stadt erlaubt seien. T r o t z aller Hemmnisse gelang es dann doch, allmählich zu befriedigenden Regelungen zu kommen. Der Weg vom ersten Kreditvertrag im Januar 1950 über die Verwaltungsvereinbarung im Oktober des gleichen Jahres bis zum späteren „Dritten Uberleitungsgesetz" im J a n u a r 1952 verdeutlicht den Wandel, den die zunächst nur aus umkämpften Teilbeträgen bestehende Bundeshilfe bis zur vollen Eingliederung Berlins in das Finanzsystem des Bundes erfuhr. An die Stelle der anfangs üblichen, demütigenden monatlichen „Bittgänge" Oberbürgermeister Reuters und anderer Magistratsmitglieder nach Bonn traten dann einmal im Jahr stattfindende

IV. Demokratischer Neuanfang

1948—1950

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B e r a t u n g e n ü b e r die H ö h e d e r Z u w a c h s r a t e der Bundeszuschüsse für Berlin. H i n z u k a m die F r a g e der V e r l e g u n g von B u n d e s b e h ö r d e n in die S t a d t . Berlin w e r t e t e die H a l t u n g der Bundesregierung zu diesem P r o b l e m o f t als T e s t f a l l für die E c h t h e i t aller B e t e u e r u n g e n der V e r b u n d e n h e i t . N a t ü r l i c h ging es Berlin dabei vorrangig um den moralischen A n s p r u c h , weiterhin als D e u t s c h l a n d s H a u p t s t a d t zu g e l t e n , zugleich verband sich d a m i t aber auch die H o f f n u n g auf eine W i e d e r b e s c h ä f t i gung der f r ü h e r bei den B e h ö r d e n des R e i c h e s und P r e u ß e n s sowie bei den zahlreichen z e n t r a l e n W i r t s c h a f t s o r g a n i s a t i o n e n tätig gewesenen M i t a r b e i t e r in annähernd gleichwertigen S t e l l u n g e n . In B o n n begann man zwar bereits im O k t o b e r 1 9 4 9 m i t der Prüfung dieser F r a g e , d o c h stieß die V e r w i r k l i c h u n g e n t s p r e c h e n d e r F o r d e r u n g e n auf mannigfache S c h w i e r i g k e i t e n . E i n m a l war die Bundesregierung nach ihrem A m t s a n t r i t t n i c h t s o f o r t in der Lage, sämtliche notwendigen O r g a n i s a t i o n s g e setze für n o c h zu e r r i c h t e n d e Ä m t e r und E i n r i c h t u n g e n a u s z u a r b e i t e n , z u m anderen erwuchsen aus der B e q u e m l i c h k e i t eines T e i l s der h ö h e r e n Bürokratie

und aus der K o n k u r r e n z

interessierter

westdeutscher

S t ä d t e W i d e r s t ä n d e , die die von m a n c h e n Seiten v o r g e s c h o b e n e n A r g u m e n t e s t a a t s r e c h t l i c h e r und v e r k e h r s t e c h n i s c h e r A r t

ergänzten.

N i c h t s d e s t o w e n i g e r f ü h r t e die E n t w i c k l u n g schließlich dahin, daß Berlin in seinen M a u e r n m e h r B u n d e s b e d i e n s t e t e b e h e r b e r g t e als B o n n .

Entwicklung

in Ost-Berlin

D i e G r e n z e n , die d e r U n t e r s t ü t z u n g Berlins d u r c h die W e s t m ä c h t e sowie durch die B u n d e s r e p u b l i k gezogen waren, schlössen bereits ein, daß — e b e n s o wie der P r o z e ß der T e i l u n g D e u t s c h l a n d s durch die F i x i e r u n g zweier p o l i t i s c h e r G e b i l d e auf seinem B o d e n — auch die gewaltsame Spaltung der S t a d t nicht wieder rückgängig zu machen war. M i t d e r s o w j e t i s c h e n A n e r k e n n u n g der v o n d e r S E D im N o v e m b e r 1948 im Admiralspalast in S z e n e gesetzten „ A u ß e r o r d e n t l i c h e n V e r sammlung der S t a d t v e r o r d n e t e n " war der R e c h t s b o d e n der „ V o r l ä u f i gen V e r f a s s u n g " v o n 1946 endgültig verlassen und wenig später der Sinn der ganzen A k t i o n durch die V e r s i c h e r u n g

Oberbürgermeister

E b e r t s e n t h ü l l t w o r d e n , der nun v o n den K o m m u n i s t e n so g e n a n n t e d e m o k r a t i s c h e S e k t o r h a b e einen „ e r h e b l i c h e n T e m p o v e r l u s t

ge-

g e n ü b e r der d e m o k r a t i s c h e n E n t w i c k l u n g in der s o w j e t i s c h e n Besatz u n g s z o n e e i n z u h o l e n " . Lediglich die P r o p a g a n d a ü b e r die weiterhin das Ziel der W i e d e r h e r s t e l l u n g der d e u t s c h e n E i n h e i t verfolgende so-

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Hans J. Reichhardt

• Wiederaußau

Berlins 1945—1963

wjetische Politik hinderte die Verantwortlichen noch für geraume Zeit, sofort die staatsrechtlichen Konsequenzen aus der beabsichtigten Einschmelzung Ost-Berlins in die sowjetische Zone offen zu ziehen. So versicherte selbst der stellvertretende SED-Vorsitzende Ulbricht, Berlin sei nicht als Stadt oder Land der sowjetischen Zone, sondern nur als Hauptstadt Deutschlands zu betrachten. Parallel zu den Verfassungsberatungen im Parlamentarischen Rat, im Grunde aber ihren Ergebnissen erheblich vorauseilend, vollzog sich im Osten Deutschlands eine Entwicklung, die — ohne Rücksicht auf den Vorbehalt der Westmächte zugunsten des Besatzungsrechts in Berlin — zielstrebig auf die Errichtung eines Einheitsstaates in der sowjetischen Zone mit voller Eingliederung Ost-Berlins als seiner Hauptstadt zusteuerte. Schon Anfang Januar 1949 erhielt die Deutsche Wirtschaftskommission ( D W K ) durch Vertreter der fünf Länder der sowjetischen Zone eine so starke Erweiterung, daß sie faktisch den Kern eines einheitlichen Regierungsapparates darstellte — ein Dreivierteljahr vor der Konstituierung der Bundesregierung in Bonn. Den aus dem 2. Deutschen Volkskongreß herausmanipulierten Deutschen Volksrat proklamierte man zum Träger der „Souveränitätsrechte" des deutschen Volkes, da der Alliierte Kontrollrat zu bestehen aufgehört habe. Während die SED die Politiker in West-Berlin als „Quislinge" brandmarkte, die die Stadt zum Anhängsel eines „separatistischen Kolonialstaates" degradieren wollten, hatten sie und ihre „Hilfstruppen" Mitte März 1949, also bereits Monate vor Annahme des Bonner Grundgesetzes, die Beratungen über die künftige Verfassung einer Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossen. Diese sollte durch einen 3. Deutschen Volkskongreß ihre Bestätigung erhalten, für dessen Wahl die Wahlordnung vom 30. März eine jede Überraschung ausschließende Verteilung der Mandate unter die Parteien und Massenorganisationen der sogenannten Nationalen Front vorsah. Daß bei den „Wahlen" am 15. Mai 1949 in der Zone noch immer 33,9 %, im sowjetischen Sektor sogar 41,9 % mit Nein votierten, bleibt unter den gegebenen Umständen eine erstaunliche Tatsache. Sie wird aber letztlich durch das Ergebnis einer gut ein Jahr später erfolgten indirekten Volksbefragung in West-Berlin bestätigt, die man auf Anregung der SPD im Oktober 1950 durch die Aufforderung zur Einsendung von Stammabschnitten der Lebensmittelkarten des Vormonats organisierte. Die rund 400000 im Rathaus Schöneberg eingegangenen Abschnitte einer etwa 1,1 Millionen starken Bevölkerung machten deutlich, daß seit Ende 1948 der innere Widerstand der Menschen gegen die erzwungene Trennung vom west-

IV. Demokratischer

Neuanfang

1948—1950

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liehen Deutschland ungebrochen war, was aber im Grunde ebensowenig etwas an der O h n m a c h t des Volkswillens in Ost-Berlin zu ändern vermochte. Ende Mai billigte der 3. Deutsche Volkskongreß die Verfassung der D D R , und Anfang O k t o b e r verwandelte sich der Deutsche Volksrat in die Provisorische Volkskammer, die jedoch von der Probe einer noch immer riskanten und daher bis zum O k t o b e r 1950 verschobenen Wahl befreit blieb. Diese wählte am 11. O k t o b e r 1949 den SED-Vorsitzenden Wilhelm Pieck zum Präsidenten der D D R , der versicherte, niemals die Spaltung Deutschlands anzuerkennen, und tags darauf die erste Regierung mit O t t o Grotewohl als Ministerpräsidenten und Walter Ulbricht als seinem ersten Stellvertreter, welche sich als „echte unabhängige deutsche Regierung" empfahl und kurze Zeit später von Stalin als Garant eines „friedliebenden demokratischen Deutschlands" gegen die „Weltimperialisten" begrüßt wurde. Bei der G r ü n d u n g der D D R wurde nach ihrer Verfassung Ost-Berlin zwar sofort zu ihrer H a u p t s t a d t proklamiert, ohne aber zugleich in das neue Staatsgebilde voll integriert zu werden. Ahnlich wie im Westen der Stadt, so fühlte sich auch hier die zuständige Besatzungsmacht zumindest in Teilen noch an den Vier-Mächte-Status gebunden. Daher besaßen die Vertreter der Ost-Berliner Körperschaften in der Volkskammer und in der Länderkammer der D D R nur beratende Stimme; erhielten Gesetze und Verordnungen, die nicht unmittelbar in O s t Berlin galten, erst durch Verordnungen des dortigen Magistrats ihre Rechtswirksamkeit, war schließlich auch der Oberste Gerichtshof der D D R hier nicht zuständig, wenngleich dessen grundsätzliche Rechtsprechung das Ost-Berliner Kammergericht übernahm. Die sowjetische Besatzungsmacht, die durch Befehle und Anordnungen ihrer Z e n t r a l k o m m a n d a n t u r seit etwa Mitte 1949 nicht mehr öffentlich in die Verwaltung eingriff, jedoch das Geschehen weiterhin maßgeblich bestimmte, übergab einen Teil der bislang von ihr ausgeübten Verwaltungsfunktionen nach der Konstituierung der staatlichen Organe der D D R an den Ost-Berliner Magistrat. Schon vor der Spaltung waren nicht allein die sequestrierten Betriebe im sowjetischen Sektor in die Planwirtschaft der D W K einbezogen worden. Nach der Etablierung einer nun ausschließlich unter kommunistischem Einfluß stehenden Verwaltung war der Weg frei f ü r die mit Hilfe von Volkswirtschaftsplänen beabsichtigten großen Änderungen in der Wirtschaftsstruktur. Hierzu setzte der Magistrat kurz nach seiner Arbeitsaufnahme die noch von der alten Stadtverordnetenversammlung be-

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Hans J. Reicbbardt

• Wiederaußau

Berlins 1945—1963

schlossenen, aber von der Kommandantur nicht genehmigten Gesetze über die „Einbeziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten" und zur „Uberführung von Konzernen und anderen wirtschaftlichen Unternehmungen in Gemeineigentum" („Sozialisierungsgesetz") in Kraft. Mit der organisatorischen Zusammenfassung der enteigneten Betriebe in sieben „Volkseigene Vereinigungen" der Industrie, weiteren Zusammenschlüssen bei Banken und Versicherungen, der Immobilienwirtschaft, der „Volkseigenen Güter" und der Staatlichen Handelsorganisation ( H O ) war der sozialisierte Sektor der Wirtschaft zusammen mit den kommunalen Großbetrieben bereits Ende 1950 wesentlich größer als der private. Eine Reihe von Gesetzesbestimmungen zum Beispiel im Wirtschaftsstraf- und Steuerrecht schuf weitere Voraussetzungen für den „Aufbau des Sozialismus" auch in Ost-Berlin. Von Beginn an waren die Behörden im sowjetischen Sektor mit gleichsam herostratischem Eifer dabei, den vertragsrechtlich weiter bestehenden Verkehr zwischen beiden Teilen der gespaltenen Stadt auf ein Mindestmaß zu reduzieren, soweit es sich nicht um die Ausnutzung eigener Agitationsmöglichkeiten im Westen Berlins handelte. So beeilte sich die Ost-Berliner Post schon am Jahresanfang 1949 um Übernahme der bislang von einigen in West-Berlin gelegenen Ämtern besorgten Zustellung, vor allem zur Unterbindung des Eindringens westlicher Zeitungen, deren Verkauf ja schon geraume Zeit nicht mehr möglich war. Dann folgte Schritt für Schritt die Errichtung eigener Verwaltungen der kommunalen Versorgungsunternehmen für Strom, Gas und Wasser. Einschüchterung und Zwang auf der einen, propagandistische Ausbeutung der Parole von der deutschen Einheit auf der anderen Seite bestimmten auch die Gestaltung des großangelegten DeutschlandTreffens der kommunistischen FDJ zu Pfingsten 1950, das beim Umfang der Vorbereitungen und dem unermüdlichen Wiederholen damit verknüpfter Drohungen, wie der eines Marsches der Jugend auf WestBerlin, alliierte wie deutsche Stellen zu vorbeugenden Abwehrmaßnahmen zwang. Allerdings zeitigte die innere Ruhe, mit der die westlichen Stadtkommandanten und der Magistrat quasi eine „Politik der offenen Tür" ankündigten, indem sie allen Teilnehmern für Besuche in West-Berlin eine gastliche Aufnahme zusicherten, einen vollen Erfolg; trotz Warnungen der FDJ-Leitung vor angeblich drohender Verhaftung und starker Polizeikontrollen entlang der Sektorengrenze strömten zehntausende von Jugendlichen in die Westhälfte der Stadt. Hier

IV. Demokratischer Neuanfang

71

1948—1950

hatten demokratische Jugendorganisationen, Parteien, Gewerkschaft e n , d e r R I A S , verschiedene B e t r i e b e und W o h l f a h r t s v e r b ä n d e b e s o n dere B e t r e u u n g s a k t i o n e n organisiert, bei denen die F D J - M i t g l i e d e r warme M a h l z e i t e n und politisches I n f o r m a t i o n s m a t e r i a l erhielten sowie m i t f ü h r e n d e n P o l i t i k e r n aus der Bundesrepublik diskutieren k o n n ten. Z u den gleichsam alltäglichen R e i b u n g s f l ä c h e n b e i d e r S t a d t h ä l f t e n zählte seit der Spaltung der nie ganz abreißende Kleinkrieg u m W e s t Berliner E x k l a v e n wie S t e i n s t ü c k e n o d e r S t o l p e , aber auch das verzweifelte B e m ü h e n der S P D und ihrer J u g e n d o r g a n i s a t i o n „ D i e F a l k e n " u m ihre legale, j e d o c h m i t S c h i k a n e n vielfältigster A r t b e h i n d e r t e F o r t s e t zung ihrer A r b e i t in O s t - B e r l i n . J e d e n f a l l s h e g t e im W e s t e n kein V e r a n t w o r t l i c h e r irgendwelche

Illusionen

hinsichtlich

des

politischen

W e r t e s j e n e r endlich am 15. O k t o b e r 1 9 5 0 in der D D R s t a t t f i n d e n d e n W a h l e n zur V o l k s k a m m e r , zu den L a n d - und K r e i s t a g e n sowie G e m e i n d e v e r t r e t u n g e n , die bei einer W a h l b e t e i l i g u n g v o n 9 8 , 4 4 % m i t der sorgfältig manipulierten S a n k t i o n i e r u n g des S t r u k t u r w a n d e l s in allen B e r e i c h e n e n d e t e , während die „ N a t i o n a l e F r o n t "

Ost-Berlins

B e v ö l k e r u n g zur A b l e i s t u n g eines freiwilligen „ A u f b a u - S o n n t a g s " aufrief und ihre A b s t i n e n z v o n den W a h l e n d a m i t b e g r ü n d e t e , den „imperialistischen S p a l t e r n f ü r ihre b e a b s i c h t i g t e Angliederung W e s t - B e r l i n s an den w e s t d e u t s c h e n M a r i o n e t t e n s t a a t keinen V o r s c h u b [zu] l e i s t e n " .

Verwaltung

und

Verfassung

M i t d e m E n d e der B l o c k a d e und der E r r i c h t u n g der B u n d e s r e p u b l i k war die Phase der „ g r o ß e n P o l i t i k " in und um Berlin z u n ä c h s t einmal zu einem vorläufigen A b s c h l u ß gelangt. Aufgaben der V e r w a l t u n g b e s t i m m t e n nun vorrangig die T a g e s a r b e i t in der S t a d t , u m auf den T r ü m m e r n der l e t z t e n J a h r e wieder ein lebensfähiges und lebendiges G e m e i n w e s e n zu schaffen. D a b e i b e l a s t e t e die t r o s t l o s e F i n a n z s i t u a t i o n wie das W i s s e n d a r u m , sie aus eigener K r a f t n i c h t ü b e r w i n d e n zu k ö n n e n , den n o t w e n d i g e n P r o z e ß d e r Angleichung an G e s e t z g e b u n g und R e c h t des B u n d e s n o c h ü b e r das vielleicht unvermeidliche M a ß der E m p f i n d l i c h k e i t hinaus vor allem d o r t , wo Berlin z u l e t z t völlig andere W e g e gegangen war, so in d e r F r a g e des im S o m m e r 1 9 4 5 radikal a b g e s c h a f f t e n B e r u f s b e a m t e n t u m s . D e m bald nach der M a g i s t r a t s b i l dung im F e b r u a r 1 9 4 9 einsetzenden D r ä n g e n von C D U und F D P nach seiner W i e d e r h e r s t e l l u n g o p p o n i e r t e die S P D m i t d e m A r g u m e n t , in der gegenwärtigen N o t l a g e keiner einzelnen Berufsgruppe

Sonder-

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Hans J. Reichbardt

• Wiederaufbau

Berlins

1945—1963

rechte zugestehen zu können. Dies hinderte aber nicht, daß dieser Gedanke bei der breiten Masse der ehemaligen Beamten wie der jetzigen Angestellten sofort starke Resonanz fand. Die Postgewerkschaft der U G O befürwortete ihn schon im März 1949 so entschieden, daß der zuständige Vertreter des Magistrats nicht dem Prinzip des Berufsbeamtentums, sondern nur der Wiedereinführung „in seiner alten Form" widersprach. Ende O k t o b e r bereits bekräftigte die Beamten-InteressenGemeinschaft diese Forderung mit dem Vorbehalt, daß die überlieferte Form des Beamtentums „mit echtem demokratischen Geist und neuem Inhalt" erfüllt werden müsse. Im H e r b s t 1950 schließlich beauftragte das Stadtparlament einmütig den Magistrat mit der beschleunigten Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzentwurfs unter Anlehnung an Vorlagen von C D U und FDP. Wesentlich hartnäckiger verlief die Auseinandersetzung um die Sozialversicherung, da hier die SPD von der Furcht umgetrieben war, eine Annäherung oder gar eine Übernahme westdeutscher Regelungen würde die Aufgabe in Berlin bereits 1945 erreichter sozialpolitischer Fortschritte bedeuten. So entwickelte sich der Aufbau der nach der Spaltung der Stadt f ü r ihre Westhälfte schnell und effizient neu organisierten Versicherungsanstalt Berlin (VAB) zum wohl umstrittensten Kampffeld der inneren Berliner Politik. Die angestrebte Ausdehnung der Zwangsversicherung stieß auf erbitterten Widerstand der bürgerlichen Parteien wie vor allem der Ärzteschaft, die leidenschaftlich gegen die „diktatorischen Maßnahmen der VAB" protestierte und diese zudem beschuldigte, ein „illegales Machtinstrument kommunistischen Ursprungs" zu sein, das als „Trojanisches Pferd" im Westen verblieben sei. Erst im H e r b s t 1950 jedoch zeigten diese scharfen polemischen Attacken bei der S P D gewisse Wirkungen, als sie wenigstens ihre Bereitschaft zur T r e n n u n g der einzelnen Versicherungszweige und zum Verzicht auf die Zwangsversicherung von Selbständigen und freien Gewerbetreibenden signalisierte; doch noch immer beharrte sie unnachgiebig auf der VAB als einheitlichem Versicherungsträger und stemmte sich vehement gegen die von der C D U und F D P geforderte Zulassung der Ersatzkassen. Im allgemeinen war dieser Angleichungsprozeß nicht mehr aufzuhalten, bildete er doch im G r u n d e die unabdingbare Voraussetzung jeglicher Hilfe aus dem Westen. Diese ernüchternde Erkenntnis zwang die drei Parteien trotz all ihrer Differenzen in Einzelfragen zum Verbleiben in der Koalition und ließ diese die schwere Probe der Hinwendung zum Westen schließlich überstehen. Für Oberbürgermeister Reuter bedeu-

IV. Demokratischer

Neuanfang

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tete das eine stete Herausforderung in den Reihen der Sozialdemokratie, da sie weiterhin an der Person des um die Selbstbehauptung der Partei ebenso verdienten wie politisch temperamentvollen Franz Neumann als Vorsitzenden des Landesverbandes wie der Stadtparlamentsfraktion festhielt. Seine Angriffe gegen die „verantwortungslose O p p o sition" beider bürgerlicher Parteien konnte Reuters Rolle als H a u p t einer Koalition nicht gerade dienlich sein. Wiederholte bittere Klagen der C D U über die Intoleranz der Sozialdemokratie, vor allem in der Personalpolitik, wie ihre Vorwürfe, sie versuche, Berlin „als rote Insel vom Westen zu isolieren", verlangten von Reuter die Grenzen seiner Physis streifende Kraftanstrengungen, immer von neuem die gereizten G e m ü t e r beschwichtigend, den Kurs der Magistratspolitik in wenigstens halbwegs ruhigem Fahrwasser zu halten. Z u jenen Fragen, in denen die Selbstverständlichkeiten der Berliner Lage die Koalitionspartner ohne Zögern zusammengehen ließ, gehörte die Flüchtlingsproblematik. Berlin war gewiß nicht sofort und auch nicht im späteren Ausmaß überwiegendes und schließlich fast allein übrigbleibendes Ziel der nach der Spaltung der Stadt und nach der Errichtung der D D R einsetzenden Fluchtbewegung; immerhin aber stellten Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge schon 1949/1950 Anforderungen, denen es allein nicht gewachsen sein konnte. Hier stand man den Existenznöten der Menschen im östlichen Deutschland so unmittelbar nahe, daß die Notwendigkeit zu einer wie auch immer gearteten Solidarität niemals angefochten wurde. So zweifelte von Beginn an niemand daran, daß eine starre Interpretation des Begriffs in den Flüchtlingsgesetzen „Gefahr für Leib und Leben" keinesfalls genügte, allen, auch den zwingenden Motiven des im Laufe der 50er Jahre an- und abschwellenden Flüchtlingsstroms gerecht zu werden. Ebenso bewirkte die Gemeinsamkeit wesentlicher Grundauffassungen der Parteien in Berlin, daß der Abschluß dieses Zeitabschnitts — nämlich Beratung, Annahme und das mit Neuwahlen verbundene Inkrafttreten der Verfassung des Jahres 1950 — ohne größere politische Konflikte ablief. Ihre Vorgeschichte reicht in das Jahr 1946 zurück, als die Alliierte Kommandantur das neugewählte Stadtparlament mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung beauftragte, die die von ihr am 13. August 1946 erlassene „Vorläufige" ersetzen sollte. Der bald nach seiner Konstituierung gebildete Verfassungsausschuß unter der Leitung von Stadtverordnetenvorsteher Suhr diskutierte zunächst die verfassungsrechtliche Situation Berlins, deren Ergebnis in einer Reihe prinzipieller Feststellungen über den Inhalt der künftigen Verfassung

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ihren Niederschlag f a n d . Dabei w u r d e n die Beratungen ü b e r die Frage, o b Berlin d e n S t a t u s einer S t a d t o d e r den eines Landes b e k o m m e n sollte, wesentlich von der E n t s c h e i d u n g des K o n t r o l l r a t s z u r A u f l ö sung P r e u ß e n s im F e b r u a r 1947 u n d d e m v o m P a r l a m e n t gebilligten S P D - A n t r a g ü b e r die sich daraus f ü r Berlin ergebenden K o n s e q u e n z e n b e e i n f l u ß t . A u s den recht unterschiedlichen V e r f a s s u n g s e n t w ü r f e n von S P D , C D U u n d S E D h a t t e der A u s s c h u ß schließlich eine K o m p r o m i ß lösung herausdestilliert, der nach m e h r f a c h e n Ä n d e r u n g e n am 22. April 1948 alle S t a d t v e r o r d n e t e n a u ß e r der S E D - F r a k t i o n z u s t i m m e n k o n n t e n . Bei d e n anschließenden B e r a t u n g e n im z u s t ä n d i g e n A u s s c h u ß der Alliierten K o m m a n d a n t u r stießen wichtige G r u n d s ä t z e wie z u m Beispiel der S t a t u s Berlins als L a n d , der S c h u t z persönlicher Freiheiten o d e r die freie W a h l der V o l k s v e r t r e t e r auf scharfen sowjetischen W i d e r s p r u c h . D e r bald darauf erfolgende A u s z u g der sowjetischen V e t r e ter aus d e r K o m m a n d a n t u r v e r h i n d e r t e allerdings jede Beschlußfassung. Die Alliierte K o m m a n d a n t u r h a t t e zwar am 21. D e z e m b e r 1948, n u n m e h r o h n e sowjetische Beteiligung, ihre A r b e i t wieder a u f g e n o m m e n , in d e r Krisenzeit v o n Blockade u n d Spaltung der S t a d t jedoch sich n i c h t m e h r m i t der z u r G e n e h m i g u n g vorliegenden Verfassung bes c h ä f t i g t . N a c h d e m „Kleinen B e s a t z u n g s s t a t u t " v o m Mai 1949 u n d nach d e m E n t s t e h e n zweier d e u t s c h e r Staaten hielt das S t a d t p a r l a m e n t im April 1950 die Z e i t f ü r g e k o m m e n , n o c h einmal alle vier K o m m a n d a n t e n u m I n k r a f t s e t z u n g der V e r f a s s u n g zu b i t t e n , v e r b u n d e n m i t d e m A n t r a g auf D u r c h f ü h r u n g freier W a h l e n in ganz Berlin u n t e r alliierter K o n t r o l l e . Die dabei v o n O t t o S u h r geäußerte H o f f n u n g , dieser W e g werde auch d e r S o w j e t u n i o n die Z u s t i m m u n g erleichtern, da sie n o c h an den Beratungen ü b e r die W a h l o r d n u n g von 1946 u n d ü b e r die Verfassung v o n 1948 t e i l g e n o m m e n h a t t e , erwies sich als Illusion, d e n n ihre Bedingungen — A b z u g aller B e s a t z u n g s t r u p p e n aus Berlin u n d A u f h e b u n g d e r S e k t o r e n g r e n z e n ; aus V e r t r e t e r n des sowjetischen S e k t o r s u n d der westlichen S e k t o r e n paritätisch z u s a m m e n g e setzte W a h l k o m m i s s i o n e n sowie Beseitigung des „Kleinen Besatzungss t a t u t s " — waren f ü r alle westlichen P a r t n e r inakzeptabel. Die auf W u n s c h der westlichen S t a d t k o m m a n d a n t e n im H i n b l i c k auf eine Angleichung an das B o n n e r G r u n d g e s e t z ü b e r a r b e i t e t e Verfassung w u r d e am 1. O k t o b e r 1950 auf einer feierlichen S i t z u n g des S t a d t p a r l a m e n t s in A n w e s e n h e i t v o n B u n d e s p r ä s i d e n t H e u s s in K r a f t gesetzt. Sie vollzog nach d e m V o r b i l d der H a n s e s t ä d t e die U m w a n d lung des Magistrats in einen Senat m i t R e g i e r e n d e m Bürgermeister,

IV. Demokratischer Neuanfang

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B ü r g e r m e i s t e r und S e n a t o r e n als T r ä g e r n der R e g i e r u n g , die aus dem A b g e o r d n e t e n h a u s s t a t t der S t a d t v e r o r d n e t e n v e r s a m m l u n g

hervor-

ging. A r t . 8 7 ( 1 ) erklärt die B e s t i m m u n g e n des G r u n d g e s e t z e s für geltendes R e c h t , die vor denen d e r Berliner Verfassung V o r r a n g b e s i t z e n ; der gleiche A r t i k e l stellt im ü b r i g e n n o c h einmal f e s t , daß Berlin nur f ü r die „ U b e r g a n g s z e i t " , in der B u n d e s g e s e t z e durch besondere G e s e t z e des A b g e o r d n e t e n h a u s e s für Berlin ü b e r n o m m e n werden, auf die von ihm b e a n s p r u c h t e S t e l l u n g als Bundesland v e r z i c h t e n müsse. Diese ist g r u n d s ä t z l i c h im A r t . 1(2 und 3) festgelegt und n u r f ü r die Z e i t d a u e r s u s p e n d i e r t , in der die W e s t m ä c h t e n o c h auf i h r e m V o r b e h a l t b e s t e hen. D a m i t war eine auch für die Alliierten a n n e h m b a r e F o r m u l i e r u n g für eine b e r e i t s in f o r t s c h r e i t e n d e r E n t w i c k l u n g begriffene L a g e gefunden w o r d e n . D i e V e r f a s s u n g erhielt die G e n e h m i g u n g der K o m m a n d a n t u r in der ihren I n t e n t i o n e n e n t g e g e n k o m m e n d e n Fassung, daß die A b s ä t z e 2 und 3 von A r t . 1 ü b e r die Stellung Berlins als Bundesland z u r ü c k g e s t e l l t würden und der A r t . 87 dahin i n t e r p r e t i e r t wurde, daß Berlin in der „ U b e r g a n g s z e i t " keine der E i g e n s c h a f t e n eines z w ö l f t e n Bundeslandes b e s i t z e . B e s t i m m u n g e n von B u n d e s g e s e t z e n sollten in Berlin n u r A n w e n d u n g finden, n a c h d e m das A b g e o r d n e t e n h a u s ü b e r sie b e s c h l o s s e n und sie als Berliner G e s e t z e verabschiedet h a t t e . I m m e r h i n waren h i e r m i t W e g e g e ö f f n e t , auf denen in den f o l g e n d e n J a h r e n u n t e r D u l d u n g , wenn n i c h t gar Z u s t i m m u n g d e r Alliierten die V e r b i n d u n g Berlins m i t d e m B u n d eine f o r t s c h r e i t e n d engere Ausgestaltung erfuhr.

Wahlen vom 3. Dezember 1950 N a c h d e m S c h e i t e r n der B e m ü h u n g e n um D u r c h f ü h r u n g von W a h len in ganz Berlin war das S t a d t p a r l a m e n t vor A b l a u f seiner zweijährigen L e g i s l a t u r p e r i o d e M i t t e J a n u a r 1951 g e z w u n g e n , in den W e s t s e k t o r e n allein die g e s e t z l i c h e n und o r g a n i s a t o r i s c h e n V o r b e r e i t u n g e n f ü r N e u w a h l e n zu t r e f f e n . D i e A u s g a n g s s i t u a t i o n hierfür unterschied sich erheblich von j e n e r in den J a h r e n 1946 und 1 9 4 8 , denn aus diesen W a h l e n sollte nach den B e s t i m m u n g e n der neuen Verfassung ein auf vier J a h r e gewähltes A b g e o r d n e t e n h a u s sowie ein S e n a t als Landesregierung h e r v o r g e h e n . A u c h h a t t e sich inzwischen nach d e r M ö g l i c h k e i t von P a r t e i g r ü n d u n g e n A n f a n g S e p t e m b e r 1 9 5 0 eine gewisse N e u g r u p pierung p o l i t i s c h e r K r ä f t e v o l l z o g e n . Z w a r stellte sich die S E D , wie auch s c h o n 1 9 4 8 , n i c h t d e m U r t e i l der W ä h l e r , aber n e b e n S P D , C D U und F D P b e t e i l i g t e n sich f ü n f neu lizenzierte Parteien an den W a h l e n ,

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Berlins

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deren Chancen niemand konkret beurteilen konnte. Angesichts der anderthalb Jahre nach erfolgreich überstandener Blockade äußerlich nicht mehr als so bedrohlich empfundenen Lage beherrschten Fragen der inneren Gestaltung des Stadtstaates beinahe zwangsläufig den Wahlkampf. Die SPD, die in den vergangenen zwei Jahren die absolute Mehrheit im Stadtparlament innegehabt hatte, plädierte f ü r die Fortsetzung der bisher bewährten Politik von Oberbürgermeister Reuter. Gleichwohl glaubte sie aber in einem Anfall politischer Kurzsichtigkeit und mangelnden Spürsinns für die Stimmung in der Bevölkerung es sich leisten zu können, ihm Platz eins ihrer Kandidatenliste zu verweigern. Hingegen war es das erklärte Ziel von C D U und FDP, die absolute Mehrheit der S P D zu brechen und anschließend eine bürgerliche Koalition nach dem Modell der Bundesregierung aufzubauen. Geschickt verstanden sie es, nachhaltig unterstützt von vielen westdeutschen Politikern mit Bundeskanzler Adenauer an der Spitze, über ihren Wählerstamm hinaus weiten Teilen der Bevölkerung zu suggerieren, daß man das offensichtliche Nachhinken Berlins gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung im Bundesgebiet vor allem der Sozialdemokratie anlasten müsse, die zum einen besseren Beziehungen zwischen Bonn und Berlin im Wege stehe und zum anderen krampfhaft an „sozialistischen Ladenhütern", wie der Einheitsversicherung der VAB oder dem noch gemeinsam mit der SED eingeführten Schulgesetz mit der sechs- statt der traditionell vierjährigen Grundschule und anders strukturiertem Oberschulsystem, festhalten wolle. Weitere wichtige Themen des Wahlkampfes waren die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit und eine schnellere Stärkung der Berliner Wirtschaft. War es während des Wahlkampfes, besonders bei Kundgebungen und Versammlungen der rechtsgerichteten und scharfe nationalistische T ö n e anschlagenden Deutschen Partei (DP), gelegentlich zu Störungen gekommen, so verlief der Wahltag selbst ohne jeden Zwischenfall. Die Ost-Berliner Behörden hatten zwar, wie zwei Jahre zuvor, versucht, die dort beschäftigten Arbeitnehmer aus dem Westen der Stadt von der Teilnahme an der Wahl abzuhalten, doch weder diese Maßnahmen noch die von der S E D verbreiteten Aufrufe zum Boykott der Wahlen zeitigten auch nur den geringsten Erfolg. Mit 90,4 % lag die Wahlbeteiligung noch höher als im O k t o b e r 1946 und im Blockadewinter 1948. Herausragendes Charakteristikum des Wahlergebnisses war die Konzentration von 92,3 °Jc der abgegebenen Stimmen auf SPD, C D U und F D P und damit die Niederlage der seit September von den Alliier-

V. Konsolidierung

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t e n zugelassenen neuen, teils als sektiererisch, teils als r e a k t i o n ä r e m p f u n d e n e n , einer e c h t e n D e m o k r a t i e z u m i n d e s t a b t r ä g l i c h e n Parteien. D a m i t verlor wohl endgültig d e r vielerorts e r h o b e n e offene oder vers t e c k t e V o r w u r f , die R e s u l t a t e v o n 1946 und 1 9 4 8 zeugten lediglich v o n der schier u n ü b e r w i n d l i c h e n A b n e i g u n g der B e r l i n e r gegen die S o w j e t s und gegen eine K o m m u n i s t e n h e r r s c h a f t , auch den l e t z t e n A n s c h e i n von B e r e c h t i g u n g . D i e s b e s t ä t i g t e l e t z t l i c h n u r , daß der V e r l a u f der ersten N a c h k r i e g s j a h r e in Berlin m i t nachgerade ü b e r w ä l t i gender S t ä r k e der D e m o k r a t i e als der u n e n t b e h r l i c h e n G r u n d l a g e f ü r eine E x i s t e n z in F r e i h e i t z u g u t e g e k o m m e n war. D i e Berliner jedenfalls h a t t e n das ihnen g e b o t e n e G e s c h e n k der D e m o k r a t i e n i c h t allein dankb a r a n g e n o m m e n , sondern waren m i t M u t , E n g a g e m e n t und Leidensfähigkeit f ü r sie e i n g e t r e t e n auch dann, als äußere N o t n o c h weithin den Alltag b e h e r r s c h t e . E i n weiteres b e s o n d e r e s M e r k m a l dieser W a h l e n lag in dem überraschend h o h e n , weder von ihnen selbst n o c h von ihren schärfsten G e g nern in ihren k ü h n s t e n T r ä u m e n e r w a r t e t e n S t i m m e n v e r l u s t der S o z i a l d e m o k r a t e n m i t rund 20 % , so daß sie n u r n o c h 4 4 , 7 % v e r b u c h e n k o n n t e n . D e r s e l b s t v e r o r d n e t e T r o s t , d e n n o c h s t ä r k s t e Partei geblieben zu sein, half g l e i c h w o h l n i c h t ü b e r die b i t t e r e E r k e n n t n i s hinweg, daß die C D U m i t 2 4 , 6 % und die F D P m i t 23 % z u s a m m e n m e h r S t i m m e n in ihre S c h e u e r n h a t t e n fahren k ö n n e n und nun im A b g e o r d n e t e n h a u s ü b e r eine k n a p p e M e h r h e i t der M a n d a t e verfügten. D e r U n m u t w e i t e r T e i l e der B e v ö l k e r u n g ü b e r m a n c h e E n t s c h e i d u n g der B e r l i n e r S P D - L e i t u n g m i t i h r e m zuweilen m e h r als u n g e s c h i c k t e n V e r halten, n i c h t z u l e t z t auch ihr k a u m zu verbergender Mangel an Solidarität m i t d e m O b e r b ü r g e r m e i s t e r , h a t t e sich kräftig L u f t g e m a c h t . K e i n W u n d e r , d a ß nach M e i n u n g einiger K o m m e n t a t o r e n o h n e die P e r s ö n lichkeit R e u t e r s die Niederlage n o c h gravierender ausgefallen wäre.

V Konsolidierung

der politischen

Verhältnisse

1. 1951 bis 1954 D i e e r s t e H ä l f t e j e n e s g e m e i n h i n als „ r u h i g " f ü r Berlin e m p f u n d e n e n Z e i t a b s c h n i t t s von A n f a n g 1951 bis z u m C h r u s c h t s c h o w - U l t i m a t u m im N o v e m b e r 1 9 5 8 b e s i t z t gewiß nicht j e n e n d r a m a t i s c h e n A b l a u f der E n t w i c k l u n g , der die J a h r e seit Kriegsende so faszinierend m a c h t . V o r

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rund 25 Jahren meinte ein junger englischer Historiker die Zeit nach Ernst Reuters Tod unter dem Begriff „Return to Local Government — R ü c k k e h r zur örtlichen Verwaltung" subsumieren zu können. Sagen wollte er damit wohl, daß nur R e u t e r noch als Regierender Bürgermeister eine weit über die Stadt hinaureichende, auf die große Politik einwirkende Persönlichkeit darstellte und damit eine Position e i n : nahm, die keiner der beiden nächsten Nachfolger mehr auszufüllen vermochte. Doch auch schon R e u t e r hat erfahren müssen, daß zwar nicht das Interesse an Berlin, wohl aber das Gewicht der in und um Berlin getriebenen Politik eine gewiß langsame, aber eben doch spürbar wachsende Abschwächung erfuhr. Das W i r k e n in seinen letzten Lebensjahren war dann auch mehr auf den Wiederaufbau der zerstörten Stadt als auf die „große Politik" orientiert. Doch war er Realist genug, um sich über die Grenzen des Erreichten und im Augenblick Erreichbaren nicht zu täuschen, stand er nun stets unter der tragischen Einsicht, daß diese Begrenzung auf die „örtlichen" Erfolge zugleich auch ein „zu spät" für die Zielsetzungen der Berliner Politik — Anerkennung Berlins als gleichberechtigtes Bundesland, Uberwindung der Teilung der Stadt und die Wiedervereinigung Deutschlands — bedeuten mußte, die sein Denken vor allem erfüllten. Es wäre jedoch eine völlige Irreführung anzunehmen, daß beide Linien der Politik in Berlin, die „kleine" kommunale wie die „große" weltpolitische, sich jemals lupenrein hätten voneinander scheiden lassen. Nach wie vor blieb die Stadt ein neuralgischer Berührungspunkt und ein Gradmesser für den Stand der Beziehungen zwischen den großen Blöcken. Zu keinem Zeitpunkt läßt sich daher die örtliche Entwicklung in beiden Stadthälften ohne diese Bedingtheiten verstehen und bewerten. Die Lage Berlins bleibt in diesen Jahren dadurch gekennzeichnet, daß alle aus der internationalen Entwicklung sich ergebenden Konsequenzen hier augenblicklicher fühlbarer wurden als in der Bundesrepublik, die ja gleichzeitig die weder politisch noch wirtschaftlich leichten Anfangskrisen ihrer Existenz zu überwinden hatte. Denn wenn auch die sowjetische Expansion in Europa mit dem Ende der Berliner Blockade erst einmal zum Stillstand gebracht worden war, so bedeutete das Provisorium des damit erreichten, höchst fragilen Z wischenzustandes noch keineswegs eine Regelung, in welcher sich der Westen bereits auf die Linie einer dauernden Behauptung West-Berlins schon abschließend festgelegt hätte. Die erste bindende Zusicherung der N A T O für die Bundesrepublik und für West-Berlin folgte schließlich erst Wochen nach Ausbruch des Korea-Krieges auf der New Yor-

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ker Außenministerkonferenz im September 1950, als die Vereinigten Staaten sich zum „permanenten Einsatz" ihrer T r u p p e n in Europa verpflichteten. Lange Zeit beherrschte dann die Frage eines militärischen Beitrages der Bundesrepublik zur gemeinsamen Verteidigung des Westens vor dem Hintergrund einer sowjetischen Offerte, zum Preis der Neutralisierung den Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands freizugeben, die internationale Diskussion, ehe im O k t o b e r 1954 der Beitritt der Bundesrepublik zur N A T O feststand und damit endgültig die Entscheidung für die Westoption gefallen war. Die volle Schwierigkeit der hierdurch an die politische Führung in Berlin gestellten Anforderungen ergab sich aber erst daraus, daß sie sich weder einfach der in vielem unersetzlichen Hilfe der Westmächte anvertrauen, noch darauf beschränken konnte, die Konsolidierung der Stadt in passiver Ruhe von der U n t e r s t ü t z u n g der Regierung Adenauer zu erhoffen. N u r die souveräne Beweglichkeit eines Ernst Reuter vermochte beide Faktoren ins Kalkül zu ziehen und gegebenenfalls auch gegeneinander auszuspielen, um wenigstens schrittweise eine deutliche Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Bevölkerung zu bewirken. Bildung

des ersten

Senats

Nach dem Wahlergebnis vom 5. Dezember boten sich für die Bildung des Senats zwei Lösungen an: Fortsetzung der bisherigen „Großen Koalition" unter veränderter Zusammensetzung der Regierung oder die „ Kleine Koalition" von C D U und F D P . Der ersten Lösung standen von Beginn an zwei Hindernisse entgegen: Als nach wie vor stärkste Partei beanspruchte die SPD die Amter des Regierenden Bürgermeisters, des Präsidenten des Abgeordnetenhauses und des einflußreichen Innensenators und weiter widersetzte sie sich in der Formulierung des Regierungsprogramms jedem Versuch und jeder Andeutung eines Abbaues der Sozialleistungen in Berlin. So begannen die Verhandlungen in einer gereizten Atmosphäre und dauerten Wochen. Beide bürgerliche Parteien tendierten zur Überschätzung ihres knappen Wahlsieges und zur Verkennung der Schwierigkeiten, gegen die ja nach wie vor stärkste Berliner Partei regieren zu wollen. Teilen der Sozialdemokratie hinwiederum mangelte es an der Bereitschaft zur Klärung der Ursachen des eklatanten Rückschlags, weshalb sie am liebsten die Oppositionsbänke besetzt hätten. Ernst Reuter konnte seinen Kurs einer Beteiligung der S P D an der Regierung der Stadt gegenüber den Kritikern nur mit äußerster Mühe in den eigenen Reihen durchsetzen.

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N a c h Einigung der Parteien auf F o r t s e t z u n g der bisherigen Koalit i o n u n d einer m e h r schlecht als r e c h t erzielten V e r s t ä n d i g u n g ü b e r die k ü n f t i g e Behandlung der hauptsächlichen S t r e i t p u n k t e des W a h l k a m p fes — Sozialversicherung, B e a m t e n r e c h t , Schulgesetz — b e s t a n d e n C D U u n d F D P p l ö t z l i c h auf der N o m i n i e r u n g eines eigenen Kandid a t e n f ü r das A m t des R e g i e r e n d e n Bürgermeisters, des C D U - L a n d e s v o r s i t z e n d e n W a l t h e r Schreiber. D u r c h dieses im eigenen Lager offensichtlich u n g e n ü g e n d abgesicherte R i s i k o erhielten am 12. J a n u a r 1951 z u r allgemeinen Ü b e r r a s c h u n g beide K a n d i d a t e n gleich viel S t i m m e n , da einige „bürgerliche" A b g e o r d n e t e entgegen der Fraktionsdisziplin w o h l n i c h t z u l e t z t u n t e r d e m E i n f l u ß der f ü r eine Weit e r f ü h r u n g d e r Z u s a m m e n a r b e i t der Parteien e i n t r e t e n d e n Berliner Öffentlichkeit für den Sozialdemokraten Ernst Reuter votierten. Nach diesem ein wenig k u r i o s e n A b s t i m m u n g s e r g e b n i s erschien der in der G e s c h ä f t s o r d n u n g vorgesehene Losentscheid jedoch allen Beteiligten als zu a b s u r d , so d a ß m a n darauf v e r z i c h t e t e u n d P a r l a m e n t s p r ä s i d e n t S u h r u n t e r allgemeiner E r l e i c h t e r u n g d e n Beschluß des Ä l t e s t e n r a t e s v e r k ü n d e t e , beide K o n t r a h e n t e n sollten gemeinsam nach Auswegen aus d e m D i l e m m a s u c h e n . D o c h bei Vorlage ihrer V e r e i n b a r u n g im P a r l a m e n t ü b e r die G r u n d z ü g e eines R e g i e r u n g s p r o g r a m m s u n d ü b e r die V e r t e i l u n g der R e s s o r t s wenige T a g e später, zeigten n i c h t allein A b g e o r d n e t e v o n C D U u n d F D P , s o n d e r n auch — was als offenes G e h e i m n i s galt — solche der S P D ihre V e r ä r g e r u n g ü b e r d e n n u r mühselig erreichten K o m p r o m i ß , so d a ß E r n s t R e u t e r bei seiner W a h l z u m R e g i e r e n d e n Bürgermeister n u r 77 v o n 125 S t i m m e n auf sich vereinigen k o n n t e . In d e r T a t sollte sich auch sehr bald zeigen, d a ß die bei der Senatsbild u n g g e f u n d e n e n F o r m e l n der V e r s t ä n d i g u n g n u r eine brüchige Basis f ü r ein gedeihliches Z u s a m m e n w i r k e n darstellten. Vage F o r m u l i e r u n gen u n d sachliche wie persönliche D i f f e r e n z e n schufen einen Z u s t a n d p e r m a n e n t e r U n r u h e , der m e h r m a l s schwere Senatskrisen auslöste. N u r mit ä u ß e r s t e r G e d u l d u n d U b e r z e u g u n g s k r a f t gelang d e m Regier e n d e n B ü r g e r m e i s t e r i m m e r wieder ein Ausgleich der aufeinanderprallenden G e g e n s ä t z e . N e b e n den vielleicht unvermeidlichen R e i b u n g e n zwischen im G r u n d e so ungleichen K o a l i t i o n s p a r t n e r n waren es aber auch die f o r t w ä h r e n d e n S p a n n u n g e n innerhalb der S P D , die die Regier u n g s a r b e i t e r s c h w e r t e n u n d das Klima im Senat u n d A b g e o r d n e t e n haus zuweilen bis fast z u r U n e r t r ä g l i c h k e i t belasteten. G e w i ß gab es ü b e r die N o t w e n d i g k e i t einer A n p a s s u n g an d e n Bund keinen e r n s t h a f ten Streit, wohl aber ü b e r das T e m p o u n d ü b e r die W e g e z u m Erreichen

V. Konsolidierung

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dieses Zieles. M a n c h e K o n t r o v e r s e n erwuchsen daraus, daß viele Berlin e r S o z i a l d e m o k r a t e n — tief d u r c h d r u n g e n v o n der Ü b e r l e g e n h e i t und U n e n t b e h r l i c h k e i t j e n e r teilweise n o c h g e m e i n s a m m i t der S E D durchg e s e t z t e n R e g e l u n g e n — e b e n diese Anpassung an das von der R e gierung A d e n a u e r antisozialistisch und nach der s o g e n a n n t e n S o z i a len M a r k t w i r t s c h a f t

ihres W i r t s c h a f t s m i n i s t e s

Erhard

konzipierte

B u n d e s r e c h t weitgehend als schweres O p f e r und als Preisgabe politischer U b e r z e u g u n g e n e r s c h i e n . Z u d e m m o c h t e es ihnen wenig einl e u c h t e n und geradezu als V e r l e t z u n g d e m o k r a t i s c h e r Spielregeln erscheinen, wenn ihre A b g e o r d n e t e n im S c h ö n e b e r g e r R a t h a u s durch den f o r m a l e n A k t der Ü b e r n a h m e v o n B u n d e s r e c h t G e s e t z e n z u s t i m m e n sollten, gegen die die eigene Partei im B u n d e s t a g S t u r m gelaufen war. C D U und F D P hingegen d r ä n g t e n auf die Ü b e r n a h m e von B u n d e s g e setzen auch dann, wenn die R ü c k s i c h t auf soziale N ö t e in Berlin eher ein b e h u t s a m e s V o r g e h e n e m p f o h l e n h ä t t e . N a t ü r l i c h m u ß t e ein M a n n wie der R e g i e r e n d e B ü r g e r m e i s t e r R e u t e r gerade dieser, das r e c h t e V e r s t ä n d n i s von D e m o k r a t i e arg strapazierenden P r o b l e m a t i k seine ganze A u f m e r k s a m k e i t widmen, teilte er d o c h n i c h t wenige der schwerwiegenden B e d e n k e n seiner P a r t e i f r e u n d e gegen b e s t i m m t e E n t w i c k l u n g e n im W e s t e n . D o c h k o n n t e ihn dies n i c h t im g e r i n g s t e n in seiner Ü b e r z e u g u n g e r s c h ü t t e r n , daß die r e c h t lich m ö g l i c h e , p o l i t i s c h n o t w e n d i g e und v o r allem w i r t s c h a f t l i c h dringend g e b o t e n e A n w e n d u n g v o n — wenn auch s o z i a l d e m o k r a t i s c h e n Auffassungen

widersprechenden



Bundesgesetzen

unumgänglich

war, u m Berlin von d e m S t i g m a des „ P a r i a " , des „armen V e r w a n d t e n " so schnell wie n u r irgend m ö g l i c h zu befreien. S u c h t e er einerseits den h i n h a l t e n d e n B o n n e r W i d e r s t a n d gegen die g e f o r d e r t e f i n a n z p o l i t i s c h e G l e i c h s t e l l u n g Berlins m i t den ü b r i g e n Bundesländern zu ü b e r w i n d e n , so m a h n t e er andererseits seine O p p o n e n t e n in der Berliner S P D eindringlich v o r dem V e r f o l g e n einer L i n i e , die die S t a d t l e t z t l i c h isolieren und in ihrer N o t v e r k ü m m e r n lassen würde.

Angleichung

an die Verhältnisse im Bund

D i e seit den grundlegenden E n t s c h e i d u n g e n des J a h r e s 1 9 4 9 unverm e i d l i c h e A n p a s s u n g v o n G e s e t z g e b u n g und R e c h t Berlins an die E n t w i c k l u n g in der B u n d e s r e p u b l i k war in der ersten H ä l f t e der 5 0 e r J a h r e o f t genug ein m i t leidenschaftlichen A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n erfüllter P r o z e ß . D a s unablässige D r ä n g e n Berlins auf endliche A n e r k e n nung als in j e d e r H i n s i c h t g l e i c h b e r e c h t i g t e s Bundesland fand in B o n n

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Hans J. Reichhardt • Wiederaußau

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auch nicht e n t f e r n t die e r h o f f t e U n t e r s t ü t z u n g u n d F ö r d e r u n g . Im Gegenteil, Kanzler A d e n a u e r selbst m a c h t e sich in sehr viel weitergeh e n d e m M a ß e als Teile der ihn t r a g e n d e n Koalition m i t n a h e z u verletzender S c h r o f f h e i t z u m A n w a l t f ü r die U n e n t b e h r l i c h k e i t u n d U n a n t a s t b a r k e i t des V i e r - M ä c h t e - S t a t u s u n d d a m i t z u m Verteidiger der in diesem Fall von Berlin b e k ä m p f t e n V o r b e h a l t e der W e s t m ä c h t e . So hielt er u n t e r a n d e r e m in einem Brief an den S P D - V o r s i t z e n d e n Ollenh a u e r eine u n m i t t e l b a r e Beteiligung Berlins an d e n W a h l e n z u m zweit e n B u n d e s t a g f ü r „ n i c h t e r w ü n s c h t " , weil ein vornehmlich u n t e r a u ß e n p o l i t i s c h e n A s p e k t e n g e f ü h r t e r W a h l k a m p f die Lage der S t a d t geradezu gefährden k ö n n e . D a s W a h l g e s e t z v o n 1953 hat d a n n auch n u r die — v o n d e n W e s t m ä c h t e n ebenfalls g e n e h m i g t e — E r h ö h u n g der Z a h l d e r Berliner V e r t r e t e r v o n 12 auf 22 z u g e s t a n d e n , aber weder die von Berlin verlangte D i r e k t w a h l n o c h die A u f h e b u n g ihrer n u r berat e n d e n F u n k t i o n im Bundestag im Sinne der westlichen V o r b e h a l t e gewährt. D a s A r g u m e n t , gegen Berlins volle M i t g l i e d s c h a f t im Bund sprächen S i c h e r h e i t s g r ü n d e , hielt der Regierende Bürgermeister R e u t e r weder rechtlich n o c h politisch f ü r d u r c h s c h l a g e n d . D e n n er war stets der M e i n u n g , d a ß die S o w j e t u n i o n bei d e r F e s t l e g u n g ihres Kurses gegenü b e r Berlin, o b weich o d e r h a r t , sich niemals v o n juristischen E r w ä g u n gen leiten ließ. D e n V i e r - M ä c h t e - S t a t u s der S t a d t wollte aber auch er n i c h t a n g e t a s t e t sehen, u n d insofern billigte er d e n westlichen S t a n d p u n k t . U n v e r s t ä n d l i c h blieb ihm jedoch die B e h a u p t u n g , d a ß zwischen d e r gleichberechtigten Eingliederung Berlins in den Bund u n d der besonderen V e r a n t w o r t l i c h k e i t der Alliierten f ü r die S t a d t ein u n ü b e r b r ü c k b a r e r G e g e n s a t z b e s t e h e n u n d die R ü c k s i c h t n a h m e auf den Stat u s klare politische E n t s c h e i d u n g e n verhindern sollte. D o c h R e u t e r war beweglich genug, n i c h t u m jeden Preis auf g r u n d s ä t z l i c h e n Position e n zu b e h a r r e n . Ließ sich ein Ziel n i c h t m i t einem Male erreichen, müsse m a n dies e b e n stückweise v e r s u c h e n . Als klar w u r d e , d a ß die „ F o r m a l i e n " eines Bundeslandes n i c h t erreichbar waren, suchte m a n in Berlin u n t e r B e a c h t u n g d e r n u n einmal v o n d e n Siegern gezogenen G r e n z e n — gleichgültig, o b m a n sie f ü r richtig o d e r f ü r falsch hielt — die eigene Politik m i t p r a k t i s c h e m Inhalt zu füllen. H a t t e n die Alliierten in ihrem G e n e h m i g u n g s s c h r e i b e n z u r Berliner Verfassung n o c h einmal ihre V o r b e h a l t e g e g e n ü b e r jenen A r t i k e l n u n t e r s t r i c h e n , die Berlin als ein Bundesland auswiesen, so g e s t a t t e t e n sie d o c h i m m e r h i n anstelle der u n m i t t e l b a r e n G e l t u n g von Bundesgesetzen in Berlin n u n d e r e n Ü b e r n a h m e als Berliner G e s e t z e d u r c h das

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Abgeordnetenhaus. 1951 erhielten Bundesgesetze endlich nicht mehr nur ausnahmsweise, sondern im Regelfalle eine Berlin-Klausel. Mit dem Gesetz über die Rechtsangleichung gewannen die obersten Bundesgerichte eindeutige Zuständigkeiten auch f ü r das Land Berlin. Einen entscheidenden Fortschritt bedeutete dann das „Dritte Uberleitungsgesetz" vom J a n u a r 1952, welches Berlin rückwirkend vom 1. April 1951 einen Rechtsanspruch auf Ausgleich seines aus unverschuldeter Notlage erwachsenen Haushalts-Defizits sicherte, und zur W a h r u n g der Rechts- und Finanzgleichheit f ü r Berlin die Übernahme jedes vom Bund erlassenen Gesetzes innerhalb eines M o n a t s bestimmte. Die Billigung dieses Gesetzes durch das Abgeordnetenhaus markierte einen Meilenstein auf dem W e g , der seit dem O k t o b e r 1949 in Berlin eingeschlagen worden war. T r o t z mancherlei Enttäuschungen über die Hilfe aus dem Westen machte der wirtschaftliche Erholungsprozeß allmählich Fortschritte. Neben Demontagen und der Abtrennung des Hinterlandes erschwerten die unmittelbaren und mittelbaren Folgen von Spaltung und Blockade die Entwicklung in der Stadt noch zu einer Zeit, als im Bundesgebiet die W i r t s c h a f t bereits auf vollen T o u r e n lief. Im S o m m e r 1949 hatte man in West-Berlin mit einer Produktionsleistung beginnen müssen, die um 80 % unter der des Jahres 1936 lag; um die Jahreswende 1949/1950 waren 300000 Arbeitslose registriert. Die Arbeitswilligkeit der Berliner, die amerikanische Wirtschaftshilfe und die finanzielle U n t e r s t ü t z u n g des Bundes bildeten die drei Faktoren, welche den Neubeginn ermöglichten. O h n e Frage waren manche Berliner Klagen über das nur schleppende Anlaufen einzelner Hilfs- und Förderungsmaßnahmen nur zu berechtigt, einige der einer spürbaren W e n d e entgegenstehenden Hindernisse allerdings ließen sich aus objektiven Gründen nicht schneller aus dem Weg räumen. Beanspruchten die kommunalen Versorgungsunternehmen den Löwenanteil der ersten nach Berlin fließenden Gelder, um zunächst einmal überhaupt die Voraussetzungen für eine Gesundung zu schaffen, konnten die Investitionen vorerst nur dazu dienen, durch scharfe Rationalisierungen gegenüber der Konkurrenz wieder eine Wettbewerbsfähigkeit herzustellen, was vielfach unvermeidlich die Entlassung weiterer Arbeitskräfte zur Folge hatte. Der geringe Umfang der bereitgestellten Kredite zwang anfänglich zu einer Begünstigung der entwicklungsfähigsten Betriebe, so daß folglich die alteingesessenen großen Elektro- und Maschinenbau-Unternehmen, in zweiter Linie die Konfektion, die sich auf eine große Arbeitskraftreserve stützte, und

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dann erst andere Branchen damit bedacht wurden. Das nur langsame Absinken der Erwerbslosenziffern war wesentlich dadurch bedingt, daß der Arbeitsmarkt fortwährend unter den Auswirkungen von Maßnahmen in und seitens der D D R litt — vor allem durch den Flüchtlingsstrom und die T a t s a c h e , daß viele Grenzgänger ihre Arbeitsplätze in Ost-Berlin verloren oder selbst aufgaben. Waren zur Zeit der Spaltung dort noch etwa 1 0 0 0 0 0 West-Berliner beschäftigt, so fanden 5 0 0 0 0 Ost-Berliner im Westteil der Stadt ihr Einkommen. Verminderte sich innerhalb weniger Jahre die Zahl der 1 0 0 0 0 0 auf rund 1 0 0 0 0 , so sank die der 5 0 0 0 0 bis zum Bau der Mauer im August 1961 auf nur etwa 40000. Ein nicht unerheblicher Teil der Spannungen zwischen Berlin und Bonn in der ersten Hälfte der 50er J a h r e hatte seine Ursache in der besonderen Stärke des auf die Stadt ausgeübten wirtschaftlichen Drucks — so die Auseinandersetzungen über die künftige Gestalt der Sozialversicherung, der Protest der Berliner Gewerkschaften gegen das Zurückbleiben der L ö h n e im Vergleich zu Westdeutschland, aber auch noch 1954 der Streit um Fortdauer oder Preisgabe der aus dem Berliner E t a t bezahlten Brotsubventionen, deren Einstellung vom Bund in der Konsequenz der freien Marktwirtschaft verlangt, von Berlin aber erst nach zähem Widerstand im März 1954, Hand in Hand mit der Bewilligung wesentlich ausgedehnterer Bundeshilfe für die Wirtschaft der Stadt, zugestanden wurde.

Berlin und das Mühen um

Wiedervereinigung

Zu Beginn der 50er Jahre lautete die Formel in der Wiedervereinigungspolitik kurz und einfach: freie Wahlen. Seit der Entscheidung des 20. O k t o b e r 1946 besaßen diese beiden W ö r t e r in Berlin einen besonderen Klang, noch mehr, seit die S E D Ende November 1948 im Ostteil der Stadt mit dem Aufbau einer separaten Verwaltung, bar jeder demokratischen Legitimation, begann. Schon unmittelbar nach Aufhebung der Blockade verlangte Oberbürgermeister R e u t e r Neuwahlen für ganz Berlin, worüber auch die Außenminister der vier Besatzungsmächte, allerdings erfolglos, wenige W o c h e n später auf der Pariser Konferenz berieten. D o c h ließ er nicht locker. Gemeinsam mit Stadtverordnetenvorsteher Suhr wiederholte er am T a g nach der Proklamierung der D D R im O k t o b e r 1949 diese Forderung, ebenso wie zum Jahresanfang 1950. M i t der gleichen Losung veranstalteten Berlins Sozialdemokraten im Januar und Februar dann eine Versammlungswelle entlang der Sek-

V. Konsolidierung

1951—1954

t o r e n g r e n z e . A n g e r e g t durch e n t s p r e c h e n d e E r k l ä r u n g e n von

85 US-

H o c h k o m m i s s a r M c C l o y am 2 8 . F e b r u a r und der Bundesregierung am 2 2 . M ä r z zur D u r c h f ü h r u n g g e s a m t d e u t s c h e r W a h l e n , ergriff die S t a d t v e r o r d n e t e n v e r s a m m l u n g in d e r K e t t e derartiger B e m ü h u n g e n im April 1 9 5 0 eine neue Initiative. M i t dem V o r s c h l a g der R ü c k k e h r zur W a h l o r d n u n g v o n 1 9 4 6 und d e m n o c h von d e r S E D m i t ausgearbeitet e n V e r f a s s u n g s e n t w u r f v o m 2 2 . April 1948 glaubte sie, A n s ä t z e f ü r eine U b e r e i n k u n f t aller B e s a t z u n g s m ä c h t e gefunden zu h a b e n , um P r o p a g a n d a und P o l e m i k h i n t a n z u s t e l l e n und einen ersten k o n k r e t e n S c h r i t t zur W i e d e r h e r s t e l l u n g der E i n h e i t der S t a d t zu t u n . F a n d dieser Appell bei den westlichen S t a d t k o m m a n d a n t e n s o f o r t ein positives E c h o , so m o c h t e ihm ihr s o w j e t i s c h e r K o l l e g e nur bei E r f ü l l u n g von B e d i n g u n g e n z u s t i m m e n , wie sie die S E D in ihrer A g i t a t i o n gegen die W a h l e n im S p ä t h e r b s t 1948 g e n a n n t h a t t e . A u ß e r d e m verlangte er die E i n s e t z u n g einer paritätischen K o m m i s s i o n aus V e r t r e t e r n des O s t s e k t o r s und der drei westlichen S e k t o r e n sowie den A b z u g der westlichen B e s a t z u n g s t r u p p e n aus der S t a d t . Beide F o r d e r u n g e n waren f ü r den W e s t e n i n a k z e p t a b e l , da sie e r s t e n s einer A n e r k e n n u n g der als illegitim b e t r a c h t e t e n O s t - B e r l i n e r A d m i n i s t r a t i o n gleichgek o m m e n wäre und z w e i t e n s W e s t - B e r l i n i n m i t t e n des s o w j e t i s c h e n Machtbereichs von jeglichem Schutz entblößt hätte. Nach dem fruchtlosen S c h r i f t w e c h s e l der K o m m a n d a n t e n stand f e s t , daß, wie schon zwei J a h r e z u v o r , die O s t - B e r l i n e r von der S t i m m a b g a b e bei den A n fang D e z e m b e r 1 9 5 0 fälligen N e u w a h l e n ausgeschlossen b l i e b e n . K u r z z u v o r h a t t e sich das offizielle O s t - B e r l i n in der Frage der W a h l e n a b e r n o c h einmal zu W o r t g e m e l d e t . Z u n ä c h s t e r w e c k t e sein O b e r b ü r g e r m e i s t e r E b e r t den A n s c h e i n , als b e f ü r w o r t e seine Verwaltung das D u r c h f ü h r e n v o n W a h l e n in der ganzen S t a d t im M ä r z 1 9 5 1 ; wie wenig e r n s t h a f t dieses A n g e b o t g e m e i n t sein k o n n t e , ließ sich daran ablesen, daß er weiterhin unnachgiebig auf den v o m W e s t e n nun bereits m e h r f a c h a b g e l e h n t e n B e d i n g u n g e n b e h a r r t e . Einige T a g e später unt e r b r e i t e t e D D R - M i n i s t e r p r ä s i d e n t G r o t e w o h l den V o r s c h l a g zur Bildung eines „ g e s a m t d e u t s c h e n k o n s t i t u i e r e n d e n R a t e s " , der die E i n s e t zung einer p r o v i s o r i s c h e n R e g i e r u n g in A n g r i f f n e h m e n und die V o r b e reitung v o n W a h l e n f ü r eine N a t i o n a l v e r s a m m l u n g ü b e r n e h m e n sollte. R e a g i e r t e E r n s t R e u t e r auf das m i t reichlich p r o p a g a n d i s t i s c h e m Beiwerk a u s g e s t a t t e t e S c h r e i b e n E b e r t s k n a p p , aber u n m i ß v e r s t ä n d l i c h : E r wie j e d e r Berliner würde freie W a h l e n freudig b e g r ü ß e n ; ihrer ungeh i n d e r t e n D u r c h f ü h r u n g stünde j e d o c h allein „der Z w a n g e n t g e g e n , den Sie und andere o h n e B e f r a g u n g des V o l k e s e i n g e s e t z t e B e h ö r d e n

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• Wiederaufiau

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auf die Bevölkerung des Ostsektors ausüben", so hielt e r e s für falsch, Grotewohls Offerte unbeachtet zu lassen. In welcher Form dies geschehen sollte, erschien ihm von untergeordneter Bedeutung, entscheidend allein bleibe die absolute Klarstellung des Standpunktes der Bundesrepublik, daß sie Verhandlungen mit der D D R nur zustimmen könne, wenn diese von vornherein die Forderung nach freien Wahlen in ganz Deutschland akzeptiert. U n d Kanzler Adenauer sah Mitte J a n u a r 1951 in einer Erklärung vor dem Bundestag überhaupt keine Grundlage für „gesamtdeutsche Gespräche", weil die Frage der Wiedervereinigung durch freie Wahlen auf internationaler Ebene geklärt und entschieden werden müsse. Diese Haltung war wesentlich von der Absicht bestimmt, der D D R die Anerkennung zu verweigern und die Sowjetunion nicht aus ihrer 1945 in Potsdam übernommenen Mitverantwortung für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands zu entlassen. Mitte September 1951 unternahm die D D R einen weiteren Vorstoß, bei dem sie stärker als zuvor die Frage der Wahlen zu unterstreichen schien. Der Regierende Bürgermeister R e u t e r erneuerte sofort das Angebot, mit Wahlen in Berlin den Anfang zu machen, und forderte im übrigen eine sorgfältige Prüfung der östlichen Vorschläge. Eine „Politik ohne Risiko" gebe es nicht, vielmehr müsse alles getan werden, um die Entwicklung vorwärts zu treiben und die Initiative nicht den Kommunisten zu überlassen. Er konferierte mit der Bundesregierung und den Alliierten, sprach vor dem Abgeordnetenhaus und antwortete auf Eberts neuerlichen Vorschlag, über eine Vertretung ganz Berlins bei möglichen gesamtdeutschen Gesprächen zu beraten. Bundestag und Bundesregierung gaben der D D R eine indirekte Antwort durch die Formulierung von 14 Punkten für eine Wahlordnung und durch den Vorschlag, die Vereinten Nationen sollten die Voraussetzungen für freie Wahlen in ganz Deutschland prüfen. Auf Antrag der Westmächte beschloß der Zweite Politische Ausschuß der Vollversammlung Anfang Dezember, Vertreter beider deutscher Staaten zur Anhörung nach Paris zu bitten. Als Mitglied der Delegation der Bundesrepublik schilderte der Regierende Bürgermeister Reuter am 8. Dezember die Entwicklung und die Verhältnisse in und um Berlin und versicherte, daß die zuständigen Behörden der Stadt einer Untersuchungskommission jede Unterstützung gewähren würden. Nachdem die Vertreter der D D R — sie wollten ursprünglich der Einladung nach Paris überhaupt nicht Folge leisten — ebenfalls ihre Auffassung hatten darlegen können, stimmte der UN-Ausschuß für die Einsetzung der geforderten Kommission. Wenngleich der Ostblock dagegen votiert

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hatte und damit von vornherein ein Erfolg des ganzen Unternehmens höchst fragwürdig erschien, betrachtete der Berliner Bürgermeister die Beratungen vor den Vereinten Nationen als einen moralischen Gewinn, weil er meinte, daß es nun nicht mehr möglich sein würde, die deutsche Frage von der Tagesordnung der internationalen Politik abzusetzen. Es läge jetzt „an uns", dafür zu sorgen, daß sie immer wieder zur Sprache komme, „bis wir unser gemeinsames Ziel erreicht haben". Er schien von der Vorstellung einer offensiven politischen Propaganda so stark beherrscht zu sein, daß er den Einwand nicht gelten lassen wollte, es handele sich bei dieser Aktion nicht so sehr um die Untersuchung ohnehin bekannter Zustände als um die Ermittlung von Wegen zu ihrer Veränderung. In den folgenden Wochen und Monaten entwickelten sich in diesem Zusammenhang Kontroversen, zum einen über die einer künftigen Nationalversammlung zuzubilligenden Kompetenzen, zum anderen über die Frage, wo die UN-Kommission mit ihren Untersuchungen beginnen sollte, in der provisorischen oder in der alten H a u p t s t a d t . In Bonn entschied man sich f ü r Bonn. Bürgermeister Reuter reagierte daraufhin „ganz deutlich", daß es sich keineswegs um Berliner Lokalpatriotismus handele, wenn die Verhandlungen der Kommission mit der Bundesregierung in Berlin stattgefunden hätten, weil dies eine ungleich größere moralische und politische Auswirkung auf die Bevölkerung in der D D R gehabt haben würde. So blieb ihm nur die Feststellung, daß die geographische Distanz zwischen Rhein und Spree auch zu einer unterschiedlichen Beurteilung politischer Möglichkeiten führte. Diese Auseinandersetzung erwies sich jedoch als überflüssig, da die Kommission nach einem Besuch in Berlin im März 1952 ihren Auftrag als undurchführbar zurückgeben mußte, weil die sowjetische Seite sie nicht einmal einer Antwort auf ihre Anträge zur Einreise in die D D R für würdig hielt. N o c h ehe die UN-Kommission in Bonn und in West-Berlin eintraf, entwickelte die Sowjetunion eine neue Aktivität in der deutschen Frage. In ihrer N o t e vom 10. März 1952 lieferte sie die Skizze eines Friedensvertrages, der ein wiedervereinigtes Deutschland verpflichtete, keinem gegen einen der Sieger des letzten Krieges gerichteten Militärbündnis beizutreten, ihm das Recht der Aufstellung begrenzter nationaler Streitkräfte zugestand und den Abzug fremder T r u p p e n und seine Aufnahme in die Vereinten Nationen vorsah. Westmächte und Bundesregierung ließen sich durch das auf den ersten Blick verlockend erscheinende Angebot jedoch nicht mehr vom Abschluß der mittler-

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weile fast fertig ausgehandelten Verträge über die Bildung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und über die Ablösung des Besatzungsregimes (ursprünglich General-, später dann DeutschlandVertrag genannt) abbringen. In Berlin hielt der Regierende Bürgermeister Reuter die Aussicht auf ein „neutrales" bewaffnetes Deutschland zwar auch für wenig erstrebenswert, doch warnte er vor der weitverbreiteten Neigung, an den östlichen Vorschlägen vorbei einfach zur Tagesordnung überzugehen; sowjetische Noten würden in Berlin so ernst genommen, wie sie es verdienten. Während in dem monatelangen Notenwechsel des Jahres 1952 der Westen auf freien Wahlen als unerläßlicher Voraussetzung einer Wiedervereinigung bestand, zumal die recht zweideutige Verwendung des Begriffs „demokratische Wahlen" durch die Sowjetunion nach den Erfahrungen in ihrem gesamten Herrschaftsbereich seit 1945 selbstverständlich Mißtrauen auslösen mußte, bildete die Frage des Status eines künftig wieder einheitlichen Deutschlands jedoch den eigentlichen Kern der west-östlichen Auseinandersetzungen. Die Westmächte betonten die Notwendigkeit der Entscheidungsfreiheit einer deutschen Regierung für den Abschluß von Verträgen und Bündnissen und unterstrichen den friedlichen Charakter ihres Bemühens um Einbeziehung der Bundesrepublik in die westeuropäische Zusammenarbeit. Und die Sowjetunion erklärte, sie hätte gar nichts gegen friedlichen Zwecken dienende Verträge, wohl aber etwas gegen die Beteiligung Deutschlands an „aggressiven Allianzen", wozu sie natürlich die EVG und die N A T O rechnete. Manche glaubten, aus den Noten der Sowjetunion ihre Bereitschaft zur Preisgabe der D D R herauslesen zu können, wenn Deutschland dafür eine neutrale Position zwischen den Machtblöcken einnähme. Andere wiederum blieben von der sowjetischen Entschlossenheit überzeugt, die bei Kriegsende erreichte Stellung in Mitteleuropa unter keinen Umständen wieder zu räumen, sie im Gegenteil eher noch zu erweitern. Der Meinungsstreit über die möglicherweise verpaßte Chance, 1952 konkrete Ansätze für ein Arrangement über die Wiedervereinigung zu finden, sollte bald in voller Schärfe entbrennen, ohne daß es der einen oder der anderen Seite bisher gelungen wäre, die Richtigkeit ihrer Thesen absolut schlüssig nachzuweisen. Neben der Bundesregierung konsultierten die Westmächte vor Absendung ihrer Noten stets auch Berlins Regierenden Bürgermeister, der im Senat jeweils eine entsprechende Meinungsbildung herbeizuführen pflegte. Wenngleich er die Absichten der Sowjetunion skeptisch beurteilte und nicht glaubte, daß sie eine vorzeitige Aufgabe westlicher

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F o r d e r u n g e n h o n o r i e r e n würde, drängte er unablässig darauf, die M o tive ihrer P o l i t i k bis ins L e t z t e a u s z u l o t e n . D a b e i wollte er die V o r d r i n g l i c h k e i t freier W a h l e n gewahrt wissen, sie j e d o c h n i c h t so f o r m u liert h a b e n , daß dadurch der A n s c h e i n e r w e c k t werden k ö n n t e , als o b der W e s t e n k o n k r e t e n E r ö r t e r u n g e n des g e s a m t e n deutschen P r o b l e m s auswiche. Alles sollte v e r m i e d e n werden, was n i c h t nur im Ausland, sondern auch bei allen D e u t s c h e n den E i n d r u c k hervorrufen k ö n n t e , als o b man f o r m a l e F r a g e n dazu b e n u t z e , u m gar n i c h t erst in e r n s t h a f t e V e r h a n d l u n g e n e i n t r e t e n zu m ü s s e n . I m Falle s o w j e t i s c h e r V e r s t ä n d i g u n g s b e r e i t s c h a f t plädierte e r f ü r g r ö ß t m ö g l i c h e A u f g e s c h l o s s e n h e i t und d i s t a n z i e r t e sich d a m i t s c h o n sehr früh v o n der M e i n u n g , d a ß f ü r ein wiedervereinigtes D e u t s c h l a n d kein anderer S t a t u s d e n k b a r sein sollte als j e n e r der B u n d e s r e p u b l i k im E V G - V e r t r a g . D i e sich bis in den S p ä t h e r b s t 1 9 5 2 e r s t r e c k e n d e w e s t - ö s t l i c h e N o tendiskussion h a t t e ihren Sinn eigentlich schon E n d e Mai verloren m i t der U n t e r z e i c h n u n g des E V G - und des D e u t s c h l a n d v e r t r a g e s in B o n n und in Paris. D i e S u m m e der im u n m i t t e l b a r e n A n s c h l u ß daran erfolgenden R e p r e s s a l i e n d e r D D R m i t der A b r i e g e l u n g der innerdeutschen G r e n z e , m i t E r s c h w e r n i s s e n für W e s t - B e r l i n e r bei R e i s e n in ihre nähere und weitere U m g e b u n g , der T r e n n u n g des i n n e r s t ä d t i s c h e n T e l e f o n n e t z e s und a n d e r e m m e h r e r s t i c k t e n in d e r S t a d t jeden Zweifel, wo sie auf d e n , wenn auch b e g r e n z t e n S c h u t z ihrer I n t e r e s s e n und ihrer E x i stenz rechnen k o n n t e .

Streben nach Festigung demokratischer

Strukturen

D a s U b e r s t e h e n d e r B l o c k a d e h a t t e in Berlin vielfach das G e s p ü r für die ja d o c h weiter e x i s t i e r e n d e B e d r o h u n g a b s t u m p f e n lassen, den D r u c k e m p f a n d man längst n i c h t so stark wie in den eigentlichen K r i s e n z e i t e n . H i e r b e i b e s t ä t i g t e sich einmal m e h r die E r f a h r u n g von der U n m ö g l i c h k e i t , den Z u s t a n d einer moralischen

Hochspannung

jahrelang a u f r e c h t z u e r h a l t e n . N i c h t wenige neigten d a z u , sich auf den L o r b e e r e n der „ g r o ß e n J a h r e "

auszuruhen:

„ H e l d e n auf

Urlaub"

n a n n t e ein B o u l e v a r d b l a t t einmal die Berliner j e n e r N a c h - B l o c k a d e z e i t . M i t der relativen N o r m a l i s i e r u n g der V e r h ä l t n i s s e verband sich zugleich eine Z e r b r ö c k e l u n g der „ E i n h e i t s f r o n t " der d e m o k r a t i s c h e n Parteien. R e a l e I n t e r e s s e n g e g e n s ä t z e wurden b e t o n t e r h e r a u s g e k e h r t , persönliche A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n sehr viel h ä r t e r ausgetragen. D i e V e r g r ö b e r u n g p o l i t i s c h e r S i t t e n e r r e i c h t e einen e r s t e n H ö h e p u n k t im W a h l k a m p f des S p ä t h e r b s t e s 1 9 5 0 ; die D i f f a m i e r u n g

Bürgermeister

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Hans J. Reichhardt

• Wiederaufiau

Berlins 1945—1963

Reuters als eines aus „der Türkei hergelaufenen kommunistischen Generalsekretärs" auf der Wahlversammlung einer bürgerlichen Partei mag hier nur als ein besonders krasses Beispiel dafür dienen. Reuter selbst hielt in einem Brief an den „zuständigen" Parteivorsitzenden das Maß des Zulässigen in verbaler Kraftmeierei hiermit wohl doch für überschritten, meinte im übrigen aber, eine „kleine innerpolitische Rauferei" hätte auch ihr Gutes, schließlich müsse man die Kräfte dann und wann einmal miteinander messen. Am Ende der Rauferei jedoch sollten Vernunft und Einsicht alle Beteiligten wieder zu echter Zusammenarbeit führen. Die parteipolitischen Konsequenzen aus der Dezember-Wahl 1950 bereiteten ihm dabei weniger Sorgen als die zunehmende Gefahr einer Provinzialisierung Berlins. Im neuen Klima vermeintlicher Geborgenheit gedieh sogar ein T y p des WestBerliners, der sich dem Mitbürger in Ost-Berlin gegenüber nicht durch die Sektoreneinteilung zufällig begünstigt, sondern im Grunde überlegen dünkte. Das zuweilen protzige Gebaren mancher Besatzungsgewinnler und anderer Neureicher wirkte vor dem Hintergrund der Notlage von knapp 300 000 Arbeitslosen um so abstoßender. Für die deutsche Politik hatte sich mit Gründung der Bundesrepublik das Schwergewicht eindeutig nach Bonn verlagert, das trotz aller Mängel und Mißlichkeiten Anziehungskraft entwickelte. Die so rasch gewachsene Prosperität im deutschen Westen galt vielen Berlinern als ein starkes Argument, und nicht wenige glaubten, mehr Stimmen für Bonn würden sich in naher Zukunft einmal in mehr Geld für Berlin umprägen lassen. Da er den Gegner noch längst nicht für geschlagen hielt, bedeutete es in den Augen Ernst Reuters eine „kindliche Uberschätzung" der eigenen Situation, in innerpolitischen Auseinandersetzungen mit aufgekrempelten Ärmeln aufeinander loszugehen. Die Notwendigkeit entschlossener und einheitlicher Abwehr schätzte er nicht geringer ein als zwei, drei Jahre zuvor. In vertraulichen Gesprächen sparte Reuter nicht mit bitteren Worten über ihn umgebende Unzulänglichkeiten. Öffentlich klagte er bereits kurz nach der Blockade über den Mangel an Persönlichkeiten in den Parteien. Geistige Trägheit und Müdigkeit der Intelligenz geißelte er mit scharfen Worten. Reuter suchte deshalb außerhalb der Parteien und über die Köpfe der Organisatoren hinweg eine Vertiefung der Verbindung zwischen seiner Führung und der Bevölkerung. Grundsatzfragen der Politik und der Moral, der Kultur und der Volksbildung nahmen in vielen seiner Reden einen breiten Raum ein. Er hoffte darauf, daß sich in Berlin allmählich ein „neuer politischer Typ" herausschälen würde — „etwas weniger langweilig,

V. Konsolidierung

1951—1954

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etwas weniger Bratenröcke, etwas weniger feierlich, aber etwas lebendiger und etwas mehr von wirklicher persönlicher Anteilnahme aller Beteiligten gegenüber allen Problemen der W e l t " . Dabei ging es ihm vornehmlich um die U b e r w i n d u n g der tief eingewurzelten Diskrepanz zwischen obrigkeitlicher H a l t u n g und Untertanendenken, um in Berlin einen „neuen Lebensstil" guten demokratischen Zusammenlebens heranwachsen zu lassen. W i e kein zweiter Berliner Politiker bewahrte sich R e u t e r sein waches Interesse an allen Einzelfragen des kommunalen Lebens. Unablässig mahnte er alle Deutschen, sich durch keine noch so verlockende opportunistische Erwägung davon abhalten zu lassen, f ü r politische Freiheiten einzustehen, bis sich ihr Land unwiderruflich an die Demokratie gewöhnt habe. Ganz wesentlich erschienen ihm dabei eine grundlegende, von vielen in ihrer N o t w e n d i g k e i t weit unterschätzte radikale Demokratisierung der Verwaltung und intensive Kontakte aller Behörden zur Bevölkerung. Bereits 1949 hatte er eine Beschwerdestelle einrichten lassen, die später auch Beratungen durchführen konnte. J e d e Woche ließ er sich über eingegangene Briefe unterrichten, um schwache Stellen in der Verwaltung aufzuspüren und Mißstände zu beseitigen. Im H e r b s t 1951 begann er nach dem Vorbild des früheren N e w Y o r k e r Bürgermeisters La Guardia mit einer vierzehntäglichen Sendereihe im R I A S unter dem T i t e l „ W o uns der Schuh d r ü c k t " . Im wesentlichen n u t z t e er diese Rundfunkplaudereien dazu, bewußt jene „kleinen" Fragen aufzugreifen, die für den einzelnen Bürger oft doch von erheblicher Bedeutung sind: Er appellierte an Hausfrauen zur Sparsamkeit im Verbrauch von Kohlebriketts, sprach über die Not der Arbeitslosen, R e n t n e r und Flüchtlinge, bat seine „lieben Berliner" um mehr Sauberkeit in den Erholungsgebieten, äußerte Besorgnis über die steigende Zahl von Verkehrsunfällen, seufzte über Dinge, bei denen ihn selbst „der Schuh d r ü c k t e " , zeigte sich erschreckt über jene älteren M i t b ü r g e r , die voller Bitterkeit auf die J u g e n d schimpften, statt ihr mit Güte und Verständnis zu begegnen, die sie nach den Erfahrungen und Erlebnissen der voraufgegangenen J a h r e dringender benötigte als frühere Generationen, oder warb um Fairneß und Liberalität im täglichen Miteinander, um eine gleichsam natürliche demokratische Grundhaltung. Dies ließ ihn zugleich die jeweils zuständigen A m t e r drängen um gewissenhafte und unbürokratische Erledigung von Bitten, Ersuchen und Beschwerden sowie die Verwaltung immer wieder an ihre vornehmste Pflicht erinnern, f ü r den Menschen zu sorgen, statt ihn zu dirigieren, zu bevormunden oder zu schurigeln.

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Hans J. Reichhardt

17. Juni

1953

• Wiederaußau

Berlins 1945—1963

Stalins T o d Anfang M ä r z 1953 weckte sofort neue H o f f n u n g e n auf größere Möglichkeiten aktiver deutscher Politik wie auf mannigfache Erleichterungen im Alltag der D D R - B e v ö l k e r u n g . Spätestens seit M i t te April 1953 kennzeichnete eine eigentümliche Spannung die Beziehungen zwischen der S o w j e t u n i o n und der D D R , die nicht mehr die bislang gewohnten Züge des Satellitenverhältnisses zu tragen schienen. W i e d e r h o l t e M a h n u n g e n des Kreml an die SED-Führung zur Drosselung des T e m p o s der seit dem S o m m e r 1952 unter dem Schlagwort vom „Aufbau des Sozialismus" forcierten Politik — Ersetzung der fünf Länder durch 14 Bezirke („demokratische U m w ä l z u n g " ) , verstärkter Ausbau der Schwerindustrie, beginnende Kollektivierung der Landwirtschaft, A b w ü r g e n von privatem Handel und H a n d w e r k durch Schaffung von Produktionsgenossenschaften —, stießen offensichtlich auf taube Ohren. T r o t z längst sichtbarer katastrophaler Auswirkungen — Q u a l i t ä t s m i n d e r u n g in der P r o d u k t i o n durch „Normenschinderei", L a n d f l u c h t der Bauern, Störungen in der Lebensmittel- und Konsumgüterversorgung, Anschwellen des Flüchtlingsstroms — beharrte die SED auf der Fortsetzung des einmal eingeschlagenen Weges. Ende Mai hatte sich die Kluft zwischen M o s k a u und Ost-Berlin dermaßen vertieft, daß die Nachfolger Stalins sie nicht mehr länger hinzunehmen bereit waren. Ihr nachhaltiger Druck zwang die SED-Führung in den ersten J u n i t a g e n schließlich doch zu einer Revision ihrer Linie, die umfassende Änderungen in allen politischen Bereichen verhieß. Obgleich dieser „Neue Kurs" S o f o r t m a ß n a h m e n vorsah, die in der D D R die schwere Krise mildern und vielleicht langfristig die Basis für eine sinnvolle Diskussion ü b e r die Wiedervereinigung schaffen sollten, unterblieb merkwürdigerweise eine R ü c k n a h m e der erst am 28. Mai eingeführten neuerlichen N o r m e n e r h ö h u n g e n . Nicht zuletzt das Festhalten an dieser Sinn und Zweck des „Neuen Kurses" widersprechenden Entscheidung bildete dann am 16. J u n i f ü r die Bauarbeiter der Ost-Berliner Stalinallee die Ursache ihres Protestmarsches z u m R e g i e r u n g s s i t z im S t a d t z e n t r u m , in dessen Verlauf das spezifisch ökonomische Auslösungsmotiv fast eruptiv zu politischen Forderungen weiterdrängte, die am folgenden T a g z u m Generalstreik in den großen Städten und Industrierevieren der D D R f ü h r t e n , der das R e g i m e in seinen Grundfesten erschütterte und die sowjetische Armee z u m Eingreifen veranlaßte. W ä h r e n d M o s k a u , vor d e m R i s i k o einer nicht mehr zu kontrollierenden Entwicklung in der D D R mit vielleicht unabsehbaren Folgen

V. Konsolidierung

1951—1954

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für alle Satellitenstaaten zurückschreckend, sich nun zur Stützung des k u r z zuvor noch vom S t u r z bedrohten SED-Generalsekretärs Ulbricht verpflichtet sah, blieb man in Bonn und in den westlichen H a u p t s t ä d ten fest entschlossen, keinen Augenblick die Linie vorsichtig abwiegelnder T a k t i k zu verlassen, um auch nicht den Anschein einer Einmischung zu erwecken. Zwar zollte man den gegen das SED-Regime Aufbegehrenden f ü r ihren M u t überall uneingeschränkten R e s p e k t , verbunden zugleich aber eben doch mit Mahnungen zu Geduld und Z u r ü c k h a l t u n g , um weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Im allgemeinen war westlich der deutschen Grenze jene Stimmung vorherrschend, die auch während späterer Krisen im Ostblock nichts mehr fürchtete als die Wiederholung eines solchen Aufstandsversuchs gegen die sowjetische Besatzungsmacht und die daraus möglicherweise erwachsende Gefahr einer Bedrohung der westlichen Position in Berlin wie des Status quo in Europa überhaupt. Spätere Kontroversen unter Historikern, ob es sich bei den Ereignissen des 16. und 17. J u n i 1953 letztlich nur um eine über die U f e r getretene Lohnbewegung der Arbeiterschaft, nicht jedoch um einen Volksaufstand oder gar um eine R e v o l u t i o n gehandelt habe, erscheinen müßig. Tatsache bleibt, daß, wenngleich es in rund 300 Orten der D D R zu Streiks kam und davon ungefähr in 120 sowjetisches Militär eingreifen mußte, wohl nur ungefähr 300000 Menschen sich an A k t i o nen beteiligten, also nur höchstens 8 % der 5 Millionen Arbeitnehmer, daß Bürgertum und Bauernschaft aber ganz überwiegend passiv blieben. Doch Aufstände und Revolutionen galten zu ihrem Beginn stets nur als Sache einer aktiven und entschlossenen Minderheit. Und die schon am N a c h m i t t a g des 16. J u n i lautgewordenen politischen Forderungen lassen doch nur den einen Schluß zu, daß der als Protest gegen die Normenschinderei begonnene Marsch der Ost-Berliner Bauarbeiter u n m i t t e l b a r die grundsätzliche Opposition der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung gegen ein seit 1945 nur mürrisch ertragenes System widerspiegelte, die sich nun gewaltsam Luft zu schaffen suchte. Es war im Grunde wohl der letzte verzweifelte Versuch, unter Ausnutzung einer vermeintlich günstigen Gelegenheit, zur Sprengung aller Fesseln, die die Menschen in Ost-Berlin und in der D D R daran hinderte, teilzuhaben an einer Entwicklung, die in Deutschland endlich die Demokratie zu festigen schien.

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Hans J. Reichhardt

• Wiederaufbau

Neubildung des Senats durch

Berlins

1945—1963

CDU/FDP-Koalition

W i e die Regierungen der W e s t m ä c h t e und der Bundesrepublik, so waren auch die politischen Instanzen in West-Berlin durch die dramatischen Ereignisse um den 17. J u n i 1953 letztlich überrascht, ja geradezu überrannt worden. T r o t z aller offenbarten Schwächen hatte sich die östliche Seite in dieser Krise das G e s e t z des Handelns nicht aus der H a n d nehmen lassen. G e w i ß war die westliche Tatenlosigkeit im einzelnen mit dem unglücklichen Zufall verbunden, daß der Regierende Bürgermeister R e u t e r im entscheidenden Augenblick auf einem K o n greß in Wien weilte und erst zurückkehren k o n n t e , als alle wesentlichen Entscheidungen bereits gefallen waren. D o c h bleibt fraglich, ob er dem Verlauf der Dinge eine andere Wendung hätte geben können, als sie durch die schon 1949 und 1952 gezogenen G r e n z e n westlichen Eintretens für die Wiedervereinigung Deutschlands vorprogrammiert war. Das leidenschaftliche Aufbegehren, mit dem R e u t e r den W e s t e n zur Entfaltung einer politischen Offensive im großen Stil anzutreiben suchte, mit der er für die Bundestagswahlen des Herbstes 1953 den Primat der nationalen N o t w e n d i g k e i t vor dem forderte, was ihm nur als parteipolitische Verengung erschien, war nicht mehr und k o n n t e nach Entwicklung der Ereignisse seit M i t t e J u n i nicht mehr sein als ein N i c h t - W a h r h a b e n - W o l l e n der in seinem Inneren wohl doch schon seit geraumer Zeit gewachsenen Erkenntnis, daß die W e l t und auch der größere T e i l der D e u t s c h e n selbst mit ihrer Teilung sich abzufinden begannen. Sein unermüdliches E i n t r e t e n für die Wiedervereinigung, für das Ausnutzen der Chancen nach Stalins T o d , nach dem 17. J u n i , all dies war der M e h r h e i t der westdeutschen Wähler, so zeigte es sich jedenfalls beim grandiosen Wahlsieg Adenauers und der C D U am 6. S e p t e m b e r 1953, weit weniger wichtig als die wirtschaftliche Prosperität der Bundesrepublik. Die V e r b i t t e r u n g ü b e r eine solche E n t w i c k lung, die er seit J a h r e n befürchtet und der er von Berlin aus leidenschaftlich entgegenzuwirken gesucht hatte, überschattete die letzten W o chen seines Lebens. Als dann der R u n d f u n k am A b e n d des 29. S e p t e m ber die N a c h r i c h t vom T o d e R e u t e r s verbreitete, schien die ganze Stadt wie gelähmt und b e t ä u b t . O h n e jede Aufforderung erschienen plötzlich in vielen Fenstern Kerzen. Die Berliner wiederholten damit eine G e s t e stummer V e r b u n d e n h e i t , zu der sie ihr Bürgermeister Weihnachten 1952 aufgerufen hatte, um aller noch nicht Heimgekehrten zu gedenken. Diese spontane R e a k t i o n auf das kaum faßbare Ereignis leitete eine tagelange D e m o n s t r a t i o n der T r a u e r ein, wie sie in der Geschichte Berlins ohne Beispiel blieb.

V. Konsolidierung

95

1951—1954

N u r wenige W o c h e n später zerbrach die v o n R e u t e r m i t so unsäglichen A n s t r e n g u n g e n v e r t e i d i g t e G r o ß e K o a l i t i o n aller d e m o k r a t i s c h e n Parteien in Berlin, o h n e im G r u n d e s c h o n wirklich e n t b e h r lich zu sein. D i e M e i n u n g des P a r l a m e n t s p r ä s i d e n t e n S u h r , daß nach dem T o d R e u t e r s v e r f a s s u n g s t e c h n i s c h keine B e d e n k e n gegen ein W e i t e r a m t i e r e n des „ R u m p f s e n a t s " bis zu den E n d e 1 9 5 4 fälligen N e u w a h len b e s t ü n d e , e r w e c k t e bei der C D U W i d e r s p r u c h , die s o f o r t für eine N e u w a h l des R e g i e r e n d e n B ü r g e r m e i s t e r s plädierte. Das U n t e r s t ü t z e n dieser F o r d e r u n g durch die F D P m a c h t e klar, d a ß beide danach sich n i c h t m e h r davon a b h a l t e n lassen w o l l t e n , ihren W a h l e r f o l g v o m D e z e m b e r 1 9 5 0 wenigstens nun n o c h für den R e s t der Legislaturperiode p o l i t i s c h u m m ü n z e n zu k ö n n e n , wenngleich b e s t i m m t e K r ä f t e in der C D U , wie d e r spätere B u n d e s m i n i s t e r L e m m e r o d e r auch d e r f a k t i s c h als V e r t r a u e n s m a n n K a n z l e r Adenauers fungierende

Bundesbevoll-

m ä c h t i g t e V o c k e l , eine F o r t s e t z u n g der b e w ä h r t e n Z u s a m m e n a r b e i t mit der S P D t r o t z aller D i f f e r e n z e n im Interesse Berlins b e f ü r w o r t e t e n . D i e am 2 3 . O k t o b e r e r f o l g t e W a h l W a l t h e r S c h r e i b e r s z u m R e g i e renden B ü r g e r m e i s t e r m i t 6 2 S t i m m e n v o n C D U und F D P — sein G e g e n k a n d i d a t O t t o S u h r e r h i e l t alle 57 der S P D — b e d e u t e t e allerdings n o c h k e i n E n d e der auch v o m B u n d e s k a n z l e r

nachdrücklich

u n t e r s t ü t z t e n B e m ü h u n g e n , d o c h n o c h einmal eine G r o ß e K o a l i t i o n z u s t a n d e z u b r i n g e n . Sie s c h e i t e r t e n dann M i t t e N o v e m b e r endgültig, vor allem am W u n s c h der S o z i a l d e m o k r a t i e nach gleich s t a r k e r Präsenz im S e n a t wie C D U und F D P z u s a m m e n und an ihrem n o c h aus den K o a l i t i o n s v e r h a n d l u n g e n des J a h r e s 1951 herrührenden A n s p r u c h nach B e s e t z u n g des A m t e s des I n n e n s e n a t o r s m i t einem M a n n aus ihren R e i h e n , falls sie nicht den R e g i e r e n d e n B ü r g e r m e i s t e r stellen k ö n n e . S o k a m es zur B i l d u n g eines rein b ü r g e r l i c h e n S e n a t s , der a b e r gleichwohl m i t d e m F e s t h a l t e n an zwei s o z i a l d e m o k r a t i s c h e n S p i t z e n leuten — d e m e h e m a l i g e n S e n a t o r f ü r das K r e d i t w e s e n , Paul H e r t z , als n u n m e h r i g e n L e i t e r des N o t s t a n d s p r o g r a m m s und zentraler Figur des w i r t s c h a f t l i c h e n W i e d e r a u f b a u s und dem v o m R e g i e r e n d e n B ü r g e r m e i ster ausdrücklich u m sein V e r b l e i b e n im A m t g e b e t e n e n Pressechef H a n s E . H i r s c h f e l d — signalisierte, d a ß nun keineswegs alle B r ü c k e n zu der erstmals in der N a c h k r i e g s z e i t die R o l l e der O p p o s i t i o n im Berliner Parlament p r a k t i z i e r e n d e n Partei a b g e b r o c h e n sein sollten.

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Hans J. Reichhardt

• Wiederaufbau

Berlins Unterstützung für die Bonner

Berlins

1945—1963

Außenpolitik

Die Besetzung der Senatssessel ausschließlich mit Männern aus den bürgerlichen Parteien sorgte im dann folgenden außenpolitisch höchst ereignisreichen J a h r für eine seit 1949 niemals vorhanden gewesene volle Ubereinstimmung zwischen B o n n und Berlin. Sie begleitete die Berliner A u ß e n m i n i s t e r k o n f e r e n z im J a n u a r und F e b r u a r 1954, mit dem für die Bevölkerung der S t a d t freilich tief enttäuschenden Ergebnis, daß die S o w j e t u n i o n gegen den nach wie vor von freien W a h l e n in ganz Deutschland ausgehenden Plan des britischen Außenministers Eden erstmals mit brutaler D e u t l i c h k e i t den Standpunkt von der Existenz zweier deutscher Staaten formulierte und sich mit schroffer Entschiedenheit weigerte, sowohl die vom ganzen W e s t e n als unverzichtbar behandelte Aufnahme der Bundesrepublik in die Europäische Verteidigungsgemeinschaft ( E V G ) zuzulassen als auch das im EdenPlan enthaltene A n g e b o t eines europäischen Sicherheitssystems wirklich ernsthaft ins Kalkül zu ziehen. E b e n s o entschlossen jedoch hielt gegen die nun folgende sowjetische Anerkennung der D D R als souveräner Staat und ihre spätere Aufnahme in den Warschauer Pakt im Mai 1955 der durch die W e s t m ä c h t e gedeckte Bundestag am Alleinanspruch der Bundesrepublik als des einzig demokratisch legitimierten deutschen Staates fest, die N a t i o n im Ganzen zu repräsentieren. Die Berliner K o n f e r e n z bedeutete so eine Fixierung der Spaltung Deutschlands, mit der, fortdauernd bis in unsere unmittelbare Gegenwart und, wenn nicht alles täuscht, bis ins nächste J a h r h u n d e r t hinein, die Sowjetunion sich auf eine Politik in der deutschen Frage festlegte, indem sie sich fortan konsequent auf den seit 1945 als eine der möglichen O p t i o n e n wohl doch schon ernsthaft vorbereiteten und schließlich im O k t o b e r 1949 aus der T a u f e gehobenen, ganz von ihr abhängigen deutschen T e i l s t a a t stürzte. Dessen ungeachtet aber wehrte man sich in beiden deutschen Staaten, wenigstens offiziell, noch vehement gegen die Vorstellung, daß die Berliner K o n f e r e n z im G r u n d e doch nur eine weitere Etappe in der Entwicklung zur Vertiefung der Spaltung darstellte. Man wollte zwar nicht einfach vor einer „scheinbaren Unversöhnlichkeit der großen Politik kapitulieren" ( E r n s t Lemmer), versicherte, die Deutschen würden sich „niemals mit der Spaltung ihres Landes abfinden und die E x i s t e n z zweier deutscher Staaten hinnehmen" (Konrad Adenauer), und erklärte, das deutsche V o l k s müsse „seine Sache noch entschlossener in seine H ä n d e n e h m e n " ( O t t o G r o t e w o h l ) . Als im J u n i Bundes-

V. Konsolidierung

1951—1954

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bahn und Reichsbahn Verbesserungen im Interzonenverkehr vereinbarten, wertete das SED-Zentralorgan Neues Deutschland dies noch als „großen politischen Erfolg im Ringen um die deutsche Einheit", welches jedermann zeige, daß, wenn Deutsche sich an einen Tisch setzten, sie im gemeinsamen Streben nach Festigung der „Verbindungen zwischen beiden Teilen Deutschlands" auch zu Ergebnissen gelangten. Und als schließlich am 17. Juli in einer Messehalle am Funkturm die zweite Bundesversammlung Theodor Heuss in seinem Amt als Bundespräsident bestätigte, polemisierten Ost-Berliner Blätter zwar heftig gegendessen Wiederwahl, weil er unter anderem 1933 Hitlers Ermächtigungsgesetz zugestimmt hatte, begrüßten im übrigen aber den gegen den Willen Adenauers in Berlin durchgeführten Wahlakt, da die Mitglieder der Bundesversammlung so die Gelegenheit fänden, den „Osten" kennenzulernen und sich in „gesamtdeutschen Gesprächen" mit den Menschen im „demokratischen Sektor" — in den zu kommen sie sich „herzlich eingeladen" fühlen sollten — persönlich davon zu überzeugen, daß hier „wahrhaft demokratische Verhältnisse" herrschten. Die durch keinerlei Irritationen und Friktionen belasteten Beziehungen des bürgerlichen Berliner Senats zur Bundesregierung blieben auch dadurch gewahrt, daß dieser für Bonn eine zuverlässige Stütze darstellte, als die französische Nationalversammlung am 30. August die E V G scheitern ließ und die hieraus folgende Krise im Lager des Westens wenige Wochen später zur Aufnahme der Bundesrepublik in die N A T O führte, verbunden mit der Zusicherung der Westmächte, bei schwerwiegenden Berlin-Fragen künftig die Bundesregierung stets zu konsultieren und Berlin fortan das höchstmögliche Maß an Selbstregierung zu gewähren. Die Berliner C D U stand in diesen von hektischen diplomatischen Aktivitäten geprägten Wochen voll hinter der Bundesregierung. Sie billigte die von der Sozialdemokratie heftig bekämpften, in Paris unterzeichneten neuen Verträge und verzichtete auf einen neuerlichen Vorstoß zur Verstärkung der rechtlichen Bindungen Berlins an den Bund. Der Regierende Bürgermeister Schreiber hat es dabei wohl sogar an der Unterrichtung des Koalitionspartners fehlen lassen, dessen Vorsitzender Sch wennicke später das Weiterbestehen der westlichen Vorbehalte gegen eine unbeschränkte Einbeziehung Berlins in den Bund ebenso bedauerte wie der SPD-Abgeordnete Brandt, der in der „gegenwärtigen internationalen Lage" keinen Hinderungsgrund mehr zu erkennen

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Hans J. Reichhardt • Wiederaufbau Berlins 1945—1963

vermochte, die Berlin betreffenden Artikel des Grundgesetzes noch länger zu suspendieren, und von neuem anregte, bei den Westmächten zumindest die unmittelbare Geltung von Bundesgesetzen in Berlin zu erreichen.

Wahlen vom 5. Dezember 1954 Die erste bürgerliche Stadtregierung konnte sich nur wenig mehr als ein Jahr im A m t behaupten. Der das Ende des Jahres 1954 die politische Szenerie Berlins beherrschende Wahlkampf erfuhr seine Schärfe und Erbitterung vornehmlich aus dem außenpolitischen Gegensatz zwischen den Parteien im Bundestag. Kanzler Adenauer vertrat auch hier seine strikte Ablehnung eines neutralen Deutschlands mit unnachgiebiger H ä r t e , da allein ihre feste Einbindung in das westliche Bündnissystem die Bundesrepublik dazu befähigen würde, die Wiedervereinigung ganz anders zu fordern als im Zustand der Bündnislosigkeit. Und der Regierende Bürgermeister Schreiber gab sich überzeugt, daß nur eine energische Fortsetzung der Politik der Stärke zur Wiedervereinigung führen könne; die Berliner zudem realen Sinn besäßen, dies zu erkennen, statt der „unklaren Zerfahrenheit" der S P D zu folgen. Hingegen ließ der SPD-Vorsitzende Ollenhauer nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen, daß f ü r seine Partei der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands unbedingt der Vorrang gebühre, die Verträge demgegenüber nur einer Verewigung der Teilung des Landes dienen könnten. Und der Berliner SPD-Spitzenkandidat O t t o Suhr meinte, Berlin würde seine Mission im unteilbaren Deutschland nicht erfüllen können, wenn es, wie in den letzten Monaten geschehen, lediglich „von Bonn verwaltet wird". Der Streit über eine Reihe innenpolitischer T h e m e n hielt sich demgegenüber in vergleichsweise akzeptablem Rahmen. Die Ursache hierf ü r mag auch in der H a l t u n g maßgebender Berliner CDU-Politiker zu suchen sein, die mit verstärktem Eifer zwar f ü r eine weitere Angleichung an die Verhältnisse in der Bundesrepublik eintraten, zugleich aber im großen Ganzen bestrebt blieben, die knappe bürgerliche Mehrheit nicht übermäßig zu strapazieren, um bei aller zuweilen unvermeidlichen Schärfe in kontroversen Fragen, wie der Schulpolitik, der Neugestaltung von Kranken- und Sozialversicherung und des besten Weges zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit, die Möglichkeit zur Rückkehr in die Koalition der Jahre 1949 bis 1953 stets offenzuhalten.

V. Konsolidierung

1951—1954

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Besondere W ü r z e erhielt der Wahlkampf durch die Teilnahme der SED und das Aufkommen von Rechtsparteien. Während die SPD, die mit ihren acht Kreisverbänden noch über eine intakte Parteiorganisation verfügte, sich Anfang September zum Verzicht auf eine formell mögliche Beteiligung an den „Separatwahlen" zur Ost-Berliner Stadtverordnetenversammlung am 17. Oktober durchrang, weil sie eine Reihe politischer wie wahltechnischer Voraussetzungen als nicht erfüllt ansehen mußte, hatten die Kreisverbände der SED in West-Berlin schon im Mai die Aufstellung eigener Kandidaten für die nächsten Wahlen angekündigt. Ein Beschluß, der das SED-Zentralorgan „ Neues Deutschland" zu der Bemerkung veranlaßte, hierdurch würde sich ein Weg öffnen zu einer „klaren Mehrheit gegen die Adenauer-Koalition", zum Entzug der parlamentarischen Basis des „reaktionären EVGSenats Schreibers" und für den Sieg von Freiheit und Demokratie. U n t e r den Kandidaten befanden sich dann eine Reihe bekannter Namen, wie der des Physikers Robert Havemann, des Schulpädagogen Paul Ostreich, der Schauspielerin und Frau Bertolt Brechts Helene Weigel und des ersten Nachkriegs-Oberbürgermeisters Arthur Werner, den man jedoch als „parteilos" bezeichnete. Die Deutsche Partei (DP), verläßlicher Koalitionspartner in den Bonner Kabinetten seit 1949, ließ bei der Eröffnung ihres Wahlkampfes im Sportpalast noch sehr viel schärfer als vier Jahre zuvor rechtsradikale T ö n e anklingen, die fatale Erinnerungen an vergangene Zeiten wachriefen und seit 1945 in Berlin nicht mehr zu hören gewesen waren. So meinte nach dem Auftakt mit Marschmusik, während der uniformierte Jugendliche den „Neuen Deutschen Soldatenkalender" verkauften, und der demonstrativen Begrüßung von Soldatenverbänden einschließlich desjenigen der Waffen-SS ihr Bundestagsfraktionsvorsitzender von Merkatz, er habe in Berlin das Gefühl, von der Etappe an die Front gekommen zu sein. Und der Landesvorsitzende von H e y n i t z attackierte die „marxistische SPD", welche die „kommunistischen Küken mit ihrem H e r z b l u t " gebrütet habe und „nie wieder" an einer Berliner Regierung beteiligt werden dürfe. Siegesgewiß verkündete er, daß seine Partei nach der Wahl „im Schöneberger Rathaus die Fenster öffnen und frische Luft hereinlassen", dann für „preußische Sauberkeit" sorgen und die Arbeitslosigkeit beseitigen werde. N u r wenig später sollten dergleichen Erscheinungen bei der zweiten DP-Kundgebung im Sportpalast ihre Fortsetzung finden. Wieder gab es die Begrüßung von Soldatenverbänden, steigerten sich die antisemitischen Ausfälle von Rednern, wurden Personen, die beim Singen der

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Berlins 1945—1963

ersten Strophe des Deutschlandliedes sich nicht sofort erhoben, von Ordnern beschimpft, bedroht und teilweise geschlagen. Und als der bei seinen zahllosen Sonntagsreden mit nationalistischen Parolen stets munter drauflos schwadronierende Bundesverkehrsminister Seebohm sich dann noch erdreistete, die „undemokratischen Formen" des Berliner Wahlkampfes zu beklagen, obwohl Deutschland seit 1945 doch schon soviel Erziehung zur Demokratie genossen habe, gab es Proteste der Öffentlichkeit zuhauf. Im Abgeordnetenhaus verurteilte der Regierende Bürgermeister Schreiber die Radauszenen und Ausschreitungen bei DP-Veranstaltungen, die den Ruf Berlins beschmutzten. Einmütig verabschiedete das Parlament eine dann an allen Anschlagsäulen veröffentlichte Entschließung mit dem Appell an den Senat zur Anwendung schärfster Maßnahmen bei Wiederholung solcher Vorfälle, die in jeglicher Hinsicht dem „Auftreten des volks- und staatszerstörenden Radikalismus vor 1933" glichen. Ein in den letzten Monaten in der Bevölkerung zu spürendes Unbehagen hatte unter Politikern schon die Befürchtung auf eine sehr viel geringere, das Ansehen der Stadt in der Welt mindernde Wahlbeteiligung aufkeimen lassen als bei den drei vorangegangenen Nachkriegswahlen. Um so größer war am Wahlabend die Überraschung, als mit 91,8 % der Wahlberechtigten sogar 1,4 %, also etwa 70 000 Menschen, mehr als beim letzten Mal ihre Stimmzettel in die Urnen gesteckt hatten. Ein Resultat, das, so der Tagesspiegel in einem Kommentar, bewies, „daß das Demokratische in Berlin in Wahrheit unangefochten ist". Gewiß war die Uberwindung jener beklagten Mißstimmung nicht zuletzt dem Faktum zuzuschreiben, daß die überwältigende Mehrheit der Berliner längst begriffen hatte, wie sie sich trotz allen, gelegentlich nur zu verständlichen Ärgers über die demokratischen Parteien nicht noch einmal, wie zu Anfang der 30er Jahre, dazu verleiten lassen dürfe, den Schalmeienklängen der Radikalen von rechts und links zu folgen. Diese schafften es zur allgemeinen Erleichterung in der T a t nicht, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Am Wahlabend sah es zwar vorübergehend so aus, als ob dies der D P gelingen könnte, doch erreichte sie schließlich nur 4,8 %; immerhin vermochte sie in sieben Bezirken mit je zwei oder drei Vertretern in die Bezirksverordnetenversammlungen einzuziehen. Hingegen erhielt die S E D mit 2,7 % nur noch rund ein Fünftel ihres Stimmenanteils in den Westsektoren bei den Wahlen 1946 (13,7 %); sie war somit auf den Status einer Splitterpartei abgesunken, aus dem sie sich in den mehr als 30 Jahren seither noch nicht wieder hat befreien können.

V. Konsolidierung

1955—1958

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Die drei d e m o k r a t i s c h e n Parteien v e r m o c h t e n insgesamt 87,8 % der S t i m m e n auf sich zu v e r e i n i g e n . Die S P D k o n n t e rund 30 000 S t i m m e n m e h r v e r b u c h e n , m i t 44,6 % ihren A n t e i l fast g e n a u b e h a u p t e n und bei der Z a h l der M a n d a t e sogar k n a p p die a b s o l u t e M e h r h e i t e r r i n g e n . Die C D U , e i g e n t l i c h e G e w i n n e r i n der W a h l , verzeichnete m e h r als 100 000 S t i m m e n z u s ä t z l i c h u n d v e r m o c h t e ihren A n t e i l auf ü b e r 30 % zu s t e i g e r n . D a n e b e n m u ß t e die F D P den V e r l u s t von fast der H ä l f t e ihrer M a n d a t e u n d r u n d 1 4 0 0 0 0 S t i m m e n weniger als vier J a h r e z u v o r registrieren. N i c h t wenige Beobachter g l a u b t e n , dies auf einen außenpolitisch angeblich z w e i d e u t i g e n oder z u m i n d e s t u n k l a r e n Kurs der Partei einerseits wie auf ihren M a n g e l an p r o f i l i e r t e n P e r s ö n l i c h k e i t e n f ü r R e g i e r u n g s ä m t e r andererseits z u r ü c k f ü h r e n zu müssen. Der Landesv o r s i t z e n d e S c h w e n n i c k e j e d e n f a l l s zog noch in der W a h l n a c h t die K o n s e q u e n z aus diesem schlechten Abschneiden seiner Partei und verk ü n d e t e , d a ß sie f o r t a n den P a r t der O p p o s i t i o n im P a r l a m e n t ü b e r nehmen werde.

2. 1955 bis 1958 Bildung eines

SPD/CDU-Senats

Die von den P a r t e i e n wie von einzelnen ihrer S p i t z e n f u n k t i o n ä r e in den T a g e n nach der W a h l a b g e g e b e n e n E r k l ä r u n g e n ließen keinen Zweifel daran, d a ß das Ergebnis im G r u n d e auf keine andere L ö s u n g als eine K o a l i t i o n zwischen S P D u n d C D U hinauslief. Bereits am 7. Dez e m b e r ü b e r m i t t e l t e der B u n d e s b e v o l l m ä c h t i g t e V o c k e l d e m SPDS p i t z e n k a n d i d a t e n S u h r die Einladung zu einer längeren A u s s p r a c h e m i t K o n r a d A d e n a u e r , wobei V o c k e l zur A u f l o c k e r u n g der g e s p a n n t e n A t m o s p h ä r e gleich noch e i n r ä u m t e , daß die Berliner W a h l r e d e des Kanzlers vier T a g e z u v o r Ä u ß e r u n g e n e n t h i e l t , denen „ M i ß d e u t u n g e n und i r r t ü m l i c h e A u s l e g u n g e n von I n f o r m a t i o n e n zu G r u n d e lagen". G l e i c h w o h l legten b e i d e großen Parteien dann eine gewisse S p r ö d i g k e i t an den T a g , m e i n t e n , d a ß die zwischen ihnen g e p l a n t e n Gespräche k e i n e s w e g s z w a n g s l ä u f i g eine K o a l i t i o n z u m Ergebnis haben m ü ß t e n . E r k l ä r t e die S P D , n o t f a l l s sogar m i t n u r einer S t i m m e M e h r h e i t regieren zu wollen, gab die C D U zu e r k e n n e n , sie werde u n t e r keinen U m s t ä n d e n ohne wirklichen Einfluß zu g e w i n n e n sein. A m R a n d e dieses p r o p a g a n d i s t i s c h e n V o r g e p l ä n k e l s der Koalitionsv e r h a n d l u n g e n h a t t e sich auch die S E D zu W o r t g e m e l d e t , die in einem O f f e n e n Brief z u n ä c h s t die S P D a u f f o r d e r t e , auf eine V e r b i n d u n g m i t

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• Wiederaufbau

Berlins 1945—1963

der C D U zu verzichten und statt dessen im Abgeordnetenhaus eine „dem Frieden, der Wiedervereinigung und dem gesellschaftlichen Fortschritt" dienende Politik zu betreiben. Als eine Art Belohnung dafür stellte die SED in Aussicht, daß sie einem von der SPD allein getragenen Senat, der die Verträge über die Einbeziehung der Bundesrepublik in das westliche Bündnis ablehne, mit allen ihren Kräften unterstützen wolle. U n d als die Koalition zum Jahresende hin in den Gesprächen zwischen SPD und C D U konkretere Gestalt anzunehmen begann, polemisierte der Erste Sekretär der Berliner SED-Bezirksleitung, Alfred Neumann, ausgerechnet am ersten Weihnachtsfeiertag noch einmal heftig gegen ein derartiges Bündnis und beschuldigte die „amerikanische Fraktion" in der SPD der Unterwerfung unter die „Kriegspartei" C D U . Er rief deshalb zu „Massenaktionen" auf, die die SPD veranlassen sollten, den Senat allein zu bilden, dessen erste Aufgabe dann in der Ablehnung der West-Verträge und einer Preisgabe der „Frontstadt"-Politik läge, wodurch das Ansehen Berlins als Hauptstadt Deutschlands gehoben würde. Mit nur 2,7 % der Wählerstimmen im Rücken, bereitete die Organisierung von „Massenaktionen" natürlich einige Schwierigkeiten, von denen in den folgenden T a g e n und Wochen auch nicht die Rede sein konnte. Für SPD wie C D U bestand daher keinerlei Anlaß, derlei agitatorischem Maulheldentum ernsthafte Beachtung zu schenken. Wenige Tage nach Jahresbeginn 1955 billigten deren Landesparteitage im großen Ganzen die von den Verhandlungskommissionen erreichten Vereinbarungen, vor allem in Personalfragen; sie sahen im einzelnen unter anderem vor, daß die SPD sieben und die C D U sechs Senatoren stellt, der der C D U angehörende Bürgermeister kein Fachressort mitverwaltet und die zwölf Bezirksbürgermeisterposten nach dem Schlüssel 6 : 6 besetzt werden sollten. Die mit rund 14 % Wählerstimmen stärker ausgestattete SPD war in diesem Bereich ihrem Partner ein ganz erhebliches Stück entgegengekommen und hatte ihm nahezu eine Parität zugestanden. In einem Fall allerdings zwang sie, dabei weitgehend von der Berliner Öffentlichkeit unterstützt, die C D U zu einem Wechsel ihres Kandidaten. Statt des in innerparteilichen Wahlen unterlegenen früheren Stadtkämmerers und bisherigen Finanzsenators Friedrich Haas, der aus seinem guten Verhältnis zur SPD im allgemeinen und zum verstorbenen Regierenden Bürgermeister R e u t e r nie ein Hehl gemacht hatte, war von ihr der frühere nordrhein-westfälische Aufbau- und Wohnungsminister O t t o Schmidt für das Finanzressort nominiert worden.

V. Konsolidierung

1955—1958

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M i t d e m H i n w e i s auf die u n m i t t e l b a r b e v o r s t e h e n d e n V e r h a n d l u n g e n m i t d e m B u n d e s f i n a n z m i n i s t e r i u m ü b e r die H ö h e der B e r l i n - H i l f e glaubte der mittlerweile s c h o n z u m R e g i e r e n d e n B ü r g e r m e i s t e r gewählte O t t o S u h r auf die langjährigen E r f a h r u n g e n v o n H a a s nicht verzichten zu k ö n n e n . W o h l o d e r ü b e l m u ß t e die C D U einer solchen B i t t e z u s t i m m e n ; H a a s sollte bis z u r V e r a b s c h i e d u n g des Berliner E t a t s sein altes A m t w e i t e r f ü h r e n . D o c h n o c h b e v o r dies g e s c h a h , h a t t e d e r ursprüngliche K a n d i d a t S c h m i d t m i t g e t e i l t , daß er n i c h t m e h r zur V e r f ü g u n g s t e h e , was die B e r l i n e r C D U am 8. J u l i zur B i t t e an H a a s veranlaßte, weiterhin auf seinem P o s t e n zu verbleiben. V o n Beginn an präsentierte sich dieser neue Senat m i t einem starken S e l b s t b e w u ß t s e i n und m i t e i n e m b e t o n t e n F ü h r u n g s a n s p r u c h . „ J e t z t wird wirklich regiert!" l a u t e t e die v o m R e g i e r e n d e n

Bürgermeister

S u h r ausgegebene Parole, die signalisieren sollte, daß ü b e r das im vergangenen J a h r p r a k t i z i e r t e einfache Anpassen an b u n d e s r e p u b l i k a n i sche V e r h ä l t n i s s e hinaus der A r b e i t des S e n a t s ganz p r o n o n c i e r t ein eigenes Profil gegeben werden sollte. W e n n e i n e r grundlegenden N e u g e s t a l t u n g der P o l i t i k d e r auf G r u n d des S t a t u s der S t a d t b e s c h r ä n k t e H a n d l u n g s s p i e l r a u m des S e n a t s selbst wie durch die e h e r b e h u t s a m e und b e d ä c h t i g e N a t u r O t t o Suhrs auch deutliche G r e n z e n g e s e t z t waren, v e r m o c h t e die neue R e g i e r u n g d o c h d o r t Ziele a n z u s t r e b e n , wo es galt, eine sich a n b a h n e n d e E n t k r a m p f u n g zwischen O s t und W e s t auch zur V e r b e s s e r u n g der i n n e r s t ä d t i s c h e n V e r h ä l t n i s s e zu n u t z e n . N e b e n d e r selbstverständlichen L o y a l i t ä t s e r k l ä r u n g gegenüber dem W e s t e n insgesamt, der W i e d e r h o l u n g bereits f r ü h e r geprägter F o r m e l n zu den E x i s t e n z g r u n d l a g e n

der S t a d t , ihren Beziehungen zu den

S c h u t z m ä c h t e n und zur B u n d e s r e p u b l i k sowie d e m o b l i g a t e n

Be-

k e n n t n i s z u r E i n h e i t d e r S t a d t und der N a t i o n v e r d i e n t e n in der Regierungserklärung Suhrs zwei P u n k t e besondere B e a c h t u n g : 1. D u r c h f ü h r u n g einer V e r w a l t u n g s r e f o r m m i t dem Ziel eines vereinf a c h t e n Instanzenweges und klarer Z u s t ä n d i g k e i t s a b g r e n z u n g

zwi-

schen S e n a t und B e z i r k s v e r w a l t u n g e n ; 2. H e r s t e l l u n g b e z i e h u n g s w e i s e V e r s t ä r k u n g t e c h n i s c h e r und admin i s t r a t i v e r K o n t a k t e zu O s t - B e r l i n e r B e h ö r d e n z w e c k s L i n d e r u n g der F o l g e n der Spaltung der S t a d t . D i e aus d e m S t r e i t u m die „ r i c h t i g e " A u ß e n p o l i t i k erwachsenen G e g e n s ä t z e und S p a n n u n g e n zwischen S P D und C D U h a t t e O t t o S u h r dadurch e n t s c h ä r f e n k ö n n e n , daß er die Beteiligter, auf eine A r t „ N e u tralisierung" Berlins e i n z u s c h w ö r e n v e r m o c h t e , die dem S e n a t ein klares V o t u m z u den Pariser V e r t r ä g e n ersparte. D i e s e Linie hat er auch

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Hans J. Reichbardt • Wiederaußau

Berlins 1945—1963

d e m B u n d e s k a n z l e r s c h m a c k h a f t zu m a c h e n g e w u ß t , wie es i h m ü b e r h a u p t als e r s t e m Berliner S o z i a l d e m o k r a t e n gelungen war, zu A d e n a u e r r e c h t enge u n d spannungsfreie K o n t a k t e zu k n ü p f e n , die wesentlich z u r Besserung des Verhältnisses Berlin-Bonn b e i t r u g e n . S u h r s u c h t e hier, vor allem in b e z u g auf eine V e r s t ä r k u n g der P r ä s e n z des Bundes, nach W e g e n , die sowohl d e n vitalen Interessen Berlins als auch dessen faktisch v o m Bonn A d e n a u e r s abhängiger Position gerecht w u r d e n . Im neuen, anderen Stil des Senats spiegelten sich nicht z u l e t z t die spezifischen F ü h r u n g s q u a l i t ä t e n des Regierenden Bürgermeisters selbst wider: O t t o S u h r war ein M a n n von ä u ß e r s t e r Sorgfalt u n d G e w i s s e n h a f t i g k e i t , der auch den kleinsten D i n g e n seine volle A u f m e r k s a m k e i t zu schenken pflegte. N i c h t z u l e t z t war er mit Leib u n d Seele G e l e h r t e r , der selbst w ä h r e n d der A m t s z e i t als S t a d t o b e r h a u p t seiner Stellung als D i r e k t o r der 1948 v o n i h m selbst wieder ins Leben gerufenen H o c h s c h u l e f ü r Politik, d e m späteren O t t o - S u h r - I n s t i t u t d e r Freien U n i v e r s i t ä t , t r e u blieb, u m die auf den E r f a h r u n g e n seines Lebens a u f b a u e n d e , v o n i h m v e r t r e t e n e W i s s e n s c h a f t v o n der Politik jüngeren G e n e r a t i o n e n zu v e r m i t t e l n . U b e r eine „ H a u s m a c h t " in der eigenen Partei v e r f ü g t e er nie, zu d e n b e s o n d e r s in Berlin so h e f t i g e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n in den eigenen R e i h e n , d e m b e r ü c h t i g t e n „Flügelschlagen" v o n r e c h t s u n d links, hielt er b e t o n t e D i s t a n z . Vielleicht gerade deshalb g e n o ß er bei den A n h ä n g e r n aller R i c h t u n g e n uneingeschränkten Respekt. Wenngleich mit dem Landesvorsitzenden Neum a n n b e f r e u n d e t , b e r e i t e t e n ihm dessen Eigenwilligkeit u n d starkes D u r c h s e t z u n g s v e r m ö g e n zuweilen erhebliche Schwierigkeiten. Allerdings k a m e r niemals, wie später Willy B r a n d t , auf die Idee, diese im o f f e n e n Kampf zu ü b e r w i n d e n . V e r w a l t u n g u n d R e g i e r u n g der S t a d t b e t r a c h t e t e O t t o S u h r weniger aus d e r Sicht eines eingefleischten P a r t e i m a n n e s als vielmehr von der W a r t e des W i s s e n s c h a f t l e r s , d e m in e r s t e r Linie d a r a n lag, einen technisch leistungsfähigen u n d in der Praxis d e m o k r a t i s c h s t r u k t u r i e r t e n B e a m t e n a p p a r a t a u f z u b a u e n . Diese G r u n d e i n s t e l l u n g h a t t e O t t o S u h r m e h r als einmal an den R a n d des innerparteilichen S p e k t r u m s a b d r i f t e n lassen, was die u n e n t b e h r l i c h e persönliche A r b e i t in den H a u p t - wie in den Bezirksverwaltungen a u ß e r o r d e n t l i c h e r s c h w e r t e , seine K r a f t in einem angesichts seiner schweren K r a n k h e i t k a u m v e r t r e t b a r e n M a ß e a b s o r b i e r t e u n d d a n n schließlich d e n f r ü h z e i t i g e n T o d m i t herbeiführte.

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„ Erklärung über Berlin" D i e u n m i t t e l b a r e „ N a c h k r i e g s z e i t " e n d e t e f ü r die S t a d t wie für die B u n d e s r e p u b l i k offiziell am 5. Mai 1 9 5 5 . N a c h H i n t e r l e g u n g aller R a t i f i k a t i o n s u r k u n d e n zu den Pariser V e r t r ä g e n erfolgte an diesem T a g sowohl die S o u v e r ä n i t ä t s e r k l ä r u n g der Bundesrepublik als auch die P r o k l a m a t i o n der „ E r k l ä r u n g ü b e r B e r l i n " , welche ihre V o r g ä n g e r i n „ . . . ü b e r die G r u n d s ä t z e der B e z i e h u n g e n der S t a d t G r o ß - B e r l i n zur Alliierten K o m m a n d a n t u r " in der revidierten Fassung v o m 7. M ä r z 1951 annullierte. M i t A u s n a h m e des e r s t e n T e i l s der Präambel e n t sprach das neue, bis heute als F u n d a m e n t der B e s a t z u n g s o r d n u n g in W e s t - B e r l i n geltende S t a t u t im W o r t l a u t j e n e r Erklärung v o m 26. Mai 1 9 5 2 , die, b e d i n g t durch das S c h e i t e r n der E V G , ohne jede rechtliche V e r b i n d l i c h k e i t drei J a h r e lang in den A k t e n s c h r ä n k e n abgelegt worden war. In der E i n l e i t u n g w i e d e r h o l t e n die Alliierten n o c h einmal ihren W u n s c h nach G e w ä h r u n g „ g r ö ß t m ö g l i c h e r F r e i h e i t " für die städtischen B e h ö r d e n , soweit diese „ m i t der b e s o n d e r e n Lage Berlins vereinbar i s t " . G r u n d s ä t z l i c h billigte das S t a t u t der S t a d t alle „ R e c h t e , M a c h t b e f u g nisse und V e r a n t w o r t l i c h k e i t e n " zu, wie sie sich aus der V e r f a s s u n g v o m O k t o b e r 1 9 5 0 ableiten. Z u r bleibenden v ö l k e r r e c h t l i c h e n O b e r h o h e i t der Alliierten u n t e r dem V i e r - M ä c h t e - S t a t u t verwies die K o m m a n d a n t u r auf A r t . 2 des s o g e n a n n t e n D e u t s c h l a n d v e r t r a g e s , wonach die B o t s c h a f t e r der W e s t m ä c h t e in B o n n alle bislang von den H o h e n K o m m i s s a r e n a u s g e ü b t e n R e c h t e , V e r a n t w o r t l i c h k e i t e n und H o h e i t s rechte in bezug auf Berlin b e i b e h i e l t e n . D i e unveränderte alliierte V e r a n t w o r t u n g f ü r den V e r k e h r in den L u f t k o r r i d o r e n sowie für D e u t s c h land als G a n z e s b e t r e f f e n d e Fragen b e s t ä t i g t e n die W e s t m ä c h t e gleichzeitig in den V e r t r ä g e n wie in Z u s a t z s c h r e i b e n an die Bundesregierung, den S e n a t und an den s o w j e t i s c h e n H o h e n K o m m i s s a r . Allerdings b l i e b e n weiterhin einige wichtige Bereiche von der allgemeinen Ü b e r t r a g u n g p o l i t i s c h e r S e l b s t ä n d i g k e i t ausgeschlossen: Sic h e r h e i t der alliierten S t r e i t k r ä f t e und D e c k u n g ihrer K o s t e n ; Beschränkung der Beziehungen Berlins zu ausländischen B e h ö r d e n ; u n t e r A b l e i t u n g der 1 9 4 5 festgelegten alliierten K o n t r o l l e n ü b e r A b r ü s t u n g und E n t m i l i t a r i s i e r u n g nun auch E i n b e z i e h u n g „verwandter G e b i e t e der wissenschaftlichen F o r s c h u n g , der zivilen L u f t f a h r t sowie den dam i t in B e z i e h u n g stehenden V e r b o t e n und B e s c h r ä n k u n g e n der Indus t r i e " , was ureigenste I n t e r e s s e n der Berliner W i r t s c h a f t stärker tangierte, als es nach Berliner A n s i c h t m i t „ g r ö ß t m ö g l i c h e r

Freiheit"

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seiner Behörden vereinbar schien; schließlich — trotz ungezählter Berliner Ersuchen, Einsprüche und Bitten — volle Weitergeltung der alliierten Befehlsbefugnis über die Polizei, „insoweit dieselbe zur Gewährleistung der Sicherheit Berlins notwendig ist". Anstößiger noch als derlei Einzelheiten empfanden die Berliner Verantwortlichen Geist und Stil der Erklärung. Sie trug noch immer weitgehend Züge und Charakter von Verordnungen aus der ersten Besatzungszeit, die schon Ernst Reuter mehr als einmal bitter beklagt hatte. Statt der von Berliner Seite erwarteten einfachen Grundsatzerklärung mit der Bestätigung des Vier-Mächte-Status der Stadt und der Rolle der Schutzmächte, hatten diese es nicht für nötig gehalten, eine drei Jahre alte Erklärung den veränderten Zeitläuften anzupassen und in irgendeiner Weise der nunmehr längst hinlänglich erprobten demokratischen Stabilität und Lebensfähigkeit der Stadt Rechnung zu tragen. Das offizielle Berlin zeigte sich dementsprechend enttäuscht. Einer Empfehlung des Senats gemäß akzeptierte das Abgeordnetenhaus das Statut ausdrücklich nur als „Übergangslösung" unter der Voraussetzung neuer Verhandlungen zur weiteren Auflockerung des Besatzungsregimes. Das eigentliche Unbehagen resultierte aber wohl mehr aus dem Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht gegenüber einer Entwicklung, die die Stadt immer weiter in hintere Felder weltpolitischen Handlungsbedarfs zu rücken schien. Nichts führte diese Tatsache Berlins Politikern krasser vor Augen als gerade der gesamte Vorlauf zu dem Dokument, das doch die künftige Stellung und die Aufgaben der Stadt schlechthin zum Inhalt hatte. Waren früher die großen Entscheidungen wie die Behauptung der SPD gegen die Zwangsvereinigung mit der KPD und die Blockade in Berlin und im engen Zusammenwirken mit den Berlinern gefallen, so blieb die Stadt von den Verhandlungen um die Neuordnung der westlichen Positionen in den Monaten vor dem 5. Mai praktisch ausgeschlossen. Denn nach der Ankündigung der Kommandantur vom 25. November 1954 über die beabsichtigte Änderung des Besatzungsstatuts auch durch einen „Meinungsaustausch mit dem Senat" war nichts mehr passiert. Den nächsten „Kontakt" bildete dann der Brief vom 4. Mai 1955 mit dem Angebot der Kommandantur an den Senat über die am folgenden Tag verkündete „Erklärung" hinaus zu Beratungen über weitere Lockerungen des Besatzungsregimes, zu denen es aber nie gekommen ist. Das neue Besatzungsstatut bedeutete ungeachtet aller Unzufriedenheit Berliner Politiker gleichwohl eine nicht unwesentliche Änderung

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der Stellung Berlins im Ost-West-Gegensatz. Die westliche Stadthälfte gewann hierdurch im Rahmen des modifizierten Vier-Mächte-Status eine Position, die allen späteren schwerwiegenden Abänderungswünschen t r o t z t e n und sie zu einem „normalen" und mittlerweile allgemein akzeptierten, wenn gewiß auch nicht unproblematischen Faktor der stabilisierten O r d n u n g in Europa hat werden lassen. Diese Entwicklung blieb auch f ü r Berlins Verbindungen zu Washington und Bonn nicht ohne Folgen, denen der Senat unter O t t o Suhr sich konsequenter als seine Vorgänger in Richtung und Stil der Politik anzupassen suchte. Die einwöchige USA-Reise Suhrs wenige Tage nach Verkündigung des Statuts spiegelte die Veränderung gegenüber der Reuter-Zeit wider, auch ungeachtet der grundverschiedenen Persönlichkeiten beider Stadtoberhäupter. Zwar wurde er ebenfalls von Präsident Eisenhower zu einem kurzen Höflichkeitsbesuch im Weißen H a u s empfangen, doch die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, die Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrages wie die Vorbereitung für die Gipfelkonferenz der Großmächte in Genf beherrschten das allgemeine politische Interesse so stark, daß die amerikanische Presse Suhrs Anwesenheit im Lande kaum zur Kenntnis nahm. Das Hauptziel der Reise, nämlich die Aufmerksamkeit der amerikanischen Weltmacht wieder stärker auf Berlin zu lenken, konnte damit nicht erreicht werden. Weit größere praktische Bedeutung f ü r Berlin hatte die zur gleichen Zeit ganz bewußt auf die politisch wie wirtschaftlich veränderte Lage der Stadt abgestimmte zweimonatige Reise von Paul H e r t z . Angesichts des Erreichens des Produktionsstandes von 1936 im Jahre 1955 war absehbar, daß die USA ihre Hilfe für Notmaßnahmen in der Stadt allmählich zurückschrauben würden. H e r t z mühte sich deshalb zum einen um Investitionskredite für Großprojekte — immerhin bewilligte der Kongreß dann insgesamt 84 Millionen D M zur Beteiligung an einem H o t e l , an der Kongreßhalle und am Hansa-Viertel — und zum anderen um Erschließung neuer Kapitalquellen sowie von Expansionsmöglichkeiten f ü r Berlins Wirtschaft. Nach seinen unzähligen Gesprächen mit führenden Vertretern großer Firmen und Verbände sprach der Wirtschaftssenator bei der Rückkehr von einem Wendepunkt in den Beziehungen Amerikas zu Berlin, die, sollten sie auf lange Sicht positiv verlaufen, allerdings den schnellstmöglichen Anschluß Berliner Firmen an die internationale Konkurrenzfähigkeit zur Voraussetzung hatten. Das eigentlich dynamische Element in der Weiterentwicklung des Status der Stadt bildete nunmehr jedoch das Verhältnis zwischen Bonn und Berlin. Die Gesamtverantwortung des Bundes, sein Fürsorge- und

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Vertretungsrecht, hatte im Geflecht der Pariser Verträge durch die Zusicherung der alliierten Konsultationen in allen Berlin betreffenden Fragen sowie die Erklärung der Bundesregierung über ihre Hilfeleistungen für Berlin eine weitere, international fundierte Bestätigung erfahren. Einen praktischen Niederschlag fand das quasi nun noch offizieller gewordene Verhältnis in der gleich z u m A u f t a k t der Ära S u h r entwickelten Konzipierung einer W i r t s c h a f t s p o l i t i k , die einen neuen A b s c h n i t t modernen W a c h s t u m s und großzügigen Wiederaufbaus eröffnen sollte. Ende April 1955 gab das Wirtschaftskabinett der Bundesregierung auf seiner S i t z u n g in Berlin dem in wochenlangen Gesprächen und Beratungen ausgearbeiteten, schlicht „Berliner Aufbauplan" genannten P r o g r a m m seinen Segen. Im Vordergrund standen dabei Kredithilfen f ü r Privatinvestitionen, Auftragsförderung und -finanzierung sowie, als wichtigster P u n k t , die Schaffung von 100 000 neuen Arbeitsplätzen. Die hierfürerforderlichen 3,5 Milliarden D M wurden vornehmlich aus — inzwischen schon wieder zurückfließenden — Krediten der Marshallplanhilfe gedeckt, hinzu kamen Leistungen aus dem Bundeshaushalt. Zur Flankierung dieses Programms stabilisierte die Bundesregierung ihre Berlin-Hilfe durch das erste Steuerpräferenzgesetz, steuerliche Erleichterungen bei T r a n s p o r t e n von und nach Berlin und anderes mehr z u m Ausgleich der Berliner Standortnachteile. Als „ Gegenleistung" u n t e r s t ü t z t e der Berliner Senat konsequent die außenpolitische Linie der Bundesregierung, was den „Spiegel" einmal sogar zu der etwas boshaften Feststellung veranlaßte, O t t o Suhrs „außenpolitischer Leitstern" sei Konrad Adenauer. Doch weder solche Polemik eines Nachrichten-Magazins noch „ R ü g e n " der eigenen Parteiführung in Bonn vermochten den Regierenden Bürgermeister zu irritieren. U n d es waren sicher nicht allein Rücksichtnahmen auf die Berliner Koalitionsvereinbarungen und die C D U als Partner im Senat, die ihn bewogen, dem amtlichen Bonn zu folgen.

Hauptstadtansprüche Niemals seit 1945 hatte Berlin auf den Anspruch verzichtet, die H a u p t s t a d t Deutschlands zu sein, und stets gereizt, zornig oder verbittert auf S t i m m e n reagiert, die diesen bestritten. Die alte, seit den 70er J a h r e n des 19. J a h r h u n d e r t s stets virulente Berlin-Abneigung machte sich von neuem L u f t . Ä u ß e r u n g e n west- und süddeutscher Politiker, wie die k ü n f t i g e H a u p t s t a d t müsse von Rebenhügeln, aber nicht von

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Kartoffeläckern umgeben sein, Berlin liege zu nahe bei Potsdam oder die Hauptstadt dürfe nur auf uraltem deutschem Boden, nicht jedoch wieder auf Kolonialboden angesiedelt sein, hatten in Berlin jeweils ein an drastischer Schärfe nichts zu wünschen übrig lassendes polemisches Echo ausgelöst. Denn das war die einhellige Uberzeugung aller Berliner Demokraten, daß sie durch ihre kämpferische Haltung und die Behauptung der Stadt in den Zeiten von Blockade, Luftbrücke und Spaltung der späteren Bundesrepublik ganz erheblich, wenn nicht gar entscheidend den Weg mitbereitet haben f ü r die Aufnahme als vollwertiges Mitglied im westlichen Lager. Die „eigentliche" Hauptstadt Deutschlands zu sein, gehörte gleichsam zum Selbstwertgefühl von Politikern und der Bevölkerung Berlins. Nur zu verständlich daher, wie sehr die Berliner Seite noch in letzter Minute darauf drängte, daß in der Erklärung der Bundesregierung vom 5. Mai 1955 über ihre Hilfeleistungen f ü r Berlin unmittelbar danach die W ö r t e r „als der vorgesehenen Hauptstadt eines freien, wiedervereinigten Deutschlands" eingefügt wurden. Dieser gewiß bescheidene Erfolg bedeutete für Berlin gleichwohl die Verankerung seines Hauptstadtanspruchs in den Dokumenten, welche die im ersten Nachkriegsjahrzehnt allmählich herausgebildete Neuordnung Westeuropas besiegelten. Parallel zur ständig zunehmenden Angleichung des Wirtschaftswachstums der Stadt an das der Bundesrepublik neigte man in Berlin, zumal bei abflauender Krisengefahr, wieder zur Bekräftigung seiner Sonderposition in Deutschland. Mitte der 50er Jahre gediehen von neuem Träume und Hoffnungen, auch in der Bitternis der Teilung und den vielfachen praktischen Einwänden zum T r o t z wieder als blühende Hauptstadt „aufzuerstehen". Dieser Stimmung verlieh schon O t t o Suhr in seiner Regierungserklärung vom 3. Februar 1955 beredten Ausdruck. Und neben ihm war es in erster Linie Willy Brandt als Präsident des Abgeordnetenhauses, der eine vorwärts drängende Rolle in der Hauptstadtfrage spielte. Unterdessen vollzog sich aber auch im deutschen Westen ein gewisser Wandel in der Einstellung gegenüber Berlin. Die wiedererlangte Souveränität wie wohl auch die Verhandlungen der Genfer Gipfelkonferenz im Sommer 1955 über die Deutschlandfrage ließen eine gemäßigte Portion an demokratischem Nationalstolz entstehen, der sich mit Vorliebe Berlins als einzig wirklich greifbarem Symbol des ganzen Deutschlands erinnerte. Eine intensivere Beschäftigung der Öffentlichkeit mit der Stadt schuf eine Berlin-freundlichere Stimmung, die offensichtlich weithin ansteckend zu wirken schien.

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Im Oktober 1955 unterstrich die Bundesrepublik den Hauptstadtanspruch Berlins symbolisch, als der Bundestag zu einer Plenarsitzung an die Spree kam. Außer der Feststellung seines Präsidenten Gerstenmaier, daß hiermit erstmals wieder seit 1933 eine frei gewählte, legitime oberste Körperschaft des deutschen Volkes in der Stadt tage, und dem Appell, niemals die Spaltung des Landes zu akzeptieren, beschränkte das Parlament seine Arbeit aus Rücksicht auf Empfindlichkeiten der östlichen Seite auf mehr oder minder unpolemische Debatten von Wirtschaftsfragen. Eine Zurückhaltung, die ein wenig überzogen schien, denn das SED-Zentralorgan Neues Deutschland bestritt mit keinem Wort das Recht zu derartigen Veranstaltungen, begrüßte vielmehr ausdrücklich, wie schon 1954 bei der Bundesversammlung in Berlin, daß die Bonner Abgeordneten endlich einmal den Weg aus der Provinz in die Hauptstadt gefunden hätten, wo sich ihnen ein größerer Gesichtskreis, ein erweiterter Blick für Fragen des Friedens und der Wiedervereinigung böten. Am Ende der knappen Sitzungswoche stand das Gelöbnis, alljährlich mit dem ganzen Plenum für einige Tage in die ehemalige Reichshauptstadt zu fahren und zu diesem Behufe ein angemessenes Tagungsgebäude zu errichten. Als erste große Geste im Hinblick auf Berlin als Hauptstadt bewilligte der Bundestag nur eine Woche später 350000 D M für einen internationalen städtebaulichen Ideenwettbewerb „Hauptstadt Berlin" zum Ausbau eines künftigen Regierungsviertels, zwischen dem Spreebogen nördlich des Reichstages und Halleschem T o r sowie vom Großen Stern bis zum Alexanderplatz und 6 0 0 0 0 D M für einen beschränkten Architektenwettbewerb „Wiederherstellung Reichstagsgebäude". Von den im Juni 1958 preisgekrönten Entwürfen — insgesamt hatten 77 Architekten oder Architekturbüros aus dem Ausland und 72 aus beiden Teilen Deutschlands Arbeiten eingereicht — ließ sich erwartungsgemäß nur sehr wenig verwirklichen, der Reichstag hingegen konnte nach einem mehr als ein Jahrzehnt dauernden Wiederaufbau 1968 seine Pforten öffnen. Derlei Beschlüsse nährten — zumindest unterschwellig — weithin Illusionen einer möglichen Wiedervereinigung in gar nicht mehr allzu ferner Zukunft; hierdurch angespornt kletterten Aktienkurse, Grundstückspreise und sonstige, allgemeine Zuversicht widerspiegelnde Kurven in die Höhe. Und in der Bundesrepublik reihte sich im Laufe des Jahres 1956 in Parlament und Öffentlichkeit ein feierliches Bekenntnis zu Berlin ans andere bis zu jenem furiosen Schlußakkord im Herbst, dem selbst die Nüchternsten auf den Regierungsbänken — wenigstens

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nach außen hin — stattgeben mußten. Zu keiner Zeit fand der Hauptstadtanspruch Berlins im Westen eine solch tiefe Resonanz wie in den erregenden Diskussionen dieser Wochen, die auch über die Erschütterung durch das revolutionäre Aufbäumen in Polen und Ungarn hinweg die Gemüter von Politikern und Publizisten erhitzten. Anfang Oktober versammelte sich der Bundestag abermals in Berlin. Im Mittelpunkt seiner Beratungen stand die Frage der Errichtung eines Langwellensenders, dessen Standort nach Uberzeugung der Verantwortlichen der Stadt wie der Bonner Opposition nur Berlin sein konnte, da sich die gesamtdeutschen Aufgaben des Senders mit denen der Stadt nahezu ideal deckten. Die Regierungsparteien demgegenüber wichen einer klaren Stellungnahme aus; ohne die Argumente der BerlinFörderer offen zu attackieren, vermochten sie dieses Problem dadurch zu erledigen, daß sie die Entscheidung Rundfunkexperten überantworteten. Eine Woche darauf starteten zwei der prominentesten Journalisten eine publizistische Offensive in der Hauptstadtfrage. Empfahl W. W. Schütz, Geschäftsführer des Kuratoriums „Unteilbares Deutschland", im Berliner Tagesspiegel noch eine „südafrikanische Lösung" von zwei gleichberechtigten Hauptstädten — Bonn und Berlin, so wie Pretoria und Kapstadt —, stellte Marion Gräfin Dönhoff, politische Redakteurin der Zeit, die einfache Forderung: „Jetzt oder nie! Noch in diesem Jahr muß Berlin Hauptstadt werden!" Beide hielten die Gelegenheit nicht nur für günstig, sondern geradezu für zwingend. Sie fürchteten vor allem die Versuchung für die meisten Bonner Politiker, die Aufgabe der Wiedervereinigung „im Glashaus der rheinischen Gartenstadt" zu vergessen. Wenige Tage später schließlich erklärte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ohne formellen Beschluß ihr Einverständnis, den Antrag ihres Abgeordneten und Zeit-Verlegers Gerd Bucerius mit der Feststellung „Berlin ist die deutsche Hauptstadt und daher die Hauptstadt der Bundesrepublik" nach Erörterung mit allen Fraktionen im Parlament einzubringen. Bucerius begründete seine Initiative vor allem damit, daß in einer Zeit, in der Polen und Ungarn um ihre Freiheit kämpften, auch Deutschland seinen großen nationalen Wunsch und den Willen zur Wiedervereinigung demonstrativ unter Beweis stellen müsse. Das Echo in der Öffentlichkeit war überwältigend. In Berlin verlangte der Regierende Bürgermeister Suhr erneut, alle Bonner Bauvorhaben auf Eis zu legen, und Abgeordnetenhaus-Präsident Brandt unterbreitete in einer Rundfunkansprache bereits konkrete Vorschläge zur Umsiedlung von

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Regierungsbehörden. Die zweite Tagung des Bundesrates in diesem Jahr in Berlin löste Spekulationen aus, dieser wolle seinen Sitz überhaupt hierher verlegen, und Ende November forderte das Kuratorium „Unteilbares Deutschland" auf seiner Berliner Tagung in einem feierlichen Aufruf praktisch die alsbaldige Verlagerung fast aller Regierungsfunktionen aus Bonn. Angesichts der in ihren Augen scheinbar alle Dämme politischpraktischer Vernunft hinwegspülenden Berlin-Begeisterung wartete die Bundesregierung ab und suchte eine Abstimmung im Parlament zu vermeiden, bis eine gewisse Beruhigung der Gemüter eingetreten war. A m 28. N o v e m b e r bekannte sie sich in einem Kabinettsbeschluß zwar offiziell zu Berlin als H a u p t s t a d t eines wiedervereinigten Deutschlands, lehnte jedoch „im gegenwärtigen Z e i t p u n k t " die Verlegung der Regierungstätigkeit nach Berlin ab, da es zu seiner eigenen Sicherheit unter einem Vier-Mächte-Status stehe. Die Reaktion in Berlin auf diese klägliche Entscheidung war bitter. Im Bundestag allerdings war mittlerweile die Stimmung zugunsten des Regierungsstandpunktes umgeschlagen. Das Niederwerfen des ungarischen Aufstandes durch die R o t e Armee hatte erneut die Furcht vor einer sowjetischen Expansion geweckt, zumindest aber den Respekt vor den realen Machtverhältnissen in und um Berlin wieder wachsen lassen, der den gesamtdeutschen Hauptstadtenthusiasmus sichtlich abkühlte. N o c h vor Jahresende legten auch engagierte Berlin-Förderer eine betonte Mäßigung an den Tag. N u n hieß es, ein sofortiger U m z u g an die Spree habe nie zur Debatte gestanden, sondern man habe lediglich die Vorbereitung Berlins auf seine H a u p t s t a d t f u n k t i o n e n gefordert; vom „alles oder nichts" blieb nur noch die Position des „soviel wie möglich". Anfang Februar 1957 standen Anträge der Oppositions- und der Regierungsfraktionen zur Hauptstadtfrage im Parlament zur Abstimmung. Beiden jedoch fehlte jede Dringlichkeit und Schärfe, die noch Wochen zuvor die öffentlichen Erörterungen bestimmt hatten. Zwar folgte darauf eine leichte Zunahme der allgemeinen Bundespräsenz in der Stadt, deren Symbolwert als Zeichen der Verbundenheit f ü r die Festigung der Moral in der Bevölkerung Berlins man nicht unterschätzen sollte, in der Substanz aber hatte Bundeskanzler Adenauer seinen Standpunkt voll und ganz durchsetzen können. Damit hatte die emotionale Zuwendung zur alten Reichshauptstadt ihren H ö h e p u n k t schon überschritten. Das Pendel, das von der gelegentlich harschen Abneigung in der Anfangszeit der Bundesrepublik bis zum engagierten Einsatz vieler für eine H a u p t s t a d t Berlin im

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H e r b s t 1956 ausgeschlagen war, strebte nun einer Art Mittelposition zu. Diese setzt wohl die feste Anbindung Berlins an das Rechts-, Finanz- und Wirtschaftssystems des Bundes voraus, zwingt aber die Verantwortlichen am Rhein zugleich stets zur strikten Beachtung der Rechte und Pflichten der westlichen Alliierten als Grundlage der politischen Existenz der Stadt. Kontakte

mit der „anderen

Seite"

Schon die erste Regierungserklärung O t t o Suhrs enthielt die Ankündigung, als Vorbereitung auf eine Wiedervereinigung der Stadt und zur Erleichterung des Alltags technische Kontakte mit Ost-Berlin pflegen zu wollen. Dabei lag dieser Politik die konsequent festgehaltene Praxis einer Ablehnung jeden Gesprächs auf Ministerebene zugrunde, um gar nicht erst den Verdacht einer Anerkennung oder gar Gutheißung der Behörden im anderen Teil der Stadt aufkommen zu lassen. In den Wochen vor Beginn der Genfer Gipfelkonferenz unterbreitete Ost-Berlins Oberbürgermeister Ebert — zeitlich sorgfältig abgestuft zu den Wiedervereinigungsvorschlägen der D D R — am 8. Juni 1955 das Angebot zu Verhandlungen über eine „Milderung der Spaltung Berlins". Dessen T e x t war jedoch in einem T o n gehalten, der alles nur auf die Forderung direkter Verhandlungen zwischen Senat und Magistrat reduzierte. Z u d e m hatte man diesen Brief so stark mit propagandistischem Beiwerk durchsetzt, daß er kaum zur Vorbereitung eines günstigen Verhandlungsklimas taugte. Entsprechend kurz gefaßt und negativ fiel die A n t w o r t O t t o Suhrs aus. Kurzfristiges Aufsehen erregte ein zweiter Brief Eberts. Nicht weniger anklagend in Stil und Inhalt machten ihn Vertreter der S E D zum Thema einer Pressekonferenz f ü r westliche Journalisten, auf der wesentlich moderatere T ö n e laut wurden: N u r über die wichtigsten Fragen wie Wiederherstellung der Telefon- und Straßenbahnverbindungen sowie Stadtplanung sollten Verhandlungen auf höchster Ebene stattfinden; einzige Vorbedingung: Einstellung der westlichen „Agenten- und Spionagetätigkeit". Danach war gelegentlich von bestehenden Kontakten zwischen untergeordneten Dienststellen die Rede, wie sie seinerzeit noch von der Notwendigkeit eines Minimums an Zusammenarbeit von Feuerwehr, Polizei, Wasserversorgung usw. diktiert wurden. H i n und wieder kursierten Berichte von Gesprächen auf „mittlerer Ebene", bei denen greifbare Erfolge jedoch nur in jenen Bereichen zu erlangen waren, an denen die D D R - W i r t s c h a f t selbst ein lebhaftes Interesse zeigte.

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Die Episode der von Otto Suhr angeregten Kontakte begann aber recht eigentlich erst im Frühsommer 1956, nachdem Chruschtschows Abrechnung mit dem Stalinismus auf dem XX. KPdSU-Parteitag fast den ganzen Ostblock in eine Art Unruhezustand versetzt hatte, der im Westen für eine Weile die Illusion förderte, als habe die Sowjetunion selbst einen Prozeß eingeleitet, der nach innen mehr Liberalität und nach außen mehr Offenheit und Lockerheit zu verheißen schien. Der versteckte, zähe Widerstand, den SED-Chef Ulbricht diesem im vollen Bewußtsein der seinem Regime durch diese Kursänderung drohenden Gefahren entgegensetzte, fand seinen Niederschlag in der Tatsache, daß die Initiative zu Gesprächen mit West-Berlin nicht von der DDR, sondern von der Sowjetunion ausging. Die völlig unerwartete Visite, die der Protokollchef ihrer Botschaft Unter den Linden, Wassilij A. Walkow, am 2. Juni im Rathaus Schöneberg seinem Kollegen im Senat, Walter Klein, abstattete, eröffnete eine ganze Reihe solcher Treffen in den folgenden Wochen. Ob ihres Premierencharakters riefen sie bei den Vertretern der Westmächte in Berlin, die bislang ausschließlich Verbindungen zur vierten Besatzungsmacht aufrechterhielten, Nervosität hervor, die aber seitens des Senats durch eine ständige detaillierte Unterrichtung gedämpft werden konnte. Der Regierende Bürgermeister betrachtete die sich anbahnende Entwicklung mit einiger Genugtuung. Schließlich könne es den Vier-Mächte-Status nur festigen, erläuterte er den Abgeordneten, wenn der Senat zu allen Mächten gute Beziehungen pflege. Einen Monat nach ihrem Beginn zeitigten die Gespräche Walkow/ Klein ein erstes konkretes Resultat: die Rückgabe des Anfang der 30er Jahre von Hans Poelzig gebauten Funkhauses in der Masurenallee, das vom Mai 1945 bis in den Winter 1948/1949 hinein dem kommunistischen Berliner Rundfunk gedient, dann jahrelang leergestanden hatte und später dem Sender Freies Berlin überlassen wurde. Weitere Verhandlungen, so über das ehemalige Verwaltungsgebäude der Reichsbahndirektion Berlin am Schöneberger Ufer oder eine Zulassung der Lufthansa zum Berlin-Verkehr, mußten ergebnislos bleiben, da die Ereignisse in Ungarn im Spätherbst ihren Abbruch erzwangen. Noch immer herrscht keine volle Klarheit über die Motive dieser lokalen sowjetischen Initiativen. Gewiß spielte dabei das Bestreben eine Rolle, West-Berlin als ein separates politisches Gebilde herauszustellen. Der Antrittsbesuch des neuen Stadtkommandanten General Tschamow Ende Juni im Schöneberger Rathaus, der erste dieser Art überhaupt (!), wie die Einladung Suhrs in die sowjetische Kommandan-

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t u r in K a r l s h o r s t zum „ M i n i a t u r - S t a a t s a k t " der U n t e r z e i c h n u n g des P r o t o k o l l s der U b e r g a b e des F u n k h a u s e s und die anschließende V e r s i c h e r u n g T s c h a m o w s , d e r S e n a t k ö n n e sich j e d e r z e i t d i r e k t m i t ihm in V e r b i n d u n g s e t z e n , mag die E r i n n e r u n g an den ein J a h r z u v o r erfolgten M o s k a u - B e s u c h K o n r a d A d e n a u e r s und d a m i t an die Bestätigung der von der S o w j e t u n i o n seither v e r f o c h t e n e n T h e s e von der E x i s t e n z zweier Staaten auf d e u t s c h e m B o d e n heraufbeschwören. B e m e r k e n s w e r t bei allen A k t i v i t ä t e n der S o w j e t u n i o n in b e z u g auf W e s t - B e r l i n zu j e n e m Z e i t p u n k t war die peinlich genaue A b g r e n z u n g ihres V e r h ä l t n i s ses zwischen B o n n und d e m R a t h a u s S c h ö n e b e r g . S e l b s t auf d e m H ö h e p u n k t dieser „freundlichen B e z i e h u n g e n " mieden die sowjetischen V e r t r e t e r sorgfältig jeden K o n t a k t zu B u n d e s b e h ö r d e n in Berlin. O f f e n s i c h t l i c h war M o s k a u zu j e n e m Z e i t p u n k t an K o n t a k t e n zur S i c h e r u n g des Status

quo

gelegen; o b es dabei u n t e r B e t o n u n g und

Berufung auf den V i e r - M ä c h t e - S t a t u s auf lange S i c h t eine R ü c k k e h r auf den stets freigehaltenen S t u h l in der Alliierten K o m m a n d a n t u r anvisierte, m u ß e b e n s o offen b l e i b e n wie die F r a g e , o b die V e r h a n d l u n g e n m i t d e m S e n a t eine d e m o n s t r a t i v e G e s t e gegenüber U l b r i c h t darstellten, daß K o e x i s t e n z in Berlin auch o h n e ihn p r a k t i z i e r b a r war. I m m e r h i n wollte das S E D - R e g i m e der E n t w i c k l u n g dann d o c h n i c h t völlig h i n t e r h e r h i n k e n . S c h o n vier T a g e nach W a l k o w s e r s t e m Besuch im R a t h a u s S c h ö n e b e r g u n t e r b r e i t e t e O s t - B e r l i n s O b e r b ü r g e r m e i s t e r E b e r t ein neues V e r h a n d l u n g s a n g e b o t . D e m Inhalt nach differierte es nur wenig von den zahllosen S c h r e i b e n der J a h r e und M o n a t e zuvor, die alle das eine Ziel verfolgten: V e r h a n d l u n g e n auf h ö c h s t e r E b e n e und d a m i t A n e r k e n n u n g . D e r T o n dieses Briefes und zugleich inoffiziell v e r b r e i t e t e A n d e u t u n g e n signalisierten eine B e r e i t s c h a f t O s t - B e r l i n s , sich wie ihre s o w j e t i s c h e n V e r b ü n d e t e n ü b e r k o n k r e t e t e c h n i s c h e F r a gen lokal und auch auf niedrigerer E b e n e zu verständigen. In S e n a t und A b g e o r d n e t e n h a u s h e r r s c h t e j e d o c h keineswegs E i n m ü t i g k e i t , o b und wie O s t - B e r l i n s V e r h a n d l u n g s o f f e r t e n zu begegnen war. D i e G r u p p e derjenigen, die nach der Faustregel des SchreiberS e n a t s v o n 1954 n u r m i t den S o w j e t s , keinesfalls a b e r m i t der D D R R e g i e r u n g o d e r dem O s t - B e r l i n e r M a g i s t r a t verhandeln wollten, war n o c h i m m e r r e c h t s t a r k . Z u ihnen g e h ö r t e n n i c h t allein g r o ß e T e i l e d e r C D U m i t ihrem B ü r g e r m e i s t e r F r a n z A m r e h n an der S p i t z e , sondern auch n i c h t wenige S o z i a l d e m o k r a t e n , allen voran ihr L a n d e s v o r s i t z e n der F r a n z N e u m a n n . H i n g e g e n zählte der K r e i s der B e f ü r w o r t e r solc h e r t e c h n i s c h e r K o n t a k t e e r s t wenige K ö p f e . Ihnen s c h w e b t e eine P o l i t i k g r ö ß e r e r Beweglichkeit gegenüber d e m O s t e n vor, welche sich

116

Hans J. Reichhardt

• Wiederaußau

Berlins 1945—1963

in Berlin zunächst an den gegebenen Tatsachen orientierte und auf dieser Basis in Gesprächen mit der „anderen Seite" auch auf Kosten einzelner, ohnehin nicht mehr zu haltender Positionen die Folgen der Teilung in der Stadt zu mildern suchte. „ W i r brauchen Diplomatie, nicht Propaganda", lautete das Credo Willy Brandts und seiner Anhänger. Im Grunde lag hierin bereits der Kern jener Politik, die später zu den Passierschein-Abkommen zu Anfang der 60er Jahre und ein knappes Jahrzehnt später in größerem Rahmen zu den von der SPD/FDPBundesregierung abgeschlossenen Ostverträgen führen sollte. Für O t t o Suhr aber, der den Anstoß für die Ost-Kontakte gab, handelte es sich bezeichnenderweise nicht wie für deren meist jüngere Befürworter, um eine grundsätzliche politische Alternative im Verhalten gegenüber dem Osten — im Gegenteil, er hatte sich stets nahtlos in Adenauers Vorstellungen zur Ostpolitik eingefügt. Schon recht deutlich von seiner tödlichen Krankheit gezeichnet und damit geleitet von der bitteren Erkenntnis, selbst so gut wie nichts mehr zum Wiedererlangen der deutschen Einheit beitragen zu können, suchte er wenigstens der tief empfundenen moralischen Verpflichtung noch gerecht zu werden, das unverschuldete Los der Menschen im anderen Teil der Stadt zu erleichtern und ihnen das Gefühl zu vermitteln, daß „der Westen" sie noch nicht abgeschrieben hatte. „Daß w i r . . . " , bekannte er im Stadtparlament, „trotz unserer Bemühungen . . . , wie ich gestehe, kaum einen Schritt weitergekommen sind, darf uns aber nicht abhalten, immer und immer wieder den Versuch zu machen, durch technische Kontakte die menschliche Verbindung zwischen Ost und West unserer Stadt zu sichern . . . W i r halten uns dazu im Verantwortungsbewußtsein für unsere Mitbürger im Osten der Stadt für verpflichtet . . . " Der vom Senat zu Verhandlungen mit zuständigen Ost-Berliner Dienststellen über Fragen des Verkehrs und der Versorgungswirtschaft bevollmächtigte „erfahrene Verwaltungsbeamte" — es handelte sich um Senatsrat Fritz Kraft, der dem ersten Nachkriegs-Magistrat als Stadtrat für das Verkehrswesen angehört hatte und aus dieser Zeit noch über eine Reihe von Verbindungen zur östlichen Administration verfügte — stieß jedoch auf eine harte Verhandlungsposition. So blieben die Hoffnungen auf Zugeständnisse in Angelegenheiten, die viele WestBerliner berührten, wie eine Dauerregelung zu Besuchen der Friedhöfe und Gärten in denStadtrandgebieten ebenso unerfüllt wie eine großzügigere Handhabung des Genehmigungsverfahrens bei Reisen in die D D R . Immerhin aber gelang eine Einigung in der Grundwasserfrage zwischen den Entwässerungsämtern, und nach Festigung der Institu-

V. Konsolidierung

1955—1958

117

tion der O s t - W e s t - K o n t a k t e auf dieser „mittleren Ebene" entwickelte sich das Amt des Kontaktbevollmächtigten bis zur Mauer und teilweise darüber hinaus zu einer Art Clearing stelle f ü r alle notwendigen Verbindungen in einer Reihe praktischer Fragen wie U-Bahnverkehr, Verschmutzung der Wasserläufe, Verbrechensbekämpfung, Feuerwehr und anderes mehr. Ein etwas spektakulärerer Erfolg wurde, wenn auch nur mit Mühe und N o t , bei der Restaurierung des Brandenburger Tores erzielt. Da die Gipsformen der zerstörten Quadriga in West-Berlin lagerten, bestand der Senat bei dieser die ganze Bevölkerung der Stadt bewegenden Angelegenheit darauf, sie auf eigene Kosten neu in Kupfer treiben und dann nach „drüben" liefern zu lassen. T r o t z der Anerkennung seitens des Ost-Berliner Oberbürgermeisters Ebert f ü r die gute handwerkliche Qualität der von der Bildgießerei Noack geleisteten Arbeit am 2. August 1958 ließ der Magistrat entgegen den Absprachen die Quadriga noch am Abend des gleichen Tages vom Pariser Platz zum Marstall bringen, um dort das Eiserne Kreuz aus dem Eichenkranz der Viktoria und den darauf schwebenden Adler zu entfernen, da Imperialismus und Faschismus diese Symbole „mißbraucht" hätten. Das naturgemäß noch recht zarte Pflänzchen der O s t - W e s t Kontakte in Berlin hatte, bevor es überhaupt blühen und dann Früchte hervorbringen konnte, durch die blutigen Ereignisse in Ungarn schon einen Schlag erhalten, von dem es sich lange Zeit nicht wieder erholen sollte. Den Schlüssel f ü r die Veränderung des Ost-West-Verhältnisses lieferte in diesem Augenblick weniger die sowjetische Politik, als vielmehr die Reaktion der Öffentlichkeit im Westen. Nirgendwo stieg die Empörung über die sowjetische Invasion so hoch und bestimmte unbändiger Z o r n das Bewußtsein der Menschen so stark wie in Berlin. Bei der Kundgebung am Abend des 5. N o v e m b e r 1956 vor dem Rathaus Schöneberg schien ein Teil der aufgebrachten Menge von Demonstranten bereit zur Zerstörung des sowjetischen Ehrenmals im Tiergarten und zum Marsch durch das Brandenburger T o r nach Ost-Berlin, um die sowjetische Botschaft zu stürmen. Weder hohe Diplomatie, noch in die Z u k u n f t weisende Überlegungen jüngerer Politiker entschieden in jenen Tagen und Wochen über das Schicksal der Ost-West-Beziehungen in Berlin, sondern die Erregung breiter Volksmassen, denen niemand, zumindest zeitweilig, das Erlebnis solcher Verhandlungen zuzumuten wagte.

118

Hans],

Wechsel

im Amt

Reichhardt • Wiederaufbau des Regierenden

Berlins

1945—1963

Bürgermeisters

N a c h Eliminierung seiner G e g n e r in der Parteiführung und dem erfolgreichen S t a r t einer I n t e r k o n t i n e n t a l r a k e t e , die der S o w j e t u n i o n das G e f ü h l der E b e n b ü r t i g k e i t m i t der anderen W e l t m a c h t v e r m i t t e l t e , f ü h l t e P a r t e i c h e f C h r u s c h t s c h o w sich o f f e n b a r stark genug, a u ß e n p o l i tisch offensiv zu w e r d e n . S e i n e R e i s e n nach Prag und nach O s t - B e r l i n im J u l i beziehungsweise im A u g u s t 1 9 5 7 n u t z t e er zu großangelegten K a m p a g n e n , in deren R a h m e n er V e r h a n d l u n g s a n g e b o t e verband m i t d u n k l e n D r o h u n g e n gegen den U S - I m p e r i a l i s m u s sowie gegen den w e s t d e u t s c h e n R e v a n c h i s m u s und M i l i t a r i s m u s , die angeblich schon K r i e g s v o r b e r e i t u n g e n träfen. D i e h i e r m i t sich a n d e u t e n d e V e r s c h ä r f u n g der weltpolitischen Lage, die das P r ä l u d i u m zur z w e i t e n g r o ß e n K r i s e n p e r i o d e um Berlin in den J a h r e n 1 9 5 8 bis 1 9 6 2 d a r s t e l l t e , fiel zeitlich z u s a m m e n m i t d e m F ü h rungswechsel im R a t h a u s S c h ö n e b e r g . A m 3 0 . A u g u s t 1957 s t a r b O t t o S u h r nach langer schwerer K r a n k h e i t , der er n o c h m o n a t e l a n g m i t eiserner W i l l e n s k r a f t und s t a r k e m P f l i c h t b e w u ß t s e i n ein von T a g zu T a g freilich schmaler werdendes A r b e i t s p e n s u m a b g e t r o t z t h a t t e . Z u seiner Beerdigung erschien, anders als vier J a h r e z u v o r b e i m T o d e E r n s t R e u t e r s , auch K a n z l e r Adenauer. D i e W a h l des 4 4 j ä h r i g e n W i l l y B r a n d t z u m N a c h f o l g e r schien gleichsam s e l b s t v e r s t ä n d l i c h . A n d e r s als E r n s t R e u t e r und O t t o S u h r , die n i c h t z u l e t z t d e m a u f r e i b e n d e n R i n g e n m i t den ihrer P o l i t i k widerstreb e n d e n T e i l e n der B e r l i n e r S P D gesundheitlich ihren T r i b u t zollen m u ß t e n , h a t t e W i l l y B r a n d t A n f a n g der 5 0 e r J a h r e , in mühseliger Kärrnerarbeit

durch

die u n t e r e n

Parteigliederungen

ziehend,

den

K a m p f um die M e h r h e i t a u f g e n o m m e n . E r r e i c h t e e r 1952 bei seiner ersten K a n d i d a t u r n i c h t einmal die H ä l f t e der f ü r den L a n d e s v o r s i t zenden N e u m a n n a b g e g e b e n e n S t i m m e n , so erhielt er zwei J a h r e später s c h o n n u r ganze zwei S t i m m e n weniger. N a c h seiner Bestallung z u m P r ä s i d e n t e n des A b g e o r d n e t e n h a u s e s Anfang 1 9 5 5 , die ihm b r e i t e r e W i r k u n g s m ö g l i c h k e i t e n in der Ö f f e n t l i c h k e i t b o t , v e r z i c h t e t e er aus R ü c k s i c h t auf das innerparteiliche K l i m a auf weitere K a n d i d a t u r e n . Als e r im A n s c h l u ß an die U n g a r n - K u n d g e b u n g v o m 5. N o v e m b e r 1 9 5 6 die e r r e g t e n D e m o n s t r a n t e n d u r c h seinen p e r s ö n l i c h e n E i n s a t z und m i t t a k t i s c h ü b e r l e g e n e r R h e t o r i k am M a r s c h nach O s t - B e r l i n h i n d e r t e , galt er dann endgültig als einer der p o p u l ä r s t e n Berliner P o l i t i k e r . D e r Parteitag der Berliner S P D n o m i n i e r t e ihn schließlich m i t überwältigender M e h r h e i t f ü r das A m t des R e g i e r e n d e n B ü r g e r m e i s t e r s . F ü r

V. Konsolidierung

1955—1958

119

F r a n z N e u m a n n , der w o c h e n l a n g verzweifelt sich um einen anderen K a n d i d a t e n b e m ü h t h a t t e , b e d e u t e t e dies den ersten T e i l einer b i t t e r e n N i e d e r l a g e , der zweite f o l g t e im J a n u a r 1 9 5 8 , als t r o t z seiner u n b e s t r e i t b a r g r o ß e n V e r d i e n s t e in den vergangenen zwölf J a h r e n die D e l e gierten eines a u ß e r o r d e n t l i c h e n Parteitages W i l l y B r a n d t auch n o c h z u m neuen L a n d e s v o r s i t z e n d e n der Partei wählten. M i t i h m h a t t e im S c h a t t e n einer allmählich heraufziehenden Krise ein M a n n als S t a d t o b e r h a u p t das R u d e r ü b e r o m m e n , dem nicht wenige ähnliche F ü h r u n g s q u a l i t ä t e n z u t r a u t e n wie seinem politischen M e n t o r E r n s t R e u t e r . A u ß e n p o l i t i s c h w u ß t e e r F e s t i g k e i t in den grundlegenden V o r s t e l l u n g e n (Bejahung der westlichen Allianz, b e g r e n z t e O f f e n heit bis hin zur K o e x i s t e n z g e g e n ü b e r d e m O s t e n ) m i t einem h o h e n M a ß an G e s c h m e i d i g k e i t zu v e r b i n d e n , die ihm u n n ö t i g e K o l l i s i o n e n mit der eigenen P a r t e i f ü h r u n g in B o n n ersparte, ehe er selbst bereit war, sich in ihr maßgeblich zu engagieren. I m Sieg des „ r e c h t e n " B r a n d t - F l ü g e l s manifestierte sich zugleich auch eine erstaunliche S t a b i l i t ä t der politischen R e a k t i o n e n der Berliner auf die d o c h eigentlich a n o m a l e geographisch-politische S i t u a t i o n . D a s B e k e n n t n i s zur D e m o k r a t i e bei den W a h l e n v o m O k t o b e r 1 9 4 6 und dessen Bewährung in den s t ü r m i s c h e n M o n a t e n von W ä h r u n g s r e f o r m und B l o c k a d e h a t t e n seither eine K o n t i n u i t ä t der U b e r z e u g u n g e n und E i n s t e l l u n g e n e n t s t e h e n lassen, die einer A r t S c h u t z p a n z e r gleichk a m . Dieses P h ä n o m e n war in allen Bereichen des Berliner L e b e n s spürbar. V o r allem in der w i r t s c h a f t l i c h e n E n t w i c k l u n g schien das G e f ü h l v o r h e r r s c h e n d , nach e n t b e h r u n g s r e i c h e n J a h r e n nun endlich die o f t b i t t e r genug verdienten F r ü c h t e h a r t e r A r b e i t in die S c h e u e r n fahren zu können. V o n diesem B e w u ß t s e i n geprägt war auch die R e g i e r u n g s e r k l ä r u n g für das l e t z t e J a h r der n o c h laufenden L e g i s l a t u r p e r i o d e , die schon einige P u n k t e des ursprünglichen P r o g r a m m s als erledigt abhaken k o n n t e und dessen k o n s e q u e n t e F o r t s e t z u n g z u s i c h e r t e . W e n n B r a n d t die a u ß e n p o l i t i s c h e V e r t r e t u n g Berlins d u r c h den B u n d n i c h t in Frage stellen wollte, ließ er aber keinen Zweifel daran a u f k o m m e n , daß die S t a d t die Pflicht habe, im G e d a n k e n a u s t a u s c h m i t ihren Freunden den „ K r a f t l i n i e n w e l t p o l i t i s c h e n G e s c h e h e n s n a c h z u s p ü r e n und aus neuen E r k e n n t n i s s e n gegebenenfalls neue K o n s e q u e n z e n zu z i e h e n " .

120

Hans J. Reichhardt

• Wiederaufbau

Berlins

1945—1963

Wahlen vom 7. Dezember 1958 Den im F r ü h h e r b s t begonnenen W a h l k a m p f b e s t r i t t die S P D zunächst fast ausschließlich mit Argumenten und Forderungen zur innerstädtischen Politik. Ihr Landesvorsitzender Brandt appellierte an „alle V e r a n t w o r t l i c h e n " , Berlin von dem in der Bundesrepublik üblichen kleinlichen Parteiengezänk zu verschonen, und warnte den Koalitionspartner C D U davor, die Berliner Wahlen als einen Nachtrag zur Bundestagswahl von 1957 zu betrachten, bei dem diese erstmals und bislang auch zum einzigen Male die absolute Mehrheit hatte erringen können. In den Kundgebungen und Versammlungen der S P D traten dann konsequenterweise auch nur Berliner Politiker auf. Auch die C D U ließ es zu Beginn recht moderat angehen, bis Kanzler Adenauer

seinen

Berliner

Parteifreunden

unmißverständlich

klar-

machte, dafür zu sorgen, daß die Bevölkerung der Stadt sich hinter die A u ß e n p o l i t i k der Bundesregierung zu stellen habe. Genau wie die F D P und die anderen Parteien versicherte sich die C D U der nachhaltigen U n t e r s t ü t z u n g führender Politiker aus dem Bundesgebiet. Die S E D hinwiederum fand in ihrem W a h l k a m p f massive Hilfe durch den Einsatz zahlreicher Mitglieder und hoher Funktionäre aus Ost-Berlin und durch die ihr dort zur Verfügung stehenden Publikationsmittel. Die „ N o r m a l i t ä t " dieses Wahlkampfes fand ihr jähes Ende, als sich die schon seit Jahresbeginn 1958 mit einer R e i h e bedrohlich klingender — im W e s t e n der S t a d t allerdings mit relativ großer Gelassenheit registrierter — Artikel, Erklärungen und Stellungnahmen hoher S E D F u n k t i o n ä r e zur Berlin-Frage andeutende schwere Krise durch C h r u schtschows Moskauer Sportpalast-Rede am 10. N o v e m b e r gleichsam offen ausbrach. A m gleichen T a g meinte selbst Willy Brandt auf einer Wahlkundgebung seiner Partei zwar immer noch, angesichts des fortwährenden Wechselbades von Anbiederungsversuchen, Verwirrungsmanövern und Drohungen der K o m m u n i s t e n sollten sich die Berliner auch dadurch nicht aus der R u h e bringen lassen, doch spätestens die offiziellen N o t e n vom 27. N o v e m b e r an die W e s t m ä c h t e , die Bundesrepublik und die D D R ließen alle anderen Wahlkampfthemen weit in den Hintergrund rücken. Die Forderungen nach Anerkennung der E x i stenz zweier deutscher Staaten, der Beseitigung der „ Ü b e r r e s t e " des Zweiten Weltkrieges, also Verhandlungen über den Abzug der westlichen Streitkräfte aus Berlin und dessen Umwandlung in eine „Freie S t a d t " innerhalb der nächsten sechs M o n a t e , notfalls Übertragung der vollen Souveränität und K o n t r o l l e über alle Zufahrtswege zur Stadt an

VI. Zweite Berlin-Krise

1958—1963

121

die D D R beschlossen die Periode der „ruhigen" J a h r e in Berlin, das wiederum, nun für rund vier J a h r e einen der kritischsten und gefährlichsten Punkte der W e l t p o l i t i k darstellen sollte. Angesichts dieser äußeren Bedrohung sahen die demokratischen Parteien ihre Hauptaufgabe darin, auch dem letzten Wähler klarzumachen, daß er mit seinem Gang zur Wahlurne nicht nur ein V o t u m für diese oder jene Gruppierung abgab, sondern damit zugleich über das weitere Schicksal der Stadt entschied. Die Rekordwahlbeteiligung von 9 2 , 9 % und die mit 1,9 % besiegelte blamable Niederlage der S E D wertete die westliche W e l t übereinstimmend als klare Absage der Berliner Bevölkerung an die Chruschtschow-Pläne. Daneben brachten die Wahlen das für die Landespolitik einschneidende Ergebnis, daß im Abgeordnetenhaus künftig nur noch zwei Parteien waren, was einige K o m m e n t a t o r e n wohl etwas voreilig zu der Schlußfolgerung veranlaßte, in Deutschland beginne sich nun wohl endgültig das ZweiParteien-System nach britischem Muster durchzusetzen. Die S P D eroberte mit 52,6 % und 78 Sitzen die absolute M e h r h e i t , die C D U erreichte 37,7 % und 55 Sitze. Dieses Ergebnis war offensichtlich auch ein persönlicher Erfolg Willy Brandts. Die Gegenkandidatur von Ernst L e m m e r war von der C D U selbst nicht mit breitere Wählerschichten überzeugender Kraft angeboten worden. Die F D P mußte ihr Ausscheiden aus dem Parlament als Preis dafür zahlen, daß sich schon im S o m m e r 1956 der mehr konservativere, nationalliberale Flügel abgespalten und als Freie D e u t s c h e Volkspartei ( F D V ) etabliert hatte, welche aber über den Status einer unbedeutenden Sekte nicht hinauskam und schon bald wieder von der politischen Bühne verschwand.

VI

Zweite große Berlin-Krise

— 1958 bis 1963

Die zweite Berlin-Krise und damit das vorläufige Scheitern aller Entspannungshoffnungen des Westens seit Stalins T o d im Frühjahr 1953 hatten sich im G r u n d e schon im Verlauf des Jahres 1957 angekündigt. D o c h vermochte der W e s t e n keine Klarheit darüber zu gewinnen, wie er den wiederholten Drohungen des S E D - C h e f s Ulbricht begegnen sollte, die jener im allgemeinen so vage formulierte, daß sich daraus keine absolute Sicherheit über die einzuschlagende Richtung erkennen ließ. H i n z u kam die Ungewißheit über die tatsächliche militärische

122

Hans J. Reichbardt

• Wiederaufbau Berlins

1945—1963

Stärke der S o w j e t u n i o n seit ihren erfolgreichen Satellitenstarts im O k t o b e r und N o v e m b e r 1957 und wie sie diese p o l i t i s c h a u s n u t z e n wollte. N a c h einigem S c h w a n k e n ü b e r die angemessene R e a k t i o n auf den sowjetischen B e r l i n - V o r s t o ß fand der W e s t e n E n d e des J a h r e s 1 9 5 8 wieder zu halbwegs g e s c h l o s s e n e r F r o n t b i l d u n g . Sie b e w i r k t e relativ schnell, daß h i n t e r der S t a r r h e i t u l t i m a t i v e r F o r m e n eine V i e l s c h i c h t i g k e i t sowjetischer T a k t i k sichtbar wurde, die von Beginn an darauf angelegt war, die W i d e r s t a n d s k r a f t des W e s t e n s zu e r s c h ü t t e r n , o h n e dabei t r o t z allen A u f t r u m p f e n s m i t angeblich o d e r tatsächlich e r r e i c h t e r a t o m a r e r Ü b e r legenheit die Schwelle w i r k l i c h e r K r i e g s g e f a h r j e m a l s zu ü b e r s c h r e i t e n . D a s jahrelange, m i t u n t e r s c h i e d l i c h e r I n t e n s i t ä t inszenierte W e c h selbad zwischen stets e r n e u e r t e n D r o h u n g e n und a n g e d e u t e t e n , zuweilen r e c h t v e r l o c k e n d k l i n g e n d e n friedlichen

Lösungsmöglichkeiten

ü b e r s t a n d die B e r l i n e r B e v ö l k e r u n g in ihrer g r o ß e n M e h r h e i t m i t der allgemeinen U b e r z e u g u n g , d a ß N a c h g e b e n gegenüber den F o r d e r u n gen des G e g n e r s n i c h t in Frage k o m m e n dürfe. E s b e s t a n d , wie wissenschaftliche U n t e r s u c h u n g e n später nachweisen k o n n t e n , t r o t z der vielfältigen A b h ä n g i g k e i t e n Berlins v o n fern liegenden M a c h t z e n t r e n das E m p f i n d e n , als B e w o h n e r einer b e d r o h t e n und gespaltenen S t a d t verp f l i c h t e t zu sein, diese nach der B l o c k a d e v o m „ S c h i c k s a l " auferlegte zweite P r ü f u n g würdig zu b e s t e h e n . D i e s e s c h o n im W a h l e r g e b n i s des 7. D e z e m b e r 1 9 5 8 sich m a n i f e s t i e r e n d e H a l t u n g b l i e b während der g e s a m t e n K r i s e n z e i t eine k o n s t a n t e G r ö ß e , die das politische H a n d e l n auf allen S e i t e n n a c h d r ü c k l i c h b e e i n f l u ß t e .

Fortsetzung der Großen

Koalition

N o c h in der W a h l n a c h t ließen V e r t r e t e r v o n S P D und C D U ihre B e r e i t s c h a f t e r k e n n e n , angesichts der d r o h e n d e n G e f a h r e n durch den j ü n g s t e n s o w j e t i s c h e n B e r l i n - V o r s t o ß die Z u s a m m e n a r b e i t f o r t z u s e t z e n . Allerdings fand in b e i d e n Parteien diese L i n i e keineswegs e i n m ü t i gen Z u s p r u c h . S o m u ß t e auf d e m e r s t e n P a r t e i t a g der S P D nach den W a h l e n der L a n d e s v o r s i t z e n d e W i l l y B r a n d t j e n e n in den eigenen R e i h e n , die b e i m G e w i n n der a b s o l u t e n M e h r h e i t gleichwohl sich am liebsten f ü r die O p p o s i t i o n e n t s c h i e d e n haben würden, deutlich ins S t a m m b u c h s c h r e i b e n , d a ß das W a h l e r g e b n i s V e r p f l i c h t u n g e n auferlege, denen sich n i e m a n d e n t z i e h e n k ö n n e . D e n B e f ü r w o r t e r n der gewissermaßen klassischen L ö s u n g der p a r l a m e n t a r i s c h e n D e m o k r a t i e , das h e i ß t der klaren T r e n n u n g zwischen der die R e g i e r u n g t r a g e n d e n M e h r h e i t und der sie k o n t r o l l i e r e n d e n M i n d e r h e i t als O p p o s i t i o n ,

VI. Zweite Berlin-Krise

1958—1963

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stellte er die Auffassung entgegen, im Hinblick auf die augenblickliche Situation in Berlin zwar keine Koalition landläufiger Art zu schließen, wohl aber doch eine Art Notgemeinschaft. Nach reiflichem Uberlegen des Für und W i d e r verdiene sie den Vorrang, freilich nur „zu annehmbaren Bedingungen". Die C D U verzichtete von vornherein darauf, die Koalitionsfrage dem V o t u m eines Landesparteitages zu unterwerfen, sondern ließ die um die Jahreswende geführten Verhandlungen zur Senatsbildung lediglich von der Parlamentsfraktion bestätigen. Erst knapp vier Monate später rechtfertigten die beiden Landesvorsitzenden Lemmer und Amrehn dieses Verfahren und die Entscheidung mit dem Hinweis, daß es besser sei, in allen das Schicksal der Berliner Bevölkerung betreffenden Fragen mitzusprechen, statt „nörgelnd und besserwissend" in der Opposition zu sitzen. Außerdem wäre ein gänzlicher Verzicht auf das Mitspracherecht folgenschwerer gewesen als die Opfer, die die Partei durch den Verzicht auf die Besetzung bestimmter Senatsressorts gebracht habe. In beiden Parteien zweifelten weiterhin etwa je 40 % der Parteitagsdelegierten an der Notwendigkeit eines Zusammengehens mit dem eigentlichen politischen Gegner, denn mit der Begründung, „das Vaterland ist in Gefahr", sei schon mancher politische Irrtum kaschiert worden. Außerdem hätte die C D U die Möglichkeit besessen, der SPD im Bundesgebiet zu zeigen, „wie man in einer bedrohten Stadt eine anständige (!) Opposition macht". Die Koalitionsverhandlungen hatten nur wenige Tage in Anspruch genommen, so daß der einstimmig wiedergewählte Regierende Bürgermeister Brandt schon Mitte Januar 1959 dem Abgeordnetenhaus den Senat mit sieben Sozial- und fünf Christdemokraten präsentieren und anschließend die erste Regierungserklärung abgeben konnte. Er machte hierin deutlich, daß man im Wahlergebnis nicht nur einen Volksentscheid gegen die sowjetischen Berlin-Forderungen, sondern auch einen waffenlosen Sieg der Demokratie sehen müsse, welcher der SED wie rechtsradikalen Gruppen „eine dem freiheitlichen Klima dieser Stadt entsprechende Abfuhr erteilt" habe. Nach nochmaliger Begründung des Verzichts auf das normale demokratische Kräftespiel zwischen Regierung und Opposition versicherte er, daß dies nicht den Verzicht auf eine Kontrolle von Regierung und Verwaltung durch das Parlament bedeute. Da im Vordergrund aller Überlegungen und allen Handelns die Abwehr „der auf uns zukommenden Gefahren und Bedrohungen" stehen müsse, erschien dem Senat die Aufstellung eines sich auf vier Jahre erstreckenden Arbeitsprogramms wenig ratsam.

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Hans ]. Reicbbardt

• Wiederaufbau

Berlins 1945—1963

Brandt beschränkte sich daher lediglich auf die Skizzierung einiger landes- und kommunalpolitischer Aufgaben wie Verlagerung weiterer Bundesbehörden nach Berlin, Wiederaufbau des Reichstages, Sicherung der Finanzhilfe des Bundes für Berlins Universitäten und Hochschulen, Fortsetzung des Sozialen Wohnungsbaus mit 22 000 Einheiten jährlich, Anpassung an das Lohn- und Gehaltsniveau im Bundesgebiet, Ausbau des innerstädtischen Verkehrsnetzes sowie Vereinfachung und Modernisierung der Verwaltung. Innere Lage der

Stadt

Die Zeit von Chruschtschows Moskauer Sportpalast-Rede am 10. November bis zur offiziellen Weigerung der Westmächte und des N A T O - R a t e s , unter ultimativem Druck Verhandlungen aufzunehmen, genügten Willy Brandt, um erfolgreich an die Solidarität der Bundesrepublik und auch der deutschen Unternehmerschaft zu appellieren und damit die drohende Schädigung der Berliner Wirtschaft gleich aufzufangen. Im Sommer 1959 erreichte die Arbeitslosigkeit mit nur 36 000 sogar einen neuen Tiefstand. Der Zustand der Vollbeschäftigung wurde behauptet, während ein gemeinsam mit der Bundesregierung ausgearbeiteter Informationsfeldzug den Strom der BerlinBesucher aus der Bundesrepublik wie aus anderen westlichen Ländern über alle Maßen steigerte, wesentlich gefördert durch die Sympathiewerbung von Brandt und Amrehn auf ihren langen Auslandsreisen in der ersten Jahreshälfte 1959. Desgleichen gelang relativ schnell der Stop jener von den östlichen Blättern genüßlich registrierten Tendenz zu Fluchtumzügen ins Bundesgebiet. Der von der Sowjetunion am 10. Januar 1959 unterbreitete Vorschlag eines Friedensvertrages für Deutschland mit der Forderung nach einer „Freien Stadt Berlin" als einer Art drittem deutschen Staat, der Betonung ihrer unbedingten Solidarität mit der D D R , der Absage an freie Wahlen als Ausgangspunkt eines Wiedervereinigungsprozesses unterstrich noch einmal den vollen Ernst der Situation, mobilisierte aber im Westen der Stadt nur von neuem den Widerstandswillen der Berliner. Den gleichen Zweck bewirkte die am 4. März von Chruschtschow beim Besuch der Leipziger Messe ausgesprochene Drohung mit dem einseitigen Abschluß eines separaten Friedensvertrages der Sowjetunion mit der D D R . Der Sommer 1959 mit dem wenig befriedigenden Verlauf der Konferenz der Außenminister der Siegermächte in Genf, als deren Voraussetzung die Aufhebung des Sechs-Monate-Ultimatums seitens der sowje-

VI. Zweite

Berlin-Krise

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tischen Regierung galt, brachte zunächst eine gewisse Beruhigung der internationalen Lage. Sie verstärkte sich noch durch den Besuch Chruschtschows in den Vereinigten Staaten im September 1959, der in seinen Gesprächen mit Präsident Eisenhower in dessen WochenendRefugium den „Geist von C a m p David" heraufbeschwor, der sich aber nach nur recht kurzer Lebensdauer in einem diffusen Nebel wieder auflöste. Daß Chruschtschow wegen des über der Sowjetunion abgeschossenen Aufklärungsflugzeugs U 2 die Pariser Gipfelkonferenz Mitte Mai 1960 gleich zu ihrem A u f t a k t platzen ließ, was zum offenen Bruch zwischen ihm und Präsident Eisenhower führte, brachte insofern eine spürbare Erleichterung, als damit jene zahlreichen Stimmen im westlichen Lager, die in bezug auf sowjetische Forderungen allein nur vom westlichen Entgegenkommen sich das Heil erwarteten, allmählich zu verstummen schienen. Diese sorgenvolle Episode einer allzu großen westlichen Kompromißbereitschaft vermochte die Festigkeit der Haltung der Berliner kaum zu erschüttern, wie dies Ernst Lemmer und Willy Brandt vor 550000 Teilnehmern der Maikundgebung 1959 auf dem Platz der Republik angekündigt hatten. Am 1. Juli 1959 tagte t r o t z aller östlichen Proteste die Bundesversammlung zum zweiten Mal in Berlin, um Heinrich Lübke, den Nachfolger für T h e o d o r Heuss, als Bundespräsidenten zu wählen. Bundestagspräsident Gerstenmaier unterstrich dabei, daß die sowjetische N o t e vom 27. November 1958 nichts an dem einen Monat zuvor gefaßten Beschluß habe ändern können, wieder, wie fünf Jahre zuvor, nach Berlin zu gehen. Der bisherige Verlauf der Genfer Außenministerkonferenz habe zudem die meisten davon überzeugt, daß es ganz nutzlos gewesen wäre, die Bundesversammlung in Berlin abzusagen. Nicht die Absicht zu provozieren, nicht einmal der Zorn und der U n m u t über die fortgesetzten Provokationen „der Ulbricht und Genossen" habe „uns" nach Berlin gebracht, sondern die Treue zu dieser Stadt, die ihre Bedeutung als historische H a u p t s t a d t für das gesamte deutsche Volk besitze. Z u r Vorbereitung der geplanten Gipfelkonferenz im Mai 1960 hatte der Senat schon am Jahresanfang ein mehr mit seinen Wünschen als seinen Forderungen formuliertes „Fünf-Punkte-Programm" vorgelegt, das den Verbleib der westlichen Schutzmächte und die förmliche Anerkennung ihrer Rechte, die in zehn Jahren begründete Zugehörigkeit West-Berlins zur Bundesrepublik, nicht nur den Fortbestand des freien Zugangs von und nach der Stadt, sondern seine Verbesserung und Vervollkommnung sowie den generellen Verzicht auf Vereinbarungen

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Hans}. Reichhardt

• Wiederaußau

Berlins 1945—1963

über Berlin ohne Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts seiner Bevölkerung verlangte und abschließend auf die Bedeutung der Stadt als „Begegnungsstätte für Menschen aus beiden Teilen Deutschlands" verwies. Dieses Programm, das auf westlicher Seite überall Zustimmung fand, konnte freilich nicht verhindern, daß das östliche propagandistische Trommelfeuer seit dem Treffen in Camp David unvermindert weiterhin auf Berlin mit der Zielsetzung sich konzentrierte, seine Rolle als angeblich aggressives „Spionage- und Sabotagezentrum" betonte und vor allem der Tätigkeit des R I A S ein Ende bereiten wollte. T r o t z d e m blieb die Attraktivität kultureller Großereignisse wie Internationale Filmfestspiele und Berliner Festwochen ungeschmälert. Im Wohnungsbau kam man der eindrucksvollen Zahl von 20 000 Wohnungen pro J a h r immer näher, und zur Maikundgebung 1960 auf dem Platz der Republik strömten diesmal sogar 750000 Menschen. Doch ebenso blieb bestehen, daß auf den Verbindungswegen sich die ebenso kleinlichen wie ärgerlichen Kontrollen und Belästigungen nicht nur gegen Deutsche, sondern immer drohender auch regelmäßig gegen die Westmächte richteten, wie sich auch der Druck auf die nur noch 6000 Mitglieder der SPD in Ost-Berlin — deren Existenz ja die gleiche Rechtsgrundlage besaß wie die der SED in West-Berlin — ständig verschärfte, obwohl der Landesvorsitzende Brandt bei seinen demonstrativen Besuchen von Kreisbüros im Ostsektor jeweils gleich T a u sende vorfand, die ihn begrüßten. Der Entschluß der SED zur Vollendung der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft noch im Jahre 1960 verursachte, wie jede Zuspitzung der Lage, erneut ein Ansteigen des Flüchtlingsstroms. Schon die Schikanen, mit denen die DDR-Regierung den „Tag der Heimat", der jahrelang unbeanstandet hatte veranstaltet werden können, zu behindern suchte, und noch mehr der etwa gleichzeitig Anfang September 1960 stattfindende Verbandstag der Heimkehrer bildeten den Anlaß zu Behinderungen im innerstädtischen Verkehr, denn für einige Tage war Bürgern der Bundesrepublik jedes Betreten der „Hauptstadt der D D R (des demokratischen Berlin)" nur mit einer vom DDR-Innenministerium ausgestellten Genehmigung möglich, eine Bestimmung, die wegen der nur höchst flauen westlichen Reaktion einige Zeit später ohne zeitliche Begrenzung wieder eingeführt wurde. Außerdem verschärften die DDR-Behörden ihre Kontrollen auf den Landwegen nach Berlin und kritisierten den „Mißbrauch" der Luftkorridore durch „Militaristen und Revanchisten". Die Westmächte protestierten zwar in Noten und Erklärungen, doch die Sowjetunion stellte sich voll hinter die D D R -

VI. Zweite Berlin-Krise

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1958—1963

M a ß n a h m e n . Als G e g e n m a ß n a h m e k ü n d i g t e die Bundesregierung den am 3 1 . D e z e m b e r 1 9 6 0 auslaufenden I n t e r z o n e n h a n d e l s v e r t r a g , der allerdings k u r z vor A b l a u f dieser F r i s t m i t wesentlichen V e r b e s s e r u n gen neu u n t e r z e i c h n e t werden k o n n t e , wobei auf G r u n d einer mündlichen V e r e i n b a r u n g das E r f o r d e r n i s einer A u f e n t h a l t s g e n e h m i g u n g f ü r B u n d e s b ü r g e r wieder g e l o c k e r t wurde. N a c h d e m A m t s a n t r i t t J o h n F . K e n n e d y s A n f a n g 1961 m e h r t e n sich die A n z e i c h e n für die E n t s c h l o s s e n h e i t C h r u s c h t s c h o w s , die D e u t s c h land- und die B e r l i n - F r a g e in seinem Sinne bald zu lösen. D e r amerikanische J o u r n a l i s t W a l t e r L i p p m a n n , der die G e l e g e n h e i t h a t t e , einen ganzen T a g m i t i h m zu sprechen, hielt diese E n t s c h e i d u n g für keinen B l u f f , was f ü r den W e s t e n n u r die A l t e r n a t i v e des N a c h g e b e n s o d e r des Krieges m i t der S o w j e t u n i o n offen zu lassen schien. D a s

Treffen

C h r u s c h t s c h o w s m i t K e n n e d y A n f a n g J u n i 1961 in W i e n b r a c h t e keine E n t s p a n n u n g , sondern eine weitere V e r s c h ä r f u n g der o h n e h i n sich schon seit dem F r ü h j a h r z u s p i t z e n d e n K r i s e n s i t u a t i o n . K e n n e d y ber i c h t e t e h i n t e r h e r im F e r n s e h e n von „düsteren G e s p r ä c h e n " in der B e r l i n - F r a g e . G l e i c h w o h l h e g t e die a m e r i k a n i s c h e S e i t e die H o f f n u n g , daß die H ä r t e , m i t welcher ihr eigener S t a n d p u n k t dargestellt w o r d e n sei, die S o w j e t u n i o n vielleicht v o r F e h l k a l k u l a t i o n e n bewahren k ö n n t e .

Warten auf eine

Entscheidung

D i e A n k ü n d i g u n g e n der W e s t m ä c h t e zur V e r s t ä r k u n g ihrer militärischen B e r e i t s c h a f t durch T e i l m o b i l i s i e r u n g e n , das F o r t b e s t e h e n der Chruschtschowschen

Drohungen

ließen nach dem Fehlschlag

von

W i e n eine H o c h s p a n n u n g in den internationalen Beziehungen e n t s t e hen, die n i c h t wenige P o l i t i k e r an die unheilschwangere A t m o s p h ä r e der u n m i t t e l b a r e n V o r k r i e g s w o c h e n von 1914 und 1 9 3 9 erinnerte. D i e S i t u a t i o n in Berlin selbst j e d o c h b e s t i m m t e in den heißen J u l i t a g e n 1961 n u n m e h r der scheinbar alle D ä m m e einreißende F l ü c h t l i n g s s t r o m . D i e andauernde Propaganda v o n e i n e r b e v o r s t e h e n d e n

Unterzeich-

nung eines F r i e d e n s v e r t r a g e s zwischen der S o w j e t u n i o n und d e r D D R , v e r b u n d e n m i t der D r o h u n g , daß dann m i t d e m „ D i c h t m a c h e n " der G r e n z e , auch in Berlin, „ A b w e r b u n g " und „ K o p f j ä g e r e i " ein Ende finden würden, b e w i r k t e n o f f e n s i c h t l i c h eine A r t T o r s c h l u ß p a n i k . H i n z u kam die M i t t e J u l i e i n s e t z e n d e K a m p a g n e gegen die rund 53 0 0 0 „ G r e n z g ä n ger" aus O s t - B e r l i n und aus den Stadtrandgebieten, die nach einer ganzen R e i h e v e r g e b l i c h e r A k t i o n e n in den vergangenen J a h r e n j e t z t endgültig zu einem V e r z i c h t auf A r b e i t in W e s t - B e r l i n gezwungen werden sollten.

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Hans J. Reickhardt

• Wiederaufbau

Berlins

1945—1963

Der Ost-Berliner Vorschlag über die Bildung einer gemeinsamen Kommission mit dem Senat zum Grenzgänger-Problem stieß im Westen Berlins auf so gut wie keine Gegenliebe. Der Regierende Bürgermeister Brandt verwarf ihn mit dem Hinweis auf den durch das VierMächte-Abkommen garantierten freien Verkehr innerhalb der Stadt und auf das Recht zur freien Wahl eines Arbeitsplatzes. Und die Westmächte protestierten zwar scharf gegen die D D R - M a ß n a h m e n , forderten deren unverzügliche Aufhebung und nannten das Recht auf Bewegungsfreiheit innerhalb der ganzen Stadt „grundlegend", was dem „Tagesspiegel" als Beweis dafür diente, daß „niemand annehmen könne, der Westen würde zusehen, wie Ulbricht auf kaltem Wege nach und nach verwirklicht, was Chruschtschow auf internationaler Ebene immerhin erst androht". Und auch das Kommunique des Treffens der Außenminister der Westmächte in Paris Anfang August erweckte, obwohl darin nur von der Verteidigung der Freiheit West-Berlins die Rede war, den Eindruck, als erstrecke sich diese Entschlossenheit auch auf westliche Rechte in Ost-Berlin, besonders auf das der Bewegungsfreiheit. Da sich die Minister vor allem „mit der zunehmenden Behinderung des Verkehrs zwischen O s t - und West-Berlin" befaßt hatten, müßte man annehmen, daß die angekündigten differenzierten Gegenmaßnahmen für alle Eventualitäten — einschließlich des Kappens der Verbindungen zwischen beiden Stadthälften — vorbereitet waren und im Falle eines Falles sofort wirksam werden konnten. Diese Annahme erwies sich als Trugschluß, denn die am 13. August beginnende Einschnürung West-Berlins traf den Westen völlig unvorbereitet. Anfang August deutete manches auf die Entschlossenheit der D D R hin, zum Stoppen der Flüchtlingswelle drastische Maßnahmen zu ergreifen. Doch weder die nach dem Treffen der Ostblock-Führer in Moskau auftauchenden Gerüchte über eine T r e n n u n g beider Stadtteile noch die am 11. August vom stellvertretenden Ministerratsvorsitzenden Stoph angekündigten „Schutzmaßnahmen" gegen „Menschenhändler, Abwerber und andere Verbrecher", die f ü r die DDR-Bevölkerung lediglich eine „gewisse Unannehmlichkeit" mit sich bringen würde, f ü h r t e n dazu, daß die Öffentlichkeit in West-Berlin wirklich ernsthaft mit einer totalen Abriegelung rechnete. Dieses Wunschdenken wurde rational begründet durch Hinweise auf die Funktion der offenen Grenze als „notwendiges Ventil", auf die Gefahreines neuen Aufstandes im Falle der Schließung der Grenze, auf die rechtliche Lage und die alliierten Garantien sowie den Wunsch der D D R , diese „peinlichen Dinge so unauffällig wie möglich zu tun".

VI. Zweite

Berlin-Krise

1958—1963

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Die Entscheidung f ü r die A b s p e r r u n g fiel wahrscheinlich erst beim T r e f f e n der P a r t e i f ü h r e r des O s t b l o c k s A n f a n g A u g u s t in M o s k a u . Die Idee z u m Bau scheint offensichtlich aber schon wesentlich f r ü h e r entwickelt w o r d e n zu sein. D a f ü r jedenfalls spricht die später häufig zitierte Bemerkung U l b r i c h t s auf einer Pressekonferenz M i t t e J u n i , als er in B e a n t w o r t u n g der Frage eines K o r r e s p o n d e n t e n der Frankfurter Rundschau, ob denn die Bildung einer Freien S t a d t bedeute, daß die D D R ihre Staatsgrenze am Brandenburger T o r errichten werde, v o n „Menschen in W e s t d e u t s c h l a n d " sprach, „die wünschen, daß wir die Bauarbeiter der H a u p t s t a d t d e r D D R dazu mobilisieren, eine M a u e r a u f z u r i c h t e n . M i r ist nicht b e k a n n t , daß eine solche A b s i c h t b e s t e h t . . . Niemand hat die A b s i c h t , eine Mauer zu errichten." Die emotionale A u f h e i z u n g des G r e n z g ä n g e r p r o b l e m s wie die ständig wiederholte A n kündigung des Abschlusses eines Friedensvertrages zwischen der Sow j e t u n i o n und der D D R noch im J a h r e 1 9 6 1 waren gewiß die H a u p t u r sachen f ü r das rapide Anwachsen der Flüchtlingszahlen. Für die D D R Führung mag das Dilemma zwischen stetig zu verschärfenden K o n t r o l len an den Ubergängen nach West-Berlin wie die steigenden Befürchtungen ihrer eigenen Bevölkerung über eine Schließung der G r e n z e schließlich den Ausschlag z u r rigorosen Lösung des Flüchtlingsproblems als letzten wirksamen Mittels gegeben haben, einer weiteren katastrophalen Schwächung ihres Staates zu begegnen. D e r Ernst der östlichen D r o h u n g e n w u r d e im W e s t e n weder von der politischen Führung auf deutscher und alliierter Seite noch v o n den Medien o d e r der Bevölkerung in voller T r a g w e i t e erkannt. Bängliche E r w a r t u n g e n richteten sich viel eher auf den angedrohten A b s c h l u ß des separaten Friedensvertrages und den damit verbundenen gefährlichen K o n s e q u e n z e n f ü r die Stellung des westlichen Berlin. Angesichts der wiederholten Bekräftigungen westlicher Rechte „in Berlin" und u n t e r s t ü t z t dabei durch die Betonung westlicher Rechtsansprüche durch Presse, R u n d f u n k und Fernsehen, v e r t r a u t e die West-Berliner Bevölkerung zu großen Teilen darauf, daß die D D R es nicht wagen w ü r d e , auf eine ebenso brutale wie schmerzliche Weise, wie der Mauerbau sie nun einmal darstellte, gegen Vereinbarungen der vier Siegermächte zu verstoßen.

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Hans J. Reicbhardt • Wiederaufiau

Berlins

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Reaktionen auf die Mauer Als im V e r l a u f des s o n n t ä g l i c h e n 13. A u g u s t und der folgenden T a g e — der eigentliche M a u e r b a u b e g a n n erst k n a p p eine W o c h e später — die volle W u c h t der A u s w i r k u n g dieser D D R - A b s p e r r m a ß n a h m e n auf das L e b e n in der zwar seit rund einem J a h r z w ö l f t administrativ gespalt e n e n , v o n der großen M e h r h e i t ihrer M e n s c h e n aber weitgehend n o c h i m m e r als eine E i n h e i t e m p f u n d e n e n S t a d t sieht- und spürbar geworden war, oblag d e m R e g i e r e n d e n B ü r g e r m e i s t e r B r a n d t wohl eine d e r schwierigsten A u f g a b e n , d e n e n e r sich in seinem p o l i t i s c h e n L e b e n j e m a l s g e g e n ü b e r s a h : nämlich einerseits der E m p ö r u n g und o h n m ä c h tigen W u t d e r B e r l i n e r A u s d r u c k zu g e b e n , sie zugleich zu kanalisieren und v o r gefährlichen E r u p t i o n e n zu b e w a h r e n , andererseits den Bürgern im O s t s e k t o r und in d e r D D R so etwas wie T r o s t zu spenden, sie v o r V e r z w e i f l u n g zu b e w a h r e n , o h n e ihnen k o n k r e t sagen zu k ö n n e n , wann und wie sich die Lage verbessern lasse, und schließlich den E i n d r u c k zu v e r m i t t e l n , G e g e n m a ß n a h m e n würden g e t r o f f e n , o h n e g r o ß e H o f f nungen a u f k e i m e n zu lassen, daß sie tatsächlich zur W i e d e r h e r s t e l l u n g der F r e i z ü g i g k e i t in d e r S t a d t führen k ö n n t e n . D a n e b e n galt es, die sich a n b a h n e n d e V e r t r a u e n s k r i s e zwischen der „ T a t e n " erwartenden Bev ö l k e r u n g und den ä u ß e r s t e Z u r ü c k h a l t u n g ü b e n d e n Alliierten zu v e r h i n d e r n , woraus sich ein o f f e n e r K o n f l i k t o d e r gar eine Panik h ä t t e entwickeln können. In der T a t zeigten sich die Berliner B e h ö r d e n ü b e r r a s c h t und b e u n ruhigt ü b e r die G e l a s s e n h e i t , m i t d e r die westlichen S t a d t k o m m a n d a n ten die N a c h r i c h t e n , den F o r t g a n g der D D R - M a ß n a h m e n an den G r e n zen der S e k t o r e n b e t r e f f e n d , zur K e n n t n i s n a h m e n . Sie spiegelte a b e r genau j e n e H a l t u n g wider, die die westlichen R e g i e r u n g e n insgesamt g e g e n ü b e r den Ereignissen in Berlin d e m o n s t r i e r t e n , b e s t i m m t wohl v o r allem d u r c h die F u r c h t v o r e i n e r E x p l o s i o n , die einen A u f s t a n d — ähnlich wie in U n g a r n k n a p p f ü n f J a h r e z u v o r — und d a m i t vielleicht ein n i c h t m e h r kalkulierbares Kriegsrisiko zur F o l g e h ä t t e h a b e n k ö n n e n . Insgeheim schien man in den westlichen H a u p t s t ä d t e n sogar e r l e i c h t e r t ü b e r die wie auch i m m e r g e a r t e t e „ L ö s u n g " des F l ü c h t l i n g s p r o b l e m s , o h n e selbst zu H a n d l u n g e n gezwungen zu sein, die gegen allgemeine M e n s c h e n r e c h t e o d e r vertragliche V e r p f l i c h t u n g e n gegenü b e r der B u n d e s r e p u b l i k v e r s t o ß e n h ä t t e n . P o l i t i s c h allerdings k o n n t e m a n eine solche Auffassung in D e u t s c h land n i c h t v e r t r e t e n , wie auch das E i n g e s t ä n d n i s k a u m ratsam erschien, daß es geeignete M a ß n a h m e n , die das k o m m u n i s t i s c h e L a g e r wirklich

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empfindlich treffen konnten, ohne die Kriegsgefahr zu vergrößern oder andere unliebsame Folgen hervorzurufen, eigentlich nicht gab. Der Einsicht, daß mit energischen alliierten Gegenaktionen nicht zu rechnen war und auch der Bundesregierung das entsprechende Instrumentarium fehlte, bestimmte binnen 24 Stunden die Äußerungen von Regierungsmitgliedern, deren Akzent nun voll auf Beruhigung und Beschwichtigung gerichtet war — so vor allem Bundeskanzler Adenauer, der am 16. August dem sowjetischen Botschafter Smirnow versicherte, daß die Bundesregierung keine Schritte beabsichtige, welche die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion erschweren und die internationale Lage verschlechtern würden. Die Westmächte überließen der Berliner Polizei die Sicherung der Sektorengrenzen und der inneren Ordnung, taten hingegen nichts, um den lautgewordenen Forderungen nach Gegenmaßnahmen zu entsprechen. Selbst ihre in Berlin von vornherein allgemein als unzureichend betrachteten „papiernen" Proteste lieferten sie reichlich spät ab. Da diese weder die Ankündigung von Gegenmaßnahmen enthielten, noch die deutschen Hoffnungen auf härtere und massivere Formulierungen erfüllten, wuchsen in der Bevölkerung Enttäuschung, Unmut und Sorge. Zynischer Galgenhumor mischte sich in die erregten Diskussionen in Betrieben und Büros, in Familien- und Bekanntenkreisen. Das Gefühl, von falschen Freunden verkauft worden zu sein, verstärkten Presseberichte, denen zufolge der Westen von den Sowjets Tage vorher schon über die geplanten Aktionen informiert worden sei. Zugleich wuchs die Besorgnis, daß der Westen nach der gezeigten Schwäche gegenüber der eklatanten Rechtsverletzung weitere Pressionen ebenso tatenlos hinnehmen würde. Nachdemes am 14. und am 15. August schon mehrmals zu spontanen Zusammenrottungen von Taten und Gegenmaßnahmen fordernden Demonstranten vor dem Rathaus Schöneberg gekommen war, beschloß der Senat den Appell an die Bevölkerung, sich am 16. August dort zu einer Protestkundgebung zusammenzufinden. Wohl wissend, daß er der 250000 Köpfe zählenden Menge mit leeren Händen gegenübertreten mußte, vermied Willy Brandt jede Andeutung einer baldigen Wiederherstellung der Bewegungsfreiheit in der Stadt. Vielmehr betonte er „mit großem Nachdruck und in allem Ernst", daß die östlichen Sperrmaßnahmen die physische Sicherheit West-Berlins nicht bedrohten, die Garantien der Westmächte nur für die Anwesenheit ihrer Truppen, für die Freiheit der Bevölkerung nur „in diesem Teil unserer Stadt" und für den freien Zugang galten. Daher hätten sich

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diese Garantien bewährt, „ohne sie wären die Panzer weitergerollt". Der Regierende Bürgermeister verstand es, mit einer rhetorischen Meisterleistung die alliierte Tatenlosigkeit zu kritisieren, gleichzeitig aber die unvermindert fortbestehende freundschaftliche Verbundenheit zu betonen. Er berichtete von seinem Brief an Kennedy, worin er, wie unter Freunden erforderlich, ihm mit Offenheit die Berliner Situation geschildert habe. Da dessen A n t w o r t , vor allem auf die Forderung nach demonstrativer Verstärkung der Berliner Garninson, noch ausstand, konnte Brandt keine dramatisch-symbolischen Schritte ankündigen. U m ihren Stolz und ihr Selbstwertgefühl zu heben, forderte er von den Berlinern Bewährung in einer Zeit, in welcher sie die ihnen von der Geschichte aufgebürdete Verantwortung mit „Besonnenheit, aber nicht Gleichgültigkeit" tragen müßten. Bewirkte dieser leidenschaftliche Appell an die V e r n u n f t und den politischen Instinkt der großen Masse der Berliner auch keinen sofortigen Stimmungsumschwung, so leitete er diesen doch ein. Berlins Blätter, die anfänglich ganz entschieden f ü r „harte Gegenmaßnahmen" plädiert und nach deren Ausbleiben ihr beträchtliches Unbehagen am Verhalten der Westmächte nicht verhehlt hatten, schwenkten nun auf Brandts Linie ein, als auch sie voll begriffen hatten, daß sich aus der rapide breiter werdenden Kluft zwischen Alliierten und Bevölkerung fatale Folgen f ü r die Stellung der Stadt entwickeln könnten. Bis zum Eintreffen von Brandts Brief schien man im offiziellen Washington unterschätzt zu haben, welch tiefe Furchen die vom Osten vollzogene Absperrung der Stadt ins Bewußtsein der Berliner gegraben hatte. Präsident Kennedy hatte sich, wie später aus seiner engsten Umgebung verlautete, zunächst recht ungehalten über das von Emotionen gewiß nicht freie und nach seiner Meinung sogar ein wenig demagogische Schreiben Brandts geäußert. Nach Vorliegen weiterer Berichte von Berliner US-Stellen, mußte er in seiner A n t w o r t jedoch anerkennen, daß Brandt aus einer echten Bedrängnis und persönlicher Sorge heraus so gehandelt hatte. Wenn er auch dessen Anregungen — Anrufung der Vereinten Nationen, Proklamierung eines zusätzlichen Drei-Mächte-Status f ü r West Berlin — ausdrücklich ablehnte und seinen weiteren Forderungen wie die, der Westen möge von neuem auf eine Friedensregelung f ü r Deutschland drängen, die „dem Selbstbestimmungsrecht des deutschen V o l k e s . . . entspricht", keine Beachtung schenkte, so griff er doch Brandts Wunsch nach Verstärkung der Berliner Garnison auf. Allerdings ließ er in seiner vom 18. August datierten und von Vizepräsident Johnson an Brandt übergebenen A n t w o r t klar

VI. Zweite

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erkennen, daß nach eingehenden Erwägungen er „selbst" („I myself") entschieden habe, diese Maßnahme zu ergreifen. Die Entsendung von Vizepräsident Johnson in Begleitung des in der Stadt noch immer ungemein populären Initiators der Luftbrücke, General Clay, am 19. August sowie die in voller Kenntnis des scheinbar damit verbundenen Risikos eines bewaffneten Konflikts befohlene Fahrt einer 1500 Mann starken Kampfgruppe aus Süddeutschland nach Berlin nur einen T a g später sollte sich in der T a t als ein durchschlagender Erfolg mit dem erhofften Resultat erweisen. Denn in dem begeisterten Jubel, der J o h n s o n und Clay wie auch den Soldaten an diesem ersten Wochenende nach dem Mauerbau in den Straßen Berlins entgegenbrandete, machte sich fast körperlich spürbar die Erleichterung der Bürger Luft, die in dieser Demonstration des Willens zur Behauptung der eigenen Position in der Stadt das Gefühl zurückgewannen, auch künftig nicht im Stich gelassen zu werden. Ebenso vermochte sich Willy Brandt durch die Wirkung seiner Initiative, die Kanzler Adenauer schlicht „arrogant" nannte und im übrigen Bonn gleichsam wegen der Nichteinhaltung des „Dienstweges" — außenpolitische Vertretung Berlins allein durch die Bundesregierung — schärfste Mißbilligung erfuhr, in seiner Führungsrolle f ü r den weiteren Verlauf der Krisenzeit sich bestätigt sehen. Hingegen hatte der Bundeskanzler, statt wie von seinen Berliner Parteifreunden erhofft und gewünscht, so schnell wie nur irgend möglich hierher zu kommen, in einer Rede im Bundestagswahlkampf Willy Brandt in persönlich diffamierender Weise attackiert, so daß er bei seinem ersten, nur wenige Stunden dauernden BerlinBesuch nach der Absperrung doch recht kühl und kritisch und mit Plakaten, wie: „ H i e r wurde Geschichte gemacht, als Sie auf Wahlreise waren", begrüßt wurde. Öffentliche Meinung wie Bevölkerung zeigten in der noch bis O k t o ber 1962 andauernden spannungsgeladenen Zeit eine bemerkenswerte Geschlossenheit und Einheitlichkeit. Selbstverständlich unterlag das Stimmungsbarometer in den nächsten Monaten gewissen Schwankungen. Vorherrschend jedoch blieb stets der aus dem Erleben und den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte gewonnene „sehr demokratische" Konsens, getragen von einem besonders hohen Grad des Sich-VerlassenKönnens auf eine demokratisch konstituierte Führung, deren ganz allmählich und behutsam sich andeutende Kurskorrekturen man mitzutragen bereit war. Aus dem Wunsch heraus, Widerstand nicht allein mit Worten, sondern durch T a t e n zu leisten, entwickelten sich zuweilen Aktionen,

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Hans ]. Reichhardt • Wiederaufbau Berlins 1945—1963

deren Wert bei nüchtern rationaler Beurteilung recht zweifelhaft erscheint, die damals aber einen wohl unvermeidlichen Ausdruck der hochgradigen Erregung darstellten. Das gilt vornehmlich für den Boykott der unter der Regie der Ost-Berliner Reichsbahn-Direktion fahrenden S-Bahn, die als innerstädtisches Verkehrsmittel auf Dauer doch nicht entbehrlich war. Gerade diesen Schritt aber veranlaßte der D G B , nachdem Willy Brandt in seiner Rede vor dem Schöneberger Rathaus am 16. August es schon als unerträglich bezeichnet hatte, daß die D D R die Westgeld-Einnahmen der S-Bahn zum Kauf des beide Teile der Stadt trennenden Stacheldrahts verwendet habe. Wie populär dieser Schritt war, zeigt die Tatsache, daß innerhalb von nur einer Woche die Zahl der täglichen Fahrgäste um 80 % zurückging, obwohl diese den Verzicht oft mit Zeitverlust und höheren Fahrpreisen vor allem im Berufsverkehr bezahlen mußten. Die Forderung des Regierenden Bürgermeisters nach Ubergabe der S-Bahn in West-Berlin an den Senat scheiterte am insgesamt mehr als 20 Jahre dauernden Widerstand der Alliierten einerseits, die auch in dieser Frage konsequent am Vier-Mächte-Recht festhielten, wie am Beharrungsvermögen der DDR-Verantwortlichen andererseits, welche auf dieses Instrument vielfältiger Einflußmöglichkeiten im Westen der Stadt nicht verzichten wollten. Schon am 14. August hatte Die Wahrheit, das West-Berliner Blatt der S E D , sein Erscheinen vorübergehend einstellen müssen, weil die Drucker nicht weiter an seiner Herstellung beteiligt sein wollten. Arbeiter, die als SED-Mitglieder bekannt waren, wurden von mehreren Betrieben entlassen, nachdem Belegschaften gegen ihre Weiterbeschäftigung protestiert hatten. Einige West-Berliner verschafften sich Zutritt zu den Geschäftsstellen der S E D und demolierten die Einrichtung. Als die DDR-Behörden an der Sektorengrenze Lautsprecherwagen für Propagandasendungen auffahren ließen, gab es wiederholt Ansammlungen empörter West-Berliner, die Polizei und gelegentlich sogar alliiertes Militär zum Einschreiten zwang. Und der Intendant des Schiller-Theaters hielt es für angezeigt, angesichts der die Stadt beherrschenden Stimmung die Premiere eines Brecht-Stücks auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Im Rahmen des Möglichen und Erlaubten, gelegentlich aber eben auch darüber hinaus, ergriffen die West-Berliner Behörden Maßnahmen gegen jene, die durch irgendeine offizielle Stellung mit dem D D R Regime identifiziert wurden oder es auch durch ihre politische Tätigkeit unterstützten. So folgten der Schließung von West-Berliner Büros der Berliner Zeitung und des „Berliner Rundfunks" für geraume Zeit

VI. Zweite Berlin-Krise

1958—1963

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Kontrollen an den Sektorenübergängen, die das Betreten West-Berlins durch „unerwünschte und mißliebige" Personen unmöglich machen sollten, dann am 24. August unter Berufung auf § 14 des Polizeiverwaltungsgesetzes die vorübergehende Schließung der Kreisbüros der SED bis „zur Wiederherstellung der Freizügigkeit des Verkehrs in der ganzen Stadt". Nachdem am 19. August SED-Betriebskampfgruppen die SPD-Büros in den Ost-Berliner Bezirken Prenzlauer Berg und Friedrichshain geschlossen hatten, drei Tage später die in den Bezirken Mitte und Weißensee, beschloß der SPD-Landesvorstand am 23. August, die Auflösung der acht Kreisverbände und die Entlassung aller rund 6000 Parteimitglieder in Ost-Berlin aus allen Verbindlichkeiten gegenüber der Partei, unterstrich jedoch das Recht, diese auf Grund des VierMächte-Status für die ganze Stadt jederzeit wieder zu gründen. Mit diesem Schritt wollte die Parteiführung erzwungenen Loyalitätsbeweisen ihrer Organisation gegenüber den Ost-Berliner Behörden vorbeugen; am 3. September entschloß sich auch die SPD-Jugendorganisation „Die Falken" zur Auflösung ihrer Ost-Berliner Kreisverbände. Als fortdauernde schwere Belastung der Lage West-Berlins wirkt der Schießbefehl für die DDR-Grenzposten, der erstmals am 24. August 1961 auf einen Flüchtling beim Durchschwimmen des Humboldthafens exekutiert wurde und seither allein in und um Berlin mehrere Dutzend Opfer gefordert hat. Dieses Vorgehen betrachtet die westliche Seite noch immer schlicht als Mord und verlangt unverdrossen die Aufhebung des Schießbefehls. Die Mauer jedenfalls stellte West-Berlins Behörden und Bevölkerung im ersten J a h r ihrer Existenz vor die Notwendigkeit quälender, niemanden befriedigender Entscheidungen. So sah sich die Polizei fortwährend zur Übernahme einer Doppelrolle gezwungen, die sie einerseits zum Vorgehen gegen den Ausbruch von Ungeduld und Auflehnung gegen politische Notwendigkeiten in der eigenen Bevölkerung veranlaßte, andererseits aber gegen das eigene Selbstverständnis von ihr den Verzicht auf jegliche Hilfeleistung für Flüchtende hinter dem der Mauer vorgelagerten „Todesstreifen" verlangte. Höhepunkt dieser tragischen Zwangslage war der T o d des jungen Ost-Berliner Bauarbeiters Peter Fechter am 17. August 1962 in der Nähe des Ausländerübergangs Friedrichstraße, der schwer verwundet mehrere Stunden hinter der Mauer lag und verblutete, ohne daß man ihm von westlicher Seite Hilfe leisten konnte. Dieses Ereignis führte zu tagelangen erregten Demonstrationen vor allem junger Bürger, die die Polizei nur unter Knüppeleinsatz daran hindern konnte, gegen die Mauer anzurennen und nach Ost-Berlin einzudringen.

136

Hans J. Reichhardt

• Wiederaufbau

Berlins 1945—1963

Ein J a h r später durchgeführte Befragungen zeigten, daß sich schließlich 90 % der West-Berliner Bevölkerung ebenso resigniert wie einsichtig gegen derartige, die Gefahr einer möglicherweise unabsehbare Folgen hervorrufenden Explosion begleiteten Demonstrationen und Gewalttätigkeiten wandten. Aber schon im Herbst 1962, als Präsident Kennedy mit der Blockade Kubas die Rückverlagerung der dort stationierten sowjetischen R a k e t e n erzwang, wuchs allmählich die Erkenntnis, die Existenz eines freien West-Berlin wohl nur mit Hilfe eines stufenweise verwirklichten und von betont kritisch-vorsichtigem Realismus getragenen Versuchs eines Arrangements zwischen Ost und West sichern zu können.

Wahlen vom 17. Februar 1963 Als nach dem Abflauen der Kuba-Krise der sowjetische Druck auf West-Berlin nachließ und die Anzeichen bis zum Jahresende 1962 sich mehrten, daß die im November 1958 gegen die Stadt gestartete Offensive abgeblasen worden war, konnte die politische Führung der Stadt das mit Fug und Recht auch als ihren Erfolg verbuchen. Dieser bestand vor allem darin, den Schutzmächten gezeigt zu haben, daß diese Stadt keinen verlorenen Posten darstellt, der ständig zu explodieren und sie in eine Katastrophe hineinzuziehen droht. Darüber hinaus mußten Senat und Abgeordnetenhaus auf die Durchführung von Maßnahmen drängen, die einen möglichen Bevölkerungsschwund milderten und der Stadt ein weiteres Annähern an das wirtschaftliche Niveau der Bundesrepublik ermöglichten, wie es vor dem 13. August 1961 nicht möglich war. Auf dem weiten Feld der „Kulturplanung" hatte der erste Schock auf den Mauerbau zu einer „Ideeninflation" geführt mit teilweise gigantischen Plänen und Vorstellungen, deren drastische Reduzierung aber noch immer ausreichte, die Attraktivität der Stadt zu bewahren. Die Nähe der Bedrohung und die Schmerzhaftigkeit der D D R Maßnahmen in Berlin hatten hier zunächst ein größeres Maß an Härte und Aggressivität gegenüber „dem Osten" als anderswo entstehen lassen. Und in der ersten, unmittelbaren Phase nach dem Mauerbau entwickelte man daher auch nur wenig Verständnis für die abwartende Haltung in den H a u p t s t ä d t e n der Westmächte. Als die unmittelbare Existenzbedrohung sich jedoch minderte, empfanden der Regierende Bürgermeister Brandt und sein engster Beraterkreis in wachsendem Maße die Notwendigkeit zur Entwicklung einer Politik, um im Interesse der Menschen in beiden Teilen der Stadt die Spaltung zumindest

VI. Zweite

Berlin-Krise

1958—1963

137

erträglicher zu gestalten. Den entscheidenden Impuls zu diesem U m denken hatte schon Kennedys Brief vom 18. August 1961 gegeben. Bei allem Verständnis f ü r die vielfachen N ö t e in der Stadt betrachtete der Präsident den Mauerbau als eine sowjetische Niederlage, die die Lage West-Berlins nur unwesentlich berührte und nunmehr dessen Einbindung in den Westen sicherer und unkomplizierter entwickeln würde. Dies bedeutete nicht allein die Forderung nach Anerkennung des Status quo entsprechend den originären Rechten der Siegermächte in der Stadt, sondern nach „Fallenlassen" der deutscherseits ohnehin nicht mehr durchsetzbaren Wünsche und Ansprüche zugleich einen Appell, eigene Gedanken zur Entspannung der Lage in Berlin zu entwickeln, statt nur über die amerikanische Untätigkeit zu räsonnieren. Kein Zweifel, daß nach dem ersten Schock über die unmißverständliche Klarstellung der H a l t u n g der amerikanischen Weltmacht die Botschaft Kennedys genau in dieser Weise im Rathaus Schöneberg verstanden worden war. Bereits in der ersten Regierungserklärung vor dem Stadtparlament und in SPD-Gremien deutete Brandt die H a u p t a n satzpunkte seiner späteren O s t k o n t a k t e an: Aufgabe unrealistischer Rechtspositionen und Streben nach technischen Erleichterungen, „ . . . wir werden alles Erdenkliche tun, damit die Mauer, solange sie nicht beseitigt ist, wenigstens durchlässig wird" und „wir sind der Bevölkerung ernsthafte Bemühungen in dieser Richtung schuldig". Doch diese höchst vorsichtig formulierten und auch noch keineswegs auf einer geschlossenen Konzeption beruhenden Gedanken ließen in dieser Frage die Differenzen zwischen den Koalitionsparteien hervortreten, so daß eigentlich von vornherein kaum noch jemand mit der Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit nach den nächsten Wahlen rechnete. Und tatsächlich sollte dann der Versuch eines ersten konkreten Schritts in dieser Richtung schon zum großen Eklat führen, dominierte vom 17. Januar 1963 an dann nur noch ein T h e m a den Wahlkampf: das an diesem Tag nicht zustandegekommene Gespräch des Regierenden Bürgermeisters Brandt mit dem zu Besuch des VI. SED-Parteitages in Ost-Berlin weilenden sowjetischen Regierungs- und Parteichef Chruschtschow. Das nach Konsultationen mit den Alliierten und der Bundesregierung schon fest vereinbarte und der Stadt wegen f ü r notwendig gehaltene Treffen hatte Brandt „schweren Herzens" und zu seinem „großen Bedauern" auf Grund von ihm nicht vorausgesehener Entwicklungen abgesagt. In einer Außerordentlichen Sitzung des Senats hatten Bürgermeister Amrehn und die anderen CDU-Senatoren ein Verbleiben ihrer Partei in der Koalition sowie deren eventuelle Neubildung

138

Hans J. Reichhardt

• Wiederaußau

Berlins 1945—1963

nach den Wahlen vom Verzicht Brandts auf das Gespräch mit Chruschtschow abhängig gemacht, da es zu diesem Zeitpunkt keinen Erfolg bringen könne. Die Rücksicht auf die so lange gemeinsam getragene Verantwortung bewog Brandt zur Aufgabe seines Vorhabens. Das Wahlergebnis vier Wochen später glich dann einem Erdrutsch. Die SPD erreichte mit 61,9 % ein fast so gutes Ergebnis wie im Blockadejahr 1948, gewann alle 80 Direktmandate und in elf der zwölf WestBerliner Bezirke die absolute Mehrheit. Die C D U rutschte mit dem Verlust von 8,8 % unter die 30 %-Marke, während die FDP nach gut vierjähriger Abwesenheit mit 7,9 % wieder ins Parlament zurückkehren konnte. Die SED büßte noch einmal 0,6 % ein und verbuchte nur noch 1,3 %. Die schwere Niederlage der C D U hatte ihre Ursache gewiß nicht allein in dem Verhalten ihrer Berliner Parteiführung zum Treffen Chruschtschow-Brandt; die in Berlin weithin als enttäuschend empfundene Haltung von Kanzler Adenauer nach dem Mauerbau wie die aufwühlende und nachhaltige Wirkung der „Spiegel-Affäre" im Herbst 1962 waren wohl ebenfalls Ereignisse, die negativ zu Buche schlugen. Die mehr als 150000 ehemaligen CDU-Wähler aber hatten zum größten Teil diesmal deshalb für die SPD und damit für Willy Brandt votiert, weil sie in erster Linie ihm in der Führung der Stadt entschieden mehr zutrauten als seinem bisherigen, nur über wenig Ausstrahlungskraft verfügenden Partner Franz Amrehn. Mehr instinktiv fühlte die große Mehrheit der Berliner, daß nur Brandt die Hoffnung auf eine nach neuen Wegen suchende und zum Wohl der Stadt sich auswirkende Politik würde erfüllen können. T r o t z der Möglichkeit einer Alleinregierung entschieden Brandt und die zuständigen SPD-Gremien sich für eine Koalition mit der FDP. Der grandiose Wahlsieg hatte die SPD in Berlin zum zweiten Mal nach dem Kriege in die Nähe einer Zweidrittel-Mehrheit gerückt. Dieser neue Höhepunkt bedeutete zugleich aber auch einen Wendepunkt in ihrer Entwicklung. Denn seither verlor sie in allen Wahlen kontinuierlich Stimmenanteile und besitzt ein Vierteljahrhundert später nur noch rund die Hälfte ihres Wählerstammes von 1963. Damit ist ein Thema benannt, das diese folgenden fast 25 Jahre zunehmend beherrschen sollte.

BILDTEIL

INHALT 1. Persönlichkeiten und Gremien der demokratischen Körperschaften in Stadt und Land Berlin ABBILDUNG 1: Arthur Werner, Oberbürgermeister von Berlin 1945/46

148

ABBILDUNG 2: Mitglieder des ersten Berliner Magistrats am 5. Dezember 1946 (Louise Schroetter, Paul Fuellsack, Ferdinand Friedensburg, Waldemar Schmidt, Oberbürgermeister O t t o Ostrowski) ABBILDUNG 3: Protestkundgebung der demokratischen Parteien (mit O t t o Suhr, Ernst Reuter u. a.) gegen SED-Provokationen am 26. August 1948 ABBILDUNG 4: Magistratssitzung im Rathaus Schöneberg 1950 (mit Louise Schroeder, Oberbürgermeister Ernst Reuter und Ferdinand Friedensburg) . . . . ABBILDUNG 5: Der erste West-Berliner Senat im Abgeordnetenhaus am 1. Februar 1951 (mit dem Regierenden Bürgermeister Ernst Reuter, Walther Schreiber u. a.)

148 149 149

150

ABBILDUNG 6: O t t o Bach und Alfred Braun vom Sender Freies Berlin gratulieren dem Regierenden Bürgermeister Walther Schreiber zum Geburtstag am 10. Juni 1954 ABBILDUNG 7: Abgeordnetenhauspräsident Willy Brandt, Bürgermeister Franz Amrehn und Regierender Bürgermeister O t t o Suhr am 25. Februar 1956 . . . .

151

ABBILDUNG 8: Joachim Lipschitz, Senator für Inneres 1955—1961

151

ABBILDUNG 9: Willy Brandt

150

spricht bei einer Protestkundgebung gegen den

Mauerbau im August 1961 (am Bildrand Wappen der Berliner Bezirke) ABBILDUNG 10: Bürgermeister Heinrich Albertz bei den Wahlen vom 17. Februar 1963

152 153

ABBILDUNG 11: Bundesminister a . D . Ernst Lemmer 17. Februar 1963

153

bei den Wahlen zum

ABBILDUNG 12: SPD-Kundgebung mit dem Parteivorsitzenden Willy Brandt, und Kurt Mattick am 13. September 1965

153

ABBILDUNG 13: Wirtschaftssenator Kurt Schiller und sein Nachfolger Karl Kömg am 4. November 1965

Kurt Neubauer

154

ABBILDUNG 14: Wahlkongreß der Berliner SPD am 15. Januar 1975 (mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Haus, Reg. Bürgermeister Klaus Schütz, Parteivorsitzenden Willy Brandt, Klaus Riebschläger, Kurt Neuhauer) . . . ABBILDUNG 15: Kundgebung am 15. April 1968 (mit Harry Ristock, William Borm, Heinrich Albertz) ABBILDUNG 16: Kundgebung des Deutschen Evangelischen Kirchentages am 13. Juni 1977 (mit kirchlichen und politischen Würdenträgern)

154 155 155

Bildteil

142

ABBILDUNG 17: Der Reg. Bürgermeister Dietrich Stobbe im Bezirk Wedding am 16. Dezember 1980 ABBILDUNG 18: Peter Lorenz,

156 CDU-Landesvorsitzender, präsentiert auf einer

Pressekonferenz am 16. September 1978 den CDU-Kandidaten für das Amt des Reg. Bürgermeisters, Richard von Weizsäcker

156

ABBILDUNG 19: Der Reg. Bürgermeister Hans-Jochen Vogel und Gegenkandidat Richard von Weizsäcker

vor den Wahlen am 10. Mai 1981

157

ABBILDUNG 20: SPD-Wahlkundgebung in Zehlendorf am 2. Mai 1981 (mit Reg. Bürgermeister Hans-Jochen Vogel, Dieter

Sauberzweig,

Hans-Jürgen Heß)

ABBILDUNG 21: Im Abgeordnetenhaus: Bürgermeister Heinrich Lummer, Bürgermeister Richard von Weizsäcker,

..

157

Reg.

Norbert Blüm, Gerhard Kunz

158

ABBILDUNG 22: Plenarsaal des Abgeordnetenhauses im Rathaus Schöneberg am 4. Dezember 1985

158

2. Berlin, Deutschland und das Ausland: Freunde, Verbündete, Besucher ABBILDUNG 23: Wahlkundgebung der C D U am Steinplatz am 23. November 1948 (mit Konrad Adenauer)

159

ABBILDUNG 24: SPD-Kundgebung am 30. Sept. 1950 (mit Kurt Schumacher)

...

159

ABBILDUNG 25: US-Militärgouverneur General Lucius D. Clay vor dem Rathaus Schöneberg am 12. Mai 1949 (mit Oberbürgermeister Ernst Reuter)

....

160

ABBILDUNG 26: Inbetriebnahme des Kraftwerks West am 1. Dez. 1949 (mit Stadtkommandant General Jean Ganeval,

Marie-Elisabeth Lüders,

Oberbürger-

meister Ernst Reuter, Rudolf Wissell jun., dem britischen Hohen Kommissar Brian Robertson)

160

ABBILDUNG 27: Vorstellung eines Werbeplakats am 2. Mai 1950 (mit dem amerikanischen Stadtkommandanten General Maxwell D. Taylor, ter W . Averall Harriman,

Sonderbotschaf-

Oberbürgermeister Ernst Reuter,

dem amerika-

nischen Hohen Kommissar John J. McCIoy)

161

ABBILDUNG 28: Der Reg. Bürgermeister Ernst Reuter überreicht das 1 000 OOOste CARE-Paket am 27. Februar 1952

162

ABBILDUNG 29: Parteivorsitzender Erich Ollenhauer Neumann

im Gespräch mit Franz

am 1. März 1954

163

ABBILDUNG 30: Bundespräsident Heinrich Lübke nach seiner Wahl in Berlin am 1. Juli 1959

163

ABBILDUNG 31: Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier

in der Berliner Kon-

greßhalle am 15. Oktober 1957

164

ABBILDUNG 32: Der Reg. Bürgermeister Willy Brandt Präsident John F. Kennedy

und der amerikanische

bei dessen Besuch in Berlin am 26. Juni 1963

ABBILDUNG 33: John F. Kennedy,

Willy Brandt und Konrad Adenauer

165

bei ihrer

Fahrt durch Berlin am 26. Juni 1963 ABBILDUNG 34: Königin Elisabeth

/ / . von

165 Großbritannien

bei ihrem ersten

Berlin-Besuch am 27. Mai 1965 (mit Reg. Bürgermeister Willy Brandt Bundeskanzler Ludwig Erhard)

und 166

Bildteil

143

ABBILDUNG 35: Königin Elisabeth II. von Großbritannien bei ihrem zweiten Berlin-Besuch am 24. Mai 1978 (mit Reg. Bürgermeister Dietrich Stobbe und Bundeskanzler Helmut Schmidt)

166

ABBILDUNG 36: Paraphierung des Vier-Mächte-Abkommens über Berlin am 3. September 1971 (mit den Unterzeichnern Jean 5a«^agnarg«es/Frankreich, Sir Roger/¿c^/zng/Großbntannien, Piotr/l^rassimoai/Sowjetunion, Kenneth Rushl USA) ABBILDUNG 37: Unterzeichnung des Grundlagenvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der D D R durch Bundesminister Egon Bahr und Staatssekretär Michael Kohl am 21. Dezember 1972 (in Ost-Berlin) ABBILDUNG 38: Der Reg. Bürgermeister Dietrich Stobbe im Gespräch mit Herbert Wehner am 6. Dezember 1980 im Berliner ICC

167

167 168

ABBILDUNG 39: Bundespräsident Richard von Weizsäckerbeim Berlin-Besuch am 14. September 1984 (mit dem Reg. Bürgermeister Eberhard Diepgen und Architekt H.-W. Hämer) ABBILDUNG 40: Der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker empfängt den Reg. Bürgermeister Richard von Weizsäcker in Ost-Berlin am 15. September 1983

168

169

III. Werbung um den Berliner Wähler ABBILDUNG 41: Plakatwerbung von SPD, SED und LDP zur ersten Stadtverordnetenversammlung nach dem II. Weltkrieg am 20. Oktober 1946

170

ABBILDUNG 42: SED-Plakate im Ost-Sektor zur ersten Stadtverordnetenwahl nach dem II. Weltkrieg am 20. Oktober 1946

170

ABBILDUNG 43: Wahlplakate von C D U und FDP zu den ersten Abgeordnetenhauswahlen in West-Berlin am 3. Dezember 1950

171

ABBILDUNG 44: Plakattafeln von SPD, C D U und F D P für die Wahlen am 5. Dezember 1944 ABBILDUNG 45: LitfaßsäulenwerbungderCDUfürdie Wahlenam3. Dezember 1950

171 172

ABBILDUNG 46: Litfaßsäulenwerbung von F D P und B H E für die Wahlen am 5. Dezember 1954

172

ABBILDUNG 47: Tafel über Mandatsverteilung nach den Wahlen am 7. Dezember 1 9 5 8

173

ABBILDUNG 48: Plakatwerbung von SPD, C D U und SED für die Wahlen am 17. Februar 1963

173

ABBILDUNG 49: Wahlaufruf zu den Wahlen am 12. März 1967 ABBILDUNG 50: CDU-Plakat zu den Wahlen am 2. März 1975

174 174

ABBILDUNG 51: Werbung zur Wiederholungswahl in Berlin-Zehlendorf am 25.Januar 1976

175

ABBILDUNG 52: Informationsstand der SPD für die Wahlen am 18. März 1979

175

ABBILDUNG 53: Veranstaltung der Alternativen Liste (AL) zu den Wahlen am 18. März 1979 ABBILDUNG 54: Plakatwerbung der C D U für die Wahlen am 10. Mai 1981

176 176

Bildteil

144

IV. Demokratie

in Berlin in der

Zäsuren — Ereignisse —

Bewährung

Zustände

ABBILDUNG 55: Protestkundgebung vor dem Reichstag am 9. September 1948 gegen die Vertreibung der Stadtverordneten aus dem Neuen Stadthaus im Sowjetischen Sektor ABBILDUNG 56: Kundgebung vor dem Rathaus Schöneberg zur Aufhebung der zehnmonatigen sowjetischen Blockade West-Berlins am 12. Mai 1949

177 177

ABBILDUNG 57: Entladen einer Transportmaschine auf dem britischen Flugplatz während der sowjetischen Blockade West-Berlins 1948/49 ABBILDUNG 58: Wasserung eines britischen Flugbootes mit Transportgütern auf der Havel im Frühherbst 1948

178 178

ABBILDUNG 59: Enthüllung des Luftbrückendenkmals vor dem Flughafen Tempelhof am 10. Juli 1951

178

ABBILDUNG 60: Wechselstube zum Umtausch von DM Ost und DM West im Sommer 1948

179

ABBILDUNG 61: Niederschlagung des Aufstandes in Ost-Berlin und der D D R durch sowjetische Panzer am 17. Juni 1953

179

ABBILDUNG 62: Bewohner der West-Berliner Exklave Steinstücken auf dem Weg zu ihrem Wahllokal in Zehlendorf bei der Wahl vom 7. Dezember 1958 ABBILDUNG 63: AM Brandenburger T o r am 8. Mai 1952 (Ost-Berliner Delegation auf dem Weg zum sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten)

179 180

ABBILDUNG 64: Absperrung vor dem Brandenburger T o r am 24. August 1961

180

ABBILDUNG 65/66: Protestdemonstration vor dem Schöneberger Rathaus gegen die Mauer am 16. August 1961

181

ABBILDUNG 6 7 : D i e M a u e r m i t S t a c h e l d r a h t b e w e h r u n g n a c h d e m

13. August 1961

182

ABBILDUNG 68: Protestmarsch Berliner Jugendlicher gegen den Mauerbau im August 1961

182

ABBILDUNG 69: Lautsprecherwagen des Berliner Senats mit Nachrichtensendungen über die Mauer hinweg im Juli 1962

183

ABBILDUNG 7 0 : P r o t e s t B e r l i n e r B ü r g e r g e g e n d i e M a u e r a m 1 2 . A u g u s t 1 9 6 3

(Fastenaktion)

183

ABBILDUNG 71: Studentendiskussionen in der Freien Universität am 19. Dezember 1967 (mit dem Reg. Bürgermeister Klaus Schütz und dem Studentenführer Rudi Dutschke) ABBILDUNG 72: Rudi Dutschke

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spricht auf einer Kundgebung vor Studenten

am 21. Juni 1967

184

ABBILDUNG 73: „Instandbesetztes" Haus im Bezirk Tiergarten am 4. März 1981 ABBILDUNG 74: Räumung eines besetzten Hauses im Bezirk Charlottenburg am 27. September 1981

185 185

ABBILDUNG 75: Hausbesetzer demonstrieren im Bezirk Schöneberg am 18. Mai 1982

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Bildteil

145

ABBILDUNG 76: Ein „instandbesetztes" Haus im Bezirk Wedding im Mai 1981 ABBILDUNG 77: Agentenaustausch zwischen West und Ost im Febr. 1986

V. Kulturstadt ABBILDUNG 78: zember 1948 ABBILDUNG 79: 1951 ABBILDUNG 80:

186 187

Berlin

Offizielle Eröffnung der Freien Universität Berlin am 4. De— Sprecher: Oberbürgermeister Ernst Reuter Erste Internationale Filmfestspiele Berlin vom 6.—18. Juni

188 189

Amerika-Gedenkbibliothek im Bezirk Kreuzberg nach ihrer Einweihung am 17. September 1954 ABBILDUNG 81: Überreichung der „Judenbürgerbücher" der Stadt Berlin durch den Reg. Bürgermeister Willy Brandt an die Jüdische Gemeinde zu Berlin am 18. März 1962 (mit dem Herausgeber Jacob Jacobson; Heinz Galinski; Hans Herzfeld, Vorsitzendem der Historischen Kommission zu Berlin) ABBILDUNG 82: Verabschiedung von Volksbildungssenator Joachim Tiburtius am 1. April 1963 (auf dem Bild mit Generalintendant G. R. Seltner, Generalintendant Boleslaw Barlog, Intendant Wolfgang Stresemann) ABBILDUNG 83: Einweihung der Deutschen Oper zu Berlin am 24. September 1961 (anstelle des im Krieg zerstörten Deutschen Opernhauses) ABBILDUNG 84: Die neue Philharmonie am Kemperplatz (nach 1963) ABBILDUNG 85: Schiller-Theater (nach dem Wiederaufbau 1951) ABBILDUNG 86: Schaubühne am Lehniner Platz (Mai 1982) ABBILDUNG 87: Der neue Museumskomplex der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (nach 1970) ABBILDUNG 88: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (nach 1978)

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VI. Von der zerstörten Stadt zur neuen Berliner Stadtlandschaft ABBILDUNG 89: Das Brandenburger T o r in den ersten Maitagen 1945 ABBILDUNG 90: Luftaufnahme des zerstörten südlichen Tiergartenviertels im Sommer 1945 ABBILDUNG 91/92: Berliner „Trümmerfrauen" beim Steineklopfen und bei der Enttrümmerung ABBILDUNG 93: Wiederaufbau des Hansa-Viertels zur Zeit der Internationalen Bauausstellung 1957 ABBILDUNG 94: Flughafen Berlin-Tegel (nach 1974) ABBILDUNG 95: Kongreßhalle (am nördlichen Tiergartenrand) nach 1958 ABBILDUNG 96: Europa-Center, Budapester Straße (nach 1965) ABBILDUNG 97: Europa-Center mit dem Neubau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche (im April 1965) ABBILDUNG 98: Die Wohnsiedlung „Märkisches Viertel" (nach 1972)

194 194 195 196 196 197 197 197 198

146

Bildteil

ABBILDUNG 99: Fabrikanlagen der A E G im Bezirk Wedding (im Juni 1978)

198

ABBILDUNG 100: Gegensatz von Verkehrsplanung und Grünflächenerhaltung (der Breitenbachplatz im August 1977)

199

ABBILDUNG 101: Das neuerbaute Kreuzberger Zentrum im Mai 1979

199

ABBILDUNG 102: Der „Steglitzer Kreisel" (nach 1974)

200

ABBILDUNG 103: Internationales Congress-Centrum ( I C C ) turm und Messegelände) nach 1979

(dahinter Funk200

ABBILDUNG 104: Rathaus Schöneberg mit John-F.-Kennedy-Platz, Regierungssitz des Landes Berlin (im November 1986)

201

Bildteil

147

BENUTZTE BILDARCHIVE S o w e i t nicht anders v e r m e r k t , stammen die im folgenden abgebildeten F o t o s aus der

Landesbildstelle Berlin. Im übrigen wurden folgende Bildarchive benutzt: Associated Press (Bildarchiv); B E W A G Lichtbildstelle; H I C O G Berlin (Foto Schubert); Landesarchiv Berlin; Telegraf (Bildarchiv).

148

Bildteil

I. Persönlichkeiten und Gremien der demokratischen Körperschaften in Stadt und Land Berlin

Abbildung J Vereidigung des Magistrats nach seiner Wahl d u r c h die S t a d t v e r o r d n e t e n v e r s a m m l u n g im N e u e n S t a d t h a u s in d e r Parochialstraße am 5. D e z e m b e r 1946. V.l.n.r.: Bürgermeisterin Louise Scbroeder ( S P D ) , S t a d t r a t f ü r E r n ä h r u n g Paul Fuellsack (SPD), Bürgermeister Ferdinand Friedensburg(CD\J), S t a d t r a t f ü r A r b e i t W a l d e m a r Schmidt (SED), O b e r b ü r g e r m e i s t e r O t t o Ostrowski (SPD).

1. Demokratische Persönlichkeiten und Gremien

149

Abbildung 3 Protestkundgebung der demokratischen Parteien vordem Reichstag gegen die Stunden zuvor erfolgten Provokationen in der Stadtverordnetenversammlung durch SED-Demonstranten am 26. August 1948. Am Rednerpult: Stadt verordneten vor steher O t t o Suhr, rechts neben ihm der gewählte, vom Alliierten Kontrollrat am 10. Juli 1947 aber in seinem Amt endgültig nicht bestätigte Oberbürgermeister Ernst Reuter.

Abbildung 4 Sitzung des Berliner Magistrats im Rathaus Schöneberg, 1950. V.l.n.r.: Bürgermeisterin Louise Schroeder (SPD), Oberbürgermeister Ernst Reuter (SPD), Bürgermeister Ferdinand Friedensburg (CDU).

Bildteil

150

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Abbildung 5 Der erstmals gewählte Senat auf der Regierungsbank im Abgeordnetenhaus am 1. Februar 1951. V.l.n.r.: Der Regierende Bürgermeister Ernst Reuter (SPD), Bürgermeister Walther Schreiber (CDU), die Senatoren für Inneres, für Bundesangelegenheiten, für Rechtswesen, für Finanzen und für Wirtschaft und Ernährung: Werner Müller (parteilos), Günther Klein (SPD), Valentin Kielinger (CDU), Friedrich Haas ( C D U ) und Wilhelm Eich (FDP).

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Abbildung 6 Wirtschaftsdirektor und Chefredakteur des Senders Freies Berlin (SFB) O t t o Bach (Mitte) und Alfred Braun (rechts) gratulieren dem Regierenden Bürgermeister Walther Schreiber zum 70. Geburtstag am 10. Juni 1954.

I. Demokratische

Abbildung

Persönlichkeiten

und Gremien

151

/

D e r Präsident des A b g e o r d n e t e n h a u s e s Willy

Brandt

(links) und Bürgermeister F r a n z

Am-

rehti ( r e c h t s ) b e g r ü ß e n d e n v o n e i n e r l ä n g e r e n K u r in d e r Schwei?, h e i m k e h r e n d e n R e g i e r e n den Bürgermeister O t t o

Subr auf

d e m F l u g h a f e n T e m p e l h o f a m 25. F e b r u a r 1956.

Abbildung 8 J o a c h i m Lipscbitz,

Senator für

I n n e r e s v o m 22. J a n u a r 1955 bis 11. D e z e m b e r 1961.

152

Bildteil

Abbildung 9 Protestkundgebung gegen den drei Tage zuvor begonnenen Bau der Mauer (16. August 1961). Vor dem Rathaus Schöneberg der Regierende Bürgermeister Willy Brandt; am oberen Bildrand Wappen der 20 Berliner Bezirke; die zwei rechten von Treptow und Köpenick sind hier wie die übrigen sechs im Ostteil der Stadt lediglich durch Stacheldraht dargestellt.

I. Demokratische

Persönlichkeiten

und Gremien

153

Abbildung 10 Bürgermeister Heinrich Albertz ( S P D ) verteilt v o r d e n Siemens-Werken Flugzettel f ü r die W a h len am 17. F e b r u a r 1963.

Abbildung 11 D e r f r ü h e r e Bundesminister E r n s t Lemmer ( C D U ) bei d e r S t i m m a b gabe f ü r die Wahlen z u m 17. Feb r u a r 1963.

Abbildung

12

K u n d g e b u n g der Berliner S P D in d e r „ N e u e n W e l t " f ü r die Bundestagswahlen am 19. S e p t e m b e r 1965. V.l.n.r.: S e n a t o r K u r t Neubauer, der P a r t e i v o r s i t z e n d e u n d Kanzlerkandidat Willy Brandt, d e r Berliner Landesvorsitzende K u r t Mattick (13. S e p t e m b e r 1965).

154

Bildteil Abbildung 13 Der für die SPD in den Bundestag gewählte Wirtschaftssenator Karl Schiller (rechts) begrüßt seinen Amtsnachfolger Karl König (SPD) am 4. November 1965.

Wir Berliner können stolauf unsere £

Abbildung 14 Wahlkongreß der Berliner S P D im Prälat Schöneberg am 15. Januar 1975. V.l.n.r.: Der FraktionsVorsitzende im Abgeordnetenhaus Wolfgang Haus, der Regierende Bürgermeister Klaus Schütz, der Parteivorsitzende Willy Brandt, Bausenator Klaus Riebschläger, Bürgermeister Kurt Neubauer.

I. Demokratische

Persönlichkeiten

und

Gremien

Abbildung 15 K u n d g e b u n g zu d e m T h e m a „ M a c h t einen neuen A n f a n g " am 15. April 1968 auf dem H a m m a r s k ö l d p l a t z ; am R e d nerpult der Charlottenburger Bezirksstadtrat H a r r y Ristock ( S P D ) , neben ihm der Berliner FDP-Vorsitzende William Borm; am rechten Bildrand H e i n r i c h Albertz (SPD).

Abbildung 16 A b s c h l u ß k u n d g e b u n g des 17. Detitschen Evangelischen Kirchentages v o r d e r Kongreßhalle im T i e r g a r t e n am 13. J u n i 1977 u n t e r d e m M o t t o „Einer trage des anderen Last". V.l.n.r.: Alt-Bischof K u r t Scharf., A b g e o r d n e t e n h a u s - P r ä s i d e n t Peter Loren/ ( C D U ) . Kirchentagspräsident H e i n z Zahrnt ( T h e o l o g e und Publizist), Bundestagspräsident Karl Carstens ( C D U ) , der Berlin-Brandenburgische Landesbischof ( W e s t ) M a r t i n Kruse, der Regierende Bürgermeister Dietrich Stobbe ( S P D ) und M e t r o p o l i t Irineos.

156

Bildteil Abbildung 17 D e r Regierende Bürgermeister Dietrich Stobbe (Bildmitte) b e s u c h t den BVG-Betriebshof in der U s e d o m e r Straße im Bezirk W e d d i n g am 16. D e z e m b e r 1980.

Abbildung 18 D e r C D U - L a n d e s v o r s i t z e n d e Peter Lorenz präsentiert auf einer P r e s s e k o n f e r e n z im R a t h a u s Schöneberg am 16. S e p t e m b e r 1978 den K a n d i d a t e n seiner Partei f ü r das A m t des Regierenden Bürgermeisters bei den Wahlen im F r ü h j a h r 1979, Richard von Weizsäcker,

/. Demokratische

Abbildung

Persönlichkeiten

und Gremien

157

19

D e r R e g i e r e n d e Bürgermeister H a n s - J o c h e n Vogel (rechts) begrüßt im R a t h a u s Schöneberg am 13. Februar 1981 seinen Gegenkandidaten bei den Wahlen am 10. Mai 1981, Richard von Weizsäcker

Abbildung

(CDU).

20

S P D - W a h l k u n d g e b u n g v o r d e m R a t h a u s Zehlendorf am 2. Mai 1981. V.l.n.r.: der Regierende Bürgermeister H a n s - J o c h e n Vogel

(am R e d n e r p u l t ) , am rechten Bildrand der Senator für

Kulturelle Angelegenheiten, D i e t e r Saubery.ueig, Heß.

und der Wahlkreiskandidat H a n s - J ü r g e n

158

Bildteil

Abbildung 21 Beratung im Kreis von C D U - V e r t r e t e r n im A b g e o r d n e t e n h a u s nach einem von der AL gestellten M i ß t r a u e n s a n t r a g gegen den I n n e n s e n a t o r und Bürgermeister H e i n r i c h Lummer am 28. S e p t e m b e r 1981. V.l.n.r.: der C D U - F r a k t i o n s v o r s i t z e n d e I-'berhard Diepgen, F'inanzs e n a t o r G e r h a r d Kunz, der Regierende Bürgermeister Richard von Weiy.üieker, Bundessenat o r N o r b e r t Blüm (halb verdeckt) und Bürgermeister H e i n r i c h Lummer.

Abbildung 22 Blick in den Plenarsaal des A b g e o r d n e t e n h a u s e s im R a t h a u s Schöneberg, 15. Sitzung (10. Wahlperiode) am 4. D e z e m b e r 1985.

II. Freunde, Verbündete,

Besucher

159

II. Berlin, Deutschland, und das Ausland: Freunde, Verbündete, Besucher

Abbildung 23 W a h l k u n d g e b u n g der C D U in der Taberna Academica am Steinplatz am 23. N o v e m b e r 1948; am R e d n e r p u l t d e r C D U - V o r s i t z e n d e in der britischen Besatzungszone u n d Präsident des Parlamentarischen Rates, Kölns f r ü h e r e r O b e r b ü r g e r m e i s t e r K o n r a d Adenauer.

Abbildung 24 S P D - K u n d g e b u n g mit 5 0 0 0 0 Berlinern im H u m b o l d t h a i n am 30. S e p t e m b e r 1950 mit dem P a r t e i v o r s i t z e n d e n K u r t Schumacher als H a u p t r e d n e r z u m T h e m a „ D e u t s c h l a n d s Einheit — Berlins Freiheit".

160

Bildteil Abbildung 25 Nach seiner feierlichen Verabschiedung durch die Stadtverordnetenversammlung verläßt US-Militärgouverneur General Lucius D. Clay, der Initiator der Luftbrücke, das Rathaus Schöneberg am 12. Mai 1949; rechts neben ihm Oberbürgermeister Ernst Reuter (SPD). (Foto: Associated

Press)

Abbildung 26 Inbetriebnahme des Kraftwerks West am 1. Dezember 1949. V.l.n.r.: der französische Stadtkommandant General Jean Ganeval, Stadträtin Marie-Elisabeth Lüders (FDP), Oberbürgermeister Ernst Reuter (SPD), B E W A G - D i r e k t o r Rudolf Wisseil jun. und der britische Hohe Kommissar Sir Brian Robertson. (Foto: Werkfoto Beuag Lichtbildstelle)

162

Bildteil

II. Freunde, Verbündete.

Besucher

163

Abbildung 29 Der Parteivorsitzende der SPD Erich Ollenhauer (links) im Gespräch mit dem Berliner Landesvorsitzenden der SPD Franz Neumann auf einer SPD-Kundgebung am 1. März 1954.

Abbildung 30 Bundespräsident Heinrich Lübbe nach seiner Wahl durch die Bundesversammlung in der Ostpreußenhalle des Messegeländes am Funkturm am 1. Juli 1959; links neben ihm Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier (CDU).

164

Bild teil

II. Freunde, Verbündete, Abbildung Der

Besucher

165

32

Regierende

s t e r W i l l y Brandt

Bürgermei(SPD) über-

r e i c h t im R a t h a u s S c h ö n e b e r g d e m amerikanischen Präsident e n j o h n F. Kennedy

/ u r I.nn-

n e r u n g an s e i n e n B e s u c h e i n e N a c h b i l d u n g des v o n Sintenis

Renee

geschaffenen Berliner

B ä r e n in S i l b e r (26. J u n i 1 % 3 ) .

Abbildung

JJ

B e s u c h d e s a m e r i k a n i s c h e n P r ä s i d e n t e n J o h n F. Kennedy

a m 26. J u n i 1963. F a h r t d u r c h ein

S p a l i e r v o n m e h r als e i n e r M i l l i o n B e r l i n e r n , h i e r in d e r J o a c h i m s t a l e r S t r a ß e ; r e c h t s n e b e n i h m d e r R e g i e r e n d e B ü r g e r m e i s t e r W i l l y Brandt (CDU).

(SPD) und Bundeskanzler Konrad

Adenauer

166

Bildteil

Abbildung 34 Königin Elisabeth IL von Großbritannien während ihres ersten Berlin-Besuchs vor d e m R a t h a u s S c h ö n c b e r g am 27. Mai 1965; links neben ihr der Regierende Bürgermeister Willy Brandt (SPD), rechts Bundeskanzler Ludwig Erbard ( C D U ) .

Abbildung 35 Königin Elisabeth II. von Großbritannien während ihres zweiten Berlin-Besuchs bei einem k u r z e m Spaziergang auf d e m Breit scheidplatz am 24. Mai 1978; links neben ihr Bundeskanzler H e l m u t Schmidt (SPD), rechts der Regierende Bürgermeister Dietrich Stobbe (SPD), im H i n t e r g r u n d die neue Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche von Egon Eiermann.

II. Freunde, Verbündete, Besucher

167

Abbildung 36 Paraphierung des V i e r - M ä c h t e - A b k o m m e n s ü b e r Berlin am 3. S e p t e m b e r 1971 im ehemaligen K o n t r o l l r a t s - G e b ä u d e an der P o t s d a m e r S t r a ß e durch die Leiter der Verhandlungsdelegatio-

Sauvagnargues (Frankreich), Sir R o g e r Abrassimov ( S o w j e t u n i o n ) und K e n n e t h Rush ( U S A ) .

nen, die (am T i s c h v.l.n.r. sitzenden) B o t s c h a f t e r J e a n

jackling ( G r o ß b r i t a n n i e n ) ,

Pjotr

Abbildung 37 U n t e r z e i c h n u n g des Grundlagenvertrages z u r Normalisierung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der D e u t s c h e n D e m o k r a t i s c h e n R e p u b l i k durch Bundesminister E g o n Ost-Berlin.

Bahr

(links) und S t a a t s s e k r e t ä r Michael

Kohl

am 21. D e z e m b e r 1972 in

168

Bildteil

Abbildung 38 Der Regierende Bürgermeister Dietrich Vorsitzenden Herbert

Wehner

Stobbe

(links) im G e s p r ä c h m i t d e m stellv. S P D -

auf e i n e m L a n d e s p a r t e i t a g d e r B e r l i n e r S P D im I C C a m 6.

D e z e m b e r 1980.

Abbildung 39 Bundespräsident

Richard von

Wcviüicker

b c s u c h t a m 14. S e p t e m b e r 1984 im

Martin-

G r o p i u s - B a u d i e A u s s t e l l u n g „ I d e e — P r o z e ß — E r g e b n i s " i m „ B e r i c h t s j a h r 1984" d e r f ü r 1987 p r o j e k t i e r t e n I n t e r n a t i o n a l e n B a u a u s s t e l l u n g ( I B A ) ; r e c h t s n e b e n i h m d e r R e g i e r e n d e Bürgermeister Eberhard

Diepgen

und der Architekt H a r d t - W a l t h e r r

Hämer.

II. Freunde, Verbündete,

Besucher

169

170

Bildteil

III. Werbung um den Berliner Wähler

Abbildung 41 Plakate von SPD, SKD und I . D P zur ersten Wahl einer Stadtverordnetenversanmmlung nach dem Zweiten Weltkrieg am 20. O k t o b e r 1946; hier an einer Häuserwand im Bezirk Charlottenburg.

Abbildung 42 Plakate der S E D zur ersten Wahl einer Stadtverordnetenversammlung nach dem Zweiten Weltkrieg am 20. O k t o b e r 1946; hier im O s t s e k t o r der Stadt.

III. Werbung um den Berliner

Wähler

171

Abbildung 43 Plakate von C D U und F D P zu den Wahlen f ü r das erste A b g e o r d n e t e n h a u s von Berlin am 3. D e z e m b e r 1950; hier an einem Baustellenzaun im Bezirk Schöneberg.

Abbildung 44 Plakattafeln von S P D , C D U u n d F D P f ü r die Wahlen am 5. D e z e m b e r 1954; hier im Bezirk Wedding.

Bildteil

172

Abbildung 45 Litfaßsäulenwerbung der C D U im Bezirk Tiergarten f ü r die Wahlen am 3. Dezember 1950.

Abbildung

46

Litfaßsäulenwerbung von F D P und B H E im Bezirk C h a r l o t t e n b u r g für die Wahlen am 5. Dezember 1954.

III. Werbung um den Berliner

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Wähler

173

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T a f e l m i t d e r v o r l ä u f i g e n M a n d a t s v e r t e i l u n g in d e r B r a n d e n b u r g h a l l e des R a t h a u s e s S c h ö n e b e r g nach d e n W a h l e n a m 7. D e z e m b e r 1958.

Abbildung

48

P l a k a t e von S P D , C D U u n d S E D f ü r die W a h l e n a m 17. F e b r u a r 1963; hier in d e r K o t t b u s s e r Straiie im Bezirk K r e u z b e r g .

Bildteil >bildung 49 ahlaufruf zu den W a h l e n am . M ä r z 1967; hier an d e r luer zwischen den Bezirken tte (Ost) und Wedding 'est) in d e r Bernauer Straße.

Abbildung SO Plakat d e r C D U zu den W a h l e n am 2. M ä r z 1975; hier am K u r f ü r s t e n d a m m .

175

III. Werbung um den Berliner Wähler Abbildung 5/ Werbung zur Wiederholungswahl z u r Wahl des A b g e o r d netenhauses u n d z u r Bezirksverordnetenversammlung in Berlin-Zehlendorf am 25. Januar 1976.

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Abbildung 52 I n f o r m a t i o n s s t a n d der S P D f ü r die W a h l e n am 18. M ä r z 1979; hier in Siemensstadt (Bezirk Spandau).

176

Bildteil

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Abbildung 53 V e r a n s t a l t u n g d e r A l t e r n a t i v e n Liste (AL) im E r n s t - R e u t e r - H a u s zu den W a h l e n am 18. M ä r z 1979.

Abbildung 54 Plakatwerbung der C D U für die Wahlen am 10. Mai 1981; hier am U-Bahnhof Leopoldplatz, im V o r d e r g r u n d in der Bildmitte der spätere Senator für Bundesangelegenheiten, N o r b e r t Blüm, als Wahlkreiskandidat im Bezirk W e d d i n g .

IV. Berliner Demokratie

in der

Bewährung

177

IV. Demokratie in Berlin in der Bewährung Zäsuren — Ereignisse — Zustände Abbildung P r o t e s t k u n d g e b u n g u n t e r dem T h e m a „Berlin r u f t die W e l t " am 9. S e p t e m b e r 1948 mit 300000 T e i l n e h m e r n vor dem Reichstagsgebäude auf d e m „Platz d e r R e p u b l i k " gegen die V e r t r e i b u n g der Stadtverordnetenversammlung aus dem N e u e n S t a d t h a u s im sowjetischen S e k t o r drei Tage zuvor.

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Abbildung 56 Blick auf die K u n d g e b u n g vor d e m R a t h a u s Schöneberg z u r Aufhebung der zehnmonatigen sowjetischen Blockade gegen West-Berlin am 12. Mai 1949.

178

Bildteil Abbildung 57 Entladen einer T r a n s p o r t m a s c h i n e auf dem britischen Flugplatz G a t o w während der sowjetischen Blockade W e s t Berlins 1 9 4 8 / 4 9

Abbildung 58 Wasserung eines britischen F l u g b o o t e s mit T r a n s p o r t g ü t e r n auf der Havel im Frühherbst 1948.

Abbildung 59 E n t h ü l l u n g des L u f t b r ü c k e n d e n k m a l s auf dem Platz der L u f t b r ü c k e vor dem Flughafen T e m p e l h o f am 10. Juli 1951. Es stellt einen Brückenpfeiler dar mit drei tragenden Rippen als Sinnbild für die W e s t m a c h t e und als Hinweis auf die drei Berliner L u f t k o r r i d o r e . D e r Sockel enthält die N a m e n der 75 tödlich verunglückten Amerikaner, Briten und D e u t s c h e n .

IV. Berliner Demokratie

Abbildung

in der

Bewährung

179

60

W e c h s e l s t u b e zum U m t a u s c h von D M ( O s t ) und D M ( W e s t ) im Bezirk Tiergarten ( S o m m e r 1948).

vou ARE IEAV1NG THE

AMERICAN SECTOS? SIE VERLASSEN DEN AMERIKANISCHEN • SEKTOR Abbildung 61 N i e d e r s c h l a g u n g des A u f s t a n d e s in O s t - B e r l i n DDR

u n d in d e r

am 17. Juni

sowjetische

1953;

Panzer

hier

in

der

Leipziger Straße kurz vor der Sektorengrenze am Potsdamer Platz.

Landesarclnv Berlin)

(Foto:

Abbildung 62 Bewohner

der

West-Berliner

E x k l a v e S t e i n s t ü c k e n auf d e m W e g zu ihrem Wahllokal Bezirk

Zehlendorf

bei

W a h l v o m 7. D e z e m b e r

im der

1958.

180

Bildteil

Abbildung 63 Brandenburger T o r am 8. Mai 1952; hier Ostberliner Delegationen auf dem Weg zum sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten am „Tag der Befreiung".

ACHTUNG! Sie verlossen jetzt

WEST-BERLIN

Abbildung 64 Absperrung v o r d e m Brandenburger T o r am 24. August 1961. Blick auf die Straße U n t e r den Linden, im H i n t e r g r u n d der T u r m des R o t e n Rathauses in Ost-Berlin.

IV.

Berliner

Abbildung 65 und 66 Protestdemonstrationen der Berliner vor dem Schöneberger Rathaus gegen die Abriegelung des Sowjetsektors durch die Sperrmauer am 16. August 1961 mit Ansprache des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt.

Demokratie

in der

Bewährung

181

182

Bildteil

Abbildung 67 Die Mauer mit Stacheldrahtbewehrung, Todesstreifen und Panzerhindernissen — Wochen nach Beginn der Absperrmaßnahmen am 13. August 1961; hier nördlich des Potsdamer Platzes mit Blick über die ehemaligen Mmistergärten hinweg auf die Ostseite der Wilhelmstraße.

Abbildung 68 Protestmarsch Berliner Jugendlicher gegen den Mauerbau im August 1961; hier in der T a u entzienstraße.

IV. Berliner Demokratie

Abbildung,

in der

Bewährung

183

69

L a u t s p r e c h e r w a g e n des Berliner S e n a t s m i t N a c h r i c h t e n - S e n d u n g e n ü b e r die M a u e r h i n w e g (Juli 1962); hier in d e r S t r e s e m a n n s t r a ß e / E c k e D e s s a u e r S t r a ß e .

Abbildung

70

P r o t e s t B e r l i n e r B ü r g e r gegen die M a u e r m i t einer F a s t e n a k t i o n , am 12. A u g u s t 1963; im H i n t e r g r u n d d e r T u r m des R o t e n R a t h a u s e s (links) u n d d e s S t a d t h a u s e s a m M o l k e n m a r k t , h e u t e A m t s s i t z des D D R - M i n i s t e r r a t e s .

184

Bildteil

Abbildung 71 S t u d e n t e n d i s k u s s i o n e n im Auditorium Maximum d e r Freien Universität zu den T h e m e r V i e t n a m , Griechenland und D D R am 19. D e z e m b e r 1967; der Regierende Bürgermeistei Klaus Schütz ( S P D ) am T i s c h , d r i t t e r von links, am R e d n e r p u l t R u d i Dutschke.

Abbildung 72 R u d i Duticbke, V o r s i t z e n d e r des Sozialistischen D e u t s c h e n S t u d e n t e n b u n d e s , spricht auf einer S o l i d a r i t ä t s k u n d g e b u n g v o r S t u d e n t e n f ü r ihren in U n t e r s u c h u n g s h a f t s i t z e n d e n K o m m i l i t o n e n F r i t z Teufel in der N e u - W e s t e n d - K i r c h e am 21. J u n i 1967.

IV. Berliner Demokratie

in der

Bewährung

185

Abbildung 73 „ I n s t a n d b e s e t z t e s " H a u s in dei J a g o w s t r a ß e im Bezirk Tiergarten (4. M ä r z 1981).

Abbildung 74 R ä u m u n g eines b e s e t z t e n H a u : ses in der K n o b e l s d o r f f s t r a ß e im ¡Bezirk C h a r l o t t e n b u r g (22. Sept e m b e r 1981).

Bildteil

Abbildung 75 H a u s b e s e t z e r d e m o n s t r i e r e n im Bezirk Schöneberg am 18. Mai 1982,

Abbildung 76 Ein „ i n s t a n d b e s e t z t e s " H a u s im Bezirk W e d d i n g im Mai 1981.

IV. Berliner Demokratie in der Bewährung

187

188

Bildteil

V. Kulturstadt

Berlin

V. Kulturstadt Abbildung

Berlin

189

79

Erste Internationale Filmfestspiele Berlin vom 6. bis 18. J u n i 1951 im T i t a n i a - P a l a s t : rechts der I n i t i a t o r und jahrelange Leiter der „Berlinale", Alfred

Abbildung

Bauer.

80

Amerika-Gedenkbibliothek/Berliner Z e n t r a l b i b l i o t h e k am Blücherplatz im Bezirk Kreuzberg kurz nach ihrer Einweihung am 17. S e p t e m b e r 1954.

190

Bildteil

Abbildung

81

Ü b e r r e i c h u n g der „ J u d e n b ü r g e r b ü c h e r der Stadt Berlin" d u r c h den R e g i e r e n d e n Bürgermeis t e r W i l l y Brandt

( S P D ) a n d i e J ü d i s c h e G e m e i n d e z u Berlin a m 18. M ä r z 1962. V . l . n . r . : d e r

H e r a u s g e b e r J a c o b Jacobson; Brandt;

H a n s Her/feld,

H e i n z Galinski,

V o r s i t z e n d e r der Jüdischen Gemeinde; Willy

V o r s i t z e n d e r d e r H i s t o r i s c h e n K o m m i s s i o n z u Berlin, bei d e r d i e s e s

W e r k e r s c h i e n e n ist.

Abbildung

82

V e r a b s c h i e d u n g d e s l a n g j ä h r i g e n V o l k s b i l d u n g s s e n a t o r s J o a c h i m Tiburtius A k a d e m i e d e r K ü n s t e a m 1. A p r i l 1963. V . l . n . r . : G u s t a v R u d o l f Seltner, Deutschen

O p e r ; Boleslaw Barlog,

W o l f g a n g Stresemann,

( C D U ) in d e r

Generalintendant der

Generalintendant der Staatlichen

I n t e n d a n t der Berliner Philharmoniker; J o a c h i m

Schauspielbühnen; Tiburtius.

V. Kulturstadt

Abbildung

Berlin

191

84

Die n e u e P h i l h a r m o n i e a m K e m p e r p l a t z ( e r b a u t 1959 bis 1963; A r c h i t e k t : H a n s

Scharoun).

192

Abbildung

Bildteil

85

S c h i l l e r - T h e a t e r an der Bismarckstraße (nach der Z e r s t ö r i m g im Krieg wiederaufgebaut und e r ö f f n e t am 5. S e p t e m b e r 1951).

Abbildung 86 S c h a u b ü h n e am L e h n i n e r Platz ( A u f n a h m e im Mai 1982 nach d e m U m b a u f ü r Bühnenzwecke im Inneren des von Erich Mendelsohn 1928 bis 1931 e r r i c h t e t e n Kino-Komplexes).

V. Kulturstadt

Abbildung

193

Berlin

87

D e r n e u e M u s e u m s k o m p l e x d e r S t i f t u n g P r e u ß i s c h e r K u l t u r b e s i t z im B e z i r k Z e h l e n d o r f in d e r L a n s s t r a ß e ( e r ö f f n e t 1970; A r c h i t e k t e n W i l s Eberl u n d F r i t z

Abbildung

Bornemann).

88

S t a a t s b i b l i o t h e k P r e u ß i s c h e r K u l t u r b e s i t z im „ K u l t u r f o r u m " n ö r d l i c h d e r P o t s d a m e r B r ü c k e ( e r b a u t 1968 b i s 1978; A r c h i t e k t : H a n s

Scharoun).

194

Bildteil

VI. Von der zerstörten Stadt zur neuen Berliner Stadtlandschaft

Abbildung 89 Das Brandenburger T o r in den ersten Maitagen 1945.

Abbildung 90 L u f t a u f n a h m e des südlichen Tiergartenvierteis mit Landwehrkanal und P o t s d a m e r Brücke im S o m m e r 1945. Links am o b e r e n Bildrand die M a t t h ä i k i r c h e , in der Bildmitte das H a u s des F r e m d e n v e r k e h r s , erstes G e b ä u d e am s o g e n a n n t e n R u n d e n Platz als Teil der von Hitler/ Speer geplanten m o n u m e n t a l e n N o r d - S ü d - A c h s e .

VI, Neuaufbau

der Berliner

Stadtlandschaft

195

Bildteil

196

Abbildung 93 Wiederaufbau des HansaViertels am nördlichen Tiergartenrand mit völlig neuer Grundstücksstruktur (Aufnahme vom 2. März 1957, wenige Monate vor der Internationalen Bauausstellung 1957).

Iii

Abbildung 94 Flughafen Berlin-Tegel (erbaut 1969 bis 1974; Architekten: Meinhard von Gerkan, Volkwin Mark und Klaus Nickels; Einweihung im O k t o b e r 1974 durch Bundespräsident Walter Scherl).

VI. Neuaufbau

der Berliner Stadtlandschaft

197

Abbildung 95 K o n g r e ß h a l l e ¡11 d e r J o h n - F o s t e r - D u l l e s - A l l e e ( f r ü h e r S t r a ß e „ I n d e n Z e l t e n " ) a m n ö r d l i c h e n T i e r g a r t e n r a n d ( e r b a u t 1955 bis 1958; A r c h i t e k t : H u g h Stubbins;

E i n w e i h u n g a m 26. April

1958).

Abbildung 96 H u r o p a - C e n t e r z w i s c h e n Budapester und Tauentzienstraße ( e r b a u t 1962 bis 1965; A r c h i t e k t e n : H e l m u t Hentricb Hubert

Petschnigg,•

und

Einwei-

h u n g a m 1. April 1965).

Abbildung

97

E u r o p a - C e n t e r m i t T u r m r u i n e u n d N e u b a u d e r KaiserW i l h e l m - G e d ä c h t n i s k i r c h e ( A u f n a h m e a m 2. April 1965).

198

Bildteil

Abbildung 98 L u f t a u f n a h m e der Wohnsiedlung „Märkisches Viertel" im Bezirk Reinickendorf (erbaut 1964 bis 1972).

Abbildung 99 Alte Fabrikanlagen der A E G an der H u t t e n s t r a ß e im Bezirk Wedding (Aufnahme vom Juni 1978); am oberen Bildrand der Fernsehturm am Alexanderplatz in Ost-Berlin.

VI. Neuaußau

Abbildung

der Berliner

Stadtlandschaft

199

100

G e g e n s a t z v o n V e r k e h r s p l a n u n g u n d G r ü n f l ä e h e n e r h a l t u n g : das Beispiel des B r e i t e n b a c h p l a t z e s im A u g u s t 1977.

Abbildung

101

Das n e u e r b a u t e K r e u z b e r g e r Z e n t r u m im Mai 1979

200

Bildteil Abbildung 102

Abbildung 103 Internationales Congress-Centrum (ICC) (erbaut 1975 bis 1979; Architekten: Ralf Schüler und Ursula Schüler-Witte)-, links vom I C C der Funkturm von 1926, das SFB-Fern seh Zentrum am Theodor-Heuss-Platz und das Messegelände; links im Vordergrund die Bundesautobahn Stadtring.

VI. Neuaufbau

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328

Felix Escher: Einführung

Im Gegensatz zu den Vorkriegsstatistiken sind leitende Angestellte und Beamte nicht mehr als Selbständige geführt worden. Die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in Berlin (West) im Jahr 1952 brachte es mit sich, daß in den Zählungen 1961 und 1970 Beamte wieder in einer gesonderten Rubrik geführt wurden, die hier aber aus Gründen der Vergleichbarkeit auch für diese Zählungen mit der Rubrik Angestellte verbunden bleibt. Die Zuordnung zu den Selbständigen oder Arbeitern kann bei Erwerbspersonen besonders des Konfektionsgewerbes problematisch werden. So wurden 1946 Zwischenmeister und Hausgewerbetreibende der Bekleidungsindustrie zu den Arbeitern, 1950 wohl zum größten Teil zu den Selbständigen19 gezählt. Heimarbeiter finden sich stets in der Rubrik Arbeiter. Auf eine gesonderte Zählung der nebenberuflich Tätigen, wie es in der Vorkriegszeit üblich war, wurde ab 1946 verzichtet. 2 0 Eine gleiche Einteilung findet sich in den Tabellen der „Erwerbstätigen", das heißt der in einem Arbeitsverhältnis stehenden „Erwerbspersonen". Für 1970, als der Arbeitslosenanteil weit unter 1 % gesunken war, wurden ausschließlich die „Erwerbstätigen" gezählt. 4. Erwerbstätigkeit



Wirtschaftszweige

Eine andere Erhebungsgrundlage als die Kolumnen Erwerbstätigkeit — Wirtschaftszweige in den Tabellen zur Sozialstatistik (im Anhang) haben die der Berufsgruppen. Bis einschließlich 1961 umfassen die ersteren die Gesamtzahl der Erwerbspersonen, mithin die Erwerbstätigen und die Arbeitslosen. N u r für 1970 — als das Arbeitslosenproblem gelöst schien — fallen Erwerbspersonen und Erwerbstätige zusammen. Maßgebend für die Einordnung ist die Rubrizierung nach Geschäftszweigen in der Arbeitsstätte (bei Arbeitslosen die letzte Arbeitsstätte vor der Arbeitslosigkeit) der Beschäftigten. Die Vielzahl der Berufe — gemäß der Wirtschaftssystematik des Statistischen Bundesamtes waren von 441 in der Systematik unter-

der Arbeitsstättenzählung eine um 21 000 Personen höhere Beschäftigtenzahl feststellen (siehe Ergebnisse der Volks- und Berufszählung in West-Berlin am 13. September 1950..., a. a. O. [wie Anm. 17], S. 254). " Siehe Ergebnisse der Volks- und Berufszählung in West-Berlin am 13. September 1950... a.a. O., S. 108 f. 30 Siehe Die Ergebnisse der Berufszählung vom 29. Oktober 1946 ..., a.a.O. (wie Anm. 17), S. 3.

Wahl- und Sozialstatistik

für Berlin (West) 1945—1985

329

schiedenen Berufen 427 in Berlin vertreten — wird hier in fünf Abteilungen unterschieden. In der Zählung von 1946 sind die „Häuslichen Dienste" als eigene Wirtschaftsabteilung geführt, danach nur noch als Teil der Wirtschaftsabteilung „Dienstleistungen". Den Tabellen im Anhang liegt folgende Gruppeneinteilung zugrunde: 1. 2. 3. 4. 5.

Landwirtschaft; Gewerbe; Handel und Verkehr; Dienstleistungen; Sonstige.

Die Abteilungen 3 und 4 sind außerdem zu einer Summe zusammengezogen, die den tertiären Sektor ( H / V u. D) bezeichnet. Abteilung 1, Landwirtschaft, umfaßt die gesamte, mit Pflanzenbau und Tierwirtschaft zusammenhängende Produktion, also auch Fischerei, Gärtnerei und Forstwirtschaft. U n t e r Abteilung 2, Gewerbe, sind sämtliche Produktionsbereiche industrieller und handwerklicher Art, auch des Baubereiches, und technische Berufe zusammengefaßt. Unterschiedliche Zuordnungen gibt es im Bereich Handel und Verkehr: Während f ü r die Zählungen 1946 und 1950 zu den kaufmännischen und den mit Verkehr und Nachrichtenübermittlung zusammenhängenden Berufen auch das Gaststättenwesen gezählt wurde, fiel 1961 und 1970 dieser Bereich unter die Dienstleistungen. Z u m Bereich Dienstleistungen zählten darüber hinaus sämtliche öffentlichen und privaten Dienstleistungen, Wissenschaft, Bildung, Organisationen ohne Erwerbscharakter, Gesundheitswesen, Gebietskörperschaften und Sozialversicherungen. 2 ' Berufstätige ohne bestimmten Beruf oder Angabe, Schulentlassene, Arbeitslose und mithelfende Familienangehörige außerhalb von Landund Forstwirtschaft werden in der Zählung von 1950 unter Sonstige geführt. In den anderen Zählungen wird dieser Personenkreis wieder unter der allgemeinen Rubrik Dienstleistungen eingestuft. Folgende Einteilung findet sich in der statistischen Auswertung von 1950: (Siehe Tabelle III auf den folgenden Seiten)

Siehe Ergebnisse der Volks- und Berufszählung in West-Berlin am Ii. September 19)0..., a.a.O. (wie Anm. 17), S. 118 ff., und Ergebnisse der Volks- und Berufszählung in Berlin (West) am 6. Juni ¡961 .... a. a. O. (wie Anm. 3), S. 11.

Felix Escher:

Einführung

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332

Felix Escher:

Einführung

N o c h herrschten im gesamten R a u m von Berlin (West) die gewerblichen Berufe, vor allem der Baubranche und der Metallverarbeitung, vor, gefolgt von den Textilbereichen, f ü r Berlin vor allem vertreten durch das Bekleidungsgewerbe. Diese, noch aus der Vorkriegszeit stammende gewerbliche Struktur sollte in den folgenden Jahrzehnten völlig verändert werden. Die Tabellen zeigen große Unterschiede sowohl in den Anteilen der Berufsgruppen wie auch in den Zuordnungen der Wirtschaftszweige: So lag der Arbeiteranteil in den Bezirken Tiergarten, Wedding und Kreuzberg in allen Zählungen über 50 %, während er in Steglitz 32—46 %, in Wilmersdorf 28—40 % und in Zehlendorf nur 25—29 % betrug. Auf der anderen Seite ist in den südwestlichen Bezirken Zehlendorf (mit 13—16 %), Steglitz (8—16 %) und Wilmersdorf (11—19 %) sowohl der Anteil der Selbständigen wie auch der Angestellten überproportional hoch. In den Bezirken mit hohem Arbeiteranteil ist auch der Anteil der gewerblich Tätigen hoch. So ist t r o t z des Zweiten Weltkrieges und seiner Folgen, insbesondere t r o t z der hohen Bevölkerungsverluste, die soziale Gliederung im Westteil Berlins wenig verändert worden. 2 2 Dies trifft auch f ü r den Bezirk Tiergarten zu, dessen Bevölkerungszahl mehr als halbiert wurde. Der hohe Arbeiteranteil in den Innenbezirken Kreuzberg, Wedding und Tiergarten blieb bis 1970 nahezu konstant beziehungsweise erhöhte sich im Fall Kreuzberg noch. Eine gewisse Konstanz des Arbeiteranteils ist auch in Schöneberg festzustellen. Eine andere Entwicklung als diese Innenstadtbezirke mit durchweg sinkender Bevölkerungszahl nahmen die „wachsenden" Außenbezirke Tempelhof, Reinickendorf, Neukölln und Spandau. Auch diese Bezirke besaßen 1946 einen hohen Arbeiteranteil, der aber — wohl durch Zuzug neuer Bevölkerungsgruppen — zurückging. Den prozentualen Arbeiteranteil zeigt die folgende Tabelle auf S. 333. In allen Bezirken fand eine Verminderung der Zahl der Selbständigen statt, die mit der Zunahme der Gruppe der Angestellten (und Beamten) korrespondierte. Die Bezirke des Südwestens (Zehlendorf, Wilmersdorf und Steglitz) haben auch in dieser Gruppe hohe Anteile. Die Zahl der Erwerbstätigen hat — wie auch die Bevölkerungszahl allgemein — in der Zählung vom Jahr 1961 ihren höchsten Stand. (Siehe Tabelle IV auf der folgenden Seite) 22 Zu den Bevölkerungsverlusten bis 1950 siehe Ergebnisse der Volks- und Berufszählung in West-Berlin am 13. September 1950 ..., a. a. O. (wie A n m . 17), S. 34 f.; zur S t a d t s t r u k t u r vgl. auch B. H o f m e i s t e r , Berlin ... (wie Anm. 5), S. 265 ff.

Wahl- und Sozialstatistik

für Berlin (West)

333

1945—1985

TABELLE I V

Der Arbeiteranteil an den in ausgewählten Bezirken

Spandau Tempelhof Neukölln Reinickendorf

Erwerbspersonen West-Berlins*

1946

1970

60,7 % 51,6% 60,3 % 55,6 %

47,1 % 39,3 % 51,6% 44,6 %

* Quelle: Siehe die Bezirks-Sozialstatistiken im ANHANG.

Der Rückgang betrifft vor allem den gewerblichen Bereich und hat sich seit 1970 noch verstärkt. 2 3 Für die soziale Gliederung der Bezirke kann folgende Gruppeneinteilung vorgenommen werden: 24 a) „Arbeiterbezirke" (hoher Anteil von Arbeitern, Dominanz des produzierenden Gewerbes): Kreuzberg, Wedding, Tiergarten (mit Einschränkungen: Spandau, Neukölln); b) „bürgerliche" Bezirke: (hoher Selbständigen- und Angestelltenanteil, niedriger Anteil produzierenden Gewerbes): Zehlendorf, Wilmersdorf, Steglitz; c) „ausgeglichene" Bezirke: Charlottenburg, Schöneberg, Reinickendorf. 5.

Arbeitslose

Anders als in den Statistiken der Arbeitsämter, f ü r die die Zahlen der Leistungsempfänger verbindlich sind, werden f ü r die Statistiken der Volkszählung die arbeitsfähigen Personen, die zur Zeit der Erhebung ohne Beschäftigung waren und sich entsprechend in die Listen eingetragen hatten, 2 5 als „arbeitslos" gezählt. Gegenüber früheren Berufs21

Vgl. dazu Gertraud Nenning, Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Berlin (West) 1970—1982. Ergebnis der Revision der Volkswirtschaftlichen Cesamtrecbnungen, in: Berliner Statistik, H e f t 5 (1984), S. 122—133. 24 Vgl. die Einteilung bei Richard F. H a m i l t o n , Wbo Voted for Hitler?, Princeton 1982, S. 64 ff. für die Zeit der Weimarer Republik. 25 Siehe Die Ergebnisse der Berufszählung vom 29. Oktober 1946 ..., a.a.O. (wie Anm. 17), S. 4.

334

Felix Escher:

Einführung

Z ä h l u n g e n ( 1 9 3 9 ) s c h l o ß m a n 1 9 4 6 a u c h frühere S e l b s t ä n d i g e in diese R u b r i k m i t ein. In die T a b e l l e n zur S o z i a l s t a t i s t i k (im A n h a n g ) sind die P r o z e n t z a h l e n der A r b e i t s l o s e n , gemessen an den E r w e r b s p e r s o n e n , eingetragen. D i e A r b e i t s l o s e n q u o t e ( % der abhängig B e s c h ä f t i g t e n ) und auch die a b s o l u t e Z a h l d e r a r b e i t s l o s g e m e l d e t e n P e r s o n e n sind in den B e r i c h t e n der A r b e i t s ä m t e r stets h ö h e r als in den V o l k s - und B e r u f s z ä h l u n g e n . D i e s zeigt auch die folgende T a b e l l e : (Siehe T a b e l l e V auf der folgenden S e i t e ) In den f ü n f z i g e r J a h r e n lag die Berliner A r b e i t s l o s e n q u o t e erheblich ü b e r d e m B u n d e s d u r c h s c h n i t t . In der Berufszählung 1 9 5 0 waren von den E r w e r b s p e r s o n e n insgesamt 2 2 , 6 % b e s c h ä f t i g u n g s l o s , dagegen n u r 6 , 6 % im B u n d e s g e b i e t . 2 6 S o w o h l die a b s o l u t e wie auch die relative Z a h l der B e s c h ä f t i g u n g s l o s e n lag 1 9 5 0 h ö h e r als 1 9 4 6 (siehe T a b e l l e n im A n h a n g ) , d o c h sah man diesen T a t b e s t a n d auch als ein Z e i c h e n der N o r m a l i s i e r u n g , n i c h t n u r als K r i s e n z e i c h e n an. D i e A b n a h m e der B e s c h ä f t i g t e n ging ganz zu L a s t e n des weiblichen A n t e i l s . E s standen 1950

55 0 0 0 Frauen weniger in d e r B e r u f s a r b e i t , während die Z a h l der

b e r u f s t ä t i g e n M ä n n e r u m 35 0 0 0 z u g e n o m m e n h a t t e . 2 7 K r i e g s h e i m k e h rende M ä n n e r h a t t e n wieder die Beschäftigung a u f g e n o m m e n und die d o r t a r b e i t e n d e n F r a u e n z u r ü c k g e d r ä n g t . S o lag auch die Q u o t e der weiblichen A r b e i t s l o s e n m i t 2 9 , 3 % erheblich h ö h e r als die der M ä n n e r (17,8 % ) . U r s a c h e für die A b n a h m e war der R ü c k g a n g des 1946 als F o l g e des Krieges h ö h e r e n Bedarfes an H e i l - und Pflegepersonal wie auch der infolge sozialer U m s c h i c h t u n g nachlassende A n t e i l an H a u s p e r s o n a l . E b e n f a l l s auf s t r u k t u r e l l e G r ü n d e , den F o r t f a l l der H a u p t s t a d t f u n k t i o n e n , ist der h o h e A n t e i l der A r b e i t s l o s e n im G e i s t e s - und K u n s t l e ben ( 1 9 5 0 : 2 3 , 1 % der E r w e r b s p e r s o n e n ) und im V e r w a l t u n g s - und R e c h t s w e s e n ( 1 9 5 0 : 2 1 , 2 % ) z u r ü c k z u f ü h r e n . S t r u k t u r e l l e G r ü n d e und die durch die B l o c k a d e und ihre F o l g e n h e r v o r g e r u f e n e V e r z ö g e r u n g des w i r t s c h a f t l i c h e n A u f s c h w u n g e s in der S t a d t waren für die außeror-

2,1

Siehe Ergebnisse

1950...,

der Volks- und Berufszählung

in West-Berlin

am 13.

September

a. a. O. (wie A n m . 17), S. 148 f.; die v o m Landesarbeitsamt für 1950 festge-

stellte Arbeitslosenquote (in % der unselbständig Beschäftigten) betrug sogar 3 1 , 2 % (siehe unten S. 335). 27

Siehe die T a b e l l e Die Erwerbspersonen

West-Berlin September

und Erwerbslosen

nach Berufsabteilungen

1950, in: Ergebnisse der Volks- und Berufszählungen 1950 ...,a.

a. O. (wie A n m . 17), S. 122.

in West-Berlin

in

am 13.

Jahr

Abhänigige Beschiiftigte insgesamt Männer Frauen

Männer insgesamt absolut JI

in % von Sp. 4

Arb•eitslose Fr;auen Meß zi ffer (1950 =• 100) in % absolut j1 insgesamt Männer Frauen von Sp. 4

Arbeitslosenquote1

Kurz arbeiter absolut Meßziffer (1953 = 100)

Wahl- und Sozialstatistik

für Berlin (West)

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II. Sozial- und Wahlstatistik der West-Berliner

Bezirke

361

TABELLE 2 b

Sozialstatistik

des Bezirks Wedding von Berlin 1946, 1950, 1961 und 1970*

BEVÖLKERUNG Volkszählung

RELIGIONSZUGEHÖRIGKEIT (in %)

insgesamt

männlich

weiblich

Jahr

234.854 243.271 220.883 180.978 135.792

96.385 104.595 93.958 78.759 62.913

138.469 138.676 126.925 102.219 72.879

1946 1950 1961 1970

1946 1950 1961 1970 1980**

(West)

evangelisch katholisch 69,7 70,4 71,2 67,5

9.1 9,1 9,3 10,6

jüdisch

sonstige

0,2 0,2 0,2 0,2

21,1 20,2 19,3 21,7

ERWERBSPERSONEN 1. nach

Berufsgruppen

Erwerbspersonen absolut

116.690 114.781 107.362 81.044

2. nach Jahr

Arbeiter Angestellte und Selbständige Mithelfende Sonstige Beamte in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der ErwerbsWohnErwerbsErwerbsErwerbsErwerbspersonen bevölpersonen personen personen personen kerung 49,7 47,2 48,3 44,8

73.811 72.374 66.520 49.488

63,3 63,1 62,0 61,1

29.432 31.431 31.311 26.465

25,2 27,4 29,2 32,7

10.887 9.103 6.688 3.999

9,3 7,9 6,2

4,9

2.560 1.873 2.280 1.092

2,2 1,6 2,1

563

0,5

1,3

Wirtschaftszweigen

Landwirtschaft

Dienstleistungen Handel und H/V + D Sonstige Verkehr insgesamt absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der ErwerbsErwerbsErwerbsErwerbsErwerbsErwerbspersonen personen personen personen personen personen 1.114 1.998 385 265

1,0 1,7 0,4 0,3

Gewerbe

64.033 59.042 61.478 43.656

54,9 51,4 57,3 53,9

29.197 26.215 20.429 16.223

25,0

22,8

19,0 21,5

22.346 24.880 25.070 20.900

19,1 21,7 23,4 24,3

51.543 51.095 45.499 37.123

44,1 44,5 42,4 45,8

2646

2,3

ARBEITSLOSE Jahr in % der Erwerbspersonen insgesamt männlich weiblich

1946

1950

1961

11,9 13.938 5.225 8.713

23,1 26.494 12.120 14.374

1,6 1726 1021 705

* Quellenangaben: Siehe oben EINFÜHRUNG, S. 1. * * Fortschreibungen. * * * Im Jahr 1970 bestand lediglich eine Arbeitslosenquote von 0,5%, so daß statistisch die Zahlen für .Erwerbstätige' und .Erwerbspersonen' nicht getrennt aufgelistet wurden.

3. Bezirk Kreuzberg

Berliner Wahl- und Sozialstatistik

364

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II. Sozial- und Wahlstatistik der West-Berliner

Bezirke

365

TABELLE 3 b

Sozialstatistik

des Bezirks Kreuzberg von Berlin 1946, 1950, 1961 und 1970*

BEVÖLKERUNG Volkszählung

RELIGIONSZUGEHÖRIGKEIT (in %)

insgesamt 204.867 211.154 191.898 158.445 130.109

1946 1950 1961 1970 1980**

(West)

männlich | weiblich

Jahr

123.254 122.367 111.350 88.130 66.731

1946 1950 1961 1970

81.613 88.787 80.548 70.315 63.377

evangelisch katholisch 71,1 71,9 72,3 66,8

jüdisch

sonstige

0,2 0,1 0,1 0,1

16,6 15,6 15,8 20,4

12,1 12,5 11,9 12,8

ERWERBSPERSONEN 1. nach

Jahr

Berufsgruppen

Erwerbs personen absolut

1946 1950 1961 1970***

2. nach

Jahr

109.754 104.674 97.094 75.514

Angestellte und Selbständige Mithelfende Sonstige Beamte in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der ErwerbsWohnErwerbsErwerbsErwerbsErwerbspersonen bevölpersonen personen personen personen kerung 53.7 49.6 49.8 47.7

Arbeiter

67.674 65.269 62.046 48.299

61,7 62,4 63,9 64,0

26.257 27.981 25.191 22.034

23,9 26,7 26,0 29,2

12.808 9.652 6.916 4.089

11,7 9,2 7,2 5,4

3.015 1.772 2.272 1.092

2,7 1,7 2,3 1,4

— 669 —

— 0,7 —

Wirtschaftszweigen Dienstleistungen Handel und H/V + D Sonstige Verkehr insgesamt absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der ErwerbsErwerbsErwerbsErwerbsErwerbsErwerbspersonen personen personen personen personen personen Landwirtschaft

984 957 497 307

0,9 2,1 0,4 0,4

Gewerbe

56.633 52.934 54.552 42.034

51,5 50,5 56,2 55,7

29.445 24.774 19.492 14.798

26,8 23,7 20,1 19,7

22.692 23.488 22.553 18.375

20,7 22,5 23,2 24,4

52.137 48.262 42.045 33.173

47,5 46,2 43,3 44,1

2 521

2,4

ARBEITSLOSE Jahr in % der Erwerbspersonen insgesamt männlich weiblich

1946

1950

12,4 13.633 4.559 9.074

28,1 29.384 12.828 16.556

|

1961 2,3 2230 1240 990

* Quellenangaben: Siehe oben EINFÜHRUNG, S. 1. * * Fortschreibungen. * * * Im Jahr 1970 bestand lediglich eine Arbeitslosenquote von 0,5%, so daß statistisch die Zahlen für .Erwerbstätige' und .Erwerbspersonen' nicht getrennt aufgelistet wurden.

4. Bezirk Charlottenburg

Berliner Wahl- und Sozialstatistik

368

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(West)

RELIGIONSZUGEHÖRIGKEIT (in %)

insgesamt

männlich

weiblich

Jahr

evangelisch

katholisch

jüdisch

sonstige

208.453 220.326 224.538 201.732 153.602

82.118 91.165 92.769 85.966 68.368

126.335 129.161 131.769 115.766 87.234

1946 1950 1961 1970

72,8 74,1 73,6 69,8

13,4 13,2 13,2 14,3

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13,3 12,1 12,6 15,4

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Berufsgruppen

Erwerbspersonen absolut

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114584 107.764 111,060 93.864

Arbeiter Selbständige Mithelfende Sonstige Angestellte und Beamte in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der WohnErwerbsErwerbsErwerbsErwerbsErwerbspersonen personen bevölpersonen personen personen kerung 55,0 48,9 49,2 46,5

54.476 51.318 48.322 36.570

47,5 47,6 43,5 39,0

40.260 40.782 46.797 46.324

35,1 37,8 42,1 49,5

17.346 13.771 12.097 9.056

15,1 12,8 10,9 9,7

2.502 1.893 3.215 1.914

2,2 1,8 2,9 2,0

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0,6

Wirtschaftszweigen

H/V + D Handel und Dienstleistungen Sonstige Verkehr insgesamt absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der ErwerbsErwerbsErwerbsErwerbsErwerbsErwerbspersonen personen personen personen personen personen Landwirtschaft

1.102 2.138 385 238

1,0 2,0 0,3 0,3

Gewerbe

46.470 40.306 45.601 35.230

40,6 37,4 41,0 37,6

30.310 26.075 22.954 19.934

26,5 24,2 20,7 21,2

36.702 37.418 42.120 38.462

32.0 34,7 37,9 41.1

67.012 63.493 65.074 58.396

58.5 58,9 58.6 62,3

1.827

1,7

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1946

1950

1961

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7,8 8.975 3.229 5.746

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1,6 1.785 912 873

* Quellenangaben: Siehe oben Einführung, S. 1. * * Fortschreibungen. * * * Im Jahr 1970 bestand lediglich eine Arbeitslosenquote von 0,5%, so daß statistisch die Zahlen für .Erwerbstätige' und ,Erwerbspersonen' nicht getrennt aufgelistet wurden.

5. Bezirk Spandau

Berliner Wahl- und Sozialstatistik

372

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il. Sozial- und Wahlstatistik der West-Berliner

Bezirke

Sil

TABELLE 6 b

Sozialstatistik

des Bezirks Wilmersdorf von Berlin 1946, 1950, 1961 und 1970*

RELIGIONSZUGEHÖRIGKEIT (in 1

BEVÖLKERUNG Volkszählung 1946 1950 1961 1970 1980**

(West)

insgesamt

männlich

weiblich

Jahr

126.615 141.665 161.964 154.397 131.719

48.652 57.631 65.315 63.775 55.769

77.963 84.034 96.649 90.622 75.950

1946 1950 1961 1970

evangelisch katholisch 74,1 74,2 72,8 69,4

jüdisch

sonstige

0,7 0,7 1,0 1,0

11,8 11,9 12,9 15,1

13,4 13,2 13,3 14,4

ERWERBSPERSONEN 1. nach

Jahr

Berufsgruppen

Erwerbs aersonen absolut

1946 1950 1961 1970***

2. nach Jahr

1946 1950 1961 1970***

73.088 70 150 80 673 73.118

Angest sllte und Selbst andige Mithe fende Son stige Be< mte in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der WohnErwerbsErwerbsErwerbsErwerbsErwerbsbevölpersonen personen personen personen personen kerung 57,8 49,5 49,5 47,4

Arb eiter

29.029 27.029 25.322 20.950

39,7 38,5 31,4 28,7

29.127 31.126 41.072 42.009

39,8 44,4 50,9 57,4

13.248 10.665 11.045 8.688

18,1 15,2 13,7 11,9

1.684 1.330 2,581 1.561

2,3 1,9 3,2 1,8

— — 653 —

— — 0.8 —

Wirtschaftszweigen Landwirtschaft

Dienstleistungen H/V + D Sonstige Handel und insgesamt Verkehr absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der absolut in % der ErwerbsErwerbsErwerbsErwerbsErwerbsErwerbspersonen personen personen personen personen personen 761 858 246 327

1,0 2,1 0,3 0,4

Gewerbe

26.538 22.140 26.819 22.229

36,3 31,3 33,3 30,4

19.331 18.447 17.245 15.729

26,4 26.3 21,4 21,5

26.458 27.517 36.363 34.833

36,2 39,2 45,1 47,9

45.789 45.964 53.608 50.562

62,7 65,5 66,5 69,4

_

1.188



1,7









ARBEITSLOSE Jahr

1946

1950

1961

in % der Erwerbspersonen insgesamt männlich weiblich

7,1 5.188 2.163 3.025

20,7 14.521 8.247 6.274

1,4 1.147 664 483

Quellenangaben: Siehe oben EINFÜHRUNG, S. 1. * * Fortschreibungen. Im Jahr 1970 bestand lediglich eine Arbeitslosenquote von 0,5%, so daß statistisch die Zahlen für .Erwerbstätige' und .Erwerbspersonen' nicht getrennt aufgelistet wurden.

7. Bezirk Zehlendorf

Berliner Wahl-

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und Soziahtatiatik

1946—1985



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II. Sozial- und Wahhtatistik

der West-Berliner

Bezirke

385

TABELLE 8 b

Sozialstatistik

des Bezirks Schöneberg von Berlin 1946, 1950, 1961 und 1970*

EVÖLKERUNG Olkszählung 946 950 961 970 380**

(West)

R E L I G I O N S Z U G E H Ö R I G K E I T (in %)

insgesamt

männlich

weiblich

Jahr

evangelisch

katholisch

jüdisch

sonstige

173.409 189.260 193.790 169.834 142.128

66.905 77.333 79.124 72.290 65.727

106.504 111.927 114.666 97.544 76.401

1946 1950 1961 1970

73,9 75,2 74,6 70,0

12,5 12,6 12,5 13,9

0,4 0,3 0,2 0,4

13,1 11,8 12,7 15,7

RWERBSPERSONEN . nach

Berufsgruppen

ahr

Erwerbspersonen

. nach

ahr

absolut

in % der Wohnbevölkerung

95.291 92.143 96.501 80.239

54,9 48,7 49,4 47,2

Mithelfende Angestellte und Selbständige Sonstige Beamte a b s o l u t in % der a b s o l u t in % der a b s o l u t in % der a b s o l u t in % d e r a b s o l u t in % d e r ErwerbsE rwe rb sErwerbsErwerbsErwerbspersonen personen personen personen personen Arbeiter

46.005 43.264 43.359 35.641

48,2 46,9 44,9 44,4

31.786 35.465 39.935 36.803

33,5 38,5 41,4 45,9

14.757 11.593 9.627 6.364

15.5 12.6 10,0 7,9

2.743 1.821 2.677 1.431

2,8 2,0

2,8

903

0,9

1,8

Wirtschaftszweigen

H/V + D Handel und Dienstleistungen Sonstige Verkehr insgesamt a b s o l u t in % der a b s o l u t in % der a b s o l u t in % der a b s o l u t in % der a b s o l u t in % der a b s o l u t in % d e r ErwerbsErwerbsErwerbsErwerbsErwerbsErwerbspersonen personen personen personen personen personen Landwirtschaft

900 1.306 312 282

0,9 1,4 0,3 0.3

Gewerbe

39.343 34.808 39.503 31.709

41,3 37.8 40.9 39,5

26.072 24.936 21.803 18.197

27,3 27,0 22,6 22,7

28.976 29.517 34.883 30.051

30,4 32,0 36,2 37,4

55.048 54.453 56.686 48.248

57.7 59.0 48.8 60.1

1.576

1,7

RBEITSLOSE ahr

1946

1950

1961

l % der E r w e r b s ersonen isgesamt lännlich eiblich

9,6 9.242 3.429 5.813

24,4 22.453 9.565 12.888

1,9 1.799 889 910

* Quellenangaben: Siehe o b e n EINFÜHRUNG, S. 1. * * Fortschreibungen. * * * Im Jahr 1970 bestand l e d i g l i c h eine A r b e i t s l o s e n q u o t e von 0 , 5 % , s o daß statistisch d i e Z a h l e n für .Erwerbstätige' u n d . E r w e r b s p e r s o n e n ' n i c h t g e t r e n n t aufgelistet w u r d e n .

9. Bezirk Steglitz

Berliner Wahl- und Sozialstatistik

3 8 8

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