Belohnungen für Online Reviews: Unterschiedliche Effekte auf die Abgabewahrscheinlichkeit und die Valenz [1. Aufl.] 978-3-658-26934-0;978-3-658-26935-7

Auf Basis sozialpsychologischer Theorien leitet Ann-Kathrin Grötschel Hypothesen zu den Wirkungen von Belohnungsangebote

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German Pages XVII, 151 [167] Year 2019

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Belohnungen für Online Reviews: Unterschiedliche Effekte auf die Abgabewahrscheinlichkeit und die Valenz [1. Aufl.]
 978-3-658-26934-0;978-3-658-26935-7

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XVII
Einleitung (Ann-Kathrin Grötschel)....Pages 1-8
Konzeptionelle Grundlagen (Ann-Kathrin Grötschel)....Pages 9-51
Entwicklung des Untersuchungsmodells (Ann-Kathrin Grötschel)....Pages 53-68
Empirische Untersuchung (Ann-Kathrin Grötschel)....Pages 69-104
Schlussbetrachtung (Ann-Kathrin Grötschel)....Pages 105-112
Back Matter ....Pages 113-151

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Applied Marketing Science / Angewandte Marketingforschung

Ann-Kathrin Grötschel

Belohnungen für Online Reviews Unterschiedliche Effekte auf die Abgabewahrscheinlichkeit und die Valenz

Applied Marketing Science / Angewandte Marketingforschung Reihe herausgegeben von Dieter Ahlert, Münster, Deutschland Christof Backhaus, Newcastle, UK Markus Blut, Newcastle, UK Christian Brock, Rostock, Deutschland Andreas Eggert, Paderborn, Deutschland Heiner Evanschitzky, Birmingham, UK Ina Garnefeld, Wuppertal, Deutschland Josef Hesse, Münster, Deutschland Hartmut H. Holzmüller, Dortmund, Deutschland Gopalkrishnan R. Iyer, Boca Raton, USA Lou Pelton, Denton, USA Jan Hendrik Schumann, Passau, Deutschland Arun Sharma, Miami, USA Florian von Wangenheim, Zürich, Schweiz David M. Woisetschläger, Braunschweig, Deutschland Nancy Wünderlich, Paderborn, Deutschland

The book series “Applied Marketing Science / Angewandte Marketingforschung” is designated to the transfer of top-end scientific knowledge to interested prac­ titioners. Books from this series are focused – but not limited – to the field of Marketing Channels, Retailing, Network Relationships, Sales Management, Brand Management, Consumer Marketing and Relationship Marketing / Management. The industrial focus lies primarily on the service industry, consumer goods industry and the textile / apparel industry. The issues in this series are either edi­ ted books or monographs. Books are either in German or English language; other languages are possible upon request. Book volumes published in the series “Applied Marketing Science / Angewandte Marketingforschung” will primarily be aimed at interested managers, academics and students of marketing. The works will not be written especially for teaching purposes. However, individual volumes may serve as material for marketing cour­ ses, upper-level MBA- or Ph.D.-courses in particular. Reihe herausgegeben von Prof. Dr. Dieter Ahlert Universität Münster, Deutschland

Prof. Dr. Christof Backhaus Newcastle University, UK

Prof. Dr. Markus Blut Newcastle University, UK

Prof. Dr. Christian Brock Universität Rostock, Deutschland

Prof. Dr. Andreas Eggert Universität Paderborn, Deutschland

Prof. Dr. Heiner Evanschitzky Aston Business School, UK

Prof. Dr. Ina Garnefeld Universität Wuppertal, Deutschland

Dr. Josef Hesse Münster, Deutschland

Prof. Dr. Hartmut H. Holzmüller Technische Universität Dortmund Deutschland

Prof. Dr. Gopalkrishnan R. Iyer Florida Atlantic University, USA

Prof. Dr. Lou Pelton University of North Texas, USA Prof. Dr. Arun Sharma University of Miami, USA Prof. Dr. David M. Woisetschläger Technische Universität Braunschweig Deutschland

Prof. Dr. Jan Hendrik Schumann Universität Passau, Deutschland Prof. Dr. Florian von Wangenheim ETH Zürich, Schweiz Prof. Dr. Nancy Wünderlich Universität Paderborn, Deutschland

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/12293

Ann-Kathrin Grötschel

Belohnungen für Online Reviews Unterschiedliche Effekte auf die Abgabewahrscheinlichkeit und die Valenz Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Ina Garnefeld

Ann-Kathrin Grötschel Wuppertal, Deutschland Dissertation Bergische Universität Wuppertal, 2019

ISSN 2627-1982 ISSN 2627-2008  (electronic) Applied Marketing Science / Angewandte Marketingforschung ISBN 978-3-658-26935-7  (eBook) ISBN 978-3-658-26934-0 https://doi.org/10.1007/978-3-658-26935-7 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Geleitwort Online Reviews – definiert als schriftliche Produkt- oder Anbieterevaluationen von Kunden auf Webseiten des evaluierten Unternehmens oder Dritter – sind von hoher Relevanz für Unternehmen. So informieren sich ca. zwei Drittel aller Konsumentinnen und Konsumenten vor dem Kauf eines Produktes, indem sie Online Reviews lesen (Bitcom Research 2017). Da Kunden Online Reviews häufig eine hohe Glaubwürdigkeit zurechnen, haben sie eine Wirkung sowohl auf deren Kaufentscheidung als auch auf deren Preisbereitschaft, was sich wiederum positiv auf den Unternehmensumsatz auswirkt. Für Unternehmen ist es jedoch oftmals schwierig, Online Reviews zu managen. So wissen Unternehmen zwar, dass sich gute und zahlreiche Reviews positiv auf den Umsatz auswirken, stehen aber oftmals vor der Fragestellung, wie die Anzahl der Online Reviews erhöht bzw. deren Valenz positiver werden kann. Während sich die Forschung bereits ausgiebig mit den Determinanten und Wirkungen von Online Reviews beschäftigt hat, wurde die Wirkung von Incentivierungen auf das Verfassen von Online Reviews bislang nicht analysiert. Die vorliegende Dissertation widmet sich der Aufgabe zu erforschen, ob das Angebot von Incentivierungen eine geeignete Strategie darstellt, mehr und bessere Online Reviews zu generieren. Frau Dr. Grötschel leitet Hypothesen zu den positiven und negativen Wirkungen von Incentivierungen auf die Abgabewahrscheinlichkeit und die Valenz von Online Reviews sowie deren zugrunde liegenden psychologischen Mechanismen theoretisch her. Im Anschluss unterzieht sie diese Hypothesen einer empirischen Prüfung. Frau Dr. Grötschel leistet einen wesentlichen Beitrag zur Beantwortung der folgenden Forschungsfragen: 1. Welche Einflussfaktoren wirken auf das Online Review-Verhalten von Kunden? 2. Welche theoretischen Modelle können zur Erklärung der Wirkung von Incentivierungsangeboten auf die Online Review-Abgabe herangezogen werden? 3. Welche Wirkungen der Incentivierungsangebote auf die resultierende Online Review-Anzahl und die Online Review-Valenz können empirisch belegt werden? 4. Durch welche zugrundeliegenden psychologischen Mechanismen werden die Verhaltensabsichten in solchen Situationen determiniert? 5. Unter welchen Bedingungen ist die Beziehung zwischen einem Incentivierungsangebot und der psychologischen Reaktion seitens der Empfänger stärker oder schwächer? 6. Welche Erkenntnisse liefert die aufgezeigte Forschung für die Marketingwissenschaft? Welche Implikationen können für die Marketingpraxis abgeleitet werden?

Geleitwort

VI

Frau Dr. Grötschel hat in ihrer Dissertation ein Forschungsthema von hoher wissenschaftlicher und praktischer Relevanz bearbeitet. In einem gelungenen Zusammenspiel aus theoretischer Argumentation, qualitativer und empirisch experimenteller Forschung gelingt es Frau Dr. Grötschel, die unterschiedlichen Wirkungen von Incentivierungen aufzuzeigen. So besitzen Online Reviews zwar einen positiven Effekt auf die Anzahl der Online Reviews, verändern deren Valenz allerdings nicht. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Frau Dr. Grötschel mit ihrer Arbeit eine wichtige Lücke im Themengebiet der Weiterempfehlungen geschlossen hat. Es lohnt sich daher, diese Arbeit zu lesen und sich mit ihr auseinanderzusetzen. Prof. Dr. Ina Garnefeld

Vorwort Die vorliegende Dissertation entstand im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitareiterin am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Dienstleistungsmanagement an der Schumpeter School of Business and Economics der Bergischen Universität Wuppertal. Online Reviews haben sich zu einer wichtigen Informationsquelle für Konsumenten in der Vorkaufphase entwickelt. Unternehmen versuchen daher zunehmend Online Reviews über ihre Produkte und Dienstleistungen zu beeinflussen. Eine Strategie kann dabei sein den Kunden Incentivierungen für das Schreiben von Online Reviews anzubieten. Es wurde bislang nicht systematisch analysiert, ob diese Strategie die gewünschten Effekte erzielt und die Anzahl sowie die Positivität der publizierten Online Reviews erhöht. Diese Forschungslücke habe ich mit dieser Arbeit zu schließen versucht. Die theoretische und empirische Untersuchung zeigt eine Erhöhung der Anzahl von Online Reviews, jedoch gegenläufige Wirkungen auf die Valenz auf Grundlage der Incentivierungsangebote. Dieses Ergebnis beinhaltet wichtige Implikationen für die Unternehmenspraxis hinsichtlich der Effektivität einer Incentivierungsstrategie für Online Reviews. Während der Anfertigung der Dissertation habe ich auf unterschiedliche Weise Unterstützung und Motivation durch eine Vielzahl von Personen erhalten. Im Folgenden möchte ich ihnen für ihren Beitrag zum Gelingen der Arbeit danken. Mein Dank gilt insbesondere meiner Doktormutter Prof. Dr. Ina Garnefeld. Ihre kritischen Anmerkungen und wertvollen Denkanstöße entwickelten mich fachlich und methodisch stets weiter. Ihr Vertrauen in meine Arbeit und die eingeräumten Freiheiten bei der Erstellung der Dissertation sowie in der alltäglichen Lehrstuhlarbeit waren mir stets ein Antrieb und ließen mich zudem persönlich an Herausforderungen wachsen. Durch ihre umfassende Förderung konnte diese Dissertation gelingen. Zudem danke ich Herrn Prof. Dr. Dirk Temme für die Übernahme der Zweitgutachtertätigkeit. Darüber hinaus bedanke ich mich bei Prof. Dr. Tobias Langner, Prof. Dr. Peter Witt sowie Prof. Dr. Stephan Zielke für das Mitwirken an meiner Prüfungskommission und die interessante Diskussion im Rahmen meiner Disputation. Ein herzlicher Dank gilt dem Lehrstuhlteam für die freundschaftliche Arbeitsatmosphäre und das jederzeit hilfsbereite Miteinander. Für ihre Unterstützung, die wertvollen Korrekturhinweise an der Dissertation und den ständigen kollegialen Austausch möchte ich mich bei Katharina Kessing, Dr. Lena Klimke, Tabea Krah, Kira Küpper, Dr. Andrea Oestreich und Dr. Jana Wies bedanken. Nicht zuletzt die vielen schönen beruflichen sowie privaten Unternehmungen mit Kollegen, die zu Freunden wurden,

Vorwort

VIII

haben meine Promotionszeit geprägt und zu einem besonderen Lebensabschnitt gemacht. Herzlich danken möchte ich Prof. Dr. Sabrina Helm von der University of Arizona. Durch ihre Unterstützung profitierte nicht nur mein Forschungsvorhaben in fachlicher sowie in methodischer Hinsicht, sie ermöglichte mir durch den dreimonatigen Forschungsaufenthalt an der Norton School of Family and Consumer Sciences auch eine unvergessliche Zeit in den USA. Wertvolle Anregungen und kritische Anmerkungen, welche die Entwicklung meines Forschungsprojekts stark geprägt und dieses stetig verbessert haben, erhielt ich zudem im Rahmen des 44. European Marketing Academy (EMAC) Doctoral Colloquium in Leuven sowie innerhalb der Dissertantenwerkstätten mit Teilnehmern der Universitäten Braunschweig, Dortmund und Paderborn. Mein besonderer Dank gilt meinen Freunden und meiner Familie. Meine Freunde boten mir stets angenehme Ablenkung und waren mir ein starker Rückhalt auch in stressigen Promotionsphasen. Stellvertretend für einen tollen Freundeskreis möchte ich Theresa Eyerund für nunmehr zwanzig Jahre Freundschaft und ihre uneingeschränkte Unterstützung danken. Meinen Eltern Heike und Jürgen Grötschel danke ich für ihr Vertrauen in mich und die bedingungslose Unterstützung in jeder Hinsicht. Meinen Eltern und meinen lieben Großeltern ist diese Arbeit gewidmet. Dr. Ann-Kathrin Grötschel

Inhaltsübersicht 1 Einleitung ................................................................................................................. 1 1.1 Relevanz des Themas für die Marketingforschung und -praxis ........................ 1 1.2 Forschungsfragen und Zielsetzung der Arbeit ................................................... 6 1.3 Gang der Untersuchung ..................................................................................... 6 2 Konzeptionelle Grundlagen.................................................................................... 9 2.1 Online Reviews .................................................................................................. 9 2.2 Incentivierungen .............................................................................................. 32 3 Entwicklung des Untersuchungsmodells ............................................................ 53 3.1 Theoretische Grundlagen ................................................................................. 53 3.2 Ableitung von Hypothesen .............................................................................. 62 4 Empirische Untersuchung .................................................................................... 69 4.1 Übersicht über die Studien............................................................................... 69 4.2 Begründung der Untersuchungsform ............................................................... 70 4.3 Empirische Studien .......................................................................................... 72 4.4 Ergebnisdiskussion ........................................................................................ 102 5 Schlussbetrachtung ............................................................................................. 105 5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................. 105 5.2 Implikationen für die Marketingwissenschaft und -praxis ............................ 107 5.3 Limitationen und weiterführender Forschungsbedarf ................................... 110 Literaturverzeichnis ................................................................................................. 113 Anhang ....................................................................................................................... 135

Inhaltsverzeichnis

XI

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ................................................................................................................. 1 1.1 Relevanz des Themas für die Marketingforschung und -praxis ........................ 1 1.2 Forschungsfragen und Zielsetzung der Arbeit ................................................... 6 1.3 Gang der Untersuchung ..................................................................................... 6 2 Konzeptionelle Grundlagen.................................................................................... 9 2.1 Online Reviews .................................................................................................. 9 2.1.1 Begriffsbestimmung .................................................................................. 9 2.1.2 Forschungsstand ...................................................................................... 14 2.1.2.1Einflussfaktoren auf die Online ReviewAbgabewahrscheinlichkeit........................................................... 15 2.1.2.1.1 Produktcharakteristika................................................... 15 2.1.2.1.2 Situationscharakteristika ............................................... 17 2.1.2.1.3 Sendercharakteristika .................................................... 18 2.1.2.2Einflussfaktoren auf die Online Review-Valenz ......................... 21 2.1.2.3Wirkungen von Online Reviews auf den Unternehmenserfolg ... 22 2.1.2.3.1 Wirkungen der Online Review-Anzahl......................... 23 2.1.2.3.2 Wirkungen der Online Review-Valenz ......................... 26 2.1.2.3.3 Wirkungen der Sendercharakteristika ........................... 32 2.2 Incentivierungen .............................................................................................. 32 2.2.1 Begriffsbestimmung ................................................................................ 33 2.2.2 Forschungsstand ...................................................................................... 39 2.2.2.1Incentivierungen zur Beeinflussung von Konsumentenverhalten 39 2.2.2.2Incentivierung von Weiterempfehlungen innerhalb traditioneller Weiterempfehlungsprogramme ................................................... 43

XII

Inhaltsverzeichnis 2.2.2.2.1 Wirkungen auf die Weiterempfehlungsabgabe ............. 43 2.2.2.2.2 Wirkungen auf den Weiterempfehlungssender ............. 47 2.2.2.2.3 Wirkungen auf den Weiterempfehlungsempfänger ...... 49

3 Entwicklung des Untersuchungsmodells ............................................................ 53 3.1 Theoretische Grundlagen ................................................................................. 53 3.1.1 Übersicht über die verwendeten Ansätze ................................................ 53 3.1.2 Austauschtheorie ..................................................................................... 54 3.1.3 Prinzip der Reziprozität .......................................................................... 58 3.1.4 Kognitive Dissonanztheorie .................................................................... 60 3.2 Ableitung von Hypothesen .............................................................................. 62 3.2.1 Wirkungen auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit ............. 62 3.2.2 Wirkungen auf die Online Review-Valenz ............................................. 64 3.2.3 Moderierender Effekt der Kundenzufriedenheit ..................................... 65 3.2.4 Entwicklung des Untersuchungsmodells ................................................ 66 4 Empirische Untersuchung .................................................................................... 69 4.1 Übersicht über die Studien............................................................................... 69 4.2 Begründung der Untersuchungsform ............................................................... 70 4.3 Empirische Studien .......................................................................................... 72 4.3.1 Studie 1: Pilot-Studie .............................................................................. 72 4.3.1.1Methode ....................................................................................... 72 4.3.1.1.1 Studiendesign ................................................................ 72 4.3.1.1.2 Stichprobe ..................................................................... 73 4.3.1.1.3 Vorgehensweise ............................................................ 75 4.3.1.1.4 Auswertungsverfahren .................................................. 78

Inhaltsverzeichnis

XIII

4.3.1.2Ergebnisse .................................................................................... 80 4.3.2 Studie 2: Experiment 1 ............................................................................ 84 4.3.2.1Methode ....................................................................................... 85 4.3.2.1.1 Studiendesign ................................................................ 85 4.3.2.1.2 Stichprobe ..................................................................... 86 4.3.2.1.3 Vorgehensweise ............................................................ 86 4.3.2.1.4 Operationalisierung der Variablen ................................ 87 4.3.2.2Ergebnisse .................................................................................... 89 4.3.2.2.1 Prüfung der Manipulations- und Realitätsannahme ...... 89 4.3.2.2.2 Konstruktmessung ......................................................... 90 4.3.2.2.3 Hypothesenprüfung ....................................................... 91 4.3.3 Studie 3: Experiment 2 ............................................................................ 93 4.3.3.1Methode ....................................................................................... 93 4.3.3.1.1 Studiendesign ................................................................ 93 4.3.3.1.2 Stichprobe ..................................................................... 95 4.3.3.1.3 Vorgehensweise ............................................................ 95 4.3.3.1.4 Operationalisierung der Variablen ................................ 95 4.3.3.2Ergebnisse .................................................................................... 97 4.3.3.2.1 Prüfung der Manipulation und Realitätsannahme ......... 97 4.3.3.2.2 Konstruktmessung ......................................................... 98 4.3.3.2.3 Hypothesenprüfung ....................................................... 99 4.4 Ergebnisdiskussion ........................................................................................ 102 5 Schlussbetrachtung ............................................................................................. 105 5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................. 105

XIV

Inhaltsverzeichnis

5.2 Implikationen für die Marketingwissenschaft und -praxis ............................ 107 5.2.1 Implikationen für die Marketingwissenschaft ...................................... 107 5.2.2 Implikationen für die Marketingpraxis ................................................. 108 5.3 Limitationen und weiterführender Forschungsbedarf ................................... 110 Literaturverzeichnis ................................................................................................. 113 Anhang ....................................................................................................................... 135

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1-1: Modell und Einordnung des Incentivierungsangebots für Online Reviews im Kaufprozess ...................................................................... 3 Abbildung 1-2: Hauptunterschiede zwischen traditionellen Weiterempfehlungsprogrammen und Online Review Incentivierungsangeboten ..................................................................... 4 Abbildung 1-3: Struktur der Arbeit ................................................................................ 7 Abbildung 2-1: Drei Forschungsfelder in Bezug auf Online Reviews ......................... 14 Abbildung 2-2: Einflussfaktoren auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit . 15 Abbildung 2-3: Übersicht der Produktcharakteristika als Einflussfaktoren auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit ........................................ 16 Abbildung 2-4: Übersicht der Situationscharakteristika als Einflussfaktoren auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit ........................................ 17 Abbildung 2-5: Übersicht der Sendercharakteristika als Einflussfaktoren auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit ........................................ 19 Abbildung 2-6: Überblick zu den Einflussfaktoren auf die Online Review-Valenz .... 21 Abbildung 2-7: Überblick zu den Online Review-Einflussfaktoren auf den Unternehmenserfolg ........................................................................... 23 Abbildung 2-8: Wirkung der Online Review-Anzahl auf den Unternehmenserfolg.... 24 Abbildung 2-9: Wirkung der Online Review-Valenz auf den Unternehmenserfolg .... 27 Abbildung 2-10: Übersicht der Arten von Incentivierungen ........................................ 34 Abbildung 3-1: Einbettung der theoretischen Ansätze in die Forschungslücke ........... 54 Abbildung 3-2: Formel zur Kosten-Nutzen-Bilanz des Austauschprozesses ............... 56 Abbildung 3-3: Formale Bestandteile der Austauschtheorie ........................................ 57 Abbildung 3-4: Kosten-Nutzen-Bilanz zur Abgabewahrscheinlichkeit auf Grundlage des Incentivierungsangebots ............................................. 62 Abbildung 3-5: Untersuchungsmodell .......................................................................... 67 Abbildung 4-1: Grafische Darstellung der genannten Produktkategorien in Studie 1 . 74 Abbildung 4-2: Grafische Darstellung der genannten Preiskategorien in Studie 1 ...... 75 Abbildung 4-3: Treatment Incentivierungsangebot der Studie 1 ................................. 77 Abbildung 4-4: Ablaufmodell induktiver Kategorienbildung ...................................... 79

XVI

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 4-5: Regressionsmodell PROCESS Modell 4 der Studie 2 ........................ 92 Abbildung 4-6: Übersicht des experimentellen Designs in Studie 3 ............................ 94 Abbildung 4-7: Regressionsmodell PROCESS Modell 4 der Studie 3 ...................... 100 Abbildung 4-8: Regressionsmodell PROCESS Modell 7 der Studie 3 ...................... 101 Abbildung 4-9: Ergebnisse des Interaktionseffekts in Studie 3.................................. 102

Tabellenverzeichnis Tabelle 2-1: Merkmale des Begriffs Online Review und die Berücksichtigung in der Arbeitsdefinition ................................................................................ 10 Tabelle 2-2: Begriffsabgrenzung nach Merkmalen von traditionellen Weiterempfehlungen und Online Reviews .............................................. 12 Tabelle 2-3: Begriffsabgrenzung der Incentivierung von Online Reviews von verwandten Maßnahmen .......................................................................... 37 Tabelle 2-4: Studienergebnisse zur Wirkung traditioneller Weiterempfehlungsprogramme auf die Weiterempfehlungsabgabe........ 45 Tabelle 2-5: Studienergebnisse zur Wirkung traditioneller Weiterempfehlungsprogramme auf den Sender ...................................... 48 Tabelle 2-6: Studienergebnisse zur Wirkung traditioneller Weiterempfehlungsprogramme auf den Empfänger ................................ 49 Tabelle 4-1: Übersicht der durchgeführten Studien ...................................................... 70 Tabelle 4-2: Ergebnisse zur Kategorie Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit .... 81 Tabelle 4-3: Ergebnisse zur Kategorie Online Review-Valenz .................................... 82 Tabelle 4-4: Ergebnisse zur Kategorie psychologische Prozesse zum Thema Reziprozitätsnutzen .................................................................................. 83 Tabelle 4-5: Ergebnisse zur Kategorie psychologische Prozesse zum Thema psychologische Kosten ............................................................................. 84 Tabelle 4-6: Übersicht zu der Konstruktreliabilität und -validität in Studie 2 ............. 90 Tabelle 4-7: Übersicht zu der Konstruktreliabilität und -validität in Studie 3 ............. 99 Tabelle 4-8: Ergebnisse der Hypothesenprüfung ........................................................ 103

1

Einleitung

Online Reviews haben sich als eine glaubwürdige Informationsquelle für Kunden in der Vorkaufphase entwickelt und gewinnen daher zunehmend an Relevanz für Unternehmen. Während eine Vielzahl von Studien die Wirkungen von Online Reviews untersucht, wurde die Analyse, wie Unternehmen ihre Kunden motivieren können Online Reviews abzugeben, bisher vernachlässigt. In diesem Zusammenhang existiert eine Forschungslücke: Es wurde bisher nicht erforscht, wie unternehmensinitiierte Instrumente zur Förderung der Online Review-Veröffentlichung durch ihre Kunden wirken. Abschnitt 1.1 stellt die Relevanz des Themas sowohl für die Marketingforschung als auch für die Praxis dar. Anschließend werden in Abschnitt 1.2 die Forschungsfragen hergeleitet und die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit dargelegt. Abschnitt 1.3 gibt einen Überblick über den Gang der Untersuchung. 1.1 Relevanz des Themas für die Marketingforschung und -praxis Online Reviews spielen eine wichtige Rolle für Unternehmen. Sie haben sich als primäre Methode zur Neukundengewinnung (Lobel/Sadler/Varshney 2017, S. 3514; Chen/Xie 2008, S. 478) und somit gleichsam als bedeutendes Marketinginstrument in der Forschung und Praxis etabliert (Babić Rosario et al. 2016, S. 297 f.). Sie sind zumeist die einzige nicht unternehmensgenerierte Informationsquelle auf vielen Handelswebseiten (Gottschalk/Mafael 2017, S. 91) und sind zugleich richtungsweisend für die Kaufentscheidungen von Konsumenten (Thakur 2018, S. 48). Denn da Online Reviews nicht von Unternehmen sondern anderen Konsumenten verfasst werden, vertrauen Konsumenten auf die in Online Reviews publizierten Informationen und verlassen sich auf diese bei einer Kaufentscheidung (Baek/Ahn/Choi 2012, S. 99; Bickart/Schindler 2001, S. 32). Die Bedeutung von Online Reviews lässt sich an einer Vielzahl von Studien ausmachen, welche die Aufnahme von Online Reviews durch den Leser (z.B. Agnihotri/Bhattacharya 2016; Kim/Gupta 2012) und die resultierenden Wirkungen von Online Reviews auf Unternehmen (z.B. Luo/Zhang 2013; Liu 2006) untersuchen. Dabei zeigt sich eine positivere Entwicklung der Absatzzahlen je mehr Online Reviews zu einem Produkt oder einer Dienstleistung vorhanden sind. So steigert sich die Aufmerksamkeit hinsichtlich eines Produktes oder einer Dienstleistung bei zunehmender Anzahl von publizierten Online Reviews (Duan/Gu/Whinston 2008, S. 1015; Liu 2006, S. 86). Beispielsweise generierte ein Kinofilm, welcher mit einem schmalen Produktionsbudget ausgestattet und für eine begrenzte Zielgruppe gedacht war, durch die hohe Aufmerksamkeit, die der Film innerhalb von Online Reviews erhielt, unerwartet hohe Erträge (Duan/Gu/Whinston 2008, S. 1008). Insbesondere haben positive Berichte von Kunden über Produkte

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A.-K. Grötschel, Belohnungen für Online Reviews, Applied Marketing Science / Angewandte Marketingforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26935-7_1

2

Einleitung

oder Dienstleistungen auf Webseiten des im Fokus stehenden Unternehmens oder Dritter das Potential, den Unternehmenserfolg nachhaltig zu sichern. Die herausstechende Bedeutung der Positivität von Online Reviews für Produkte lässt sich an ihrem Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft von Konsumenten ablesen. So kann bei einer Verbesserung der Produktbewertung um eine Einheit auf einer Skala von einem Stern bis fünf Sternen, wobei ein Stern eine schlechte und fünf Sterne eine besonders gute durchschnittliche Produktevaluation widerspiegelt, eine Steigerung der Zahlungsbereitschaft von rund 50 Euro für einen ebook-Reader erreicht werden (Kostyra et al. 2016, S. 15). Eine ähnlich erfolgskritische Position nehmen Online Reviews auch im Rahmen von Dienstleistungen ein. Im Hotelkontext kann die Zunahme einer Ratingeinheit mit einem Wert von 45 Euro bemessen werden. Die Kunden sind bereit, eine Übernachtung in einem Hotel auch mit einer entsprechenden Preissteigerung in Kauf zu nehmen (Jang/Prasad/Ratchford 2012, S. 836). Unternehmen erkennen die besondere Bedeutung von Online Reviews für ihren wirtschaftlichen Erfolg und stehen vor wichtigen strategischen Entscheidungen in Hinblick auf das Management von Online Reviews (Chen/Xie 2008, S. 478). Dabei streben Unternehmen typischerweise an, Online Reviews über die eigenen vertriebenen Produkte oder angebotenen Dienstleistungen zielorientiert zu beeinflussen. Zum einen ist Unternehmen in diesem Zusammenhang der Aufbau einer großen Anzahl von Online Reviews wichtig und zum anderen sind sie an besonders positiven Online Reviews interessiert (Cabral/Li 2015, S. 2052; Kozinets et al. 2010, S. 71-73). Nach Godes und Mayzlin ist durch Online Reviews ein neues Instrument des Weiterempfehlungs-Marketing „characterized as being firm initiated but customer implemented“ entstanden (2009, S. 721). Bisher wurden Untersuchungen zum Verhalten von Kunden, die an unternehmensinitiierten Maßnahmen zur Steigerung von Weiterempfehlungen teilnehmen, vernachlässigt (Buttle/Groeger 2017, S. 1035). Folglich mangelt es an fundierten Empfehlungen, wie Unternehmen ihre Kunden motivieren können speziell positive Online Reviews zu publizieren. Dennoch haben Unternehmen begonnen, ihre Kunden aktiv dazu zu bewegen, Online Reviews zu verfassen (Motyka et al. 2018, S. 1032). Dabei stellen Incentivierungen eine bereits von einigen Unternehmen genutzte Maßnahme dar, um Kunden zu animieren öffentlich Weiterempfehlungen zu äußern (Pentina/Bailey/Zhang 2018, S. 126; Reimer/Benkenstein 2018, S. 11; Poch/Martin 2015, S. 306). Allerdings bleibt mangels der wissenschaftlichen Untersuchung der Wirkung dieses Instruments fraglich, ob das gezielte Angebot von Belohnungen an die einzelnen Käufer die gewünschten Effekte erzielt und die Veröffentlichung von Online Reviews sowie deren Positivität fördert. Innerhalb dieser Arbeit wird das in Abbildung 1-1 dargestellte Modell eines Incentivierungsangebots für die Veröffentlichung eines Online Reviews unterstellt.

Relevanz des Themas für die Marketingforschung und -praxis

3

(1) Kauf des Produktes oder der Dienstleistung

(2) Leistungserbringung Kunde

(3) Incentivierungsangebot

(4) Beleg der Online Review Veröffentlichung

Produkthersteller oder Dienstleistungsanbieter

(5) Übergabe der Incentivierung

Abbildung 1-1: Modell und Einordnung des Incentivierungsangebots für Online Reviews im Kaufprozess

Das Incentivierungsangebot findet innerhalb der Interaktion zwischen einem Produkthersteller oder Dienstleistungsanbieter und dessen Kunden statt. Chronologisch erfolgt dabei das Incentivierungsangebot (3) nach getätigtem Kauf seitens des Kunden (1) und bei bzw. nach der Leistungserbringung in Form der Produktzusendung oder Dienstleistungserstellung durch das Unternehmen (2). Der durch das Incentivierungsangebot angesprochene Kunde entscheidet dann, ob er ein Online Review verfasst und belegt dem Produkthersteller oder Dienstleistungsanbieter die etwaige Online Review-Veröffentlichung (4). Anschließend wird die Incentivierung ausgehändigt (5). Die aktuelle Forschung vernachlässigte bisher die Analyse der Incentivierung von Online Reviews und konzentrierte sich größtenteils auf die Motivation, Empfehlungen im Kontext von traditionellen Weiterempfehlungsprogrammen abzugeben (Reimer/Benkenstein 2018, S. 11). Unter diesem Marketinginstrument, welches auch Kunden-werben-Kunden Kampagne genannt wird, lässt sich ein unternehmensinitiiertes und aktiv kontrolliertes Programm zur Akquise von Neukunden verstehen (Schmitt/Skiera/van den Bulte 2011, S. 47). Im Bereich der traditionellen Weiterempfehlungsprogramme sind in der bestehenden Literatur eine Reihe von Untersuchungen zu finden, welche die Effektivität dieses Marketinginstrumentes analysieren (z.B. Ryu/Feick 2007; Jin/Huang 2014). Die Strategie eines Incentivierungsangebots für die Veröffentlichung eines Online Reviews unterscheidet sich jedoch maßgeblich vom Einsatz traditioneller Weiterempfehlungsprogramme. Dabei sind vor allem zwei Unterscheidungsmerkmale von Online Reviews und traditionellen Weiterempfehlungsprogrammen von Bedeutung. Abbildung 1-2 stellt die beiden Hauptunterscheidungsmerkmale der traditionellen Weiterempfehlungsprogramme und der Strategie des Angebots von Incentivierungen für das Verfassen eines Online Reviews dar.

4

Einleitung

(1) Art der Empfänger (2) Voraussetzung für den Erhalt der Incentivierung

Traditionelle Weiterempfehlungsprogramme

Strategie des Angebots von Incentivierungen für Online Reviews

Wenige bekannte

Viele unbekannte

Akquise eines Neukunden

Verfassen eines Online Reviews

Abbildung 1-2: Hauptunterschiede zwischen traditionellen Weiterempfehlungsprogrammen und Online Review Incentivierungsangeboten

Traditionelle Weiterempfehlungsprogramme unterscheiden sich von der Strategie Incentivierungen für Online Reviews anzubieten in Hinblick auf die Art der Empfänger und die Voraussetzung für den Erhalt der Incentivierung. Erstens gibt der Sender der Weiterempfehlung innerhalb von traditionellen Weiterempfehlungsprogrammen die Weiterempfehlungsbotschaft zumeist an einen oder einige wenige Empfänger weiter. Diese sind ihm bekannt. Durch die Vertrautheit der Zuhörerschaft können für den Sender Kosten entstehen, die durch eine Verschlechterung der Beziehung zu den Weiterempfehlungsempfängern verursacht sind. Der Empfänger könnte von einer rein eigennützig und finanziell motivierten Weiterempfehlung ausgehen und sich somit beispielsweise ausgenutzt fühlen. Die Gefahr solcher sozialer Kosten ist innerhalb der Veröffentlichung von Online Reviews nicht vorhanden. Online Reviews richten sich meist an eine große Anzahl unbekannter Empfänger. Daher spielen diese sozialen Kosten im Falle einer Incentivierung keine Rolle für den Sender. Der zumeist anonyme Sender macht sich typischerweise im Online-Kontext weniger Gedanken darüber, wie er auf die Empfänger wirkt (Xiao/Tang/Wirtz 2011, S. 738). Zweitens wird im Kontext der traditionellen Weiterempfehlung immer ein positiver Nachrichteninhalt übermittelt, da das Ziel der Weiterempfehlung die Gewinnung eines Neukunden ist. Die Akquise des Kunden ist in diesem Fall die Voraussetzung des Aushändigens der Belohnung seitens des Unternehmens an den Empfehlenden (Lobel/Sadler/Varshney 2017, S. 3515). Im Falle des Angebots von Incentivierungen für die Online Review-Veröffentlichung findet diese Bindung an die tatsächliche Kundengewinnung typischerweise nicht statt. Das Angebot einer Incentivierung als Gegenleistung für das Verfassen eines Online Reviews wird vom Hersteller oder Dienstleistungsanbieter zumeist ohne Restriktionen hinsichtlich der Positivität oder Negativität der Botschaft dargeboten. So können folglich positive Elemente, die einen Kauf empfehlen, oder negative Elemente, die von einem Kauf abraten, in einem Online Review thematisiert werden (Sen/Lerman 2007, S. 77).

Relevanz des Themas für die Marketingforschung und -praxis

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Die Wirkung der Incentivierungsstrategie auf die Online Review-Abgabe der angesprochenen Kunden ist nicht eindeutig vorauszusagen. Eine Steigerung des incentivierten Verhaltens und somit der Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit erscheint auf Basis der bestehenden Literatur zum Thema Incentivierung (z.B. Garnefeld/Iseke/Krebs 2012, S. 20-22; Heslin/Johnson 1992, S. 213 f.) naheliegend. Als Konsequenz der gesteigerten Abgabewahrscheinlichkeit der Konsumenten würde die Anzahl der veröffentlichten Online Reviews zunehmen. Jedoch kann das Incentivierungsangebot von den Kunden auch wie ein Manipulationsversuch durch das Unternehmen aufgenommen werden. Dies wiederum könnte ihre Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit hemmen. Durch die mangelnden sozialen Kosten und die fehlenden Restriktionen hinsichtlich des Nachrichteninhalts ist die inhaltliche Ausrichtung von incentivierten Online Reviews ebenfalls nicht eindeutig zu prognostizieren. Durch die Incentivierungsstrategie können Gefahren entstehen, welche sich auch in der Aussage von Yadav und Pavlou (2014, S. 31) widerspiegeln: „User-generated content is a double-edged sword in that it contains both positive and negative comments regarding a firm's product offering“. Es können sowohl positive als auch negative Inhalte über Produkte oder Dienstleistungen innerhalb der incentivierten Online Reviews veröffentlicht werden. Während eine Steigerung der Positivität der Online Review-Inhalte auf Grundlage der Incentivierungsstrategie möglich ist, kann auch eine Veränderung der Online Review-Inhalte in negative Richtung resultieren. Angesprochene Kunden könnten danach streben, dem Unternehmen für das unerwartete Angebot etwas zurückzugeben. Da positive Online Reviews von größerem Wert für Unternehmen sind, würden Kunden dazu neigen, sich mit positiveren Online Reviews reziprok gegenüber dem Unternehmen zu verhalten. Kunden könnten allerdings die Veröffentlichung eines positiven Online Reviews, nachdem sie eine Incentivierung angeboten bekommen haben, auch als ein Eingehen auf eine Bestechung empfinden (Cabral/Li 2015, S. 2059). Um sich von dem Gefühl des Gekauft-Seins zu befreien und somit das eigene Selbstbild zu bewahren, könnten Kunden ebenso mit negativeren Online Reviews auf eine solche Strategie reagieren. Da die Wirkungen der Strategie Incentivierungen für das Verfassen von Online Reviews anzubieten bis dato nicht untersucht wurden, existiert diesbezüglich eine Forschungslücke. Die Relevanz der Forschungslücke wird umso stärker betont, da bisherige Forschungsbeiträge bereits die Untersuchung der Effekte von Incentivieungen zur Anregung schriftlicher Kommunikation forderten: „Also, it would be interesting to research the effectiveness of rewards for increasing non-verbal communication.“ (Blazevic et al. 2012, S. 306). Zudem verwiesen You, Vadakkepatt und Joshi (2015, S. 37) auf ein Bestehen von Unterschieden zwischen nicht-incentivierten und incentivierten Online Reviews und regen weitere Forschung auf diesem Gebiet an.

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Einleitung

1.2 Forschungsfragen und Zielsetzung der Arbeit Die Ausführungen des vorherigen Abschnitts stellen die Forschungslücke dar und verdeutlichen ferner die Relevanz einer theoretischen und empirischen Analyse der Strategie, Incentivierungen für die Online Review-Veröffentlichung anzubieten. Zur Schließung der aufgezeigten Forschungslücke soll die vorliegende Arbeit primär die folgende Forschungsfrage beantworten: „Steigert das Angebot von Incentivierungen für die Online Review-Veröffentlichung die Anzahl sowie die Positivität von Online Reviews?“ Um diese forschungsleitende Frage zu beantworten, orientiert sich die vorliegende Arbeit im weiteren Verlauf an den folgenden untergeordneten Fragen: -

-

Welche Einflussfaktoren wirken auf das Online Review-Verhalten von Kunden? Welche theoretischen Modelle können zur Erklärung der Wirkung von Incentivierungsangeboten auf die Online Review-Abgabe herangezogen werden? Welche Wirkungen der Incentivierungsangebote auf die resultierende Online Review-Anzahl und die Online Review-Valenz können empirisch belegt werden? Durch welche zugrundeliegenden psychologischen Mechanismen werden die Verhaltensabsichten in solchen Situationen determiniert? Unter welchen Bedingungen ist die Beziehung zwischen einem Incentivierungsangebot und der psychologischen Reaktion seitens der Empfänger stärker oder schwächer? Welche Erkenntnisse liefert die aufgezeigte Forschung für die Marketingwissenschaft? Welche Implikationen können für die Marketingpraxis abgeleitet werden?

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Wirkungen von Incentvierungsangeboten auf Online Reviews zu untersuchen und dabei im Speziellen die psychologischen Mechanismen aufzudecken, welche die Zusammenhänge zwischen dem Stimulus und der Verhaltensabsicht determinieren. So gilt es zu untersuchen, welche psychologischen Mechanismen die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit und die Online Review-Valenz bei Vorliegen eines Incentivierungsangebots beeinflussen. Um diese Fragestellungen zu beantworten, werden zunächst auf Basis theoretischer Überlegungen Hypothesen abgeleitet. Die anschließende empirische Analyse mittels einer offenen Befragung und zweier experimenteller Studien überprüft die abgeleiteten Zusammenhänge. So soll letztlich die vorgestellte Forschungslücke geschlossen werden und auf Basis dessen neue Erkenntnisse für die Marketingpraxis und die Marketingwissenschaft generiert werden. 1.3 Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit ist in fünf Kapitel untergliedert. Der Aufbau der Arbeit wird in Abbildung 1-3 dargestellt.

Gang der Untersuchung

7 1. Einleitung

1.1 Relevanz des Themas für die Marketingforschung und -praxis 1.2 Forschungsfragen und Zielsetzung der Arbeit 1.3 Gang der Untersuchung

2. Konzeptionelle Grundlagen 2.1 Online Reviews

2.2 Incentivierungen

3. Entwicklung des Untersuchungsmodells 3.1 Theoretische Grundlagen

3.2 Ableitung von Hypothesen

4. Empirische Hauptuntersuchung 4.1 Übersicht über die Untersuchungsreihe 4.2 Begründung der Untersuchungsform

4.3 Empirische Studien 4.4 Ergebnisdiskussion

5. Schlussbetrachtung 5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse

Abbildung 1-3: Struktur der Arbeit

5.2 Implikationen für die Marketingwissenschaft und -praxis

5.3 Limitationen und weiterführender Forschungsbedarf

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Einleitung

Nachdem in Kapitel 1 die Relevanz des Themas aufgezeigt und die forschungsleitende Fragestellung dargestellt wurde, gibt Kapitel 2 einen Überblick über die konzeptionellen Grundlagen des Untersuchungsthemas. Dabei fokussiert Abschnitt 2.1 das Themengebiet Online Reviews, während Abschnitt 2.2 die konzeptionellen Grundlagen zum Thema Incentivierungen gibt. Im nachfolgenden Kapitel 3 werden die Wirkungszusammenhänge zwischen Incentivierungsangeboten und dem Online Review-Verhalten der Kunden theoretisch analysiert. Dabei werden zunächst die theoretischen Grundlagen dargestellt, die die Wirkung eines Incentivierungsangebots auf die Online Review-Abgabe erklären können. In Abschnitt 3.1 werden die Austauschtheorie, das Prinzip der Reziprozität sowie die Kognitive Dissonanztheorie erläutert. Anschließend werden in Abschnitt 3.2 auf Grundlage dessen die Untersuchungshypothesen abgeleitet. In Kapitel 4 wird das Untersuchungsmodell der vorliegenden Arbeit empirisch überprüft. Nach der Übersicht über die durchgeführten Studien in Abschnitt 4.1 wird die Wahl der Untersuchungsform (Abschnitt 4.2) begründet. Es schließt sich die Darstellung der im Rahmen der vorliegenden Untersuchung durchgeführten Studien an (Abschnitt 4.3). Dazu werden die drei empirischen Studien hinsichtlich ihrer Methodik und die Ergebnisse der Untersuchungen vorgestellt. Das Kapitel schließt mit der Ergebnisdiskussion in Abschnitt 4.4. In Kapitel 5 erfolgt die Schlussbetrachtung. Diese fasst die Erkenntnisse der Arbeit zunächst zusammen und beantwortet die aufgeworfene Forschungsfrage (Abschnitt 5.1). Anschließend werden in Abschnitt 5.2 Implikationen für die Marketingwissenschaft sowie für die Marketingpraxis gegeben. Die Darstellung der Limitationen der vorliegenden Arbeit sowie die Ableitung weiteren Forschungsbedarfs (Abschnitt 5.3) bilden den Abschluss der Arbeit.

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Konzeptionelle Grundlagen

Sowohl Online Reviews als auch Incentivierungen wurden innerhalb der Marketingliteratur eine hohe Bedeutung zugesprochen. Dabei ist eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Themengebieten zu verzeichnen. Dieses Kapitel soll die Grundlagen der Themenfelder aufarbeiten. Hierzu thematisiert Abschnitt 2.1 den Themenkomplex der Online Reviews, während die konzeptionellen Grundlagen zu Incentivierungen in Abschnitt 2.2 dargestellt werden. 2.1 Online Reviews Der folgende Abschnitt 2.1.1 soll zunächst eine Arbeitsdefinition des Begriffs Online Review festlegen. Zudem grenzt der Abschnitt 2.1.1 den Online Review-Begriff von traditionellen Weiterempfehlungen ab. Abschnitt 2.1.2 arbeitet bereits bestehende Studienergebnisse des Themengebiets Online Reviews auf. 2.1.1 Begriffsbestimmung Grundlegend für die Bestimmung des Begriffs Online Review ist eine Definition der Weiterempfehlung. Dieser Begriff wird von Arndt (1967, S. 3) als mündliche, persönliche Kommunikation über eine Marke, ein Produkt oder eine Dienstleistung, wobei der Empfänger den Sender als nicht wirtschaftlich motiviert wahrnimmt, definiert. Diese Definition stützt sich auf die Grundprinzipien des interpersonellen Kommunikationsprozesses, der durch einen Prozess wechselseitigen Austausches zwischen einem Kommunikator und einem Rezipienten gekennzeichnet ist (Fischer/Wiswede 2002, S. 311). Dieser lässt sich im Rahmen der Kommunikation als “who says what to whom and with what effect” (Cheung/Thadani 2012, S. 463) veranschaulichen. Basierend auf der Lasswell-Formel (1966, S. 178) lassen sich unterschiedliche Bestandteile des Kommunikationsprozesses identifizieren: Der Kommunikator, das heißt der Sender der Botschaft, der Inhalt der Kommunikation, der Kommunikationskanal, der Rezipient, welcher auch als Kommunikant bezeichnet wird und Empfänger der Botschaft ist, sowie die Wirkung der Kommunikation. Zudem lassen sich basierend auf der Lasswell-Formel ferner die Bedingungen der Kommunikation, also die Kommunikationssituation bestimmen (Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 499). Während innerhalb der Definition der Weiterempfehlung der Kommunikator der Botschaft nicht näher bestimmt wird, findet beim Kommunikationsinhalt eine genauere Eingrenzung statt. Innerhalb der Weiterempfehlung wird inhaltlich eine Marke, ein Produkt oder eine Dienstleistung thematisiert. Der Rezipient ist Empfänger der Kommunikation über die Marke, das Produkt oder die Dienstleistung und nimmt diese in einer bestimmten Weise wahr. Die Wahrnehmung der Botschaft des Senders durch den Rezipienten wird in der Arbeitsdefinition als nicht © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A.-K. Grötschel, Belohnungen für Online Reviews, Applied Marketing Science / Angewandte Marketingforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26935-7_2

10

Konzeptionelle Grundlagen

wirtschaftlich motiviert eingegrenzt. Somit gilt die Botschaft als Bestandteil einer natürlichen Kommunikation, innerhalb welcher der Kommunikator ohne kommerziellen Hintergrund dem Rezipienten sein Wissen über beispielsweise ein Produkt mitteilt (Vázquez-Casielles/Suárez-Álvarez/Del Rio-Lanza 2013, S. 44). Grundlegend haben unterschiedliche Definitionen der Weiterempfehlung eine inhaltliche Ausrichtung der Weiterempfehlungsbotschaft gemein, die sowohl negativ als auch positiv sein kann (Brown et al. 2005, S. 125; Helm 2000, S. 34). Der fünfte Bestandteil des Kommunikationsprozesses, die Wirkung der Kommunikation, wird innerhalb der Definition der Weiterempfehlung nicht genauer spezifiziert. Zudem bleibt in der basalen Definition der Weiterempfehlung die Kommunikationssituation ebenfalls unberücksichtigt. Im Zuge der Digitalisierung und der zunehmenden Bedeutung neuer Medien haben sich Online Reviews als online übertragene Form der Weiterempfehlung entwickelt. Nach Mudambi und Schuff werden Online Reviews als schriftliche Produktevaluationen von Gleichgesinnten auf Webseiten des evaluierten Unternehmens oder von Dritten definiert (2010, S. 186). Filieri erweitert diese Definition, indem er den Online Review-Begriff als jegliche positive, negative oder neutrale Online Bewertung über ein Produkt oder eine Dienstleistung festsetzt, welche auf einer Rezensionswebseite von einem potentiellen, ehemaligen oder aktuellen Kunden verfasst und veröffentlicht wurde (2015, S. 1262). In Anlehnung an die vorangestellten Definitionen werden Online Reviews innerhalb der vorliegenden Arbeit wie folgt definiert: Online Reviews sind schriftliche Produkt- oder Anbieterevaluationen von Kunden auf Webseiten des evaluierten Unternehmens oder Dritter. Die innerhalb dieser Arbeitsdefinition des Online ReviewBegriffs berücksichtigten und nicht-berücksichtigten Merkmale werden in Tabelle 2-1 dargestellt. Merkmale

Durch Arbeitsdefinition berücksichtigt?

Kommunikationsform



Kommunikationskanal



Evaluation



Sender



Bewertungsobjekt



Bestandteile



Valenz



✓ Merkmal in Arbeitsdefinition berücksichtigt  Merkmal nicht in Arbeitsdefinition berücksichtigt Tabelle 2-1: Merkmale des Begriffs Online Review und die Berücksichtigung in der Arbeitsdefinition Quelle: In Anlehnung an Markert 2007, S. 7-14.

Online Reviews

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Die Online Review Definition stützt sich auf die Festlegung von fünf Merkmalen. So legen Mudambi und Schuff (2010, S. 186) die Schriftform als Kommunikationsform fest. Ferner wird innerhalb der Definition der Kommunikationskanal durch Webseiten des evaluierten Unternehmens oder Dritten beschrieben, wodurch die Empfehlung der gesamten Nutzergemeinschaft des Internets zur Verfügung gestellt wird (Dellarocas 2003, S. 1407). Zudem ist eine beinhaltete Evaluation für ein Online Review grundlegend. Die von Mudambi und Schuff (2010, S. 186) als Gleichgesinnte benannten Sender der Botschaft, welche von Filieri als potentielle, ehemalige oder aktuelle Kunden näher beschrieben sind (2015, S. 1262), werden innerhalb der Arbeitsdefinition als Kunden verstanden. Das innerhalb von Online Reviews thematisierte Bewertungsobjekt kann typischerweise unterschiedlich sein. Nachdem Bücher eines der ersten Rezensionsobjekte waren, werden mittlerweile Online Reviews über eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte, wie z.B. auch Elektronikgüter oder Getränke, verfasst (Chen/Xie 2008, S. 447; Sen/Lerman 2007, S. 77). Die von Mudambi und Schuff (2010, S. 186) vorgenommene Einschränkung auf Produktevaluationen wird innerhalb der vorliegenden Arbeitsdefinition in Anlehnung an Filieri (2015, S. 1262) zusätzlich auf den Bereich der Dienstleistungen erweitert. Im Zuge dieser Erweiterung werden auch Anbieter von Dienstleistungen als Bewertungsobjekt eingeschlossen. Neben den angeführten und modifizierten Definitionen gibt es in der Literatur eine Vielzahl abweichender Definitionen und Abgrenzungen (z.B. Wang/Liu/Fang 2015, S. 375; Zimmermann 2014, S. 28). Andere Arbeiten greifen neben den erläuterten Merkmalen weitere Charakteristika von Online Reviews innerhalb der Begriffsdefinition auf. So können auch die Bestandteile von Online Reviews festgelegt werden (Zimmermann 2014, S. 28). Aufgrund der Flexibilität der Sender Online Reviews zu gestalten und der unterschiedlichen Vorgaben verschiedener Plattformen soll dieser Aspekt in der vorliegenden Arbeit unberücksichtigt bleiben. Außerdem wird die Valenz der Online Reviews innerhalb der genutzten Arbeitsdefinition nicht aufgegriffen bzw. eingegrenzt. Die Valenz eines Online Reviews definiert sich als die inhaltliche Ausrichtung des Beitrags im Sinne von Positivität oder Negativität. Somit spiegelt die Valenz die positive oder negative Meinung des Kunden in Hinblick auf das rezensierte Produkt oder die rezensierte Dienstleistung wider (Gu/Park/Konana 2012, S. 188). Neben dem Fließtext eines Online Reviews, in welchem die Verfasser Vor- und Nachteile des Bewertungsobjektes frei äußern können, kann häufig eine numerische Produktbewertung abgegeben werden (Wang/Liu/Fang 2015, S. 375). Diese numerische Bewertung wird oftmals durch eine Bewertung anhand von Sternen repräsentiert (Kim/Maslowska/Malthouse 2017, S. 34) und umspannt meist fünf Einheiten, wobei „1“ eine sehr negative Produkt- oder Dienstleistungsbewertung widerspiegelt und „5“ für eine sehr positive Bewertung steht (King/Racherla/Bush 2014, S. 170; Chen/Lurie 2013, S. 466). Generell lässt sich die Valenz des Online Reviews, welche gleichbedeutend als Polarität bezeichnet werden kann, sowohl über objektive

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Konzeptionelle Grundlagen

Informationen als auch über subjektive Ausdrücke innerhalb der Nachricht vermitteln (Babić Rosario et al. 2016, S. 301). So fußt die inhaltliche Ausrichtung von Online Reviews auf informativen oder emotionalen Aspekten. Innerhalb informativ geprägter Online Reviews werden rationale Attribute von Dienstleistungen oder Produkten fokussiert. Emotional geprägte Online Review-Valenzen unterbreiten weniger objektive Produktinformationen als vielmehr subjektiv wahrgenommene Eindrücke (Gopinath/Thomas/Krishnamurthi 2014, S. 244). Durch die nicht vorgenommene Spezifikation der Valenz innerhalb der Online Review Arbeitsdefinition werden in der vorliegenden Arbeit Online Reviews jeglicher inhaltlicher Ausrichtung in die weitere Analyse eingeschlossen. Obwohl das grundlegende Konzept von traditionellen Weiterempfehlungen und Online Reviews identisch ist (Gruen/Osmonbekov/Czaplewski 2006, S. 450), unterscheiden sich Online Reviews in verschiedenen Merkmalsdimensionen von der traditionellen Weiterempfehlungsform. Eine Übersicht der Unterschiede zwischen traditionellen Weiterempfehlungen und Online Reviews auf Grundlage identifizierter Charakteristika gibt die folgende Tabelle 2-2. Merkmal

Traditionelle Weiterempfehlungen

Online Reviews

Übertragungsart

mündlich

schriftlich

Kontakttyp

persönlich/direkt

Computer-mediiert

Einsatz nonverbaler Kommunikation

möglich

nicht möglich

Interaktivität

stark

schwach

Öffentlichkeit

versteckte/private Kommunikation

öffentlich sichtbare Kommunikation

Anonymität

nicht-anonym

(in Teilen) anonym

Empfängerkreis

klein

groß

Bindung zu Empfänger

hoch

niedrig

temporärer Ablauf

synchron/in Echtzeit

asynchron

Lebensdauer

kurz

lang

Tabelle 2-2: Begriffsabgrenzung nach Merkmalen von traditionellen Weiterempfehlungen und Online Reviews Quelle: In Anlehnung an Hennig-Thurau/Wiertz/Feldhaus 2015, S. 388 f., Munzel, 2013 S. 17 f.; Chu 2009, S. 17.

Online Reviews

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Traditionelle Weiterempfehlungen unterscheiden sich von Online Reviews hauptsächlich aufgrund unterschiedlicher Ausprägung von zehn Merkmalen. Während die traditionelle Weiterempfehlung von einer mündlichen Übertragungsart gekennzeichnet ist, findet die Kommunikation innerhalb eines Online Reviews in schriftlicher Form statt (McIntyre/McQuarrie/Shanmugam 2016, S. 295 f.; King/Racherla/Bush 2014, S. 170). Damit einhergehend unterscheidet sich der Kontakttyp der beiden Nachrichten. Während die traditionelle Weiterempfehlung zumeist persönlich und im direkten Gespräch übermittelt wird, ist innerhalb des Online Reviews ein Computer als Übertragungsmedium zwischengeschaltet (McIntyre/McQuarrie/Shanmugam 2016, S. 295 f.). Innerhalb der traditionellen Weiterempfehlungen ist der Einsatz nonverbaler Kommunikation, welche den Gesichtsausdruck, Blickkontakt, Gestik und Körperhaltung umfasst (Scherer/Wallbott 1984, S. 5), durch den Sender möglich (Lovett/Peres/Shachar 2013, S. 430). Diese Kommunikationsform ist innerhalb der Computer-mediierten, schriftlichen Online Review Kommunikation auszuschließen (Kim/Gupta 2012, S. 985). Aufgrund dessen und der Tatsache, dass innerhalb der persönlichen, reziproken Kommunikation Rückfragen möglich sind (Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 502), unterscheiden sich die verglichenen Weiterempfehlungsformen auch auf Grundlage der Stärke ihrer Interaktivität. Diese ist im Falle traditioneller Weiterempfehlungen stark ausgeprägt. Ferner findet durch die internetbasierte Kommunikation die Botschaftsübermittlung via Online Review in der Öffentlichkeit sichtbar statt (Eelen/Özturan/Verlegh 2017, S. 874). Damit wird diese Weiterempfehlungsform eher zu einer Veröffentlichung anstelle einer Kommunikation (McIntyre/McQuarrie/Shanmugam 2016, S. 295). Die öffentlich sichtbaren Online Reviews zeichnen sich ferner auch durch ihre Anonymität aus (HennigThurau/Walsh 2004, S. 63), da der Informationsaustausch unter Unbekannten stattfindet (King/Racherla/Bush 2014, S. 170; Kim/Gupta 2012, S. 985). Online Reviews können theoretisch von jedem geschrieben und gelesen werden. Sowohl Experten oder Berater als auch gänzlich Unbekannte können Kommunikator oder Rezipient eines Online Reviews sein (Amblee/Bui 2011, S. 92). Zudem wird die Botschaft eines Online Reviews gegenüber einem großen Empfängerkreis geäußert (Motyka et al. 2018, S. 1034; King/Racherla/Bush 2014, S. 170). Dabei kennen sich die Empfänger der Botschaft untereinander zumeist nicht, sodass Online Reviews folglich ein disperses Publikum aufweisen (Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 589). Im Gegensatz dazu findet die traditionelle Weiterempfehlung zumeist innerhalb einer 1:1-Kommunikation statt. Somit ist bei letzterer Kommunikationsform der Empfängerkreis begrenzt. Die traditionelle Weiterempfehlung zeichnet sich durch ihre persönliche Übertragungsform als nicht-anonym aus, da sie meist unter bekannten Personen stattfindet (Kim/Gupta 2012, S. 985). Dies erklärt die Bindung zu dem Empfänger seitens des Senders, die sich im Falle der traditionellen Weiterempfehlung als hoch und innerhalb von Online Reviews als gering auszeichnet (Sen/Lerman 2007, S. 90). Auch der temporäre Ablauf der Übermittlung

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Konzeptionelle Grundlagen

von traditionellen Weiterempfehlungen und Online Reviews unterscheidet sich. Innerhalb der traditionellen Weiterempfehlung wird eine Botschaft mit kurzer Lebensdauer in Echtzeit übertragen, während die Online Review Kommunikation längerfristig gespeichert wird und dadurch abrufbar bleibt (Eelen/Özturan/Verlegh 2017, S. 874; Burton/Khammash 2010, S. 231; Hennig-Thurau et al. 2010, S. 312). Dementsprechend findet die traditionelle Weiterempfehlungsform synchron statt (Eelen/Özturan/Verlegh 2017, S. 873; Berger 2014, S. 600). Gegensätzlich zeichnet sich die Online Review Kommunikation durch Asynchronität aus (King/Racherla/Bush 2014, S. 170; Lovett/Peres/Shachar 2013, S. 430). So kann der Empfänger steuern, zu welchem Zeitpunkt er ein Online Review liest. Der Empfänger kann die Botschaft zu einem beliebigen Zeitpunkt nach Übermittlung seitens des Senders abrufen, während innerhalb der synchronen Kommunikation im Offline-Kontext typischerweise nur eine geringe Zeitspanne zwischen der Abgabe und der Aufnahme der Weiterempfehlung liegt (Berger 2014, S. 600). 2.1.2 Forschungsstand Um die bestehende Forschung in Bezug auf Online Reviews darzustellen, sind drei Forschungsfelder zu berücksichtigen. Die Einordnung der Forschungsfelder ist in Abbildung 2-1 dargestellt.

Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit

Abschnitt 2.1.2.1

Unternehmenserfolg

Online Review-Valenz

Abschnitt 2.1.2.2

Abschnitt 2.1.2.3

Abbildung 2-1: Drei Forschungsfelder in Bezug auf Online Reviews

Die Einflussfaktoren auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit werden in Abschnitt 2.1.2.1 dargestellt. Die bestehende Literatur über die Einflussfaktoren auf die Online Review-Valenz wird in Abschnitt 2.1.2.2 aufgearbeitet. Innerhalb des Abschnitts 2.1.2.3 werden anschließend die Wirkungen von Online Reviews auf den Unternehmenserfolg diskutiert.

Online Reviews

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2.1.2.1 Einflussfaktoren auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit Innerhalb der bestehenden Forschung wurden verschiedene Einflussfaktoren auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit analysiert. Eine Übersicht zur Einteilung dieser Einflussfaktoren ist in der nachfolgenden Abbildung 2-2 dargestellt. Eine detailliertere Ansicht der Forschungsergebnisse ist Anhang 1 zu entnehmen. Produktcharakteristika (2.1.2.1.1)

Situationscharakteristika (2.1.2.1.2)

Online ReviewAbgabewahrscheinlichkeit

Sendercharakteristika (2.1.2.1.3)

Abbildung 2-2: Einflussfaktoren auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit

Die unterschiedlichen Faktoren, die die Abgabe von Online Reviews beeinflussen, können in produkt-, situations- oder senderspezifische Charakteristika kategorisiert werden. Die Produktcharakteristika werden im folgenden Abschnitt 2.1.2.1.1 thematisiert, bevor die Erläuterung der Situationscharakteristika (Abschnitt 2.1.2.1.2) und der Sendercharakteristika (Abschnitt 2.1.2.1.3) folgt. 2.1.2.1.1 Produktcharakteristika Lovett, Peres und Shachar (2013, S. 440) stellen heraus, dass die Bedeutung einzelner Einflussfaktoren auf die Online Weiterempfehlung im Vergleich zu verschiedenen Einflussfaktoren auf Weiterempfehlungen im Offline-Kontext variiert. So sind soziale Komponenten gefolgt von funktionalen und emotionalen Treibern die wichtigsten Treiber der Online Review-Abgabe. Innerhalb der Offline Weiterempfehlungskommunikation lässt sich eine gespiegelte Reihenfolge der Wichtigkeiten der Treiber ausmachen (Lovett/Peres/Shachar 2013, S. 440). Die sozialen Einflussfaktoren spielen im Kontext von Online Reviews verglichen mit Offline Weiterempfehlungen eine größere Rolle, da die Weiterempfehlungssender sich mittels der Botschaft darstellen möchten und OnlinePlattformen für die Selbstdarstellung ein geeigneteres Medium sind. Emotionale Determinaten hingegen haben im Offline-Kontext eine höhere Bedeutung, da innerhalb der persönlichen Kommunikation emotionalere Konversationen stattfinden (Lovett/Peres/Shachar 2013, S. 438 f.). Neben dieser grundlegenden Unterscheidung, wirken zudem weitere Produktcharakteristika auf die Online Review-Abgabe im Speziellen. Die folgende Abbildung 2-3 gibt

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Konzeptionelle Grundlagen

eine Übersicht und differenziert unterschiedliche Produktcharakteristika, welche als Einflussfaktoren auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit wirken. Produktcharakteristika Premium-Marken (+) Lovett/Peres/Shachar 2013

Interessantheit/Originalität (+) Berger/Iyengar 2013; Moldovan/Goldenberg/Chattopadhyay 2011

Nischenprodukte (+) Dellarocas/Gao/Narayan 2010

Online ReviewAbgabewahrscheinlichkeit

Situationscharakteristika Sendercharakteristika

Abbildung 2-3: Übersicht der Produktcharakteristika als Einflussfaktoren auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit

Die Exklusivität der Marke, die Interessantheit bzw. Originalität eines Produktes sowie dessen Seltenheit beeinflusst die Online Review-Abgabe von Konsumenten. Innerhalb der Weiterempfehlungskommunikation spornen Premium-Marken Konsumenten an, Online Reviews zu veröffentlichen. Dieser Einfluss ist im Falle traditioneller Weiterempfehlungen weniger ausgeprägt. Da online die Tendenz seine eigene Einzigartigkeit darzustellen stärker ist, erhalten Premium-Marken in der Online Kommunikation eine gesteigerte Aufmerksamkeit (Lovett/Peres/Shachar 2013, S. 430 + 440). So neigen Personen in der schriftlichen Online Kommunikation stärker dazu über Produkte, die sich durch eine hohe Interessantheit (Berger/Iyengar 2013, S. 573) bzw. Originalität (Moldovan/Goldenberg/Chattopadhyay 2011, S. 117) auszeichnen, Weiterempfehlungsbotschaften zu äußern. Dies wird zusätzlich durch ein erhöhtes Bedürfnis nach Selbstdarstellung seitens der Sender verstärkt (Berger/Iyengar 2013, S. 573). Originelle Produkte sind neu und unterscheiden sich von bisher bekannten Produkten, wodurch sie interessanter und überraschender erscheinen (Derbaix/Vanhamme 2003, S. 101). Somit animieren originellere Produkte stärker dazu Online Reviews abzugeben als weniger originelle Produkte (Moldovan/Goldenberg/Chattopadhyay 2011, S. 110). Um sich selbst als einzigartig darzustellen und Empfängern zu helfen, werden zudem Nischenprodukte innerhalb von Online Reviews verstärkt thematisiert (Dellarocas/Gao/Narayan 2010, S. 144). Da ein Online Review über ein selteneres Produkt die Einzigartigkeit der eigenen Botschaft verstärkt, erhöht die Seltenheit eines Produktes die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit (Dellarocas/Gao/Narayan 2010, S. 144).

Online Reviews

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2.1.2.1.2 Situationscharakteristika Die nachfolgende Abbildung 2-4 zeigt die Situationscharakteristika, welche die Online Review-Abgabe determinieren. Produktcharakteristika

Situationscharakteristika Anzahl vorhandener Reviews (+) Dellarocas/Gao/Narayan 2010

Positivität vorhandener Reviews (+) Moe/Schweidel 2012

Soziales Risiko (-) Eisingerich et al. 2015

Online ReviewAbgabewahrscheinlichkeit

Informationsbedürfnis (+) Hennig-Thurau et al. 2004

Bezahlung (+) Munzel/Kunz 2014; Hennig-Thurau et al. 2004

Sendercharakteristika

Abbildung 2-4: Übersicht der Situationscharakteristika als Einflussfaktoren auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit

Die Anzahl sowie die Positivität der bestehenden Reviews, soziales Risiko sowie das senderseitige Informationsbedürfnis wirken als Situationscharakteristika auf die Online Review-Abgabe. In Situationen, in denen bereits eine hohe Anzahl an Online Reviews über ein bestimmtes Produkt besteht, neigen Sender dazu, verstärkt Online Reviews über selbige Produkte zu veröffentlichen (Dellarocas/Gao/Narayan 2010, S. 152). So möchte sich ein Konsument an einer aktiven Gemeinschaft beteiligen, die bereits eine Vielzahl an Online Reviews publiziert hat (Dellarocas/Gao/Narayan 2010, S. 132). Zudem beeinflusst die Positivität und somit die Valenz der vorhandenen Reviews das Abgabeverhalten von Kunden. Wird im Rahmen der vorhandenen Online Reviews das Produkt positiv evaluiert, steigt die Anzahl an verfassten Online Reviews (Moe/Schweidel 2012, S. 385). Das situativ empfundene soziale Risiko, welches mit der Veröffentlichung eines Online Reviews verbunden ist, nimmt zusätzlich Einfluss auf die Abgabe von Online Reviews. Online besteht ein erhöhtes soziales Risiko in der Weiterempfehlungssituation. Dieses begründet sich durch einen potentiellen Reputationsverlust des Senders, da ein Online Review, im Gegensatz zu einer traditionellen Weiterempfehlung, einer größeren Menge an Empfängern zugänglich gemacht wird. Die Online ReviewAbgabe geht mit Zunahme des empfundenen sozialen Risikos zurück (Eisingerich et al.

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Konzeptionelle Grundlagen

2015, S. 121 f.). Ist ein Konsument auf der Suche nach Informationen hinsichtlich des Gebrauchs oder der Reparatur eines Produktes, kann der Konsument auch aus diesem Grund ein Online Review verfassen. Da ein eigenes verfasstes Online Review für den Sender die Möglichkeit bietet spezifischere Hilfestellungen zu dem Produkt als Antwort zu erhalten, treibt dies die Online Review-Abgabe an (Hennig-Thurau et al. 2004, S. 4348). Ferner existieren anfängliche Erkenntnisse zu Bezahlungen durch Betreiber einer Webseite, die Kunden zu einer Online Review-Veröffentlichung antreiben (Munzel/Kunz 2014, S. 58 f.; Hennig-Thurau et al. 2004, S. 43 + 48). Bislang wurde allerdings lediglich eine retrospektive Befragung von Individuen, die ein Online Review geschrieben haben, hinsichtlich ihrer Beweggründe durchgeführt (Munzel/Kunz 2014, S. 55; HennigThurau et al. 2004, S. 45). So werden Bezahlungen als ein aufgetretener Beweggrund unter diversen anderen Motiven dargestellt (Munzel/Kunz 2014, S. 58; Hennig-Thurau et al. 2004, S. 50) und nicht tiefergehend analysiert. 2.1.2.1.3 Sendercharakteristika Grundlegend existieren verschiedene Sendertypen, die sich hinsichtlich ihrer Rezensionstätigkeit differenzieren lassen. Sie neigen unterschiedlich stark dazu Online Reviews zu veröffentlichen und dabei publizieren sie Online Reviews zudem aus unterschiedlichen Beweggründen. Mathwick und Mosteller (2017, S. 210-212) typisieren unterschiedliche Online Review-Sender auf Basis ihrer zugrundeliegenden Motivationen als Neutrale-Unabhängige, nach Herausforderungen-Suchende und im Netzwerk-Kooperierende. Ein relativ geringes Produktivitätslevel weisen dabei Rezensenten auf, welche in erster Linie an dem Spaß der Rezensionserstellung interessiert sind und das Online Review-Schreiben eher als Hobby ansehen. Andere Rezensenten legen ein besonderes Augenmerk auf den eigenen Rang innerhalb der Rezensentenbewertungen und möchten mit ihrer Rezensionstätigkeit eigene Bedürfnisse erfüllen. Sie streben danach, sich als kompetent wahrzunehmen. Dabei fühlen sie sich stark zugehörig zur Gruppe der Rezensenten der Review Plattform. Gleichzeitig sind sie die am stärksten engagierte Gruppe in Bezug auf die eigene Rezensionstätigkeit (Mathwick/Mosteller 2017, S. 211 f.). Es lassen sich verschiedene Sendercharakteristika als Einflussfaktoren auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit identifizieren. Eine Übersicht dieser Sendercharakteristika bietet die folgende Abbildung 2-5.

Online Reviews

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Produktcharakteristika Situationscharakteristika Sendercharakteristika Selbstdarstellung (+) Eelen/Özturan/Verlegh 2017; Wu et al. 2016; Packard/Wooten 2013; Cheung/Lee 2012; Hennig-Thurau et al. 2004

Unsicherheit (-) Mukhopadhyay/Chung 2016

Involvement (+) Wolny/Mueller 2013

Online ReviewAbgabewahrscheinlichkeit

Engagement (+) Thakur 2018

Zugehörigkeitsgefühl (+) Munzel/Kunz 2014; Wolny/Mueller 2013; Cheung/Lee 2012; Koh/Hu/Clemons 2010; Hennig-Thurau et al. 2004

Anzahl Freunde/Fans (+) Singh/Nishant/Kitchen 2016

Altruismus (+) Mathwick/Mosteller 2017; Munzel/Kunz 2014; Cheung/Lee 2012; Hennig-Thurau et al. 2004

Loyalität (+) Eelen/Özturan/Verlegh 2017

Abbildung 2-5: Übersicht der Sendercharakteristika als Einflussfaktoren auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit

In der bestehenden Literatur lassen sich acht unterschiedliche Sendercharakteristika identifizieren, die als Einflussfaktoren auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit wirken. Der Wille zur Selbstdarstellung, welcher senderspezifisch unterschiedlich stark ausgeprägt ist, stellt einen Einflussfaktor auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit dar (Wu et al. 2016, S. 233; Cheung/Lee 2012, S. 222). So neigen speziell loyale Kunden stärker dazu, Online Reviews zu veröffentlichen, wenn die jeweilige Marke stark mit dem Selbstbild verbunden ist (Eelen/Özturan/Verlegh 2017, S. 882). Im Online Review-Kontext kann das Bedürfnis der Selbstdarstellung erhöht werden, indem man durch seine Beiträge als Experte von anderen wahrgenommen wird (HennigThurau et al. 2004, S. 43). Die Annahme der eigenen Reputationssteigerung regt somit die Online Review-Abgabe an (Cheung/Lee 2012, S. 222; Hennig-Thurau et al. 2004,

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Konzeptionelle Grundlagen

S. 43-48). Falls Individuen Defizite im eigenen Wissen feststellen, sind sie motiviert diese auszugleichen, indem sie anderen in Form von Online Reviews ihr Wissen signalisieren und somit ihren Selbstwert steigern (Packard/Wooten 2013, S. 446). Dennoch neigen Personen, welche generell instabile Präferenzen aufweisen, weniger stark zur Online Review-Veröffentlichung. So reduziert die eigene Unsicherheit die Online Review-Abgabe, da sie mit einem geringen Selbstvertrauen hinsichtlich ihrer Kaufentscheidung anderen nicht ihre Evaluation darbieten möchten (Mukhopadhyay/Chung 2016, S. 627-633). Ist das Involvement des Individuums allerdings hoch, wie es im Bereich von Bekleidung getestet wurde, motiviert das zur Online Review-Abgabe (Wolny/Mueller 2013, S. 574). Neben dem Involvement wurde zudem das Engagement des Kunden gegenüber einer Marke als Einflussfaktor auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit identifiziert. Das Engagement bezeichnet dabei den psychologischen Zustand eines Kunden, welcher zusätzlich zu der Kauftransaktion zu einer Interaktion mit einer Marke führt. Mit zunehmendem Engagement steigt auch die Online ReviewAbgabewahrscheinlichkeit (Thakur 2018, S. 49-54). Zudem beeinflussen kollektivistisch geprägte Einflussfaktoren die Online Review-Abgabe auf der Seite des Senders. Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe erhöht die Intention Online Reviews über Filme zu verfassen. Dabei richtet sich der Inhalt des Online Reviews nach den vorherrschenden Gesellschaftsnormen, um das kollektivistisch geprägte Bedürfnis der Gruppenzugehörigkeit zu erfüllen (Koh/Hu/Clemons 2010, S. 377-382). Das bestehende Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe, wie zum Beispiel einem Online-Netzwerk, erhöht die Senderintention Inhalte zu teilen und somit die Abgabebereitschaft von Online Reviews (Wolny/Mueller 2013, S. 575; Cheung/Lee 2012, S. 222). Online Review-Sender möchten innerhalb des Online-Netzwerks andere treffen und sich mit einer Gruppe austauschen. Dies beeinflusst ihre Online Review-Abgabebereitschaft positiv (Munzel/Kunz 2014, S. 58; Hennig-Thurau et al. 2004, S. 43-48). Mit steigender Anzahl an Freunden und Fans innerhalb des Online-Netzwerks erhöht sich zudem die Abgabebereitschaft von Online Reviews (Singh/Nishant/Kitchen 2016, S. 1115). Der Wille anderen etwas Gutes zu tun ist außerdem ein einflussnehmender Faktor auf die Online Review-Abgabe. So nimmt Altruismus und die damit verbundene Intention durch die Mitteilung von Erfahrungen innerhalb eines Online Reviews anderen zu helfen, positiven Einfluss auf die Online Review-Abgabe (Cheung/Lee 2012, S. 222; Hennig-Thurau et al. 2004, S. 43-48). Altruistische Motive als Treiber des Online Review-Abgabeverhaltens zeichnen zudem auch Rezensententypen aus, welche weniger an der eigenen Position im Reviewer-Netzwerk interessiert sind und für die die eigene Autonomie und Neutralität in Bezug auf die Veröffentlichung von Online Reviews maßgeblich ist. Unter altruistischen Motiven wird in diesem Kontext der Wille, anderen dabei zu helfen, die richtige Kaufentscheidung zu treffen, verstanden. Diese erhöhen die Online ReviewAbgabe (Mathwick/Mosteller 2017, S. 206-211). Nach Munzel und Kunz (2014, S. 58)

Online Reviews

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können sowohl negative als auch positive Konsumerfahrungen mit altruistischen Bedürfnissen verbunden sein. Durch Altrusimus kann der Wille abgeleitet werden, anderen Kunden Informationen bereitzustellen. Allerdings kann aus diesem Motiv heraus auch der Wille bestehen, dem weiterempfohlenen Unternehmen etwas Gutes zu tun. Beides kann das Online Review-Abgabeverhalten anregen (Munzel/Kunz 2014, S. 58). Zudem nimmt die Loyalität von Kunden Einfluss auf ihre Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit. Speziell loyale Kunden reagieren laut Eelen, Özturan und Verlegh (2017, S. 883) auf den Hinweis, dass Online Reviews hilfreich für die Marke sind und veröffentlichen basierend darauf Online Reviews. 2.1.2.2 Einflussfaktoren auf die Online Review-Valenz Die Literatur identifizierte verschiedene Einflussfaktoren auf die Valenz der abgegebenen Online Reviews. Eine Übersicht dazu ist in Abbildung 2-6 dargestellt. Online ReviewUmgebung (Sridhar/ Srinivasan 2012)

Einflussstärke (Wu et al. 2016)

Verhaltensnormen (Fu/Ju/Hsu 2015) Empfängerbindung (Dubois/Bonezzi/ De Angelis 2016) Produkt-/ Dienstleistungsbeurteilung

+/Fu/Ju/Hsu 2015; Sridhar/Srinivasan 2012

Online ReviewValenz

Abbildung 2-6: Überblick zu den Einflussfaktoren auf die Online Review-Valenz

Grundlegend wird die Positivität bzw. Negativität des verfassten Online Reviews durch die Beurteilung des Produktes oder der Dienstleistung durch den Online Review-Sender determiniert. Es besteht ein positiver Einfluss von positiven Produktaspekten auf die Valenz des veröffentlichten Online Reviews. Negative Produkt- oder Dienstleistungsmerkmale hingegen beeinflussen die Online Review-Valenz negativ (Fu/Ju/Hsu 2015, S. 627; Sridhar/Srinivasan 2012, S. 80). Die Online Review-Umgebung, empfundene Verhaltensnormen, die Bindung zum Empfänger sowie die eigene Einflusstärke beeinflussen den Zusammenhang zwischen der Produkt- bzw. Dienstleistungsbeurteilung und der Online Review-Valenz zusätzlich.

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Konzeptionelle Grundlagen

Die Online Review-Umgebung zum Zeitpunkt der Online Review-Veröffentlichung nimmt Einfluss auf die Produktbeurteilung des Senders innerhalb des verfassten Reviews. So kann die Positivität bzw. Negativität der bereits vorhandenen Online Reviews unterschiedlich sein. Je positiver die durchschnittlich vorherrschende Online ReviewValenz ist, desto weniger stark wirken sich positiv sowie negativ wahrgenommene Produktmerkmale auf die Beurteilung innerhalb des sendereigenen Online Reviews aus. Ist das Produkt jedoch grundlegend fehlerhaft, besteht ein stärkerer negativer Einfluss auf die sendereigene Produktbeurteilung innerhalb eines Online Reviews, falls die vorhandenen Meinungen durchschnittlich positiv sind. Dies wiederum kann durch eine erfolgreiche Fehler-Wiedergutmachung abgeschwächt werden (Sridhar/Srinivasan 2012, S. 80 f.). Dabei wirkt die Einflussstärke der Online Review-Sender als Kontextfakor auf den Zusammenhang zwischen der Online Review-Umgebung und der Online ReviewValenz. Einflussstarke Individuen neigen dabei stärker dazu Online Reviews abzugeben, welche nicht mit der vorherrschend publizierten Meinung übereinstimmen als weniger einflussstarke Individuen. Letztere veröffentlichen eher Online Reviews, die zu der vorherrschenden Auffassung kongruent sind (Wu et al. 2016, S. 233). Zudem wirken empfundene Verhaltensnormen auf die Online Review-Valenz. Falls Individuen generell das Veröffentlichen eines Online Reviews über eine bestimmte Konsumerfahrung als angemessenes Verhalten empfinden, sind sie eher geneigt, positive Evaluationen zu teilen. Sollten sie negative Erfahrungen gesammelt haben, unternehmen sie eher nichts oder beschweren sich direkt beim Unternehmen. Zusätzlich werden Empfängermeinungen antizipiert, wenn subjektive Normen auf Individuen einwirken und die Valenz des verfassten Online Reviews determinieren. So haben subjektiv empfundene Normen einen Einfluss auf das Online Review-Abgabeverhalten, da sie negative Äußerungen in den privaten Bereich verschieben und das Veröffentlichen von positiven Produktevaluationen verstärken (Fu/Ju/Hsu 2015, S. 619-627). Zudem wirkt die Empfängerbindung der Online Review-Sender auf die Online Review-Valenz. Auf Grundlage des Wunsches sich selbst darzustellen, neigen Sender eher dazu, positivere Online Reviews zu schreiben, falls es sich bei dem Empfänger der Produktbeurteilung um weniger vertraute Personen handelt. Besteht jedoch eine engere Bindung zu den Online Review-Empfängern, vermindert sich die Online Review-Valenz basierend auf dem Motiv das Gegenüber zu schützen (Dubois/Bonezzi/De Angelis 2016, S. 723). 2.1.2.3 Wirkungen von Online Reviews auf den Unternehmenserfolg Die Bedeutung von Online Reviews für den Erfolg eines Unternehmens wurde in der Literatur bereits hinreichend belegt. Typischerweise werden Online Reviews von Sendern verfasst, um anderen Konsumenten etwas zu empfehlen oder von einem Kauf abzuraten (Sen/Lerman 2007, S. 77). Verschiedene Studien konzentrierten sich auf die Einflüsse von Online Reviews auf die Kaufabsicht von Konsumenten sowie auch direkt

Online Reviews

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auf die Veränderung der nachgelagerten Absatzzahlen. Beide Größen sollen im weiteren Verlauf der Erläuterungen gleichsam als Approximation des Unternehmenserfolgs verwendet werden. Einen Überblick der Einflüsse auf den Unternehmenserfolg bietet Abbildung 2-7. Online Review-Anzahl (2.1.2.3.1) Online Review-Valenz (2.1.2.3.2)

Unternehmenserfolg

Sendercharakteristika (2.1.2.3.3)

Abbildung 2-7: Überblick zu den Online Review-Einflussfaktoren auf den Unternehmenserfolg

Innerhalb der bestehenden Forschung wurden die Wirkungen der Online Review-Anzahl auf den Unternehmenserfolg betrachtet. Eine Darstellung des Forschungsstandes dazu bietet Abschnitt 2.1.2.3.1 Ferner beeinflussen die Online Review-Valenz (Abschnitt 2.1.2.3.2) sowie die Wirkungen unterschiedlicher Online Review-Sendercharakteristika (Abschnitt 2.1.2.3.3) den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. 2.1.2.3.1 Wirkungen der Online Review-Anzahl Die bestehende Forschung in Hinblick auf die Wirkungen der Anzahl von publizierten Online Reviews über ein Produkt oder eine Dienstleistung weist insgesamt unterschiedliche Ergebnisse auf (Yadav/Pavlou 2014, S. 23). Die folgende Abbildung 2-8 integriert die Studienergebnisse innerhalb eines Modells, welches den Unternehmenserfolg in Abhängigkeit der Anzahl von Online Reviews darstellt.

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Konzeptionelle Grundlagen

Produktlebenszyklusphase

Marchand/Hennig-Thurau/Wiertz 2017; You/Vadekkepatt/Joshi 2015; Cui/Lui/Guo 2012; Dellarocas/Zhang/Awad 2007; Liu 2006

Produktmerkmale

You/Vadakkepatt/Joshi 2015; Cui/Lui/Guo 2012

Situationsmerkmale

Online ReviewAnzahl

You/Vadekkepatt/Joshi 2015; Park/Lee/Han 2007

+ Babic Rosario et al. 2016; Mukhopadhyay/Chung 2016; Kim/Park/Park 2013; Cheung/Thadani 2012; Cui/Lui/Guo 2012; Sun 2012; Amblee/Bui 2011; Moe/Trusov 2011;

Zhu/Zhang 2010; Dhar/Chang 2009; Duan/Gu/Whinston 2008; Li/Hitt 2008; Dellarocas/Zhang/Awad 2007; Park/Lee/Han 2007; Liu 20066

Unternehmenserfolg

Abbildung 2-8: Wirkung der Online Review-Anzahl auf den Unternehmenserfolg

Die unterschiedliche Anzahl von bestehenden Online Reviews über ein Produkt oder eine Dienstleistung beeinflusst den Unternehmenserfolg. Dabei steigert das alleinige Vorhandensein von Online Reviews zu einem bestimmten Produkt die Absatzzahlen im Vergleich zu einer Situation ohne publizierte Online Reviews (Amblee/Bui 2011, S. 106). Dies wird durch die Erkenntnisse von Metaanalysen unterstrichen, welche die positive Wirkung von Online Reviews auf die Absatzzahlen herausstellen. Dieser Effekt bleibt auch langfristig mit voranschreitendem Produkltebenszyklus bestehen (Babić Rosario et al. 2016, S. 314; Cheung/Thadani 2012, S. 465). Mit einer höheren Anzahl veröffentlichter Online Reviews steigen die Absatzzahlen zudem an (Mukhopadhyay/Chung 2016, S. 632; Kim/Park/Park 2013, S. 110; Cui/Lui/Guo 2012, S. 51; Sun 2012, S. 705; Amblee/Bui 2011, S. 106; Moe/Trusov 2011, S. 453; Zhu/Zhang 2010, S. 144; Dhar/Chang 2009, S. 306; Duan/Gu/Whinston 2008, S. 1015; Li/Hitt 2008, S. 468; Dellarocas/Zhang/Awad 2007, S. 39; Park/Lee/Han 2007, S. 135; Liu 2006, S. 86). Dies lässt sich durch die damit hervorgerufene Steigerung der Aufmerksamkeit bezüglich des Produktes (Duan/Gu/Whinston 2008, S. 1015; Liu 2006, S. 86) und der Senkung des Risikos der Kaufentscheidung (Mukhopadhyay/Chung 2016, S. 632) erklären.

Online Reviews

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Zudem kann der Umfang der vorhandenen Online Reviews die Absatzzahlen in einer frühen Phase des Produktlebenszyklus vorhersagen (Dellarocas/Zhang/Awad 2007, S. 39; Liu 2006, S. 86). Innerhalb der ersten Wochen nach der Markteinführung des Produktes hat die Anzahl der vorhandenen Online Reviews einen hohen Einfluss auf die Verkäufe (Marchand/Hennig-Thurau/Wiertz 2017, S. 351). Die absatzsteigernde Wirkung einer höheren Anzahl von Online Reviews nimmt allerdings mit Voranschreiten des Produktlebenszyklus ab (Cui/Lui/Guo 2012, S. 51). So hat die allgemeine Marktsituation einen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Online Reviews und dem Absatz eines einzelnen Unternehmens. Eine Metaanalyse ermittelt einen nicht so starken Zusammenhang zwischen der Online Review-Anzahl und den Absatzzahlen im Falle eines höheren Wettbewerbs verglichen mit einer wettbewerbsärmeren Situation (You/Vadakkepatt/Joshi 2015, S. 35). Verschiedene Produktmerkmale des innerhalb des Online Reviews thematisierten Produktes nehmen zudem Einfluss auf den Zusammenhang zwischen der Anzahl von Online Reviews und dem Unternehmenserfolg. Neben der absatzsteigernden Wirkung von zunehmenden Mengen von Online Reviews im Kontext von Filmen (Duan/Gu/Whinston 2008, S. 1015; Dellarocas/Zhang/Awad 2007, S. 39), wurde selbiger Zusammenhang auch in Bezug auf die Untersuchungsgegenstände Musikalben (Dhar/Chang 2009, S. 306), Bücher (Sun 2012, S. 705) sowie Videospiele (Zhu/Zhang 2010, S. 144) nachgewiesen. Diese Untersuchungsgegenstände lassen sich hinsichtlich ihrer Produktart klar als Erfahrungsgüter klassifizieren. Die Qualität von Erfahrungsgütern kann nur schwerlich vor dem Kauf festgestellt werden (Dhar/Chang 2009, S. 302). Damit unterscheiden sich Erfahrungsgüter von Suchgütern, deren Qualität vor dem Kauf bewertet werden kann (Huang/Lurie/Mitra 2009, S. 57), auch hinsichtlich der Wirkung, die die Anzahl von Online Reviews auf die Absatzzahlen hat (Cui/Lui/Guo 2012, S. 43). Dabei hat die Anzahl der Online Reviews einen größeren positiven Einfluss auf die Absatzzahlen von Erfahrungsgütern verglichen mit Suchgütern (Cui/Lui/Guo 2012, S. 51), denn in diesen Fällen sind die Konsumenten stärker auf die Evaluation anderer in Form von Online Reviews angewiesen (You/Vadakkepatt/Joshi 2015, S. 35). Zudem stellt eine Metastudie heraus, dass eine höhere Anzahl von Online Reviews wirkungsvoller bei langlebigen Produkten verglichen mit Verbrauchsgütern ist. Dies kann durch das höhere Risiko eine falsche Kaufentscheidung zu treffen, erklärt werden (You/Vadakkepatt/Joshi 2015, S. 35). Auch Situationsmerkmale nehmen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen der Anzahl vorhandener Online Reviews über ein bestimmtes Produkt und dem resultierenden Unternehmenserfolg. Speziell für Konsumenten, welche ein geringes Level an Involvement aufweisen, ist die Anzahl an Online Reviews ein wirksamer Treiber der Kaufabsicht. Während hoch involvierte Kunden sowohl durch die Qualität als auch durch die Quantität der vorhandenen Online Reviews im Zuge ihrer Kaufentscheidung beeinflusst

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Konzeptionelle Grundlagen

werden, ist die Quantität für niedrig involvierte Kunden der ausschlaggebende Faktor für ihre Kaufwahrscheinlichkeit (Park/Lee/Han 2007, S. 141). Aufgrund der Informationssteigerung und höheren Vertrauenswürdigkeit haben ein hohes wahrgenommenes Fachwissen sowie eine hohe Glaubwürdigkeit der genutzten Internetseite laut der Metastudie von You, Vadakkepatt und Joshi (2015, S. 35) zusätzlich einen positiven Effekt auf den Zusammenhang zwischen der Online Review-Anzahl und den Absatzzahlen. Gegenläufig wurde allerdings auch im Kontext verschiedener Untersuchungsgegenstände angeführt, dass sich eine Variation in der vorhandenen Menge an Online Reviews nicht auf die Absatzzahlen auswirkt. Dies belegten beispielsweise Gopinath, Thomas und Krishnamurthi (2014, S. 244) in Bezug auf Mobiltelefone sowie Clemons, Gao und Hitt (2006, S. 164) im Kontext von Bier. 2.1.2.3.2 Wirkungen der Online Review-Valenz Es wurden hinsichtlich der Wirkung der Online Review-Valenz auf den Unternehmenserfolg sowohl Evidenzen für das Bestehen eines positiven als auch eines negativen Einflusses steigender Positivität ausgemacht. In diesem Zusammenhang identifizierte die bestehende Literatur zudem verschiedene Kontextfaktoren, die auf den Zusammenhang zwischen der Online Review-Valenz und dem Unternehmenserfolg einwirken. Zudem wurde gegenläufig das Nichtbestehen eines Effektes der Online Review-Valenz auf den Unternehmenserfolg belegt. Zusätzlich widmen sich einige Studien dem Zusammenhang zwischen der Dispersion innerhalb der publizierten Online Reviews, das heißt der Streuung des Evaluationskonsens (He/Bond 2015, S. 1509), und dem Unternehmenserfolg. Eine Übersicht der erforschten Einflüsse bietet Abbildung 2-9.

Online Reviews

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Produktmerkmale

Langan/Besharat/Varki 2016; You/Vadakkepatt/Joshi 2015; Floyd et al. 2014; Ho-Dac/Carson/Moore 2013; Cui/Lui/Guo 2012; Berger/Sorensen/Rasmussen 2010; Zhu/Zhang 2010

Situationsmerkmale

Online ReviewValenz

Kostyra et al. 2016; You/Vadakkepatt/Joshi 2015; Tang/Fang/Wang 2014; Floyd et al. 2014;

Temporäre Merkmale

Kostyra et al. 2016; Mukhopadhyay/Chung 2016; Gopinath/Thomas/Krishnamurthi 2014; Tang/Fang/Wang 2014; Floh/Koller/Zauner 2013; Rui/Liu/Whinston 2013; Sun 2012; Chen/Wang/Xie 2011; Moe/Trusov 2011; Chintagunta/Gopinath/ Venkataraman 2010; Li/Hitt 2008; East/Hammond/Lomax 2008; Clemons/Gao/Hitt 2006; Chevalier/Mayzlin 2006

Online ReviewMerkmale

Minnema et al. 2016; Reimer/Benkenstein 2016

Unternehmenserfolg

+ Online ReviewDispersion -

Marchand/Hennig-Thurau/Wiertz 2017; Moon/Bergey/Iacobucci 2010; Hu/Liu/Zhang 2008

Sun 2012; Moe/Trusov 2011; Dellarocas/Zhang/Awad 2007; Clemons/Gao/Hitt 2006

Babic Rosario et al. 2016; Kostyra et al. 2016 ; Wang/Liu/Fang 2015

Abbildung 2-9: Wirkung der Online Review-Valenz auf den Unternehmenserfolg

Die Online Review-Valenz hat einen direkten Einfluss auf den Unternehmenserfolg. Ein positiver Effekt einer positiven Online Review-Valenz auf die Absatzzahlen und den Erfolg von Unternehmen konnte bereits im Kontext von Büchern (Sun 2012, S. 705; Li/Hitt 2008, S. 468; Chevalier/Mayzlin 2006, S. 354), eBook-Readern (Kostyra et al. 2016, S. 15), Musiktiteln (Mukhopadhyay/Chung 2016, S. 632), Filmen (Rui/Liu/Whinston 2013, S. 870; Chintagunta/Gopinath/Venkataraman 2010, S. 955), Autos (Tang/Fang/Wang 2014, S. 49), Bier (Clemons/Gao/Hitt 2006, S. 165 f.), Mobiltelefonen (Gopinath/Thomas/Krishnamurthi 2014, S. 250) sowie Drogerieartikeln (Moe/Trusov 2011, S. 453) nachgewiesen werden. Die Intensität der Positivität von On-

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Konzeptionelle Grundlagen

line Reviews erhöht zudem die Kaufintention der Leserschaft und somit den Unternehmensabsatz (Floh/Koller/Zauner 2013, S. 655). East, Hammond und Lomax (2008, S. 221) aggregieren die vorhandenen Erkenntnisse und stellen den größeren Einfluss positiver Online Reviews verglichen mit negativen Online Reviews auf die Kaufwahrscheinlichkeit heraus. Dennoch besteht auch die gegensätzliche Ansicht einer stärkeren Wirkung negativer Online Reviews auf Produktabverkäufe verglichen mit der Wirkung positiver Online Reviews (Chen/Wang/Xie 2011, S. 239). Chen, Wang und Xie (2011, S. 246) weisen einen negativen Effekt einer sinkenden Online Review-Valenz auf die Absatzzahlen nach. Hingegen wirken sich neutrale Online Reviews, welche eine ausgewogene Anzahl positiver sowie negativer Urteile enthalten, absatzförderlich aus (Tang/Fang/Wang 2014, S. 49). Der Einfluss der Online Review-Valenz auf die Absatzzahlen eines Unternehmens wird ferner durch die zugrundeliegenden Produktmerkmale mitbestimmt. So ist der Einfluss der Online Review-Valenz stärker, falls es sich um ein Such- verglichen mit einem Erfahrungsgut handelt (Cui/Lui/Guo 2012, S. 50). In diesem Kontext zeigt eine Metastudie die höhere Anfälligkeit von Erfahrungsgütern für Online Review Einflüsse. Erfahrungsgüter haben ein geringes Potential sie vor dem Kauf zu testen und ein geringes Level der Beobachtbarkeit anderer beim Konsum. Die Online Review-Valenz hat in diesem Zusammenhang einen höheren Einfluss auf die Absatzzahlen, denn der potentielle Kunde konnte sich zuvor durch das eigene Testen kein Bild über das Produkt machen bzw. nicht Erfahrungen sammeln, indem er andere beim Konsum beobachtet und greift daher auf Online Reviews zurück (You/Vadakkepatt/Joshi 2015, S. 35). Eine Variation der Produktart zwischen einem hedonistischem und einem utilitaristischem Produkt hat keinen Einfluss auf die Kaufentscheidung und somit den Absatz, wenn die durchschnittliche Valenz der Online Reviews mittelmäßig ausfällt. Nur bei positiver oder negativer Valenz ist der Einfluss auf die Kaufabsicht hedonistischer und utilitaristischer Güter unterschiedlich. Dabei fällt die Kaufintention für hedonistische Produkte höher verglichen mit utilitaristischen Produkten aus (Langan/Besharat/Varki 2016, S. 422). Die Online Review-Valenz hat einen stärkeren Einfluss auf den Produktabsatz, falls das Produkt ein höheres verglichen mit einem geringeren Produktinvolvement aufweist, wie die Metaanalyse von Floyd und Kollegen (2014, S. 226) herausstellt. Zudem beeinflusst die Online Review-Valenz speziell die Absatzzahlen weniger bekannter verglichen mit bekannteren Produkten, da bei vorherrschender Informationsknappheit über das Produkt die vorhandenen Informationen besonders hervorstechen (Zhu/Zhang 2010, S. 144 f.). In diesem Zusammenhang können sogar negative Online Reviews positive Wirkungen auf die Absatzzahlen haben, falls das rezensierte Produkt noch unbekannt ist, da so auf dieses aufmerksam gemacht wird (Berger/Sorensen/Rasmussen 2010, S. 824). Als weiterer Kontextfaktor ist die Markenstärke des rezensierten Produktes von

Online Reviews

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Bedeutung. Positive Online Reviews steigern den Absatz, während negative Online Reviews den Absatz senken, falls es sich um Produkte schwacher Marken handelt. Ein Einfluss positiver oder negativer Online Reviews auf die Absatzzahlen von Produkten starker Marken bleibt hingegen aus (Ho-Dac/Carson/Moore 2013, S. 48). Auch Situationsmerkmale wirken auf den Zusammenhang zwischen der Online Review-Valenz und dem Unternehmensabsatz. So hat die Anzahl von veröffentlichten Online Reviews über ein Produkt neben einem direkten Einfluss auch eine moderierende Wirkung als Kontextfaktor des Effektes der Online Review-Valenz auf die Absatzzahlen. Eine hohe Anzahl vorhandener Online Reviews verstärkt den absatzfördernden Effekt der positiven Online Reviews (Kostyra et al. 2016, S. 15). Ferner wirkt die Valenz weiterer vorhandener Online Reviews als Kontextfaktor auf die Wirkung von positiven bzw. negativen Online Reviews auf die Absatzzahlen. In diesem Zusammenhang wird die Neutralität von Online Reviews unterschieden. So kann neben klar positiven und klar negativen Online Reviews im Zusammenhang neutraler Beiträge in Online Reviews unterschieden werden, welche indifferent sind und somit keine positiven oder negativen Urteile beinhalten und Online Reviews, welche ihre Neutralität aufgrund einer Mischung positiver und negativer Elemente erhalten (Tang/Fang/Wang 2014, S. 43 f.). Eine höhere Anzahl an neutralen Online Reviews mit gemischten Elementen erhöht den positiven Effekt positiver Online Reviews sowie den negativen Effekt negativer Beiträge auf die Absatzzahlen. Eine erhöhte Anzahl indifferenter Beiträge ohne positive oder negative Elemente schwächt hingegen diese Zusammenhänge ab (Tang/Fang/Wang 2014, S. 49). Die Online Review Situation spielt zudem eine einflussnehmende Rolle auf die Absatzzahlen vergleicht man unternehmenseigene Webseiten mit Webseiten Dritter. Online Reviews haben einen höheren Einfluss auf die Absatzzahlen, wenn sie auf Webseiten Dritter zu lesen sind, wie die Metastudie von Floyd und Kollegen (2014, S. 226) feststellt. Ferner verstärken das Fachwissen sowie die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Webseite der Metastudie von You, Vadakkepatt und Joshi (2015, S. 35) folgend den Zusammenhang zwischen der Online Review-Valenz und den Absatzzahlen. Außerdem ermittelt eine Metastudie, dass eine wettbewerbsintensive im Vergleich zu einer weniger wettbewerbsintensiven Situation den Zusammenhang zwischen der Online Review-Valenz und den Absatzzahlen mindert (You/Vadakkepatt/Joshi 2015, S. 35). Auch temporäre Merkmale nehmen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen der Online Review-Valenz und dem Erfolg eines Unternehmens. Zusätzlich verändert sich im Zeitablauf der Einfluss positiver Online Review-Valenz auf die Absatzzahlen. Marchand, Hennig-Thurau und Wiertz (2017, S. 347) weisen in diesem Zusammenhang einen absatzsteigernden Effekt steigender Online Review-Valenz mit zunehmendem Zeitablauf nach Markteinführung des rezensierten Produktes nach. Gegensätzlich wird allerdings auch eine Abschwächung des Online Review-Einflusses auf die Absatzzahlen

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Konzeptionelle Grundlagen

mit fortschreitendem Produktalter nachgewiesen (Hu/Liu/Zhang 2008, S. 212). Im Kontext von Filmverkäufen wurde zudem ein Zusammenhang der Wirkung der Online Review-Valenz und den Werbeausgaben auf die Verkaufszahlen ausgemacht. In den frühen Phasen einer Filmlaufzeit steigen die Absatzzahlen nicht allein auf Grundlage positiver Online Review-Valenz, sondern nur wenn zusätzlich erhöhte Werbeausgaben getätigt werden (Moon/Bergey/Iacobucci 2010, S. 113). Ferner sind unterschiedliche Online Review-Merkmale, also den Online Reviews inhärente Faktoren, einflussnehmend. Ein positiver verglichen mit einem negativen Online Review beeinflusst die Kaufbereitschaft und damit den Absatz des Unternehmens positiv. Allerdings ist dies nur der Fall, wenn der Online Review dem Leser glaubwürdig erscheint (Reimer/Benkenstein 2016, S. 5997). Wird der Online Review als nicht glaubwürdig wahrgenommen, schlägt dies um. Ein negativer Online Review hat verglichen mit einem positiven Online Review aufgrund der zugrundeliegenden Reaktanz auf der Seite des Lesers einen positiveren Effekt auf die Nutzungsabsicht eines Dienstleistungsanbieters im Falle nicht glaubwürdiger Reviews (Reimer/Benkenstein 2016, S. 5997). Die Reaktanz meint dabei ein gegensätzliches Verhalten eines Individuums, welches sich durch seine soziale Umwelt in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt fühlt (Brehm 1966; Brehm 1989, S. 72). Während der positive Einfluss steigender Valenz von Online Reviews auf den Unternehmenserfolg naheliegend erscheint, besteht neben dem erläuterten Boomerangeffekt auf Grundlage der Glaubwürdigkeit (Reimer/Benkenstein 2016, S. 5994) auch ein negativer Effekt positiver Online Reviews basierend auf der Extremheit der Produktbeurteilung. So führen überdurchschnittlich positive Online Reviews zwar zu einem Anstieg der Abverkäufe, jedoch auch zu einer Steigerung der Erwartungshaltung. Bei Erhalt der Ware kann diese Erwartungshaltung nicht erfüllt werden, was wiederum die Produktretouren steigert (Minnema et al. 2016, S. 264). Dies ist als negativer Effekt auf den Unternehmenserfolg zu werten. Die Dispersion der publizierten Online Reviews beschreibt eine hohe Varianz der Valenzen und somit eine Mischung veröffentlichter positiver sowie negativer Meinungen (He/Bond 2015, S. 1509) und beeinflusst den Unternehmenserfolg zusätzlich. Im Extremfall zeigt die Dispersion von Online Reviews, dass es sich um ein Produkt handelt, das manche Kunden lieben und andere Kunden hassen (Sun 2012, S. 697). Im Zuge einer Metaanalyse wird diesbezüglich ausgemacht, dass eine hohe Dispersion von Online Reviews auf Handelsseiten den dortigen Absatzzahlen schadet (Babić Rosario et al. 2016, S. 313). Zunehmende Online Review-Varianz mindert die Absatzzahlen (Wang/Liu/Fang 2015, S. 381). Dabei dämpft eine hohe Varianz der Online Reviews den positiven Effekt von Online Reviews über eBook-Reader, welche eine mittlere bis hohe Positivität aufweisen, auf die Kaufentscheidung der Kunden (Kostyra et al. 2016, S. 15). Allerdings ist die Unsicherheit in Bezug auf das rezensierte Produkt vorteilhaft für durchschnittlich negativ beurteilte eBook-Reader, da die Kaufentscheidung dieser

Online Reviews

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durch eine hohe Varianz der Online Reviews gesteigert wird (Kostyra et al. 2016, S. 24). Die Dispersion der Online Reviews hat allerdings keinen Einfluss auf die Kaufabsicht der Konsumenten, falls die durchschnittliche Bewertung innerhalb der verfügbaren Online Reviews mittelmäßig ausfällt (Langan/Besharat/Varki 2016, S. 422). Auch der Einfluss des Markenwertes und der Glaubwürdigkeit des Online Review-Senders auf die Kaufentscheidung von Konsumenten fällt unterschiedlich je nach Dispersionsgrad der Online Reviews aus. Ein hoher Markenwert im Vergleich zur Glaubwürdigkeit des Senders hat einen stärkeren Einfluss auf die Kaufintention bei vorliegender hoher Dispersion der Online Reviews (Langan/Besharat/Varki 2016, S. 426). Zudem zeigen Zhu und Zhang (2010, S. 144) im Kontext von Videospielen auf, dass eine zunehmende Varianz der Evaluationen den Verkaufszahlen weniger bekannter Produkte schadet. Es bestehen auch gegensätzliche Erkenntnisse, welche eine Erhöhung der Absatzzahlen auf Basis einer höheren Variation publizierter Meinungen aufzeigen (Moe/Trusov 2011, S. 453). Diese Ergebnisse liefern auch Dellarocas, Zhang und Awad (2007, S. 40), indem sie einen positiven Effekt der Dispersion auf die Absatzzahlen im Kontext von Filmen belegen und Clemons, Gao und Hitt (2006, S. 166), die eine Erhöhung der Absatzrate auf Grundlage steigender Dispersion ausmachen. Im Kontext von Buchverkäufen wird zudem ein höherer Absatz basierend auf einer höheren Dispersion der Evaluationen unter der Bedingung einer geringen durchschnittlichen Produktbeurteilung nachgewiesen (Sun 2012, S. 705). Während sich die erwähnten Studien mit ihren Untersuchungsgegenständen (eBook-Reader, Videospiele, Filme, Bücher) eher auf hedonistische Güter fokussiert haben, zeigt eine vergleichende Studie unterschiedliche Wirkungen von utilitaristischen im Vergleich zu hedonistischen Gütern in Bezug auf den Einfluss der Dispersion von Online Reviews auf. Eine höhere Dispersion der Valenz führt zu geringeren Kaufabsichten bei utilitaristischen im Vergleich zu hedonistischen Produkten. Dieser Effekt wird gemildert, wenn die durchschnittliche Online Review-Valenz sich in positive Richtung verändert (Langan/Besharat/Varki 2016, S. 426). Allerdings belegen verschiedene Untersuchungen auch ein Nicht-Bestehen einer Wirkung der Online Review-Valenz auf die Absatzzahlen eines Unternehmens (Kim/Park/Park 2013, S. 110; Amblee/Bui 2011, S. 106; Duan/Gu/Whinston 2008; S. 1015; Liu 2006, S. 86). Somit wird die Überzeugungswirkung dieser Weiterempfehlungsbotschaften in Frage gestellt (Duan/Gu/Whinston 2008, S. 1015). Die fehlende Relevanz der Entscheidung kann als Erklärungsansatz für das Ausbleiben eines Effektes angeführt werden. So ist für Kinobesucher beispielsweise das Anschauen eines Kinofilms eine reine Freizeitaktivität, die mit geringen Kosten verbunden ist (Kim/Park/Park 2013, S. 110), wodurch die Online Review Bewertung an Bedeutung verliert. Tang, Fang und Wang (2014, S. 49) stellen speziell keinen Einfluss von Online Reviews, welche inhaltlich vollkommen neutral ohne positive und negative Elemente verfasst sind, auf die Absatzzahlen fest.

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Konzeptionelle Grundlagen

2.1.2.3.3 Wirkungen der Sendercharakteristika In der bestehenden Literatur wurden unterschiedliche Merkmale der Sender von Online Reviews als einflussnehmende Variablen im Zusammenhang von Online Reviews und dem Unternehmenserfolg untersucht. Sender unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Bekanntheit in Online-Netzwerken, je nachdem wie aktiv sie hinsichtlich der Online Review-Veröffentlichung sind. So haben verschiedene Online Review-Valenzen von aktiven und somit bekannten Sendern einen größeren Einfluss auf den Produktabsatz im Vergleich zu unterschiedlich positiven und negativen Online Reviews von Verfassern mit geringerer Aktivität hinsichtlich des Verfassens von Online Reviews (Hu/Liu/Zhang 2008, S. 206-210). Eine Offenlegung der Senderidentität der Verfasser von Online Reviews hat eine positive Wirkung auf die Absatzzahlen verglichen mit dem Ausbleiben der personenbezogenen Informationen. Dies wird zusätzlich durch eine geografische Nähe zwischen Sender und Empfänger des Online Reviews verstärkt (Forman/Ghose/Wiesenfeld 2008, S. 305). Dieses Ergebnis wird zudem im Speziellen in Bezug auf soziale Netzwerke innerhalb einer Metastudie bestätigt. Die Ergebnisse zeigen eine Steigerung der Effektivität von Online Reviews bei einer größeren Menge veröffentlichter Senderdetails (Babić Rosario et al. 2016, S. 313). Insbesondere haben Online Reviews von Nutzern, denen durch ein größeres soziales Netzwerk in den sozialen Medien gefolgt wird, im Vergleich zu Nutzern mit weniger Anhängern einen stärkeren Einfluss auf die Absatzzahlen von Unternehmen (Rui/Liu/Whinston 2013, S. 869). Zudem unterscheiden sich Online Review-Sender hinsichtlich der Qualität der von ihnen veröffentlichten Beiträge. Die Qualität wiederum determiniert die Wirkung von Online Reviews auf den Unternehmenserfolg. Im Kontext von Büchern, DVDs und Videos ist der Einfluss von positiven verglichen mit negativen Online Reviews auf die Absatzzahlen unterschiedlich, falls es sich um Sender handelt, die hoch qualitative Bewertungen publizieren. Es gibt allerdings keine Unterschiede in den Absatzzahlen durch verschiedene Online Review-Valenzen, falls die Rezensenten Botschaften mit geringerer Qualität verbreiten (Hu/Liu/Zhang 2008, S. 209 f.). 2.2 Incentivierungen Im Folgenden wird zunächst der Begriff der Incentivierung in Abschnitt 2.2.1 bestimmt. In diesem Zuge werden unterschiedliche Einsatzgebiete von Incentivierungen aufgegriffen und aus der Abgrenzung der unterschiedlichen Konzepte die Arbeitsdefinition von Incentivierungsangeboten für Online Reviews abgeleitet. Im Anschluss daran wird der Forschungsstand zum Thema Incentivierungen in Abschnitt 2.2.2 aufgearbeitet.

Incentivierungen

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2.2.1 Begriffsbestimmung Die nachfolgende Definition der Incentivierung beruht auf dem Prinzip der Nominaldefinition. Diese ist neben der Realdefinition eine der beiden Möglichkeiten, welche zur Festlegung eines Begriffs genutzt werden kann (Sarris 1990, S. 142; Mayntz/Holm/Hübner 1978, S. 15). Innerhalb der Realdefinition werden die möglichen Ausprägungen oder Beispiele des zu definierenden Begriffs aufgezählt, welche in der Realität vorzufinden sind (Sarris 1990, S. 142; Mayntz/Holm/Hübner 1978, S. 16) und werden vorliegend unter dem Begriff Incentivierung zusammengefasst. Eine solche Vorgehensweise ist in diesem Zusammenhang allerdings problematisch, da es in der Realität eine Vielzahl unterschiedlicher Incentivierungen gibt, welche verschiedenartig ausgestaltet sind und divers eingesetzt werden. Die Nominaldefinition bestimmt die Bedeutung, die einem Terminus zukommen soll und legt somit das Wort fest, mit welchem fortan ein Gegenstand benannt wird (Mayntz/Holm/Hübner 1978, S. 16). Ein Begriff wird daher mittels einer Nominaldefinition durch einen anderen ersetzt (Sarris 1990, S. 142). Somit werden in diesem Kontext verschiedene Charakteristika festgelegt, welche eine Incentivierung ausmachen. Bei Vorliegen dieser Charakteristika ist demnach von einer Incentivierung zu sprechen. Die Arbeitsdefinition von Incentivierungen, die dem Prinzip der Nominaldefinition folgt, wird im Rahmen dieser Arbeit an die Version der Definition von Incentivierung von Locke (1968, S. 161) angelehnt: „An external incentive is defined as an event or object external to the individual which can incite action”. Lockes Definition umfasst demnach auch nicht-monetäre Incentivierungen wie Lob oder Anerkennung durch Dritte, welche vorliegend nicht in die Definition eingeschlossen werden. Die innerhalb dieser Arbeit verwendete Definition legt die Incentivierung sowohl als ein Geschehnis als auch ein Objekt fest, welches seinen Ursprung außerhalb des angesprochenen Individuums hat, durch einen monetären Wert bemessen werden und eine Handlung des Individuums auslösen kann. Generell veranlassen Incentivierungen Individuen zu einem bestimmten Verhalten und können somit im Rahmen der Motivationsforschung erklärt werden (Campbell 1995, S. 1). Die Motivationen eines Individuums beschreiben die Treiber, das Verlangen oder die Wünsche einer Person, welche dem Ausführen eines Verhaltens zugrunde liegen (MacInnis/Jaworski, 1989, S. 4; Bayton 1958, S. 282). So veranlasst die Motivation ein Individuum “being moved to do something” zu sein (Ryan/Deci 2000, S. 54). Motivation ist abhängig von dem Zusammenspiel interner und externer Faktoren (Heath 1976, S. 27). Gemäß der Argumentation Heaths (1976, S. 27), liegt der intrinsischen Motivation ein interner Zustand zugrunde, während eine extrinsische Motivation aus einem äußeren beobachtbaren Einfluss einer bestimmten Situation erfolgt. So sind Individuen intrinsisch motiviert eine Sache zu tun, falls die Ausübung dieser Tätigkeit an sich beispielsweise Spaß bereitet und werden extrinsisch motiviert, wenn eine externe Belohnung stattfindet, welche losgelöst von der betrachteten Tätigkeit ist (Cho/Perry 2012, S.

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Konzeptionelle Grundlagen

384; Amabile 1993, S. 186). Wenn Incentivierungen eingesetzt werden, erhalten Individuen erstrebenswerte Konsequenzen, welche in Abhängigkeit eines nachprüfbaren Verhaltens stehen (Silverman et al. 2016, S. 97). Innerhalb des Incentivierungsbegriffs lassen sich verschiedene Arten von Incentivierungen unterscheiden, welche in Abbildung 2-10 dargestellt sind. Incentivierungen

monetär

nicht-monetär

gegenständlich

normativ

Abbildung 2-10: Übersicht der Arten von Incentivierungen

So sind monetäre von nicht-monetären Incentivierungen zu differenzieren. Als monetäre Incentivierungen lassen sich Barauszahlungen oder Checks bezeichnen (Church 1993, S. 65). Somit lässt sich die monetäre Incentivierung in Geldwert bemessen. Im Gegensatz dazu können nicht-monetäre Incentivierungen gegenständlicher Natur sein und beispielsweise die Ausgabe von Zusatzprodukten beinhalten (Church 1993, S. 65). Ferner lassen sich normative Incentivierungen innerhalb der nicht-monetären Incentivierungen einordnen. Diese drücken sich beispielsweise in der Einhaltung gesellschaftlicher Normen wie der Reziprozitätsnorm aus (Garnefeld/Iseke/Krebs 2012, S. 19). Zudem kann der Auszahlungszeitpunkt einer Incentivierung unterschiedlich sein. Zum einen kann die Auszahlung einer Incentivierung der Verrichtung der motivierten Tätigkeit vorausgehen. Zum anderen kann der Auszahlungszeitpunkt nach der verrichteten Tätigkeit liegen (Church 1993, S. 63). Ein weiteres Unterscheidungskriterium im Hinblick auf eine Bestimmung des Incentivierungsbegriffs ist die Leistungsabhängigkeit. Mittels leistungsunabhängiger Incentivierungen wird die bloße Ausführung eines bestimmten Verhaltens honoriert. Ein Individuum muss die motivierte Aktivität nicht zwangsläufig gut ausführen oder vollenden, um die Incentivierung zu erhalten (Ryan/Deci 2000, S. 25). Gegensätzlich können Incentivierungen an die Erbringung einer bestimmten Leistung innerhalb des fokussierten Verhaltens geknüpft sein und sind somit als leistungsabhängig zu bezeichnen. Beispielsweise stellen Incentivierungen die am weitesten verbreitete Form von Motivationsinstrumenten in Hinblick auf die Steigerung der Mitarbeiterproduktivität dar (Chung/Narayandas 2015, S. 1; Paarsch/Shearer 2000, S. 59). Innerhalb leistungsabhängiger Vergütungen wird somit nicht nur eine Incentivierung für die bloße Ausführung

Incentivierungen

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der Arbeitsaufgabe gesetzt, sondern höhere Arbeitsqualitäten im Sinne des Unternehmens gezielt motiviert (John/Weitz 1989, S. 2). Incentivierungen etablierten sich als gebräuchliches Marketinginstrument. Insbesondere werden Incentivierungen zur Stimulation von Weiterempfehlungen eingesetzt. Dabei tritt eine unternehmensseitige Aktivität auf, durch welche die zwischen den Konsumenten ausgesprochene Weiterempfehlung erst entsteht (Libai et al. 2010, S. 270; Godes/Mayzlin 2009, S. 723). So werden beispielsweise innerhalb traditioneller Weiterempfehlungs-programme nicht kommerzielle Beziehungen genutzt, um kommerzielle Botschaften zu verbreiten (Pongjit/Beise-Zee 2015, S. 721). Bei traditionellen Weiterempfehlungsprogrammen handelt es sich um das unternehmensseitige Angebot einer Belohnung für Bestandskunden. Um die Belohnung zu erhalten, müssen diese im Gegenzug Neukunden akquirieren (Meyners et al. 2017). Als Grundlage dieser Arbeit soll folgende Eingrenzung als Arbeitsdefinition des Begriffs herangezogen werden: Traditionelle Weiterempfehlungsprogramme sind unternehmensinitiierte und -kontrollierte Instrumente (Schmitt/Skiera/van den Bulte 2011), welche die bestehenden sozialen Kontakte von Kunden nutzen (Garnefeld et al. 2013), um Weiterempfehlungen zu stimulieren. Innerhalb dieser Kampagnen werden Kunden durch Incentivierungen motiviert, die Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens ihrer Familie, ihren Freunden oder Bekannten weiterzuempfehlen (Biyalogorsky/Gerstner/Libai 2001, S. 83). Werden die Empfänger der Weiterempfehlung selbst Kunden beim Unternehmen, händigt das Unternehmen die Prämie aus (Helm 2000, S. 315). Neben traditionellen Weiterempfehlungsprogrammen finden Incentivierungen zur Stimulation von Weiterempfehlungen insbesondere im Online-Kontext innerhalb von Produkttesterprogrammen Anwendung. Mit Hilfe dieser Programme regen Hersteller, Händler oder Dritte proaktiv die Veröffentlichung von Online Reviews an (Kim et al. 2016, S. 412). Üblicherweise werden ausgewählten Personen innerhalb solcher Programme Incentivierungen in Form von Produkten oder Produktproben kostenlos zugesendet, verbunden mit der Anfrage, Weiterempfehlungen über diese Produkte oder Produktproben abzugeben (Chae et al. 2017, S. 89; Petrescu et al. 2017, S. 289; Kozinets et al. 2010, S. 72). Dabei wird in zunehmenden Maße das Veröffentlichen von Online Reviews über das erhaltene Produkt eingefordert (Chae et al. 2017, S. 89; Kim et al. 2016, S. 412). Die Veröffentlichung der Online Reviews findet innerhalb dieser Programme dann auf Social Media-Webseiten oder Händler-Webseiten statt (Petrescu et al. 2017, S. 289). Vorliegend wird unter Produkttesterprogrammen das Zusenden von kostenlosen Produkten oder Produktproben an unternehmensseitig ausgewählte Personen, welche als Gegenleistung ein bzw. mehrere Online Review(s) über das erhaltene Produkt verfassen, verstanden. Generell besteht augenblicklich auf dem Gebiet der Produkttesterprogramme ein geringer Forschungsstand, sodass innerhalb dieser Arbeit lediglich eine Abgrenzung der Begrifflichkeiten erfolgen soll.

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Konzeptionelle Grundlagen

Die Strategie des Angebots von Incentivierungen für die Online Review-Veröffentlichung weist einige Gemeinsamkeiten zu traditionellen Weiterempfehlungsprogrammen als auch gegenüber dem Einsatz von Produkttesterprogrammen auf. In entscheidenden Dimensionen lassen sich diese drei Strategien jedoch voneinander abgrenzen. Eine Übersicht der Abgrenzung der Strategie des Incentivierungsangebots von Online Reviews von den beiden verwandten Konzepten basierend auf ihren Unterscheidungsmerkmalen wird in Tabelle 2-3 dargestellt.

Traditionelle Weiterempfehlungsprogramme meistens mündlich persönlich / direkt nicht anonym gering hoch private Kommunikation positive Nachricht gegeben nach Weiterempfehlung eigene Kaufeintscheidung selbstbestimmte Teilnahme öffentlich

Merkmal

Übertragungsart

Kontakttyp

Senderanonymität

Größe des Empfängerkreises

Bindung zum Empfänger

Öffentlichkeit

Inhaltliche Vorgabe

Notwendigkeit der Neukundenakquirierung

Zeitpunkt der Incentivierung

Ursprünglicher Kauf

Auswahl der Sender

Incentivierungsangebot

privat

selbstbestimmte Teilnahme nach Angebot

eigene Kaufentscheidung

nach Weiterempfehlung

nicht gegeben

keine

öffentlich sichtbare Kommunikation

keine

groß

(in Teilen) anonym

Computer-mediiert

schriftlich / online

Incentivierungsangebot für Online Reviews

öffentlich /privat

Anbieterseitige Auswahl

kein Kauf erfolgt

vor Weiterempfehlung

nicht gegeben

keine

öffentlich sichtbare Kommunikation

keine

groß

(in Teilen) anonym

Computer-mediiert

meistens schriftlich / online

Produkttesterprogramme

Incentivierungen 37

Tabelle 2-3: Begriffsabgrenzung der Incentivierung von Online Reviews von verwandten Maßnahmen

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Konzeptionelle Grundlagen

Die innerhalb der natürlich auftretenden Weiterempfehlungen aufgezeigten Merkmale haben auch in Bezug auf die unternehmensseitig stimulierten Weiterempfehlungen Bestand: Die Weiterempfehlung wird innerhalb von Weiterempfehlungsprogrammen mündlich, im direkten Kontakt und persönlich gegenüber einer bekannten Person geäußert. Dabei ist der Empfängerkreis zumeist relativ begrenzt und die Bindung des Senders zu dem Empfänger hoch. Von diesen Merkmalen grenzt sich die Strategie des Angebots von Incentivierungen für Online Reviews und die Produkttesterprogramme übereinstimmend ab. Beide Konzepte werden durch meistens schriftliche, Computer-mediierte Kommunikation gekennzeichnet, welche zumindest in Teilen anonym erfolgt. Dabei richten sich die Weiterempfehlungen an eine relative große Gruppe zu der typischerweise keine persönliche Bindung besteht. Während Weiterempfehlungen im Rahmen von traditionellen Weiterempfehlungsprogrammen innerhalb privater Kommunikation ablaufen, werden Botschaften innerhalb von incentivierten Online Reviews als auch basierend auf Produkttesterprogrammen öffentlich geäußert. Gemäß der Definition beinhalten Weiterempfehlungen innerhalb von traditionellen Weiterempfehlungsprogrammen die Restriktion eines positiven Nachrichteninhalts, da eine Neukundenakquise notwendig ist (Lobel/Sadler/Varshney 2017, S. 3515). Kontrastierend dazu gibt es bei der Strategie des Incentivierungsangebots für Online Reviews als auch bei Produkttesterprogrammen keine inhaltlichen Restriktionen. Die Auszahlung der Incentivierung ist typischerweise nicht an die Neukundenakquise gebunden, sodass diese bei beiden Konzepten nicht konstituierend ist. Traditionelle Weiterempfehlungsprogramme und die Strategie des Incentivierungsangebots für Online Reviews weisen zudem übereinstimmende Merkmale auf, welche sich gleichsam von entsprechenden Charakteristika der Produkttesterprogramme abgrenzen lassen. Der Zeitpunkt der Incentivierung liegt sowohl bei traditionellen Weiterempfehlungsprogrammen als auch bei Incentivierungsangeboten für Online Reviews nach der Abgabe der Empfehlung, während Produkttestern vor der Weiterempfehlung die Belohnung in Form des zu rezensierenden Produktes zugestellt wird. So liegen bei traditionellen Weiterempfehlungen und innerhalb der Strategie der Incentivierungsangebote für Online Reviews zunächst eigene Kaufentscheidungen der Weiterempfehlungssender vor, welche unabhängig von der später folgenden Belohnung erfolgen. Innerhalb von Produkttesterprogrammen mangelt es an diesen freien Kaufentscheidungen und somit auch an mit Kaufentscheidungen verbundenen Risiken, wie z.B. Fehlinvestitionen (Kaplan/Szibillo/Jacoby 1974, S. 289). Für traditionelle Weiterempfehlungsprogramme ist zudem eine senderseitige, freie Entscheidung an dem Programm teilzunehmen, um mittels der Weiterempfehlung die Belohnungsauszahlung anzustreben, charakteristisch. Hinsichtlich dieser freien Entscheidung gibt es eine Einschränkung innerhalb der Incentivierungsangebote für Online Reviews, da ein solches Incentivierungsangebot erst durch das jeweilige Unternehmen ausgeprochen werden muss bevor der Kunde sich

Incentivierungen

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selbstbestimmt für oder gegen die Teilnahme entscheiden kann. Diesbezüglich unterscheiden sich Produkttesterprogramme, welche klassischerweise eine anbieterseitige Auswahl der Teilnehmer, zum Beispiel auf Grundlage der Reviewer-Aktivität (Petrescu et al. 2017, S. 289), beinhalten. Alle drei Konzepte unterscheiden sich voneinander in Hinblick auf die Öffentlichkeit des Belohnungsangebots. Innerhalb traditioneller Weiterempfehlungsprogramme werden das Angebot und der Ablauf der Programme öffentlich sichtbar kommuniziert. Das Angebot von Incentivierungen von Weiterempfehlungen läuft im Gegensatz dazu im Verborgenen ab, da das Incentivierungsangebot privat mitgeteilt wird. Beispielsweise wird ein entsprechender Flyer, der eine Incentivierung im Gegenzug zu der Veröffentlichung eines Online Reviews anbietet, in dem gelieferten Paket neben dem bestellten Produkt versendet. Innerhalb von Produttesterprogrammen lassen sich sowohl Fälle der versteckten Kommunikation eines solchen Programms als auch die allgemein öffentliche Ankündigung von Produkttesterprogrammen finden (Sun/Dong/McIntyre 2017, S. 329). In Abgrenzung zu traditionellen Weiterempfehlungsprogrammen sowie Produkttesterprogrammen soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Strategie Incentivierungen für die Online Review-Veröffentlichung anzubieten wie folgt definiert werden: Incentivierungen für Online Reviews sind monetäre oder nicht-monetäre Belohnungen, die Hersteller oder Dienstleister ihren Kunden im Gegenzug zu einem Online Review anbieten. 2.2.2 Forschungsstand Der Forschungsstand beleuchtet zunächst in Abschnitt 2.2.2.1 Incentivierungen, die zur Beeinflussung von Konsumentenverhalten eingesetzt werden. Im anschließenden Abschnitt 2.2.2.2 fokussiert die Aufarbeitung des Forschungsstandes Studienergebnisse über Incentivierungen innerhalb von traditionellen Weiterempfehlungsprogrammen. 2.2.2.1 Incentivierungen zur Beeinflussung von Konsumentenverhalten Es gibt eine Reihe von Faktoren, welche die Motivation, das Engagement und die Leistung von Individuen in Bezug auf die Ausführung spezifischer Tätigkeiten beeinflussen (Goldsmith/Dhar 2013, S. 364). Innerhalb verschiedener Kontexte werden Incentivierungen bereits eingesetzt (Silverman et al. 2016, S. 97) und erhalten auch in der Forschung besondere Aufmerksamkeit (Meloy/Russo/Gelfand Miller 2006, S. 267). Im Allgemeinen wird eine Leistungssteigerung innerhalb einer Aktivität unterstellt, falls diese incentiviert wird (Gneezy/Rustichini 2000, S. 791). Basierend auf der intuitiven Annahme, dass Leistung mit Aufwand verbunden ist und dieser üblicherweise vermieden wird, haben monetäre Incentivierungen positive Konsequenzen (Gneezy/Rustichini 2000, S. 791). Innerhalb der bestehenden Literatur wurden Incentivierungen, die zur

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Konzeptionelle Grundlagen

Beeinflussung von Konsumentenverhalten unternehmensseitig eingesetzt werden, bereits im Zusammenhang unterschiedlicher Einsatzgebiete analysiert. So werden vor allem die Bereiche Marketingmaßnahmen, Umfrageteilnahmen, Informationsverbreitung und Gesundheitsförderung fokussiert. Marketingmaßnahmen verwenden Incentivierungen zur Steigerung des wirtschaftlichen Erfolgs des Unternehmens. Dabei unterliegen Loyalitätsprogramme in besonderem Maße dem Prinzip der Incentivierung. Ein Loyalitätsprogramm ist ein unternehmensseitig eingesetztes Marketinginstrument, welches Kunden für wiederholte Käufe belohnt (Kumar/Reinartz 2012, S. 184). In diesem Zusammenhang stellt bereits eine Vielzahl von Studien die Wirkung von Incentivierungen auf das Konsumentenverhalten dar (z.B. Meyer-Waarden 2007; Lewis 2004; Yi/Jeon 2003). Die Analyse unterschiedlicher Incentivierungsarten zeigte dabei beispielsweise, dass Incentivierungen, welche an eine Bedingung geknüpft sind, weniger stark auf die Teilnahmebereitschaft von Konsumenten hinsichtlich Loyalitätsprogrammen wirken als restriktionslose Incentivierungen (Kim/Ahn 2017, S. 847). Im Kontext von Zeitungen konnte außerdem nachgewiesen werden, dass kleinere anstatt höherwertige Incentivierungen verwendet werden sollten, um bestmöglich auf das Wiederkaufverhalten von Konsumenten einzuwirken (Scott 1976, S. 266 f.). Kleinere Incentivierungen, deren Auszahlungen sicher sind, werden auch höherwertigen, unsicheren Incentivierungen vorgezogen, falls der Aufwand, um die Incentivierung zu erhalten, hoch ist (Kivetz 2003, S. 494). Ferner ist eine verzögerte Incentivierungssauszahlung einer sofortigen Incentivierungsauszahlung innerhalb von Loyalitätsprogrammen vorzuziehen, falls der Kunde eine zufriedenstellende Dienstleistungserfahrung hatte (Keh/Lee 2009, S. 133). Eine sofortige Incentivierung im Vergleich zu einer verzögerten Incentivierung erhöht zudem den Nutzen des Loyalitätsprogramms, falls der Teilnehemer ein geringes Involvement in Bezug auf die Produktkategorie vorweist. Hat der Kunde ein hohes Involvement, haben direkt der eigentlichen Unternehmensleistung zuzurechnende Incentivierungen einen positiveren Einfluss auf den empfundenen Nutzen des Loyalitätsprogramms, als indirekte Incentivierungen, die unabhängig von der Unternehmensleistung sind (Yi/Jeon 2003, S. 237). Neben Loyalitätsprogrammen machen sich auch andere unternehmensseitig eingesetzte Marketingmaßnahmen Incentivierungen zu Nutze und werden innerhalb bestehender Forschung analysiert. Neben dem Einsatz des Marketinginstrumentes der traditionellen Weiterempfehlungsprogramme, welches im nachfolgenden Abschnitt 2.2.2 detaillierter beleuchtet wird, werden angrenzende Gebiete in Bezug auf Incentivierungen zur Weiterempfehlungsstimulierung untersucht und beispielsweise die Ausgabe von Produktproben analysiert (Holmes/Lett 1977). Die Ausgabe von Geschenken in Form eines Produktes erhöht die Weiterempfehlungsabgabe, während Geschenke wie Produktproben, welche als Incentivieungen ausgegeben werden, keinen Einfluss auf die Weiterempfeh-

Incentivierungen

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lungsabgabe im Offline-Kontext haben (Berger/Schwartz 2011, S. 874). Incentivierungen fördern zudem und in besonderem Maße für Meinungsführer das Weiterleiten von Emails mit Produktempfehlungen an bekannte Mitglieder in Online-Netzwerken (Shi/Wojnicki 2014, S. 84-87). Eine Auseinandersetzung mit dem Produkt, um Produkteigenschaften kennen zu lernen, ist ebenfalls durch Incentivierungen stimulierbar. Dies wird im Allgemeinen in der Vorkaufphase eingesetzt. Eine Incentivierung kann in diesem Kontext die Auseinandersetzung mit einer Werbebotschaft anregen. Heslin und Johnson (1992; S. 213 f.) belegen, dass Incentivierungen, die Verbrauchern für das Treffen der besten Kaufentscheidung in Aussicht gestellt werden, die Betrachtungszeit der Werbebotschaft und das Erinnern der aufgenommenen Informationen erhöhen. Dies gilt vor allem für Personen, welche ein geringes Involvement aufweisen und hat den geringsten Einfluss auf bereits gut über das Produkt informierte Individuen (Heslin/Johnson 1992; S. 217). Gelbrich, Gäthke und Hübner (2017, S. 862) untersuchen, ob der Einsatz von Incentivierungen die Retoure-Wahrscheinlichkeit der Kunden von Online Shops beeinflusst. Incentivierungen, die genutzt werden, damit Produkte von Kunden behalten werden, senken demnach deren Retoureabsichten. Dabei wurden beispielsweise Incentivierungen späterer Käufe durch kostenlosen Versand eingesetzt (Gelbrich/Gäthke/Hübner 2017, S. 862). Der Vergleich verschiedenartiger Incentivierungen ergab, dass Spenden für wohltätige Zwecke verglichen mit monetären Rabatten eine stärker positive Wirkung auf die Kaufentscheidung haben, wenn hedonistische Produkte, wie beispielsweise Süßigkeiten, verglichen mit utilitaristischen Produkten, wie beispielsweise Schreibwaren, beworben werden (Strahilevitz/Myers 1998, S. 440). Auch die Wirkung von Incentivierungen auf Umfrageteilnahmen wurde in der bestehenden Literatur untersucht. Untersuchungen fokussieren dabei sowohl verschiedene Incentivierungshöhen, Incentivierungsarten oder Auszahlungszeitpunkte (Ryu/Couper/Marans 2006, S. 89). Es wurde dabei eine erhöhte Antwortbereitschaft auf Umfragen bzw. eine erhöhte Bereitschaft zur Teilnahme an Experimenten bei einem Einsatz einer monetären Incentivierung im Vergleich zu keiner Incentivierung ausgemacht (Jobber/Saunders/Mitchell 2004, S. 23; Singer/Van Hoewyk/Maher 2000, S. 186; Church 1993, S. 72; James/Bolstein 1990, S. 359; Hansen 1980, S. 81; Heberlein/Baumgartner 1978, S. 456). Allerdings wurde auch ein Nicht-Bestehen einer Beeinflussung von Teilnahmen an Befragungen durch monetäre Incentivierungen oder Incentivierungen in Form von Geschenken im Online-Kontext gezeigt (Premazzi et al. 2010, S. 76). Die bestehende Forschung auf dem Gebiet belegte außerdem eine schnellere Antwortreaktion (Hansen 1980, S. 81) und eine Reduzierung unvollständiger Fragebögen (Singer/Van Hoewyk/Maher 2000, S. 185) in Abhängigkeit von Incentivierungen. Zudem steigert sich der positive Effekt einer monetären Incentivierung auf die Studienteilnahme mit zunehmender Incentivierungshöhe, was die Bedeutung des monetären Wertes neben der symbolischen Wirkung impliziert (Jobber/Saunders/Mitchell 2004, S. 23;

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Konzeptionelle Grundlagen

James/Bolstein 1990, S. 359; Kanuk/Berenson 1975, S. 447). Im Allgemeinen sind monetäre Incentivierungen am wirksamsten, da sie einfach verteilt werden können und den Empfängern den größten Nutzen bieten (Ryu/Couper/Marans 2006, S. 91; Kanuk/Berenson 1975, S. 447). Die Nutzung einer monetären anstatt nicht-monetären Incentivierung, welche vor dem Ausfüllen eines Fragebogens anstatt danach distribuiert wird, ist dabei eine effektive Strategie (Warriner et al. 1996, S. 545 f.; Church 1993, S. 75). Eine Incentivierung in Form des Versprechens eine Spende zu tätigen, wenn ein Fragebogen ausgefüllt wird, erhöht die Rücklaufquote der Fragebögen nicht (Warriner et al. 1996, S. 558). So geht eine stärker positive Wirkung von Lotterieteilnahmen oder Incentivierungen in Form von Gutscheinen im Vergleich zur Wirkung von Spenden aus, deren Tätigung den Studienteilnehmern in Aussicht gestellt wird (Deutskens et al. 2004, S. 29). Allerdings bleiben Erkenntnisse über die Auswirkungen von Incentivierungen auf die Qualität der Antworten gegensätzlich. Neben einer Steigerung der eingesetzten Mühen in Abhängigkeit von genutzten Incentivierungen, welche zum Beispiel längeren Antworttexten zu entnehmen ist (James/Bolstein 1990, S. 359), wurde auch eine Qualitätsminderung ausgemacht: So sind die Antworten der Teilnehmer kürzer und unvollständiger (Hansen 1980, S. 81). Dies erklärt Hansen mit der Selbstwahrnehmungstheorie, der zur Folge die Selbstverpflichtung zu einer Aufgabe geringer ist, falls diese extern entlohnt wird (1980, S. 81). Eine Veränderung der Antwortqualität basierend auf der Verwendung unterschiedlicher Incentivierungen wurde jedoch nicht belegt (Deutskens et al. 2004, S. 29). Zudem kann die Informationsverbreitung durch den Einsatz von Incentivierungen beeinflusst werden. So neigen Käufer stärker dazu, einem Online Verkäufer Feedback zu geben, falls dieser eine monetäre Incentivierung ausreichender Höhe einsetzt (Cabral/Li 2015, S. 2058). Die Bereitschaft Informationen auf Online Community-Plattformen zu teilen, wird ebenfalls durch Incentivierungen erhöht (Garnefeld/Iseke/Krebs 2012, S. 27; Yen/Hsu/Huang 2011, S. 106). Dabei steigern sowohl monetäre als auch normative Incentivierungen die Bereitschaft Beiträge zu veröffentlichen (Garnefeld/Iseke/Krebs 2012, S. 20-22). Incentivierungen finanzieller Art motivieren ferner dazu Informationen bezüglich Neuproduktentwicklungen zu offenbaren. So beteiligen sich Konsumenten eher an unternehmensinitiierten Neuproduktentwicklungen auf virtuellen Plattformen, falls eine finanzielle Incentivierung geboten wird (Füller 2006, S. 644). In diesem Zusammenhang lässt sich auch die Kreativität der teilnehmenden Kunden in Innovationsprozessen durch Incentivierungen beeinflussen. Durch monetäre Incentivierungen fokussieren sich die Kunden auf ihre Leistung und die Originalität ihrer Beiträge steigt (Mehta/Dahl/Zhu 2017, S. 549). Allerdings erhöhen angebotene finanzielle Incentivierungen im Kontext der Bereitstellung privater, persönlicher Informationen auch Bedenken gegenüber der Offenlegung der Informationen (Andrade/Kaltcheva/Weitz 2002, S. 352).

Incentivierungen

43

Verschiedene Studien betrachten Incentivierungen zur Stimulierung gesundheitsförderlichem Verhaltens (z.B. Toker-Yildiz et al. 2017; Raju/Rajagopal/Gilbride 2010). In diesem Zusammenhang definieren sich Incentivierungen zur Gesundheitsintervention als jegliche Belohnung für gesunde Verhaltensweisen (Raju/Rajagopal/Gilbride 2010, S. 94). Das Angebot von Incentivierungen steigert die Entscheidung für gesunde Lebensmittel verglichen mit einer Situation, in der keine Incentivierungen dafür eingesetzt werden (Raju/Rajagopal/Gilbride 2010, S. 100). Toker-Yildiz und Kollegen (2017, S. 365) belegen den positiven Effekt von Incentivierungen im Rahmen gesundheitsförderlichen Verhaltens anhand von Incentivierungen zur Steigerung der Teilnahme an unternehmensinternen Gesundheitsprogrammen für Mitarbeiter. Das in Aussicht stellen von Incentivierungen in Form von monetären Auszahlungen für gegangene Schritte erhöht dabei das intendierte Verhalten und fördert die erneute Nutzung dieser gesundheitsförderlichen Maßnahme (Toker-Yildiz et al. 2017, S. 365), sodass langfristig eine höhere Mitarbeitergesundheit zum Unternehmenserfolg beitragen kann. Auch verschiedene andere gesundheitsförderliche Verhaltensweisen, welche durch den Einsatz von Incentivierungen positiv beeinflusst werden, wie z.B. die Nutzung eines Anschnallgurtes im Auto oder die Aufgabe des Tabakkonsums, wurden in der bestehenden Literatur untersucht. Da diese Inhalte nicht direkt in Verbindung mit der Steigerung des Unternehmensabsatzes bzw. dem Unternehmenserfolg stehen, werden solche Erkenntnisse vorliegend nicht vorgestellt. Eine Übersicht der bestehenden Literatur bieten beispielsweise Gneezy, Meier und Rey-Biel (2011, S. 206) oder Raju, Rajagopal und Gillbride (2010, S. 94). 2.2.2.2 Incentivierung von Weiterempfehlungen innerhalb traditioneller Weiterempfehlungsprogramme Verschiedene Aspekte der unternehmensseitigen Stimulierung von Kundenempfehlungen wurden innerhalb der Literatur aufgearbeitet. Grundlegend erscheint hierbei die Analyse der Wirkungen der Weiterempfehlungsabgabe (Abschnitt 2.2.2.2.1). Wurde eine Weiterempfehlung innerhalb eines traditionellen Weiterempfehlungsprogramms abgegeben, nimmt diese sowohl einen Einfluss auf den Empfehlungssender (Abschnitt 2.2.2.2.2) als auch auf den Empfehlungsempfänger (Abschnitt 2.2.2.2.3). 2.2.2.2.1 Wirkungen auf die Weiterempfehlungsabgabe Die bisherige Literatur bestätigt zumeist positive Wirkungen von Incentivierungen innerhalb der traditionellen Weiterempfehlungsprogramme auf die Weiterempfehlungsabgabe (z.B. Ryu/Feick 2007, S. 88; Wirtz/Chew 2002, S. 155). Die Wirkung von Incentivierungen ist jedoch an verschiedene Kontextfaktoren gebunden. Eine Übersicht der Ergebnisse bietet Tabelle 2-4.

44

Konzeptionelle Grundlagen Autor(en)

Hauptergebnisse

Methode

Kontext

Stumpf/ Baum 2016

• Die wahrgenommene Kongruenz von Incentivierung und Marke übt einen positiven Einfluss auf die IncentivierungsAttraktivität aus • Diese beeinflusst wiederum positiv die Weiterempfehlungsbereitschaft mediiert durch die Marken-Bewertung

Laborexperimente

Jin/Huang 2014

• Nicht-monetäre Incentivierungen erhöhen die Weiterempfehlungsabsicht stärker als monetäre Incentivierungen • Hohe Incentivierungen sowie die Aufteilung der Incentivierung zwischen Sender und Empfänger gleichen den Unterschied zwischen nicht-monetärer und monetärer Incentivierung aus

Laborexperimente, Offline Feldexperiment

Ahrens/ Coyle/ Strahilevitz 2012

• Incentivierungen erhöhen die Weiterempfehlungen • Mit steigender Incentivierungshöhe steigt Felddie Weiterempfehlung experiment • Eine höhere Sender- im Vergleich zur Empfängerbelohnung steigert die Weiterempfehlungsabgabe

Online

Wirtz et al. 2012

• Die Vorstellung, wie man von Anderen wahrgenommen werden könnte (MetaPerzeption), beeinflusst die Weiterempfehlungsbereitschaft • Incentivierungen können die Weiterempfehlungsbereitschaft weniger stark beeinflussen, wenn eine negative Wahrnehmung durch Andere erwartet wird

Qualitative Interviews, Laborexperimente

Offline

Kornish/Li 2010

• Incentivierung sollte mit wachsendem Verantwortungsbewusstssein des Senders anderen gegenüber wachsen

Analytische Offline Modellierung

Offline

Incentivierungen Autor(en)

45 Hauptergebnisse

Methode

Kontext

Ryu/Feick 2007

• Incentivierungen steigern die Weiterempfehlungsabgabe • Gleichzeitige Incentivierung von Sender und Empfänger ist dabei effektiver als alleinige Sender-Incentivierung Labor• Effektivität gleichzeitiger Sender- und experimente Empfänger-Incentivierung im Vergleich zu alleiniger Sender-Incentivierung ist von der Beziehungsstärke abhängig • Incentivierung ist effektiver bei schwachen Marken

Offline

Wirtz/Chew 2002

• Mit steigender Incentivierungshöhe steigt die Weiterempfehlungsabsicht • Der positive Einfluss von steigenden InLaborcentivierungen auf die Weiterempfehexperiment lungsabgabe ist bei hoch zufriedenen Kunden stärker

Offline

• Im Falle einer mittelmäßig ausgeprägten BiyaloBegeisterungsfähigkeit des Senders steigorsky/Gerstgern Incentivierungen die Weiterempfehner/ lungsabsicht Libai 2001

Analytische Offline Modellierung

Tabelle 2-4: Studienergebnisse zur Wirkung traditioneller Weiterempfehlungsprogramme auf die Weiterempfehlungsabgabe

Zum einen spielen Merkmale des Senders der Weiterempfehlung eine Rolle. Zwar erhöhen Incentivierungen mit steigender Höhe die Weiterempfehlungsbereitschaft zufriedener Kunden, allerdings tendieren unzufriedene Kunden eher dazu Botschaften über das Unternehmen zu verbreiten, wenn keine Incentivierung geboten wird (Wirtz/Chew 2002, S. 154). Zudem sollte eine Incentivierung einer Weiterempfehlung im Vergleich zu einer Reduzierung des Kaufpreises als Stimulierung von Weiterempfehlungen speziell bei mittelmäßig begeisterungsfähigen Kunden eingesetzt werden. Mit sinkender Begeisterungsfähigkeit der Kunden sollte die Incentivierungshöhe steigen, um auch schwer zu begeisternde Kunden zu einer Weiterempfehlung zu bewegen (Biyalogorsky/Gerstner/Libai 2001, S. 92). Zudem hängt die Weiterempfehlungsbereitschaft von dem Verantwortungsbewusstsein der Sender gegenüber den Weiterempfehlungsempfängern ab. Bei einem höheren Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Empfängern muss die

46

Konzeptionelle Grundlagen

Incentivierungshöhe ebenfalls steigen, um die Kunden zu einer Weiterempfehlung zu motivieren (Kornish/Li 2010, S. 117). Ferner wurden in Bezug auf die Incentvierungsart abweichende Wirkungen unterschiedlicher Incentivierungshöhen ausgemacht. Ryu und Feick (2007, S. 88) finden keinen Anstieg der Weiterempfehlungsbereitschaft, wenn die Incentivierung erhöht wird. Jedoch können verschiedene Incentivierungshöhen die Wirkung unterschiedlicher Incentivierungsarten beeinflussen bzw. ausgleichen. Eine hohe Incentivierung kann demnach die unterschiedliche Wirksamkeit nicht-monetärer und monetärer Incentivierungen ausgleichen. Monetäre im Vergleich zu nicht direkt monetären Belohnungen, wie beispielsweise kleine Produktzugaben, sind schwieriger für den Belohnungsempfänger zu rechtfertigen (Jin/Huang 2014, S. 109). Aufgrund der höheren sozialen Kosten, die somit mit der Annahme einer monetären Belohnung im Vergleich zu einer nicht-monetären Belohnung einhergehen, wirken letztere effektiver auf die Weiterempfehlungsabgabe. Steigt allerdings der Wert der Incentivierung, werden die sozialen Kosten kompensiert und der Wirkungsunterschied ausgeglichen (Jin/Huang 2014, S. 115). Einhergehend mit der Antizipation der sozialen Kosten als Einflussfaktor basierend auf zwischenmenschlichen Beziehungen nimmt auch die Sender-Empfänger-Bindung Einfluss auf das Weiterempfehlungsverhalten bei Incentivierungen. Die Weiterempfehlungsbereitschaft wird weniger stark angeregt, wenn der potentielle Sender erwartet, dass die Incentivierung für die Weiterempfehlung die Wahrnehmung seiner Person durch andere in negative Richtung beeinflusst. Die mediierende Wirkung der erwarteten Wahrnehmung durch andere (Metaperzeption) meint die Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die Weiterempfehlungssender in Angesicht einer Incentivierung. Diese Metaperzeption entscheidet letztlich über die Weiterempfehlung (Wirtz et al. 2012, S. 93). Besteht eine enge Bindung zwischen dem Sender der Weiterempfehlung und ihrem Empfänger, nimmt eine Incentivierung keinen Einfluss auf die Weiterempfehlungsabgabe. Handelt es sich jedoch um eine schwache Bindung zwischen Sender und Empfänger, steigert eine Incentivierung die Weiterempfehlungsabgabe. Im Falle weniger enger Bindungen haben die sozialen Kosten eine nicht mehr so starke Bedeutung und somit werden die finanziellen Vorteile der Belohnung nicht mehr durch die sozialen Kosten abgewertet (Ryu/Feick 2007, S. 88 f.). Ferner nimmt die Aufteilung der Incentivierung zwischen Sender und Empfänger einen Einfluss auf die Weiterempfehlungsbereitschaft in Abhängigkeit von der jeweiligen Bindungsstärke. Während innerhalb enger Bindungen die Aufteilung eine untergeordnete Rolle spielt und tendenziell eine Belohnung beider oder des Empfängers naheliegt, ist die Incentivierung des Senders innerhalb schwacher Bindungen effektiver

Incentivierungen

47

(Ryu/Feick 2007, S. 90). Auch die mit monetären Incentivierungen verbundenen sozialen Kosten für den Sender können durch eine Incentivierungsaufteilung zwischen den beiden Parteien ausgeglichen werden (Jin/Huang 2014, S. 115). Die Marke des empfohlenen Produktes beeinflusst zusätzlich die Wirksamkeit von Incentivierungen in Bezug auf die Weiterempfehlungsabgabe. So beeinflusst das Angebot einer Incentivierung im Vergleich zu keiner Incentivierung die Weiterempfehlungsabgabe stärker positiv, wenn es sich um eine schwache Marke handelt im Vergleich zu einer starken Marke. Dies kann durch das geringe Markencommitment und die höhere Bedeutung des Preises im Falle schwacher Marken erklärt werden (Ryu/Feick 2007, S. 88). Dennoch gibt es auch widersprüchliche Ergebnisse. Während Weiterempfehlungen starker Marken durch Incentivierungen innerhalb von traditionellen Weiterempfehlungsprogrammen nicht beeinträchtigt werden, wirken sich die Incentivierungen auf die Weiterempfehlungen schwacher Marken negativ aus. Dies ist wiederum auf die erhöhten sozialen Kosten der Weiterempfehlung einer schwachen Marke basierend auf Incentivierungsangeboten zurückzuführen. Hierbei ist die Weiterempfehlung schwieriger zu rechtfertigen und kann somit auch das Selbstbild angreifen (Jin/Huang 2014, S. 111). Passt die gebotene Incentivierung zur Marke des betrachteten Unternehmens wird die Incentivierung als attraktiver wahrgenommen, was wiederum die Markenbewertung verbessert und somit die Weiterempfehlungsbereitschaft erhöht (Stumpf/Baum 2016, S. 551). Auch online durchgeführte traditionelle Weiterempfehlungsprogramme wurden bereits in der Literatur analysiert. Konsumenten leiten demnach eher die Einladung, sich auf einer Online-Plattform für Vergünstigungen zu registrieren, per Email an ihre Freunde weiter, wenn für die Neukundenakquise eine Incentivierung angeboten wird. In diesem Zusammenhang steigt ferner die Bereitschaft der Weiterempfehlung per Email mit zunehmender Belohnungshöhe. Wird innerhalb des Weiterempfehlungsprogramms die Incentivierung auf die beteiligten Akteure Sender und Empfänger aufgeteilt, wird die Weiterempfehlungsabgabe stärker erhöht, falls der Sender und nicht der Empfänger die größere Belohnung erhält (Ahrens/Coyle/Strahilevitz 2012, S. 1039-1044). 2.2.2.2.2 Wirkungen auf den Weiterempfehlungssender Neben den Auswirkungen der Incentivierungen auf die Abgabe der Weiterempfehlung wurde auch die langfristige Wirkung auf den Sender der Weiterempfehlung innerhalb eines solchen Programms untersucht. Die Studienergebnisse werden in Tabelle 2-5 überblicksartig dargestellt.

48

Konzeptionelle Grundlagen Autor(en)

Hauptergebnisse

Methode

Kontext

Garnefeld et al. 2013

• Kundenbindung des Senders erhöht sich durch die Teilnahme an einem traditionellen Weiterempfehlungsprogramm • Zusammenhang von Teilnahme und Kundenbindung ist bei neuen Kunden-Unternehmen-Beziehungen stärker

Kuester/ Benkenstein 2014

• Eine Empfehlungsabgabe entgegen der eigenen Produkteinstellung verbessert die Produkteinstellung des Senders und dessen LaborexperiLoyalität zum Anbieter Offline mente • Die Einstellungsveränderung und Loyalitätszunahme tritt nur bei kleinen Incentivierungen auf

Analyse von Kundendaten; Offline Laborexperiment

Tabelle 2-5: Studienergebnisse zur Wirkung traditioneller Weiterempfehlungsprogramme auf den Sender

Kunden, die innerhalb eines traditionellen Weiterempfehlungsprogramms eine Weiterempfehlung ausgesprochen haben, sind dem empfohlenen Unternehmen gegenüber loyaler (Kuester/Benkenstein 2014, S. 901; Garnefeld et al. 2013, S. 27). Dies ist über das Streben nach Konsistenz zu erklären, welches durch das eigene Verhalten in Einklang mit der abgegebenen Weiterempfehlung erreicht wird. Der Zusammenhang der Weiterempfehlung innerhalb des Weiterempfehlungsprogramms und zukünftiger Loyalität ist dabei stärker, falls es sich um eine neue Beziehung zwischen Kunden und Unternehmen handelt (Garnefeld et al. 2013, S. 23-26). Zudem tritt die Loyalitätssteigerung bei einem Weiterempfehlungssender, welcher an einem traditionellen Weiterempfehlungsprogramm teilnimmt, auch bei einer nicht zufriedenen Einstellung gegenüber dem Produkt auf. Nimmt eine Person trotz nicht zufriedener Einstellung an einem Weiterempfehlungsprogramm teil, um die Incentivierung zu erhalten, passt sie ihre Einstellung gegenüber des empfohlenen Produktes in positive Richtung an, um nach innerer Konsistenz zu streben. Zudem erhöht sich die Loyalität gegenüber dem Anbieter. Diese Veränderungen treten allerdings nur bei kleinen Incentivierungshöhen auf (Kuester/Benenstein 2014, S. 901).

Incentivierungen

49

2.2.2.2.3 Wirkungen auf den Weiterempfehlungsempfänger Die Incentivierung der Weiterempfehlung im Rahmen traditioneller Weiterempfehlungsprogramme nimmt ferner Einfluss auf den Empfänger. Eine Übersicht des Forschungsstandes hinsichtlich der Wirkungen traditioneller Weiterempfehlungsprogramme auf den Weiterempfehlungsempfänger bietet die folgende Tabelle 2-6. Autor(en)

Hauptergebnisse

Methode

Kontext

Meyners et al. 2017

• Effektivität der Kampagne als Neukundengewinnungsinstrument nimmt im Zeitablauf Analyse von Offline Kundendaten ab

Pongjit/ Beise-Zee 2015

• Incentivierungen von Weiterempfehlungen haben einen negativen Effekt auf die Empfängereinstellung gegenüber der Marke LaborexperiOnline • Dieser negative Effekt ist stärker für mone- ment täre Incentivierungen und bei hoher Fachkenntnis des Senders

Verlegh et al. 2013

• Incentivierungen von Weiterempfehlungen führen zu negativen Empfänger-Reaktionen • Dieser negative Effekt kann durch eine Laborexperistarke Sender-Empfänger-Beziehungen und mente; Befra- Offline eine Incentivierungsaufteilung zwischen gung Sender und Empfänger abgeschwächt werden

• Ahrens/ Coyle/ Strahilevitz • 2012

Schmitt/ Skiera/ van den Bulte 2011

Incentivierungen für die Registrierung auf Online-Verkaufsplattformen fördern die ReFeldexperigistrierung und die Kaufbereitschaft ment Mit steigender Incentivierungshöhe steigt die Registrierung und die Kaufbereitschaft

Online

• Durch Kampagnen akquirierte Kunden besitzen zu Beginn der Geschäftsbeziehung einen höheren Deckungsbeitrag als über an- Analyse von Offline dere Kanäle gewonnene Neukunden Kundendaten • Durch die Kampagne akquirierte Kunden weisen eine längere Vertragslaufzeit auf

Tabelle 2-6: Studienergebnisse zur Wirkung traditioneller Weiterempfehlungsprogramme auf den Emp fänger

50

Konzeptionelle Grundlagen

Eine Weiterempfehlung im Rahmen eines traditionellen Weiterempfehlungsprogramms erhalten zu haben, nimmt Einfluss auf die Einstellung sowie auf das Verhalten des Empfängers. Der Empfänger einer Weiterempfehlungsbotschaft nimmt beispielsweise an, dass der Sender die Weiterempfehlung allein auf Grundlage eigennütziger Motive äußert, was wiederum den seitens des Empfängers wahrgenommenen Empfehlungsnutzen abwertet (Pongjit/Beise-Zee 2015, S. 721 f.). Die Effektivität des traditionellen Weiterempfehlungsprogramms in Bezug auf die Empfängerreaktionen verändert sich jedoch mit zunehmendem Zeitablauf. Während zu Beginn der Maßnahme die Weiterempfehlungen erfolgreich Neukunden anwerben, welche ohne Weiterempfehlungsprogramm nicht gewonnen worden wären, nimmt dieser Effekt mit zunehmenden Zeitablauf ab (Meyners et al. 2017, S. 394). Je mehr Kunden bereits erfolgreich akquiriert wurden, was gleichsam eine zunehmende Anzahl von Weiterempfehlungssendern impliziert, desto weniger effektiv werden die innerhalb der Kampagne verwendeten Belohnungen. Das Unternehmen hat sich nach gewissem Zeitablauf bereits durch Weiterempfehlungen herumgesprochen und potentielle Kunden wechseln mit höherer Wahrscheinlichkeit auch ohne Belohnung zu diesem Unternehmen. Somit steigt der Anteil derer, welche die Belohnung nicht zu einem Unternehmenswechsel benötigt hätten und die Effektivität des Weiterempfehlungsprogramms sinkt folglich (Meyners et al. 2017, S. 391). Innerhalb eines traditionellen Weiterempfehlungsprogramms akquirierte Kunden sind ferner profitabler als über anderweitige Kanäle gewonnene Kunden, da sie einen höheren Deckungsbeitrag aufweisen. Dieser gleicht sich allerdings mit der Zeit an. Dennoch lässt sich durch diese Art der Kundenakquise die Abwanderungswahrscheinlichkeit langfristig reduzieren (Schmitt/Skiera/Van den Bulte 2011, S. 53). Generell kann eine Incentivierung der Weiterempfehlung auch zu negativen Empfängerreaktionen führen. Diese werden jedoch reduziert, wenn der Empfänger nach einer Weiterempfehlung gefragt hat (Verlegh et al. 2013, S. 671). Die Bindung zwischen Sender und Empfänger bildet auch in diesem Wirkungszusammenhang einen Kontextfaktor. Innerhalb schwächerer Bindungen führt die Incentivierung stärker zu einer negativen Empfängerreaktion. Diese wird innerhalb enger Beziehungen nur dann verstärkt, wenn der Sender der Weiterempfehlung die Incentivierung und damit seinen Ansporn zur Weiterempfehlung offenlegt (Verlegh et al. 2013, S. 675). Der negative Effekt von Incentivierungen für Weiterempfehlungen innerhalb schwacher Beziehungen auf den Empfänger kann durch eine Aufteilung der Incentivierung zwischen Sender und Empfänger oder den Einsatz einer anderen Incentivierungsart, z.B. einer nicht-monetären Incentivierung, abgeschwächt werden (Verlegh et al. 2013, S. 678 f.). Auch im Online-Kontext beleuchten Studien traditionelle Weiterempfehlungsprogramme und fokussieren dabei die Wirkungen auf den Empfänger der Weiterempfehlung. In diesem Zusammenhang findet eine erfolgreiche Neukundenakquise statt, wenn sich der Weiterempfehlungsempfänger auf einer Webseite, die beispielsweise eine

Incentivierungen

51

Dienstleistung anbietet, registriert (Pongjit/Beise-Zee 2015, S. 725; Ahrens/Coyle/Strahilevitz 2012, S. 1039). Ahrens, Coyle und Strahilevitz (2012, S. 1039-1044) weisen eine Steigerung der Registrierungsbereitschaft auf Online-Plattformen für vergünstige Käufe nach, falls die Weiterempfehlungsempfänger für ihre Teilnahme eine Incentivierung erhalten. Mit ihrer Registrierung steigt dann auch die Kaufabsicht innerhalb dieser Online-Plattform. Beide positiven Incentivierungswirkungen werden zudem mit zunehmender Incentivierungshöhe gesteigert (Ahrens/Coyle/Strahilevitz 2012, S. 10391044). Ein negativer Effekt basierend auf einem traditionellen Weiterempfehlungsprogramm online ist auf die Einstellung des Empfängers zur Marke ausgemacht worden. Die Einstellung zur Marke wird besonders dann verschlechtert, wenn der Sender der Weiterempfehlung für die erfolgreiche Neukundenakquise auf einer Webseite eine monetäre Belohnung anstatt einer non-monetären Belohnung erhält (Pongjit/Beise-Zee 2015, S. 723-727). Zudem beeinflusst die Wahrnehmung des Senders durch den Empfänger den negativen Einfluss der Incentivierung auf die Markeneinstellung. Mit zunehmenden Fachwissen des Senders wird dieser Effekt verstärkt (Pongjit/Beise-Zee 2015, S. 725-728).

3

Entwicklung des Untersuchungsmodells

Um zunächst auf theoretischer Basis die Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit zu beantworten, folgt eine theoretische Analyse der psychologischen Mechanismen von Empfängern von Incentivierungsangeboten für das Online Review-Schreiben. Dazu werden zunächst innerhalb von Abschnitt 3.1 die theoretischen Grundlagen der Arbeit erläutert. Darauf aufbauend sollen Verhaltensabsichten der Kunden, wenn ein Incentivierungsangebot für die Online Review-Veröffentlichung erfolgt, erklärt werden. Ziel des Kapitels ist die Herleitung von Hypothesen (Abschnitt 3.2), die das Untersuchungsmodell darstellen. 3.1 Theoretische Grundlagen Da die bisherige Literatur den Zusammenhang zwischen Incentivierungsangeboten für Online Reviews und dem Online Review-Verhalten angesprochener Kunden noch nicht beleuchtet hat, untersucht diese Arbeit zunächst auf theoretischer Basis die grundlegenden psychologischen Mechanismen, die in diesem Kontext auftreten können. Abschnitt 3.1.1 gibt eine Übersicht zu den verwendeten theoretischen Ansätzen. Die Austauschtheorie bildet den theoretischen Rahmen des Forschungsmodells und wird im Abschnitt 3.1.2 dargestellt. Die angenommenen zugrundliegenden Mechanismen werden durch die Erläuterung des Prinzips der Reziprozität (Abschnitt 3.1.3) sowie der Kognitiven Dissonanztheorie (Abschnitt 3.1.4) dargestellt. 3.1.1 Übersicht über die verwendeten Ansätze Die vorliegende Arbeit untersucht den Einfluss eines Incentivierungsangebots auf das Online Review-Abgabeverhalten von Konsumenten. Es wurde bisher noch nicht untersucht, wie ein Incentivierungsangebot in diesem Zusammenhang von Konsumenten wahrgenommen wird. Somit ist es Ziel dieser Arbeit, die zugrundeliegenden psychologischen Reaktionen von Konsumenten zu ergründen, um den Einfluss eines Incentivierungsangebots auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit und die Online Review-Valenz zu erklären. Eine Einordnung der angenommenen theoretischen Ansätze zur Erklärung dieser Zusammenhänge bietet die Übersicht in Abbildung 3-1.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A.-K. Grötschel, Belohnungen für Online Reviews, Applied Marketing Science / Angewandte Marketingforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26935-7_3

54

Entwicklung des Untersuchungsmodells Austauschprozess

Produkthersteller oder Dienstleistungsanbieter

Kauf des Produktes oder der Dienstleistung Incentivierungsangebot

Kunde

Verfassen des Online Reviews Valenz des Online Reviews

Reziprozität

Kognitive Dissonanz

Abbildung 3-1: Einbettung der theoretischen Ansätze in die Forschungslücke

Um die Zusammenhänge theoretisch zu erklären, kann als grundlegender Rahmen ein Austauschprozess zwischen dem Produkthersteller oder Dienstleistungsanbieter und dem Kunden gemäß der Austauschtheorie herangezogen werden. Der Austauschprozess wird durch den Kauf des Produktes oder der Dienstleistung durch den Kunden initiiert. Mit Zustellung des gekauften Produktes oder der Dienstleistung erfolgt anschließend das Incentivierungangebot durch den Produkthersteller oder Dienstleistungsanbieter. Innerhalb dieses Austauschprozesses wirkt sich das Prinzip der Reziprozität als auch die kognitive Dissonanz auf das Verhalten der Kunden aus und beeinflusst die Kundenreaktionen hinsichtlich deren Online Review-Verhalten nach Erhalt des Incentivierungsangebots. Der Kunde entscheidet, ob er in der beschriebenen Situation ein Online Review verfasst und bestimmt die Valenz dessen. Der etwaig entstehende Online Review und dessen Valenz wirken sich wiederum auf den Produkthersteller oder Dienstleistungsanbieter aus, da sich dessen Bewertungsbilanz durch den neu entstandenen Online Review verändert. 3.1.2 Austauschtheorie Die Austauschtheorie hat sich zu einem besonders häufig verwendeten theoretischen Erklärungsansatz etabliert, um für das Marketing relevante Fragestellungen und Zusammenhänge zu analysieren (Lambe/Wittmann/Spekman 2011, S. 2; van der Merwe et al. 2007, S. 190). Als Hauptvertreter und Begründer der Austauschtheorie gelten John W. Thibaut und Harold H. Kelley (1959) sowie George C. Homans (1961) und Peter M. Blau (1964). Speziell im Hinblick auf die komplexen Beziehungen von Individuen untereinander, aber auch im Hinblick auf ihr Verhältnis zu Organisationen führt die Austauschtheorie Erklärungsansätze an (van der Merwe et al. 2007, S. 192).

Theoretische Grundlagen

55

Die Austauschtheorie ist eine der ältesten Verhaltenstheorien und hat den Grundgedanken, dass jeder Interaktion von Individuen ein Austausch von Ressourcen zugrunde liegt (Homans 1958, S. 597). Austauschprozesse sind innerhalb von Beziehungen allgegenwärtig und laufen unbewusst ab. Sie kommen zustande, wenn verschiedene Individuen, Gruppen oder Unternehmen ihre eigenen Interessen verfolgen und befriedigen wollen (Bagozzi 1975, S. 33). Die Austauschtheorie erklärt dabei das Interaktionsverhalten von Individuen auf Grundlage von Nutzen und Kosten, die den beteiligten Akteuren entstehen (Thibaut/Kelley 1959, S. 12). Innerhalb der Austauschtheorie gelten jegliche positive Konsequenzen für das betrachtete Individuum als Nutzen (Thibaut/Kelley 1959, S. 10). Die Bereitstellung einer solchen wertgeschätzten Ressource bzw. Nutzenkomponente bedient ein Verlangen und bildet somit eine Belohnung (Thibaut/Kelley 1959, S. 12). Jede freiwillig ausgeführte Aktivität eines Individuums ist durch eben diesen Nutzen motiviert, welchen das Individuum durch die Ausführung eines Verhaltens erhält (Heath 1976, S. 2). Dabei kann die Nutzenkomponente verschiedene Formen annehmen. Sie drückt sich beispielsweise in Vergnügen, Zufriedenheit oder anderen Aspekten aus, welche durch das betrachtete Individuum wertgeschätzt werden (Thibaut/Kelley 1959, S. 12). Wie erstrebenswert ein Individuum eine Nutzenkomponente empfindet, wird durch seine eigenen Präferenzen mitbestimmt und kann folglich von Person zu Person unterschiedlich ausfallen (Balasubramanian/Mahajan 2001, S. 122). Als Kosten gelten innerhalb der Austauschtheorie nach Thibaut und Kelley jegliche negativen Konsequenzen für das Individuum (1959, S. 10). Kosten sind alles, was das Individuum daran hindert oder abschreckt, ein gewisses Verhalten auszuführen. Je größer dabei die Abschreckung ist, eine Aktivität auszuführen, desto größer ist auch das Hemmnis, welches ein Individuum überwinden müsste, um das Verhalten auszuführen und desto größer sind folglich auch die mit diesem Verhalten verbundenen Kosten. Die Kosten einer Tätigkeit werden als besonders hoch wahrgenommen, wenn ein großer physischer oder mentaler Aufwand für das betrachtete Verhalten nötig ist. So können beispielsweise Scham oder Angst Kostenfaktoren darstellen, die mit der auszuführenden Tätigkeit einhergehen. Aber auch gegensätzliche Ziele oder rivalisierende Bestrebungen können als Kosten einer spezifischen Aktivität wahrgenommen werden (Thibaut/Kelley 1959, S. 12 f.). Dem Evaluationsprozesses von Kosten und Nutzen liegt eine individuell empfundene Kosten-Nutzen-Bilanz zugrunde (Kelley/Thibaut 1978, S. 8; Thibaut/Kelley 1959, S. 13). Auf Basis dieser Kosten-Nutzen-Bilanz wird dann über ein Verhalten bzw. das Ausführen einer Tätigkeit entschieden. Innerhalb der Kosten-Nutzen-Bilanz findet ein Abwägen der Kosten und Nutzen statt, die mit der in Frage stehenden Tätigkeit einhergehen (siehe Abbildung 3-2).

56

Entwicklung des Untersuchungsmodells Attraktivität der Konsequenzen = N - K

N = Nutzen des Verhaltens K = Kosten des Verhaltens Abbildung 3-2: Formel zur Kosten-Nutzen-Bilanz des Austauschprozesses

Individuen werden sich generell für eine Handlungsalternative entscheiden, welche für sie die günstigsten Konsequenzen bereithält. Die entstehende Attraktivität der Konsequenzen stellt das Ergebnis der Kosten-Nutzen-Bilanz dar. Dabei ist die Attraktivität der Konsequenzen hoch, falls der Nutzen der auszuführenden Tätigkeit hoch und die damit verbundenen Kosten gering sind. Die Berechnung der Attraktivität der Konsequenzen lässt sich an einem Beispiel verdeutlichen: Ein Individuum erwägt einen Umzug in eine andere Stadt. Der damit einhergehende Nutzen könnte zum Beispiel eine Verbesserung der Lebensqualität sein. Die Kosten könnten durch das Verlassen des Freundeskreises oder der Familie repräsentiert werden. Eine Evaluation dieser Komponenten im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Bilanz bestimmt, ob ein Umzug in eine andere Stadt vorgenommen wird. Die meisten gewonnenen Nutzen sind an das Mitwirken anderer gebunden. So ist bei einem Austauschprozess immer von einer gemeinsamen Aktivität zwischen dem betrachteten Individuum und anderen auszugehen (Lawler 2001, S. 322). Damit gründet sich der Großteil gewonnener positiver Gefühlszustände auf eine Interaktion mit Austauschpartnern (Blau 1994, S. 153), die beispielsweise ein Verpflichtungsgefühl oder Dankbarkeit erzeugen (Blau 1994, S. 94). Ein glückliches Familienleben, interessante Gespräche oder berufliche Anerkennung hängen beispielsweise immer mit dem Zutun anderer Interaktionsparteien zusammen (Blau 1994, S. 153). Eine Interaktion liegt vor, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass eine andere Partei durch das Verhalten des betrachteten Individuums beeinträchtigt werden kann (Thibaut/Kelley 1959, S. 10). Gemäß der Austauschtheorie lassen sich Interaktionen demnach formal anhand von drei Bestandteilen definieren (Meeker 1971, S. 487 f.), welche in Abbildung 3-3 dargestellt sind. Die dargestellten Individuen sind die Austauschpartner innerhalb eines Interaktionsprozesses und somit ein grundlegender Bestandteil. Zudem liegen dem Austauschprozess bestimmte Tätigkeiten, also das gezeigte Verhalten der beteiligten Individuen zugrunde. Aus den Nutzen und Kosten der beteiligten Parteien im Austauschprozess resultieren ferner bestimmte Nettonutzen für diese Austauschpartner (Meeker 1971, S. 487 f.). Eine Person wird einen Austauschprozess mit einer anderen Partei eingehen, wenn sich dieser Austausch als nutzenstiftend für sie selbst darstellt (Blau 1994, S. 169).

Theoretische Grundlagen

57

So beschreibt der Austausch innerhalb der Austauschtheorie Handlungen von Interaktionsparteien, welche einen Wert für alle beteiligten Parteien stiften (Meeker 1971, S. 488). Verhalten von B

Austauschpartner A

Austauschpartner B

Verhalten von A Nettonutzen

Nutzen

Nettonutzen

Kosten

Nutzen

Kosten

Abbildung 3-3: Formale Bestandteile der Austauschtheorie

Somit ist jegliche Interaktion ein gegenseitiger Austausch von Aktivitäten, innerhalb dessen der Erhalt eines wertgeschätzten Elements an das Unterbreiten eines Gefallens im Gegenzug gebunden ist (Burns 1973, S. 189). Austauschprozesse erfordern eine Rückzahlung einer vorab gebotenen Leistung, beinhalten den Austausch von Ressourcen und sind durch ein Eigeninteresse der handelnden Parteien motiviert (Cropanzano/Mitchell 2005, S. 882). Das Verhalten eines Individuums kann anhand des hinzugewonnenen Nettonutzens erklärt werden, welcher die Folge des Austausches für den jeweiligen Austauschpartner darstellt (Lambe/Wittmann/Spekman 2001, S. 6; Meeker 1971, S. 485). Die ausgetauschten Ressourcen können sowohl tangibler als auch intangibler Natur sein (Lambe/Wittmann/Spekman 2001, S. 4) und somit sowohl Objekte als auch physische oder emotionale Zustände des Individuums darstellen (Meeker 1971, S. 487 f.). Tangible Ressourcen sind dabei alle Werte, welche finanzielle Bedürfnisse erfüllen. Im Zusammenhang des Austauschpozesses können diese vor allem von intangiblen, sozio-emotionalen Ressourcen abgegrenzt werden. Diese sind vielmehr symbolischer Natur und gehen auf die sozialen Bedürfnisse eines Individuums, beispielsweise nach Wertschätzung, ein (Cropanzano/Mitchell 2005, S. 881). Beide Belohnungen sind im Zusammenhang des Austausches relevant (Lambe/Wittmann/Spekman 2001, S. 6) und determinieren den Austauschprozess zwischen Individuen. Die Nutzenkomponente in Austauschprozessen umspannt dabei ein weites Feld und kann sowohl Geld, Liebe, Ratschläge oder soziale Bestätigung als auch Dankbarkeit, Lachen, das Versprechen zukünftiger Hilfestellungen oder auch das Darbieten von Informationen umfassen (Bala-

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Entwicklung des Untersuchungsmodells

subramanian/Mahajan 2001, S. 122). Allerdings sind innerhalb dieser Austauschprozesse auch immer Unsicherheiten gegenwärtig, mit denen die Austauschparteien umgehen müssen. So herrscht beispielsweise keine gänzliche Informationstransparenz darüber, was andere Parteien als nutzenstiftend empfinden (Lawler 2001, S. 323). Es werden zudem innerhalb von Interaktionen nicht nur Nutzenwerte ausgetauscht. Vielmehr sind auch negative Elemente Bestandteil von Austauschprozessen, welche die Kostenkomponente darstellen. Falls ein Interaktionspartner einer anderen Partei Kosten im Interaktionsprozess hinzufügt, wird die geschädigte Partei dies zurückgeben (Homans 1961, S. 57). Die Individuen streben im Austauschprozess an ihren Nutzen zu maximieren und Verluste zu minimieren (Burns 1973, S. 188). So werden Austauschbeziehungen langfristig nur dann aufrechterhalten, wenn sich beide Austauschparteien gegenseitig etwas Gutes tun. In diesem Fall werden die Interaktionen als lohnenswert wahrgenommen (Gatignon/Robertson 1986, S. 534). Positive Austauscherfahrungen führen dabei langfristig zu Normen der jeweiligen Austauschbeziehung, welche die jeweilige Beziehung bestimmt (Lambe/Wittmann/Spekman 2001, S. 6). 3.1.3 Prinzip der Reziprozität Das Prinzip der Reziprozität lässt sich nach Gouldner (1960, S. 170) als „gratifying pattern of exchanging goods and services“ beschreiben und ist als universell geltende Norm anzusehen (Gouldner 1960, S. 171). Grundsätzlich erfordert alles, was eine Austauschpartei von einer anderen erhält, nach dem Prinzip der Reziprozität die Rückgabe eines Gutes, Wertes oder Gefallens. Somit bedingen sich das Geben und Nehmen gegenseitig (Gouldner 1960, S, 168 f.). Das Prinzip der Reziprozität gilt somit als zentrales Element der Austauschtheorie (Gatignon/Robertson 1986, S. 534) und lässt sich im Rahmen dieser als Regel formalisieren (Cropanzano/Mitchell 2005, S. 875; Meeker 1971, S. 490). Im Sinne eines Austauschprozesses legt die Reziprozität die Mindestwerte dessen fest, was die eine Interaktionspartei der anderen innerhalb der Kosten-Nutzen-Relation stiftet (Meeker 1971, S. 490). Individuen mögen es zumeist, anderen einen Gefallen zu tun, unabhängig von der Erwartung dafür etwas zurückzubekommen (Blau 1994, S. 154). Allerdings empfindet ein Individuum, dem etwas Gutes getan wird, direkt das Bedürfnis für den erhaltenen Nutzen etwas zurückzugeben (Blau 1994, S. 154). Dies wird innerhalb des Reziprozitätsprinzip als Verpflichtung eines Individuums, nach erhaltenem Gefallen einen solchen auch zurückzugeben, verstanden (Neuberg/Kenrik/Schaller 2010, S. 773; Homans 1961, S. 52). Somit impliziert das Reziprozitätsprinzip, dass jede Partei sowohl Rechte als auch Pflichten innerhalb eines Austauschprozesses hat (Gouldner 1960, S. 169). Das Angebot einer Interaktionspartei einer anderen Partei einen Gefallen zu tun, geht explizit oder implizit mit den nachgelagerten Kosten oder Verpflichtungen einher (Neu-

Theoretische Grundlagen

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berg/Kenrik/Schaller 2010, S. 773). Die Reziprozitätsnorm stellt innerhalb von Austauschprozessen zwei Forderungen an eine Partei: Erstens sollte ein Individuum A dem Individuum B helfen, falls B ebenfalls A geholfen hat. Zweitens sollte das Individuum A das Individuum B ferner nicht verletzen, falls B dem Interaktionspartner A geholfen hat (Gouldner 1960, S. 171). Dem Reziprozitätsgedanken liegt die Aussage „one good turn deserves another“ (Heath 1976, S. 150) zugrunde. Ein Individuum möchte die Beziehung zum Austauschpartner aufrechterhalten und nicht undankbar erscheinen und verspürt daher das Bedürfnis, sich reziprok zu verhalten (Blau 1994, S. 154). Haben alle Beteiligten einer Interaktion das Prinzip der Reziprozität verinnerlicht, fühlt sich die Partei, welcher zuerst ein Gefallen getan wurde, verpflichtet, diesen in der Zukunft zurückzugeben. Daher darf die Partei, welche den anfänglichen Gefallen tut und damit den Startpunkt des reziproken Verhältnisses markiert, zuversichtlich sein, dass ihr Einsatz zurückgezahlt wird (Gouldner 1960, S. 177). Innerhalb des Entscheidungsprozesses, einen Austausch zu begehen, stützen sich Individuen sowohl auf rationale Urteile als auch auf Heuristiken. Dabei wird beispielsweise die Vertrautheit des Austauschpartners als Anker genutzt, um die Möglichkeit eines folgenden reziproken Verhaltens zu bewerten (Neuberg/Kenrik/Schaller 2010, S. 773). Auch falls keine anfängliche Intention besteht, etwas zurückzugeben, können negative Empfindungen ausgelöst werden, wenn auf das Revangieren verzichtet wird. So wird beispielsweise der Eindruck von Undankbarkeit ausgelöst, sobald auf eine reziproke Handlung verzichtet wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet (Blau 1994, S. 154). So repräsentiert das Prinzip der Reziprozität auch allgegenwärtige moralische Werte von Interaktionen (Gouldner 1960, S. 171). Der Grundgedanke des Reziprozitätsprinzips lässt sich an einem Alltagsbeispiel darstellen: Eine Person leiht sich im Sommer eine Heckenschere bei ihrem Nachbarn. Dieser fragt im Winter nach der Leihgabe einer Schneeschaufel, doch sein Gesuch wird abgelehnt (Blau 1994, S. 154). Die ablehnende Person wird in diesem Fall von der anderen Partei als undankbar wahrgenommen. Der Mangel an reziprokem Verhalten greift zudem auch ihr eigenes Selbstbild an (Blau 1994, S. 155). Aufgrund der Reziprozitätsnorm fühlt sich der Austauschpartner eigentlich verpflichtet den Gefallen zu erwidern und die Schneeschaufel zu verleihen. Bei Nichteinhaltung der Norm schädigt die Person ihr Bild von sich selbst. Somit induziert ein Gefallen, der anderen freiwillig getan wird, dennoch das Empfinden von Verpflichtungen und sozialem Druck etwas zurückzugeben (Blau 1994, S. 155). Der Wert dessen, was ein Individuum zurückgibt, richtet sich nach der Bemessung des Wertes des erhaltenen Gefallens (Gouldner 1960, S. 171). Somit sind die wahrgenommenen „Schulden“ des Individuums nicht auflagenfrei. Sie können durch situative Kontextfaktoren, wie zum Beispiel der Dringlichkeit der benötigten Hilfe zum Zeitpunkt als

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Entwicklung des Untersuchungsmodells

das Individuum einen anfänglichen Gefallen erhalten hat oder dem Statusunterschied der Interaktionsparteien beeinflusst werden (Goudner 1960, S. 71). Im Allgemeinen streben Individuen an, einen Zustand der Gleichheit innerhalb ihrer sozialen Interaktionsprozesse herzustellen. Dabei vergleichen sie ihren eigenen Einsatz innerhalb der Interaktion mit dem Einsatz der beteiligten Partner (Lane/Messé 1972, S. 228). Das Prinzip der Gleichheit in einem reziproken Austauschprozess kann dabei durch zweierlei Maßstäbe ergründet werden: Zum einen kann das Austauschgut zwar unterschiedlich, aber gleichen Wertes sein, was dem sogenannten „Dies-für-Das“- Prinzip entspräche. Zum anderen kann der Austauschgegenstand allerdings auch exakt gleich sein, was durch den Ausdruck „Das-für-Das“ repräsentiert wird (Gouldner 1960, S. 172). 3.1.4 Kognitive Dissonanztheorie Die Theorie der kognitiven Dissonanz geht auf Festinger (1957) zurück und hat sich zu einem bedeutenden Erklärungsrahmen der Sozialpsychologie entwickelt (Beauvois/Joule 1996, S. 5; Aronson 1992, S. 304). Die Kognitive Dissonanztheorie ist als Konsistenztheorie zu werten. So sind die grundlegenden Begrifflichkeiten der Kognitiven Dissonanztheorie zum einen Konsistenz und zum anderen Inkonsistenz einer Kognition (Beauvois/Joule 1996, S. 5). Eine Kognition lässt sich in diesem Zusammenhang als jegliche Form von Wissen oder Erkenntnis definieren, die ein Individuum hat. Dabei können Kognitionen vielfältig repräsentiert werden. Sowohl ein Verhalten als auch eine Einstellung oder eine Wahrnehmung kann eine Kognition darstellen (Cooper 2007, S. 5). Entscheidend ist im Kontext der Dissonanztheorie in welchem Verhältnis zwei Kognitionen zueinander stehen. Sind Kognitionen inkonsistent zueinander, entsteht Dissonanz (Beauvois/Joule 1996, S. 5). Diese kann folgendermaßen formalisiert werden: „If a person holds cognitions A and B such that A follows from the opposite of B, then A and B are dissonant.“ (Cooper 2007, S. 6). Kognitive Dissonanz kann ausgelöst werden, wenn ein Individuum mit zwei unterschiedlichen Handlungsalternativen konfrontiert wird, zwischen denen es sich entscheiden muss (Festinger 1964, S. 152). Das Individuum evaluiert beide Alternativen und bildet Präferenzen. Anschließend wird eine Entscheidung getroffen, welche ein gewisses Maß an eigener Verbindlichkeit beinhaltet, da dieser Entscheidung ein Verhalten folgt. Wird eine Entscheidung getroffen, rückt die Dissonanz in den Vordergrund, denn das Individuum fokussiert sich nun auf die Kognitionen, die sich zu der getroffenen Entscheidung als dissonant erweisen (Festinger 1964, S. 156 f.). Innerhalb der Kognitiven Dissonanztheorie wird eine Verbindung von Kognitionen mit Antrieben herausgestellt (Aronson 1992, S. 304). Wenn zwei oder mehr inkonsistente

Theoretische Grundlagen

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Kognitionen vorliegen, stellt sich ein wahrgenommenes Spannungsgefühl ein (Cooper 2007, S. 6). Diese Spannung drückt gleichsam einen psychologischen Zustand bzw. Antrieb aus (Cooper 2007, S. 3; Beauvois/Joule 1996, S. 5). Verspürt ein Individuum eine Inkonsistenz agiert die kognitive Dissonanz als Treiber, diesen Zustand zu reduzieren und die Inkonsistenz zu beseitigen (Cooper 2007, S. 3). Die nun aktivierte Dissonanzreduktion löst ein Überdenken und Neubewerten der dissonanten Kognitionen aus (Festinger 1964, S. 156 f.). Dabei werden vier Ansätze zur Dissonanzreduktion in der Literatur präsentiert (Fischer/Wiswede 2002, S. 242): Die Wichtigkeit von Kognitionen kann reduziert werden, es können konsonante Kognitionen hinzugezogen werden, dissonanten Kognitionen werden uminterpretiert oder es erfolgt eine Einstellungs- bzw. Verhaltensänderung. Die Dissonanztheorie wird oftmals am Beispiel des Rauchens erklärt (Festinger 1957; Aronson 1968): Eine Person, die weiß, dass das Rauchen eine Krebserkrankung fördern kann, allerdings selbst Raucher ist, wird Dissonanz aufgrund dieser widersprüchlichen Tatsachen empfinden. Eine Dissonanzreduktion oder -auflösung könnte durch die Aufgabe des Rauchens realisiert werden. Andere Reduktionsansätze könnten in diesem Zusammenhang die eigene Bestärkung, dass auch andere Personen rauchen und nicht erkrankt sind oder das Infragestellen medizinischer Befunde sein (Aronson 1968, S. 5). Folglich ist das Ziel der Dissonanzreduktion nicht, das kognitive Gleichgewicht herzustellen und sich rational zu verhalten, sondern vielmehr das eigene Verhalten rational zu begründen (Beauvois/Joule 1996, S. 25; Aronson 1968, S. 5). Festinger und Carlsmith (1959) begründeten die Dissonanztheorie indem sie ein Experiment dürchführten, das den Teilnehmern Belohnungen für ihre Partizipation anbat. Das Experiment verlangte von den Probanden eine langweilige Tätigkeit durchzuführen und diese später anderen Probanden als extrem spannende Aufgabe anzupreisen. Somit mussten sie etwas kundtun, was in einem dissonanten Verhältnis zu ihren wahren Einstellungen stand. Dabei wurde festgestellt, dass die Belohnung in einem konsistenten Verhältnis zum Verhalten des Individuums stehen muss. Wenn die Konsistenz oder Inkonsistenz zwischen Belohnung und Verhalten beurteilt wird, muss die eigene Einstellung des betrachteten Individuums berücksichtigt werden. So ist zu unterscheiden, ob das Individuum mittels einer Belohnung dafür vergütet wird, dass es sagt, was es glaubt oder für das Gegenteil von dem. Letzteres erweckt dabei eine empfundene Immoralität, dass man für eine Aussage, die nicht gänzlich den eigenen Empfindungen entspricht, eine Vergütung erhält (Beauvois/Joule 1996, S. 35 f.). Dies lässt sich über Aronsons Ausführungen im Kontext der Dissonanztheorie erklären (1992, S. 305): Individuen handeln basierend auf drei allgemeingültigen Motivationen. Zum einen möchten sie ein konsistentes, stabiles und berechenbares Selbstbild von sich haben, zweitens möchten sie sich selbst als kompetent wahrnehmen und streben drittens nach einem moralisch

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Entwicklung des Untersuchungsmodells

einwandfreien Selbstbild. Wenn diese Werte verletzt werden und damit Dissonanz erzeugt wird, hat das Individuum ein Verhalten gezeigt, von dem es selbst überrascht ist und was zu einem Gefühl der Unfähigkeit und Schuld führt (Aronson 1992, S. 305). 3.2 Ableitung von Hypothesen In diesem Abschnitt werden auf Basis der zuvor dargestellten theoretischen Ansätze die Hypothesen zu den Wirkungen von Incentivierungen für das Verfassen von Online Reviews auf die Wahrscheinlichkeit der Online Review-Abgabe sowie die Online ReviewValenz deduziert. Innerhalb des Abschnitts 3.2.1 wird dabei die Wirkung auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit und die zugrundeliegenden psychologischen Effekten untersucht. Es folgt eine Analyse der Wirkung auf die Online Review-Valenz und die zugrundeliegenden psychologischen Mechanismen (Abschnitt 3.2.2) sowie die Ableitung des moderierenden Effektes der Kundenzufriedenheit (Abschnitt 3.2.3). 3.2.1 Wirkungen auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit Über die Austauschtheorie lässt sich der Entscheidungsprozess einer Person in Hinblick auf die Ausführung einer in Frage stehenden Tätigkeit erklären. Der Erhalt eines Incentivierungsangebots für das Verfassen eines Online Reviews stellt im Kontext der Austauschtheorie den Startpunkt eines Entscheidungsprozesses dar. Das in Frage stehende Verhalten ist in diesem Kontext das Verfassen und Veröffentlichen eines Online Reviews. Die nachfolgende Abbildung 3-4 stellt die Kosten-Nutzen-Bilanz im Sinne des Austauschprozesses bei Vorliegen eines Incentivierungsangebots für die Online Review-Veröffentlichung dar. Kosten

Nutzen • Selbstdarstellung Verfassen eines Online Reviews

(Lampel & Bhalla 2007)

• Reduktion von Nachkaufdissonanzen •

Angebot einer Incentivierung

(Berger 2014) …

• Zeit • Aufwand • Opportunitätskosten •

• Belohnung eines typischerweise unbelohnten Verhaltens • Reziprozitätsnutzen (= einen Gefallen zurückgeben)

(Berger 2014) …

• Psychologische Kosten

Kosten-Nutzen-Bilanz

Abbildung 3-4: Kosten-Nutzen-Bilanz zur Abgabewahrscheinlichkeit auf Grundlage des Incentivierungsangebots

Ableitung von Hypothesen

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Das Abwägen von Kosten und Nutzen anhand einer Kosten-Nutzen-Bilanz ist innerhalb der Austauschtheorie maßgeblich in Hinblick auf die Entscheidung eine spezielle Tätigkeit auszuführen. Mit dem Verfassen und Publizieren eines Online Reviews sind verschiedene Nutzen und Kosten für den Verfasser verbunden. Der Nutzen reicht dabei beispielsweise von der Selbstdarstellung (Lampel/Bhalla 2007) bis zu der Reduktion potentiell angefallener Nachkaufdissonanzen (Berger 2014). Auf der Kostenseite der Bilanz schlagen sich beispielsweise Zeit, Aufwand oder Opportunitätskosten nieder (Berger 2014). Je nachdem zu welchem Ergebnis das Abwägen von Nutzen und Kosten des Verfassens eines Online Reviews führt, entscheidet sich der Kunde ein solches zu schreiben oder nicht. Wird einem Kunden nach dem Kauf eines Produktes von dem Hersteller eine Incentivierung angeboten, stellt dies eine Beeinflussung der Bilanz sowohl auf der Nutzen- als auch auf der Kostenseite dar. Die Veränderung der Nutzen- und Kostenkomponente beinhaltet dabei drei Facetten und beeinflusst somit die Abgabewahrscheinlichkeit eines Online Reviews über dreierlei Wege. Erstens geht durch das in Aussicht stellen der Incentivierung eine Belohnung für ein vormalig typischerweise nicht belohntes Verhalten in die Kosten-Nutzen-Bilanz ein. Eine Vielzahl an Konsumenten verfasst und veröffentlicht bereits ohne Incentivierung von sich aus Online Reviews. Durch das Incentivierungsangebot werden die Nutzen der Online Review-Tätigkeit erhöht, während die Kosten unverändert bleiben. Dies führt zu einer höheren Wahrscheinlichkeit das in Frage stehende Verhalten auszuführen, indem ein Online Review verfasst wird. Zweitens nehmen die mit der Interaktion verbundenen Nutzenkomponenten Einfluss auf die Motivation ein bestimmtes Verhalten auszuführen (Weiner 1985, S. 559). Da Unternehmen ihren Kunden typischerweise keine Incentivierungen für das Verfassen eines Online Reviews anbieten, könnten Kunden dieses Angebot als unerwartetes Geschenk wahrnehmen und Dankbarkeit empfinden. Empfundene Dankbarkeit gilt als Treiber eines reziproken Verhaltens anderen auch zu helfen bzw. anderen etwas zurückzugeben (Weiner 1985, S. 559). Nach dem Prinzip der Reziprozität wird auf einen solchen Gefallen, der durch das Incentivierungsangebot seitens des Herstellers getan wurde, mit der Rückgabe eines Gefallens reagiert, um selbst einen Reziprozitätsnutzen zu verspüren. Da eine hohe Anzahl von Online Reviews für Unternehmen generell vorteilhaft ist, ist das Verfassen und Veröffentlichen eines Online Reviews durch die Kunden von Nutzen für das Unternehmen. Durch das Zurückgeben eines Gefallens durch die Abgabe eines Online Reviews bedienen Kunden somit das Reziprozitätsprinzip und nehmen sich selbst als moralisch korrekt handelnde Personen wahr. Dies beeinflusst ebenfalls die Nutzenkomponente innerhalb der Kosten-Nutzen-Bilanz im Austauschprozess in positive Richtung. Somit steigert sich der Reziprozitätsnutzen der durch das

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Entwicklung des Untersuchungsmodells

Incentivierungsangebot angesprochenen Individuen, wenn sie ein Online Review verfasssen und veröffentlichen. Daraus ergibt sich die folgende Hypothese: Hypothese 1: Das Angebot einer Incentivierung für das Verfassen eines Online Reviews hat einen positiven Effekt auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit, welcher partiell durch den Reziprozitätsnutzen mediiert wird. Drittens beeinflussen Incentivierungen die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit negativ. Die angesprochenen Kunden fühlen sich durch das Incentivierungsangebot bestochen ein bestimmtes Verhalten - das Schreiben eines Online Reviews - auszuführen. Das Gefühl sich durch ein Unternehmen bestechen zu lassen steht typischerweise im Widerspruch zum Selbstbild eines Individuums und löst somit kognitive Dissonanz aus. Diese Spannungen verursachen psychologische Kosten für den angesprochenen Kunden. Diese psychologischen Kosten gehen in die Kosten-Nutzen-Kalkulation hinsichtlich des Online Review Verfassens ein. Folglich kann ein Incentivierungsangebot die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit senken. Daher wird folgender Zusammenhang hypothetisiert: Hypothese 2: Das Angebot einer Incentivierung für das Verfassen eines Online Reviews hat einen negativen Effekt auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit, welcher partiell durch psychologische Kosten mediiert wird. 3.2.2 Wirkungen auf die Online Review-Valenz Der Effekt eines Incentivierungsangebots auf die Online Review-Valenz ist im Rahmen der Austauschtheorie ebenfalls von Nutzen- und Kostenkomponenten abhängig. Dabei sind erneut zwei psychologische Mechanismen anzunehmen. Erstens erhöht das Angebot von Incentivierungen das wahrgenommene Reziprozitätsbedürfnis auch hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung des Online Reviews. Die angesprochenen Kunden möchten dem Unternehmen nach dem Prinzip der Reziprozität innerhalb der Austauschbeziehung einen Gefallen zurückgeben. Dabei gewinnen sie selbst aus einem reziproken Verhalten, da sie somit nach gesellschaftlich anerkannten Regeln handeln und sich als moralisch richtig handelnde Personen wahrnehmen. Um sich reziprok zu verhalten, streben die Kunden an, das Unternehmen, das die Incentivierung angeboten hat, zu unterstützen. Da positive Online Reviews von höherem Wert für den Unternehmenserfolg sind, tendieren die angespochenen Kunden eher dazu, positivere Online Reviews zu schreiben und zu veröffentlichen. Durch die Veröffentlichung eines positiven Online Reviews verhalten sie sich nach eigener Wahrnehmung richtig. Somit wird durch ein solches Verhalten ihr Reziprozitätsnutzen gesteigert, welcher sich wiederum positiv auf die inhaltliche Ausrichtung des Online Reviews auswirkt. Aufgrund dessen ergibt sich folgende Hypothese:

Ableitung von Hypothesen

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Hypothese 3: Das Angebot einer Incentivierung für das Verfassen eines Online Reviews hat einen positiven Effekt auf die Online Review-Valenz, welcher durch den Reziprozitätsnutzen mediiert wird. Zweitens kann durch ein Incentivierungsangebot ein negativer Effekt auf Grundlage empfundener kognitiver Dissonanz auf die Online Review-Valenz resultieren. Das Schreiben eines positiven Online Reviews im Falle einer angebotenen Incentivierung kann die wahrgenommenen psychologischen Kosten des Autors erhöhen. Kunden nehmen sich selbst als käuflich wahr, wenn sie auf Grundlage eines Incentivierungsangebots besonders positive Online Reviews schreiben. Sie halten das Incentivierungsangebot demnach für einen Versuch des Unternehmens sie zu kaufen. Sie antizipieren, dass das Unternehmen mit der Incentivierungsstrategie anstrebt, besonders positive Online Reviews zu erhalten. Würden sie in dieser Situation ein positives Online Review veröffentlichen, würden sie kognitive Dissonanz empfinden, da die Wahrnehmung des eigenen Handelns dem typischen Selbstbild widerspricht. Die eigene Moral ist für ein Individuum zentral oder zumindest peripher Bestandteil des Selbstbildes (Damon 1984, S. 110). Ein solches Selbstbild als moralisch handelnde Person ist nicht mehr haltbar, wenn man sich selbst als bestechlich erlebt. Somit entstehen auf Grundlage dieses Widerspruchs, der kognitive Dissonanz auslöst, psychologische Kosten für den Autor, falls dieser ein besonders positives Online Review auf Basis des Incentivierungsangebots verfasst. Um diese Kosten zu vermeiden und eine positive Selbstwahrnehmung als moralisch richtig handelnde Person beizubehalten, reagieren die angesprochenen Konsumenten mit der Veröffentlichung eines kritischeren, negativeren Online Reviews. Somit lässt sich ferner folgende Hypothese deduzieren: Hypothese 4: Das Angebot einer Incentivierung für das Verfassen eines Online Reviews hat einen negativen Effekt auf die Online Review-Valenz, welcher durch die psychologischen Kosten mediiert wird. 3.2.3 Moderierender Effekt der Kundenzufriedenheit Ein Zusammenspiel zwischen unterschiedlichen Zufriedenheitsleveln und dem Angebot einer Incentivierung für das Schreiben und Veröffentlichen von Online Reviews kann verschiedene Effekte haben. Die Zufriedenheit eines Kunden mit dem gekauften Produkt oder der in Anspruch genommenen Dienstleistung wurde in der Vergangenheit bereits als maßgeblicher Einfluss auf dessen Weiterempfehlungsverhalten herausgestellt (Mende/Thompson/Coenen 2015, S. 662; von Wangenheim/Bayón 2007, S. 246; Anderson 1998, S. 15). Falls ein hoch zufriedener Kunde in einer Situation ohne Incentivierungsangebot ein Online Review über ein gekauftes Produkt oder eine in Anspruch genommene Dienstleistung schreibt, liegt ein positiver Inhalt des Online Reviews über das beschriebene Produkt nah. Selbiges gilt auch für Kunden, welche hoch zufrieden

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Entwicklung des Untersuchungsmodells

sind und ein Incentivierungsangebot erhalten haben. Wenn der Kunde glücklich mit seinem Einkauf ist, wird er diese positiven Erfahrungen in einem Online Review teilen (Sridhar/Srinivasan 2012, S. 80). In diesem Fall sind die psychologischen Kosten, die durch eine angebotene Incentivierung entstehen, wie zum Beispiel das Gefühl bestochen oder gekauft zu werden, eher gering. Ein hoch zufriedener Kunde handelt nicht entgegen seiner eigenen Meinung, wenn er im Austauschprozess nach dem Incentivierungsangebot dem Unternehmen einen Gefallen zurückgibt und ein positives Online Review verfasst. Somit bleibt sein Selbstbild im Einklang und durch den Austauschprozess werden keine kognitiven Dissonanzen ausgelöst. Im Kontrast zu hoch zufriedenen Kunden evaluieren Kunden mit einem moderaten Zufriedenheitslevel ein Produkt oder eine Dienstleistung typischerweise eher weniger positiv innerhalb eines Online Reviews. Zusätzlich erhöht das Incentivierungsangebot die empfundenen psychologischen Kosten der weniger zufriedenen Kunden. Gerade weniger zufriedene Kunden, die Schwächen des gekauften Produktes wahrgenommen haben, tendieren dazu, das Incentivierungsangebot als Bestechung seitens des anbietenden Unternehmens zu empfinden. Sie erleben das Angebot der Incentivierung als Versuch positive Online Reviews von den Kunden zu erkaufen. Die Vorstellung diesen Bemühungen nachzugeben, indem sie einen positiven Online Review verfassen, bereitet ihnen psychologische Kosten. Würden sie einen positiven Online Review verfassen, würden sie kognitive Dissonanz erleben, da sie sich als käuflich und somit entgegen ihrem Selbstbild als unmoralisch handelnd wahrnehmen. Um die dadurch entstehenden psychologischen Kosten zu vermeiden, neigen Kunden mit einem moderaten Zufriedenheitslevel nach einem Incentivierungsangebot eher dazu, ein weniger positives Online Review über eben dieses Produkt zu schreiben verglichen mit Kunden selbiger Zufriedenheit, die kein Incentivierungsangebot erhalten haben. Aus diesen Überlegungen kann die folgende Hypothese abgeleitet werden: Hypothese 5: Der Effekt eines Incentivierungsangebots auf die empfundenen psychologischen Kosten von Kunden ist stärker für moderat zufriedene verglichen mit hoch zufriedenen Kunden. 3.2.4 Entwicklung des Untersuchungsmodells Um den Einfluss eines Incentivierungsangebots für das Verfassen eines Online Reviews umfassend zu analysieren, wurden vorliegend in Effekte auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit und die Online Review-Valenz unterschieden. Die folgende Abbildung 3-5 fasst die zuvor deduzierten Hypothesen zusammen und stellt die Zusammenhänge grafisch dar.

Ableitung von Hypothesen

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Zufriedenheit Incentivierungsangebot

+ +

Psychologische Prozesse Psychologische Kosten

Verhaltensabsichten -

-

Online Review Abgabewahrscheinlichkeit

+ Reziprozitätsnutzen

+

Online Review Valenz

Abbildung 3-5: Untersuchungsmodell

Da es sich bei dem Incentivierungsangebot für die Online Review Veröffentlichung um den Startpunkt eines gegenseitigen Austauschprozess handelt, werden die Wirkungen eines solchen Angebots im Rahmen der Austauschtheorie erklärt. So wird die Wirkung eines Incentivierungsangebots auf die psychologischen Prozesse eines Individuums sowie die daraus indirekt oder direkt erfolgenden Verhaltensabsichten auf Grundlage der Austauschtheorie analysiert. Die positive Wirkung eines Incentivierungsangebots lässt sich sowohl auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit als auch auf die Online Review-Valenz innerhalb eines Austauschprozesses zwischen dem Kunden und dem anbietenden Unternehmen auf die Normen des Reziprozitätsprinzips zurückführen. Der Kunde möchte demnach dem Unternehmen für etwas Gutes, das ihm getan wurde, auch einen Gefallen zurückgeben. Somit reagiert der angesprochene Kunde mit der Veröffentlichung eines Reviews. Gleichsam reagiert er basierend auf dem Reziprozitätsgedanken mit der Veröffentlichung eines positiveren Online Reviews bei einem Incentivierungsangebot, für das er dem Unternehmen dankbar ist. Ferner lässt sich innerhalb der Austauschinteraktion auch ein negativer Effekt auf die resultierende Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit und die Online Review-Valenz basierend auf dem Incentivierungsangebot unter Beachtung der Kognitiven Dissonanztheorie ableiten. Die Kognitive Dissonanztheorie erklärt hierbei die Entstehung psychologischer Kosten im Falle eines Incentivierungsangebots für das Verfassen eines Online Reviews im Vergleich zu einer Situation ohne Incentivierungsangebot. Die angesprochenen Kunden fühlen sich demnach durch das Incentivierungsangebot bestochen, wodurch psychologische Kosten hervorgerufen werden. Diese führen letztendlich zu einer Veränderung der Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit sowie der Online Review-Valenz in negative Richtung.

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Entwicklung des Untersuchungsmodells

Außerdem begründet die Dissonanztheorie im Rahmen der Austauschtheorie die unterschiedliche Empfindung psychologischer Kosten von moderat zufriedenen verglichen mit hoch zufriedenen Kunden, welche ein Incentivierungsangebot erhielten in Kontrast zu einer Situation ohne dieses Angebot. Die theoretische Herleitung postuliert ein stärkeres Empfinden psychologischer Kosten bei einem moderaten Zufriedenheitslevel. Moderat zufriedene Kunden, welche sich typischerweise nicht gänzlich positiv über das in Frage stehende Produkt innerhalb eines Online Reviews äußern, fühlen sich demnach durch die Incentivierung stärker bestochen als Kunden, die mit dem Produkt sehr zufrieden sind.

4

Empirische Untersuchung

Im Folgenden werden die empirischen Studien zur Überprüfung des in Kapitel 3 aufgestellten Untersuchungsmodells präsentiert. Eingangs bietet der Abschnitt 4.1 eine Übersicht über die vorliegend durchgeführten Studien. Abschnitt 4.2 begründet die gewählte Untersuchungsform. Nachfolgend präsentiert Abschnitt 4.3 die durchgeführten empirischen Studien. Den Abschluss des Kapitels bildet die Ergebnisdiskussion in Abschnitt 4.4. 4.1 Übersicht über die Studien Die durchgeführten Studien haben zum Ziel das theoretisch hergeleitete Untersuchungsmodell empirisch zu überprüfen. Dabei soll die innerhalb des Abschnitts 1.2 aufgeworfene Forschungsfrage „Steigert das Angebot von Incentivierungen für die Online Review-Veröffentlichung die Anzahl sowie die Positivität von Online Reviews?“ beantwortet werden. Um die Fragstellung zu untersuchen, wurde ein Mixed-Methods-Ansatz gewählt, welcher sich auf drei empirisch durchgeführte Studien stützt. Da die Motivation von Kunden Online Reviews zu verfassen sowie unternehmensseitige Instrumente zur Beeinflussung dieses Verhaltens in der Marketingforschung bisher wenig untersucht worden sind, soll zunächst eine offene Befragung Einblicke in das Untersuchungsfeld geben. Aufbauend darauf sollen die deduzierten Zusammenhänge mittels zweier quantitativer Experimentalstudien belegt werden, um die Generalisierbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen. So folgt auf einen ersten Praxischeck des Forschungsgegenstandes die Überprüfung der abgeleiteten Hypothesen. Die nachfolgende Tabelle 4-1 zeigt die Übersicht der drei durchgeführten Studien.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A.-K. Grötschel, Belohnungen für Online Reviews, Applied Marketing Science / Angewandte Marketingforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26935-7_4

70 Studienart

Empirische Untersuchung Zielsetzung

Untersuchungs- Auswertungsmethode verfahren

Offene Untersuchung der psySchriftliche BeOffene Befra- chologischen fragung Inhaltsanalyse gung Mechanismen (n = 100) und Verhaltensintentionen

Funktion

Praxischeck

Experiment

Kausalanalytische Validierung Schriftliche Be- Multivariates der Wirkungsfragung Analyseverfah- Hypothesentest weise von Incen(n = 183) ren tivierungsangeboten

Experiment

Kausalanalytische Validierung Schriftliche Be- Multivariates der Wirkungsfragung Analyseverfah- Hypothesentest weise von Incen(n = 168) ren tivierungsangeboten

Tabelle 4-1: Übersicht der durchgeführten Studien

4.2 Begründung der Untersuchungsform Bislang wurden Untersuchungen wie Incentivierungsangebote für die Online ReviewVeröffentlichung auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit der angesprochenen Kunden wirken und wie sie die resultierende Online Review-Valenz beeinflussen größtenteils vernachlässigt. Es existieren sowohl anfängliche Studien zu den Treibern von Individuen Online Reviews zu verfassen (z.B. Berger/Iyengar 2013; Hennig-Thurau et al. 2004) sowie zu Weiterempfehlungen innerhalb unternehmensinitiierter Weiterempfehlungsprogramme (z.B. Ryu/Feick 2007; Wirtz/Chew 2002). Zudem bestehen auch Erkenntnisse in Bezug auf Incentivierungen zur Beeinflussung von Konsumentenverhalten (z.B. Gelbrich/Gäthke/Hübner 2017; Ryu/Couper/Marans 2006). Allerdings gibt es im Speziellen noch keine gleichzeitige Betrachtung dieser Themengebiete im Online-Kontext, wie er vorliegend durch die Analyse der Effekte von Incentivierungsangeboten für das Verfassen von Online Reviews vorgenommen wird.

Begründung der Untersuchungsform

71

Innerhalb dieser Arbeit wird ein Mixed-Methods-Ansatz gewählt, der eine offene Befragung mit einem explanativen Forschungsansatz kombiniert. Innerhalb des genutzten Mixed-Methods-Ansatzes werden somit unterschiedliche Forschungsansätze vereint (Saunders/Lewis/Thornhill 2012, S. 166; Venkatesh/Brown/Bala 2013, S. 23). Dieser Ansatz zeichnet sich aus zweierlei Gründen als vorteilhaft aus. Erstens ergänzen sich die angewendeten Methoden gegenseitig (Patry 1982, S. 38), was ein umfassendes Bild über den im Fokus stehenden Untersuchungszusammenhang ermöglicht und somit den Erkenntnisgewinn erhöht (Döring/Bortz 2016, S. 17). Dabei soll zunächst eine offene Befragung innerhalb der Pilot-Studie Einblicke in das Forschungsgebiet gewähren, um ein detailliertes Bild über den bisher wenig erforschten Untersuchungskontext zu gewinnen. Ergänzt werden diese Erkenntnisse anschließend durch die Prüfung der deduzierten Zusammenhänge in den nachfolgenden zwei Experimentalstudien. Zweitens erhöhen die unterschiedlichen Forschungsdesigns die Validität der Untersuchung. Innerhalb der ersten beiden Studien trägt eine retrospektive Betrachtungsweise einer bereits tatsächlich geschehenen Situation dazu bei die Wirklichkeit bestmöglich abzubilden. Der Szenario-Ansatz ergänzt die Erkenntnisse um innerhalb einer fiktiven Situation gemessene Reaktionen. Die ersten beiden Studien gewährleisten eine hohe externe Validität, da sich die Probanden an eine tatsächlich stattgefundene Situation zurückerinnern sollen und auf Basis ihrer realen Erlebnisse mittels Selbsteinschätzungen Emotionen und Kognitionen wiedergeben sollen. Die zweite und dritte Studie zeichnen sich insbesondere durch eine hohe interne Validität aus, da es sich um echte Experimente handelt (Malhotra/Birks/Wills 2012, S. 382-387). Insbesondere innerhalb der dritten Studie werden unter Konstanthaltung anderer Einflussfaktoren die Wirkungen eines aktiv manipulierten Incentivierungsangebots auf die abhängigen Konstrukte beobachtet. Insgesamt wird somit die innerhalb der ersten beiden Studien fokussierte Natürlichkeit der erlebten Situation um kontrollierbare Künstlichkeit innerhalb des Laborexperiments (Malhotra/Birks/Wills 2012, S. 393; Patry 1982, S. 33; Mayntz/Holm/Hübner 1978, S. 185) ergänzt. Die angewandte Szenario-Technik erlaubt dabei eine möglichst realitätsgetreue Situation fiktiv nachzustellen. Durch die Nutzung eines fiktiven Herstellers können potentielle Voreinstellungen der Versuchsteilnehmer gegenüber realer Marken ausgeschlossen werden (Geuens/De Pelsmacker 2017, S. 85 f.). Ferner können Verzerrungen durch Störvariablen, die durch personenabhängige Unterschiede entstehen, mittels einer randomisierten Zuordnung der Studienteilnehmer zu einer Experimentalbedingung minimiert werden (Schnell/Hill/Esser 2011, S. 215). Innerhalb der Studien werden Befragungen als Messinstrument verwendet. Beobachtungen sind zur Beantwortung der Forschungsfrage ungeeignet, da es unter anderem gilt, Emotionen und Kognitionen zu ergründen. Innerhalb der durchgeführten quantitativen

72

Empirische Untersuchung

Studien wird die Messung sowohl durch Multi-Item Skalen als auch Single-Item Skalen durchgeführt. Dabei wird unter anderem eine reale Messmethode einer Einstellung durch die Verwendung der von Amazon genutzten Sterne-Rating-Skala adaptiert. 4.3 Empirische Studien Zunächst wird in Abschnitt 4.3.1 die durchgeführte Pilot-Studie vorgestellt. Anschließend wird die erste (Abschnitt 4.3.2) und zweite (Abschnitt 4.3.3) quantitativ empirisch durchgeführte Untersuchung dargestellt. 4.3.1 Studie 1: Pilot-Studie Um initiale Unterstützung für die theoretisch deduzierten Zusammenhänge zu finden, wird zunächst eine offene Befragung innerhalb der Studie 1 gewählt. Innerhalb der Studie werden dazu die Wirkungen eines Incentivierungsangebots für die Online ReviewVeröffentlichung auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit, die Online Review-Valenz und die ausgelösten psychologischen Prozesse in einer solchen Situation analysiert. Die in Studie 1 angewendete Methode wird in Abschnitt 4.3.1.1 erläutert. Anschließend stellt Abschnitt 4.3.1.2 die Ergebnisse der Untersuchung dar. 4.3.1.1 Methode Innerhalb dieses Kapitels wird zunächst das Studiendesign der Untersuchung in Abschnitt 4.3.1.1.1 vorgestellt. Anschließend wird die zugrundeliegende Stichprobe in Abschnitt 4.3.1.1.2 beschrieben und die Vorgehensweise der Studie in Abschnitt 4.3.1.1.3 erläutert. Abschließend wird das Auswertungsverfahren in Abschnitt 4.3.1.1.4 vorgestellt. 4.3.1.1.1 Studiendesign Die erste Studie dieser Arbeit hat zum Ziel die psychologischen Prozesse von Kunden in Siuationen, in denen ihnen eine Incentivierung für die Online Review-Veröffentlichung angeboten wird, zu ergründen. Dadurch soll eine erste Bekräftigung der theoretisch abgeleiteten Zusammenhänge erreicht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird als Studiendesign der Counterfactual Thinking Ansatz gewählt. Dieser Studienansatz konzentriert sich auf die Fragestellung, was erlebt worden wäre, wenn ein spezifisches (hypothetisches) Ereignis in der Vergangenheit anders verlaufen wäre (Roese 1997, S. 133; Roese/Olson 1995, S. 1). Counterfactual Thinking heißt, sich Alternativen zu einem wahrgenommenen Ereignis vorzustellen (Mandel/Lehmann 1996, S. 450). Diese kontrafaktischen Gedanken, sind dabei mentale Repräsentationen von Alternativen zu den tatsächlich in der Vergangenheit stattgefundenen Ereignissen (Roese/Morrison 2009, S. 16). Die alternative Situation beschreibt dabei eine imaginäre Situation, welche

Empirische Studien

73

der realen Welt nah ist und nur durch die Variation einer oder mehrerer Aspekte von dieser abweicht (Roese/Olson 1995, S. 3). Der Forschungsansatz adaptiert das natürlich auftretende Counterfactual Thinking, welches die meisten Menschen zeitweise durchführen, wenn sie sich beispielsweise die Frage stellen, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie eine andere Schule besucht hätten (Roese/Morrison 2009, S. 16). Somit wird das absichtlich herbeigeführte Counterfactual Thinking zur wissenschaftlichen Methode, um Forschungsfragen im wissenschaftlichen Kontext zu beantworten (Yang/Gu/Galak 2016, S. 753; Wenzlhuemer 2009, S. 30). Die Probanden wurden innerhalb eines Online-Fragebogens aufgefordert, ihre antizipierten Emotionen in einer speziellen manipulierten Situation einzuschätzen. Antizipierte Emotionen, definieren sich als Gefühle, welche Individuen erwarten zu empfinden (Bagozzi/Dholakia/Basuroy 2003, S. 292) und sind Vorhersagen über emotionale Konsequenzen eines Ereignisses (Bagozzi/Baumgartner/Pieters 1998, S. 20). Innerhalb des Counterfactual Thinking Prozesses reflektieren die Studienteilnehmer, wie sie sich verhalten hätten, wenn ein bestimmtes Ereignis in der Vergangenheit anders stattgefunden hätte (Niedenthal/Tangney/Gavanski 1994, S. 585). Mittels dieser Forschungsmethode soll sichergestellt werden, dass die Ergebnisse des Experiments das tatsächliche Verhalten von Kunden widerspiegeln, welche die manipulierte Situation real erleben. 4.3.1.1.2 Stichprobe Die Aussagen wurden von 100 Studienteilnehmern gesammelt. Die Stichprobe bestand aus 48 weiblichen und 52 männlichen Probanden. Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer betrug 38 Jahre. Der Bildungsstand der Teilnehmer reichte von einem High School Besuch bis zur Erlangung eines Doktortitels. Die genannten Produkte entstammen diversen angegebenen Produktkategorien, welche sich an die Kategorisierung von Produkten auf Amazon.com anlehnen. Die angegebenen Kategorien werden in der nachfolgenden Abbildung 4-1 veranschaulicht.

74

Empirische Untersuchung Computer & Büro

20%

Küche, Haushalt & Garten

15%

Bekleidung, Schuhe & Schmuck

12%

Sonstige Kategorien

12%

Beauty & Gesundheit

11%

Lebensmittel

7%

Sport & Outdoor

7%

Filme, Musik & Games

6%

Spielzeug, Kinder & Baby Bücher & Audible

6% 4%

Abbildung 4-1: Grafische Darstellung der genannten Produktkategorien in Studie 1

In zwanzig Fällen wurde sich auf ein Produkt der Kategorie Computer & Büro bezogen. Fünfzehn Probanden kauften Produkte der Kategorie Küche, Haushalt & Garten. Zwölf Studienteilnehmer gaben an, sich an einen Einkauf der Kategorie Bekleidung, Schuhe & Schmuck zurückzuerinnern, während ebenfalls zwölf Teilnehmer ihr gekauftes Produkt nicht in den angegebenen Kategorien wiederfanden und Sonstige angaben. Es wurde elfmal Beauty & Gesundheit als Produktkategorie genannt. Sieben Probanden bezogen sich jeweils auf ihren Einkauf aus der Kategorie Lebensmittel und Sport & Outdoor. Während sechs Studienteilnehmer angaben sich an einen Einkauf der Kategorie Filme, Musik & Games zurückzuerinnern, berichteten ebenfalls sechs Probanden über Einkäufe aus der Kategorie Spielzeug, Kinder & Baby. Vier Probanden nannten Bücher & Audible als Produktkategorie. Zudem machten die Probanden Angaben darüber, welcher Preiskategorie das Produkt auf das sie sich im weiteren Verlauf der Studie beziehen, zuzuordnen sei. Die Verteilung der Preiskategorien innerhalb der Stichprobe ist in Abbildung 4-2 dargestellt.

Empirische Studien

75

unter $25

43%

$25 bis $50

32%

$51 bis $100 $101 bis $200

über $200

17%

2% 6%

Abbildung 4-2: Grafische Darstellung der genannten Preiskategorien in Studie 1

Den Kaufpreis des Produktes bezifferten dreiundvierzig Probanden als unter $25. Während zweiundreißig Studienteilnehmer mitteilten ein Produkt mit einem Kaufpreis zwischen $25 und $50 erworben zu haben, bezogen sich innerhalb der Befragung siebzehn Personen auf ein Produkt zwischen $51 und $100. Zwei Probanden bezifferten den Produktpreis als zwischen $101 und $200 liegend. Über $200 kostete laut den eigenen Angaben das Produkt von sechs Probanden. 4.3.1.1.3 Vorgehensweise Zur Akquise eines Convenience Samples wurde der Crowdsourcing Web Service der Internetseite Amazon Mechanical Turk (MTurk) genutzt. MTurk hat sich zu einer verbreiteten Quelle experimenteller Daten in der Sozial- und Wirtschaftsforschung etabliert (Stewart et al. 2015, S. 479; Buhrmeister/Kwang/Gosling 2011, S. 4; Paolacci/ Chandler/Ipeirotis 2010, S. 411). Auf der Plattform MTurk können durch Aufgabensteller Aufgabenerfüller akquiriert werden. Dabei ist eine große Bandbreite an verschiedenen Aufgaben, die an einem Computer ausgeführt werden können, wie beispielsweise Befragungen oder Experimente, durchführbar (Buhrmeister/Kwang/Gosling 2011, S. 3). Die Studienteilnehmer werden über MTurk typischerweise basierend auf Bezahlungen akquiriert. Vorliegend wurde eine Vergütung von 1,20 US-Dollar an jeden Teilnehmer ausgezahlt, der die gestellte Aufgabe der Befragungsteilnahme absolvierte. An der online durchgeführten Studie konnten Aufgabenerfüller teilnehmen, die die folgenden Kriterien erfüllten: Die Probanden mussten mindestens 18 Jahre alt sowie US-Bürger sein und sich auf der Plattform Amazon Mechanical Turk bereits bewährt haben, was durch eine Einschränkung auf erfahrene Master-Worker und eine Akzeptanz vergangener Arbeiten von mindestens 95 Prozent sichergestellt wurde.

76

Empirische Untersuchung

Die Untersuchung erfolgte mittels eines standardisierten Fragebogens. Diese Befragungsform zeichnet sich durch die Vollständigkeit und Vergleichbarkeit der Antworten sowie durch eine hohe Zuverlässigkeit aus (Mayntz/Holm/Hübner 1978, S. 104). Die mittels MTurk rekrutierten Studienteilnehmer wurden durch einen Link zu einem Online-Fragebogen auf der Plattform SoSci Survey weitergeleitet. Ferner mussten die Probanden zur Studienteilnahme innerhalb der letzten drei Monate ein Produkt auf der Webseite des Onlinehändlers Amazon.com gekauft haben. Es wurde kontrolliert, dass die Studienteilnehmer diese Anforderung erfüllen, indem innerhalb des Online-Fragebogens eine entsprechende Filterfrage zur Kontrolle gestellt wurde. Bei Verneinung der Frage „Haben Sie innerhalb der letzten drei Monate ein Produkt online auf Amazon.com gekauft?” erhielten die Studienteilnehmern die Mitteilung nicht an der Studie teilnehmen zu können, da sie den Vorausetzungen nicht nachkommen. Mittels dieser Kontrollfrage wird zum einen die inhaltliche Eignung der Probanden zur Studienteilnahme sichergestellt. Ferner soll durch ihr gefordertes konsistentes Verhalten auf MTurk und innerhalb der Befragung ihre Aufmerksamkeit kontrolliert werden. Die verbliebenen Probanden wurden im Anschluss über das von ihnen gekaufte Produkt befragt. Sie wurden gebeten, das gekaufte Produkt zu beschreiben, indem sie Angaben über das Produkt, die Produktkategorie, den Preis und den Hersteller machen. Die Probanden wurden anschließend aufgefordert, sich an die Situation zu erinnern, als das Paket mit der Warensendung geliefert wurde und sie dieses öffneten. Durch die Variation der Produkte auf Grundlage der eigenen Erfahrung konnte eine Verzerrung der Ergebnisse durch eine Festlegung auf eine bestimmte Produktkategorie ausgeschlossen werden. Nach diesem Zurückversetzen in eine real erlebte Situation wurde allen Probanden im Szenario mitgeteilt, dass sie neben dem bestellten Produkt im Paket einen Flyer des Herstellers finden. Den Teilnehmern wurde somit insgesamt folgendes Szenario vorgelegt: „Now, imagine that – when opening the package – you had found a notecard that the product manufacturer had added to the product package. This is what it says:“ Anschließend wurde allen Studienteilnehmern ein Flyer präsentiert, welcher eine Aufforderung enthielt, ein Online Review zu verfassen und auf dem fiktiven Online-Bewertungsportal „productreviews.com“ zu veröffentlichen. Dafür wurde den Probanden die Auszahlung eines $10 Amazon-Gutscheins in Aussicht gestellt. Auf dem Flyer wurde zudem eine Erklärung über den Ablauf der Online Review-Veröffentlichung auf der fiktiven Bewertungswebseite productreviews.com und das Nachweisen des Postings in drei Schritten integriert. Den innerhalb der Studie abgebildeten Flyer zeigt Abbildung 4-3.

Empirische Studien

77

Abbildung 4-3: Treatment Incentivierungsangebot der Studie 1

Aus drei Gründen wurde für die Operationalisierung der Incentivierung auf eine monetäre Incentivierung in Form eines $10 Amazon-Gutschein, welcher in Aussicht gestellt wird, zurückgegriffen. Erstens ist die Barauszahlung von Incentivierungen im OnlineKontext schwer durchführbar (Deutskens et al. 2004, S. 23) und zwingt daher zu alternativen Operationalisierungen. Zweitens sind monetäre Incentivierungen laut der Literatur am wirksamsten, da sie einfach verteilt werden können und den Empfängern den größten Nutzen bieten (Ryu/Couper/Marans 2006, S. 91; Kanuk/Berenson 1975, S. 447). Ein Amazon-Gutschein ist in diesem Zusammenhang ein gut per Mail zu distribuierendes Gut, sodass die Aushändigung der Incentivierung nach Nachweis der Online Review-Veröffentlichung unkompliziert ablaufen kann. Somit kann die Anonymität der teilnehmenden Kunden bestmöglich beibehalten werden, da kein weiterer Austausch von Informationen zur Distribution des Gutscheins notwendig ist. Drittens kann davon ausgegangen werden, dass der marktführende Onlinehändler Amazon allen Probanden vertraut ist und durch seine hohe Sortimentsbreite sowie -tiefe ein Gutschein dieses Händlers wie Bargeld wahrgenommen wird. Die Probanden wurden dem Vorgehen von Bagozzi und Kollegen (2016, S. 634) folgend anschließend zu den Emotionen befragt, die sie antizipieren, in einer Situation wie der beschriebenen zu fühlen. Dazu wurde unter Anderem die innerhalb der Marketingforschung etablierte Sentence Completion Technik verwendet (Weinberger/Zavisca/Silva 2017, S. 335; Malhotra/Birks/Wills 2012, S. 270; McGrath/Sherry Jr./Levy 1993, S. 176 f.). Innerhalb dieses Vorgehens werden den Studienteilnehmern

78

Empirische Untersuchung

Satzanfänge präsentiert. Die Probanden sollen die Satzanfänge mit einem Satzende ergänzen (Gregory 2015, S. 324) und somit eine unvollständige Stimulus Situation vervollständigen (Malhotra/Birks/Wills 2012, S. 270). Sie werden dazu aufgefordert, den ersten Gedanken, der ihnen zu dem jeweiligen Satzanfang in den Sinn kommt, zu ergänzen (Malhotra/Birks/Wills 2012, S. 270). Durch diese Form der Befragung werden die Probanden dazu angeregt ihre zugrundeliegenden Gefühle zu einem bestimmten Thema kundzutun (Putthiwanit 2012, S. 94), sodass der vollständige Satz beispielsweise Motivationen, Einstellungen oder Ängste der Probanden widerspiegelt (Gregory 2015, S. 324). Den Probanden wurden sieben Satzanfänge und eine Frage präsentiert. Die Sätze bilden nach der Vervollständigung durch die Probanden Konditionalsätze, wie sie innerhalb des Counterfactual Thinking charakteristisch sind (Roese/Morrison 2009, S. 16). Ein typischer Satz innerhalb des Counterfactual Thinking wäre zum Beispiel: „Wenn ich mehr Stunden mit Lernen verbracht hätte, hätte ich eine bessere Zensur in der Arbeit erlangt“. Die Satzanfänge bilden somit Antezedenzien, welche durch eine Konsequenz komplettiert werden (Roese/Morrison 2009, S. 16). Vorliegend wurde beispielsweise ein Satzanfang wie “If I found such a notecard in the product package, my initial thoughts and feelings would be…” verwendet, um das Counterfactual Thinking der Probanden anzuregen und Aussagen über ihre Emotionen zu generieren. Eine Übersicht zu den verwendeten Fragebogenitems bietet Anhang 2. 4.3.1.1.4 Auswertungsverfahren Zur Analyse des Datensatzes wurde der Ansatz der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (1983) gewählt. Die qualitative Inhaltsanalyse erlaubt die systematische Bearbeitung von Textmaterial (Mayring 2002, S. 121). Dabei dient die Inhaltsanalyse im Rahmen der qualitativen Sozialforschung der Auswertung bereits erhobenen Datenmaterials (Lamnek 2005, S. 480). Es liegen dabei folgende Grundgedanken vor: Die „Qualitative Inhaltsanalyse will Texte systematisch analysieren, indem sie das Material schrittweise mit theoriegeleitet am Material entwickelten Kategoriesystemen bearbeitet“ (Mayring 2002, S. 114). So wertet die Inhaltsanalyse das erhobene Datenmaterial, welches Emotionen, Kognitionen oder Verhalten beinhaltet, interpretierend aus (Lamnek 2005, S. 486). Im Speziellen wird vorliegend eine induktive Kategorienbildung als Unterform der qualitativen Inhaltsanalyse, welche eine inhaltsanalytische Zusammenfassung durchführt, genutzt (Mayring 2002, S. 115). Die Zusammenfassung ist neben der Explikation und der Strukturierung eine von drei Grundformen, die hinsichtlich qualitativer Inhaltsanalysen zu unterscheiden sind. Während die Zusammenfassung den Materialinhalt reduziert, um eine überschaubare Übersicht über das Material zu schaffen, ergänzt die

Empirische Studien

79

Explikation fragliche Textteile zur Verbesserung des Verständnis um zusätzliches Material und die Strukturierung filtert Aspekte auf Basis zuvor festgelegter Kriterien aus dem gesamten Material (Mayring 2002, S. 115). Der innerhalb der vorliegenden Arbeit zugrundeliegende Analyseablauf wird anhand nachfolgender Abbildung 4-4 veranschaulicht. Gegenstand der Analyse Fragestellung, Theorie

Festlegen eines Selektionskriteriums, Kategoriendefinition Zeilenweiser Materialdurchgang: Kategoriendefinition, Subsumption oder neue Kategorienformulierung

Revision der Kategorien nach 10-50% des Materials

Endgültiger Materialdurchgang

Interpretation, Auswertung

Abbildung 4-4: Ablaufmodell induktiver Kategorienbildung Quelle: Mayring 2002, S. 116.

Die innerhalb der Inhaltsanalyse notwendigen Vorabdefinitionen der Kategorisierungsdimensionen orientieren sich an den innerhalb des Kapitels 3 angenommenen theoretischen Grundlagen. Innerhalb der Kategorien werden die sprachlichen Einheiten des erhobenen Textmaterials subsumiert (Mayntz/Holm/Hübner 1978, S. 157). Als Selektionskriterium innerhalb der Kategorienbildung wird eine positive oder negative Verhaltensintention in Hinblick auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit im Sinne der ersten Forschungsfrage und auf Grundlage der Austauschtheorie festgelegt. Zudem wird das Textmaterial in Hinblick auf Verhaltensabsichten in Bezug auf die Online Review-Valenz selektiert. Zusätzlich sollen als Selektionskriterium jegliche Äußerungen zu Gefühlen und Kognitionen fungieren, welche durch das Incentivierungsangebot aus-

80

Empirische Untersuchung

gelöst werden und die resultierende Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit und Online Review-Valenz beeinflussen. Diese Kategorien im Hinterkopf haltend werden alle Datensätze schrittweise analysiert. Während der zeilenweisen Durchsicht des Materials werden passende Textstellen zu den vorab anvisierten Kategorien gefunden und diese den jeweiligen Kategorien zugeordnet bzw. subsumiert. Passt ein analysiertes Textelement nicht zu einer vorab festgelegten Kategorie, werden neue Kategorien definiert. Das Kategoriensystem wird nach dem von Mayring (2002, S. 116 f.) vorgeschlagenen Prozess nach der anfänglichen Analyse von 10 bis 50 Prozent des Materials überarbeitet falls keine weiteren Kategorien zusätzlich aufzufinden sind. Das Kategoriesystem wird angepasst und auf logische Fehlerfreiheit überprüft, sodass der abschließende Materialdurchgang erfolgen kann. Dieser Prozess hat das Ziel letztendlich ein System von Kategorien zu einer bestimmten Thematik zu entwickeln, wobei spezifische Textpassagen den einzelnen Kategorien zugeordnet sind. Die anschließende Interpretation kann zwei verschiedene Ziele verfolgen: Zum einen kann das Set der Kategorien in Hinblick auf die zugrundeliegende Forschungsfrage und theoretische Ableitungen analysiert werden und zum anderen kann eine quantitative Auszählung der Kategorieauffindungen durchgeführt werden, sodass beispielsweise geprüft wird, welche Kategorie am häufigsten genannt wurde (Mayring 2002, S. 117). 4.3.1.2 Ergebnisse Auf Basis des erhobenen Datenmaterials konnten drei übergeordnete Kategorien identifiziert werden. Die Analyse offenbarte sowohl Aussagen entsprechend der identifizierten Kategorien Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit und Online Review-Valenz als auch Aussagen zu den durch das Incentivierungsangebot ausgelösten psychologischen Prozessen der angesprochenen Kunden. Letztere Kategorie lässt sich zudem in die Themen Reziprozitätsnutzen sowie psychologische Kosten differenzieren. Die befragten Probanden gaben verschiedene Äußerungen an, welche sich der Kategorie Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit zuordnen lassen. Tabelle 4-2 stellt dabei eine Auswahl der Aussagen der Probanden dar, die dieser Kategorie zugeordnet werden können.

Empirische Studien Ergebnisse zu Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit (Satzanfang/Stimulus & „Aussage des Probanden“)

81 Demografische Daten (Geschlecht, Alter)

This is what I like about being offered an incentive for writing an online review: “It would cause me to fill out a review that I would have not done otherwise”

Weiblich, 59 Jahre

If I found such a notecard in the product package and saw that there is an incentive offered for writing an online review, I would think … “I am definitely going to do this review and get the incentive”

Männlich, 32 Jahre

What else comes to mind with regard to receiving such a notecard with your product package? “It will motivate me to actually write the review since I don't often leave reviews”

Weiblich, 34 Jahre

If I found such a notecard in the product package, my initial thoughts and feelings would be …. “If I found such a notecard I would have to ignore it. […] I just would not write a review”

Weiblich, 64 Jahre

If I found such a notecard in the product package and saw that there is an incentive offered for writing an online review, I would think … “they are trying very hard, but I would not do it”

Männlich, 24 Jahre

If I decided to write an online product review in response to such a notecard, I would feel …. “I would not do it. That is not how I operate, but I would definitely not do it for pay”

Männlich, 53 Jahre

Tabelle 4-2: Ergebnisse zur Kategorie Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit

Innerhalb der identifizierten Aussagen hinsichtlich des Themas Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit wird sowohl eine erhöhte Tendenz zur Online Review-Abgabe als auch eine ablehnende Haltung gegenüber dem Online Review Verfassen auf Grundlage eines Incentivierungsangebots deutlich. Während einige Probanden sich durch ein Incentivierungsangebot zur Abgabe eines Online Reviews motiviert sehen, nennen andere Studienteilnehmer, dass das Angebot einer Incentivierung sie nicht dazu bewegt ein Online Review abzugeben. Zudem sind innerhalb der Satzergänzungen Aussagen der Kategorie Online ReviewValenz auszumachen. Tabelle 4-3 präsentiert beispielhafte Aussagen dieser Kategorie.

82

Empirische Untersuchung Ergebnisse zu Online Review-Valenz (Satzanfang/Stimulus & „Aussage des Probanden“)

Demografische Daten (Geschlecht, Alter)

If I decided to write an online product review in response to such a notecard, I would feel …. “I would feel very motivated to leave a positive review”

Männlich, 41 Jahre

If I decided to write an online product review in response to such a notecard, I would feel …. “I would feel great. I would try to write the best review possible”

Weiblich, 40 Jahre

If I decided to write an online product review in response to such a notecard, I would feel …. “Happy about writing something positive”

Weiblich, 35 Jahre

If I decided to write an online product review in response to such a notecard, I would feel …. “I would want to resist the influence to write a positive review and try to write a truthful review”

Männlich, 36 Jahre

If I decided to write an online product review in response to such a notecard, I would feel …. “pressured to write a positive review, but ethically bound to write an honest one, which may or may not be positive”

Männlich, 40 Jahre

If I found such a notecard in the product package, my initial thoughts and feelings would be …. “[…] I would be honest regardless”

Männlich, 39 Jahre

Tabelle 4-3: Ergebnisse zur Kategorie Online Review-Valenz

Auch innerhalb der Kategorie Online Review-Valenz lassen sich verschiedene Verhaltensintentionen ausmachen. Zum einen wird innerhalb der Ergebnisse identifiziert, dass die angesprochenen Kunden durch das Incentivierungsangebot dazu neigen ein positiveres Online Review zu hinterlassen. Jedoch werden die angesprochenen Kunden trotz Incentivierungsangebot durch das Unternehmen ein ehrliches Online Review schreiben, welches entgegen dem Druck positiver zu bewerten auch negativ ausfallen kann. Neben identifizierten Aussagen zur Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit und der Online Review-Valenz sind dem Datenmaterial auch Ergebnisse hinsichtlich der psychologischen Prozesse ausgelöst durch das Incentivierungsangebot zu entnehmen. Dabei lassen sich innerhalb des Datenmaterials Aussagen identifizieren, welche eine erhöhte Bereitschaft zur Online Review-Abgabe und eine Veränderung der Online Review-Valenz in positive Richtung erklären. Eine Auswahl dieser Aussagen ist in Tabelle 4-4 dargestellt.

Empirische Studien Ergebnisse zu psychologischen Prozessen zum Thema Reziprozitätsnutzen (Satzanfang/Stimulus & „Aussage des Probanden“)

83 Demografische Daten (Geschlecht, Alter)

What else comes to mind with regard to receiving such a notecard with your product package? “It helps me while helping the company”

Weiblich, 47 Jahre

If I found such a notecard in the product package and saw that there is an incentive offered for writing an online review, I would think … “that they value my opinion and time and would be happy to give them my thoughts”

Männlich, 46 Jahre

If I decided to write an online product review in response to such a notecard, I would feel …. “like I wanted to give a great review and help the manufacturer out”

Weiblich, 34 Jahre

If I found such a notecard in the product package and saw that there is an incentive offered for writing an online review, I would think … “I would think that this is an innovative company and i would help them out by doing my part”

Männlich, 36 Jahre

Tabelle 4-4: Ergebnisse zur Kategorie psychologische Prozesse zum Thema Reziprozitätsnutzen

Anhand der identifizierten Statements ist auszumachen, dass die Kunden sich gut dabei fühlen, wenn sie durch die Veröffentlichung eines Online Reviews auch dem Unternehmen helfen und im Gegenzug zu dem Incentivierungsangebot dem Unternehmen etwas zurückgeben können. Zudem möchten die Probanden auf Grundlage eines Online Review Incentivierungsangebot dem anbietenden Unternehmen insbesondere mittels eines positiven Online Reviews auch helfen. Dieses Ergebnis unterstützt den theoretisch hergeleiteten Reziprozitätsnutzen als ein grundlegendes durch ein Incentivierungsangebot ausgelöstes Thema. Zudem lassen sich innerhalb der gebildeten Kategorie der psychologischen Prozesse auch Aussagen finden, welche eine negative Beeinflussung der Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit und der Online Review-Valenz erklären. Innerhalb von Tabelle 4-5 werden beispielhaft identifizierte Aussagen dieser Kategorie angeführt.

84

Empirische Untersuchung Ergebnisse zu psychologischen Prozessen zum Thema psychologische Kosten (Satzanfang/Stimulus & „Aussage des Probanden“)

Demografische Daten (Geschlecht, Alter)

This is what I dislike about being offered an incentive for writing an online review: “I would feel immoral writing a review in exchange for a monetary reward”

Männlich, 22 Jahre

This is what I like about being offered an incentive for writing an online review: “I feel like I am being bought or my opinion is”

Männlich, 32 Jahre

If I found such a notecard in the product package and saw that there is an incentive offered for writing an online review, I would think … “It seems like they are buying a positive review from me”

Männlich, 32 Jahre

If I found such a notecard in the product package and saw that there is an incentive offered for writing an online review, I would think … “I was being bribed for a review”

Weiblich, 58 Jahre

Tabelle 4-5: Ergebnisse zur Kategorie psychologische Prozesse zum Thema psychologische Kosten

So lassen sich zudem psychologische Kosten ausmachen, welche die durch das Incentivierungsangebot angesprochenen Kunden verspüren. Die Kunden fühlen sich durch das Incentivierungsangebot gekauft ein Online Review zu veröffentlichen und bestochen ein positives Online Review zu hinterlassen wie eine Vielzahl der analysierten Datensätze offenbart. Das Gefühl bestochen zu werden löst für die Kunden die identifizierten psychologischen Kosten aus. Somit bestärken die Ergebnisse der Pilot-Studie die theoretisch deduzierten Wirkungen eines Incentivierungsangebots für das Verfassen eines Online Reviews anfänglich. Sowohl hinsichtlich der Verhaltensintentionen als auch hinsichtlich der mediierenden psychologischen Prozesse können unterschiedliche Effekte durch das Angebot von Incentivierungen für die Online Review Veröffentlichung ausgelöst werden. Dabei können dem Handeln der angesprochenen Kunden ein empfundener Reziprozitätsnutzen, aber auch psychologische Kosten zugrunde liegen. 4.3.2 Studie 2: Experiment 1 Studie 1 generiert mittels einer offenen Befragung Erkenntnisse hinsichtlich des Online Review-Verhaltens und den dabei zugrundeliegenden psychologischen Prozessen im Falle eines Incentivierungsangebots für die Online Review-Veröffentlichung. Dabei nutzt die Studie eine real erlebte Situation als Untersuchungsrahmen. Studie 2 adaptiert dieses Vorgehen und überprüft die Ergebnisse quantitativ innerhalb eines Experiments, welches eine real erlebte Situation durch die Zugabe eines Incentivierungsangebot für

Empirische Studien

85

die Online Review-Veröffentlichung ergänzt bzw. verändert. Im Folgenden wird zunächst die Methode der ersten quantitativ empirischen Studie dieser Arbeit beschrieben (Abschnitt 4.3.2.1). Anschließend wird die Studie in der Ergebnisüberprüfung im Abschnitt 4.3.2.2 ausgewertet. 4.3.2.1 Methode Zunächst wird innerhalb der Darstellung der Methodik der Studie das Studiendesign erläutert (Abschnitt 4.3.2.1.1). Im Anschluss werden die Stichprobe der Studie in Abschnitt 4.3.2.1.2 und die Vorgehensweise der Untersuchung in Abschnitt 4.3.2.1.3 beschrieben. Abschließend wird die Operationalisierung der Variablen (Abschnitt 4.3.2.1.4) dargestellt. 4.3.2.1.1 Studiendesign Innerhalb dieser Studie wird der Einfluss eines Incentivierungsangebots für die Online Review-Veröffentlichung auf die psychologischen Mechanismen und Verhaltenskonsequenzen der angesprochenen Kunden mittels eines Szenario-Experiments untersucht. Der Szenario-Ansatz lässt sich als strukturierte schriftliche Beschreibung bezeichnen, die eine Situation wiedergibt (Eroglu 1987, S. 236). Diese Methode hat sich in der Marketingforschung etabliert und findet in dieser Disziplin häufig Anwendung (z.B. Garnefeld/Helm/Eggert 2011; Wagner/Hennig-Thurau/Rudolph 2009). Durch Szenario-Experimente können Einblicke in die psychologischen Reaktionen von Individuen innerhalb hypothetischer Situationen erlangt werden (Kwon/Weingart 2004, S. 271), wodurch die Nutzung dieser Methode zur Überprüfung der psychologischen Prozesse von Kunden gerechtfertigt wird. In Studie 2 wird ein Post-Test Only Control Group Design verwendet. Dieses experimentelle Design vergleicht die Messung einer Experimentalgruppe mit einer Kontrollgruppe ohne Vorher-Messung (Malhotra/Birks/Wills 2012, S. 386). Die Experimentalgruppe erhält dabei ein Treatment, welches die Ausprägung der unabhängigen Variablen widerspiegelt (Patry 1982, S. 25), während die Kontrollgruppe kein Treatment erhält. Vorliegend erhält die Treatment-Gruppe ein Incentivierungsangebot für die Online Review-Veröffentlichung, während die Kontrollgruppe dieses nicht bekommt. Der Vergleich der Treatment- mit der Kontrollgruppe hinsichtlich der angegebenen psychologischen Mechanismen und Verhaltensintentionen in Hinblick auf die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit und die Online Review-Valenz ermöglicht innerhalb des PostTest Only Control Group Designs Rückschlüsse auf die Wirkungen einer Incentivierung auf das Online Review-Verhalten.

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Empirische Untersuchung

4.3.2.1.2 Stichprobe An dem Experiment nahmen 191 Personen teil. Nach Bereinigung der Stichprobe um die Datensätze der Probanden, welche den Aufmerksamkeitstest nicht bestanden (Barone et al. 2017, S. 440), ergab sich eine finale Grundgesamtheit von 183 Studienteilnehmern. Das Durchschnittsalter der Probanden betrug 37 Jahre. 45 Prozent der Teilnehmer waren weiblich. Das Bildungsniveau der Teilnehmer erstreckte sich wie in Studie 1 von einem High School Besuch bis zur Erlangung eines Doktortitels. 85% der Probanden gaben an, bereits einmal ein Online Review verfasst zu haben, wodurch die Vertrautheit der Studienteilnehmer mit dem Thema Online Reviews gezeigt wird. 4.3.2.1.3 Vorgehensweise Die Durchführung des Experiments lehnte sich an die Vorgehensweise von He und Bond (2015, S. 1516) sowie Steinhoff und Palmatier (2016, S. 96) an, indem die Akquise der Teilnehmer erneut mit Hilfe der Online-Plattform MTurk erfolgte. Innerhalb der Studie konnten laut Ankündigung und Filterung auf MTurk Personen teilnehmen, die US-Bürger sind, mindestens 18 Jahre alt sind und sich bereits als Mitglieder von MTurk mittels einer mindestens 95% Akzeptanzrate etabliert haben. Die Teilnehmer erhielten eine Vergütung in Höhe von $0,70 für die vollständige Teilnahme am Experiment. Die Erhebung wurde mittels eines Online-Fragebogens durchgeführt. Zunächst erhielten die Studienteilnehmer einen kurzen Begrüßungstext. Neben dem Bedanken für die Studienteilnahme wurden innerhalb der einleitenden Worte auch generelle Hinweise zum Ausfüllen von Umfragen gegeben. Es wurden Vorkehrungen getroffen, um sozial erwünschtes Antwortverhalten zu vermeiden, welches eine Verzerrung der Studienergebnisse darstellen würde. Die Teilnehmer wurden instruiert, dass es keine richtigen oder falschen Antworten gibt. Zunächst wurde wiederum mittels einer Filterfrage sichergestellt, dass die Probanden innerhalb der letzten drei Monate ein Produkt auf Amazon.com gekauft haben. Somit müssen die Probanden in Studie 2 die gleichen Voraussetzungen zur Studienteilnahme erfüllen wie in Studie 1. Wurde die Frage verneint, gelangte der Proband nicht weiter zur Befragung und erhielt keine Teilnahmevergütung. Alle Teilnehmer, die diese Kontrollfrage mit ja beantworteten, bekamen anschließend die Befragung angezeigt. Die Probanden wurden in der Befragung gebeten sich an eine vergangene Situation zu erinnern, bekamen ein zusätzliches Szenario und anschließend wurde ihnen ein Fragebogen präsentiert. Die Studienteilnehmer wurden zunächst gebeten sich an ihren letzten Online Einkauf auf der Seite des Onlinehändlers Amazon.com zu erinnern und sich in die Situation zurückzuversetzen als ihnen das bestellte Produkt geliefert wurde. An-

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schließend sollten die Probanden Angaben zu dem gekauften Produkt machen. Im weiteren Verlauf wurde den Probanden aufgetragen sich vorzustellen, dass ein Flyer des Produktherstellers beim Öffnen des Pakets der Warensendung beilag. Nach dem Lesen dieser Instruktion und der Beantwortung der beschreibenden Fragen hinsichtlich des real gekauften Produktes, welche für alle Probanden gleich waren, wurden die Teilnehmer randomisiert einer von zwei Gruppen zugeteilt. Die Hälfte der Studienteilnehmer bekam einen Flyer mit Incentivierungsangebot (Treatment-Gruppe) angezeigt, während die andere Hälfte der Studienteilnehmer einen Flyer ohne Incentivierungsangebot (Kontrollgruppe) gezeigt bekam. Nachfolgend schloss sich ein Fragebogen an, den die Teilnehmer ausfüllen sollten. Unmittelbar auf die manipulierte Situation folgend wurden zunächst die abhängigen Variablen gemessen (Geuens/de Pelsmacker 2017, S. 89). Alle Studienteilnehmer sollten Angaben zu ihrer Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit sowie der Online Review-Valenz machen. Ferner wurden die Konstrukte Reziprozitätsnutzen und psychologische Kosten innerhalb des Fragebogens abgefragt. Ein Manipulations- sowie ein Realitätscheck wurden anschließend zur Überprüfung der Rahmenbedingungen des Experiments durchgeführt. Abschließend sollten die Studienteilnehmer Angaben zu ihrem Online Review-Verhalten und ihren demografischen Daten machen. Eine Übersicht der in der Studie verwendeten Fragen liefert Anhang 3. In Anlehnung an Karmakar und Bollinger (2015, S. 10) wurde die Aufmerksamkeit der mittels MTurk erhobenen Stichprobe kontrolliert. Es wurde vorliegend ein Aufmerksamkeitstest innerhalb der Befragung durchgeführt. Dazu wurden drei Items wie beispielsweise „The sun never shines on Mondays.“ innerhalb des Fragebogens inkludiert. Somit wurde durch die Messung der Bewertung logischer Aussagen eine objektive Kontrolle der Aufmerksamkeit der Probanden sichergestellt (Abbey/Meloy 2017, S. 65 f.). 4.3.2.1.4 Operationalisierung der Variablen Im Folgenden werden die Variablen operationalisiert. Einer Erläuterung der manipulierten unabhängigen Variablen (Abschnitt 4.3.2.1.2.1) schließt sich die Darstellung der abhängigen Variablen (Abschnitt 4.3.2.1.2.2) an. 4.3.2.1.4.1 Unabhängige Variable Die unabhängige Variable Incentivierungsangebot wurde innerhalb des Szenarios manipuliert. Dazu wurde das Angebot einer Incentivierung im Gegenzug zu dem Verfassen eines Online Reviews mit Hilfe eines abgebildeten Flyers auf zwei Stufen manipuliert, indem die Probanden randomisiert zwei Gruppen zugeteilt wurden. Die TreatmentGruppe erhielt einen Flyer mit der Aufforderung ein Online Review zu verfassen und auf der fiktiven Online-Bewertungsplattform „productreviews.com“ zu veröffentlichen. Dafür wurde den Probanden wie bereits in der ersten Studie die Auszahlung eines $10 Amazon-Gutscheins in Aussicht gestellt. Der dargestellte Flyer enthielt Informationen

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zum Incetivierungsangebot, der Online Review-Veröffentlichung und dem Nachweisen des Postings. Die Kontrollgruppe erhielt einen anderen Flyer innerhalb des gezeigten Szenarios. Es wurde ebenfalls eine Aufforderung zum Online Review-Verfassen abgebildet und auf die Online-Bewertungsplattform „productreviews.com“ verwiesen. Der Flyer, den die Kontrollgruppe erhielt, beinhaltete jedoch nicht das Angebot der Incentivierung. Die Situationsbeschreibung sowie der Flyer der Treatment- als auch der Kontrollgruppe sind in Anhang 3 zu finden. 4.3.2.1.4.2 Abhängige Variablen Um die abhängigen Variablen Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit und Online Review-Valenz zu operationalisieren, wurde auf Single-Item Measurement als etablierte Messmethode zurückgegriffen (Bergkvist/Rossiter 2007). Single-Item Measurement eignet sich zur Messung zweifach konkreter Konstrukte (Bergkvist/Langner 2017, S. 131). Zweifach konkrete Konstrukte sind Konstrukte, die ein klares Bezugsobjekt sowie ein Attribut mit klarer einfacher Bedeutung haben (Bergkvist 2015, S. 246). Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf beide abhängigen Variablen erfüllt. Während das Bezugsobjekt das gekaufte Produkt ist, repräsentieren die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit bzw. die Online Review-Valenz das Attribut. Um die Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit zu messen, wurden die Probanden aufgefordert die Wahrscheinlichkeit anzugeben, mit der sie ein Online Review über das von ihnen gekaufte Produkt abgeben würden. Die Nutzung einer Prozentangabe über die Ausführung eines bestimmten Verhaltens zur Operationalisierung der abhängigen Variable geschieht in Anlehnung an Garnefeld, Helm und Eggert (2011, S. 97). Dabei sollten die Studienteilnehmer mit einer Prozentangabe zwischen 0 Prozent und 100 Prozent auf die Frage „How likely is that you will write an online review about this product?“ antworten. Zur Messung der Online Review-Valenz wurden die Studienteilnehmer gebeten eine Angabe zu machen, wie viele Sterne auf einer Skala von einem Stern bis fünf Sternen sie innerhalb ihres Online Reviews dem Produkt zuschreiben würden. Dabei repräsentierte ein Stern ein sehr schlechtes Produkt und fünf Sterne ein sehr gutes Produkt. Diese Messmethode zeichnet sich aus zweierlei Gründen als besonders effektiv aus: Zum einen entwickelte sie sich zu einer etablierten Messmethode hinsichtlich der Online Review-Valenz (Ho-Dac/Carson/Moore 2013, S. 40; Sridhar/Srinivasan 2012, S. 77). Zum anderen ist sie eine besonders gute Annäherung an das reale Online Review-Verhalten, da innerhalb der Online Reviews des Marktführers Amazon ebenfalls ein Rating auf einer Skala von eins bis fünf Sternen abgegeben wird. Die Variablen Reziprozitätsnutzen und psychologische Kosten wurden durch Konstrukte gemessen, welche jeweils aus drei Items bestehen. Beide Konstrukte wurden auf

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siebenstufigen Skalen gemessen, wobei eins für „stimme gar nicht zu“ und sieben für „stimme voll und ganz zu“ steht. Für das Konstrukt Reziprozitätsnutzen wurde sich an etablierte Skalen von Thomson und Johnson (2006, S. 720) sowie Hennig-Thurau und Kollegen (2004) angelehnt und diese an den Untersuchungskontext angepasst. Zur Messung des Konstruktes psychologische Kosten wurde selbst eine drei Item-Skala auf Basis der Erkenntnisse aus der offenen Befragung in Studie 1 entwickelt. Die Entwicklung der Items hinsichtlich der Variablen psychologische Kosten folgte dabei den Erfahrungsregeln der Operationalisierung (Mayntz/Holm/Hübner 1978, S. 106-111). Eine Übersicht über die gemessenen Konstrukte und die beinhalteten Items der Studie 2 bietet Anhang 3. 4.3.2.2 Ergebnisse Im folgenden Abschnitt 4.3.2.2.1 wird die Manipulations- sowie die Realitätsannahme überprüft. Nachfolgend widmet sich der Abschnitt 4.3.2.2.2 der Konstruktmessung. Die Hypothesen werden im Anschluss in Abschnitt 4.3.2.2.3 überprüft. 4.3.2.2.1 Prüfung der Manipulations- und Realitätsannahme Um die erfolgreiche Manipulation der unabhängigen Variablen Incentivierungsangebot sicherzustellen, wurde ein Manipulationscheck durchgeführt (Abbey/Meloy 2017, S. 66). Die Teilnehmer der Studie wurden befragt, ob der Hersteller des gekauften Produktes einen Flyer mit einem Incentivierungsangebot für das Verfassen eines Online Reviews der Warensendung beigelegt hat. Die Zustimmung zu dem Statement „A company has sent me a notecard with my online order and offered compensation for writing an online review“ wurde dabei auf einer Likert Skala von eins (=“I totally disagree“) bis sieben (=“I totally agree“) gemessen. Diese unterstellt ein in gleich große Intervalle unterteiltes Antwort-Kontinuum, was die Durchführung von statistischen Berechnungen wie beispielsweise eines T-Tests ermöglicht (Mayntz/Holm/Hübner 1978, S. 58). Zwischen der Treatment-Gruppe, die ein Incentivierungsangebot erhielt, und der Kontrollgruppe, die kein Incentivierungsangebot erhielt, ließen sich hinsichtlich der angegebenen Werte signifikante Unterschiede feststellen (t(181) = -16,05, p = 0,00, MWTreatment = 6,05; STreatment = 1,96; MWKontrolle = 1,75; SKontrolle = 1,66). Daher ist die Manipulation erfolgreich vollzogen worden. Zur Prüfung, ob die Teilnehmer der Studie die dargestellte Situation als realitätsnah wahrnehmen, wurde ferner ein Realitätscheck innerhalb des Fragebogens durchgeführt. Die Teilnehmer wurden gefragt, wie gut sie sich in die beschriebene Situation einfühlen können indem sie auf die Aussage „I can easily imagine the described situation.“ mit Angaben auf einer Skala von eins (=“I totally disagree“) bis sieben (=“I totally agree“)

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reagierten. Die dargestellte Situation wurde als ausreichend realistisch wahrgenommen, wie der Mittelwert der Antworten von 6,30 (S = 1,12) zeigt. 4.3.2.2.2 Konstruktmessung Die Variablen Reziprozitätsnutzen und psychologische Kosten wurden mittels Skalen gemessen, welche jeweils aus drei Items bestehen. Die Variablen stellen latente Konstrukte und somit nicht direkt messbare Größen dar (Homburg/Giering 1996, S. 6). Zur Sicherstellung einer exakten Messung werden die Konstruktreliabilität sowie die Konstruktvalidität dieser latenten Konstrukte überprüft. Tabelle 4-6 stellt die gemessenen Werte der Prüfkriterien für die Variablen Reziprozitätsnutzen und psychologische Kosten dar. Konstrukt

Items

Durchschnittlich Faktorladung Faktorreliabilität erfasste Varianz (> 0,7)¹ (> 0,7)¹ (> 0,5)¹

If I had positive consumption experience with this product manufacturer, 0,93 I should help the manufacturer to be successful. ReziprozitätsIn my own opinion, good companies nutzen 0,94 should be supported. It is right to support this product manufacturer and the product that I 0,95 like. If I wrote a positive product review, I 0,92 would feel bribed by the company. Psychologische If I wrote a positive product review, I 0,86 Kosten would feel biased by the company. If I wrote a positive product review, I would feel being bought by the com0,94 pany. Anmerkung: ¹ Die Zahlen in Klammern zeigen die Mindestanforderung

0,94

0,89

0,89

0,82

Tabelle 4-6: Übersicht zu der Konstruktreliabilität und -validität in Studie 2

Um die genutzten Skalen zu bewerten, wird die konfirmatorische Faktorenanalyse herangezogen (Homburg/Giering 1996, S. 9; Gerbing/Anderson 1988, S. 189). Die Prüfung der Konstruktreliabilität soll sicherstellen, dass die verwendeten Indikatoren das Konstrukt korrekt messen (Koschate 2002, S. 121). Die Reliabiliät gibt an, ob die Messung zuverlässig und frei von Messfehlern ist (Balderjahn 2003, S. 131) und bezeichnet somit das Ausmaß mit dem wiederholte Messungen eines Objektes mittels selbiger Messinstrumente gleiche Ergebnisse anzeigen (Schnell/Hill/Esser 2011, S. 143). Die Faktorreliabilität bzw. Cronbachs Alpha (Cronbach 1951, S. 297) sowie die durchschnittlich erfasste Varianz (Average Variance Extracted = AVE) dienen als Maßzahl

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der Konstruktreliabilität. Hinsichtlich dieser Prüfgrößen werden die Anforderungen erfüllt. Die Faktorreliabilität übersteigt den üblichen Grenzwert von 0,7 (Nunnally 1978, S. 245) und die durchschnittlich erfasste Varianz liegt hinsichtlich aller Konstrukte über dem Grenzwert 0,5 (Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 288). Die Konstruktvalidität ist ein Ausdruck für die Beziehung zwischen Konstrukt und Messinstrument (Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 279). Sie beschreibt die Gültigkeit einer Messung und gibt Auskunft darüber, ob eine Messung misst, was sie messen sollte (Balderjahn 2003, S. 131; Bagozzi/Phillips 1982, S. 468). Die Validität ist somit neben der dargestellten Reliabilität das zentrale Gütekriterium für die Beurteilung einer Messung (Schnell/Hill/Esser 2011, S. 146). Um die Konstruktvalidität sicherzustellen, wird die Konvergenzvalidität geprüft. Konvergenzvalidität ist gegeben, wenn durch die Messung desselben Konstruktes mittels verschiedener Messinstrumente selbiges Ergebnis erzielt wird (Bagozzi/Yi/Phillips 1991, S. 425; Bagozzi/Phillips 1982, S. 468). Die Konvergenzvalidität wird durch die gleichen Messgrößen (Faktorreliabilität und AVE) wie die Konstruktreliabilität beurteilt. Bezüglich beider Messgrößen sind die erforderlichen Grenzwerte eingehalten. Zusätzlich werden zur Sicherstellung der Konvergenzvalidität die Faktorladungen herangezogen. Die Faktorladungen der einzelnen Items übertreffen vorliegend alle den Richtwert von 0,7 (Hulland 1999, S. 198). 4.3.2.2.3 Hypothesenprüfung Zur Prüfung der hergeleiteten Hypothesen wurde das SPSS Makro PROCESS von Hayes (2013) herangezogen. Dabei wurden Signifikanztests unter Verwendung der Bootstrapping Resampling Methode mit 5000 Stichprobenziehungen durchgeführt (Reimer/Benkenstein 2018, S. 15). Vorliegend wurde innerhalb von PROCESS Modell 4 verwendet. Die hypothetisierten Zusammenhänge zwischen der unabhängigen Variable Incentivierungangebot, den psychologischen Mechanismen Reziprozitätsnutzen und psychologische Kosten sowie den Verhaltenskonsequenzen Online Review-Abgabewahrscheinlichkeit und Online Review-Valenz sind mediierte Wirkungszusammenhänge. Innerhalb mediierter Wirkungszusammenhänge erklärt einer oder mehrere Mediatoren das Verhältnis zwischen dem Prädiktor und dem Resultat und offenbart somit, warum eine manipulierte Variable ein Ergebnis herbeiführt, was andernfalls unerkannt geblieben wäre (Geuens/de Pelsmacker 2017, S. 89 f.). Eine Mediation liegt vor, wenn der Effekt der exogenen Variablen auf die zu erklärende, endogene Variable entweder vollständig oder teilweise über einen Mediator vermittelt wird (Eggert/Fassott/Helm 2005, S. 103). Die Koeffizienten der hypothetisierten Zusammenhänge der vorliegenden Untersuchung werden in Abbildung 4-5 präsentiert.

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Empirische Untersuchung 31,4662***

Psychologische Kosten

Incentivierungsangebot vs. kein Incentivierungsangebot

0,7417***

-0,0774*

0,5929*

11,4836***

Reziprozitätsnutzen

-1,4667 n.s.

0,0676*

Online Review Abgabewahrscheinlichkeit

Online Review Valenz

*** p