Begutachtung Unfallverletzter [2. Aufl.] 978-3-7091-4667-5;978-3-7091-4819-8

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German Pages III, 16 [20] Year 1926

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Begutachtung Unfallverletzter [2. Aufl.]
 978-3-7091-4667-5;978-3-7091-4819-8

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Begutachtung Unfallverletzter (Adolf Kutschera-Aichbergen)....Pages 1-16

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BEGUTACHTUNG UNFALLVERLETZTER VON

HOFRAT DR. ADOLF KUTSCHERA-AICHBERGEN

ZWEITE, WESENTLICH ERWEITERTE AUFLAGE

MIT 11 TEXTABBILDUNGEN

SPRINGER-VERLAG WIEN GMBH

1926

ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER ÜBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN

ISBN 978-3-7091-4667-5 DOI 10.1007/978-3-7091-4819-8

ISBN 978-3-7091-4819-8 (eBook)

Vorwort Auf dem Gebiete der Unfallsbegutachtung bestehen zahlreiche ausgezeichnete Werke, deren Studium aber dem vielbeschaftigten Praktiker in der Regel zu zeitraubend ist. Durch die Drucklegung des vorliegenden Vortrages wurde deshalb beabsichtigt, auch jene Arzte, welche nur selten in die Lage kommen, Unfallverletzte zu begutachten, mit moglichster Kiirze iiber die dabei zu beriicksichtigenden Grundsatze zu informieren. In zweiter Linie sollte damit eine einheitli.che Untersuchungs~ und Begutachtungsmethode fiir das Gebiet der Arbeiter-UnfallversicherungsAnstalt fiir Steiermark und Kiirnten vorgeschlagen werden, um subjektive Verschiedenheiten nach Moglichkeit auszuschalten. Der Zweck der Arbeit bedingte moglichste Knappheit und mag entschuldigen, wenn manches kurz abgetan wurde, was eine ausfiihrlichere Erorterung vertragen hatte. Graz, im Juni 1905

Dr. v. Kutschera

Vorwort zur zweiten Auflage Wesentliche Anderungen der Unfallversicherungsgesetzgebung und erhebliche Abweichungen der osterreichischen gegeniiber der deutschen und der schweizerischen Spruchpraxis haben mich veranlaat, die erste Auflage ganzlich umzuarbeiten und durch eine Zusammenstellung der iiblichen Entschiidigungen zu erganzen. Graz, irn Herbst 1925

Dr. Kutschera

Bevor man an die Untersuchung Unfallverletzter schreitet, ist es notwendig, sich durch Einsicht in die Akten oder, wenn dies nicht moglich sein sollte, durch Befragung des Verletzten ein anamnestisches Bild i.iber den Unfall und dessen angebliche oder wirkliche Folgen zu machen. Besonders zu beachten ist dabei das Datum des Unfalles und das Datum der Anzeige, welche haufig sehr erheblich von einander abweichen. In der Anamnese sind die subjektiven Angaben des Verletzten i.iber die Unfallsfolgen aufzunehmen, ferner die Angaben uber verrichtete Arbeit und erzielten Verdienst. Genau ist festzustellen, wann und bei wem der Verletzte das erstemal arztliche Hilfe in Anspruch genommen hat, wie lange er arztlich behandelt wurde, wie lange er bettliigerig war, wo uncl wie lange er in Spitalspflege war. \Venn der Zusammenhang eines Gebrechens mit einem Unfalle zweifelhaft ist, muB ausfiihrlich und genau festgestellt werden, welche Erscheinungen sofort nach dem Unfalle vorhanden waren, von wem sie beobachtet worden sind oder wann und in welcher Weise sich die Krankheitserscheinungen spiiter entwickelt haben. In diesen Fallen ist die moglichst fruhzeitige Aufnahme einer erschopfenden klinischen Anamnese ungemein wichtig. In alien Fallen .sind wesentliche fruhere Erkrankungen und alle vorangegangenen Verletzungen, welche Folgen hinterlassen haben, in der Anamnese anzufiihren. Fur die Untersuchung ist., je nach dem Sitze der Verletzung, die vollige Entkleidung des Ober- oder Unterkorpers oder selbst auch des ganzen Korpers in den meisten Fallen notwendig und es kann eine Beschrankung der Entbl6Bung auf das Aufstreifen der Hemdiirmel wohl nur bei den einfachsten Fingerverletzungen zugestanden werden. Bei der moglichst ausreichenden Entkleidung kommt man haufig auf Komplikationen oder Folgen fruherer Erkrankungen oder Verletzungen, die von dem Untersuchten selbst · bei eindringlichem Befragen vollstandig ubergangen werden. Der Vergleich beider Korperseiten ist fiir die Beurteilung von Verletzungsfolgen ungemein wichtig. An die. Spitze des Befundes gehoren die allgemeinen Bemerkungen uber die Gro.Be, den Knochenbau, Ernahrungszustand, die Entwicklung der Muskulatur, das Aussehen, die Gesichtsfarbe, den Zustand der Sinnesorgane, das Temperament und die geistigen Fahigkeiten des Untersuchten. Hier empfiehlt es sich auch, allfallige Pro.fessionen oder sonstige vom Untersuchten erlernte oder ausgeubte Erwerbstatigkeiten zu erwii.hnen. Kutsch er a, Begutachtung.

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2 Ferner finden hier die Beobachtungen iiber den Gang, die Korperhaltung, Schwielen am Korper, frische Hautabschiirfungen, Brandblasen und sonstige Kennzeichen verrichteter Arbeit ihren Platz. Insbesondere die Schwielen in den Hohlhiinden geben nach ihrer Beschaffenheit ein getreues Bild von der Schwere der Arbeit, die der Untersuchte verrichtet hat. Nach ihrem gegenseitigen Verhaltnisse an beiden Handen und an den einzelnen Fingern geben die Schwielen AufschluB, inwieweit die Finger oder die ganze Hand an der Arbeitsleistung teilnehmen. Bei Bemteilung von Funktionsstorungen an den Beinen ist ein Vergleich d·er Schwielenbildung an beiden FuBsohlen erforderlich, welcher nicht nur iiber PlattfuBbildung und andere Deformitaten, sondern auch i.iber ein· seitige oder sonstige abnorme Abwicklung des Trittes AufschluB gewiihrt. Bei der Beschreibung der Unfallsfolgen hat man sich vor Augen zu halten, daB die Funktion der betroffenen Korperteile fiir die Beurteilung der Erwerbsfiihigkeit das Wichtigste ist, und daB die fachmannische Erorterung medizinischer Einzelheiten nur insoweit in Betracht kommt, als sie fiir die Funktion von Bedeutung.ist. Es ist also an den Extremitaten nach der Beschreibung der Lage, Ausdehnung und Be· schaffenheit der Verletzungsfolgen hauptsiichlich die Beweglichkeit samtlicher Gelenke festzustellen. Storungen werden fiir jedes Gelenk einzeln besprochen und, falls nicht vollstandige Steifheit vorhanden ist, durch Vergleich mit der gesunden Seite abgeschiitzt und in Bruchform angegeben z. B.: ,,Das. Grundgelenk des Mittelfingers ist um die Halfte, das Mittel- und Endgelenk um zwei Drittel in der Beugung behindert.'' Hiebei ist die aktive Beweglichkeit von der passiven zu untersche1den; falls sich die beiden nicht decken, ist beizufUgen, ob sich dies im objektiven Befunde durch Sehnentrennungen, Muskellahmungen u. dgl. erkliiren liiBt. Als kurze Bezeichnungen fiir die Fingergelenke und Fingerglieder, welchc analog auch bei den Zehen angewendet werden konnen, schlage ich fiir das Metakarpophalangealgelenk Grundgelenk, fiir die lnterphalangealgelenke Mittel- und Endgelenk vor, dementsprechend fiir die Fingerglieder Grund-, Mittel- und Endglied. Die aktive Beweglichkeit der Gelenke wird gepriift, indem man die Bewegungen auf beiden Korperseiten gleichzeitig ausfiihren lii.Bt. Besonders bei den Fingern ist es fiir den Verletzten, falls er dies nicht eigens eingeiibt hat, bei gleichzeitiger Bewegung an beiden Handen sehr schwierig, willkiirliche Ubertreibungen zu verbergen. Wenn dies nicht zum Ziele fiihrt, ist durch Auflegen der Hande auf die in Betracht kommenden Muskelgruppen zu priifen, ob die Steifheit durch willkiirliche Muskelspannung oder durch Veriinderungen in den Gelenken bedingt ist; wenn willkiirliche Muskelspannung die Ursache der angeblichen Steifheit bildet, so gelingt es hiiufig, durch Ablenkung der Aufmerksamkeit des Verletzten und plotzliche unvorhergesehene passive Bewegung des Ge~ lenkes den Tatbestand festzustellen. Beim Schultergelenke ist ein verlii.Blicher objektiver Anhaltspunkt filr vorhandene Steifigkeiten in der

3 Mitbewegung des Schulterblattes zu finden, welches sich beim Erheben des Armes nach vorn oder seitlich erst von der Horizontalen ab mitbew·egt. Wenn die Mitbewegung friiher stattfindet, ist sicher Steifigkeit im Gelenk vorhanden. Es wird dies dadurch gepriift, daB man mit Daumen und Zeigefinger beider Hii.nde die unteren Winkel beider Schulterbliitter von riickwii.rts fixiert und nun den Untersuchten die Bewegungen beider Arme gleichzeitig nach vorn und seitwiirts ausfiihren lii.Bt, wobei man einen allfa.lligen Unterschied in der Mitbewegung des Schulterblattes mit Sicherheit nachzuweisen imstande ist. Ein weiteres Mittel, um AufschluB iiber den Grad angeblicher Gelenksteifigkeit zu erhalten, ist die gleichzeitige Ausfiihrung passiver Bewegungen an beiden Korperseiten, wozu allerdings Assistenz notwendig ist; dabei empfiehlt es sich, dlirch gleichzeitiges Gesprii.ch iiber andere Gegenstii.nde die Aufmerksamkeit des Untersuchten abzulenken. Es HiBt sich dabei unschwer die unregelmii.Bige, oft plOtzlich eintretende und dann wieder ganz ausbleibende Kontraktion der Muskulatur, und zwar sowohl auf der gesunden Seite als auch auf der kranken Seite feststellen, weil die einseitige prii.zise Innervation der Muskulatur bei 11nvorhergesehenen Bewegungen auBerordentlich schwierig ist. Hat man auf Grund dieser Untersuchungsmethoden Ursache, eine Aggravation des Untersuchten anzunehmen, so bleibt als letztes Mittel zur Feststellung der vorhandenen aktiven Beweglichkeit von Gelenken noch die Anwenduug des faradischen Stromes iibrig, welche aber ziemlich starke Strome und die genaue Kenntnis der richtigen Erregungspunkte voraussetzt. Gelenkgerii.usche werden sehr hii.ufig in ihrer Bedeutung iiberschiitzt. Es ist dabei besonders an Schulter- und Kniegelenken zu priifen, ob sie sich an der gesunden Seite nicht in gleicher Weise vorfinden. Nach der Beweglichkeit der Gelenke ist der Krii.ftezustand 9,er verletzten Extremitii.t zu besprechen, wobei nicht nur der allgemeine Eindruck iiber die Entwicklung der Muskulatur zu verwerten, sondern auch der Umfang der Extremitat auf beiden Seiten unter Wiirdigung abnormer Verhii.ltnisse, wie sie z. B. bei Linkshiindern, bei Schwellungen der Weichteile oder der Knochen vorkommen, anzugeben ist. Die genaue Messung mit dem MaBbande hat den Vorteil, daB bei spii.teren Untersuchungen die eingetretene Besserung oder Verschlechterung der Muskelentwicklung mit zuverlii.ssiger Sicherheit nachgewiesen werden kann. Zu diesem Zwecke ist es aber notwendig, daB die Messungen stets in derselben Weise vorgenommen werden. Ich messe den Umfang der Sch11Iter bei seitlich horizontal erhobenen Armen in der Weise, daB ich das MaBband an der Achselfalte in der Sagittalebene anlege. Die anderen Maile nehme; ich an den Armen bei schrii.g vorgehaltenen, auswii.rts gerollten Hii.nden, und zwar sind dies in der Regel der Umfang des Oberarmes am Ansatze des Deltamuskels und in der Mitte dPs Bizeps, der groBte Umfang des Vorderarmes, der Umfang des Handgelenkes vor dem Stilfortsatze der Elle, der Umfang der Mittelhand iiber die seitlich einschnei1*

4 dende Hautfalte; bei besonderen Deformitaten oder ungleicher Muskelschwiiche nehme ich noch andere MaBe, deren Ort dann genau bezeichnet wird, z. B. vier Querfinger unter der Ellbogenfalte. Die MaBe an cler unteren Extremitiit nehme ich stets in liegencler Stellung. Bei Verkiirzungen der Extremitiit ist clas sicherste LiingenmaB cler Abstand des oberen vorderen Darmbeinstachels vom inneren Knochel. Zur Feststellung von Schenkelhalsbriichen oder auch Verrenkungen im Hiiftgelenke ist es notwendig, den Stand des groBen Rollhii.gels zu prlifen, welcher sich normal in der Mitte einer Linie befindet, welche den vorderen oberen Darmbeinstachel mit dem Sitzknorren verbindet und die RoserNelatonsche Linie genannt wird. Die iibrigen MaBe an den unterem Extremitiiten betreffen den Umfang in der Mitte des Oberschenkels, den Umfang des Knies in der Mitte der Kniescheibe, den gr6131.en Umfang der Wade, den kleinsten Umfang des Unterschenkels, den Umfang des Sprunggelenkes iiber Rist und Ferse, eventuell noch den Umfang lles MittelfuBes hinter den Kopfchen der MittelfuBknochen. Deformitiiten an den Extremitiiten werden sehr zweckmiiBig durch Z e i ch nun gen erHiutert, welche einfach in der Weise ausgefiihrt werclen, daB man v-011 der auf ein Blatt Papier gelegten Exlremitiit an der maBgebenden Stelle die Kontur abzeichnet. Die gesunde Seite ist zum Vergleich auch zu zeichnen. Es gibt dies ein anschauliches Bild von Defekten der Finger oder auch v-0n Deformitiiten, die nach Knochenbriichen zuriickbleiben, und es liiBt sich bei letzteren durch Einzeichnung der Liingsachse feststellen, inwiefern die Stabilitiitsverhiiltnisse geandert sind. Uberdies !assen sich noch an solchen Bildern allfiillige Narben, Wunden uncl offene Geschwlire leicht einzeichnen. Bei Unterschenkelbriichen wircl die seitliche Korrtur bei rechtwinklig abgebogenem Kniegelenk beim linken Beine in rechter Seitenlage uncl beim rechten Beine in linker Seitenlage gezeichnet. Wenn dabei Zehenballen, Ferse und Knie auf der ebenen Unterlage nicht gleichmiiBig aufliegen, handelt es sich um eine Torsion des unteren Bruchendes. Der Winkel dieser Torsion wird bestimmt clurch die Kontur der FuBsohlen: Der gesunde FuB wird auf die eine Hiilftc des Papierbogens so gestellt, daB die durch die zweite Zehe und Ferse verlaufende Liingsachse parallel zum Papierrancle steht. Der kranke FuB wircl rlann auf die andere Hiilfte des Papierbogens so gestellt, daB die Kniescheibc gleich steht wie beim gesunden FuBe. Der Winkel, den die Liingsachsen beider Sohlenkonturen bilden, entspricht der Torsion des unteren Bruchendes. Bei Besprechung der Funktion der Beine ist der Gang genau zu beschreiben. Ferner ist der Verletzte beim An- und Auskleiden genau zu beobachten. fa; kommt dabei vor, daB sich der Verletzte stehend auszieht und spiiter behaupteit, -0hne Stiitze nicht gehen zu konnen, oder cs kommt vor, daB die Verletzten beim An- und Auskleiden Gelenke frei bewegen, deren Steifigkeit sie nachtriiglich behaupten. Wenn der Verletzte ausgekleidet ist, lasse ich ihn zum Zwecke der Besichtigung der

5 FuBsohlen zuerst den einen, dann den anderen FuB aufheben. Dabei gewinnc ich gleichzeitig ein Urteil, inwiefern der Verletzte imstande ist, auf einem Bein allein zu stehen und inwieweit das Sprunggelenk beweglich oder steif ist. Bei einseitigen Verletzungen des Brustkorbes und insbesondere bei Rippenbriichen ist dcr Lokalbefund sehr hiiufig auBerst diirftig. Zur Dberpriifung der zumeist geiiuBerten subjektiven Schmerzempfindungen ist eine genaue Messung der oberen Extrerµitaten verwondbar, da bei langer dauernder Empfindlichkeit an einer Brustseite stets unwillkiirlich der Arm der gleichen Seite geschont wird und die Muskulatur infolger dessen atrophiert. Wenn eine solche Atrophie £ehlt und seit der Verletzung mehrere Monate verstrichen sind, kann angenommen werden, daB die behaupteten Schmerzen nicht so hochgradig sind, daB sie die Leistungsfiihigkeit in nennenswerter Weise beeintrachtigen. Die traumatische Neurose gehOrt in das Gebiet der psychischen Epidemien, welche unter neuropathisch veranlagten Personen durch krankhafte Betonung der Begehrungsvorstellungen veranlaBt werden. Wahrend des Krieges, besonders aber zur Zeit der Geldentwertung nach dem Kriege, war die traumatische Neurose, die friiher sehr haufig und immer an bestimmten Industriezentren aufgetreten war, sehr selten geworden, tritt aber jetzt wieder haufiger auf. Das beste Heilmittel fiir die traumatische Neurose ist die rasche endgiiltige Erledigung der Rentenanspriiche, also die Zwangsabfertigung, welche zum Nachteile der Kranken bishel' !eider nicht zuliissig ist. Zur Beurteilung nervoser Storungen ist auJ3,er der genauen Aufnahme des Befundes iiber siimtliche Organe ein erschopfen ler Befund iiber die objektiv nachweisbaren Nervenstorungen erforderlich. Es sind vor allem das Verhalten des Pulses, vasomotorische Storungen jeder Art und die Sehnenreflexe wichtig; ferner kann es von Bedeutung sein, auch Storungen des Farbensinnes und konzentrische Einschrankung des Gesichtsfeldes nachzuweisen. Klagen iiber Schwindel werden durch langes Stehen mit geschlossenen Augen und geschlossenen FuBspitzen oder Stehen auf einem Beine nachgepriift, ""obei es sich empfiehlt, die Aufmerksamkeit des Untersuchten dadurch abzulenken, daB man ihn gleichzeitig die Zunge herausstrecken oder die Arme seitheben laBt. Auch das Zittern ist ein objektives Symptom der Neurose, wenn es nicht auf chronischen Alkoholismus oder Nikotin zuriickzufiihren ist. In seltenen Fallen wird das Zittern besonders an den Handen simuliert; um dies nachzuweisen, zeichnet man dem Untersuchten mit dem Zeigefinger unregelmaBige Figuren in der Luft vor, welche er mit dem Zeigefinger der gesunden Hand nachzuzeichnen hat. Wenn das Zittern simuliert ist, so hort es an der andern Hand wruhrend dieser Bewegungen auf oder wird durch plOtzliche ruckweise Bewegungen unterbrochen, da es nicht moglich ist, ohne vorherige Einiibung mit beiden Handen gleichzeitig verschiedene willkiirliche Bewegungen auszufiihren.

6 Bei Nachuntersuchungen ist die Besserung oder Verschlimmerung des Zustandes an der Hand der einzelnen Symptome zu erortem; es ist daher besonders wichtig, im ersten Befunde jene Erscheinungen, welche nach medizinischer Erfahrung eine Besserung oder Verschlimmerung moglich erscheinen lassen, genau festzustellen. Fiir das Gutachten geniigt in den meisten Fallen die kurze aber moglichst erschopfende Beantwortung der von der Anstalt in den vorgedruckten Formularien gestellten Fragen. Bei schwierigen und komplizierten Fallen ist ein abgesondertes ausfiihrlich motiviertes Gutachten abzugeben, welches insbesondere bei der Begriindling des zweifelhaften Zusammenhanges innerer Erkrankungen mit Unfallen in der Regel notwendig ist. Die wichtigste Forderung, die an jedes Gutachten gestell t werden muB, ist die, daB es bestimmt lautet und sich nicht im Bereich zahlreicher Moglichkeiten bewegt. An die Spitze des Gutachtens gehOrt die Diagnose der erlittenen Verletzung und der vorgefundenen Gebrechen. Hierauf ist das Urteil iiber den Zusammenhang der vorgefundenen Gebrechen mit dem Unfall abzugeben und entsprechend zu begriinden. Bei der Dehnbarkeit und Unbestimmtheit medizinischer Begriffe und bei der zunehmenden Geneigtheit, innere Krankheiten auf erlittene Verletzungen zuriickzufiihren, geniigt es nicht, die Moglichkeit eines Zusammenhanges festzustellen, sondern es ist notwendig, die Wahrscheinlichkeit eines solchen Zusammenhanges unter ausfiihrlicher Erorterung der Griinde zu besprechen. In schwierigen Fallen wird es nahezu ausnahmslos notig sein, vor Abgabe des Endgutachtens Einsicht in die Erhebungsakten zu nehmen und allfallige weitere Erhebungen, die genau zu prazisieren sind, zu beantragen. Um die Wahrscheinlichkeit des ursiichlichen Zusammenhanges zweifelhafter Gebrechen mit einem Unfalle anzunehmen, ist vor allem zu verlangen, daB der Unfall selbst unzweifelhaft festgestellt ist, da.B dem Unfall eine erheblichere Bedeutung zukommt, und daB .objektive Merkmale einer Verletzung vorhanden gewesen sind. Wenn jemand ''iele Monate spater erzahlt, er habe bei der Arbeit plOtzlich da oder dort einen Schmerz verspiirt und es habe sich im weiteren Verlaufe an dieser Stelle die betreffende Erkrankung entwickelt, so kann dies wohl nie als Unfall angesehen werden, sondern wird in den meisten Fallen die erste Erscheinung einer allmahlich sich entwickelnden Krankheit sein, welche de.m Kranken zum erstenmal bei der Arbeitsleistung zum BewuBtsein kommt. Der Schmerz an und fiir sich ist ja noch kein Unfall, ~ondern lediglich eine Krankheitserscheinung, zum Begriffe eines Betriebsunfalles gehOrt aber ein auBergewohnliches Ereignis im Betriebe, das eine Storung im Zusammenhange oder in den Funktionen des Organismus verursacht. Ferner ist zu verlangen, daB sich die Krankheitserscheinungen mehr oder weniger unmittelbar an den Unfall angeschlossen haben, wobei auf die Zeit, die zur Entwicklung der betreffenden Krankheit notwendig ist,

entsprechende Riicksicht zu nehmen ist. Wenn bei einem Kranken, der

7 behauptet, eine Verletzung erlitten zu haben, tags darauf vom Arzt schon ein groBer AbszeB eroffnet wird, kann dies nicht als Unfallsfolge angesehen werden, weil die zur AbszeBbildung erforderliche Zeit weit Hinger gewesen sein miiBte. Ebensowenig kann man aber von einer wahrscheinlichen Unfallsfolge sprechen, wenn viele Monate oder selbst Jahre spater nach einer erlittenen Verletzung eine Erkrankung auftritt, auBer wenn vom Zeitpunkt des Unfalls bis zum Auftreten der Erkrankung sogenannte Briickenerscheinungen vorhanden waren, welche nach medizinischer Erfahrung in der Entwicklung der Erkrankung eine Rolle spielen. In d{'n meisten Fallen wird auch der Nachweis zu fordern sein, daB die Erkrankung von dem verletzten Korperteile ausgegangen ist. Ausnahmsweise konnen auch allgemeine Korpererschiitterungen zu schweren Erkrankungen des Stoffwechsels (Diabetes) oder des Nervensystems Veranlassung geben. Leistenbriiche werden in der Regel nicht als Unfallsfolge angesehen. Es ist eine feststehende Erfahrung der Anatomen und Chirurgen, da.B sich Leistenbriiche in der Regel allmahlich auf Grund bestehender Anlagc dadurch entwickeln, daB infolge vieltausendfiiltiger Einwirkung der Bauchpresse das Bauchfell im Leistenkanal allmahlich vorgestiilpt und auf diese Weise Raum fiir den Eintritt der Baucheingeweide ge· schaffen wird. In seltenen Fallen handelt es sich um ein Offenbleiben der von Geburt aus vorhandenen Bauchfelltaschen an dieser Stelle, in welche bei irgend einer Gelegenheit erst spater Eingeweide eintreten,. Es gibt Falle, in welchen der Eintritt der Eingeweide in den bereits Yorhandenen oder allmahlich gebildeten Bauchfellsack plOtzlich und unter stiirmischen Erscheinungen erfolgt. Wenn dies gelegentlich ungewohnlich schwerer Arbeitsleistung geschieht und der Kranke unter dem Bilde einer schweren Verletzung zusammenstiirzt und auf ein lebensgefahrliches Krankenlager geworfen wird, so wird man schon nach dem auBeren Eindrucke die Anerkennung des Unfalles nicht versagen konnen, obwohl auch hier die wissenschaftliche Erfahrung lehrt, daB die Arbeitsverrich· tung nur einen auBeren· AnlaB zur Entwicklung des veranlagten Gebrechens gegeben hat. Anders ist es hingegen bei den Fallen, welche weitaus die groBte Mehrzahl bilden, in welchen der Betreffende bei der Arooit einen Schmerz in der Leistengegend verspiirt und die Arbeit entweder gar nicht oder erst nach einiger Zeit aussetzt, oder wo ungeachtet der sofortigen Arbeitseinstellung keine schweren Reizerscheinungen nachgewiesen werden konnen. Hier ist es als sicher anzunehmen, daB der Austritt des Bruches schon Monate oder Jahre lang vorbereitet war und nur zufallig wahrend der Arbeitsleistung erfolgt ist, wahrend er geradesogut bei irgend einer andern physiologischen Verrichtung, bei welcher die Bauchpresse in energische Tatigkeit tritt, das erstemal hatte zum Bewu.Btsein gelangen konnen. Tub1erkulose der Knochen und Gelenke ist fast nie Folge eines Unfa!les, sondern durch Verschleppung von Tuberkelbazillen aus

8 Lungen oder Lymphdriisen verursacht. Der Zusammenhang mit einem Unfalle wird nur anerkannt, wenn der Unfall erheblich war, den er· krankten Korperteil betroffen hat uncl einwanclfrei feststeht. Die l{rankheitserscheinungen miissen sich unmittelbar an den Unfall angeschlossen haben oder durch Briickenerscheinungen mit diesem in Verbindung stehen, diirfen aber auch dann nicht spater als ein halbes J:;i,hr nach dem Unfallc auftreten. Die Verschlimmerung einer bestehenden Tuberkufo,se kann nach einem erheblichen Unfall angenommen werden, wenn sich die Erkrankung unmittelbar darauf sturmisch verschlechtert. Weit vorgeschrittene Tuberkulose kann durch einen Unfall nicht wesentlich verschlimmert werden. Ostieomyelitis ist nur dann Unfallsfolge, wenn eine erhebliche Erschiitterung des Knochens mit Blutung ins Knochenmark erfolgt und die Krankheit binnen wenigen Tagen nach dem Unfalle auftritt. Lungenentziindungen sind nicht selten mittelbare Unfallsfolge, wenn durch den Unfall Jangere Bettruhe in einem Spital veranlaBt wird und es deshalb zur Bettpneumonie kommt. And ere Erkrankungen hangen auBerst selten mit einem Unfall ursachlich zusammen und konnen hochstens verschlimmert werden, wenn ein erheblicher Unfall den erkrankten Korperteil trifft und sich die Verschlimmerung darauf offenkundig kundgibt. Die Beurteilung der Einbu.Be an Erwerbsfahigkeit, welche durch einen Unfall verursacht wird, gehort zu den schwierigsten, aber auch zu den wichtigsten Aufgaben des begutachtenden Arztes. Erwerbsunrahigkeit ist die Unfiihi~keit des Verletzten, auf dem gesamten Arbeitsmarkt, soweit er elem Verletzten nach dessen Kenntnissen and korperlichen wie geistigen Fiihigkeiten offen steht, durch regelmaBige Arbeit Verdienst zu erlangen. Die Unfiihigkeit, im bisherigen Beruf zu arbeilen, ist nicht gleichbecleutend mit Erwerbsunfiihigkeit, sie ist aber bei der Einschatzung der EinbuBe an Erwerbsfahigkeit desto mehr zu berucksichtigen, je hoher qualifiziert die berufliche Tatigkeit des Verletzten gewesen ist. Vor Einschatzung der EinbuBe an Erwerbsfiihigkeit ist die Frage zu beantworten, welche Arbeiten der Verletzte verrichten kann. Die Antwort lautet: ,,In seinem friiheren Berufe" oder ,,In einem anderen Berufe". Dabei konnen die vom Verletzten erworbenen Kenntnisse und Fahigkeiten auf anderen Arbeitsgebieten beriicksichtigt werden. An rlieser Stelle ist auch die Leistung zu besprechen, welche bei den Arbeitein erzielt wird. Die Leistung kann im allgemeinen als wenig, rnaBig oder erheblich vermindert bezeichnet werden; es ist aber zweckrna.Big, diese Verminderung noch dahin zu erlautern, ob und inwieweit Kraft, Geschick1

lichkeit oder Ausdauer vermindert sind. Die Unmoglichkeit, gewisse quali-

fiziertc Arbciten zu leisten, z. B. bei Drehern infolge geringer Finger-

9 verletzungen, ist an dieser Stelle zu erwahnen und eingehend zu begriinden. Die EinbuBe an Erwerbsfiihigkeit wird in Prozenten jener Erwerbsfahigkeit ausgedriickt, welche der Verletzte vor dem Unfall gehabt hat und welche durch die Folgen friiherer Verletzungen oder durch Erkrankungen oder sonstige Gebrechen sehr wesentlich beeinfluBt sein hnn. Es ist hiebei also vor allem der hi.i.ufig begangene Fehler zu vermeiden, daB es sich nicht um die EinbuBe an der Erwerbsfahigkeit eines gesunden Normalarbeiters handelt, sondern um die EinbuBe an der indi vid uellen, naturgemi.i.B sehr verschiedenen Erwerbsfiihigkeit. Mil der Einschi.i.tzung dieser EinbuBe sehr eng verbunden ist die Prognose der weiteren Folgen der Verletzung. Hiebei hat der hegutachtende Arzt besonders zu beachten, daB in den seltensten Fallen dirFolgen der Verletzung nach AbschluB des Heilverfahrens unverandert fU.r das ganze Leben fortbestehen, sondern daB sie sich in der Regel in der ersten Zeit nach der Verletzung weitaus starker fiihlbar machen als spi.i.ter, wenn au.Ber der Besserung einzelner Erscheinungen weitgehende Gewohnung eingetreten ist. Hiebei mogen sich die begutachtenten lrzte als Richtschnur vor Augen halten, daB nicht nur die Dauer der gi.i.nzlichen Erwerbsunfahigkeit nach einer Verletzung, sondern auch das AusmaB der ErwerbseinbuBe wiihrend der Rekonvaleszenz im Sinne der humanen Tendenzen des Unfallversicherungsgesetzes mit Wohlwollen zu bemessen ist, daB hingegen bei der Bestimmung der dauernd verbleibenden ErwerbseinbuBe die bestehenden Erfahrungssi.i.tze streng zu beachten sind, was im Interesse der Verletzten gelegen ist, die eine ungleichmi.i..Bige Beurteilung sehr bald herausfinden. Einer der hi.i.ufigsten Fehler bei der Einschatzung voriibergehender Erwerbseinbu.Ben ist, daB die Term;ine, in welchen die Besserung in Aussicht gestellt wird, viel zu kurz bemessen werden. Man hat sich dabei vor Augen zu halten, daB, nach.dem Unfallversicherungsgesetze eine Anderung in der Feststellung der Rente nur dann einzutreten hat, wenn eine wesentliche Anderung in den Verhiiltnissen, welche fiir die Feststellung der Entschi.i.digung ma.Bgebend waren, eingetreten ist. Es muB daher in der in Aussicht gestellten Zeit wirklich eine wesentliche Besserung zu erwarten sein, was aucn bei Bemessung der voriibergehenden ErwerbseinbuBe zu beriicksichtigen ist. Eine Besserung der EinbuBe von 250;0 auf 200/o ist z. B. in der Regel nicht als wesentlich zu bezeichnen, sondern man miiBte mindestens eine Besserung von 250/o auf 150/o erfordern. Solche wesentliche Besserungen werden nur selten in einem kiirzeren Zeitraume als in einem halben Jahre zu erzielen sein. Hiebei kommt noch ein anderer Umstand in Betraciht. Eis ist dringend wiinschenswert, die Verletzten so selten als moglicih einer neuerlichen Feststellung ihrer Unfallsrente und damit der arztlichen Untersuchung zu unterwerfen, weil dies fiir die Verletzten immer mit einer begreiflichen Aufregung verbunden ist. Ferner verursacht die wiederholte arztliche

10 Untersuchung Kosten, welche sich durch die Zureisekosten der Verletzten nicht unerheblich steigern konnen und die mitunter in gar keinem Verhiiltnis zu der schlieBlichen Anderung der Rente stehen. Es kann deshalb dem begutachtenden Arzte nicht dringend genug empfohlen werden, sich bei seiner Begutachtung ein beiliiufiges Bi 1d von der Hohe jener Ren~e zu machen, welche .dem Verletzten auf Grund seines Gutachtens sowohl voriibergehend als auch dauernd zugesprochen werden wird und danaoh erst den Termin fiir eine neuerliche Untersuchung zu beantragen. Einschiitzungen unter 100;0 EinbuBe sind wegen der Geringfiigigkeit der entsprechenden Renten zu vermeiden. Wenn eine Rente bereits durch liingere Zeit bezogen wurde, so ist darauf Riicksicht zu nehmen, daB die Unfallsfolgen, je liinger sie bestehen, desto Hinger zu ihrer weiteren wesentlichen Besserung benotigen werden. Es geht nicht an, bei einem Rentner, der bereits mehrere Jahre im Genusse einer Rente steht, die wesentliche weitere Besserung schon in wenigen Monaten oder in einem Jahre in Aussicht zu stellen, sondern wird in der Regel der Termin der weiteren Besserung, je liingere Zeit seit dem Unfalle verstrichen ist, desto weiter hinaus zu schieben sein. Es ist jedoch auch anderseits nicht au13er acht zu !assen, daB besonders Gelenksteifheiten und Schwiichezustande der Muskulatur, auch nervose Storungen bei jiingeren Leuten selbst nach !anger Dauer, also auch noch 5 bis 10 Jahre nach dem Unfalle iiberraschende Besserungen und selbst volle Herstellungen zeigen konnen. Es empfiehlt sich, mit der Prognose der vollen Herstellung nicht allzu engherzig zu sein, weil diese Prognose durch den Wortlaut des Anstaltsbescheides dem Verletzten zur Kenntnis kommt und fiir diesen haufig genug einen Ansporn bildet, alle Energie daranzusetzen, um die volle Leistungsfiihigkeit wieder zu erlangen. Gelingt ihm dies aber nicht, so ist es ihm unbenommen, seine Ansprii.che neuerlich bei der Anstalt geltend zu machen. AuBer der anatomischen und funktionellen Besserung der Unfallsfolgen ist auch die Gewohnung und Anpassung zu erwagen, welche je nach der Art der Verletzung, nach dem Alter, nach der korperlichen und geistigen Beschaffenheit und besonders nach der Willenskraft des Verletzten in einem Jahre oder auch in einem wesentlich liingeren Zeitraum zu erwarten ist. Die wesentliche Besserung durch Gewohnung ist eingehend zu begriinden und kann nur einmal angenommen werden. Fiir die Einschiitzung der Erwerbseinbu.Be sind auBer den medizinischen Grundlagen des arztlichen Befundes die vom Verletzten verrichtete Arbeit und in letzter Linie auch der erzielte Verdienst von Bedeutung. Bei der hii.ufigen Angabe der V erletzten, da.B sie keine Arbeit verrichten, ist dies auf Grund des Befundes, wobei insbesondere auf den Schwielenbefund zu achten ist, zu iiberpriifen und gel'ingt es in der Regel, vom Verletzten hinreichend AufschluB zu erlangen. Wenn die Moglichkeit. einer Arbeitsverrichtung vorliegt, so ist auch bei der b:e-

11 stimmten Behauptung des Verletzten, keine Arbeit verrichten zu konnen, noch kein ausreichender Grund zur Gewahrung der Vollrente gegeben, auBer wenn dies arztlich fiir die raschere Erhoiung zu empfohlen ist. Anderseits ist jedoch die Erzielung eines gleichen oder hi:iheren Arbeitsverdienstes als vor dem Unfalle auch kein ausreichender Grund zur Einstellung der Rente, wenn der arztliche Befund das Vorhandensein einer wesentlichen Erwerbsbeeintrachtigung nachweist. Die Arbeitsverrichtung und der Verdienst sind eben erst in zweiter Linie mafigebend und lediglich als Rahmen zu dem durch den arztlichen Befund und die allgemeinen Erwerbsverhfiltnisse gegebenen Bilde der Erwerbsbeeintrachtigung anzusehen. Im Falle der Hi 1Hos i g k e it, bei welcher der Verletzte nach AbschluB des Heilverfahrens fremder Pflege und Wartung bedarf, ist die Hilflosenrente im AusmaB von 1500/o der Vollrente zu beantragen. Die Hilflosenrente kommt in Betracht nach schweren Wirbelverletzungen, bei ausgebreiteten Lahmungen, voriibergehend auch bei vollstandiger Erblindung, besonders bei iilteren oder minder intelligenten Lenten, welche liingere Zeit brauchen, um sich im Raume orientieren zu ki:innen. Die Notwendigkeit fremder Begleitung auf der StraBe kann allein den Begriff der Hilflosigkeit noch nicht begriinden, wenn nicht au.Berdem noch fremde Pflege und Wartung beni:itigt wird. Die wichtigsten iiblichen Entschadigungen fiir dauernde Unfallsfolgen sind in der beiliegenden Zusammenstellung angefiihrt. Dabei sind nur die glatten dauernden Folgen ohne Komplikationen berucksichtigt und ist die EinbuBe fur die Ubergangszeit, solange Komplikationen bestehen und noch nicht volle Gewi:ihnung eingetreten ist, cntsprechend hi:iher zu veranschlagen. Die Arbeiterunfallversicherungsans talten ki:innen das Heilverfahren bei den Unfallverletzten nach dem Gesetze jederzeit iibernehmen, sind aber zur Ubernahme nicht verpflichtet. In Graz steht der Anstalt fiir diesen Zweck ein eigenes, vorziiglich eingerichtetes Unfallkrankenhaus zur Verfiigung. Fur die sofortige Uberweisung an diese Anstalt kommen besonders frische Gelenkverletzungen. sowie Sehnen- oder Nervendurchtrennungen in Betracht, welche die besten Heilerfolge geben, wenn sic innerhalb 24 bis langstens 48 Stunden nach der Verletzung in das Unfallkrankenhaus abgegeben werden. Dabei sind hi:ihere Transportkosten nicht zu scheuen. AuBerdem sind alle Verletzungen des Bewegungsapparates, bei welchen es darauf ankommt, den Eintritt von Steifigkeiten zu vermeiden, ferner alle Eiterungen nach kleinen Verletzungen, mit Vorteil so bald als moglich in das Unfallkrankenhaus abzugeben. Von alteren Verletzungen werden die besten Erfolge bei Pseudarthrosen erzielt; Korrekturen erheblicher Deformita.ten, plastische Operationen an Knochen und Gelenken, an Narben und Sehnen kommen in Betracht. In der Anstalt werden auch die erforderlichen Prothesen beigestellt.

12 Die sofortige Abgabe fri scher Verletzungen in das Unfallkrankenhaus in Graz ist durch Vereinbarungen mit den meisten Krankenkassen ermoglicht. Bei iilteren Verletzungen ist vorher die Zustimmung der Arbeiterunfallversicherungsanstalt einzuholen, wenn nicht die Krankenkasse die Kosten der Spitalspflege fi.ir die ersten vier Wochen :i.ib~­ nimmt.

Dauernde Einbu6e an Erwerbsfiihigkeit

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Abb. l,*·)

O°lu

Geringe Schwerhorigkeit. Geringe Steifigkeiten einzelner kleiner und mittlerer Gelenke. Gut geheilte Knochenbriiche. Verkiirzung an einem Beine bis 3 cm.

Abb.

2. 10°/ 0

Einseitige Taubheit. Leichte einseitige Muskelsehwache. Geringe Steifigkeiten gro6erer Gelenke.

*) Die Abbildungen 1-4 gelten fi\r rechts und links.

13

Abb. 3. 150/o Verengerung der Nase. Herabsetzung der Sehscharfe auf "/w Handgelenk 1 / 3 steif. GroBe Zehe in iiberstreckter Stellung steif. Alle 5 Zehen in guter Stellung steif. Geringe Komplikationen nach Heilung von Knochenbriichen.

Abb. 4. 20°1o 1/ 3 1/ 2

1/ 4

Steifheit Schultergelenk, Sprunggelenk, Kniegelenk, Ellbogengelenk. Steifheit Handgelenk. Behinderung des Faustschlusses.

14

Abb. 5. 25° I0 Steifheit Schultergelenk, Sprunggelenk, Kniegelenk, Ellbogengelenk. Steifbeit Hiiftgelenk. - 2 / 3 Steifheit Handgelenk. 5 cm Verkiirzung eines Beines. - Plattfu6 nach Knochenbruch. Vollstandige Steifheit des Sprunggelenkes in rechtwinkliger Stellung. Habituelle Schulterverrenkung. - Mundsperre. Mii.6ige Komplikationen nach Heilung von Knochenbriichen. 1/ 2

1/ 3

Abb. 6. 30°/ 0 1 / 3 Behinderung des Faustschlusses. Ellbogengelenk irn rechten Winkel steif. Schlecht geheilter Kniescbeibenbruch. - Mastdarmvorfall. Inkontinenz des Harnes. - Verlust beider Hoden.

Abb. Einseitige Erblindung. ' I~ Steifheit Hiiftgelenk. -

7. 33°/0

Steifheit Schultergelenk, Kniegelenk. Volle Steifbeit Handgelenk.

2/ 3

15

Abb. 8. 40Ufo

Volle 8teifheit Sprunggelenk in leichter SpitzfuBstellung. Volle Steifheit Schultergelenk, Kniegelenk. Volle Steifheit Ellbogengelenk in Streckstellung. 1 / 2 Behinderung des Faustschlusses.

Abb.

9. 50°/0

Behinderung des Faustschlusses. - Fast voile Steifheit Hiiftgelenk. Verlust eines Fu6es in der Knochelgegend. Pseudarthrose oder gro6es Schiottergelenk mit Stiitzapparat. Doppelseitige Taubheit.

2 /,1

Abb.

10. 600/o

Liihmung zweier Nerven am Arme.

16

Abb.

11. 66°/0

Verlust der linken Hand im Handgelenk. Verlust eines Beines im Kniegelenk.

750;0 Verlust der rechten Hand im Handgelenk. Verlust des linken Armes im Oberarm. Verlust eines Beincs im Oberschenkel. Liihmung aller drei Nerven am Arme.

V erlust des recliten Armes im Oberarm. Verlust eines Beines im Hiiftgelenk.

1000/o Doppelseitige Erblindung. Verlust beider Beine im Oberscltenkel. Verlust beider Hande.

150°/0 Wirbelsaulcnbruch mit vollstandiger Lahmung beider Beinr. Verlust beider Arme im Schultergelenk.