Bankenbeihilfen im Zuge der Finanzkrise [1 ed.] 9783428545148, 9783428145140

Die weltweite Finanzkrise, die ihren Ursprung im Jahr 2007 in den USA findet, hat eine Vielzahl europäischer Staaten ver

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Bankenbeihilfen im Zuge der Finanzkrise [1 ed.]
 9783428545148, 9783428145140

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 266

Bankenbeihilfen im Zuge der Finanzkrise Von

Corinna Bringmann

Duncker & Humblot · Berlin

CORINNA BRINGMANN

Bankenbeihilfen im Zuge der Finanzkrise

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 266

Bankenbeihilfen im Zuge der Finanzkrise Von

Corinna Bringmann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-14514-0 (Print) ISBN 978-3-428-54514-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-84514-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2013 / 2014 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur befinden sich auf dem Stand von Juli 2014. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Daniel Zimmer, LL.M., der die Arbeit thematisch angeregt und in vielfältiger Weise unterstützt hat. Für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens bin ich Herrn Professor Dr. Christian Koenig, LL.M., verbunden. Entstanden ist die Arbeit während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht. Für die freundschaftliche und herzliche Atmosphäre am Lehrstuhl möchte ich dem gesamten Lehrstuhlteam, insbesondere Julian Dompke und Elisabeth Neuser, danken. Für die Korrektur dieser Arbeit und wertvolle Anmerkungen bin ich Christian Strothotte zu Dank verpflichtet. Danken möchte ich auch Jessica Jöbges, Ina Lutz, Christina Reipen, ­ aniel Stölting und Antje Thielen für ihre Freundschaft und die Unter­ D stützung in allen Lebenslagen. Den größten Dank schulde ich meinen Eltern. Ohne ihre fortwährende sowohl moralische als auch finanzielle Unterstützung und Geduld während meines Studiums wäre diese Arbeit nicht entstanden. Ihnen ist die Arbeit gewidmet. Bonn, im November 2014

Corinna Bringmann

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Die Beihilferegelungen nach Art. 107 ff. AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Banken­bei­hilfen . . . . . . . . . . 20 I. Traditioneller Ansatz vor der Finanzkrise: Leitlinien zur Rettung und Umstruktu­rierung von Unter­nehmen in Schwierig­keiten . . . . . . . . . . . . 20 II. Erste Phase der Krise: Anwendung der R&U-Leitlinien . . . . . . . . . . . . 22 III. Zweite Phase der Krise: Eignungsdefizite der R&U-Leitli­nien . . . . . . . 23 1. Veränderte Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Rettung einzelner Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Unternehmen in Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4. One Time, Last Time-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 5. Restriktionen hinsichtlich struktureller Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . 28 6. Zeitliche Begrenzung der Rettungsbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 7. Erfordernis eines Umstrukturierungsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 8. Beschränkte Dauer der Umstrukturierungsperiode . . . . . . . . . . . . . . 32 9. Erheblicher Eigenbeitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 10. Verfahrensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen . . . . . . . . . . . . . 34 1. Rechtsgrundlage für Beihilfen zur Bewältigung der Finanzkrise . . . 35 a) Ziele der Beihilfeaufsicht gemäß Art. 107 ff. AEUV . . . . . . . . . . 36 aa) Unverfälschter Wettbewerb als Schutzzweck . . . . . . . . . . . . 36 bb) Berücksichtigung außerwettbewerblicher Zielsetzungen im Rahmen der Beihilfeaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Art. 107 Abs. 2 lit. b Var.  2 AEUV: Katastrophenbeihilfen . . . . 43 c) Art. 107 Abs. 3 lit. b Var. 2 AEUV: Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mit­gliedstaates . . . . . 46 d) Anwendung des Art. 107 Abs. 3 lit. b Var.  2 AEUV . . . . . . . . . . 49 2. Ökonomische Rechtfertigung von Bankenbeihilfen . . . . . . . . . . . . . 50 a) Begriff des Marktversagens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Ursachen eines Marktversagens in der Finanzkrise und Korrekturen durch Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 aa) Ökonomische Ursachen der Finanzkrise . . . . . . . . . . . . . . . . 52 (1) Adverse Selektion auf dem Verbriefungsmarkt . . . . . . . 53 (2) Moral Hazard seitens der Banken durch Auslagerung von Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (3) Moral Hazard seitens der Rating-Agenturen . . . . . . . . . 55

6 Inhaltsverzeichnis (4) Prinzipal-Agent-Konflikte zwischen Managern und Inves­toren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Korrekturen eines Marktversagens durch Beihilfen . . . . . . . 56 (1) Bank Run . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (a) Withdrawal Theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (b) Informationsbasierte Mode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (c) Allgemeiner Bank Run . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (d) Gefahr eines allgemeinen Bank Run in der Krise  . 61 (2) Systemisches Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 cc) Voraussetzungen einer staatlichen Intervention . . . . . . . . . . . 64 c) More Economic Approach im Beihilferecht . . . . . . . . . . . . . . . . 65 aa) Abwägungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 bb) Kritik an der Abwägungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 cc) Umfang der Wettbewerbsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 dd) Systematische Verortung der Wettbewerbsanalyse . . . . . . . . 74 ee) Fazit zur Umsetzung des More Economic Approach im Beihilferecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Entstehung, Inhalt und Zielsetzung des neuen Rechts­rahmens . . . . 79 4. Rechtswirkungen und Rechtsnatur von Mitteilungen und Leitlinien . 84 5. Anwendungsbereich des neuen Rechtsrahmens  . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Beschränkung der Anwendbarkeit auf den Finanzsektor . . . . . . 87 b) Erfordernis der Systemrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 6. Neuerungen gegenüber den R&U-Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 7. Allgemeine Voraussetzungen für staatliche Unter­stützungs­maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 aa) Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität . . . . . . . . . . 95 bb) Eigenbeitrag des Privatsektors beziehungsweise des Begüns­tigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 cc) Ausgleichsmaßnahmen zur Vermeidung unverhältnis­mäßiger Wettbewerbsverzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Zeitliche Begrenzung staatlicher Unterstützungsmaßnah­men . . . 98 c) Unterscheidung zwischen grundsätzlich gesunden Finanz­instituten und Finanzinstituten mit endogenen Problemen . . . . . 100 8. Exit der Kommission aus dem gelockerten Beihilferahmen . . . . . . 104 V. Bewertung der neuen Genehmigungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 I. Bankenbeihilfen am Beispiel der Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Beihilfeeigenschaft staatlicher Unterstützungsmaßnahmen . . . . . . . . 117 2. Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Unterstützung verschiedener Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 aa) Commerzbank  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Inhaltsverzeichnis7 bb) Hypo Real Estate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 cc) WestLB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Vorliegen einer Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Rekapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Unterstützung verschiedener Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 aa) Commerzbank  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 bb) Hypo Real Estate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 cc) WestLB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Vorliegen einer Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Aktienbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb) Stille Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 4. Abwicklungsanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) AidA-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 bb) Zweckgesellschaftsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Anwendung der Modelle auf verschiedene Institute . . . . . . . . . . 132 aa) Hypo Real Estate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) WestLB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Vorliegen einer Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Zweckgesellschaftsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 bb) AidA-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 d) Voraussetzungen nach der Risikoaktivamitteilung . . . . . . . . . . . . 136 e) Erfüllung der Voraussetzungen durch die WestLB und ­Quantifizierung des Beihilfeelements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Rechtfertigung der Bankenbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Erscheinungsformen der Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Strukturelle Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Verhaltensmaßregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Rechtsgrundlage für das Handeln der Kommission . . . . . . . . . . . . . 147 3. Kompensationsmaßnahmen als Auflagen und Bedingungen  . . . . . . 148 a) Bedeutung und Wirkung von Auflagen und Bedingungen . . . . . 149 b) Zulässigkeit von Nebenbestimmungen im vorläufigen Prüfverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Ablauf des Prüfverfahrens bei der Kommission . . . . . . . . . . 150 (1) Vorläufiges Prüfverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (2) Förmliches Prüfverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Begrenzung der Ermächtigung auf das förmliche Prüfverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 c) Rechtsschutz gegen mit Nebenbestimmungen oder Zusagen verbundene Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 aa) Klagen gegen Positiventscheidungen am Ende des förmlichen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

8 Inhaltsverzeichnis (1) Antragsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (2) Klagen der Mitgliedstaaten und der Beihilfeempfänger . 156 (3) Konkurrentenklagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (4) Prüfungsmaßstab der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 bb) Klagen gegen Positiventscheidungen am Ende des vorläufigen Prüfverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 4. Grenzen zulässiger Maßnahmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Strukturelle Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Verhaltensmaßregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 E. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht ABl. Amtsblatt Abs. Absatz AER American Economic Review AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europä­ischen Union AG Aktiengesellschaft AGVO Allgemeine Gruppenfreistellungsverord­nung AidA Anstalt in der Anstalt AIG American International Group Art. Artikel BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs­aufsicht Bank of Canada Rev. Bank of Canada Review BAnz Bundesanzeiger BayernLB Bayerische Landesbank Bd. Band best. bestätigt BIP Bruttoinlandsprodukt BIS Bank for International Settlements BJEcon Bell Journal of Economics and Management Science BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarkt­recht BRZ Zeitschrift für Beihilfenrecht BT-Drs. Bundestagsdrucksache BUPA British United Provident Association CDS Credit Default Swap CLR Competition Law Review CMBS Commercial Mortgage Backed Securities CMLR Common Market Law Review CRA Community Reinvestment Act DB Der Betrieb DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt DVB-T digitales terrestrisches Fernsehen DZWIR Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht EAA Erste Abwicklungsanstalt

10 Abkürzungsverzeichnis ECJ

European Competition Journal

ECLF

European Competition Lawyers Forum

ECLR

European Competition Law Review

ECOFIN

Rat für Wirtschaft und Finanzen

EEA

Einheitliche Europäische Akte

EG

Europäische Gemeinschaft(en); Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemein­schaft (Nizza-Fassung)

EGKSV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i. d. F. des Vertrages von Nizza

EG-V

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i. d. F. des Vertrages von Maastricht

EStAL

European State Aid Law Quarterly

EU

Europäische Union

EuG

Gericht der Europäischen Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuR Europarecht EUV

Vertrag über die Europäische Union

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschafts­recht

e. V.

eingetragener Verein

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

EWG-Vertrag

Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

EWS

Europäisches Wirtschafts- und Steuer­recht

EZB

Europäische Zentralbank

f., ff.

folgende

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Fed. Reserve Bank Federal Reserve Bank of Minneapolis Quarterly Review   Minneapolis Quart.  Rev. FIW Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfas­ sung und Wettbewerb e. V. FKVO Fusionskontrollverordnung FMSA

Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisie­rung

FMStFG

Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarkt­stabilisierungsfonds

FMStFV

Verordnung zur Durchführung des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes

Abkürzungsverzeichnis11 FMStG Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fn. Fußnote FS Festschrift FSB Financial Stability Board FuEuI Forschung, Entwicklung und Innovation GA Generalanwalt GD Wettbewerb Generaldirektion Wettbewerb GG Grundgesetz GRUR Int. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheber­recht, Internationaler Teil GV. NRW. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land NordrheinWestfalen GVO Gruppenfreistellungsverordnung GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht HGB Handelsgesetzbuch h. L. herrschende Lehre HRE Hypo Real Estate Holding AG Hrsg. Herausgeber HS Halbsatz i. d. F. in der Fassung i. E. im Ergebnis ifo Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München IKB IKB Deutsche Industriebank IR Infrastruktur Recht i. V. m. in Verbindung mit JARAF The Journal of Applied Research in Accounting and Finance JBF Journal of Banking and Finance JECLP Journal of Competition Law and Practice JEEA Journal of the European Economic Association JES Journal of Economic Surveys JFE Journal of Financial Economics JL&Econ Journal of Law and Economics JME Journal of Monetary Economics JNPÖ Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie JoF Journal of Finance JPE Journal of Political Economy JZ JuristenZeitung KMU kleine und mittlere Unternehmen

12 Abkürzungsverzeichnis KOM Kommission KredReorgG Gesetz zur Reorganisation von Kreditin­stituten KWG Gesetz über das Kreditwesen LBBW Landesbank Baden-Württemberg lit. litera m. Fn. mit Fußnote MPIfG Max-Planck-Institut für Gesellschaftsfor­schung m. w. N. mit weiteren Nachweisen NJW Neue Juristische Wochenschrift Nr. Nummer NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NWB-EV NWB Erben und Vermögen NZZ Neue Zürcher Zeitung ORDO Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft pbb pbb Deutsche Pfandbriefbank QJE The Quarterly Journal of Economics R&U-Leitlinien Leitlinien zur Rettung und Umstrukturie­rung von Unternehmen in Schwierigkei­ten RIW Recht der internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer(n) Rs. Rechtssache RStruktFG Gesetz zur Errichtung eines Restrukturie­rungsfonds für Kreditinstitute S. Seite SA Société Anonyme Sachsen LB Landesbank Sachsen Slg. Sammlung SoFFin Sonderfonds für Finanzmarktstabilisie­rung sog. sogenannte(r) st. Rspr. ständige Rechtsprechung u. a. und andere; unter anderem UA Unterabsatz verb. Rs. verbundene Rechtssachen vgl. vergleiche VO Verordnung Vorbem. Vorbemerkung VVO Verfahrensverordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz WestImmo Westdeutsche ImmobilienBank

Abkürzungsverzeichnis13 WISU Das Wirtschaftsstudium WiVerw Wirtschaft und Verwaltung (Beilage zu Gewerbearchiv) WM Wertpapiermitteilungen WuW Wirtschaft und Wettbewerb z. B. zum Beispiel ZBB Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirt­schaft ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesell­schaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insol­venzpraxis ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZWer Zeitschrift für Wettbewerbsrecht ZWS Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozial­wissenschaft

A. Einleitung Kaum ein Ereignis hat in jüngerer Zeit mehr Aufsehen erregt als die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, die ihren Ursprung in den USA findet und deren Auswirkungen noch bis heute andauern. Bereits Mitte 2007 zeigten sich ihre ersten Anzeichen in Europa, als die IKB, die Sachsen LB, die WestLB, das englische Finanzinstitut Northern Rock und die dänische Roskilde Bank auf staatliche Hilfen angewiesen waren. Schließlich markierte die Insolvenz der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 den Übergang von der Betroffenheit einzelner Banken mit risikoträchtigem Geschäftsmodell zu einer globalen Finanzkrise, die auch zahlreiche Institute ohne endogene Probleme erfasste. In der Folge sah sich eine Vielzahl euro­päischer Staaten veranlasst, ihren Banken Unter­ stützungs­maßnahmen in zuvor unvor­stellbarem Ausmaß zu gewähren, um die entstandene allgemeine Vertrauenskrise zu bekämpfen. Infolge der Gewährung von Bankenbeihilfen in immenser Höhe und der Konjunktur­ programme nahm die staatliche Verschuldung zu, so dass ein „Teufelskreis aus Staatsschulden- und Bankenkrise“ die wirtschaftliche Entwicklung beherrschte.1 Die Wiederherstellung stabiler ökonomischer Verhältnisse ist auch gegenwärtig noch nicht abgeschlossen. Es überrascht daher nicht, dass die juristische Aufarbeitung der Finanzkrise und der in ihrem Zuge gewährten staatlichen Unterstützungsmaßnahmen noch am Anfang steht. Einen Beitrag hierzu soll die vorliegende Arbeit leisten. Bei den staatlichen Maßnahmen handelt es sich in der Regel um Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV, die bei der Kommission zu notifizieren sind. Die Kommission wurde durch die Finanzkrise vor große Herausforderungen gestellt, da sie innerhalb kürzester Zeit über eine Vielzahl von Fällen entscheiden musste. Auf der einen Seite musste sie eine schnelle und effektive Unterstützung systemrelevanter Institute ermöglichen, auf der anderen Seite aber auch gewährleisten, dass kein für den Gemeinsamen Markt schädlicher Subventionswettlauf zwischen den Mitgliedstaaten entstand. Im Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis zum 1. Oktober 2011 genehmigte die Kommission Beihilfen in Höhe von 4.506,5  Mrd. Euro. Dies 1  Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2011 / 12, Verantwortung für Europa wahrnehmen, Rn. 58, 232, abrufbar unter http: /  / www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de / aktuellesjahrsgutachten. html.

16

A. Einleitung

entspricht 36,7 % des EU‑BIP.2 Während die Unterstützungs­maßnahmen im Jahr 2008 hauptsächlich in Gestalt von Garantien für Bankanleihen und kurzfristige Verbindlichkeiten ergingen, wurden später zunehmend Rekapitalisierungen durchgeführt und Entlastungs­maß­nahmen für wertgeminderte Vermögenswerte getroffen.3 Die Verein­barkeit dieser staatlichen Hilfen mit dem Gemeinsamen Markt prüft die Kommission anhand von Beurteilungskriterien, die sie den Anforderungen der Krise angepasst hat. Diese modifizierten Regelungen sollten ursprünglich nur bis zum 31. Dezember 2010 Anwendung finden. Allerdings verschärfte sich die angespannte Lage auf den Märkten für Staatsanleihen, so dass die Geltungsdauer zunächst bis zum 31. Dezember 2011 und anschließend erneut auf unbestimmte Zeit verlängert wurde. Spätestens mit den enormen Unterstützungs­ maßnahmen für die Hypo Real Estate wurde deutlich, dass die Finanzkrise und ihre Folgen auch auf Deutschland übergriffen. Die deutsche Bundes­ regierung reagierte schnell und legte am 13. Oktober 2008 das Finanzmarkt­stabili­sierungsgesetz4 vor, das bereits am 17. Oktober 2008 im Bundesge­setzblatt verkündet wurde. In diesem wurde die Errichtung eines Sonderfonds für Finanz­markt­stabilisierung vorgesehen, der verschiedene Unterstützungs­maßnahmen für Banken treffen konnte. Die Inanspruchnahme dieses Instrumentariums war ursprünglich bis zum 31. Dezember 2010 begrenzt worden. Angesichts der ange­ stiegenen Staats­ verschuldung einiger EU-Mitgliedstaaten, den daraus resultierenden Vertrauens­ ver­ lusten der Finanzmarkt­ akteure untereinander und drohender Dominoeffekte ist der SoFFin jedoch zunächst durch das Zweite Finanzmarkt­ stabilisierungs­gesetz bis zum 31. Dezem­ber 2012 und anschließend durch das Dritte Finanzmarkt­stabilisierungs­gesetz bis zum 31.  Dezem­ber 2014 wieder für neue Anträge geöffnet worden. Ziel dieser Arbeit ist es, die Kommissionspraxis in der Finanzkrise darzustellen und zu bewerten. Nach einer kurzen Einführung ins Beihilferecht (B.) wird die Entwicklung der Bewertungs­ maßstäbe für Bankenbeihilfen untersucht (C.). Dabei wird insbesondere aufgezeigt, aus welchen Gründen sich die ursprünglich herange­zogenen Leitlinien zur Rettung und Umstruk2  KOM vom 01.12.2011, KOM (2011) 848 endgültig, Bericht der Kommission, Anzeiger für staatliche Beihilfen, Bericht über staatliche Beihilfen der EU-Mitgliedstaaten, Herbstausgabe 2011, S. 9, abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competition /  state_aid / studies_reports / 2011_autumn_de.pdf. 3  KOM vom 01.12.2011, KOM (2011) 848 endgültig, Bericht der Kommission, Anzeiger für staatliche Beihilfen, Bericht über staatliche Beihilfen der EU-Mitgliedstaaten, Herbstausgabe 2011, S. 9 f., abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competition /  state_aid / studies_reports / 2011_autumn_de. pdf. 4  Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpaketes zur Stabilisierung des Finanzmarktes vom 17.10.2008, BGBl. I, S. 1982.



A. Einleitung17

turierung von Unternehmen in Schwierigkeiten in Zeiten der Krise als ungeeignet darstellten. Anschließend folgen Ausführungen zu den von der Kommission anlässlich der Krise veröffentlichten Mitteilungen, die den neuen Rechts­ rahmen bilden. Sodann schließt dieser Abschnitt mit einer Bewertung der Genehmi­gungsmaßstäbe. Der nachfolgende Teil (D.) befasst sich mit dem neuen Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis. Diesbezüglich wird in einem ersten Schritt, anhand der Praxisbeispiele der Commerzbank, der Hypo Real Estate und der WestLB, der Beihilfe­charakter von Garantien, Rekapitalisierungen und Abwicklungs­ anstalten hergeleitet. Anschließend wird in einem zweiten Schritt die Rechtfertigung der Bankenbeihilfen untersucht.

B. Die Beihilferegelungen nach Art. 107 ff. AEUV Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unter­nehmen oder Produktions­zweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitglied­staaten beeinträch­tigen. Von diesem grund­ sätzlichen Beihilfe­verbot lassen Art. 107 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV Ausnahmen zu. Während eine Beihilfe im Rahmen von Art. 107 Abs. 2 AEUV per se zulässig ist, verfügt die Kommission im Anwendungs­bereich von Art. 107 Abs. 3 AEUV über einen Ermessens­spielraum. Die Mitgliedstaaten sind gemäß Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV zur Anmeldung der beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen verpflichtet (Notifi­ zie­ rungs­ gebot). Zudem dürfen die Mitglied­ staaten nach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV die beabsichtigte Maß­nahme nicht durchführen, bevor die Kommission eine abschließende Entscheidung erlassen hat (Durch­führungs­verbot). Der AEUV enthält keine Legald­efinition des Beihilfe­begriffs. Eine nähere Konkreti­sierung ist erst durch die gemein­schafts­rechtliche Recht­sprechung und die Praxis der Kommission erfolgt. Im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 107 Abs. 1 AEUV („Beihilfen gleich welcher Art“) und das Ziel, einen wirksamen Wettbewerbs­ schutz in der Gemeinschaft zu gewähr­ leisten, ist eine weite Auslegung geboten.5 Obwohl die Begriffe der Beihilfe und der Subvention in Art. 4 lit. c EGKSV neben­einander gestellt waren, wird Letzterer vom Beihilfe­begriff umfasst.6 Der Gerichtshof beschreibt Beihilfen als staatliche „Maßnahmen, die in verschie­dener Form die Belastungen vermin-

5  Bonkamp, Die Bedeutung des gemeinschaftsrechtlichen Beihilfeverbotes für die Beteiligung der öffentlichen Hand an einer Kapitalgesellschaft, S. 33; vgl. Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 43 Rn. 1; Geiger / Khan / Kotzur, Art. 107 AEUV Rn. 7. 6  St. Rspr. seit EuGH vom 23.02.1961, Rs.  30 / 59, Slg. 1961, 3, 42 De Gezamenlijke Steen­kolemijnen / Hohe Behörde; vgl. EuGH vom 01.12.1998, Rs.  C‑200 / 97, Slg.  1998, I‑7907 Rn. 34 Ecotrade / Altiforni e Ferriere di Servola; EuGH vom 10.01.2006, Rs.  C‑222 / 04, Slg.  2006, I‑289 Rn. 131 Ministero dell’Economia e delle Finanze / Cassa di Risparmio u. a.



B. Die Beihilferegelungen nach Art. 107 ff. AEUV

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dern, welche ein Unter­nehmen normaler­weise zu tragen hat“7. Dazu zählen sowohl positive Leistungen, wie klassisch die Gewährung von Geldmitteln8, als auch die Verschonung von staatlich auferlegten Leistungs­pflichten, wie beispiels­ weise Steuern oder Abgaben9. Eine staatliche Maßnahme fällt unab­ hängig von ihrer Form und Bezeich­ nung unter den Beihilfe­ begriff, wenn ein Unternehmen einen wirtschaft­lichen Vorteil ohne oder zumindest ohne angemessene, das heißt markt­übliche, Gegen­leistung erlangt.10 Mithin stellt etwa ein unter markt­ gerechten Bedingungen gewährtes öffentliches Darlehen keine Beihilfe dar. Für die Qualifi­zierung einer staatlichen Maßnahme als Beihilfe kommt es maßgeblich auf ihre selektiv begünstigende Wirkung und nicht auf die Gründe und Ziele der Gewährung an.11 Nur so kann der Vielfalt möglicher Beihilfe­ maßnahmen Rechnung getragen und eine Umgehung des Beihilfe­verbotes verhindert werden. Eine Beihilfe liegt vor, wenn die folgenden Merkmale erfüllt sind: (I.) Zunächst muss eine Begünstigung erfolgen, also ein wirtschaft­ licher Vorteil gewährt werden. (II.) Zudem muss es sich um eine staatliche oder dem Staat zurechenbare Maßnahme unter Inanspruch­nahme staatlicher Mittel handeln. (III.) Ferner muss die Beihilfe auf die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktions­zweige gerichtet sein, das heißt es muss eine selektive Begünstigung gewährt werden. (IV.) Darüber hinaus muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. (V.) Schließlich muss sie den zwischen­staatlichen Handel beeinträchtigen.

7  St. Rspr. seit EuGH vom 23.02.1961, Rs.  30 / 59, Slg.  1961, 3, 43 De Gezamenlijke Steen­kolemijnen / Hohe Behörde; vgl. EuGH vom 01.12.1998, Rs.  C‑200 / 97, Slg.  1998, I‑7907 Rn. 34 Ecotrade / Altiforni e Ferriere di Servola; EuGH vom 10.01.2006, Rs.  C‑222 / 04, Slg.  2006, I‑289 Rn. 131 Ministero dell’Economia e delle Finanze / Cassa di Risparmio u. a. 8  Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 1134; Schröter / Jakob / Klotz / Mederer / Kliemann, Art. 107 AEUV Rn. 7; Streinz / Koenig / Kühling, Art. 107 AEUV Rn. 29. 9  KOM vom 05.03.2003, ABl. (2003) Nr. L 199, S. 28 CDC; Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EG-Vertrag; Schön, in: Koenig / Roth / Schön, Aktuelle Fragen des EG-Beihilfenrechts, S. 106. 10  Lasok, 7 ECLR 53, 56 (1986); Niemeyer, EuZW 1993, S. 273; Calliess / Ruffert / Cremer, Art. 107 AEUV Rn. 10. 11  St. Rspr. seit EuGH vom 02.07.1974, Rs.  173 / 73, Slg.  1974, 709 Rn. 26 / 28 Italien / Kommission; vgl. EuGH vom 24.02.1987, Rs.  310 / 85, Slg.  1987, 901 Rn. 8 Deufil / Kommission; EuGH vom 17.06.1999, Rs.  C‑75 / 97, Slg.  1999, I‑3671 Rn. 25 Belgien / Kommission (Maribel). Die Motive der Beihilfengewährung sind erst im Rahmen von Abs. 2 und 3 zu berücksichtigen, spielen aber auch dort keine Rolle für die Qualifizierung einer Maßnahme als Beihilfe, sondern setzen diese voraus.

C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Banken­bei­hilfen Die Kommissions­praxis hat sich im Zuge der Finanzkrise grundlegend verändert. Während die Beurteilung von Beihilfen anfangs – ausgehend vom tradi­tionellen Ansatz – auf die Leitlinien zur Rettung und Umstruktu­ rierung von Unternehmen in Schwierig­ keiten (R&U-Leitlinien) gestützt wurde, erwiesen sich diese schnell als ungeeignet, um der veränderten Situation der Finanzkrise gerecht zu werden. Die Kommission reagierte schließlich mit der Veröffent­ lichung von vier Mitteilungen, in denen sie neue Grundsätze für die Beihilfe­ge­währung aufstellte.

I. Traditioneller Ansatz vor der Finanzkrise: Leitlinien zur Rettung und Umstruktu­rierung von Unter­nehmen in Schwierig­keiten Vor der Finanzkrise wurden in den neunziger Jahren insbesondere in Italien und Frankreich Banken­beihilfen in immenser Höhe gewährt.12 Mit der Bankgesellschaft Berlin geriet 2001 erstmals ein deutsches Kreditinstitut in Schwierig­keiten und war auf Beihilfen angewiesen.13 Die Kommission genehmigte die gewährten staatlichen Unter­ stützungs­ maßnahmen jeweils nach Maßgabe der Leitlinien zur Rettung und Umstruktu­rierung von Unternehmen in Schwierigkeiten von 199414 beziehungsweise 199915. Als Gegen­ leistung mussten die begünstigten Banken erhebliche Umstruktu­ rierungen 12  Siehe z. B. KOM vom 26.07.1995, ABl. 1995 Nr. L 308, S. 92 Crédit Lyonnais I; KOM vom 20.05.1998, ABl. 1998 Nr. L 221, S. 28 Crédit Lyonnais II; KOM vom 29.07.1998, ABl. 1999 Nr. L 116, S. 36 Banco di Napoli; KOM vom 14.10.1998, ABl. 1999 Nr. L 198, S. 1 Societé Marseillaise de Crédit (SMC); KOM vom 10.11.1999, ABl. 2000 Nr. L 256, S. 21 Banco di Sicilia und Sicilcassa. 13  KOM vom 18.02.2004, ABl. 2005 Nr. L 116, S. 1 Umstrukturierungsbeihilfe zugunsten der Bankgesellschaft Berlin. 14  Mitteilung der Kommission – Leitlinien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten, ABl. 1994 Nr. C 368, S. 12. 15  Mitteilung der Kommission – Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten, ABl. 1999 Nr. C 288, S 2.



I. Traditioneller Ansatz vor der Finanzkrise21

vornehmen, um die nachteiligen Auswirkungen der Beihilfen auf die anderen Marktteilnehmer zu kompensieren.16 Die R&U-Leitlinien wurden erstmals 1994 veröffentlicht und bis zur aktuellen Fassung vom 1. Oktober 200417, deren Geltungsdauer zunächst bis zum 9. Oktober 201218 und anschließend bis zur Einführung neuer Vorschriften im Rahmen der Initiative zur Modernisierung des EU‑Beihilferechts verlängert wurde19, mehr­fach überarbeitet. Mit Ausnahme des Steinkohle­ bergbaus sowie der Stahlindustrie und unter Berücksichtigung der besonderen Vorschriften im Luftverkehrs­sektor20 sowie eini­ger Sonder­be­stimmungen für den Bereich der Land­wirtschaft21 finden sie auf alle Branchen Anwendung. Für den Finanzsektor gilt lediglich insofern eine Ausnahme, als die Mitgliedstaaten Banken Rettungsbeihilfen unter bestimmten Voraussetzungen auch in anderen Formen als Darlehensbürgschaften oder Darlehen gewähren dürfen.22 Auf Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen sind dieselben Leitlinien anwendbar, da es in beiden Fällen um die Unterstützung von Unternehmen in Schwierigkeiten geht und Rettung und Umstrukturierung eines Unternehmens typischerweise zwei aufeinander folgende Schritte desselben Vorgangs darstellen.23 Während Rettungsbeihilfen der vorübergehenden Unterstützung eines Unternehmens bis zur Erstellung eines Um­struktu­ rierungs- beziehungsweise Liquidationsplans dienen und zeitlich auf sechs Monate begrenzt sind24, sollen Umstrukturierungsbeihilfen die langfristige Rentabilität des Unternehmens sichern25. Als Rechtsgrundlage für die R&U-Leitlinien dient Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV (früher: Art. 87 Abs. 3 lit. c EG), wonach Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete geneh16  Vgl.

25. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1995, Rn. 197. der Kommission – Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten, ABl. 2004 Nr. C 244, S. 2. 18  Mitteilung der Kommission über die Verlängerung der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten, ABl. 2009 Nr. C 157, S 1. 19  Pressemitteilung der Kommission vom 28.09.2012, Staatliche Beihilfen: Kommission verlängert Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten, IP / 12 / 1042, abrufbar unter http: /  / www. europa.eu / rapid / press-release_IP-12-1042_de.htm. 20  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 18 m. Fn. 3. 21  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 18, 87 ff. 22  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 25 lit. a m. Fn. 3. Siehe unten C.III.5. 23  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 14. 24  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 15. 25  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 17. 17  Mitteilung

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

migt werden können, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Anders, als es der Wortlaut vermuten lassen könnte, misst die Kommission nämlich nicht nur sektorale („gewisse Wirtschaftszweige“) und regionale („gewisse Wirtschaftsgebiete“) Beihilfen an Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV, sondern sieht die Norm – unbeanstandet vom Gerichtshof26 – auch als Auffangtatbestand für horizon­tale Beihilfen27 an. Bei Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV handelt es sich um die innerhalb der Abs. 2 und 3 am häufigsten herangezogene Ausnahmevorschrift.

II. Erste Phase der Krise: Anwendung der R&U-Leitlinien Ab 2007 zeigten sich die Auswirkungen der sogenannten Subprime-Krise auf die euro­päischen Finanzinstitute. Verschiedene Faktoren,28 darunter die Niedrigzinspolitik der Federal Reserve sowie die politische Intention, den Erwerb von Wohnungseigentum durch die unteren Einkommensschichten zu ermöglichen29, führten zu einem Immobi­ lien­ boom in den USA. Amerikanische Banken vergaben vermehrt Subprimekredite. Zum Florieren des Subprimemarktes trugen maßgeblich innovative Produkte bei: Hypotheken wurden durch Zweckgesellschaften (Special Purpose Vehicles, Conduits) verbrieft und dann als Mortgage Backed Securities veräußert. Auch Zweitverbriefungen gewannen zunehmend an Popularität. Dabei wurden die entstandenen Produkte tranchiert, mithin in Titel mit unterschiedlichem Rang und dementsprechend unterschied­lichem Ausfallrisiko aufgeteilt, und anschließend als Collateralized Debt Obligations veräußert. Rating-Agen26  EuGH vom 17.09.1980, Rs.  730 / 79, Slg.  1980, 2671 Rn. 22 Philip Morris /  Kommission; Schwarze / Bär-Bouyssière, Art. 107 AEUV Rn. 73. 27  Unter horizontalen Beihilfen versteht man solche, die unabhängig von Standort oder Sektorzuge­hörigkeit des Empfängers gewährt werden. 28  Eingehend zu den Ursachen der Finanzkrise: Dietrich / Hauck, Institut für Wirtschaftsforschung Halle, Wirtschaft im Wandel, Themenheft: Weltfinanzkrise, 31.03.2009, S.  13 ff.; Sachver­ständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2007 / 08, Das Erreichte nicht verspielen, Rn. 124, abrufbar unter http: /  / www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de / fileadmin / dateiablage /  download / gutachten / jg07_ges.pdf; Rudolph, ZGR 2010, S. 1. 29  Herrmann, WiVerw 2010, S. 36, 37. Diese politische Zielsetzung findet ihren Ausdruck im Community Reinvestment Act von 1977 sowie den Änderungen in den neunziger Jahren. Viele Stimmen verneinen aber einen Kausalzusammenhang zwischen dem Community Reinvestment Act und der Finanzkrise, so z. B. Canner / Bhutta, Staff Analysis of the Relationship between the CRA and the Subprime Crisis und Ellis, The housing meltdown: Why did it happen in the United States?, BIS Working Papers No 259, September 2008.



III. Zweite Phase der Krise: Eignungsdefizite der R&U-Leitli­nien 23

turen bewerteten diese Wertpapierkategorien oftmals zu hoch.30 Im Jahr 2006 endete der Immobilienboom. Die Federal Reserve erhöhte zur Verhinderung einer Inflation die Leitzinsen, so dass die Ausfallraten bei der Bedienung von variabel verzinslichen Hypothekendarlehen im Subprimemarkt stiegen. Infolgedessen sanken die Immobilienpreise, was dazu führte, dass die Banken zu­nehmend über nicht hinreichend gesicherte Forderungen verfügten und bei Insolvenz der Schuldner Verluste eintraten. Durch die Herabsetzung der Ratings für die hypo­ theken­ besicherten Wertpapiere fiel deren Kurswert, so dass die Refinan­zierungsmärkte für die Kreditinstitute, die maßgeblich in diesen Bereich investiert hatten, praktisch über Nacht austrockneten.31 Vor diesem Hintergrund trafen die Mitgliedstaaten zur Vermeidung der Insolvenz mehrerer Banken sowie eines Übergreifens auf weitere Kreditinstitute beziehungsweise negativer Spillover-Effekte erste Unter­stützungs­maßnahmen für einzelne Finanzinstitute.32 Die Kommission erklärte der IKB33, der Sachsen LB34, der WestLB35, dem englischen Kreditinstitut Northern Rock36 und der dänischen Roskilde Bank37 gewährte Beihilfen unter Heranziehung der R&U-Leitlinien für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

III. Zweite Phase der Krise: Eignungsdefizite der R&U-Leitli­nien Der Zusammenbruch der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 führte zur weltweiten Ausbreitung der Finanzkrise. Mit der Versagung einer staatlichen Liquiditätshilfe sollte klar30  Zum Versagen der Rating-Agenturen Hellwig, De Economist, S. 129, 155 ff.; vgl. Claussen, DB 2009, S. 999, 1002 f. 31  Vgl. Fikentscher, GRUR Int 2009, S. 635, 638; Lübbig / Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 600. 32  Bericht der Kommission vom 08.04.2009, KOM (2009) 164, Anzeiger für staatliche Beihilfen – Frühjahrsausgabe 2009 – Sonderausgabe „Staatliche Beihilfen in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise“, S. 6, abrufbar unter http: /  / ec. europa.eu / competition / state_aid / studies_reports / archive / 2009_spring_de.pdf. 33  KOM vom 21.10.2008, K (2008) 6022 endgültig corr. in der Sache C 10 / 2008 Umstrukturierung der IKB. 34  KOM vom 04.06.2008, K (2008) 2296 endgültig in der Sache C 9 / 2008 Sachsen LB. 35  KOM vom 30.04.2008, K (2008) 1628 endgültig in der Sache NN 25 / 2008 WestLB Risikoab­schirmung. 36  KOM vom 05.12.2007, C (2007) 6127 final in der Sache NN 70 / 2007 Rescue aid to Northern Rock. 37  KOM vom 31.07.2008, C (2008) 4138 final in der Sache NN 36 / 2008 Ros­ kilde Bank.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

gestellt werden, dass keine implizite Rettungsgarantie für systemrelevante Banken (Too Big to Fail-Doktrin) mit ihren Fehlanreizen besteht. Infolge des wachsenden Misstrauens weigerten sich die Banken, sich gegenseitig Geld zu leihen, so dass eine Anschlussfinanzierung unter Banken nicht mehr in Betracht kam und aus der Liquiditätskrise eine Vertrauenskrise wurde. Nach der Einschätzung des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamt­wirtschaftlichen Entwicklung verursachte „die Möglichkeit, dass eine Gegen­ partei dieser Größe vom Staat fallen gelassen werden könne, […] panikartige Reak­ tionen und veranlasste Banken weltweit dazu, Geschäfte untereinander fast vollständig einzu­stellen“.38 Auch in dieser „neuen Welt“ prüfte die Kommission Beihilfen zunächst auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV und den R&U-Leitlinien, so in den Fällen Bradford & Bingley39 und Hypo Real Estate40. Es kamen aber schnell Zweifel auf, ob die R&U-Leitlinien noch den geeigneten Rahmen boten, um die Folgen der Finanzkrise zu bewältigen. 1. Veränderte Interessenlage Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind Beihilfen wegen der mit ihnen verbundenen Wettbe­werbs­verzerrungen grundsätzlich verboten. Hiervon gilt eine Ausnahme, wenn ein überwiegendes Gemeinschafts­interesse an der Gewährung einer staatlichen Unter­stützungs­maßnahme besteht. Die dabei zu berücksichtigende Gewichtung der hinter den Banken­beihilfen stehenden Interessen hat sich geändert:41 Nach Maßgabe der R&U-Leitlinien genehmigte Bankenbeihilfen lassen sich aus sozial- oder regional­politischen Gründen, unter bestimmten Voraussetzungen zugunsten kleiner und mittlerer Unter­ nehmen (KMU) oder, wenn ohne die Existenz des betroffenen Finanzinstituts die Ent­ stehung einer Monopol- oder Oligopolstellung droht, recht­ fertigen.42 Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch die Unterstützungsmaßnahmen notwendige strukturelle Anpassungsprozesse verhindert oder zumindest verzögert und Unternehmen, die den Wettbewerbsbedingungen 38  Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2008 / 09, Die Finanzkrise meistern – Wachstumskräfte stärken, Rn. 188, abrufbar unter http: /  / www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de / file admin / dateiablage / download / gutachten / ga08_ges.pdf. 39  KOM vom 01.10.2008, C (2008) 5673 final in der Sache NN 41 / 2008 Rescue aid to Bradford & Bingley. 40  KOM vom 02.10.2008, K (2008) 5735 in der Sache NN 44 / 2008 Rettungsbeihilfe für Hypo Real Estate. 41  Siehe hierzu Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 271 (2010); Deselaers /  Küpper, EWS 2009, S. 212, 213 f.; Gebski, 6 CompLRev 89, 103 (2009). 42  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 8.



III. Zweite Phase der Krise: Eignungsdefizite der R&U-Leitli­nien 25

nicht (mehr) gewachsen sind, künstlich am Markt gehalten werden.43 Leistungsfähigere Wettbewerber werden benachteiligt, indem sie die Last des Strukturwandels zu tragen haben. Dem in der Regel relativ geringen Gemeinschafts­ interesse steht somit eine vergleichsweise starke Wettbewerbsverzerrung gegenüber, so dass es nach den R&U-Leitlinien zur Reduzie­rung der Wettbewerbsverzerrungen und zur Begründung eines überwiegenden Gemein­schafts­interesses erheblicher Kompen­sationsmaßnahmen bedarf.44 Daher begegnete die Kommission Rettungs- und Umstruk­ turierungsbeihilfen stets mit Vorbehalten.45 Vor dem Hintergrund der Finanzkrise dienen Bankenbeihilfen nunmehr allerdings dem bedeutenderen Zweck, die Finanz­ markt­ stabilität und somit die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft insgesamt zu sichern. Ein überwiegendes Gemeinschafts­interesse besteht mithin bereits bei geringeren Ausgleichs­maßnahmen. Infolgedessen ergab sich das Bedürfnis nach neuen, weniger strengen Regelungen für die Gewährung von Bankenbeihilfen. 2. Rettung einzelner Unternehmen Weiterhin sind die R&U-Leitlinien primär auf die Unterstützung einzelner Unter­nehmen zugeschnitten. Allgemeine Regelungen können nur zugunsten von KMU und nur unter engeren Voraussetzungen als Einzelbeihilfen genehmigt werden.46 Zur effektiven Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise genügen Einzelmaßnahmen jedoch nicht, sondern es bedarf allgemeiner Regelungen.47 3. Unternehmen in Schwierigkeiten Besonders deutlich zeigten sich die Eignungsdefizite der R&U-Leitlinien zur Bewälti­gung der Krise an der Beschränkung staatlicher Hilfsmaß­nahmen auf Unternehmen in Schwierigkeiten. Im Verlauf der Krise betraf diese auch 43  Ehricke, WM Sonderbeilage Nr. 3 zu Heft 27 / 2001, S. 3, 4; Koenig / Kühling / Ritter, EG-Beihilfen­recht, Rn. 268; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 44 Rn. 58; von Donat, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 17 Rn. 1; Leibrock, in: Koenig / Roth / Schön, Aktuelle Fragen des EG-Beihilfenrechts, S. 163. 44  Deselaers / Küpper, EWS 2009, S. 212, 213. 45  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 3  f., 8; Zimmer / Blaschczok, 1 ECLR 9, 14 f. (2011); Herrmann-Strobelt, Die Gewährung von Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten, S. 154; Koenig / Kühling / Ritter, EG-Beihilfenrecht, Rn. 576. 46  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn.  78 ff. 47  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 272 (2010); Gebski, 6 CompLRev 89, 103 (2009); vgl. Grabitz / Hilf / Nettesheim / von Wallenberg / Schütte, Art. 107 AEUV Rn. 154.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

sogenannte grundsätzlich gesunde Banken, also solche, deren Schwierigkeiten sich allein auf die allgemeine Marktlage und das generell begrenzte Liquiditätsangebot zurückführen lassen.48 Bei solchen handelt es sich aber regelmäßig nicht um Unternehmen in Schwierigkeiten49, so dass der Anwendungs­bereich der R&U-Leitlinien nicht eröffnet ist und eine staat­ liche Unterstützung bei Heranziehung der Leitlinien ausscheidet.50 Die Notwendigkeit, auf dieses Tatbestands­merkmal zu verzichten, trat insbesondere im Zusammenhang mit der Gewährung von Garantien für Privatkundeneinlagen offen zutage.51 Diese dienten der Wiederherstellung oder Sicherung des Vertrauens in den Bankensektor, so dass auch Finanzinstitute, die sich nicht in Schwierigkeiten befanden, auf sie angewiesen waren. 4. One Time, Last Time-Prinzip Zudem erscheint das One Time, Last Time-Prinzip, nach dem Unterstützungsmaßnahmen in der Regel nur erfolgen dürfen, wenn innerhalb der letzten zehn Jahre weder eine Rettungsbeihilfe gewährt noch eine Umstrukturierungsphase abgeschlossen oder die Durchführung eines Umstrukturierungsplans eingestellt worden ist52, mit den Bedürf­nissen in der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht vereinbar. Zuverlässige Prognosen über den Kapitalund Liquiditätsbedarf lassen sich in einem solchen ökonomischen Umfeld nicht stellen, so dass Anpassungen und zusätzliche staatliche Unterstützungs­ maßnah­ men ermöglicht werden müssen.53 Andernfalls ließe es sich nicht vermeiden, von Anfang an staatliche Hilfen in enormer Höhe vorzusehen und gegebenenfalls über das Ziel hinauszuschießen. Außerdem ergibt sich aus der politischen Zusicherung einiger Mitgliedstaaten, keine Insolvenzen systemrelevanter Banken zuzulassen, das Risiko wiederholter staatlicher Unterstützungsmaßnahmen.54 48  Bericht der Kommission vom 08.04.2009, KOM (2009) 164, Anzeiger für staatliche Beihilfen – Frühjahrsausgabe 2009 – Sonderausgabe „Staatliche Beihilfen in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise“, S. 9, abrufbar unter http: /  / ec. europa.eu / competition / state_aid / studies_reports / archive / 2009_spring_de.pdf; Drijber / Burmester, Ondernemingsrecht 2009, S. 577, 578; Fehling, EuR 2010, S. 598, 607. Näher zum Begriff der grundsätzlich gesunden Bank siehe unten C.IV.7.c). 49  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn.  9 ff. 50  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 271 (2010); Gebski, 6 CompLRev 89, 103 (2009); Herrmann, WiVerw 2010, S. 36, 40; Jestaedt / Wiemann, WuW 2009, S. 606, 609; Quardt / Lipinsky, BRZ 2009, S. 63, 66. 51  Arhold, EuZW 2008, S. 713, 714; Jestaedt / Wiemann, WuW 2009, S. 606, 609; Schwarze, DVBl. 2009, S. 1401, 1405. 52  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn.  72 ff. 53  Arhold, EuZW 2008, S. 713, 718. 54  Quardt / Lipinsky, BRZ 2009, S. 63, 67.



III. Zweite Phase der Krise: Eignungsdefizite der R&U-Leitli­nien 27

Durch den One Time, Last Time-Grundsatz soll Wettbewerbsbeeinträchtigungen, die sich aus der künstlichen Erhaltung ohne wiederholte staatliche Hilfen langfristig nicht überlebensfähiger Unternehmen ergeben, entgegengewirkt werden.55 Dieses Prinzip gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Die R&U-Leitlinien sehen zunächst eine Ausnahme für den Fall vor, dass sich eine Umstrukturierungsbeihilfe als Teil eines einheitlichen Umstrukturierungsvorgangs an eine Rettungsbeihilfe anschließt.56 Im Zusammenhang mit der Krise ist zudem insbesondere an zwei Ausnahmetatbestände zu denken: Erstens treffen die Leitlinien eine Spezialregelung für den Fall der vorangehenden isolierten Gewährung von Rettungsbeihilfen. So genehmigt die Kommission eine wiederholte staatliche Unterstützung, nachdem zuvor eine rechtmäßige Rettungsbeihilfe gewährt worden und im Anschluss keine staatlich geförderte Umstrukturierung erfolgt ist, soweit vernünftigerweise angenommen werden kann, dass das Unternehmen nach der Rettungs­ beihilfe langfristig wirtschaftlich tragfähig ist, und wenn die neuen Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen frühestens nach fünf Jahren auf Grund von außerge­wöhn­lichen, nicht vorhersehbaren Umständen, die das Unternehmen nicht zu vertreten hat, erforderlich werden.57 Zweitens lässt die Kommission in außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Fällen, für die das Unternehmen nicht verantwortlich ist, eine Ausnahme bereits vor Ablauf von fünf Jahren zu.58 Als unvorhersehbar definieren die Leitlinien solche „Umstände, die von der Leitung des Unternehmens bei der Ausarbei­tung eines Umstrukturierungsplans unmöglich vorhergesehen werden konnten und die nicht auf Fahrlässigkeit oder Irrtümer der Unternehmensleitung oder Entscheidungen der Unternehmensgruppe, zu der das betroffene Unternehmen gehört, zurückzuführen sind“59. Das Ereignis muss also auf externen Faktoren beruhen, für die das Unternehmen keine Verantwortung trifft.60 Insbesondere darf der erneute Umstruk­turierungs­bedarf nicht auf unrealistische Einschätzungen im vorhergehenden Umstruk­turierungs­plan zurückzuführen sein. Trotz ihrer prinzipiell hohen Anforderungen an die Merkmale der Unvorhersehbarkeit und der Außergewöhnlichkeit61 hat die Kommission in der Entscheidung Bull eine Krise im IT-Sektor zwar nicht als solche, aber hinsichtlich ihres Umfangs als unvorherseh­bares, außergewöhnliches und vom Unter55  R&U-Leitlinien

(Fn. 17) Rn. 72. (Fn. 17) Rn. 73 lit. a. 57  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 73 lit. b. 58  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 73 lit. c. 59  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 73 lit. b m. Fn. 2. 60  Quardt / Lipinsky, BRZ 2009, S. 63, 70; von Donat, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 17 Rn. 33. 61  KOM vom 25.04.2001, ABl. 2001 Nr. C 211, S. 27 Rn. 112 ff. Graf von Henneberg Porzellan; Soltész / Marquier, EWS 2005, S. 241, 242. 56  R&U-Leitlinien

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

nehmen nicht zu vertretendes Ereignis eingestuft.62 Die Kommission führt hierzu aus, sie habe den hinter dem Grundsatz der einmaligen Beihilfe stehenden Gedanken, missbräuchliche Förderung zu verhindern, respektiert.63 Der Staat habe Bull nicht künstlich am Leben erhalten, obwohl das Unter­ nehmen immer wieder vor den gleichen Schwierigkeiten zu stehen scheine; die Unterstützungsmaßnahme diene vielmehr der Bewältigung neuartiger Schwierigkeiten. Dazu, ob die Finanz- und Wirtschaftskrise die Tatbestandsvoraussetzungen der Ausnahme­vorschriften erfüllt, hat die Kommission sich nicht explizit geäußert. Wenn die Kommission allerdings bereits bei Vorliegen einer Krise im IT-Sektor eine Einschränkung des One Time, Last TimePrinzips zulässt, ist davon auszugehen, dass vor dem Hintergrund der globalen Finanzkrise, die zumindest in ihrem Ausmaß weder vorhersehbar war noch auf dem Vertretenmüssen einzelner Unternehmen beruht, eine wiederholte Beihilfegewährung erst recht genehmigungsfähig ist. Dies gilt zumindest für Banken mit einem tragfähigen Geschäftsmodell, deren Schwierigkeiten auf der Krise beruhen. Dennoch wäre eine zusätzliche Beihilfe nach der speziellen Regelung im Fall der vorherigen Gewährung einer isolierten Rettungsbeihilfe erst nach fünf Jahren zulässig.64 Aufgrund der Krise benötigen Finanzinstitute nunmehr allerdings unab­hängig davon, ob ursprünglich sowohl eine Rettungs- als auch eine Umstrukturierungs­beihilfe oder ausschließlich eine Rettungsbeihilfe gewährt worden war, zeitnah zusätzliche Beihilfen.65 Zudem würde bei ständiger Anwendung der Ausnahmebe­stimmungen auf Banken in der Krise die Ausnahme zum Regelfall. Dies gilt es sowohl wegen der drohenden Aufweichung der Regelung in anderen Sektoren als auch im Hinblick auf die zukünftige Anwendung des Kriteriums im Bankenbereich nach der Krise zu vermeiden. 5. Restriktionen hinsichtlich struktureller Maßnahmen Ferner erscheinen die Einschränkungen der R&U-Leitlinien hinsichtlich struktureller Maßnahmen zugunsten von Kreditinstituten zu weit.66 Die Leitlinien differenzieren zwischen Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen. Bei Rettungsbeihilfen handelt es sich um vorübergehende, reversible vom 01.12.2004, ABl. 2005 Nr. L 342, S. 81 Rn. 71 Bull. vom 01.12.2004, ABl. 2005 Nr. L 342, S. 81 Rn. 73 Bull. 64  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 73 lit. b. 65  Vgl. Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 271 (2010). Kritisch zur in den Ausnahmebestimmungen vorgenommenen Differenzierung danach, ob zunächst lediglich eine Rettungsbeihilfe oder sowohl eine Rettungs- als auch eine Umstrukturierungsbeihilfe gewährt worden ist, Fehr, ZIP 2004, S. 2123, 2129 f. 66  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 271 (2010); Herrmann, WiVerw 2010, S. 36, 40; Quardt / Lipinsky, BRZ 2009, S. 63, 66 f. 62  KOM

63  KOM



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Unterstützungsmaßnahmen, welche die Weiter­führung eines Unternehmens für eine Dauer von maximal sechs Monaten bis zur Erstellung eines Umstrukturierungs- beziehungsweise Liquidationsplans ermöglichen sollen.67 In den Leitlinien von 2004 wird der Begriff der Rettungsbeihilfe auf strukturelle Sofortmaßnahmen erweitert.68 Die in den Leitlinien von 1999 vorgesehene strikte Trennung zwischen Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen wird also aufgegeben.69 Voraussetzung für die Gewährung einer Rettungsbeihilfe ist, dass das Unternehmen zu schnellem Handeln gezwungen ist, um einer Verschlechterung der Finanzlage entgegenzuwirken. Die ratio der Neuregelung besteht in der Verhinderung vermeidbarer Schäden, die allein aus Zeitverlusten infolge der Einhaltung einer formalen Vorschrift resultieren.70 Genehmigt werden können beispielsweise die sofortige Schließung einer Zweigniederlassung oder der Rückzug aus defizitären Geschäftsbereichen in anderer Form. Maßnahmen struktureller Art, die kein sofortiges Tätigwerden erfordern, wie die spontane, unwiderrufliche Beteiligung des Staates am Gesellschaftskapital, können dagegen nicht mit einer Rettungsbeihilfe finanziert werden.71 Zudem dürfen Rettungsbeihilfen grundsätzlich nicht für eine finanzielle Umstrukturierung gewährt werden,72 unter der die Leitlinien sowohl eine Kapitalzufüh­ rung als auch Schuldenabbau verstehen73. Rettungsbeihilfen müssen aus einer reversiblen Finanzhilfe in Form einer Darlehens­ bürg­ schaft oder eines Darlehens zu einem marktüblichen Zinssatz bestehen.74 Für den Bankensektor lassen die Leitlinien allerdings eine Ausnahme von diesem Formzwang zu, damit das betroffene Finanzinstitut seine Banktätigkeit vorübergehend in Überein­ stimmung mit den geltenden aufsichtsrechtlichen Vorschriften fortführen kann.75 In Betracht kommen etwa eine Risikoabschirmung76 oder ein nachrangiges Darle67  Vgl.

R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 15. (Fn. 17) Rn. 6; vgl. Rn. 16, 25 lit. d. Teilweise werden Rettungsbeihilfen nun als Sofortbeihilfen bezeichnet, so Ehricke, EuZW 2005, S. 271, 272. Siehe auch Herrmann-Strobelt, Die Gewährung von Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten, S. 159. 69  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 6. 70  Herrmann-Strobelt, Die Gewährung von Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten, S. 158. 71  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 15. 72  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 16. 73  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 17. 74  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 15. 75  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 25 lit. a m. Fn. 3. 76  KOM vom 30.04.2008, K (2008) 1628 endgültig in der Sache NN 25 / 2008 Rn. 48 f. WestLB Risikoabschirmung; Quardt / Lipinsky, BRZ 2009, S. 63, 66. 68  R&U-Leitlinien

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hen77. Dabei müssen die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen den allgemeinen für Rettungs­beihilfen geltenden Grundsätzen entsprechen und dürfen nicht aus Finanzmaßnahmen struktureller Art bestehen, die bei den Eigenmitteln des Kreditinsti­tuts ansetzen, wie beispielsweise Eigenkapitalerhöhungen. So soll der vorübergehende Charakter einer Rettungsbeihilfe gewahrt werden.78 Die Ausnahme wird jedoch inso­weit eingeschränkt, als solche Maßnahmen, die nicht in Form einer Liquiditätshilfe gewährt werden, bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit anschließender Umstruktu­ rie­rungs­beihilfen berücksichtigt werden.79 Zunächst zeigte sich die Kommission in der Genehmigungspraxis hinsichtlich struktureller Maßnahmen restriktiv. So verneinte sie noch in der Verfahrenseröffnungs­ent­scheidung IKB das Vorliegen einer Rettungsbeihilfe, da die Maßnahmen weder reversibel noch vorübergehender Natur seien.80 Gegenstand der Entscheidung war eine staatliche Risikoabschirmung für die einer Tochtergesellschaft zur Verfügung gestellte Liquiditätsfazilität und für andere strukturierte Investments im Wege der Übernahme aller Rechte und Pflichten der IKB. Diese war nach Ansicht der Kommission hinsicht­lich Auswirkungen und Charakter einer Kapitalzuführung vergleichbar. Später geneh­ mig­ te die Kommission allerdings in der Entscheidung WestLB einen Risikoschirm als die „am wenigsten strukturelle Maßnahme“, die in Betracht käme, um der Bank ein Han­deln in Einklang mit den aufsichtsrechtlichen Vorschriften zu ermöglichen.81 Dabei stellte sie maßgeblich auf die Verpflichtungszusage Deutschlands ab, diesen wieder rückgängig zu machen.82 Den Unterschied zum Fall IKB begründete sie damit, dass bei der IKB Dritte durch den Schutzschirm begünstigt worden seien, die sich gegen eine nachträgliche Abschaffung ausgesprochen hätten und eine Beseitigung des Schutz­schirms weder im Vorfeld in Betracht gezogen worden noch im Nachhinein möglich gewesen sei.83 In Bradford & Bing77  KOM vom 05.12.2007, C (2007) 6127 endgültig in der Sache NN 70 / 2007 Rn. 46 Rescue Aid to Northern Rock; von Donat, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 17 Rn. 39. 78  Herrmann-Strobelt, Die Gewährung von Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten, S. 161. 79  Quardt / Lipinsky, BRZ 2009, S. 63, 66; von Donat, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 17 Rn. 39. 80  KOM vom 27.02.2008, ABl. 2008 Nr. C 76, S. 5 Rn. 50 Verfahrenseröffnungsentscheidung IKB. Siehe zum Ganzen Bartosch, Art. 87 Abs. 3 EGV Rn. 58. 81  KOM vom 30.04.2008, K (2008) 1628 endgültig in der Sache NN 25 / 2008 Rn. 49 WestLB Risikoabschirmung. 82  KOM vom 30.04.2008, K (2008) 1628 endgültig in der Sache NN 25 / 2008 Rn.  51 f. WestLB Risikoabschirmung. 83  KOM vom 30.04.2008, K (2008) 1628 endgültig in der Sache NN 25 / 2008 Rn. 52 m. Fn. 27 WestLB Risikoabschirmung.



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ley84 hat die Kommission Maßnahmen, die auf eine Abwicklung der Gesellschaft und den Verkauf des privaten Einlagengeschäfts an einen Wettbewerber gerichtet waren, genehmigt. Die Vereinbarkeit mit den R&ULeitlinien stützte die Kommission auf Rn. 6 und 16 der Leitlinien, wonach strukturelle Maßnah­ men ausnahmsweise mit Rettungsbeihilfen finanziert werden können, wenn sie umgehend durchgeführt werden müssen, um Verluste aufzufangen. Angesichts der ange­ spannten Lage auf den britischen Finanzmärkten und zum Schutz der Gläubiger von Bradford & Bingley bejahte die Kommission die Voraussetzungen der Leitlinien.85 In Anbetracht der grundsätzlichen Beschränkung von Rettungsbeihilfen auf reversible Maßnahmen ist die Kommission in dieser Entscheidung auch nach eigener Aussage an die Grenze des nach den R&U-Leitlinien Zulässigen gegangen.86 Bedenken begegnet ferner die Entscheidung Dexia, in der die Kommission die Vornahme von Rekapitalisie­ rungen für mit den R&ULeitlinien vereinbar erklärte.87 Da vielgestaltige strukturelle Hilfen erforderlich waren, um die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu bekämpfen, bedurfte es großzügigerer Regelungen. 6. Zeitliche Begrenzung der Rettungsbeihilfen Überdies ist die Dauer der Rettungsbeihilfen nach den R&U-Leitlinien auf sechs Monate begrenzt88, ohne dass die Genehmigung der anschließenden Umstrukturierungs­bei­hilfen gewährleistet ist89. Eine Möglichkeit, diesen Zeitraum ausnahmsweise zu verlängern, sehen die Leitlinien nicht vor. Lediglich bei rechtzeitiger Vorlage eines Umstrukturierungsplans verlängert sich die Frist für die Rückzahlung des Darlehens oder das Auslaufen der Bürgschaft, bis die Kommission die Prüfung des Plans abge­schlossen hat, 84  KOM vom 01.10.2008, C (2008) 5673 final in der Sache NN 41 / 2008 Rescue aid to Bradford & Bingley. 85  KOM vom 01.10.2008, C (2008) 5673 final in der Sache NN 41 / 2008 Rn. 46 Rescue aid to Bradford & Bingley. 86  KOM vom 08.04.2009, KOM (2009) 164, S. 9 Bericht der Kommission, Anzeiger für staatliche Beihilfen – Frühjahrsausgabe 2009 – Sonderausgabe „Staatliche Beihilfen in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise“, abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competition / state_aid / studies_reports / archive / 2009_spring_de. pdf; vgl. Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 271 m. Fn. 18 (2010); Quardt /  Lipinsky, BRZ 2009, S. 63, 66. 87  KOM vom 13.03.2009, C (2009) 1960 final corrig. in der Sache C 9 / 2009, Rn. 60, 63 Aid to Dexia in the form of guarantees for bonds and certain assets, liquidity assistance and a capital increase; Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 271 m. Fn. 18 (2010). 88  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 25 lit. c. 89  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 29.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

sofern die Kommission eine solche Verlängerung nicht als ungerecht­fer­tigt erachtet.90 Da sich nicht vorhersagen ließ, wie lange die Schwierigkeiten auf dem Finanzmarkt andauern würden, und das Vertrauen in den Finanzsektor sich unter Geltung der starren Frist nicht wiederherstellen ließ, bedurfte es einer großzügigeren Regelung.91 7. Erfordernis eines Umstrukturierungsplans Weil strukturelle Maßnahmen nach den R&U-Leitlinien nur unter engen Voraussetzungen in Form von Rettungsbeihilfen gewährt werden durften, wurden diese größtenteils als Umstrukturierungsbeihilfen qualifiziert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kommission bereits bei der Notifizierung einer Umstrukturierungsbeihilfe die Vorlage eines Umstrukturierungs- oder Liquidationsplans durch die Mitgliedstaaten verlangt.92 Angesichts der häufig bestehenden Eilbedürftigkeit staatlicher Unter­stützungs­maßnahmen waren die Mitgliedstaaten oft nicht in der Lage, rechtzeitig einen den Anforderungen der R&U-Leitlinien entsprechenden Umstrukturierungsplan zu erstellen, so dass die Kommission bei fortgesetzter Anwendung der Leit­ linien in vielen Fällen gezwungen gewesen wäre, die Genehmigung notwendiger struktureller Maßnah­men zu versagen.93 Überdies wirkte es unangemessen, von Kreditinstituten, deren Schwierigkeiten im Wesentlichen auf der Finanzkrise beruhten, stets die Vorlage eines Umstrukturierungsplans sowie umfangreiche Umstrukturierungsmaßnahmen zu verlan­gen.94 8. Beschränkte Dauer der Umstrukturierungsperiode Ferner erwies sich der von der Kommission zugebilligte Zeitraum für die Umsetzung eines Umstrukturierungsplans, der in der Regel zwischen zwei und vier Jahren vari­ierte,95 als zu knapp bemessen.96 Einigen strukturellen Maßnahmen wie einer Abwick­lung der Gesellschaft war unter den gegebe90  R&U-Leitlinien

(Fn. 17) Rn. 26. 1 JECLP 267, 271 (2010); Quardt / Lipinsky, BRZ

91  Baudenbacher / Bremer,

2009, S. 63, 67. 92  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 25 lit. c i. V. m. Rn. 31 ff. 93  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 272 (2010). 94  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 272 (2010); Herrmann, WiVerw 2010, S. 36, 40. 95  Mitteilung über die Wiederherstellung der Rentabilität und die Bewertung von Umstrukturierungs­maßnahmen im Finanzsektor im Rahmen der derzeitigen Krise gemäß den Beihilfevorschriften, ABl. 2009 Nr. C 195, S. 9 Rn. 15 m. Fn. 2. 96  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 272 (2010).



III. Zweite Phase der Krise: Eignungsdefizite der R&U-Leitli­nien 33

nen Marktbedingungen nur langfristig Aussicht auf Erfolg beschieden. In außergewöhnlichen Fällen genehmigte die Kommission zwar Umstrukturierungspläne, die auf einen längeren Zeitraum ausgelegt waren,97 allerdings war vor dem Hintergrund der Krise geboten, eine längere Umstrukturierungsphase grundsätzlich und nicht nur im Ausnahmefall zuzulassen. 9. Erheblicher Eigenbeitrag Darüber hinaus verlangen die R&U-Leitlinien die Leistung eines erheb­ lichen Beitrags zur Umstrukturierung, um sicherzustellen, dass Höhe und Intensität der Beihilfe auf das erforderliche Mindestmaß begrenzt sind.98 Bei großen Unternehmen liegt dieser bei mindestens 50 % der Umstrukturierungskosten, es sei denn, außergewöhnliche Umstän­ de oder Härtefälle rechtfertigen einen geringeren Beitrag.99 Angesichts der Krise erscheinen niedrigere Beiträge angemessen, wobei auf die Vorgabe bestimmter Schwel­ len­werte verzichtet werden sollte.100 Es könnte jedoch die Anwendung des Ausnahmetatbestandes eines außergewöhnlichen Umstands in Betracht gezogen werden.101 In diesem Fall könnte die Kommission einen geringeren Beitrag akzeptieren. Bislang gestaltete sich die Kommissionspraxis insoweit sehr restriktiv.102 Allerdings könnte die Finanz- und Wirtschaftskrise unter Berück­sichti­gung ihres unerwarteten, enormen Ausmaßes als außergewöhnlicher Umstand qualifiziert werden. Bei einer solchen Auslegung der Ausnahmeregelung würde diese sich in Zeiten der Krise aber zum Regelfall wandeln. Es bestünde die Gefahr, dass durch Schaffung von Präzedenzfällen eine Aufweichung des Kriteriums in anderen Sektoren bewirkt und die durch die Leitlinien geschaffene Rechtssicherheit beeinträchtigt würde.103

97  KOM vom 18.07.2001, SG (2001) D / 290015 in der Sache NN 92 / 99 Rn. 124 Zentrum Mikroelektronik Dresden (9 Jahre); KOM vom 01.06.2005, C (2005) 1471 fin in der Sache N 584 / 2004 Rn. 20 Restructuring Aid in favor of AB Vingriai (10 Jahre). 98  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 43. 99  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 44. 100  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 277 (2010). I.  E. Deselaers / Küpper, EWS 2009, S. 212, 215. 101  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 44. 102  Bartosch, Art. 87 Abs. 3 EGV Rn. 69. 103  Vgl. Quardt / Lipinsky, BRZ 2009, S. 63, 67.

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10. Verfahrensdauer Außerdem wurde die bisherige Praxis dem Erfordernis eines schnellen Verfahrens nicht gerecht.104 So betrug die Dauer des vorläufigen Prüfverfahrens durchschnittlich sechs und diejenige des förmlichen Prüfverfahrens sogar 20 Monate.105 Die R&U-Leitlinien sehen zwar ein vereinfachtes Verfahren vor, allerdings entscheidet die Kommission auch insoweit nur „nach Möglichkeit innerhalb eines Monats über Rettungsbei­hilfen“.106 Zudem darf das vereinfachte Verfahren nur durchgeführt werden, wenn die Rettungsbeihilfe sich im Rahmen eines im Einzelfall zu berechnenden Höchstbetrags hält und 10 Mio. Euro nicht übersteigt. In Anbetracht dessen, dass viele Banken auf staatliche Hilfen innerhalb kürzester Zeit angewiesen waren, um eine Insolvenz abzuwenden, mussten Vorkehrungen getroffen werden, um das Verfahren zu beschleu­ni­gen.

IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen Die Kommission erkannte, dass aufgrund der zahlreichen Eignungsdefizite der R&U-Leitlinien dringender Handlungsbedarf bestand, um eine großzügigere und schnellere Genehmigungspraxis zu gewährleisten. Hinsichtlich der Frage, wie man diesem Anlie­gen gerecht werden sollte, wurden verschiedene Ansätze vertreten. Dem Vorschlag, die Beihilferegeln im Kontext der Finanzkrise auszusetzen, folgte die Kommission nicht. Die damalige Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes führte hierzu aus: „If we were to ignore the state aid rules, governments would be tempted to get into a subsidy race and healthy companies could be put out of business just because their competitors received unfair state subsidies – and that is no way to protect jobs and growth.“107 Zu berücksich­tigen ist außerdem, dass nach 104  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 271 (2010); Drijber / Burmester, Ondernemingsrecht 2009, S. 577, 578. 105  MEMO / 09 / 208, State aid: Commission adopts Best Practices Code and Simplified Procedure to accelerate state aid decisions – frequently asked questions, 29.04.2009, abrufbar unter http: /  / europa.eu / rapid / pressReleasesAction.do?refe rence=MEMO / 09 / 208&format=HTML&aged=1&language=EN&guiLanguage=en. 106  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 30. 107  Kroes, Dealing with the Current Financial Crisis, Speech / 08 / 489, 06.10.2008, abrufbar unter http: /  / e­ uropa.eu / rapid / pressReleasesActiondo?reference=SPEECH /  08 / 498; vgl. auch MEMO / 08 / 795, State aid: Commission adopts temporary framework for Member States to tackle effects of credit squeeze on real economy – frequently asked questions, 17.12.2008, abrufbar unter http: /  / europa.eu / rapid / pressRe leasesAction.do?reference=MEMO / 08 / 795&format=HTML&aged=0&language=EN &guiLanguage=en.



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 35

Krisenzeiten auch wieder normale Zeiten kommen, in denen sich die staatlichen Hilfen langfristig wettbewerbsbeeinträchtigend auswirken könnten.108 Des Weiteren besteht für eine krisenbedingte Aussetzung des Beihilferechts weder eine Rechtsgrundlage noch wäre ein solches Vorgehen mit dem Schutzzweck des Art. 107 AEUV, nämlich der Verhinderung von Wett­ bewerbsver­fäl­schungen, verein­bar.109 1. Rechtsgrundlage für Beihilfen zur Bewältigung der Finanzkrise Als Rechtsgrundlagen für in Reaktion auf die Krise gewährte staatliche Unterstützungs­maßnahmen kamen sowohl Art. 107 Abs. 2 lit. b Var. 2 AEUV, der Bei­ hil­ fen zur Beseiti­ gung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind, zulässt, als auch Art. 107 Abs. 3 lit. b Var. 2 AEUV, der die Gewährung von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zur Behebung einer beträcht­ lichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaates erlaubt, in Betracht. Im Rahmen des Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV prüft die Kommission lediglich, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift vorliegen. Ist dies der Fall, ist die Beihilfe de jure mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und die Kommission folglich zur Genehmigung verpflichtet. Bei Anwendung der Legalausnahmen verfügt sie zwar über keinen Ermessensspielraum,110 allerdings ist ihr bei der Auslegung der Tatbestands­merk­male ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzugestehen.111 Anders als im An­wendungs­be­reich des Art. 107 Abs. 2 AEUV wird der Kommission im Rahmen des Art. 107 Abs. 3 AEUV ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt.112 Zudem enthält die Ausnahmevorschrift ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe. Im Gegensatz zum deutschen Recht differenziert das Gemeinschaftsrecht nicht zwischen Beurteilungsspiel­ raum auf Tatbestandsseite und Ermessensspielraum auf 108  Schwarze, DVBl. 2009, S. 1401, 1409; vgl. Jestaedt / Wiemann, WuW 2009, S. 606, 610. Ebenfalls ablehnend gegenüber der Aussetzung der beihilferechtlichen Kontrolle Mussler, FAZ vom 20.06.2009, Nr. 140, S. 9 und Soltész, WuW 2010, S. 743, 744. 109  Jestaedt / Wiemann, WuW 2009, S. 606, 609; Jestaedt, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 16 Rn. 24. Näher zum Schutzzweck der Beihilfenaufsicht siehe unten C.IV.1.a). 110  EuGH vom 17.09.1980, Rs.  730 / 79, Slg.  1980, 2671 Rn. 17 Philip Morris / Kommission. 111  EuG vom 15.12.1999, verb. Rs.  T‑132 / 96 und T‑143 / 96, Slg.  1999, II‑3663 Rn. 148 Freistaat Sachsen und Volkswagen / Kommission; Schwarze / Bär-Bouyssière, Art. 107 AEUV Rn. 57; Streinz / Koenig / Kühling, Art. 107 AEUV Rn. 102. 112  Schwarze / Bär-Bouyssière, Art. 107 AEUV Rn. 58; Streinz / Koenig / Kühling, Art. 107 AEUV Rn. 108.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

Rechtsfolgenseite, sondern geht von einem einheitlichen Entscheidungsspielraum aus. a) Ziele der Beihilfeaufsicht gemäß Art. 107 ff. AEUV Welche Erwägungen im Rahmen der Ermessensausübung durch die Kommission berücksichtigungsfähig sind, hängt maßgeblich von dem Sinn und Zweck der Beihilfe­aufsicht ab. aa) Unverfälschter Wettbewerb als Schutzzweck Die Beihilfeaufsicht bildet gemeinsam mit dem Kartellverbot gemäß Art. 101 AEUV und der Missbrauchskon­trolle gemäß Art. 102 AEUV einen wesentlichen Teil des europäischen Wettbewerbsrechts. Diese Wettbewerbsregeln haben den Schutzzweck, ein System zu errichten, das den Wettbe­ werb im Binnenmarkt vor Verfälschungen schützt. Der unverfälschte Wettbewerb als Zielvorgabe ergibt sich zwar nicht länger aus Art. 3 Abs. 1 lit. g EG, der auf Drängen des französischen Präsidenten Sarkozy nicht in den AEUV übernommen wurde, folgt jedoch aus dem Protokoll Nr. 27 im Anhang des Vertrages, das ebenso wie die Verträge zum primären Unionsrecht zählt.113 Das Protokoll erklärt die „Auffangkompetenz“ des Art. 352 AEUV für anwendbar. Diese Vorschrift enthält eine Handlungsermächtigung, wenn ein Tätigwerden der Union erforderlich ist, um eines der Ziele der Verträge zu erreichen, wenn die Verträge die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht ausdrücklich vorsehen. Über diesen Umweg bleibt der Wettbewerbsschutz also auch weiterhin als eines der Ziele des Vertrages erhalten. Im Übrigen zeigen sowohl der Wortlaut der Art. 107 ff. AEUV als auch ihre systematische Stellung im Kapitel über die Wettbewerbsregeln, dass die Vorschrif­ten dem Wettbewerbsschutz dienen.114 Das dem Vertrag zugrundeliegende Wettbewerbskonzept wird unterschiedlich interpretiert. Im Vertrag selbst findet sich lediglich in Art. 119 Abs. 1 AEUV die Festlegung auf den Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb. Auch die europäischen Gerichte haben sich auf keinen bestimmten Wettbewerbsbegriff festgelegt.115 Allerdings gilt das Verständnis 113  Protokoll über den Binnenmarkt und den Wettbewerb. Siehe zu dieser Änderung Lippert, DVBl. 2008, S. 492, 498 f., Müller-Graff, ZHR 173 (2009) 443 ff., Immenga / Mestmäcker, Einl EU B Rn. 17, 20 und Schwarze / Brinker, Art. 101 AEUV Rn. 41. 114  Zimmer / Blaschczok, 1 ECLR 9, 10 (2011); vgl. Rodi, Die Subventionsrechtsordnung, S. 145. 115  Paul, Behinderungsmissbrauch nach Art. 82 EG und der „more economic approach“, S. 93.



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der Österreichischen Schule116, die den Wettbewerb als Wert in sich zum Schutzgegenstand erklärt117, als überholt. Wohlfahrts­gewinne stellen für die Vertreter dieser Auffassung lediglich mit dem Schutz des freien Wettbewerbs verbundene Reflexe dar, die bei Anwendung und Auslegung des Wettbe­werbs­rechts keine Berücksichtigung finden dürfen. Demnach erfüllt jede durch eine staatliche Begünstigung bewirkte relative Besserstellung gegenüber Wettbe­werbern den Beihilfetatbestand, unabhängig von den tatsächlichen Auswirkungen auf den Markt, die Konkurrenten oder die Konsumenten. Gegen diese Sichtweise ist mit den wohl­fahrts­theoretischen Konzepten der Harvard School118 und der Chicago School119 vorzu­bringen, dass der Wettbewerb keinen Selbstzweck darstellt, sondern lediglich ein Mittel, um die Ziele des Vertrages zu verwirklichen.120 Dies steht in Einklang mit der europäischen Rechtsprechung, die hervorhebt, unverfälschter Wettbewerb setze das Vorhandensein eines wirksamen Wettbe­ werbs (Workable Competiton) auf dem Gemeinsamen Markt voraus121. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Vorschriften des Vertrages der Heranziehung ökonomischer Analysen nicht entgegen­stehen. Überdies verlieren die Unterschiede der oftmals als völlig gegen­ sätzlich gekennzeichneten Positionen des alleinigen Schutzes der wettbewerb­lichen Handlungs­freiheit auf der einen und der ausschließlich auf den Wohlfahrt­standard abstellenden Modelle auf der anderen Seite an Bedeutung, wenn die Interdependenzen berücksichtigt werden: So bedarf es einerseits ökonomischer Analysen über die Konsequenzen bestimmter Verhaltensweisen für den Wettbewerb.122 Andererseits verfolgen auch die ökonomischen Ansätze das Ziel der wettbewerblichen Handlungs­ freiheit, da die Ergebnisse des Wettbewerbsprozesses in einem 116  Zu den bedeutendsten Vertretern der Österreichischen Schule gehören Hayek und von Mises, siehe etwa Hayek, Prices and Production, 1931, und von Mises, Theorie des Geldes und der Umlaufmittel, 1912. 117  Einen guten Überblick über diesen Ansatz bietet I. Schmidt, Wettbewerbs­ politik und Kartellrecht, S. 18 ff., 30. 118  Die Harvard School geht unter anderem auf Bain und Clark zurück, siehe etwa Bain, QJE 293 ff. (1951) und Clark, Competition as a Dynamic Process, 1961. 119  Zu den Repräsentanten der Chicago School gehören unter anderem Posner und Stigler, siehe etwa Posner, Economic Analysis of Law, 1972, und Stigler, 2 BJEcon 3 ff. (1971). 120  Schröter / Jakob / Klotz / Mederer, Allgemeine Grundsätze – Vorbemerkungen zu den Art. 101–109 AEUV Rn. 11. 121  EuGH vom 25.10.1977, Rs.  26 / 76, Slg.  1977, 1875 Rn. 20 Metro / Kommis­ sion (Metro I). 122  Grabitz / Hilf / Nettesheim / Schuhmacher, Art. 101 AEUV Rn. 13; vgl. Paul, Behinderungsmissbrauch nach Art. 82 EG und der „more economic approach“, S. 101.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

zugrunde zu legenden funktionierenden Marktmechanismus nicht bestimmbar sind.123 bb) Berücksichtigung außerwettbewerblicher Zielsetzungen im Rahmen der Beihilfeaufsicht Vor dem Hintergrund des Wettbewerbsschutzes als Zweck der Beihilfeaufsicht stellt sich die Frage, inwieweit auch nichtwettbewerbliche Zielsetzungen im Rahmen der Beihilfeaufsicht berücksichtigt werden können. Im Gegensatz zur Beihilfeaufsicht verbleibt die Beihilfepolitik formal betrachtet alleini­ge Kompetenz der Mitgliedstaaten, das heißt die Beihilfevergabe erfolgt auf nationaler Ebene. Die in Art. 107 Abs. 2 und vor allem Abs. 3 AEUV vorgesehenen Ausnahmen vom Beihilfeverbot ermöglichen den Mitgliedstaaten, eigene politische Ziele zu verfolgen. Der so geschaffene Spielraum für eine autonome nationale Beihilfe­politik trug entscheidend zur Einigung der Mitgliedstaaten über die Einrichtung einer supra­nationalen Beihilfeaufsicht bei.124 Ursprünglich beschränkte sich die Funktion der Beihilfeaufsicht auf die Bewahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen im Sinne eines Schutzes der Institution des Wettbe­ werbs sowie der nicht subventionierten Unternehmer.125 Die Aufgabe der Kommission bestand also allein in der Abwehr wettbewerbsbeschränkenden und mithin gemein­ schafts­ schädlichen Verhaltens der Mitgliedstaaten.126 Dabei spricht man vom Prinzip der negativen Integration.127 Im Laufe der Zeit zeigte sich allerdings eine Entwicklung von der negativen hin zur positiven Integration.128 Unter positiver Integra123  Grabitz / Hilf / Nettesheim / Schuhmacher, Art. 101 AEUV Rn. 13; vgl. Schuhmacher, Effizienz und Wettbewerb, S. 177 ff. 124  Blauberger, Staatliche Beihilfen in Europa, S. 106, 114, 126 f., 129 f. 125  Börner, in: Magiera, Entwicklungsperspektiven der Europäischen Gemeinschaft, S. 83, 86. 126  So Börner, in: Magiera, Entwicklungsperspektiven der Europäischen Gemeinschaft, S. 83, 86; vgl. Seidel, in: Börner / Neundörfer, Recht und Praxis der Beihilfen im Gemeinsamen Markt, S. 55, 57 ff. 127  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 268 (2010). Die Unterscheidung zwischen positiver und negativer Integration geht auf den niederländischen Ökonomen Jan Tinbergen zurück, siehe International Economic Integration, S. 76, 78. Zu den sich teilweise unterscheidenden Definitionen der positiven und negativen Integration siehe etwa Cremer, EuR 2007, Beiheft 1, S. 75, 76; Haltern, Europarecht, § 11 Rn. 1404; Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungs­ ver­bund, S. 7. 128  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 268 (2010); Blauberger, Staatliche Beihilfen in Europa, S. 52, 125 ff.; Della Cananea, in: Harden, State Aid: Community Law and Policy, S. 61, 68; vgl. Rodi, Die Subventionsrechts­ordnung, S. 148.



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tion versteht man die Politik der Harmonisierung beziehungsweise Koordinierung im Wege der Recht­setzung.129 Dabei geht es nicht nur um Wettbewerbsschutz, sondern auch um andere Politiken. Das weite Ermessen der Kommission im Rahmen des Art. 107 Abs. 3 AEUV öffnet ihr Tür und Tor für eine Beeinflussung der mitgliedstaatlichen Beihilfe­ poli­ tik durch ihre eigenen politischen Vorstellungen.130 Die Kommission hat ihr Ermes­ sen nach Maßgabe wirtschaftlicher und sozialer Wertungen auszuüben, die auf die Gemein­schaft als Ganzes zu beziehen sind.131 Sie hat eine Abwägung zwischen den Handels- und Wettbewerbsverfälschungen auf der einen und den positiven Zielen staat­licher Beihilfepolitik auf der anderen Seite vorzunehmen. Insbesondere hinsichtlich der Gewichtung der abwägungsrelevanten Parameter wird ihr ein weiter Ermessenspielraum zugestanden. Bei der Entscheidungsfindung muss die Kommission komplexe wirt­schaft­liche Gegebenheiten, die raschen Veränderungen unterliegen, berücksichtigen und bewerten.132 Damit korrespondiert eine eingeschränkte Kontroll­ dich­ te auf Seiten der Gemeinschafts­gerichte. Diese überprüfen lediglich, ob die Verfahrensvorschriften be­ achtet wurden, die Begründung schlüssig erscheint, die Tatsachen richtig ermittelt sind sowie keine offensichtlichen Beurteilungs­ fehler und kein Ermessensfehlgebrauch vorliegen.133 Wie sich aus Art. 3 EUV ergibt, hat sich der Katalog der von den Verträgen neben dem Wettbewerbsschutz verfolgten Ziele bedeutend erweitert. Die Beihilfeaufsicht ist in die Ziele des Vertrages eingebettet und der Wettbewerb nur ein Mittel, um diese zu erreichen.134 Aus der grundsätzlich marktwirtschaftlichen Verfasstheit der EU folgt ein wettbewerbliches Subsidiaritäts­prin­zip:135 Nur wenn der Wettbewerb als Mittel zur Erreichung der Ziele des Vertrages allein nicht ausreicht, können Interventionen in 129  Blauberger,

Staatliche Beihilfen in Europa, S. 51. Staatliche Beihilfen in Europa, S. 106; krit. Koenig / Kühling, EuZW 1999, S. 517, 519. 131  EuGH vom 17.09.1980, Rs.  730 / 79, Slg.  1980, 2671 Rn. 24 Philip Morris /  Kommission; EuGH vom 14.02.1990, Rs.  301 / 87, Slg.  1990, I‑307 Rn. 49 Frankreich / Kommission; EuGH vom 15.05.1997, Rs.  C‑355 / 95 P, Slg.  1997, I‑2549 Rn. 26 TWD / Kommission und Deutschland. 132  EuGH vom 14.02.1990, Rs. 301 / 87, Slg. 1990, I‑307 Rn. 15 Frankreich / Kommission; EuGH vom 11.07.1996, Rs.  C‑39 / 94, Slg.  1996, I‑3547 Rn. 36 SFEI u. a. / La Poste u. a. 133  Vgl. EuGH vom 14.01.1997, Rs.  C‑169 / 95, Slg.  1997, I‑135 Rn. 34 Spanien / Kommission; EuGH vom 05.10.2000, Rs.  C‑288 / 96, Slg.  2000, I‑8237 Rn. 26 Deutschland / Kommission. 134  Matthies, ZHR 152 (1988) 442, 444; Schernthanner, Das materielle Beihilfeaufsichtsrecht nach dem EWG-Vertrag, S. 140. 135  Cremer, Forschungssubventionen im Lichte des EGV, S. 119; vgl. Ullrich, JNPÖ 9 (1990) 169, 187. 130  Blauberger,

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Gestalt von Beihilfen zugelassen werden. Zudem hat die Kommission zu berück­sichtigen, dass Beihilfen im Gemeinsamen Markt grundsätzlich unerwünscht und die Ausnahmebestimmungen restriktiv auszulegen sind.136 Bei der Ermessensausübung ist auch das gemeinsame Interesse zu berücksichtigen, obgleich es anders als in Art. 107 Abs. 3 lit. b, c und d AEUV nicht explizit erwähnt wird.137 Neben den Zielen nach Art. 3 EUV hat die Kommission auch die in den Quer­schnitts­klauseln des Vertrages hervorgehobenen Politiken und Ziele einzubeziehen. So sind etwa gemäß Art. 191 AEUV die Umweltpolitik, gemäß Art. 173 Abs. 3 AEUV die Industriepolitik, nach Art. 147 Abs. 2 AEUV das Ziel eines hohen Beschäftigungs­niveaus sowie nach Art. 168 AEUV das Ziel des Gesundheitsschutzes einzubeziehen. Da die Verwirklichung der nach den Querschnitts­klauseln zu berück­sichti­ genden Interessen sowie der übrigen Vertragsziele in einer Einschränkung des Wettbewerbs resultieren kann, ergeben sich Zielkonflikte, die nach dem Prinzip der praktischen Kon­kor­danz zu lösen sind. Dieses besagt, dass im Fall gleich­rangiger Ziele beide Ziele inner­halb der durch die Gemeinschafts­ rechts­ordnung gesetzten Grenzen möglichst weitgehend verwirklicht werden sollen und keines der Interessen vollständig geopfert werden darf. Das Prinzip der praktischen Konkordanz stößt aber dort an seine Grenzen, wo eine har­ mo­ nisierende Auslegung gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.138 Auf dem Gebiet des Kartell­rechts sprechen sich einige Stimmen gegen die Einbeziehung außerwett­be­werblicher Belange aus.139 Soweit die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des Art. 101 Abs. 3 AEUV vorlägen, sei das Eingreifen der Ausnahmebestimmung zu bejahen. Weitere Ziele dürften nicht in die Betrachtung einbezogen werden. Dies ergebe sich schon aus dem Wandel vom Anmeldeverfahren zur Legalausnahme: Seit Inkraft­treten der VO Nr. 1 / 2003 sind Unternehmen nicht mehr verpflichtet, Verein­ barungen, Beschlüsse oder Verhaltensweisen bei der Kommission anzumelden, sondern haben selbst zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV gegeben sind. Müssten auch allgemeinpolitische Aspekte berücksichtigt werden, wären sowohl die betroffe136  Schröter / Jakob / Klotz / Mederer, Vorbemerkung zu den Art. 107 bis 109 AEUV Rn.  5. A. A. Cremer, Forschungssubventionen im Lichte des EGV, S. 118; Calliess / Ruffert / Cremer, Art. 107 AEUV Rn. 51. 137  EuGH vom 19.09.2002, Rs.  C‑113 / 00, Slg.  2002, I‑7601 Rn. 67 Spanien /  Kommission; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 44 Rn. 15. 138  Immenga / Mestmäcker, Einl EU B Rn. 98. 139  Koch, ZHR 169 (2005) 625, 634 f.; Schwarze / Weitbrecht, Grundzüge des europäischen Kartellver­ fahrensrechts, § 2 Rn. 18; Scherer / Heselhaus, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, O. Rn. 23; Immenga / Mestmäcker, Einl EU B Rn.  100 ff.



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nen Unternehmen140 als auch die mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichte nicht zur Anwendung der Norm imstande141. Soweit vorgebracht würde, im Gegensatz zu den nationalen Gerichten dürfe die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens auch außerwettbewerblichen Zielen Rechnung tragen142, würden die Einheit des Unionsrechts sowie das Gebot der Kooperation zwischen Kommission und mitgliedstaatlichen Gerichten bei der Anwen­dung von Art. 101 Abs. 3 AEUV außer Acht gelassen.143 Auf diese Argumenta­ tion wird entgegnet, mangels Bereichsausnahme seien die Querschnitts­klauseln auch im Kartellrecht zu berücksichtigen.144 Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Einführung des Systems der Legalausnahme, da eine Umstellung des Verfahrensrechts nicht zu einer Änderung des materiellen Rechts führe.145 Könnte der Gemeinschafts­ gesetzgeber durch eine Modifikation des Sekun­därrechts das Primärrecht beeinflussen, liefe dies der Normenhierarchie zwischen primärem und sekundärem Gemeinschafts­recht zuwider.146 Im Bereich der Grundfrei­ heiten seien die nationalen Gerichte zudem ebenfalls berufen, im Rahmen general­ klauselartiger Tatbestände über Interessen­ konflikte zu entscheiden.147 Ein anderer Ansatz, die Berücksichtigung nichtwettbe­ werblicher Ziele auch weiterhin zu ermög­lichen, führt über eine restriktive Auslegung des Art. 101 Abs. 1 AEUV.148 Im Aus­nahme­tatbestand des Art. 101 Abs. 3 AEUV kommen danach lediglich die dort be­ zeich­ ne­ ten ökonomischen Kriterien zur Anwen­dung. Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Beihilfeaufsicht und dem Kartellrecht besteht darin, dass Art. 107 Abs. 3 AEUV anders als Art. 101 Abs. 3 AEUV keine un­mittel­bare Anwendung findet und der Kommission ein weiter, gerichtlich nur einge­schränkt überprüfbarer Ermessens­spielraum zugestanden wird. Daher bedarf es zur Berücksichtigung nichtwett­bewerb­ 140  Schwarze / Weitbrecht, Grundzüge des europäischen Kartellverfahrensrechts, § 2 Rn. 18. 141  Koch, ZHR 169 (2005) 625, 634 f., 637 f.; Quellmalz, WRP 2004, S. 461, 466; Schwarze / Weitbrecht, Grundzüge des europäischen Kartellverfahrensrechts, §  2 Rn. 18; Immenga / Mestmäcker, Einl EU B Rn. 102. 142  So Quellmalz, WRP 2004, S. 461, 470. 143  Immenga / Mestmäcker, Einl EU B Rn. 102. 144  Everling, in: FS Huber, S. 1073, 1083. 145  Everling, in: FS Huber, S. 1073, 1088, 1092. I. E. Ehlermann, 37 CMLR 537, 557 f., 585 (2000); Hirsch, ZWeR 2003, S. 233, 238 f. 146  Everling, in: FS Huber, S. 1073, 1089. 147  Roth, in: FS Mestmäcker, S. 413, 431; vgl. Ehlermann, 37 CMLR 537, 558 (2000). 148  Eingehend hierzu Roth, in: FS Mestmäcker, S. 413, 423 ff.; EuGH vom 21.09.1999, Rs.  C‑67 / 96, Slg.  1999, I‑5863 Rn. 59 Albany International / Stichting Bedrijfspensioenfonds Textielindustrie.

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licher Interessen auch keiner einschränkenden Auslegung des Beihilfe­tatbe­ standes. Die Entwicklung von der negativen zur positiven Integration lässt sich an der gewandel­ten Interpretation des Tatbestandsmerkmals „gemeinsames Interesse“ in Art. 107 Abs. 3 AEUV veranschaulichen. Allein Buchstabe b lässt Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse zu. Während im Buchstaben a das gemeinsame Interesse nicht erwähnt wird, dürfen Beihilfen nach den Buchstaben c und d dem gemeinsamen Interesse lediglich nicht zuwiderlaufen. Im Laufe der Zeit hat sich die Auslegung dieses Merkmals durch die Kommission verändert: Das zu schützende Gemeinschaftsinteresse wurde positiv definiert und an die Stelle der Frage, ob eine mitgliedstaatliche Beihilfe gegen das gemeinsame Interesse verstößt, trat die Frage, ob eine Beihilfe dem gemeinsamen Interesse dient. Ein solches gemeinsames Interesse stellt beispielsweise nach dem „Aktionsplan Staatliche Beihilfen“ die Behebung eines Marktver­sa­gens dar. Eine Beschränkung der Beihilfekontrolle auf die Funktion einer negativen Integration erscheint aus zwei Gründen nicht angebracht:149 Zunächst ist es unausweichlich, dass die Kommission das im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigende gemeinsame Interesse bestimmt. Außerdem wird die Kommission durch die Schaffung von Gemein­schafts­rahmen, Leitlinien und Mitteilungen rechtsgestaltend tätig, indem sie vorgibt, unter welchen Voraussetzungen eine Beihilfe als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen ist.150 Diese Regelwerke bewirken zwar einerseits eine Ermessens­ bindung der Kommission und dienen somit der Transparenz und der Rechtssicherheit, andererseits bezweckt die Kommission mit der Verregelung der Ausnahmen aber auch, die nationale Beihilfepolitik in Richtung ihrer regio­ nal-, sozial-, umwelt-, struktur- oder industriepolitischen Vorstellungen zu lenken.151 Faktisch richten die Mitgliedstaaten ihre Politik auch an den von der Kommission festgelegten Standards und den darin zum Ausdruck kommenden politischen Zielen aus.152 149  Heidenhain,

European State Aid Law, § 1 Rn. 9. 1 JECLP 267, 268 (2010); von der Groeben / Schwarze / Mederer, Vorbem. zu den Art. 87 bis 89, Rn. 4; vgl. Bullinger, in: Börner / Bullinger, Subventionen im Gemeinsamen Markt, S. 161, 162 f. 151  Koenig / Kühling, EuZW 1999, S. 517, 519; Heidenhain, European State Aid Law, § 1 Rn. 9; Della Cananea, in: Harden, State Aid: Community Law and Policy, S. 61, 68; vgl. Schütterle, EuZW 1995, S. 391, 394. Kritisch gegenüber einer „Wirtschaftsförderungspolitik“ durch die Kommission Götz, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, H.III Rn. 40. 152  Blauberger, From Negative to Postitive Integration, MPIfG Discussion Paper 08 / 4, S. 12; Della Cananea, in: Harden, State Aid: Community Law and Policy, S. 61, 68. 150  Baudenbacher / Bremer,



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Die Bereitschaft der Kommission, neben dem Wettbewerbsschutz auch andere Ziele zu berücksichtigen, wird auch im Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik aus dem Jahr 1997 deutlich, in dem es heißt: „Die Kommission hat auch 1997 strenge Maß­stäbe an die Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt angelegt, dabei aber versucht, den Grundsatz eines unverfälschten Wettbewerbs mit dem Um­stand in Einklang zu bringen, daß bestimmte Beihilfen durchaus einen Beitrag zu den Zielsetzungen der übrigen Gemeinschaftspolitiken leisten können.“153 Inzwischen geht die Funktion der Beihilfeaufsicht also über eine negative Integration hinaus.154 Allerdings beabsichtigt die Kommission auch keine völlige Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Politiken über das europäische Sekundärrecht, das heißt keine positive Integration. Die Mitgliedstaaten werden über das Sekundärrecht nicht zur Gewährung bestimmter staatlicher Unter­ stützungs­maßnahmen verpflichtet, sondern entscheiden selbst über den Einsatz ihrer Mittel. Zudem beschränkt sich die Vergabe von Gemeinschaftsbeihilfen auf festgelegte Bereiche. b) Art. 107 Abs. 2 lit. b Var.  2 AEUV: Katastrophenbeihilfen Zunächst könnte Art. 107 Abs. 2 lit. b Var. 2 AEUV als Rechtsgrundlage für Banken­beihilfen in der Krise herangezogen werden. Die Gemeinschaftsgerichte legen Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV als Ausnahmevorschrift vom grundsätz­lichen Beihilfe­verbot eng aus.155 Unter Naturkatastrophen sind nur außergewöhnliche Natur­ phäno­ mene wie Erdbeben, Wirbelstürme, Vulkanausbrüche, schwere Unwetter und Über­ schwem­ mungen zu verstehen.156 Unter den Begriff des sonstigen außerge­wöhnlichen Ereignis­ses fallen beispielsweise Kriege, schwere innere Unruhen, Industrie- und Berg­ werks­ unfälle sowie Terroranschläge.157 Es ist zu untersuchen, ob die Finanz- und Wirtschaftskrise als außergewöhnliches Ereignis im Sinne des Art. 107 Abs. 2 lit. b Var. 2 AEUV ange153  27. Bericht

über die Wettbewerbspolitik 1997, Rn. 231. Blauberger, Staatliche Beihilfen in Europa, S. 129 ff.; Della Cananea, in: Harden, State Aid: Community Law and Policy, S. 61, 68. 155  EuGH vom 19.09.2000, Rs.  C‑156 / 98, Slg.  2000, I‑6857 Rn. 49 Deutschland / Kommission; EuGH vom 28.01.2003, Rs. C‑334 / 99, Slg. 2003, I‑1139 Rn. 117 Deutschland / Kommission; EuGH vom 29.04.2004, Rs.  C‑277 / 00, Slg.  2004, I‑3963 Rn. 20 Deutschland / Kommission; EuGH vom 29.04.2004, Rs.  C‑278 / 00, Slg.  2004, I‑3997 Rn. 82 Griechenland / Kommission. 156  Calliess / Ruffert / Cremer, Art. 107 AEUV Rn. 42; Streinz / Koenig / Kühling, Art. 107 AEUV Rn. 104. 157  Heidenhain, European State Aid Law, § 12 Rn. 1; von der Groeben / Schwarze / Mederer, Art. 87 EG Rn. 132; Schröter / Jakob / Klotz / Mederer / Martenczuk, Art. 107 AEUV Rn. 206. 154  Eingehend

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

sehen werden kann. Die Rechtsprechung hat sich zu dieser Fragestellung noch nicht geäußert. Eine Einord­nung der Krise als außergewöhnliches Ereignis könnte im Einklang mit der Praxis der Kommission stehen, auch Beihilfen zur Beseitigung von Konjunkturschäden unter die Vorschrift zu fassen.158 So hat die Kommission 1986 die Gewährung von Fischereibeihilfen wegen starker Ein­ kom­ mens­ ver­ luste aufgrund schlechter klimatischer Bedingungen in den Gewässern um Grönland zugelassen.159 Zudem hat sie 1982 die Genehmigung einer staatlichen Unterstützungs­ maßnahme abgelehnt, weil nicht bewiesen werden konnte, dass eine Übererzeugung von Pflaumen im italienischen Kampanien konjunkturbedingt und so außergewöhnlich war, dass sie einer Naturkatastrophe entsprach.160 In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass Beihilfen wegen plötzlich auftretender schwerer Stö­rungen des Wirtschaftslebens nicht gemäß Art. 107 Abs. 2 lit. b Var. 2 AEUV genehmi­gungsfähig sind161, beziehungsweise dass die Folgen wirtschafts- oder unter­nehmens­po­li­tischer Fehlentscheidungen kein außergewöhnliches Ereignis im Sinne von Art. 107 Abs. 2 lit. b Var. 2 AEUV darstellen162. Die letztgenannte Ansicht steht einer Subsumtion der Finanzkrise unter Art. 107 Abs. 2 lit. b Var. 2 AEUV nicht entgegen, da die Entstehung der Finanzkrise nicht maßgeblich auf individuelle unternehmerische Fehlentscheidungen, sondern auf unbeherrschbare Dominoeffekte zurückgeht.163 Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung bildet der Wortlaut. Nach dem gewöhn­lichen Sprachgebrauch umfasst ein außergewöhnliches Ereignis eine seltene Begeben­heit, so dass die Krise als ein solches verstanden werden kann. Bei der syste­ mati­ schen Auslegung ist zu berücksichtigen, dass das sonstige außergewöhnliche Ereignis tatbe­standlich gleichwertig neben Naturkatastrophen steht. Aus der beispiel­haften Erwäh­nung der Naturkatastrophe erschließt sich die Teleologie, dass auch ein sonstiges außerge­wöhnliches Ereignis das Vorliegen einer externen Einwirkung in den Wirt­schafts­kreislauf 158  KOM vom 11.10.1982, ABl. 1982 Nr. L 315, S. 21, II Beihilfen zugunsten der Pflaumenerzeugung in Kampanien; 16. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1986, Rn. 291; Grabitz / Hilf / Nettesheim / von Wallenberg / Schütte, Art. 107 AEUV Rn. 134. 159  16. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1986, Rn. 291. 160  KOM vom 11.10.1982, ABl. Nr. L 315, S. 21, II Beihilfen zugunsten der Pflaumenerzeugung in Kampanien. 161  Calliess / Ruffert / Cremer, Art. 107 AEUV Rn. 42; Schwarze / Bär-Bouyssière, Art. 107 AEUV Rn. 63; vgl. Heidenhain, European State Aid Law, § 12 Rn. 1. 162  Fehling, EuR 2010, S 598, 607; Schwarze, DVBl. 2009, S. 1401, 1406; Heidenhain, European State Aid Law, § 12 Rn. 1; Grabitz / Hilf / Nettesheim / von Wallenberg / Schütte, Art. 107 AEUV Rn. 134; von der Groeben / Schwarze / Mederer, Art. 87 EG Rn. 130; Schröter / Jakob / Klotz / Mederer / Martenczuk, Art. 107 AEUV Rn. 203; Schwarze / Bär-Bouyssière, Art. 107 AEUV Rn. 63. 163  Vgl. Schwarze, DVBl. 2009, S. 1401, 1406.



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voraussetzt.164 Eine historische Auslegung kommt nicht in Betracht, da die Materialien der Verhandlungen aus politischen Gründen nicht veröffent­licht werden.165 Ungeachtet der autonomen Auslegung des gegenüber dem nationalen Recht Anwen­ dungs­ vorrang genießenden Europarechts kann ein rechtsvergleichender Seitenblick auf parallele Regelungen im deutschen Verfassungsrecht die Beweggründe für derartige Ausnahmen erhellen. Im Zusammenhang mit der Einführung einer „Schuldenbremse“ im Grundgesetz sehen Art. 104 lit. b Abs. 1 S. 2, 109 Abs. 3 S. 2 Var.  2 und 115 Abs. 2 S. 6 GG einen Ausnahmevorbehalt für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen vor, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanz­lage erheblich beeinträchtigen. In der Gesetzesbegründung wird klargestellt, dass das Tatbestandsmerkmal der „Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entzie­hen“, meint, dass diese Situationen auf äußeren Einflüssen beruhen müssen.166 Dies wird hinsichtlich der Finanzkrise bejaht, da diese durch einen exogenen Schock verursacht worden sei.167 Überzeugend ist diese Betrachtungsweise jedoch nicht. Näher liegend erscheint es, die Finanzkrise als Störung, die aus dem Wirtschaftsablauf selbst resultiert, und somit nicht als Einwirkung von außen zu sehen. Gegen die Übertragung der Erläuterungen aus der deutschen Gesetzesbegründung auf die Frage nach dem Vorliegen eines außergewöhnlichen Ereignisses im Sinne des Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV könnte vorgebracht werden, die Finanzkrise sei nur deshalb unter den Wortlaut der neueren Vorschriften im Grundgesetz zu fassen, weil diese – anders als die entsprechende Regelung im AEUV – gerade im Angesicht der Krise geschaffen wurden. Umgekehrt könnte allerdings eingewendet werden, der deutsche Gesetzgeber habe sich in der Krisensituation bewusst für den ähnlichen Wortlaut entschie­den und gehe daher von einem allgemeinen Begriffsverständnis aus, das Situationen wie die Finanzkrise einschließe. Des Weiteren wird gegen eine identische Auslegung der betreffenden Normen auf deutscher und auf europäischer Ebene angeführt, in der europäischen Vorschrift sei die Rückbindung an den Fall der Naturkatastrophe stärker ausgeprägt.168 Während nach dem Wortlaut der europäischen RegeFehling, EuR 2010, S. 598, 607; Schwarze, DVBl. 2009, S. 1401, 1407. Europäisches Wettbewerbsrecht, § 3 Rn. 46. 166  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU / CSU und SPD, Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91c, 91d, 104b, 109, 109a, 115, 143d), BT-Drs. 16 / 12410, 24.03.2009, S. 11. 167  BT-Drs. 16 / 12410 (Fn. 166) S. 11; vgl. Schwarze, DVBl. 2009, S. 1401, 1407; Vaubel, in: Kempf / Lüderssen / Volk, Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 19, 24. 168  Schwarze, DVBl. 2009, S. 1401, 1407. 164  Vgl.

165  Mestmäcker / Schweitzer,

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

lung ein sonstiges außergewöhnliches Ereignis vorausgesetzt wird, verlangen die deutschen Regelungen lediglich das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation. Allein daraus sollte allerdings nicht der Schluss gezogen werden, dass in Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV ein stärkerer Zusammenhang mit einer Naturkatastrophe besteht. So spricht auch die deutsche Gesetzesbegründung von einer anderen außergewöhnlichen Notsituation,169 weshalb auch bei den deutschen Vorschriften davon auszugehen ist, dass eine Naturkatastrophe als Spezialfall einer außergewöhnlichen Notsituation anzusehen ist. Letztlich lassen sich aus der Betrachtung des deutschen Rechts – wie bereits erwähnt – keine zwingenden Rückschlüsse auf die Auslegung des europäischen Rechts ziehen. Es bleibt damit dabei, dass die Finanzkrise als aus dem Wirtschaftsablauf selbst entstandene und daher nicht von außen herrührende Störung anzusehen ist und daher nicht unter Art. 107 Abs. 2 lit. b Var. 2 AEUV gefasst werden kann. c) Art. 107 Abs. 3 lit. b Var.  2 AEUV: Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mit­gliedstaates Ferner könnte Art. 107 Abs. 3 lit. b Var. 2 AEUV als Rechtsgrundlage für Bankenbei­hil­fen in der Finanzkrise angewendet werden. Die Vorschrift trägt dem in Extrem­situationen erforderlichen Ausgleich zwischen dem ungestörten Wettbewerb und der gemein­ schaft­ lichen Solidarität Rechnung.170 Bei Vorliegen einer erheblichen wirtschaft­ lichen Krise in einem Mitgliedstaat genießt deren Bekämpfung Vorrang vor der Aufrechterhaltung von freiem Wettbewerb. Das überwiegende Gemeinschaftsin­te­resse besteht dann darin, den Mitgliedstaat zu unterstützen. Sowohl die Kommission als auch der Gerichtshof legen die Vorschrift restriktiv aus. Es bedarf erheblicher allgemeiner wirtschaftlicher und sozialer Schwierigkeiten, die sich auf die gesamte Wirtschaft eines Mitgliedstaates erstrecken.171 Schwierigkeiten, die sich lediglich auf einzelne Unternehmen,172 169  BT-Drs.

16 / 12410 (Fn. 166) S. 11. in: Heidenhain, European State Aid Law, § 16 Rn. 12. 171  EuGH vom 30.09.2003, Rs. C‑301 / 96, Slg. 2003, I‑9919 Rn. 106 ff. Deutschland / Kommission; EuGH vom 30.09.2003, Rs. C‑57 / 00 P und C‑61 / 00 P, Slg. 2003, I‑9975 Rn.  96 ff. Freistaat Sachsen und Volkswagen / Kommission; Calliess / Ruffert / Cremer, Art. 107 AEUV Rn. 56. 172  Vgl. KOM vom 29.03.1988, ABl. 1988 Nr. L 229, S. 37, VI International Harvester / Tenneco. 170  Jestaedt,



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 

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Industriezweige oder Regionen173 eines Mit­glied­staates beziehen, fallen nur dann in den Anwendungsbereich des Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 2 AEUV, wenn sie sich auf den gesamten Mitgliedstaat auswirken,174 da es nach dem Wortlaut von Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 2 AEUV anders als im Rahmen des Absatzes 3 lit. a und lit. c nicht um Gebiete oder Wirtschaftszweige, sondern um das gesamte Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaates geht. Spezifische Störungen wie beispiels­weise solche des Arbeitsmarktes oder der Zahlungsbilanz sowie allgemeine konjunkturbedingte Probleme werden nicht erfasst.175 Auf die Ursache der Schwierig­keiten kommt es nicht an. Bisher hat die Kommission die Vorschrift selten angewendet. Sie wurde nur nach der Ölkrise von 1973176 und zugunsten Griechenlands in den 1980er Jahren177 herangezo­ gen. Demgegenüber hat die Kommission die Anwendung der Vorschrift mehrfach abgelehnt, so auch hinsichtlich der Wiedervereinigung Deutschlands178 und der Erhöhung der Kraftstoffpreise um 45 % im Jahr 2000179. Das Vorliegen einer Störung richtet nach dem Vergleich mit der wirtschaftlichen und sozialen Lage in anderen Mitgliedstaaten.180 Fraglich ist, ob Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 2 AEUV auch dann Anwendung findet, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse im betreffenden Mitgliedstaat zwar insgesamt 173  EuGH vom 30.09.2003, Rs.  C‑301 / 96, Slg.  2003, I‑9919 Rn. 106 Deutschland / Kommission; EuGH vom 30.09.2003, Rs. C‑57 / 00 P und C‑61 / 00 P, Slg. 2003, I‑9975 Rn.  97 f. Freistaat Sachsen und Volkswagen / Kommission. 174  Vgl. 17. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1987, Rn. 186; Schwarze / Bär-Bouyssière, Art. 107 AEUV Rn. 67. 175  Schwarze, DVBl. 2009, S. 1401, 1407; Schröter / Jakob / Klotz / Mederer / Martenczuk, Art. 107 AEUV Rn. 373; Schwarze / Bär-Bouyssière, Art. 107 AEUV Rn. 67; speziell zur Zahlungsbilanz EuGH vom 10.12.1969, verb. Rs. 6 und 11 / 69, Slg. 1969, 523 Rn. 18 / 19 ff. Frankreich / Kommission. 176  5. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1975, Rn. 133. 177  Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage Griechenlands führte im Herbst 1985 zu erheb­lichen Zahlungsschwierigkeiten. Die von der griechischen Regierung getroffenen Maßnahmen bestanden unter anderem in der Zurverfügungstellung von Beihilfen für die Privatisierung von 208 Unternehmen. Siehe dazu 17. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1987, Rn. 186 sowie 21. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1991, Rn. 251. 178  KOM vom 27.07.1994, ABl. 1994 Nr. L 385, S. 1, IX Mosel I; KOM vom 26.06.1996, ABl. 1996 Nr. L 308, S. 46, X Mosel II, bestätigt durch EuGH vom 30.09.2003, Rs.  C‑301 / 96, Slg.  2003, I‑9919 Rn. 105 ff. Deutschland / Kommission und EuGH vom 30.09.2003, Rs.  C‑57 / 00 P und C‑61 / 00 P, Slg.  2003, I‑9975 Rn.  93 ff. Freistaat Sachsen und Volkswagen / Kommission. 179  EuGH vom 11.11.2004, Rs.  C‑73 / 3 Rn. 36 ff. Spanien / Kommission (nur in französischer und spa­nischer Sprache veröffentlicht). 180  EuG vom 15.12.1999, verb. Rs.  T‑132 / 96 und T‑43 / 96, Slg.  1999, II‑3663 Rn. 167 Freistaat Sachsen und Volkswagen / Kommission.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

unbefriedigend, relativ gesehen aber günstig sind.181 In der Rechtssache Philip Morris hat die Kommission eine Beihilfe der niederländischen Regierung an eine niederländische Tochtergesellschaft des Tabakpro­ dukte­ herstellers Philip Morris in Form einer Zusatzprämie für Großprojekte, die aufgrund eines niederländischen Gesetzes gewährt werden und zur Steigerung der Pro­ duk­tion führen sollte, für gemeinschaftswidrig erklärt.182 Bei einer Genehmigung hätte laut Kommission die Gefahr bestanden, dass Investitionen, die auch in anderen Mitglied­staaten mit ungünstigerer Lage vorgenommen werden könnten, im begünstigten Mitgliedstaat durchgeführt würden.183 Im Jahr 1984 hat die Kommission entschieden, dass eine Beihilfe, mit der die belgische Regierung ein belgisches Textilunternehmen zwecks Errichtung einer Produktionsan­lage für die Herstellung von Polypropylen unterstützen wollte, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist.184 Zur Begründung führte die Kommission aus: „Die belgische Wirtschaft kämpft mit schweren sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die jedoch nicht die gravierendsten in der Gemeinschaft sind. Bei dieser Sachlage besteht die unmittelbare Gefahr einer Eskalation staatlicher Beihilfen; jedwede staat­ liche Beihilfe ist absolut geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.“ Infolge dieser Entscheidungen ist die Ansicht vertreten worden, die für die Annahme einer beträchtlichen Störung erforderliche außergewöhnliche, schwierige wirtschaftliche Lage sei dann nicht gegeben, wenn sie alle oder mehrere Mitgliedstaaten betreffe.185 Die Finanzkrise verursacht beträcht­ liche Störungen im Wirtschaftsleben aller Mitglied­staaten und nicht nur im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaates, wie es einer engen Wortlautinterpretation des Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 2 AEUV entspräche. Nach der teleologischen Auslegung der Vorschrift sollen die Mitgliedstaaten durch die Gewährung von Beihilfen bei der effektiven Bekämpfung einer außergewöhnlichen, schwieri­gen wirtschaftlichen Lage unterstützt werden.186 Dabei erscheint es nicht sinnvoll, einem Mitgliedstaat die Unterstützung mit der 181  Ablehnend von Donat, in: Heidenhain, Handbuch des Europäischen Beihilfenrechts, § 16 Rn. 15; Grabitz / Hilf / Nettesheim / von Wallenberg / Schütte, Art. 107 AEUV Rn. 152; Schwarze / Bär-Bouyssière, Art. 107 AEUV Rn. 68. 182  EuGH vom 17.09.1980, Rs.  730 / 79, Slg. 1980, 2671 Philip Morris / Kommission. 183  EuGH vom 17.09.1980, Rs.  730 / 79, Slg. 1980, 2671 Rn. 25 Philip Morris /  Kommission. 184  KOM vom 27.06.1984, ABl. 1984 Nr. L 283, S. 42 Polypropylen-Fasern. 185  von Donat, in: Heidenhain, Handbuch des Europäischen Beihilfenrechts, § 16 Rn. 15. Auch Jestaedt / Wiemann, WuW 2009, S. 606, 609, weisen auf dieses Problem hin. 186  Schwarze, DVBl. 2009, S. 1401, 1408.



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 

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Begründung zu versagen, dass auch andere Mitgliedstaaten vor gleichgelagerten Problemen stehen.187 Die Auswir­kungen der Krise werden nicht dadurch geschwächt, dass auch andere Mitglied­ staaten unter ihr zu leiden haben.188 Bei einer anderen Betrachtungsweise dürfte in einer ausge­dehnten internationalen Krise keinem Mitgliedstaat mehr geholfen werden, mit der Konsequenz, dass beihilferechtlich nichts gegen einen gemeinschaftsweiten Wirt­schafts­zu­sammen­bruch unternommen werden könnte. Sinn und Zweck des Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 2 AEUV verlangen daher eine Anwendung der Vorschrift auch dann, wenn sich die beträchtliche Störung auf mehrere Mitgliedstaaten erstreckt. Die Frage nach dem Vorliegen einer beträchtlichen Störung ist im Gemeinschaftsrahmen zu beur­teilen.189 Eine solche Störung ist entweder anhand eines Vergleichs mit der wirtschaft­lichen und sozialen Lage in anderen Mitgliedstaaten oder bei einer krisenhaf­ ten Situation in allen Mitgliedstaaten festzustellen. Daher erfüllen die globale Finanz- und Wirtschaftskrise und ihre schwerwiegenden Folgen die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt.  2 AEUV. d) Anwendung des Art. 107 Abs. 3 lit. b Var.  2 AEUV Während die Kommission in der Vergangenheit trotz entsprechenden Vorbringens der Mitgliedstaaten die Anwendbarkeit des Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 2 AEUV wiederholt mit der Begründung ablehnte, dass die beantragte Beihilfe lediglich darauf abziele, „die Schwierigkeiten eines einzigen Begünstigten […], und nicht des gesamten Wirtschafts­zwei­ges zu beheben“190, erkannte sie in der Bankenmitteilung 2008191 an, dass Bankenbei­hil­fen in der Krise der Beseitigung einer beträchtlichen Störung im gesamten Wirtschafts­ le­ben eines Mitgliedstaates dienen können. Damit ist sie von ihrem in Philip Morris eingenommenen Standpunkt abgewichen und bejaht nun die Anwendbarkeit der Vorschrift trotz Betroffenheit aller Mitgliedstaaten. Sie begründet dies insbesondere mit dem gravierenden Ausmaß der Krise, die inzwischen auch grundsätzlich gesunde Kreditinstitute gefährdet, und ihren möglichen 187  Jestaedt,

in: Heidenhain, European State Aid Law, § 16 Rn. 15. DVBl. 2009, S. 1401, 1408. 189  Schwarze, DVBl. 2009, S. 1401, 1408; Schröter / Jakob / Klotz / Mederer / Martenczuk, Art. 107 AEUV Rn. 372. 190  KOM vom 27.02.2008 in der Sache C 10 / 2008 Rn. 59 Verfahrenseröffnungsentscheidung IKB; KOM vom 30.04.2008, K (2008) 1628 endgültig in der Sache NN 25 / 2008 Rn. 41 WestLB Risikoabschirmung; KOM vom 04.06.2008, K (2008) 2296 endgültig in der Sache C 9 / 2008 Rn. 94 Sachsen LB. 191  Mitteilung der Kommission – Die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der derzeitigen globalen Finanzkrise, ABl. 2008 Nr. C 270, S. 8. 188  Schwarze,

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft der Mitgliedstaaten.192 Auch im Rahmen der folgenden Mitteilungen, Rettungspakete und Einzelbeihilfen zog die Kommission Art. 107 Abs. 3 lit. b Alt. 2 AEUV heran. Die Anwendung dieser Rechtsgrundlage überzeugt auch in praktischer Hinsicht, da der Kommission anders als im Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 2 lit. b Alt. 2 AEUV ein Entscheidungsspielraum zugestanden wird. Andernfalls könnte sie ihre Entschei­dungen insbesondere nicht mit Auflagen und Bedingungen zur Verringerung von Wettbewerbs­verzerrungen verbin­den.193 2. Ökonomische Rechtfertigung von Bankenbeihilfen Staatliche Hilfen bedürfen stets einer ökonomischen Rechtfertigung. Für Bankenbeihil­fen ist diese vor dem Hintergrund der soeben herausgestellten Rechtsgrundlage des Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV, wonach Unterstützungsmaßnahmen zur Behebung einer beträcht­lichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats erfolgen können, näher herauszuarbeiten. Durch die Beihilfegewährung greift der Staat in den Marktmechanismus ein. Zur Recht­fer­tigung einer solchen staatlichen Intervention kommen Effizienzaspekte sowie Gleich­heits­erwägungen, das heißt Verteilungsaspekte, kräfte allein nicht in der Lage, effiziente in Betracht.194 Sind die Markt­ Resultate hervorzubringen, kann ein Rückgriff des Staates auf das Hilfsmittel der Beihilfe wegen Vorliegens eines Marktversagens ange­ zeigt sein. Außerdem kann der Marktprozess zu Ergebnissen wie beispielsweise einer ungleichen Verteilung der Lebensverhältnisse in den unterschiedlichen Regionen eines Landes oder in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU führen, die Regierungen aus normativen Gründen nicht hinzunehmen bereit sind. Aus diesem Grund enthält Art. 107 Abs. 3 AEUV auch sozial- und regionalpolitische Ziele. Verteilungsaspekte lassen sich allerdings im Gegensatz zu Effizienzfragen nicht ökonomisch analysieren, sondern werden vielmehr rungen durch politische Erwägungen bestimmt.195 Die folgenden Ausfüh­ 192  Bankenmitteilung

2008 (Fn. 191) Rn. 2, 4, 9. näher dazu unten D.II. 194  Langner, Die europäische Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, Studie des Centrums für Europäische Politik, S. 11 ff.; Gual, in: Ehlermann / Everson, European Competition Law Annual 1999, S. 77; Schwalbe, in: Oberender, Der „more economic approach“ in der Beihilfenkontrolle, S. 11, 16 f. Zum Teil werden auch die strategische Handelspolitik sowie die sogenannte Infant Industry-These zur Rechtfertigung von Beihilfen herangezogen. Im Zusammenhang mit staatlichen Unterstützungsmaßnahmen für Banken in der Krise spielen diese Argumente jedoch keine Rolle, so dass auf eine Darstellung verzichtet wird. 195  Schwalbe, in: Oberender, Der „more economic approach“ in der Beihilfenkontrolle, S. 11, 30. Vgl. Langner, Die europäische Beihilfenkontrolle auf dem Prüf193  Siehe



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 51

beschränken sich auf Beihilfen aus Effizienzgründen, da eine Rechtfertigung von Bankenbei­ hilfen in der Finanzkrise aus Gleichheitsgründen nicht in Betracht kommt. a) Begriff des Marktversagens Umgangssprachlich wird heutzutage geradezu jede unerwünschte Marktentwicklung Marktversagen genannt.196 So wurden sowohl der durch eine politische Kartellbildung entstandene „Ölpreisschock“ als auch der durch eine übermäßige Staatsverschuldung verursachte Zinsanstieg entsprechend bezeichnet, obwohl der Markt seine Signal- und Verhaltenssteuerungsfunktion in diesen Beispielen erfüllte. In der Wissenschaft am weitesten verbreitet ist die neoklassische Definition des Marktversagens.197 Dieser zufolge bedeutet Marktversagen, dass der Marktprozess keine optimale Allokation der Ressourcen im Sinne der Wohlfahrtsökonomik hervorbringt.198 Den Gegensatz dazu bildet das Staatsversagen, unter dem ein durch Marktversagen begründetes staatliches Eingreifen zu verstehen ist, das in einem gegenüber der Ausgangssituation schlechteren Zustand resultiert.199 Ob eine optimale Verteilung der Ressourcen vorliegt, wird anhand des Pareto-Kriteriums bestimmt. Es besagt, dass ein Zustand dann optimal ist, wenn keine andere Güterverteilung denkbar ist, durch die ein Individuum besser gestellt wird, ohne dass sich gleichzeitig die Lage eines anderen verschlechtert.200 Als Referenzmodell wird das Modell der vollständigen stand, Studie des Centrums für Europäische Politik, S. 17. Zwar wird in der Ökonomie versucht, Verteilungsfragen über eine soziale Wohlfahrtsfunktion handhabbar zu machen, allerdings wird dieses Konzept verbreitet als unbrauchbar angesehen, siehe etwa Stiglitz, Economics of the Public Sector, S. 102 ff. 196  Molitor, Wirtschaftspolitik, S. 76. 197  Anderen Theorien zufolge werden auch Gleichheitserwägungen unter den Begriff des Marktver­sagens gefasst. Eine umfassende Darstellung hierzu findet sich unter Einbeziehung des More Economic Approach (siehe dazu unten C.IV.2.c)) bei Kaupa, EStAL 2009, S. 311, 315 ff. 198  Eickhof, ORDO 1993, S. 203, 208; Burghof / Rudolph, Bankenaufsicht, S. 29 m. Fn. 64; Molitor, Wirtschaftspolitik, S. 76; vgl. KOM vom 07.06.2005, K (2005) 107 endgültig Rn. 23 Aktionsplan staatliche Beihilfen, Weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen, Roadmap zur Reform des Beihilferechts 2005–2009 (Konsultationspapier). Dieses Konzept des Marktversagens geht zurück auf das Werk The Anatomy of Market Failure von Francis M. Bator, 72 QJE 351 (1958). 199  Burghof / Rudolph, Bankenaufsicht, S. 29 m. Fn. 65; Wolf, Depositenverträge, Einlagensicherung und die Vermeidung von Bank-Runs, S. 1. 200  Frank, Microeconomics and behaviour, S. 597; Pindyck / Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 766; Schumann / Meyer / Sröbele, Grundzüge der mikroökonomischen ­Theorie, S.  252; Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, S. 16.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

Konkurrenz herangezogen, in dem ein pareto-optimaler Zustand angenommen wird.201 Der Fall eines Marktversagens ist durch eine Abweich­ung von diesem Zustand gekennzeichnet. Allerdings handelt es sich bei dem im Rahmen des Modells gegebenen idealen Markt keineswegs um ökonomische Realität,202 so dass nicht in jeder Situation, in der nicht alle Annahmen des Modells verwirklicht sind, von einer eingeschränkten Funktionsweise des Marktes und mithin einem Markt­versagen auszugehen ist. Als Marktversagen, das die Gewährung von Beihilfen rechtfertigen kann, erkennt die Kommission nach dem „Aktionsplan Staatliche Beihilfen“ grundsätzlich externe Effekte, öffentliche Güter, asymmetrische Informa­ tion, Marktmacht und Koordinations­probleme an.203 b) Ursachen eines Marktversagens in der Finanzkrise und Korrekturen durch Beihilfen Zunächst sollen zum verbesserten Verständnis der ökonomischen Hintergründe die Ursachen der Krise dargestellt werden. Hierbei fällt auf, dass die zur Krise führenden Faktoren verschiedene Formen des Marktversagens darstellen. Allerdings handelt es sich dabei um solche Ausprägungen des Marktversagens, zu deren Beseitigung Beihil­fen von vornherein ungeeignet sind, so dass eine Beihilfegewährung auf diese Weise nicht gerechtfertigt werden kann. Vielmehr gebührt insoweit ordnungspolitischen Instrumenten der Vorzug. Zur Rechtfertigung von Bankenbeihilfen aufgrund eines Marktversagens kann lediglich auf die Verhinderung eines Bank Run und die Vermei­dung der Realisierung des systemischen Risikos abgestellt werden. aa) Ökonomische Ursachen der Finanzkrise Die Finanzkrise entstand durch ein Zusammenwirken verschiedener Erscheinungs­for­men von Marktversagen. Insbesondere trugen eine adverse Selektion auf dem Verbrie­fungs­markt, Moral Hazard seitens der Banken durch Auslagerung von Risiken und seitens der Rating-Agenturen sowie 201  Mildner, Staatliches Handeln in der Exportkreditversicherung, S. 72; Wiese, Mikroökonomik, S.  280 f. 202  Dies kritisiert der „Nirwana-Vorwurf“; siehe dazu Demsetz, 12 JL&Econ 1 (1969); Eickhof, ORDO 1993, S. 203, 208; Fritsch / Wein / Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 64 f.; I. Schmidt / A. Schmidt, Europäische Wettbewerbspolitik und Beihilfenkontrolle, S. 212. 203  KOM vom 07.06.2005, K (2005) 107 endgültig Rn. 23 Aktionsplan staatliche Beihilfen, Weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen, Roadmap zur Reform des Beihilferechts 2005–2009 (Konsultationspapier).



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 53

Prinzipal-Agent-Konflikte zwischen Managern und Investoren zur Verursachung der Krise bei. (1) Adverse Selektion auf dem Verbriefungsmarkt Nach dem Beginn der Krise kamen den Käufern auf dem Verbriefungsmarkt – insbesondere vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs der Refinanzierungsmärkte für Zweckgesellschaften und der massiv herabgestuften Ratings – Bedenken hinsichtlich der Qualität der Assets. Offenbar existierten innerhalb des Subprime-Segments Kredite, die sich auch unter Berücksichtigung der Vergabe an Schuldner geringer Bonität durch überdurchschnittlich hohe Risiken auszeichneten.204 Infolge der Verbriefung von Forderungen unterschiedlicher Qualität und vor allem wegen des mehrfachen Tran­ chierens ließ sich den Paketen nicht mehr ansehen, welche Risiken sie bargen.205 Mithin trat das von Akerlof am Beispiel des Gebrauchtwagenmarktes analysierte lemons-Problem206 auf:207 Da die potentiellen Erwerber wegen asymmetrisch verteilter Informa­tion nicht zwischen hohen und geringen Kreditrisiken differenzieren konnten, waren sie nur noch zur Zahlung eines Durchschnittspreises bereit. Im Hinblick auf die Gefahr der Überbewertung reagierten die Investoren mithin durch Zinsaufschläge, beziehungsweise indem sie beim Kauf einen erhöhten Abschlag vom Nennwert verlangten.208 Infolgedessen sank für die Veräußerer der Anreiz, hochwertige Kredite anzubieten, was zum Effekt der adversen Selektion führte. Schließlich brach der Verbriefungsmarkt zu­sammen.

204  Schöning / Rutsch, Theoretische Analyse der Krise auf den Verbriefungsmärkten und Ableitung von Maßnahmen zur Revitalisierung des Marktes für True saleTransaktionen in Deutschland, Schriften der wissenschaftlichen Hochschule Lahr, Nr. 18, März 2010, S. 20. 205  Vgl. Hemmerich, WISU 2008, S. 514, 516; Hoffmann, FAZ vom 26.08.2007, Nr. 34, S. 45; Kirabaeva, Bank of Canada Rev., Winter 2010–2011, S. 11, 13; Rudolph, ZGR 2010, S. 1, 11 f. 206  Akerlof, 84 QJE 488 (1970). Siehe auch Fritsch / Wein / Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  286 f.; Picot / Reichwald / Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, S. 57; vgl. Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, S. 803 ff. 207  Hellwig, De Economist 2009, S. 129, 173; Kirabaeva, The Role of Adverse Selection and Liquidity in the Financial Crisis, S. 2 f.; vgl. Krishnamurthy, The Financial Meltdown: Data and Diagnoses, S. 3, 15. 208  Schöning / Rutsch, Theoretische Analyse der Krise auf den Verbriefungsmärkten und Ableitung von Maßnahmen zur Revitalisierung des Marktes für True saleTransaktionen in Deutschland, Schriften der wissenschaftlichen Hochschule Lahr, Nr. 18, März 2010, S. 20.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

(2) Moral Hazard seitens der Banken durch Auslagerung von Risiken Moral Hazard-Probleme gehören zu den Hauptursachen der Finanzkrise. Darunter ver­steht man Verhaltensweisen von Marktakteuren, mit denen diese hohe Risiken ein­gehen, weil sie darauf vertrauen können, die Konsequenzen im Fall des Scheiterns zumindest nicht vollständig tragen zu müssen.209 Kreditinstitute gründeten Zweckgesellschaften zur Verbriefung und anschließenden Veräußerung von Forderungen an Investoren.210 So mussten die Banken die übertragenen Kredite nicht mehr mit Eigenkapital unterlegen und konnten ihre Mittel stattdessen zur Vergabe neuer Kredite einsetzen.211 Die in den Zweckgesellschaften angehäuften Kreditportfolios wurden – beispielsweise durch die Emission verschiedener Anleihen – künstlich in mehrere Tranchen aufgeteilt, die nacheinander zu bedienen waren. Solange die Bank die Tranche mit der höchsten Haftungsrelevanz (sogenanntes Equity) hielt, hatte diese einen Anreiz zu einer sorgfältigen Bonitätsprüfung ihrer Kreditschuldner.212 Allerdings wurden die Equity-Tranchen für gewöhnlich unmittelbar bei Auflage der Zweckgesellschaft von Hedgefonds und anderen Investmentbanken übernommen, wodurch sich das von der Bank selbst getragene Risiko entsprechend reduzierte. Da die Banken als Kreditgeber zwar hohe Gebühren erhielten, das Ausfallri­ si­ ko aber zunehmend von anderen Investoren getragen wurde, ergaben sich Moral Hazard-Schwierigkeiten:213 Den Finanzinstituten fehlte der Anreiz, sich um die Qualität der Kreditnehmer zu sorgen.214

209  Bofinger, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2003, S. 243; vgl. Demmler, Grundlagen der Mikroökonomie, S. 229; Picot / Reichwald / Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, S. 58; Pindyck / Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 814. 210  Forkel, BKR 2008, S. 183, 184. 211  Fikentscher, GRUR Int 2009, S. 635, 637; Knops, WM 2008, S. 2185, 2192; Lim, 3 JARAF 3, 5 (2008); Grundmann / Hofmann / Möslein, in: Grundmann / Hofmann / Möslein, Finanzkrise und Wirt­schaftsordnung, S. 1, 8 f. 212  Franke / Krahnen, Default Risk Sharing Between Banks and Markets: The Contribution of Collateralized Debt Obligations, National Bureau of Economic Research, Working Paper No. 11741, November 2005, S. 4 f.; Hellwig, De Economist 2009, S. 129, 142; Kaserer / Burghof / Prothmann / Schiereck / Inderst, ifo Schnelldienst November 2008, S. 3, 5. 213  Tarr, The Political, Regulatory and Market Failures That Caused the US Financial Crisis, The World Bank, Development Research Group, Finance and Private Sector Development Team, Policy Research Working Paper No. 5324, Mai 2010, S. 16. 214  Forkel, BKR 2008, S. 183, 184; Knops, WM 2008, S. 2185, 2193; Grundmann / Hofmann / Möslein, in: Grundmann / Hofmann / Möslein, Finanzkrise und Wirtschaftsordnung, S. 1, 9.



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 55

(3) Moral Hazard seitens der Rating-Agenturen Zudem bewerteten Rating-Agenturen die Produkte oftmals zu wohlwollend. Dies war zum einen darauf zurückzuführen, dass sie sich in einem Interessenkonflikt befanden, da sie bereits im Vorfeld bei der Zusammensetzung der Papiere beratend tätig geworden waren, deren Qualität sie anschließend beurteilen sollten.215 Zum anderen waren die Institute, deren Produkte sie bewerten sollten, zugleich ihre Auftraggeber.216 Ein negatives Rating hätte also die Fortsetzung der Vertragsbeziehungen gefährdet. Ein weiteres verbreitetes Phänomen war das sogenannte Rating Shopping.217 Dabei fragte ein Institut bei verschiedenen Rating-Agenturen an, wie sie dessen Produkte hypothe­tisch bewerten würden. So konnte unter mehreren Rating-Agenturen diejenige mit dem günstigsten Rating ausgewählt und beauftragt werden. Dadurch bestand für die Rating-Agenturen ein starker Anreiz, die Papiere zu hoch zu bewerten, zumal sie bezüglich der Zuverlässigkeit ihrer Beurteilungen kein Haftungsrisiko traf.218 Auch diese Fehlanreize lassen sich als Moral Hazard-Problem charakterisieren. (4) Prinzipal-Agent-Konflikte zwischen Managern und Inves­toren Mitverantwortlich für die Krise waren Prinzipal-Agent-Konflikte zwischen den Bank­managern, den Managern von Hedgefonds und anderen Investmentbankern auf der einen Seite und den Investoren auf der anderen Seite. Als Prinzipal-Agent-Beziehung219 beschreibt die Neue Institutionenökonomik eine Situation, in der aufgrund einer Verein­barung das Wohlerge215  Blaurock, ZGR 2007, S.  603, 605  f.; Grundmann / Hofmann / Möslein, in: Grundmann / Hofmann / Möslein, Finanzkrise und Wirtschaftsordnung, S. 1, 12; Kübler, in: FS Schwark, S. 499, 506. 216  Claussen, DB 2009, S. 999, 1003; Tarr, The Political, regulatory and Market Failures That Caused the US Financial Crisis, The World Bank, Development Research Group, Finance and Private Sector Development Team, Policy Research Working Paper No. 5324, Mai 2010, S. 3, 9; Bofinger, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S. 189. 217  Calomiris, The Subprime Turmoil: What’s Old, What’s New, and What’s Next, S. 29; Cohen, Rating Shopping in the CMBS Market; Skreta / Veldkamp, Ratings Shopping and Asset Complexity. 218  In dem US-amerikanischen Fall Jefferson County School District No. R.-1 v. Moody’s Investor’s Services, Civil Action No. 97‑1157 stellte das Berufungsgericht klar, dass es sich bei Ratings um Meinungs­äußerungen handle, die von der Meinungsfreiheit geschützt seien, soweit sie keine nachweislich falschen Tatsachen­ behauptungen enthielten. 219  Die Situationen asymmetrischer Information werden im Rahmen der Prinzipal-Agent-Theorie ana­lysiert.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

hen und der Nutzen einer Partei, nämlich des Auftraggebers oder Prinzipals, von den Handlungen einer anderen Partei abhängen, nämlich dem Auftrag­ nehmer oder Agenten.220 Prämisse ist zudem, dass der Prinzipal im Gegensatz zum Agenten nicht alle relevanten Sachverhalte kennt oder das Verhalten des Agenten nicht beobachten kann.221 Darüber hinaus darf das Ergebnis der Handlung nicht aus­schließ­lich von der Leistung des Agenten abhängen, sondern muss auch vom Zufall bestimmt sein, da der Prinzipal sonst schlussfolgern könnte, ob der Agent sich bemüht hat.222 In einer PrinzipalAgent-Beziehung besteht die Gefahr, dass der Agent vom Prinzipal unbemerkt eigene Ziele verfolgt, ohne die gegensätzlichen Interessen des Prinzipals ausreichend zu berücksichtigen. Geleitet von der Aussicht auf Boni und Provisionen strebten die Manager regelmäßig nach einer Erhöhung der Eigenkapitalrenditen, ohne die damit einhergehenden Risiken ausreichend zu berücksichtigen.223 Ein Aktionärsbericht der UBS führt als weitere Ursache auf, dass die Zahlung von Boni ausschließlich vom kurzfristigen und nicht vom mittel- oder langfristigen Geschäftserfolg abhing.224 Die Investmentbanker standen vor der Wahl, das Geld ihrer Investoren entweder in Papieren anzulegen, die nach den Vorgaben ihres Fonds bewertet wurden, oder zurückzuzahlen und dadurch auf Boni und Managementgebühren zu verzichten.225 bb) Korrekturen eines Marktversagens durch Beihilfen Wie zu Beginn dieses Abschnitts erwähnt, können Bankenbeihilfen durch die Abwen­dung eines Bank Run sowie die Verhinderung der Realisierung des systemischen Risikos gerechtfertigt werden.

220  Grundlegend Jensen / Meckling, 3 JFE 305, 308 (1976). Die Konzepte unterscheiden sich in der Frage, ob dem Agenten Entscheidungsbefugnisse übertragen worden sein müssen oder ob jegliche Einwirkungsmöglichkeit ausreicht. Siehe auch Ross, 63 AER 134 (1973); Schumann / Meyer / Ströbele, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, S. 450 f. 221  Neuberger, Mikroökonomik der Bank, S. 14; Picot / Reichwald / Wigand, Die grenzenlose Unter­nehmung, S. 55. 222  Richter, ZWS 1990, S. 571, 581; Fritsch / Wein / Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 295; Neuberger, Mikroökonomik der Bank, S. 14. 223  Kaserer / Burghof / Prothmann / Schiereck / Inderst, ifo Schnelldienst November 2008, S. 3, 5. 224  Shareholder Report on UBS’s Write-Downs, 18.04.2008, S. 42, abrufbar unter http: /  / www.ubs.com / 1 / e / investors / share_information / shareholderreport.html. 225  Vgl. Calomiris, The Subprime Turmoil: What’s Old, What’s New, and What’s Next, S. 29.



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 57

(1) Bank Run Externe Effekte können im Bankensektor zu einem sogenannten Bank Run führen. Darunter versteht man eine Situation, in der viele Einleger für die Bank unerwartet die Rückzahlung ihrer Einlagen verlangen.226 Für dieses Symptom finden sich verschiedene Erklärungs­ansätze.227 Im Folgenden wird zwischen der Withdrawal Theory und den informations­basierten Ansätzen unterschieden.228 (a) Withdrawal Theory Ausgangspunkt der Withdrawal Theory ist das Modell von Diamond / Dybvig229 aus dem Jahr 1983. Die Erklärung für das Phänomen des Bank Run wird von den Anhängern230 dieser Auffassung in der Gestaltung des zwischen Finanzinstitut und Einleger geschlos­senen Einlagenvertrages gesehen. Dieser ermöglicht es den Investoren, ihre Einlagen kurzfristig abzuziehen, wobei der dann zurückzugewährende Betrag geringer ist als derjenige, der bei Endfälligkeit zu zahlen gewesen wäre. Wegen der höheren Rendite legt die Bank die ihr zur Verfügung stehenden Mittel dennoch langfristig an. Da Einlagen nicht marktgängig sind und die Auszahlungsansprüche nicht gehandelt werden können, wirkt sich eine Liquidierung der Einlagen durch die Einleger auf die Liquidität des Kreditinstituts aus.231 Im Fall der frühzeitigen Abrufung muss die Bank also Aktiva unter Inkaufnahme von Wertverlusten veräußern. Aus dieser Konstruktion ergibt sich das Risiko, dass die Kreditanstalt bei gehäuften plötzlichen Rückforderungen die verbliebenen 226  Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz der Regulierung von Banken, S. 81; vgl. Wolf, Depositenver­ träge, Einlagensicherung und die Vermeidung von Bank-Runs, S. 13. 227  Darstellungen finden sich bei Dowd, 6 JES 107 (1992); Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz der Regulierung von Banken, S. 81 ff. Siehe auch Stillhart, Theorie der Finanzintermediation und Regulierung von Banken, S. 53 ff. 228  Die Kategorisierung der Ansätze erfolgt uneinheitlich. Die hier gewählte Einteilung trifft auch Wolf, Depositenverträge, Einlagensicherung und die Vermeidung von Bank-Runs, S. 9. Siehe auch das Modell von Jacklin / Bhattacharya, 96 JPE 568 (1988); vgl. Rieger, Die Regulierung des Bankensek­tors, S. 91 ff. 229  Diamond / Dybvig, 91 JPE 401 (1983). 230  Statt vieler Postlewaite / Vives, JPE 1987, S. 485; Wallace, Fed. Reserve Bank Minneapolis Quart. Rev. 1988, S. 3; Schönfelder, Theorien über Schalterstürme und geeignete Gegenmaßnahmen, Kredit und Kapital 1991, S. 508. Ähnlich schon ­Bryant, 4 JBF 35 (1980). 231  Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz der Regulierung von Banken, S. 83 m. Fn. 196; Wolf, Depositenverträge, Einlagensicherung und die Vermeidung von BankRuns, S. 9.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

Einlagen im Zeitpunkt der Endfälligkeit nicht mehr zurückzahlen kann. Eine der Grundannahmen des Modells ist, dass das Finanzinstitut die Einleger der Reihenfolge nach bedient, sogenannte Sequential Service Constraint.232 Vermutet oder beobachtet ein Einleger, dass – entgegen seiner ursprünglichen Erwartung – außerge­ wöhnlich viele Einleger ihre Gelder abziehen, ist es für ihn rational, ebenfalls die Rückgewähr seiner Einlage zu verlangen. So vermag er die Chance zu erhöhen, dass seine Einlage noch in der für das Verlangen einer frühzeitigen Rückzahlung vereinbar­ten Höhe zurückgewährt wird. Schließlich kann ein Wettlauf begründet werden, wer seine Einlagen am schnellsten sichert, der zur Insolvenz der betroffenen Bank führt. Der einzelne Einleger haftet nicht für den Schaden, den sein Verhalten anderen zufügt, so dass durch externe Effekte ein Marktversagen entsteht.233 Bei dieser Konstellation handelt es sich um ein typisches Beispiel für ein Gefangenendilemma, da der Einlagenabzug für den Einzelnen rational, kollektiv betrachtet aber schädlich ist:234 Dem Interesse der Gesamtheit entspräche es, wenn jeder Einleger statt seine Gelder zurückzufordern bis zur Endfälligkeit abwarten und seine nunmehr höheren Erträge aus der Investition realisieren würde. Für den einzelnen Einleger wäre dies aber nur vorteil­haft, wenn sich auch die übrigen Einleger entsprechend verhielten. Allerdings kann er nicht voraussehen, ob diese ihre Einlagen abziehen oder nicht, so dass für ihn ein Anreiz besteht, schnellstmöglich über seine Einlage zu verfügen. Welche Faktoren die Kunden veranlassen, ihre Erwartungen zu ändern, lässt das Modell offen. Diamond / Dybvig zählen lediglich beispielhaft einige Ursachen auf: „This could be a bad earnings report, a commonly observed run at some other bank, a negative govern­ment forecast or even sunspots.“235 (b) Informationsbasierte Mode Die Withdrawal-Theory verzichtet auf eine Modellierung der möglichen Anlässe für eine Verhaltensänderung der Einleger und stellt die Entstehung eines Bank Run daher als Zufallsereignis dar.236 Im Gegensatz dazu bezie232  Diamond / Dybvig,

91 JPE 401, 408 (1983). Bankenaufsicht, S. 22; Neuberger, Mikroökonomik der Bank, S. 178 f.; vgl. Franke, in: Deppe, Geldwirtschaft und Rechnungswesen, S. 229, 245 f. 234  Rieger, Die Regulierung des Bankensektors, S. 94; Wolf, Depositenverträge, Einlagensicherung und die Vermeidung von Bank-Runs, S. 12. Vgl. zur kollektiven Selbstschädigung Tietzel, Wirtschafts­theorie und Unwissen, S. 128 f. 235  Diamond / Dybvig, 91 JPE 401, 410 (1983). 236  Neuberger, Mikroökonomik der Bank, S. 36 f.; vgl. Dowd, 6 JES 107 112 (1992); Jacklin / Bhattacharya, 96 JPE 568, 587 (1988). Einen Überblick über die an 233  Burghof / Rudolph,



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 59

hen neuere Ansätze mögliche Fakto­ren für einen frühzeitigen Einlagenabzug ein.237 Ausgangspunkt für diese Modelle ist das Vorhandensein asymmetrischer Information. Banken können die Risikosituation ihres Kreditportfolios besser einschätzen als die Einleger. Insbesondere aufgrund der mit einem Abbau der Asymmetrie verbundenen hohen Kosten stellt es sich zumindest für die Einleger kleinerer Beträge regelmäßig als rationale Apathie dar, nichts gegen diese Situation zu unternehmen.238 Darüber hinaus ist auch anzunehmen, dass es unterschiedlich informierte Einleger gibt. Die Erwar­tungen der uninformierten Einleger werden nicht nur durch die Informationen über die Bonität des Kreditinstituts, sondern auch durch das beobachtete Verhalten der anderen Einleger bestimmt. Zieht eine große Zahl von Einlegern ihre Einlagen ab, kann dies von uninformierten Einlegern als Signal aufgefasst werden, dass der Bank keine liquiden Mittel mehr zur Verfügung stehen, um die Ansprüche der Gläubiger befriedigen zu können, so dass sich die uninformierten Einleger bei einem Einlagenabzug durch die informierten Einleger ebenfalls am Schalter anstellen werden. Der Bank Run kann auch durch einen Irrtum ausgelöst werden, nämlich dann, wenn die Schlange am Bankschal­ter nur aus Einlegern mit normalem Liquiditätsbedarf bestand und nicht auf schlechte Nachrichten zurückzuführen war. (c) Allgemeiner Bank Run Zu einer ökonomischen Gefahr wird ein Bank Run erst dann, wenn er sich nicht auf ein einziges Institut oder einzelne Institute beschränkt, sondern es zu einem allgemeinen Bank Run kommt. Andernfalls werden lediglich Banken vom Markt gedrängt, denen die Einleger nicht vertrauen. Dieser Selektionsprozess ist aus marktwirtschaftlicher Sicht nicht nur unbedenklich, sondern sogar erwünscht. Ein Run auf eine einzelne Bank kann sich im Wesentlichen auf zwei Weisen auf andere Kreditinstitute übertragen239: der Withdrawal-Theory geäußerte Kritik gibt Neuberger, Kreditvergabe durch Banken, S.  96 ff. 237  So etwa Alonso, 37 JME 73 (1996); Calomiris / Kahn, 81 AER 497 (1991); Chari / Jagannathan, 43 JoF 749 (1988); Gorton, 15 JME 177 (1985); Jacklin / Bhattacharya, 96 JPE 568 (1988). 238  Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz der Regulierung von Banken, S. 87; Rieger, Die Regulierung des Bankensektors, S. 94; Vogel, Bankenregulierung, S. 19. 239  Für das Übergreifen eines Run finden sich in der Literatur zahlreiche Bezeichnungen, so etwa Ansteckung, Dominoeffekt und Kettenreaktion. Kritisch zur Terminologie Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz der Regulierung von Banken, S. 107 m. Fn. 308.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

Erstens kann eine direkte Übertragung stattfinden, wenn Banken gegenseitige Geschäftsbeziehungen unterhalten.240 In Betracht kommen Verflechtungen im Zahlungs­verkehr, Interbankenkredite, derivate Finanzinstrumente sowie Beteili­gungen.241 Die Transaktionen sind häufig dadurch geprägt, dass Verbindlichkeiten zwar nur kurzfristig eingegangen werden, die betreffenden Beträge aber sehr hoch sind und keine Sicherheiten gewährt werden.242 Haben Banken im Vertrauen auf die Liquidität ihres Geschäftspartners anderweitig hohe Investitionen getätigt und gerät dieses Institut nunmehr in die Insolvenz, können die resultierenden Verluste möglicherweise nicht mehr ausgeglichen werden, so dass durch den Konkurs eines einzigen Instituts ein Dominoeffekt entstehen kann. Zweitens kann eine indirekte Übertragung aufgrund des Verhaltens der Einleger erfolgen, das durch die Beobachtung der Schwierigkeiten bei einer anderen Bank beeinflusst wird.243 Die Homogenitätsannahme besagt, dass Gläubiger wegen der unvoll­ständigen Informationen über die Bonität der Kreditinstitute hinsichtlich der Qualität der Bankbilanzen nicht unterscheiden können und annehmen, dass die Institute über ähnliche Risikostrukturen verfügen. Daher schließen die Einleger aus den bei einem Institut beobachteten Schwierigkeiten auf das Vorliegen gleichgelagerter, bislang unbekannter Probleme bei anderen Instituten. Es kommt zu einem „Windhundrennen“ um den schnellsten Einlagenabzug. Selbst wenn die beobachtete Bank sich in Wirklich­keit in keinem Liquiditätsengpass befindet, kann schon aus der Vermutung eines Run ein allgemeiner Bank Run entstehen.244 Verstärkt wird das Misstrauen der Einleger durch die im Vergleich zu anderen Unternehmen geringen Eigenkapitalquoten von Banken und das damit einhergehende Moral Hazard-Problem.245 Da kaum Eigen­ka­pi­tal zur Verfügung steht, um befürchtete Forderungsausfälle einer zunächst nicht vom Bank Run betroffenen Bank gegenüber bereits erfassten Banken aufzufangen, besteht eine hohe Gefahr, dass Verluste von den Einlegern zu tragen sind. Dement­spre­ chend reagieren sie auf drohende Forderungsausfälle empfindlich und beginnen das zur Verfügung gestellte Fremdkapital abzuziehen, soweit sie 240  Burghof / Rudolph, Bankenaufsicht, S. 22 f.; Wolf, Depositenverträge, Einlagensicherung und die Vermeidung von Bank-Runs, S. 18 f. 241  Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz der Regulierung von Banken, S. 108. 242  Burghof / Rudolph, Bankenaufsicht, S. 22 f; Wolf, Depositenverträge, Einlagensicherung und die Vermeidung von Bank-Runs, S. 18 f. 243  Krümmel, Kredit und Kapital 1984, S. 474, 481 ff.; Thiry, Eine empirische Analyse der Marktdis­ziplinierung deutscher Sparkassen, S. 11 f.; Wolf, Depositenverträge, Einlagensicherung und die Vermeidung von Bank-Runs, S. 19 ff. 244  Rieger, Die Regulierung des Bankensektors, S. 97. 245  Burghof / Rudolph, Bankenaufsicht, S. 32.



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 61

nicht über Sicherheiten verfügen.246 Auf diese Weise breitet sich der Vertrauensverlust gegenüber einer Bank auf andere Banken aus. Dabei können auch Kreditanstalten, die sich zuvor in keiner Schieflage befanden, betroffen werden. Die Ausdehnung der Schwierigkeiten eines Finanzinstituts auf andere Institute wird als systemisches Risiko bezeichnet. Wegen des erhöhten Liquiditätsbedarfs sind die Kredit­ vergabe­ möglichkeiten der Finanzinstitute begrenzt. Zudem kann es zu Zinssteige­rungen kommen. Vor diesem Hintergrund kommen weite Teile der wirtschaftlichen Aktivitäten zum Erliegen, so dass die Gefahr des Zusammenbruchs ganzer Volks­wirt­schaften besteht. Dies zeigte sich in der Weltwirtschaftskrise 1929–1933 mit der sich an­ schließenden wirtschaftlichen Depression in den USA und den gravierenden Auswir­kungen auf die Staaten Mitteleuropas.247 Daher sind staatliche Eingriffe schon bei der geringfügigen Wahrscheinlichkeit, dass dieser Fall eintritt, gerechtfertigt. (d) Gefahr eines allgemeinen Bank Run in der Krise Im September 2007 kam es zu einem Run auf die britische Bank Northern Rock. Die Hypothekenbank verfügte aufgrund der einseitigen Konzentration auf den Hypotheken­markt über ein erhebliches Klumpenrisiko und war in enormem Ausmaß auf eine Re­finan­zierung durch andere Banken angewiesen.248 Infolge der Liquiditätsver­knappung am Geldmarkt geriet das Institut alsbald in Refinanzierungsschwierigkeiten. Dies nahmen die Einleger zum Anlass, innerhalb kürzester Zeit Einlagen in Milliarden­höhe abzuziehen. Um einen allgemeinen Bank Run abzuwenden, fühlten sich die Mitgliedsstaaten veran­ lasst, Garantieerklärungen für Privatkundeneinlagen abzugeben.249 So erklärten die Bundeskanzlerin und der Finanzminister vor dem Hintergrund einer erheblichen Zunahme der Bargeldnachfrage am 5. Oktober 2008, die Bundesregierung stehe für die Einlagen der Sparer bei den 246  Degenhart, Zweck und Zweckmäßigkeit bankaufsichtlicher Eigenkapitalnormen, S.  26 f. 247  Burghof / Rudolph, Bankenaufsicht, S. 22 m. Fn. 57; Greenbaum / Thakor, Contemporary Financial Intermediation, S. 419. 248  FAZ vom 18.09.2007, Nr. 217, S. 18. 249  Gutachten des von der Bundesregierung eingesetzten Expertenrates, Strategien für den Ausstieg des Bundes aus krisenbedingten Beteiligungen an Banken, 24.01. 2011, S. 3, abrufbar unter http: /  / www.­bundesfinanzministerium.de / nn_1776 / DE /  Wirtschaft__und__Verwaltung / Geld__und__Kredit / Kapit­a lmarktpolitik / 1502 2011-Gutachten-Bankenbeteiligung-Anlage,templateId=raw,property=publicati­onFile. pdf; Arhold, EuZW 2008, S. 713, 714.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

Kreditinstituten ein. Da diese Maßnahmen allein nicht ausreichten, um das Vertrauen der Kunden wiederherzustellen, wurden sie durch die nach­ stehend250 erörterten Kommissions­ mitteilungen auf internationaler Ebene ergänzt. (2) Systemisches Risiko Ursprünglich verließen sich systemrelevante251 Banken darauf, im Fall einer drohenden Insolvenz durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen gerettet zu werden, sogenannte Too Big to Fail-Doktrin.252 Die so entstehende Moral Hazard-Problematik kann auch als externer Effekt erfasst werden.253 Als solcher wird eine Situation bezeichnet, in der die Aktivitäten von Produzenten oder Konsumenten zu negativen oder positiven Aus­wirkungen für unbeteiligte Dritte führen, ohne im Marktpreis berücksichtigt zu werden.254 Negative externe Effekte ergeben sich daraus, dass Banken in ihrer Ge­ schäfts­politik die Auswirkungen auf die Systemstabilität nicht berücksichtigen.255 In die Kosten-Nutzen-Analyse ihrer Handlungen stellen sie nur ihre privatwirtschaftlichen Kosten, nicht aber die gesamtwirtschaftlichen Kosten ein. Da im Fall einer Insolvenz die Kosten, die für das System und die Gesellschaft entstehen, diejenigen für eine Rettung weit übersteigen, vertrauten die Finanzinstitute auf staatliche Stützungs­maßnahmen. Als es zum Zusammenbruch von Lehman Brothers kam, verweigerte die amerikanische Regierung jedoch die Gewährung staatlicher Hilfen, um zu zeigen, dass keine implizite Rettungsgarantie für systemrelevante Institute besteht, und so der Moral Hazard-Problematik entgegenzuwirken. Die Insolvenz von Lehman beruhte primär weder auf Geschäftsbeziehungen zwischen den Banken noch auf Informationseffekten infolge ähnlicher Risikostrukturen. Sie basierte vielmehr auf einer weiteren Erschei­nungs­form des systemischen Risikos, bei der es maßgeblich um durch die Preisent­wicklung von Vermögenswerten hervorgerufene Dominoeffekte geht.256 Dabei geraten Kreditin250  Siehe

unten C.IV.3. Begriff der Systemrelevanz siehe unten C.IV.5.b). 252  Zur Too Big to Fail-Doktrin siehe etwa Zimmer / Rengier, ZWeR 2010, S. 105; Stern / Feldmann, Too big to fail. 253  Bofinger, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2003, S. 243. 254  Eickhof, ORDO 1993, S. 203, 213; Herdzina / Seiter, Einführung in die Mikroökonomik, S. 204; Behrens, in: Wettbewerbspolitik und Kartellrecht in der Marktwirtschaft, S. 3, 5. 255  Deutsche Bundesbank, Monatsbericht März 2011, S. 51, abrufbar unter http: /  /  www.bundesbank.de / download / volkswirtschaft / monatsberichte / 2011 / 201103mb_ bbk.pdf. 256  Hellwig / Höfling / Zimmer, Gutachten E / F / G zum 68. Deutschen Juristentag, E 30. 251  Zum



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 63

stitute in Schwierigkeiten, weil ein Institut in großem Umfang Assets veräußern muss und die aus dem Überangebot dieser Assets resultierenden Kurs­senkungen andere Kreditinstitute zu Wertberichtigungen bei den betroffenen Vermö­gens­werten zwingen (Fire Sales).257 Ex post erwies sich die Verweigerung von staatlichen Unterstützungs­ maßnahmen zugunsten von Lehman als Fehlentscheidung. Durch die Lehman-Insolvenz gerieten andere Finanzmarktakteure unmittelbar in Schwierigkeiten; betroffen war vor allem die Versicherungsgesellschaft AIG, die in großem Umfang für Kredit­versicherungs­verträge, sogenannte Credit Default Swaps, einzustehen hatte.258. Aus der Liquiditätskrise, welcher die Notenbanken zunächst noch durch die Bereit­ stellung von Geld begegnen konnten, wurde schließlich eine Vertrauenskrise:259 Die Banken befürchteten, andere Institute könnten aufgrund verborgener Risiken in Schieflage geraten, so dass sie davon Abstand nahmen, sich untereinander kurz- oder mittelfristig Geld zu leihen und daher keine Anschlussfinanzierung unter Banken mehr stattfand.260 Diese Situation lässt sich spieltheoretisch als Gefangenendilemma261 erfassen:262 Aus der individuellen Sicht der Finanzinstitute stellt es sich als beste Strategie dar, Liquidität zu horten und wegen des mangelnden Vertrauens in die Solvenz der übrigen Institute die Kreditvergabe abzulehnen, während bei kollektiver Betrachtung eine gegenseitige Kreditgewährung auf dem Interbankenmarkt auch in Krisenzeiten wünschens­wert wäre. Da diese Überlegungen von jeder einzelnen Bank angestellt wurden, kam es zu einer allgemeinen Kreditblockade und zum Zusammen­bruch des Interbankenmarktes. Zur Behebung dieses Marktversagens führte die Kommission Bestimmungen ein, die den Mitgliedstaaten ermöglichten, insbesondere für Großkundeneinlagen Garantien zu gewähren, Rekapitalisierungen von Banken durch­ zu­ 257  Hellwig, De Economist 2009, S. 129, 182; siehe auch Allen / Carletti, Markto-Market Accounting and Liquidy Pricing; Schnabel / Shin, 2 JEEA 929 ff. (2004). 258  Gutachten des von der Bundesregierung eingesetzten Expertenrates, Strategien für den Ausstieg des Bundes aus krisenbedingten Beteiligungen an Banken, 24.01.2011, S. 2 abrufbar unter http: /  / www.­bundesfinanzministerium.de / nn_1776 /  DE / Wirtschaft__und__Verwaltung / Geld__und__Kredit / Kapit­almarktpolitik / 1502 2011-Gutachten-Bankenbeteiligung-Anlage,templateId=raw,property=publicati­onFile. pdf. 259  Bieta / Kirchhoff / Milde, NZZ vom 05.04.2008, Geschäftsbanken in Gefangenschaft; Möschel, ZRP 2009, S. 129, 130. 260  Fikentscher, GRUR Int 2009, S. 635, 638. 261  Siehe dazu Holler / Illing, Einführung in die Spieltheorie, S. 2 ff.; Luce / Raiffa, Games and Decisions, S. 95; Pindyck / Rubinfeld, Mikroökonomie, S. 598 f.; Poundstone, Prisoner’s Dilemma; Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, S. 603 ff. 262  Bieta / Kirchhoff / Milde, NZZ vom 05.04.2008, Geschäftsbanken in Gefangenschaft.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

führen und Entlastungsmaßnahmen für wertgeminderte Vermögenswerte zu treffen.263 cc) Voraussetzungen einer staatlichen Intervention Das Vorliegen eines Marktversagens stellt eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Gewährung staatlicher Beihilfen dar. Hinzukommen muss, dass der staatliche Eingriff zu einer Allokationsverbesserung gegenüber der marktlichen Organisation führt und die Kosten der Intervention deren Nutzen nicht übersteigen, da nur in diesem Fall die Wohlfahrt erhöht wird.264 Die Gewährung von Beihilfen kann zu einer Allokationsverbesserung führen, indem sie dazu beiträgt, Bank Runs und die Realisierung des systemischen Risikos zu verhindern.265 Letztlich geht es darum, die Entstehung oder Vertiefung einer Systemkrise zu bekämpfen oder eine solche zu beseitigen. Die Verwirklichung des syste­mischen Risikos kann abgewendet werden, indem von der Krise betroffene oder bedrohte Finanzinstitute durch staatliche Stützungs­maßnahmen gerettet werden. Infolge der Bereitstellung von Liquidität werden die Institute nicht dem Zwang unterworfen, ihre Assets in großen Mengen und zu niedrigen Preisen zu veräußern und das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Bankensektors wird wiederhergestellt. Zudem dürfen die Effizienzverluste auf der Kostenseite den Nutzen der Maßnahmen nicht überschreiten.266 Durch die Beihilfegewährung fallen neben den durch die Bereitstellung von Liquidität als solcher verursachten Kosten zusätzlich Transaktions­kosten an. Diese entstehen insbesondere durch die Beschaffung der von den staatlichen Entscheidungsträgern benötigen Informationen, ob und wie in den Markt eingegriffen werden sollte. Neben diesen Informationskosten fallen im Rahmen der Überwachung der Durchführung auch Kontrollkosten an. Darüber hinaus wird die Gewäh263  Näher

dazu siehe unten C.IV.3. Lender of Last Resort, S. 80, 84 f.; vgl. Fritsch / Wein / Ewers, Marktversagen und Wirt­schaftspolitik, S. 82 ff. 265  Eingehend Stasch, Lender of Last Resort, S. 84 ff. 266  Eine Berücksichtigung der mit der Beihilfengewährung verbundenen Kosten wird von vielen Stimmen verlangt, so Langner, Die europäische Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, Studie des Centrums für Europäische Politik, S. 18; Nitsche / Heidhues, European Economy, European Commission, Economic Papers, Number 244, February 2006, S. 67; Fritsch / Wein / Ewers, Marktver­sagen und Wirtschaftspolitik, S. 85; Friederiszick / Röller / Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 637, 645; Schwalbe, in: Oberender, Der „more economic approach“ in der Beihilfenkontrolle, S. 11, 26 f. 264  Stasch,



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 65

rung von Beihilfen aus Steuereinnahmen finanziert. Durch die selektive Begünstigung des Beihilfe­empfängers werden also die Steuerzahler belastet. Insoweit ist zu berücksich­tigen, dass die Erhebung von Steuern grundsätzlich allokationsrelevante Entschei­ dungen der Steuerzahler beeinflusst. Infolge dieser Anpassungsreaktionen werden Wohlfahrtsverluste verursacht, die „Schattenkosten der Besteuerung“ genannt wer­ den.267 Demgegenüber besteht der Nutzen der Beihilfegewährung in der Vermeidung noch höherer gesamtwirtschaftlicher Kosten, welche die Entstehung oder weitere Vertiefung einer Systemkrise hervorrufen kann. Diese setzten sich insbesondere aus den Kosten, die sich aus der Betroffenheit von ursprünglich gesunden Banken ergeben, den Kosten eines nicht funktionsfähigen Finanzsystems und den für die Realwirtschaft resultierenden Kosten zusammen.268 Da die vermiedenen Kosten einer Systemkrise den zur staatlichen Unterstützung der Banken erforderlichen finanziellen Aufwand deutlich über­ steigen, spricht somit auch eine Kosten-Nutzen-Analyse nicht gegen die Beihilfege­ währung. c) More Economic Approach im Beihilferecht Die Berücksichtigung der Ursachen des Marktversagens entspricht der allgemeinen Tendenz der Kommission, ihre Beihilfeentscheidungen durch eine verstärkte ökonomi­sche Analyse zu fundieren, was gemeinhin als More Economic Approach bezeichnet wird.269 Dieser Ansatz folgt dem Vorbild der zunehmenden Einbeziehung ökonomi­ scher Aspekte in der Kartellaufsicht und der Fusionskontrolle. Nach dem Scheitern der Lissabon-Strategie des Europäischen Rates aus dem Jahr 2000 kam Neelie Kroes als neuer Wettbewerbskommissarin die Aufgabe zu, eine Reform der Beihilfepolitik unter besonderer Berücksichtigung der Zielsetzungen dieser Agenda voranzutreiben. Im Jahr 2005 veröffentlichte die Kommission als Roadmap den „Aktionsplan Staatliche Beihilfen“270, in dem für den Zeitraum von 2005 bis 2009 ein umfassendes Maßnah­men­paket vorgesehen ist. Dessen Ziele bestehen insbesondere in der Gewährung „weniger und besser ausgerichteter 267  Schwalbe, in: Oberender, Der „more economic approach“ in der Beihilfenkontrolle, S. 11, 25. Vgl. Nitsche / Heidhues, European Economy, European Commission, Economic Papers, Number 244, February 2006, S. 6, 12, 66 f. 268  Vgl. Stasch, Lender of Last Resort, S. 83. 269  Dabei soll vermehrt auf ökonomische Grundsätze und Methoden zurückgegriffen werden. Siehe Fehling, EuR 2010, S. 598, 612; Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1065. 270  KOM vom 07.06.2005, K (2005) 107 endgültig, Aktionsplan staatliche Beihilfen, Weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen, Roadmap zur Reform des Beihilferechts 2005–2009 (Konsultationspapier).

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

Beihilfen“, einer „verfeinerten wirt­ schaft­ lichen Betrachtungsweise“, der Schaffung effizienterer und transparenterer Verfahren, der Straffung des sekundärrechtlichen Regelungsrahmens sowie der verstärkten Einbe­ziehung der Mitgliedstaaten in die Beihilfekontrolle.271 Die besondere Bedeutung des Ziels „weniger und besser ausgerichteter Beihilfen“ lässt sich schon daran erkennen, dass dieser Programmpunkt als Untertitel des Aktionsplans Staatliche Beihilfen gewählt wurde. Bezweckt wird, Beihilfen nach Zahl und Umfang zu reduzieren und solche Beihilfen zu privilegieren, die einem im Gemeinschaftsin­teresse liegenden Ziel dienen wie beispielsweise Umweltschutz, Forschung und Entwick­ lung oder Förderung von nachhaltigem Wachstum.272 Die Verringerung der Quantität von Beihilfen ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Kommission Beihil­fen nur als „zweitbeste Lösung für eine optimale Ressourcenvertei­ lung“273 betrachtet und sich stattdessen bei gleicher Eignung zur Erreichung des Ziels für den Einsatz marktüblicher oder marktdeterminierter Mittel ausspricht. In Bezug auf den wirtschaftspolitischen Ansatz betont die Kommission, dass die Ressourcen auf solche Fälle zu konzentrieren seien, in denen tatsächlich schwere Wettbewerbs- und Handelsbeeinträchtigungen zu befürchten sind.274 Anknüpfungs­punkte für eine im Vergleich zur bisherigen Praxis verstärkte Ökonomisierung bieten die Tatbestandsmerkmale der Handelsbeeinträchtigung und der Wettbewerbsverfäl­schung.275 Allerdings konzentriert sich die Betrachtung der wirtschaftlichen Aus­wirkungen in der bisherigen Kommissionspraxis auf die Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV.

271  KOM vom 07.06.2005, K (2005) 107 endgültig Rn. 18 Aktionsplan staatliche Beihilfen, Weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen, Roadmap zur Reform des Beihilferechts 2005–2009 (Konsultationspapier). 272  Zu den im gemeinsamen Interesse liegenden Zielen siehe KOM vom 07.06.2005, K (2005) 107 endgültig Rn. 1, 10, 15 Aktionsplan staatliche Beihilfen, Weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen, Roadmap zur Reform des Beihilferechts 2005–2009 (Konsultationspapier). 273  KOM vom 07.06.2005, K (2005) 107 endgültig Rn. 23 Aktionsplan staatliche Beihilfen, Weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen, Roadmap zur Reform des Beihilferechts 2005–2009 (Konsultationspapier). 274  Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 2005, SEK (2006) 761 endgültig, S. 129. 275  Insbesondere im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Begünstigung erfolgt bei Anwendung des Market Economy Investor-Tests (siehe dazu unten D.I.1) bereits eine wirtschaftliche Betrachtung.



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aa) Abwägungsprüfung Im Anwendungsbereich des Art. 107 Abs. 3 AEUV nimmt die Kommis­ sion eine Abwä­gungs­prüfung vor, in der sie die positiven Beihilfeeffekte den negativen gegen­über­stellt. Der Aufbau gestaltet sich wie folgt:276 1. Dient die Beihilfemaßnahme einem legitimen Ziel, das heißt der Beseitigung eines Marktversagens oder einem anderen Ziel von europäischem Interesse, zum Beispiel Wachstum, Beschäftigung, Umwelt? 2. Ist die staatliche Hilfe zielgenau ausgerichtet, insbesondere: a) Ist die Unterstützungsmaßnahme geeignet oder ist ein effektiveres Instru­ment ersichtlich? b) Besteht ein Anreizeffekt für das verfolgte Ziel? c) Ist die Beihilfe auf das erforderliche Minimum beschränkt? 3. Überwiegen nach einer Gesamtabwägung die positiven Effekte die Wettbe­werbs­ver­fälschung und die Handelsbeeinträchtigung? Die verfeinerte Abwägungsprüfung hat in mehren Legislativakten der Kommission Niederschlag gefunden. So sehen die neuen Risikokapitalleitlinien277, der neue Gemein­schafts­rahmen zur Beurteilung von Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innova­tion (FuEuI-Beihilfen)278, die Leitlinien für Umweltschutzbeihilfen279 und die Leitlinien für den Breitbandausbau280 eine Anwendung des Prinzips vor. Aus dem Prüfungsschema ergibt sich, dass die Kommission dem Vorliegen eines Marktversagens besondere Bedeutung beimisst. So betont sie auch 276  Grundlegend Friederiszick / Röller / Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 648; vgl. KOM vom 07.06.2005, K (2005) 107 endgültig Rn. 20 Aktionsplan staatliche Beihilfen, Weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen, Roadmap zur Reform des Beihilferechts 2005–2009 (Konsultationspapier); Evans, State Aid Reform – Current Directions, Law Society Conference, 29.07.2007, S. 7. Nähere Erläuterungen zur Abwägungsprüfung finden sich bei GD Wettbewerb, Allgemeine Grundsätze für eine ökonomisch ausgerichtete Prüfung der Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen nach Artikel 87 Absatz 3 EG-Vertrag, Konsulta­ tionspapier, Mai 2009, abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competition / state_aid / re form / economic_assessment_de.pdf. 277  ABl. 2006 Nr. C 194, S. 2 Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen in kleine und mittlere Unternehmen. 278  ABl. 2006 Nr. C 323, S. 1 Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation. 279  ABl. 2008 Nr. C 82, S. 1 Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen. 280  ABl. 2009 Nr. C 235, S. 7 Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

im Aktionsplan Staatliche Beihilfen, dass das Bestehen eines Marktversagens einen wichtigen Rechtfertigungsgrund für den Rückgriff auf Beihilfen darstellt.281 Auch die Recht­spre­chung hat die Prüfung des Marktversagens durch die Kommission anerkannt. In der Entscheidung BUPA / Kommission führt das Gericht aus: „Im Rahmen dieser Kontrolle ist zum einen zu prüfen, ob die Fehlfunktionen des Marktes, die der Mitgliedstaat geltend macht, um die Festlegung und den Schutz der betreffenden gemeinwirt­schaftlichen Aufgabe zu rechtfertigen, triftig genug waren, und zum anderen ist zu beurteilen, ob die Kommission vernünftigerweise davon ausgehen konnte, dass ein System wie das RES seiner Natur nach erforderlich und angemessen ist, um die geltend gemachten Probleme zu lösen.“282 Neben der Korrektur eines Marktversagens kommen als Rechtfertigungsgründe für die Beihilfegewährung aber auch die im AEUV ge­nannten sozialen, verteilungspolitischen und kulturellen Ziele in Betracht. bb) Kritik an der Abwägungsprüfung Der von der Kommission angewandte Abwägungstest wird vor allem deswegen kritisiert, weil darin verbreitet eine Einmischung in die mitgliedstaatliche Wirtschafts­politik gesehen wird. Insbesondere die Verortung der Prüfung, ob ein Marktversagen oder ein anderes Ziel von gemeinsamem Interesse vorliegt und ob die staatliche Beihilfe zielgenau ausgerichtet ist, unmittelbar zu Beginn der Abwägung stößt auf Wider­stand.283 Zur Begründung wird der Wortlaut der Vorschriften des Vertrages herange­zo­gen: Allein Art. 107 Abs. 3 lit. b 1. Var. AEUV enthalte das Gemeinschaftsinteresse als positive Voraussetzung, indem Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemein­ samem europäischem Interesse genehmigt werden können. Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV verlange hingegen lediglich, dass die Beihilfen dem gemeinsamen Interesse nicht zuwiderlaufen.284 Daraus folge, dass die EU‑Kommission nicht befugt sei, die von den Mitgliedstaaten verfolgten Ziele stets einer Zweitkontrolle zu unterziehen und sie vor einer Verschwen281  KOM vom 07.06.2005, K (2005) 107 endgültig Rn. 23, Aktionsplan staatliche Beihilfen, Weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen, Roadmap zur Reform des Beihilferechts 2005–2009 (Konsultationspapier). 282  EuG vom 12.02.2008, Rs. T‑289 / 03, Slg. 2008, II‑81 Rn. 267 BUPA / Kommission. 283  Bartosch, EStAL 2007, S. 587; derselbe, RIW 2007, S. 681, 689; Nicolaides, Economic Analysis of State Aid to Research, Development and its Application in the Draft Framework on State Aid to Research, Development and Innovation, Forthcoming in the Proceedings of the Annual Conference of the European State Aid Law Quarterly, 24.08.2006, S. 7. 284  Kaupa, EStAL 2009, S. 311, 319.



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dung ihrer Steuergelder zu schützen. Vielmehr bestehe eine Prüfungskompetenz der EU‑Kommission nur unter der Bedingung, dass eine Wettbe­ werbs­be­einträchtigung überhaupt festgestellt werden könne. Welche Aspekte die Kommission bei der Bewertung von staatlichen Unterstützungs­maßnahmen einbeziehen darf, richtet sich maßgeblich nach dem im Beihilferecht verfolgten Leitbild.285 Die Monopolkommission sieht die Funktion der Art. 107 ff. AEUV allein im Wettbewerbsschutz. In ihrem Hauptgutachten 2006 / 2007 hebt sie hervor, dass die EU‑Kommission über keine Befugnis zur Haushaltskontrolle verfüge.286 Die gemein­schaft­liche fiskalpolitische Kompetenz beschränke sich vielmehr auf die Über­wachung der Maastricht-Kriterien gemäß Art. 140 Abs. 1 AEUV.287 Zwar müsse die effiziente Ressourcenverwendung kontrolliert werden, allerdings habe dies ausschließlich auf Ebene der Mitgliedstaaten zu erfolgen. Es sei nicht Aufgabe der EU‑Kommission, die Mitglied­staaten davor zu bewahren, Steuergelder zu verschwenden.288 Diese Auffassung teilt auch die Bundesregierung in ihrer Stellung­nahme zum Aktionsplan Staatliche Beihilfen.289 Demgegenüber ließen sich verschie­dene Vorträge der früheren EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes kaum mit diesem Ansatz in Einklang bringen, da sie im Zusammenhang mit der europäischen Beihilfepolitik auch die Interessen der Steuerzahler hervorhob.290 So führte sie etwa in einer Rede aus dem Jahr 2008 aus: „By looking at market failures and the economic need for government support, by looking at what the private sector can do without taxpayers’ money, the Commission and the Member State can take the ­politics out of the discussion. We both look at whether the schemes will deliver real benefits or whether they are a waste of taxpayers’ money.“291 285  Eingehend hierzu Lübbig / Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 126  ff. Siehe dazu oben C.IV.1.a). 286  Monopolkommission, XVII. Hauptgutachten 2006 / 2007, Weniger Staat, mehr Wettbewerb, Gesund­ heitsmärkte und staatliche Beihilfen in der Wettbewerbsordnung, 2008, Rn. 947 f., 1047, 1088. 287  Monopolkommission, XVII. Hauptgutachten 2006 / 2007, Weniger Staat, mehr Wettbewerb, Gesund­ heitsmärkte und staatliche Beihilfen in der Wettbewerbsordnung, 2008, Rn. 948. 288  So auch Bartosch, EStAL 2007, S. 587; derselbe, RIW 2007, S. 681, 689 f.; Jaeger, EuZW 2010, S. 47, 52; derselbe, WuW 2008, S. 1064, 1066. Vgl. auch ­Michaels, IR 2007, S. 177 mit Verweis auf den Beitrag Klokes im Rahmen der 5. Euroforum-Jahrestagung Beihilfenrecht 2007. 289  Bundesregierung, Stellungnahme zum „Aktionsplan staatliche Beihilfen“, 05.10.2005, S. 1 f., abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competition / state_aid / reform /  comments_saap / 37982.pdf. 290  Vgl. Zimmer / Blaschczok, 1 ECLR 9, 10 m. Fn. 16 (2011). 291  Kroes, The State Aid Action Plan: a roadmap for reform and recovery, Conference on „The new approach to state aids – Recent reforms under the State Aid

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Im Zusammenhang mit dem More Economic Approach favorisiert die EU‑Kommission im Kartellrecht einen Konsumentenwohlfahrtstandard.292 Diesem zufolge dürfen sich wettbewerbs­ beschränkende Verhaltensweisen nicht nachteilig auf die Konsumenten auswirken. Dabei sind unter Anwendung ökonomischer Modelle und Methoden sowohl tatsächliche als auch wahrscheinliche Effekte für das Marktergebnis zu ermitteln.293 Welchem Leitbild die EU‑Kommission im Aktionsplan Staatliche Beihilfen den Vorrang einräumt, erschließt sich nicht ohne Weiteres, da sie zum einen die Notwen­ dig­ keit gleicher Wettbewerbsbedingungen hervorhebt und zum anderen durch Beihilfen bewirkte negative Effekte, nämlich die Einschränkung der Marktpräsenz von Kon­ kurrenten des Begünstigten sowie höhere Preise, Qualitätseinbußen und die Reduktion innovativer Produkte betont.294 Allerdings hat die GD Wettbewerb in einem Konsul­ta­ tions­ dokument über die Abwägungsprüfung im Rahmen des Art.  107 Abs. 3 AEUV auf den Gesamtwohlfahrtstandard abgestellt.295 Zudem hat sie sich bereits zuvor im FuEuI-Gemeinschaftsrahmen auf die Optimierung der Gesamtwohlstandsgewinne als Maßstab für die wirtschaftliche Effizienz bezogen.296 Darüber hinaus hat die GD Wettbewerb gegenüber der Monopolkommission eingeräumt, dass die EU‑Kommission nicht beabsichtige, im Beihilferecht den Konsumentenwohlfahrtstandard heranzuAction Plan and next steps“, Speech / 08 / 634, 21.11.2008, abrufbar unter http: /  / eu ropa.eu / rapid / pressReleasesAction.do?reference=SPEECH / 08 / 634&format=HTML &aged=1&language=EN&guiLanguage=en. Auch der neue Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia erwähnt steuerliche Aspekte, siehe etwa Almunia, Plenary meeting, Speech / 12 / 117, 23.02.2012, abrufbar unter http: /  / europa.eu / rapid / pressReleasesAc tion.do?reference=SPEECH / 12 / 117&format=HTML&aged=0&language=EN&guiLan guage=en. 292  Siehe dazu ABl. 2008 Nr.  C 265, S. 6 Rn. 53 Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammen­schlüssen; vgl. von Weizsäcker, WuW 2007, S. 1078, 1084. 293  Albers, Der „more economic approach“ bei Verdrängungsmissbräuchen: Zum Stand der Überle­gungen der Europäischen Kommission, S. 2 f. 294  KOM vom 07.06.2005, K (2005) 107 endgültig Rn. 7, Aktionsplan staatliche Beihilfen, Weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen, Roadmap zur Reform des Beihilferechts 2005–2009 (Konsultationspapier). Koenig und Paul gehen davon aus, dass die Kommission den Verbraucher­wohlfahrtstandard heranzieht, siehe Streinz, Art. 107 Rn. 89. 295  GD Wettbewerb, Allgemeine Grundsätze für eine ökonomisch ausgerichtete Prüfung der Vereinbar­keit staatlicher Beihilfen nach Artikel 87 Absatz 3 EG-Vertrag, Konsultationspapier, Mai 2009, Rn. 9, 11 f., 18, 21, 58 m. Fn. 41, 62, abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competition / state_aid / reform / economic_assessment_de.pdf. 296  ABl. 2006 Nr. C 323, S. 1 Rn. 1.1 m. Fn. 3 Gemeinschaftsrahmen für staat­ liche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation.



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ziehen.297 Die Monopolkommission begrüßt diesen Ansatz, da andernfalls die Gefahr einer zu positiven Bewertung von Beihilfen bestünde.298 Auch wenn Beihilfen kurzfristig betrachtet zu niedrigeren Preisen führen könnten und so allokative Wohlfahrtsgewinne bewirken würden, könnten mittel- und langfristig Wettbewerbsbeschränkungen ent­ stehen, die überhöhte Preise zur Folge hätten und mithin die Konsumenten benachtei­ ligten.299 Diese Kritik kann aber ebenso gegen den Gesamtwohlfahrtstandard vorgebracht werden, so dass sie nicht entscheidend gegen die Anwendung des Konsu­menten­wohlfahrtstandards spricht.300 Gegen ein Festhalten am Leitbild des Schutzes des Wettbewerbs als Institution ist vorzubringen, dass der Wettbewerb nicht um seiner selbst willen, sondern als Mittel zur Erreichung positiver Entwicklungen im wirtschaft­ li­ chen Bereich und zur Förderung gesellschaftlicher Wohlfahrt zu schützen ist.301 Des Weiteren beanstandet die Monopolkommission das Erfordernis eines Anreiz­ effektes, das die EU‑Kommission für eine zielgenaue Ausrichtung der Beihilfe auf­stellt:302 Zwar erscheine die Gewährung von Beihilfen zugegebenermaßen nur dann sinnvoll, wenn zugleich eine Verhaltensänderung des unterstützten Unternehmens veran­ lasst werde, da sich ansonsten aus volkswirtschaftlicher Sicht kein zusätzlicher Nutzen ergäbe und öffentliche Mittel verschwendet würden. Allerdings reiche die Kon­troll­kompetenz der EU‑Kommission nicht über den Wettbewerbsschutz hinaus. Aus Sicht der wohlfahrtsökonomischen Ansätze bietet eine frühzeitige Untersuchung, ob überhaupt ein Marktversagen vorliegt, den Vorteil, dass eine Genehmigung wohl­ fahrts­ schädlicher staatlicher Unterstützungsmaßnahmen, die zumindest zu einer Verschwen­dung von Geldern führen, alsbald ausscheidet und unnötiger Aufwand vermieden wird.303 Außerdem ist 297  Monopolkommission, XVII. Hauptgutachten 2006 / 2007, Weniger Staat, mehr Wettbewerb, Gesund­ heitsmärkte und staatliche Beihilfen in der Wettbewerbsordnung, 2008, Rn. 1087 m. Fn. 224. 298  Monopolkommission, XVII. Hauptgutachten 2006 / 2007, Weniger Staat, mehr Wettbewerb, Gesund­ heitsmärkte und staatliche Beihilfen in der Wettbewerbsordnung, 2008, Rn. 1086. 299  Monopolkommission, XVII. Hauptgutachten 2006 / 2007, Weniger Staat, mehr Wettbewerb, Gesund­ heitsmärkte und staatliche Beihilfen in der Wettbewerbsordnung, 2008, Rn. 1086 f. 300  Vgl. Friederiszick / Röller / Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 645. 301  Frenz / Ehlenz, EuR 2010, S. 490 f.; Mussler, FAZ vom 14.08.2007, Nr. 187, S. 11; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5, Rn. 3526. 302  Monopolkommission, XVII. Hauptgutachten 2006 / 2007, Weniger Staat, mehr Wettbewerb, Gesund­ heitsmärkte und staatliche Beihilfen in der Wettbewerbsordnung, 2008, Rn. 1118. 303  Vgl. Heidhues / Nitsche, EStAL 2006, S. 23, 31.

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die Wahrscheinlichkeit, dass nicht zielgenau ausgerichtete Beihilfen den Wettbewerb beeinträchtigen, wesentlich höher als im Fall anderer Beihilfen.304 Die Berücksichtigung eines Anreizeffektes erscheint damit unter dem Blickwinkel eines wohlfahrtsökonomischen Leitbildes, das die Auswirkungen der staatlichen Maßnahmen auf den Steuerzahler einbezieht, angebracht. Konsequenterweise kritisiert die Monopolkommission auch das im Ak­ tionsplan Staatliche Beihilfen vorgegebene Ziel „weniger und besser ausgerichteter Beihilfen“.305 Da der EU‑Kommission keine fiskalpolitische Kompetenz zustehe, seien allein die Mitgliedstaaten für die Kontrolle ihrer Ressourcenverwendung verantwortlich.306 Somit obliege es den Mitgliedstaaten, über Zahl und Umfang der gewährten Beihilfen zu entscheiden. Der Beihilfekontrolle komme nicht die Aufgabe zu, das quantitative Beihilfe­ niveau in den Mitgliedstaaten zu reduzieren, sondern bloß zu gewährleisten, dass „weniger wettbewerbsverzerrende“ Beihilfen genehmigt werden. Eine „bessere Ausrichtung“ habe sich vordergründig daran zu orientieren, dass Wettbewerbs­ver­zerrungen auf ein unumgängliches Mindestmaß beschränkt werden. Soweit hierdurch mittelbar ein Beihilfeabbau erreicht werde, sei dieser zu befürworten. Insgesamt bewertet die Monopolkommission die Einführung des Abwägungstests gleichwohl positiv, da dieser die Voraussetzungen für die Ermessensentscheidung der EU‑Kommission im Rahmen des Art. 107 Abs. 3 AEUV konkretisiere und so Transpa­ renz und Rechtssicherheit schaffe.307 Auch von anderer Stelle wird gelobt, die Kommissions­entscheidungen seien so ex ante besser vorhersehbar und ex post besser gerichtlich nachprüfbar.308 Anlass zur Kritik an der Abwägungsprüfung besteht jedoch insoweit, als entgegen der Forderung zahlreicher Ökonomen auf der Finanzierungsseite309 304  Heidhues / Nitsche,

EStAL 2006, S. 23, 31. XVII. Hauptgutachten 2006 / 2007, Weniger Staat, mehr Wettbewerb, Gesund­ heitsmärkte und staatliche Beihilfen in der Wettbewerbsordnung, 2008, Rn. 1047. 306  So auch Bartosch, EStAL 2007, S. 587; derselbe, RIW 2007, S. 681, 689 f.; Jaeger, EuZW 2010, S. 47, 52; derselbe, WuW 2008, S. 1064, 1066; vgl. Kaupa, EStAL 2009, S. 311, 320. 307  Monopolkommission, XVII. Hauptgutachten 2006 / 2007, Weniger Staat, mehr Wettbewerb, Gesund­ heitsmärkte und staatliche Beihilfen in der Wettbewerbsordnung, 2008, Rn. 1055, 1116. Jaeger kritisiert das Bestehen von konzeptionellen Unschärfen und Lücken und die Verwendung zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe im Abwägungstest, EuZW 2010, S. 47, 51. Krit. auch van der Veer, 29 ECLR 363 f. (2008). 308  Jaeger, EuZW 2010, S. 47, 49. 309  Siehe dazu oben C.IV.2.b)cc). 305  Monopolkommission,



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nur die Höhe der Beihil­ fe, nicht aber die übrigen Kosten berücksichtigt werden, so dass eine umfassende Kosten-Nutzen-Betrachtung unterbleibt.310 cc) Umfang der Wettbewerbsanalyse Bereits in den 1990er Jahren wurde das Fehlen einer ausreichenden wettbewerblichen Analyse in der Kommissionspraxis bemängelt.311 Es wurde die Forderung laut, die EU‑Kommission solle ihre Ressourcen nicht für Beihilfen verschwenden, die zu geringen oder keinen Wettbewerbsverzerrungen führen, sondern sich auf die Fälle konzentrieren, in denen sich erhebliche Auswirkungen auf den Wettbewerb ergeben. Darüber hinaus gelte es zu verhindern, dass staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die nur unerhebliche oder keine Wettbewerbsverfälschungen bewirken, verboten werden, während staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die wesentliche Wettbewerbs­ ver­zer­run­gen zur Folge haben, genehmigt werden.312 Hinsichtlich der Umsetzung dieses Ziels durch die EU‑Kommission wurden verschiedene Vorschläge unterbreitet.313 Die Monopolkommission fordert, in Parallele zum Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV das Kriterium der objektiven Eignung einer Beihilfe zur spürbaren Wettbe­werbs­ver­fälschung zu etablieren.314 Während in einigen Konstellationen eine ent­sprechende Vermutung gelten soll, soll in den übrigen Fällen ein Spürbarkeitstest angewendet werden, der bei Unterschreitung eines bestimmten Schwellenwertes eine vereinfachte Freistellung unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien ermöglicht. In den verbleibenden Fällen habe die EU‑Kommission das Vorliegen einer spürbaren Wettbewerbsverzerrung im Rahmen einer eingehenden Untersuchung zu prüfen. 310  Bartosch, RIW 2007, S. 681, 689; Langner, Die europäische Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, Studie des Centrums für Europäische Politik, S. 22; Schwalbe, in: Oberender, Der „more economic approach“ in der Beihilfenkontrolle, S. 11, 30 f. 311  Bishop, 2 ECLR 84, 85 (1997); Koenig / Kühling, EuZW 1999, S. 517, 518. 312  UK OFT, Response to the European Commission’s Action Plan on state aid reform, September 2005, Rn. 2.2, abrufbar unter http: /  / www.oft.gov.uk / shared_oft /  reports / oft_response_to_consulta tions / oft820.pdf. 313  Zu Ansätzen in der Literatur siehe Fingleton / Ruane / Ryan, Market Definition and State Aid Control, European Economy No. 3 / 1999, S. 65; Hancher, EStAL 2005, S. 425, 428 f.; Heidhues / Nitsche, EStAL 2006, S. 23, 33; Streinz / Koenig / Paul, Art. 107 AEUV Rn. 90. Siehe auch schon Bishop, 2 ECLR 84, 85 (1997); Koenig /  Kühling, EuZW 1999, S. 517, 518. 314  Monopolkommission, XVII. Hauptgutachten 2006 / 2007, Weniger Staat, mehr Wettbewerb, Gesundheitsmärkte und staatliche Beihilfen in der Wettbewerbsordnung, 2008, Rn. 1101 ff. Für das Kriterium der Spürbarkeit sprechen sich entgegen der h. L. auch Schina, State Aids Under the EEC Treaty Articles 92 to 94, Rn. 89 ff. und Mederer in von der Groeben / Schwarze, Art. 87 EG Rn. 45, aus.

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Dabei seien sowohl Beihilfekriterien als auch Marktkriterien heranzuziehen. Unter Erstere fasst die Monopolkommission die Höhe der Beihilfe, ihre Größe im Verhältnis zu den Kosten der geförderten Tätigkeit und die Art ihrer Vergabe, unter Letztere das Vorliegen von Überkapazitäten, den Marktanteil des Beihilfe­empfängers, die Marktkonzentration, den Marktanteilsabstand zum nächsten Wettbewerber, das Be­stehen und die Höhe von Markteintrittsbarrieren, den Grad seiner vertikalen Verbun­den­heit, den Umfang der Produktdifferenzierung und die im Hinblick auf die Beihilfe zu erwartende Preisentwicklung.315 Im Einklang mit diesen Forderungen prüft die EU‑Kommission nach dem neuen Ansatz neben beihilfebezogenen Kriterien zunehmend Parameter wie die genaue Marktde­finition, die Marktstellung des Beihilfeempfängers, die Marktstruktur sowie die Markt­zu­tritts­möglichkeiten.316 dd) Systematische Verortung der Wettbewerbsanalyse An welchem Prüfungsstandort innerhalb des Art. 107 AEUV die verstärkte ökono­mi­sche Analyse eingeordnet werden soll, wird unterschiedlich beurteilt. In Betracht kommen die Tatbestandsebene (Abs. 1) und die Rechtfertigungsebene (Abs.  3). Auf Tat­ be­ stands­ seite bietet sich neben dem Merkmal der Handelsbeeinträchtigung insbeson­dere dasjenige der Wettbewerbsverfälschung an. Im Rahmen des Art. 107 Abs. 1 AEUV stellt die Gemeinschaftsjudikatur bislang nur niedrige Anforderungen an das Vorliegen dieser beiden Voraussetzungen. Zur Bejahung des Tatbestandes reicht schon eine geringe tatsächliche oder potentielle Wettbewerbsverfälschung beziehungsweise Han­dels­beeinträchtigung aus. Im Gegensatz zum Kartellrecht besteht oberhalb der von der EU‑Kommission in der De MinimisGVO317 festgelegten Schwellenwerte auch kein Spürbarkeitserfordernis.318 Damit gehen geringe Begründungserfordernisse für die EU‑Kommission 315  Vergleichbare Parameter finden sich in den Vorschlägen des UK OFT, Response to the European Commission’s Action Plan on state aid reform, September 2005, Rn. 2.5, abrufbar unter http: /  / www.oft.gov.uk / shared_oft / reports / oft_respon se_to_consultations / oft820.pdf. 316  Siehe etwa ABl. 2006 Nr. C 323, S. 1 Rn. 7.4 Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation; ABl. 2008 Nr. C 82, S. 1 Rn. 175 ff. Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen. Eine vergleichsweise detaillierte Marktanalyse findet sich in KOM vom 04.07.2006, ABl. 2006 Nr. L 366, S. 32 Rn. 33 Ford Genk. 317  ABl. 2006 Nr. L 379, S. 5 Verordnung (EG) Nr. 1998 / 2006 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf De-minimis-Beihilfen. 318  Allerdings fordert die Monopolkommission die Einführung des Spürbarkeitskriteriums, siehe oben C.IV.2.c)cc).



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einher.319 Zwar wird die EU‑Kommission so auf den ersten Blick entlastet, allerdings wächst infolgedessen auch die Zahl der zu behandelnden Fälle. Mithin ist an eine ökonomisch fundierte Verschärfung der Aufgriffsvoraussetzungen zu denken. Bisher hat die EU‑Kommission lediglich die Schwellenwerte der De Minimis-GVO auf 200.000 Euro verdoppelt320 und die Freistellungsbereiche in der AGVO321 sachlich ausgeweitet. Da die EU‑Kommission die Anhebung der Aufgriffsschwelle aber nicht ökonomisch erläutert hat, kommt der More Economic Approach allenfalls in der Erhöhung als solcher zum Ausdruck, nicht aber in der Art und Weise der Um­ setzung.322 Auch in den Kommissionsentscheidungen finden sich bislang in der Regel keine oder nur knappe Ausführungen zur Begründung einer Handelsbeeinträchtigung beziehungsweise einer Wettbewerbsverfälschung.323 Mithin werden in Art. 107 Abs. 1 und 3 AEUV bei der Beurteilung, ob eine Unterstützungsmaßnahme sich nachteilig auf den Wettbewerb und den Handel auswirkt, unterschiedliche Standards herangezogen.324 Dies wird damit begründet, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV einen Aufgreiftatbestand dar­stelle, der bereits dann als erfüllt betrachtet werden könne, wenn Beeinträchtigungen von Wettbewerbern wahrscheinlich erschienen, solange Gewicht und Relevanz dieser nachteiligen Effekte im Rahmen des Art. 107 Abs. 3 AEUV beurteilt würden.325 319  Siehe etwa EuGH vom 17.09.1980, Rs.  730 / 79, Slg.  1980, 2671 Rn. 9 ff. Philip Morris / Kommission; EuG vom 29.09.2000, Rs.  T‑55 / 99, Slg.  2000, II‑3207 Rn. 102 CETM / Kommission; EuG vom 30.04.1998, Rs. T‑214 / 95, Slg. 1998, II‑717 Rn. 67 Vlaamse Gewest / Kommission. 320  ABl. 2006 Nr. L 379, S. 5 Art. 2 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1998 / 2006 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf De-minimis-Beihilfen. 321  ABl. 2008 Nr. L 214, S. 3 Verordnung (EG) Nr. 800 / 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung). 322  Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1075. 323  Ausnahmen stellen die Entscheidungen KOM vom 09.11.2005, ABl. 2006 Nr. L 200, S. 14 Rn. 64 ff. Entscheidung über die staatliche Beihilfe, die die Bundesrepublik Deutschland zugunsten der Einführung des digitalen terrestrischen Fernsehens (DVB-T) in Berlin-Brandenburg gewährt hat; KOM vom 19.07.2006, ABl. 2006 Nr. C 204, S. 9 Rn. 42 ff. Einführung des digitalen terrestrischen Fernsehens (DVB-T) in Nordrhein-Westfalen (Verfahrenseröffnungsentscheidung); KOM vom 24.01.2007, ABl. 2007 Nr. L 147, S. 1 Rn. 102 ff. Entscheidung über die staatliche Beihilfe C 52 / 2005, die die italienische Republik mit ihrem Zuschuss zur Anschaffung von Digital­ decodern gewährt hat dar. Krit. hierzu Bartosch, RIW 2007, S. 681, 682 ff. 324  Heidhues / Nitsche, EStAL 2006, S. 23, 31; Lübbig / Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 140; Friederiszick / Röller / Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 649. 325  Friederiszick / Röller / Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 649.

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Als Argument für eine detaillierte Wettbewerbsuntersuchung auf Tatbestandsseite führt die Monopolkommission aus, die Kompetenz der EU‑Kommission, mitgliedstaatliche Maßnahmen im Wege der Beihilfekontrolle zu überprüfen, beschränke sich auf die Fälle, in denen eine Wettbewerbsbeeinträchtigung vorliege.326 Dies ergebe sich zwingend daraus, dass der Zweck der Art. 107 ff. AEUV allein im Wettbewerbsschutz bestehe. Der Unterscheidung zwischen Tatbestands- und Rechtfertigungsseite komme auch unter dem Aspekt der Beweislastverteilung maßgebliche Bedeutung zu, da die Beweislast im Rahmen des Art. 107 Abs. 1 AEUV der EU‑Kommission obliege, wohingegen sie im Rahmen des Art. 107 Abs. 3 AEUV der Mitgliedstaat trage. Zudem wirft die Monopolkommission die Frage auf, ob auch die Krite­ rien des Marktversagens und der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Beihilfe als Korrektur­mittel bereits bei der Prüfung einer Wettbewerbsverfälschung zu untersuchen seien.327 Im Ergebnis lehnt sie dies im Hinblick auf ein drohendes Staatsversagen ab. Die Monopolkommission schließt sich dabei der Auffassung der EU‑Kommission an, dass Beihilfen nach dem Einsatz marktüblicher oder marktdeterminierter Mittel in der Regel nur die „zweitbeste Lösung“ zur Beseitigung eines Marktversagens sind. Vor der Beihilfegewährung soll untersucht werden, ob die staatliche Intervention tatsächlich zu einer verbesserten Ressourcenallokation führt oder ob mit der vermeintlichen Besei­tigung eines Marktversagens ein Staatsversagen einhergeht. Damit spricht die Monopol­kommission in erster Linie Unvoll­kommen­ heiten politischer Entscheidungen an, die insbesondere durch Fehlprognosen hervorgerufen werden. Zum Staatsversagen zählt aber auch, dass Politiker sich bei ihrer Entscheidungs­findung oft nicht ausschließlich vom Aspekt der gesamtwirtschaftlichen Effizienz leiten lassen, sondern subjektive Sonderinteressen einbeziehen.328 So kann es sich zum Beispiel aus wahltaktischen Gründen als vorteilhaft darstellen, ein ineffizientes Unternehmen durch 326  Monopolkommission, XVII. Hauptgutachten 2006 / 2007, Weniger Staat, mehr Wettbewerb, Gesund­ heitsmärkte und staatliche Beihilfen in der Wettbewerbsordnung, 2008, Rn. 1056, 1093, 1102. Auch einige Stellungnahmen zum Aktionsplan Staatliche Beihilfen verlangen im Hinblick auf die Rechtssicherheit eine intensivere Prüfung der Tatbestandsmerkmale Wettbewerbsverfälschung und Handelsbeeinträchtigung, siehe KOM vom 09.02.2006, Results of the Consultation on the State Aid Action Plan, S. 10, abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competition / state_aid / reform /  comments_saap / saap.pdf. 327  Monopolkommission, XVII. Hauptgutachten 2006 / 2007, Weniger Staat, mehr Wettbewerb, Gesund­ heitsmärkte und staatliche Beihilfen in der Wettbewerbsordnung, 2008, Rn. 1117. 328  Langner, Die europäische Beihilfenkontrolle auf dem Prüfstand, Studie des Centrums für Europäische Politik, S. 15; Schina, State Aids Under the EEC Treaty Articles 92 to 94, Rn. 11  ff; Bofinger, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S. 196;



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Beihilfen zu unterstützen. Angesichts der Gefahr eines nicht zur Behebung eines Marktversagens geeigneten staatlichen Eingriffs spricht sich die Monopolkommission dafür aus, dem Mitgliedstaat die Beweislast für das Bestehen eines Marktversagens aufzuerlegen und eine nähere Prüfung des Marktversagens somit auf die Rechtfertigungsebene zu verlagern. Ferner wird für eine verstärkte ökonomische Betrachtung bereits auf Tatbestandsebene angeführt, so könne das Ziel der EU‑Kommission gefördert werden, sich auf die Fälle zu konzentrieren, in denen es tatsächlich zu schweren Wettbewerbs- und Handels­beein­trächtigungen kommt:329 Bei einer Verneinung des Beihilfetatbestandes besteht kein Notifizierungsgebot, so dass die EU‑Kommission sich mit vielen der betreffenden Fälle nicht befassen muss. Dies begründet allerdings wiederum die Gefahr, dass die Mitglied­ staaten bei der Beurteilung der von ihnen gewährten Beihilfen zu falschen Ergebnis­sen gelangen und die Zahl rechtswidriger Beihilfen steigt.330 Gegen die Einführung einer verstärkten ökonomischen Analyse auf Tatbestandsebene wird in der Literatur vorgebracht, die EU‑Kommission würde auf diese Weise in einigen Fällen mangels Wettbewerbsverfälschung das Vorliegen einer Beihilfe ableh­nen, obwohl eine solche nach der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte vorlie­ ge.331 Dann könne es bei einer Klage eines Wettbewerbers vor dem EuG zur Aufhebung der Kommissionsentscheidung kommen.332 Dieser Einwand kann nach der Gegen­auf­fassung jedoch durch die Bindung der Rechtsprechung an eine neu zu schaffende gesetzliche Regelung, die höhere Anforderungen an die Begründung einer Wettbe­ werbs­ verfälschung stellt, entkräftet werden.333 Ferner scheine es durchaus möglich, dass die Gemeinschaftsgerichte schon durch eine geänderte Kommissionspraxis dazu veran­lasst werden, ihre Rechtsprechung anzupassen.334 In diese Richtung deute das Urteil Le Levant aus dem Jahr Fritsch / Wein / Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 83; Friederiszick / Röller / Verouden, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics, S. 625, 637. 329  Lübbig / Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 109. Vgl. Streinz / Koenig / Paul, Art. 107 AEUV Rn. 91. 330  Heidhues / Nitsche, EStAL 2006, S. 23, 31; vgl. Lübbig / Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 138. 331  Bartosch, EStAL 2007, S. 587; derselbe, RIW 2007, S. 681, 682 f., 690; Heidhues / Nitsche, EStAL 2006, S. 23, 31. 332  Bartosch, EStAL 2007, S. 587; derselbe, RIW 2007, S. 681, 682 f., 687 f. 333  Monopolkommission, XVII. Hauptgutachten 2006 / 2007, Weniger Staat, mehr Wettbewerb, Gesund­ heitsmärkte und staatliche Beihilfen in der Wettbewerbsordnung, 2008, Rn. 1114. 334  Monopolkommission, XVII. Hauptgutachten 2006 / 2007, Weniger Staat, mehr Wettbewerb, Gesund­ heitsmärkte und staatliche Beihilfen in der Wettbewerbsordnung, 2008, Rn. 1114.

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2006, in dem das EuG beanstandete, es fehle ein Hinweis der EU‑Kommission, inwiefern und auf welchem Markt der Wettbewerb beeinträchtigt sei oder beeinträchtigt zu werden drohe.335 Eine tiefer gehende ökonomische Begründung habe der EuGH bereits zuvor in der – allerdings vereinzelt gebliebenen – Ent­schei­dung Leeuwarder Papierwarenfabriek gefordert, in der er monierte, die EU‑Kommission habe keine Feststellungen zur Situa­ tion des betroffenen Marktes, zum Marktanteil des Empfängers, zu den Handelsströmen und zu den Ausfuhren des Unternehmens getroffen.336 Insgesamt lassen sich zugunsten beider in Betracht kommender Prüfungsstandorte für die ökonomische Analyse beachtliche Argumente ins Feld führen. Letztlich stellt sich Art. 107 Abs. 3 AEUV für die Verortung einer detaillierten Wettbewerbsanalyse deshalb als geeigneter dar, weil der EU‑Kommission von der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte hinsichtlich der Rechtfertigung von Beihilfen ein weiter Er­messens­spielraum eingeräumt wird.337 Daher bleibt es der EU‑Kommission überlassen, welche wirtschafts­wissen­schaftlichen Konzepte sie heranzieht. In der Literatur wird allerdings im Hinblick auf die Anwendung ökonomischer Theorien eine Aufweichung der gesetzlichen Grundlagen des Wettbewerbsrechts befürchtet, da nahezu keine wissen­schaftlich abgesicherten und fachlich unumstrittenen Methoden existieren.338 Zudem wird argumentiert, aus dem weiten Ermessensspielraum der EU‑Kommission resultiere die Gefahr einer inkohärenten und intransparenten Kommissionspraxis.339 Diesen Befürchtungen kann die EU‑Kommission aber durch eine eingehende Begründung ihrer Legislativakte und Entscheidungen begegnen.340 Außerdem erscheint es gewagt, sich bei einer Prüfung auf Tatbestandsebene darauf zu verlassen, dass die Gemeinschaftsgerichte ihre Judikatur einer geänderten Kommis­ sionspraxis anpassen. Zwar mag der Prüfungsmaßstab der Gemeinschaftsgerichte auf Tatbestandsebene durch Gesetzesänderungen beeinflusst werden können. Hierfür besteht jedoch kein Bedürfnis: Wenn nach der geltenden Rechtslage und Praxis eine vertiefte Prüfung der Wettbe­werbs­verfälschung ohne Schwierigkeiten auf der Rechtfertigungsebene verortet werden kann, wäre eine Verschiebung des Prüfungsstandortes lediglich mit überflüssigem Aufwand verbunden, ohne zusätzlichen Nutzen zu bringen. 335  EuG vom 22.02.2006, Rs.  T‑34 / 02, Slg.  2006, II‑267 Rn. 123 Le Levant u. a. / Kommission. 336  EuGH vom 13.03.1985, verb. Rs.  296 und 318 / 82, Slg.  1985, 809 Rn. 24 Leeuwarder Papierwaren­fabriek / Kommission. 337  Näher hierzu siehe oben C.IV.1. 338  Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1065 f.; Koenig / Füg, EStAL 2005, S. 591; vgl. Münchener Kommen­tar Kartellrecht / Kerber / Schwalbe, Einl. Rn. 1051. 339  Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1065. 340  Jaeger, WuW 2008, S. 1064, 1066.



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ee) Fazit zur Umsetzung des More Economic Approach im Beihilferecht Die Einführung eines More Economic Approach im Beihilferecht ist zu befürworten, da so die Legitimität der Kommissionspraxis gestärkt wird. Durch die Schaffung des Abwägungs­ tests konkretisiert die EU‑Kommission ihre ­Ermessensausübung und beab­sichtigt so, für mehr Transparenz und Rechtssicherheit zu sorgen, was insbesondere mit Blick auf den von der Rechtsprechung zugestandenen weiten Ermessensspielraum zu begrüßen ist. Gleichwohl bleibt zweifelhaft, inwieweit die dem Individualrechtsschutz zuträglichen Ziele einer verbesserten Vorhersehbarkeit der Kommissionsentschei­dun­ gen ex ante und einer verbesserten gerichtlichen Nachprüfbarkeit ex post in der Praxis insgesamt erreicht wurden. Eine detaillierte Wettbewerbsanalyse lässt sich nur in vereinzelten Entscheidungen eindeutig erkennen.341 Zumindest in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise haben die tatsächlichen Gegebenheiten die EU‑Kommission gehindert, ihre Entscheidungen vertieft ökonomisch zu fundieren: Innerhalb kürzester Zeit war über eine Vielzahl von Fällen zu entscheiden. Auch wenn gerade angesichts der enormen Höhe der Beihilfebeträge eine verstärkte Legitimation der Kommissions­ praxis wünschenswert erscheint, fehlt es an Ressourcen, um den damit verbundenen zusätzlichen Aufwand zu bewältigen. Ferner kann in der Krise das Ziel, weniger und besser ausgerichtete Beihilfen zu gewähren, nicht weiter verfolgt werden, wenn man mit der EU‑Kommission darunter eine quantitative Reduktion versteht.342 Allerdings bemüht sich die Kommission, mit staatlichen Unterstützungsmaßnahmen verbundene Wettbewerbsverzerrungen zu minimieren – wenn auch ohne ökonomische Begründung der einzelnen Maßnahmen. 3. Entstehung, Inhalt und Zielsetzung des neuen Rechts­rahmens Aufbauend auf diesen rechtlichen und ökonomischen Erkenntnissen hat die Kommission nach und nach einen neuen Rechtsrahmen für Bankenbeihilfen entwickelt. Bereits am 7. Oktober 2008 erklärte der ECOFIN, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen zum Schutz der Einlagen privater Sparer und zur Wieder­ herstellung des Vertrauens in die Finanzmarktstabilität treffen sollten.343 Am 12. Oktober 2008 folgte ein Gipfel­treffen der Staaten der Eu341  Siehe oben C.IV.2.c)dd). In KOM vom 11.02.2009, ABl. 2009 Nr. L 242, S. 21 Rn. 96 ff. Entscheidung zu der vom Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland durchgeführten staatlichen Beihilfe C 55 / 07 – staatliche Beihilfe für BT setzt sich die Kommission ausführlich mit dem Balancing-Test auseinander. 342  Kaupa, EStAL 2009, S. 311, 322. 343  Rat der Europäischen Union, Mitteilung an die Presse, 2894. Tagung des Rates Wirtschaft und Finanzen, 13784 / 08 (Presse 279), S. 6 vom 07.10.2008, abruf-

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rozone und der EZB, auf dem ein gemeinsamer Aktionsplan beschlossen wurde. Schon einen Tag später veröffentlichte die Kommission ihre „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der derzeitigen globalen Finanzkrise“ (Bankenmitteilung 2008).344 Darin beschreibt sie die allgemeinen Voraus­ setzungen für staatliche Unterstützungs­ maßnahmen. Dabei geht sie vor allem auf Garan­tien ein, trifft aber auch Regelungen für Rekapitalisierungen, kontrollierte Liquidation, Entlastungs­maßnahmen für wertgeminderte Vermögenswerte und andere Liquiditätshilfen.345 Das Ziel der Bankenmitteilung 2008 besteht primär darin, Einleger durch Garantien zu schützen, um einen Bank Run und negative Spillover-Effekte auf grund­sätzlich gesunde Finanzinstitute zu verhindern.346 Darüber hinaus können sich Garan­ tien auch als notwendig erweisen, um das Vertrauen auf dem Interbankenmarkt wieder­herzustellen und so gegen Kreditklemmen vorzugehen.347 Darauffolgend veröffentlichte die Kommission am 5. Dezember 2008 auf Aufforderung des ECOFIN die „Mitteilung über die Rekapitalisierung von Finanzinstituten in der derzeitigen Finanzkrise: Beschränkung der Hilfen auf das erforderliche Minimum und Vorkehrungen gegen unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen“ (Rekapitalisie­rungs­mitteilung)348, durch welche die Rekapitalisierungs­anforderungen der Banken­mitteilung 2008, insbesondere hinsichtlich der Höhe der vom Begünstigten zu entrichtenden Vergütung, ergänzt und präzisiert wurden. Durch Rekapitalisierungs­maßnahmen sollen Anreize zur Kreditvergabe gesetzt werden, um ein weiteres Über­grei­ fen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft zu vermeiden.349 Zudem sollen die Finanzstabilität wieder­her­gestellt und Insolvenzen von Banken verhindert werden.350 In der „Mitteilung über die Behandlung wertgeminderter Aktiva im Bankensektor der Gemeinschaft“ (Risikoaktivamitteilung)351 vom 25. Februar 2009 adressiert die Kommission die vielfach bestehenden Zweifel an der Qualität der Bankbilanzen.352 Un­sicher­heiten bezüglich der Bewertung sobar unter http: /  / www.consilium.euro pa.eu / uedocs / cms_data / docs / pressdata / de / eco fin / 103560.pdf. 344  ABl. 2008 Nr. C 270, S. 8. 345  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 19 ff., 34 ff., 43 ff., 40, 51 f. 346  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn.  19 f. 347  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 21. 348  ABl. 2009 Nr. C 10, S. 2. 349  Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 5. 350  Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 4, 6. 351  ABl. 2009 Nr. C 72, S. 1. 352  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 6.



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genannter Toxic Assets und des Vorhanden­ seins weiterer Problemaktiva veranlassen Kreditinstitute, ihr Kapital zur Deckung befürchteter Verluste zurückzuhalten, statt dieses zur Kreditvergabe an die Realwirt­schaft einzusetzen.353 Um dem entgegenzuwirken, konkretisiert die Kommission die in der Bankenmitteilung 2008 enthaltenen allgemeinen Grundsätze hinsichtlich Entlastungs­maßnahmen und sieht mehrere Ausgestaltungs­möglichkeiten für mitgliedstaatliche Rege­lungen vor. Im Vordergrund steht dabei die Schaffung sogenannter Bad Banks zur geordneten Abwicklung der Problemaktiva. Schließlich erließ die Kommission am 22. Juli 2009 die „Mitteilung über die Wieder­herstellung der Rentabilität und die Bewertung von Umstrukturierungsmaßnahmen im Finanz­sektor im Rahmen der derzeitigen Krise gemäß den Beihilfevorschriften“ (Um­struk­tu­rierungs­mitteilung)354, in der sie die Kriterien für Umstrukturierungen aufzeigt, welche nach den anderen Mitteilungen erforderlich sind. Besonderen Wert legt die Kommission dabei auf die Wiedererlangung langfristiger Rentabilität, die Minimierung von Wettbewerbsverzerrungen sowie die Erbringung eines angemessenen Eigen­ bei­trags.355 Während die Kommission das oberste Ziel in der Wiederherstellung der Finanzstabilität sieht, geht es ihr auch darum, durch Kompensa­ tionsmaßnahmen ein Level Playing Field zu gewährleisten und der Gefahr eines Rückzugs auf die nationale Ebene sowie einer Fragmentierung des Binnenmarktes entgegenzuwirken.356 Die Gesamtheit der vier Mitteilungen wird allgemein als neuer Rechtsrahmen bezeich­net. Durch ihre schnelle Reaktion auf die Krise beugte die Kommission der Gefahr vor, durch einen auf Antrag eines Mitgliedstaates hin ergehenden Ratsbeschluss gemäß Art. 108 Abs. 2 UA 3 AEUV übergangen zu werden. In jeder der vier Mitteilungen wird hervorgehoben, dass die auf Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV gestützten Beihilfemaßnahmen nur befristet zulässig sind.357 Die Kommission betont, dass staatliche Hilfen nur als erste Reak­ tion auf die Stresssituation auf den Finanzmärkten und nur solange, wie diese außergewöhnlichen Umstände vorliegen, gerechtfertigt sind. Zwar war nur die Geltungsdauer der Umstrukturierungsmitteilung ausdrücklich auf bis zum 31. Dezember 2010 angemeldete Beihilfen begrenzt.358 Aller­dings lässt 353  Risikoaktivamitteilung

(Fn. 351) Rn.  5 f. 2009 Nr. C 195, S. 9. 355  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 5. 356  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 6, 28 f., 33, 36. 357  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011, ABl. 2010 Nr. C 329, S. 7 Rn. 2. 358  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 49. 354  ABl.

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dieses Datum den Rückschluss zu, dass die Kommission bis zu diesem Zeitpunkt mit einer Überwindung der Krise rechnete.359 Daher sollten anschließend auch die übrigen drei Mitteilungen nicht mehr anwendbar sein und bei der Prüfung künftiger staatlicher Unterstützungsmaßnahmen die R&U-Leitlinien herangezogen werden. In der „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011“360 sah die Kommission die Voraussetzungen für die Genehmigung staatlicher Beihilfen nach Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV vor dem Hintergrund der erneut angespannteren Lage auf den Finanzmärkten sowie des Risikos erheblicher negativer Nebeneffekte weiterhin als erfüllt an.361 Angesichts der ausgeprägten Volatilität der Finanzmärkte und der unsicheren wirtschaftlichen Aussichten sei es gerechtfertigt, dass die Mitgliedstaaten weiterhin auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV krisenbedingte Unterstützungsmaßnahmen gewähren.362 Daher verlängerte die Kommission die Geltungsdauer der Bankenmitteilung 2008, der Rekapitalisierungsmitteilung und der Risikoaktivamitteilung sowie die Frist für die Umstrukturierungsmitteilung zunächst um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2011.363 Um den angestrebten Ausstieg364 aus den Stützungsmaßnahmen zu erreichen, wendet die Kommission nunmehr strengere Kriterien für die Vereinbarkeit staatlicher Garantien mit dem Gemeinsamen Markt an365 und weitet die Pflicht zur Vorlage eines Umstrukturierungsplans aus366. 359  Baudenbacher / Bremer,

1 JECLP 267, 275 f. (2010). 2010 Nr. C 329, S. 7. 361  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360) Rn. 5. 362  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360) Rn. 6. 363  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360) Rn. 7, 17. 364  Der Europäische Rat und das Europäische Parlament sprechen sich für die Erarbeitung von Ausstiegsstrategien aus, siehe Rn. 9 m. Fn. 1 der Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360) m. w. N. 365  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360) Rn. 10; siehe unten C.IV.8. 366  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360) Rn.  12 ff. 360  ABl.



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Im Jahr 2011 verlängerte die Kommission in der „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise ab 2012“367 die Anwendbarkeit des neuen Rechtsrahmens erneut.368 Dieses Mal sah die Kommission davon ab, die Geltungsdauer auf ein weiteres Jahr zu begrenzen und stellte lediglich klar, dass sie die Lage auf den Finanzmärkten beobachten werde und – sobald die Lage dies zulasse – auf dauerhafte Vorschriften über Rettungs- und Umstrukturierungs­beihilfen für den Bankensektor gemäß Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV hinarbeiten werde. Sie begründete die Verlängerung mit einer weiteren Verschärfung der angespannten Lage auf den Märkten für Staatsanleihen und dem infolgedessen auf die Banken in der Union ausgeübten Druck insbesondere im Hinblick auf den Zugang zu längerfristiger Finanzierung.369 Außerdem sollte die Umsetzung des von den Staats- und Regierungschefs am 26. Oktober 2011 vereinbarten „Banken­pakets“ erleichtert werden.370 Des Weiteren ergänzt und modifiziert die Kommission die früheren Mitteilungen. So führt sie eine überarbeitete Methode zur Berechnung der für Garantien zu entrichtenden Vergütung ein.371 Zudem ergänzt sie die Rekapitali­sierungs­mitteilung durch nähere Erläuterungen zur Gewährleistung einer angemessenen Vergü­ tung für Kapitalinstrumente ohne feste Rendite.372 Schließlich legt sie dar, wie die lang­fristige Rentabilität vor dem Hintergrund des Bankenpakets zu prüfen ist.373 367  ABl.

2011 Nr. C 356, S. 7. über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1.  Januar 2012 (Fn. 367) Rn. 4. 369  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2012 (Fn. 367) Rn. 3. 370  Die vorgesehenen Maßnahmen zur Wiederherstellung des Vertrauens in den Bankensektor beinhal­ten Garantien für längerfristige Finanzierungen und einen vorübergehenden Kapitalpuffer, der einer unter Berücksichtigung des Marktwerts von Staatsanleihen berechneten Eigenkapitalquote von 9 % Kapital höchster Güte entspricht, siehe Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Mitglied­ staaten der Europäischen Union, abrufbar unter http: /  / www.consilium.europa.eu / uedocs / cms_ data / docs / pressdata / de / ec / 125622.pdf. 371  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2012 (Fn. 367) Rn. 5 lit. c. 372  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2012 (Fn. 367) Rn. 5 lit. a ff. 373  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2012 (Fn. 367) Rn. 5 lit. b, 14. 368  Mitteilung

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

Die „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen ab dem 1. August 2013 auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise“374 ersetzt die ursprüngliche Bankenmitteilung 2008 und ergänzt und modifiziert die übrigen Mitteilungen. Eine wesentliche Änderung der bisherigen Vorschriften besteht darin, dass Banken grundsätzlich bereits vor der Inanspruchnahme von Rekapitalisierungen sowie Entlastungsmaßnahmen für wertgeminderte Vermögens­werte einen Umstrukturierungsplan vorlegen müssen.375 Darüber hinaus verschärft die Kommission die Anforderungen an die Erbringung eines beträchtlichen Eigenbeitrags zum Nachteil der Anteilseigner und der Inhaber nachrangiger Schuldtitel.376 4. Rechtswirkungen und Rechtsnatur von Mitteilungen und Leitlinien In den vier Mitteilungen konkretisiert die Kommission ihre Anwendung und Auslegung des Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV.377 So werden die Verwaltungspraxis vereinheitlicht sowie die Transparenz und Vorhersehbarkeit der Kommissionsentscheidungen geför­ dert, was sowohl für die betroffenen Mitgliedstaaten als auch für die Banken von enormer Bedeutung ist.378 Auch die R&U-Leitlinien dienen dem Zweck, gleichmäßige Kriterien für die Entscheidungs­ praxis festzulegen. Grundsätzlich beziehen sich Mitteilungen auf Art. 107 Abs. 1 AEUV und Leitlinien auf die Ausnahmetatbestände des Art. 107 Abs. 3 AEUV.379 Diese Terminologie wird von der Kommission aller­dings, wie der neue Rechtsrahmen zeigt, nicht durchgängig eingehalten.380 Mitteilungen und Leitlinien werden nicht vom Katalog der Rechtsquellen des Art. 288 AEUV erfasst. Ihre Rechtsnatur ist bislang noch weitgehend ungeklärt.381 Vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes und des Grundsat374  ABl.

2013 Nr. C 216, S. 1 („2. Bankenmitteilung“). Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 23, 50. 376  2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 19, 40 ff. 377  Bornkamm / Becker, ZWeR 2005, S. 213, 230; von der Groeben / Schwarze /  Mederer / van Ysendyck, Art. 87 EG Rn. 150. 378  Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 44 Rn. 19; Götz / Martínez Soria, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, H.III Rn. 138; Calliess /  Ruffert / Cremer, Art. 107 AEUV Rn. 4; vgl. Geiger / Khan / Kotzur, Art. 107 AEUV Rn. 23; Grabitz / Hilf / Nettesheim / von Wallenberg / Schütte, Art. 107 AEUV Rn. 146. 379  Koenig / Kühling / Ritter, EG-Beihilfenrecht, Rn. 203. 380  Neben Mitteilungen und Leitlinien erlässt die Kommission auch Gemeinschaftsrahmen, um ihre Ermessenspraxis zu typisieren. 381  von Danwitz, JZ 2000, S. 429, 434; Lübbig / Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 39. Pampel und Thomas charakterisieren Mitteilungen und Leitlinien als 375  2.



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 85

zes des Vertrauensschutzes bindet sich die Kommission durch Bekanntmachung von Mitteilungen und Leitlinien bei der Ausübung ihres Ermessens, soweit diese mit dem Primär- und Sekundärrecht vereinbar sind.382 Daher kommen Mitteilungen und Leitlinien den normvertretenden Verwaltungs­ vorschriften des deutschen Verwaltungsrechts nahe.383 Für den Erlass von Leitlinien und Mitteilungen durch die Kommission besteht keine ausdrückliche Rechtsgrundlage. Die Kompetenz hierzu ergibt sich aber aus Art. 107 Abs. 3 AEUV, da die Befugnis zur Einzelfallentscheidung auch die Ermächtigung beinhaltet, generelle Kriterien für die Zulässigkeit von Beihilfen in typisch gelagerten Fällen aufzustellen.384 Über Art. 107 Abs. 3 AEUV hinausgehende Ausnahmetat­bestände kann die Kommission daher nicht begründen.385 Die Rechtsprechung hat die Vorgehensweise der Kommission akzeptiert und ihre Selbst­bindung anerkannt.386 Lehnt die Kommission eine Genehmigung ab oder erteilt sie eine solche entgegen den in den Mitteilungen festgelegten Vorgaben, können sowohl der Mitgliedstaat als auch die betroffene Bank die Entscheidung im Wege der Nichtig­ keits­ klage gemäß Art. 263 AEUV vor dem EuG anfechten. Da es sich bei Mitteilungen und Leitlinien um bloßes Soft Law handelt, entfalten diese gegenüber den Gemein­schafts­ gerichten keine Bindungswirkung, so dass die Vereinbarkeit der Beihilfe mit sonstigem Gemeinschaftsrecht überprüft werden kann.387 Zudem untersuRechtsakte sui generis, siehe Pampel, EuZW 2005, S. 11, 12; Thomas, EuR 2009, S. 423, 424. 382  Ganz herrschende Meinung, so etwa Ehricke, WM Sonderbeilage Nr. 3 zu Heft 27 / 2001, S. 3, 5; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 44 Rn. 19; Schweda, in: Heidenhain, European State Aid Lizsaw, § 14 Rn. 26 f.; Calliess / Ruffert / Cremer, Art. 107 AEUV Rn. 4; Geiger / Khan / Kotzur, Art. 107 AEUV Rn. 23; Schröter / Jakob / Klotz / Mederer, Art. 107 AEUV Rn. 219. A.  A. Schütterle, EuZW 1995, S. 391, 394, 396; zweifelnd Bleckmann, Europarecht, Rn. 2072. 383  von Danwitz, JZ 2000, S. 429, 434; vgl. Koenig / Kühling, NJW 2000, S. 1065, 1071. 384  Thomas, EuR 2009, S. 423, 424; Herrmann-Strobelt, Die Gewährung von Beihilfen für Unterneh­ men in Schwierigkeiten, S. 121; Götz / Martínez Soria, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschafts­rechts, H.III Rn. 138; Schweda, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 14 Rn. 33. 385  EuGH vom 24.02.1987, Rs.  310 / 85, Slg.  1987, 901 Rn. 22 Deufil / Kommis­ sion. 386  EuG vom 30.04.1998, Rs.  T‑214 / 95, Slg.  1998, II‑717 Rn. 79 Vlaamse Gewest / Kommission; EuGH vom 05.10.2000, Rs.  C‑288 / 96, Slg.  2000, I‑8237 Rn. 62 Deutschland / Kommission; EuGH vom 13.02.2003, Rs.  C‑409 / 00, Slg.  2003, I‑1487 Rn. 69 Spanien / Kommission. 387  Arhold, EuZW 2008, S. 713, 717; Schweda, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 14 Rn. 42.

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chen die Gerichte, ob die Kommission von ihrer Verwaltungspraxis abgewichen ist, ohne dass ein atypischer Fall vorliegt.388 Auch die mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichte werden durch die Mitteilungen und Leitlinien der Kommission nicht gebunden. Eine Pflicht zur Beachtung dieser Regelungs­instrumente ergibt sich insbesondere nicht aus dem Grundsatz der Gemein­schafts­treue nach Art. 4 Abs. 3 EUV389, der unter Berücksichtigung des Art. 288 AEUV auszulegen ist.390 Ansonsten könnte die Kommission trotz fehlender Ermächtigung zum Erlass von Verordnungen über Leitlinien und Mitteilungen auf nationaler Ebene unmittelbar anwendbares Recht setzen.391 Zudem würde in die Auslegungshoheit des EuGH eingegriffen, soweit die Mitgliedstaaten die Mitteilungen und Leitlinien auch dann beachten müssten, wenn sie mit der Auslegung des EU‑Rechts durch den EuGH unvereinbar wären.392 Dennoch erlangen sie für die mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichte insoweit Bedeutung, als sie zur Gewährleistung einer im Gemeinschafts­interesse liegenden einheit­ lichen Auslegung des EU‑Rechts als Auslegungsmittel zu berücksichtigen sind.393 Das bloße Abweichen von den Vorgaben der Kommission führt allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit einer Entscheidung über die Beihilfegewährung. Vielmehr ist hierfür eine falsche Auslegung des Primär- oder Sekundärrechts erforderlich.394 Jedoch kann eine solche unter Umständen unter Heranziehung der Mitteilungen und Leitlinien ermittelt werden.

388  Vgl. EuG vom 30.01.2002, Rs. T‑35 / 99, Slg. 2002, II‑261 Rn. 77 Keller / Kommission; EuG vom 01.12.2004, Rs.  T‑27 / 02, Slg.  2004, II‑4177 Rn. 79 Kronofrance / Kommission. 389  So Bahr / Loest, EWS 2002, S. 263, 271; Schweda, WuW 2004, S. 1133, 1142 f. 390  Vgl. Pampel, EuZW 2005, S. 11, 12 f.; i. E. Pohlmann, WuW 2005, S. 1005, 1009. 391  Thomas, EuR 2009, S. 423, 435; vgl. EuGH vom 30.09.1987, Rs.  229 / 86, Slg. 1987, 3757 Brothers Industries u. a. / Kommission. 392  Thomas, EuR 2009, S. 423, 435 f. 393  Im Schrifttum wird dies häufig als faktische Bindungswirkung bezeichnet, siehe etwa Geiger, EuZW 2000, S. 325; Jestaedt / Häsemeyer, EuZW 1995, S. 787, 791; Pampel, EuZW 2005, S. 11, 12; Pohlmann, WuW 2005, S. 1005, 1008. 394  Thomas, EuR 2009, S. 423, 435 f.



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 87

5. Anwendungsbereich des neuen Rechtsrahmens a) Beschränkung der Anwendbarkeit auf den Finanzsektor Der Anwendungsbereich der Mitteilungen ist auf Finanzinstitute395 begrenzt. So stellt die Kommission in der Bankenmitteilung 2008 klar, dass Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV nicht anwendbar ist, wenn es in anderen Branchen zu einer Krisensituation kommt, aber kein vergleichbares Risiko einer unmittelbaren Auswirkung auf die Gesamtwirtschaft eines Mitgliedstaates besteht.396 Am 17. Dezember 2008 erließ sie dennoch, gestützt auf Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV, den vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise397, welcher die Grundlage für Beihilfen zugunsten der Realwirtschaft bildet. Unter Berücksichtigung des mit dem neuen Rechtsrahmen verfolgten Zwecks, die Finanzmarktstabilität wiederherzustellen, ist der Begriff des „Finanzinstituts“ weit auszulegen. Erfasst sind alle Institute des Finanzsektors, deren Zusammenbruch sich negativ auf die Finanzmarktstabilität auswirken könnte,398 also auch Investment­ banken399 sowie Versicherungsge400 sellschaften . Wegen der eigentumsrechtlichen Neutralität des AEUV gelten die Beihilfevorschriften und damit auch die Mitteilungen unabhängig davon, ob ein Kreditinstitut in privatem oder öffentlichem Eigentum steht.401 b) Erfordernis der Systemrelevanz Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob der Anwendungsbereich des neuen Rechtsrahmens ausschließlich für systemrelevante Finanz­ institute eröffnet ist und dadurch kleinere Finanzinstitute nicht erfasst sind. 395  Als Synonyme verwendet die Kommission in den Mitteilungen die Begriffe Banken und Kreditan­ stalten, vgl. Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 2 m. Fn. 3. 396  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 11. 397  ABl. 2009 Nr. C 83, S. 1, geringfügig geändert durch ABl. 2009 Nr. C 261, S. 2 und ABl. 2009 Nr. C 303, S. 6. Das Regelwerk soll die Banken veranlassen, der Realwirtschaft Kredite zu gewäh­ren und so das für Investitionen, Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen erforderliche Umfeld herstellen. Umfassend hierzu Soltész / von Köckritz, EuZW 2010, S. 167. 398  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 276 (2010). 399  KOM vom 12.05.2010, K (2010) 3124 slutlig Omstruktureringsstöd till Carnegie Investment Bank. 400  KOM vom 17.08.2010, C (2010) 5740 final Restructuring Aid to AEGON. 401  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 14.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

Ausgangspunkt der Untersuchung bildet eine Analyse des nebulösen Begriffs der Systemrelevanz. Die Kommissionsmitteilungen enthalten sich diesbezüglich jeglicher näheren Definition. Auch soweit sich internationale Organisationen mit dem Problem der Systemrelevanz befassen, stellen diese fest, dass die meisten G-20 Staaten keine formale Definition des Begriffs verwenden.402 Fehlt es auch an einer offiziell anerkannten, trennscharfen Formel, gelten als systemrelevant gemeinhin jedenfalls solche Institute, deren Insolvenz zu erheblichen negativen Folgeeffekten bei anderen Instituten und zu einer Instabilität des gesamten Finanzsystems führen kann.403 Die Schwierigkeiten einer Definition beruhen unter anderem darauf, dass die Bewertung eines Kreditinstituts als systemrelevant – wie bereits anhand des Begriffs selbst deutlich wird – nicht nur von deren individuellen Eigenschaften, sondern zugleich vom ge­samten System abhängt. Deshalb ist die Systemrelevanz einer Bank situationsbezogen zu verstehen und äußeren Umständen, insbesondere dem ökonomi­schen Umfeld, maßgebliche Bedeutung beizumessen.404 Daher können unter entsprech­ enden Gegebenheiten alle Banken als systemrelevant bewertet werden.405 In der Finanzkrise kann bereits die Insolvenz kleinerer Institute destabilisierende Effekte hervor­ rufen, etwa indem ein Bank Run verursacht wird.406 Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des neuen Rechtsrahmens auf system­ rele­ vante Banken wäre zwingend, wenn Art. 107 Abs. 3 lit. b Var. 2 AEUV, der von der Kommission als Rechtsgrundlage hierfür heran402  International Monetary Fund, Bank for International Settlements, Financial Stability Board, Report to G20 Finance Ministers and Governors, Guidance to Assess the Systemic Importance of Financial Institutions, Markets and Instruments: Initial Considerations, 28.10.2009, Rn. 5, abrufbar unter http: /  / www.bis.org / publ /  othp07.pdf. 403  Vgl. Financial Stability Board, Reducing the moral hazard posed by systematically important institutions, FSB Recommendations and Time Lines, 20.10.2010, S. 1, abrufbar unter http: /  / www.financialstabilityboard.org / publications / r_101111a. pdf. Zu weiteren Definitionsansätzen siehe Schneider, ZRP 2009, S. 119; Zimmer / Fuchs, ZGR 2010, S. 597, 601 f. Vgl. auch die Definition der BaFin in Art. 6 Abs. 3 S. 1 der Richtlinie zur Durchführung und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundesbank (Aufsichtsrichtlinie) i. d. F. vom 21.02.2008. 404  Günther, WM 2010, S. 825, 826. 405  Vgl. International Monetary Fund, Bank for International Settlements, Financial Stability Board, Report to G20 Finance Ministers and Governors, Guidance to Assess the Systemic Importance of Financial Institutions, Markets and Instruments: Initial Considerations, 28.10.2009, Rn. 8 abrufbar unter http: /  / www.bis.org / publ /  othp07.pdf. So gibt es nach Becker / Mock, DB 2009, S. 1055, 1059 und Mann, DZWIR 2008, S. 469 f., in Deutschland keine system-unrelevanten Institute. 406  Vgl. Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 276 (2010); Luja, EStAL 2009, S. 145, 147 f.



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 89

gezogen wird, eine solche Beschränkung vorgibt. Nach dieser Vorschrift können Beihilfen zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaates gewährt werden. Dies könnte man dahingehend auslegen, dass die Insolvenz der zu unterstützenden Bank eine solche beträchtliche Störung erst verursachen muss.407 Dann wäre das Merkmal der System­relevanz notwendige Voraussetzung für das Eingreifen des Rechtferti­ gungs­­grun­des. Allerdings erlaubt Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV gerade Beihilfen zur Behebung einer beträchtlichen Störung, so dass gerade nicht erforderlich ist, dass eine solche durch die Versagung der staatlichen Unterstützung erst herbeigeführt würde. Vielmehr genügt es, dass ein entsprechender Zustand bereits eingetreten ist. Eine beträchtliche Störung, die es zu beseitigen gilt, liegt in Gestalt der globalen Finanz- und Wirtschafts­krise vor. Solange die Krise ein solches Ausmaß besitzt, dass alle Institute als systemrelevant zu betrachten sind, erfasst Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV staatliche Hilfen zugunsten sämtlicher Institute. Nimmt die Intensität der Krise jedoch dergestalt ab, dass auf der einen Seite zumindest nicht mehr alle kleineren Banken systemrelevant sind, auf der anderen Seite aber noch eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben vorliegt und damit die Tatbestandsvoraussetzungen der Ausnahmebestimmung noch erfüllt sind, lässt Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV nicht die Unterstützung sämtlicher Institute zu. Dies gebietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, nach dem die staatliche Hilfe geeignet sein muss, die beträchtliche Störung zu beheben. Es bedarf einer näheren Betrachtung, ob die Kommission diese recht­ lichen Vorgaben auch in ihren Stellung­nahmen und in der Praxis einhält. In den Mitteilungen findet sich keine ausdrückliche Beschränkung auf systemrelevante Banken. In diese Richtung deutet aber der in der Bankenmitteilung 2008 enthaltene Hinweis, dass Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV nur herangezogen werden könne, wenn die gesamte Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte auf dem Spiel steht.408 Die von der Kommission vorgenommene Charakterisierung der Bankenmitteilung 2008 als „Leitfaden zu den Kriterien für die Vereinbarkeit allgemeiner Regelungen, konkreter Anwendungsfälle und system­relevanter Ad-hoc-Maßnahmen mit dem EG-Vertrag“409 bietet keinen Aufschluss.410 Auf einen Verzicht auf das Merkmal der Systemrelevanz könnte schließen lassen, dass Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV nach Auffassung der Kommission als Rechtsgrundlage „für Beihilfen, die in Form einer allLuja, EStAL 2009, S. 145, 147. 2008 (Fn. 191) Rn. 11; Rat der Europäischen Union, Mitteilung an die Presse, 2894. Tagung des Rates Wirtschaft und Finanzen, 13784 / 08 (Presse 279), 07.10.2008, S. 6, abrufbar unter http: /  / www.consilium.europa.eu / ue Docs / cms_Data / docs / pressdata / de / ecofin / 103560.pdf. 409  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 5. 410  Vgl. Drijber / Burmester, Ondernemingsrecht 2009, S. 577, 579 m. Fn. 31. 407  Vgl.

408  Bankenmitteilung

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

gemeinen Regelung, die mehreren oder allen Finanzinstituten in einem Mitgliedstaat offen steht, gewährt werden,“411 herangezogen werden kann. Diese Formulierung könnte dahingehend verstanden werden, dass es den Mitgliedstaaten offensteht zu entscheiden, ob sie in ihren Rettungspaketen nur Unter­stützungs­maßnahmen für systemrelevante oder für alle und damit auch für kleinere, nicht systemrelevante Kreditinstitute vorsehen. Als weiteres Indiz gegen eine Beschränkung der Mitteilungen auf systemrelevante Banken lässt sich die Stellungnahme anführen, es sei „willkürlich, im Falle von Mitgliedstaaten, die zugunsten ihres gesamten Bankensektors oder systemrelevanter Banken intervenieren, Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b anzuwenden, die Rettung klei­ner Banken aber weiterhin auf der Basis von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c zu bewerten“412 und somit den Maßstäben der strengeren R&U-Leitlinien zu unterwerfen. Entscheidend gegen diese Deutung spricht jedoch, dass die Kommission die Systemrelevanz eines Kreditinstituts im Einzelfall prüft. Mit den soeben genannten Äußerungen bringt die Kommission lediglich zum Ausdruck, dass in der Krise auch kleinere Banken zu unterstützen sind und nicht, dass diese nicht als systemrelevant einzustufen sind. Die Beantwortung der Frage, wie weit der Anwendungsbereich des neuen Rechtsrahmens reicht, verliert bei Analyse der Kommissionsentscheidungen jedoch an Bedeutung. Soweit ersichtlich, hat die Kommission das Merkmal der Systemrelevanz noch nie verneint. So hat sie zum Beispiel die regional tätige Fiona Bank mit einem Bilanzvolumen von lediglich 4,4 Mrd. Euro und das dänische Institut Roskilde mit einer Bilanzsumme von ca. 5 Mrd. Euro als systemrelevant eingestuft.413 In diese Reihe gesellt sich auch die Kauphting Bank, die über ein Bilanzvolumen in Höhe von 2,3 Mrd. Euro und 23.000 Einleger verfügt.414 Den politischen Verantwortungsträgern kann die großzügige Entscheidungspraxis der Kommission durchaus Anreize zu übertriebener Beihilfegewährung geben: Werden Banken durch Beihilfen begünstigt, obwohl deren Insolvenz keine Auswirkungen auf die Wirtschaft gehabt hätte, bleibt diese Fehleinschätzung verborgen. Unterlässt die Regierung dagegen die Unterstützung eines 411  Bankenmitteilung

2008 (Fn. 191) Rn. 9 – eigene Hervorhebung. vom 08.04.2009, KOM (2009) 164, S. 11, Bericht der Kommission, Anzeiger für staatliche Beihilfen – Frühjahrsausgabe 2009 – Sonderausgabe „Staatliche Beihilfen in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise“, KOM (2009) 164, S. 11, abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competi tion / state_aid / studies_reports / archive / 2009_spring _de.pdf. So auch Quardt / Lipinsky, BRZ 2009, S. 63, 68. 413  KOM vom 05.11.2008, C (2008) 6498 in der Sache NN 39 / 2008 Rn. 77 Aid for liquidation of Roskilde Bank; KOM vom 20.05.2009, C (2009) 4027 final in der Sache NN 23 / 2009 Rn. 2, 44 f. Fiona Bank. 414  KOM vom 09.07.2009, C (2009) 5640 final in den Sachen N  344 / 2009, N  380 / 2009 Rn. 54 f. Restructuring Aid for Kauphting Bank Luxembourg. 412  KOM



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 91

Finanzinstituts und ergeben sich daraus wie im Fall Lehman Brothers schwerwiegende Folgen, fallen diese auf die Verantwortungs­träger zurück. 6. Neuerungen gegenüber den R&U-Leitlinien Die Mitteilungen des neuen Rechtsrahmens basieren auf den Grundsätzen der R&U-Leitlinien, welche die Kommission für Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV an einigen Stellen modifiziert.415 Anders als in den R&U-Leitlinien formuliert die Kommission in den Mitteilungen die Genehmigungsvoraussetzungen für allgemeine Regelungen und nicht für ad-hoc-Maßnahmen.416 Die dargelegten Kriterien finden aber dennoch auf allge­meine Regelungen, konkrete Anwendungsfälle und ad-hoc-Maßnahmen gleicher­ maßen Anwendung.417 Des Weiteren lassen die Mitteilungen die Gewährung von Rettungs­bei­hilfen in Gestalt umfassender struktureller Maßnahmen zu. So können in Anbetracht der Krise außergewöhnliche Maßnahmen wie strukturelle Soforthilfen genehmigt werden.418 Die wichtigsten strukturellen Maßnah­men sind Rekapitalisierungen419, Entlastungsmaßnahmen für wertgeminderte Vermö­ gens­ werte420 und die kontrollierte Abwicklung421. Der größte Vorteil bestand dabei ursprünglich darin, dass Banken strukturelle Maßnahmen treffen durften, ohne zuvor einen Umstrukturierungsplan vorlegen zu müssen.422 Dies bedeutete jedoch nicht, dass die Kommission auf eine Überprüfung der staatlichen Hilfen verzichtete. Vielmehr wurden die individuellen Rettungsmaßnahmen regelmäßig nur für eine begrenzte Dauer genehmigt und eine Verlängerung der Unterstützung von der Entscheidung über den Umstrukturierungsplan abhängig gemacht.423 Die Kommission praktizierte folglich keine umfassende ex ante-Kontrolle mehr, sondern eine dauerhafte Überprüfung.424 Mit der 415  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 10, 14 m. Fn. 1, 32, 42, 49, 52; Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 44; Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 49; Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 5. 416  Vgl. Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 4. 417  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 5. 418  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 10. 419  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 34 ff., 2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn.  28 ff.; Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348). 420  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351). 421  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 43 ff.; 2. Bankenmitteilung (Fn. 373) Rn.  65 ff. 422  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 274 (2010). 423  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 279 (2010). 424  Der geänderte Ansatz der Kommission zeigt sich auch an den in den Mitteilungen vorgesehenen zeitlichen Beschränkungen staatlicher Unterstützungsmaßnahmen, siehe unten C.IV.7.b).

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

2. Bankenmitteilung verlangt die Kommission nunmehr vor Inanspruchnahme einer Rekapitalisierung oder einer Entlastungsmaßnahme für wertgeminderte Vermögenswerte grundsätzlich die Vorlage eines Umstrukturierungsplans.425 Diese Praxis ist den veränderten Marktbedingungen geschuldet, unter denen die Institute regelmäßig nicht mehr auf strukturelle Maßnahmen, die allein aufgrund einer vorläufigen Würdigung genehmigt werden, angewiesen sind.426 Die Kommission bezweckt mit dem neuen Ansatz, die Höhe der Beihilfe genauer an den Bedarf anzupassen, die Ursachen für die Probleme der Banken zu einem früheren Zeitpunkt zu ermitteln und zu beheben sowie für Finanzstabilität zu sorgen. Darüber hinaus mussten die Mitgliedstaaten nach den Bestimmungen des neuen Rechts­ rahmens für grundsätzlich gesunde Banken zunächst in der Regel keinen Umstruktu­rierungsplan427, sondern lediglich eine Rentabilitätsanalyse vorlegen und keine umfang­ reichen Umstrukturierungsmaßnahmen treffen.428 In der „Mitteilung über die Anwen­ dung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011“ wurde die Privile­gierung grundsätzlich gesunder Finanzinstitute allerdings aufgegeben, so dass regel­ mäßig alle Banken einen Umstrukturierungsplan vorzulegen haben.429 Der Umstruktu­rierungs­umfang bestimmt sich dieser Mitteilung zufolge nach der besonderen Lage der Bank, dem Maß, in dem eine Umstrukturierung für die Wiederher­stellung der Rentabilität ohne weitere staatliche Hilfen erforderlich ist, und dem Aspekt, ob bereits staatliche Unterstützungsmaßnahmen in Anspruch genommen wurden.430 425  2.

Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 23, 50. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 23. 427  Auch grundsätzlich gesunde Kreditinstitute mussten ausnahmsweise einen Umstrukturierungsplan vorlegen, wenn sie von wertgeminderten Vermögenswerten entlastet wurden und bereits Beihilfen zur Deckung oder Vermeidung von Verlusten erhalten hatten (ausgenommen der Beteiligung an einer Garantieregelung) oder die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen mehr als 2 % der gesamten risikogewichteten Vermögenswerte der Bank ausmachten, siehe Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 55, Umstrukturierungsmitteilung i. d. F. 2009 (Fn. 354) Rn. 4 m. Fn. 4. Zudem war ein Umstrukturierungs­ plan erforderlich, wenn Banken, die ursprünglich als grundsätzlich gesund eingestuft worden waren, nach der Rekapitalisierung in Schwierigkeiten gerieten, Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 42. 428  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 14, 33, 35; Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 13 ff., 40, 42 ff.; Risikoaktivamitteilung i. d. F. 2009 (Fn. 351) Anhang V; Umstrukturierungsmitteilung i. d. F. 2009 (Fn. 354) Rn. 4 m. Fn. 4. 429  Näher hierzu siehe unten C.IV.7.c). 430  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360) Rn. 15. 426  2.



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 93

Des Weiteren gewährt die Kommission den Mitgliedstaaten nun einen längeren Zeit­ raum zur Umsetzung struktureller Maßnahmen. Im neuen Rechtsrahmen darf die Umstruktu­ rierungs­ periode nicht wie vormals nur zwei bis drei, sondern fünf Jahre dauern.431 Ferner sind die in den Mitteilungen vorgesehenen Zeiträume für die Dauer von Rettungs­beihilfen großzügiger bemessen als in den R&U-Leitlinien, nach denen Rettungsbeihilfen lediglich für sechs Monate genehmigt werden dürfen432. So war nach der Bankenmitteilung 2008 die Gewährung von Garantien433 und Rekapitalisierungen434 für bis zu zwei Jahre zulässig, wobei eine weitere Verlängerung in Betracht kam, wenn das Fortbestehen der Finanzkrise dies erforderlich machte. Diese Zeitrahmen hat die Kommission in der 2. Bankenmitteilung jedoch wieder reduziert.435 Wie die R&U-Leitlinien436 verlangen auch die Mitteilungen437 einen erheblichen Eigen­bei­trag des Begünstigten. Allerdings verzichtet die Kommission nunmehr auf die Festlegung bestimmter Schwellenwerte ex ante438 und lässt geringere Beitragshöhen als unter Anwendung der R&U-Leitlinien genügen. Zudem sind nach der Umstruktu­rie­rungs­mitteilung auch zeitlich begrenzte Ausnahmen vom Gebot der angemessenen Lasten­ teilung zulässig.439 Wegen der oft bestehenden Eilbedürftigkeit staatlicher Hilfsmaßnahmen hat die Kommission Vorkehrungen getroffen, um schnell – notfalls sogar innerhalb von einem Wochen­ende oder nur 24 Stunden – über Anmeldungen entscheiden zu können.440 Nach den R&U-Leitlinien dauerte selbst das vereinfachte Verfahren, dessen Zulässigkeit zudem von der Einhaltung bestimmter Betragsobergrenzen abhing, mindestens einen Monat, so dass im Vergleich zur früheren Praxis eine erhebliche Beschleunigung stattge­funden hat. Das nun eingeführte Fast Track-Verfahren ermöglicht die Genehmi­gung von Beihilfen durch ein aus vier Kommissaren bestehendes Gremium, wohin­gegen der Beschluss ursprünglich von allen 27 Kommissaren gefasst 431  Umstrukturierungsmitteilung

(Fn. 354) Rn. 15. (Fn. 17) Rn. 43. 433  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 24. 434  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 35. 435  Siehe unten C.IV.7.b). 436  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 43. 437  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn.  22  ff.; Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 31 ff.; Risiko­aktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 21 ff.; Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn.  22 ff. 438  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 24. 439  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 25. 440  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 53. 432  R&U-Leitlinien

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

werden musste.441 Zudem wurden die an die Notifizierung gestellten sprachlichen Anforderungen vereinfacht.442 Infolge dieser Entwicklungen gelang es der Kommission, das britische Rettungspaket443 sowie die im Fall Bradford & Bingley444 beantragten Unterstützungs­maßnahmen innerhalb von 24 Stunden zu genehmigen. Auch die staatlichen Hilfen für die Hypo Real Estate445 sowie das irische Rettungspaket446 wurden innerhalb weniger Tage für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt. Rasche Entscheidungen sind zwar in der Regel mit einer geringeren Prüfungsdichte verbunden, als Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist dies aber in Kauf zu nehmen, wenn die übliche Prüfung zu Schäden führen kann, die im Vergleich zu den Vorteilen der genaueren Prüfung außer Verhältnis stehen.447 7. Allgemeine Voraussetzungen für staatliche Unter­stützungs­maßnahmen Trotz der harmonisierenden Wirkung der Mitteilungen divergieren die nationalen Rettungspakete zum Teil erheblich voneinander.448 Die Ursache hierfür liegt insbe­ sondere in dem weiten Gestaltungs­ spielraum, den die Bestimmungen den Mitglied­staaten belassen. So zeichnen sich die an die einzelnen Unter­ stützungs­ maßnahmen zu stellenden Anforderungen durch enorme Flexibilität aus. Oftmals sehen die Mitteilungen anstelle zwingender Regelungen nicht abschließende Aufzählungen mög­licher Kriterien vor, die bei der Prüfung positiv zu bewerten sein sollen, und ermöglichen den Mitgliedstaaten hierdurch, ihre Rettungspakete nach ihren indivi­duellen Bedürfnissen zu formen. Überdies enthalten die Rettungspakete regelmäßig nicht alle, sondern nur einige der verschiedenen Arten möglicher Beihilfemaßnahmen. Im Folgenden sollen die bei allen Unterstützungsmaßnahmen zu beachtenden Prinzipien näher betrachtet werden. 441  Soltész, Börsen-Zeitung vom 15.10.2008, S. 2; vgl. Kroes, Dealing with the Current Financial Crisis, Speech / 08 / 489, 06.10.2008, abrufbar unter http: /  / europa. eu / rapid / pressReleasesAction.do?reference=SPEECH / 08 / 498. 442  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 275 (2010). 443  KOM vom 13.10.2008, C 2008 (6058) in der Sache N 507 / 2008 Financial Support Measures to the Banking Industry in the UK. 444  KOM vom 01.10.2008, C (2008) 5673 final in der Sache NN 41 / 2008 Bradford & Bingley. 445  KOM vom 02.10.2008, K (2008) 5735 in der Sache NN 44 / 2008 Hypo Real Estate. 446  KOM vom 13.10.2008, C (2008) 6059 in der Sache NN 48 / 2008 Guarantee scheme for banks in Ireland. 447  Jestaedt / Wiemann, WuW 2009, S. 606, 610. 448  Arhold, EuZW 2008, S. 713, 715; Zimmer / Blaschczok, 1 ECLR 9, 13 (2011).



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 95

a) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Einige Prinzipien gelten für alle Formen staatlicher Unterstützung. Dazu gehören der Grundsatz der Nichtdiskriminierung449 sowie das Verhältnismäßigkeitsprinzip450. Letzteres besagt, dass staatliche Hilfen zunächst geeignet sein müssen, eine beträchtliche Störung des Wirtschaftslebens zu beseitigen. Zudem müssen sie notwen­dig sein, das heißt sie dürfen zeitlich und betragsmäßig nicht über das zur Erreichung des Ziels erforderliche Mindestmaß hinausgehen. Ferner müssen sie verhältnismäßig im engeren Sinne sein, es muss also ein angemessener Ausgleich zwischen den betroffenen Gemeinschaftsinteressen hergestellt werden. Insbesondere sind die durch die Maßnah­men hervorgerufenen positiven Wirkungen und die damit einhergehenden Wettbewerbs­ ver­ fälschungen in Ausgleich zu bringen. Spezielle Ausformungen des Verhältnismäßig­keits­prinzips stellen neben der Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität der Eigenbeitrag des Privatsektors sowie die Vermeidung unangemessener Wettbewerbs­ver­zerrungen dar. aa) Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität Im Umstrukturierungsplan, den die Mitgliedstaaten der Kommission in der Regel bereits vor Gewährung einer Rekapitalisierung oder einer Entlastungsmaßnahme für wertgeminderte Vermögenswerte vorzulegen haben,451 muss dargelegt werden, wie die begünstigte Bank schnellstmöglich langfristige Rentabilität ohne staatliche Unterstützung wiedererlangen soll.452 Bereits vor der Übermittlung des Umstrukturierungsplans oder als Teil des Umstruktierungsplans haben der Mitgliedstaat und das Institut einen von der Aufsichtsbehörde genehmigten Kapitalbeschaffungsplan einzureichen.453 Dieser soll unter anderem die vom Beihilfeempfänger beabsichtigten Kapitalbeschaffungsmaßnahmen und die Maßnahmen zur Lastenverteilung auf die Anteilseigner und die nachrangigen Gläubiger beinhalten. Nach Vorlage des Kapitalbeschaffungsplans, einer Qualitätsüberprüfung der Bankenaktiva und einer Bewertung der künftigen Kapitaladäquanz hat der Mitgliedstaat die verbleibende Kapitallücke zu bestimmen, die mittels Beihilfen gedeckt werden soll.454 Insoweit muss er der Kommission einen Umstruktuierungs449  Bankenmitteilung

2008 (Fn. 191) Rn. 16, 18, 35, 37, 40, 49. 2008 (Fn. 191) Rn. 15. 451  Garantien kann die Kommission bereits vor Übermittlung eines Umstrukturierungsplans gewähren, 2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 56. 452  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 4, 9. 453  2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 29, 32. 454  2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 30, 34. 450  Bankenmitteilung

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

plan übermitteln. Dabei soll er auf die Ursachen für die Schwierigkeiten des Kreditinstituts eingehen und erläutern, wie die Probleme durch die vorgeschlagenen Umstrukturierungsmaßnahmen beseitigt werden können.455 In welchem Umfang eine Umstrukturierung erforderlich ist, bestimmt sich nach der besonderen Lage der Bank, dem Maß, in dem eine Umstrukturierung für die Wiederherstellung der Rentabilität ohne weitere staatliche Hilfen erforderlich ist, und dem Aspekt, ob bereits staatlichen Unterstützungsmaßnahmen in Anspruch genommen wurden.456 Nach der Umstrukturierungsmitteilung ist langfristige Rentabilität erreicht, wenn das Kreditinstitut in der Lage ist, alle Kosten inklusive Abschreibungen und Finanzierungskosten zu decken, und unter Berücksichtigung des Risikoprofils eine angemessene Eigenkapital­rendite erwirtschaftet.457 Zu diesem Zweck müssen für gewöhnlich erhebliche Änderungen des Geschäftsmodells vorgenommen werden. Einen wesentlichen Bestandteil des Umstrukturierungsplans bildet der Stresstest, bei dem die langfristige Rentabilität des Geschäftsmodells sowohl in einem Base-Case-Szenario als auch in einem Worst-Case-Szenario untersucht wird.458 bb) Eigenbeitrag des Privatsektors beziehungsweise des Begüns­tigten Das in allen vier Mitteilungen aufgegriffene Kriterium des Eigenbeitrags verlangt, dass die mit der Unterstützungsmaßnahme verbundenen Kosten zwischen Staaten, Banken und Anteilseignern geteilt werden. Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, sicherzu­ stellen, dass die Begünstigten beziehungsweise der Bankensektor einen beträchtlichen Eigenbeitrag leisten.459 Hierdurch wird der landläufige Vorwurf, dass Finanzinstitute ihre Gewinne aus guten Zeiten einbehalten und ihre Verluste in schlechten Zeiten sozialisieren, entkräftet.460 Die mit dem Eigenbeitragserfordernis verfolgten Ziele bestehen darin, die staatliche Hilfe hinsichtlich Höhe und Intensität auf das unum­gängliche Mindestmaß zu reduzieren, die Banken für ihr Verhalten zur Verantwortung zu ziehen und das Vertrauen der Märkte in die langfristige 455  Umstrukturierungsmitteilung

(Fn. 354) Rn. 10. über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360). 457  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 13. 458  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 7. 459  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 25 f., 38 f.; 2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 15 ff., 40 ff.; Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 31 ff.; Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 21 ff.; Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn.  22 ff. 460  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 277 (2010). 456  Mitteilung



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Lebensfähigkeit wieder­herzustellen.461 Um der Anforderung eines angemessenen Eigenbeitrags zu genügen, soll der betroffene Mitgliedstaat von dem unterstützten Finanzinstitut oder dem Finanzsektor ein angemessenes Entgelt für die Gewährung einer Unterstützungs­maßnahme verlangen, das einem fiktiven Marktpreis so weit wie möglich angenähert sein sollte.462 Für den Fall, dass die Begünstigten nicht in der Lage sind, das Entgelt von Anfang an in voller Höhe zu entrichten, können Claw-Back-Klauseln eingeführt werden, die eine höhere Vergütung als die ursprüngliche festlegen.463 Zusätzlich oder alternativ können weitere Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen werden, um die Wettbe­werbs­verzerrungen zu begrenzen.464 Außerdem sollen in der Umstrukturierungs­phase keine Dividenden ausgeschüttet und keine Kupons auf bestehende nachrangige Verbindlichkeiten gezahlt werden, wenn die Geschäfte keinen ausreichenden Profit erbringen.465 Ferner dürfen grundsätzlich weder eigene Anteile zurückgekauft noch bestehende Call-Optionen auf Tier 1 und Tier 2-Kapitalinstrumente ausgeübt werden.466 Mit der 2. Bankenmitteilung hat die Kommission die an die Lastenteilung zu stellenden Anforderungen verschärft. Insbesondere müssen nunmehr auch nachrangige Gläubiger einen Beitrag zur Rettung des betroffenen Instituts leisten.467 cc) Ausgleichsmaßnahmen zur Vermeidung unverhältnis­mäßiger Wettbewerbsverzerrungen Kreditinstitute, denen Beihilfen gewährt werden, haben einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen, nicht unterstützten Instituten. Um ein Level Playing Field zu bewahren und die Gefahren von Missbräuchen sowie eines Moral Hazard zu bekämpfen, müssen Wettbewerbsverzerrungen so weit wie 461  Baudenbacher / Bremer,

1 JECLP 267, 277 (2010). 2008 (Fn. 191) Rn. 26, 39. 463  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 26, 39; Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 24; Umstrukturie­rungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 25. 464  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 25; Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 25. 465  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 26. 466  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 26; MEMO / 09 / 441, State aid: Commission recalls rules concerning Tier 1 and Tier 2 capital transactions for banks subject to a restructuring aid investiga­tion, 08.10.2009, abrufbar unter http: /  / europa. eu / rapid / pressReleasesAction.do?reference=MEMO / 09 / 441&format=HTML&aged =0&language=EN&guiLanguage=en. 467  2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 17 ff. Koenig und Soltész haben vor Einführung dieser Regelung das Bestehen einer regulatorischen Asymmetrie in der Lastenteilung zwischen den verschiedenen Anteilseignern kritisiert, WM 2013, S. 145, 147. 462  Bankenmitteilung

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

möglich verringert werden.468 Dazu dienen Kompensationsmaßnahmen, die sowohl in Verhaltens­maßregeln als auch in strukturellen Maßnahmen bestehen können. In welchem Umfang Ausgleichsmaßnahmen erforderlich sind, richtet sich nach dem Ausmaß der Wettbe­werbsverzerrungen. Als Verhaltensmaßregeln kommen beispielsweise das Verbot, günstigere Konditionen als Wettbewerber anzubieten469, Expansions­be­schränkungen470, das Verbot der Akquisition von Wettbewerbern471, Werbeverbote472 und das Verbot von Aktienrückkäufen durch die begünstigte Bank473 in Betracht. Strukturelle Maßnahmen stellen etwa Begrenzungen der Bilanzsumme474 sowie Veräußerungen von Tochtergesellschaften, Kundenportfolios oder Geschäftsbereichen oder die Veräußerung oder Schließung von Niederlassungen475 dar. b) Zeitliche Begrenzung staatlicher Unterstützungsmaßnah­men Beim neuen Rechtsrahmen handelt es sich um ein vorübergehendes Regelwerk. Dies zeigt schon seine befristete Geltungsdauer.476 Die zeitliche Beschränkung staatlicher Hilfen wurde zunächst dadurch sichergestellt, dass nach der Bankenmitteilung 2008 die Geltungsdauer von Garantien477 und Rekapitalisierungen478 grundsätzlich auf zwei Jahre begrenzt waren. Erfolgte die Beihilfegewährung durch Garantien, die Verbindlichkeiten bis zu einem Fälligkeitstermin nach Ablauf dieser maximalen Begebungsfrist deckten, waren zusätzliche Schutzmaßnahmen zu treffen, um unangemessene Wettbewerbsver­ zer­ rungen zu verhindern. Zu diesem Zweck kamen etwa Begebungsfristen von weniger als zwei Jahren, abschreckende Entgeltbedingungen oder angemessene Obergrenzen für die gedeckten Verbindlichkeiten in Betracht. Weiterhin konnten Entlastungsmaßnahmen für wertgeminderte Aktiva lediglich für einen Zeitraum von sechs Monaten genehmigt werden.479 Durch 468  Bankenmitteilung

2008 (Fn. 191) Rn. 27. (Fn. 354) Rn. 44. 470  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 27; Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 36. 471  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 40 f. 472  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 27; Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn.  36; Umstrukturie­rungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 44. 473  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 27. 474  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 27, 38. 475  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 35. 476  Siehe oben C.IV.3. 477  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 24. 478  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 35. 479  Risikoaktivamitteilung i. d. F. 2009 (Fn. 351) Anhang V. 469  Umstrukturierungsmitteilung



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diese beschränkte Geltungsdauer wurde der Kommission ermöglicht, ihren Ansatz zeitnah zu überdenken und die Maßnahmen nach Überwindung der Krise zumindest in einer großen Zahl von Fällen zeitgleich zu beenden.480 Zudem kam die zeitliche Begrenzung staatlicher Hilfen darin zum Ausdruck, dass allgemeine Regelungen mindestens alle sechs Monate zu überprüfen und die Ergebnisse der Kommission mitzuteilen waren.481 Sobald es die Wirtschaftslage des jeweiligen Mitgliedstaates zuließ, waren die Unterstützungsmaßnahmen zu beenden. Ferner hatten die Mitgliedstaaten innerhalb von sechs Monaten nach Zahlungen, die aufgrund einer Garantieregelung erfolgten,482 sowie nach Rekapitalisierungen483 und drei Monate nach der Aufnahme einer Bank in ein Entlastungsprogramm484 einen Umstrukturierungsplan, einen Liquidationsplan oder eine Rentabilitätsanalyse vorzu­le­gen. Diese zeitlichen Begrenzungen sind mit der 2. Bankenmitteilung verschärft worden. Garantien dürfen nunmehr nur für Schuldtitel mit einer Laufzeit von drei Monaten bis zu fünf Jahren beziehungsweise bis zu sieben Jahren im Fall von gedeckten Schuldverschreibungen gewährt werden.485 Zudem dürfen Garantien, deren Laufzeit drei Jahre überschreitet, grundsätzlich nicht mehr als ein Drittel der ausstehenden Garantien für das Finanzinstitut ausmachen.486 Über die Anwendung der Regelung ist der Kommission alle drei Monate Bericht zu erstatten.487 Zudem ist innerhalb von zwei Monaten nach der Inanspruchnahme einer Garantie ein Umstrukturierungsoder Abwicklungsplan vorzulegen.488 Die Gewährung einer Rekapitalisierung oder einer Entlastungsmaßnahme für wertgeminderte Vermögenswerte setzt inzwischen die vorherige Einreichung eines Umstrukturierungsplans voraus.489 Nach wie vor soll die Umstrukturierungsphase nicht mehr als fünf Jahre in Anspruch nehmen.490 Besondere Bedeutung misst die Kommission der Schaffung von Anreizen zum schnellstmöglichen Ausstieg aus der Abhängigkeit von staatlichen Unterstützungs­maßnahmen bei. Je länger eine Bank gefördert wird, desto 480  Luja,

EStAL 2009, S. 145, 149. 2008 (Fn. 191) Rn. 13, 24, 52. 482  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 30 m. Fn. 1. 483  Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 40, 44. 484  Risikoaktivamitteilung i. d. F. 2009 (Fn. 351) Anhang V. 485  2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 59. 486  2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn.  59 f. 487  2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 60. 488  2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 59. 489  2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 23, 50. 490  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 15. 481  Bankenmitteilung

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höher wird die Wahrschein­lichkeit, dass sie auf Dauer nicht allein überlebensfähig sein wird. Zudem werden mit zunehmender Förderungsdauer auch die durch die Beihilfegewährung verursachten Wettbewerbs­verzerrungen verstärkt. Daher muss der betroffene Mitgliedstaat im Um­struk­tu­rierungs­ plan auch die staatlich geschaffenen Ausstiegsanreize beschreiben.491 In Betracht kommen neben einer generellen Erhöhung der Mindestvergütung insbesondere ein zeitlich gestaffelter Vergütungs­anstieg sowie sonstige Staffelungsklauseln.492 Zudem können die Mitgliedstaaten Anreize für einen schnellen Ausstieg aus der staat­lichen Unterstützung geben, indem sie eine restriktive Dividendenpolitik als Voraus­setzung für die Beihilfegewährung festlegen.493 c) Unterscheidung zwischen grundsätzlich gesunden Finanz­instituten und Finanzinstituten mit endogenen Problemen Sowohl in der Bankenmitteilung 2008 als auch in der Rekapitalisierungsmitteilung differenzierte die Kommission zwischen grundsätzlich gesunden Banken, also solchen mit exogenen Problemen, und Banken mit endogenen Problemen. Während man unter Ersteren solche versteht, die nur durch die Finanzkrise in Schwierigkeiten geraten sind, handelt es sich bei Letzteren um solche, die ihre Verluste aufgrund von Ineffizienz, mangelhaftem Aktiv-Passiv-Management oder riskanten Strategien selbst verursacht haben.494 In der Bankenmitteilung 2008 forderte die Kommission noch, Beihilfen für Finanzinstitute mit exogenen Problemen nach den R&U-Leitlinien zu beurteilen und Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV im Normalfall nur bei grundsätzlich gesunden Banken anzuwenden.495 So sprach die Kommission im Abschnitt über die Rekapitalisierung von Finanzinstituten lediglich von der Einführung einer Rekapitalisierungsregelung zur Stützung grundsätzlich gesunder Banken.496 Allerdings gab sie diese strenge Sichtweise in der Rekapitalisierungsmitteilung stillschweigend auf, nachdem sie erkannt hatte, dass auch die Unterstützung notleidender Kreditinstitute zur Bekämpfung der Systemkrise und zur Wiederherstellung der Finanzmarktstabilität unvermeidbar war.497 Auf die Abgrenzung kam es jedoch weiterhin für die Bedingungen an, unter denen 491  Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348). Rn. 40 lit. e; Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) An­hang. 492  Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 31. 493  Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 33. 494  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 14. 495  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 6 f., 14. 496  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 34. 497  Vgl. Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 281 (2010).



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 101

eine staat­liche Hilfe gewährt werden durfte, das heißt hinsichtlich der Bestimmung einer angemessenen Vergütung und bezüglich der Fragen, welche Ausgleichs- und Umstruk­tu­rie­rungsmaßnahmen zu erfolgen hatten und ob ein Umstrukturierungsplan vorzulegen war.498 Entscheidende Bedeutung maß die Kommission dabei dem Risikoprofil einer Bank zu.499 Insoweit berücksichtigte sie vor allem die Kapitaladäquanz, das heißt die Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung im Hinblick darauf, welchen Risiken, wie etwa Kreditrisiken, Liquiditätsrisiken und Marktrisiken, ein Finanzinstitut ausgesetzt ist, welche Qualität die Aktiva haben und inwieweit das Geschäftsmodell tragfähig ist. Auch wenn der Rekapitalisierungsumfang auf nicht mehr als 2 % der risikogewichteten Aktiva begrenzt war, indizierte dies nach der Kommission eine Einstufung als grund­sätzlich gesund. Ferner ging die Kommission bei einem CDS-Spread, der nicht höher war als der Durchschnittsspread, von einem niedrigeren Risikoprofil aus. Zudem spielten das aktuelle Rating eines Finanzinstituts und der Geschäftsausblick eine bedeu­tende Rolle. Bedenklich erschien insoweit, dass die Kommission keinen Stichtag für die Einordnung festlegte. Eine solche Regelung enthielt demgegenüber etwa der vorüber­gehende Gemeinschaftsrahmen für die Realwirtschaft aus dem Jahr 2008 bezüglich der Frage, ob ein Unternehmen in Schwierigkeiten vorliegt.500 Wesentliche Parameter wie das Rating der Bank können sich auch kurzfristig ändern, weshalb bei verschiedenen Beurteilungszeitpunkten unterschiedliche Ergebnisse zu verzeichnen sein können.501 In der Praxis hielt die Kommission die Unterscheidung zwischen grundsätzlich gesun­den Finanzinstituten und Finanzinstituten mit endogenen Problemen sowie die hieran anknüpfenden unterschiedlichen Voraussetzungen der Beihilfegewährung nicht konsequent durch. So begrüßte sie etwa in der Entscheidung Aegon die Vorlage eines Umstrukturierungsplans durch ein grundsätzlich gesundes Unternehmen.502 Darüber hinaus setzte die Abgrenzung komplexe Analysen voraus und konnte daher durch den handelnden Mitgliedstaat in der gebotenen Eile nicht rechtssicher getroffen wer498  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 14, 33, 35; Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 13 ff., 42 ff. Grundsätzlich gesunde Banken waren aber zumindest zur Vorlage einer Rentabilitätsanalyse verpflichtet, Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 40; Risikoaktivamitteilung i. d. F. 2009 (Fn. 351) An­hang  V; Umstrukturierungsmitteilung i. d. F. 2009 (Fn. 354) Rn. 4 m. Fn. 4. 499  Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 13, Anhang. 500  Mitteilung der Kommission – Vorübergehender Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschafts­krise, ABl. 2009 Nr. C 83, S. 1 Rn. 4.2.2. lit. c. 501  Jestaedt / Wiemann, WuW 2009, S. 606, 611. 502  KOM vom 27.11.2008, C (2008) 7734 final in der Sache N 512 / 2008 Rn. 24 Aegon.

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den.503 Zudem bestand eine erhebliche Gefahr, dass Kommission und Mitgliedstaat zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangten.504 In der Risiko­ aktivamitteilung distanzierte sich die Kommission schließlich von der „Schwarz-Weiß“-Lösung und nahm eine gra­ duelle Differenzierung vor, nach der Voraussetzungen und Folgen der Unter­ stützungs­ maßnahmen für jede einzelne Bank auf Grundlage des jeweiligen Risikoprofils und der Lebensfähigkeit bestimmt werden.505 Diese Entwicklung liegt wohl auch darin begründet, dass mit der Einstufung einer Bank als ungesund eine Stigmatisierung einhergeht, welche die Kommission bislang zu vermeiden suchte.506 Unklar blieb zunächst, ob dieser neue Ansatz auf Entlastungsmaßnahmen für wertgeminderte Vermögenswerte beschränkt oder auf alle staatlichen Unterstützungs­ maßnahmen anzuwenden sein sollte.507 Inzwischen hat die Kommission die frühere Unterscheidung in ihrer „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanz­krise ab dem 1. Januar 2011“ hinsichtlich der Vorlage eines Umstrukturierungs­ plans vollständig aufgegeben.508 Bislang waren die Mitgliedstaaten bloß zur Erstellung einer Rentabilitätsanalyse ver­pflichtet, wenn sie Instituten mit endogenen Problemen lediglich Beihilfen „geringen Umfangs“ gewährten.509 An Rentabilitätsanalysen stellte die Kommission geringere Anforderungen als an Umstrukturierungspläne. Zwar musste der betroffene Mitgliedstaat wie in einem Umstrukturierungsplan aufzeigen, dass die unterstützte Bank auch in „Stress-Szenarien“ ohne staatliche Unterstützung langfristig rentabel arbeiten konnte und in der Lage war, die Beihilfe fristgerecht zurückzuzahlen oder mit einem marktüblichen Entgelt zu vergüten.510 Jedoch fanden die Vorschriften über die Leistung eines ange­messenen Eigenbeitrags und über die Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen keine Anwendung.511 Gelang es dem Mitgliedstaat, die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität nachzuweisen, und beachte503  Deselaers / Küpper, EWS 2009,S. 212, 213; krit. auch Arhold, EuZW 2008, S. 713, 715. 504  Vgl. KOM vom 07.05.2009, K (2009) 3708 endgültig in der Sache N 244 / 200 Rn. 64, 83 Commerz­bank. 505  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 17. 506  Drijber / Burmester, Ondernemingsrecht 2009, S. 577, 580; Jestaedt / Wiemann, WuW 2009, S. 606, 611; vgl. Deselaers / Küpper, EWS 2009, S. 212, 213. 507  Jestaedt / Wiemann, WuW 2009, S. 606, 611. 508  ABl. 2010 Nr. C 329, S. 7 Rn. 12 ff. 509  Umstrukturierungsmitteilung i. d. F. 2009 (Fn. 354) Rn. 4 m. Fn. 4. 510  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn.  8, 13 f. 511  Umstrukturierungsmitteilung i. d. F. 2009 (Fn. 354) Rn. 8.



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te er die Voraussetzungen der Mitteilungen, konnte die Bank damit rechnen, keine weiteren Umstrukturierungs- und Ausgleichsmaßnahmen vornehmen zu müssen. Der ursprüngliche Grund für die Differenzierung habe nach der Kommission in der Befürchtung gelegen, dass gesunde Banken infolge des krisenbedingt gestiegenen Kapitalbedarfs512 ihre Kredit­vergabe an die Realwirtschaft einschränken könnten, um bei Inanspruchnahme staat­ licher Hilfe nicht zur Vorlage eines Umstrukturierungsplans verpflichtet zu sein.513 Mittlerweile habe sich die Lage des Bankensektors aber so weit entspannt, dass die Finanzinstitute die Kapitalanforderungen auch ohne den Erhalt staatlicher Unter­stützungs­maßnahmen erfüllen könnten. Der Anstieg der von Banken auf dem Markt aufgenommenen Kapitalbeträge in den Jahren 2009 und 2010 zeige, dass Kreditinstitute wieder Zugang zu den Kapitalmärkten hätten und sich auf neue aufsichtsrechtliche Vorschriften vorbereiteten. Daher fordert die Kommission seit dem 1. Januar 2011 von jeder Bank, die durch eine Rekapitalisierung oder eine Entlastungs­ maßnahme für wertgeminderte Vermögenswerte begünstigt wird, die Vorlage eines Umstrukturie­ rungs­plans.514 Der Umstrukturierungsumfang bestimmt sich nach der besonderen Lage der Bank, dem Maß, in dem eine Umstrukturierung für die Wiederherstellung der Rentabilität ohne weitere staatliche Hilfen erforderlich ist, und dem Aspekt, ob bereits staatliche Unterstützungsmaßnahmen in Anspruch genommen wurden.515 Durch diese Neuerung beabsichtigt die Kommission, den Finanzinstituten zu signalisieren, dass sie sich mit der schrittweisen Erholung des Finanz­sektors auf eine Rückkehr zu normalen Markt­ bedingungen ohne Beihilfen einstellen müssen.516 Die Pflicht zur Vorlage eines Umstrukturierungsplans soll einen Anreiz bieten, die vorzunehmende Umstrukturierung zu beschleunigen und notwendige Umstruktu­ rierungs­maßnahmen nicht im Vertrauen auf staatliche Unterstützungsmaß512  Die Ursachen für den gestiegenen Kapitalbedarf erblickt die Kommission in Wertminderungen, höheren Erwartungen der Märkte an die Kapitalausstattung von Banken und vorübergehenden Refinanzierungs­schwierigkeiten. 513  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360) Rn. 13. 514  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360) Rn. 14. 515  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360) Rn. 15. 516  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360) Rn. 16.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

nahmen aufzuschieben. Legt eine Bank nicht bereits von sich aus einen hinreichenden Umstrukturierungsplan vor, muss sie mit der Aufer­ legung umfangreicher Umstrukturierungs- und Ausgleichsmaßnahmen durch die Kommission rechnen. Diese Entwicklungen zeigen, dass die Kommission nun den in der Risikoaktiva­mitteilung entwickelten Ansatz, nicht mehr nach den Katego­ rien „grundsätzlich gesund“ und „notleidend“ zu differenzieren, sondern die Voraussetzungen staatlicher Unter­ stützungs­ maßnahmen anhand der individuellen Besonderheiten jedes einzelnen Falls zu beurteilen, auf alle staat­ lichen Hilfen anwendet. 8. Exit der Kommission aus dem gelockerten Beihilferahmen Bereits im Jahr 2009 setzte vor dem Hintergrund der verbesserten Refinanzierungs­ mög­ lichkeiten für Banken sowie der Anzeichen für eine Stabilisierung und Erholung der Finanzmärkte und der gesamten Wirtschaft der Mitgliedstaaten eine Diskussion über die Entwicklung von Strategien für den schrittweisen Ausstieg aus den staatlichen Stützungs­ maßnahmen ein.517 In seinen Schlussfolgerungen vom 10. / 11.  Dezember 2009 hat der Europäische Rat die vom ECOFIN aufgestellten Grundsätze für den Ausstieg bestätigt.518 Danach hat der schrittweise Abbau der staatlichen Beihilfen nach einem ko­ordinierten Ansatz zu erfolgen, welcher die in den jeweiligen Mitgliedstaaten be­ stehenden Gegebenheiten berücksichtigt, da die Krise die Mitgliedstaaten und deren jeweiligen Finanzsektor in unterschiedlichem Ausmaß betroffen habe.519 Grundsätzlich soll der Ausstieg mit der Rücknahme der gewährten staatlichen Garantien beginnen.520 Dabei sollen 517  DG Competition Staff Working Document, The Application of State Aid Rules to Government Guarantee Schemes Covering Bank Debt to Be Issued After 30 June 2010, S. 2, abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competition / state_aid / studies_re ports / phase_out_bank_guarantees.pdf. 518  Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 11.12.2009, Rn. 9 f., abrufbar unter http: /  / www.­consilium.europa.eu / uedocs / cms_data / docs / pressdata / de / ec /  111898.pdf. Auch das Europäische Par­ lament hat am 09.03.2010 bekräftigt, dass staatliche Beihilfen nicht über Gebühr verlängert werden sollten und dass umgehend Ausstiegsstrategien auszuarbeiten seien, siehe Entschließung des Europäischen Parlaments vom 09.03.2010 zu der Wettbewerbspolitik 2008, Nr. 22, abrufbar unter http: /  / www.europarl.europa.eu / sides / getDoc.do?pubRef=- /  / EP /  / TEXT+TA+P7TA-2010-0050+0+­DOC+XML+V0 /  / DE. 519  Council of the European Union, Press Release, 2981st Council Meeting, Economic and Financial Affairs, 2.12.2009, S. 16 f. Nr. 6, abrufbar unter http: /  / register. consilium.europa.eu / pdf / en / 09 / st16 / st16838.en09.pdf. 520  Council of the European Union, Press Release, 2981st Council Meeting, Economic and Financial Affairs, 2.12.2009, S. 16 f. Nr. 6, abrufbar unter http: /  / register.



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gesunde Banken zum Abbau der staatlichen Stützungsmaßnahmen veran­ lasst und andere Institute dazu gebracht werden, ihre strukturellen Schwächen zu beheben. Zur Umsetzung dieser Ziele hat die GD Wettbewerb am 30. April 2010 zunächst ein Dokument veröffentlicht, in welchem sie für Garantien, die ab dem 1. Juli 2010 gewährt werden, eine erhöhte Vergütung und die Pflicht zur Vorlage eines Rentabilitätsplans vorsieht.521 Diese strengeren Regelungen fanden bis zum 31. Dezember 2010 Anwen­dung.522 Die GD Wettbewerb stellt fest, dass inzwischen nur noch wenige gesunde Banken staatliche Garantien in Anspruch nehmen.523 Mit der eingetretenen Ver­besserung der Marktbedingungen gehe eine Reduktion der Risiken für die Finanzmarkt­ stabilität sowie eine Verstärkung der Wettbewerbsverzerrungen zwischen solchen Banken, die garantierte Anleihen emittieren, ohne gegenwärtig zu Umstrukturierungs­maßnahmen verpflichtet zu sein, und solchen Banken, die unter normalen Marktbe­ dingungen emittieren, einher.524 Dies äußere sich darin, dass die Finanzierungskosten trotz der zu entrichtenden Vergütung im Fall der Gewährung von Garantien wesentlich niedriger seien als im Fall ungesicherter Verbindlichkeiten. Um diesen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, verlangt die Kommission zunächst eine höhere Vergütung für Garantien.525 Bei der Bemessung der Gebühr soll die gegen­wärtige Bonität der Banken eine entscheidende Rolle consilium.europa.eu / pdf / en / 09 / st16 / st16838.en09.pdf.; Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 11.12.2009, Rn. 10, abrufbar unter http: /  / www.con silium. europa.eu / uedocs / cms_data / docs / pressdata / de / ec / 111898.pdf. 521  DG Competition Staff Working Document, The Application of State Aid Rules to Government Guarantee Schemes Covering Bank Debt to Be Issued After 30 June 2010, abrufbar unter http: /  / ec.­europa.eu / competition / state_aid / studies_reports /  phase_out_bank_guarantees.pdf. 522  DG Competition Staff Working Document, The Application of State Aid Rules to Government Guarantee Schemes Covering Bank Debt to Be Issued After 30 June 2010, S. 9, abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competition / state_aid / studies_re ports / phase_out_bank_guarantees.pdf. 523  DG Competition Staff Working Document, The Application of State Aid Rules to Government Guarantee Schemes Covering Bank Debt to Be Issued After 30 June 2010, S. 3, abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competition / state_aid / studies_re ports / phase_out_bank_guarantees.pdf. 524  DG Competition Staff Working Document, The Application of State Aid Rules to Government Guarantee Schemes Covering Bank Debt to Be Issued After 30 June 2010, S. 3, abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competition / state_aid / studies_re ports / phase_out_bank_guarantees.pdf. 525  DG Competition Staff Working Document, The Application of State Aid Rules to Government Guarantee Schemes Covering Bank Debt to Be Issued After 30 June 2010, S. 4 ff., abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competition / state_aid / studies_ reports / phase_out_bank_guarantees.pdf.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

spielen. Die bisherige Praxis wird insofern beanstandet, als die Berechnung auf Daten aus der Zeit vor der Insolvenz von Lehman Brothers im September 2008 gestützt wurde. Mithin fanden insbesondere die späteren Herabstufungen der Ratings keine Berücksichtigung, so dass die Wahrschein­lichkeit von Wettbewerbsverzerrungen stieg. Daher profitierten Banken mit einem niedrigen Rating unverhältnismäßig stärker von Garantien als Banken mit einem höheren Rating, da erstere wegen ihres geringen Ratings normalerweise einen höheren Marktpreis zahlen müssten. Außerdem weitet die Kommission die Pflicht zur Vorlage eines Rentabilitätsplans aus.526 Damit weicht sie von ihrer bisherigen Praxis und der Regelung in der Banken­mitteilung 2008 ab, wonach ein Umstrukturierungsbeziehungsweise ein Liqui­dations­plan oder – im Fall grundsätzlich gesunder Banken – eine Rentabilitätsanalyse nur zu übermitteln ist, wenn eine Garantie wegen des Ausfalls einer gesicherten Verbind­lichkeit in Anspruch genommen werden muss.527 Institute, deren durch eine Garantie gesicherte ausstehende Verbindlichkeiten einen absoluten Schwellenwert von 500 Mio. Euro oder einen relativen Schwellenwert von 5 % der Gesamtverbindlichkeiten über­schreiten, sollen zur Vorlage eines Rentabilitätsplans verpflichtet sein.528 Den zweiten Schritt zur Erleichterung des Ausstiegs aus den staatlichen Stützungs­ maßnahmen markiert die „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011“. In dieser verlängert die Kommission zum einen die Geltungsdauer des neuen Rechtsrahmens bis zum 31. Dezember 2011529 und zum anderen die Geltungsdauer der strengeren Anforderungen an Garantien nach dem Dokument der GD Wettbewerb bis zum 30. Juni 2011530. Darüber hinaus ist ab dem 1. Januar 2011 jeder Empfänger einer Kapitalzuführung oder einer Entlastungs­ 526  DG Competition Staff Working Document, The Application of State Aid Rules to Government Guarantee Schemes Covering Bank Debt to Be Issued After 30 June 2010, S. 6 ff., abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competition / state_aid / studies_ reports / phase_out_bank_guarantees.pdf. 527  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 30. 528  Diese Regelungen gelten nicht für Banken, die bereits Umstrukturierungsmaßnahmen getroffen haben, zur Vorlage eines Umstrukturierungsplans verpflichtet sind oder schon einen Rentabilitäts­plan einzuhalten haben. 529  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360) Rn. 7, 17. 530  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360) Rn. 10.



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 107

maßnahme für wertgeminderte Vermögenswerte zur Vorlage eines Umstruk­ turie­rungs­­plans verpflichtet.531 Später verlängerte die GD Wettbewerb in einem weiteren Dokument die Anwendbarkeit der für Garantien geltenden Regelungen noch einmal bis zum 31. Dezember 2011.532 Im Jahr 2011 verlängerte die Kommission in der „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise ab 2012“ die Anwendbarkeit des neuen Rechtsrahmens erneut.533 Dieses Mal sah die Kommission davon ab, die Geltungsdauer auf ein weiteres Jahr zu begrenzen und stellte lediglich klar, dass sie die Lage auf den Finanzmärkten beobachten werde und – sobald die Lage dies zulasse – auf dauerhafte Vorschriften über Rettungs- und Umstrukturierungs­beihilfen für den Bankensektor gemäß Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV hinarbeiten werde. Sie begründete die Verlängerung mit einer weiteren Verschärfung der angespannten Lage auf den Märkten für Staatsanleihen und dem infolgedessen auf die Banken in der Union ausgeübten Druck insbesondere im Hinblick auf den Zugang zu längerfristiger Finanzierung.534 Außerdem sollte die Umsetzung des von den Staats- und Regierungschefs am 26. Oktober 2011 vereinbarten „Banken­pakets“ erleichtert werden.535 Des Weiteren ergänzt und modifiziert die Kommission die früheren Mitteilungen. So führt sie eine überarbeitete Methode zur Berechnung der für Garantien zu entrichtenden Vergütung ein.536 Zudem ergänzt sie die Rekapitali­sierungs­mitteilung durch nähere Erläuterungen zur Gewährleistung einer angemessenen Vergü­ tung für Kapitalinstrumente ohne 531  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360) Rn. 14. Näher hierzu oben C.IV.7.c). 532  DG Competition Staff Working Document, The Application of State Aid Rules to Government Guarantee Schemes Covering Bank Debt to Be Issued After 30 June 2011, S. 5, abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competition / state_aid / legislation /  phase_out_bank_guarantees_2011.pdf. 533  ABl. 2011 Nr. C 356, S. 7 Rn. 4. 534  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2012 (Fn. 367) Rn. 3. 535  Die vorgesehenen Maßnahmen zur Wiederherstellung des Vertrauens in den Bankensektor beinhal­ten Garantien für längerfristige Finanzierungen und einen vorübergehenden Kapitalpuffer, der einer unter Berücksichtigung des Marktwerts von Staatsanleihen berechneten Eigenkapitalquote von 9 % Kapital höchster Güte entspricht, siehe Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Mitglied­ staaten der Europäischen Union, abrufbar unter http: /  / www.consilium.europa.eu / uedocs / cms_ data / docs / pressdata / de / ec / 125622.pdf. 536  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2012 (Fn. 367) Rn. 5 lit. c.

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

feste Rendite.537 Schließlich legt sie dar, wie die lang­fristige Rentabilität vor dem Hintergrund des Bankenpakets zu prüfen ist.538 Nach der „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise ab 2012“ findet der neue Rechtsrahmen auf bis zum 31. Dezember 2012 angemeldete Umstrukturierungs­ beihilfen Anwendung.539 Die fünfte Mitteilung ergänzt und modifi­ ziert die bislang angewandten Kriterien an einigen Stellen: So ergänzt sie die Rekapitalisierungsmitteilung, die vor allem auf Kapitalinstrumente mit fester Rendite abstellt.540 Angesichts finanzaufsichts­ rechtlicher Änderungen und sich wandelnder Marktbedingungen nimmt die Kommission an, dass staatliche Kapital­zuführungen in Zukunft häufiger in Form von Aktien erfolgen dürften.541 Da deren variable Vergütung in Form von Dividenden und Kapitalgewinnen kaum prognosti­zier­bar ist, stellt sie Grundsätze zur Bemessung einer angemessenen Vergütung anhand des Ausgabepreises auf.542 Des Weiteren führt die Kommission eine überarbeitete Methode zur Berechnung der zu zahlenden Vergütung für Garantien ein, damit die Beihilfe auf das erforderliche Mini­ mum begrenzt bleibt.543 Hierbei soll die in jüngerer Zeit eingetretene stärkere Differenzierung von CDS-Spreads nach dem Risiko berücksichtigt werden, wobei zwischen dem von den einzelnen Banken selbst ausgehenden Risiko und den Ände­rungen der CDS-Spreads der Mitgliedstaaten und des gesamten Marktes unterschieden werden 537  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2012 (Fn. 367) Rn. 5 lit. a ff. 538  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2012 (Fn. 367) Rn. 5 lit. b, 14. 539  ABl. 2011 Nr. C 356, S. 7 Rn. 4. 540  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise ab 2012 (Fn. 367) Rn. 5 lit. a f. 541  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise ab 2012 (Fn. 367 ) Rn. 7. 542  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise ab 2012 (Fn. 367) Rn.  8 ff. 543  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise ab 2012 (Fn. 367) Rn. 5 lit. c, 15 ff.



IV. Dritte Phase der Krise: Die Kommissionsmitteilungen 109

soll.544 Ferner legt die Kommission dar, wie sie künftig vor dem Hintergrund des Bankenpakets im Rahmen der Verhältnismäßigkeit prüfen wird, ob eine Umstrukturierung für die langfristige Rentabilität erforderlich ist.545 Dabei wird sie insbesondere berücksichtigen, ob die Kapitalknappheit im Wesentlichen auf ein erschüttertes Vertrauen in Staatsanleihen zurückzuführen ist, ob die staatliche Kapital­zu­führung lediglich Verluste deckt, die einer ansonsten rentablen Bank aufgrund der Neubewertung von Staatsanleihen der EWR‑Mitgliedstaaten entstehen, und ob die betreffende Bank beim Kauf der Staatsanleihen kein übermäßiges Risiko eingegangen ist. Schließlich ersetzt die Kommission mit der „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen ab dem 31. August 2013 auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise“546 die Bankenmitteilung 2008 und modifiziert und ergänzt die übrigen Mitteilungen. Banken haben nunmehr grundsätzlich bereits vor der Inanspruchnahme von Rekapitalisierungsmaßnahmen sowie Entlastungsmaßnahmen für wertgeminderte Vermögenswerte einen Umstrukturierungsplan vorzulegen.547 Diese Neuerung ist der Erfahrung geschuldet, dass sich die Umsrukturierung unterstützter Institute vor dem Hintergrund fehlender Anreize zum Teil erheblich in die Länge zog.548 Ausnahmen von dieser Regelung kann die Kommission zulassen, soweit die Erhaltung der Stabilität des Finanzsystems es erforderlich macht.549 Zudem hebt die Kommission die Anforderungen an die Erbringung eines beträchtlichen Eigenbeitrags an,550 um gleiche Wettbewerbsbedingungen für Banken in verschiedenen Mitgliedstaaten zu schaffen und einer Fragmentierung des Binnenmarktes entgegenzuwirken551. Vor einer Beihilfegewährung sind alle Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung auszuschöpfen. So haben 544  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise ab 2012 (Fn. 367) Rn. 5 lit. c, 17 ff. 545  Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise ab 2012 (Fn. 367) Rn. 5 lit. b, 14. 546  ABl. 2013 Nr. C 216, S. 1 ff. 547  2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 23, 50. 548  Pressemitteilung Kommission vom 10.07.2013, Staatliche Beihilfen: Kommission erlässt Krisenvorschriften für Banken, IP / 13 / 672, abrufbar unter http: /  / ec.eu ropa.eu / competition / state_aid / legislation / temporary.html; vgl. 2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 23. 549  2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 50. 550  2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 19, 40 ff. 551  2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 11, 13, 18; Pressemitteilung Kommission vom 10.07.2013, Staatliche Beihilfen: Kommission erlässt Krisenvorschriften für

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

die Hybridkapitaleigner und die Inhaber nachrangiger Schuldtitel etwa durch Umwandlung des Kapitals des Schuldtitels in hartes Kernkapital oder durch eine Abschreibung des Kapitalbetrags der Instrumente zur Lastenverteilung beizutragen.552

V. Bewertung der neuen Genehmigungsmaßstäbe Die Kommission hat durch Schaffung des neuen Rechtsrahmens schnell auf die aus der Finanz- und Wirtschaftskrise entstandenen Schwierigkeiten reagiert. Dabei hat sie die Genehmigungsvoraussetzungen für Beihilfen im Vergleich zu den R&U-Leitlinien gelockert, ohne die Anwendbarkeit des Beihilferechts auch in Krisenzeiten infrage zu stellen. Wie in den Kommissionsmitteilungen und -entscheidungen zum Aus­druck kommt, hat die Kommission ihre Kontrollaufgabe nicht mehr um­fassend aus der ex ante-Perspektive wahrgenommen, sondern staatliche Unterstützungs­maßnahmen einer dauerhaften Kontrolle unterzogen, um einen endgültigen Zusammenbruch des Finanzsektors abzuwenden. Diesen Ansatz hat sie inzwischen mit der 2. Bankenmitteilung aufgrund der nunmehr geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse aufgegeben. Gegenwärtig besteht mit Blick auf die zumindest teilweise Erholung des Finanzsektors ein geringerer Bedarf an strukturellen Maßnahmen, die aufgrund einer vorläufigen Prüfung zugelassen werden. Das Vorgehen der Kommission ist zu begrüßen, da sie einerseits ihre Praxis den aktuellen Gegebenheiten angepasst und andererseits den Wettbewerbsschutz nicht vernachlässigt hat. Der neue Rechtsrahmen hat zwar nur zum Teil zu einer Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rettungspakete geführt. Allerdings ist der den Mitgliedstaaten gewährte Gestaltungsspielraum positiv zu bewerten, denn durch ihn kann den nationalen Marktverhältnissen Rechnung getra­ gen werden. Zudem wird ein „Ideen- und Systemwettbewerb“ angeregt, der angesichts der Einmaligkeit der Krise Vorteile verspricht.553 Gleichwohl muss die Kommission zur Vermeidung unangemessener Wettbewerbsverzerrungen prüfen, ob die Rettungspro­gramme die grundlegenden Vorgaben der Mitteilungen einhalten. Mit Einführung des neuen Rechtsrahmens bezweckte die Kommission, Transparenz und Vorhersehbarkeit ihrer Genehmigungspraxis zu gewährleisten. Dieses Ziel hat sie jedoch zumindest nicht vollumfänglich erreicht: So blieb teilweise unklar, welche Prinzipien der R&U-Leitlinien fortgalten. Nach der Banken­mitteilung 2008 waren Beihilfen gemäß den allgemeiBanken, IP / 13 / 672, abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / competition / state_aid / legis lation / temporary.html. 552  2. Bankenmitteilung (Fn. 374) Rn. 19, 41. 553  Arhold, EuZW 2008, S. 713, 715.



V. Bewertung der neuen Genehmigungsmaßstäbe111

nen Grundsätzen der R&U-Leitlinien zu beurteilen.554 Die Kommission könne dabei auf den Erfahrungen aufbauen, die sie in der Vergangenheit bei der Anwendung der beihilfe­rechtlichen Vorschriften auf Kreditinstitute gesammelt hat.555 Allerdings sei bei der Prüfung eines Umstruktu­rie­rung­splans den Besonderheiten einer Systemkrise der Finanzmärkte Rechnung zu tragen.556 Aus diesen vagen Aussagen ließ sich nicht ableiten, welche Prinzipien der R&U-Leitlinien weiterhin Anwendung finden sollen. Die Kommission hat sich so eine Carte Blanche und mithin die Möglichkeit geschaffen, das Prüfungsergebnis mehr an gesamt­wirtschaftlichen Notwendigkeiten und dem politischen Umfeld als an der Über­zeu­gungs­kraft des jeweiligen Umstrukturierungsplans auszurichten.557 Wünschens­wert wären demgegenüber klare Formulierungen gewesen, aus denen sich die Genehmi­gungs­voraus­ setzungen eindeutig ergeben. In der 2. Bankenmitteilung, welche die Bankenmitteilung 2008 ersetzt, hat die Kommission sodann auf die Bezugnahme auf die R&U-Leitlinien verzichtet. Ferner bot die in der Frühphase der Finanzkrise praktizierte Unterscheidung zwischen grundsätzlich gesunden und notleidenden Banken Anlass zur Kritik. Da die Abgrenzung komplexe Analysen voraussetzte, konnte sie ex ante kaum rechtssicher getroffen werden.558 Diese Unsicherheit wurde dadurch verstärkt, dass der Kommission von den Gerichten ein weiter Ermessensspielraum zugestanden wurde.559 So verwundert es nicht, dass Kommission und Mitgliedstaaten verschiedentlich zu entgegengesetzten Ergebnissen gekommen sind.560 Für die Banken wäre eine klare Einordnung aber von enormer Bedeutung gewesen, da von dieser die einzuhaltenden Genehmigungsvoraussetzungen abhingen. Zudem vermischte die Kommission mitunter die von ihr für beide Gruppen aufgestellten Anforderungen, indem sie etwa die Vorlage eines Umstrukturierungsplans durch ein grundsätzlich gesundes Finanzinstitut begrüßte.561 Daher ist die Abkehr der Kommission 554  Bankenmitteilung

2008 (Fn. 191) Rn. 10. 2008 (Fn. 191) Rn. 32. 556  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 32, 42. 557  Arhold, EuZW 2008, S. 713, 715; Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 280 (2010). 558  Vgl. Deselaers / Küpper, EWS 2009, S. 212, 213; krit. auch Arhold, EuZW 2008, S. 713, 715; Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 280 (2010); Zimmer /  Blaschczok, 1 ECLR 9, 12 (2011). 559  EuGH vom 26.09.2002, Rs.  C‑351 / 98, Slg.  2002, I‑8031 Rn. 74 Spanien /  Kommission; EuGH vom 06.09.2006, Rs.  C‑88 / 03, Slg.  2006, I‑7115 Rn. 99 Portugal / Kommission. 560  So etwa in KOM vom 14.01.2009, C (2009) 134 final in der Sache N 9 / 2009 Rn.  57 ff. Recapitalization of the Anglo-Irish Bank by the Irish State. 561  KOM vom 27.11.2008, C (2008) 7734 final in der Sache N 512 / 2008 Rn. 70 Aegon. 555  Bankenmitteilung

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C. Entwicklung der Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen

von der früheren „Schwarz-Weiß“-Lösung zu begrüßen. Indem die Kommission seit ihrer Mitteilung aus dem Jahr 2010 nunmehr von allen Banken die Vorlage eines Umstrukturierungsplans verlangt,562 zeigt sie, dass sie den neuen Rechtsrahmen zügig und flexibel an die veränderten Marktverhältnisse anpasst und den Exit aus dem gelockerten Regime vorbereitet. Bislang noch ungeklärt ist die Frage, ob das EuG die Anwendbarkeit des Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV, der bislang sehr restriktiv ausgelegt wurde, bestätigt und die großzügigere Genehmigungspraxis der Kommission als gemeinschaftsrechtskonform billigt. Zudem erscheint aus politischer Sicht interessant, dass in anderen Staaten, vor allem in den USA, kein vergleichbar strenges Beihilferecht existiert.563 So sind amerikanische Banken nicht verpflichtet, als Gegenleistung für die staatliche Unterstützung Umstrukturierungsmaßnahmen vorzunehmen. Wegen der unterschiedlichen Rechtsordnungen wird ein Subventionswettlauf nur auf europäischer Ebene verhindert, während international die Position europäischer Kreditinstitute geschwächt wird.

562  Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften für staat­ liche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011 (Fn. 360) Rn.  12 ff. 563  Siehe hierzu Drijber / Burmester, Ondernemingsrecht, 2009, S. 577, 582 f.

D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis Die Kommission hat zahlreiche Rettungsprogramme, Einzelfälle und adhoc-Maßnahmen unter Heranziehung der neuen Regelungen genehmigt. Bislang haben 19 Mitgliedstaaten unter Geltung des neuen Rechtsrahmens nationale Rettungspakete notifiziert.564 Als solches hat die Bundesrepublik Deutschland das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG)565 erlassen. Kernstück dieses Artikelgesetzes ist das Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMStFG)566. Es trat nach einem Gesetzgebungsverfahren im Rekordtempo von sieben Tagen am 18. Oktober 2008 in Kraft und wurde bereits am 27. Oktober 2008 von der Kommission genehmigt567. Die Ziele des FMStFG sind die Stabilisierung des Finanzmarktes durch Überwindung von Liquiditätsengpässen568 und die Wiederherstellung des Vertrauens der Banken untereinander sowie der Gesellschaft und der Wirtschaft in den Finanzsektor. Auf seiner Grundlage kommen Unterstützungsmaßnahmen durch den Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) in Gestalt von Garantieübernahmen für Schuldtitel und andere Verbindlichkeiten von Unternehmen des Finanzsektors, Rekapitalisierungen und Risikoübernahmen in Betracht.569 Die Einzelheiten sind in der Finanzmarktstabi564  Daten mit Stand vom 06.02.2012, siehe MEMO / 11 / 858 State Aid: Overview of pending decisions and on-going in-depth investigations in the context of the financial crisis vom 06.02.2012, abrufbar unter http: /  / europa.eu / rapid / pressReleases Action.do?reference=MEMO / 12 / 65. 565  Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpaketes zur Stabilisierung des Finanzmarktes vom 17.10.2008, BGBl. I, S. 1982. 566  Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds vom 17.10.2008, BGBl. I, S. 1982. 567  KOM vom 27.10.2008, K (2008) 6422 in der Sache N 512 / 2008 Rettungs­ paket für Kreditinstitute in Deutschland, der Klarheit halber ersetzt durch die Entscheidung vom 12.12.2008, K (2008) 8629 in der Sache N 625 / 2008 Rettungspaket für Finanzinstitute in Deutschland. Die Genehmigung wurde später verlängert: KOM vom 22.06.2009, K (2009) 4995 in der Sache N 330 / 2009 Verlängerung des deutschen Rettungspakets für Finanzinstitute; Kommission vom 17.12.2009, C (2009) 10284 final in der Sache N  665 / 2009 Second prolongation of the German rescue package for financial credit institutions in Germany; KOM vom 23.06.2010, C (2010) 4261 final in der Sache N 222 / 2010 Third extension of the German rescue package for credit institutions in Germany. 568  § 2 Abs. 1 S. 1 FMStFG. 569  §§ 6–8 FMStFG.

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

lisierungsfonds-Verordnung (FMStFV)570 geregelt. Das am 23. Juli 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung vom 17. Juli 2009571 erweiterte das Instrumentarium zur Stabilisierung des Finanzsektors, indem es eine Grundlage für die Errichtung von Abwicklungsanstalten schuf.572 Erste Änderungen erfuhr der deutsche Rechtsrahmen mit dem 2010 erlassenen Restrukturierungsgesetz573. Danach stehen als Instrumente zur Abwendung einer Bankeninsolvenz ein Sanierungs-574 und ein Reorganisa­ tionsverfahren575 zur Verfügung. Zudem werden die Eingriffsbefugnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) um die Möglichkeit einer Übertragungsanordnung erweitert.576 Ergeht eine solche, ist das Vermögen eines Kreditinstituts in einen bestehenden Rechtsträger auszugliedern. Darüber hinaus sollen Mittel für Hilfsmaßnahmen zugunsten systemrelevanter Banken in einem Restrukturierungsfonds gesammelt werden, der durch eine von allen Kreditinstituten zu leistende Bankenabgabe finanziert wird.577 Auch nach Inkrafttreten des Restrukturierungsgesetzes blieben die auslaufenden Regelungen des FMStFG relevant, weil auf bereits gewährte Unterstützungsmaßnahmen weiterhin das alte Recht anzuwenden war. Vor dem Hintergrund der angestiegenen Staatsverschuldung diverser Länder, den daraus resultierenden Vertrauensverlusten der Finanzmarktakteure untereinander und drohender Dominoeffekte578 ist der SoFFin durch das Zweite Finanzmarktstabilisierungsgesetz (2. FMStG)579 wieder für neue Anträge geöffnet worden. Dieses ermöglicht die Nutzung des 2010 ausgelaufenen Instrumentariums des SoFFin bis zum 31. Dezember 2012.580 Als Reaktion auf eine besondere Risikolage auf dem Finanzmarkt oder zur 570  Verordnung zur Durchführung des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes vom 20.10.2008, BAnz Nr. 123, S. 1. 571  BGBl. I, S. 1980. 572  §§ 6 lit. a–d, 8 lit. a, b FMStFG. 573  Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung vom 09.12.2010, BGBl. I, S. 1900. 574  §§ 2–6 KredReorgG. 575  §§ 7–23 KredReorgG. 576  §§ 48 lit. a–48 lit. s KWG. 577  §§ 2 f., 12 RStruktFG. 578  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU / CSU und FDP, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Stabilisierung des Finanzmarktes, BT-Drs. 17 / 8343, 17.01.2012, S. 1. 579  Zweites Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes vom 24.02.2012, BGBl. I, S. 206. 580  § 13 Abs. 1 S. 1 FMStFG.



D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis115

Abwehr drohender Gefahren für die Finanzmarktstabilität kann die BaFin nunmehr anordnen, dass ein Institut über eine höhere Eigenkapitalausstattung verfügen muss.581 Dabei kann sie auch die Vorlage eines Plans verlangen, der darlegt, wie die höhere Eigenmittelausstattung erreicht werden soll. In Bezug auf das Restrukturierungsgesetz wird klargestellt, das geschaffene Instrumentarium sei zwar zum frühzeitigen Eingreifen bei einer konkreten Gefahr für ein einzelnes Institut geeignet, nicht aber als vorbeugende Maßnahme zur Sicherung der Stabilität des Finanzsystems als solcher.582 Der Deutsche Bundestag hat am 23. November 2012 das 3. Finanzmarktstabilisierungsgesetz (3. FMStG)583 verabschiedet, das am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist. Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber auf die anhaltende Staatsschuldenkrise im Euroraum und die damit verbundenen potenziellen Gefahren für die Finanzmarktstabilität reagiert.584 Der Regelungsgehalt erstreckt sich insbesondere auf Modifikationen des FMStFG und des RStruktFG.585 So wird die Frist für Anträge auf Stabilisierungsmaßnahmen nach dem FMStFG bis zum 31.  Dezember 2014 verlängert.586 Zudem werden der SoFFin und der Restrukturierungsfonds enger verknüpft. Während bislang der Steuerzahler für die Finanzierung der Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin aufkam, wird für nach dem 31. Dezember 2012 bewilligte Stabilisierungsmaßnahmen ein negativer Saldo durch den Restrukturierungsfonds ausgeglichen,587 soweit Bund oder Länder keine Beteiligungen an den unterstützten Instituten halten588. Dementsprechend muss die Bankenabgabe eine ausreichende Höhe haben, um diese Ausgleichsverpflichtung des Restrukturierungsfonds gegenüber dem SoFFin abzudecken.589 Zukünftig können nur noch Kreditinstitute i. S. d. § 1 Abs. 1 KWG Stabilisierungsmaßnahmen beantragen, da die Bankenabgabe als Sonderabgabe nach verfassungsrechtlichen Vorgaben gruppennützig zu verwenden ist. Diese Einschränkung wird voraussichtlich nicht zu Schwierigkeiten führen, da bislang ohnehin nur Kreditinstitute Stützungsmaßnahmen in Anspruch genommen haben.590 581  § 10

Abs. 1 lit. b KWG. 17 / 8343 (Fn. 578) S. 2. 583  Drittes Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes vom 20.12.2012, BGBl. I, S. 2777. 584  Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU / CSU und FDP, Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes, BT-Drs. 17 / 11138, 23.10.2012, S. 1. 585  Eingehend hierzu Brandi / Richters, DB 2012, S. 2917. 586  § 13 Abs. 1 S. 1 FMStFG. 587  § 13 Abs. 2 lit. a S. 2 FMStFG i. V. m. § 3 Abs. 2 lit. a S. 1 RStruktFG. 588  § 13 Abs. 3 FMStFG. 589  § 12 Abs. 1 S. 2 RStruktFG. 590  BT-Drs. 17 / 11138 (Fn. 584) S.  8 f. 582  BT-Drs.

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

Ferner normiert § 4 Abs. 1 lit. a S. 2 FMStFG den grundsätzlichen Vorrang bankaufsichtsrechtlicher Maßnahmen gegenüber Stabilisierungsmaßnahmen nach dem FMStFG. Eine Ausnahme gilt nur, wenn öffentliche Interessen bankaufsichtsrechtlichen Maßnahmen entgegenstehen.591 Das dürfte insbesondere anzunehmen sein, wenn der Erlass einer entsprechenden Maßnahme sich destabilisierend auf den Finanzmarkt auswirken könnte.592 Der Vorrang bankaufsichtsrechtlicher Maßnahmen erscheint zur angemessenen Lastenteilung angebracht, da die mit der Schieflage eines Instituts einhergehenden wirtschaftlichen Folgen in erster Linie von den Anteilseignern und nicht von der Allgemeinheit zu tragen sind. Diese Wertung gilt gleichermaßen, wenn andernfalls nicht sämtliche Steuerzahler, sondern lediglich die Gesamtheit der Banken, welche die Mittel für den Restrukturierungsfonds aufbringen, einstehen müssten.593

I. Bankenbeihilfen am Beispiel der Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin Mit Inkrafttreten des FMStFG wurde aufgrund gesetzlicher Anordnung in § 1 FMStFG der Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) geschaffen. Dieser ist zwar vom übrigen Vermögen des Bundes zu trennen, jedoch besteht eine unmittelbare Haftung des Bundes für seine Verbindlichkeiten.594 Der SoFFin dient der Bereitstellung von Liquidität zur Stärkung der Eigenkapitalbasis von Unternehmen des Finanzsektors.595 Als Gegenleistung für Unterstützungsmaßnahmen müssen die begünstigten Institute ein marktübliches Entgelt entrichten und Auflagen erfüllen, die dem Staat eine Einflussnahme auf die Geschäftstätigkeit ermöglichen. Die Verwaltung des SoFFin596 sowie die Entscheidung über Stabilisierungsmaßnahmen597 obliegt der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA). Im Folgenden soll die Entscheidungspraxis der Kommission anhand der prominentesten deutschen Anwendungsfälle, namentlich der Unterstützung der Commerzbank, der Hypo Real Estate und der WestLB durch den SoFFin, unter591  BT-Drs.

17 / 11138 (Fn. 584) S. 9. DB 2012, S. 2917, 2919. 593  Brandi / Richters, DB 2012, S. 2917, 2919 f. 594  § 5 FMStFG. 595  § 2 Abs. 1 FMStFG. 596  § 4 Abs. 1 S. 4, Abs. 2 S. 1 HS 1 FMStFG i. V. m. § 1 Abs. 1 S. 1 HS 1 FMStFV. 597  § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 HS 1 FMStFG i. V. m. § 1 Abs. 1 S. 1 HS 1 FMStFV. In Grundsatzfragen und Angelegenheiten von besonderer Bedeutung entscheidet jedoch der Lenkungsausschuss, § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 HS  2, siehe auch § 1 Abs. 1 S. 1 HS 2 FMStFV. 592  Brandi / Richters,

I. Bankenbeihilfen am Beispiel der Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin 117

sucht werden. Inzwischen sind sämtliche Prüfverfahren der Kommission im Zusammenhang mit den Hilfsmaßnahmen, welche der SoFFin zugunsten der drei Banken getroffen hat, abgeschlossen.598 Die hier angegebenen Daten beruhen auf den jeweils zitierten, öffentlich zugänglichen Quellen und wurden nicht überprüft. 1. Beihilfeeigenschaft staatlicher Unterstützungsmaßnahmen Zunächst ist festzuhalten, dass staatliche Hilfsmaßnahmen der Genehmigung durch die Kommission bedürfen, wenn es sich bei ihnen um Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt. Vom Tatbestand der Beihilfe erfasst sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Unterstützungsmaßnahmen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Im Hinblick auf Bankenbeihilfen verdient das Merkmal der Begünstigung besondere Aufmerksamkeit: Eine staatliche Maßnahme stellt eine Begünstigung dar, wenn ein Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil ohne oder zumindest ohne angemessene, das heißt marktübliche, Gegenleistung erlangt.599 Keine Schwierigkeiten bereitet die Beurteilung der Angemessenheit der Gegenleistung, wenn sich ein transparenter Marktpreis für die fragliche Leistung ermitteln lässt.600 Zur Bestimmung der Angemessenheit beziehungsweise Marktüblichkeit der Gegenleistung hat die Kommission den Market Economy Investor-Test601 598  KOM vom 07.05.2009, K (2009) 3708 endgültig in der Sache N 244 / 2009 Commerzbank; KOM vom 18.07.2011, K (2011) 5157 endgültig in der Sache C 15 / 2009 Hypo Real Estate; KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 WestLB. 599  Lasok, 7 ECLR 53, 56 (1986); Niemeyer, EuZW 1993, S. 273; Calliess / Ruffert / Cremer, Art. 107 AEUV Rn. 10. 600  Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 1137; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 43 Rn. 14. 601  St. Rspr., so EuGH vom 10.07.1986, Rs.  40 / 85, Slg.  1986, 2321 Rn. 13 ff. Belgien / Kommission; EuGH vom 10.07.1986, Rs. 234 / 84, Slg. 1986, 2263 Rn. 14 ff. Belgien / Kommission (Meura); EuGH vom 21.03.1991, Rs.  C‑303 / 88, Slg.  1991, I‑1433, Rn. 20 ff. Italien / Kommission (ENI-Lanerossi); EuGH vom 21.03.1991, Rs. C‑305 / 89, Slg. 1991, I‑1603 Rn. 19 ff. Italien / Kommission (Alfa Romeo); EuGH vom 14.09.1994, verb. Rs.  C‑278 / 92, C‑279 / 92 und C‑280 / 92, Slg.  1994, I‑4103 Rn.  21 ff. Spanien / Kommission; EuG vom 21.01.1999, verb. Rs.  T‑129 / 95, T‑2 / 96 und T‑97 / 96, Slg.  1999, II‑17 Rn. 104 ff. Neue Maxhütte Stahlwerke u. a. / Kommission; EuG vom 12.12.2000, Rs.  T‑296 / 97, Slg.  2000, II‑3871 Rn. 80 ff. Alitalia /  Kommission (Alitalia I); EuG vom 06.03.2003, verb. Rs.  T‑228 / 99 und T‑233 / 99, Slg.  2003, II‑435 Rn. 245 ff. Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land NRW / Kommission; Mitteilung der Kommission – Anwendung der Artikel 92 und 93

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

entwickelt, der vom Rat gebilligt und vom Gerichtshof bestätigt wurde.602 Danach ist eine Gegenleistung angemessen, wenn die staatliche Kapitalhilfe unter Bedingungen erfolgt ist, die für einen hypothetischen privaten Vergleichsinvestor unter normalen marktwirtschaftlichen Voraussetzungen akzeptabel wären.603 Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Staat sein Verhalten auch an längerfristigen Rentabilitätsaussichten ausrichten kann, sogenannter Long Term Investor-Maßstab.604 Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Moment der Investitionsentscheidung.605 Der Test wurde ursprünglich vor allem im Hinblick auf staatliche Zuwendungen an öffentliche Unternehmen606 sowie staatliche Beteiligungen an privaten Unternehmen607 herangezogen und konkretisiert insoweit den in Art. 106 Abs. 1 AEUV niedergelegten Grundsatz der Gleichbehandlung von öffentlichen und privaten Unternehmen. Dabei dient er als Maßstab für die Abgrenzung zwischen einem nach Art. 345 AEUV geschützten Eigentümerverhalten des Staates und einer

EWG‑Vertrag und des Artikels 5 der Kommissionsrichtlinie 80 / 723 / EWG über öffentliche Unternehmen in der verarbeitenden Industrie, ABl. 1993 Nr. C 307, S. 3; Abbamonte, 4 ECLR 258 (1996); Giesberts / Streit, EuZW 2009, S. 484; Koenig, ZIP 2000, S. 53, 56; derselbe / Ritter, ZIP 2000, S. 769; Asendorf, Die Anwendung der Beihilfevorschriften des EU-Vertrages auf öffentliche Unternehmen – der private reasonable investor’s test („PRIT“); Bonkamp, Die Bedeutung des gemeinschaftsrechtlichen Beihilfeverbotes für die Beteiligung der öffentlichen Hand an einer Kapitalgesellschaft, S. 43 ff.; Pape, Staatliche Kapitalbeteiligungen an Unternehmen und das Beihilfenverbot gem. Art. 92  EG‑V, S. 41 ff.; Dreher, in: Gedächtnisschrift Knobbe‑Keuk, S. 583, 587 ff. 602  Abbamonte, 4 ECLR 258, 259 f. (1996) und Pape, Staatliche Kapitalbeteiligungen an Unternehmen und das Beihilfenverbot gem. Art. 92  EG-V, S. 44 ff. m. w. N. 603  EuGH vom 10.07.1986, Rs.  40 / 85, Slg.  1986, 2321 Rn. 13 Belgien / Kommission; EuGH vom 14.02.1990, Rs. 301 / 87, Slg. 1990, I‑307 Rn. 39 Frankreich / Kommission. 604  EuGH vom 21.03.1991, Rs. C‑305 / 89, Slg. 1991, I‑1603 Rn. 20 Italien / Kommission (Alfa Romeo); EuGH vom 21.03.1991, Rs.  C‑303 / 88, Slg.  1991, I‑1433 Rn.  21 f. Italien / Kommission (ENI-Lanerossi); EuG vom 21.01.1999, verb. Rs. T‑129 / 95, T‑2 / 96 und T‑97 / 96, Slg. 1999, II‑17 Rn. 109 Neue Maxhütte Stahlwerke u. a. / Kommission. 605  EuGH vom 16.05.2002, Rs.  C‑482 / 99, Slg.  2002, I‑4397 Rn. 69 ff. Frankreich / Kommission (Stardust Marine); Mitteilung der Kommission – Anwendung der Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag und des Artikels 5 der Kommissionsrichtlinie 80 / 723 / EWG über öffentliche Unternehmen in der verarbeitenden Industrie, ABl. 1993 Nr. C 307, S. 3 Rn. 28; Bartosch, Art. 87 Abs. 1 EGV Rn. 10. 606  Mitteilung der Kommission – Anwendung der Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag und des Artikels 5 der Kommissionsrichtlinie 80 / 723 / EWG über öffentliche Unternehmen in der verarbeitenden Industrie, ABl. 1993 Nr. C 307, S. 3 Rn. 35 ff. 607  Mitteilung der Kommission über Beteiligungen der öffentlichen Hand am Kapital von Unternehmen, EG-Bulletin 9 / 1984, S. 104.

I. Bankenbeihilfen am Beispiel der Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin 119

Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV.608 Im Laufe der Zeit wurde sein Anwendungsbereich auf andere Fälle wie staatliche Darlehen, Bürgschaften, Garantien, Schuldenerlass und Umschuldung ausgeweitet. 2. Garantie Die Gewährung von Garantien stellt gemäß § 6 FMStFG i. V. m. § 2 Abs. 2 FMStFV die vorrangig anzuwendende Stabilisierungsmaßnahme dar. Garantien durften ursprünglich nur für zwischen Inkrafttreten des FMStFG und dem 31. Dezember 2010 emittierte Schuldtitel und begründete Verbindlichkeiten übernommen werden, die eine maximale Laufzeit von grundsätzlich bis zu 36 Monaten und in Ausnahmefällen bis zu 60 Monaten nicht überschritten. Das 2. FMStG modifiziert diese Regelung insoweit, als nunmehr für den Zeitraum ab Inkrafttreten des Gesetzes und bis zum 31. Dezember 2012 begebene Schuldtitel und begründete Verbindlichkeiten übernommen werden dürfen und die maximale Laufzeit auf 84 Monate für gedeckte Schuldverschreibungen im Sinne des § 20 lit. a KWG und 60 Monate für andere Verbindlichkeiten verlängert wird. Nunmehr dehnt das 3. FMStG die Gewährung von Garantien auf bis zum 31.  Dezember 2014 emittierte Schuldtitel und begründete Verbindlichkeiten aus. a) Unterstützung verschiedener Institute aa) Commerzbank Der SoFFin stellte der Commerzbank einen Garantierahmen von bis zu 15 Mrd. Euro für Inhaberschuldverschreibungen, die bis zum 31. Dezember 2009 begeben werden konnten und eine Laufzeit von 36 Monaten nicht überschreiten durften, zur Verfügung.609 Im Falle der Ausgabe von garantierten Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von bis zu 12 Monaten war eine Vergütung von 0,5 % p. a. des Ausgabebetrages an den SoFFin zu 608  EuGH vom 21.03.1991, Rs.  C‑303 / 88, Slg.  1991, I‑1433 Rn. 19 f. Italien /  Kommission (ENI-Lanerossi); EuGH vom 16.05.2002, Rs.  C‑482 / 99, Slg.  2002, I‑4397 Rn. 69 f. Frankreich / Kommission (Stardust Marine); Mitteilung der Kommission über Beteiligungen der öffentlichen Hand am Kapital von Unternehmen, EGBulletin 9 / 1984, S. 104 Rn. 1; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 43 Rn. 27; Streinz / Koenig / Kühling, Art. 107 AEUV Rn. 33. 609  FAZ vom 04.11.2008, Nr. 258, S. 11, 8,2 Milliarden Staatshilfe für die Commerzbank. Die Kommission erklärte diese Maßnahme für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, siehe KOM vom 07.05.2009, K (2009) 3708 endgültig in der Sache N 244 / 2009 Commerzbank.

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

zahlen.610 Bei Laufzeiten, die diese Dauer überschritten, war eine Vergütung von 0,95 % p. a. des Ausgabebetrages vereinbart. Soweit der Garantierahmen nicht in Anspruch genommen wurde, berechnete der SoFFin eine Bereitstellungsgebühr von 0,1 % p. a. Am 8. Januar 2009 begab die Commerzbank eine vom SoFFin garantierte Anleihe von insgesamt 5 Mrd. Euro mit einem Kupon von 2,75 % p. a. Fälligkeitsdatum war der 13. Januar 2012. Auf den nicht in Anspruch genommenen Garantierahmen in Höhe von 10 Mrd. Euro verzichtete sie bereits im 3. Quartal 2009.611 bb) Hypo Real Estate Die Hypo Real Estate nahm insgesamt Garantien bis zu einen Höchstbetrag von ca. 124  Mrd. Euro in Anspruch und ließ damit einen Teil des ihr zur Verfügung gestellten Garantierahmens in Höhe von etwa 145  Mrd. Euro ungenutzt.612 Sämtliche noch bestehenden garantierten Schuldverschreibungen wurden in die am 8. Juli 2010 errichtete Abwicklungsanstalt613 ausgelagert.614 Bis März 2011 wurden sie in vollem Umfang durch eigene Emissionen der Abwicklungsanstalt abgelöst.615 610  Commerzbank, Geschäftsbericht 2009 S. 223, abrufbar unter http: /  / geschaefts bericht2009.commerzbank.de / commerzbank / annual / 2009 / gb / German / pdf / 2009_Ge schaeftsbericht_deutsch.pdf. 611  Commerzbank, Geschäftsbericht 2009 S. 81, abrufbar unter http: /  / geschaefts bericht2009.commerzbank.de / commerzbank / annual / 2009 / gb / German / pdf / 2009_Ge schaeftsbericht_deutsch.pdf; FAZ vom 10.09.2009, Nr. 210, S. 21, Commerzbank gibt restliche Garantien zurück – Verzichtet auf Bürgschaftsrahmen über 5 Milliarden Euro / Blankfein für Boni-Regeln. 612  Gutachten des von der Bundesregierung eingesetzten Expertenrates, Strategien für den Ausstieg des Bundes aus krisenbedingten Beteiligungen an Banken, S. 94 vom 24.01.2011, abrufbar unter http: /  / www.bundesfinanzministerium.de / nn_1776 /  DE / Wirtschaft__und__Verwaltung / Geld__und__Kredit / Kapitalmarktpolitik / 1502 2011-Gutachten-Bankenbeteiligung-Anlage,templateId=raw,property=publicationFile. pdf. Die Garantiegewährung wurde von der Kommission genehmigt, siehe KOM vom 18.07.2011, K (2011) 5157 endgültig in der Sache C 15 / 2009 Hypo Real Estate. 613  Siehe unten D.I.4.b)aa). 614  FAZ vom 04.10.2010, Nr. 230, S. 15, Hypo Real Estate spaltet problemlos Bad Bank ab; Pressemitteilung SoFFin, HRE-Abspaltung auf die FMS Wertmanagement erfolgreich verlaufen, 03.10.2010, abrufbar unter http: /  / www.fmsa.de / de / pres se / pressemitteilungen / 2010 / 20101003_pressenotiz_soffin.html. 615  Gemeinsame Pressemitteilung von FMS Wertmanagement und HRE Holding AG, FMS Wertmanagement führt verbleibende SoFFin-Liquiditätsgarantien vollständig zurück, 23.03.2011, abrufbar unter http: /  / www.fms-wm.de / Deutsch / presse / pres seerklaerungen- / fms-wertmanagement-fuehrt-verbleibende-soffin-liquiditaetsgaranti en-vollstaendig-zurueck / fms-wertmanagement-fuehrt-verbleibende-soffin-liquiditaets garantien-vollstaendig-zurueck.html.

I. Bankenbeihilfen am Beispiel der Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin 121

cc) WestLB Schon vor den staatlichen Stützungsmaßnahmen durch den SoFFin hat die WestLB mit Wirkung zum 31. März 2008 risikobehaftete Wertpapierportfolios mit einem Volumen von 23 Mrd. Euro in eine Zweckgesellschaft namens Phoenix in Irland ausgelagert.616 Zur Absicherung der hiermit verbundenen Risiken gewährten die Eigentümer der Bank, darunter das Land Nordrhein-Westfalen, eine Garantie in Höhe von 5 Mrd. Euro. Nach deren Ausgestaltung haftet das Land Nordrhein-Westfalen im Außenverhältnis für die vollen 5 Mrd. Euro. Während das Land bei Verlusten bis zu einer Höhe von 2 Mrd. Euro im Innenverhältnis einen Ausgleich von den anderen Eigentümern entsprechend ihrer Anteile verlangen kann, haftet es für den übrigen Betrag von bis zu 3 Mrd. Euro allein. Diese Garantie besteht auch nach der Übertragung des Phoenix-Portfolios auf die Erste Abwicklungsanstalt617 fort. b) Vorliegen einer Beihilfe Ob eine Garantie eine Beihilfe darstellt, hängt maßgeblich davon ab, ob sie das Tatbestandsmerkmal einer Begünstigung erfüllt.618 Nach dem Market Economy Investor-Test handelt es sich bei der Garantiegewährung um eine Beihilfe, wenn ein hypothetischer privater Investor die Garantien unter Berücksichtigung der von den Banken als Gegenleistung zu zahlenden Vergütung nicht zur Verfügung gestellt hätte.619 Die mögliche Begünstigung liegt bereits in der Übernahme der Garantie und nicht erst in einer möglicherweise folgenden Inanspruchnahme oder Zahlung.620 Die Beurteilung erfolgt aus einer ex ante-Perspektive zum Zeitpunkt der Garantieübernahme. Entscheidend für das Vorliegen einer Begünstigung ist demnach, ob die von den Banken zu entrichtende Gebühr den erlangten Vorteil kompensiert. 616  KOM vom 30.04.2008, K (2008) 1628 endgültig in der Sache NN 25 / 2008 WestLB Risikoabschirmung; KOM vom 12.05.2009, ABl. 2009 Nr. L 345, S. 1 Rn.  17 ff. Umstrukturierung der WestLB. In dem Beschluss KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C  40 / 2009 Umstrukturierung der WestLB wurde die Maßnahme endgültig genehmigt. 617  Siehe dazu unten D.I.4.b)bb). 618  Vgl. die allgemeinen Ausführungen oben D.I.1. 619  Kritisch gegenüber der Anwendung des Market Economy Investor-Tests im Fall des Marktversagens Drijber / Burmester, Ondernemingsrecht 2009, S. 577 f. 620  Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 des EG-Vertrags auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften, ABl. 2008 Nr. C 155, S. 10 Rn. 2.1; Bartosch, Art. 87 Abs. 1 EGV Rn. 31.

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

Nach der allgemeinen Definition der „Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 des EG-Vertrags auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften“ (Bürgschaftsmitteilung) erhält der Betroffene einen Vorteil, wenn er keine angemessene Prämie zahlt.621 Umgekehrt müssen neben der Zahlung eines Entgelts weitere Voraussetzungen erfüllt sein, damit das Vorliegen einer Beihilfe ausgeschlossen ist. Die Bürgschaftsmitteilung gilt jedoch nur vorbehaltlich besonderer Vorschriften, die für Garantien in den einzelnen Wirtschaftszweigen bestehen.622 Besondere Grundsätze für die Beurteilung staatlicher Unterstützungsmaßnahmen für Kreditinstitute in der Finanz- und Wirtschaftskrise, die gerade auch in der Gewährung von Garantien bestehen können, hat die Kommission in der Bankenmitteilung niedergelegt. Auf Garantien im Bankensektor ist die Bankenmitteilung daher vorrangig anzuwenden, so dass es hinsichtlich des Vorliegens eines Vorteils nicht auf die Voraussetzungen der Bürgschaftsmitteilung ankommt. In der Bankenmitteilung 2008 geht die Kommission unausgesprochen davon aus, dass staatliche Garantien ungeachtet der Entrichtung eines Entgelts den Beihilfetatbestand erfüllen und die Angemessenheit der Vergütung eine Frage der Rechtfertigung ist.623 Das Vorliegen einer Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV trotz Zahlung eines marktnahen Entgelts folgt daraus, dass angesichts der gewaltigen Risiken kein Marktteilnehmer bereit wäre, zu vergleichbaren Bedingungen Garantien in dem enormen Ausmaß zu gewähren, in dem ein Mitgliedstaat sie zur Verfügung gestellt hat.624 Da sich die begünstigten Banken das erforderliche Kapital und die damit verbundene Liquidität also zu günstigeren Bedingungen sichern können als es bei der angespannten Lage auf den Finanzmärkten möglich wäre, liegt ein Vorteil und mithin eine Begünstigung vor.625 Auf der Grundlage des Market Economy Investor-Tests ist der Ansatz der Kommission konsequent, da auf einem nicht mehr funktionierenden Markt ein angemessenes Entgelt von vornherein nicht existiert.626 Diese Herangehensweise ist auch 621  ABl.

2008 Nr. C 155, S. 10 Rn. 2.1 f. (Fn. 621) Rn. 1.3. 623  Siehe Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 26. 624  KOM vom 12.12.2008, K (2008) 8629 in der Sache N 625 / 2008 Rn. 44 Rettungspaket für Finanzinstitute in Deutschland; KOM vom 22.12.2009, ABl. 2010 Nr. C 66, S. 15 Rn. 39 Zusätzliche Beihilfen für die West LB AG im Rahmen der Auslagerung von Vermögenswerten; vgl. KOM vom 13.10.2008, C (2008) 6059 in der Sache NN 48 / 2008 Rn. 48 Guarantee scheme for banks in Ireland. 625  Vgl. KOM vom 12.12.2008, K (2008) 8629 in der Sache N 625 / 2008 Rn. 43 Rettungspaket für Finanzinstitute in Deutschland. 626  A. A. Drijber / Burmester, Ondernemingsrecht 2009, S. 577, die den Market Economy Investor-Test bei gestörten Märkten für unbrauchbar halten. 622  Bürgschaftsmitteilung

I. Bankenbeihilfen am Beispiel der Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin 123

wettbewerbspolitisch zu begrüßen, da die Kommission die mitgliedstaat­ lichen Garantien überprüfen muss, um Maßnahmen zur Verhinderung oder zumindest Verringerung von Wettbewerbsverzerrungen treffen zu können. Das entrichtete Entgelt stellt bei der Beihilfekontrolle als Eigenbeitrag der Banken lediglich einen von mehreren Faktoren bei der Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Nichtsdestoweniger soll die Prämie einem fiktiven Marktpreis so weit wie möglich angenähert sein.627 Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Risiko- und Kreditprofilen sowie dem Kreditbedarf der Begünstigten zu. In der Praxis orientiert sich die Kommission an den Empfehlungen der EZB,628 die eine Bereitstellungsprämie von regelmäßig 0,5 % des Garantiebetrages und eine dem CDS Spread des betroffenen Kreditinstituts entsprechende Risikoprämie vorsehen.629 3. Rekapitalisierung Wenn die Garantiemaßnahmen nicht genügen, ermöglicht § 7 FMStFG i. V. m. § 3 FMStFV eine Beteiligung des SoFFin an der Rekapitalisierung einer Bank in jeder geeigneten Form mit einer Obergrenze von normalerweise 10 Mrd. Euro im Einzelfall. Das Ziel einer Rekapitalisierung besteht darin, in absehbarer Zeit eine angemessene Eigenmittelausstattung herzustellen. a) Unterstützung verschiedener Institute aa) Commerzbank Der SoFFin gewährte der Commerzbank am 31. Dezember 2008 eine stille Einlage in Höhe von 8,2 Mrd. Euro, die bei nach HGB-Bilanzierung gewinnbringender Tätigkeit mit 9 % p. a. verzinst wurde.630 Der Zinssatz erhöhte sich in Jahren, in denen Dividendenzahlungen erfolgen, um 0,01 Prozentpunkte je rund 5,9 Mio. Euro ausgeschütteter Bardividende. Am 4. Juni 2009 627  Bankenmitteilung

2008 (Fn. 191) Rn. 26. vom 12.12.2008, K (2008) 8629 in der Sache N 625 / 2008 Rn. 77 Rettungspaket für Finanzinstitute in Deutschland. 629  Recommendations of the Governing Council of the European Central Bank on government guarantees for bank debt, 20.10.2008, abrufbar unter http: /  / www.ecb. int / pub / pdf / other / recommendation_on_guaranteesen.pdf. Zur Höhe der von den drei Instituten zu zahlenden Entgelte siehe oben D.I.2.a). 630  FAZ vom 22.12.2008, Nr. 299, S. 18, Commerzbank muss für Hilfen mehr zahlen. Alle in diesem Abschnitt genannten Kapitalmaßnahmen wurden von der Kommission für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt, siehe KOM vom 07.05.2009, K (2009) 3708 endgültig in der Sache N 244 / 2009 Commerzbank. 628  KOM

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

folgte eine weitere stille Einlage des SoFFin in Höhe von 8,2 Mrd. Euro, die den gleichen Konditionen unterliegt wie die erste.631 Zudem erwarb der SoFFin im Rahmen einer Kapitalerhöhung rund 295 Mio. Aktien zum Ausgabebetrag von 6 Euro, mithin im Gesamtwert von knapp 1,8 Mrd. Euro.632 Dadurch erlangte er mit einer Beteiligung in Höhe von 25 % und einer Aktie am 4. Juni 2009 eine Sperrminorität für Grundlagenentscheidungen. Inzwischen hat die Commerzbank die stillen Einlagen nach Abschluss einer zu diesem Zweck beschlossenen Kapitalerhöhung zurückgeführt, wobei der SoFFin seine Beteiligungsquote auf rund 17 % reduzierte.633 bb) Hypo Real Estate Im Wege einer Kapitalerhöhung um 60 Mio. Euro am 28. März 2009 übernahm der SoFFin 20 Mio. neue Aktien der Hypo Real Estate zum Nennwert von 3 Euro.634 Am 8. Juni 2009 kam es aufgrund des Erwerbs von 986.544.080 neuen Aktien zum Nennwert von 3 Euro durch den SoFFin zu einer Kapitalerhöhung um etwa 2,96 Mrd. Euro. Zudem folgte am 16. November 2009 eine Kapitalzuführung von 3 Mrd. Euro.635 Letztere setzte sich aus der Zahlung von 2 Mrd. Euro, über welche die Muttergesellschaft HRE Holding (0,7 Mrd. Euro) sowie ihre Tochtergesellschaft pbb Deutsche Pfandbriefbank (pbb) (1,3 Mrd. Euro) als freie Rücklagen verfügen, und einer stillen Beteiligung an der pbb in Höhe von 1 Mrd. Euro zusammen. Auf diese stille Beteiligung ist ein Zins von 10 % des Nennbetrags p. a. zu entrichten. Am 20. Mai 631  Commerzbank, Geschäftsbericht 2010, S. 281, abrufbar unter http: /  / geschaefts bericht2010.commerzbank.de / commerzbank / annual / 2010 / gb / German / pdf / 2010_ Geschaeftsbericht_deutsch.pdf. 632  Commerzbank, Geschäftsbericht 2009, S. 71, abrufbar unter http: /  / geschaeftsbericht2009.commerzbank.de / commerzbank / annual / 2009 / gb / German / pdf / 2009_ Geschaeftsbericht_deutsch.pdf.; FAZ vom 18.05.2009, Nr. 114, S. 14, Commerzbank-Aktionäre billigen Staatseinstieg – Herbe Kritik an Übernahme der Dresdner Bank / Investmentbanker wollen Boni einklagen. 633  Commerzbank, Pressemitteilung vom 29.05.2013, Commerzbank schließt Kapitalerhöhung zur vollständigen Rückzahlung der Stillen Einlagen von SoFFin und Allianz erfolgreich ab, abrufbar unter https: /  / www.commerzbank.de / de / hauptnavi gation / presse / pressemitteilungen / archiv1 / 2013 / quartal_13_02 / presse_archiv_de tail_13_02_33418.html. 634  Sämtliche in diesem Abschnitt aufgezählte Stützungsmaßnahmen wurden von der Kommission genehmigt, siehe KOM vom 18.07.2011, K (2011) 5157 endgültig in der Sache C 15 / 2009 Hypo Real Estate. 635  Deutsche Pfandbriefbank, Geschäftsbericht 2009, S. 9, abrufbar unter http: /  /  www.pfandbriefbank.com / fileadmin / user_upload / downloads / investor_relations / re ports / GB09_pbb_Einzelabschluss_10_03_25_GL.pdf; Hypo Real Estate Group, Geschäftsbericht 2009, S. 6, 25, abrufbar unter http: /  / www.hyporealestate.com / pdf /  GB09_HRE_10_03_29_11_40_GL.pdf.

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2010 unterstützte der SoFFin die HRE Holding mit weiteren 1,4 Mrd. Euro, die den freien Rücklagen zugeführt wurden. cc) WestLB Die WestLB erhielt vom SoFFin eine stille Einlage in Höhe von 3 Mrd. Euro, die bei einem nach dem Bilanzrecht des HGB ausgewiesenen Gewinn mit 10 % p. a. verzinst wird.636 Die stille Einlage wurde in drei Tranchen gezahlt, wobei die letzte am 30. April 2010 erbracht wurde. Die WestLB hat dem SoFFin seit dem 1. Juli 2010 ein Wandlungsrecht in Aktien eingeräumt. Im Jahr 2012 führte das Land Nordrhein-Westfalen die stille Einlage teilweise in Höhe von 1 Mrd. Euro zurück.637 b) Vorliegen einer Beihilfe Rekapitalisierungsmaßnahmen erfolgen in Form von Kapitalzuführungen, die unterschiedlich ausgestaltet sein können. Für den Beihilfecharakter einer Unterstützungsmaßnahme ist nicht die äußere Form638, sondern allein die selektiv begünstigende Wirkung maßgeblich639. aa) Aktienbeteiligung Der SoFFin hat sowohl an der Commerzbank als auch an der Hypo Real Estate Aktienbeteiligungen im Wege einer Kapitalerhöhung erworben. Aus636  FAZ vom 26.11.2009, Nr. 275, S. 11, Rettungsfahrplan für die WestLB findet breite Zustimmung – Die angeschlagene Landesbank soll vom Bund bis zu 4 Mrd. Euro erhalten. Die Kommission erteilte zunächst eine auf sechs Monate befristete vorläufige Genehmigung und verlängerte diese anschließend bis zu einem abschließenden Beschluss der Kommission, siehe KOM vom 22.12.2009, ABl. 2010 Nr. C 66, S. 15 Zusätzliche Beihilfen für die West LB AG im Rahmen der Auslagerung von Vermögenswerten und KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens, WestLB AG. In dem Beschluss KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Umstrukturierung der WestLB wurde die Maßnahme endgültig genehmigt. 637  Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, Bericht über das Geschäftsjahr 2012 des Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin). Näher hierzu siehe unten D.I.4.e). 638  EuGH vom 14.11.1984, Rs.  323 / 82, Slg.  1984, 3809 Rn. 32 SA Intermills /  Kommission. 639  EuGH vom 02.07.1974, Rs.  173 / 73, Slg.  1974, 709 Rn. 26 / 28 Italien / Kommission; EuGH vom 24.02.1987, Rs.  310 / 85, Slg.  1987, 901 Rn. 8 Deufil / Kommission; EuGH vom 17.06.1999, Rs.  C‑75 / 97, Slg.  1999, I‑3671 Rn. 25 Belgien / Kommission (Maribel); Götz / Martínez Soria, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, H.III Rn. 62.

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

gangspunkt für die Feststellung, ob eine Begünstigung vorliegt, ist, dass es einem hypothetischen privaten Kapitalgeber regelmäßig nicht genügt, mit seiner Anlage keine Verluste zu erzielen oder nur begrenzte Gewinne einzufahren, sondern er eine angemessene Rendite seiner Investitionen anstrebt.640 Daher würde er nur dann in ein Unternehmen investieren, wenn die abgezinsten erwarteten zukünftigen Erträge des angelegten Kapitals in Form von Ausschüttungen und Wertsteigerungen seines Anteils der üblichen Rendite von Vergleichsinvestitionen mit entsprechender Risikostruktur zumindest gleichwertig sind.641 Dies ist bei börsennotierten Gesellschaften regelmäßig dann anzunehmen, wenn Aktien zum Kurswert erworben werden. Darüber hinaus indiziert die fehlende Beteiligung Privater an der Kapitalerhöhung das Vorliegen einer Beihilfe.642 Die Kommission stützt sich in ihrer Entscheidung zur Hypo Real Estate maßgeblich auf den Market Economy Investor-Test unter Berücksichtigung des Börsenkurses.643 Da der SoFFin der Hypo Real Estate mit 3 Euro pro Aktie einen wesentlich über dem Kurswert liegenden Betrag zahlte,644 ist davon auszugehen, dass der SoFFin keine wertgleiche Beteiligung erhielt und daher eine Beihilfe vorliegt. Eine andere Bewertung dürfte sich bei den erheblich über dem Börsenkurs liegenden Kaufpreisen auch nicht daraus ergeben, dass der SoFFin jeweils große Blockanteile und damit einhergehend private Kontrollvorteile erworben hat. Auch die Aktien der Commerzbank wurden vom SoFFin zu einem über dem Börsenkurs liegenden Ausgabewert übernommen, so dass auch diese Maßnahme unter Heranziehung des Market Economy Investor-Tests eine Beihilfe darstellt.645 Bestätigt wird 640  EuG vom 06.03.2003, verb. Rs.  T‑228 / 99 und T‑233 / 99, Slg. 2003, II‑435 Rn. 314 Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land NRW / Kommission; vgl. KOM vom 12.12.2008, K (2008) 8629 in der Sache N 625 / 2008 Rn. 44 Rettungspaket für Finanzinstitute in Deutschland. 641  Mitteilung der Kommission – Anwendung der Artikel 92 und 93 EWG‑Vertrag und des Artikels 5 der Kommissionsrichtlinie 80 / 723 / EWG über öffentliche Unternehmen in der verarbeitenden Industrie, ABl. 1993 Nr. C 307, S. 3 Rn. 35. Die Mitteilung behandelt zwar nur Unternehmen in der verarbeitenden Industrie, in Rn. 3 wird aber klargestellt, dass das erläuterte Konzept auch auf Einzelfälle oder Sektoren außerhalb der verarbeitenden Industrie anwendbar ist. 642  Bonkamp, Die Bedeutung des gemeinschaftsrechtlichen Beihilfeverbotes für die Beteiligung der öffentlichen Hand an einer Kapitalgesellschaft, S. 41 m. Fn. 40; vgl. Mitteilung der Kommission über Beteiligungen der öffentlichen Hand am Kapital von Unternehmen, EG-Bulletin 9 / 1984, S. 104 Rn. 3.3. 643  KOM vom 24.07.2009, ABl. 2009 Nr. C 240, S. 11 Rn. 47 Verfahrenseröffnungsentscheidung Hypo Real Estate. 644  KOM vom 24.07.2009, ABl. 2009 Nr. C 240, S. 11 Rn. 47 Verfahrenseröffnungsentscheidung Hypo Real Estate. 645  Commerzbank, Pressemitteilung vom 16.05.2009, Hauptversammlung 2009 beschließt Kapitalerhöhung für SoFFin-Beteiligung, abrufbar unter https: /  / www.

I. Bankenbeihilfen am Beispiel der Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin 127

dieses Ergebnis dadurch, dass die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen jeweils nur erforderlich waren, weil kein privater Investor die Bereitschaft zeigte, unter vergleichbaren Bedingungen Kapitalzuführungen in vergleichbarer Höhe vorzunehmen.646 bb) Stille Beteiligung Ferner hat der SoFFin gegen Leistung von Einlagen stille Beteiligungen an der Commerzbank, der Hypo Real Estate und der WestLB erworben. Maßgebliche Bedeutung für das Vorliegen einer Beihilfe kommt auch insoweit dem Market Economy Investor-Test zu. Selbst unter Berücksichtigung der Verzinsung647 würde ein marktwirtschaftlich denkender Kapitalgeber die Investition unter vergleichbaren Bedingungen aus den bereits zur Garantie ausgeführten Gründen648 nicht tätigen,649 so dass den unterstützten Banken Beihilfen gewährt wurden. 4. Abwicklungsanstalt a) Modelle Der deutsche Gesetzgeber sieht mit dem Zweckgesellschafts-650 und dem Konsolidierungs- oder Anstaltsmodell651 zwei Modelle vor, die den Banken ermöglichen sollen, Risikopositionen auf Abwicklungsanstalten zu übertragen.652 Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass das Konsolidiecommerzbank.de / de / hauptnavigation / presse / pressemitteilungen / archiv1 / 2009 / quar tal_09_02 / presse_archiv_detail_09_02_5662.html. 646  Vgl. KOM vom 12.12.2008, K (2008) 8629 in der Sache N 625 / 2008 Rn. 44 Rettungspaket für Finanzinstitute in Deutschland. 647  Die Kommission verlangt zur Verringerung von Wettbewerbsverzerrungen eine marktorientierte Vergütung, siehe Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 11 und KOM vom 12.12.2008, K (2008) 8629 in der Sache N 625 / 2008 Rn. 56 Rettungspaket für Finanzinstitute in Deutschland. 648  Siehe oben D.I.3.b)aa). 649  Vgl. KOM vom 13.11.2009, ABl. 2010 Nr. C 13, S. 58 Rn. 40 Verfahrenseröffnungsentscheidung Hypo Real Estate; KOM vom 22.12.2009, ABl. 2010 Nr. C 66, S. 15 Rn. 39 Zusätzliche Beihilfen für die West LB AG im Rahmen der Aus­ lagerung von Vermögenswerten. 650  §§ 6 lit. a–c FMStFG. 651  §§ 8 lit. a, b FMStFG. 652  Ausführlich hierzu Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2009 / 2010, Die Zukunft nicht aufs Spiel setzen, Rn. 179 ff., abrufbar unter http: /  / www.sachverstaendigenrat-wirtschaft. de / jahresgutachten-2009-2010.html; Karpenstein, ZBB 2009, S. 413; Laier, GWR

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

rungsmodell zusätzlich auch die Auslagerung nicht strategienotwendiger Geschäftsbereiche zulässt. Allerdings entfällt mit dem 2. FMStG die bislang im Rahmen des Zweckgesellschaftsmodells geltende Beschränkung auf eine Übertragung strukturierter Wertpapiere, damit auch Staatsanleihen aufgenommen werden können. Mit dieser Modifikation wird laut Gesetzesbegründung bezweckt, „dass mögliche temporäre Übertreibungen bei der Bewertung von Anleihen von europäischen Staaten oder Unternehmen durch Übertragung solcher Wertpapiere auf Zweckgesellschaften […] nicht zu einer Bestandsgefährdung von Instituten führen und das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Solvenz dieser Institute gefestigt wird.“653 Innerhalb des Konsolidierungsmodells ist wiederum zwischen dem Modell bundesrechtlicher und dem Modell landesrechtlicher Abwicklungsanstalten zu unterscheiden. Durch Letzteres wird den Ländern ermöglicht, eigene Abwicklungsanstalten für ihre Landesbanken zu schaffen, wobei im Wesentlichen die Regelungen für bundesrechtliche Abwicklungsanstalten anzuwenden sind. Das Modell bundesrechtlicher Abwicklungsanstalten wird auch als AidA-Modell („Anstalt in der Anstalt“) bezeichnet, da es sich bei einer auf Bundesebene errichteten Abwicklungsanstalt um eine teilrechtsfähige, wirtschaftlich und organisatorisch selbständige Einheit innerhalb der FMSA handelt, wohingegen landesrechtliche Abwicklungsanstalten vollrechtsfähige Anstalten ohne Anbindung an die FMSA sind. Sowohl die Hypo Real Estate als auch die WestLB haben die Errichtung einer Abwicklungsanstalt nach dem AidAModell beantragt. Die Schaffung von Abwicklungsanstalten ermöglicht Banken, ihre Bilanzen durch Auslagerung von Risikopositionen kurzfristig zu entlasten. So verringert sich der Abschreibungsdruck und die Institute erlangen Planungssicherheit.654 Durch die niedrigere Risikogewichtung verringert sich das aufsichtsrechtlich gebundene Eigenkapital der Kreditinstitute, so dass diese wieder zur Kreditvergabe an die Realwirtschaft in der Lage sind. Zugleich können die Bilanzen im Konsolidierungsmodell durch Auslagerung nicht strategienotwendiger Geschäftsbereiche reduziert werden, um eine Verkleinerung der Kernbank, eine Konsolidierung oder die Erfüllung von EUAuflagen zu erreichen.655

2009, S. 435; Wolfers / Rau, NJW 2009, S. 2401. Zu steuerrechtlichen Aspekten siehe Altvater, DB 2009, S. 1779 sowie Striegel, NWB-EV 2010, S. 4. 653  BT-Drs. 17 / 8343 (Fn. 578) S.  11 f. 654  Vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU / CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung, BT-Drs. 16 / 13156, 26.05.2009, S. 1. 655  Wolfers / Rau, NJW 2009, S. 2401.

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aa) AidA-Modell Im Rahmen des Anstaltsmodells werden die Abwicklungsanstalten nach § 8 lit. a Abs. 1 S. 1, Abs. 3 FMStFG auf Antrag der übertragenden Gesellschaft durch die FMSA errichtet. Sowohl private als auch öffentliche Banken können vom AidA-Modell Gebrauch machen. Gemäß § 8 lit. a Abs. 1 S. 1 FMStFG können sowohl bis zum 30. September 2012656 erworbene Risikopositionen im Sinne des § 8 FMStFG als auch nicht strategienotwendige Geschäftsbereiche auf die Abwicklungsanstalten übertragen werden. Eine AidA kann gemäß § 8 lit. a Abs. 1 S. 5 FMStFG im rechtsgeschäft­ lichen Verkehr unter ihrem eigenen Namen handeln, klagen und verklagt werden und verfügt über einen eigenen Rechnungs- und Buchungskreis. § 8 lit. a Abs. 1 S. 8 FMStFG schreibt eine strikte Trennung des Vermögens der Abwicklungsanstalt von dem Vermögen anderer Abwicklungsanstalten und von dem übrigen Vermögen der FMSA vor. Im Außenverhältnis haftet nach § 8 lit. a Abs. 1 S. 9 FMStFG allein die Abwicklungsanstalt für ihre Verbindlichkeiten. Ein entscheidender Vorteil der Abwicklungsanstalt ist die Bilanzierung nach HGB gemäß § 8 lit. a Abs. 1 S. 10 i. V. m. § 3 lit. a Abs. 4 FMStFG. So muss sie nicht fortwährend Schwankungen des Marktwertes nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) ausweisen und die damit verbundenen Bewertungsrisiken tragen.657 Zudem gilt die Abwicklungsanstalt gemäß § 8 lit. a Abs. 5 FMStFG nicht als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut im Sinne des KWG, so dass dessen strenge Anforderungen keine Anwendung finden. Daher kann das bislang aufsichtsrechtlich gebundene Eigenkapital beim übertragenden Institut verbleiben und steht dort für die strategienotwendigen Geschäftsbereiche zur Verfügung.658 Die Übertragung der Risikopositionen und der nicht strategienotwendigen Geschäftsbereiche auf eine Abwicklungsanstalt kann gemäß § 8 lit. a Abs. 1 S. 1 FMStFG entweder durch Rechtsgeschäft oder durch eine Umwandlung im Wege einer Abspaltung oder Ausgliederung erfolgen. Dabei ist nach § 14 lit. a Abs. 2 S. 1, 2, Abs. 3 S. 1 FMStFG der Buchwert zugrunde zu legen. Ferner ist gemäß § 8 lit. a Abs. 1 S. 4 FMStFG statt einer Auslagerung auch eine Übernahme von Garantien oder Unterbeteiligungen oder eine Absicherung auf sonstige Weise möglich. 656  Vor

dem 3. FMStG war Stichtag der 31. Dezember 2010. Bericht des Haushaltausschusses (8. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU / CSU und SPD sowie der Bundesregierung für ein Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung, BT-Drs. 16 / 13591, 02.07.2009, S. 6. 658  BT-Drs. 16 / 13591 (Fn. 657) S. 13. 657  Siehe

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

Das Stammkapital einer Abwicklungsanstalt wird durch Sacheinlage des übertragenen Vermögens aufgebracht.659 Die Anteilseigner der übertragenden Bank werden bei einer Abspaltung Anteilseigner der Abwicklungsanstalt. Bei einer Ausgliederung wird hingegen die übertragende Gesellschaft am Stammkapital beteiligt. Die FMSA selbst beteiligt sich nicht an der neuen Gesellschaft. Folge der Beteiligung ist neben der Partizipation an Gewinnen, Verlusten und dem Liquidationserlös regelmäßig ein Gremienbesetzungsrecht. Nach dem Grundsatz der Eigentümerverantwortung haben die Anteilseigner einer übertragenden Bank sich gegenüber der Abwicklungsanstalt unmittelbar, quotal und unbegrenzt zum Verlustausgleich und zum Nachschuss zu verpflichten. Die einzelnen Bedingungen können gemäß § 8 lit. a Abs. 4 S. 2 FMStFG im Statut der Abwicklungsanstalt und durch vertragliche Vereinbarungen geregelt werden. Während im Außenverhältnis nach § 8 lit. a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 S. 1 FMStFG grundsätzlich eine gesamtschuldnerische Haftung besteht, ordnet § 8 lit. a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 lit. a FMStFG an, dass lediglich eine quotale Haftung begründet wird, wenn ein Land zu den Anteilseignern gehört. Innerhalb der Grenzen des EU-Rechts ist nach § 8 lit. a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 S. 3 FMStFG auch die Vereinbarung einer disquotalen Verlustausgleichspflicht zulässig. Für den Fall, dass zu den Anteilseignern ein Verbund von Sparkassen oder eine Beteiligungsgesellschaft von solchen zählt, hat der Gesetzgeber in § 8 lit. a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 lit. a S. 2 FMStFG für diese eine zweistufig aufgeteilte Verlustausgleichspflicht vorgesehen: Primär sind Verluste aus einem etwaig von der übertragenden Bank an den Verbund auszuschüttenden Betrag auszugleichen. Nur soweit dieser nicht ausreicht, wird eine unmittelbare Verlustausgleichspflicht begründet. Zudem ist der Haftungsumfang gemäß § 8 lit. a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 lit. a S. 3 FMStFG wegen der besonderen, gemeinwohlorientierten Aufgabenstellung der Sparkassen660 auf den Betrag der Gewährträgerhaftung am 30. Juni 2008 begrenzt. Zugunsten einer Abwicklungsanstalt kommen SoFFin-Garantien nach § 8 lit. a Abs. 10 S. 1 FMStFG nur in Bezug auf Schuldtitel und sonstige Verbindlichkeiten in Betracht, welche diese nach dem 23. Juli 2009 zum Zwecke der Refinanzierung von strukturierten Wertpapieren begeben beziehungsweise begründet hat. Nach Abschluss der Abwicklung, also nach Veräußerung aller ausgelagerten Risikopositionen und Geschäftsbereiche, löst die FMSA die Abwicklungsanstalt auf. Ein möglicher Verwertungsgewinn wird gemäß § 8 lit. a Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FMStFG im Regelfall an die Anteilseigner ausgekehrt. 659  BT-Drs. 660  BT-Drs.

16 / 13591 (Fn. 657) S. 11. 16 / 13591 (Fn. 657) S. 12.

I. Bankenbeihilfen am Beispiel der Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin 131

bb) Zweckgesellschaftsmodell Durch das Zweckgesellschaftsmodell wird die Gründung einer Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle) ermöglicht, auf die das betreffende Institut Wertpapiere und damit verbundene Absicherungsgeschäfte im Sinne des § 6 lit. a Abs. 1 S. 1 FMStFG übertragen kann. Mit der Ersetzung des Begriffs „strukturierte Wertpapiere“ durch den Begriff „Wertpapiere“ im 2. FMStG bezweckt der Gesetzgeber, auch die Auslagerung von Staatsanleihen zuzulassen.661 Der Übertragungswert wird gemäß § 6 lit. a Abs. 2 Nr. 2 S. 1 FMStFG festgesetzt als höchster Wert aus 1.) 90 % des Buchwertes vom 31. Dezember 2011662, 2.) 90 % des Buchwertes vom 30. September 2012663 und 3.) dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert, wobei jedoch der volle Buchwert zum 30. September 2012 nach § 6 lit. a Abs. 2 Nr. 2 S. 2 FMStFG664 eine zusätzliche absolute Obergrenze bildet. Der genannte Abschlag von den Buchwerten muss gemäß § 6 lit. a Abs. 2 Nr. 2 S. 4 FMStFG allerdings nur in der Höhe vorgenommen werden, in der die übertragende Bank eine Kernkapitalquote von mindestens 7 % einhalten kann. Als Gegenleistung für die Übertragung der Risikoaktiva erhält die Bank gemäß § 6 lit. a Abs. 1 S. 1 FMStFG von der Zweckgesellschaft begebene, verzinsliche, nicht handelbare Schuldtitel, deren Erfüllung vom SoFFin garantiert wird. Auf diese Weise kommt es in der Bilanz des Instituts zu einem Aktivtausch, so dass die bisherigen Bewertungsrisiken entfallen und ein weiterer auf Marktvolatilitäten basierender Abschreibungsbedarf verhindert wird.665 Zudem verringert sich das Ausmaß der erforderlichen Eigenkapitalunterlegung wegen der niedrigeren Risikogewichtung. Ferner stellen die Schuldtitel wegen der Garantie eine notenbankfähige Sicherheit dar und können somit bei der EZB zur Liquiditätsbeschaffung genutzt werden. Gemäß § 6 lit. a Abs. 5 Nr. 2 FMStFG muss die übertragende Bank eine marktgerechte Vergütung für die Garantie an den SoFFin zahlen. Daneben ist das übertragende Kreditinstitut gemäß § 6 lit. b FMStFG verpflichtet, für die Dauer der Laufzeit der Garantie – maximal aber 20 Jahre lang – aus dem an die Anteilseigner auszuschüttenden Betrag einen Ausgleich an die Zweckgesellschaft zu leisten. Der jährlich zu zahlende Betrag ergibt sich nach § 6 lit. b Abs. 1 Nr. 1 FMStFG, indem man die 661  BT-Drs.

17 / 8348 (Fn. 578) S. 11 f. dem 3. FMStG war der Buchwert vom 31. Dezember 2010 maßgeblich. 663  Vor dem 3. FMStG war der Buchwert vom 30. September 2011 maßgeblich. 664  Vor dem 3. FMStG war der Buchwert vom 30. September 2011 maßgeblich. 665  Laier, GWR 2009, S. 435, 436 ; Wolfers / Rau, NJW 2009, S. 2401, 2403; vgl. BT-Drs. 16 / 13156 (Fn. 654) S. 6. 662  Vor

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

Differenz zwischen Übertragungs- und Fundamentalwert durch die Zahl der vollen Jahre der Garantielaufzeit dividiert. Dabei wird der Fundamentalwert nach der Legaldefinition in § 6 lit. a Abs. 3 FMStFG ermittelt, indem vom tatsächlichen wirtschaftlichen Wert ein individueller Abschlag für die bis zum Laufzeitende der übertragenen Wertpapiere zu erwartenden Risiken vorgenommen wird. Genügt die Ausgleichszahlung nicht zur Deckung der bei der Zweckgesellschaft aufgetretenen Verluste, gelangt die in § 6 lit. c FMStFG vorgesehene Nachhaftung zur Anwendung. Zur Erfüllung dieser Pflicht sind bei Unternehmen in der Rechtsform einer AG gemäß § 6 lit. c Abs. 1 FMStFG Zahlungen aus dem ausschüttungsfähigen Bilanzgewinn zu leisten oder im beiderseitigen Einvernehmen Aktien an den SoFFin auszugeben. Im Zweckgesellschaftsmodell besteht somit ein zwar zeitlich unbegrenztes, aber vom Umfang her auf zukünftige ausschüttungsfähige Gewinne beschränktes, mittelbares Verlusttragungsrisiko der Anteilseigner als Resi­ dualanspruchsberechtigte. Das Risiko für den Bund als Garantiegeber liegt demgegenüber im Ausfall der Ausgleichszahlungen. Ergibt sich bei der Auflösung der Zweckgesellschaft dagegen ein positiver Saldo, wird der SoFFin an den Überschüssen nicht beteiligt, § 6 lit. b Abs. 2 FMStFG. b) Anwendung der Modelle auf verschiedene Institute aa) Hypo Real Estate Am 8. Juli 2010 wurde von der FMSA auf einen entsprechenden Antrag der Hypo Real Estate hin eine Abwicklungsanstalt nach § 8 lit. a FMStFG errichtet.666 Mit Wirkung zum 30. September 2010 wurden nicht strategienotwendige Geschäftsbereiche und Risikopositionen der Hypo Real Estate im Nominalwert von rund 173 Mrd. Euro in die sogenannte „FMS Wertmanagement“ ausgelagert.667 Die Abwicklungsanstalt wurde mit Eigenkapital in Höhe von 3,87 Mrd. Euro ausgestattet.668 Davon flossen ihr 1,79 Mrd. Euro von der Hypo Real Estate und 2,08 Mrd. Euro vom Bund zu. Da nicht alle Jurisdiktionen, aus deren Bereich Assets übertragen wurden, eine Aus666  Die Kommission hat die Übertragung von Vermögenswerten durch die Bank auf eine Abwicklungsanstalt genehmigt, siehe KOM vom 18.07.2011, K (2011) 5157 endgültig in der Sache C 15 / 2009 Hypo Real Estate. 667  FAZ vom 04.10.2010, Nr. 230, S. 15, Hypo Real Estate spaltet problemlos Bad Bank ab. 668  Pressemitteilung SoFFin vom 03.10.2010, HRE – Abspaltung auf die FMS Wertmanagement erfolgreich verlaufen, abrufbar unter http: /  / www.fmsa.de / de / pres se / pressemitteilungen / 2010 / 201010 03_pressenotiz_soffin.html.

I. Bankenbeihilfen am Beispiel der Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin 133

lagerung im Wege der Abspaltung zulassen, mussten auch andere Übertragungswege gewählt werden. bb) WestLB Die FMSA gründete am 11. Dezember 2009 für die WestLB eine Abwicklungsanstalt nach § 8 lit. a FMStFG.669 Das erste auf die sogenannte „Erste Abwicklungsanstalt“ (EAA) übertragene Portfolio setzte sich aus etwa 77 Mrd. Euro an strukturierten Wertpapieren, sonstigen Risikopositionen und nicht strategischen Geschäftsbereichen zusammen und belief sich damit etwa auf ein Drittel des Geschäftsvolumens der WestLB.670 Den größten Einzelposten bildete das sogenannte Phoenix-Portfolio. An diese Auslagerung von strukturierten Wertpapieren mit einem Nennwert von etwa 6,2 Mrd. Euro und Verbindlichkeiten mit einem Nennwert von etwa 5,5 Mrd. Euro, die vom 23. Dezember 2009 auf den 1. Januar 2009 zurückwirkte, schloss sich die Abspaltung des Hauptteils am 30. April 2010 mit Rückwirkung auf den 1. Januar 2010 an. Im Zuge ihrer Umstrukturierung übertrug die WestLB schließlich am 31. August 2012 – nunmehr unter der Firmierung Portigon – mit Rückwirkung auf den 1. Juli 2012 ein zweites Portfolio von rund 100 Mrd. Euro auf die EAA, das aus den bei der WestLB verbliebenen, nicht veräußerten Vermögenswerten und Verbindlichkeiten bestand.671 Diese umfassten Handelspositionen von etwa 50 Mrd. Euro sowie Kredite, Wertpapiere und Beteiligungen. Wegen der Bezüge zu ausländischen Jurisdik­ tionen wurden neben der Abspaltung auch andere Transaktionsformen angewandt. 669  Die Kommission erklärte die Errichtung einer Abwicklungsanstalt und die damit einhergehenden Kapitalmaßnahmen zunächst mit einer zeitlichen Begrenzung von sechs Monaten für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und verlängerte die Genehmigung schließlich bis zu einem abschließenden Beschluss der Kommission, siehe KOM vom 22.12.2009, ABl. 2010 Nr. C 66, S. 15 Zusätzliche Beihilfen für die West LB AG im Rahmen der Auslagerung von Vermögenswerten und KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens, WestLB AG. In dem Beschluss KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Umstrukturierung der WestLB wurde die Maßnahme endgültig genehmigt. 670  Gutachten des von der Bundesregierung eingesetzten Expertenrates, Strategien für den Ausstieg des Bundes aus krisenbedingten Beteiligungen an Banken, 24.01.2011, S. 108 abrufbar unter http: /  / www.bundesfinanzministerium.de / nn_1776 /  DE / Wirtschaft__und__Verwaltung / Geld__und__Kredit / Kapitalmarktpolitik / 1502 2011-Gutachten-Bankenbeteiligung-Anlage,templateId=raw,property=publicationFile. pdf. 671  Siehe hierzu die Website der EAA, abrufbar unter https: /  / www.aa1.de / start seite / .

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

Die EAA wurde zunächst durch die WestLB selbst mit rund 3 Mrd. Euro Eigenkapital ausgestattet.672 Außerdem gewährten die Eigentümer Garantien in Höhe von 1 Mrd. Euro.673 Am 31. August 2012 räumten der SoFFin und die Anteilseigner der WestLB der EAA anlässlich der Übertragung des zweiten Portfolios Eigenkapitalziehungsrechte in Höhe von 480  Mio. Euro ein.674 Für weitere Verluste stehen die Anteilseigner entsprechend ihrer Beteiligungsquoten ein.675 c) Vorliegen einer Beihilfe Im Unterschied zu Garantien und Kapitalmaßnahmen ist der Beihilfecharakter der Errichtung einer Abwicklungsanstalt weitaus weniger offensichtlich. Insoweit ist trennscharf herauszustellen, welche Umstände eine Begünstigung durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln begründen. Nach der Risikoaktivamitteilung handelt es sich bei staatlichen Entlastungsmaßnahmen um Beihilfen, wenn durch sie Abschreibungen und eine Bildung von Risikovorsorge vermieden werden können sowie bislang aufsichtsrechtlich gebundenes Kapital freigesetzt wird.676 Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn wertgeminderte Aktiva zu einem Wert über dem Marktpreis erworben oder versichert werden oder wenn das Garantieentgelt den Staat nicht für den Fall maximaler Haftung vergütet. Im Folgenden wird untersucht, woraus sich beim Zweckgesellschafts- und beim AidAModell die Beihilfeelemente ergeben. aa) Zweckgesellschaftsmodell Im Zweckgesellschaftsmodell werden die wirtschaftlichen Vorteile in Gestalt der Vermeidung von Abschreibungen und der Bildung von Risiko672  KOM vom 22.12.2009, ABl. 2010 Nr. C 66, S. 15 Rn. 4, 22 Zusätzliche Beihilfen für die West LB AG im Rahmen der Auslagerung von Vermögenswerten; KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 9, 34 Umstrukturierung der WestLB. 673  KOM vom 22.12.2009, ABl. 2010 Nr. C 66, S. 15 Rn. 4, 23 Zusätzliche Beihilfen für die West LB AG im Rahmen der Auslagerung von Vermögenswerten; KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 9, 34 Umstrukturierung der WestLB. 674  Pressemitteilung EAA vom 03.09.2012, EAA-Halbjahresbericht 2012, EAA wickelt in zweieinhalb Jahren Risikopositionen von 32 Milliarden Euro ab, abrufbar unter https: /  / www.aa1.de / fileadmin / aa1-website / content / downloads / 20120903_PM_ HJ_2012.pdf. 675  Die Verlustausgleichspflicht ist in § 7 des Statuts der EAA geregelt, vgl. ­https: /  / www.aa1.de / wir-ueber-uns / portfolio / . 676  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 15.

I. Bankenbeihilfen am Beispiel der Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin 135

vorsorge sowie der Freisetzung von Eigenkapital erreicht, indem der SoFFin durch die Zweckgesellschaft als Gegenleistung begebene Schuldtitel garantiert. Der Übertragungswert – das heißt der Wert, zu dem die Bank die Wertpapiere in die Zweckgesellschaft auslagert – wird höher angesetzt als der Wert, welcher am Ende der Laufzeit erwartet wird.677 Die vollständige Tilgung der von der Zweckgesellschaft emittierten und vom SoFFin garantierten Anleihe hängt von der anschließenden sukzessiven Begleichung des Ausgleichsbetrags durch die Bank ab. Das Risiko des Garantiegebers besteht also im Ausfall der Ausgleichszahlungen. Dem Vorliegen einer Begünstigung steht bei Anwendung des Market Economy Investor-Tests auch nicht die Entrichtung eines marktüblichen Entgelts entgegen, da kein marktwirtschaftlich handelnder Investor bereit gewesen wäre, sich zu denselben Bedingungen an einer Übertragung von Vermögenswerten zu beteiligen.678 bb) AidA-Modell Auch im AidA-Modell besteht die Begünstigung in der Vermeidung von Abschreibungen und Risikovorsorge sowie der Senkung der an das Eigenkapital gestellten Anforderungen. Diese Vorteile treten dadurch ein, dass die Abwicklungsanstalt an die Bank eine Vergütung für die ausgelagerten Assets entrichtet. So hat die EAA an die WestLB den Übernahmewert fast in voller Höhe ausgezahlt, wobei sie die hierfür erforderlichen Mittel durch die Aufnahme von Fremdkapital auf der Grundlage eines Funding- und Hedging-Konzepts beschafft hat.679 Zudem trifft die Anteilseigner der Abwicklungsanstalt eine unbegrenzte Verlustausgleichs- und Nachschusspflicht. Handelt es sich bei diesen um öffentliche Anteilseigner, ist das Tatbestandsmerkmal der Begünstigung durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln erfüllt, soweit der Übertragungswert der Assets deren Marktwert übersteigt. Den übernommenen Aktiva korrespondieren nämlich auf der Passivseite gleichzeitig von der Bank übernommene Verbindlichkeiten sowie Verbindlichkeiten aus der Fremdkapitalaufnahme zur Finanzierung der an die Bank für die Übertragung der Assets gezahlten Gegenleistung. Soweit die übertragenen Aktiva diese Passivposten nicht abdecken, ist eine Haftung der öffentlichen Anteilseigner zu erwarten. Es liegt hingegen keine Beihilfe vor, wenn die Eigenkapitalausstattung der Abwicklungsanstalt es erlaubt, erwartete und unerwartete Verluste selbst zu tragen, so dass die Möglichkeit einer 677  Laier,

GWR 2009, S. 435, 437. vom 31.07.2010, K (2009) 6134 endgültig in der Sache N 314 / 2009 Rn. 37 Deutsche Entlastungsregelung für wertgeminderte Vermögenswerte. 679  KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Rn. 39 Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens, WestLB AG. Siehe auch KOM vom 18.07.2011, K (2011) 5157 endgültig in der Sache C 15 / 2009 Rn. 118 Beschluss HRE. 678  KOM

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

Vorteilsgewährung aus staatlichen Mitteln lediglich theoretischer Natur ist.680 Es bedarf somit einer Prüfung im Einzelfall, ob eine durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährte Begünstigung vorliegt. Daher wurde nur das Zweckgesellschaftsmodell pauschal bei der Kommission notifiziert.681 d) Voraussetzungen nach der Risikoaktivamitteilung In der Risikoaktivamitteilung hat die Kommission die Anforderungen, welche an die Genehmigungsfähigkeit von Entlastungsmaßnahmen für wertgeminderte Vermögenswerte und mithin auch von Abwicklungsanstalten zu stellen sind, konkretisiert. Im Gegensatz zu den beiden vorangehenden Bankenmitteilungen differenziert die Kommission nicht mehr zwischen grundsätzlich gesunden und notleidenden Kreditinstituten; vielmehr hängen Voraussetzungen und Folgen der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen in jedem Einzelfall von dem Risikoprofil und der Lebensfähigkeit der Bank ab.682 In der Rettungsphase müssen folgende Voraussetzungen erfüllt werden: Erstens müssen die betroffenen Banken ex ante uneingeschränkte Transparenz und Offenlegung der Wertminderungen bei den Aktiva, für die sie eine Entlastung beantragen, gewährleisten.683 Grundlage hierfür bildet eine von anerkannten unabhängigen Sachverständigen bestätigte und von der zuständigen Aufsichtsbehörde validierte Bewertung nach den in der Mitteilung dargelegten Grundsätzen. Zudem sollen im Rahmen einer Rentabilitätsprüfung die Kapitaladäquanz und die Aussichten auf Wiederherstellung der Rentabilität beurteilt werden. Zweitens müssen die mit den wertgeminderten Aktiva verbundenen Lasten auf den Staat, die Anteilseigner und die Gläubiger verteilt werden.684 Dies erfordert neben Transparenz und Offenlegung eine korrekte Bewertung der Aktiva vor dem staatlichen Eingreifen sowie eine angemessene Vergütung für die Entlastung. Dabei sollen die mit den wertgeminderten Aktiva verbundenen Verluste von den Banken so weit wie möglich selbst getragen werden. Unter Verlusten im Sinne der Mitteilung ist die Differenz zwischen 680  KOM vom 22.12.2009, ABl. 2010 Nr. C 66, S. 15 Rn. 31 Zusätzliche Beihilfen für die West LB AG im Rahmen der Auslagerung von Vermögenswerten. 681  Vgl. KOM vom 31.07.2010, K (2009) 6134 endgültig in der Sache N 314 /  2009 Rn.  1 f. Deutsche Entlastungsregelung für wertgeminderte Vermögenswerte. 682  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 17. Zum in der Risikoaktivamitteilung verfolgten differenzierten Ansatz siehe oben C.IV.7.c). 683  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn.  19 ff. 684  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn.  21 ff.

I. Bankenbeihilfen am Beispiel der Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin 137

dem Buchwert der Aktiva und ihrem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert, der auf Grundlage der Cashflows und einer längerfristigen Perspektive bestimmt wird, zu verstehen.685 Nach den Kommissionsvorgaben ist bei der Bestimmung der zu fordernden Vergütung dem zusätzlichen Risiko künftiger Verluste, das über das bereits im tatsächlichen wirtschaftlichen Wert ausgedrückte Risiko hinausgeht, Rechnung zu tragen.686 Die Kommission regt an, zur Festlegung der genauen Höhe die Rekapitalisierungsmitteilung heranzuziehen. Als Orientierungsgröße diene zunächst die Rendite, die bei einer Rekapitalisierungsmaßnahme notwendig wäre, deren Umfang den Eigenkapitalwirkungen der geplanten Entlastungsmaßnahme entspricht. Zusätzlich seien aber auch die Besonderheiten von Entlastungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Namentlich sei zu beachten, dass die Vergütung für Entlastungsbeihilfen wegen der hohen Haftungsrisiken und der bloß geringen Ertragschancen höher zu bemessen sei als bei Kapitalzuführungen.687 Drittens setzt die Kommission eine Ausrichtung der Teilnahmeanreize am Gemeinwohlinteresse voraus.688 So soll die Frist für einen Antrag auf Entlastung auf sechs Monate ab Einführung des Programms beschränkt sein, um der Gefahr vorzubeugen, dass Entlastungsmaßnahmen verzögert werden. Des Weiteren sollen geeignete Verhaltensmaßregeln vorgesehen werden, die insbesondere sicherstellen, dass der Kreditbedarf der Realwirtschaft befriedigt wird. Viertens gibt die Kommission Kriterien vor, um entlastungsfähige Vermögenswerte zu bestimmen.689 Dabei betont sie, dass Entlastungsmaßnahmen weder zu stark beschränkt sein sollen, indem sie lediglich solche Vermögenswerte erfassen, welche die Finanzkrise ausgelöst haben, noch so weit ausgedehnt werden sollen, dass es zu einem „Entlastungsshopping“ kommt. Im Anhang III der Mitteilung finden sich Orientierungshilfen zur Abgrenzung der Kategorien („Körbe“) entlastungsfähiger Vermögenswerte. Die Kommission verfolgt bei der Festlegung der für Entlastungsmaßnahmen geeigneten Arten von Vermögenswerten zwar einen flexiblen Ansatz, allerdings müssen die Umstrukturierung und die Maßnahmen zum Ausgleich 685  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 22 m. Fn. 2; MEMO / 09 / 85, Mitteilung der Kommission über die Behandlung wertgeminderter Vermögenswerte im Bankensektor der Gemeinschaft – Häufig gestellte Fragen, 26.02.2009, abrufbar unter http: /  / europa.eu / rapid / pressReleasesAction.do?reference=MEMO / 09 / 85&format= HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en. 686  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Anhang IV. 687  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 21 m. Fn. 1, Anhang IV. 688  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn.  26 ff. 689  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn.  32 ff.

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

von Wettbewerbsverzerrungen umso umfangreicher sein, je weiter die Kriterien der Entlastungsfähigkeit gefasst sind. Fünftens fordert die Kommission eine genaue Berechnung des Beihilfeelements einer Entlastungsmaßnahme.690 In einem ersten Schritt werden hierfür die Vermögenswerte auf der Grundlage ihres aktuellen Marktwertes bewertet. Eine Beihilfe liegt regelmäßig vor, wenn Vermögenswerte zu einem höheren Wert als dem Marktpreis übernommen werden. Die Kommission betont, dass sich der Marktwert in Zeiten der Krise erheblich vom Buchwert unterscheiden kann oder sich möglicherweise wegen Fehlens ­eines Marktes schon kein Marktwert ermitteln lässt. Der Wert einiger Vermögenswerte könne daher effektiv null betragen. Anschließend wird den wertgeminderten Vermögenswerten in einem zweiten Schritt ein Übernahmewert zugewiesen, der über dem Marktpreis liegen muss, da sonst keine Entlastungswirkung bestünde. Die Kommission spricht sich dafür aus, als Benchmark für den zulässigen Beihilfewert einen Übernahmewert heranzuziehen, der sich am zugrundeliegenden langfristigen wirtschaftlichen Wert der Assets, das heißt dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert, orientiert und auf den zugrunde liegenden Cashflows sowie den längerfristigen Aussichten basiert. Das Beihilfeelement ergibt sich schließlich als Differenz von Marktpreis und Übernahmewert. Hält ein Mitgliedstaat es für erforderlich, einen noch höheren Übernahmewert als den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert festzusetzen, führt dies zu einem entsprechend höheren Beihilfeelement.691 Zu dessen angemessener Kompensation ist entweder eine umfassende Umstrukturierung vorzusehen oder es sind Bestimmungen zu treffen, die eine spätere Rückforderung der zusätzlichen Beihilfen ermöglichen. Letzteres kann etwa durch einen Claw-Back-Mechanismus erfolgen. Sechstens verlangt die Kommission eine klare funktionale und organisatorische Trennung zwischen der begünstigten Bank und den wertgeminderten Vermögenswerten, insbesondere in Bezug auf Personal, Kunden und Verwaltung.692 So soll sichergestellt werden, dass sich die Bank vornehmlich der Wiederherstellung ihrer Rentabilität widmet und etwaigen Interessenkonflikten vorgebeugt wird. In der sich anschließenden Umstrukturierungsphase sind drei Voraussetzungen zu erfüllen:693 Erstens hat das Kreditinstitut einen angemessenen Beitrag zu den Kosten der Entlastung zu leisten, der regelmäßig vorliegt, wenn die Anforderungen an Offenlegung, Bewertung, Vergütung und Las690  Risikoaktivamitteilung

(Fn. 351) Rn.  37 ff. Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 41, Anhang  IV. 692  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 46. 693  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 48 ff. 691  Vgl.

I. Bankenbeihilfen am Beispiel der Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin 139

tenverteilung eingehalten werden.694 Ist dies nicht der Fall, sind an die nachfolgenden beiden anderen Voraussetzungen strengere Anforderungen zu stellen. Zweitens sind geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Wiederherstellung der Rentabilität zu gewährleisten.695 Drittens müssen Maßnahmen zum Ausgleich von Wettbewerbsverzerrungen vorgesehen werden, deren Umfang unter anderem vom Gesamtbeihilfebetrag einschließlich Garantieund Rekapitalisierungsmaßnahmen abhängt.696 Da die Kommission im Verfahren WestLB697 vertieft auf die entscheidenden Aspekte eingeht und im Verfahren Hypo Real Estate698 keine anders gelagerten Schwierigkeiten behandelt werden, soll die Erfüllung der sich aus der Risikoaktivamitteilung ergebenden Voraussetzungen exemplarisch anhand des Falls der WestLB nachgezeichnet werden. e) Erfüllung der Voraussetzungen durch die WestLB und Quantifizierung des Beihilfeelements Die Kommission hat entgegen den Ausführungen Deutschlands und der WestLB entschieden, dass die Errichtung der EAA eine Beihilfe darstellt und den ausgelagerten Aktiva ein zu hoher tatsächlicher wirtschaftlicher Wert beigemessen wurde.699 Nach der Risikoaktivamitteilung liegt grundsätzlich eine Beihilfe vor, wenn der Übernahmewert den Marktpreis übersteigt.700 Die Kommission beziffert den Marktwert der ausgelagerten Vermögenswerte auf 52,887 Mrd. Euro.701 Da der Übernahmewert des Portfolios bei 68,116 Mrd. Euro liege, 694  Risikoaktivamitteilung

(Fn. 351) Rn. 49 f. (Fn. 351) Rn. 49, 51 ff. 696  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 49, 51 ff. 697  KOM vom 22.12.2009, ABl. 2010 Nr. C 66, S. 15 Zusätzliche Beihilfen für die West LB AG im Rahmen der Auslagerung von Vermögenswerten; KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens, WestLB AG; KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Umstrukturierung der WestLB. Siehe hierzu Sonder, EWS 2012, S. 170. 698  KOM vom 24.09.2010, C (2010) 6672 final in den Sachen C 15 / 2009, N 380 / 2010 Extension of scope of formal investigation procedure, winding-up institution, additional SoFFin guarantees for HRE. 699  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Umstrukturierung der WestLB; siehe auch schon WestLB AG sowie KOM vom 22.12.2009, ABl. 2010 Nr. C 66, S. 15 Zusätzliche Beihilfen für die West LB AG im Rahmen der Auslagerung von Vermögenswerten; KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens. 700  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 39. Näher dazu siehe oben D.I.4.d). 701  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 133 Umstrukturierung der WestLB. 695  Risikoaktivamitteilung

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

ergebe sich nach Abzug der berücksichtigungsfähigen Abzugspositionen ein Beihilfebetrag von 10,812 Mrd. Euro. Wie bereits in ihrem Beschluss vom 22. Dezember 2009702 hatte die Kommission in ihrem Beschluss vom 5. November 2010703 weiterhin Bedenken, ob die Voraussetzungen der Risikoaktivamitteilung eingehalten wurden und infolgedessen die staatliche Unterstützungsmaßnahme mit Art. 107 Abs. 1 AEUV vereinbar ist. So ergäben sich Zweifel, ob die Kriterien hinsichtlich der Auswahl der entlastungsfähigen Vermögenswerte erfüllt sind.704 Der Umstand, dass die EAA schon kurz nach ihrer Gründung einen Verlust in Höhe von rund 1 Mrd. Euro zu verzeichnen habe, deute nämlich darauf hin, es könnten schon zum Übertragungszeitpunkt Verluste bestanden haben. Diese Bedenken hat Deutschland insbesondere durch Erläuterung der von der EAA getroffenen Risikovorsorge und des Ausmaßes der auf die ausgelagerten Vermögenspositionen entfallenden Verluste zerstreut.705 Ferner hat die Kommission beanstandet, Deutschland habe die Kriterien der Transparenz und Offenlegung der Wertminderungen ex ante nicht eingehalten, da eine abschließende Evaluierung erst einen Monat nach dem Übertragungszeitpunkt eingegangen sei und die geltend gemachten Abzugspositionen nicht von Sachverständigen geprüft worden seien.706 Darüber hinaus hält die Kommission die von der WestLB angewandten Berechnungsmethoden teilweise für unangemessen, weshalb sie die Bewertung als nicht hinreichend vorsichtig einschätzt.707 In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Übernahmewert auf dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert basieren soll.708 Je weiter der Übernahmewert den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert übersteigt, desto höher ist das Beihilfeelement.709 702  KOM vom 22.12.2009, ABl. 2010 Nr. C 66, S. 15 Zusätzliche Beihilfen für die West LB AG im Rahmen der Auslagerung von Vermögenswerten. 703  KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens. 704  KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Rn. 76 Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens, WestLB AG. Zu den Kriterien siehe oben D.I.4.d). 705  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 157 Umstrukturierung der WestLB. 706  KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Rn. 78 f. Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens, WestLB AG. 707  KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Rn. 80 ff. Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens, WestLB AG; KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 146 ff. Umstrukturierung der WestLB. 708  Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 40 f. 709  Vgl. Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 41, Anhang  IV.

I. Bankenbeihilfen am Beispiel der Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin  141

Die Vereinbarkeit einer Maßnahme mit der Risikoaktivamitteilung bestimmt sich laut Kommission maßgeblich nach dem sogenannten Transfer-Delta.710 Dieses wird berechnet, indem von dem Übertragungswert (Vermögenswerte) sowohl der tatsächliche wirtschaftliche Wert (Vermögenswerte) als auch die Nettovermögenswerte der EAA abgezogen werden.711 Die Gleichwertigkeit beider Abzugsposten erklärt sich dadurch, dass ökonomisch betrachtet die Wirkungen einer Ausstattung mit Eigenkapital einer Abschreibung vor der Übertragung entsprechen.712 Im konkreten Zugriff kommen die WestLB und die Kommission bei der Berechnung des Transfer-Deltas zu unterschiedlichen Ergebnissen: Während der tatsächliche wirtschaftliche Wert nach den Angaben Deutschlands 5,389 Mrd. Euro unter dem Übernahmewert liegt, beziffert die Kommission, gestützt auf Sachverständigengutachten, diese Differenz mit 6,949 Mrd. Euro deutlich höher.713 Unstreitig ist, dass als Nettovermögenswert das Eigenkapital der EAA zum Gründungszeitpunkt in Höhe von 3,267 Mrd. Euro abzuziehen ist.714 Zudem akzeptiert die Kommission den Abzug weiterer Credit Linked Notes als Nettovermögenswerte zum Buchwert von 268 Mio. Euro, da deren Übertragung in Anbetracht weiterer zu erwartender Herabstufungen die Merkmale einer Kapitalzuführung in gleicher Höhe aufweise. Die anderen von Deutschland angeführten Posten hält die Kommission dagegen nicht für berücksichtigungsfähig715 und gelangt somit zu einem Transfer-Delta in Höhe von 3,414 Mrd. Euro. Bei Verwendung der von Deutschland angegebenen Zahlen hätte sich hingegen ein TransferDelta in Höhe von 1,855 Mrd. Euro ergeben.716 Aus dieser Diskrepanz folgten auch Bedenken im Hinblick auf die Aspekte der Lastenverteilung und der Ausgleichmaßnahmen zur Beschränkung 710  KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Rn. 42 Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens, WestLB AG; KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 144 Umstrukturierung der WestLB. 711  KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Rn. 41 m. Fn. 29 Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens, WestLB AG. 712  KOM vom 22.12.2009, ABl. 2010 Nr. C 66, S. 15 Rn. 43 Zusätzliche Beihilfen für die West LB AG im Rahmen der Auslagerung von Vermögenswerten. 713  KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Rn. 44, 81, 88, 93, 114 Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens, WestLB AG; KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 43, 156 Umstrukturierung der WestLB. 714  Die 3,267 Mrd. Euro setzen sich aus 3 Mrd. Eigenkapital und 267 Mio. Euro aus einer internen Verbindlichkeit aus den Credit Linked Notes in den Mezzanine Notes des Phoenix-Portfolios zusammen. 715  KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Rn. 94 ff. Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens, WestLB AG; KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 158 ff. Umstrukturierung der WestLB. 716  KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Rn. 93 m. Fn. 54 Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens, WestLB AG.

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

von Wettbewerbsverzerrungen. Übersteigt der Übernahmewert den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert, nimmt das Beihilfeelement zu.717 Ob eine umfassende Umstrukturierung sowie ein Claw-Back-Mechanismus vorzusehen sind, richtet sich nach dem Transfer-Delta. Die Kommission geht von einer Differenz in Höhe von 6,949 Mrd. Euro zwischen Übernahmewert und tatsächlichem wirtschaftlichem Wert und daraus resultierend von einem Transfer-Delta in Höhe von 3,414 Mrd. Euro aus. Der Umstrukturierungsplan von Dezember 2009 sah dennoch weder einen Claw-Back-Mechanismus noch eine umfassende Umstrukturierung zur Begrenzung der Wettbewerbsverzerrungen vor.718 Darüber hinaus äußerte die Kommission auch Bedenken an der Wiederherstellung der Rentabilität.719 Außerdem zweifelte die Kommission angesichts der scheinbar nur virtuellen Trennung der EAA von der WestLB am Bestehen einer klaren funk­ tionalen und organisatorischen Trennung zwischen dem begünstigten Kreditinstitut und seinen wertgeminderten Vermögenswerten.720 Da die WestLB weder in der Lage war, den zusätzlichen Beihilfebetrag zurückzuzahlen, noch ausreichende Umstrukturierungsmaßnahmen zu treffen, kamen die Anteilseigner überein, die Bank geordnet abzuwickeln und aufzuspalten. Im Juni 2011 legte die deutsche Bundesregierung der Kommission im Einvernehmen mit den Anteilseignern einen entsprechenden Umstrukturierungsplan vor, den die Kommission genehmigte.721 In Umsetzung dieses Plans wurde die WestLB-Sparkassensparte, deren Vermögenswerte und Verbindlichkeiten in einer sogenannten Verbundbank zusammengefasst wurden, herausgelöst und von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) übernommen.722 Das Portfolio der Verbundbank beläuft sich auf 717  Vgl.

Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 41, Anhang  IV. vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Rn. 7, 110, 112, 115, 133, 135 Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens, WestLB AG; KOM vom 20.12. 2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 166 f. Umstrukturierung der WestLB. 719  KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Rn. 118 ff. Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens, WestLB AG; KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 91,195 Umstrukturierung der WestLB. 720  KOM vom 05.11.2010, ABl. 2011 Nr. C 23, S. 9 Rn. 113 Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens, WestLB AG. Diese Bedenken sind nunmehr zerstreut, da die WestLB bzw. Portigon nach dem 30. Juni 2012 kein neues Bankgeschäft mehr ausübt und damit kein Konflikt zwischen abzuwickelnden und neuen Tätigkeiten mehr drohte, KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 164 Umstrukturierung der WestLB. 721  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Umstrukturierung der WestLB. 722  FAZ vom 03.07.2012, Nr. 152, S. 36, Strategisch ein großer Schritt – Vertrag über Helaba-Einstieg in Düsseldorf unterschrieben. 718  KOM

I. Bankenbeihilfen am Beispiel der Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin  143

weniger als 20 % der Bilanzsumme der WestLB.723 Da ein Verkauf der übrigen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten in Höhe von etwa 100 Mrd. Euro bis zum 30. Juni 2012 scheiterte, wurden diese den Vorgaben entsprechend rückwirkend zum 1. Juli 2012 auf die EAA übertragen.724 Die Portfolios der EAA sollen bis 2028 abgewickelt werden.725 Seit dem 1. Juli 2012 hat die WestLB – wie von der Kommission gefordert – ihr Neugeschäft als Bank eingestellt und erbringt nunmehr unter der Firmierung Portigon als Service- und Portfoliomanagementbank Dienstleistungen für die EAA, die Verbundbank und für Dritte.726 Portigon soll nach Vorgaben der Kommission eine Holdinggesellschaft sein, die zwei Tochtergesellschaften hat, nämlich eine Betriebs- und eine Servicegesellschaft.727 Vermögenswerte, die aus rechtlichen, regulatorischen oder steuerlichen Gründen nicht in die EAA ausgelagert werden konnten, sollen in den Bilanzen der Holding oder der Betriebsgesellschaft verbleiben.728 Letztere soll die Zahl ihrer Mitarbeiter bis 2016 von etwa 4.400 auf 1.400 reduzieren sowie Standorte und Systeme so weit wie möglich abbauen.729 Die Servicegesellschaft soll bis zum 31.  Dezember 2014 ausgegliedert werden730 und ist bis zum 31. Dezember 2016 zu veräußern.731 Andernfalls ist die Servicegesellschaft abzuwickeln. Zudem sind die Serviceleistungen, welche die Servicegesellschaft für Dritte erbringen darf, nach Art und Umfang beschränkt und müssen zu marktgerechten Preisen sowie kostendeckend erfolgen.732 Diese Maßnahmen reduzieren die durch die Gewährung der Beihilfen verursachten Wettbewerbsverzerrungen. Zudem leisten die Anteilseigner einen beträchtlichen Eigenbeitrag. So haben der Rheinische Sparkassen- und Giroverband, der 723  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 181 Umstrukturierung der WestLB. 724  Siehe hierzu die Website der EAA, abrufbar unter https: /  / www.aa1.de / startseite / . 725  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 179 Umstrukturierung der WestLB. 726  Vgl. FAZ vom 21.06.2012, Nr. 142, S. 15, WestLB-Debakel kostet Milliarden, Finanzminister Walter Borjans: Sehr vorsichtige Schätzung. 727  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 75 Umstrukturierung der WestLB. 728  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 76 Umstrukturierung der WestLB. 729  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 78 Umstrukturierung der WestLB. 730  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 79 Umstrukturierung der WestLB. 731  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 83 Umstrukturierung der WestLB. 732  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 191 Umstrukturierung der WestLB.

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

Sparkassenverband Westfalen-Lippe und die Sicherungseinrichtungen der Sparkassen-Finanzgruppe der Helaba Kapital in Höhe von 1 Mrd. Euro zugeführt, um die Transaktion zu ermöglichen.733 Zudem übernimmt das Land Nordrhein-Westfalen die Verluste aus dem Betrieb und der Liquidation der Servicegesellschaft für einen Zeitraum von fünf Jahren sowie alle Pensionsverpflichtungen.734 Vor diesem Hintergrund ist auch die Erbringung von Serviceleistungen für Dritte gerechtfertigt, da sich die Höhe der staatlichen Beihilfen reduziert.735 Schließlich hat sich der SoFFin bereit erklärt, auf die Rückzahlung seiner der WestLB gewährten stillen Einlage von 3 Mrd. Euro in Höhe von 2 Mrd. Euro zu verzichten.736 Die Schließung der hierdurch entstehenden Finanzierungslücke bei der WestLB in Höhe der zurückzuzahlenden 1 Mrd. Euro hat das Land Nordrhein-Westfalen übernommen, um eine ordnungsgemäße Abwicklung sicherzustellen.737 f) Zwischenergebnis Insgesamt ist festzustellen, dass es sich bei der Gewährung von Garan­tien und Rekapitalisierungen sowie bei der Errichtung von Abwicklungsanstalten um Beihilfen handelt, die der Genehmigung durch die Kommission bedürfen. Um die Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt herzustellen, haben die begünstigten Institute Gegenleistungen für die Unterstützungsmaßnahmen zu erbringen.

II. Rechtfertigung der Bankenbeihilfen Während die Kommission ihre Rolle ursprünglich auf die Beihilfekon­trolle als Hüterin des Wettbewerbs beschränkte, agiert sie heute zunehmend rechts733  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 64 Umstrukturierung der WestLB; Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen, Presse­ information vom 15.09.2012, S. 1, abrufbar unter http: /  / www.sparkassen-finanz gruppe-ht.de / finanzgruppe / presse / pdf / 2012 / 2012-09-15-PI-Sparkassenthemen.pdf. 734  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 122 Umstrukturierung der WestLB. 735  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 190 Umstrukturierung der WestLB. 736  KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 187 Umstrukturierung der WestLB. 737  Nach § 1 des Gesetzes zur Restrukturierung der WestLB vom 21. Juni 2012, GV. NRW. S. 227, musste dieser Betrag bis zum 30. Juni 2012 erbracht werden. Diese Beihilfe trat dem Umstrukturierungsplan entsprechend an die Stelle des von der WestLB an den SoFFin zurückzuzahlenden, sich ebenfalls auf 1 Mrd. Euro belaufenden Teils der stillen Einlage des SoFFin, siehe KOM vom 20.12.2011, K (2011) 9395 in der Sache C 40 / 2009 Rn. 55, 121 Umstrukturierung der WestLB.



II. Rechtfertigung der Bankenbeihilfen

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gestaltend.738 Da Beihilfen aus politischen Erwägungen oftmals nicht vollständig versagt werden können, bedarf es wirksamer Maßnahmen zum Wettbewerbsschutz.739 Mithin müssen die begünstigten Banken in Umstrukturierungsplänen nicht nur darlegen, wie sie zu langfristiger Rentabilität zurückkehren wollen, und die Leistung eines ausreichenden Eigenbeitrags vorsehen, sondern auch Kompensationsmaßnahmen zur Verringerung von Wettbewerbsverzerrungen festsetzen. Um die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen zu gewährleisten, handelt die Kommission mit den Mitgliedstaaten und den betroffenen Instituten Zusagenpakete aus, wobei sie über ein erhebliches Druckpotential verfügt: Die Banken stehen vor der Wahl, sich den Wünschen der Kommission zu unterwerfen und weitgehende Zugeständnisse zu machen oder das Risiko einer Negativentscheidung einzugehen.740. Daher richten sich Umfang und Ausgestaltung der Maßnahmen maßgeblich nach den Vorstellungen der Kommission. In der Regel legt die Kommission nicht dar, ob die jeweilige Maßnahme die langfristige Rentabilität sichern, einen Eigenbeitrag des Begünstigten oder eine Ausgleichsmaßnahme zur Verringerung von Wettbewerbsverzerrungen darstellen soll. Die Maßnahmen stehen grundsätzlich aber auch nicht isoliert nebeneinander, sondern verfolgen mehrere Zwecke oder wirken sich aufeinander aus. So richten sich Art und Umfang der Kompensationsmaßnahmen zur Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen nach der absoluten Höhe der Beihilfe sowie der relativen Höhe bezogen auf die risikogewichteten Aktiva, dem Umfang des erbrachten Eigenbeitrags, der Höhe der Vergütung, der Marktstellung und dem Risikoprofil der begünstigten Bank.741 Besondere Bedeutung kommt dem Niveau der Vergütung zu: Je höher diese bemessen ist, desto größer ist der Eigenbeitrag des Kreditinstituts und desto geringer sind der absolute Beihilfewert und somit auch das Erfordernis von Ausgleichsmaßnahmen.742 Gewährt die Kommission eine Beihilfe ohne Einhaltung der in den Mitteilungen beschriebenen Voraussetzungen, ist den zusätzlichen Wettbewerbsverzerrungen durch weitere Kompensationsmaßnahmen zu begegnen.743 Umstrukturierungsmaßnahmen stellen in der Regel gleichzeitig Ausgleichsmaßnahmen dar, es sei denn, 738  Ausführlich dazu Soltész, WuW 2010, S. 743; derselbe / von Köckritz, WM 2010, S. 241, 245 ff. 739  Zimmer / Blaschczok, 1 ECLR 9, 11 (2011); vgl. Mestmäcker / Schweitzer, § 44 Rn. 64. 740  Soltész, WuW 2010, S. 743, 744; derselbe / von Köckritz, WM 2010, S. 241, 246. 741  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 31 ff. Vgl. Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 19, 36, 38; Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 59. 742  Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 36; Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 25, Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 31, 34. 743  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 31 m. Fn. 2; vgl. Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 58.

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

die betreffende Maßnahme ist für die Umstrukturierung unumgänglich, wie beispielsweise die Schließung defizitärer Geschäftsbereiche.744 1. Erscheinungsformen der Maßnahmen Die Maßnahmen lassen sich in strukturelle Maßnahmen und Verhaltensmaßregeln unterscheiden. Strukturelle Maßnahmen beziehen sich auf Marktstrukturkriterien. Darunter versteht man solche Aspekte, die sich durch eine gewisse Konstanz auszeichnen und die Zusammensetzung des Marktes beeinflussen.745 Zum Marktverhalten zählen hingegen Merkmale, bei denen es sich um den Ausdruck unternehmerischer Entscheidungen handelt und die kurzfristig modifiziert werden können.746 Während Umstrukturierungsmaßnahmen stets strukturelle Maßnahmen darstellen, handelt es sich bei Maßnahmen zur Erbringung eines Eigenbeitrags um Verhaltensmaßregeln. Maßnahmen zum Ausgleich von Wettbewerbsverzerrungen können sowohl in strukturellen Maßnahmen als auch in Verhaltensmaßregeln bestehen. a) Strukturelle Maßnahmen Die Umstrukturierungsmitteilung sieht als strukturelle Maßnahmen die Veräußerung oder Verkleinerung von Tochtergesellschaften, Niederlassungen, Kundenportfolios oder Geschäftsbereichen vor, um hierdurch den Markteintritt von Wettbewerbern zu fördern.747 Durch diese Maßnahmen soll häufig zugleich eine Reduktion der Bilanzsumme erreicht werden.748 Ferner kommen Expansionsbeschränkungen bezüglich bestimmter Geschäftsbereiche oder Regionen in Betracht.749 Diese Maßnahmen sind im Wesentlichen schon aus den R&U‑Leitlinien bekannt, nach denen eine Veräußerung von Vermögenswerten, ein Kapazitätsabbau, eine Beschränkung der Marktpräsenz sowie eine Senkung der Zutrittsschranken auf den betroffenen Märkten verlangt werden können.750 744  Soltész,

WuW 2010, S. 743, 747 m. Fn. 35. Die Rechtsprobleme der Zusagenpraxis in der Europäischen Fusionskontrolle, S. 69; Kaysen / Turner, Antitrust Policy, S. 59; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 71. 746  Kaysen / Turner, Antitrust Policy, S. 59; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 72. 747  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn.  35; vgl. Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 57. 748  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 27. 749  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 35; vgl. Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 27; Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 57. 750  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 39. 745  Leibenath,



II. Rechtfertigung der Bankenbeihilfen

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b) Verhaltensmaßregeln Zudem sehen die Mitteilungen Verhaltensmaßregeln vor. Als solche dienen der Verringerung von Wettbewerbsverzerrungen das Verbot der Werbung unter Hinweis auf Beihilfen751, das Verbot der Unterbietung von Wettbewerbern752 sowie das Verbot der Akquisition von Wettbewerbern753. Weiterhin kann die Kommission die Beihilfeempfänger zu einer ausreichenden Kreditvergabe an die Realwirtschaft754 und zu einer nachhaltigen, risikomeidenden Geschäftspolitik755 verpflichten. Darüber hinaus können auch Maßnahmen mit der Zwecksetzung eines beträchtlichen Eigenbeitrags getroffen werden. Zu diesen zählen insbesondere Beschränkungen von Dividendenausschüttungen und Kupons sowie von Boni und anderen Vergütungsbestandteilen für Führungskräfte.756 2. Rechtsgrundlage für das Handeln der Kommission Um die Einhaltung des Umstrukturierungsplans, der ausgehandelten Kompensationsmaßnahmen zur Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen und der Maßnahmen zur Erbringung eines Eigenbeitrags sicherzustellen, erlässt die Kommission die Genehmigungsentscheidungen in Verbindung mit entsprechenden Auflagen oder Bedingungen. Die Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen bildet der auf Grundlage des Art. 109 AEUV erlassene Art. 7 Abs. 4 VO 659 / 1999 (VVO)757. Danach kann die Kommission eine Positiventscheidung mit Bedingungen und Auflagen versehen, die ihr ermöglichen, die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären beziehungsweise die Befolgung ihrer Entscheidung zu überwachen. Diese Rechtsgrundlage ist jedoch nur deklaratorischer Natur, da sich eine entsprechende Befugnis bereits aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz er751  Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 27; Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 44. 752  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 44. 753  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 40 ff. 754  Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn.  39; Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 43. 755  So z. B. KOM vom 12.12.2008, K (2008) 8629 in der Sache N 625 / 2008 Rn. 18 lit. a Rettungspaket für Finanzinstitute in Deutschland; KOM vom 20.05.2009, C (2009) 4028 final in der Sache N 556 / 2008 Rn. 41.4 Recapitalisation scheme of credit institutions in Portugal. 756  Vgl. Rekapitalisierungsmitteilung (Fn. 348) Rn. 45; Risikoaktivamitteilung (Fn. 351) Rn. 31; Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 26. 757  Verordnung (EG) Nr. 659 / 1999 des Rates vom 22.  März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrages, ABl. 1999 Nr. L 83, S. 1.

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

gibt.758 Die Verbindung einer Positiventscheidung mit einer Nebenbestimmung stellt nämlich gegenüber der vollständigen Untersagung das mildere Mittel dar. 3. Kompensationsmaßnahmen als Auflagen und Bedingungen In formeller Hinsicht bedarf es näherer Untersuchung, in welcher recht­ lichen Gestalt Kompensationsmaßnahmen ergehen. Häufig werden sie als Auflagen oder Bedingungen bezeichnet. Diese Einordnung trifft unzweifelhaft zu, wenn die Kommission zusätzlich zu den im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Maßnahmen Bedingungen und Auflagen vorschreibt, die sie zur Verringerung von Wettbewerbsverzerrungen für notwendig hält.759 Zweifel an der Qualifizierung als Nebenbestimmungen könnten aber aufkommen, wenn die Maßnahmen lediglich Bestandteile des Umstrukturierungsplans darstellen.760 Allerdings bliebe bei dieser Betrachtung unberücksichtigt, dass die vollständige Umsetzung des Umstrukturierungsplans, wenn nicht ausdrückliche, so doch zumindest implizite Bedingung der Genehmigung ist.761 Der Klarheit halber wäre es wünschenswert, dass die Kommission im Tenor stets auf die Bedingung der Befolgung des Plans hinweist.762 Teilweise werden einzelne Kompensationsmaßnahmen aus dem Umstrukturierungsplan sogar gesondert als Bedingungen in den Tenor aufgenommen.763 Auf den ersten Blick erschließen sich Sinn und Zweck dieses Vorgehens nicht, da bereits die Nichteinhaltung des Umstrukturierungsplans eine missbräuchliche Anwendung der Beihilfe darstellt. Der Hintergrund ist jedoch letztlich ein rein praktischer, weil die Kommission so die besondere Bedeutung bestimmter Maßnahmen hervorheben kann. Ob die Nebenbestimmungen einen unmittelbaren Teil des Tenors ausmachen oder im Tenor auf einen Anhang verwiesen wird764, ist unerheblich. 758  Ehricke,

EWS 2006, S. 241, 242. R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 46. 760  Die Bezeichnung ist jedenfalls dann unzutreffend, wenn es um Zusagen im Vorverfahren geht, siehe unten D.II.3.b). 761  Vgl. von Donat, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 17 Rn. 101. 762  Becker, Nebenbestimmungen im europäischen Beihilfenrecht, S. 137. 763  KOM vom 15.07.1997, ABl. 1997 Nr. L 322, S. 44 Art. 1 Alitalia; KOM vom 22.09.2004, ABl. 2005 Nr. L 142, S. 26 Art. 9 British Energy; KOM vom 12.05.2009, ABl. 2009 Nr. L 345, S. 1 Anhang zu Art. 2 Abs. 1 Umstrukturierung der WestLB. 764  So etwa KOM vom 18.02.2004, ABl. 2005 Nr. L 116, S. 1 Art. 1 Umstrukturierungsbeihilfe zugunsten der Bankgesellschaft Berlin; KOM vom 12.05.2009, ABl. 2009 Nr. L 345, S. 1 Art. 1 Umstrukturierung der WestLB. 759  Vgl.



II. Rechtfertigung der Bankenbeihilfen

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Der Verweis auf einen Anhang kann vor allem bei zahlreichen Nebenbestimmungen der Übersichtlichkeit dienen.765 a) Bedeutung und Wirkung von Auflagen und Bedingungen Für die Begriffe „Auflage“ und „Bedingung“ existiert weder eine gemeinschaftsrechtliche Definition noch ist ihre Bedeutung allgemeinverbindlich geklärt.766 Nationale Institute wie die gleichnamigen Nebenbestimmungen des deutschen Verwaltungsrechts gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 VwVfG können bei der Bestimmung dieser autonomen Begriffe des Unionsrechts allenfalls als Vergleichsmaterial herangezogen werden. Herkömmlicherweise unterscheiden sich Auflagen und Bedingungen hinsichtlich ihrer Wirkungen. So hängt der Bestand der Entscheidung vom Eintreten oder Ausbleiben der Bedingung ab, wohingegen die Auflage die Wirksamkeit der Entscheidung unberührt lässt.767 Die Kommission verwendet die Terminologie jedoch uneinheitlich und gebraucht die Bezeichnungen teils synonym.768 Letztlich ist die Abgrenzung ohnehin rein dogmatischer Natur, da die Missachtung einer Auflage zu denselben Rechtsfolgen führt wie die Nichtbefolgung einer Bedingung. Dies zeigt sich, wenn man die Rechtsfolgen näher ausleuchtet:769 Nach Art. 1 lit. g VVO liegt eine missbräuchliche Anwendung von Beihilfen vor, wenn der Empfänger sie unter Verstoß gegen eine Entscheidung nach Art. 7 Abs. 4 VVO verwendet. Hiervon werden Verstöße gegen Auflagen und Bedingungen gleichermaßen erfasst. In beiden Fällen finden als Rechtsfolge nach Art. 16 VVO im Wesentlichen die für rechtswidrige Beihilfen geltenden Vorschriften Anwendung. Insbesondere kann die Kommission gemäß Art. 16 VVO das förmliche Prüfverfahren nach Art. 4 Abs. 4 VVO eröffnen und in der abschließenden Entscheidung den Mitgliedstaat gemäß Art. 16 i. V. m. Art. 14 VVO zur Rückforderung der Beihilfe verpflichten. 765  Becker,

Nebenbestimmungen im europäischen Beihilfenrecht, S. 111. EWS 2006, S. 241, 242. Eingehend zur Terminologie Becker, Nebenbestimmungen im europäischen Beihilfenrecht, S. 61 ff. 767  Vgl. Blanco, European Community Competition Procedure, S. 259, 315  ff.; Gleiss / Hirsch, Art. 85 (3) F Rn. 1965. 768  Ehricke, EWS 2006, S. 241, 242; Becker, Nebenbestimmungen im europäischen Beihilfenrecht, S. 42 f., 72 f. mit Nachweisen aus der Kommissionspraxis; Leibenath, Die Rechtsprobleme der Zusagenpraxis in der Europäischen Fusionskontrolle, S. 41 f. 769  Eine umfassende Untersuchung hinsichtlich der Differenzierung zwischen Auflagen und Bedingungen findet sich bei Becker, Nebenbestimmungen im euro­ päischen Beihilfenrecht, insbesondere S. 60 ff. 766  Ehricke,

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

Im neuen Rechtsrahmen geht die Kommission nicht darauf ein, welche Konsequenzen sich aus der Missachtung einer Auflage oder Bedingung ergeben. Zuvor hat sie jedoch in den R&U-Leitlinien ausgeführt, dass sie die Nichteinhaltung des Umstrukturierungsplans oder der festgelegten Bedingungen und Auflagen als missbräuchliche Verwendung der Beihilfe betrachtet.770 Obwohl die Kommission im neuen Rechtsrahmen keine entsprechende Regelung getroffen hat, ist anzunehmen, dass diese Grundsätze fortgelten, da die Kommission andernfalls eine abweichende Regelung getroffen hätte. b) Zulässigkeit von Nebenbestimmungen im vorläufigen Prüfverfahren Art. 7 Abs. 4 VVO als Ermächtigungsgrundlage für den Zusatz von Auflagen und Bedingungen bezieht sich ausschließlich auf das förmliche Prüfverfahren. Daher stellt sich die Frage, ob auch im vorläufigen Prüfverfahren mit Nebenbestimmungen verbundene Positiventscheidungen ergehen können. Zum besseren Verständnis wird zunächst in Grundzügen die Zweiteilung des Prüfverfahrens bei der Kommission skizziert. aa) Ablauf des Prüfverfahrens bei der Kommission Das hier interessierende Verfahren bei angemeldeten Beihilfen gliedert sich in zwei Phasen, nämlich das vorläufige Prüfverfahren (auch Vorprüfungsverfahren) und das förmliche Prüfverfahren (auch Hauptprüfverfahren). (1) Vorläufiges Prüfverfahren Zunächst soll das vorläufige Prüfverfahren gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV, Art. 4 VVO der Kommission eine erste Meinungsbildung über die Vereinbarkeit des notifizierten Vorhabens mit dem Gemeinsamen Markt ermög­ lichen.771 Dabei obliegt es dem Mitgliedstaat, der Kommission die für ihre Prüfung erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen,772 ohne dass 770  R&U-Leitlinien (Fn. 17) Rn. 47; vgl. KOM vom 09.07.2003, ABl. 2004 Nr. L 61, S. 13 Rn. 365 Umstrukturierungsbeihilfe für die Société Nationale Maritime Corse-Méditerranée (SNCM). 771  EuGH vom 11.12.1973, Rs.  120 / 73, Slg.  1973, 1471 Rn. 3 Lorenz / Deutschland u. a.; EuGH vom 20.03.1984, Rs.  84 / 82, Slg.  1984, 1451 Rn. 11 Deutschland / Kommission; EuGH vom 19.05.1993, Rs.  C‑198 / 91, Slg.  1993, I‑2487 Rn. 22 Cook / Kommission; EuGH vom 15.02.2001, Rs.  C‑99 / 98, Slg.  2001, I‑1101 Rn. 32 Österreich / Kommission; EuG vom 01.12.2004, Rs.  T‑27 / 02, Slg.  2004, II‑4177 Rn. 49 Kronofrance / Kommission. 772  EuG vom 30.04.2002, verb. Rs.  T‑195 / 01 und T‑207 / 01, Slg.  2002, II‑2309 Rn. 144 Gibraltar / Kommission.



II. Rechtfertigung der Bankenbeihilfen151

eine Verpflichtung der Kommission bestünde, dem Mitgliedstaat Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Am Ende des vorläufigen Prüfverfahrens erlässt die Kommission grundsätzlich innerhalb von zwei Monaten773 eine Entscheidung. Kommt sie zu dem Schluss, dass es sich bei der untersuchten Maßnahme nicht um eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt, stellt die sie dies gemäß Art. 4 Abs. 2 VVO fest. Handelt es sich bei der Maßnahme um eine Beihilfe, die keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt, erklärt die Kommission die Maßnahme nach Art. 4 Abs. 3 VVO für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar. Ergeben sich Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt, ist die Kommission gemäß Art. 4 Abs. 4 VVO gehalten, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen. (2) Förmliches Prüfverfahren Ist ein förmliches Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV, Art. 6 f. VVO anzuschließen, nimmt die Kommission eine umfassende Untersuchung des Falls vor. Durch die an die Beteiligten – zu denen neben dem Mitgliedstaat auch der Beihilfeempfänger und dessen Wettbewerber gehören – gerichtete Aufforderung, eine Stellungnahme abzugeben,774 sollen prüfungsrelevante Informationen erlangt und der Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt werden.775 Abgeschlossen wird das förmliche Prüfverfahren durch eine von vier möglichen Entscheidungen: Erstens kann die Entscheidung ergehen, dass die notifizierte Maßnahme keine Beihilfe darstellt, Art. 7 Abs. 2 VVO. Zweitens kommt eine Positiventscheidung in Betracht, das heißt, dass keine Bedenken (mehr) an der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt bestehen, Art. 7 Abs. 3 VVO. Drittens kann die Kommission eine Positiventscheidung mit Bedingungen und Auflagen verbinden, die ihr ermöglichen, die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären oder die Befolgung ihrer Entscheidung zu überwachen, Art. 7 Abs. 4 VVO. Viertens kann die Kommission eine Negativentscheidung erlassen, wenn sie die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar hält, Art. 7 Abs. 5 VVO.

773  Art. 4

Abs. 5 VVO. Abs. 1 VVO. 775  Vgl. EuGH vom 20.03.1984, Rs.  84 / 82, Slg.  1984, 1451 Rn. 13 Deutschland / Kommission; EuGH vom 30.01.1985, Rs.  290 / 83, Slg.  1985, I‑439 Rn. 16 Kommission / Frankreich; EuG vom 25.06. 1998, verb. Rs.  T‑371 / 94 und T‑394 / 94, Slg.  1998, II‑2405 Rn. 58 British Airways u. a. / Kommission. 774  Art. 6

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

bb) Begrenzung der Ermächtigung auf das förmliche Prüfverfahren Gegen eine Befugnis der Kommission, bereits im vorläufigen Prüfverfahren Genehmigungen unter Beifügung von Nebenbestimmungen zu gewähren, spricht zunächst die Systematik der VVO. Gemäß Art. 7 Abs. 1 VVO wird das förmliche Verfahren durch eine Entscheidung nach den Absätzen 2 bis 5 des Artikels abgeschlossen. Insoweit sieht Art. 7 Abs. 4 VVO die Möglichkeit vor, Positiventscheidungen mit Auflagen und Bedingungen zu verbinden. Eine entsprechende Regelung fehlt in Art. 4 VVO, der sich auf die Entscheidung im vorläufigen Prüfverfahren bezieht. Aus einem Umkehrschluss folgt, dass Nebenbestimmungen nur im förmlichen Prüfverfahren vorgesehen werden können.776 Gegen diese Argumentation führt Becker an, dass die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen nicht von der Existenz einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage abhänge, sondern sich bereits aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebe.777 Dieser Kritik ist jedoch zu widersprechen, da nicht ersichtlich ist, warum der Verordnungsgeber die Anordnung von Auflagen und Bedingungen in Art. 7 Abs. 4 VVO ausdrücklich hätte regeln sollen, wenn er der Ermächtigung zur Beifügung von Nebenbestimmungen stets lediglich deklaratorische Bedeutung beimessen würde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber stets eine explizite Regelung getroffen hat, wenn der Zusatz von Nebenbestimmungen zulässig ist. Hierfür spricht auch die durch den europäischen Verordnungsgeber modifizierte Fassung des Art. 6 FKVO778, die nunmehr eine ausdrückliche Ermächtigung zur Beifügung von Nebenbestimmungen in der ersten Prüfungsphase vorsieht.779 Diese Änderung wurde angesichts der Kritik an der Kommissionspraxis vorgenommen, bereits im vorläufigen Prüfverfahren ohne entsprechende Rechtsgrundlage an Auflagen und Bedingungen geknüpfte Genehmigungen zu erteilen.780 Auch Sinn und Zweck des vorläufigen Prüfverfahrens bestätigen dieses Ergebnis. Das vorläufige Prüfverfahren soll im Fall von Maßnahmen, bei denen es sich offensichtlich nicht um Beihilfen handelt oder evident eine Ausnahmevorschrift greift, eine schnelle Entscheidung ermöglichen.781 Bestehen dagegen Zweifel an der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt, ist das förmliche PrüfEhricke, EWS 2006, S. 241, 243. Nebenbestimmungen im europäischen Beihilfenrecht, S. 94 f. 778  Siehe Verordnung (EG) Nr. 1310 / 97 des Rates vom 30.  Juni 1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 4064 / 89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 1997, Nr. L 180, S. 1. 779  Vgl. Ehricke, EWS 2006, S. 241, 243. 780  Broberg, 34 CMLR 845 ff. (1997); Groger / Janicki, WuW 1992, S. 991, 1000; Heidenhain, EuZW 1994, S. 135, 136 f.; Mülbert, ZIP 1995, S. 699, 706 f. 781  Siehe Art. 4 Abs. 2, 3 VVO. 776  Vgl.

777  Becker,



II. Rechtfertigung der Bankenbeihilfen153

verfahren zu eröffnen.782 Dies ist schon den fehlenden Beteiligungsrechten Dritter im vorläufigen Prüfverfahren geschuldet. Die Notwendigkeit von Auflagen und Bedingungen zeigt, dass es Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Maßnahme gibt, so dass das förmliche Verfahren einzuleiten ist.783 Daher ist die Kommission im vorläufigen Prüfverfahren nicht befugt, eine Positiventscheidung mit Nebenbestimmungen zu verbinden. Im Zusammenhang mit der Beihilfegewährung zugunsten der Commerzbank784 hat die Kommission das förmliche Prüfverfahren nicht eröffnet, sondern die Genehmigung bereits im vorläufigen Prüfverfahren erteilt. Deutschland hat sich als Gegenleistung zu einer Reihe von Ausgleichsmaßnahmen verpflichtet. Diese werden vor allem in der Presse vielfach als Auflagen und Bedingungen der EU bezeichnet785, deren Beifügung im vorläufigen Prüfverfahren wie oben gezeigt unzulässig wäre. Die Kommission verwendet in der Entscheidung hingegen den Terminus Zusagen und spricht zudem von Verpflichtungen Deutschlands. Der Begriff der Zusage ist insbesondere aus dem Bereich des Fusionskontrollrechts bekannt und meint in diesem Kontext die einseitige Erklärung eines Unternehmens gegenüber der Kommission, sich zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen zu verpflichten.786 Als Synonyme werden die Bezeichnungen „Verpflichtungen“ und „Verpflichtungszusagen“ verwendet.787 Da im Beihilfeverfahren lediglich die Kommission und der betreffende Mitgliedstaat Parteien sind, ist die Definition insofern zu modifizieren, als es anstelle einer Erklärung eines Unternehmens um eine solche eines Mitgliedstaats geht. Verpflichtungserklärungen bezwecken, die Vereinbarkeit der staatlichen Unterstützungsmaßnahme mit dem Gemeinsamen Markt herzustellen.788 Da sie als Teil der Anmeldung angesehen werden müssen, sind sie auch ohne ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage zulässig.789 782  Art. 4

Abs. 4 VVO. in: Heidenhain, European State Aid Law, § 31 Rn. 38 m. Fn. 123. Zu diesem Ergebnis kommt trotz der soeben aufgezeigten Kritik am Umkehrschluss auch Becker, Nebenbestimmungen im europäischen Beihilfenrecht, S. 95 f. 784  KOM vom 07.05.2009, K (2009) 3708 endgültig in der Sache N 244 / 2009 Commerzbank. 785  So auch Soltész, WuW 2010, S. 743, 747 m. Fn. 34. 786  Becker, Nebenbestimmungen im europäischen Beihilfenrecht, S. 86; Strehle, Die Nichterfüllung von Zusagen im Rahmen des europäischen Fusionskontrollverfahrens, S. 14; vgl. Fuchs, WuW 1996, S. 269, 270. 787  Immenga / Mestmäcker / Körber, Art. 8 FKVO Rn. 97 m. Fn. 214. 788  Bartosch, Art. 4 VO 659 / 1999 Rn. 14; Becker, Nebenbestimmungen im europäischen Beihilfenrecht, S. 86; vgl. Leibenath, Die Rechtsprobleme der Zusagenpraxis in der Europäischen Fusionskontrolle, S. 96. 789  Sinnaeve, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 31 Rn. 38; vgl. Leibenath, Die Rechtsprobleme der Zusagenpraxis in der Europäischen Fusionskontrolle, S. 41 f. 783  Sinnaeve,

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

c) Rechtsschutz gegen mit Nebenbestimmungen oder Zusagen verbundene Entscheidungen Die Mitgliedstaaten, die betroffenen Banken selbst sowie deren Wettbewerber können gemäß Art. 263 AEUV Nichtigkeitsklage gegen das förm­ liche Verfahren abschließende Entscheidungen nach Art. 7 Abs. 4 VVO sowie gegen Positiventscheidungen am Ende der vorläufigen Prüfung nach Art. 4 Abs. 3 VVO erheben. Dabei werden die verschiedenen Kläger von unterschiedlichen Interessen geleitet: Während es den Beihilfeempfängern und den betroffenen Mitgliedstaaten regelmäßig auf die Beseitigung belastender Auflagen, Bedingungen oder Zusagen ankommt, geht es den übrigen Mitgliedstaaten und den Wettbewerbern grundsätzlich um die Aufhebung der gesamten Genehmigung. aa) Klagen gegen Positiventscheidungen am Ende des förmlichen Verfahrens Beim Rechtsschutz gegen Positiventscheidungen sind einige Besonderheiten hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen zu beachten. So stellt sich im Zusammenhang mit Positiventscheidungen, die unter Beifügung von Nebenbestimmungen ergangen sind, die Frage nach dem zulässigen Antragsgegenstand. Von den übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen bedarf regelmäßig nur die Klagebefugnis bei Konkurrentenklagen einer näheren Begründung. (1) Antragsgegenstand Im Hinblick auf den Antragsgegenstand ist klärungsbedürftig, ob statt der gesamten Entscheidung auch einzelne Nebenbestimmungen, die zur Verringerung von Wettbewerbsverzerrungen erlassen wurden, isoliert angefochten werden können. Eine isolierte Anfechtungsmöglichkeit würde sowohl den betroffenen Mitgliedstaaten als auch den Beihilfeempfängern entgegenkommen, da diese regelmäßig an der Aufrechterhaltung der Genehmigungsentscheidung unter Beseitigung beeinträchtigender Nebenbestimmungen interessiert sind. Die Problematik erinnert an die nach wie vor umstrittene Frage der isolierten Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten nach § 36 VwVfG im deutschen Verwaltungsrecht. Der EuGH behandelt diese Fragestellung bereits auf Ebene der Zulässigkeit der Klage im Zusammenhang mit dem Grundsatz „ne ultra petita“, wonach das Gericht bei seiner Entscheidung nicht über den Antrag hinausgehen darf:790 Wenn der 790  EuGH vom 28.06.1972, Rs.  37 / 71, Slg.  1972, I‑483 Rn. 10 / 12 Michel Jamet / Kommission; EuGH vom 19.01.2006, Rs.  C‑240 / 03 P, Slg.  2006, I‑731 Rn. 43 Comunità Montana della Valnerina / Kommission.



II. Rechtfertigung der Bankenbeihilfen155

Antrag auf die Nichtigerklärung einer Nebenbestimmung beschränkt ist, eine isolierte Anfechtbarkeit aber ausscheidet, kann einer Klage auch nicht durch Nichtigerklärung der gesamten Entscheidung zum Erfolg verholfen werden. Eine isolierte Anfechtbarkeit mit der Folge der Teilnichtigkeit im Umfang des Angriffs kommt nur in Betracht, wenn sich die für nichtig befundenen Teile vom Rest der Entscheidung trennen lassen791, ohne dass sich der Wesensgehalt der Entscheidung verändert.792 Nach der gemeinschaftsgericht­ lichen Rechtsprechung scheidet die isolierte Nichtigerklärung einer Nebenbestimmung aus, wenn diese als unerlässlich betrachtet wird, um die Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt herzustellen.793 Sie kommt hingegen in Betracht, wenn es sich bei der Nebenbestimmung lediglich um eine Maßnahme zur Überwachung der Entscheidungsbefolgung handelt.794 Da Nebenbestimmungen zur Verringerung von Wettbewerbsverzerrungen sowohl nach dem neuen Rechtsrahmen als auch nach den R&ULeitlinien zwingende Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Beihilfegewährung im Bankensektor darstellen, scheidet eine isolierte Anfechtung der entsprechenden Auflagen und Bedingungen aus. Die Unzulässigkeit der isolierten Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen ändert aber nichts daran, dass diese zusammen mit der Positiventscheidung 791  EuGH vom 28.06.1972, Rs. 37 / 71, Slg. 1972, I‑483 Rn. 10 / 12 Michel Jamet /  Kommission; EuGH vom 31.03.1998, verb. Rs.  C‑68 / 94 und C‑30 / 95, Slg.  1998, I‑1375 Rn. 256 Frankreich u. a. / Kommission; EuGH vom 30.09.2003, Rs. C‑239 / 01, Slg. 2003, I‑10333 Rn. 33 Deutschland / Kommission; Schwarze, Art. 264 AEUV Rn. 7. 792  EuGH vom 24.05.2005, Rs.  C‑244 / 03, Slg.  2005, I‑4021 Rn. 12 f. Frankreich / Parlament u. a.; EuGH vom 27.06.2006, Rs.  C‑540 / 03, Slg.  2006, I‑5769 Rn.  27 f. Parlament / Rat. Ob es sich dabei um eine Frage der Zulässigkeit oder der Begründetheit handelt, wird unterschiedlich beurteilt. Auch in der Praxis lässt sich keine einheitliche Linie erkennen. So ordnet der EuGH die Thematik in den Entscheidungen vom 28.06.1972, Rs. 37 / 71, Slg. 1972, I‑483 Rn. 10 / 12 Michel Jamet /  Kommission und vom 30.09.2003, Rs.  C‑239 / 01, Slg.  2003, I‑10333 Rn. 33 ff. Deutschland / Kommission der Zulässigkeit, in den Entscheidungen vom 31.03.1998, verb. Rs. C‑68 / 94 und C‑30 / 95, Slg. 1998, I‑1375 Rn. 256 ff. Frankreich u. a. / Kommission sowie vom 27.06.2006, Rs.  C‑540 / 03, Slg.  2006, I‑5769 Rn. 27 ff. Parlament / Rat dagegen der Begründetheit zu. 793  EuGH vom 31.03.1998, verb. Rs.  C‑68 / 94 und C‑30 / 95, Slg.  1998, I‑1375 Rn. 258 Frankreich u. a. / Kommission; EuG vom 13.09.1995, verb. Rs. T‑244 / 93 und T‑486 / 93, Slg.  1995, II‑2265 Rn. 52 Textilwerke Deggendorf / Kommission; ­Becker, Nebenbestimmungen im europäischen Beihilfenrecht, S. 189 f. 794  So etwa hinsichtlich der Auflage, der Kommission das Bestehen und die Veränderung aller finanziellen Beteiligungen und personellen Verflechtungen mitzuteilen, EuGH vom 23.10.1974, Rs.  17 / 74, Slg.  1974, I‑1063, Rn. 21 TMPA / Kommission; Becker, Nebenbestimmungen im europäischen Beihilfenrecht, S. 190.

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

angegriffen werden können. Da im Fall von Auflagen und Bedingungen zur Verringerung von Wettbewerbsverzerrungen eine Teilbarkeit und somit eine Teilnichtigkeit abzulehnen ist, ist im Fall der Rechtswidrigkeit der Nebenbestimmungen die gesamte Entscheidung für nichtig zu erklären. (2) Klagen der Mitgliedstaaten und der Beihilfeempfänger Sowohl die begünstigten Finanzinstitute als auch die Mitgliedstaaten können gegen die Positiventscheidung vorgehen. Die Mitgliedstaaten sind gemäß Art. 263 Abs. 2 AEUV ohne weiteres klagebefugt. Die Klagebefugnis der Banken folgt zwar mangels Adressatenstellung nicht aus Art. 263 Abs. 4 Var.  1 AEUV, allerdings ergibt sie sich aus Art. 263 Abs. 4 Var.  2 AEUV, da die Kreditinstitute unmittelbar und individuell betroffen sind. (3) Konkurrentenklagen Im Zusammenhang mit Nichtigkeitsklagen von Wettbewerbern kommt vor allem der Prüfung der Klagebefugnis Bedeutung zu. Diese richtet sich wiederum nach Art. 263 Abs. 4 Var.  2 AEUV. An der unmittelbaren Betroffenheit des Konkurrenten bestehen keine Zweifel: Ist die Beihilfe bereits gewährt worden, kann der Empfänger die Finanzmittel im Wettbewerb zu seinem Vorteil und zum Nachteil des Wettbewerbers verwenden.795 Aber auch, wenn die staatliche Unterstützung noch nicht erfolgt ist, steht mit der Genehmigung durch die Kommission mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Mitgliedstaat die Subvention gewähren wird, da der Staat durch die Notifizierung bereits sein Interesse an der Unterstützungsmaßnahme bewiesen hat. Mithin ist auch in diesem Fall die unmittelbare Betroffenheit zu bejahen.796 Schwieriger gestaltet sich hingegen die Feststellung der individuellen Betroffenheit. Aus der Entscheidung COFAZ797 wurde teilweise geschlossen, es müssten sowohl eine aktive Verfahrensteilnahme als auch eine spürbare 795  Soltész,

in: Heidenhain, European State Aid Law, § 41 Rn. 28. vom 27.04.1995, Rs.  T‑435 / 93, Slg.  1995, II‑1281 Rn. 60 ASPEC u. a. /  Kommission; EuG vom 27.04.1995, Rs.  T‑442 / 93, II‑1329 Rn. 45 ACC u. a. / Kommission; Bonkamp, Die Bedeutung des gemeinschaftsrechtlichen Beihilfeverbotes für die Beteiligung der öffentlichen Hand an einer Kapitalgesellschaft, S. 198; Metaxas, Grundfragen des europäischen Beihilferechts, S. 208 f.; Nordmann, Die negative Konkurrentenklage im EG-Beihilferecht vor europäischen und deutschen Gerichten, S. 56. 797  EuGH vom 28.01.1986, Rs.  169 / 84, Slg.  1986, I‑391 Rn. 24 f. COFAZ u. a. / Kommission. 796  EuG



II. Rechtfertigung der Bankenbeihilfen157

Beeinträchtigung der Marktstellung des Konkurrenten vorliegen.798 In der Folgezeit ließ sich in der Rechtsprechung aber diesbezüglich keine klare Linie erkennen. So hat das EuG in den Urteilen ASPEC und AAC die Ausführungen in der Sache COFAZ dahingehend relativiert, der EuGH habe eine Verfahrensbeteiligung und eine Beeinträchtigung der Marktstellung lediglich als zureichende Kriterien für eine individuelle Betroffenheit anerkannt, ohne diese jedoch als zwingende Voraussetzungen zu statuieren.799 Unternehmen könnten gleichermaßen den Nachweis erbringen, in anderer Weise individuell betroffen zu sein. In späteren Entscheidungen wurden die in COFAZ formulierten Kriterien allerdings wiederholt.800 Zumindest lässt sich der Rechtsprechung entnehmen, dass die Verfahrensbeteiligung allein die Klagebefugnis nicht zu begründen vermag.801 Dies überzeugt, da kein Grund ersichtlich ist, aus dem allein die Beteiligung eines Unternehmens am förmlichen Verfahren zu einer Klagemöglichkeit führen sollte, ohne dass ein Wettbewerbsverhältnis zum Beihilfeempfänger besteht.802 Die Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Klagebefugnis wird noch verstärkt, indem sie auf eine spürbare Beeinträchtigung der Marktstellung gestützt wird, weil auch insoweit die Rechtsprechungspraxis uneinheitlich ist. Während die Anforderungen an die Substantiierungspflicht der Wettbewerber803 teilweise als überholt kritisiert werden804, werden in anderen Entscheidungen Ausführun798  So EuG vom 27.04.1995, Rs.  T‑435 / 93, Slg.  1995, II‑1281 Rn. 31 ASPEC u. a. / Kommission; Metaxas, Grundfragen des europäischen Beihilferechts, S. 210 ff.; Nordmann, Die negative Konkurrentenklage im EG-Beihilferecht vor europäischen und deutschen Gerichten, S. 48; Koenig / Kühling / Ritter, EG-Beihilfenrecht, Rn. 411. 799  EuG vom 27.04.1995, Rs.  T‑435 / 93, Slg.  1995, II‑1281 Rn. 63 f. ASPEC u. a. / Kommission; EuG vom 27.04.1995, Rs.  T‑442 / 93, II‑1329 Rn. 48 f. ACC u. a. / Kommission; best. durch EuG vom 05.11.1997, Rs.  T‑149 / 95, Slg.  1997, II‑2031 Rn. 34 Ducros / Kommission; EuG vom 15.09.1998, Rs.  T‑11 / 95, Slg.  1998, II‑3235 Rn.  71 f. BP Chemicals / Kommission. 800  EuGH vom 23.05.2000, Rs.  C‑106 / 98 P, Slg.  2000, I‑3659 Rn. 40 Louis Dreyfus u. a. / Kommission; EuG vom 21.10.2004, Rs.  T‑36 / 99, II‑3597 Rn. 74 f. Lenzing / Kommission. 801  EuGH vom 23.05.2000, Rs.  C‑106 / 98 P, Slg.  2000, I‑3659 Rn. 41 Louis Dreyfus u. a. / Kommission; EuGH vom 22.11.2007, Rs.  C‑260 / 05 P, Slg.  2007, I‑10005 Rn. 57 SNIACE / Kommission; EuG vom 21.10.2004, Rs.  T‑36 / 99, II‑3597 Rn. 75 Lenzing / Kommission. 802  Soltész, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 41 Rn. 38. Allgemein besteht die Tendenz, den Schwerpunkt im Rahmen der Prüfung der Klagebefugnis auf den Aspekt der Wettbewerbsbeeinträchtigung zu legen, siehe Nowak, EuZW 2001, S. 293, 304  f; Koenig / Kühling / Ritter, EG-Beihilfenrecht, Rn. 411; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 3, Rn. 1599. 803  EuG vom 15.09.1998, Rs.  T‑11 / 95, Slg.  1998, II‑3235 Rn. 78 ff. BP Chemicals / Kommission; EuG vom 21.03.2001, Rs.  T‑69 / 96, Slg.  2001, II‑1037 Rn. 42 ff. Hamburger Hafen- und Lagerhaus u. a. / Kommission. 804  Soltész, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 41 Rn. 41.

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gen zur Klagebefugnis gänzlich ausgespart805. In der Literatur wird vermehrt gefordert, das Kriterium der Spürbarkeit aufzugeben, weil es mangels einheitlicher Konkretisierung in der Rechtsprechung mehr Rechtsunsicherheit als Nutzen bringe.806 (4) Prüfungsmaßstab der Gerichte Bei Genehmigungsentscheidungen im Anwendungsbereich des Art. 107 Abs. 3 AEUV billigen die Gemeinschaftsgerichte der Kommission unter Berücksichtigung der notwendigen komplexen wirtschaftlichen Erwägungen einen weiten Ermessensspielraum zu.807 Damit korrespondiert eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolldichte. Klärungsbedürftig bleibt allerdings, inwieweit dieser weite Ermessensspielraum auch in Bezug auf Nebenbestimmungen besteht. Gemäß Art. 7 Abs. 4 VVO kann die Kommission eine Positiventscheidung mit Bedingungen und Auflagen verbinden. Nach dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 4 VVO wird der Kommission somit auch hinsichtlich der Beifügung von Nebenbestimmungen ein Ermessensspielraum zugebilligt. Das Ermessen bezieht sich dabei sowohl auf die Frage, ob die Entscheidung mit Nebenbestimmungen verbunden werden soll („Ob“), als auch auf die Ausgestaltung der Auflagen und Bedingungen („Wie“). Bei der Entscheidungsfindung ist die Kommission allerdings stets an den in Art. 5 Abs. 4 EUV normierten gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz808 gebunden. Danach hat die Kommission unter mehreren geeigneten Maßnahmen diejenige zu wählen, die den Beihilfeempfänger am wenigsten belastet.809 Da die vollständige Untersagung der Beihilfegewährung den intensivsten Eingriff darstellt, hat die Kommission stattdessen eine mit Auflagen und Bedingungen verbundene Positiventscheidung zu erlassen, wenn so die Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt hergestellt werden kann.810 Ferner hat die Kommission unter mehreren geeigneten Auflagen und Bedingungen die mildeste Nebenbestimmung zu wählen. Nichtsdesto805  EuG vom 25.06.1998, verb. Rs.  T‑371 / 94 und T‑394, 94, Slg.  1998, II‑2405 British Airways u. a. / Kommission, EuG vom 06.10.1999, Rs.  T‑110 / 97, Slg.  1999, II‑2881 Kneissl / Kommission. 806  Becker, Nebenbestimmungen im europäischen Beihilfenrecht, S. 204 f.; Metaxas, Grundfragen des europäischen Beihilferechts, S. 219 f.; i. E. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 3, Rn. 1601; vgl. Sedemund / Heinemann, DB 1995, S. 713, 717. 807  Siehe oben C.IV.1.a). 808  Siehe dazu oben C.IV.7.a). 809  EuGH vom 11.07.1989, Rs. 265 / 87, Slg. 1989, I‑2237 Rn. 21 Schräder / Hauptzollamt Gronau. 810  Ehricke, EWS 2006, S. 241, 242 f.



II. Rechtfertigung der Bankenbeihilfen159

trotz verbleibt der Kommission auch insoweit ein weites Ermessen, denn der Entscheidung über die Beifügung von Nebenbestimmungen liegen gleichermaßen komplexe wirtschaftliche Erwägungen zu Grunde wie der Genehmigungsentscheidung im Rahmen des Art. 107 Abs. 3 lit. b Var. 2 AEUV als solcher. Infolgedessen ist die Überprüfung durch die Gerichte denselben Grenzen unterworfen.811 Mithin ist die Aufhebung einer Kommissionsentscheidung wegen Unverhältnismäßigkeit der Nebenbestimmungen praktisch nur schwer zu erreichen.812 Es ist daher nicht überraschend, dass Nichtigkeitsklagen gegen mit Bedingungen oder Auflagen versehene Kommissionsentscheidungen bislang die Ausnahme geblieben sind.813 bb) Klagen gegen Positiventscheidungen am Ende des vorläufigen Prüfverfahrens Auch gegen Positiventscheidungen am Ende des vorläufigen Prüfverfahrens kann unter Umständen Nichtigkeitsklage erhoben werden.814 Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Kommission im Fall der Änderung der Anmeldung815 nicht mehr den ursprünglichen Antrag, sondern nur noch den vom Mitgliedstaat selbst modifizierten Antrag prüft. Im Fall einer Genehmigung sind daher weder der Mitgliedstaat noch der Beihilfeempfänger beschwert, so dass eine Nichtigkeitsklage unzulässig wäre.816 811  Becker, Nebenbestimmungen im europäischen Beihilfenrecht, S.  195; vgl. EuG vom 09.07.2008, Rs.  T‑301 / 01, Slg.  2008, II‑1753 Rn. 407 Alitalia / Kommis­ sion (Alitalia II). Nach Bleckmann, NVwZ 2004, S. 11, 15, genügen die Maßstäbe der Ermessensfehlerlehre nicht, um im Rahmen der gerichtlichen Ermessenskontrolle bei einer Auflage einen effektiven Rechtsschutz sicherzustellen. Daher fordert er, die Zulässigkeitsvoraussetzungen für Auflagen nach dem deutschen Verwaltungsrecht auf das Gemeinschaftsrecht zu übertragen. 812  Soltész, WuW 2010, S. 743, 744. 813  Allerdings hatte die von den Niederlanden und der ING erhobene Nichtigkeitsklage, mit der sich die Kläger dagegen richteten, dass die Kommission in geänderten Rückzahlungsmodalitäten einer staatlichen Kapitalzuführung eine zusätzliche Beihilfe sah, Erfolg. Das EuG beanstandete, die Kommission hätte versäumt zu prüfen, ob ein hypothetischer privater Investor die Modifikationen zugelassen hätte, siehe EuG vom 02.03.2012, Rs.  T‑29 / 10, T‑33 / 10, BeckRS 2012, 80426 Rn. 97 ff. Dagegen wies das EuG die Klage des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes, eines Anteilseigners der WestLB, die unter anderem wegen aus Klägersicht unverhältnismäßiger Bedingungen der Genehmigungsentscheidung erhoben wurde, ab, siehe EuG vom 17.07.2014, Rs. T-457 / 09. 814  Ausführlich hierzu Bartosch, Art. 4 VO 659 / 1999 Rn. 16 f. 815  Siehe hierzu oben D.II.3.b)bb). 816  Vgl. EuGH vom 18.06.2002, Rs. C‑242 / 00, Slg. 2002, I‑5603 Rn. 43 Deutschland / Kommission; Sinnaeve, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 31 Rn. 38.

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

Bei der Anfechtung durch Wettbewerber ist wiederum die individuelle Betroffenheit im Rahmen der Klagebefugnis in jedem Einzelfall positiv festzustellen.817 Der Konkurrent kann sich darauf stützen, dass er infolge des Unterbleibens der Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens seine ausschließlich in der zweiten Prüfphase bestehenden Verfahrensgarantien nicht habe geltend machen können. Die Kommission ist nämlich erst im förm­ lichen Prüfverfahren verpflichtet, dem Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.818 In diesem Zusammenhang hat der Kläger seine Beteiligtenstellung im Sinne des Art. 108 Abs. 2 AEUV darzulegen. Diesbezüglich hat die Rechtsprechung ihre Anforderungen verschärft819 und verlangt inzwischen den Nachweis, dass die Wettbewerbsposition des Konkurrenten im Markt beeinträchtigt ist820. 4. Grenzen zulässiger Maßnahmen Nachfolgend soll anhand konkreter Beispiele der Frage nachgegangen werden, innerhalb welcher Grenzen sich die von der Kommission vorgesehenen Maßnahmen zu bewegen haben. a) Strukturelle Maßnahmen Trotz der Krise scheint die Kommission ihre Anforderungen an Umstrukturierungs- und Ausgleichsmaßnahmen nicht gelockert, sondern im Gegenteil verschärft zu haben:821 Während sie in früheren Fällen eine Reduzierung der Bilanzsumme um durchschnittlich 30 % genügen ließ,822 setzt sie nun 817  Eingehend Bartosch, Art. 4 VO 659 / 1999 Rn. 18 ff.; Soltész, in: Heidenhain, European State Aid Law, § 41 Rn. 15 ff. 818  Siehe oben D.II.3.b)aa). 819  Ursprünglich folgte der EuGH dem weiten Beteiligtenbegriff aus Intermills und Art. 1 lit. h VVO, indem er annahm, Beteiligte seien alle durch die Beihilfengewährung eventuell verletzte Personen, Unternehmen oder Vereinigungen, so EuGH vom 19.05.1993, Rs.  C‑198 / 91, Slg.  1993, I‑2487 Rn. 22 ff. Cook / Kommission; EuGH vom 15.06.1993, Rs.  C‑225 / 91, Slg.  1993, I‑3203 Rn. 16 ff. Matra / Kommission. 820  EuG vom 16.09.1998, Rs.  T‑188 / 95, Slg.  1998, II‑3713 Waterleiding / Kommission; EuG vom 21.03.2001, Rs.  T‑69 / 96, Slg.  2001, II‑1037 Rn. 41 ff. Hamburger Hafen- und Lagerhaus u. a. / Kommission; EuG vom 25.06.2003, Rs.  T‑41 / 01, Slg. 2003, II‑2157 Rn. 39  ff. Escolar / Kommission; vgl. Harings, EuZW 2001, S. 633, 637. 821  Soltész, WuW 2010, S. 743, 748; derselbe / von Köckritz, WM 2010, S. 241, 245. 822  KOM vom 20.05.1998, ABl. 1998 Nr. L 221, S. 28 Rn. 10.5 Crédit Lyonnais II (mehr als 1 / 3); KOM vom 29.07.1998, ABl. 1999 Nr. L 116, S. 36 Rn. 5.4 Banco



II. Rechtfertigung der Bankenbeihilfen161

höhere Beträge fest. Beispielsweise ist die IKB zu einer Senkung um 47,2 %823, die ING zu einer solchen um 45 %824, die BayernLB zu einer solchen um mehr als 50 %825 und die LBBW zu einer solchen um 41 %826 verpflichtet worden. Enorme Einschnitte mussten unter Berücksichtigung der wiederholten sowie besonders hohen Beihilfen die Northern Rock und die Hypo Real Estate hinnehmen. Erstere verfügt nach der Auslagerung auf eine Abwicklungsanstalt nur noch über eine Bilanzsumme von 20 % des Wertes vor der Inanspruchnahme staatlicher Hilfen.827 Letztere wurde verpflichtet, die Bilanzsumme ihrer Kernbank pbb – der einzigen Einheit innerhalb der Hypo Real Estate, die auch weiterhin das Bankgeschäft betreiben darf – auf 15 % der Konzernbilanzsumme von 2008 zu reduzieren.828 Auch die Commerzbank muss ihre Bilanzsumme durch den Abbau geschäftlicher Aktivitäten sowie den Verkauf zahlreicher Beteiligungen bis zum 31.  Dezember 2014 um 45 % reduzieren.829 Zudem legte die Kommission ihr zunächst auf, sich bis zum Jahr 2014 von ihrer bedeutenden Tochtergesellschaft Eurohypo zu trennen. Da sich wegen des großen Kapitalbedarfs und der zahlreichen Risikopositionen im Bereich der Staatsanleihen kein Käufer fand830, ist die Commerzbank nunmehr verpflichtet, einen di Napoli (43 %); KOM vom 14.10.1998, ABl. 1999 Nr. L 198, S. 1 Rn. 5.3.1 Societé Marseillaise de Crédit (SMC) (20 %); KOM vom 23.06.1999, ABl. 2001 Nr. L 34, S. 36 Rn. 97 Crédit Foncier de France (25 %); KOM vom 18.02.2004, ABl. 2005 Nr. L 116, S. 1 Rn. 281 Umstrukturierungsbeihilfe zugunsten der Bankgesellschaft Berlin (30 %). 823  KOM vom 21.10.2008, K (2008) 6022 endgültig corr. in der Sache C 10 / 2008 Rn. 111 Umstrukturierung der IKB. 824  KOM vom 18.11.2009, C (2009) 9000 final corr. in der Sache C 10 / 2009 Rn. 54, 82, 143, Annex  II ING. 825  KOM vom 12.05.2009, K (2009) 3811 endgültig in der Sache C 16 / 2009 Rn. 40, 95 BayernLB. 826  KOM vom 15.12.2009, K (2009) 9955 endgültig in der Sache C 17 / 2009 Rn. 20, 38, 102, Anhang Umstrukturierung der Landesbank Baden-Württemberg. 827  Pressemitteilung Kommission vom 28.10.2009, State aid: Commission approves restructuring package for Northern Rock, IP / 09 / 1600, abrufbar unter http: /  /  europa.eu / rapid / press Releases Action. do?reference=IP / 09 / 1600. 828  KOM vom 18.07.2011, K (2011) 5157 endgültig in der Sache C 15 / 2009 Rn. 127 Hypo Real Estate. 829  KOM vom 07.05.2009, K (2009) 3708 endgültig in der Sache N 244 / 2009 Rn. 112 Commerzbank; vgl. KOM vom 30.03.2012, C (2012) 2227 endgültig in der Sache SA 34539 Rn. 23 Amendment to the restructuring plan of Commerzbank. Die nicht zu den Kernaktivitäten zählenden Bereiche werden bei der Reduktion der Bilanzsumme nicht berücksichtigt. 830  Pressemitteilung Kommission vom 30.03.2012, Staatliche Beihilfen: Kommission genehmigt Änderung des Umstrukturierungsplans der Commerzbank, IP / 12 / 337, abrufbar unter http: /  / europa.eu / rapid / press-release_IP-12-337_de.htm.

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

Großteil des Geschäfts der Eurohypo intern abzuwickeln831. Durch Maßnahmen wie die Schließung von Filialen und den Abbau risikogewichteter Aktiva soll außerdem die Marktpräsenz reduziert werden.832 Von der WestLB verlangte die Kommission bereits in ihrer Entscheidung vom 12. Mai 2009 tiefgreifende Kompensationsmaßnahmen:833 Namentlich mussten die öffentlichen Anteilseigner die WestLB bis zum 31. Dezember 2011 im Ganzen oder in Teilen veräußern. Außerdem mussten sowohl die Bilanzsumme als auch die Summe der risikogewichteten Aktiva jeweils um 50 % reduziert werden. Darüber hinaus waren die Kerngeschäftstätigkeiten zu entflechten und segmentierten Teilbereichen zuzuordnen, die zu veräußern waren. Ferner durfte die WestLB kein externes Wachstum aufweisen. Des Weiteren waren die Begrenzung des Geschäftsvolumens einiger Geschäftsbereiche sowie die Schließung nationaler und internationaler Standorte vorgesehen. Auch durften keine neuen Standorte errichtet werden. Überdies mussten zahlreiche Beteiligungen veräußert werden. Die Frist für den Verkauf der Westdeutschen ImmobilienBank (WestImmo) wurde vom 31. Dezember 2010 bis zum 15. Februar 2011 verlängert. Später legte die deutsche Regierung im Zusammenhang mit der Errichtung der Abwicklungsanstalt für die WestLB und der Übertragung von Vermögenswerten einen geänderten Umstrukturierungsplan vor, der allerdings nur geringfügige Abweichungen enthielt.834 Nachdem sich schließlich zeigte, dass die WestLB nicht in der Lage war, den enormen zusätzlichen Beihilfebetrag zu kompensieren oder zurückzuzahlen, modifizierten die Anteilseigner den Umstrukturierungsplan erneut, indem sie eine geordnete Abwicklung und Aufspaltung vorsahen. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass strukturelle Maßnahmen als schwerwiegende Eingriffe in die unternehmerische Freiheit des Begünstigten sowie den betroffenen Markt und damit den Wettbewerb anzusehen sind.835 Teilweise wird befürchtet, die Kommission könne die Gelegenheit ergreifen, ihre wirtschaftspolitischen Ziele umzusetzen und die Bankenlandschaft nach ihren Vorstellungen zu gestalten.836 Daher sei sicherzustellen, 831  KOM vom 30.03.2012, C (2012) 2227 endgültig in der Sache SA 34539 Rn. 23 Amendment to the restructuring plan of Commerzbank. 832  KOM vom 07.05.2009, K (2009) 3708 endgültig in der Sache N 244 / 2009 Rn. 77 Commerzbank. 833  KOM vom 12.05.2009, ABl. 2009 Nr. L 345, S. 1 Anhang Umstrukturierung der WestLB. 834  Näher dazu siehe oben D.I.4.e). 835  Zimmer / Blaschczok, 1 ECLR 9, 11 (2011); Becker, Nebenbestimmungen im europäischen Beihilfenrecht, S. 136. 836  Zimmer / Blaschczok, 1 ECLR 9, 11  f. (2011); vgl. Mestmäcker / Schweitzer, § 44 Rn. 64.



II. Rechtfertigung der Bankenbeihilfen163

dass die Kompensationsmaßnahmen dem Schutz der wettbewerblichen Strukturen im betroffenen Markt dienten. Die Maßnahmen seien nur unter konkreten und differenzierten Voraussetzungen zuzulassen und setzten eine auf der Marktstellung des Begünstigten und dem wettbewerblichen Umfeld beruhende Prognose der durch die staatliche Intervention erreichten wettbewerbsfördernden Wirkungen voraus.837 Die Kommissionspraxis wird diesen Anforderungen aber nur in beschränktem Umfang gerecht. Zwar spricht sich die Kommission in der Umstrukturierungsmitteilung ganz in diesem Sinne für die Ausrichtung der Ausgleichsmaßnahmen auf die spezifischen Probleme der Märkte, auf denen der Beihilfeempfänger tätig ist, aus.838 Neben der Höhe der Beihilfe und den Bedingungen und Umständen der Beihilfegewährung sollen die Merkmale der Märkte, auf denen die begünstigte Bank tätig sein wird, entscheidend sein. Zur Prüfung der Auswirkungen der Beihilfe auf diese Märkte sind die Größe und die relative Bedeutung der Bank nach Wiederherstellung der Rentabilität auf den Märkten zu analysieren.839 Ferner wird die Ausgestaltung der Maßnahmen im Interesse der Wahrung eines wirksamen Wettbewerbs unter Berücksichtigung der Merkmale des jeweiligen Marktes betont. Im konkreten Zugriff bleiben die einzelnen Kommissionsentscheidungen allerdings hinter diesen Programmsätzen zurück und legen nicht dar, inwiefern die Maßnahmen sich fördernd auf den Wettbewerb auswirken. So geht die Kommission etwa im Zusammenhang mit Bilanzsummenreduktionen nicht darauf ein, dass die Marktstellung des Begünstigten zu konkret nachgewiesenen wettbewerblichen Schwierigkeiten in den betroffenen Märkten geführt hätte.840 Vor allem die Verpflichtung zur Veräußerung im Ausland tätiger Tochterunternehmen ist bedenklich, da dies dem Ziel der Integration des Binnenmarktes zuwiderläuft und zu einer Konzentration des Beihilfeempfängers auf seinen Heimatmarkt führt, in dem er regelmäßig eine besonders starke Marktstellung innehat.841 Es darf allerdings – wie auch die Kritiker der Kommissionspraxis einräumen – nicht übersehen werden, dass unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Maßnahmen keine vollständige Beseitigung der Wettbewerbsverfälschung erreicht werden kann: Unter Marktbedingungen wäre das unterstützte Finanzinstitut nicht überlebensfähig gewesen und daher aus dem Markt ausgeschieden, so dass die entsprechenden Marktanteile auf die 837  Zimmer / Blaschczok,

1 ECLR 9, 11 (2011). (Fn. 354) Rn. 30. 839  Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 32. 840  Zimmer / Blaschczok, 1 ECLR 9, 14 (2011); vgl. Soltész, WuW 2010, S. 743, 750. 841  Soltész, WuW 2010, S. 743, 750; Zimmer / Blaschczok, 1 ECLR 9, 14 (2011). 838  Umstrukturierungsmitteilung

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

Konkurrenten übergegangen wären.842 Keine Kompensationsmaßnahme reicht aus, um diesen Umstand auszugleichen. Allerdings kann die Kommission eine Beihilfegewährung aus politischen Gründen nicht immer vollständig versagen.843 Die strukturellen Maßnahmen verfolgen dann den Zweck, die Marktsituation so weit wie möglich dem hypothetischen Zustand ohne Beihilfe anzugleichen.844 Wenn das unter Marktbedingungen nicht überlebensfähige Institut nicht aus dem Markt ausscheidet, soll es zumindest wesentlich verkleinert werden. Ferner wird der Wettbewerb insgesamt – wenn auch ohne konkreten Bezug auf die Marktstruktur – reflexartig geschützt, indem die Attraktivität der Inanspruchnahme von Beihilfen gesenkt und der Anreiz zur schnellstmöglichen Rückzahlung erhöht wird, weil hierdurch der Gefahr eines Moral Hazard entgegengewirkt wird.845 Zudem verhindern Kürzungen der Finanzmittel und Beschränkungen der Verhaltensmöglichkeiten, wie sie insbesondere mit den Bilanzsummenreduktionen verbunden sind, jedenfalls eine aggressive Geschäftspolitik zum Nachteil der Wettbewerber.846 Nach der hier vertretenen Auffassung darf die Kommission ohnehin auch politische Ziele verfolgen und im Rahmen ihrer Ermessensausübung einbeziehen.847 Wie bereits ausgeführt, beschränkt sich die Kompetenz der Kommission heute nicht mehr auf Maßnahmen zur Abwehr von Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne einer negativen Integration. Obwohl Umstrukturierungs- und Ausgleichsmaßnahmen durch das Ziel, Wettbewerbsverzerrungen zu reduzieren, veranlasst sind, stellen sie Ausprägungen der positiven Integration dar und spiegeln so jüngere Entwicklungen im Gemeinschaftsrecht wider. In der Finanzkrise hat sich mithin gezeigt, dass unter positiver Integration über die Harmonisierung im Wege der Rechtsetzung hinaus auch die Anordnung von Maßnahmen, welche die Struktur einer Bank beeinflussen, zu verstehen sind.848 Berechtigt sind allerdings die Bedenken, welche an den Verpflichtungen zur Veräußerung von Beteiligungen vorgebracht werden.849 Auch wenn solche nicht wie in den Fällen Commerzbank und WestLB ausdrücklich vorge842  Soltész,

WuW 2010, S. 743, 749. 1 ECLR 9, 11 (2011); Mestmäcker / Schweitzer, § 44

843  Zimmer / Blaschczok,

Rn. 64. 844  Zimmer / Blaschczok, 1 ECLR 9, 16 (2011). 845  Die Kommission nennt in ihren Mitteilungen auch die Begrenzung des Moral Hazard als Zweck der Kompensationsmaßnahmen, siehe Bankenmitteilung 2008 (Fn. 191) Rn. 27 und Umstrukturierungsmitteilung (Fn. 354) Rn. 36. 846  Zimmer / Blaschczok, WuW 2010, S. 142, 153. 847  Siehe oben C.IV.1.a). 848  Baudenbacher / Bremer, 1 JECLP 267, 268 (2010). 849  Siehe hierzu Soltész, WuW 2010, S. 743, 749 f.



II. Rechtfertigung der Bankenbeihilfen165

sehen sind, bleibt den Beihilfeempfängern im Fall angeordneter Bilanzsummenreduktionen zu deren Erfüllung keine andere Wahl als die Veräußerung von Beteiligungen. Je mehr Objekte jedoch auf dem Markt feilgeboten werden, desto schwieriger gestaltet sich die Suche nach Erwerbern, zumal viele europäische Banken selbst Expansionsbeschränkungen und Akquisi­ tionsverboten unterliegen. Da weder Private Equity-Fonds noch außereuropäische Banken vergleichbaren Restriktionen unterliegen, kommen diese als Nutznießer des Überangebots zu niedrigen Preisen in Betracht. Unklar bleibt aber, aus welchem Grund es diesen besser gelingen sollte, die Rentabilität der erworbenen Objekte zu erreichen.850 Konkret erwiesen sich beispielsweise die Veräußerungen der pbb, der Eurohypo und der WestImmo in einem Marktumfeld, in dem drei Immobilienbanken in nah beieinander liegenden Zeitabschnitten zum Verkauf standen, als problematisch. Da kein privater Investor zum Erwerb der Eurohypo bereit war, erwog die Commerzbank zunächst, die auf einen kleinen Teil der gewerblichen Immobilienfinanzierung geschrumpfte Eurohypo mit den Schiffskrediten der Commerzbank zu einem neuen Geschäftsfeld zu verbindenden und den Rest abzuwickeln.851 Die Kommission erteilte zwar die hierfür erforderliche Genehmigung, allerdings verwarf die Commerzbank diesen Plan wegen der schwachen Schiffskonjunktur und entschied sich für eine vollständige Abwicklung.852 Auch für die WestImmo fand sich kein Käufer, so dass die WestLB das Institut in ihre Abwicklungsanstalt auslagern musste.853 b) Verhaltensmaßregeln Verhaltensmaßregeln begegnen grundsätzlich geringeren Bedenken als strukturelle Maßnahmen, soweit sie lediglich solche Verhaltensweisen unterbinden sollen, zu denen erst die Beihilfegewährung Gelegenheit bietet.854 Denn auf diese Weise wird bloß der durch die staatliche Unterstützungs850  Soltész,

WuW 2010, S. 743, 750. vom 18.01.2012, Commerzbank plant Abwicklung der Eurohypo, abrufbar unter http: /  / www.faz.net / aktuell / wirtschaft / kriselnde-tochtergesellschaftcommerzbank-plant-abwicklung-der-eurohypo-11611526.html; Handelsblatt vom 18.01. 2012, EU signalisiert grünes Licht für Eurohypo Pläne, abrufbar unter http: /  /www. handelsblatt.com / unternehmen / banken / commerzbank-eu-signalisiert-gruenes-lichtfuer-eurohypo-plaene / 6083274.html. 852  FAZ vom 05.11.2012, Nr. 258, S. 15, Die Commerzbank sucht den Neuanfang. 853  Siehe hierzu die Website der EAA, abrufbar unter https: /  / www.aa1.de / aktuell /  qa-zur-eaa-nachbefuellung / . 854  Zimmer / Blaschczok, 1 ECLR 9, 11 (2011). Im Bereich der Fusionskontrolle präferiert die Kommission hingegen strukturelle Maßnahmen, siehe Bechtold / Bosch /  851  FAZ.NET

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D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

maßnahme erlangte Vorteil geschmälert. Zudem gelten die Verhaltensmaßregeln nur so lange, bis die Beihilfe zurückgezahlt ist. Diese lediglich temporären Auswirkungen lassen sich anschaulich anhand einiger Praxisbeispiele getroffener Verhaltensmaßregeln verdeutlichen. Die Commerzbank hat sich zur Einhaltung einer Vielzahl von Verhaltensmaßregeln verpflichtet.855 So hat sie bis zum 31.  März 2014 einem Akquisitionsverbot unterlegen.856 Außerdem darf sie in Marktsegmenten, in denen ihr Marktanteil 5  % übersteigt, keine günstigeren Konditionen als ihre Wettbewerber fordern. Des Weiteren sind ihr sowohl die Werbung mit der Gewährung der Beihilfe als auch mit den sich daraus ergebenden Wettbewerbsvorteilen untersagt. Ferner muss sie im Rahmen ihrer Kreditvergabe und Kapitalanlage dem Kreditbedarf der Wirtschaft durch marktübliche Konditionen Rechnung tragen. Überdies muss sie eine solide, nachhaltige und risikomeidende Geschäftspolitik verfolgen. Schließlich durften in den Jahren 2008 und 2009 keine Dividendenzahlungen erfolgen, sowie für die Geschäftsjahre 2009 und 2010 Kupons für bestehende hybride Kapitalinstrumente nur gezahlt werden, soweit eine zwingende rechtliche Verpflichtung bestand. Auch durften keine Rücklagen aufgelöst werden, um solche Zahlungen zu ermöglichen. In der Entscheidung betreffend die Umstrukturierungsbeihilfe für die WestLB sah die Kommission hingegen fast ausschließlich die soeben dargestellten strukturellen Maßnahmen vor. Als Verhaltensmaßregel wurde der WestLB allerdings auferlegt, keine Zinsen auf Hybridkapital zu zahlen, sofern keine rechtliche Verpflichtung besteht und keine Rücklagen aufzulösen, um solche Zinszahlungen leisten zu können und eine Verlustbeteiligung zu vermeiden.857 Brinker / Hirsbrunner, Art. 8 FKVO Rn. 15; Münchener Kommentar Kartellrecht / von Koppenfels, Art. 8 FKVO Rn. 56 ff. 855  KOM vom 07.05.2009, K (2009) 3708 endgültig in der Sache N 244 / 2009 Rn.  69 ff. Commerzbank. 856  Ursprünglich galt das Akquisitionsverbot nach der Entscheidung KOM vom 07.05.2009, K (2009) 3708 endgültig in der Sache N 244 / 2009 Rn. 66 Commerzbank nur bis zum 30.04.2012. Mit der Entscheidung KOM vom 30.03.2012, C (2012) 2227 endgültig in der Sache SA 34539 Rn. 23 Amendment to the restructuring plan of Commerzbank wurde das Akquisitionsverbot allerdings als Kompensation dafür, dass die Commerzbank einen kleinen Teil der Eurohypo im Bereich der gewerblichen Immobilienfinanzierung in den Konzern integrieren durfte, verlängert und auf Unternehmen ausgeweitet, die nicht der Finanzbranche angehören. Von diesen Plänen hat die Commerzbank inzwischen allerdings Abstand genommen und sich dafür entschieden, die Eurohypo vollständig abzuwickeln. 857  KOM vom 12.05.2009, ABl. 2009 Nr. L 345, S. 1 Rn. 78, Anhang Rn. 5.8 Umstrukturierung der WestLB.



II. Rechtfertigung der Bankenbeihilfen167

Zunächst schützen alle Verhaltensmaßregeln den Wettbewerb insofern, als sie der Gefahr eines Moral Hazard entgegenwirken.858 Außerdem werden durch die Pflicht zu ausreichender Kreditvergabe an die Realwirtschaft und die Pflicht zu nachhaltiger, risikomeidender Geschäftspolitik Ressourcen gebunden, die nicht mehr für aggressive Marktstrategien zum Nachteil der Wettbewerber eingesetzt werden können.859 Diesem Zweck dient letztlich auch das Verbot der Akquisition von Wettbewerbern. Das Verbot der Unterbietung von Wettbewerbern ist stärkerer Kritik ausgesetzt. Es resultiert in einer Beschränkung des Preiswettbewerbs und wirkt sich daher regelmäßig zum Nachteil der Verbraucher aus.860 Zudem wird vorgebracht, das Verbot provoziere die Kontaktaufnahme mit Konkurrenten und könne so schließlich zu einem Verstoß gegen Art. 101 AEUV führen.861 Dagegen könnte eingewendet werden, die Geltung des Kartellverbots werde nicht gelockert, so dass lediglich dessen Einhaltung und effektive Durchsetzung besonders sorgfältig zu beobachten seien. Allerdings können die negativen Folgen für den Wettbewerb, die Art. 101 AEUV verhindern soll, auch unabhängig von einem Verstoß gegen diese Norm eintreten. Besonders deutlich hat sich dies in der niederländischen Bankenlandschaft gezeigt.862 Die Rabobank, bei der es sich ursprünglich um die Preisführerin auf dem holländischen Hypothekenmarkt handelte, war als einziges marktstarkes Institut keinem entsprechenden Verbot unterworfen. Da ABN Amro-Fortis und Aegon die Preise der Rabobank nun nicht mehr unterbieten konnten, war die Rabobank keinem Wettbewerbsdruck mehr ausgesetzt. Zeitgleich stiegen die Hypothekenraten. Dieser Mechanismus lässt sich als „staatlich gefördertes Kartell“ begreifen, das keiner verbotenen Absprachen bedarf.863 Das Argument, die Kompensationsmaßnahme sei hinzunehmen, weil den Verbrauchern auch bei Ausscheiden der Beihilfeempfänger aus dem Markt Zimmer / Blaschczok, 1 ECLR 9, 16 (2011). 1 ECLR 9, 15 (2011). 860  ECLF Working Group on State Aid in the Banking Crisis, ECJ 2010, S. 491, 497; Soltész, WuW 2010, S. 743, 751. 861  Soltész, WuW 2010, S. 743, 751. 862  Eingehend hierzu Randag, State-aided Price Coordination in the Dutch mortgage market. Die Untersuchung durch die niederländische Wettbewerbsbehörde kommt zu einem anderen Ergebnis, Nederlandse Mededingingsautoriteit, Sectorstudie hypotheekmarkt, Mai 2011, abrufbar unter http: /  / www.nma.nl / images / Sector studie %20Hypotheekmarkt22-188439.pdf. 863  Randag, State-aided Price Coordination in the Dutch mortgage market, S. 6 f. weist darauf hin, dass die niederländische Wettbewerbsbehörde die gestiegenen Preise auf erhöhte Risiken und Kosten bei der Hypothekenvergabe sowie eine erhöhte Marktkonzentration zurückführt, siehe Nederlandse Mededingingsautoriteit, Sectorstudie hypotheekmarkt, Mai 2011, abrufbar unter http: /  / www.nma.nl / images / Sec torstudie %20Hypotheekmarkt22-188439.pdf. 858  Vgl.

859  Zimmer / Blaschczok,

168

D. Neuer Rechtsrahmen in der Anwendungspraxis

ein günstigerer Preis nicht zugänglich gewesen sei, vermag nicht zu überzeugen. Andernfalls könnte die Kommission zum Nachteil der Verbraucher willkürlich alle Arten von Ausgleichsmaßnahmen treffen. Zudem hat die Kommission in der Umstrukturierungsmitteilung die Mitgliedstaaten aufgefordert, andere Kompensationsmaßnahmen vorzuschlagen, wenn ein Verbot der Unterbietung von Konkurrenten die Gewährleistung eines wirksamen Wettbewerbs beeinträchtigen würde.864 Damit hat sie gezeigt, dass sie sich der mit dem Verbot verbundenen potenziellen Gefahren für den wirksamen Wettbewerb bewusst ist und es diese zu vermeiden gilt. Ein Dividendenausschüttungsverbot und ein Verbot von Kuponzahlungen sollen das Vorhandensein einer ausreichenden Kapitalausstattung sicherstellen und verfolgen somit wirtschaftspolitische Ziele.865 Allerdings geht damit langfristig die Gefahr einher, dass private Investoren andere Anlageobjekte suchen.866 Soweit damit ein Wettbewerbsschutz anderer Teilnehmer auf dem Markt für Investitionskapital bewirkt wird, welcher der Ausschüttungspolitik mitunter erhebliche Bedeutung beimisst, ist dies lediglich ein nicht zu überschätzender Reflex. Bonifikationsverbote sowie die sonstige Begrenzung der Vergütung für Führungskräfte scheinen in erster Linie der Zufriedenstellung der Wähler zu dienen.867 Eine wohl unbeabsichtigte wettbewerbsschützende Kompensationskomponente erreichen sie allenfalls, soweit der Beihilfeempfänger gezwungen ist, auf dem Arbeitsmarkt für Führungskräfte zugunsten anderer Marktteilnehmer zurückhaltender aufzutreten. Im Vordergrund steht bei Ausschüttungsverboten und Vergütungsbeschränkungen jedoch die Erbringung eines beträchtlichen Eigenbeitrages, wodurch eine dem Wettbewerbsschutz zuträgliche Reduktion des Umfangs von Beihilfen erreicht werden soll.868 Wiederum ist auf die Kritik, die Kommission richte ihr Handeln nicht hinreichend am Leitbild des Wettbewerbsschutzes aus, zu entgegnen, dass die Kommission auch ihre politischen Vorstellungen in ihre Ermessensausübung einfließen lassen darf. Zudem ist auch nicht ersichtlich, dass die Kommission den wirksamen Wettbewerb durch diese Ausgleichsmaßnahmen beeinträchtigt. Insofern besteht ein Unterschied zu den mit dem Verbot der Unterbietung von Wettbewerbern einhergehenden potenziellen Wettbewerbsnachteilen. Nicht von der Hand zu weisen sind hingegen praktische Probleme, die sich aus der Notwendigkeit der Kontrolle von Verhaltensmaßregeln und dem daraus resultierenden zusätzlichen Aufwand für die Kommission ergeben.869 864  Umstrukturierungsmitteilung

(Fn. 354) Rn. 44. WuW 2010, S. 743, 751; Zimmer / Blaschczok, 1 ECLR 9, 15 (2011). 866  Gebski, 6 CompLRev 89, 110 (2009). 867  Zimmer / Blaschczok, 1 ECLR 9, 15 (2011). 868  Soltész, WuW 2010, S. 743, 751 f.; Zimmer / Blaschczok, 1 ECLR 9, 15 f. (2011). 869  Soltész, WuW 2010, S. 743, 751. 865  Soltész,

E. Zusammenfassung in Thesen 1. Wegen der mit staatlichen Hilfen für Unternehmen verbundenen Wettbewerbsverzerrungen begegnete die Kommission Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen stets mit Vorbehalten. Zu Beginn der Finanzkrise zog die Kommission als Bewertungsmaßstäbe für Bankenbeihilfen die Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten heran. Diese erwiesen sich aber vor dem Hintergrund, dass es nicht mehr lediglich um die Rettung einzelner Kreditinstitute, sondern um die Gewährleistung der Finanzmarktstabilität ging, als ungeeignet. 2. Die Krise stellte die Kommission vor die Herausforderung, einerseits in kürzester Zeit eine Vielzahl von Genehmigungen zu erteilen und andererseits den Wettbewerbsschutz nicht zu vernachlässigen. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, modifizierte die Kommission die bislang angewandten materiellen und verfahrensrechtlichen Regelungen. 3. Während die Kommission die R&U-Leitlinien auf Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV stützte, zieht sie nunmehr Art. 107 Abs. 3 lit. b Var. 2 AEUV als Rechtsgrundlage für die neuen Bewertungsmaßstäbe heran. 4. Aus ökonomischer Sicht lassen sich Beihilfen bei Vorliegen eines Marktversagens oder aus Verteilungsaspekten rechtfertigen. Bankenbeihilfen in der Finanzkrise sind zur Verhinderung eines Bank Run und zur Vermeidung der Realisierung des systemischen Risikos gerechtfertigt. 5. Der More Economic Approach findet in der Krise keine Anwendung, da schon die Ressourcen fehlen, um den zusätzlichen Aufwand zu bewältigen. Allerdings bemüht die Kommission sich, die mit der Gewährung von Beihilfen einhergehenden Wettbewerbsverzerrungen zu reduzieren. 6. Die Kommission veröffentlichte die neuen Bewertungsmaßstäbe in Form von vier Mitteilungen, die den neuen Rechtsrahmen bilden. Dabei handelt es sich um Soft Law, das vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes zu einer Selbstbindung der Kommission führt. 7. Der Anwendungsbereich des neuen Rechtsrahmens ist auf systemrelevante Finanzinstitute beschränkt. Da in der Krise jedoch bereits die Insolvenz eines kleinen Instituts destabilisierend wirken kann, dürfen auch kleineren Banken Beihilfen gewährt werden.

170

E. Zusammenfassung in Thesen

8. Als allgemeine Voraussetzung für sämtliche staatliche Unterstützungsmaßnahmen gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dieser umfasst insbesondere die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität, die Erbringung eines beträchtlichen Eigenbeitrags sowie die Verhinderung unangemessener Wettbewerbsverzerrungen. 9. Der Kommission ist es gelungen, in der gebotenen Eile auf die aus der Krise entstandenen Schwierigkeiten zu reagieren und die Genehmigungsvoraussetzungen für Beihilfen zu lockern, ohne den Wettbewerbsschutz zu vernachlässigen. Indem der neue Rechtsrahmen den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume belässt, wird ein zu begrüßender „Ideenund Systemwettbewerb“ angeregt. Negativ ist zu bewerten, dass teilweise unklar blieb, welche Prinzipien der R&U-Leitlinien fortgalten, und daher das von der Kommission mit den Mitteilungen angestrebte Ziel, Transparenz und Vorhersehbarkeit ihrer Genehmigungspraxis zu schaffen, nicht vollumfänglich erreicht wurde. 10. Die Gewährung von Garantien stellt eine Beihilfe dar. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Kommission im Gegenzug die Zahlung eines Entgelts verlangt, da auf einem nicht mehr funktionierenden Markt ein angemessenes Entgelt von vornherein nicht existiert und sich somit auch unter Heranziehung des Market Economy Investor-Tests nichts anderes ergibt. 11. Wird für den Erwerb von Aktien ein über dem Kurswert liegender Betrag gezahlt, ist nach dem Market Economy Investor-Test regelmäßig vom Vorliegen einer Beihilfe auszugehen. 12. Erwirbt der SoFFin gegen Leistung von Einlagen stille Beteiligungen, ist aus denselben Gründen wie bei Garantien auch unter Berücksichtigung der Verzinsung eine Beihilfegewährung anzunehmen. 13. Die Errichtung einer Abwicklungsanstalt erfüllt den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Die Begünstigung liegt in der Vermeidung von Abschreibungen und der Bildung von Risikovorsorge sowie der Freisetzung von aufsichtsrechtlich gebundenem Eigenkapital. 14. Beim Zweckgesellschaftsmodell wird dieser wirtschaftliche Vorteil erreicht, indem der SoFFin durch die Zweckgesellschaft als Gegenleistung begebene Schuldtitel garantiert. Da der Übertragungswert höher angesetzt wird als der Wert, welcher am Ende der Laufzeit erwartet wird, und mithin die vollständige Tilgung der von der Zweckgesellschaft emittierten und vom SoFFin garantierten Anleihe von der anschließenden sukzessiven Begleichung des Ausgleichsbetrags durch die Bank abhängt, trägt der Garantiegeber das Ausfallrisiko der Ausgleichszahlungen.



E. Zusammenfassung in Thesen171

15. Beim Anstaltsmodell treten die wirtschaftlichen Vorteile dadurch ein, dass die Abwicklungsanstalt an die Bank eine Vergütung für die ausgelagerten Assets entrichtet. Zudem trifft die Anteilseigner der Abwicklungsanstalt eine unbegrenzte Verlustausgleichs- und Nachschusspflicht. Handelt es sich bei diesen um öffentliche Anteilseigner, ist das Tatbestandsmerkmal der Begünstigung durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln erfüllt, soweit der Übertragungswert der Assets deren Marktwert übersteigt. 16. Die Kommission beschränkt sich in ihrer Tätigkeit nicht mehr auf die Rolle als Hüterin des Wettbewerbs, sondern wird zunehmend rechtsgestaltend tätig. Bei den Verhandlungen über die Ausgestaltung der von den Banken vorzunehmenden Maßnahmen zur Wiederherstellung langfristiger Rentabilität, zur Leistung eines ausreichenden Eigenbeitrags und den Kompensationsmaßnahmen zur Verringerung von Wettbewerbsverzerrungen verfügt die Kommission über eine starke Verhandlungs­ position, da die Gegenpartei eine Negativentscheidung vermeiden will. 17. Die Befugnis der Kommission, die Genehmigungsentscheidung mit Auflagen und Bedingungen zu verbinden, ergibt sich für das förmliche Prüfverfahren bereits aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Im vorläufigen Prüfverfahren besteht zwar keine entsprechende Kompetenz der Kommission, allerdings kann die Kommission die Erteilung der Genehmigung von nach ihren Vorstellungen ausgestalteten Zusagen durch den Mitgliedstaat abhängig machen. Da diese als Teil der Anmeldung angesehen werden müssen, sind sie auch ohne ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage zulässig. 18. Statthafter Rechtsbehelf gegen das förmliche Verfahren abschließende Entscheidungen sowie gegen Positiventscheidungen am Ende der vorläufigen Prüfung ist die Nichtigkeitsklage. Eine isolierte Anfechtung von mit der Positiventscheidung am Ende des förmlichen Verfahrens verbundenen Auflagen und Bedingungen scheidet zwar aus, allerdings können die Nebenbestimmungen zusammen mit der Positiventscheidung angegriffen werden. Gegen das vorläufige Prüfverfahren abschließende Positiventscheidungen ist eine Nichtigkeitsklage im Fall einer Genehmigung unzulässig, da die Kommission im Fall der Änderung der Anmeldung nur noch den vom Mitgliedstaat selbst modifizierten Antrag prüft und mithin weder der Mitgliedstaat noch der Beihilfeempfänger beschwert sind. 19. Bei der Festlegung von strukturellen Maßnahmen verfügt die Kommission über ein weites Ermessen, da die unterstützte Bank ohne die staatliche Hilfe nicht überlebensfähig gewesen und folglich aus dem Markt ausgeschieden wäre. Dabei darf sie auch politische Ziele einbeziehen.

172

E. Zusammenfassung in Thesen

Berechtigte Kritik wird allerdings an den Verpflichtungen zur Veräußerung von Beteiligungen vorgebracht. Verhaltensmaßregeln wirken hingegen weniger belastend und sind daher geringeren Bedenken ausgesetzt als strukturelle Maßnahmen. Eine Ausnahme gilt hinsichtlich des Verbotes der Unterbietung von Wettbewerbern.

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Stichwortverzeichnis Abwicklungsanstalt  120, 121, 127–144, 161, 162, 165, 170, 171 adverse Selektion  52, 53 AidA-Modell  128–130, 134, 135 angemessenes Entgelt  97, 122, 170 Anstaltsmodell  127, 171 asymmetrische Information  55, 59 Bad Bank  81, 120, 132 Bank Run  52, 56–62, 80, 88, 169 Bankenabgabe  114, 115 Bankenmitteilung 2008  49, 50, 80–82, 84, 87, 89–93, 95–101, 106, 109–111, 122, 123, 146, 147, 164 Bankgesellschaft Berlin  20, 148, 161 Base-Case-Szenario  96 Begünstigung  18, 19, 37, 65, 66, 117, 121, 122, 126, 134, 135, 170, 171 Bradford & Bingley  24, 31, 94 Bull  27 Bürgschaft  31 CDS-Spreads  108 Chicago School  37 Claw-Back-Klauseln  97 Commerzbank  17, 102, 116, 117, 119, 120, 123–127, 153, 161, 162, 164–166 De Minimis-GVO  74 Dexia  31 Diamond / Dybvig  57, 58 Dividenden  97, 108 EAA  9, 133–135, 139–143, 165 Effizienz  38, 50, 57, 59, 60, 70, 76 Eigenbeitrag  33, 93, 95, 96, 123, 143, 145

Entlastungsmaßnahmen für wertgeminderte Vermögenswerte  16, 64, 80, 84, 91, 102, 109, 136 Ermessen  39, 158, 171 Eurohypo  161, 165, 166 Exit  104, 112 Expansionsbeschränkungen  98, 146, 165 externe Effekte  52, 58, 62 Fiona Bank  90 Fire Sales  63 FMS Wertmanagement  120, 132 förmliches Prüfverfahren  149–153, 171 Garantien  16, 17, 26, 63, 80, 82, 83, 93, 95, 98, 99, 104–108, 119–123, 129, 130, 134, 144, 170 Gefangenendilemma  58, 63 Gesamtwohlfahrtstandard  70 Grundsatz der Nichtdiskriminierung  95 grundsätzlich gesunde Banken  26, 92, 100–104 Harvard School  37 Homogenitätsannahme  60 Hybridkapital  166 Hypo Real Estate  16, 17, 24, 94, 116, 117, 120, 124–128, 132, 133, 139, 161 IKB  11, 15, 23, 30, 49, 161 ING  159, 161 Kapitalbeschaffungsplan  95 Kapitalerhöhung  124–126 Katastrophenbeihilfen  43–46 Kauphting Bank  90

188 Stichwortverzeichnis Kompensationsmaßnahmen  25, 81, 98, 145, 147, 148–160, 162–164, 168, 171 Konsumentenwohlfahrtstandard  70 kontrollierte Liquidation  80 Kreditklemmen  80 Kupons  97, 147, 166 Landesbank Hessen-Thüringen  142 langfristige Rentabilität  21, 83, 95, 96, 108, 109, 145 Lastenverteilung  95, 110, 139, 141 LBBW  12, 161 Lehman Brothers  15, 23, 62, 91, 106 Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten  17, 20–34, 82, 84, 90, 91, 93, 100, 110, 146, 148, 150, 155, 169, 170 Long Term Investor-Maßstab  118 Market Economy Investor-Test  117, 121, 122, 126, 127, 170 Marktstrukturkriterien  146 Marktversagen  50–65, 68, 71, 77 Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen ab dem 1. August 2013 auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise  84 Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise ab 2012  83, 107–109 Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011  81, 82, 92, 96, 102, 103, 106, 107 Modell der vollständigen Konkurrenz  52 Moral Hazard  52, 54, 55, 60, 62, 97, 164, 167

More Economic Approach  51, 65–79, 169 Nebenbestimmungen  148–150, 152–155, 158, 159, 162, 171 neuer Rechtsrahmen  81 Nichtigkeitsklage  85, 154, 159, 171 nichtwettbewerbliche Zielsetzungen  38 Northern Rock  15, 23, 30, 61, 161 Offenlegung  136, 138, 140 One Time, Last Time-Prinzip  26–28 Österreichische Schule  37 pbb  12, 124, 161, 165 Philip Morris  48, 49 Phoenix-Portfolio  133 Portigon  133, 142, 143 positive Integration  38 Prinzip der negativen Integration  38 Prinzip der praktischen Konkordanz  40 Prinzipal-Agent-Konflikte  53, 55–56 Querschnittsklauseln  40 Rabobank  167 Rating-Agentur  23, 52, 55 Rating Shopping  55 Rechtsschutz  154–159 Rekapitalisierung  80, 92, 95, 99, 100, 103, 123–127 Rekapitalisierungsmitteilung  80, 82, 83, 91–93, 96, 98, 99–101, 107, 108, 127, 137, 145, 147 Rentabilitätsanalyse  92, 99, 101, 102, 106 Rettungsbeihilfen  21–34, 91, 93 Risikoabschirmung  23, 29, 30, 49, 121 Risikoaktivamitteilung  80–82, 91–93, 96–99, 101, 102, 104, 134, 136–142, 145–147 Roskilde Bank  15, 23, 90

Stichwortverzeichnis189 Sachsen LB  12, 15, 23, 49 Selbstbindung  85, 169 Sequential Service Constraint  58 SoFFin  12, 16, 113–116, 119–121, 123–127, 130–132, 134, 135, 139, 144, 170 Soft Law  85, 169 Spillover-Effekte  23, 80 Staatsversagen  51 Staffelungsklauseln  100 stille Einlage  123, 125, 127 strukturelle Maßnahmen  98, 146, 160–165 Subprimemarkt  22, 23 systemisches Risiko  61–64 Systemrelevanz  62, 87–91 Too Big to Fail  24, 62 Transaktionskosten  64 Transfer-Delta  141, 142 Transparenz  42, 72, 79, 84, 110, 136, 140, 170 Übernahmewert  135, 138–140, 142 Übertragungswert  131, 135, 141, 170, 171 Umstrukturierungsbeihilfen  21, 25, 27, 28, 30–32, 83, 107, 108, 169 Umstrukturierungsmaßnahmen  32, 81, 92, 96, 101, 105, 106, 112, 142, 145, 146 Umstrukturierungsmitteilung  81, 82, 87, 91–93, 95–102, 145–147, 163, 164, 168 Umstrukturierungsplan  27, 32, 84, 91, 92, 95, 99–102, 104, 109, 142, 144, 148, 162

Veräußerung  54, 98, 130, 146, 163, 164, 172 – Schließung von Niederlassungen  98 Verbot, günstigere Konditionen als Wettbewerber anzubieten  98 Verbot der Akquisition von Wettbewerbern  98, 147, 167 Verbot von Aktienrückkäufen  98 Verfahrensdauer  34 Verhaltensmaßregeln  98, 137, 146, 147, 165–168, 172 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz  95 Verwaltungsvorschriften  85 Vorhersehbarkeit  79, 84, 110, 170 vorläufiges Prüfverfahren  150, 152, 171 Werbeverbote  98 WestImmo  162, 165 WestLB  15, 17, 23, 29, 30, 49, 116, 117, 121, 125, 127, 128, 133–135, 139–144, 148, 159, 162, 164–166 wettbewerbliches Subsidiaritätsprinzip  39 Wettbewerbskonzept  36 Withdrawal Theory  57–58 Wohlfahrtsgewinne  37, 71 Workable Competiton  37 Worst-Case-Szenario  96 zeitliche Begrenzung  31, 32, 98–100 Zielkonflikte  40 Zweckgesellschaft  54, 121, 131, 132, 135, 170 Zweckgesellschaftsmodell  128, 131, 132, 134, 136, 170 zweite Bankenmitteilung  84, 91–93, 95–97, 99, 109, 110, 111